Microfilmed For
UNIVERSITY OF ILLINOIS
AT URBANA-CHAMPAIGN
April 1992
Microfilmed By
MAPS
The MicrogrAphic
Preservation Service
Bethlehem, PA 18017
Camera Operators
Carmen Trinidad
Patty Banko
/
MICROFILMED 1992
University of Illinois Library at Urbana-Champaign
1 408 West Gregory Drive Urbana, Illinois 61801
Humanities Preservation Project
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University of Illinois Library at
Urbana-Cliampaign
MASTER NEGATIVE STORAGE NUMBER
91-1078
AUTHOR: Wertheimer,
Paul TITLE: Im Lande der
Torheit PLACE: Wien
DATE: 1910
UIUC Master Negative 91-1078
University of Illinois at Urbana-Champaign
University Library
Urbana, Illinois 61801
HUMANITIES PRESERVATION PROJECT CATALOG RECORD TARGET
Wertheimer, Paul, 1874-
Im Lande der Torheit : neue Verse / von Paul Wertheimer. Wien : Heller, 1910. 95 p. ; 20 cm.
MICROFILMED BY
MAPS The MicrogrAphic Preservation Service
BETHLEHEM, PA
on behalf of
The Humanities Preservation Project
at the University Library
of the University of Illinois at Urbana-Champaign
Film size: 35mm microfilm
Image Placement: IIA
Reduction Ratio: IQ» I
Date Filming Began: S^^^h^
Camera Operators:
2.0 mm
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdetghi|klmnopgrstuvwj(y7 1234567890
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ abcdefghijklmnopqrstuvwxyzl234567890
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ
abcdefghijkimnopqrstuvwxyz
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2.5 mm
ABCDEFGHIJKLMNOPQRSTUVWXYZ
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UNIVERSITY OF ILLINOIS LIBRARY AT URBANA-CHAMPAIGN
1-161— O- 1096
IM LANDE DER TORHEIT
IM LANDE DER TORHEIT
NEUE VERSE
VON
PAUL WERTHEIMER
WIEN UND LEIPZIG 1910 HUGO HELLER & CE:
K. und k. Hofbuclidrucker Fr. Winiker & Schickardt, Brunn.
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, Im Lande der Torheit küßt' ich die Hände der schönen Frauen."
OTTO ERICH HARTLEBEN.
INHALT
AUF BUNTEB FAHRT
Seite
Meran 3
Bozen 5
Der Bergstrom 6
Bergwanderung 7
Morgen im Hochgebirge 8
Reise 9
Aus dem italienischen Slcizzenbuch 10
Ostsee 14
Seefahrt 15
Stiergefecht 16
Die Judenstadt 19
Sommernacht in Tunis 20
AUS DER TÖRICHTEN STADT
Prinz Karneval 25
Winterfrühling 26
„Stoclc im Eisen" 27
Der Liebespark 28
Wiener Sizilianen 29
Wiener Wald 33
Laxenburg 34
VON TÖRICHTEN FRAUEN
Wunsch in die Dämmerung 37
Rokoko 38
Der Besuch 39
Ausflug 40
Idyll 42
Sonntag 43
Taglied 46
Landschaft der Liebe 47
Sommernacht 48
VI!
Seite
Schließ die Augen zu, mein Kind 49
Schlummerlied 50
Die erste Nacht 51
Magdalena 53
Romantik 54
MELANCHOLISCHES INTERMEZZO
Melodie in Moll 57
Das begrabene Herz 58
Freunde 59
Ecce poeta 60
Beichte 61
Das Kind 62
Mutter 63
Kranke Mutter 64
Hoffnung 65
Vagantenlied 66
Die Hündin 67
Der traurige Ehemann 68
Bettlerlied 70
Nächtliche Straße 71
Das Testament 74
TORENWEISHEIT
Gastmahl 83
März 84
Die Quelle 85
Gottfried Keller 86
Mai 87
Im Wandern . 88
An den Eros 89
Sekunden der Ewigkeit 90
Nachtflug 91
Schopenhauer 92
Das Winzerfest 93
VIII
AUF BUNTER FAHRT
Am Himmel wächst der* Sonne Glut, Aufquillt der See, das Eis zersprang, Das erste Segel teilt die Flut, Mir schwillt das Herz wie Segeldrang.
C. F. MEYER.
Wertheimer: Im Lande der Torheit.
MERAN
Tief unten der Fluß, zwischen Felsen gekrümmt, Wie ein zorngebändigter Bogen ; Den Berg hinauf die Rebe klimmt. An sachten Bögen gezogen.
Herbstdämmerung. Im milden Schein Schwebt das Blatt wie ein Falter im Reigen. Die Echse huscht sacht, sacht über den Stein, Wie die Elfe dort hinter den Zweigen.
In Reben nistet ein Kirchlein versteckt. Von Immergrün umkettet. Das hat sich, damit es kein Späher entdeckt. In den Schatten der Burg gerettet.
Der liebe Gott sitzt am Wegesrand Unter den Silberweiden, Und blickt vergnügt hinunter ins Land Unter dem Himmel von Seiden.
Er sitzt in lässiger Hirtentracht; Die Hand spielt mit der Flöte. Er sieht, wie er alles wohl bedacht. Da überfliegt ihn die Röte.
Die fliegt wohl über die Berge frei, Die tief in Gluten tauchen, Und fliegt wohl über die Wolken frei. Die leis' errötend hauchen.
Da hebt der liebe Gott einen Sang, Weil ihm sein Tag gelungen. Der kommt vom Himmel die Stern' entlang In dieses Tal geschwungen.
Und klingt im lieben Tal und klingt
Aus des müden Vogels Kehle,
Braust über den Strom, schwingt die Sterne
und schwingt Silbern in meiner Seele.
BOZEN
Da liegt die Stadt wie eine Blüte, Hinaufgespült vom Fluß so klar. Die Sonne wärmt mir das Gemüte — Wie ist die Welt so wunderbar...
An Hügeln wölben sich die Reben, Und in der Kelter schäumt das Jahr. Die Sorge seh' ich berghin schweben Wie ist die Welt so wunderbar...
Um Burgen ranken lust'ge Winden, Der Efeu schwärmt um den Altar; Der Nebel leuchtet in den Gründen Wie ist die Welt so wunderbar. . •
DER BERGSTROM
Es knirscht der Fluß ; es schäumt der Quell, Schlägt an den Fels die Wogen. Da kommt, ein lachender Gesell, Der Geist des Tals gezogen.
„Was soll dein heidnisch Grollen mir? Du sollst das Brot mir mahlen. Zu meinen Füßen rollen hier, Licht meinen Nächten strahlen!"
Und packt den Fels, durchbohrt den Sand, Fügt ein die Eisenklammern ; Da fliehn mit flatterndem Gewand Dort aus den Felsenkammern
Die Nymphen. Aus der Mulde Gischt Hebt sich der Gott, der alte. Und schleudert, eh' sein Tag verzischt, Hervor Stein und Basalte.
Und rauft sein grünes Silberhaar, Und mit den Riesenhänden Wirft er die Felsen nach der Schar Der Nymphen ; an den Wänden
Hohnlachen rings. Sanft rinnt die Flut, Gebändigt von erzenen Zeiten. Du läßt die Flut im Übermut Dir durch die Finger gleiten . . .
BERGWANDERUNG
Durch Wiesensumpf ein sanfter Pfad. Buchen ; fallende Schatten. Steine ; Geröll ; ein Felsengrat Und weite, weite Matten.
Jetzt tritt in den Schnee und fester der Fuß. Vorbei in den Knien das Bangen. Ich halte den Pickel. Ich heb* ihn zum Gruß! Ich fühl' das Erbräunen der Wangen.
Wir wandern. • . Der Paß ! — Da schaue ich Hinüber... Die Spitzen blinken! Auf zu den Wolken bau' ich mich Mit Schroffen, Zacken, Zinken!
MORGEN IM HOCHGEBIRGE
Die Morgenwinde warten schon, Ein Rauschen ist erwacht; Die Blüte schließt der blasse Mohn Auf dem Finger der Sommernacht.
Fern durch den Rauch ein brauner Streif Über dem Gletscherfirn ; Es fällt ein goldner Traumkönigsreif Mir auf die feuchte Stirn.
8
REISE
Oben mit der Wolkenfaust
Kommt der liebe Gott gebraust.
Ängstlich flattert ein Rabe,
Wie der Zug jetzt über die Donau saust —
Trabe, trabe, trabe . . .
Und so traben wir durch das Land. Klee und Korn. Ein grünes Band. Einmal zu dem gleichen Strand Zog ich schon als Knabe — Trabe, trabe, trabe . . .
Mutter ist schon eine alte Frau.
Wer weiß, wie ich sie wiederschau'?
Komm' ich heim, prüft mich mein Mädel genau.
Ob ich noch lieb sie habe —
Trabe, trabe, trabe . . .
Rot steigt die Sonne. Die Welt wird weit. Grüß' dich Gott, Frau Heiterkeit. Im Fels dort des Kirchhofs Einsamkeit. Vorüber an manchem Grabe — Trabe, trabe, trabe . . .
AUS DEM ITALIENISCHEN SKIZZEN- BUCH
„IL SALONE"
(DER GROSZE RATSAAL PADUAS)
Roter Marbel. Spitze Bogen, Ungeheuerlich verschlungen, Steinerne Erinnerungen. Und die Loggia rings gezogen
Um des Saales Riesenbreite. Ernst blickt Titus Livius nieder. Und das Holzpferd reckt die Glieder Ungeheuer in das Weite.
