MICROFILMED 1997

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University of Illinois Library at

Urbana-Champaign

MASTER NEGATIVE STORAGE NUMBER

95-4297

AUTHOR: Schellberg,

Wilhelm TITLE: Untersuchung

des Märchens

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Gockel ...

PLACE: Münster i.W

DATE: 1 903

UIUC Master Negative 95-4297

University of Illinois at Urbana-Champaign

University Library

Urbana, Illinois 61801

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HUMANITIES PRESERVATION PROTECT CATALOG RECORD TARGET

Schellberg, Wilhelm, 1886-1937.

Untersuchung des Märchens "Gockel, Kinkel und Gackeleia" und des "Tagebuchs der Ahnfrau" von Clemens Brentano / eingereicht von Wilhlem Schellberg.

Münster i.W. : Westfälische Vereinsdruckerei, 1903.

94 p. ; 22 cm.

Includes bibliographical references.

Brentano, Clemens, 1778-1842. Gockel, Kinkel und Gackeleia. Brentano, Clemens, 1778-1842. Tagebuchs der Ahnfrau. Brentano, Clemens, 1778-1842~Criticsim and interpretation.

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„Gockel, Hinkel und Gackeleia''

und des

„Tagebuchs der Ahnfrau"

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von

Olemens Brentano.

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung der Doktorwürde

bei der

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XJniversität IVt ü n s t e r

eingereicht von

Wilhelm Schellberg

aus Essen-Ruhr.

Münster i. W.

Westfälische Vereinsdruckerei, vormals Coppenrath'sche BucMruckerei.

1903.

THE UNIVERSITY

OF ILLINOIS

LIBRARY

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Untersuchung des Märchens

„Gockel; Hinkel und Gackeleia"

und des

„Tagebuchs der Ahnfrau"

von

Cleinens Brentano.

Inaugural-Dissertation

zur

Erlangung der Doktor^würde

bei der

hohen philosophischen Fakultät der

XJniversität ^M. ü n s t e i*

eingereicht von

Wilhelm Schellberg

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aus P^ssen-Euhr.

Münster i. W.

Westfälische Vereinsdruckerei, vormals Coppenrath'sche Buchdruckerei.

1903.

Dekan:

Referent:

Prof. Dr. Sonnenburg.

Prof. Dr. Jostes.

Meinen Eltern.

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Inhalts-Angabe.

Vorbemerknug.

I. Die zwei Fassungen des Märchens.

Entstehungszeit Die Zeiten, aus denen sie erwachsen sind bisherige Feststellungen der Unterschiede Neue Motive : die Gotik Br. und das Franzosentum Religiöse Motive Br. Stellung zur Religion Neue Einschiebungen Der Ring Verdrängung eines Motives durch eip anderes Verbindung mit dem Tagebuch Verkürzungen Vfiirbesserungen Stil Wortspiele Namenwitze Wortverbin- duncen Klang- und Reimspiele Sinnspiele Wiederholung und Steig^ung-=Y Variationen des Stammes Häufungen Bilder Um- deutungen seltene Wörter Vergröberungen Konventionelles Anthropomorphismus Folgerungen für Br. Charakterentwicklung.

II. Die Quellen

1. Des Märchens :

Zuverlässigkeit der Angaben Brentanos Basile Lucian Mäuse- reich — Prätorius Gesner Chr. Reuter Fr. Spee Hölderlin Musäus Goethe eigne Werke .,Wunderhorn'' Volkslied Sprichwörter Symbolik Alektryo Phönix Kabbalistische tal- mudistische Ueberlieferungen Leichenrede : Gesner, Praetorius, Coler, Lucian,, Phnius, Ambrosius, Prudentius, Durandus, hl. Schrift (Brentanos Sammeleifer) Erläuterungen : „gedruckt in diesem Jahr" Merian Bubenschenkel Abulfeda Castrum doloris Krünitz Incroj'ables Geleitsreiter Hilfsbüchlein Centaur Montvilla.

2. Des Tagebuches:

.,Wunderhorn" Volksgebräuche : Ostertag, Johannistag, Johannis- lied, Kräutersammeln, Johannisabend Sagen : Rattenfängersage, ewige Jude, Graf von Staufenberg, Gräfin von Holland Suso Prätorius Chr. Reuter Wernicke A. K. Emmerich.

III. Die Anspielungen.

1. persönliche

Brentanos Schaffen sein Werk keine objektive Wiedergabe seiner Erlebnisse Jugendzeit Tante Mohn Verena Herr Schwab Verabschiedung des Ministers Der Hahn Ortsnamen Geln- hausen — Vadutz Reichskleinodien Marianne Willemer Anton Brentano Sophie Mereau Emilie Linder Klosterjungfrauen L. Hensel Fr. Böhmer J. Kerner unparteiische Engländer Salm Septemberle Leib-Lebküchler eigen Persönliches.

2. zeitgeschichtliche und litterarische:

Franzosenplünderung Emigranten luden Naturphilosophie Magnetismus Wiedererweckten politische Satire Chr. Brentano und des Bruders polit. Satire Freimaurer- Voss zeitgenössische Unarten litt. Satire Goethe, Haller, Schiller Matthison, Bürger Zauberflöte.

rv. Entstehung des Tagebuches der Ahnfirau.

Aeussere Daten Ansichten von Cardauns und Steig Limburger Chronik Anspielungen als inneres Kriterium für Bestimmung der Ent- stehungszeit des Tagebuches Ergebnis.

Anhang.

1. Das Erntelied.

Fassungen bei Brentano Die verschiedenen Versionen des Kirchen- liedes — lat. Hymnus Ursprung des deutschen Liedes Abdruck der Fassungen Brentanos Vorlagen.

2. Auszug aus einem Brief von Christine von Lassaulx an J. Cl. V. Lassaulx.

Chronologie des Jahres 180_'.

Vorbemerkung.

Diese Arbeit will einige Beiträge geben zur Entstehungs- und Quellengeschichte des Märchens »Gockel, Kinkel und Gacke- leia« und des »Tagebuchs der Ahnfrau«, sowie zur Deutung der Anspielungen in diesen beiden Werken Cl. Brentanos. Dass mein Thema neben dem Märchen auch das »Tagebuch der Ahnfrau« umfasst, mag gerechtfertigt erscheinen durch Brentanos Ausgabe,^) in der die beiden Werke aufs engste vereinigt sind, und durch des Dichters eigne Worte. ')

^) Ausgaben des Märchens und des Tagebuches der Ahnfrau: Gockel, Kinkel, Gakeleia, Mährchen, wieder erzählt von Cl. Brentano (S. i 232). Blätter aus dem Tagebuch der Ahnfrau (S. 233 346). Frankf. bei Schmerber 1838. (Erste, vom Dichter besorgte Ausgabe, mit 14 Kupfern.) Die Märchen des Cl. Brentano herausg. von G. Görres. Stuttg. u. Tübingen 1846 4". 2 Pde. 2. Auflage, Stuttg. 1879. Gockel, Kinkel und Gackeleia. Wiesbaden 1873. Ges. Schriften Cl. Brentanos, herausg. von Chr. Brentano ; Märchen: V., S. i 256. Tagebuch: IV., S. 51 167. Frankf, 1852 55. Cl. Brentanos Ausgewählte Prosa, herausg, von J. B, Diel. Freiburg 1873. 2 Bde.; Märchen und Tage- buch: II., S. 327 528. Das Märchen Gockel, Kinkel und Gackeleia (und das Tagebuch) herausg. u. eingeleitet von Ed. Grisebach, Berlin 1872. Brentanos "Werke herausg. von Dohmke. Leipzig u. Wien; Märchen S. 133 235. Reclam Universalbibliothek Nr. 450. Benzigers Familienbibliothek. 5. Serie, 9 10, Einsiedeln 1890. M. Koch, Arnim, Klemens und Bettina Brentano, J. Görres, D. Nat. Litt, herausg. von J. Kürschner. 146. Bd. II, Abt. S. 339 ffg, Romantische Märchen von Brentano und Tieck, herausg. von Br. Wille. Leipzig 1902. Neuere Veröffentlichungen über Cl. Brentano: Altromantische Märchen, Felix Poppenberg in der Zeit, Wien 1903. 161. Besprechg. von Br. Wille, Brentanos und Tiecks Märchen (Anklänge an die Neuromantik), vcrgl. auch AV. Morris, deutsche Litt. Zeitung (1903), Nr. 45, S. 2750. AV. Morris, Ro- manzen vom Rosenkranz, Berlin 1903, Vergl. Anzeige von A. Kerr, Tag 1903/369, ferner M. K(och), Litt. Centralblatt (1903) Nr. 46, S. 1579 fg. G. Frhr. v. Kertling, Aus meiner Autographensammlung im Hochland. Monatschrift, München (1903), I^ S. 285 ffg.

^) Zueignung S. XIV,

Allgemeines.

I. Die beiden Fassungen des Märchens.

Das Märchen »Gockel, Kinkel und Gackeleia«, welches zur Gruppe der „italienischen Märchen"*) gehört, liegt in zwei Fassun- gen vor. Die erste Fassung, der "Urgockel, wird nicht vor 1806 und nicht nach 1810 entstanden sein. ^) Die zweite Fassung rühit aus Brentanos letzter SchafFenszeit (etwa 1835 3 7).^)

^) Ueber Einteilung der Märchen vergl. Cardauns, die Mäichen Cl. Bren- tanos, Köln 1895, S* 2. O. Bleich, im Archiv für das Studium der neueren Sprachen. XCVI. (1896) S. 43.

2) Den Arbeiten von Cardauns und Bleich über die Entstehung des Märchens für das Tagebuch fehlt noch eine eingehende Untersuchung können vielleicht noch einige Daten nachgetragen werden. Ich gebe die ganze äussere Entstehungsgeschichte in chronologischer Reihenfolge auf Grund der Briefe und Werke Brentanos und jener, die ihm nahe standen ; man vergl. Zueignung S. V., S. VI ffg. ; Märchen vom Komanditchen, Görres' Ausgabe. Stuttg. 1879. Cardauns, a.a. O. Beilage I, S. 96, Frühlingskranz, herausg. von Bett. v. Arnim, Berlin 1853. S. 22. Diel-Kreiten, Cl. Br. I. S. 126, Bett. v. Arnim, die Günderode I, S. 378. R. Steig, Ach. v. Arnim und die ihm nahe standen I, S. 156, S. 360, S. 188. Briefwechsel zwischen Jakob und "Wilh. Grimm aus der Jugendzeit, Weimar 1881, S. 150, S. 153. Br. Ges. AVerke. VIII. S. 143, S. 161; Zimmer, J. G. Zimmer und die Romantiker. Frankf. 1888, S. 169. Diel-Kreiten II, S. 12 fg. Koch, Nat. Litt. (146) I, S. CXLVIII. Zimmer a.a. O, 8,194. B. Ges. W. VIII, S. 193 fg., IX, S. 360. Janssen, Böhmers Leben. II, S. 156 ffg. Anfänglich scheint der Titel des l. Rheinmärchens „. . . Müller Radlof" gelautet zu haben, vielleicht in Anspielung auf J. G. Radlof; vergl. Steig I, S. 154. Janssen 'a.a. O. II, S. 158. II, S. 159. Anm. 2; Br. G. W. IX, S. 140 ffg.; S. 174; S. 175 ffg-; S. 182; Janssen a.a. O. I, S. 145; Br. Ges. Werke IX, S. 183; Janssen a.a. O. IL S. 166; I, S. 143; IL S. 169; S. 233. B. G. W. IX, S. 349. Janssen a.a. O. II, S. 241. G. W. IX, S. 352, S. 356 fg. Jans.sen a.a. O. II, S. 343. G. W. IX, S. 358 fg. Janssen II, 245. G. W«. IX, S. 360. Janssen 11, S. 247. Cardauns, Märchen, S. 14. G. W. IX, S. 365 ffg. ^- 370- Janssen a.a. O. II, S. 387; II, S. 486, 472. Cardauns a.a. O. S- 17. G. Görres hat die i. Fassung des Märchens zuerst herausgeg., er hat auch, was bisher unbeachtet geblieben ist, in deutlicher Anlehnung an Brentano ein ähnliches Märchen geschrieben, in dessen Mittelpunkt Gockel als Don Gockelino steht. Vergl. G. Görres deutsches Hausbuch, München 1846. S. 47. „Don Gockelinos Er- mordung. Ein Gespenster-Mährlein für kleine und grosse Kinder."

'') Ueber Datierung vergl. Diel, Kreiten, a.a. O. II, S. 12. Bleich, a.a. O., S. 78. Cardauns, a.a.O., S. 7. Steig im Euphorion (1896) III, S. 792. Dohmke, Br. Werke. S. 10.

Die beiden Fassungen des Märchens. 9

Ein Abstand von mehr als 25 Jahren liegt somit zwischen den beiden Bearbeitungen des Stoffes. Wie die Zeiten, aus denen sie erwachsen sind, wie die umgebende Welt, ihre Ereignisse. Strö- mungen und Ideen ganz verschieden sind, so wird das Antlitz des Brentano von 1840 denen fremd erscheinen, die nur die Züge des Jünglings und heranreifenden Mannes kennen und lieben. Seine Kindheit hatte noch den Glanz des kurtrierischen Hofes und die Herrlichkeit der freien Reichsstadt Frankfurt, die Kaiserkrönung Leopolds II, und Franz II, gesehen. In seinen Jünglingsjahren hatte er Deutschlands Kriegsjahre mit durchlebt. Die Welt um ihn kam zur Ruhe, der Kriegslärm verstummte. Ihm aber ward kein Friede zu teil. Stürme erwachten und erhoben sich von neuem, Stürme, die nicht so leicht zu beschwichtigen waren. Der phantasievolle, unruhige Knabe hatte nicht die richtige Er- ziehung erhalten er selbst vermochte sie sich nicht zu geben, das ist vielleicht das Missgeschick seines Lebens, Dieser Jüngling tritt hinein in den Sturm und Drang der neuen Romantik, er lebt sie selbst mit, früh lernt er die Liebe kennen aber er bleibt unstät, ruhelos, schwankend, er sucht nach stärkeren Charakteren: Savigny, Arnim, Görres, er findet ein kurzes Eheglück immer höher steigt die innere Not, Heidelberg, Landshut, Berlin sind ihre Etappen, bis er endlich die Autorität, die seinem Leben gefehlt, im Glauben der Kinderjahre wiederfindet, im Katholizismus, den er nie ganz verlassen, dessen poetischen Stimmungsgehalt er stets verwertet. Aus solchen Strömungen und Zeiten heraus erwachsen seine Bücher: »Godwi« aus der gährenden Jugend inmitten der Romantik, die Chronika aus dem Liebesleben des Mannes, unser Märchen aus dem Freundesverkehr, die zweite Fassung und das Tagebuch quillt ganz aus der neuerworbenen Weltanschauung, die in ihnen jedoch nicht allseitig zum Ausdruck gelangt, sondern mit nicht geringen Uebertreibungen in mancher Hinsicht, Die verschieden- sten Eindrücke haben diese inneren Erfahrungen in seinem Werke zurückgelassen, Eindrücke, in die wir durch einen Vergleich der zwei P'assungen, die so gänzlich verschiedenen Zeiten entflossen, zu blicken vermögen. Eine solche Untersuchung wird uns nicht nur Brentanos Charakterentwickelung näher bringen, sie wird uns auch in des Dichters Werkstätte führen und seine Arbeitsart zeigen, sie wird durch Beobachtung der Einschaltungen, Fort- lassungen und Veränderungen aufweisen, nach welcher Richtung seine Gefühls- und Gedankenwelt sich verschoben haben.

1 0 Die beiden Fassungen des Märchens.

1. Vergleichung der beiden Fassungen.

Die Unterschiede der beiden Fassungen sind keineswegs so geringfügig, wie Bleich glaubt, ') wohl gestützt auf die Zusammen- stellung der Abweichungen durch Koch. ^) Mit Cardauns kann ich feststellen, dass die erste Fassung fast wortgetreu, von kleinen A^'eränderungen abgesehen, in der späteren Gestalt enthalten ist.^)

Zahlreiche neue Motive sind in die Urform eingeführt, alte erweite?rt oder umgestaltet. Die ganze „herzliche Zueignung" fehlt in der 1. Fassung. Die Einleitungen^) sind bis auf einige charakteristische Varianten fast identisch. Schon gleich eingangs fällt eine interessante Einschaltung auf, die des Wörtchens „gotisch".^) Treten in der 2. Fassung architektonische Elemente überhaupt stärker hervor, so ist unter ihnen vor allem die Gotik betont.") Deutlich ist hier eine Seite in Brentanos geistiger Ent- wicklung erkennbar: seine Stellung zur Kunst. Wüssten wir nicht aus biographischen Notizen, dass er sich der Architektur in Berlin (bei Schinkel) einige Zeit widmete') (1809 10), dass er später mit seinem Freunde Görres, mit Böhmer und den Münche- nern ^) das fröhliche Wiederaufleben der Gotik verfolgte, so könnte man fast aus einem Vergleich der zwei Fassungen auf eine innigere Vertrautheit mit der Architektur und der Gotik schliessen. Wie gern verweilt der Dichter bei architektonischen Schilderungen; wo es nur angängig ist, versieht er einen Gegenstand mit dem Beiwort „gotisch". Eine verspottende Ironie'') ist hier wohl aus- geschlossen. In der Schaffenszeit, welcher die zweite Fassung

1) O. Bleich in Herrigs Archiv XCII. (189 6) S. 78.

-) Dohnike, Brentanos Werke S. 130. Koch Nat. Litt. (146) I stellt in seiner Ausgabe die wichtigeren Abweichungen zusammen. Vergl. vor allem Cardauns, Märchen S. 38 ffg.

^) Ich bezeichne die erweiterte, von Br. besorgte Ausgabe (1838) mit Gr., die ältere Version (Ausg. v. Diel) mit Kl.

4) Gr. S. 1—4. Kl. S. 327 329.

5) Gr. S. 85. Kl. S. 330.

«) Vergl. Gr. S. i (Titelbild). Gr. S. 64/8. Kl. S. 362/2. Gr. S. 75 u. a. Vcrgl. die Kupfer der Originalausg.

") Diel-Kreilen a.a. O. I. S. 301 fg.

*j In München besuchte er die Kunstgesellschaft ,,zu den drei Schilden'", welche besonders mittelalterliche Kunst pflegte; (G. W. IX, S. 85.) Verkehr mit Veit, Steinle, Overbeck (Briefwechsel Doroth. v. Schlegels, herausg. von Raich 1, S. 386).

^) Eine leise Ironie klingt im ^Märchen -Hüplenstichs durch. Ausg. von G. Görres 11, 19O.

Vergleichung der beiden Fassungen. } \

ihre Entstehung verdankt, ist also Brentanos Interesse für die Architektur nicht nur reger, sondern bezieht sich vor allem auf die Gotik J)

Die erste Fassung scheint seine Stellung gegen das Fran- zosentum stärker zu betonen ; im Ton gemildert ist die hübsch aus- geführte Erzählung von den Franzosenplünderungen in der Bear- beitung. ^) Höchst langweilig und überflüssig ist die erweiterte Geschichte vom König Eifrasius und der Verabschiedung Gockels, wie auch die Abreise des Hühnerministers ^) und der Bericht von der Ankunft.'^) Eingeschoben sind zahlreiche Liedchen des »Wunderhorn«, das seltsamerweise zum Urgockel nichts beige- steuert hat.-'")

Von ähnlichem Interesse und Werte wie die Betonung der Gotik ist auch die Einführung ausgesprochen religiöser Ideen und Tendenzen, die Bereicherung mit Gebeten und moralisierenden Reden, Hierzu ist auch die häufige Erwähnung der Kloster- schwestern zu rechnen, die im Urgockel uns nur selten begegnen.'') Seine fromme Richtung tritt uns überall in der 2. Fassung entgegen: wie sorgsam ist die Kapelle gezeichnet, mit welch unverkennbarer Vorliebe der Trauergottesdienst ausgemalt. Nur selten ist in der 1 , Fassung vom Gebet die Rede. ''} In der Neubearbeitung dagegen vergessen Gockel und die Seinen es nie, Morgen- und Abendgebete zu verrichten, während sie es früher meist unterliessen. ^) Fromme Bedenken werden den Dichter auch abgehalten haben, in der 2. Fassung den Apostel zu nennen, „der seinen Herrn verläugnet hat." ") vSehr sonderbar ist das Verhalten Gockels während der Trauer- nacht: im älteren Märchen legt sich „der Raugraf" ruhig

^) Schon 1 8oo ist er mit gotischen Studien ziemlich vertraut. Vergl. Briet an Runge (G. W. VIII, S. 146). 1808 während der Beschäftigung mit dem 2. Bande des »Wunderhorn« schreibt er über die Gotik: ,,Der gotische Stil um- fasst auch eine Welt." Brief an Arnim, Steig I, S. 241.

2) Gr. S. 4/10— 4/31, Kl. S. 329/33 ffg.

3) Gr. S. 5/9-14/4. Kl. S. ?3o/7-332/25-

^) Gr. S. 15/34 17/11 und Kl. S. 335/12-15.

5) Gr. S. 5 fg.. Kl. S. 330/12, Gr. S. 47 fg., Kl. S. 357 'iQ, Gr. S. 78 fg., Kl. S. 370/25, Gr. S. 145/13 ffg., 21 ffg., Kl. S. 404 fg. '') Gr. S. 40, Kl. S. 357. ') Kl. S. 367/34, S. 37323 fg.

«) Gr. S. 13/32 fg.. Kl. S. 333/22, Gr. S. 19/7, Kl. S. 33618. 3) Gr. S. 14/23 fg.. Kl. S. 362/11 fg.

1 2 Die beiden Fassungen des Märchens.

auf die Stufen des Altars zum Schlaf nieder, die 2. Fassung da- gegen enthält diese Stelle nicht mehr. ^) Ganz neu ist der Zug der Marienverehrung (besonders S. 47). Brentano spricht von Marienkindern, pflegte er sich doch selbst ein Marienkind zu nennen.-) Wie erklärt sich dieses stärkere Hervortreten religi- öser Motive? Jugend und Alter Brentanos erhalten ihr charak- teristisches Gepräge durch seine Stellung zur Religion oder anders ausgedrückt : durch das Verhältnis des Antikatholisch-Dämonischen in ihm zu dem nie verstummten mächtigen religiösen Grund- gefühl, ^) Nimmt auch die 1 , Fassung keine ablehnende Haltung gegen eine positive Religion ein, wie es schliesslich die Tendenz des »Godwi« ist, so geht doch kaum des Dichters religiöser Stand- punkt aus dem Urgockel hervor, weder ausgesprochene Sympathie, noch besondere Abneigung. Das ist nun in der 2. Fassung ganz anders geworden: die Frömmigkeit des Dichters hat bisweilen solche seltsame Formen angenommen, dass es dem Leser kaum verargt w^erden kann, wenn er sich nur ungern durch die fröm- melnden süss-sentimentalen Lieder, die religiöse Pflanzensymbolik, die langen Predigten hindurchwindet.

Wenn Brentano auch einmal gelegentlich einer freundschaft- lichen Mahnung Böhmers sagt: . . . ich selbst vermag dergleichen nicht mehr zu überarbeiten, denn ich müsste mich auf eine uner- laubte, ja sündhafte Weise zurückschrauben," so hat er doch die Bearbeitung gewagt, sich aber nicht „zurückgeschraubt"^) das konnte er gar nicht sondern aus seiner damaligen wesentlich anderen Gemütsverfassung und Geistesstimmung heraus das Märchen bearbeitet. Wie dieser Schwärm geist ein frommer Katholik wurde, das glaubt man aus der Bearbeitung durchschimmern zu sehen.

Nur stilistische und logische Verbesserungen weist der Empfang der Mäuse ""^ und deren Errettung auf, eingeschoben ist

^) Gr. S. 59/32, Kl. S. 358.20. Aehnliche Veränderungen linden sich auch in der Bühnenbearbeitung des »Ponce de Leon«: ,,Einfluss eines geschärften religiösen Gefühls" bezeichnet Steig als Ursache (deutsche Litt. Denkmale des i8. u. 19. Jahrh. (55 57.) S. IX.) Man vergl. auch den i. Entwurf der Chronika (wohl 1803) mit der 2. Bearbeitung (1818), wo sichz ahlreiche bemerkenswerte Zusätze finden; Kreiten in den Stimmen aus M. Laach (1880) XIX, S. 473.

2) An einem Feste der Jungfrau ^laria war er getauft und ihren Namen hatte er in der Taufe empfangen.

^) Eichendorff, Zur Gesch. der Dramas, Paderborn 1866. III, S. 153.

^) Janssen, Böhmer II, S. 142.

5) Gr. S. 19/19 28; 10, Kl. S. 336/23—345/9-

Vergleichung der beiden Fassungen. \ "13

die Schilderung des Tagewerks der Familie Gockel ') und die lang ausgesponnene Episode mit dem Postillon. 2) Ausführlicher erzählt er von den drei Petschierstechern, sowie von der Leichenfeier für Gallina und die Küchlein, welche die Katze und ihre Jungen er- mordet haben. ^) Erst in der jüngeren Bearbeitung finden sich für die Katzen die Namen Mack, Benack, Gog, Demagog und die sonderbare auf die Freimaurer hinzielende Bezeichnung „Frei- laurer,"*) Bedeutsam für seine Stellung zum Freimaurertum ist auch in diesem Zusammenhang die Erzählung der Katzenver- schwörung (Gr. S. 167).

Die 2. Fassung ist von einem Rankenwerk überwuchert, in dem sich der Kern der Erzählung seltsam genug ausnimmt. In der älteren Version vermag Brentano die Leichenfeier und die sich daran anschliessende Enthüllung der Familienchronik auf wenigen Seiten abzutun. ■'*)

In der jüngeren Ausgabe lernen w-ir erst eine lange Kräuter- symbolik kennen, ") dann einen „adligen Fräuleinverein aus lauter Pflanzen und Kräutern," ') wunderbare Erscheinungen treten auf. ^) Deutlich ist hier und auch schon vorher der Versuch einer Ver- bindung des Tagebuchs mit dem Märchen wahrnehmbar. Motive sind eingeschmolzen, die mehr darstellen als blosse Anklänge an verwandte Gestalten und Bilder des Tagebuchs, sondern die un- mittelbar eine Vereinigung der beiden so unendlich fernstehenden Werke anbahnen sollen. Weder das Wiegenlied Gackeleias, ^) noch die form- und inhaltlosen Reimereien Alektryos, die Ant- worten Gockels ^*^) und die der Ahnfrau finden sich in der 1 . Fassung. Am seltsamsten ist die Einführung des Urgockel, der nichts Besseres zu tun weiss, als sofort eine lange gereimte Lebens- und Stammeserzählung vom Stapel zu lassen : diese 1 7 5 Verse können wnr in ihrer Langw'eile und Zwecklosigkeit nur den längeren

1) Gr. S. 29/1— 31, Kl. S. 345/24—33-

2) Gr. S. 30/13-3817, Kl. S. 345/34.

^) Gr. S. 38122, Kl. S. 351/8 ri. Das Motiv der drei Petschierstecher als Juden scheint in der 2. Fassung, wenn auch nicht ganz zurückgezogen, so doch sehr geschwächt. Hier ist das Wort Juden im Zusammenhang mit Petschierstechern wohl mit Rücksicht auf die Verbreitung des Buches ängstlich vermieden: an vielen Stellen ist für jüdisch morgenländisch eingeführt, so dass seltsam klingende Ver- bindungen zustande kommen (z. B. S. 174), jüdisch kommt nur selten vor (3. B. S. 40).

^} Gr. S. 20/r,. Kl. S. 337/24. 5) Kl. S. 357/ «8 367/34, dagegen Gr. S. 46/1— 71/12. t^) Gr. S. 46/18—48/24. ^) Gr. S. 49/3 15. 8) Gr. S. 49/15—30. 9) Gr. S. 47 fg. W) Gr. S. 51—59/10.

1 4 Di^ beiden Fassungen des Märchens.

Puppenreden i) zur Seite stellen. Man sollte in der Tat annehmen, dass es dem Dichter vor allem darauf ankam, eine möglichst grosse Bogenzahl zusammenzuschreiben,^) damit die Armen, für die wenigstens anfänglich der Reinertrag bestimmt war, umsomehr erhielten.^) Die ganze Einschiebung bis zum Gericht erstreckt sich über S.S. 46 59/10. Die Gerichtssitzung weist eine Anzahl bezeichnender Varianten auf. ^) Bis zur Leichenrede sind nur wenige Veränderungen. ^)

Umgestaltet oder doch wenigstens verschoben ist das Motiv vom Ringe Salomonis und vom Hahnenstein. In der 1 . Fassung ist sowohl im Anfang als zumeist später vom Zauberstein die Rede (im Anschluss daran von Kabbalisten und Petschierstechern), während die jüngere Bearbeitung stets von Salomonis Siegelring spricht. •') Der Zauberstein, der Hahnenstein wird wohl aus der italienischen Vorlage stammen, die bei der Ummodelung ihm nicht mehr so lebendig im Gedächtnisse lebte, der Ring Salomonis rührt vielleicht von seinen kabbalistischen talmudistischen Studien. .Später (Kl. S. 369/19,21) ist in sehr inkonsequenter Weise von einem Ringlein die Rede, wahrend kurz vorher (S. 368 4 fg.) der Zauberstein genannt wird, „den Gockel aus der Tasche nahm und an den Finger steckte." Schon in der 1 . Fassung tritt also ein allmählicher Uebergang des Steines zum Ringe ein. "')

^) Gr. S. 97 107.

2) Das Honorar wird nach Buchstabenzahl berechnet, vergl. Brief an Böhmer 13. Nov. 1839. Ges. Werke IX, S. 395 fg., vergleiche auch Janssen, Böhmer II, S. 285, Brief an Brentano 28. Oktober 1839.

^) Später für eine arme Kirche in Gelnhausen (darauf geht eine Anspielung Zueign. S. V). Vergl. Diel-Kreiten II, S. 489 fg. Oft hatte er seine Muse zum Betteln ausgesandt: sein »Moseleisgang-*, »Donaueisganglied«, sein Festspiel »am Rhein, am Rhein«, vergl. Ges. W. I, S. 418, IX, S. 81, I, S. 400. „Ihre Geln- häuser kriegen das Ihrige", schreibt Böhmer 14. April 1839. Janssen a.a. O. II, S. 247.

4) Gr. S. 61/8, Kl. S. 360, Gr. S. 62/6 fg., Kl. S. 360/23, Gr. S. 62/7—36 hat B. die ursprüngliche Idee verlassen. Kl. S. 360/2 31, Gr. S. 65/24 fg., KI. S. 363/13, 64/18, 362/7, Gr. S. 64/8, Kl. S. 362, Gr. S. 62/17—30, Kl. S. 360/2 7.

. 5) Gr. S. 68/28, Kl. S. 365/33 fg.

«) Gr. S. 43/1,6, Kl. S. 354/29,34, Gr. S. 71/24, Kl. S. 368/3 ffg., Gr. S. 67/17, Kl. S. 364/34 u. a.

^) Aehnlich steht es mit dem Motiv der Kunstfigur: in der l. Fassung herrscht noch „Puppe" vor, gegen Schluss wird ,, Kunstfigur" eingeführt; K. über- wiegt in der 2. Fassung durchaus.

VergleichuDg der beiden Fassungen. 15

Einmal ist ein Motiv durch ein gänzlich anderes vollständig- verdrängt: eine kaufmännische Reminiscenz dient ihm zur Moti- vierung an Stelle einer in der 1 . Fassung stattfindenden Jagd. ') Die Erklärung dieser Tatsache, sowie jener, dass er in der jüngeren Bearbeitung so oft von kaufmännischen Geschäften spricht ein- mal schiebt er eine lange Erinnerung ein -) mag wohl in dem Umstände liegen, dass der alternde Mann sich gern in die Jugend, ihre Ereignisse und Beschäftigungen zurückträumt, was der Jüng- ling, mitten im brausenden Leben stehend, selten tut. ^)

Die Wunder des Ringes, die Verjüngung des Ehepaares, die Erstehung des prächtigen Schlosses: alles wird aufs liebevollste und eingehendste weiter ausgemalt*) bis zu den Toiletten- necessaires auf dem Waschtisch.'^) Neu ist auch die Scene der Geld Verteilung, wo der Dichter seinem Mutwillen freien Lauf lässt (S. 89 fg., S. 374/14). In der 2. Fassung nehmen diese Schilder- ungen fast den doppelten Raum ein. ^) Bis zum Erscheinen des Zauberers^) finden sich nur kleinere Veränderungen, einmal eine längere Einschachtelung. *) Doch diese ist nur geringfügig gegen eine andere bei Gelegenheit des Auftretens des Zauberers. In langen und öden Reimereien - sie umfassen 1 0 Seiten sucht der Petschierstecher und Naturphilosoph durch der Puppen Schön- heit Gackeleia zum Diebstahl des Ringes zu verleiten. Sieben Seiten») nur verwendet er auf den Beweis: die Puppe sei keine Puppe, sondern „nur eine schöne Kunstfigur", auf die Schilderung ihres Baues und ihre Pflege. Diese Erweiterungen, sowie die Be- schreibung des Eierfestes mit den zahllosen Anspielungen, die oft durch eine scharfe Ironie gewürzt sind, nehmen einen Raum von 35 Seiten ein. ^^)

1) Gr. S. 34, Kl. S. 346.

2j Gr. S. 32, Kl, S. 284, vergl. auch die Märchen vom »Schulmeister Klopfstock« und vom »Komanditchen«, Gedichte, Ges. W. I, S. 532 ffg.

'^) Aehnlich verhält es sich vielleicht auch mit der Einfügung der Lieder aus dem ;>\Vunderhorn«.

*) Die Verwandlungen, Schilderungen des Palastes scheinen durch Märchen aus »Tausend und eine Nacht«, die damals (1826) durch von der Hagen und andere herausgegeben wurden, beeinflusst zu sein oder durch Oehlenschlägers -Aladdin oder die Zauberlampe« (1808)

5) Gr. S. 76/15 77/20, Kl. S. 370/8, S. 83 86.-'=) Gr. S. 74—79. Kl. S. 369—371. - ') Gr. S. 95'»o, Kl. S. 381/8. ^) Gr. S. 89/31—90/27, Kl. S. 376 24. ^) Gr. S. 108—114. ^^) Gr. S. 95 128, dagegen Kl. S. 381—388.

1 6 l^ie beiden Fassungen des Märchens.

Nur wenige stilistische Veränderungen und ergänzende Ein- schiebungen weisen die Bestrafung Gackeleias, die Flucht der P'amilie Gockel, ihre Rückkehr in das neue Schloss, die Wieder- gewinnung des Zauberringes auf. ^) Eingeschoben sind die präch- tigen Verse des Abendliedes: „Guten Abend, gute Nacht." Da- neben nehmen sich die Verse der Kinderliedchen (S. 1 45) nicht all- zu harmonisch aus.

