^4**- V > ^ C ^C ^ /V*H v> v v^ **y S X ¥ ?a«ss -%-^L LOEFFLER, FRIEDR. Vorlesungen über die geschicht- liche Entwicklung der Lehre von den Bacterien. 1. (unique) part. Leipzig, F. C. W. Vogel, 1887. XII, 252 pp. With 37 illustr. and 3 plates. 8vo. Bound. #26.50 Löffler, pupil of Rob. Koch, with whom he worked for many years at the Kaiserl. Gesundheits-Amt, discovered the bacteria of swine-erysi- pelas (1882 — 83), and glanders (1882), established the causal relation of the diphtheria bacillus (1884) etc. „He wrote an admirable history of bacteriology" (Garrison). Likewise, this book is one of the rarest ever written on bacteriology. Cut.u^, VORLESUNGEN ÜBER DIE GESCHICHTLICHE ENTWICKELUNG DER LEHRE VON DEN BAC TEMEN. Für Aerzte und Studirende. Dr. Friedrich Löffler KÖNIGL. PBEÜSS. STABSARZT UND PRIVAT-DOCENTEN DER HYGIENE AN DER UNIVERSITÄT BERLIN. ERSTER THEIL. BIS ZUM JAHRE 1878. MIT 37 ABBILDUNGEN IM TEXT UND 3 TAFELN. LEIPZIG, VERLAG VON F. C.W. VOGEL. 1887. Das Uebersetzungsrecht ist vorbehalten. HERRN GEHEIMEN MEDICINALRATH UND PROFESSOR DER HYGIENE Dr. ROBERT KOCH t IN DANKBARKEIT UND VEREHRUNG GEWIDMET TOM VERFASSER. VORWORT. Die Erforschung der niederen, nur mit dem bewaffneten Auge erkennbaren Organismen hat in den letzten Jahren , Dank der von Tag zu Tag fortschreitenden Erkenntniss ihrer hochwichtigen Be- deutung im Haushalte der Natur, ihrer für die ganze organische Welt, in Sonderheit für den Menschen Nutzen sowohl wie auch Ver- derben bringenden Thätigkeit, einen so gewaltigen Aufschwung ge- nommen und ein so allgemeines Interesse erweckt, dass jeder natur- wissenschaftlich Gebildete die Nothwendigkeit in sich fühlen musste, sich mit diesem neu erschlossenen Gebiete vertraut zu machen. Zahl- reiche Autoren haben sich deshalb bemüht, jenem Bedürfnisse Rech- nung zu tragen durch die Herausgabe von Lehrbüchern, in welchen die grossartigen positiven Forschungsergebnisse auf dem Gebiete der Bacteriologie zusammengefasst waren. Es fehlt aber bisher noch an einer Darstellung der geschichtlichen Entwickelung dieser plötzlich mit ungeahnter Kraft in den Vordergrund getretenen Wissenschaft. Wenn die Bacteriologie mit Recht ein Kind der Gegenwart ge- nannt wird, so hat sie doch gleichwohl bereits eine lange, hochinter- essante Geschichte, welche schon seit über zwei Jahrhunderten mit der Geschichte der Medicin auf das Engste verknüpft ist. Die Kenntniss der geschichtlichen Entwickelung der Lehre von den niedersten Organismen ist von ganz besonderem Werthe für das Verständniss derjenigen Wissenschaft, welche die Fernhaltung und Bekämpfung der krankheitserregenden Potenzen zur Aufgabe hat, für das Verständniss der modernen Hygiene. Denn gerade diese Wissen- schaft hat der Bacteriologie die wissenschaftliche Begründung der Thatsachen zu danken, durch welche allein die Erfüllung einer der vornehmsten Aufgaben der Hygiene, die Durchführung einer wirk- samen Prophylaxe der Infectionskrankheiten, ermöglicht wurde. Die bacteriologische Forschung selbst kann ohne Kenntniss ihrer geschicht- lichen Entwickelung nicht mit wirklichem Nutzen betrieben werden. VI Vorwort. Der Forscher muss wissen, was auf dem Felde, welches er bebaut, bereits von anderen Forschern gearbeitet worden ist. Welch eine andere Selbstkritik würde gar Mancher an seinen Arbeiten haben ausüben können, wenn ihm die Entwickelung der Bacteriologie be- kannt gewesen wäre! Wie manche Mittheilung wäre unterblieben! Und auf der anderen Seite, welch eine unerschöpfliche Fülle von Anregungen zu weiteren Forschungen ergiebt sich nicht aus der Kenntniss der Schwierigkeiten, welche zu überwinden waren, und aus der Entwickelung der Art und Weise, wie dieselben nach vielen vergeblichen Versuchen durch das Ingenium einzelner hervorragender Männer überwunden wurden! Wie plastisch treten gerade bei dieser geschichtlichen Entwickelung die Verdienste der Männer hervor, wel- chen wir das rasche Emporblühen der Bacteriologie zu danken