Ritter mit gesenkten Lanzen. Würd'ge Ratsherrn, ernst, im Bilde — Hier mit dir, du Süße, Wilde, Möchf ich in der Mainacht tanzen !
Um die Wölbung Mondesschimmer. Dunkler Märtyrer Gebeine Steigen auf im blauen Scheine. Sankt Antonius, streng wie immer,
Führt den blassen Büßerreigen.
Auf den traumesblauen Fliesen
Tanzen wir zu Paradiesen
In dem schweren, schwarzen Schweigen.
10
Männer, hochgelehrt, in Falten Ernst die Mäntel, ernst die Brauen, Warnend auf uns niederschauen, Aber Giottos Engel halten —
Schützend ihre zarten Hände : Aus dem blauen Grunde schwebend, Weiße Liliensterne hebend Über unsrer Seelen Brände.
PIAZETTA MICHELANGELO
(FLORENZ)
Weiße Villen, aus Zypressen steigend, Starre Pinien, luft'ge Aprikosen. Lorbeerblüten, weiß sich niederneigend In den Tag, den blauen, uferlosen.
Marmorkuppeln. Blüten ! Die Kapelle. Spitze Türme, in die Sonne stechend. Schwer von Ahnung glüht die Mittagshelle, Und mein Herz, in Ahnungsfülle brechend.
Alle meine zarten Kümmernisse Flattern blaugerandet in die Weiten ; Worte, die verrauscht, verwehte Küsse, Lass' ich mit dem grünen Strom hin gleiten
11
„DIE AUSGIESZUNG DES LICHTES"
(TIZIAN)
Goethe, in diesen Wandertagen
Bist du mir wieder traut geeint
Und breitest freundliches Behagen
Um mich und Licht auf all mein Wagen
Und bist mir Meister, Bruder, Freund.
Unendlicher, auf irren Wegen Dürft' ich dir, stets getröstet, nahn : Von dir strömt Fülle mir entgegen. Wie rings der goldne Strahlensegen Vom Gnadenbild des Tizian.
„MADONNA MIT DEM ROSENKRANZ"
(GUIDO RENI)
Ich hab' dir weh getan, ich weiß, mein Scheiden Griff dir ins Herz, und ließ dich doch allein : Ein Zug von wissendem, von frühem Leiden Grub sich in die Madonnenwange ein.
Doch will ich heimgekehrt das Haupt dir
schmücken Mit blühender Gefühle zartem Glanz, Auf deine blasse Stirne will ich drücken Von dunkelroten Liedern einen Kranz.
12
BOECKLINS GRAB
(EVANGELISCHER FRIEDHOF BEI FLORENZ)
Non omnis moriar! — vom weißen Marmor
erglänzend. Boecklin schlummert im Hain. Wie es der
Meister geträumt, Dämmert im Abenddufte das Bild : Tiefschwarze
Zypressen, Lichteres Grün umrandet die Gruft. In goldener
Ferne Weiß ein Kloster und weiß der stummen Mönche
Gewänder. Tod wird Liebe und Liebe wird Tod — die
sinnende Stirne Neig' ich nieder zur Gruft; da raunt's in den
Büschen lebendig: Durch die blauende Luft her schwimmen
Gestalten, ein Wunder, Und an Zypressengeäst klammert sich Triton
und Faun.
13
OSTSEE
Da lieg' ich an dem weißen Ostseestrande. Das Meer... Das Meer! Mein wahrge wordner
Traum ! Ich bin vergraben in dem feinen Sande Und bin nur Wind und Welle, Sturm und Schaum.
Und meine Wunschgedanken lass' ich gleiten Hinauf-, hinunterwärts die grüne Bahn. 0 meines jungen Traums Unendlichkeiten ! Ein Hauch bewegt der Sehnsucht goldnen Kahn.
Mein Kahn ist ganz mit Wein und Obst beladen Und voll Musik : von Gott und Welt und Mut, Und von des Meeres königlichen Gnaden Und von der Kraft, die lächelnd in mir ruht.
14
SEEFAHRT
Das Meer liegt im opalnen Glanz Traumleicht, in Dämmerruh'. Ich sehe still der Sonne Tanz Auf blanker Fläche zu.
Hin, wo die weiche Welle ruht. Senkt blutig sie den Lauf. Es fängt das Meer der Sonne Blut In goldner Schale auf.
Und die Najaden wiegen sich Schwebend in blauem Zug Und steigen auf und schmiegen sich An meines Schiffes Bug.
Und flechten Lichter sich ins Haar Vom Hafen, wie er blinkt. Ich schaue, wie die selge Schar Mit weißen Armen winkt.
15
STIERGEFECHT
(SEVILLA)
Stadt der Blumen, Stadt der Gärten, Um den Fluß im Dufte schwimmend; Höher zu den Hügeln klimmend. Stadt der Blumen, Stadt der Gärten.
Lärm. Musik. Platanen wehen. Carmen schlüpft dort um die Hecke. Siehst du nicht in jeder Ecke Figaro im Laden stehen?
Sonntag. Noch im Kirchenchore Wird die Blumenstadt lebendig. Wilde Blicke. Ein unbändig Rauschen um des Zirkus Tore.
Steinernes Amphitheater. Bogen, weit das Blau umfangend. Oben Menschen, tobend, hangend. Dirne... Dame... Künstler... Pater.
Nelken fliegen. Heißes Summen. Reiter schwirren. Seide. Farben. Braune Burschen. Schwarze Narben. Da der Stier — ein jäh Verstummen.
16
Ungeheuer. Schwarz. Dumm glotzend. Und sie sticheln mit den Lanzen Seinen Nacken. Wie sie tanzen! Blutig steht er da und trotzend.
Und sie sticheln mit den hellen Spitzen. Blut. Ein tiefstes Brüllen. Mit den Hörnern hoch ein Füllen Läßt er in die Lüfte schnellen.
Da — der Sieger, er, der Große, Der ihn fällt! Hoch blickt er, zielend. Und der Stier, den Boden wühlend. Neigt das Hörn zum Todesstoße.
Der Torero fehlt. Im Wüten Stürzt der Stier auf ihn. Getreten,
Stürbe hin der Held! Ein Beten.
Nieder fallen Schleier, Blüten.
Der Torero steht. Im weichen Punkt des Nackens sitzt die Lanze, Rast der Stier im Todestanze — Pferde schleppen Pferdeleichen.
Rot wird die Arena, röter. Buben auf dem Sande johlen, Schlagen tolle Kapriolen, Spielen Stier, des Stieres Töter.
Wertheimer: Im Lande der Torheit
17
Mädchen schmücken die Mantilla Mit dem Tüchlein, rot die Seide Von des Tieres Eingeweide. Tief in Gärten träumt Sevilla.
Eine zarte Blume ruht es.
Rot in Fackeln brennt der Himmel!
Rotes, rasendes Gewimmel.
Stadt der Blumen, Stadt des Blutes.
18
DIE JÜDENSTADT
(TUNIS)
Arabische Stadt. Ein weißes Flimmern. So ruhig blaut der Himmel drein. Gestalten, weiß und stumm. Ein Schimmern Bricht hell dort aus des Marktes Reihn. Da ziehen Juden starken Ganges, Die Edelsteine auf der Brust; Sie ziehen murmelnd stolzen Sanges, Wie Priester ihres Gotts bewußt.
Und wie ein König an Gebärde Weist mir der Alte dort sein Haus ; Die Kinder neigen sich zur Erde, Spricht nur ein Wort der Vater aus. In Purpur, goldverbrämten Mützen Umschreiten sie den Hausaltar. Er hebt das Buch — die Blicke blitzen. Du lebst, Judäa, du bist wahr !
Judäa, längst aus deinen Bürden Riß ich mich spielend heiter los. Nun führ ich meines Stammes Würden Und sink' in deinen dunklen Schoß. Müd schwingt in mir versunknes Beten, Urväter Zug das Tal durchfegt. Gesträubten Haars sieh den Propheten, Wie er aus Herzen Quellen schlägt.
2*
19
SOMMERNACHT IN TUNIS
Sommernacht. Die Sterne fallen. Und die Souks ins Dunkel träumen Hinter Schleiern wie die Frauen. Noch ein Fläschchen Rosenöl Berg' ich, Liebste, dir zur Gabe, Und die Schale aus Onyx.
Blanke Avenüen. Lachen.
Schweigend zieht manch ernster Burnus
Durch französisch heitre Trachten.
„Sehen wir die Tänzerinnen?**
Bunter im Araberviertel
Dünkt mir's jetzt, zur Märchenstunde.
„Franken seid ihr. Will euch führen
Durch die Stätten der Kabylen
Hin zu meinem Lieblingsplatze.
Keiner zieht zu dieser Stunde
Ungemordet diese Gassen.
Aber ihr mögt mir vertrauen;
Denn ich bin ein Mann und heiße
Mahomed. "
Stummes Wandern. Schmale Häuser, Die sich mit der Stirne treffen. Da der weiße, ungeheure
20
Markt. Hier tanzten heut die Schlangen.
Stille wie des Paradieses.
Selbst die Hunde sind verkrochen.
Wie ein Burnus liegt entfaltet
Weiß die Stadt. Die Sterne fallen,
Fallen wie die Koransprüche
In die froh erschrockne Seele.