Eingehender^) ist das Mäusereich geschildert: wir werden gequält mit langen Mäusereden, •^) mit einer Mäuseprozession, *) mit der Schilderung einer Katzenverschwörung und einer Mäuse- predigt. ^) Hübsch ist das Motiv der Glühwürmchen.*^) Weit, sehr weit ausgesponnen ist die Wiedergewinnung des Ringes, alles ausgeschmückt mit zahllosen dunklen persönlichen und litterarischen Anspielungen, die bisweilen schlechterdings unver- ständlich sind. "*) Das Schlimmste vollführt Brentano am Schluss.

Anstatt sich wie im Urgockel mit der Erzählung Ciackeleias zu begnügen, die naturgemäss den Abschluss darstellt, fügt er noch ungefähr 50 Seiten langatmiger Gespräche, neuer Ent- hüllungen, Verknüpfungen, Anspielungen aller Art hinzu, haupt- sächlich um die Verbindung mit dem sich anschliessenden »Tage- buch der Ahnfrau« zu bewirken.^) Die schon in der 1. Fassung auferstandenen Alektryo und Urgockel halten jetzt noch längere, unsinnigere Reden, die getötete Gallina und ihre Jungen werden wieder lebendig, eine Primadonna erscheint, die Frau Urhinkel von Hennegau wird in einem Sarge von acht Jungfrauen getragen, eine Prozession folgt ihnen. Gackeleia hält eine endlose Blumen-

^) Gr. S. 129 142, Kl. S. 389 402.

2) Gr. S. 148 151, Kl. S. 407 408/6.

a) Gr. S. 153 fg., Kl. S. 410.

*j Gr. S. 154/28 159, Kl. S. 410/24 412/26. Das Motiv der Mäuse, die pfeifen, und der Kirchenmäuse, „die gar auferbaulich singen", findet sich auch im »Ponce de Leon« (1802). Ges. W. VII, S. lio.

5] Gr. S. 159— 172/2, S. 166 ffg, Kl. fehlt völlig, S. 412.

*'} Gr. S. 149/10,18, Kl. S. 460/(2.

■'j Gr. S. 171 182/14, Kl. S. 412/27—417/24.

^) Gr. S. 185 233, Kl. S. 417/25—419. Diel-Kreiten sucht die Ver- bindung zu rechtfertigen, indem er das Märchen als eine notwendige Einleitung zum Tagebuch bezeichnet (II, S. 478). Eine sonderbare Einleitung, die vom Geiste und Inhalte des Hauptteils denkbar weit entfernt, die um die Hälfte länger ist, die, anstatt zu orientieren und vorzubereiten, nur verwirrt. Br. selbst wird sich über das Verhältnis der beiden Werke nicht klar geworden sein er wollte irgend eine Verbindung herstellen. ;

Vergleichung der beiden Fassungen. 17

rede,i) alles steht in Rührung da und schaut die Ahnfrau an. Jetzt erfahren wir schon fast die ganze Geschichte der Ahnfrau, die wir später noch einmal und dann noch ausführlicher im Tagebuch durchzukosten haben. Brentano hält es für nötig, uns mit den „gräflich hennegauischen Hühnern- und Menschensatzungen", mit den „Pflichten der Klosterfrauen von Lilienthal", mit dem Kaiser Curio und seiner Frau Docka bekannt zu machen. Wir folgen •dem Leichenzug der Ahnfrau und endhch wird uns noch „die grossmächtige breite Schottländerin Countess Miss Gothol" vor- gestellt. Das alles erhebt sich deutlicher aus einem Wust schier unverständlicher Andeutungen und Reden. Am Schlüsse erst kehrt Brentano zur alten rührenden Kindlichkeit zurück: das schöne Wunschlied, in dem die Phantasie den Dichter bisweilen zu weit fortreisst, zumal die tief ergreifenden Verse gegen Ende atmen schon ganz die weiche, rührende Stimmung des Tagebuchs wieder und scheinen zu diesem überzuleiten.

Gegenüber den vielen und zum Teil beträchtlichen Erweiter- ungen, die der Dichter an seiner Arbeit vorgenommen, verschwinden die Verkürzungen fast ganz. Sie sind Ausnahmen und von gerin- gem Umfange ^) und beziehen sich mehr auf den Stil als auf den Inhalt. Eine bedeutende Verkürzung kommt nur einmal vor, bei der Schilderung des Traumes.'"')

Sollen wir nun der 2. Fassung jeden Wert und jede \"er- besserung absprechen? Das Märchen hat durch überflüssige Einschiebung kindischer und alberner Erweiterungen unzweifelhaft an Gehalt und Kunstwert verloren, aber anderseits bedeuten die stilistischen Verfeinerungen und die grössere Konsequenz der Dar- stellung auch einen Fortschritt, der freilich die schlimme ^''ersün- digung Brentanos an dem eigenen Werke nicht wieder gut zu machen vermag. Die erweiterte Fassung ist sorgfältiger gefeilt, das beweist jede Seite. Wortwiederholungen werden gewissen-

^) Die 2. Fassung bekundet eine ausgesprochene Vorliebe nicht nur für Blumen-, auch für Tiernamen. (Der Katalog seiner Bibliothek (1853), Königl. Bibliothek, Berlin, S. 194 ffg., enthält zahlreiche Tier- und Kräuterbücher. Vor- liebe für Blumen auch hn »Müller Radlauf« und in der »Gründung Prags;. Ueber Blumensymbolik vergl. Ges. W. I, S. 422, 11, S. 433,35,36, S. 443, VI, S. 343, S. 47, VIII, S. 321, 139. Tagebuch S. 331. Zum Epheu und Immergrün vergl. G. W. I, S. 79, S. 108 ffg.

2j Gr. S. 36/28, Kl. S. 349/14 fg., Gr. S. 37/12 fg., Kl. S. 349/33 ffg., Gr. S. 45/11 fg.. Kl. S. 356/23 ffg.

3) Gr. S. 26/16 ffg.. Kl. S. 343/16 ffg.

"I g Die beiden Fassungen des Märchens.

haft vermieden, der Ausdruck ist schärfer, präziser, häufig auch hübscher, die Redaktion ist sorgfältiger und konsequenter J) Widersprüche der 1 , Fassung werden gewissenhaft beseitigt. ^) Die Verse vor allem scheinen einer neuen Durchsicht unterworfen worden zu sein, oft sind sie verkürzt. ■^)

Eine Verfeinerung ist auch die Einführung charakteristischer Archaismen. ^)

Es sei mir gestattet, auf die stilistischen und lautlichen Fein- heiten'hier im allgemeinen hinzuweisen, auf die Sucht Brentanos^ mit Form und Inhalt zu spielen, mit Ton und Wort und Sinn gleichsam Gauklerkunststücke zu treiben und so den Leser mit Worten und Witzen und Bildern zu ergötzen.-')

Nicht immer anmutig sind die Spielereien mit dem „goldenen Kopf", dem Zeichen des Brentanoschen Hauses: ,.Das goldene Zeichen über unserem Hausthor selbst schien mir aus diesem ge- lobten Ländchen, als es in wirrer Zeit den Kopf verloren, zu uns emigriert."") Dagegen wollen wir das „sei er nicht so naseweis" gelten lassen, auf das hin er fortfährt: „Darüber erschrak der Alohr so sehr, dass er ganz weiss um den Schnabel ward."'') Echt Bren- tanosche Weisheit ist es, die Fledermäuse zu den Mäusen zu rechnen (S. 104). Auch das Wortspiel: „Die Einweihung des Mo- numentes wird monumental werden" (Gr. S. 181) kann des Clemens Vaterschaft nicht verleugnen, eben so wenig die Trotzköpfigkeit: „Verbietet uns der Doktor das Bier, so trinken wir Gerstensaft." (Gr. S. 108.) Namenwitze begegnen uns sehr oft in Zusammen- setzungen der Wörter: Hahn, Huhn, Henne, Gockel, Hinkel, Maus mit Suffixen oder Substantiven. Wir finden ein langes Register: König Hahnri (Henry), Hanebach, Hüningen, Hünefeld, Hunheun, Hühnerbein, Henneberg, Gockelsruh, Hinkeis, Gockel und Gackeleia

1) Gr. S. 27/13, Kl. S. 344/16, Gr. S. 1/15, Kl. S. 327/ 14, Gr. S. 20/19 ffg., Kl. S. 337/25.

•■i) Z. B.: Gr. S. 28/25 %. Gr. S. 37/25 ffg., Kl. S. 345/22, Kl. S. 354/14 %. Gr. S. 40/24 ffg.. Kl. S. 352/23 ffg. u. a. m.

^j Gr. S. 65/11, Kl. S. 363, Gr. S. 87/4, Kl. S. 373/30, Gr. S. 59./18, Kl. S. 358/6, Gr. S. 63/7, Kl. S. 361/7.

•i) Gr. S. 59/28, Kl. S. 358,16, Gr. S. 61/8, Kl. S. 360, Gr. S. 62/2, Kl. S. 360,26, Gr. S. 142/3, Kl. S. 420 20.

^) Sehr fördernd sind die feinsinnigen Untersuchungen Roethes über den .Stil Brentanos in »Ponce de Leon«, vergl. G. Roethe, Brentanos Ponce de Leon,. Berlin 1901, S. 22 ffg.

*5) Zueignung S. VI, S. IX.

7) Gr. S. 103, Kl. S. 378.

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VV^f^T-rfpr^-.

Vergleichung der beiden Fassungen. 19

d'ors, Hennenthaler u. a. m. Ganz Brentanos Art sind Verbin- dungen wie: „Königl. Hühnerministerial- Zapfen brett", ') Bildungen: Eifrasius, 2) Ihre Eiesstät Eifrasius, '^) Eilegia. *) Aus dem Hohelied Salomons macht er „das höchste Lied";'^) er bildet die schönen Wortverbindungen: „Miniatur von einer Kleinigkeit einer Baga- telle" oder „Komma cum Pünktlichkeit duo Pünktlichkeit." '') Wir sind hier schon bei der lustigen Umbildung des Fremdwortes an- gelangt. Wir lesen: Maus Mausoleum,^) Gackeleioeum ; '') Maus Mausolus; daneben jMausheit, Mäuslichkeit u. a. Cata- lani - Cata, Katz Lani, Wolle ; Mauselani i") Demagogokolie, ' ') Kibitz Kiwi qui vit, ^^) Kibitzen, Kibitken. ^^)

Aus den oft vorkommenden Klang- und Reimspielen zitiere ich nur wenige: ripps rapps, gripps grapps; schicklich erquicklich; witzig spitzig, vor allen lese man die Rede der Schwalbe; ^^) weiter: wischi waschi; wa; wa; „der ungeheure grosse gotische Säulen- wald mit unzähligen Schnitz-, vSpitz-, Glitz-, Blitz-, Ritz-, Kritz- und Spritzwerk in vorgothischen und hintergelnhausischen Spitz- bubenschenkel-*■'') Katzenellenbogenstyl;" ^'') pratsch, pratsch; bra- vissimo da capissimo, cito citissimo ^^) u. a. ^^) Alliterationen sind auch nicht selten : Busch und Baum, ' -') Gut und Gold und Geld. ^ )

Zahlreichen Sinnspielen begegnen wir vor allem in den Dia- logen. Zum Beispiel: „ein Schloss, w^oran nichts auszusetzen war, denn es war nichts darin, aber viel einzusetzen."^') „Armut ihr leerer und doch so schwerer [Betteljsack." ^-) „Als sie nun zu Hause mit den Hühnern fertig waren, machten sie nicht viel Feder- lesens und hatten bald mit diesem, bald mit jenem Nachbarn ein Hühnchen zu pflücken." ^"^) „Vater Gockel war bei ihnen und so

1) Aelinliche Zusammenstellungen: Gr. S. 7, S. 119, S. 30, S. 32.

2) Gr. S. 5/18. - 3) Gr. s. 5/29. ^) Wortspiele mit „Ei": Gr. S, 120, 199, Kl. S. 385. 5) Gr. S. 85. 6) Gr. S. 115. 7j Gr. S. 207. 8) Gr. S. 151. !>) Gr. S. 167. W) Gr. S. 25, Kl. S. 352. H) Gr. S. 105. 12j irn Älärcben »vom Dilldapp« kehrt das Wortspiel Qui vit Kibitzen wieder. Görres Ausg. 11, S. 365. ^^) Gr. S. 92, Kl. S. 378. 1*) Gr. S. 63 fg., Kl. S. 361 fg. 15j Zu »Bubenschenkel« gebildet. 16) Qr. S. 172. Einfluss von Fischart, vergl. auch oben S. 21. ^^j Gr. S. i?o. 18) Gr. S. 44, 51 fg., S. 121, bs. Gr. S. 173/19, Kl S. 386 fg. W) Gr. S. i.

20) Gr. S. 71, Kl S 368; ferner: Gr. S. 2/9, Kl. S. 368 6, Gr. S. 2/17, Kl. S. 328/15. Gr. S. 1 16/10, Gr. S. 122/9, Kl. S. 387/9 (teilweise).

21) Gr. S. I, Kl. S. 327. 22j Gr. S. 3, Kl. S. 328. 23) Gr. S. 4.

20 I^'*^ beiden Fassun^^cii des Märchens.

einerlei, dass er nicht so allerlei empfinden konnte;"') „wollte Gott ein Wunder zur Erbauung der Kirche thun, an eurem Umschauen fehlt es nicht, so hätten wir einen Wald von Säulen, ehe man sich umsieht . , . Da schauten sich um alle Fräulein und dienten ver- wandelt in Säulen zur allgemeinen Erbauung der Kirche. So wurde die Kirche zwar sehr schnell, aber doch nicht, ehe man sich umsah, erbaut;"^) oder: „kein Hühnerauge ohne Mitgefühl."-')

Wenig gelungen erscheint der Doppelsinn in dem Wortspiel: „Als sie abgespeist hatten, ging Gockels Grossvater, um das Desert zu besehen, es war eine Wüste." ^) Selten treffen wir eine Ver- bindung, der ein W^iderspruch zu Grunde liegt, wie: „immer nur dich, nimmer aber mich.'"') Die etymologische Figur findet sich auch nicht häufig: zu Altvordern bildet er Junghinteren,*') (dazu urälterliche, altvorderliche Studien '') zu Akertümern Neuertümer.^'*)

Ein Klangwitz ist zu erblicken in den „Salzkukummern, die kümmerlich schmecken." '•')

Ein charakteristisches, oft wiederkehrendes Mittel, den Dialog oder die Schilderung lebendig zu gestalten, ist die Wiederholung und Steigerung: „ach der Klapperstorch, der Klapperstorch ;" ^o) „ach der Vater, ach der Vater, ach was wird der Vater sagen; ach er wird mich umbringen ;"'') „die verzwiefelte, verzweifelte Misse- Misse-Missetat." ' ^) „Das ist die Eule, die grosse alte Eule." '")

Seltener ist die Variation desselben Stammes,'*) wie in: „ein gewisses Gewissen," '='')„ihre Lebzelten-Vorältern leben neben ihr." i^) Fast jede Seite dagegen weist Häufungen auf. Man lese nur jene, wo ohne Zweifel Fischarts'^) Einfluss mitgewirkt haben wird: „Potz Stachel-, Kreusel-, Preissei-, Kloster-, Hollunder-, Wachholder-, Berberitzen-, Johannes-, Brom-, Himbeeren! Potz Quendel, La- vendel, Bux, Taxus, Mispel. Quitten und Hassel! Potz Tymian

1) Gr. S 159. '^} Gr. S. 172 fg.; ferner: Gr. S. 4/25 fg , 5/26 fg.; Gr. S. 124, Gr. S. 125, Gr. S. 184. •') Gr. S. 210. ^) Gr. S. 4 fg. 5j Zueignung S. III; ferner: S. 4 10, S. 11 flfg., Kl. S. 331 fg "j Kl. S. 329. '') Gr. S. 216. ^) Zueignung S. IV. '•') Gr. S. 173, Kl. S. 413.

10) Gr, S. 15. - 11) Gr. S. 36, Kl. S. 349. l-'j Qr. S. 63, Kl. S. 361.

1-^j Gr. S. 6b, Kl. S. 364; ferner: Gr S. 2/32, Kl. S. 328 29, Gr. S. 74, S. 8i'23, Kl. S. 372/26, Gr. S. 96, S 97, .S. 107, 108, S. 128/15, Kl. S. 389/1 1. Gr. S. 129, S. 220 fg. - 1^) cf. Roethe, a a. O. S. 35. l^j Gr S. 213. 1") Gr. S. 218. l'j Vergl. Fr. Schultz, J. Görres als Herausgeber, Litterar- liistoriker, Kritiker im Zusammenhang mit der jüngeren Romantik. Berlin 1902. Palaestra VII. l'ischart und sein Einfluss auf die Philister von Brentano. S. 89, Anm. 4.

Vergleichung der beiden Fassungen. 21

Majoran, Baldrian, Rosmarin, Hisop und Salbei." ') Weniger maniriert ist die Häufung bei der lustigen Prügelscene. ^) Beach- tenswert ist, dass die 2. Fassung, auch was die Häufungen angeht, eine Bereicherung aufzuweisen hat.

Während das Märchen selbst an Bildern verhältnismässig arm ist, reiht sich in der Zueignung ein Bild an das andere. Man müsste die ganze Einleitung ausschreiben, um eine er- schöpfende Vorstellung von diesem Reichtum zu geben. Da hören wir von dem Nürnberger Bilderbogen der verkehrten Welt,') von „Träumen, welche die Pillen der sogenannten Wirklichkeit ver- golden."-*) „Die Märchenwelt, die über der Wirklichkeit wie ein Sternhimmel über einer Froschpfütze lag-,"^) oder von „Herrn Schwab, an dessen Originalitätsstaketen alte Reben, Geisblatt- und Bohnenlauben unserer Phantasie hineingerankt waren." •') Wunder- bare Bilder ergeben sich aus den Titeln zeitgenössischer Werke."') Bemerkenswert sind noch jene, welche mit den Wörtern Hahn, Huhn in Zusammenhang stehen : eine Rede unterkrähen, ""■) Rech- nungen ausbrüten ") und ähnliche. Wir lernen „die Verschönerungs- kommission der vier Jahreszeiten kennen" ^'^) und „vernehmen einen Dank-Triller, der bis zum Pfarrturm hinaufstieg",^') das Echo ist ihm „eine unverbesserliche Wiederbellerin" ^-) u. a.

Bibelstellen, Sprichwörter und feststehende Redensarten werden verändert. So sagt er: „Mir war als einem, dem das Paradies und das Butterbrot mit der fetten Seite auf die Erde ge- fallen sind."^-') Oder: „so gern wie alle Mäuse Salz lecken, brauchen wir doch keinen Scheffel Salz mit diesen kuriosen Grafen zu essen, bis wir sie kennen lernen." i^) „Ich will mein Geld für die Katze." *•) Bibelstellen und Sprichwörter werden, wenn auch gerade nicht parodiert, so doch umgedeutet oder auf vorliegende Verhältnisse angewandt: „Gott, der die Raben füttert, welche nicht säen, wird auch Gockel nicht verderben lassen, der nicht säen kann," i'') „Man kauft keine Katze im Sack, viel weniger einen Hahn." ^'') „Man muss dem Beil seinen Stiel kaufen und dem Kind sein Püpp- chen."^^) „An der Klaue erkennt man den Eöwen und an

1) Gr. S. i6, Gr. S. i;2. 2j Gr. S. 90; ferner S. IV, S. VI ffg , S. IX, S. 3 28 flg., S. 3(), S. 70,22 fg., S. 74, 88, Kl. S. 375, Gr. S. 90, S. 115, KI. S. 383. 3j Gr. S. IV. -•) Gr. S. V. '^) Gr. S. VII. - *>) S. IX. - ') S. IX fg. ^) Gr. S. 32, Kl. S. 329,18 9) Gr. S. 7. i«) Gr. S. 54. u, Gr. S. 120. 12) Gr. S. 173. 13) Gr. S. XI. 1^) Gr. S. 172. löj Gr. S. 44. - "5) Gr. S. 1 2, Kl. 8.332. l^) Gr. S. 40. KI. S. 352. - 1«) Gr. S. 108.

22 ^^^ beiden Fassungen des Märchens.

der Hand die Gräfin von Hennegau." ^) „Zwei Mäuschen und sieben Sächelchen." -)

Von selten vorkommenden Wörtern und Verbindungen sind vor allem zu erwähnen: Federgeviehzel, •') fresslieb haben, gewinnen;^) pumpsattessen ; ^) verschäferter Prinz ; ^) Menschenwohl bezwecker. '')

Dass bei der erweiternden Bearbeitung auch m.anche Ver- gröberungen eingedrungen sind, ist nicht zu verwundern.^) Motive, die früher durch ihre Kürze, ihre naive Kindlichkeit angezogen haben, werden jetzt durch Einfügung persönlicher Züge ins Mass- lose erweitert, dass sie fast unleidlich werden. Namentlich gilt das von den Einschiebungen religiöser Natur.

Vor allem fällt der Zug- ins Formelle, Konventionelle auf. Wie fern steht der Dichter der ersten Fassung dieser Neigung des bedächtig klügelnden Alters. Anfänglich äussert sich das Be- streben, formelle und zeremonielle Züge einzuführen nur schwach in der Hinzufügung von Titeln und Namen. „Eifrasius" und „Eilegia'" treten in der 1 . Fassung nur selten, in der zweiten jedoch stets auf. Vorhandene Züge werden noch stärker betont bis ins .\lberne und Unerträgliche, man lese nur die Begegnung des Petschierstechers mit Gackeleia. ")

Interessant ist die verschiedene Behandlung des Alektryo. In der 2. Fassung tritt der Hahn entschieden deutlicher aus dem Märchen hervor, wie Brentano überhaupt auf alle Gestalten stärkere Accente legt. Einerseits ist im Hahn das Gockelhafte, das Tierische mit grösserem Nachdrucke betont, anderseits ist eine Neigung zur Anthropomorphisierung sichtbar. In der 2. Bearbeitung sind die Namen „Alektryo" und auch „Gallina" sie erscheinen als Eigen- namen — gleich von Anfang an und immer eingefügt, während dies in der 1 . Version später und seltener geschieht. In der 2. Fassung- ^*^) wird Alektryo sogar tiefsinnig, er meditiert.

Den grössten Gewinn aus unserer Vergleichung werden wir für die persönliche Charakteristik des Dichters ziehen. Bei

1) Gr. S. 209. -) Gr. S. 171. '■'} Gr. S. 142, Kl. S. 402: Tiere,

*) Gr. S. 166, 218, vergl. Roethe, a. a. O. S. 92 Anm. "J Gr. S. 170.

>') Gr. S. VII. ') Gr. S. 169.

«) Z. B.; Gr. S. 28/25 %, Cir S. 37/25 %. Kl. S. 345/22, Kl. S. 350/14 ffg., Gr. S. 40/24 ffg., Kl. S. 352/23 ftg. u. a. m.

^) Gr. S. 97, Kl. S. 382, Gr. S. 115/4,14, Kl. S. 383/1,12 u. a. m.

1^) Besonders (ir. S. 83. A'ielleicht hat hier Rcineke Fuchs« als Muster vor- 'cschwebt.

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Vergleichung der beiden Fassungen.

keinem Romantiker vielleicht spiegelt das Werk in jeder Hinsicht, im Guten und Schlechten, so ganz die Seele des Dichters wieder, wie bei Brentano. Was er in einem anderen Zusammenhang sagt: „Die Seele muss Held sein," ^) gilt auch von seinem Märchen und jenes andere rührend bescheidene Wort: „so war leider ihr Gegenstand kein besseres Kunstwerk, als meine eigene arme Person." ^)

Grisebach hat das spätere Märchen „einen Abglanz seiner neuen Geistesrichtung" •^) genannt, und dem stimmen wir zu. wenn wir es auch mit Cardauns nicht „als den völlig adäquaten Ausdruck dieser Richtung" ^) betrachten können. Brentano hat nicht, wie man schon behauptet hat, in den letzten Lebensjahren, überhaupt nach seiner Rückkehr zur Kirche, jegliches Kunstgefühl, jede dichterische Kraft verloren ; ^) das aber geht aus einer ästhetischen Würdigung der zwei Bearbeitungen herv'or: seine Zeichnung ist weniger frisch und klar, sie streift hart an Verworrenheit und Schwülstigkeit, seine Selbstzucht ist noch geringer als früher, seine Phantasie überspringt alle Schranken, ^') seine Gefühle sind nicht einfach vuid natürlich, sondern all zu oft kindisch, fast sentimental,') jugendlicher Uebermut und frohe Laune sind noch immer vor- handen, aber langsam rückt doch schon greisenhaftes Empfinden und Denken heran. Zwar hat das Märchen durch die Umarbeitung an manchen Stellen Vertiefung und Verfeinerung erfahren, Be- reicherung an glücklichen Einfällen, hübschen Motiven, aber die Einheit, die kindliche Unbefangenheit, die Einfachheit und Ur- sprünglichkeit und Abrundung sind verloren gegangen. Meles erscheint gekünstelt, die schöne Harmonie, die den »Urgockel« auszeichnete, ist verbannt und zerstört, alles, auch das Edelste,

h von Holtei, Briefe an Tieck, Breslau 1864, I, S. 95 g.

2j Ges ^,^' YUI, S. 143 fg.

^) Grisebach, Das Goethesche Zeitalter der deutschen Dichtiuig, 1891. S. 138, Anm.

^) Cardauns, a. a O. S 143.

"j Einige Jahre später, Ende der 30er Jahre (vergl. Kreiten II, 509, Ges. W. IX, 88) schrieb er eine seiner vollendetsten Dichtungen, die tief poetische Legende der hl. Marina.

"j Dorothea Schlegel bemerkt einmal (1801): ,, Seine Charaktere eignen sich sehr gut zu Masken. Nur müsste er sich aufopfern lernen und wohl um die Hälfte kürzen." (Briefwechsel, herausg. v. Raich, Mainz i88t, I, S. 76.)

) ,,Er schämt sich seiner sentimentalen Ader, die er doch garnicht ver- leugnen kann." (Doroth. Schlegel, a. a. O. I, 41.)

24 Die beiden Fassungen des Märchens.

Wahrste und Reinste glaubt der Dichter, wenn auch nicht ver- werfen, so doch noch erheben und verbessern zu müssen, ^) und wie vieles aus der ersten Fassung will ihm nun als falsch oder gar sündhaft erscheinen! Sein Genius ist gehemmt durch die Furcht, „etwas zu schreiben, was meine innere Ueberzeugung nicht billigen kann". Es ist das Verhängnis seiner inneren Ruhelosigkeit, ^) eine tief wurzelnde seelische Krankheit, die seine dichterischen Aeusser- ungen so gestalten, nicht so sehr sein neuer religiöser Standpunkt. Brentano schwankt immer zwischen den zwei Polen seines dämo- nischen Xaturgefühls, der daraus sich entwickelnden Autonomie, die ihn unaufhaltsam durch alle Fernen treibt, ihn heisst, allen Zwang, alle Autorität abzuweisen, und des Glaubens, den er mit Hingebung und Demut umfassen möchte, unter Verzichtleistung auf andere Neigungen und Triebe,^) Mit aller Kraft richtet er sich auf und sucht diesen Zwiespalt zu beseitigen, indem er sich ganz dem religiösen Grundgefühl hingibt, indem er Witz und Ironie freien Lauf lässt, aber nicht ihrer selbst wegen (wie er früher selbst und wie später Heine), sondern um das Niedere und Schlechte zu vernichten, sie zeugen von einer hohen moralischen Kraft. Das ist eben das Rätsel seiner Doppelnatur, der Widersprüche in seinen Schöpfungen.

Aus diesen Stimmungen seiner Seele erklärt sich die zweite Fassung. Aus persönlichen Momenten und Erinnerungen ist sie hervorgequollen,**) gleichgültig ist es ihm, ob sie einem weiteren Leserkreise als Unsinn und Rätsel erscheint;-'*) alles ist zusammen- gesucht aus den entlegensten Winkeln, bunt zusammengeflickt, so- dass EichendorfF wohl mit gelindem Spotte von einem „poetischen Schneider" sprechen durfte. -

^) Dazu kommt noch eins : Das Tagebuch war fast ganz unter der Herr- schaft des neuerwachten reh"giüsen Gefühls geschrieben Avorden, und da die i. Fas- sung des Märchens nicht so sehr unter dem Einflüsse religiöser Stimmungen stand, musste, schon um einen Gleichklang herbeizuführen, das religiöse Motiv im Märchen noch gesteigert werden. Vcrgl. auch Bleich, a. a. O. S. 84.

2) Steig, a. a. O. I, S. iio, Koch, Nat. Litt. a. a. O. S. CXXXVIII fg.

•') Vergl. die treftende Charakteristik von Eichendorif, Zur Geschichte des Dramas, Ges. W. III, 153. Paderborn 1866.

■*) ,,Vicl tief Gefühltes und Erlebtes ist darin und selbst der Mutwille war ein Kind des Schmerzes." G. W. IX, 370. Die Märchen waren ihm ein müh- seliges Potpourri aller seiner Zustände. G. W. IX, 491, vergl. auch Janssen,. Böhmer I, S. 143, G. W. VIII, 135.

^) Cardauns, a. a. O. S. 44.

Die Quellen. 25

II. Die Quellen.

1. Des Märchens.

Die Tatsache, dass sowohl Cardauns, ') wie Bleich -) einzelne Quellen noch nicht aufgefunden, •^) dass vor allem in der Leichen- rede noch manche dunkle Stelle aufzuhellen war, veranlasste mich, noch einmal die Quellen des Märchens (und auch des Tagebuches) zu untersuchen.*)

Brentano selbst gibt in seiner »herzlichen Zueignung« Auf- schluss über seine angeblichen Quellen. „Die Grundlage von dem Ring und dem Hahn" soll nach seinem Geständnis ■'') von einem wälschen Chokoladenmacher stammen; die Namen Gelnhausen und Vadutz beruhen auf Jugenderinnerungen und -Spielen, in das Land Hennegau ist er durch Gockel und Hinkel geraten. So erzählt er dem „Grossmütterchen", Marianne Willemer, in einem Gemisch von Wahrheit, Uebermut und Laune. Ich vermag nicht wie Koch, ") Dohmke'') und Diel-Kreiten**) es tun, diesen xVngaben grossen Wert beizumessen und gar biographische P'olgerungen aus ihnen zu ziehen ; wie Cardauns halte ich diese Angaben für lustige Spielerei^ für ein Erzeugnis seiner gewaltig schaffenden Phantasie. Es mag dem Dichter ergangen sein wie Gockel: „Alles Gehörte erweckte dunkle Erinnerungen wie von Märchen aus seiner frühesten Jugend in ihm." •') Gewiss mögen Jugenderinnerungen ihm Anregung gegeben haben, aber er besass doch mehr, eine bestimmte Quelle, die ihm Kern und wesentliche Züge des Märchens bot:!*^) das-

^) Cardauns, a. a. O. S. 32 ffg.

-) Bleich, a. a. O. S. 80.

^) Die Quellen zum Tagebuch sind überhaupt noch nicht untersucht.

■'j Zwar wissen wir heule mehr von ihnen als der Herausgeber G. Görres : „Der Grund seiner Dichtung ruht auf älteren Quellen " Doch muss ich wie Car- dauns gestehen, ,,dass auch mein Nachweis durchaus nicht beanspruchen kann, voll- ständig zu sein ; . . im Gegenteil bin ich überzeugt, dass Br. noch manches kuriose Buch benutzt und ausgeschriel)en hat, das mir entgangen ist. (Cardauns S. 18.)

'">) Zueignung S. V— VIII fg. Gr. S. 225. '^) Koch, a. a. O. S. CXLIX. 'j Dohmke, Brentanos Werke, S. 129. *j Diel-Kreiten II, S. 100, vergl. die auch hier zutreffende Bemerkung von G. von Hertling, Hochland (1903) S. 296 fg. !') Gr. S. 52.

^^) Cardauns stellt die Daten für die Auffindung der Quellen zusammen (a. a. O. S. 16 20). Nachzutragen ist: schon im »Godwi.< (Bremen 1801, 1802,

26 ' Die Quellen.

Märchen »Der Hahnenstein« aus der italienischen Märchensamm- lung II Pentamerone del Cavalier G. B. Basile Quero lo cunto di cunti, Romae-l 749(1 679) (S. 402—409), wie Cardauns und Bleich nachgewiesen und ausführlich erörtert haben. ^)

Das von Basile erzählte Märchen hat nur wenige äussere Linien geliefert, Brentano hat ein fast völlig neues Werk geschaffen, ein Kunstwerk wenigstens in der 1 . Fassung. ^) Gerade die Art, wie er die Quellen benutzt, dort einen Zug verwertet, hier verwirft, die Konturen einmal verstärkt, das andere Mal mildert, lässt den Wert seiner Schöpfung deutlich erkennen. Was Haym von Schillers Bearbeitung des Gozzischen Märchens sagt, gilt auch von Brentano: „Das Skizzenhafte, das Holzschnittartige der Gozzischen Behandlung musste weichen , . . sein ganzes Bestreben richtete sich darauf, mehr Fülle und poetisches Leben, Buntheit und Sinn- lichkeit hineinzubringen." Wo Basile einfach erzählt, Ungehöriges zusammenmengend, da schildert Brentano mit aller Kraft, wo der Italiener den blossen äusseren Erscheinungen nachgeht, sie dar- bietet ohne Motivierung und Tiefe, da stellt der deutsche Dichter Verbindungen her, gestaltet er, oft aus dem eigenen Leben und Wesen schöpfend; Basiles Erzählung ist schmucklos unpoetisch, Brentano führt neue Verwicklungen ein, umgibt alles mit reichem poetischen Schmuck, überall weht uns ein echter Stimmungsgehalt entgegen. Die italienische Erzählung ist mit der deutschen Märcheneinfalt verschmolzen. Das war nur einem Dichter mög- lich, dem diese Mischung italienischen und deutschen Wesens schon im Blute lag. ^) Das Märchen ist Brentanos eigenstes Phantasie-

I, S. 9) ist von ital. Kindermärchen die Rede: „oder gar wie der Popanz in den italienischen Kindermärclien eine solche Königstochter aufessen." An einer anderen Stelle sagte er, dass man ital. Komödien spielt (II, S. 204). Die Ansicht Böh- mers (Janssen, a. a. O. II, S. 472), dass damals Brentano allein in Deutschland Basile kannte und schätzte, ist nicht ganz zutreffend; auch Wieland hat ein Mär- chen benutzt zu seiner Dithtimg »Pcrvonte<> vergl. Nat. I.itt. (52) II, S. 35 Anm. Br. besass nicht nur die Ausgabe von 1/49, wie Liebrecht mitteilt, (Basiles Pen-' tamerone, Breslau 1846, 2 Bde , II, S. 316), sondern auch jene aus dem Jahre 1679, vergl. Katalog seiner Bibliothek Nr. 2582, S. 147.