haben! In Erwägung aller dieser Momente habe ich mich, ganz besonders auch weil ich damit einem Wunsche meines hochverehrten Lehrers, Herrn Geheimerath Koch, begegnete, entschlossen, nach eingehenden Quellenstudien, welche mir durch die hiesigen grossen medicinischen Bibliotheken ermöglicht waren, unsere Kenntnisse auf dem Gebiete der Bacteriologie in zusammenhängender geschichtlicher Entwicke- lung dem ärztlichen Publikum vorzulegen — eingedenk des bekannten Wortes: Die Geschichte einer Wissenschaft, das ist sie selbst. Ich habe mich um so lieber zu dieser Art der Behandlung des Stoffes entschlossen als bei der unendlichen Fülle des neuen, von zahlreichen Forschern aller Länder tagtäglich beigebrachten Materiales, die Mehr- zahl der Aerzte wie auch der Studirenden weder Zeit noch Gelegen- heit findet, sich in diese hochwichtige geschichtliche Entwickelung zu vertiefen. Bei der Darstellung habe ich mich bemüht, möglichst objectiv zu sein; vielfach habe ich deshalb die eigenen Worte der Autoren wiedergegeben. Vorlesungen habe ich die einzelnen Kapitel benannt, aus dem Grunde, weil ich den Inhalt derselben zum grossen Theil in meiner Vorlesung über Bacteriologie im Wintersemester 1886/87 vorgetragen habe, und weil die Form der Vorlesung eine freiere Behandlung und Gruppirung des Stoffes gestattete. Leider war es mir nicht möglich, sogleich das ganze Werk erscheinen zu lassen. Ich habe mich darauf beschränken müssen, zunächst den ersten, die Geschichte der Bacteriologie bis zum Beginn der neueren exacten Forschungen behandelnden Theil herauszugeben ; doch hoffe ich, dass das ganze Werk am Ende des Jahres voll- ständig vorliegen wird. Die Mehrzahl der Zinkographien ist nach den Original - Abbil- dungen der Autoren von Herrn W. Geohmans mit bekannter Sorgfalt Vorwort. VII und Treue angefertigt worden. Tafel I enthält eine Auswahl der ersten Photogramme, welche Herr Geheimerath Koch im Jahre 1S77 in Cohn's Beiträgen zur Biologie der Pflanzen veröffentlicht hat. Es ist mir ein Bedürfniss, meinem hochverehrten Lehrer an dieser Stelle für die freundliche Ueberlassung seiner werthvollen Original-Negative meinen wärmsten Dank abzustatten. Tafel II und III gehören zum zweiten Theile; sie sind dem ersten Theile beigegeben, weil ich glaubte, dass die farbigen, von Herrn Grohmänn nach mikroskopischen Präparaten gezeichneten Ab- bildungen Vielen auch jetzt schon nicht unwillkommen sein würden. Berlin, im Mai 1887. Der Verfasser. Inhaltsverzeichnis». ERSTE VORLESUNG. Seite Die Entdeckung der mikroskopischen Organismen und die Entwickelung der Pathologia animata im 17. und 18. Jahrhundert . . . . .1 ZWEITE VORLESUNG. Beginn des Studiums der niedersten Gebilde. Otto Friedrich Müller's Klassificationsversuch. Die Generatio aequivoca 12 DRITTE VORLESUNG. Die systematische Eintheilung der niedersten Formen von Ehrenberg und Düjardin. Zweifel an der Thierheit der Vibrionen. Perty's System. Cohn's Gattung Zoogloea. Naegeli's Gruppe „Schizomycetes" .... 30 VIERTE VORLESUNG. Beziehungen der niedersten Organismen zu den höher organisirten Wesen. DoNNii findet Vibrionen im Schanker- Eiter. Entdeckung der pflanzlichen Natur der Hefe und des Pilzes der Muscardine. Die Idee des Contagium animatum gewinnt festen Boden. Henle's Deductionen. Die Cholera in Europa .... . 45 FÜNFTE VORLESUNG. Die Untersuchungen Pasteur's über die speeifischen Erreger der verschie- denen Gährungen, der Faulniss, der Krankheiten der Weine und der Seidenraupen. Seine Gegner. Bj5champ. Lemaire's Anschauungen. Lister's Wundbehandlung. Die Milzbrand-Stäbchen .......... 