Stille . • . Stille . . . Dieses Hauses
Pforte öffnet Mahomed,
Fromm das Haupt zur Erde neigend.
Männer sitzen auf den Matten, Blicken schweigend zu des Herdes Sinnbild — dort die goldne Hand • . . Aber aus entfernter Kammer Webt Musik, so süß, betörend. Frauen biegen sich im Tanze. Schweres Duften. Blasse Lichter. Schleier wirbeln. Zu den Stufen Jagt mich jetzt der Fürwitz. Dolche Klirren; Rufe beben. Ehern Hält mich Mahomed
Und er leitet mich zum Markt, Der im weißen Lichte leuchtet Wie von Gräbern. „Die Laterne
21
Seht, sie ist mein Lieblingsplätzchen. Hier hab' ich mit diesen Händen Einen Fremden und Verwegnen Aufgeknüpft, der meinem Weibe Ruchlos nahte, hoch zur Warnung! - Brüder haben drob gerichtet Und sie haben so geurteilt: „Wer des Gastes Pflicht geschändet, Möge, ein verirrter Stern, Schwinden, in das Dunkel fallen. Und so hast du recht gehandelt; Denn du bist ein Mann und heißest Mahomed.""
Stille. Stille. Weiße Tücher
Spinnt der Mond um das Geheimnis.
Und ich seh' den Fremden, Toten
Dort am Pfahl gespenstisch starren.*
Aber wie des Paradieses
Wonne wirbelt die Musik
Aus dem Hause, dicht verschleiert. • .
22
AUS DER TÖRICHTEN STADT
Das ist mein Wien mit seinen Dämmerplätzen, Mit seinen Gäßciien, schmal und still und traut Mit seiner Brunnen leisem Liebesschwätzen, Der alten Kirchen weichem Orgellaut.
Und zwischendurch dies sorglos leichte Schlendern Von Frauenschönheit, die sich rhythmisch biegt, Mit kecken Hüten, zierlichen Gewändern, Von losen Klängen in der Luft gewiegt
PRINZ KARNEVAL
Hoch vom Rathausturm, verlassen,
Blickt der eherne Ritter, stumm.
Rings in winternächtigen Gassen
Heimwärts eilender Mädchen Gesumm. c
Warm vergraben in Ballkapotten, Huschen sie leicht auf schneeigem Samt. Hörst du sie flüstern, lachen und spotten. Leise von schwärmenden Wünschen ent- flammt ? . . .
Horch ! Dies ferne Klingen und Schwellen :
Polka, Walzer, des Csardas Sturm.
Mit Locken und Blumen, mit Bändern und
Schellen Umspielen zierliche Geister den Turm.
Sie kreisen und suchen ; sie jubeln in Tänzen Entflechten dem Haupt die blühende Zier; Umwinden den Harnisch mit rosigen Kränzen, Bestreuen mit bebendem Schnee sein Visier.
Rot flutet der Tag — und rosenumzittert, Mit Narrenglöcklein von Eis ohne Zahl, Im weißen Gewände, schneeflockenumflittert. Hinragt über Wien — Prinz Karneval . . .
25
WINTERFRÜHLING
Ein Tag so voller Duft, so blond, so blau, Als sei er von meerüber hergeweht. Wie eine junge, grüßend heitre Frau In einer Schar ergrauter Mütter steht.
Die Straße bricht des körn'gen Eises Zwang Und leuchtet weiß um den beschwingten Fuß. Die froh erschrockne Seele neigt sich bang Vor dieser goldnen Feme Frühlingsgruß.
Und fliegt nun mit dem wehenden Dufte weit Und breitet sich um das beglänzte Land — Und über dieser Dächer Zierlichkeit Hält sie die blauen «Flügel hingespannt.
26
„STOCK IM EISEN**
Wer wandernd dieses Weges ging, Schlug einen Nagel tief ins Holz; So schloß sich um den Baum ein Ring Von breitem Eisen, Bolz an Bolz.
Und Jahr um Jahr im Kreise flog. Noch starrst du — ein Gewand von Erz ! Ich dachte, da ich seitwärts bog, An dich, mein vielverwundet Herz:
Von Wunden bist du tief zerschrammt. Du standest frei. Und jeder Wicht Hat seinen Nagel eingerammt. 0 wie ein Wort doch bohrt und sticht!
Die ihr mein weiches Mark gequält. Schlagt zu — Zorn, Unbedacht und Neid: Ich schaue, von euch selbst gestählt. Gewappnet, trotzig in die Zeit!
27
DER LIEBESPARK
Hier, wo am Morgen friedevoll Mägde der Kinder warten, Da blüht und glüht am Abend toll Ein heißer Liebesgarten.
Am Morgen Lärmen... „Hott, hott, hott" Um Ranken und Gelände. Am Abend Küsse, Kichern, Spott... Verschlungne Liebeshände.
Vom Morgen bis zum Abend weht Ein Flüstern durch den Flieder; Der sagt, was er gelauscht, gespäht. Den Margueriten wieder.
Die Margueriten blicken groß
Und wollen es nicht glauben.
Wie man zur Nacht gelacht im Schoß
Der ernsten Efeulauben.
28
WIENER SIZILIANEN
VOLKSGARTEN
Blaßgrün das Laub. Kastanien blühen rot. Auf den besonnten Kies nickt blauer Flieder. Rings Gouvernanten . . . Kleine marchands de
mode. .. Was rollt die eine auf?.. Ein neues Mieder-. Studenten träumen von Examensnot Und blicken zu den Damen hin und wieder... Der Triton hält die Nymphe hoch umschlungen Am Brunnenrand . . . rings wehn Erinnerungen.
ALTER UNIVERSITÄTSPLATZ
Starr steht der graue Jesuitendom.
Der Brunnen dort. . . Schwibbogen ernst im
Grunde . • • Einst hat der stürmenden Studenten Strom „Freiheit" gebraust rings um des Platzes Runde. Wir spielten hier Komödie. „Dies ist Rom... Ich falle, Cäsar..." So zur nächt'gen Stunde Klang es die Gassen hin . . Wie liegst du weit Boheme. . . im Mondduft wie die blaue Zeit. . .
FREIUNG
Am Morgen wartet nächst dem Kirchentor Schon eine Bettlerschar, bittend um Speise;
29
Da tritt der Bruder Guardian hervor. Sie neigen all das Haupt und beten leise, Die Hände vorgestreckt, ein dunkler Chor, Stehn sie erwartend- • Frauen, Kinder, Greise • • Da blitzt es auf: die Sonne wirft ihr Gold Hin, daß es in die Hand den Bettlern rollt...
BURGPLATZ
Ergrauter Stein. Wappen. Im Nebel rinnt Rings um den Platz ein feines, blasses Trauern. Hersprengen Kürassiere wie der Wind. Am Fenster dort • • . der Kaiser ! . . Schweigen.
Schauern. Mittag. Soldaten ins Gewehr! Geschwind Sind schon die Buben da. Hell an die Mauern Schlägt das Tschin-Tschin. Ernst nickt, ein
grünes Vlies, Der alte Efeu aus dem Burgverlies.
STADTPARK
Mein lieber Park, von deinen Taxushecken Still eingefriedet, sann ich oft in dir. Die Pappeln stehen noch, die grauen Hecken, Die Schwäne meiner Kindheit gleiten hier.
30
Die Nymphen jagen dort im süßen Schrecken, Gescheucht vom Wächter aus des Teichs Revier Zu Hügeln hin, wo sich die Rosen strecken... Ernst blickt der Park, ein strenger Kavalier. Gemessen neigt die Weide sich im Winde, Derweil ich jetzt, zu seines Hauptes Zier, Ihm fromm ein Kränzlein aus Goldregen winde- .
HEILIGENKREUZERHOF
Weltstiller Hof. Noch steht der Leiermann Am grünen Tor, wie einst in Kindertagen ; Noch sehen sich die Putten schelmisch an. Dort hinter Zäunen, die noch Reben tragen. Ein Gärtlein in der Stadt. Kein Laut. Ich spann Manch lieben Traum bei heiteren Gelagen Hier im Stiftsgarten. Wie die Stunde rann. Umspielt von Sonne, lässig, mit Behagen. Die Reben rankten sich gar schmeichelnd fein In meines Herzens liebstes Bild hinein...
ALSERSTRASZE
Grau gähnt die Straße. Trüb blickt die Laterne. Der Kranken Hof. Verhülle deinen Schritt.
Augen so trüb ... Die Berge blicken ferne.
Ein graues Bollwerk. Lang sieht nicht die Sterne,
31
Wer hier des Rechtes schwankend Schwert erlitt. Vorbei! Vorbei! Im Hof dort der Kaserne Kommandorufe. Säbel. Heißer Ritt. Sporen und Blitz. Farben. Das Leben schreit Und reitet klirrend über Nacht und Leid...
32
WIENER WALD
Liebe Höhen, weinumsponnen, Halb im Duft, im blauen Bug; Weh'nde Schatten ; Plauderbronnen ; Dort ein leichter Schwalbenflug.
Schmale Dörfer, Burgen, Wiesen, Windgewiegt und buntbesprengt — Wie sich Ruhe rings aus diesen Anmutmilden Fernen senkt . . .
Gleich der Seele Widerhallen Lieb' ich dich, mein Heimatland! Ließ dich Gott, ein Sämann, fallen Lässig aus der reichen Hand?
Wertheimer: Im Lande der Torheit.