^j Ueber Basile und seine Märchen vergl. Grimm, Märchen II, S. 200 fg. Liebrecht, a. a. O. II.

^) Bleich vergleicht eingehend Quelle und Märchen Brentanos a. a. O. S, 78 fi'g. : ebenso Cardauns a. a. O. S. 33 fg , S. 36.

•^j Steig, in der Rezension von Cardauns, Märchen Cl. Br's. Euphoriou (1896) III, S. 792.

Des Märchens. 27

gebilde, i) wenn er auch in vielen Einzelheiten Quellen folgt, die er frei und froh ausnutzt.

Einzelne Motive hat Brentano auch aus anderen Märchen Basiles geschöpft. So vielleicht die Geschichte von den Katzen, welche Huhn^) und Hähnchen töten. Im 4. Märchen »Vardiello« ^) erzählt Basile von einer Frau: „sie hatte eine Gluckhenne, welche Küchlein ausbrütete, aus denen, wie sie grosse Hoffnung hegte, ihr ein grosser Gewinn erwachsen und ihr Glück hervorspriessen sollte." Vardiello soll auf sie acht geben, durch Ungeschick tötet er die Henne, eine Katze stiehlt sie ihm.

Das Motiv der Vertauschung kostbarer Gegenstände, be- sonders von Zaubermitteln, findet sich gleichfalls in den italieni- schen Märchen, die Verwechselung, ohne dass der rechtmässige Be- sitzer davon weiss, im Märchen vom »wilden Mann«.*) Die Scene der Maus, welche tanzen kann, entstammt dem fünften italienischen Märchen: „»der Mistkäfer, die Maus und das Heimchen.«") Im Märchen »die sieben Schwestern«") kommt eine genäschige Tochter vor (Gr. S. 1 1 fg.) in den »sieben Tauben« '') ein Wappen mit einer Schlange, die sich in den Schwanz beisst (Gr. S. 5 7), in demselben Märchen rettet die Maus ein Mädchen, das ihr einen Dienst ge- leistet hat. ^) Aus Basile '') kann auch die \^ersammlung der Vögel stammen; in den »drei Tierbrüdern« heisst es: „Der älteste der- selben (der Söhne), der die Gestalt eines schönen Falken hatte, rief alle Vögel zu einer Versammlung zusammen, Finken, Zaunkönige, Auerhähne, Baumhacker, Fliegenschnapper, Heher, Spechte, Gimpel, Kuckucke, Amseln . . ." **')

Was die litterarischen Quellen angeht, so entstammen ein- zelne Züge einem Dialoge Lucians,'') dem »Hahn oder Traum des

^) Steig, a. a. O. S. 792, vergl. auch Bleich, a. a. O. S. 69 fg.

^) Von einer Ghicke erfahren wir im Frühlingskranz (S. 125): ,,Da fütterte Peter allerlei Geiieder, Tauben und eine Glucke mit jungen Hühnern, da sass das Kind und dichtete ihm (einem anderen Kinde) Märchen vor."

■') Liebrecht, a. a. O. I, S. 5^' \) a. a. O. I, S 15 ftg **) Lieb- recht, a. a, O. 1, S. 324, 326. •<) a. a. O. H, S. 41 flg. - ') a. a. O. II, S. 108. - «) a. u <> II, S. 113 ■•') a. a. O. IT, S. 30.

^^) Auch (loethes Reineke Fuchs wird hier angeregt haben.

^^) Brentano kannte die lateinische Uebcrsetzung der Werke Lucians (Luciani opera, Bibliothek Nr. 2501, S. 143); auch wird ihm Wielands L^^ebertragung nicht unbekannt gewesen sein, jedenfalls waren ihm Wieiands Göttergespräche vertraut ob es die Lucians oder Nachahmungen sind, weiss ich nicht das geht aus Oodwi hervor (I, S. 34): „sie guckten sich an und gcbcrdeten sich wie Phöbe, Diana und Proserpina in Wielands Göttergesprächen."

28 I^ie Quellen.

Micyll.« In diesem Gespräche ist Micyll ähnlich wie Frau Hinkel zornig über das frühe Krähen^) des Hahnen. Bei Lucian heisst es:^) »Vermaledeiter Hahn, dass dich und die verdammte Trom- pete in deinem Halse der grosse Jupiter zerschmettere, du neidischer vSchrcihals!« Bei Brentano:-') »Alektryo krähte ihr so schneidend dicht in die Ohren, dass sie vor Schrecken er- wachte und an die harte Erde fiel. Darum hatte sie noch einen viel grösseren Mutwillen gegen den ehrlichen Stammhahn Alek- tryo.« Sowohl Micyll als Gockel sind höchlichst erschrocken, den Hahn sprechen zu hören. Lucian:'*) »O wundertätiger Jupiter und hilfreicher Herkules, steht mir bei ! Was für ein Unglück be- deutet das! Mein Hahn spricht zu mir wie ein Mensch!«-'') Brentano: > Gockel blieb vor Schreck und Rührung [Kl . . starr] stehen, als er den Alektryo reden hörte.« '')

^\ls \"orlage für die Schilderung des Mäusereiches und die Mäusereden diente Brentano das wunderliche Buch:^) »Meuss- thurn. \on wunderlicher Natur, .Vrt und Eygenschafft : Auch häuffigem uffkommen und endlichem abnemmen dess schäd- lichen l.andverderblichen Meussungeziffers. Sampt Historischer Erzählung wie wyland der Geistliche Herrn und neben anderen dry weltlichen Potentaten \'on ]Mäusen gefressen worden. Gedruckt im Jahre 1 () I 8.« Manche Anregungen hat Brentano hier- aus geschöpft, z. B. für die Gradunterschiede im Mäusereich, '*) für die Rede des Muskulus.'') Auf Prätorius seltsame Alektrvomantia'"')

') Ueber XathstLlliiii;,'(.i) des Hahnen wes^'en zu frühen Kräheus vergl. auch üellerts (Teilicht Die schlauen Mädchen (Bremer Beiträf^e Nat. LiU. (43) I, S. 140. Geliert gtht (nach Munl<cr) auf Burkhard AValdis Aesopsche Fabeln zu- rück, die auch Breiilano kaiinle und besass.

-) f.ucians ausjjewahUc Schriften, übers, von C. M. Wieiand (Reclam 1133) II, s. ;;. •■') Gr. S. 34. Kl. S. 34G. ') Lucian, a. a. O. S. 78.

•'•) Ein ähnliches Motiv vom Pferd, das redet, findet sich im Märchen vom Komanditchcn«, Gürres-Ausg. 11, S. 379. ") Gr. S. 42, Kl. S. 354.

') Die Kenntnis dieser Ouelle verdanke ich der Freundlichkeit des Herrn Dr. K. Storck. '') Die Mäuse sind ,,mit einem besondern HolTzeichen gebren- net," mit Ringen, Korallen und seideneu Schnüren geschmückt.

•') Vielleicht Anspielung auf den Theologen und Piedigcr Muskuhis.

1") Alcctryomantia seu DIvinatio magica cum gallis galliraceis peracta . . per J. Praetorium, Francof. et Lipsiae 1680, S. 6 Praetorius' »Wündschel Ruthe-; entstammt das Motiv der Haselrute im »Hause Starenberg;<, ebenso das des Kindes mit den goldenen Zähnen (Praetorius S. 400), welches übrigens auch bei Basile voi kommt (Liebrecht I, S. 267).

Des Märchens. 29

^eht der Zauberspiegel und das Zaubersieb zurück.*) In einer An- merkungzur »Gründung Prags« heisst es über das Zaubersieb: »Eine zauberische Methode,- Diebe durch das Drehen eines aufgehängten Siebes zu erkennen, ist hie und da noch gebräuchlich.« -)

Die Reise des Urgockel mit dem Hahnen scheint wohl unter dem Einflüsse Gesners zu stehen, der in seinem » Vogelbuch x v^on der Heimat des Hahnen erzählt und dann eine Anzahl von Ländern und Städten nennt, wohin er gebracht worden ist. »Die Medischen sindinitaliam gebrachtworden.«'^) Vom »Hahnenstein«, den Brentano auch erwähnt, heisst es: »Mit diesem Stein soll man alle Ding mögen erwerben und überkommen. Er machet auch den Men- schen angenem.« ^)

In der später eingeschobenen Erzählung''} des armen Kindes von Hennegau ist eine stark veränderte Stelle aus Schelmuffsky '^) enthalten, wie R. M. Meyer festgestellt hat. ') Eine andere Stelle ist ihm entgangen. Sowohl im Urgockel als in dessen Bearbeitung ist von der Katze Schuri Muri die Rede. ^) Dieser Name ist auch eine Erinnerung an die Schelmuffsky Lektüre.") Der Präceptor will den bösen Geist aus dem Knaben treiben, er ruft:

»Hocus, pocus schwarz und weiss

Fahre stracks auf mein Geheiss

Schuri-muri aus dem Knaben

Weils Herr Gerge so will haben.« *^)

1) G. W. VI, S. 194. Anm. 34, S. 433. ^) Ein ähnlicher Brauch kam bei den Hexenprozessen vor und ist heute noch auf westfälischen Bauernhoch- zeiten zu finden. •"') Vogelbuch oder ausführliche Beschreibung und lebendige ja auch eygentliche Contrafactur und Abmahlung aller und jeder Vögel . . . Erst- lich durch . . . C. Gessncrn in Latein beschrieben. Frankf. am Mayn, 1500 S. 161 ffg. Br. Bibliothek Nr. 3446, S. 194. *) S. 163. ^^ Gr. S. 207. '•) Schelmuffsky, Reisebe.schrcibung von Chr. Reuter, Neudr. (Halle) 57/58, S. 69. ') Euphorion (1896) III, S. 110 fg «) z. B. Gr. S. 35, Kl. S. 348.

") Arnim und Brentano hatten eine grosse Begeisterung für das Buch (vergl. G. "W. IX, S. 106), sie erwähnen es oft, lesep. es gemeinsam (Steig I, S. 120, 128, 152, 238) ahmen den Stil nach {Steig I, S. 284) Arnim will die Lügen- dichtung herausgeben und Brentano soll Bilder dazu zeichnen (Steig I, S. 257, S. 260 fg., S. 273). Auch Görres scheint von der Begeisterung angesteckt: vergl. Brief (1817) an Br. Schultz a. a. O. S. 234 fg. Motive aus Schelmuffsky ent- halten auch »der Bärenhäuter«, »Bogs« und »die Philister« vergl. R. M. Meyer Euphorion a. a. O. S. m.

^^) Schelmuffsky, a. a O. S. 9. Wenn vom Gesänge der Gaddi die Rede ist (Gr. S. 119), so dürfte auch diese Stelle unter Schelmuffskys Einfluss stehen (a. a. O. S. 67, 48).

30 Die Quellen.

Eine direkte Entlehnung aus Spees » Trutznachtigall s< ^) ist zwar nicht nachweisbar, doch scheint mir eine Beeinflussung Bren- tanos durch manche Gedichte jener Sammlung unverkennbar. Die Verse im »Konterfei des menschlichen Lebens«,'') in denen von Salomons Herrlichkeiten die Rede ist, brauchen Brentanos Worte (Gr. S. 212) nicht beeinflusst zu haben: ^) beide Dichterfolgen hier wohl derselben Quelle: Matth. 6, 29, aber »das Lob Gottes aus Beschreibung der fröhlichen Sommerzeit«,") in welchem eine bunte Aneinandereihung von Blumennamen vorkommt, kann sehr wolil auf das >Erntelied<: gewirkt haben, wie die Gedichte »Lob des Schöpfers,«") »die Geschöpfe werden ausführlich ihn zu loben ermahnt« "') ihn zu dem schönen Liede: „»Kein Tierlein ist auf Erden« angeregt haben mögen. ^)

Brentano nimmt auch ganze Stellen aus Gedichten anderer auf, so begegnet uns, wie Grisebach •') nachgewiesen hat, ein Teil der Elegie an die Nacht von Hölderlin ^") im Märchen (Gr. S. 1 59). Es ist nicht verwunderlich, dass Brentano sich gerade zu dieser Elegie Hölderlins so hingezogen fühlte ; ") niemand konnte mehr den Zauber der Mondscheinnächte lieben als er ; an zahllosen Stellen seiner Werke, seiner Briefe an Bettina im »Godwi«, in Ge- dichten finden wir tief poetische Bilder stimmungsreicher Mond- scheinnächte.'-) Er begegnet sich in dieser Vorliebe mit seiner fantastisch genialen Schwester Bettina.« ^'■^)

-) P. Fr. Spee, Trutznachtigall ein geistlich poetisch Lustgärtlein, Beilin 1817. Diese Ausgabe ist von Brentano gemeinsam mit L. Hensel veröffentlicht worden (vergl. Koch »at. Litt. (146) I, CXL).

•") Spee, a a. O. 77.

^) Angelus Silesius verwertet diesen Gedanken in ähnlicher Weise im Che- rubinischen Wandersmann (Xeudr. (Halle) 135/138, S. 146).

^j a. a. O. S. 122 ffg. ") Spee, a. a. O. S. 133 fig. '') a. a. O. S. '65 ftg- '^) Spees Güldenes Tugendbuch (Collen 1649), dessen Bearbeitung Brentano L. Hensel vorgeschlagen hatte, (vergl. Binder, L. Hensel S. 2IO fg.) scheint in den Kapiteln von der Liebe das Tagebuch beeinflusst zu haben, (Tu- gendbuch S. 523 568.) "j Grisebach, d. d. Litteratur seit 1770, Berlin 1884. S. 246. Vielleicht hat auch H<)ltys Einfluss hier noch mitgewirkt: Gott. Dichter- bund Nat. Litt. S. 93. 1^) Hölderlin und der Heidelberger Kreis, vergl. Schultz, a. a. O. S 40. ^^) Aehnlich benutzt er eine Lieblingsstelle aus Dan- tes Purgatorio CVIII, vergl. Diel II, 611 fg. Cl. besass die Comödia Katalog Nr. 2576, S. 146. Eine freie Bearbeitung der Stelle findet sich G. W. II, S,

257 ffg.

12) Vergl. Frühlingskranz S. 30, 185 fg., G. W. II, S. 93 fg., S. 95 fg., S. 364 ffg., VIII, S. 138, S. 121 Godwi I, S. 238, 254, ähnliche Stimmung wie im Märchen. 1^) Herrn. Grimm im Goethe Jahrbuch I, S. 11 (1886).

Des Märchens. 31

Musäus' Einwirkung auf Brentano scheint nur gering zu sein, wenn er auch wie unser Dichter von einem Basiliskenei, ^) einem Zauberring,''') von Inkognito verweilen =^) erzählt, von einem Kinde, das leidenschaftlich gern mit einer Puppe spielt. •*) Sehr oft treffen wir bei ihm auf Blumensymbolik:'') „Das Kräutlein Augentrost, das allein der Liebe Sehnsucht lindert." ")

Mehrere Reminiscenzen an Goethes »Reineke Fuchs« glaube ich wahrzunehmen. (I.Druck 1794, 2. Druck 1 808). Henning, der Hahn, erscheint mit einer Bahre, auf welcher die ermordete Henne liegt: „Sie riefen über den Mörder ach und weh."^) (vergl. damit Gr. S. 62 ffg.). Das Massenaufgebot von Tieren, worauf schon Bleich hingewiesen hat, findet sich auch in R. Fuchs. ^) Man beachte ferner jene Verse, wo Reineke von einem Zauberringe er- zählt,-') auf dem hebräische Worte stehen, die nur Meister Abryon entziffern kann ; grosse Wohltaten bringt dieser Ring seinem Be- sitzer.'°)

Aber auch Entlehnungen aus eigenen Werken finden sich. Merkwürdig ist der Anklang der patriotischen Lieder der Nacht- wächter an Verse des Singspiels »die Musikanten:« Dort heisst es: "hochlöbliche Patrouille",' ') hier „hochlöbliche Metzgerschaft," hier wie dort ist von Schweinsblasen ^-) die Rede, die lustigen Zwecken dienen sollen.'")

Eine W^endung aus der »Gründung Prags« scheint in den Versen :

„Nun folg mir zur Kapelle, dass diese teure Last ..."'*)

umgebildet zu sein. Dort lautet sie:

,, Erhebt die teure Last, ihr Leidgefährten,

Und folgt mit stummer Klage meinem Schritte."'-'')

1) Musäus, d. d. Volksmärchen, II. Tl., Gotha 1 823, III, S. 164. •-) IV, S 304 ffg. '-i) IV, S 308. - 4) iii_ s 3,^ >^ 242, vergl auch Arnims No. velle , Isabella von Aegypten'. Bella liebt ihre Puppe und ihr Zauberbuch so sehr, dass sie sich nicht von ihnen trennen mag, ähnlich auch ,Liebseelchen', Görres Ausg. 1I,^S. 17 ffg. 5j III, s. 186, V, S. 76, S. 160. - ^j II, S. 8, S. 2 79- ") Goethes Werke, Jubiläumsausg Stuttg. 1903, VI, S. 9. ^) a. a. O. V, S. 39 ffg, S. 73 fg »j S. 109 fg. ^^j Einflüsse von Reineke. Fuchs auch im , Witzenspitzel', a. a. O. S. 80. - llj Ges. W. VII, S. 2 5r. 12) a. a. O. VII, S. 252. I5}j Nachtwächter treten auch auf G. W. VIT, S. 224. Die Worte des Nachtwächters sind auch im .Schulmeister Klopfstock' ver- wertet. — 14) Märchen Gr. S. 46. l^) G. W. VI, S. 359.

32 Die Quellen. .

Die Entlehnungen ^) aus dem »Wunderhorn« '^) sind sehr zahl- reich. Die Gestalt des Bettelvogtcs •^) tritt uns im Wunder- horn^) entgegen, wir begegnen ihr aber auch in Sagen und Ge- schichten, woher Brentano sie kennen mag. Zahlreiche Lieder jedoch entstammen dem >Wunderhorn«. Mit nur geringen Ver- änderungen ist das hübsche Volkslied von der Frau Nachtigall in den grossen Gockel aufgenommen (Gr. S. 7 8 fg.) •'). Besonders starke Anleihen hat er bei den ihm so lieb gewordenen Kinder- liedef n gemacht. Er hat teils ganze Liedchen ausgeschrieben, teils sie mit anderen vereinigt oder umgearbeitet. So wiederholt er die Kinderverschen:") „Ha heia, popeia') Schlags Kickelchen tot", ebenso mit einigen Umänderungen das Lied: „ein Huhn und ein Hahn." Das hübsche Marienliedchen entstammte mit geringen Veränderungen ebenfalls dem Wunderhorn, und zwar ist benutzt das »Wiegenlied im Freien«^) und -das Wiegenlied einer alten frommen Magd«,'-*) das »Federspiel« ^") enthält manche Beziehungen zu den Reden des Alektryo, der Schwalbe und des Rotkehlchens (Gr. S. 62 fFg.). Die Kinderliedchen: „zu Bett, zu Bett", ^^) Eia. popeia popolen,"^^) findet sich, wenn auch in etwas anderer Gestalt, in der Sammlung. Das wunderschöne Abendliedchen ,Guten

1) vergl. Bleich, a. a. O. S. 44. Cardauns a. a. O. S. 40. ") Sowohl der erste (1806J als auch der zweite Teil (1808) ist unter wesentlicher Beihilfe Brentanos entstanden und veröffentlicht worden, vor allem hat er die Kiuderlieder besorgt (Steig, a. a. O. I, S. 244), sogar Zeichnungen zu ihnen angefertigt (Steig,

I, S. 249). "') Gr. S. 124. S. 171. ^) Wunderhorn (Reclam) S. 69 fg. ^) a. a. O. S. 64 fg. ])as ganze Lied teilt mit Erk, deutscher Liederhort, Berlin 1854, S. 357. '') Wunderhorn, S. 816. 'j Ein ähnliches Lied kehrt in , Gustav Wasa' in der Parodie auf Kotzebue wieder: „Heia popeia Gustav sei froh, Verkaufe ilcin Bettchen und leg dich aufs Stroh, Da sticht dich keine Feder, Da beisst dich kein Floh Heia popeia". (Deutsche Litt. Denkm. d. 18.

II. 19. Jahrh. Hallo 1883, XV, S. 175). Br. gebraucht oft im Scherz das Heia popeia, vergl. Brief an Bellina, Frühlingskranz S. 421, (1803) an S. Mereau, a. a. O., I, S. 90. ''^j Wunderiiorn 812. "

'') Wunderhorn 813. Der Fundort dieses Liedes scheint wohl zu sein: J. Praetorius Saturnalia, das ist eine Compagnie Weihnachtsfratzen oder Centner Lügen, Leipzig 1663. Brentanos Kitalog Nr. 3288, S. 186:

Ich wolle mich zur lieben Maria vermieten.

Ich solle ihr Kindelein helfTen wiegen :

Sie führt mich in ihr Kämmerlein,

Da wohnen die lieben Engelein ;

Die singen alle (iloria, Gloria, Gloria,

Gelobet sey Maria. 10) a. a. O. S. 776, S. 778. —11) a. a. O. S. 817. l'j a.a.O. S. 813.

Des Märchens. 33

Abend, gute Nacht' (Gr.S. 1 44) stellt sich als Verschmelzung zweier Liedchen dar: eines im Wunderhorn fehlenden Kindergebetleins und des dort vorhandenen:') „Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht". In dem Lied : „Kein Tierlein ist auf Erden" (Gr. S. 1 5 5 ffg.) findet sich ein Anklang an einige Verse im Feder- spiel : ^) „Kein Sperling von dem Dache fällt, Von meinem Haupt kein Haar."^) Aus dem Volks! iede und Volksgedanken herausgeschöpft ist das von Brentano oft gebrauchte Motiv der drei Lilien,^) das sich im Wunderhorn findet der Dichter wird es auch wohl aus anderen Quellen kennen. Im Wunderhorn^) finden wir es z. B. in dieser Gestalt: „Es wuchsen drei Lilien auf ihrem Grab, Die wollte ein Reiter wohl brechen ab." *')

Der Reim vom „Bäumchen rüttel dich" ■*) rührt natürlich aus dem bekannten Märchen,^) wie die Verse „Knupper, Knupper, Kneischen",")ausdem Märchen ,Hänsel und Gretel'^^) stammen. Ein noch heute gesungenes Liedchen ist jenes: „Fahr, fahr, fahr auf der Post."") Simrock bringt es in seinem Kinderbuch. ^ 2)

Von den Liederanfängen und Refrainen, die Brentano er- wähnt: „Schönstes Hirschlein über die Massen . ." (Gr. S. 1 85); „ach Schwester, die du sicher . ." (Gr. S. 184); Laurentia, schönste Lau- rentia mein . ." (Gr. S. 1 89) konnte ich letzteren belegen.'^)

Brentano und seine Geschwister haben die Volksweisheit der

1) a. a. O. S. 817 fg. 2j a. a_ q g. 780. ^) vergl. Gr.S. 156/16 fg. cf. ,Das Finkenlied' Ges. W. I, S. 483. *) Gr. S. 29, 48, 190, 193, 209, ferner G. W. II, S. 236. ^) S. 353. ö) Wunderhorn, S. 27, äbnlich ein Lied vom , Grafen Friedrich', a. a. O. S. 497, vergl. auch a. a. O. S. 39 und J. Lewalter, Die Volkslieder in Niedersachsen, Hamburg 1890, I. Heft, S. 27 fg. Das Motiv geht zurück auf den Volksglauben, dass die Seelen der Verstorbenen in Blumen Sinnbilder der Unschuld übergehen, die niemand anrühren darf, vergl. O. Schwebel, Tod und ewiges Leben im deutschen Volksglauben, Minden 1887. S. 258 ffg. ') Gr. S. 75, loi. Sj Grimm, Kinder- und Hausmärchen, 6. Aufl. 1850, I, S. 104: „Bäumchen rüttel dich und schüttel dich Wirf Gold und .Silber über mich." -') Gr. S. 114. ^'^) Grimm, a. a. O. I, S. 95: „Knup- per, knupper, kneischcn, wer knuppert an meinem Häuschen." ^^j Gr. S. 119. ^^) K. Simrock, Das deutsche Kinderbuch, 2. Aufl. Frankf. 1857: Fahr, fahr, fahr mit der Post, Frag, frag, frag nit was kost, Spann, spann, spann vier Schimmel an . . ." Dieselben Verse sind zitiert im Mäichen vom , Baron Hüpfenstich'. III, S. 202. l-*) Er gehört dem Liede an: „Laurentia, liebe Laurentia mein! Wann werden wir wieder beisammen sein? ,,Am Sonntag!" Drum wollt ich, dass alle Tag' Sonntag war', und ich bei meiner Laurentia war." Allg. deutsches Lieder- lexikon, Leipzig 1847, II, S. 283.

34 I^iß Quellen.

Sprichwörter sehr geschätzt. ^) Fast in jedem seiner Werke finden wir die Anwendung von Sprichwörtern und sprichwörtlichen Redensarten, so auch im Märchen. Die Redensart: „ein goldenes Wart ein Weilchen und ein silbernes Nichtschen in einem ein- maligen Büchschen" ") wird in Schwaben und Franken gebraucht. ^) „Klapperdürr wie ein Zaunpfahl" lautet auch bisweilen „Klapper- dürr wie ein Zaunstecken." 4) „Wenn die Maus fett ist, schmeck- ihr das Mehl bitter," ist ein oft gebrauchtes Wort; schon in der Sprrchwörtersammlung des Agricola,'') die Brentano besass, heisst es ähnlich : „Wenn die Maus fett ist, so ist das Mehl bitter." ^) Auf bekannte Sprichwörter geht die Stelle'^) in der Rede des Muskulus zurück. ^) „Wer die Hand an den Pflug legt, soll sich nicht um- schauen," '•') ist wohl durch ein in den Sprichwörterschatz überge- gangenes Bibelwort angeregt.^^') Der Ausdruck: ^^) „der kann mehr als Brot essen" ist gleichfalls volkstümlichen Ursprungs. Nicht be- legen konnte ich die Wendungen : „Der goldene Hahn kräht nicht mehr . . .", ^^^ „Heimlichkeit, Verborgenheit . . .";^'') „jed Ding will sein Sach haben, man muss dem Beil seinen Stil suchen (und dem Kind sein Püppchen)" findet sich in ähnlicher Form bei Wanden'^)

Eine bedeutsame Rolle spielt im Märchen der Hahn, Alek- tryo. ^•^) In seiner Darstellung folgt Brentano zumeist den Anschau- ungen, wie sie in der christlichen Symbolik Ausdruck gefunden haben. ^'^) Der Hahn ist das Sinnbild der Wachsamkeit, des Lichtes, der Stärke und Weisheit, des Predigers und Mahners. ^') Er ist ein

1) Man vergl. den Briet von Sophie Br. an den Bruder : Steig I, S. 1 2 fg. und den Catalog seiner Bibliothek, cf. auch Märchen vom ,Dilldapp' II, S. 362. ) Gr. S. IX, vergl. Wunderhorn, S. 823. ^j AVander, Sprichwürterlexikon, IIP, 102 1. '^) AVander, a. a. O. I, S. 713. ^) Agricola, Sybenhundert Teütscher Sprichwörter, Hagenau 1534. **) Wander, a. a. O. III, S. 514/195 fg. 7j Gr. S. 165/16-19, 23 ffg. S) Wander, II, S. 190 fg. III, S. 550, II, S. 165, III, S. 534/19, ni, S. 538/114- "j Gr. S. 172. 10) Luc. 9, 26; ähnlich verwertet er die bekannte Stelle Luc. 14, 34, vergl. auch G. W. II, S. 344, Brief an Arnim Steig l, S. 50. ^^) Gr. S. 146, 217. ^^) Gr. S. 83. 1^) Gr. S. 108. 14) a. a. O. I, S. 639 fg., IV, S. 855 fg. I, S.

298 fg. Anm. Ueber die volkstümliche Umdeutung des , Fitze, fitze, domine', Gr. S. 134, vergl. Cardauns, Märchen S. 36, Anm. Steig, Euphorion (1896) XIII, S. 793. 1^) Der Name Alektryo und Gallina wird wohl durch Bs. Beschäftigung mit Lucian und Praetorius eingedrungen sein; Koch citiert Alektryo aus Homer, Ilias XVII, 602 als Eigennamen eines hochgemuten Helden. 1**] Auch das , Biblisch Thierbuch' von H. H. Frey, Leipzig 1545, das Br. besass (Bibliothek Nr. 121, S. 9), ist auf die Gestaltung des Hahnen von Einfluss gewesen. l^j Gr. S, 28, 38, 58, 59 besonders in der Leichenrede.

Des Märchens. 35

Streitbares tapferes Tier. Diese Züge besitzt auch der Hahn der Symbolik.') Der Hahn ist auch das Zeichen der Auferstehung; in der Wiederauferstehung des Alektryo und der Gallina ^) liegt ohne Zweifel ein Anklang an die Phönixsage. ■'^) Hahn und Phönix sind beide das Sinnbild der Auferstehung, auch sonst haben sie manche Aehnlichkeiten.^)

Alte Traditionen, aus kabbalistischen, talmudistischen Büchern, Geheimschriften und Zauberbüchern'') geschöpft, schweben Bren- tano in seinen Erzählungen vom Ringe Salomonis vor. Unmöglich ist es, alle Quellen, die er vielleicht benutzt hat. zu verfolgen. Eine Vor- lage hat er sicherlich verwertet: „Rosenöl, Erstes und Zweites Fläschchen der Sagen und Kunden des jMorgenlandes," Stuttg. u. Tübingen, 1813.") Nachdem Salomon seinem Vater die letzte Ehre er- Aviesen hat, erscheinen Engel und überreichen vier Edelsteine, welche ihm die Herrschaft über die Schöpfung, die Erfüllung all er Wünsche verleihen. Aus den vier Steinen lässt er einen Siegelring machen. Tier- und Geisterreich sind ihm Untertan ; Hahn und Wiedehopf sind seine steten Begleiter.'^) Nach einer anderen Fassung, die sich im »Testament des Salomon« findet, überreicht Michael einen aus kostbaren Edelsteinen bestehenden Zauberring, der Gewalt über alle Dämonen verleiht. ^) Dieser Ring ist ein „graviertes Petschaft von kostbarem Gestein", fünf seltsame Namen sind dar- auf eingegraben. In der Sammlung »Rosenöl< wird dann erzählt,

■*■) verfjl. Kraus, Realencyklopädie Artikel Hahn von de Waa], I, S. 642, jMenzel, christl. Symbolik I, S. 366, Grünbaum in Zeitschrift d. deutschen morgen- ländischen Gesellschaft XXI (rSg?) S. 183%, S. 209 f-j 2j Gr. S. 68: Alek- tryo ist verbrannt; Gr. S. 183: seine Auferstehung (nur in der 2. Fassung). ^j Das Phönixmotiv fand Br. auch im Wunderhorn S. 176; er verwertet es: im jMärchen vom , Hause Starenberg' (Diel S. 289, 293), Ges. AV. VIH, S. 141, Brief an Runge, S. 318, VI, S. 14; vergl. auch Gesner, Vogelbuch, S. 403. Vergl. Fr. Creuzer, Symbolik I, S. 438 ffg., Kraus, Realencyklopädie, II, 624. ^) Plinius bist. nat. X, 2,1. '^j Gern imd oft hat er sich (ähnlich wie Bettina, Frühlingskranz, S. 41) mit derartiger Litteratur beschäftigt; vergl. Bibliothek Nr. 3292, 3297, S. 187, Nr. 1714, 1957, 1959, 1970, 1972, 1989, S. 100 flfg. ^) Für Einzelheiten kom- men noch in Betracht: "Weil, biblische Legenden der Muselmänner, Frankf. 1845. Oft ist von Salamonis Ring die Rede in: 'le Cabinet des fees' (41 Bde.) Genf, Paris 1735, Forlunius Licetus Genuensis, de annulis antiquis, Utini 1645, S. 104 fg. Dominic Ring, die Ringe, eine Abhandlung, Erlang, und Leipzig 1757 (Beide Bücher sind in Br. Bibliothek.) Zu der Stelle (im Tagebuche S. 305): „aus den sieben Schichten der jungfräulichen Erde . ." vergl. Romanzen vom Rosenkranz, lierausg. von M. Morris, Berlin 1803, 10,9, Aum. S. 388. "j Weil, a. a. O. S. 225 fTg. Sj vergl. H. Bornemann in Illgens Zeitschrift für histor. Theolo- gie (1844) XIV, S. 10.

36 Die Quellen.

wie Salomon in den Besitz des Ringes kam. ^) Es scheint wohl ein Zusammenhang zu walten zwischen diesem Steine und jenem, den Gabriel bringt: Gabriel gibt Adam einen funkelnden Stein, der später durch die Berührung sündiger Menschen schwarz wird. 2) Der Edelstein war ursprünglich ein Engel, welcher Adam im Para- diese bewachen sollte, dass er nicht von der verbotenen Frucht geniesse; wegen seiner Nachlässigkeit ward er in einen Stein ver- wandelt. •^) Diesen Zusammenhang hat Brentano in ausgedehntem Masse verwertet. Die Geister sind Salomon Untertan : -•)

„Herr und Meister Der Menschen und der Geister, Wir ge- horchen deinem Siegel; Du hältst uns mit Gewalt im Zügel."-'')

Kraft seines Siegelringes beherrscht er die Dämonen, die sich alle Mühe geben des Ringes habhaft zu werden. Es gelingt schliesslich: Salomon wird seiner Herrschaft entsetzt, ein Geist regiert in seiner Gestalt. '■) Im vierten Himmel, heisst es, '') gibt es einen Berg aus Goldsand, auf dem sich ein funkelnder Palast erhebt. Er besteht aus Siegelringen aller Salomone oder Welt- beherrscher, die vor Adam die Welt regiert haben. Diese Steine wölben sich zu einem Dome, nur ein einziger Ring fehlt, den Salo- mon am Finger hat; »das Tagebuch der Ahnfrau« scheint Anklänge hieran zu enthalten.