57 SECHSTE VORLESUNG. Wiederbelebung der Idee des Contagium animatum der Infectionskrank- heiten. Salisbury. Die Lehre von dem Polymorphismus der Pilze. Wan- delbarkeit der Pilzformen nach dem Substrat. Hallier's System. Seine Versuche, einen genetischen Zusammenhang von Pilzen, Hefen und Bac- terien durch die Kulturmethode nachzuweisen. Hallier's Untersuchungen über die Aetiologie der Infectionskrankheiten. Enthusiasmus der Aerzte. Zurückweisung der HALLiER'schen Pilzkulturen durch De Bart. Ableh- nung jeden Zusammenhanges zwischen Pilzen und Bacterien durch Hoff- mann, Rindfleisch, Burdon-S Anderson, Manassein und Ferdinand Cohn. Reaction gegen die HALLiER'schen Contagien-Pilze 75 SIEBENTE VORLESUNG. Hallier's „Micrococcus" und Chauveau's Nachweis der corpusculären Natur der Infectionsstoft'e. Auffinden von „Micrococcus, granulations, Bacterien, Bacteridien" bei zahlreichen Krankheiten. Ungenügende Kriterien für die belebte Natur der aufgefundenen Gebilde. Verwechselungen mit unbelebten Körperchen. Uebertragungsversuche auf Thiere. Mangelhafte Beweis- X Inhaltsverzeichni8s Sdile kraft derselben. Nachweis chemischer Gifte in faulenden Substraten durch Panum, Bergmann und Schmiedeberg, Sonnenschein und Zülzer. Nach- weis typischer Mikrokokken- Herde in inneren Organen durch von Reck- linghausen, Waldeyer, Weigert. Klebs' Microsporon septicum. Ana- tomischer Nachweis desselben. Tiegel's Filtration infectiöser Secretc durch Thonzellen. Klebs' „fractionirte Kultur". Klebs' Kulturen in Gallertekammern. Längstheilung der Bacterien. Mikrokokken-Kolonicen, gelbe Körper, homogene Plasmaschicht. Vergleichende Kultur des Diph- therie-Pilzes. Klebs' Kulturversuche ausser von Letzerich von keiner Seite bestätigt. Seine anatomischen Untersuchungen anerkannt. Hueter's Monadenlehre. Einwürfe gegen die spocifische pathogene Bedeutung der in den Organen nachgewiesenen Organismen. Deren Identität mit Fäul- nissorganismen behauptet. Bei allen Krankheiton identische Organismen gefunden. Nothwendigkeit des Nachweises specitischer Unterschiede unter den bei verschiedenen Krankheiten gefundenen Organismen 80 ACHTE VORLESUNG. Thatsachen, welche für die Verschiedenheit der niederen Organismen spra- chen. Die Fäulniss zerstört die Infectionsstoffe. Davaine. Birch-Hirsch- peld. Morphologisch eigenartige Gebilde. Die Sarcine. Trecdl's Amylo- bacter. Die Organismen der blauen und der gelben Milch, des Rothwer- dens der Speisen, des blaugrünen Eiters. Kulturen der Pigmente auf festem Nährboden. Hoffmann's Dunstrohr zur Reinkultur. Schroeter's Kulturen der verschiedenfarbigen Pigmente auf gekochten Kartoffeln. Seine Unterscheidung der verschiedenen Arten nach Farbstoff bildung und Be- weglichkeit ... 104 NEUNTE VORLESUNG. Ferdinand Cohn's System. Seine Untersuchungen über die Ernährung der Bacterien und ihre Wirkungsweise . . .... 115 ZEHNTE VORLESUNG. Einwände gegen das CoHN'sche System. Klebs' Mikrobacteria. Seine Mi- krosporinen und Monadinen. Spätere Anerkennung der Genera Micro- coecus und Bacillus durch Klebs. Sein Micrococcus vaccinae et variolae. Sein und Tommasi-Crudeli's Malaria-Bacillus. Sein Typhus- und Diph- therie- Bacillus. Ray-Lankester's peach-coloured Bacterium. Lister's Untersuchungen über den Einfluss des Nährsubstrates auf Form, Be- weglichkeit und Fermentthätigkeit der Bacterien und deren wichtige Con- sequenzen für die Entstehung der Wundinfectionskrankheiten. Die Unter- suchungen Cohn's über den Brunnenfaden. Aehnlichkeit der Gonidicn der Crenothrix mit manchen Bacterien . .... 129 ELFTE VORLESUNG. Billroth's Coccobacteria septica. Die Beziehungen der Coccobacteria zu den Infectionskrankheiten. Vibchow's diesbezügliche Anschauungen. Die Entdeckung der Spiralfäden im Recurrensblut durch Obehmeier. Cohn hält seinen Standpunkt Billroth und auch Ray-Lankestkr gegenüber aufrecht. Beschreibt zahlreiche neue Arten. Vereinigt die Bacteriaceen und Phycochromaceen wegen ihrer unzweifelhaften nahen Verwandtschaft zu einer gemeinsamen. Gruppe und stellt diese unter der Bezeichnung Schizophytae den höheren Pflanzengruppen gegenüber . .... 