33
LAXENBÜRG
Sanftes Grün. Gezirkelte Gelände. Beet um Beet. Der Himmel höfisch blau. Reichen wir uns jetzt galant die Hände, Süßeste Marquesa, schönste Frau !
Solltest du in modischen Gewändern Nahen hier der niedlichen Natur? Nein, Madame, mit flatternd hellen Bändern, Seidenstiefelchen, der Pompadour...
Seht ihr aus dem spitzen Schlößchen reiten Weiße Damen, ziervoll, Schritt um Schritt? Kavaliere, die sie streng begleiten. Tragen Fächer und die Laute mit.
Auf den Wiesen lagern sie und ziehen . . . Zarten Fingers schlagen sie den Ball. Aus der Grotte schwärmen Melodien, Höflicher Gefühle Widerhall.
Und zu Abend, wenn die Lichter steigen. Sind die Silberbarken schon bereit. Wie die Weiden sich gemessen neigen Um den Teich voll ernster Zierlichkeit . . .
Nacht. Musik. Die grauen Schwäne gleiten, Rosen in den Schnäbeln, still die Bahn. Schwimmt nicht dort aus den melod'schen Zeiten Noch ein Rosenblatt an unsern Kahn ? . . .
34
VON TÖRICHTEN FRAUEN
Doch die lieblichste der Dichtersünden Laßt nicht büßen mich, der sie gepflegt : Süße Frauenbilder zu erfinden, Wie die bittre Erde sie nicht trägt.
GOTTFRIED KELLER.
WÜNSCH IN DIE DÄMMERUNG
So träum' ich das Weib: von Formen schlank, Die Seele blühend gerade. Himmel, bescher* mir die Gnade — Ich spähe auf meinem Pfade Schon manchen lieben Morgen lang.
Du Kamerad ohne Fehle . . . Es träumt sich so süße zuzeiten: Den Abend hinunter zu schreiten Ganz ohne Schwermut, zur Seiten Die eigne plaudernde Seele.
37
ROKOKO
AUF PORZELLAN ZU SCHREIBEN
Zwei allerliebste Grübchen im Gesicht. Ein allerliebstes, hurtiges Figürchen; Und um das Hälslein ein Perlmutterlicht, Ein Medaillon an einem seidnen Schnürchen.
Um schmale Kinderwangen blond ein Flaum, Ernst blickt die porzellanen feine Nase, Und voll der lieben Dinge blüht dein Traum, Wie schwer von Rosen eine Delfter Vase . . .
Mein zierlich Kind, war' ich mit dir allein, Ich wagt' es kaum, im Flüsterton zu sprechen : Drückt' ich dir zärtlich nur das Fingerlein, Der Finger, sorg' ich, würde dir zerbrechen.
Ich setzte gern dich auf Großmutters Spind, Vor Sturm und Staub dich treulich zu bewahren ; Es wäre hübsch, spielte der Abendwind Mit deinem losen Band, den matten Haaren . . .
Im halben Mondenlichte tanzten wir Ein Menuett der niedlichen Gefühle ; Mit einem kleinen Knixe dankst du mir. Ich streife deine Hand, die zarte, kühle . . .
38
DER BESUCH
Weißt du es noch, mein Kind, es war im Mai. Die Welt ward bunt. Ich flog zu euch aufs Land. Ich kam sehr spät. Der Gäste waren drei. Wie schafft man jedem einen Unterstand?
Da hast du mir fürsorglich Platz gemacht. Dein Mädchenzimmer räumtest du mir ein. In deiner Kammer schlief ich diese Nacht — Es war ein süßes Höllenkämmerlein.
Ich zählte damals ganze neunzehn Jahr. 0 wie ich schwer an junger Weisheit litt! So kam's, daß der Gedanken Riesenschar Mich noch im Traume geisterhaft umschritt.
Doch in der Früh geschah es wundersam: In deinen Mädchenschränken ward es laut. Aus Spitzen, Rüschen, Blumen, Flitterkram Hat keck ein Volk von Grazien geschaut.
Sie tanzten fröhlich auf den Dielen um Und füllten mit Gelächter euer Haus. Treppauf, treppab lief's da mit Summ, Summ,
Summ, Mit Rosen trieben sie die Weisheit aus.
39
AUSFLUG
Ich weiß ein Häuslein wo
Im Waldesbangen,
Dran sind wir im Wandern froh
Vorübergegangen.
Da haust ein Förster und Zwei, drei, vier Hunde. „Wir bleiben im Forstesgrund Wohl eine Stunde?
Ginster und Bohnen sind Rings um dies Haus; Hier sind wir sicher, Kind, Hier ruhen wir aus."
Hier bricht nicht Lärm und Streit Durch Wald und Kraut — Mein Wien, wie liegst du weit. Nirgends ein Laut.
So ruhten wir tagelang Heimelig aus.
Von Küssen und Lachen ein Klang Weht um dies Haus.
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„Auf Wiedersehn übers Jahr !"
„„Übers Jahr, Kind?
Wer weiß, wo wir übers Jahr, Übers Jahr sind...**"
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IDYLL
Hier, wo die Großstadt zum Gebirge will, Hab' ich ein kleines Zimmer tagverloren ; Durchs Fenster rankt das Grün. Die hurfgen
Hören, Sie halten vor der Gartenpforte still.
Ich hab' es bunter Laune eingerichtet Mit Vasen, Nippes und zartem Firlefanz: Ein Herr, sehr ernst, hebt hoch Madame im Tanz. Die Bronze dort ... ein Faun, das Haar gelichtet. . .
Fast wie ein Mädchenzimmer blinkt es traut : Ballspenden baumeln artig an der Wand, Wie luft'ge Geister ; hier ein Damenband ; Ein seidner Vorhang. Nirgendwo ein Laut . . •
Hier hör' ich nicht der Straße Pfeifen, Dampfen. Hier web' ich noch ein Stück Unendlichkeit; Des Tages Lärmen, Lachen, Seufzen, Leid Soll nicht herein in diese Stille stampfen. . .
Ein Klopfen. „Du!" Ein zärtliches Umfangen. Du schmiegst dich in dein Eck. „Wie geht's
dir, sag'?" Und wie ein Schatten vor dem grellen Tag Fließt jetzt dein schwarzes Haar um meine
Wangen . . .
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SONNTAG
Die Stadt ist halb erwacht; die Gärten beben Im Tau der Sonntagsfrühe. Stadt, fahrwohl ! Mach' hurtig, Liebste! Scheuch' den Schlaf! Er
flieht Aus deinen Kinderaugen. Strähle dir Das nachtverhangne Haar. Da stehst du blank, Das Röcklein hoch, den Berghut aufgestülpt Auf dieses krause Haar... Der Zug! Geschwind I Und lachend springst du in den Zug. Ein Pfiff. Vorbei an Wolken, Burgen, Brücken tief In unser sonntagüberglänztes Land. Und Wiesen, Rebenhügel seh' ich klar In deinem Blick gespiegelt — diese Welt Schau' ich im Blinken deines Auges fürder. Du grüne Heimat, an der Erde Brust Von eines Gottes Hand gar zarten Klangs Hervorgefingert wie ein leichtes Lied — Ob auch der Haß in deine Melodie Oft wild Fanfaren bläst — dir bin ich gut . . . Ich pflücke dort den Wald und steck' ihn dir An deinen Hut. Die Burg werf ich dir zu — Fang* sie in deinem Schoß . . . Nun wandern wir Dem lieben Gott entgegen. Seine Blumen Umfunkeln unsern Fuß und seine Wolke Jagt vor mir wie ein Schimmel, und ich jage
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Mit dir auf seinem Rücken in den tief Umwobnen Zwitscherwald ; du küßt mich bang.. . Siehst du den Birkenhain, die Lichtung drüber? Zu dieses weißen Tempels Säulenflimmem Geleif ich dich. Dort ist dein Bett bereitet Im Heideduft, du mohnbekränzte Braut. „Liebst du die Birken? Aus dem weißen Stamm Entschlüpft die Dryas. Ihr grüngoldnes Haar Webt mit den Zweigen in die blaue Flut Des Sommerlichtes. Sieh, aus jedem Stamm Entwindet sich die Nymphe. Aber du Bist aller Nymphen zierlich-lieblichste." Nun rasten wir an diesem Quell ; die Wange warm An meine Brust gebettet. Liebste, Kind! „Hast du mich lieb?" „Sag*s noch einmal!" „So
lieb . . ." Die Sonntagsglocken ziehn den Pfad hinauf. Im Duft ein grauer Strich, die ferne Stadt. Die Luft steht surrend still. Ich halte dich Hoch über Menschenglück und Weh und bete Mit Lippen, die dich küssen :
Eros, dem ich noch einmal Dies Lied gerundet mit beglückter Hand, Gib, daß von dieses Tages Höhe spät ein Glanz In meines Lebens noch entferntes Tal Sich breite, wo um graue Niederungen Die Schatten wehn. Gib, daß der Anmut Bild
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Mir nie erlösche, daß die Stirn, gefurcht Vom Pflug des Tages, sich noch immer fromm Der Schönheit neige der beglänzten Welt. Noch aber lach* ich jung! Noch klingt der Quell ! Noch kreisen Adler meiner heitern Lust Um diesen Himmel, den der Fels erstürmt. Noch berg* ich dich, Geliebteste, im Arm Und winde fromm um deine muntre Stirn Von Alpenrosen einen roten Kranz Und lass' von deinem Haar den blauen Schimmer Des Enzians wie Edelsteine glühn.
