"Geht Demokratie ohne Demokraten?"
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- Publication date
- 28.04.2011
Der Fall Eichmann, die junge Bundesrepublik und wir - fuenfzig Jahre danach.
Mitschnitt vom 28. April 2011 einer gemeinsamen Veranstaltung des Vereins "Helle Panke" - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg und der RLS-Reihe "Politik Aktuell".
Mit Beitraegen von:
1.) Dr. Holger Politt (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Leipzig)
2.) Prof. Dr. Georg Fuelberth (Politikwissenschaftler, Marburg)
3.) Daniela Dahn (Schriftstellerin, Berlin)
4.) Diskussion (gekuerzt)
Text der Veranstaltungsankuendigung:
Vor fuenfzig Jahren begann im April 1961 in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann. Der Kriegsverbrecher wurde Ende 1961 durch das israelische Gericht zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet. Durch den Prozess gegen einen der wichtigsten Architekten der Vernichtung des osteuropaeischen Judentums wurde die Aufmerksamkeit der Weltoeffentlichkeit staerker auf dieses barbarische Element im Zweiten Weltkrieg gelegt. Der Prozess in Anwesenheit des Taeters war moeglich geworden, nachdem der israelische Geheimdienst Mossad in einer bravouroesen Aktion den fluechtigen und weltweit gesuchten Verbrecher in Argentinien ausfindig machte, festsetzte und ihn schliesslich nach Israel brachte.
Viele Jahrzehnte spaeter sickerte in der Oeffentlichkeit durch, dass CIA und BND bereits vorher genau wussten, wo Eichmann sich aufhaelt. Sie hielten diese Informationen zurueck, da sie fuerchteten, Eichmann koenne nach Festnahme Auskunft geben ueber personelle Strukturen, die eine Belastung waere fuer die junge Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. In erster Linie ging es um Hans Globke, der einer der wichtigsten Vertrauenspersonen fuer Bundeskanzler Konrad Adenauer gewesen war, aber es betraf zugleich viele andere, die mittlerweile auf den verschiedenen Staatsebenen ein neues Auskommen gefunden hatten.
Ein Erklaerungsmuster fuer diesen Sachverhalt findet sich im Kalten Krieg, der damals seinem Hoehepunkt entgegen schritt, und die einstigen Anti-Hitler-Koalitionaere in Ost und West tief entzweit hatte. Wie schroff man sich mittlerweile gegenueberstand, war am deutlichsten in Berlin zu sehen, in dem im Sommer 1961 schliesslich eine trennende Mauer errichtet wurde.
Es geht weniger darum, die junge Bundesrepublik auf den Richterstuhl zu setzen, als vielmehr der Frage nachzugehen, welches Risiko der offene oder verdeckte Schulterschluss mit einstigen Funktionstraegern des Nazi-Regimes fuer das demokratische Gemeinwesen bedeutete. Wie tief die Verstrickungen reichten, zeigte mit Joschka Fischer ein Aussenminister an, der selbst politisch gross wurde in der Generation der 68er, bei der die Abrechnung mit der NS-Vergangenheit an exponierter Stelle gestanden hatte. Als er an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Aussenminister der Bundesrepublik geworden war, stolperte er in seinem Amt ueber Zeichen der braunen Vergangenheit, wie er es selbst kaum noch fuer moeglich gehalten haette. Zwar waren es Einzelfaelle, aber er hielt es fuer notwendig, noch einmal gruendlich die Gesamtgeschichte der Verquickungen mit der NS-Vergangenheit im Aussenministerium der Bundesrepublik zum Forschungsgegenstand zu machen. (Das Ergebnis kann seit 2010 nachgelesen werden in "Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik")
Mitschnitt vom 28. April 2011 einer gemeinsamen Veranstaltung des Vereins "Helle Panke" - Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin, der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg und der RLS-Reihe "Politik Aktuell".
Mit Beitraegen von:
1.) Dr. Holger Politt (Rosa-Luxemburg-Stiftung, Leipzig)
2.) Prof. Dr. Georg Fuelberth (Politikwissenschaftler, Marburg)
3.) Daniela Dahn (Schriftstellerin, Berlin)
4.) Diskussion (gekuerzt)
Text der Veranstaltungsankuendigung:
Vor fuenfzig Jahren begann im April 1961 in Jerusalem der Prozess gegen Adolf Eichmann. Der Kriegsverbrecher wurde Ende 1961 durch das israelische Gericht zum Tode verurteilt und 1962 hingerichtet. Durch den Prozess gegen einen der wichtigsten Architekten der Vernichtung des osteuropaeischen Judentums wurde die Aufmerksamkeit der Weltoeffentlichkeit staerker auf dieses barbarische Element im Zweiten Weltkrieg gelegt. Der Prozess in Anwesenheit des Taeters war moeglich geworden, nachdem der israelische Geheimdienst Mossad in einer bravouroesen Aktion den fluechtigen und weltweit gesuchten Verbrecher in Argentinien ausfindig machte, festsetzte und ihn schliesslich nach Israel brachte.
Viele Jahrzehnte spaeter sickerte in der Oeffentlichkeit durch, dass CIA und BND bereits vorher genau wussten, wo Eichmann sich aufhaelt. Sie hielten diese Informationen zurueck, da sie fuerchteten, Eichmann koenne nach Festnahme Auskunft geben ueber personelle Strukturen, die eine Belastung waere fuer die junge Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. In erster Linie ging es um Hans Globke, der einer der wichtigsten Vertrauenspersonen fuer Bundeskanzler Konrad Adenauer gewesen war, aber es betraf zugleich viele andere, die mittlerweile auf den verschiedenen Staatsebenen ein neues Auskommen gefunden hatten.
Ein Erklaerungsmuster fuer diesen Sachverhalt findet sich im Kalten Krieg, der damals seinem Hoehepunkt entgegen schritt, und die einstigen Anti-Hitler-Koalitionaere in Ost und West tief entzweit hatte. Wie schroff man sich mittlerweile gegenueberstand, war am deutlichsten in Berlin zu sehen, in dem im Sommer 1961 schliesslich eine trennende Mauer errichtet wurde.
Es geht weniger darum, die junge Bundesrepublik auf den Richterstuhl zu setzen, als vielmehr der Frage nachzugehen, welches Risiko der offene oder verdeckte Schulterschluss mit einstigen Funktionstraegern des Nazi-Regimes fuer das demokratische Gemeinwesen bedeutete. Wie tief die Verstrickungen reichten, zeigte mit Joschka Fischer ein Aussenminister an, der selbst politisch gross wurde in der Generation der 68er, bei der die Abrechnung mit der NS-Vergangenheit an exponierter Stelle gestanden hatte. Als er an der Schwelle zum 21. Jahrhundert Aussenminister der Bundesrepublik geworden war, stolperte er in seinem Amt ueber Zeichen der braunen Vergangenheit, wie er es selbst kaum noch fuer moeglich gehalten haette. Zwar waren es Einzelfaelle, aber er hielt es fuer notwendig, noch einmal gruendlich die Gesamtgeschichte der Verquickungen mit der NS-Vergangenheit im Aussenministerium der Bundesrepublik zum Forschungsgegenstand zu machen. (Das Ergebnis kann seit 2010 nachgelesen werden in "Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik")
- Addeddate
- 2011-06-26 19:55:55
- External_metadata_update
- 2019-04-09T11:26:43Z
- Identifier
- gehtDemokratieOhneDemokraten
- Year
- 2011
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