142 ZWÖLFTE VORLESUNG. Entdeckung einer besonderen Fruchtform bei der Gattung Bacillus durch Cohn. Robert Koch erkennt die Milzbrandstäbchen als eine Inhaltsverzeichniss. XI besondere pathogene Bacillus- Art und begründet dieAetio- logie der Milzbrand-Krankheit auf die Entwickelungsge- schichte des Bacillus Anthracis. Bedeutung seiner Entdeckung für die Aetiologie der Infectionskrankheiten. Paul Berts Untersuchungen über das Milzbrandvirus. Pasteur widerlegt Paul Bert, bestätigt sämmt- lichc von Koch gefundenen Thatsachen, entdeckt den „vibrion septique" 104 DREIZEHNTE VORLESUNG. Rückblick auf die Lehre von den pathogenen Bacterien. Cohn's Unter- scheidung zwischen pathogenen und saprogenen Bacterien. Die Bacterien- funde häufen sich. Die bei den verschiedensten Krankheiten gefundenen Bacterien sind weder durch die Form, noch durch die Kultur, noch durch das Thierexperiment zu unterscheiden. Annahme der Identität aller jener und der Fäulnissbacterien. Die gleichen Bacterien können nicht die ver- schiedenen Krankheiten erzeugen. Die Bacterien fehlen in vielen Fällen, oder stehen ihrer Zahl nach in keinem Verhältniss zur Schwere der Affection, können mithin keine ätiologische Bedeutung haben. Fäulniss- processe an den Wunden. Alte Annahme, dass Fäulniss die Ursache der Wundkrankheiten. Beweis dafür die Thierversuche und die antiseptische Behandlung Lister's. Fäulniss ist durch Keime bedingt, also auch die Wundfäulniss. Wie ist die Entstehung der verschiedenen Wundkrank- heiten beim Menschen und die verschiedenartige Wirkung der Faulniss- stoffe auf Thiero zu erklären? Entweder durch Verschiedenheit der Bacterien in den Fäulnissstoffen — dafür fehlt der Beweis, oder durch andere ausserhalb der Bacterien liegende Momente: durch quantitative und qualitative Verschiedenheiten der chemischen giftigen Producte der Fäulniss. Samüel's Erklärung. Billroth's Anschauung. Die verimpf- bare Sopticämie und die zunehmende Virulenz des septieämischen Durch- gangsblutes. Widerstreit der Ansichten, ob die Septicämie durch ein vitales Agens oder durch ein Ferment bedingt sei. Die Frage bleibt unentschie- den. Fäulnissbacterien und Septicämie -Bacterien werden für identisch angesehen. Wirken isolirte Bacterien pathogen ? Versuche die Bacterien von ihrem Nährboden abzutrennen durch Gefrierenlassen und Wiederauf- thauen, Filtration, Diffusion. Wirkungen von Kulturen der Bacterien in PASTEüR'scher Nährlösung. Hiller's Versuche: Auswaschen der isolirten Bacterien. Unwirksamkeit der „reinen Bacterien" im Körper von Mensch und Thier. Unschädlichkeit derselben für Wunden. Ranke's Untersuch- ungen über Bacterien unter dem LisTER'schen Verbände. Nach Hiller ist die „septische Infection" keine Mycose, sondern eine Intoxication; ebenso sind auch nach seiner Ansicht die Septicämie und das Erysipel durch chemische Gifte bedingt. Hiller glaubt mit Billroth und Tiegel an eine Präexistenz von Bacterien im lebenden Körper. Die Bacterien vermehren sich nur dann, wenn an einer Stelle physikalische oder che- mische Störungen eingetreten sind. Die Bacterien sind stets die Folge, niemals die Ursache von Erkrankungen 179 VIERZEHNTE VORLESUNG. Die weitere Entwickelung des Bacterienstreites. Viele Forscher finden keine Bacterien im Blut und in den Geweben des gesunden Körpers. Die Ver- suche von Traube und Gscheidlen und von Landau. Panum's An- schauungen. Pandm will die „putride Intoxication" streng von der „Septi- cämie" trennen. Hiller's Gegner. Klebs' Einwände. Weigert's ein- gehende Kritik aller gegen die Existenz speeifischer Arten unter den Bacterien beigebrachten Gründe. Hiller's Replik. Weigert's Duplik. Die neue Aera beginnt mit der Einführung neuer Untersuchungs-Methoden in die Bacterienforschung . . 