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TAGLIED
Nun hat die Liebe mich geweckt Mit starkem, hellem Schlage; Ich lieg' vor Tag, so süß erschreckt. Daß ich dich in mir trage.
Nun will ich dieses Fühlen fromm Hegen, das mich gesegnet. Ich bef, in das Dunkel gehüllt: O komm, Eh' mir der Tag begegnet 1
Nun sollen liebe Geister in mir Die milden Gewebe spinnen. Ich schließe zu des Tages Tür. Ich wohne in mir tief innen.
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LANDSCHAFT DER UEBE
Morgenwind. Blaßgoldne Weiten. Tief im Moose ruht das Kind. Von dem Baum der Zärtlichkeiten Wehen weiß im Frühlingswind
Rosig zarte, leise Blüten, Und sie hangen dir im Haar, Und ich streife die erglühten Lippen halb — und sonderbar
Führ ich heißer mich umschlossen. Deine sanfte Lippe loht. Auf den Mund sprang blutumflossen Eine Blüte purpurrot . . .
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SOMMERNACHT
Uns einte nicht des Priesters Hand Mit Chören, feierlichen Flammen. Nur ein Marienfaden band Uns leicht und sommerlich zusammen.
Uns hat die Sommernacht getraut Im blauen Dom voll Weihrauchkerzen - Du Sternenkind, du Windesbraut, Das war ein Neigen, Herz zu Herzen.
Die Nacht frug priesterlich und groß : Wollt ihr euch froh der Liebe spenden? Ein Raunen rings. Ich hielt dein Los In meinen bebend trunknen Händen.
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SCHLIESZ DIE AUGEN ZU, MEIN KIND
Schließ die Augen zu, mein Kind!
Alle lieben Dinge sind
Heimlich, heimlich, traumverstohlen.
Rings in tiefer Mitternacht Schleicht die Liebe sachte, sacht. Schleicht heran auf Katzensohlen.
Sei vor jeder Buntheit blind. Um uns mit dem Frühlingswind Rauscht das Schicksal linde, lind — Schließ die Augen zu, mein Kind ! . . .
Wertheimer: Im Lande der Torheit
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SCHLUMMERLIED
Eh' ich in den Schlummer tauche, Neig' ich mich wie zum Gebet — Dir, der mich im Abendhauche Murmelnd wie ein Geist umweht:
Gib, daß ich im Schlummer schaue Rein, was ich im Tag gehegt — Ihren heitern Blick, die Braue, Und den Mund, vom Scherz bewegt.
Aus des Traumes Booten winkend, Gib, daß mir ihr liebes Bild, Schlank aus seidner Hülle blinkend, Aus des Schlummers Fluten quillt.
Keines tollen Spuks Kobolde Laß verwirren ihr Gesicht. Gib, daß ihr verwandt die holde Nacht ein Lächeln um sie flicht. . .
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DIE ERSTE NACHT
So aber träumt* ich meine erste Nacht Mit dir, mein ernstes Kind, trägslav'schen Blutes, Traurig das Aug' wie deines Volks Musik, Das mir zuerst, im Traum der siebzehn Jahre, Und ohne Wort, im demutsüßen Neigen, Die blasse Blüte seines Leibes bot:
Um unser Lager sollte glühn die Pracht Erlesner Kunst, die ferne, wunderbare, Und über uns, da sollten sich verzweigen Viel heiße Rosen, Rosen blutigrot. Du solltest weiß auf lichter Decke liegen. Das schwarze Haar tief in das Blau gebettet. In matte Seiden solltest du dich schmiegen. Die blassen Perlen um den Hals gekettet. Und über Teppiche hin sollten gleiten Die schweren Seufzer unsrer Zärtlichkeiten. Dies kam nicht so : ein ängstlich enges Zimmer, Da ich des Lebens Schleier dir enthülle. Umflackert nur von einer Kerze Flimmer, Und nirgendwo des reichen Daseins Fülle.
Doch ich bin stärker als die Kümmernisse Des engen Seins, das uns in Not gezwungen: Hin durch die schwarzen, schweren Finsternisse
4* 51
Half ich Entferntes zärtlich nah umschlungen. Ich greife mit dem Arm ins Ungewisse Und reiße einen Sternenbund hernieder Auf dieses armen Betts durchwühlte Kissen, Die weißen Anemonen und Narzissen Auf deine sinkend hingegebnen Glieder.
Die Sterne tanzen um mich rot im Kreis. Doch meine Seele, die ist todestraurig. Weil sie nicht Antwort auf dein Stammeln weiß. Auf dieses irre Betteln, Beten, Bitten.
So kühl und wissendreif ist meine Seele.
Nun gleitet sie tief in der Erde Grund. Inmitten Von einem schwarzen See, an Klippen schaurig, Brech* ich ein Reis der dunklen Asphodele Und kränze dir dein Haar. . . Du aber, still, Geschloßnen Blicks, erduldest wildes Leid. . . Plötzlich ein schweres Atmen, röchelnd, schrill. Dein Seufzen weht zu mir . . so weit . . so weit . . Und in die Sterne, jagend um das Kissen, Dein irrer Ruf: Gib! Gib mich frei! Ich press' den Mund dir zu mit wirren Küssen . . .
Da in die Finsternis bricht jäh
dein Schrei
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MAGDALENA
In des Augenblickes Gier, Da dein Haupt zurückgebogen In die dunklen Kissen stöhnte, Huschte jäh um die erfahrnen, Wie im Spott gefurchten Lippen Ein verschwiegner und verschämter. Ein besondrer Zug der Qual.
Und ich sah und ich erkannte Jetzt dein Schicksal, oft Betrogne, Unersättlich stets nach neuen Wonnen Lechzende: von hundert Lippen hofftest du Erlösung, Schlürftest aus dem Taumelkelche Immer wieder — Liebe, Liebe . . .
Aber in der Wollust Becher, Tief in seinem Grunde schlummert Übermenschlich weitem Sehnen Immer wieder die Enttäuschung. —
In des Augenblickes Gier
Küss' ich jäh den schwergegrabnen
Zug der kühlen und verschwiegnen.
Wie in Qual gefurchten Lippen
Müde Wollust — Magdalena...
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ROMANTIK
Das sind die Abenteuer, unsre Ziele : Wie man die Frauen durch den Blick gewinnt, Und dieses sind der leichten Sorgen Spiele, Wie man auf lustig bunte Weise minnt.
Der Maskenball, die Straße sind die Stätten. Hier kämpfen wir unblutig das Turnier, Hier gilt es unsre Ritterehre retten : Gehört die Blonde jenem oder dir?
Wir ziehen nicht mehr aus mit blankem Degen, Mit farb'ger Schärpe um die schöne Frau ; Das Silberstöckchen schleifen wir verwegen, Den Schnitt des Rocks beachten wir genau.
Der Blick, der Gang, das Lachen unsrer Dame Ist, was das Leben uns an Träumen bot — Der Freunde Beifall und des Gatten Bläme — Der Liebesseele Jubel . . . Seufzen . . . Tod . . .
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MELANCHOLISCHES INTER- MEZZO
Seine Flügel senkt mein Sehnen, Alle Wünsche gehn zur Ruh' Und die Quelle meiner Tränen Schließt sich sacht von selber zu.
RICARDA HUCH.
MELODIE IN MOLL
Wir, die wir zu sehr Seele sind, Zerstört von jedem Wort und Wind, Wir müssen stündlich verbluten. Das Leben hetzt an uns vorbei, Und wir sind kaum im Traume frei. Der Tag streicht uns mit Ruten.
Wir ziehen wie unter Nebelflor.
Wir schweigen, lachen die andern im Chor,
Dann lärmen wir wieder unbändig.
Nimmer werden wir tagesfroh.
Immer stirbt uns die Seele wo,
Und war doch erst überlebendig . . .
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DAS BEGRABENE HERZ
Ich hab' mein Herz verscharrt in den Sand. Scharf pfaucht der Wind ; es fröstelt der Strand. — Da spieltest du einst mit Blumen und Band.
Da riefst du mich lieb und da ruht' ich mit dir. Nun trieb dich des Blutes Welle von mir. Trieb dich in fremdes, kaltes Revier.
War uns die ganze Welt nicht ein Tag Voller Jubel und Lerchenschlag? — Noch summt dein Lachen über dem Hag.
Was webt uns zusammen und scheidet uns so? Aus meinem Leben liefst du mir froh, Neuem Glück nach von irgendwo . . .
Ich hab' mein Herz verscharrt in den Sand. Weht es der Wind wohl über das Land, Weht es dir in die lässige Hand.
Und es durchfröstelt dich sonderbar. Fliegt ein Erinnern, wie einst es war, Wie dort im Schnee der Dohlen Schar, Schwarz dir vorüber, zerrüttet das Haar?...
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FREUNDE
So viele Freunde rings um mich her — Und jede Seele belastet mich mehr.
Der fremden Seelen dunkles Gewicht Drückt auf mein eigenes Reifen zum Licht.
Fremdes Ängsten und fremdes Leid, Fremde Sorge und Müdigkeit —
Liegen wie Stein und Sumpf und Moos Ob meiner Seele reifendem Schoß.
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ECCE POETA
Erbärmliches Geschäft! Ein dumpfes Haschen Um Klänge, Ahnung, jagende Gestalten! Mit Fäusten, ruhlos zuckenden, geballten, Den Sinn zu pressen durch des Wortes Maschen !