Die Gestalten des Gog und Magog sind gleichfalls dieser Literaturgattung nicht fremd. Der Verfasser des »Rosenöl«, das auch hier vielleicht neben biblischen Reminiscenzen **) zu Grunde liegt, sagt von ihnen : ^) sie sind die Nachkommen zweier Söhne Jafets, des Sohnes Noes. Ihre Horden sind Barbaren von „abscheulicher Gestalt". Alexander der Grosse, der sie bezwingt, dämmt sie in einen Felsenkessel ein. Am Ende der Welt brechen sie, die Vorboten des jüngsten Gerichts, den Damm durch. '")

Von besonderem Interesse sind die Quellen zur Leichenrede.^') Betrachtet man die ganze Rede ^^) oberflächlich, so wird man geneigt

1) a. a. O. I, S. 16. 2j a. a. O. I, S. 28. ») a. a. O. S. 84. 4) S. 150 ffg. ^) a. a. O. S. 205. 6) a. a. O. S. 170 ffg. ''} a. a. O. S. 200. S) Oflenbar. Job. 20,8, Hesek. 38,2 ffg., 39,1. •*) a. a. O. S. 294. ^'^) Mit diesen Gestalten stehen in engster Verbindung die mittelalterlichen Sagen von Gog und Magog als einem wilden und gottlosen Volke, welches vor dem jüngsten Gericht einen letzten Widerstand gegen die göttliche Macht versucht (mittelalterliche Sagenlitt, von den letzten Dingen, vom Antichrist und von der Ale.xandersage) vergl. Bieling, Zu den Sagen von Gog und Magog, Progr. Berlin 1882.

^^) Quellen zur Leichenrede vergl. Cardauns, S. 34 fg., Bleich, a. a. O. S. 80.

'2j Gr. S. 68-70.

Des Märchens. 57

sein anzunehmen, dass hier ganz und gar ein Produkt der Dichter- phantasie vorliegt, von einigen Bibelzitaten abgesehen, ein freies Weben Brentanos, Aber gerade hier sehen wir es deutlich, dass Cardauns bemerkt es schon in anderem Zusammenhange Brentano an den Stellen, wo er scheinbar seiner Phantasie den weitesten Spielraum lässt, fremden Quellen folgt.

Als Hauptvorlagen für die Leichenrede stellen sich dar: Praetorius' Blockesberg Verrichtung und Alektryomantia, Colers Hausbuch, Gesners Vogelbuch, Hymnen des Prudentius und solche, die unter des Ambrosius Namen überliefert sind, die Bibel, Durandus, endlich Lucians »Hahn oder Traum der Micyll,< Plinius, Hist. nat. und die >; Zauberflöte«.

Praetorius' Bücher, überhaupt jene Richtung der Literatur des 1 6., 1 7. und 1 8. Jahrhunderts, beherrschte er in hohem Masse. ') Im »Wunderhorn« nennt er die Titel mehrerer Werke dieses aber- gläubischen Schriftstellers.-) Gesner^) und Coler^) waren ihm bekannt, wie auch Lucian •"') und Plinius '^). Woher die Kenntnis der Hymnen des Ambrosius und Prudentius rührt, ist schwer fest- zustellen : jedenfalls hat er mehrere Breviere ') besessen, die jene Hymnen enthalten. Die heilige Schrift war ihm vertraut, nicht nur im späteren Leben, auch in jüngeren Jahren.^'*) Natürlich hatte er auch »die Zauberflöte« gesehen, gern schloss er sich Tieck und anderen an, die ihren Spott an Text und Szenen der- selben übten.

Wir lassen nunmehr die Leichenrede folgen, stellen links den Text des Märchens und in die nebenstehenden Kolonnen die Vorlagen, die von Einfluss auf die betreffenden Stellen gewesen sein können. Nicht immer ist es deutlich, welcher Quelle Bren- tano folgt, oft gehen zwei, ja drei nebeneinander.

^j Ueber Brentanos Sammeleifer und die daraus hervorgehende Litteratur- kenntnis vergl. : Steig I, 130, G. W. Biogr. IX, S. 42, Steig I, S. 109, 116, 130 fg., Ges. W. I, S. 483, VIII, S. 160 fg. 162, »Trösteinsamkeit« herausg. von F. Pfaff, Freiburg 1883, S. VII, S. XXVII. Holtei, Briefe an Tieck, I, S. 100 fg., S. 106 fg., G. Görres, histor.-pol. Blätter (1844) XIV, XV. Diel- Kreiten I, S. 166, II, S. 215 fg. ^) Wunderhorn S. 60, 74, Tagebuch S. 234, Br. Bibliothek S. 186 fg. Pr. hat ihm auch Material zur »Gründung Prags« gelie- fert. — «*] vergl, »Trösteinsamkeit« 25. Juny 1808: Citat aus Gesner. Gesner ist oft ausgeschrieben worden, auch von Fischart (vergl. Nat. Litt. (18) 99 ffg., 154 ffg-) ■^j Gr. S. 70 ist das Hausbuch genannt, Katalog Nr. 3498, S. 197. ^) vergl. oben S. 55. '') Katalog 2513, S. 143, »Trösteinsamkeit« -S. 237 »Gesch. d. Bärenhäuters«. ^) Im Katalog viele lat. Ausg. S. 63 fg. ^) G. AV. VIII, S. 177, 218, 220, 299, 367.

38

Die Quellen.

Märchen : ') „Wer gibt die Weisheit ins verborgene Herz des Menschen, wer gibt dem Hahnen den Ver- stand ? ^)

(xleichwie der Hahn den Tag verkündet und den Menschen vom Schlafe erweckt, so ver- künden fromme Lehrer das Licht der Wahrheit in die Nacht der Welt und sprechen :

Die Nacht ist vergangen, der Tag ist gekommen, lasset uns ablegen die Werke der Finster- nis und uns anlegen die Waffen des Lichts. Wie lieblich und nützlich ist das Krähen des Hah- nes. Dieser treue Hausgenosse erweckt den Schlafenden, ( 1 4 ffg.) ermahnt den Sorgenden, (Prud. 6) tröstet den Wanderer, (1) meldet die Stunde der Nacht (2) und verscheucht den Dieb

(7 fg., 1 9) und erfreut den Schiffer auf ein- samen Meer (9), denn er verkündet den Morgen, da die Stürme sich legen. (1 0) Die Frommen'') weckt er zum

Gebet (Prud. 4 ffg.) Den Sünder ermahnet er zur Reue, wiePetrum(1 1 fg., 1 6). Sein Geschrei ermuthiget das Herz des Kranken (1 7 fg.)

1) (Gr. S 68 15 70/21; Kl. S. 365 23 367/24). -} vergl. auch die Reime S. 54, Gesner, V^of^elbuch, S. 164.

•*) [Andächtigen Kl. S. 365.

„Qui posuit in visceribus ho- minis sapientiam? Qui dedit gallo intelligentiam?" *) 1 . „Ales diei nuntius

lucem propinquam praecinit: nos excitator mentium iam Christus ad vitam vocat. 5. Auferte, clamat, lectulos, aegro sopore desides: castique, recti ac sobrii vigilate, iam sumproximus."-) „Nox praecessit, dies autem appropinquavit. Abiiciamus ergo opera tenebrarum, et induamur arma lucis."^) 1 . „Nocturna lux viantibus a nocte noctem segregans, praeco diei iam sonat, iubarque solis evocat. 5. Hoc excitatus lucifer solvit polum caligine: hoc omnis erronum cohors viam nocendi deserit. Hoc nauta vires colligit, 10, pontique mitescunt freta: hoc, ipsa petra Ecclesiae, canente, culpam diluit. Surgamus ergo strenue: Gallus iacentes excitat, 1 5. et somnolentes increpat, gallus negantes arguit. Gallo canente spes redit aegris salus refunditur, mucro latronis conditur, 20. lapsis fides revertitur . . ."^)

1) Job 38,36. -J Caüicmerinon I, 1/8, vergl. den ins römische Brevier (Feria III ad laudes) aufgenommenen Hymnus des Prudentius. •^) Römer- brief 13, 12. *) Rom. Brevier (Do- minica ad Laudes).

Der Leichenrede.

39

Praetorius

1) Von solchem Nutz des Hah- nenschreys redet und schreibt der alte Lehrer und Bischoff Am- brosius sehr fein und spricht: Est galli cantus suavis in noc- tibus, nee solum suavis, sedetiam utilis , . Das ist auff unser Deutsch soviel gesaget : Des Hahnen Ge- schrey ist lieblich dess Nachts, und nicht allein lieblich, sondern auch nützlich. Denn der Hahn als guter Beywohner wecket die Schlaffenden auff, ermahnet den Sorgfältigen „und Bekümmerten und tröstet den, der da wandert, derweil er mit seiner hellen Stim- me den' Fortgang und die Stunde der Nacht anzeiget. Wenn er krä- het, so höret der Mörder und Stras- senräuber auf, den Wandersleu- ten nachzustellen. Von seinem Ge- schrey erwachet gleich der Mor- genstern, und er gehet auf, dass er den Himmel erleuchte, der Schiffmann freut sich seines Ge- sanges, weil sich die Winde ge- gen Morgen, da er krähet, etwas niderlegen und es stille wird. So er schreyet werden die An- dächtigen ermahnet aufzustehen zum Gebät. Da der Hahn das letzte mal krehete, er- kannte und beweynete Petrus seine Sünde, die er vorhin unbe- dächtig mit Verläugnung seines Herrn begangen hatte. Gegen den Hahnengeschrey fassen die Kranken wieder ein Herz."^)

Coler

„Und das ist das Thier, dar- um die Juden alle Tage in ihrem Tempel Gott danken, dass ihm Gott der Allmächtige in der er- sten Schöpfung den Verstand gegeben."' ■')

Drum sagt Gregor in mo- ralibus :

„Gallus diei nuncius horas noctis discutit et demum vocem ex hortationis emittit, der Hahn, der uns den Tag pflegt anzu- kündigen, der treibet die Stun- den der Nacht auseinander mit einem starken Geschrey und gegen Morgen vermahnet er die Leuth mit einer ge(l)inden Stim- me, dass sie aufstehen sollen."*)

^) Blockes Berg VerrichtuDg, oder Ausführlicher geographischer Bericht von den hohen trefflich alt- und berühmten Blockes-Berge ingleichen von der Hexen - fahrt und dem Zauber Sabbathe, so auff solchen Berge die Unholden aus gantz Teuschland . . anstellen v. J. Praetorio P. L. C. Leipzig 1669, Bibliothek Nr. 3290, S. 186, 2. Tl. Cap. 8, S. 570 ffg.

2) a. a. O. S. 570 fg.

^) Oeconomia Ruralis et Domestica, darinn das gantze Ampt Aller treuen Haus-Vätter und Haus-Mütter bestän- diges und allgemeines H.ius-Buch etc. begriffen. Hiebevor von M. J. Colero beschrieben. Frankf. am Mayn 1592. 13. LXXV, S. 318.

4) a. a. O. 13. LXXVI, S. 319.

40

Die Quellen.

Märchen

Zwar spricht der weise Mann : „Dreierlei haben einen feinen Gang und das Vierte geht wohl, der Löwe, mächtig unter den Thieren, er fürchtet Niemand ein Hahn mit kraftgegürteten Lenden, ein Widder und ein König, gegen den sich Keiner erheben darf."

-- aber dennoch fürchtet der Löwe, der Niemandem fürchtet, den Hahn und fliehet ^) vor sei- nem Anblick und Geschrei;''^) Denn der Feind, der umher- geht'^) wie ein brüllender Löwe und suchet wie er uns verschlin- ge, fliehet vor dem Rufe des Wächters, der das Gewissen er- weckt, auf dass wir uns rüsten zum Kampf.

Darum auch war kein Thier so erhöhet ; die weisesten Männer setzen sein goldenes Bild hoch auf die Spitzen der Thürme über das Kreuz, dass bei den Wäch- tern wohne der Werner und Wächter.

So auch steht des Hahnen Bild *) auf dem Deckel des Abc Buches,^) die Schüler zu mah- nen, dass sie früh aufstehen sol- len, zu lernen.

O wie löblich ist das Beispiel des Hahnen! Ehe er kräht, die Menschen vom Schlafe zu wecken, schlägt er sich selbst ermunternd mit den Flügeln in

1) cf. Tagebuch S. 315.

^) Gesner, Vogelbuch S. 165.

„Tria sunt quae bene gra-

diuntur et quartum quod

incedit feliciter: leo fortissi-

mus bestiarium ad nulios

pavebit occursum , gallus

succintos lumbos et aries, nee

est rex qui resistat ei." ")

„Adversius vester diabolus

tamquam leo rugiens circuit

quaerens quem devoret. Qui rc-

sistet et fortas in fide."')

„Ferunt vagantes daemones Laetros tenebris noctium Gallo canentes ex territos sparsim timue et cedere."'*) Durandus: „(jallus supra Ec- clesiam positus, praedicatores designat."'"*)

^) vergl. auch ^Geschichte vom bra- ven Kasperl« G. W. IV, S. 174.

^) vergl. Grimm, Märchen Doktor Allwissend II, S. 70, wo der Bauer den >Gockelhahn<; im Abc Buch sucht. ^) Vogel- Abc: im ^Schulmeister Klopf- stock« (Diel II, S. 308) Müller Rad- lauf (II, S. III) vergl. auch Gr. S. 99; Kinderlieder im Wunderhorn, Steig I, S. 234. '>) Prov. Salom. 30, 29-31, vergl. Luthers Uebersetzung, der Br. zu folgen scheint. '') I. Petr. 5,8.

^) Prudentius, Cath. I, 37 fg.

'*; Prochiron, Vulgo Rationale Divi- norum officinorum Gul. Durandus, Lugduni 1551, Lib. i, Cap. I, § 22. Wenn auch Brentano dieses Buch nicht besessen hat, so kann er es sehr wohl gekannt haben: es findet sich in Görres' Bibliothek (vergl. Katalog Südd. Anti- quariat München 1902, I, Nr. 145, S. 21), und Brentano hat nicht nur in Heidelberg, sondern auch später des Freundes Bibliothek benutzt (G. W. IX, S. 81, 84; Görres Freundesbriefe III,

s. 340).

Der Leichenrede.

41

Praetorius

Praetorius citiert eine Anzahl Schriftsteller, die über das Hah- nengeschrei geschrieben haben und über die Furcht des Löwen vor dem Hahnen.')

Coler

„Der Low, wie beherzter auch sonst ist, so fürchtet er sich doch vor dem Hahnengeschrey." *■) ,Man schreibt v^om Löwen, w'elches ein stark, muthig und be- herzt Thier ist, dass sich dersel- bige, ob er sich gleich sonsten vor nichts entsetzet, doch für das Hahnen Geschrey oder Krehn fürchten soll."^)

Den haben uns auch die from- men Alten mit einem eysernen Creutz auf alle Kirchen gesetzt, dass, so offt die Leuthe den an- sehn, sie sich der Historien Pe- tri, seiner Sünden und Buss er- innern sollen.-')

„Warum die Alten den Hahn aufsCollegium undin's Abc Buch gesetzt ?

Nehmlich Gleich wie die Hanen in der Nacht auff Morgenstunden haben acht So sollen Studenten diese Zeit Fleissig anfangen ihre Arbeit Surgamus ergo strenue etc.'"^)

^) Alektryomantia .S. 1 1, 37 (Biblio- thek Nr. 3295, S. 187).

^) Alektrj-omantia S. 35 fg.

„Wenn er krehen will, so schlägt er sich zuvor selber mit den Flügeln und reitzet oder ver- mahnet hiermit seinen gantzen Leib, dass er getrost und stark genug schreyen soU."^)

^) a. a. O. S. 318.

2; a. a. O. S. 319.

3) Coler, a. a. O. S. 318.

*) Coler, a. a. O. S. 3:9.

42

Die Quellen.

Märchen:

die Seite, anzeigend, wie ein Leh- rer der Wahrheit sich selbst der Tugend bestreben soll, ehe er sie anderen lehret.

Stolz ist der Hahn, der Ster- ne kundig, und richtet oft seine Blicke zum Himmel ; sein Schrei ist prophetisch, er kündet das Wetter ^) und die Zeit.-) Ein Vogel der Wachsamkeit, ein Kämpfer, ein Sieger wird er von den Kriegsleuten auf den Rüst- wagen gesetzt, dass sie sich zu- rufen und ablösen zu gemessener Zeit. So es dämmert und der Hahn mit den Hühnern zu ruhen sich auf die Stange setzt,-') stellen sie die Nachtwache aus.

Durandus:

Gallus enim profundae noctis pervigil horas suo cantu dividit: dormientes excitat: sed prius se ipsum alarum verbere cantan- dum excitat. Haec singula my- sterio non carent. Nox enim est hoc seculum: dormientes, sunt filii huius noctis in peccatis iacen- tes. Gallus praedicatores qui discincte praedicant et dormien- tes excitant, ut abiiciant opera tenebrarum clamantes: vae dor- mientibus. Ex urgi qui dormis: lucem venturam praenuntiant, dum diem iudicii et futuram glo- riam praedicant: et prudenter ante quam aliis virtutes praedi- cent se a somno peccati exci- tantes.')

1) Durandus, a. a. O. Lib. i, Cap.

I, § 22.

Drei Stunden vor Mitternacht regt sich der Hahn, und die Wache wird gewechselt; um die Mitternacht beginnt er zu krähen, sie stellen die dritte Wache aus, und drei Stunden gen Morgen rufet sein tagverkündender Schrei die vierte Wache auf ihre Stelle.

^) vergl. Gesner, S. 165.

') de AVaai in Kraus' Realencyklo- pädie I, S. 642. -^j Gr. S. ^21 fg , Gr. S. 19.

Der Leichenrede.

43

Coler :

Coler :

„Darum führen ihn die Kriegs- leuthe auch mit sich auff ihren Rüstwägen, dass sie dess Nachts auch helifen als wachen und dass gleichsam der Kriegsleuthe Sei- ger seyn, wann die Nacht schier ein Ende nehmen will."»)

Pra.etorius:

„Die alten Deutschen haben in ihren Heerzügen Hauen mit zu führen pflegen; vielleicht sich der Wachsamkeit und Tapferkeit zu befleissigen."^)

1) a. a. O. S. 319. 2j a. a. O. S. 37.

„Es haben ihn auch die Kriegsleuthe sehr lieb, dann nach seinem Geschrey legen sie ihre Nachtwach an sub crepus- culum vespertinum, wanns schier aufF den Abend finster werden will und sich der Han auf den Balcken mit seinen Hünern pfle- get zu setzen, da führen sie die Wachte aufF, drey Stunden vor Mitternacht." 1)

„Mitternacht, führet man die wieder ab und andere aufF: dar- nach zu Mitternacht, wenn die Hauen beginnen zu krähen füh- ret man die dritte, aufF den Mor- gen um Seigers drey nach Mit- ternacht die vierdte, und das pfleget man das Gallicinium zu nennen. . .'M

4 a. a. O. S. 318. -) a. a. O. S. 31 8.

44

Die Quellen.

]\Iärchen:

Ein Ritter ist der Hahn, sein Haupt ist geziert mit Busch und roter Helmdecke und ein pur- purnes Ordensband schimmert an seinem Halse; stark ist seine Brust wie ein Harnisch im Streit, und sein Fuss ist bespornt. Kei- ne Kränkung seiner Damen dul- det er, kämpft gegen den ein- dringenden Fremdling auf Tod und Leben und selbst blutend verkündet er seinen Sieg stolz emporgerichtet gleich einem He- rold mit lautem Trompetenstoss. *) Wunderbar ist der Hahn ; schrei- tet er durch ein Thor, wo ein Rei- ter hindurch könnte, bücket er doch das Haupt, seinen Kamm nicht anzustossen, denn er fühlt seine innere Hoheit.^) Wie lie- bet der Hahn seine Familie! Dem legenden Huhn singt er liebliche Arien: „bei Hühnern, welche J^iebe fühlen, fehlt auch ein gutes Herze nicht, die süssen Triebe mitzufühlen, ist auch der Hahnen erste Pflicht; "■')

stirbt ihm die brütende F"reundin, so vollendet er die Brut und führet die Hühnlein, doch ohne zu krähen, um allein Mütterliches zu thun.

O welch erhabenes Geschöpf ist der Hahn! Phidias setzte sein Bild auf den Helm der Minerva, Idomeneus auf sein Schild. Er war der Sonne, dem Mars, dem Merkur, dem Aesku- lap geweiht.

„Sie herrschen über ihr Ge- schlecht und sind Herrn in jedem Hause, wo sie wohnen. Aber nur durch Kämpfe . . . erhalten sie das Regiment. Wer den Lor- beer davon trägt, singt im Au- genblicke des wSieges und ruft sich selbst zum Oberherrn aus. Das Volk ist ebenso stolz, tritt mit erhobenem Halse und hohem Federbusche einher, blickt unter allen Vögeln allein öfters zum Himmel. Sie sind daher dem tapfersten der Tiere dem Löwen ein Schreck."^)

Gesner:

„Aristoteles sagt, dass man etwan Hauen gesehen habe, so die Hennen verlohren, selbst die jungen führen, ernehren und aufFerziehen, dass sie dazwischen nicht krähen . . . wollte. Und wie Aelianus sagt, so die Henn umkommen, so brütet er selbst, schlieffe die Jungen aus und er- ziehe sie: er schweigt aber zu derselbigen Zeit still, darum dass er wol wisse, dass er Weibisch und nicht fast Männlich stück da begehe."-"')

^j Ueber Hahnenkämpfe vergl. Ges- ner, a. a. O. S. 167. '^) vergl. auch Gr. S. 18. '^} Anspielungen aul die Zauberflöte« auch im »Tagebuch« S. 233.

*j Caiuä Plinius Secundus Naturge- schichte, übers, von Gottfr. Grosse, Frankf. i;8i— 88, III, 10 24) S. HO fg.

i^i a. a. O. S. 16;.

Des Märchens.

45

Gesner:

,Ueber den Stolz des Hahnen und der Hühner' ^) „Die mutigen und künen Hauen haben eine grosse Stimme und sind stoltz als die Pfauen: Denn sie herr- schen über ihr Geschlecht und haben ihr Reich in einem jeden Hauss, darinn sie wohnen. . . . Wo sie aber gesiget, singen sie gleich im Sieg und bezeugen damit, dass sie überwunden ha- ben. Ihre Herde gehet auch dann zumal stoltz mit atrfFweissen (?) KöpfFen daher, siehet stäts an den Himmel und richtet auf ihren vSchwantz sagt Plinius, das ist auch zu verwundern am Hanen, dass wo er über einen Thür- schwellen gehet, ob dieselben gleich ganz hoch, beugt er doch seinen Kamp, welches er (als Aelianus sagt) auss Hoffart thut, damit er nemlich seinen Kamb nit anstosse ..."

Praetorius:

„Der Sinnreiche Bildhauer Phidias hat auf der Minerva, der Bild der Kriegsgöttinn Helm (sie Idomeneus qui a sole habe- bat principium, in Clypeo Gallum Gallinaceum ferre solitus; quia haec avis soli fuit sacra Pausan. I, 5) einen Haan gemachet . . . Der Haan ist dem Kriges Gott . . Mars geopflfert worden. Gleicher Gestalt ist der Haan dem Aes- kulapio, IVIerkurio, der Sonnen und dem Monde zugeeignet."-)

Coler:

„Der beste Hausshahn ist, der fein hoch und gross ist, den Kopf fein emporträgt und fein muthig und trotzig hineintritt und einen feinen roten Kamp hat ... er sollte auch eine feine starke Brust haben."^)

„Seinen Kopf und Schwantz hat ihm Gott gegeben als einen König der Hüner, dann hat er oben seinen Strauss oder Krone als nemlich den Kamp."^)

Zauberflöte:

„Bei ^Männern, welche Liebe füh- len, fehlt auch ein gutes Herze nicht. Die süssen Triebe mitzufühlen, ist dann der Weiber erste Pflicht."^')

1) a. a. O. S. 165.

^) Alektryomantia S. 13, S. 37, vergl. auch Harstörft'er, Gesprächspiele 8. und letzter Teil, Nürnberg 1649, Anhang II, S. 485 fg. (Bibliothek Xr. 2; 34. S. 155.)

^) a. a. O. S. 3 19.

4) S. 319.

''j Die Zauberflöte, Text von E. Schi- kaneder (1751 1812) Elberleld (Ausg. Lucas) S. 9.

46

Die Ouellen.

jMärchen:

O wie geistreich ist der Hahn ! Wer kann es den morgenlän- dischen KabbaHsten verdenken, dass sie sich des Alektryo's be- mächtigen wollten, da sie an die Seelenwanderung') glaubten und der Hahn des Mycillus sich sei- nem Herrn selbst als die Seele desPythagoies vorstellte, die in- kognito krähte.-)

Ja, wie mehr als ein Hahn ist ein Hahn, da sogar ein ge- rupfter Hahn noch den Menschen des Plato vorstellen konnte!

r«'

u. s. w

1) In lustiger Weise verbindet hier Br. den bei Lucian vorgefundenen Ge- danken von der Wanderung der Seelen im Alektryo mit den im Märchen aul- tretenden Petschirstechern, die er jetzt passend KabbaHsten nennt.

2) von »inkognito:< etwas tun ist in "Werken, die auf Br. eingewirkt haben, oft die Rede: Schelmuffsky (Neudr. S. 51) Musüus; Klinger, flaust Nat. Litt. (79) I, S. 173. Br. macht Gebrauch davon in den »Musikanten« (1803) VII, 226 ffg., »Fanferlieschen- II, 215, > Ko- manditchen« S. 371.

Lvician :

Der Hahn: „Dieser besagte Pythagoras bin ich selbst . . ."

Mycill: „Ein Haushahn, der nie Philosoph ist, das ist doch das Allertollste."!)

Der Hahn : . . „wenn du Lust hast, will ich dir erzählen, wie ich aus dem Pythagoras, das was ich jetzt vorstelle geworden, wie vielerlei Arten von Körpern ich durchlaufen habe,"^)

Der Hahn: . . „es wäre doch am besten, wenn du mich heissest, was ich jetzt in deinen Augen bin, wäre es auch nur um zu zeigen, dass du einen A'ogel nicht verachtest, der so mannhafte Seelen im Leibe hat".=')

Praetorius : *)

„Plato ubi definiverat homi- nem hunc in modum : Homo est animal bipes sine plumis, Dio- genes Cynicus gallum nudatum pennis in eins scholam invexit hace voce: hie est Piatonis homo.^)

^) Lucian, a. a. O. S. 81.

2j a. a. O. S. 81 fg.

=*) a. a. O. S. 97.

•1) Alektryomantia S. 16 fg. im folg. erwähnt Frätorius als Uebersetzuiig des lat. Alectrandum das Wort „H ahne- mann". — ^) Gr. S. 51/23 scheint wohl eine Anspielung auf diese Stelle zu sein.

Des Märchens. 47

Kurz sei noch die Deutung verschiedener Stellen gegeben. Die Erwähnung: „einige schöne neue Lieder, gedruckt in diesem Jahre" (Gr. S. 99) ist ohne Zweifel veranlasst durch die zu einer stehenden Redensart gewordene Wendung: „Reutlinger Volks- lieder, gedruckt in diesem Jahre".- ^)

Einmal ist die Merianische Bilderchronik genannt. ') Viel- leicht sind hiermit des Künstlers damals viel gebrauchte Topogra- phien gemeint (1640 88) oder das Theatrum europaeum; histo- rische Bilder Merians hat Brentano gekannt und besessen.-')

Die Bubenschenkel und die Bretzel sind bekanntes süd- deutsches Gebäck. Ein neues Motiv hat Brentano in der 2. Fas- sung mit den Bretzeln verknüpft: Kronovus teilt einen Bretzel*) und reicht Gackeleia eine Hälfte. Später finden sich, als Beweis der Treue der beiden Kinder, die Hälften wieder zusammen. Vielleicht darf man hierin eine Anspielung auf den griechischen Brauch erblicken, einen Ring zu zerbrechen, dessen Hälften man sich als Zeichen der Gastfreundschaft und Treue reichte.-'')

Den Namen „Abulfeda" (Gr. S. 113) mag Brentano aus seinen kabbalistischen Büchern erfahren haben oder er ist iden- tisch mit dem Namen des muhamedanischen Historikers und Geo-^ graphen Abulfeda (127 3 1331), den Görres in seiner »Mythen- geschichte der asiatischen Welt« in Zusammenhang mit sabäischen uralten Magiern erwähnt") und später noch einmal in einem Briefe. ')

^) vergl. Brief Brentanos an Amin". (15. März 1808), welcher von einer Sendung Reutlinger Volkslieder berichtet (Steig I, S. 248). Achim schreibt am 9. Juli 1802: jjicTi sehe schon manche schöne Lieder, gedruckt in diesem Jahraus unserer Druckerei kommen (Steig I, S. 39) vergl. auch Katalog 2762, S. 157: ,,26 Heftchen, in jedem einige Lieder, zumeist gedruckt in diesem Jahr".

2) Aus Tagebuch S. 235. ^) Katalog 2208, S. 216, S. 129. »Tröstein- samkeit« a. a. O. S. LXIV. Ges. W. 11, S. 285, VIII, 147. Foliobibel Merians erwähnt Goethe, Dichtung und Wahrheit, Jubiläumsausg. 1903, XXII, S. 37 fg. Merian, eine schweizerische Künstlerfamilie; Matthäus d. Aeltere starb 1650, seine Söhne Hessen sich in Fiankfurt nieder, vergl. Reichensperger, M. Meriau und seine Topographie, Leipzig 1856.

^j Ueber den Gebrauch der Bretzel vergl. Brief Arnims Steig I, S. 244, Wunderhorn S. 775, S. 798, Grisebach, Ges. Studien, Leipzig 1884, S. 228 ffg. Prätorius, Blockesberg, 2. T. S, 411 fg.

^) In einer Novelle Arnims teilt ähnlich der Bärenhäuter einen Ring mit seiner Braut. (Achim v. A., Isabella von Aegypten, Kaiser Karls VI. erste Jugend- liebe, sämtl. W., Berlin 1857, I, S. 62.

**} Görres, a. a. O. S. 265. ''') Görres, Ges. Briefe III, Freundesbriefe S. 392 fg.

48 I>ie Quellen.

Mehrere Male begegnet uns der Ausdruck Castrum doloris;^) er ist der Terminus für das Parade-Totenbett des Papstes.

Die inkomplete Encyklopädie ^) von Krünitz ist ein damals viel gebrauchtes Handbuch, das von 1782 1858 erschien. Erklärungen der geschichtlichen und literarischen Anspielungen der Zueignung bietet Dohmke in seiner Ausgabe.^) Einiges ist noch nachzutragen: die Incroyables waren nicht nur besondere Arten von Frisuren, sondern eine ganze Mode.^) (Gr. S. IX.) Sie wurde abgelöst durch die Frisur a la Titus: „die Titusköpfe form- ten sich auf den Scheiteln zu einer Art Hahnenkamm". ^) Mit der Stelle der Zueignung vergleiche man die folgende im »Godwi«: „Die ganze Gesellschaft war beschäftigt sich über einige Char- mants riens, die Titus, Karakallas, Charles douze, Gustaphe Adolph, Iglon, Vergettes, Terroristes, Incroyables und Merveilleux Köpfe zu zermartern. Das sind lauter Arten von Verstand, Denkungsarten, die in verschiedenen Gattungen von unordent- lichen Frisuren bestehen." '•)

Geleitsreiter (S. XI) wurde in Frankfurt die Bürger - Kaval- lerie genannt ; ') das Xothilfsbüchlein, sowie der Centaur (S. X) tauchen übrigens auch in der satirischen Komödie »G. Wasa« auf.

Das im .Gockel' erwähnte „Reisbuch" des Montvilla (Gr. S. S5} hat Brentano tatsächlich besessen.**) Es ist ein bekanntes, im 1 6. Jahrhundert viel gelesenes Reisebuch, das zuerst englisch er- schien, und dann in verschiedene europäischen Sprachen über- setzt wurde."') Die deutsche Ausgabe lautet: Reysen und Wan- derschaften des Hocherfarnen und Weitberumpten Herrn Doktores

^) Auch im :;Godwic< I, S. 92. Der Ausdruck scheint wohl im Schlegelschen Kreise häutiger gebraucht -worden zu sein: vergl. A. W. Schlegel, Ehrenpforte, samt). Werke II, S. 266, „Castra doloris waren die Theater."

^) J. G. Krünitz, Oekonomische Encyklop. oder Allgemeines System der Staats-, Stadt-, Haus- und Landwirtschaft, Berlin, 242 Bde. Schiller hat Krünitz benutzt für das Technische in der »Glocke», vergl. H. Düntzer, Erläuterungen, H. 45, S. 54 fg.

^) Dohmke, Br. Werke. S. 133 Üg. *) K. Jügel, das Puppenhaus, Frankfurt 1857, S. 40. ^) Jügel, a. a. O. S. 44. ") Godwi I, S. 381.

') Jügel, a. a. O. S. 107.

'^l Br. Biblioth. 2080, S. 121. Ausg. Frankfurt 1580 vergl. auch Görres, die toutschen Volksbücher, Heidelberg 1807, S. 53 fTg. Durch Görres, a. a. O. S. 71 fVg. kann auch die Erwähnung der Fortunatsage (Gr. S. loi) angeregt sein, vielleicht beruht sie auch auf Jugenderinnerungen wie bei Goethe, Dichtung und Wahrheit 1903, XXlI, S. 38. '*) vergl. Kiirting, Grundriss der Gesch. d. engl. Litt. Münster 1899, S. 154, § 142, S. 401.

Des Märchens. 49

und Gehörnen Ritters Johannis de Montev^ille auss Engelland, so ■er ins gelobte Land Indien und Persien vor 200 Jahren getan . . . Cöln M. D. C.

2. Die Quellen zu den «Blättern aus dem Tagebuch der Ahnirau'.

In höherem Masse als das Märchen stellt sich das Tagebuch als Erzeugnis der Phantasie, als Gestaltung der Lebenserfahrungen und Lebensanschauungen Brentanos dar. Aber auch für dieses Werk liegen mehrere volkstümliche und litterarische Quellen vor. i)

Die Verse „Kling, kling Glöckchen" ^) finden sich in kür- zerer Fassung im ,Wunderhorn', ^) ebenso einige Verse des Liedes vom Klapperstorch ^) (Gr. S. 254); ein thüringisches Volkslied lautet :

„Storch, Storch, Langbein,

Bring mir doch ein Schwesterchen".

Kinderweisen sind die Liedchen: „Grase, grase, grüne . . . ." (S. 249) und „Es hat einmal geregnet" (S. 253). Das schöne Lied „die Rose" (S. 257), findet sich in wesentlich anderer Gestalt im Wunderhorn; ob Brentano es aus Christian Weises ,drei klüg- sten Leute', Leipzig 1684, oder aus dem ,Wunderhorn' ^) kennen gelernt hat, soll uns hier nicht beschäftigen.

Die Deutung der roten und weissen Rosen ist schon im ,Wunderhorn' zu finden,^) ebenso kehren hier die Ausdrücke »Ge- spann* und , Ahnfrau' wieder.'^)

Das ,Wunderhorn' enthält auch das Brautlied ; **) woher es stammt, ist noch nicht festgestellt. Seine Quelle gibt Brentano an. „Bei manchen slavischen Stämmen versammeln sich die Dir- nen am Abend an dem Hochzeitstage an der Türe der Braut und

singen ein altes Lied " ^) Die im Tone von dem Liede der

Gespielinnen so sehr abweichenden Antworten der „Lilienfräulein" fehlen natürlich im ,Wunderhorn'.