199 XII Inhaltsverzeichniss. Seite FÜNFZEHNTE VORLESUNG. Die Färbungsmethode zur Unterscheidung der Bacterien in Geweben. Wei- gert's Carolin-, Hämatoxylin- und Methylviolett- Färbungen. Die erste Färbung der Bacterien in Flüssigkeiten durch Hoppmann. Salomonsen's Methode der Färbung der Bacterien unter dem Deckglas mit schwefel- saurem ltosanilin. Robert Koch's Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der Bacterien. Salo- monsen's Methode zur Isolation differenter Bacterienformen. Lister's Me- thode der Gewinnung isolirter Bacterien aus Bacteriengemischen. Prak- tische Verwerthung seiner Methode. Reinkultur des Bacterium lactis. Lister widerruft seine früheren Angaben über die Veränderlichkeit der Bacterien der sauren Milch je nach dem Nährsubstrat. Er erkennt an, dass sein Irrthum durch die Beimischung anderer Bacterienarten zu dem Bacterium lactis veranlasst war 213 SECHSZEHNTE VORLESUNG. Die Untersuchungen Koch's über die Aetiologie der Wundinfectionskrank- heiten. Kocn erkennt das WEiGERT'sche Kernfärbungsverfahren als die beste Methode zum Nachweis der Mikroorganismen in Geweben. Ver- wendet den ABBE'schen Beleuchtungsapparat und die Oel- Immersionssysteme von Zeiss zur Untersuchung der ge- färbten Objecte. Beschreibt eine Methode zur isolirten Färbung von Bacterien in Gewebsschnitten. Er erzeugt durch Injection faulender Substanzen bei Mäusen zwei, bei Kaninchen vier klinisch scharf von einander unterschiedene Infectionskrankheiten und beweist, dass eine jede durch eine ganz specifische, mit ganz besonderen morphologischen und biologischen Eigenschaften ausgestattete Bacterie erzeugt wird. Koch zeigt, dass es keinen besseren Kulturapparat für pathogene Bacterien giebt, als den Tbierkörper. Schlussfolgerungen Koch's aus seinen Ver- suchen. Er liefert den Beweis , dass es pathogene und nicht pathogene Bacterien giebt, welche nur das mit einander gemein haben, dass sie neben einander in demselben Substrate gedeihen. Er betont, dass die früheren Versuche, in welchen dieses verschiedene Verhalten der Bac- terien nicht berücksichtigt war, zu einem Beweise für oder gegen den Parasitismus der Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden können. — Koch erkennt das Gesetz von der progressiven Virulenz des septi- cämischen Blutes nach seinen Versuchen nicht an. Die grösste Virulenz ist erreicht, sobald die Septicämiebacterien sich in Reinkultur im Blute linden. Gapfky zeigt, dass dieses sogenannte Gesetz aus den Davaine- schen Versuchen von anderen Forschern irrthümlich abgeleitet ist. Die exacten Arbeiten Koch's über die Aetiologie der künstlichen Wund- infectionskrankheiten sind von grundlegender Bedeutung für die weiteren Forschungen auf dem Gebiete der Aetiologie der Infectionskrankheiten 228 Erste Vorlesung. Die Entdeckung der mikroskopischen Organismen und die Entwickelung der Pathologia animata im 17. und 18. Jahrhundert. „Dass die Luft, das Wasser und die Erde von unzählbaren In- secten wimmelt, ist so sicher, dass der Beweis dafür sogar dem Auge vorgeführt werden kann. Bekannt war es auch bisher aller Welt, dass Würmer aus faulenden Körpern entstehen; aber erst nach der bewundernswerthen Erfindung des Mikroskopes hat man erkannt, dass alle faulenden Stoffe von einer zahllosen Brut mit dem nicht bewaffneten Auge nicht wahrnehmbarer Würmer wimmeln : was auch ich niemals geglaubt haben würde, wenn ich nicht durch häufige, viele Jahre hindurch wiederholte Versuche die Ueberzeugung davon gewonnen hätte." Mit diesen vor 230 Jahren niedergeschriebenen Worten verkün- dete der berühmte, hochgelehrte Presbyter aus der Gesellschaft Jesu Athanasius Kikcheeus ') die Entdeckung einer neuen Welt von lebenden Wesen, deren Dasein wohl von erleuchteten Köpfen geahnt, ja postulirt worden war, deren Existenz aber erst mit Hülfe des im Anfange des 17. Jahrhunderts erfundenen Mikroskopes bewiesen weiden konnte. Nähere Angaben über diese Würmer, welche in fau- lendem Fleisch, in der Milch, im Essig, im Käse u. s. w. unter dem Mikroskop zum Vorschein kommen, konnte Kircher nicht machen. Sein Mikroskop, welches in einer auf der einen Seite sphärisch, auf der anderen hyperbolisch geschliffenen Linse bestand 2 ) (s. Fig. 1), 1 ) Athanasii Kircheri e Soc. Jesu Scrutinium physico-medicum contagiosae luis quae dicitur pestis, quo origo, caussae, signa, prognostica pestis nee non in- solentes maliguantis naturae effectus, qui statis temporibus, Caelestium influxuum virtute et efficacia tum in elementis tum in epidemiis hominum animantiumque morbis eluceseunt, una cum appropriatis remediorum Antidotis nova doctrina in lucem eruuntur. Cum praefatione D. Christiani Langh professoris medici in Acad. Lipsiensi publ. Lipsiae 1671. 