Gefäß dumpf brodelnd ungewisser Dinge - Das Leben selber fließt an dir herunter. Betrogener Betrüger! Munter, munter! Zeig' nicht, wie du dich sehnst aus deiner Zwinge.
Ein Gott, ein Tier! In der Sekunde hundert Und aberhundertmal dich selbst verachtend, Und immer neu nach tiefster Schande
schmachtend — Cest le genie — um das man uns bewundert . . .
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BEICHTE
Warum ich von dir gegangen In deiner tiefen Not? Es blühte auf andern Wangen Vielleicht ein tieferes Rot.
Es lief vielleicht durch den Abend Von neuem Glück ein Sang; Es kam durch das Dämmer trabend Eines goldenen Hufes Klang.
Ich irrte noch lang durch die Auen In jener Stunde allein ; Von Menschenweh ein Grauen Hüllte mich fröstelnd ein.
Doch du, du hast uns verraten. Was webt in deinem Grund? Es träumt wohl von dunkeln Taten Dein zarter, blasser Mund.
Ich lausch' in den Abend. Da schwirren Viel müde Stimmen im Ried. Sie singen von Schuld und Irren Ein müdes Lied.
Der Abend spinnt an den Kunkeln
Den Nebel; wie er mich kühlt.
Ich und du, wir sind Träume, vom dunkeln
Wasser hinauf gespült . . .
61
DAS KIND
Bangend seh' ich deines Leibes Schwellen. Darin wachsen Blut und Nerv und Zellen. Wie das Werden aus der Tiefe drängt! Wie aus einem Grabe Blüten steigen, Nerv und Zelle heimlich sich verzweigen — Und ich bin so fürchtend fromm beengt.
In dem bangen mütterlichen Grunde Weben Geister meines Schicksals Stunde, Ungewiß wie dieses Kindes Haar. Wird es mich hinauf zur Fülle reifen, In mein Leben wie ein Spielzeug greifen Mit dem grausen kleinen Händepaar?
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MÜTTER
Mutter, still in sich verborgen, Lacht dein heller, guter Sinn — Wie ich in dir tief geborgen. Tief in dir geborgen bin . . .
Im Gehorchen und Befehlen Ruhst du fest in deinem Haus; In den fremden, schwanken Seelen Geh' ich ein und geh' ich aus.
Tätig froh und emsig-heiter Hast du Kleines treu vollbracht; Ich muß auf des Traumes Leiter Höher in die Sternennacht.
Und ich küsse dir die Hände, Und ich fühle bang bewegt: Daß uns alles Sein am Ende Mütterlich wie du umhegt . . .
63
KRANKE MUTTER
Liebe Mutter, nun bist du krank, Liegst im Garten viel Tage lang. Müd ist dein Wort und müd ist dein Gang.
All mein Wünschen und all meine Pein
Flogen dir wild ins Herz hinein.
Da mußt' es wohl verwundet sein . . .
Wo ich auch suchte von Land zu Land, Lieb und Treue hielt nirgends Bestand, Sicher nur ruht' ich in deiner Hand.
Liebe Mutter, verlasse mich nicht!
Sah' ich nur wieder ein freundliches Licht
Um dein gutes altes Gesicht.
64
HOFFNUNG
Hoffen hält mein Schmlein in der Schwebe, Daß es sich hinauf zum Himmel hebe, Eine Kinderwiege . • . wiege zu. Längst schon war* es müd* zu Tai gesunken, Flatterte nicht eines Sternleins , Funken Auf dem Mäste, lockend ohne Ruh*.
Noch um deines letzten Bettes Schimmern Wird dir nah ein solches Sternlein flimmern, Und du tastest danach wie ein Kind. Und das Lichtlein glänzt vor jenem, Schiffe, Drauf wir gleiten durch die Finsternisse, Wenn die Wünsche längst entflackert sind.
Wertheimer: Im Lande der; Torheit.
65
VAGANTENLIED
„Bin geboren in Schande und Not. Als ich zutage gerungen, Flehte die Mutter — ich wäre tot ! Fluchte der Vater dem Jungen.
Mein Vater ein Studente war, Verschlumpte wo in der Gassen. Hab' von ihm das krause Haar, Sonst hat er mir nichts hinterlassen.
Erbte vom Vater Verrat und Trug, Von der Mutter die Dirnenaugen ; Denk', ich hab' von beiden genug. Um dem Leben zu taugen !"
66
DIE HÜNDIN
Die Straße liegt im blauen Schein Der Lampen. Im Asphalte Bespiegeln sich die Wagenreihn. Rings eine schwarzgeballte
Masse der Menschen. Da • • • ein Schrei Sinnlos durch Staub und Dampfen : Ein kleiner Punkt. Er schießt vorbei Quer durch das Pferdestampfen.
Die kleine Hündin jagt und irrt. Sie hat den Herrn verloren. — Ein andrer Ruf, vergessen, schwirrt Mir jetzo um die Ohren.
Mich hatt' einmal ein Mädel lieb, Sie wollt' mich nicht betrügen ; Ich schlich mich fort als wie ein Dieb, Sie endlich loszukriegen.
Ich gab ihr noch ein Stückchen Geld. Scheu schHch sie durch die Pforte. Was denk' ich jetzt dran? Mich befällt Das Weinen ihrer Worte • • •
Der Schrei zuletzt ...Im Stadt-Hallo Umpreßt mir's hart die Kehle ; Die Hündin winselt ferne wo — Das Wimmern einer Seele.
67
5*
DER TRAURIGE EHEMANN
„Ich schaff das Brot für dich, o l'rau, Und Kleid und Putz und Tand ; Drum wird mein Haupt frühzeitig grau, Gepflegt ist nicht die Hand.
Wenn ich in deinen Armen bin, Lieg' ich zerstreut und zag ; So vieles keucht mir durch den Sinn — Wie schwer war dieser Tag!
Ich ahn' nicht, was du träumst und meinst, Hab' nicht zum Träumen Rast; Ich weiß es nicht, warum du weinst — Für dich schlepp' ich die Last!
Und doch, je mehr ich sorgengrau. So mehr bist du mir feind. Das ist nicht recht von dir, o FTau! Gott hafs nicht so gemeint!
Schon seh' ich einen jungen Fant,
Der schleicht mir um mein Haus.
Hell ist sein Blick, schmuck das Gewand,
Braun ist sein Haar und kraus.
68
Ihm ließ sein Vater, was mir fehlte - Und Zeit hat er genug. Ich weiß, daß ihr mir etwas hehlt. Sinnst du, spinnst dU; mir Trug?-.-
Dann glaub', wenn du mir je geglaubt. Mit dieser Arbeitsfaust — Dich treff ich, sein frisiertes Haupt, Wenn ihr zu unrecht haust!
Gott gibt mir recht ! Gott prüft genau ! Der Mann soll nicht — sagt Gott — , Weil er zu sehr geliebt die Frau, Ihr werden drob zum Spott!" . . .
69
BETTLERLIED
„Und habt ihr eure Tage gleich
Vor mir voraus, den Tag so reich
An Speise und an Frachten —
So werf ich euch ins Angesicht:
Nein, in der Nacht da herrscht ihr nicht.
Ich herrsche in den Nächten.
Ich träume in die Dunkelheit. Ich träume dann so weit, so weit Von samt — und goldnen Stiegen. Ich träume, wie ich euch geschaut. Ich freie um die seidne Braut Und lass' die Münzen fliegen.
Ihr seht mich mit dem Stock im Traum
Steif in der Ecke, wie ich kaum
Euch danke für die Gabe ! —
Ihr seht mich stürmen euer Haus,
Ihr seht mich türmen Feuer und Graus -
Ihr schwankt im Traum zum Grabe !"
70
NÄCHTLICHE STRASSE
Im Kreise lust'ger Zecher schritt ich heut In toller Winternacht, vom Karneval Mit Schellenklang und Hurrahruf geleitet Im blauen Mondesweben, leicht umspült Von erster Sonne zartem Wellenschlag, ,
Hin durch des sonst bewegten Marktes Stille In eine Straße, eng wie eine Schlucht.
Gesang erstirbt. Wir atmen bang. Ein Schatten Weht über unsre Lust. Dumpf klirrt der Schritt. Die Straße engt sich — schwarz wie eine Gruft. Da flackert jäh ein greller Fackelschein, Und aufgerissen starrt die Straße, rot Im Fackellicht, wie aufgerissne Wunden Des Erdenleibs. Wir blicken stumm. Hinauf Steigt aus der schwarzen Tiefe die Gestalt, Die auf dem Maskentanz uns heut genarrt. In Lumpen, zott'gen Huts, ein Vagabund. — Das Haar gezottelt grau, der Bart gestoppelt. Bist du der Maske Urbild? Strich um Strich Hat er dich nachgezeichnet, wie der Hunger, Empörung, Trotz, die Angst dies Angesicht Von einem Menschen rohen Griffs gefügt.
Und kummervoll steigt aus der Erde schwer Ein Mütterchen und noch ein Mann, ein Kind,
71
In Lumpen, ängstlich spähend, arme Falter An dieses warme Licht gelöckf. . . Sie winden sich Aus der Kanäle Netz, die unterirdisch Im Finstern sich verweben, aus den Höhlen Unter dem Fluß, darauf wir bald im Eis Figuren formen lachend- •• Dort — die Alte, Sie wärmt die dürren Finger an der Fackel; Frau Elend wärmt die Hand...