M Ob die Gestalten der Gräfin von Hennegau und des Jakob von Guise historischen Erscheinungen entsprechen, konnte ich nicht feststellen.

2) Gr. S. 250. 3) Wunderhorn S. 819. 4) a_ ^ q s_ 825.

^) Wunderhorn S. 1Ö9, vergl. Steig I, S. 129, S. 355, Anni. 129, Ges. W. II, S. 180 ffg., »Gründung Prags« IV, S. 75, 359.

6) a. a. O. S. 741. 7) a. a. O. S. 741, 739, Ges. W. I, S. 450 fg.

^) Gr. S. 339 ffg. Wunderhorn S. 198 mit Anmerkung ,niündlich-.

9) Ges. W. IV, S. 445 fg.

50 Die Quellen.

Wir Stellen das Brautlied hierher, geben in den Fussnoten die Abweichungen vom Texte des ,Wunderhorn' und fügen das in der .Gründung Prags' (1812—15) mitgeteilte Lied^) bei, das in manchen Punkten, wo die P'assungen des Tagebuches und ,Wunderhorn' abweichen, mit jener übereinstimmt. Das Lied im Tagebuch stellt sich wohl als zweite Bearbeitung dieser Fassung dar.

„Komm heraus, komm heraus, o '^) du schöne, schöne Braut,

Deine guten Tage sind nun alle, ^) alle aus.

Dein Schleierlein weht so feucht und tränenschwer, 4)

O wie-*^) weinet die schöne Braut so sehr,

Musst die Mägdlein ^) lassen stehen, '')

Musst nun zu den Frauen gehn.^)

Lege an, lege an heut auf kurze, kurze Zeit,

Dein Seidenröslein, dein reiches Brustgeschmeid. '•')

Dein Schleierlein weht so feucht und thränenschwer,*'*)

O wie") weinet die schöne Braut so sehr!

Muss die Zöpflein ^") schliessen ein

Unterm goldnen^^) Häubelein.

Lache nicht, lache nicht, deine Gold, Schuh und Perlen i*)

Werden dich schon '•'') drücken, sind eng genug dazu.

Wenn die anderen tanzen gehn,

Musst i-*) du bei der Wiege stehn,

Winke nur, winke nur, sind gar leichte, leichte Winke

Bis den Finger drückt der goldne Trauring. ^•')

Ringlein sehn heut lieblich aus,

^) a. a. O. S. 289 fg. 2) [heraus, du: Wunderhorn, ^ ^) 2: [sind alle. '') 3 : [o Weiele weh, o weiele weh! ^) 4 [was. '^) 5 : [Jung- fern. — ') 6 : [stehn. '^) " : |zu den Weibern musst du gehn. '"') 8 : [darfst, du ja wohl tragen das schöne Hochzeitskleid.

^*^) II : [musst dein Härlcin. ^l) 12 : [in dem weissen Häubelein. 1-) 1 3 : [rote, rote Schuh. ^^j j ^ . [^vohl. l-*) 19: [wirst.

1^) 20 : [bis du an dem Finger einen goldnen Hochzeitring.

Anm. »Gründung Prags« : „Komm heraus, komm heraus, o du schöne, schöne Braut. „Deine guten Tage sind nun alle alle aus, Deine Jungfrau'n lässt du stehn. Willst nun zu den Weibern gehn. Chor: ,,Dein Schleierlein weht, dein Schleier- lein weht. Die Thränen des Taues, die weinst du zu spät. Lege ab, lege ab, auf ew'ge, ew'ge Zeit, Schild und Schwert und Panzer, deine Waffen, dein Gold- gcschmeid. Aus dem Helm ins Häubelein Schliessest du die Locken ein! Chor: „Lache nur, lache nur, die roten, roten Schuh' Werden dich einst drücken, sie sind eng genug dazu, W^enn wir zu dem Tanze gehn, Wirst du bei der Wiege stehn ! Winke nur, winke nur, sind nur leichte, leichte Winke."

Des Tagebuches. 51

Morgen werden Fesseln draus. ^)

Springe heut, springe heut deinen letzten, letzten Tanz, ^)

Welken erst die Rosen, stehen Dornen in dem Kranz, *)

Musst die Blümlein 3) lassen stehn,

Musst nun auf den Acker gehn." ^) Einen Niederschlag der Studien Brentanos über Volkssagen, Volksgebräuche und Legenden haben wir im ,Tagebuch der Ahnfrau' zu erblicken. Es sollte gleichsam ein Gegenstück zum ,Wunderhorn', gute alte Familienpoesie, sein, nicht bloss die Be- schreibung der Gebräuche bringen, sondern auch innige Bezieh- ungen auf das religiöse und gesellige Leben der Vorzeit. •^) Oster- und Pfingstsitten, die Gebräuche des Maitages und Johannistages treten vor uns hin, alles durchflochten mit alten Sagen und uralten Ueberlieferungen. Eine altertümliche legendenhaft klingende Sprache verleiht deni Ganzen Körper und Gestalt.

Für die Beschreibung der Gebräuche ") am Ostertage scheint Brentano die Darstellung des Praetorius über die Gebräuche am Maitage aus seiner ,Blockes-Berg Verrichtung' benutzt zu haben. Man vergleiche den Brauch am Osterdienstag (Wiegenzug zu den jungen Eheleuten, Gr. S. 249) mit folgendem Berichte bei Präto- rius. Er sagt „an etlichen Orten sei es üblich, dass auff den ersten Majustage den jungen Eheleuten und kurz vorher Verheyratheten die Mägdlein zu sonderlichen Freuden eine May bringen und neben einem hübschen Liedlein übergeben. Solche Maye aber pflegen sie hübsch ausszuschmücken und mit allerhand Klapper- Werk (als kleine Wiegen, Bildern, Kindergen, Klapperstörchen, Vögelein, Zutschkannen, Kinderklappern, Flidder Golde) behangen. Doch ist zu gedenken, dass diese Ceremonie anderswo üblich sey auff Laetare . . . ." '')

^) 23 : [goldne Ketten legst du an, musst in ein Gefängnis gehn. ") 24 : [morgen kannst du weinen auf den schönen Hochzeitkranz. '') 29: [Blumen. ■*) 30: [auf den Acker musst du gehn. Anm. : „Bis du an dem Finger trägst den goldnen Skla- venring, Goldne Ketten legst du an Und beschwerlich wird die Bahn. Tanze nur, tanze nur deinen letzten letzten Tanz, In der Sonne welket bald dein schöner Hochzeitskranz. Lasse nur die Blumen stehn, Auf den Acker musst du gehn!"

'') vergl. Diel-Kreiten, II, S. 480. *^) Bei der Grösse der Litteratur und ihrer Entlegenheit ist es in den meisten Fällen nicht mögHch eine bestimmte Vor- lage anzugeben. ') Blockes-Berg Verrichtung, 2. Tl. Cap. 6, S. 491, Ueber Pfingstgebräuche (Gr. S. 257 fg.) vergl. J. Grimm, deutsche Mythologie, 4. Ausg. von E. H. Meyer, 3 Bd. Berlin 1875, II, S. 656 fg. Jedenfalls war Brentano dieses Buch (i. Aufl. 1835) <^es Freundes bekannt, wenn auch sein Bibliotheks- verzeichnis keinen Anhalt bietet.

^2 Die Quellen.

Eine der prächtigsten Schilderungon des Tagebuciies ist die des Johannistages. Ein eigener Hauch, eine Kraft der Empfin- dung und Anschaulichkeit geht von diesen Bildern aus, in denen Brentano das dämonisch heidnische und das christliche Element so packend dargestellt hat; der Gedanke liegt nicht fern, dass der Dichter hier auf Grund eigener Beobachtung schreibt. „Scharen ^•on armen Kindern", erzählt er, „zogen mit Körben zu uns heran und betteln um Geschenke, den Johannisengel morgen zum Feste zu schmücken und Johannisfeuer anzuzünden. Ich liess ihnen reichlich Speise und Holz austeilen. Sie sangen aber einen Reim:

Feuerrote Röselein, Aus dem Blute springt der Schein, Aus der Erde springt der Wein Rot schwing ich mein Fähnelein." ^)

Die Vorlage für diesen geheimnisvollen, bisher noch nicht erklärten Vers liegt nicht allzufern. Brentano scheint mit einiger Freiheit eine Sitte aus dem Fuldischen wiederzugeben. Wie Grimm angibt, geht es dort folgendermassen zu : „Am Johannis- tag betteln .... die Knaben Holz und Geschenke, das Holz ver- brennen sie Abends, beim Einsammeln wird gesungen:

Da kommen wir hergegangen, Mit Spiessen und mit Stangen -) Und wollen die Eier langen. Feuerrote Blümelein, An der Erde springt der Wein, Gebt ihr nur die Eier ein Zum Johannisfeuer, Der Haber ist ja teuer."

Auch jene Sitte, am Johannistage Kräuter zu sammeln, denen man heilkräftige Wirkung zutraut, verwertet er. „Johanniskraut vertreibt Hexen und Teufel", lieisst es in der Chemnitzer Rocken- philosophie, die Grimm heranzieht. ■*) So ist das „Johannisblut

^) Tagebuch S. 268, S. 270 zitiert Brentano 2 Verse allein.

-) In Franken und Schwaben wurden ähnliche Reime gesungen. Aehnliche Wendungen gebrauchen auch Immermann, ^Trauerspiel in Tirol«, Grillparzer, »Die Muse beklagt sich« : „was kommt ihr mit Spiessen und mit Stangen mich zu fan- gen." II, S. 21. "') Grimm, a. a. O. S. 513.

^) Grimm III, S. 440, aus der Chemnitzer Rockenphilosophic [3. Hundert S. 12, Nr. 1890].

Des Tagebuches. 5 3

(Gr. S. 296) auf Johannis zur Mittagsstunde gesammelt, zu vielen Dingen gut." ') In der ,gestriegelten Rockenphilosophie' wird gesagt:^) „Es gehen am Johannistage einige Leute in der Mittags- stunde auf das Feld und suchen ein gewisses Kraut .... welches klein Wegetritt genannt wird; dieses raufFen sie mit der Wurzel aus, und finden zuweilen an deren Wurtzeln einige rötliche runde

Körnlein hangen, in der Grösse eines Tröpflein Bluts Und

dieses soll ihr Vorgeben nach das Blut seyn des enthaupteten hei- ligen Märtyrers St. Johannis ... sie meynen, wenn sie diese Rari- tät gefunden haben und solches anhängen . . . dass sie alsdann vor vielem Unglück und Krankheit sicher seyn." Brentanos Erzäh- lung vom Johannisgürtlein liegen wohl ähnliche Quellen zu Grunde wie dem Berichte Grimms. „Johannistag gürtet man sich mit Bei- fuss und wirft ihn unter Sprüchen und Reimen ins Feuer, daher die Namen Johannisgürtel etc. Die Wurzel wird feierlich ge- graben, in Kränze gewunden, umgehangen und von jedem mit dem Unfall, der er an sich hat, in die Flammen geworfen. Wer Beifuss an sich hat, ermüdet nicht. Dies letzte ist nach Plinius Artemisiam." •')

Der Johannisabend und seine Vorgänge, wie Brentano sie schildert, entsprechen im allgemeinen dem Bilde, das die Gebräuche der Sommersonnenwende^) erstehen lassen. Manches hat er freilich umgestaltet. Kränze werden gewunden (S. 308 fg.),") fröh- liche Burschen jagen in dunkler Nacht flammende Räder durch die Hohlwege in die Feuer.") Eine alte Sitte, deren Ursprung') noch nicht feststeht, ist der Brauch des Johannisfeuers (S. 3 1 0 ffg.). Auch hier dichtet Brentano zur Herstellung eines Zusammen- hanges manche Züge des Volksbrauches um. G. Strigenitius be-

1) a. a. O. III, S. 439. 2j Djg gestriegelte Rockenphilosophie, Chem- nitz 1709. 2. Hundert, S. 303 fg. Katalog 3314, S. 188.

•^) Grimm, a. a. O. II, S. 1013, Tagebuch S. 296 über Sammeln des Farn- samens cf. Grimm, a. a. O. II, S. 10 12 fg. Von den segensreichen Wirkungen des Johannistaues (Tagebuch S. 268, 316, 319) spricht auch Annette von Droste- Hülshoff: »Johannistau« Ges. Schriften, Stuttg., I, S. 330.

^) vergl. Grimm, a. a. O. I, S. 513, 515 fg ; II, S. 601; III, S. 176.

'^j Grimm, a. a. O. III, S. 171, III, S. 464, 475.

") Grimm, a. a. O. I, S. 515, Beschreibung der Sitte zu Konz (1823), Seb. Franck, Weltbuch S. 50 fg., erzählt von den Fastnachtsfeuern der Franken, die ein grosses, brennendes, mit Stroh umwickeltes Rad bergabwärts rollen lassen.

') Den heidnischen Ursprung deutet Br. an: Zueign. S. VII.

54 Die Quellen.

merkt in einer Predigt, die sich bei Eccard ^) findet: „Das Volk tanzt und singt um die Joharmisfeuer", jeder hat ein Kraut in der Hand, er wirft es in das Feuer, all sein Unglück wird verbrannt. Die jungen I.eute springen über die Feuer. ^) Diesen Zug hat Brentano in sehr ausgedehntem Masse verwandt. - Jakob von Guise spricht in seiner Predigt über den christlichen Gedanken der Sitte an jenem Tage Fackeln anzuzünden ; der Dichter erzählt vielleicht in Anlehnung an eine Stelle bei Durandus:^) „Feruntur quoque (in festo Johannis bapt.) brandae seu faces ardentes, et fiunt ignes qui significant sanctum Johannem qui fuit lumen et lucerna ardens praecedens et praecursor verae lucis . . rota in quibusdam locis volvitur, ad significandum, quod sicut sol ad altiora sui cir- culi pervenit nee altius potest progredi, ut tunc sol descendit, secundum quod ipse testimonium perhibet dicens: me oportet minui, illum autem crescere." *)

Vier Sagen sind es hauptsächlich, die Brentano eingeflochten hat. Zunächst die Sage vom Rattenfänger von Hameln. Das Lied im »Wunderhorn« •'') mag ihm wohl einige Anregung gegeben haben; ich vermute, dass ihm ferner das mir nicht erreichbare Buch von Kirchmeyer, »kuriose Historie vom Ausgang der Hamel- schen Kinder«, welches sich in seiner Bibliothek fand, als Vorlage gedient hat. Massgebend dürfte für ihn auch die Hamelsche Reimchronik gewesen sein, deren Irrtümer er aufnimmt. *") Am wahrscheinlichsten scheint mir die Benutzung der Erzählung in Gebr. Grimms ,deutschen Sagen.' '^) Wir finden von einigen Kürzungen abgesehen fast wörtliche Uebereinstimmung.

Als Vorlage für die Sage vom ewigen Juden kann angeführt werden das Volksbuch vom ewigen Juden, welches Görres in

1) Ueber die Schreibweise des Namens : ckh oder cc herrscht keine Sicher- heit: vergl. Grundriss der germ. Philologie 11, I, S. i6o fg., I, S. 32. Auf dem Titel steht der Name Eckhard : Comentarii de rebus Franciae orientalis. Wirceburgi 1729, I, S. 424, lib. XXIV. Grimm, a. a. O. I, S. 514.

2) Grimm, a. a. O. S. 51". "*) Durandus, Rationale div. 7. cap. 14.

^) Zu den sonstigen Sitten des Johannistages vergl. Birlinger, Volkstümliches aus Schwaben, Freiburg 1861, S. 104 ffg. S. iio fg. Grimm, a.a.O. III, S. 179. Die Wetterherren (S. 31 7) sind Paulus und Johannes, ihr Tag ist am 26. Juni, die Hagelfeier. ^) Wunderhorn S. 33 fg. i") Ueber den Stand der Forschung vergl. Fr. Jostes, der Rattenfänger von Hameln, Bonn 1895, vergl. Zeitschrift für vergl. Litter. Gesch. (1896) IX, S. 423 fg.

^) Deutsche Sagen, herausgegeben von den Brüdern Grimm, Berlin 18 16, I, S- SSf' %•; ^uch die Naubert, deren »Märchen« Brentano besessen, hat die Sage bearbeitet: Volksmährchen der Deutschen, i. Aufl. 1789 93.

Des Tagebuches. .55

seinen »teutschen Volksbüchern« nennt und behandelt.^) Es stammt wohl wie die meisten dort aufgezählten Bücher aus der Bibliothek Brentanos. ^) Simrock gibt eine ausführliche Inhalts- angabe. ^) Doch ist es wahrscheinlich, dass Brentano noch eine andere Fassung der Sage gekannt hat (vergl. Tagebuch S. 251). Fast identisch sind bei Brentano und im Volksbuch die Worte, •die Christus zu Ahasver spricht. ■*) Zu dieser Vorlage kommt noch «ine andere Ueberlieferung, von der Kirchmann in seinem Werke »de annulis« berichtet, wo Carthophylax, der ewige Jude, mit dem Ringe der Patriarchen und dem Steine ihres Brustschildes in Zu- sammenhang gebracht wird.'') „Ita etiam" sagt Kirchmann, ^.Charthophylax erat custos annuli Patriarchalis, quem ille a Patri- archa solemniter acceptum in pectore gestabat. Etiam ei porrigit in manum annulum aureum, sicut Dominus ad Moisen dixit; et impones Rationale super Aaronis pectus annulum facies aureum accomodabis eum labris ipsius Rationalis, ut per eum nomina filiorum Israelis discribantur. Et quinam is est? Patriarchale buUoterium priore more suspensum ad Chartophylax pectus, recep- taculum studii doctrinarum omnis generis."*")

Aus Grimms Sagen oder sollte Brentano auf Erkenbolds Gedicht "') zurückgegangen sein, was auch wohl möglich ist ? stammt in bisweilen wörtlicher Uebereinstimmung die in der Ein- leitung zum Tagebuch erwähnte und in recht alberner Weise mit Personen verknüpfte Geschichte vom Herrn Peter Dimringer von Staufenberg und der Meerfey. ^)

Die sonderbare Erzählung gleich zu Beginn des Tagebuches (S. 236) von der Gräfin von Holland, die Gott strafte, „indem er ihr eine grosse Zahl kleiner Kinder bescherte, welche vom Bischof Guido (d. hl. Vitus?) in zwei Becken getauft, nebst der Mutter schnell gestorben und begraben sind", mag nicht so sehr auf Colers

^) Gories, die t. Volksbücher, Heidelberg 1807, S, 200 ffg. ^j Qörres, a. a. 0. S. 308, vergl. auch Schultz, a. a O. S. 96 ffg. ^) Simrock, d. deutschen Volksbücher, Frankf. 1847, VI, S. 423 ffg. ^) Görres, a. a. O. S. 201, Sim- rock, a. a. O. VI, S. 425, Tagebuch S. 303, ^) Katalog der Bibliothek S. 171. '') Joh. Kirchmanni Lubecensis, de annulis, Francf. 1672. S. 43 fg.

^) vergl. Simiock, a. a. O. III, S. 3 ffg. Wunderhorn S. 281 ffg.

^) Grimm, a. a. O. II, S. 249. Wer der Pfalzgraf Hanns Diemringer von Staufenberg ist, weiss ich nicht, vielleicht liegt hier irgend eine persönliche An- spielung vor.

56 Die Quellen.

Erzählung in dem medizinischen Teile seines Hausbuches ^) zurück- gehen, als auf die von den Gebrüdern Grimm berichtete Saget „So viel Kinder als Tag im Jahr." ^)

Ohne Zweifel ist ein grosser Teil vom Inhalte des Tagebuches durch Suso beeinflusst worden, dessen Werke ein Freund Bren- tanos, der junge Diepenbrock, nicht ohne des Dichters Beihilfe herausgegeben hat.'*) Dass Brentano sich gern dem Geiste Susos hingegeben, beweist] ein Zueignungsgedicht, ^) in dem er sich bedankt „für Herberge, Müsse und Trost", die Diepenbrock ihm gegeben durch die Schriften Susos, „des lieblichsten deutschen Asketen."") Auch in Susos Gedichten hören wir von kirchlichen Tagen : St. Agnestag, St. Katharinentag ; wir erfahren, dass „die edlen Kräuter die Wurzeln aller Tugenden" '') sind, im Tagebuche „war der Himmelsgarten der Garten ihres liebevoll barmherzigen Wirkens und alle die Blumen und Kräuter waren ihre Liebes- werke." ") In einem Gesichte Susos heisst es : „Dieselbe hl. Tochter sagte ihm auch, dass sie einstmals im Geiste einen schönen Rosen- baum gesehen hätte, wohl geziert mit roten Rosen, und auf dem Rosen bäum erschien das Kindlein Jesus mit einem roten Kränz- lein, unter den Rosenbaum sah sie sitzen den Diener. Da sie das Kindlein fragte, was die Rosen bezeichneten, da sprach es: „Die Menge der Rosen sind die mannigfaltigen Leiden, die ihm Gott zusenden will, die er freundlich von Gott empfahen und sie gedul- diglich soll:"*^) Man vergleiche damit die Stellen S. 259 fg. und andere. Auch bei Suso ist von einem seltsamen Tuch und Mantel die Rede; das Tuch „war gar rot und purpurfarb, mit heidnischen (damastenen) seltsamen Werk, das einen wonniglichen Anblick

ij „Mijald zeigt an, dass Anno 13 lo als Kayser Heinrich von Lützel- burg in Teiischland regiret, Margaretha, eine Gräfin zu Holland, 360 leben- dige Kinder auff' einmal geboren habe, welche alle getauft worden seyn." Coler,^ Hausbuch, von der Hauss Artceney, CXV, S. 201. "Vielleicht kannte er durch Görres diese Erzählung, der in seinem Sagenbuch Missgeburten und dergl. behan- deln wollte. Die Sage geht wohl auf das zur Schwanensage gehörende altfr. Epos »Beatrix« zurück oder hat mit diesem gleiche Quelle, vergl. Junker, Grundriss der Gesch. d. frz. Litt. 1902, S. 77 fg. ^) Gebr. Grimm, a. a. O, H, S. 374 fg.

3) H. Susos genannt Amandus Leben und Schriften von M. Diepenbrock mit Einleitung von J. Görres, Regensburg 1829. ^) G. W. I, S. 170.

^) Görres, Freundesbriefe IH, S. 286, Br. an Görres, Anfang 1827.

'') Suso, a. a. O. II, S. 378. '') vergl. die entsprechende in das Mär- chen übergegangene Stelle: Gr. S. 197. ^) Suso, a. a. O. Cap. XXXVI, S. 121 fg.

Des Tagebuches. 5 7

gab, und das Feld war weiss als Schnee." ^) Aehnliches erzählt Brentano. 2) Die Stelle bei Brentano, wo von Pilatus und der Wahrheit die Rede ist, ^) scheint gleichfalls durch Suso beeinflusst zu sein: „So kommen sie (die Leute) dann (sprechend): Herr sagt uns von der nächsten Wahrheit ! - - Waffen, dem Wort bin ich so recht unhold. Pilatus fragte unsern Herrn Jesum Christum, welches die Wahrheit wäre und Christus schwieg; also wenig kann man sagen, was die Wahrheit sey. Gott ist die Wahrheit; Wahrheit, Lauterkeit und Einfalt, das ist ein und ein Wesen." ^)

Für die Erzählung vom Ringe des Königs Eduard von Eng- land kann zunächst als Quelle ein Zitat vorgelegen haben, das Prätorius anführt in seiner ,Wündschelruthe' ; ■'') es lautet: „Chron erzehlet, dass anno 1 065 der König Edovardus gestorben sei, nachdem er kurtz vorher eine göttliche Vorbedeutung seines Todes wunderlicher Weise an einem Ring bekommen,, welchen er zwar kurtz vorher einem armen Menschen geschenket hatte, der in dem Namen des hl. Evangelisten Johannes, von ihm Almosen begehrt gehabt, aber bald darauff von einem Pilgrim aus Jerusalem hat zugestellt bekommen. Sonsten ist der König her- nach im Westmünster'schen Tempel beerdigt, und nicht lange her- nach canonifiret worden. Der Ring aber wird ja höher unterm andern Kirchenschmucke auffgehoben, und, wie man spricht, soll er für die schwere Noth trefflich gut sein."*') Dieselbe Stelle findet sich in lateinischer Uebersetzung bei Kirchmann. ")

Schelmuffsky berichtet von der Westminster Abtei: „sie führte mich in eine alte Kapelle (Westminster) allwo der Stein zu sehen war, auf welchem der Partriarcha Jakob gesessen, wie er im Traum die Himmelsleiter gesehen hätte." ■'') Auch diese Erzäh- lung scheint Brentano verwertet zu haben.

Eine Stelle in dem bunten Durcheinander der Einlei- tung zum Tagebache dürfte der Anmerkung Wernickes zu einem seiner Epigramme entnommen sein : („Wo snatternd alle

^) a. a. O. 2. Buch III, 390, 433 fg. -) Tagebuch S. 322.

^) Tagebuch S. 303. i) Suso, a. a. O. Predigten S. 611. Auch im Ton und in der Sprache glaube ich manche Anklänge"^herauszufühlen ; durch die Be- schäftigung mit Legenden (besonders 1827) war ihm diese Art des Tones wohl vertraut geworden. ^) Ein Ausbund von Wündschel Ruthen Oder sehr lustiche und ergetzliche Historien von wunderseltzsamen Erfindungen der Schatze. Zusam- mengebunden von J. Praetorio, Leipzig 1667, vergl. Br. Bibliothek.

•^j a. a. O. S. 447 fg. ') a. a. O. S. 156 fg. «) Neudruck (Halle) S. 57- Tagebuch S. 307, 308.

5 8 ^i^ Anspielungen.

Gäns' in Schwanen sich verkehren"): „durch HülflFe eines Latei- nischen Pfaltz Grafen, welcher, wie er die unechten Kinder Echt, also auch einen DudentopfF zu einem gekrönten Poeten machen kann, so das folgende einige dieser Pfalzgrafen ihre Macht so weit missgebraucht, dass sie gantze Gesellschaften gestifftet, welche den schönen Pegnitz-Strand verunehret, und den Ruhm einiger geschickter Leute, die sich darunter befun- den, durch die Anzahl und den Schwärm der Andern verdunkelt haben." ')

Bisweilen zeigen Schilderungen des Tagebuchs grosse Aehn- lichkeit mit Gesichten und Worten der A. K. Emmerich, von denen Brentano oft erzählt. In einer Vision heisst es: „indem sie so zweifelte, verliess sie schon den Ort und begann eine ungeheure Reise über ein grünes Feld, einen schwarzen furchtbaren Wald, der wie Wolken auseinanderging, und endlich über viele öde Hügel und wieder Wald und Feld, und dann in eine schwarze Tiefe." ^) Man vergleiche hiermit das Traumbild der Amey im ,Tagebuche der Ahnfrau'. '^) Vieles im Tagebuch ist auf die fromme Nonne zurückzuführen: die Gebete für Freunde, ■*) die Pflanzen- geheimnisse und die Segnungen."'')

Die Anspielungen.

1. Persönliche Anspielungen.

Die Märchen und das Tagebuch Brentanos sind wie viele seiner anderen Schöpfungen, besonders ,der Romanzen vom Rosen- kranz', tiefempfundene Selbstbekenntnisse und Gelegenheitsdich- tungen, denn sie entquillen eben einem Erlebnis oder gestalten Er-

^) Poetischer Versuch, In einem Helden Gedicht und etlichen Schäffer Gedichten. Mehrentheilshalben in Ueberschrifften bestehend, Hamburg 1704. 5. Buch S. 143; vergl. auch Chr. Weise, Bäurischer Machiavellus (Nat. Litt. (39) S. 359) „sie sind gewiss ein Comes palatinus aus dem Teiche entwischt, der sie legitimiert hat." ^) Ges. \V. VHI, S. 315: Brief an L. Hensel 23. Nov. 18 18, VHI, S. 320, S. 328 fg.

3) G. W. IX, S. 30: Brief Chr. Brentanos (1823). *) G. W. IV, S. 337: Lebensumriss der A. K. Emmerich. Im Märchen (Gr. S. 90) ist die Er- wähnung der Nüsse vielleicht entstanden in Erinnerung an das von Br. niederge- schriebene Gespräch mit A. K. Emmerich über die Nüsse und ihre Bedeutung.

5j G. W. IV, 336.

Persönliche. 59

lebnisse und persönliche Motive. Der Verlauf seines Schaffens scheint stets der zu sein: eine Quelle, ein interessanter Stoff regen ihn zur Bearbeitung an, das eine oder andere persönliche Erlebnis wirkt mit, die dichterische Gestaltung tritt ein, und mit ihr fliessen all die Anspielungen auf Vorgänge der inneren und äusseren Welt zusammen. An Frau von Ahlefeld konnte er schreiben: „Wie würden sie die Hände überm Kopf zusammenschlagen, wenn ich Ihnen so ein Märchen bis in die kleinsten Wendungen erklären könnte." ^)

Eine objektive Wiedergabe seines Innenlebens stellen Mär- chen und Tagebuch nicht dar, nicht einmal das Aussenleben wird richtig wiedergegeben sein. Der Dichter schafft mit dem Gedächt- nisse, er versetzte sich, in der Zueignung zum Beispiele in die Jugendjahre zurück, er arbeitet mit alten Eindrücken, die er noch einmal nachempfindet, mit Erinnerungen mannigfaltigster Art, er liebt es Verwirrung hervorzurufen, Verstecken zu spielen, Personen etwas beizulegen, was andere besitzen und sich über scharfsinnige Deutungen lustig zu machen. ^)

Zahlreiche Anspielungen auf Erlebnisse und Gestalten der Jugendzeit enthalten die beiden Werke. An den Koblenzer Aufent- halt im Hause der strengen Tante Mohn erinnern die Reime über das Benehmen bei Tisch (S. 289)3) und mehrere Wendungen in der langen Rede, die Gackeleia den Petschierstechern hält. (Gr. S. 111 ffg.)^)

Die Gestalt der frommen Verena verdanken wir auch einer Jugenderinnerung. ^) Sie ist „die altväterliche Kindermagd", an die er in späteren Jahren oft dachte, und deren fromme Kindergebet- chen er sich gern ins Gedächtnis zurückrief. ") Den Herrn Schwab durfte er nicht vergessen, den Buchhalter des väterlichen Hauses, den Vermittler zwischen der Wirklichkeit und der Phanta- siewelt, in welcher der junge Kaufmannslehrling lebte. In lustiger

1) Diel-Kreiten II, 491. ^j G. W. VIII, S. 373. ^) Diel-Kreiten I. S. 19, S. 180; oft erinnert er sich des Aufenthaltes Godwi II, S. 109 fg., Früh- lingskranz S. 13 fg. Märchen vom »Schnürlieschen«; Brief an Math, von Guaita (1836) vergl. Roethe, a. a. O. S. 71.

*) Ueber ceremonielle Erziehung vergl. auch Gedicht »Mamselle la Regle« von Bürger, Ges. "\V. Wien 1812, I, S. 117. ^) Tagebuch S. 243. **) G. W. IX, S. 348 fg.

50 I^i<^ Auspielungeii.

Manier sind Reminiscenzen an ihn in die litterarischen Anspie- lungen ') der Zueignung (S. IX fFg.) verwebt. '^)

Erinnerungen aus der Kinderzeit entstammt vielleicht das Motiv von der Verabschiedung des „Hühnerministers". Ob Bren- tano hier nicht an den Grossvater la Roche gedacht hat, der, Kanzler des Erzbischofs Maria Wenceslaus von Trier, Ende der achtziger Jahre in Ungnade fiel und entlassen wurde P'^)

Durch Jugenderinnerungen mag ihm wohl eine Gestalt vor allem vertraut gewesen sein, die des Hahnen. Brentano wird den Hahn auf der Frankfurter Mainbrücke oft angestaunt haben. Kriegk erzählt von ihm : ■*) „In der iVIitte der Mainbrücke steht ein eisernes Kruzifix mit einem vergoldeten Hahn auf seiner Spitze, Der Hahn hat symbolische Bedeutung. Das Bild des Hahnen soll die Verbrecher, die auf der Brücke hingerichtet wurden, durch die Erinnerung an Petrus zur Reue mahnen; oder wie auf den Kirch- türmen ein Bild der Wachsamkeit sein. Auf dieser Brücke ward oft gekämpft, Hahn und Kreuz nicht selten zerstört. Der Hahn,, an den sich manche Sagen anknüpfen, hatte in den Augen der Frankfurter eine gewisse Bedeutung.'')

Ob die Namen Hahnebach, '"') Hahnenkreuz etc. wirkliche Orts- namen sind, ist kaum festzustellen. '') Durch Gockel und Hinkel wird er in das Land Hennegau geraten sein. ^) Im Frühlingskranz erzählt er einmal : „Mit verbrannten Nasen kamen wir vom Hahnen- kamm (bei Träges) zurück."-') Ob sich der Witz Brentanos, der sich so gern an Worte klammert, nicht schon früher dieses Aus- drucks bemächtigt und Kombinationen daran geknüpft hat?

Gelnhausens will sich Brentano durch eine Bude erinnern, an die der Zettel geklebt war: „Wahrhafte Abbildung der Ge-

1) Für die Deutung des Centaur (vergl. auch »G. AVasa«) dürfte wohl die Stelle in dem Brief Arnims an Br. (22. Jan. 1802) Steig I, S. 28 von Wichtigkeit sein. ■^) vergl. Diel-Kreiten I, S. 28 fg , Chr. Brentano, Nachgelass. religiöse Schriften, Biographie S. VI fg. Frühlingskranz S. 372, G. W. VIII, S. 124.

^'j Diel-Kreiten I, S. 13 fg. Auf Koblenzer Erinnerungen beruhen vielleicht die Schilderungen der Prozessionen. Oft hat Brentano an den Prozessionen der Karmeliter teilgenommen, vergl. Diel-Kreiten I. S. 37. ^j Kriegk, Gesch. von Frankfurt am Main, Frankf. 187 1, S. 442 448. ^) vergl. auch Gebr. Grimm, deutsche Sagen, Berlin 18 16, I, S. 67. Goethe, Dichtung und Wahrheit 1903, XXII, S. 15 fg. ") Fischart bringt in seiner Geschichtsklitterung, die Br. ge- kannt hat, die Namen Hahn, Henne mit Hennegau, Henneberg zusammen (>Jeudr. Halle 65 67, S. 307). ') Wir werden uns wohl damit begnügen müssen, was Br. in der Zueignung sagt : S. V.

8) Bleich, a. a. O. S. 83. '^) Frühlingskranz S. 298.