2) Athanasius Klrcherus: Ars magna lucis et umbrae in 10 libros digesta etc. Kouiae 1646 sumpt. Herrn. Scheus. Löffle r, Vorlesungen. 1 2 Kibcheb's Mikroskop; seine Pestwürmchen. zeigte die Objecte 1000 mal grösser als sie wirklich waren, millies majora quam in se sunt, gestattete mithin nur eine etwa 32 malige lineare Vergrösserung. Es genügte eben um wahrzunehmen, dass in allen faulenden Substanzen „Würmer" vorhanden waren. War nun schon diese Entdeckung an und für sich von dem allergrössten Inter- esse, so erhielt sie noch eine ganz besondere medicinische Bedeutung dadurch, dass Kircher aus derselben sogleich die weitgehendsten Consequenzen zog für die Aetiologie der Krankheiten und zwar speciell der pestartigen Seuche, welche im Jahre 1656 in Italien wüthete. Nach der landläufigen Ansicht der damaligen Aerzte war die Ursache aller Krankheiten eine in den verborgenen Recessus des Körpers stattfindende Fäulniss der Humores; da nun Kircher bei jeder Fäulniss mit Hülfe des Mikroskopes unzählige WUrmchen gefunden Fig. 1. hatte, so erwartete er auch im Blute und Bubonen- Eiter der an einer ganz besonders schlimmen Fäulniss leidenden Pestkranken solche WUrmchen zu finden. Und in der That fand er auch seine Erwar- tungen bestätigt. Blut und Eiter sah er von zahllosen Würmchen erfüllt: ja er vermochte dieselben sogar vielen glaubwürdigen Män- nern zu demonstriren. „Vielleicht", ruft er aus, „wird dies manchen Aerzten wunderbar erscheinen; aber sie mögen wissen, dass viele Dinge in der Natur verborgen sind, unbekannt den Alten wie den Modernen, welche gleichwohl der hohe Scharfsinn dieser Zeiten mit Hülfe des bewaffneten Auges entdeckt und wie man zu sagen pflegt, ad oculum demonstrirt hat." Der Beweis für das contagium anima- tum schien somit erbracht zu sein. Den Mikroorganismus, welcher die Bubonenpest erzeugt, hat Kircher indessen nicht aufgefunden, er harrt noch heute seiner Entdeckung; Fantasiegebilde aber waren die Würmchen, welche er gesehen, keineswegs: ohne jeden Zweifel hat er die zu jener Zeit noch nicht entdeckten Blut- und Eiterkör- perchen mit seinem Mikroskope gesehen und für WUrmchen gehalten. Christian Lange's Pathologia animata. 3 Der Eindruck, welchen Kiechee's Buch : Scrutinium physico-me- dicum contagiosae luis, quae dicitur pestis damals gemacht hat, muss ein sehr tief gehender gewesen sein, denn der Professor der patho- logischen Anatomie in Leipzig, Christian Lange Hess dasselbe im Jahre 1671 abdrucken und empfahl es in einer begeisterten Vorrede der studirenden Jugend zum Studium. In dieser Vorrede gab er zu- gleich seiner und seines Freundes Hauptmann Ansicht über die Entstehung der zu jener Zeit epidemisch auftretenden Purpura der Wöchnerinnen dahin Ausdruck, dass diese nichts anderes sei, als eine hochgradige, durch Würmchen veranlasste Fäulniss der zurück- gehaltenen Lochien. In derselben Vorrede nimmt er noch für viele andere Krankheiten, wie Masern, Pocken, Petechial- und andere Fie- ber, dieselbe Aetiologie in Anspruch. Ja auch hartnäckige Cephal- algien, schmerzhafte Pleuritiden, schmerzhafte Magen- und Darm- leiden, epileptische Krämpfe und gichtische Qualen führt er zurück auf belebte Exhalationen und Effluvien, welche sich nach seiner An- sicht an die nervenreichen und häutigen Theile wie ausserordent- lich klebrige Stoffe ansetzten und diese durch fortwährende Stiche und Bisse zerstächen und zerrissen, eine Anschauung, in welcher Lange durch das häufige Auffinden von wirklichen Würmern in allen möglichen Theilen des Körpers nur bestärkt werden konnte. Wir haben somit bereits in der Mitte des 17. Jahrhunderts eine an- scheinend