Und riesengroß Seh' ich die Fackel wachsen; sie verhüllt Den Tanz, Gesang, das Lachen dieser Stadt.
Weit um Paläste rauscht sie, ungeheuer, Und hüllt in ihren Purpur tief die Welt. Und wächst hinauf, wächst in den Winterhimmel. Und blutig rauscht sie in die Sonne und — Wirr aus der Erde kriechen Menschen, stöhnend In Höhlen, wärmen sich — — von überall
Die Menschen fern - - ein schwarzes Heer
— — aus Klüften, Verstecken, Schlüften kriechen sie und wärmen An dieser Riesenfackei ihre Hand. — — '
Doch auf der Lohe hoch — ein art'ger Herr
Er lächelt noch verzerrt Prinz
Karneval.
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Da packt die Flamme seinen Pvderzopf. Der weiße Mantel fliegt im Wind. Er wirbelt Noch einmal durch die Luft. . • ein letzter Tanz. . .
Von unten recken sie die Arme. Ehern Wie glühndes Erz zieht über grauen Schnee, Über den Fluß, des weißen feerges Schweigen
Die rote Feuersäule des Gerichts. —
73
DAS TESTAMENT
„Hier in des Berges grüner Finsternis, In dieses Gletschers aufgerißnem Mund, Vom Frost durchschnitten und von Hunger so, Daß ich ihn fast als Sättigung verspüre, Verkrallt im Schnee die Finger, nur gewärmt Vom Blute, das mir aus den Schläfen sickert, Und dennoch klaren Sinns, ingrimmig — froh. Form' ich zum letztenmal ein Testament Und meines Schmerzes Siegel press' ich drauf. Nun flattern meines Lebens Bilder mir Vorüber noch einmal, betörend nah. — — Ein AnMralt war ich. Nur des Guten ? Nein ! Mit doppelzüngig schiefgespitzter Rede Hab' ich, wie oft, verwirrt des Rechtes Richtscheit. Der angenommnen Miene Redlichkeit Drückt' ich auf die beweglich schwankende, Dunkel verhangne Wage des Gerichts. Und dennoch war ich wohl im Kerne gut, Und war nicht böser, denk' ich, denn die vielen, Die jetzt im blauen Duft des Sommertags, Umschwirrt von Bienen und von Schmetterlingen, Und lind geleitet von geliebten Armen Hin über Wiesen, über Wälder ziehn; Derweil ich hier, Gott und dem Tage feind, Wie ein verwundet Tier, ins Herz gestoßen
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Von eines tollen Schicksals glühndem Pfeil, In die gläserne Gruft des Eises starre Und die Sekunden nach den Tropfen messe, Die gleichen Maßes von den Wänden fallen. Drei Schritte grade hin, zwei in der Breite, Mauern von Eis: dies ist mein Sarkophag. Von oben sinkt ein Strich des blauen Lichtes Wie ein verirrter Stern in diese Höhle, Gebrochen im opalnen Widerschein, Und mahnt mich, daß auch ich im Licht geirrt; Und hatte Herd und Weib und war ein Mensch, Einst vor Unendlichkeiten — vor zwei Tagen. So zählen wohl, die nicht nach Seufzern messen Der Zeit hinschleifend grausam trägen Tritt. Hatt' ich ein Weib? Ich breche das Erinnern Sehnsüchfger Arme und sehnsücht'gen Worts; Mit dieser Faust zerbrech' ich meinen Traum; Denn sie allein war meines Schicksals Schütze. Warum hat sie mich, da ich Frieden dort Im Tal gefunden von des Jahres Keuchen, Gelockt mit weichem, dennoch lisfgen Wort? ,Bezwing die Zinke, die unnahbar droht! Ich wandre dir entgegen mit dem Freund, Der uns auch hier die Zeit mit Scherzen kürzt. Im Abend auf dem Gletscher. Doppelt stolz Wink' ich dir zu, kehrst du mir fröhlich heim.* So schritt ich morgens zu den Zinken hin,
75
Geführt von di^Sjem M^nn, ,de§s' LqichnaiiiiJiiqr, Verkrampft an meinem Fuß, die Enge, engt. Wie war der Morgen hell ! Die; Wiesen schwirrten. Im Nebei stand der Wald. Der Fels ergriff Die wehende Wolke mit den Zackenfingern. Ein grauer Dampf. Der Nebel flog. Die Sonne Schwang über weiße Felder sich und Hügel Des körn'gen Sohnees Hier Glocken, Türme, Tore Des grünen Eises; dort, ein See wie Glas. Wir zogen schweigend. Da — ein Schrei-..
die Brücke Des Schnees wich unter mir. Ein Schrei. Ich sanjc. Ich fiel ins Unermessene. Ich fiel. . . Und stand, barmherz'ger Gott ich stand,
die Schwere Von diesem totge^türzten Mann am SeÜ, In dieses Gletschers grüner Finsternis. Frei zerrt' ich mich und betete und dachte Der schimmernd nahen W^lt und meines Weibes. Und schon erzählt' ich ihr, die Lippen bald Von wirrem Kuß verschlossen, die Gefahr. Hinauf hob mich der Mut. Und , mit dem Pickel Schlug ich die Stufen in die Wand und klomm Und kloipm, im Eise hangend. Breiter wöjbte Das Blau sich über mir., Mit zuckender Hand Faßt' ich. bereits die Decke leichten Schnees. Schon hob sich aus dem Trichter frei mein Haupt.
76, r
Da — hat mir dieser Fäll den Sinn zerbföcHen? Dort über diesem Schneefeld Schreiten zwei In dieser weißen Ungeheuern Stille, Verschlung'nen Armes, Wie nur Liebe schreitet; Er streichelt zärtlich ihre Wange — 'da — Da flattert Sonne jäh ob 'dem Gesicht Der beiden. Ras' ich? Dort — mein Weib,
mein Frettrid — — ! Jetzt sah ich alles wie im Fackellicht. Warum sie mich hinausgedrängt ! Ich sah In meines Lebens letztes Dunkel, sah Den faschen Blick der oft getauschten Zwiesprach. Ihr Lachen, das mich höTinte, sah den' Freund, Dem ich der Seele Atem' anvertraut. • • Ich Tor! ich Tor! Nirgends ein Halt... Ich
schwanlce . . . Ein ungeheures Weh und Wut, als fiele Das Herz'mifaus der Brust, reckt mii- die Faust Den Zwein entgegen urid ich streck' die Faust Noch einmal aus dem Grab starräuf. Der Schriee — Die Welt vefsitikt. . . der Schriee sinkt ein- . .
Ich stürze Im Wirbel tfef. Will schrein. Der Pfckel bohrt Sich in mein Fleisch. Ich hange. Stürze wiexler Ins Schwarze. Liege hier. ' Zerschellt, zerrissen. Vom Blut umrieselt, dennoch klaren Blicks -. . Sie aber schHtf eri bis zürii Rande hin
'11
Des Spalts, darin ich stöhnte. Sah's genau.
Und schrie um Mitleid, und sie hörten's nicht
Und sprangen lachend über diesen Spalt.
Und andre kamen ; hielten vor dem Rand,
Den Sprung ermessend, wagend dann den Sprung.
Ich aber schrie in meiner tiefsten Not
Und schrie zu Gott, von dem ich lang mich schied,
Und zu den Menschen, die ich oft geschmäht.
Doch an den Wänden splitterte mein Ruf
Und fiel gebroch'nen Klangs zurück. Da wüßt' ich.
Daß ich jetzt sterben soll. Und meine Rechnung
Schließ' ich mit dieser Welt und schreib' sie auf
Mit frostverzerrtem Finger in der Dämmrung.
Dies aber ist mein reiflich überlegter,
Von mir gesetzter Wille : meine Seufzer
Sie sollen dieses Weib die Nächte lang
Umkriechen wie Gewürm!...
Ein plötzliches Erbleichen in der Lust
Und ein Erschrecken jäh — verworr'ne Stimmen
Hervor aus diesem Grab • • • •
So wird sie meine Seele, die sich jetzt
In dieser Dämmrung windet, vom Genuß
Zum Ekel zerren. Aus des Freundes Arms
Gefügten Klammern soll dich mein Gesicht
Anstarren wie ein Fluch ....
Dich aber, Gott, der mich in diese Not
Mit deiner Lichter trügerischem Glanz,
78
D. Wiesen Hauch, des Be-^„trtC:*:.. Dich lösch- ich aus w.e lede^K,
Hinaufziehn -» <»':,f ."f;":' Eise klettert, Mit schweren ? "f '" ^" ^^ Welt • ■ ■ Hin über diese «w,e^ ^^^^^^_
Allein das i^d'sche Gut das ^^^ ^^^^
Gebt es den Armen, daB^e ^.^
Auch kosten s^" ""^ ""„„d daß sie auch ich satt und müde «'^J' ""pi„3tre stürzen ■• • Zu Höhen klimmen und ms ri 'oer Gritfei starrt in mem-Hand.^^^^^^^^^^^ Nun werd- ich wjeder Stern un ^^^^^
Die Finsternis bedeckt mich w _ ^^^^^ Noch elnma hor h — ^^^^^^^ ^^ Und sehe starr durch ai ^^ _ _
Und schaue memem eignen o
79
TORENWEISHEIT
Und im Entschweben immer empor,
HEBBEL.