Persönliche. 61

brüder Vatermörder aus Gelnhausen." Das ist wohl ein Scherz des Dichters, oder wir müssten annehmen, das er den Gebrüdern Grimm - die damit gemeint sind diese Namen in Erinnerung an die Gelnhausener Wachsfigurenbude gegeben habe: „Sie (die Gebr. Grimm) wollen unter der Firma Gebr. Vatermörder von Gelnhausen arbeiten," schreibt Clemens an Achim. ^)

So recht Erfindung und Spiel der Phantasie Brentanos ist das Ländchen Vadutz ; „seines kuriosen Namens" wegen hat er „es stets lieb gehabt," es ist ihm „das Land aller Schäzte, Geheimnisse und Klein- odien." ^) Aus den prosaischen kaufmännischen Geschäften rettete sich der junge Brentano, wenn es um ihn und in ihm gar zu enge wurde, in das Paradies seiner Träume, die Schachtelkammer des Hauses, um dort, inmitten bunten alten Gerumpels über die Blindheit der Menschen zu weinen, die für Poesie und Phantasie kein Verständ- nis fühlen. All die Herrlichkeiten des Reiches von Vadutz werden in des Dichters Erinnerung wieder lebendig: phantastisch genug malt er sein und seiner Schwester Reich aus, schwer ist es, das Erlebte und Geschaute von den bewussten und unbewussten sub- jetiven Zutaten zu scheiden, ■^) Man vergleiche mit. dieser Schilde- rung jene, die Bettina von dem Jugendparadies gibt. *)

In diesem Märchenstaate, wo er König war, musste es auch Reichskleinodien geben. Alle Welt sprach damals von der Kaiser- krönung'') Leopolds IL (1 790) und Franz IL (1 792) und von den Kleinodien, die dem Kaiser überreicht wurden. In kindlichem Spiel verfertigte er sich goldigschimmemde Achselbänder und Hess diese Reichskleinodien oder Lehnskleinode von Vadutz die Schulter- bänder der Rebecka sein. ' ) Im Tagebuch ist die Geschichte der Lehnskleinode vertieft und symbolisch gedeutet, ihre Beziehungen

1) Steig I, S. 241. Oft kehrt der Name wieder: Steig I, S. 235, 251, 298. 361 Anm. Gewirkt hat auch die Erinnerung an die vielen Bäcker- und Fleischer- läden: Gr. S. 10, Kl. S. 330; Gr. S. 79, Kl. S. 370 u. a. ni. 2j Zueignung S. V. ^) Zueignung S. V— VII.

■*) ,,Tch erinnere mich sehr an unsere Kindheit, wo wir uns in die Gallerie versteckten, um dort das kleine Seeschiff zu betrachten und die unzähligen kleinen Wachspüppchen von allen Ordensgeistlichen, vom Papste an bis zu den Bettel- mönchen und Nönnchen . . auch fand ich dort in einem Schrank den schönen Kastorhut der Mutter, mit einem blitzenden Band von Stahl und Goldperlen, auf den der Papa als die Johanniswürmchen setzte, wenn er mit uns am Abend im hohen Sommer spazieren fuhr." (a. a. O. S. 294.)

•'') Ueber die Kaiserkrönung vergl. Goethe, Dichtung und Wahrheit, XXII, 21 ffg. *^) Zueign. S. VIII fg., S. 280.

52 I^ie Anspielungen,

ZU Jugfendträumen Brentanos sind unverkennbar. Bald vernichtete die Tatsache der Wirklichkeit die Träume der Phantasie; Vadutz schwand dahin, es hatte schon einen Besitzer. Da tröstete die kluge Frau Rat den betrübten Knaben. Aber es sollten noch andere Enttäuschungen kommen, die ihn tiefer erfassten. Seine Träume,, die ihm eine Vereinigung mit der schönen Marianne Jung, der späteren Gattin Willemers und Freundin Goethes, vorspiegelten,, fanden ein jähes Ende. Wiederum soll Frau Rat die Trösterin ge- spielt haben. ^) Als sie seinen Kummer sah, sprach sie ihm Mut ein und erzählte ihm die Anekdote vom alten General, der einen kummervollen Menschen sieht. 2) Später wiederholte Brentano diese Geschichte, er sagte zu Frau Willemer: „Busse, auch öffent- liche Busse für meine Sünden in öffentlicher Gesellschaft täte mir allerdings Not, und es ist mir nur leid, dass ich, wenn ich über meine Grobheiten zerknirscht gleichsam bettelnd um Almosen da- stehe, keinen Freund habe, der es mir machen würde wie jener alte General"^) (folgt das fast wörtliche Zitat). Da Frau Willemer sich so herzlich über diese Anekdote ergötzte, brachte Brentano sie in das Gockelmärchen. ^)

Mir scheint es als sehr zweifelhaft, ob die Worte, die Bren- trano der Frau Rat in den ^Mund legt, tatsächlich von ihr kommen,^ ob sie nicht Eigentum des Dichters sind. Keinesfalls können wir sie in der Weise verwerten, wie der Biograph es tut. '')

Wie der „Herzbruder", Achim von Arnim, so liebt es auch Brentano zur Ausgestaltung seiner Charaktere Eigenschaften von Personen seines Kreises zu verwerten. '') „Brentano versicherte uns," so erzählt E. von Niendorf, „dass er ins ,Tagebuch der Ahn- frau', womit er das Gockelmärchen schliesst, aus dem Leben von Bekannten manche Züge einwebte, die eben durch ihre Wahrheit rührend sind."^) Einmal gesteht Brentano ganz naiv einer Be- kannten, wie gern er noch eine Gestalt, nämlich die Kerners, in das Märchen gebracht hätte : Clemens nannte Kerner den „Herein-

^) Ueber den Theaterbesuch, wo er M. Jung zuerst gesehen haben soll,, vergl. Bleich, a. a. O. S. 83, Cardauns S. 45. Diel-Kreiten I, S. 100. AVichtig ist Janssen, Böhmer I, 144.

2) Zueignung S. XII fg. -^j Janssen, Böhmer I, S. 107. ^) Diel- Kreiten II, S. 302 Anm. ^) Diel-Kreiten I, S. 99 fg. ^) vergl. »Godwi<v Bärenhäuter«, »Die Rheinmärchen«. Bleich, a. a. O. S. 50, 58.

^) Emma von Niendorf, Aus der Gegenwart, Berlin 1844, S. i6.

»

Persönliche. 63

rager"; „unter diesem Namen," sagt er, „habe er ihn in ,Gockel, Kinkel und Gackeleia' einführen wollen." i)

Ein bescheidenes Denkmal hat er im Tagebuch seinem Bruder Anton gesetzt. Wenn er die seltsame Erscheinung des kranken Webers zeichnet, denkt er an seinen einfältig frommen Bruder, der durch sein Gebet, durch seine Mahnungen und Warnungen seinen Geschwistern ein Segen gewesen war. ^) „Wir hatten uns lieb" schreibt er 1828 „er war den Menscher» blödsinnig, mir war er ein Geist- und Herzensrichter, mehr als alle." '^) „O selig, wem Gott die Hände bindet, die gefaltenen Hände zum Gebet und die Augen verhüllt mit Demut und Einfalt." ■*)

Aehnlich wie die prächtige Gestalt der Biondetta in ,den Romanzen vom Rosenkranz' als ein ziemlich treues Spiegelbild Mariannens erscheint oder wie sie die Liebste ist in dem wunder- schönen Gedichte: „Es steht im Abendglanze . ."•'') so tritt sie im Märchen als das Grossmütterchen auf.*^) (Zueign.) Nicht alle Züge, die ihr Brentano beilegt, kommen ihr in Wirklichkeit zu. Die Garderobe der Puppe, die Reichskleinodien sollen aus ihrem Glas- schränkchen stammen, die Blumen und Kräuter aus ihren Samm- lungen {Zueignung IV fg.) ; beim Leichenzuge der Ahnfrau soll sie zugegen gewesen sein. (Gr. S. 193 fg.) ^) Einzelne Anspielungen mögen wohl auf sie passen, aber manche können sowohl auf L. Hensel, *^) als auf Johanna Dietz") oder A. K. Emmerich^*') zurück- gehen ; Scherz und Ernst, Wahrheit und Phantasiearbeit haben ein Bild Mariannens gestaltet, das zwar manche Züge von ihr aufweist, jedoch der Anschaulichkeit und Klarheit entbehrt.

Deutlicher tritt schon die Gestalt von Sophie Mereau, i') der Gattin des Dichters, aus dem Gesamtwerke hervor. Im ,Godwi'

^) Emma von Niendorf, a. a. O. S. 27. ^J Diel-Kreiteu I, S. 482 fg. ^) Ges. W. IX, S. 211, vergl. IX, S. 277 ftg IX, S. 398, Frühlingskranz S. 121. 4j G. w. IX, S, 401. 5) Steig I, S. 74. ti) Frühlingskranz S. 364, S. 368, 1803 nennt Br. sie in einem Briefe an Arnim Steig I, S. 73, Ges. AV. IX, S. 413. II, S. 333 ftg. vergl. auch v. Hertling, aus meiner Autographen- sammlung in »Hochland«, Monatsschrift, herausg. von K. Muth (1903) I, S. 29g.

") Auf die Anspielungen passt sehr wohl Br.'s Wort : Zueign. S. IV fg.

S) z. B. ihre Geschicklichkeit Bilder auszuschneiden, F. Binder, L. Hensel, Freiburg 1885, S. 43 fg., S. 138, S. 250, Ges. W. VIII, S. 267.

'•*) Ihre Wohltätigkeit, Cardauns, Märchen S. 45, Zur Schilderung des Lei- chenzuges im Nachruf an Johanna Dietz, G. W. II, S. 537 ffg. vergl. Görres, Freundesbriefe III, S. 223. ^^) A. K. Emmerich pflegte für die Armen Klei- dungsstücke zu flicken, G. W. VIII, S. 380 ffg., S. 439. ll) 1798 wahr- scheinlich hat er sie kennen gelernt, nicht 1799 wie Kreiten annimmt, a. a. O..

54 Die Anspielungeu.

hat er die Geliebte gezeichnet und verherriicht als ,.die schöne Quelle seines Enthusiasmus," in zahlreichen Gedichten i) hat er sie gefeiert, in der Chronika und im Tagebuche erinnert er sich ihrer, als seiner treuen Gattin. Vielleicht erscheint nirgendwo ihr Bild ab- geklärter und ergreifender als hier, wo der Dichter von dem „Herz- gespann Sophie" spricht. Gerade dieser Abschnitt des Tagebuches ist unzweifelhaft eines jener Fragmente, ^•on denen Brentano schreibt, die er in Zusammenhang mit den Blättern des Tagebuchs bringen will. Dieser Teil wird in den Tagen des Glückes mit Sophie ent- standen sein. ^) Eine tiefe Innigkeit des Tones, stilles und doch so grosses Glücksgefühl weht aus diesen schmucklos, kindlich klingenden Zeilen entgegen. In den Versen, mit denen das Stim- mungsbild schliesst, sagt er:

Steht sonnig es in offner Au, Steht schattig es verhüllet, Heisst immer es doch Sonnentau, Weil milder Tau es füllet.

Wer Sonnentau im Herzen trägt. Hat Schutz vor Zaubereien, Und muss, eh er sich schlafen legt. Wie du dem Feind verzeihen . . ." •'')

Der Erinnerung an die geliebte Frau Sophie entspringt das wunderbare Bild der geheimnisvollen St. Silveriusnacht (S. 2 5 9 ffg.). Mitten in dunkler stiller Nacht hört er ein Kindlein wimmern. Ein

I, S. 131; 1803 führt er sie als Gattin heim, Steig I, S. 76 92; 1806 starb sie, tietbetrauert von Br. Unendlich viel hat sie für ihn bedeutet, vergl. Görres, Freundesbriefe I, S. 480, „Sophie und Görres, die herrlichsten Güter seines Lebens" : Brief an Rahel : Varnhagen, litt. Porträts S. 1 1 o.

1) Steig I, S. 79 91. ^) 1802 beginnt Br. »der alte Ritter und die Seinigen<- aus dem er das Lied : „Es sang vor langen Jahren . ." mitteilt (Steig I, S. 43); 1803 I. Entwurf der Chronika, deren Lied [im 2. Entwurf 18 17]: „O Mutter halt dein Kindlein warm" sich zum Teil auf Sophie bezieht (Steig I, S. 353); 1804 enthält die Chronika erst wenige Bogen (a. a. O. S. 117).

'') Tagebuch S. 252 fg. Anregend auf diese Verse war wohl Bürgers Ge- dicht »Blümchen "\Vunderhold<; Sämtl. Sehr. I, S. 213:

Wer Wunderhold im Busen trägt, In seinem Zauber schwimmt

Wird wie ein Engel schön -

"Wie um das Lager, wo man ruht,

O wie dann Wunderhold das Herz Der Schlaf so segnend schwebt !

So mild imd lieblich stimmt. Denn Wunderhold hält alles fern,

Wie allgefällig Ernst und Scherz Was giftig beisst und sticht.

Persönliche. 65

schimmernder Jüngling giesst flutendes Licht aus dem Kelch der Lilie auf ein zartes unaufgegangenes Röslein. Hier haben wir wohl an die Taufe der Kinder Sophiens zu denken, die so tief poetischen stimmungsreichen Ausdruck findet. ^)

Auch Luise Hensel, die auf Brentano den tiefsten und nach- haltigsten Einfluss ausgeübt hat, findet sich im Märchen wieder und zwar gegen Ende der zweiten Fassung. Die Kunstfigur ist in „eine wohl aprobierte Gouvernante" verwandelt (S. 225), die unter dem Jubel der Kinder Kuchen verteilt. Es ist klar, dass Brentano auf ihre langjährige Tätigkeit als Erzieherin*) anspielt. Noch einmal tritt sie im Schlussgedicht auf: sie hat die Kinder heimgeführt, gewaschen, ausgekleidet, zu Bett gelegt und dann mit ihnen gebetet: „Müde bin ich, geh zur Ruh." ^) Vielleicht denkt er an die Koblenzer Tage und die charitative Tätigkeit L. Hensels.

Eine weitere Gruppe von Anspielungen bezieht sich auf Emilie Linder, ■*) jene fromme Künstlerin und edle Frauengestalt, die Brentano wohl 1835 kennen gelernt hatte. Er Verkehrte häufig in ihrem gastlichen Hause und gewann einen nicht geringen Ein- fluss auf ihre Geistesrichtung. Viele der schönsten Züge der goldnen Amey rühren von Emilie Linder her oder sind wenigstens unter dem Einfluss ihrer Persönlichkeit weitergebildet worden : so ihre Mildtätigkeit, ihre hilfreiche Nächstenliebe. Eine Reihe von Einzelzügen verdanken der Bekanntschaft mit ihr die Einführung in die Fragmente. Die mehrmals erwähnte Stiftung des Klosters Lilienthal geht auf ihre Bemühungen um die Erhaltung eines armen deutschen Frauenklösterchens in Assisi zurück.-^) Die Worte Klaretas (G. S. 27 2) sollen Aehnlichkeit mit Mahnungen Emiliens haben, die sich in ungedruckten Briefen an Brentano finden !®) Eng verknüpft mit Em. Linders innerem Leben ist das Gedicht: ,.Das Seelchen ^) auf der Heide." Die Freundin beschäftigte

^) Diel-Kreiten, a. a. O. II, S. 482, 485.

^) 1819 in der Familie des Fürsten Salm (Binder, a. a. O. S. 107 ffg.), 1 8 2 [ bei den Stolbergs (a. a. O. S. 154 ffg.), 1827: Leitung eines Instituts in Boppard; 1827 1832 in Aachen (a. a. O. S. 211, 217 flg.). Auch in >Fanfer- lieschen«, in zahlreichen ihr gewidmeten Gedichten finden wir Anspielungen auf „Lieb-Linum". •") G. W. VIII, S. 257; ein Brief (1817) enthält das schöne Abendgebetlein. ^) vergl. AV. H. Riehl, Kulturgeschichtliche Charakterköpfe, Stuttg. i8gi. Fr. Binder, Erinnerungen an E. Binder, München 1897.

5) Binder, a. a. O. S. 8 ffg.; Ges. W. IX, S. 371. '') Diel, Br. Prosa II, S. 611. '^j Zum Ausdruck , Seelchen' vergl. Bürger, sämtl. W. Wien 181 2 II, S. 23; Gedicht .Untreue über alles'. Fr. Schlegel, AVerke, Wien 1846, IX, S. 157:

66 Die Anspielungen.

sich viel und eingehend mit religiösen Untersuchungen, ihr Inter- esse für mystische Schriften (Jak. Böhme) wurde durch Baaders Bekanntschaft noch gesteigert. ') das geheimnisvolle Gedicht (Gr. S. 275 fg.) ist nur aus Linders religiösen Kämpfen, von denen Brentano wusste, zu erklären. Einen ähnlichen Gemütszustand gibt ein anderes Gedicht wieder: der falsche Schein ist von der Seele gesunken, arm und verschämt verlangt das arme Kind nach dem Rock ohne Naht. Und dann heissts:

„Rot meine Lust, o Rot, tief Rot Reisset mich hin, und tut mir Not, Rot lacht mich an mit Liebesglut Weil mich geheilet Jesu Blut." ^) Die geheimnisvolle Deutung der roten Farbe s) die Em, Linder wie auch die goldne Amey so liebt scheint von hier aus wohl in das obengenannte Gedicht übergegangen zu sein. Brentano möchte dem Seelchen helfen, aber: „Da war mein Tuch zu klein, das Seelchen zu bedecken." Während drüben die Gesellen das rote Zeug in die Nacht schleudern, müht er sich ver- gebens, das Tuch zu vollenden. "*) Und die Nacht bricht herein, Not und bitteres Darben.^) In enger Beziehung zum Leben Em. Linders steht auch die Linde: vielleicht hat Brentano mit Rück- sicht auf ein Ereignis, das sich vor seiner Ankunft in München vollzogen hatte, dieses Motiv eingefügt. Binder erzählt,*') dass ein Freund von Ringseis, K. Hofmann, Neigung zur Linder gefasst habe, die von Emilie erwidert wurde. In Erwartung einer Ver- einigung der beiden und mit einer Anspielung auf ihre Namen pflanzten die Freunde die Hofmanns-Linde. Hofmann starb plötz- lich, tief erschüttert zog sich Emilie nach Basel zurück. Zu ver- wundern wäre es nicht, wenn Brentano auf diese Vorgänge hin- zielte: unter der dunkellaubigen Linde befreit Gockel die goldene

I. Frülilingsgedicht (rSoo oi) J. Görres, ,die Sonettenschlacht bei Eichstädt' in- ,Trüsteinsamkeit' S. 255, Arnim an demselben Ort S. 390. Brentano, G. W. V, S. 217, I, S. 273. 1) Binder, a. a. O. S. 20, S. 36 fg. 2) G. W. I, S. 60.

•') 1818 bezeichnet Br. die sinnliche Liebe als eine rote Flamme: G. W. VIII, S. 3 ; in einem Gedicht heissts (I, S. 475) „Nach der Liebe Liebesnot Ohne. Duft und ohne Rot"

•*) 1822 schreibt Br. an einen Maler: (IX, S. 22) ,,Was Ihre Sehnsucht jetzt heilen kann, ist dem Herrn gestohlen. Es sind immer Lappen, die der Schneider in die Hölle fallen lilsst, wären sie auch beschnitten unsere Blosse zu decken. Der Herr aber will einen ungenähten Rock ohne Naht.

5) Gr. S. 273/4. ") a- a O. S- 12 fg.

Persönliche. 67

Amey und gibt ihr den Ring, ^) aber auch die Angst Ameys ist hier am grössten. ^) Dass ein Verweben des Lindenmotivs mit dem Fragmente des Tagebuchs Brentanos eigenem Gefühle ent- gegenkam, sehen wir aus dem freigebigen Gebrauch dieses Zuges. •'') Aber auch heitere Züge sind Em. Linder entlehnt. Sie ist die breite Schottländerin, welche am Schlüsse einen so derben vSchat- ten über alle die Artigkeiten auswirft." (Zueign. S. VIII.) Launig spielt Brentano auf die gelehrten Untersuchungen und Speku- lationen der Freundin an : „Diese hohe Dame ist mir von der Aka- demie der old druidical Superstitutions"*) dringend empfohlen, sie hat sich eine schwarze Melancholie durch zu urälterliche und alt- vorderliche Studien zugezogen." So geht es noch lustig einige Seiten weiter.")

Koblenzer Erinnerungen aus den zwanziger Jahren knüpfen sich an die drei Klosterjungfrauen. *^) Es sind die drei Jungfrauen, die 1825 nach Koblenz kamen, um sich der Krankenpflege zu widmen'^): Apollonia Diepenbrock, Pauline Felgenhauer und L. Hensel. Die drei schneeweiss gekleideten Klosterjungfrauen erinnern sicher an diese. Daneben scheint noch die Bekanntschaft mit drei Schwestern, adeligen Fräulein und Waisen (1833 in Regensburg) eine Rolle zu spielen: „sie sind fromm und unschul- dig heiter . . . und bei allen Andachten und Prozessionen demütig zugegen. Diese guten Kinder sind im höchsten Grade voh Natur und Uebung musikalisch. Sie spielen und singen vortrefflich. Ihre Melodien sind von einer heiligen Schönheit, man kann sie ohne Thränen nicht anhören. Die Schwestern sind dabei anspruchs- los ohne die geringste Einbildung."^) Im Tagebuch spricht er von frommen armen Fräulein (S. 268), die aus Hennegau gewall- fahrtet sind (S. 269). Grosse Lieblichkeit und Demut besitzt die jüngste, sie kann wie auch die anderen schöne Weisen singen und dichten (S. 292). Zwar hat Brentano den drei Gestalten

1) s. 328. 2) s. 275. =^) z. B. g. w. I., S. 162 fg.

■*) vielleicht bezieht sich dies, wie auch der Name Schottländerin auf eine Stelle bei: K. Eckertshausen, Aufschlüsse zur Älagie, München 1791, 2 Bde., mo (II, S. 213 ffg.) von englischen geheimen Gesellschaften und einem weisen Schott- länder gesprochen wird.

^) Gr. S. 215 ffg., S. 236, S. 237; einige der stereotypen Wendungen der Märchenrede sollen, wie Diel-Kreiten mitteilt, (II, S. 482), auch von E. Linder Stammen, wohl 227/6, 229 23,30. 6) Gr. S. 191, S. 268. ') G. W. IX, s. 96, 130, Görres, Freundesbriefe III, S. 223 ffg. 8) Diel-Kreiten II, S. 449, Brief vom 2. Febr. 1833.

5*

5y Die Anspielungen.

noch manche andere Züge \erliehen, doch ihr \'orbild ist wohl erkennbar. '

Die zahlreichen Anspiehingen auf Klosterfrauen sind eben- falls auf Koblenzer Erinnerungen zurückzuführen. In der Rhein- stadt lernte Brentano die barmherzigen Schwestern aus Nancy kennen und verehren ; *) noch tiefere Kenntnis der religiösen Genossenschaften erwarb er sich durch eine Reise nach Paris (18 2 7). 2)

Der oft wiederkehrende Ausdruck „Urkundius Regestus" bezieht sich auf Fr. Böhmer, der die meisten Manuskripte des Dichters verwahrte, "') vor allen die der Märchen.

Im Tagebuch finden sich mehrere Anspielungen auf J. Kern er, den er anfänglich im Märchen unterbringen wollte. Wenn Bren- tano in der Einleitung vom Stadtphysikus spricht, dem der Handel über seinen Horizont geht und erklärt, das gehöre ins „Nachtgebiet der Natur",-*) und beweise ,,das Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere",-'') so deutet er damit ohne Zweifel auf Kerner: man erinnere sich nur des Namens „Hereinrager", den Brentano dem „Geisterseher" gegeben. So erklärt sich auch die sonst unver- ständliche Ideen Verbindung mit der Stadt Weinsberg.

Es ist schwer festzustellen, wer mit dem „unparteiischen Eng- länder" gemeint ist (Gr. S. 71). Sollte die Bezeichnung eine An- spielung auf Arnim, Savigny ") oder den Bruder Georg "•) sein, die sich längere Zeit in England aufgehalten haben, oder was mir als am wahrscheinlichsten erscheint, auf den Engländer Robinson, der in der Familie Brentanos \'erkehrte, jenen „Welthannswurst", wie er im ,Frühlingskranz' genannt wird ?" ^)

Erstaunlich wäre es nicht, wenn Brentano die Namen Salm, Salmo eingeführt hätte in Erinnerung an das gräfliche Ehepaar

1) Diel-Kreiten II, S. 397 »"-. (i. AV. IX, S. 183 fg.

^) ])iel-Kreiten II, S. 400 fg.; für die barmherzigen Schwestern verfasste er sogar ein Traklätiein, da.s zu einer gWisseren Arbeit anschwoll.

•*) 1823 hatte Br. ihn kennen gelernt, vergl. Diel-Kreiten I, S. 324, II, S' 385 %• ^'- ^^'- ^^^ (Widmung) Cr. W. IX, 142, 222, Janssen, Böhmer I, S. 143 jFanferlieschen' G. Görres II, S. 234. Lustig schreibt Brentano einmal; „Gott erhalt dich lieber Vetter In den neuen Lebenslauf, Passt dir's nicht in deine Blätter, Gieb's dem Böhmer, der hebt's auf." G. W. I, S. 538.

*) Anspielung auf Görres oder Schubert. ^) vergl. auch S. 235, S. 236.

'') Diel-Kreiten I, S. 151. 'j G. W. VII, S. 192. '^) a. a. O. S. 379 fg.

Persönliche. ÖQ

Salm, in dessen Haus er v/ährend seiner Anwesenheit in Dülmen (1818) verkehrte.!)

Mit dem München er Aufenthalte steht das Septemberle in Zusammenhang (S. 103). Die kuriose Bezeichnung „Leib-Leb- küchler" ^) findet eine Erklärung durch Brentano selbst : „Der Lebküchler, welcher auf allerhand Religionskriege deuten soll, ist nichts, als ein hier durchreisender Bildhauer, der alle Leute par force in Suppentellern mit Wachs en relief porträtieren wollte." "') Ob der Dichter nicht auch hier Verstecken spielt? Schon Görres gebraucht den Ausdruck „Lebküchler": „ein Duckmäuser, Lebküchler von Profession" , um literarische Gegner in seiner »Dichter Krönung' zu verspotten. ■*)

Sich selbst hat der Dichter unter der Gestalt des Bübleins') eingeführt, nach welchem Amey immer fragt: „Verena, was macht das Büblein ?" worauf sie jedesmal ernst und bedenklich er- widert: „es macht sein Sach."''') Mit unermüdlichem Fleisse sam- melt es die Weizenkörnchen ein, um für den entwendeten heiligen Weizen Ersatz zu leisten. '') Jene gestohlenen Körner sind „die ver- geudeten Jahre seines Lebens, die er bis zu seinem Tode durch Wirken und Arbeiten für Gott einzubringen suchte."*^) Schon am Schlüsse des Märchens tritt mit einem grossen Buche das Büblein auf, sorgsam geleitet von zwei Jungfrauen ; Amey und Verena. Die Zeilen, in die das Märchen ausklingt, und die von stiller Weh- mut durchzogenen Blätter des Tagebuches hat Brentano am Abend seines Lebens verfasst. Der greise Dichter betrachtet seine vergange- nen Lebenstage ; traurigen Blickes glaubt er auf die Tage der Jugend, der schaffenden Mannesjahre schauen zu müssen,'^) mit friedensvoller Ergebenheit auf seinen Lebensabend, den er Gott und dem Näch- sten geweiht; „ich habe bis jetzt auf der Welt nichts genützt, ich will nützlich werden,*'!'^) schrieb er im Jahre 1816. Tiefer Friede umgibt den Dichter. Die Gestalten, die sein Leben behütet, .die

1) G. W. VIII, S. 2;6, S. 334. 2) Gr. S. 215, 216 fg, 217 % 3) G. W. IX, S. 373. •*) vergl. Pfaff, Trösteinsamkeit, S. 398, Einleitung S. LXIX. ^) Die Hinneigung zur Kindheit und Kindlichkeit lindet sich auch bei den übrigen Romantikern, vergl. Schultz, a. a. O. S. 39 fg., S. 41, Görres, Christi Kinderbuch, Volksbücher Nr. 47.

^') Gr. S. 245. Auf die Frage spielt Br. kurz nach Erscheinen des Mär- chens an in einem Brief an L. Hensel (21. Jan. 1838) IX, S. 371. ") Tage- buch S. 263, S. 265, 266, *) Diel, Prosa II, S. 610. •') vergl. auch G. W. II, S. 380 ffg. ; IX, S. 65, 68, 73, 260 fg , 174 ffg , 141, Janssen, Böhmer I, S. 104 fg., 143. W) VIII, S. 201.

7 0 Die Anspielungen.

zwei Jungfrauen," die alte, gute Kindermagd der frohen Jugend und die goldne Amey, die ihm das Idealbild all der Qdlen weib- lichen Wesen darstellt, die seinen Weg gekreuzt und ihn geleitet haben: die Mutter, Sophie, 1) Maria, ») die Gattin seines Bruders Georg, Luise Hensel,^) Emilie Linder, A. K. Emmerich sie stehen neben ihm, hüten und stützen ihn: „Büblein ruh' in Frieden.* LTnd wenn die trübe dunkle Nacht vorüber ist, dann zieht das Siegeslicht des neuen Tages auf, bestrahlt und durchdringt alles, dass selbst das Märchen zur Wahrheit wird. Jubelnd klingt es in die Nacht hinaus:

„O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewigkeit."*)

2. Zeitgeschichtliche und litterarische Anspielungen.

Geschichtliche Vorgänge liegen wohl der in der 2. Fassung weit ausgesponnenen Episode der Franzosenplünderung zu Grunde. Mehrfach vernehmen wir in Brentanos Briefwechsel von Plün- derungen durch die Franzose i. 1 805 schreibt er, dass die Fran- zosen die eroberten Schlösser um ein Lausegeld verkaufen."') Vor allem werden wohl Erinnerungen an die Einnahme Frankfurts (1806) massgebend gewesen sein oder Berichte über dieselbe, denn der Dichter war damals fern von Frankfurt.")

Mehrere Male hören wir in der Schilderung des Mäuse- reiches von Mäusen , die ihr Vaterland verlassen haben, die, der Gefangenschaft entflohen, in der Mäusestadt weilen, um Bünd-

1) G. W. VIII, S. 215. 2) G. W. VIII, S. 189. ■') G. W. VIII, S. 199 ffg., 218 ffg., 233.

■*) Einen Versuch der Deutung dieser geheimnisvollen Verse macht Diel- Kreiten II, S. 487 fg. G. v. Hertling (Hochland 1903, S. 290) teilt eine wichtige Briefstelle mit, die eine bessere Erklärung der dunklen Verse zu bringen scheint. Sophie de la Roche schreibt ihrer Enkelin Meline 1806 unter anderem folgendes: ,,. . . ich muss jemand für das schöne Bild danken, so in Tusch erhielt, wo vier Kinder den Ring der Ewigkeit mit Stern Blumen umwinden. Es ist ganz vor- trefflich ausgeführt der grosse Ring über den Wolken erhoben und über ihm strahlt göttliches Licht die Stellung der Kinder ist voll Geist und Grazie es freut mich sehr." Man vergleiche den Kupferstich im Märchen S. 330.

^j Steig I. S. 132, vergl. auch a.a.O. I, S. 273 fg., Janssen, Böhmer III, S 388, Jügel, das Puppenhaus, S. loi, Janssen, Böhmer I, S. 20. *') Janssen, a. a. O. I, S. 14 fg.

Zeitgeschichtliche und litterarische. 7 1

nisse abzuschliessen, sich Erfahrungen mitzuteilen. Wir gehen wohl nicht fehl, wenn wir diesen Zug auf die Erinnerung an die Emigranten und Emigrantinnen beziehen, denen Brentano oft be- gegnet ist. In der Biographie Christian Brentanos heissts: „das Haus des Vaters war Sammelplatz der edlen und geistreichen "Welt, besonders sprachen die Emigranten aus den höchsten Stän- den viel ein, und selbst der Graf von Artois, nachmals Karl IL, der mit dem Hause in Geschäftsverbindung stand, war ein nicht seltener Gast. ^)" Im Frühlingskranz ist oft von Emigranten die Rede:^) Clemens spricht von Bettinas Emigranten - Verhängnis, die vielgenannte Madame de Gachet ist eine Emigrantin, wahr- scheinlich ist sie die im Märchen erwähnte Marquise Marmotte. Die Emigranten spielten damals - 1812 kommt Brentano noch einmal mit ihnen in Berührung eine bedeutende Rolle in Frankfurt.

Die zeitgeschichtliche Anspielung wächst zur Satire aus und zwar in besonderer Weise, im Urgockel wenigstens, gegen die Juden. Das Märchen ,Siebentot', ,der Philister, vor, in und nach der Geschichte' enthalten heftige Angriffe auf die Juden. ^) Im Urgockel richtet sich Brentanos Satire gegen das Gebahren der Juden bei Hof,^) gegen ihre Bemühungen ein edles Geschlecht in Armut zu stürzen. -')

Mit den jüdischen Petschierstechern werden in einem Atem die Naturphilosophen genannt. Im »Gustav Wasa' beginnt sein Spott auf die zeitgenössische Naturphilosophie, gegen die sich da- mals die heftige Reaktion der Romantiker erhoben hatte. ^) Zu- gleich wird der Magnetismus spöttisch erwähnt,'^) der in den Jahren 1810 14 viele Anhänger zählte^) und bald in einen mi- sinnigen Wahn und Aberglauben ausartete.

^) Chr. Brentano, Nachgelassene relig. SchriftenJ S. V.

-) a. a. O. S. 70, 72, 73 etc., vergl. Bettina von Arnim, die Günderode, I, S. 367; a. a. O. S. 16, 79, 38, S. 75 %.. S. 79 fg., S. 85 ffg. Diel-Kreiten I, S. 140. ^) Br. und Achim verkehrten in einer »deutschen Tischgesellschaft«, zu der Franzosen, Juden und Philister keinen Zutritt hatten, vergl. Bleich, a. a. O. S. 65. 4) Gr. S. 122, Kl. S. 387. 5j Diel, Prosall, S. 608. DieFreunde beschäftigten sich oft mit Judengeschichten, vergl. Steig I, S. 246, 290, 301, 305.

ö) G. W. VIII, S. 149: auch Br. beschäftigt sich mit der Naturphilosophie.

7) Gr. S. 176, G. W. IV, S. 398 fg., Diel-Kreiten, a. a. O. II, S. 114%.