sogar durch mikroskopische Untersuchungen wohl be- gründete Pathologia animata vor uns. Ihre Begründung muss in- dessen selbst den Zeitgenossen nicht genügend erschienen sein, da sie nicht zu allgemeiner Anerkennung gelangte. Es fehlte eine nähere Kenntniss der mikroskopischen Würmchen. Der erste nun, welcher einen tieferen Einblick that in die Welt der kleinen, dem unbewaffneten Auge unsichtbaren Wesen, war Antony van Leeuwenhoek : '), ein einfacher Privatmann zu Delft in Holland, welcher während seiner Lehrzeit als Lehrling in einem Leinewandgeschäfte zu Amsterdam die Kunst kleine Glaslinsen zu schleifen erlernt hatte und später seine ganze Müsse darauf ver- wandte, möglichst kleine Linsen zu schleifen und zu poliren, um mit ihnen alle ihn umgebenden Gegenstände zu betrachten. Mit zu- 3) Arcana naturae detecta ab Antonio van Leeuwenhoek. Delphis Batavo - rum 1695. — Anatomia seu interiora rerum cum animatarum tum inanimatarum, ope et beneficio exquisitissimorum microscopiorum detecta, variisque experimentis de- monstrata, una cum discursu et ulteriore delucidatione epistolis quibusdam ad celeberrimum, quod Serenissimi Magnae Britanniae Kegis auspicio Londini floret, 1* 4 Leeuwenhoek's Mikroskope. nehmender Geschicklichkeit gelang es ihm, so kleine Linsen fehler- frei herzustellen, dass sie stärker vergrösserten als alle bis dahin angefertigten einfachen Linsen und Linsen-Combinationen. Diese Linsen montirte er dann zwischen zwei Kupfer-, Silber- oder auch Goldplatten (Fig. 2). Auf der einen Seite der Platte brachte er ein kleines Tischchen an, welches durch zwei Schrauben vor der Linse in die Höhe bewegt, resp. von derselben entfernt werden konnte, so dass die auf dem Tischchen an einem Stachel befestigten Objecte genau in den Focus der Linse zur Einstellung ge- langten. Bisweilen hielt er es für vortheilhaft, die Linse in der Mitte *4 E? Fig. 2. Fig. 2 a. Fig. 3. eines Hohlspiegelchens zu befestigen, um die Objecte mit Hülfe des- selben zu beleuchten (Fig. 2a). Mit diesen seinen einfachen, aber ausgezeichneten Mikroskopen gelang es dem wissenschaftlich zwar nicht vorgebildeten, dafür aber mit einer seltenen Beobachtungsgabe ausgestatteten Forscher eine solche Fülle von grundlegenden That- sachen zu entdecken, dass er von der dankbaren Nachwelt mit vollem Rechte der „Vater der Mikrographie" genannt worden ist. Erst in seinem 41. Lebensjahre trat er mit seinen Beobachtungen an die Oeffentlichkeit. Er legte dieselben nieder in einer langen Folge von Philosophorum collegium datis comprehensa ab Antonio a Leeuwenhoek, ejusdem Regiae societatis Symmyste. Lugduni Batavorum. 1687. apud Cornelium Boutesteyn, bibliopolam. — Antonii a Leeuwenhoek regiae, quae Londini est, societatis collegae epistolae physiologicae super compluribus naturae arcanis. Delphis 1719. Biech: The history of the royal society of London. 1757. vol. IV. p. 346. Antoni van Leeuwenhoek verehrend erdacht door Isaac van Hastert. 1823. P. J. Haaxman: Antont van Leeuwenhoek de ontdekker der infusorien. Leyden 1875. Die Entdeckung kleinster Thierchen im Wasser, im Zahnschleim. 5 Briefen an die Royal society in London, mit welcher er durch Ver- mittlung seineä Freundes Regniee de Gräap in Beziehung getreten war. Mitte September 1675 entdeckte er im Regen wasser lebhaft sich bewegende Thierchen von so ausserordentlicher Kleinheit, dass der berühmteste Mikroskopiker der damaligen Zeit, Robert Hooke, mit seinen besten, aus geschmolzenen Glaskiigelchen hergestellten Linsen erst nach Jahre langen, mühevollen Untersuchungen ihr Vor- handensein bestätigen konnte. Auch im Seewasser, im Brunnenwasser, in Aufgüssen von Pfeffer, im Darmkanal der Pferdefliege, der Frösche, Tauben, Hühner, sowie in seinem eigenen diarrhoischen Stuhle fand Leeuwenhoek Thierchen der verschiedensten Art, welche sich so- wohl durch ihre Gestalt und Grösse, als auch durch die Art ihrer Bewegungen deutlich von einander unterschieden. Eine ganz besondere