Ganz wie ein
We
GASTMAHL
Dies aber ist mir lieb vor vielen Dingen : Mit Freunden eine Sommernacht genießen; Des Schaumes und des Frohmuts Überfließen. Laßt diese Stunden wie die Gläser klingen !
Doch meidet mir die schweren Stubenmauern ! Euch rühm' ich heiter-offene Veranden. Da wird des Tages Schwüle, Tages Trauern Umblüht von zart gekräuselten Guirlariöen.
Wir reden über Kluges kühl besonnen; Doch ist uns auch Geringes kaum zu nichtig. Denn diese Weisheit haben wir gewonnen: Dem rein Betrachtenden ist alles wichtig.
Zeigt mir nicht bang verdrossene Gesichter! Gemeines bleibe hinter diesen Riegeln. Die Weite mag, die Stadt, der Glanz der Lichter In dieser Stunden Fülle sich bespiegeln.
6*
83
MÄRZ
Wie wundersam ist es, im Tag zu schreiten Hin durch die dunkle Menge tief allein; Des Tages Atem, wie von Zärtlichkeiten Ein milder Hauch, fegt mir die Stirne rein.
Die Seele will sich inniger in sich hegen. Gelockt vom Bunten, findet sie nicht Rast; Nun schreitet sie auf den beglänzten Wegen Und halb beschwert von erster Sonne Last.
Und müde von dem täglich Wunderbaren, Nimmt sie zur Weite schwebend jetzt den Lauf Und flattert schwer und löst sich in dem klaren, Dem blauverhang'nen Duft der Ferne auf.
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DIE QUELLE
Soll ich nicht heiter unter Grämlichen sein Und in mir ruhend, wohin mein Geschick sich
lenkt? Hat mir doch in das innerste Herz hinein Gott einen Quell der dunklen Musik gesenkt.
Manchmal wird er vom Rauch des Tages grau, Und ich sorge : nun bin ich des Gottes leer. Manchmal webt darüber das Rot und Blau Blühender Liebe — du ahnst die Quelle nicht
mehr.
Manchmal in des Tages Jagen und Raub Horch' ich fürchtend und fromm nach innen. Heimlich, heimlich in Lärmen und Staub Führ ich noch immer des Lebens Quelle rinnen.
85
GOTTFRIED KELLER
In diese sachten Täler niedertauchend, Nehm' ich dich, Meister, zum Geleite mit. Im Dampf die Stadt, in das Gewölke rauchend, Ein Schatten fliegt vorüber — was ich litt.
Da hangen Burgen zwischen Furchen, Reben, Umrauscht von Ahnung, herbstlich überlaubt; Dazwischen feine Silberfäden beben, Ein leicht Ergrauen um des Berges Haupt.
Ich liege zwischen Hängen, weinumsponnen. Und blick' in einen Bergsee, tief und klar. Drin spiegelt sich die Welt, von dir ersonnen, Frau Anmut spiegelt ihr umsonntes Haar,
Und Frauen, heiter zwischen Burgen schwebend. Da trink' den Tag ich wieder wie dein Lied, Wie eine Traube mir entgegenbebend. Von milder Herbstessonne angeglüht.
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MAI
Willst du stets ins Dunkel sehen, Da die jungen Lüfte wehen Frühling übers Land? Aus dem schwarzen Busch der Föhren Rauscht es wie von Lichtes Chören, Sonne spielt um deine Hand.
Seele, hier wirst du genesen. All dein graues, krankes Wesen Flattert wie ein Nebelrauch. Wünsche, die schon lange starben. Sprühen auf zu neuen Farben, Glüh in Rosen wie der Strauch..,
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IM WANDERN
Draußen zieht der Tag vorüber wunderbar mit
Frauen, Farben.
Soll ich trüb und immer trüber hier im bangen
Stübchen darben?
Und vor meinem Fenster wiegt sich rot ein Strauch
im Windeszittern.
Meine Seele seufzt und schmiegt sich hinter
weißer Verse Gittern.
Du, mein Werk, um das ich sinne! Du, mein
Werk, daran ich leide.
Bin ich nicht die graue Spinne an des Tages
blauer Seide?
Du, mein Werk, um das ich ringe ! Du, mein
Werk, wie ich dich hasse —
Stehst wie eine blanke Klinge drohend vor dem
Glück der Gasse.
Ich entweiche tagestrunken meines Käfigs Silber- stäben.
Laß die Ernsten mahnend unken. Mehr denn
Schaffen wiegt das Leben!
Mehr denn Leben wiegt die Liebe, die ich ziel- los schenke, hege,
Und ich zieh' gleich einem Diebe lustig -listig
meiner Wege.
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AN DEN EROS
Auf deinen Pfaden irrt meine Jugend hin. Freundlich blicktest du oft und rosenlächelnd. Aber zuweilen starrst du schwermütig finster, O dunkler Eros.
Versehren mußt' ich manches Geschick;
es weint Jetzt durch die Nacht ein Mädchen-Weinen
und fern Eines Kindes Stimme. Und diente nur dir,
dem frohen Rufer des Lebens.
Was sind wir so in dies Dasein hineingestellt, Unschuldig-schuldig tief in sein Netz verstrickt? Kränze mich, Eros, mit Mohn und geleite
du mich Einst zu den Schatten.
89
V
'fe.
SEKUNDEN DER EWIGKEIT
Wälder durchwandert' ich oft und kühle Täler
des Schweigens,
Über die glitzernde See zog mein geflügelter
Traum.
Dunkler Völker Geschick, der eigen sinnenden
Seele
Rätsel wurden mir hell ; Sterne zogen empor —
Und ich hatte nur halb den Blick gesenkt und
gehoben,
Eine Sekunde war kaum tief in die Ferne gerollt.
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NACHTFLÜG
Wie eine Möve trag' icli die Welt Trunken in meinen Fängen, Mit der Stadt und dem Strome mondumhellt, Wald und Bergeshängen.
So rausch' ich durch blauer Nächte Meer, Das Meer im Fluge hebend ; So rausch' ich über die Himmel her. Zu den oberen Sternen schwebend.
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SCHOPENHAUER
Der Abend sinkt. Aufwacht der Wille Der Welt wie die Viole bang. Ein Rufen, Raunen durch die Stille. Der Wille singt im Sphärensang.
Der Wille lockt mich in die Ferne Und träumt in meinem dunkeln Blut; Weltwille webt im Erdenkerne Und hebt zum Mond die bange Flut.
Soll ich der Kräfte Spiel zerschlagen, Die um mich kreisen wunderbar? Ich senk' ins Meer die grauen Klagen. Hinauf, hinauf lass' ich mich tragen Und streife schon des Mondes Haar —
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DAS WINZERFEST
Die Reben ziehen bergentlang. Das Feld liegt wie ein Fürstensaal, So teppichbunt. Der Bogengang Steht breitgewölbt, ein Schloßportal. Der Saldner hält gewichtig Wacht. Die Mädchen wiegen sich in Reihn. „Stiehl keine Frucht! Nimm dich in acht! Wen er ertappt, den sperrt er ein
In dieser Lauben Heimlichkeit. Stiehl keine Traube, blondes Kind! Durch Küsse wirst du nur befreit; Du weißt, wie ernst Gesetze sind ..." Ein Lachen. „Hüf dich selbst. Gesell !" Die Polier fallen lachend ein. Da wird die Seele mir so hell. Wie dieser heut gezog'ne Wein.
Den Becher schwenk' ich hoch im Schwung. Da seh' ich jäh, ein Traumgespinst, Ein Männlein in der Dämmerung; Es hat mich spöttisch angegrinst. „Daß dir vor diesem Spuk nicht graut! Zerbrich das Spiel! Genug! Genug! Ist alles Leben, froh erschaut. Doch nichts als deiner Sinne Trug!"
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„Und hinter diesem Lustgesang, Allüberall, wo Leben rollt, Hörst du nicht einen Echoklang? Wir wollen nur das Gold, das Gold ! Und Lieb und Treu und Worte viel — Siehst du die Lüge, siehst du den Trug? Ist alles träumender Sinne Spiel! Zerbrich den Becher! Tu keinen Zug. . .!"-
Und wie er flink in den Nebel lief, Sank um den Becher grau ein Flor. Die Sonne erblüht ! Aus dem Becher tief Hebt sich ein Weib im Duft empor: „Und ist dies alles farbiger Tanz, So freu' dich, Glücklicher, am Schein! Und tauch' hinunter in den Glanz Und trink die Welt wie diesen Wein!
Und ist die Seele angefüllt
Mit Tanz, Gesang und holden Fraun,
Soll einst Vergessen auf dies Bild
Der Fülle segnend niedertaun ..."
Den Becher trink' ich fröhlich aus,
Darin die Welt gespiegelt lag,
Und werf ihn in des Festes Braus —
Mit roten Fahnen flieht der Tag.
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Von PAUL WERTHEIMER sind bisher er- schienen :
GEDICHTE (1896) bei Georg Müller, München
NEUE GEDICHTE (1904) bei Georg Müller, München
DIE FRAU DES RAJAH Drama in drei Akten (Wiener Verlag 1907)
WENN ZWEI DASSELBE TUN Vier Einakter (Verlag „Vita" Berlin, 1909)
Übersetzungen : OSKAR WILDE :
ZIELE
DER SOZIALISMUS UND DIE SEELE DES MENSCHEN (Wiener Verlag;
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END