^) G. W. VIII, S. 340, 352, Janssen, a. a. O. II, 159, Schultz, a. a. O. S. 32, G. W. IX, S. 120, 169 etc. Chr. Brentano, a. a. O. S. XXI %., vergl. Görres in Diepenbrocks Ausg. von Susos Werken, S. LXXXVIII, Jugenderinne-

7 2 I^ie Anspielungen.

Nicht so sehr Satire als Anklage gegen eine falsche Rich- lung des Zeitgeistes liegt in einem Gedanken des Tagebuchs: der Verdrängung „der traurigen tiefsinnigen Andachtsweise" durch „freudiges frommes Wirken". Ich weiss nicht, aus welchen Gründen Diel-Kreiten diesen Zug mit Erfahrungen im Koblenzer Frauenverein in Zusammenhang bringt ; i) von solchen Erfahr- ungen ist in seinen Briefen jedenfalls nichts zu lesen, destomehr aber von dem krankhaften religiösen Gemütszustand der Erweck- ten, ^) einer mystischen phantastischen Sekte, die gegen 1816 in Bayern auftrat und ähnlichen Richtungen, die für Brentanos eige- nes Innenleben von hoher Bedeutung waren. ^) Hier sehen wir jene tatlose, krankhaft mystische Gefühlswelt;"*) im Gegensatz zu ihr schwebt Brentano das wahrhaft tätige religiöse Opferlebeii christlicher Charitas vor, wie das Tagebuch es schön zum Aus- druck bringt. Sollten in Koblenz ähnliche Erscheinungen auf- getreten sein, so können sie den Eindruck, den Brentano von den Erweckten empfing, nur verstärkt haben.

Während Tieck in seinen Märchendichtungen sich durchweg auf die litterarische Satire beschränkt, führt Brentano noch die politi- sche an.'') Wir können eine scharfe Satire gegen das Ordensun-

ruugen von J. X. von Ringseis, bist. -pol. Blätter (1875) S. 429, 514. 1) Diel-Kreiten, a. a. O. II, S. 482.

-) G. W. IX, iiü ffg., S. 125, S. 191 flg., 196 etc. Charakteristisch ist der Brief Chr. Br. (1826) IX, S. 85 ffg. '^} a. a. O. S. 4; ffg. vergl. Brief an Gerlach (18 16) VIII, S. 196.

■*) Es war damals auch schon die Gesundbeterei im Schwange, und ihr Hauplvertreter war Alexander von Hoheulohe (1794 1849), dessen Tätigkeit vor allem iu den zwanziger Jahren grosses Aufsehen erregte, vergl. Stamminger in Wetzer und Weites Kirchenlexikon, VI, S. 163 ffg.

^) AVenn Br. auch seiner Nichte Mathilde schreibt : ,,du hast ganz recht, wenn du schreibst, es sei nichts Persönliches noch Politisches in meinen Märchen ; wenn man Strümpfe gestrickt hat, können zwar einzelne aber nicht jedermanns Beine hinein", G. W. IX, 349 so wird ihm das nicht ganz ernst sein, Persön- liches enthält das Märchen ja soviel und Politisches liegt deutlich vor Augen. Fast in jeder Arbeit über Brentano findet man die Notiz, dass durch ein Versehen Chr. Br., des Dichters Bruder, wegen angeblicher Satire von Clemens auf Preussen sei ausgewiesen worden. Ich weiss nicht, wie diese Meinung entstanden ist. In Chn Brs. Biographie, die unter dessen Mitwirkung verfasst worden ist, findet sich nicht» davon ; ein anderer Grund ist angegeben : „als die Kölner Wirren ausbrachen, schien die lebhafte begeisterte Teilnahme des nüchternen Mannes der engherzigen preussi- schen Regierung Besorgnisse einzuflössen und man wusste ihm den Aufenthalt zu verleiden." Chr. Brentano, Nachgelass. rel. Schriften, S. XLII. Keine Zeile da- von, dass er wegen angeblicher Preussensatire des Bruders ausgewiesen worden ist..

Zeitgeschichtliche und litterarische. 73

wesen i) feststellen ; unmöglich ist es nicht, dass Brentano bei der Er- zählung vom König Eifrasius und der Königin an irgend ein gekrön- tes Haupt gedacht hat. *) Sein Spott erhebt sich gegen verrottete Reichszustände ^) (Gr. S. 3 1 ffg.), gegen das schlecht organisierte Postwesen, wohl auch gegen die Kleinstaaterei, ■*) gegen den Parti- kulär- und Lokalpatriotismus des deutschen Spiessbürgers, der schon im Märchen ,Dilldapp* verspottet worden war. •'') Gog, Demagog und das daraus abgeleitete Wort: Demagogokeleia (S. 105) sind wohl eine Spitze gegen die Demagogenriecherei der Regierung.") Unter Mack, Benack, die schon im Märchen ,Fanferlieschen* vorkommen, ist Voss und sein Sohn zu verstehen. Während dort die beiden als Aufklärer gezeichnet sind, wendet sich Brentano im ,Gockel' gegen sie als Freimaurer. Eine Stelle ich muss sie ganz hierher setzen scheint vorzüglich dafür zu sprechen. Die fünf Katzen sind der Eule '^) entwischt, nur Schuri- Muri hat ihre Strafe gelitten. Die Katzen sind aus dem Mäuse- reich geflohen und beratschlagen zum grössten Entsetzen Gacke- leias eine Verschwörung gegen die armen Mäuse. „Mack schien eine heftige Rede zu halten, aber nur leise, leise, alle machten grosse Buckel, spreizten die Haare und schlugen den Pelz anein- ander mit ihren Schweifen, dass Feuerfunken umherflogen; manch- mal konnten sie ihren Grimm nicht ganz unterdrücken und Hessen ein dumpfes Murren und Wimmern hören . . ., wobei sie ihre weit vorgestreckten Krallen auf dem Totenkopfe wie Dolche wetzten. Das Ganze hatte vom Monde im Fass beleuchtet etwas höchst Gräuliches, Tückisches; mir war als sähe ich in die Hölle und un- willkürlich kam mir in die Seele, das ist eine Verschwörung, eine Meuterei, rette deine Freunde, die frommen Mäuse" (S. 161 fg.), „Sieh dort die kleine Pulvertonne aufgerichtet und mit Steinen belegt: Mack, Benack, Gog, Magog und Demagog, die fünf Rädelsführer des jungen Katzenellenbogens, welche darin in einer

*) Ueber Orden vergl. G. W. IX, S. 49. 2j Satire gegen die hl. Allianz im »Baron Hüpfenstich« vergl. Bleich, a. a. O. S. 87. •') vielleicht steht Br. hier unter Görres' Einfluss.

■*) Die Namen Hühnerbein und Katzenellenbogen zielen wohl darauf hin. Die lustige Entstehungsgeschichte von Katzenellenbogen wird in »Müller Radlauf« erzählt. ^) Auch im Godwi : Illumination zu Ehren des Königs I, S. 202 ffg. '') Br. und Patriotismus, Steig I, S. 186, S. 148, S. 191, S. 197, Janssen, Böhmer I, S. 108.

') Das Motiv der Eule, welche Katzen t<")tet, auch im »Baron Hüpfenstich;; G. Görres II, S. 198.

74 I^i^ Anspielungen.

AUonge-Perrücke ihre Krallen auf einem Totenkopf zu eurem Unter gange gewetzt haben, wurden von mir darunter gefangen; ich habe ihre Loge gedeckt und die Pulververschwörung, das Spund- loch der Hölle verstopft" (S. 167), Hier spricht Brentano deutlich von der Loge; nehmen wir noch die ganze seltsame Staffage dazu, die lebhaft an freimaurerische Gebräuche ^) erinnert, die Erwähnung der frommen Mäuse, die Gebete, den gewaltigen Schrecken Gacke- leias, so sehen wir klar, dass Brentano das Freimaurertum der beiden treffen wollte.

Eine leise Ironie auf zeitgenössische Unarten enthält wohl das Liedchen der Schwalbe, die ihren Kindern aus der Bibel „exegisierend explicierend" liest, ^)

Der Romantiker^) spricht aus den Worten: „er machte ein Kreuz vor den Mund, welches ein schönes Zeugnis für die fromme Sitte des finstern Mittelalters war" (S, 5 3 fg.) oder aus der deut- lichen Ironie: „Mir ist so dumm, als ob ich sei ein in der Stiche- dunklichkeit der finstern Mittelalterlichkeit gelegtes ausgeblase- nes Ei'"*) (S. 53).

Die litterarische Satire'') nimmt im Gockelmärchen keinen so grossen Raum ein, wie in anderen Werken'*) Brentanos. Unser Märchen hält sich von einer ausgedehnten litterarischen Satire auf eine einzelne Person völlig frei, hier schaltet die ungebundene Dichterphantasie mit Namen und Zitaten, wie es ihr beliebt. Und wenn Brentano schon einmal ein Lied parodiert oder Verse von Goethe, ■") Schiller ^) und Haller, so geschieht es nicht so sehr, um den Inhalt zu treffen, sondern vor allem der Klangwirkung

^j Anklänge an Freimaurerlieder enthält wohl der Vers: ,,Vivat bei dem höchsten Schwüre" S. 156.

^) Man vergl. damit die Stelle in einem Briefe Br., wo er über eine „theo- logisch-poetisch-philosophisch-ästhetische Frisur" spottet. G. W. IX, S. 109. ^) G. Görres, dayt^ches Hausbuch, München (1847) II, S. 5. ^) Auch im ]Vlärchen von »Fanferlieschen« II, S. 215,233, 276.

^) Wieland, Musäus, Tieck pflegten die litter. Satire. Musäus geht in seinem s^Iärchen« wohl am wenigsten künstlerisch vor, er nennt seine Opfer deutlich mit Namen und raubt dem Leser die letzte Illusion, vergl. Musäus, Märchen z. B. II. Tl., S. 12, 28, 36, 46, 97, 119, 218, III. Tl. ri5, 191 etc.

**) litt. Satire in den , Rheinmärchen' gegen von der Hagen, Docen, Gebr. Grimm; im , Murmeltier' gegen Voss; im »Schulmeister Klopfstock' gegen Campe und Voss, auch in manchen Gedichten (G. W. II, S. 345, S. 444 ffg.) glaubt man Angriffe gegen Voss herauszufühlen.

"*) Cardauns, a. a. O, S. 40. ^) Märchen S. 178.

Zeitgeschichtliche und litterarische. 75

Tind des Rhythmus ') wegen. Eine eigentliche litterarische Satire vermag ich nur im Oberhof - Osterhas, ^) womit ein adeliger Ge- legenheitsdichter gemeint sein soll, zu erblicken. Litterarische Anspielungen sind viele zu nennen. Dohmke hat sie in seiner Ausgabe zusammengestellt. „Götter und Helden" geht wohl auf Goethe- Wieland zurück.

Merkwürdig ist jene Stelle der Zueignung, wo Brentano den jungen Wolfgang ein Märchen vom Weltei erzählen lässt. Viel- leicht hat Brentano an Goethes Bearbeitung ,der Vögel' des Ari- stophanes (1780, gedruckt 1797) gedacht. Dort spricht der Dich- ter einmal vom Weltei, im Anschluss an Aristophanes, der die Anschauung der griechischen Theogonie verspottet.^) Die Reime, die sich auf die Psyche beziehen, , Psyche rühr'! und nicht verge- bens!" (Gr. S, 177) scheinen wohl Verse von Matthison ein wenig zu parodieren:

„Psyche trinkt und nicht vergebens,

Plötzlich in der Fluten Grab

Sinkt das Nachtstück ihres Lebens

Wie ein Traum gesiebt hinab." ^) Ein wenig Spott liegt auch in der Verwendung eine» Zitates aus der Zauberflöte.")

.IV. Entstehung des Tagebuchs der Ahnfrau.

Während der letzten Beschäftigung mit dem »Gockel« wandte sich der Dichter den „flüchtigen Skizzen aus dem Umfange der Chronika zu, " führte sie weiter aus, um sie dann mit dem Märchen zu verbinden. Diese Verbindung erfolgte wohl in den Jahren 1836—1837.

1) vergl. Roethe, a. a. O. S. 42 Anm. '^) Gr. S. 3, IK), 125, 213, 215 fg., 21; fg., 233, 235 etc.

^) Goethe, Werke (Hempel) VIII, S. 389. Auf Goethe geht vielleicht die Verwendung des Glühwürmchenmotives zurück (vergl. oben S. i6j, Faust I, A'.

3903 %

"^j Matthison, Gedichte (Reclam) S. 34. Bei einem Besuche Matthisons zitierte der totkranke Bürger dem Dichter dieses Gedicht, Bürger, Werke VIII, 259.

^) Vergl. dazu A. W. Schlegels Parodie auf Schillers Würde der Frauenc, welche mit denselben Versen der Oper schliesst (Sämtl. W., 3. Ausg., Leipzig 1846, II, 172 fg. Satire auf Schikaneder auch in Schlegels , Ehrenpforte' II, :S. 266.

76 Entstehung des Tagebuchs der Ahnfrau.

Dürfen wir Brentanos Worten Glauben schenken, so lagen ihm Teile eines Entwurfs vor, der vielleicht gleichzeitig mit der „Chronika eines fahrenden Schülers" (wohl 1803 1804) ausgear- beitet worden war. 1817 nahm er den 1 . Entwurf der Chronika noch einmal auf (für Försters „Sängerfahrt") und fasste den Plan, eine Sammlung von Sagen, Gebräuchen, Legenden und Volkssitten in dieses Fragment einzuordnen.^) Diese Sammlung ist wohl iden- tisch mit jener, die uns im Tagebuch begegnet. Seine nunmehr vorliegende Gestalt empfing das Tagebuch I836 3 7.

Cardauns^) glaubt aus inneren künstlerischen Gründen an- nehmen zu müssen, dass das Tagebuch in seiner jetzigen Gestalt der Entstehungszeit des Märchens angehört, er glaubt, dass sich im Tagebuch keine Blätter finden, die zum Umfange und Geiste der Chronika passen, die, mit anderen Worten, in den Jahren 1803 bis 1818 geschrieben worden sein können. Cardauns hält es für unmöglich, dass der Verfasser der Chronika in dem gleichen Rahmen ein solch sentimentales Produkt wie das Tagebuch habe liefern können. ")

Die entgegengesetzte Ansicht vertritt Steig.*) Er glaubt, dass die Hauptmasse des Tagebuches Jugendarbeit sei. Das ist nun ganz und gar unmöglich. Gewiss ist die Verschiedenheit des Tones nicht immer so gross wie Cardauns annimmt, gewiss finden wir Stellen, z. B. „St. Sophientag" ,^) die, wie Steig betont, sehr wohl früheren Zeiten entsprungen sein können, aber darum braucht das Werk „der Hauptmasse nach" noch keine Jugendarbeit zu sein. Der grösste Teil des Tagebuches entstammt dem späteren Leben des Dichters; denn das Werk besteht doch zumeist aus Stimmungen, die Brentano erst später durchlebt, aus Anspielungen auf Personen, die er nachweisbar erst in den zwanziger und dreissiger Jahren kennen gelernt haben kann; es deutet auf Ereig- nisse und Vorgänge hin, die sich in den Jahren 1 803 1 81 5 nicht ereignet haben können. All dieses stellt sicher „die Hauptmasse"

^) Bleich, a. a. O. S. 84. -) Cardauns, a. a. O. S. 46.

^) Das Umgekehrte geschieht zu derselben Zeit, indem Br. uns damals seine Legende von der hl. Marina schenkte. Cardauns, a. a. O. S. 38.

"*) Steig, im Euphorion (1896) S. 794. Besprechung von Cardauns, Märchen.

^) Sehr wohl ist es möglich, dass "Weises Lied ,Die Rosi' schon 1804 um- gearbeitet worden ist: 1804 teilt nämlich Arnim dieses Lied dem Freunde mit (Steig I, S. 129). Br. wird das Lied kurz nach dem Empfang umgedichtet luid damals schon in seine Skizzen aufgenommen haben.

Entstellung des Tagebuchs der Ahnfrau. -77

dar. Ja, wir vermögen fast die Anspielungen, die auf die Ereig- nisse und Bekanntschaften seiner letzten Lebensperiode zurück- gehen, herauszuschälen und einen gewissen Kern zu gewinnen, auch ohne eine von Steig geforderte eingehende Untersuchung der Limburger Chronik, ') die uns nicht einmal weit bringen würde. Wir besitzen ein anderes Kriterium, das uns tiefer in die Ent- stehungsgeschichte des Tagebuchs schauen lässt die Anspie- lungen. Sie lassen zum mindesten den Zeitpunkt erkennen, vor welchem die betreffende Stelle nicht entstanden sein kann.

Nehmen wir an, dass ein Teil des Tagebuches niederge- schrieben ist auf Grund der Erfahrungen, die Brentano im Frauen- verein zu Koblenz gemacht hat, dann muss die grösste Masse, wie Cardauns sagt, in den dreissiger Jahren entstanden sein. Räumen wir dagegen der Sekte der Wiedererweckten wie oben ausgeführt einen Einfluss ein, so ist wenigstens die Möglichkeit einer früheren Entstehung gegeben, und der Gedanke liegt sehr nahe, dass die aus den Jahren 1803 1805 stammenden Blätter, 1817 einer Bearbeitung nach dieser Richtung unterworfen wor- den sind.

Die goldne Amey wird dem Dichter auch in den ersten Ent- würfen vorgeschwebt haben, sie hat unverkennbare Aehnlichkeit mit den vier Frauengestalten des ersten Entwurfes der Chronika. Analog diesen Gestalten sehen wir im Tagebuch die Gespielinnen, in deren Mittelpunkt Amey steht ; sie alle weihen sich den Kindern. Auch im ersten Entwurf werden diese Gestalten schon zu -finden gewesen sein; gewiss aber ohne jede Verbindung mit dem G-ockel- märchen.

^) Xicht allzu gross ist die Abhängigkeit Br. von der Limburger Chronik. Hauptsächlich \var der Ton der Chronika von Einfluss. Einige äusserliche Ueber- einstimmungen finden sich auch : der Schreiber der Limb. Chronik (Monum. Germ, deutsche Chron. IV, i, Limb. Chron. des Johames. Nach J. Fr. Fausti Fasti Limpurgensis Wiesbaden 1860) heisst Johannes. Folgende Stelle stimmt fast wört- lich mit einer andern bei Brentano überein : ,,In disser Zeit war ein Maler zu Köln, der hiess Wilhelm. Der war der beste Maler in allen Teutschen Landen, als er ward geachtet von den Meistern. Er mahlte einen jglichen menschen von aller Gestalt als hätte er gelebt. S. 70, S. 10. Eigentümlich ist es, dass diese Stelle in der [. Bearbeitung der Chronika (vergl. Kreiten, Stimmen aus M. Laach (1880) XIX, S. 328/15) fehlt; auch spielt die Handlung dort nicht im Lahn- sondern im Maintal (S. 414). Fast scheint es, als ob Brentano bei der 2. Bear- beitung die Chronika noch einmal hervorgeholt habe, die er schon 1803 benutzt haben muss, wie die Erwähnung des Schreibers Johannes und der ganze Ton der Chronika dartiin.

7 8 Entstehung des Tagebuchs der Ahnfrau.

Die ganze Einleitung (S. 233 3 7) ist später entstanden, viel- leicht zu derselben Zeit wie die Zueignung des Märchens; für die spätere Datierung sprechen Anspielungen auf Luise Hensel ') (S. 233), auf Emilie Linder 2) (S. 237) und Böhmer^) (S. 237). Die S. 238 239 könnten sehr wohl der ersten Periode entstammen, wenigstens werden sie nicht allzusehr vom ersten Entwurf ab- weichen ; natürlich müssen wir sie, als auf „die Wiedererweckten" bezogen, ansehen; die Erzählung von der Gräfin von Holland und die Rattenfängersage rühren wohl aus der 1817 entstandenen Sammlung. Von einigen Einschiebungen abgesehen, dürften die Seiten 240 241/12 früher ans Licht gekommen sein. Dagegen machen die folgenden Seiten (241 248) bedenkUch: es begegnen uns Züge des Märchens, das fromme Hühnlein Gallina wird ein- geführt und das Büblein es ist der Dichter selbst. Anspie- lungen an L. Hensel tauchen auf S. 245/30 auf. Vielleicht hat sich die alte Verena schon im ersten Entwurf befunden, enthält doch die ursprüngliche Fassung der Chronika zahlreiche katho- lische Jugenderinnerungen.

Diese Partien lassen sich auf folgenden Kern reduzieren : S. 244/22 24, 244/26 245/3. Deutlich ist hier z. B. eine lange Einschachtelung erkennbar: Amey ist in der Küche und beginnt die Beschreibung des Gallinariums und die Erzählung vom Büb- lein — 246/29, wo der Faden wieder aufgenommen wird 247/1 ; 247/6 ^26 ist wieder ein Zusammenhang hergestellt. Dass Z, 27—30 später entstanden ist, sehen wir schon aus dem sonder- baren Widerspruch: „wir trennten uns", „sie geleitete mich". Z. 31- -248/3 sind auszuscheiden. 248/3 248/11 dürften wieder- um der älteren Fassung angehören. Sehr zweifelhaft ist es, ob der ursprüngliche Entwurf schon die Hühnernamen gekannt hat, sie verdanken auch wohl nur einer Laune des alten Dichters ihre Entstehung. Vielleicht standen auch hier ursprünglich die Namen der Gespielinnen, aber ohne die Hühnerbeinamen. Wir würden so die Reihenfolge erhalten: 248/12 14. Ameys Rede (S. 248/15- 27) ist entweder Einschiebung oder Umarbeitung; S. 248/27 251/15 können sehr wohl ältere Bestandteile darstellen. Die Kinderverse sind ähnlich wie bei dem Märchen wohl erst

^) L. Hensel tritt 1819 ihre Gouvernantentätigkeit an, vergl. oben S. 65 Anm. 2j Eni. Linder lernt er 1835 kennen, vergl. oben S. 65. ^) 1823 wurde er mit ihm bekannt, oben S. 68 Anm.

Entstehung des Tagebuchs der Ahnfrau. 79

später eingeschoben worden. Da S. 251/15 252/2 autobiogra- phischen Charakters sind und zwar geben sie Erfahrungen des späteren Lebens wieder so können sie dem älteren Entwurf nicht angehört haben. Der früheren Periode entstammen allem Anschein nach das tiefempfundene Stimmungsbild ,St. Sophien- tag' (S. 252/9—253/8), S. 253 fg. und die Verse. Einer ganz anderen Zeit gehört aber das Gedicht vom Seelchen an (255/22 bis 256/1 1), das mit seinen Anspielungen auf Emilie Linder völlig aus dem Zusammenhange fällt. Als ein Gegenstück zum ,Sophien- tag* gehört ,St. Marcellinustag' mit der wehmütigen Erinnerung an sein Kind derselben Zeit an, ebenso wie S. 256/30 259/7 mit dem ,Rosenlied' und den Reminiscenzen aus dem Schatz volks- tümlicher Gebräuche. S. 259/8 261/25 entstammen einem Traume Emilie Linders: also können diese Teile nur aus den dreissiger Jahren rühren.*)

Nun folgt ein langer Abschnitt, welcher ohne weiteres der letzten SchafFenszeit des Dichters zuzuschreiben ist (S. 261/26 bis 308/28): ästhetische Gründe, Anspielungen auf eigenes und fremdes Leben fordern das, Gestalten lernen wir kennen, die dem Dichter erst in den letzten Lebensjahren begegnet sind. Und noch eins: an manchen Stellen sehen wir, wie Anspielungen an das Märchen nicht zufällig hineingeschneit, sondern organisch mit dem Zusammenhang verwebt sind Ring Salomonis, Achsel- spange, Gockel u. a. m. Anderswo schauen wir deutlich den Gegensatz zwischen Altem und Neuem.

Was von den Seiten 261— 316 12 bereits vorlag, sind viel- leicht die Notizen, die sich auf die Volksgebräuche beziehen. 2) Um diese ranken sich wiederum Erzählungen, die nur aus den letzten Jahren Brentanos erklärbar sind (S. 309/21 34; S. 311 fg.; S. 314; S. 315), ebenso wie S. 31 6/1 3— 31 7/26, S. 317 bis 323/25. Das zeigen schon die Verknüpfung mit Vadutz und dem Märchen, die Anspielungen auf die Mutter, die ganz anders gestimmt sind als im ersten Entwurf der Chronika. Zu Anfang der Schlusskapitel (S. 323 26) sagt Brentano: „Sechs Wochen später" und eine Zeile weiter in unverständlicher Inkonsequenz, die sich nur auf ein allzuschnelles Niederschreiben zurückführen lässt: „ich war sechs Monate von diesen Blättern getrennt." Und

1) Diel-Kreiten II, S. 485.

2) S. 268/12 268/21; S. 271/16 24; 290,'3i 290/34; 291/14 bis 291/28; 295/32 fg. 296 (ohne die Reime).

gO Eutstehung des Tagebuchs der Ahnfraii.

weiter führt er aus -- ich muss die folgende charakteristische Stelle wörtlich anführen: „ich habe sie (diese Blätter) unter man- cherlei harten Prüfungen niedergeschrieben, sonst wären sie klarer, kindlicher und alles, was das Herz des armen Kindes von Henne- gau bewegt, würde denn auch die Herzen all der anderen Kinder bewegen, welche sie in Zukunft lesen". So konnte doch wohl nur der alte Dichter schreiben. Von hier bis zum Schlüsse des Tagebuches ist auch kaum eine Stelle, von einigen eingestreuten Gedichten abgesehen, früher entstanden. Jene Seiten enthalten Anspielungen und Verknüpfungen mit dem Märchen, die durch- aus nicht den Eindruck einer nachträglichen Interpolation machen. So können wir zunächst S. 323 334/11 ausscheiden. Das Ernte- lied, sowie die Reime der Gespielinnen nicht der Lilienfräulein sind als ältere Produkte zu betrachten. Dohmke datiert das Erntelied auf das Jahr 1 801, ') einen Grund gibt er nicht dafür an. Damals hat Brentano wohl die Vorlage aufgefunden und in sei- nem »Godwi« teilweise veröffentlicht; aus inneren Gründen nehme ich eine spätere Entstehungszeit der Umdichtung an, etwa nach 1810. Dieses wie auch die Lieder der Gespielinnen sind wäh- rend oder kurz nach der Beschäftigung mit dem ,Wunderhorn' ge- dichtet bezw. umgearbeitet worden; die Antworten der Lilienfräu- lein sind erst bei der Umarbeitung der Fragmente hinzugekommen. S. 342 346 haben ohne Zweifel nicht zu den „Fragmenten aus •dem Umfange der Chronika" gehört.

Unsere Untersuchung dürfte gezeigt haben, dass Steigs An- sicht, die Hauptmasse des Tagebuchs wäre c. 1 805 oder noch früher entstanden, unmöglich zutreffend sein kann, ebenso wenig aber auch Cardauns' Angabe beizupflichten ist, der die Entstehung auf jene spätere Periode datieren will. Der Kern des Tagebuchs ist schon 1803 17 entstanden, um diesen Kern haben sich zahllose Motive, die dort kaum angedeutet, gelagert, neue Per- sonen und Tendenzen wurden dann hineingebracht und zuletzt verband der Dichter all dieses noch obendrein mit dem Märchen. Wir sehen aber scljon, dass eine scharfe Scheidung der zwei oder drei ^Schichten kaum möglich ist.

1) Dohmke, AVerke von Cl. Br. S. 15.

Anhang.

\ I. Das Erntelied.

Das ins .Tagebuch der Ahnfrau' eingelegte Lied : „Es ist ein Schnitter, der heisst Tod", erscheint in anderer Fassung im ,Wun- derhorn' unter der Ueberschrift .Erntelied' (katholisches Kirchen- lied) [Strophen 1, 2, 3, (4), (5), (6)]. Schon im ,God\vi' finden sich fünf Strophen dieses Liedes citiert, es war Brentano also schon mehrere Jahre vor der Herausgabe des ,Wunderhorn' bekannt.

Von dem Schnitter- oder Erntelied finden sich zwei Einzel- drucke :

1 . „Ein schönes Mayenlied, Wie der Menschenschnitter der Todt die Blumen ohne vnderschid gehling abmehet. Jeder- mann Jung vnd Alt sehr nutzHch zu singen vnd zu be- trachten. Gedruckt im Jahre 1638.-' Am Schlüsse heissts: „Schnitterlied, gesungen zu Regenspurg da eine hochadelige iunge Blumen ohnvorsehen abgebrochen im Jenner 163 7. Gedichtet im Jahre 163 7. Diese nach- weisbar älteste Fassung (M) teilt Biriinger mit. ^) [16 Stro- phen.]

2. „Schnitter Lied: das ist Kurtze reymen, wie alle Blumen, desj^gleichen alle Menschen dem zeitlichen Tode under- worffen. Sampt einem schönen Lateinischen zu Lob Got- tes und Maria. Beyde in einer wohlbekandten Melodey zu singen. Freyburg im Uechtland, Verlegt durch Johann Häderlin zu Lucern 1639.''') [16 Strophen.]

Da das Lied in dieser Fassung (Seh) meines Wissens noch nicht zum Abdruck gelangt ist, füge ich es bei mit den Varianten, die ,das Mayenlied' (M) aufweist. Ausserdem begegnet es uns in zahlreichen kath, Gesangbüchern vom Ende des 1 7. bis zum Anfang des 19. Jahrhunderts; folgende kann ich nachweisen:

1) Den Herren Dr. Bäumker und P. Dreves schulde ich für ihr freundliches Interesse grossen Dank.

2) A. Birlinger und W. Crecelius, Des Knaben Wunderhorn, Wiesbaden r874, I, S. 517 ffg., zwei Liederdrucke des Jahres 1638 und eine Melodie wird Bäum- ker im 4. Bd. seines ,kath. d. Kirchenliedes' mitteilen. Neuere Kompositionen stammen von Luise Reichardt, Mendelssohn-Bartholdy, Th. Streicher, Rheinlande IV, (1903) November Nr. Beilage.

3) Bäumker, Das kath. d. Kirchenlied, Freiburg 1886, I, S. 101, Nr. 353. Königl. Bibliothek, Berlin Y-e r554, r2 Seiten.

6 .

82 Allhang.

1 . „Allgemeines Gesangbuch, In welchem die ausserlesenste so wol alte als neue T.ieder, so in den Mayntzischen, Cöll- nischen, Trierischen, Würtzburgischen und Speyrischen Gesang-Büchern Verfasset und begriffen, in dieses allge- meine Gesang-Buch zusammen gesetzt, und mit Noten ge- zieret seynd. Diejenigen Lieder so keine Noten haben, seynd auss dem Mayntzer Gesang Buch genommen allwo sie mit Noten zu finden seynd. Auss sonderbahrer Ver- willigung eines hochvvürd. Vicariats zu Mayntz im gantzen Ertz Stifft in den Kirchen und Schulen zu gebrauchen. Der vierdte Druck merklich verbessert. Mayntz, gedruckt und verlegt durch Johann Mayr 1697.^) (G) [Strophe 1,2, 3, (4) 5, 6: neu, 7 (M: 1 4) 8 (M: 1 5) 9 (M:.16).] Das Lied begegnet uns in allen Auflagen dieses Gesangbuches bis zum Ausgang des 1 8. Jahrhunderts. Ausgaben 1705 bis 1712 sind von P. M. v. Cochem redigiert.^) Die Aus- gabe V. J. 1712 ist neugedruckt: Mainz 1737, Mainz und Frankfurt 1774, in der Käffnerischen Buchhandlung.-*) Die Ausgaben 1810 und 1840 enthalten das Lied nicht mehr.4)

2. Geistliches Psälterlein P.P. Soc.Jesu, In welchem die auss- erlesenste alte und newe Kirchen und Hauss Gesang lieb- reichste Psalmen Davids . . . verfasset. Colin, bey Franz Metternich 1718-'^) (P)17 25, 1734, 1741, 174 7 (Pg) 1807,

*■ mit der Ueberschrift .Figur des Todts'. 1 1 Strophen : 1 ,

2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 (9) 9 (10) 10: neu. 1 1 (16). Jedenfalls steht das Lied in allen Ausgaben bis ins 1 9. Jahr- hundert hinein.

3. Katholisches Kantual, allgemeines Gesangbuch, Hadamar 1813, 18 21^^ (G.) unter dem Titel: ,Tods Gwalt und Macht* 9 Strophen: 1, 2, 3, (4) 4 (5) 5 (6) 6: neu 7 (14) 8 (15) 9 (16).

Dieses Gesangbuch ist eine \'ermehrte Auflage des Cochem- schen Gsgb. v. J. 17 74 (408 Seiten). 1813: 422 Seiten. 1821: 670 Seiten.

^) BäuniJver, a. n. O. III, S. 37. In der Fürstlich Stolbergischen Bibliothek zu Wernigerode H 63227. Herr Bibliothekar Jacobs teilte mir freundlichst eine Abschrift des Liedes mit. -) Bäumker, III, Nr. 77 und

^) Im Besitze des Herrn Dr. Bäumker.

*) i)ie anderen in Mainz gedruckten Gesangbücher z.\ B. Cath. Cantuale (17 15, 1724 etc.) haben Lied nicht. ■') Im Besitze des Herrn Prof. Jostes.

Das Erntelied. ö3

Es dürfte sich immerhin lohnen, dieses Lied einmal einge- hend zu untersuchen, umsomehr als die Beantwortung der Quellen- frage nicht so leicht ist. Wir besitzen ein lateinisches Lied, wel- ches den deutschen Fassungen so nahe steht, dass wohl an irgend welche Beziehungen der Lieder zueinander gedacht werden kann. Dieser lateinische Hymnus, der mit Worten beginnt: .Est messor cognomento mors" findet sich anscheinend zuerst bei Kajoni im: Cantionale catholicum 1676; leider war mir die Sammlung nicht zugänglich. Der Hymnus ist wiederabgedruckt zu finden bei:

Danko, Vetus Hymnarium Ecclesiasticum Hungariae, Bu- dapest 18931) (S. 415 ffg.) Bäumker und Dreves, die mir ihre Ansicht mitgeteilt haben, halten das lat. Lied abgesehen von Strophen 1, 17, 18 für eine freie Uebersetzung des deutschen Kirchenliedes. Das lat. Lied findet sich nämlich später als M oder Seh und in einer Sammlung, die noch andere aus dem Deutschen ins Lateini- sche übersetzte Lieder enthält. Der 1. Vers erscheint Dreves als durchaus deutsch gedacht; er glaubt den Anfang eines Volks- liedes herauszufühlen. Das dürfte wohl kaum stichhaltig sein, denn Vergil und andere lat. Dichter weisen ähnliche Wendungen auf. -) Weiter unten werde ich das lateinische Lied zum Abdruck bringen und dem deutschen Schnitterlied gegenüberstellen.

Für die Herkunft des deutschen Liedes ist die Tatsache von Bedeutung, dass es schon im Jahre 1639 in Freiburg in der Schweiz gedruckt worden ist. Die dortige Niederlassung der Ge- sellschaft Jesu hatte die Censur vollständig in Händen "') und übte •damit natürlich auf die Druckereien einen grossen Einfluss aus. Seit 1586 bestand auch in Regensburg ein Jesuitenkolleg. *) Es ist sehr wohl möglich, dass durch den Orden das Lied so schnell verbreitet worden ist und dass der Dichter oder Bearbeiter dem- selben nicht ferne gestanden hat, zumal angesichts der Tatsache, dass es von Anfang an in dem offiziellen deutschen Gesangbuche des Ordens erscheint.

1) Nach Abschluss vorliegender Arbeit erfahre ich, dass selion im Litt. Handweiser (1893) ^p. 168 auf das lat. Lied hingewiesen worden ist.

2) Vergl. Aen. i, 530 (= 3, 163) i, 159; 2, 21; 712; 5, 124; 7, 563; 8, 697; II, 31G; 522 u. a. Georges 3. 146, 425; 4, 271, 387.

^) Vergl. F. 1 leinemann, Gesch. des Schul- und Bildungswesens im alten Freiburg bis 7.uni 17. Jahrhundert, Freiburg 1895, S. 146 fg. ^) Hugo Grat von Walderdorff, Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegenwart, Regens- burg 1896. 2 Jesuiten werden vor allem genannt: Cardaneus und Castalus Agricola.

6*

84

Anhang.

Messis mortualis.

1 .Est messor cognomento Mors,

hie omnium suprema sors,

Hern falcem acuit,

in pratum irruit

et quasi vindicem

stringit acinacem.

Heu cave """"V

pulcher floscule. /

2. Est messor implacabilte,

est falx irretractabilis; \

nil hac acutius,

nil illo crudius,

absque discrimine

ludit in gramine. ^) 5. Non flejCtitur a tempore,

nee immäturo foenore,

metit, licet sit ver,

messor, hie impeger,

manu praecipitans '^

canerum anticipans.

^) Strophen 2—16 haben denselben Refrain -wie Strophe i.

Sehnitter Lied. ^)

1 . Es ist ein Sehnitter, heisst^)

der Tod. ^) Hat gwalt von'*) grossen •'')Gott, Heut wetzt er dass ^) Messer, ''} Es geht schon viel ^) besser, Bald wirdt") er drein sehney-

den,i") Wir müssen's nur'^) leyden, Hut dich schöns Blümelein.

2. Was jetzt ^^) noch^rün und

frisch/dasteht. Wird morgens '3) weg ge-

meht, '*) Roth Rosen, weiss Gilgen, '^) Beyd pflegt er ausstilgen, ^f') Ihr Kaysers ^') Kronen Man wird euch ^^) nit schonen.

3. Viel tausendf*) ist noch ^'^)

ohnegezehlt, ^') Dass2:ä) unter der"^^) Sichel

hJÄfällt, 24) Die edle Narsissel,^^) Die englische! SchlüsseP") Die schön Hyacinth ^^) Die Türkisehe Bindt. ^^)

Sichel fält Pg : [sichel fällt 25) p. [die Violen, Narcissen ^oj ;^j . [Schlüssel 2<) P : [schön Hyacinthen 28j p ; [Brü- den. — Wo nicht anders bemerkt, sind P und Pg gleich.

1) Seh

2) P : I [heischt ^j M : i [Tod ^) P : 2 [von ^) M : 2 [grossen

P2 : 2 [messer ^y

'■>) P, M : 5 [wird 10) p . 11) P : [Menschen es Pg

'^) P: 3 [das M : 4 [vil [schneiden

[menschen 12) P: [jetz 13) P : [Mor- gen Pg : [morgen l'*) P : [abgemehet Po : [abgemeht l^) P : [Lilgen lö) P : [Bald wirst ausstilgen Pg : [wird 1 '^) M : [Und ihr Kaiserkronen P : [Kay- serliche 1«) M : [nur l'^) M : [Tau- send — 20j M : [des P : [ja 21j p ; [ungezehlt 22) j^j . [j^ 23) j^j . [^ie 24) -^i . [hinfält P : [das unter die

Das Erntelied.

85

Erndtelied ^) (Wunderhorn).

1 . Es ist ein Schnitter, der heisst -)

Tod, Hat Gewalt-'^) vom höchsten

Gott, Heut wetzt er das Messer, Es schneidt*) schön viel-'')

besser. Bald wird er drein schneiden, Wir müssen's nur leiden. Hüte dich, schöns") Blüme-

lein!

2. Was heut noch') grün und

frisch dasteht. Wird morgen schon ^) hinweg- gemäht: Die edlen-') Narcissen, i") Die Zierden der Wiesen, Die schön Hyacinthen, ^') Die türkischen Bindet. ^^) :

3. Viel hundert tausertd unge-

zähh, ^3) Was nur unter die **) Sichel

fällt: Ihr'") Rosen, ihr Lilien, i") Euch'') wird er^^'*) austilgen, Auch die Kaiserkronen '") Wird ^0) er nicht verschonen.

^) Wunderhorn S. 40 fg.

2j G : [Schnitter, heisst der Todt G2 : [Schnitter, heisst ^) G : [Gwalt 4) GGg : [schneid ^) Gg ; [vel 6) G^ : [schönes "j GGg ; [nur *) GGg . [schon] •') G : [edle W) GGg : 4 [die himmlische Schlüssel H) Godwi : 5 : [Hiazinthen I2j qq^ . [türkische Ein- ten — 13) G : [ungezellt 1*) G : [da- runder die Sichel 63 : [darunter der 15) GG2 : [roth I6j GGg : [weiss Lil- gen 1') G : [Beyd IS) Q^ : [er] ^^) G : [ihr Kaysern Cronen Gg : [Ihr Kaiser-Kronen 20) GQg : [Man wird

Erntelied (Tagebuch).-*)

1 . Es ist ein Schnitter, der heisst

Tod, Er mäht das Korn, wenns

Gott gebot. Schon wetzt er die Sense, Dass schneidend sie glänze. Bald wird er dich schneiden, Du musst es nur leiden; Musst in den Erntekranz hin- ein, Hüte dich schöns Blümelein.

2. Was heut noch frisch und

blühend steht, Wird morgen schon hinweg- gemäht. ^2) Ihr edlen Xarcissen, Ihr süssen Melissen, Ihr sehnenden Winden, Ihr Leid-Hyacinthen Müsst in den ...

3. Viel hunderttausend ohne Zahl, Ihr sinket durch der Sense

Stahl. 23) Weh Rosen, weh Lilien. Weh krause Basilien! Selbst euch Kaiserkronen Wird er nicht verschonen ; Ihr müsst zum ...

euch; ,man' auch im , Godwi' im Gegensatz zur Fassung des ,"Wunderhorn' und Tage- buchs.

-1) Im .Tagebuch der Ahnfrau' (S. 334 337) ohne UeberschriU ; vergl. auch Ges. W. I, 519 524, wo es nur wenige orthographische Veränderungen aufweist. Die 2. 3. 4. 5. Strophe (nach der Anordnung im AVunderhorn) findet sich auch im Godwi (II, S. 350 ffg., S. 442), ebenso wird dort der l. Vers der I. Strophe zitiert II, S. 35;. Die Form im Godwi ist die ältere.

*2) vergl. Schnitterlied Str. 3 ^'3.

-3) a. a. O. Str. 2/3.

86

Anhang.

4. Non stat coloriim facies, Xon pulchra florum acies: qiioquo falx incidit omnc mox concidit, triste sit, laetum sit forma, non forma sit.

5. Et en tot celsa lilia, argentea tot folia ultra non candicant, nam terram morsicant. ^) Viror et roseus

iam cadit ocyeus.

6. Heu ubi tot formosulae reginae florum rosulae, plus iam de macie monstrant in facie, quam nuper tenerae monstrarint purpurae.

7. At nonne rosas inclytas tutatur Spinae feritas?

^) Die Wendung braucht nicht deutsch gedacht zu sein, wie Dreves meint; vergl. Aen. II, 418, 10, 489. Auch Homer kennt das Bild: Od. 22, 269, II. 11, 749, 19, 61, 24, 738, 22, 17.

2) M : [aus P : [auff _ 3) p . |^ein- gehut P, : [Eingehut •*) P : [aufF Sam- melt — ^) P : [Wohlgemuth P2 : [du wohl gemuth *^) F : [doch ■^) P : [erbUndct '^) P2 : [Nimmt ») P : jiindet l") P : [Sammet l^) P : [noch Seiden ^^) T : [ihnen vertreiben 13) P : I dass Himmels Farbe Pg : [des 1-1) P : [Ehren-Preyss l^) Pg . [Tulpen, M: [Dulipan ' ^^) P : [Klokken M : iGloggen 1^) M: [guldinen P: [gol- dene P2 : [güldene ^^) Godwi [sin kt Wunderhorn dagegen [senkt l^)P: [wird drauss 20j P; |So 21) God- wi : [Rossmarin ^2) p . j^fält unter die Sichel Pg : [Sich'l P : 3 ffg. [Und wenn du schon feiner, Wan schon (P2 : [man schont) doch nicht (P2 : [nit) dei-

4. WiQ^) Seyden ist der Finger-

hut, 3) Wie *) Samet das Wohlge- muth,^) Noch ") ist er so blind,') Nimbt ^) was er nur findt, ^) Kein Samet, i") kein *') Seyden Mag ihne vermeydeni^^

5. Das Himmelfarbe '3) Ehren-

preiss, ^*) Die Tulipan ^•') gelb und weiss^ Die silberne Glocken'^) Die guldine ^~') Flocken, Sinkt 1^) alles zur Erden Was wirdt nur drauss ^^) wer- den,

6. Wieviel =^") Masslieb und Ross-

marin '-^1) Schwelckt--)under der Sichel

dahin, ^■')Vergiss mein nit*-») Du must auch mit. Und du tausendt Schön, ^•') Man lasst dich nicht stehn,

7. Ihr gespreggite 2«!) Morgen-

röselein, Ihr Papplen -') gross und klein^

ner. Ihr Aussbünd der schönen Man lässt euch nit stehen 24j Brentano Str. 7/1 1. 25) a. a. O. 5/2, 2*») M : [gesprenggite P : [gesprängte 2') [Pappelen.

Das Erntelied.

87

(4) 3. Aus Seiden ist der Finger-

hut, Aus Sammet ist das Wohl- gemut, Noch ist er so blind, Nimmt, was er nur findt, Kein Sammet, kein Seiden Mag ihn vermeiden.]')

(5) 4. Das himmelfarbe ^) Ehren-

preis, •') Die Tu]ipanen^)g-elb und weiss. Die silbernen '') Glocken, Die goldenen '>) Flocken, Senkt ^) alles zur Erden, Was wird^) daraus werden?

(6) 5. Ihr hübsch =') Eavendel,io)

Rossmarein^') Ihr vielfarbige Röselein '^) Ihr solze Sehwertlilien '•') Ihr krause Basilien '^) Ihr zarte Violen Man wird euch bald holen,''"')

^) Diese Strophe fehlt im Wunder- horn, sie rindet sich in der von Dohmke (Werke Br. S. 322) mitgeteilten Fas- sung. — -) Godwi (S. 351): ihimmel- farbene G : [himnielfarbig ■*) GGg : i Ehrenpreiss ^) G : [Tiilpan G.2 : [Tu- lipan äj QQ^ . [silberne '>) GGg [güldene "j G : [schenkt «) GG^ [wird noch "-') G : [hupsch ^0) GGg [und 1') Godwi, G : [Rossmarin 12) Godwi: [Röselin G : [Rösselin 1=^) Godwi GGg : [ : [(Schwerd) -lügen i-l) God. GG2 : [ilgen 15) i„ qq^ fehlen Strophen: 8, q, 10, 11, 12, 13. Strophe 6 lautet in G : .,0 König, o Kayser, l'^) o Fürst und Herr,l^j förcht euch IS) auch lurm 1=') Schnitter sehr, der Hertzen^'J) Betrüber, je 21) länger je lieber, macht 22) alles herunter, thut 23]

4. Du himmelfarben Ehren-

preis, 2*) Du Träumer, Mohn, rot, gelb

und weiss, Aurikeln, Ranunkeln, Und Nelken, die funkeln, Braucht nicht lange zu warten, Müsst in den Erndtekranz hin- ein

5. Du farbentrunkner Tulpen-

flor, Du tausendschöner Floramor, Ihr Bluts Verwandten, Ihr Glut-Amaranthen, Ihr Veilchen, ihr stillen, Ihr frommen Camillen,

6. Du stolzer blauer Ritter-

sporn, 2'>) Ihr Klappe'rrosen in demKorn, Ihr Röslein Adonis, Ihr Siegel Salomonis, Ihr blaue Cyanen Braucht ihn nicht zu mahnen.

keinem besonder lied 8/3.

ver"l. Schnitter-

1(!\

"j G2 : [Kaiser i') G2 : [! 1«) G2 : [furcht ihr l^') G2 : [den

2ö) Gg: [Herzen 21) G2 : [J G2 : [macht 23) q^ . j^xhut.

2-1) Seh 5, fg. '

25) Seh 143 fg.

c

22i

88

Anhang.

Ferrum sed ligneam frangit custodiam, nee est praesidium fato non *) pervium.

8. Quid calthae, quid nunc violae,

quid humiles miraculae, quid sperent myrtuli, vel quid acanthuli, florum cum regia cadcmt insignia?

9. Xarcisso quid nobilius, quid hyacintho pulchrius? At tot narcissuli,

tot hyacinthuli,

sensere ferreum

falcis impereum 1 0. Incassum superfici.)

messorum ludis serico,

falcis adibis os.

heu digitalis flos,

dicesque, serica

quam sint umbrifica 1 1 . Nee tu, frontalis byssinc,

molli triumpha tegmine:

tua nil gratia

mortis ad otia,

rigentem ossibus

flectent ut moUius.

^) Konjektur für ncc der Vorlage.

2) Pg : [Schwertlylgen ^) P : [krauss Batilgen -1) P : |wird 5) Pg [Blut-roth ") M : [türckisch ') P [Wasser-Rooss «) P : |du "') P [Augen- ^0) P : [du Hertzcn-Betrü- ber ^^) M : [Jelänger-jelieber ^'-^j P : [Nun 1^) P : [hinunter ^^) P : [macht nichts besonder ^^) Str. 9 fehlt in P. ^''') M : [auserlesen 1^) M : [Mayerzan ^^} M : [Lasst euch nit verführoii T') M : [nit -") M :

Ihr stolze Schwertlilgen ')

Ihr krause Basilen, •^)

Ihr zarte Violen

Man wirdt *) euch bald holen,

8. Der blutroth-^) Türkisch'')

Wassertost '^) Der ^) schneeweiss Augen- trost, '•') Der Hertzenbetrüber ^*^) Je länger je Lieber,^') Nur 12) auch mit hinunder i^) Man machts da keim bson-

der. '')

9. i^)Derausserlessne "') Mayer-

zahn, 1') Das Zornige rühr mich nit

an, Nicht lasst euch verführen, ^^) Ja woll nicht ^ ") anrühren, Es gilt da kein bochen, Heüt -") werd jhr abbrochen

I 0. Du Nagelein '^i) mein edler

Schatz, 2=i) Findtst ^•"')auch beym Schnit- ter kein blatz, ^*) ^'') Ich gniess dein nit mehr, Jetzt kompt er daher Bald wirstu verbleichen, 2") All Schöne muss weichen, -")

I I ■'*^) Du himmelblawes Bitter-

sütz,2'-') Und ihr toll Hanenfüss, ^") Ihr hübsche Lavändel (vergl.

W. Str. 5.) Ihr auff •'■') gerechte Händel Es hilflft-'^) da kein bitten ='•') Heüt werd jhr abgeschnitten,

Das Erntelied.

89

Im Psälterlein fehlen Strophe : 11, 12, 13, 14, 15; Strophe 10 lautet:

1 0. Er herrschet ^) durch die gantze Welt Und reisset was ihm gefält. Die Blühe der Jugend, Die Stärke ^) der Tugend, Die Armen und Reichen Thut alle erbleichen.

^) P2 : [herrschet ^) Pg : [stärclce

[heut ~ 21) M : [Nägelein 22j p . [edler Pg : [edeler schätz ~^) F : [Finds 24) ^i . [Blatz ; P : [platz ; P2 : [Platz 25-j p 3fg . [Bald wirst du er- sterben, Da kombt das Verderben.

2'') P : [du \\-irst gleich erbleichen 2'j P : [Schöne entweichen 28) fehlt in P. 2i») M : [Bittersüss »Oj yi . [ToUhanenfuss ^1) M: [aulgerechte 32) M : [hilft 33) m"\ [Bitten

7. Lieb Denkeli, Vergiss mein

nicht, Er weiss schon, was dein

Nähme spricht, Dich Seufzer umschwirrte, Brautkränzende Myrthe, Selbst euch Immortellen Wird er alle fällen !

8. Des Frühlings Schatz und

WafFensaal Ihr Kronen, Zepter ohne

Zahl, Ihr Schwerter und Pfeile Ihr Speere und Keile, Ihr Helme und Fahnen Unzähliger Ahnen,

9. Des iMaies Brautschmuck

auf der Au, Ihr Kränzlein reich \on Per-

lenthau, Ihr Herzen umschlungen, Ihr Flammen und Zungen Ihr Händlein in Schlingen Von schimmernden Ringen.

10. IhrsammtnenRosen-Mieder-

lein, Ihr seidne Lilien-Schleierlein, Ihr lockende Glocken, Ihr Schräubchen und Flocken Ihr Träubchen, ihr Becher, Ihr Häubchen, ihr Fächer,

1 1 . Herz, tröste dich, schon

kömmt die Zeit, Die \'on der JMarter dich be- freit. Ihr Schlangen, ihr Drachen, Ihr Zähne, ihr Rachen, Ihr Nägel, ihr Kerzen, Sinnbilder der Schmerzen

90

Anhang.

1 2. Tuum, o iimaranthule,

deciis immarcescibile; ')

mortis in naribus

nil est de sensibu,

metuntur ömnia,

nee puta somnia 1 3, Amaraci praenunciae

lucrantur nil divitiac,

falcis ad impias

marcescunt naenias.

Xaturae misera

sie ridet munera. 1 4, Caryophilli nimium

non invenit Kec -) pretiiim.

Nee tu, n^arine ros,

unquam amicus flos

mortis fictitia

subsistes gratiae 1 5. Adusque Semiramias'*)

falx evibratur areas,

ut nex pensilia *)

florum cubilia

plus prae minutulis

triumphent herbulis 1 6. Quicquid ^) ubique meruit

hic*^) denique falx viguit. '')

Hie sie modieuli

cadetis flosculi,

mortis nam omnia

vadunt ad horrea. 1 7. Cadetis ergo gramina

messoris ad certamina.

At vos, o aurea,

vos a solsequia,

virete, vivite

casum praenoscite.

Cavete, pulchri floscule.

^) Vorlage: inimarcessibile ; der Sinn .■scheint gerade das Gegenteil zu fordern : non immarcescibile

1 2. Und du o schnödes Tag un ')

Nacht Der Namen nit woll ^) ist

erdacht Man lasst dich nicht •') stehn^ Biss d Sternen auffgehen-i) Ehe der Tag verschlissen-'') 'VVVirstu aussgerissen, '') 1 3. Man schätzt dich nit o Son-

nentaw, Man förcht dich nit o Beeren-

klaw Ihr frembde Gichtrosen, Ihr gfüllte'') Zeitlosen Ihr Stern agleyen *^) Muss alles an Rayen, •') 1 4. '") Er macht so gar kein Un- terschid, ^') Geht alles her in i^) einem

Schnitt, Der stoltz Ritter Sporenv^-') UndBlumen") vonKoren,^-^) Da ligens beysammen ^'') Man weisst ^'^) kaum den i'*) Namen. i5. Und wanste ^•') nun seind gschnitt 2") ab So heissen^') sie alle '^^) schab

ab, «3) Ach, 2'') wie sie da ligen, '^^) Als wärens ^") in Zügen *'') Sie müssen ^^) verschmach-

. ten 2«) Man thut jhr nit achten, ■'"')

^) Vorlage : bic.

•') Vorlage semiramias. ^) Vers ^ und 4 sind in der Vorlage zusam- mengezogen. — ^) Vorlage quiquid. '') huc. ') viruit.

Das Erntelied.

91

1) M : [und 2j M : [wol ^'j M : i nit

■*) M : Uufgeben ^) M : | ver- schlussen — '') M : I ausgerissen ') M : [gefüllte ») M : iSternoig- leien '■'] M : jReien.

i'J) in GG2 als Strophe ;._ii)G: |so gar kein Unterschied G2 : [sogar kei- nen Unterschied ^^) G : [nimbt alles in G2 : [Nimmt ^^) 'Sl : | Rittersporen

l-i) M : [Blumen löj [Päbst, Kö- nigen und Kayser : Fürst, Pallast und Häuser G2 : [Papst, König und Kaiser, Paläste . . i*'") G : [beysammen, G2 : [beisammen ^^j M: [weisst G: j weiss

■^®) G : [ein Nahmen G2 : [ein'n 1^) M : [wenn sie G2 : [wenn (G : [wann) sie nun geschnitten ^Oj M : Igschnit- ten 2^) M : [heissen G2 : [heissen 22) GG2 : [all 23) j,i ; [Schabab 2-t) G : [noch 25) (}^ ; [Hegen 2öj M : [wären sie 27j q . [thut man für ihn fliehen G2 : | vor ihn' 28j ^f . [möchten 2ttj q . [bescharrt sie mit Erden, und last (Gg : [lässt) sie faul wer- den -^ 30} G: Strophe 8.

1 2. O heimlich Weh halt dich

bereit! Bald nimmt man dir dein

Tr ostgeschm ei d, Das duftende Sehnen Der Kelche voll Thränen, Das hoifende Ranken Der kranken Gedanken 1 3. Ihr Bienlein ziehet aus dem

Feld, Man bricht euch ab das

Honigzelt, Die Bronnen der Wonnen, Die Augen, die Sonnen, Der Erdsterne Wunder, Sie sinken jetzt unter All in den Erndtekranz hin- ein. Hüte dich, schöns Blüm el ein l

92

Anhang.

1 8. Coeleste viridarium

sutfm expendit gremium hie efflorebitis, nee plus timebitis fatalis ferreum mortis imperium. Gaudete ^) pulchre floscule. Amen!

fehler..

Vorlage: glaiidete, ofl'onbar Driick-

1 6. Trutz ^) Todt komm ^) her, ich förcht dich nit, Trutz >) kom, ^) und thu ein ^)

Schnitt, 4) Wenn er mich weg fretzet. So wirdt ^) ich versetzet, ") Ich will es erwarten, In Himmlischen Garten,') Frew dich^) schöns Blüme-

lein.

1) P : [Trotz 2) j\i ; [komb

3) M : [thue ain ; P : [einen Schnit ;

4) P.^: [schnitt, '^} M: [werd "^j P ßfg : [Mejnst woUst n'iich absetzen, du thust mich versetzen ^) P 5fg : [In himUschen garten ich wil es erwarten 8) P : [Wohiauff.

In welcher Beziehung steht nun Brentanos Umdichtung und mit demselben auch die im .Wunderhorn' wiedergegebene Fassung^) zu den angeführten Vorlagen ? M oder Seh kann Brentano, dessen grosse Vertrautheit mit der Litteratur wir oft bewundern müssen, gekannt haben, ja, er )vird von ihnen gewusst haben, da sein längeres 1 4strophi3ches Lied (E) der ausführlichen 1 östrophigen Fassung nähersteht als dem kürzeren, 8, 9 (1 1) Strophen zählenden Liede. Auch G hat Brentano gekannt; das Gesangbuch, in dem es sich findet, war länger als 1 00 Jahre im Erzbistum Mainz im Gebrauch, die Auflage von 17 74 sogar in Frankfurt und Mainz erschienen, die Lieder und mit ihnen das Erntelied wurden wohl auch in Frankfurt gesungen, P, die schlechteste Ueberlieferung, hat Brentano besessen. ^

Eine eingehende vergleichende Untersuchung der verschie- denen Vorlagen selbst - die Belege habe ich in den Fussnoten ^) zusammengestellt ergibt, dass Brentano sowohl für die Wunder- hornfassung, als auch für E hauptsächlich G benutzt hat, dass er sich in. zahlreichen Fällen. \'or allern für E, auch der Fassung M

(Seh) bedient hat; nur ausnahmsweise hat er P \'erwertet. r

^) Goethes kurze Bemerkung lautet: ,, katholisches Kirchenlied, verdiente prote- stantisch zu sein" (Rezension des ,AVunderhorn' Werke XXXIII, 186). Bren-

Das Erntelied.

93-

6. Trotz! Tod, komm her, ich furcht ') dich nit,-) Trotz, eil daher ^) in einem

Schnitt. Werd ich nur verletzet,'*) So werd ich versetzet In den himmlischen Garten, Auf den alle wir") warten P>eu •') dich, du ') schönes Blümelein !

1) G : [furcht '^} Gg

1 nicht

^} G : [komm thu einen ; G2 : [komm in ■*1GG2 : [wann (G2 : [wenn) SicBel mich letzet ^),GG2: [darauff (G2 : [darauf)

will ich *^') G : [freue

GGo

1 4. O Stern und Blume, Geist und Kleid, Lieb, Leid und Zeit und Ewig- keit! Den Kranz helft mir winden, Die Garbe helft binden, Kein Blümlein darf fehlen, Jed Körnlein wird zählen Der Herr auf seiner Tenne

rein Hüte dich schöns Blümelein.

2. Christine von Lassaulx über Cl. Brentano.

Nicht nur des Inhaltes wegen einer Charakterisierung des jungen Brentano als auch um der chronologischen Angabe

tano nennt das Lied im ,Godwi' (II, S. 350) ,,ein katholisches Lied"', damals war es ihm „ein kindisches Todtenlied" (II, S. 351). Görres bezeichnet es: ,, Der Tod Blumist ein Erntelied" (Heidelberger Jahrbücher (1809) 5. Abt. I, S. 222). Schultz, Charakteristiken imd Kritiken von J. Görres, 2. Folge, S. 54, Köln 1902. Seit Mitte^ de^ 17. Jahrhunderts ist das Lied oft auf fliegenden Blättern gedruckt worden ; auch in weltlichen Liederbüchern ist es zu linden, vergl. Böhmer, Altd. Liederbuch, Leipzig 1877, S. 759 Anm. H. Thoma hat das Motiv in einem Holzschnitt zur Darstellung gebracht. (Breitkopf & Härtel, Leipzig, Flugblätter Nr. 33.) Henry W. Longfellow hat das Lied bearbeitet: (There is a reaper. ,Poetic. Works' Leipzig 1856, I, 7 fg. vergl. Schwebe!, Tod und ewiges Leben, S. 212.

2) Br. BibHothek Nr. 758, S. 43.

^) Seh: 32 AV 32; 2^ (P) —dagegen GGg AV 2^; 5^ W 4^ _

55 sinkt auch im Godwi, anders W^ GG2. 63 E/^

E81 i3i

E52

IG,

'ÖÜ

E I3g vor allem 1423 E

W 2i 2.,

W 2o

E134 135 E 134 6^,2, wo GG2 vollständig abweichen.

G: I2 W I2, dagegen GGg I4 AV I4 2^ -3 > 33 dieselbe Anordnung wie in W u. E, dagegen ganz verschiedene in M (Seh), P- 3i W 3j 3g : ,,man" (auch in Seh, P) wohl im , Godwi' aber nicht in W. Str. 5. Die Str. 6 fehlt in W und E (vergl. Seh 83) ähnlich wie P 10 fehlt, es sind Strophen, die auch Seh, M wenigstens teilweise nicht haben.

P : vor allem 5^. W 5,;, ferner 22 W 23, Strophe 5 ganz verschieden.

f)4 Anbany.

willen, scheint mir die bisher noch nicht \eröfFentlichte vStelle eines Briefes') von Interesse, den Christine von Lassaulx (1761 1814), die Schwiegermutter \on J. Görres, an Joh. Cl. von Lassaulx in , Würzburg am 2. August 1802 geschrieben hat:

,,Wir haben seitdem eine interessante bekanntschaft gemacht. Clem. Brentano war 5 Wochen hier, anfangs fiel uns sein sonder- bares Wesen sehr auf, nach und nach gewöhnten wir uns aber entweder daran, oder er legte manches davon ab, da er merkte, dass es uns nicht mehr neu war, ich weiss das eigentlich selbst nicht , genug ich konnte ihn recht gut leiden, und kann ihn un- möglich für böse und schlecht halten, ■<ich halte ihn nur für leicht- sinnig und glaube, dass er unter anderen Verhältnissen sehr gut geworden war, und vielleicht noch werden kann.''

Durch diesen Brief wird die Chronologie für den Herbst des Jah- res 1 802 sicher gestellt. Die angeführte Stelle kann sich nur auf Bren- tanos Aufenthalt in Koblenz 1802 beziehen. Nach Kreiten,^) ihm folgt auch Koch •') befindet sich der Dichter von Januar bis zum Herbst in Jena, Michaelis geht er nach Frankfurt, von dort nach Koblenz, wo er bei Lassaulx ein kurzes A.bsteigequartier nimmt, im November begibt er sich nach Düsseldorf. Bei Steig finden wir einen Brief Brentanos vom August 1 802,*) vorher soll er mit Arnim anfangs Juni in Frankfurt zusammengetroffen und nach Coblenz gereist sein, wo er das Abenteuer mit Benediktchen Kor- bach hatte,'') welche Begebenheit Diel-Kreiten in das Jahr 1801 verlegt.") Im Oktober soll Brentano Frankfurt verlassen und sich nach Düsseldorf begeben, nicht ohne Coblenz einen Besuch abgestattet zu haben.*^) Zu der Briefstelle passt also auf keinen Fall Diel-Kreitens Angabe, Steigs Bemerkungen dagegen scheinen eine Bestäti-gung ;ju empfangen.

^j Die EiDsicht in den Brief verdanke ich der Freiindlichkeil^ des Herrn von Lassaulx (Bonn) in dessen Besitz er. sich befindet.

^) Diel-Kreiten I, S. 169. '^) Koch, Nat. Litt. a.. a. O. (146) I, XLIX. **) a. a. O. I, S. 39. 5) Steig l, S. 34. ''} a. a. O. I. S. 153 ffg. ') Steig r. S^ 56.

Literatur.

Ges. Werke Cl. Brentanos, herausgeg. von Christian Brentano, Frankfurt 1852— oo,

9 Bde. (mit Briefen). Godwi oder das steinerne Bild der Mutter, ein verwilderter Roman, Bremen 1801

bis 1802, 2 Bde. Cl. Brentanos Frühlingskranz, aus Jugendbriefen von ihm geflochten, herausgeg.

von Bettina von Arnim, Sämtl. Schriften I, 2. Ausg. Berlin 1853. Cl. Brentano, Katalog seiner Bibliothek, herausg. von Heberle, königl. Bibliothek

Berlin, dp. 2702. Fr. Binder, L. Hensel. Freiburg 1885.

Fr. Binder, Erinnerungen an Emilie Linder, München 1897. A. Birlinger u. W. Crecelius, Des Knaben Wuriderhorn (mit Quellen). Wiesbaden

1874. 2 Bde. O. Bleich, Entstehung und Quellen der Märchen Cl. Brentanos im Arch. f. d. Stud.

d. neueren Sprachen, XCVf (1896), S. 43—96. "^

Chr. Brentano, Nachgelassene religiöse Schriften, 2 Bde.. München 1854. H. Cardauns, Die Märchen Cl. Brentanos, Köln 1895, vergl. Rezension von R.

Steig im Euphorion III (1896), 791—797. Diel-Kreiten, Cl. Brentano, ein Lebensbild, Freiburg 1877 78. 2 Bde. J. B. Diel, Cl. Brentanos Ausgewählte ^'rosa, 2. Bd. Freiburg 1873. Eichendorff, Zur Geschichte des Dramas, Paderborn 1866. Eichendorff, Ueber die ethische und religiöse Bedeutung der neuen Romantik,

Leipzig 1847. •, G. Görres, Erinnerungen an Cl. Brentano in den histor. polit. Blättern XIV. X\'.

(1844), (1855). ^

G. Görres, Deutsches Hausbuch. München 1844, II, S. 1 23, J. v. Görres, Freundesbriefe, herausg. von F. Binder, München 1874. \ J. V. Görres, Einleitung zu Diepenbrock. Heinrich Susos Leben und Schriften,

Regensburg 1829. Jak. und Wilh. Grimm, Briefwechsel aus der Jugendzeit, Weimar 1881. Ed. Grisebach, Ges. .Studien. Leipzig 1885.

Ed. Grisebach, Das Goethesche Zeitalter deutscher Dichtung, 1891. K. von Holtei, Briefe an Ludw. Tieck, BerHn 1864, 1. Bd.

1J. Janssen, Fr. Joh. Böhmers Leben, Briefe und kleinere Schriften, 3 Bde., Frei- burg 1868. M. Koch, Arnim, Cl. und Bettina Brentano, J. Görres Nat. Litt. (146) I. F. Liebrecht, Pentamerone von J. Basile, aus dem Neapolitanischen übertragen.

2 Bde., Breslau 1846.

.. I

R. M. Meyer, in Euphorion III (1896) 110 ffg. ^

Emma von Niendorf, Aus der Gegenwart, Frühlingstage mit Cl. Brentano, Berlin 1844.

F. Pfaff, Trösteinsamkeit, Freibupg 1883,

Baich, Briefwechsel Dorotheas v. Schlegel. Mainz 1881, 2 Bde.

B. Ringseis, Lebenserinnerungen von N. von R. in histor. pol. Blätter (1875/76).

G. Roethe, Brentanos Ponce de Leon, Berlin 1901.

Fr. Schultz, J. Görres als Herausgeber, Literarhistoriker, Kritiker im Zusammen- hang mit der jüngeren Romantik, Palaestra XII, Berlin 1902. R. Steig, Achim von Arnim und die ihm nahe standen. 2. Bd. Stuttgart 1894. H. Zimmer, J. G. Zimmer und die Romantiker. Frankfurt 1888.

Anni. Weitere Literatur ist im Verlaufe der Arbeit an einschlägigem Orte namhaft gemacht.

Berichtigungen.

/'S. 30 Anm. 11 Divina Commedia S. 38 Z. 30 rechts somnolentos S. 40 Z. 4 bestiarum ad nullius, Z. 6 succinctus lumbos, Z. 7 rex, Z. 8

adversarius, Z. 10 Cui resistite fortes, Z. 12 daemonas, Z. 13 laetos,

Z. 14 canente exterritos, Z. 15 timerc S. 42 Z. 13 rechts exurge S. 46 Z. 4 rechts ein S. 46 Z. 27 rechts hac. S. 55 Z. 17 describantur.

L

§■:

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