Art von Thierchen entdeckte er im Jahre 1683, als er von dem zwischen seinen Zähnen trotz sorgfältigster Reinigung vorhandenen weisslichen Material eine geringe Menge mit Regenwasser oder Speichel vermischte und untersuchte. Diese überaus wichtige Beobachtung, welche Leeuwenhoek mit wahrhaft klassischer Objectivität in einem Briefe an die Royal so- ciety vom 14. September 1683 geschildert hat, ist von ganz beson- derem Werthe dadurch , dass sie durch Abbildungen der Thierchen illustrirt ist (Fig. 3). Dieselben lassen keinen Zweifel darüber zu, dass Leeuwenhoek mit seinen einfachen Linsen in der That die ver- schiedenen Formen der jetzt so genannten Bacterien gesehen und richtig erkannt hat. „Mit grosser Bewunderung sah ich", schreibt Leeuwenhoek, „dass überall in dem genannten Material viele sehr winzige Thierchen enthalten waren, welche sich auf die ergötzlichste Weise bewegten. Die grösste Art war ähnlich der Fig. A. Sie zeig- ten die lebhafteste und schnellste Bewegung und bewegten sich durch das Wasser oder den Speichel, wie ein Raubfisch durch das Wasser schiesst; sie waren wenn auch überall, so doch wenig zahlreich. Die zweite Art war ähnlich der Fig. B. Diese drehten sich oft im Kreise herum nach Art eines Kreisels, und bisweilen beschrieben sie eine Bahn, wie in C und D gezeigt ist: diese waren in grösserer Zahl vor- handen. Die Figur der dritten Art konnte ich nicht deutlich unter- scheiden: denn bald schienen sie länglich rund, bald vollkommen rund zu sein ; sie waren so winzig klein, dass sie nicht grösser er- schienen als Fig. E, und ausserdem bewegten sie sich so schnell vor- wärts, dass sie durcheinander geriethen: sie boten ein ähnliches Bild wie eine grosse Zahl durcheinander tanzender Mücken oder Fliegen. Diese machten mir den Eindruck, dass ich glaubte, ich sähe einige 6 Form der kleinsten Thierchen. Tausende in einem beliebigen Theil des Wassers oder Speichels, welcher mit einem Theilchen des oben genannten Materiales nicht grösser als ein Sandkorn vermischt war, selbst wenn auf neun Theile Wasser oder Speichel nur ein Theil des aus den Schneide- oder Back- zähnen entnommenen Materiales kam. Ferner bestand die Haupt- menge des Materiales aus einer ausserordentlichen Menge von Strichen, welche in ihrer Länge zwar sehr verschieden, jedoch von ganz glei- cher Dicke waren. Einige waren gebogen, einige gerade, wie in Fig. F; sie lagen ungeordnet und unter sich verschlungen. Da ich früher Thierchen von derselben Form im Wasser lebendig gesehen hatte, suchte ich mit aller Anstrengung zu beobachten, ob in ihnen Leben wäre: allein ich konnte keine, auch nicht die geringste Be- wegung als Zeichen irgend welchen Lebens erkennen." Als dann Leeuwenhoek Theilchen von dem Material zwischen den Zähnen eines alten Mannes, welcher sich niemals die Zähne reinigte, in glei- cher Weise untersuchte, fand er „eine unglaubliche Menge lebender Thierchen, welche schneller schwammen als die bis dahin von ihm beobachteten. Die grösste Art, welche in grosser Zahl vorhanden war, bogen bei der Fortbewegung ihre Körper wie in Fig. G. Ausser- dem waren andere Thierchen in so grosser Zahl vorhanden, dass das ganze Wasser zu leben schien." Wenn man nach dieser letzten Angabe noch im Zweifel sein kann, ob Leeuwenhoek ausser den rundlichen, Stäbchen- und faden- förmigen auch schraubenförmige Thier- X\,_S. cnen gesehen hat, so muss doch die- ■dig'X ser Zweifel schwinden vor der Beschrei- bung, welche er in einem Briefe vom v = 1. October 1092 von solchen Gebilden N tT^ gegeben hat. In diesem Briefe spricht er zuerst von den kleinsten runden Thier- chen, deren Axe tausendmal kleiner sei, als die Axe eines feinen Sandkörnchens ; Fig. 4. dann beschreibt er Thierchen, welche et- was dicker wie die runden und 5—6 mal sojang als breit waren, welche gleichmässig dick keinen Unterschied zeigten zwischen vorderem und hinterem Körperende und bei der Fortbewegung, welche sehr langsam war und nur durch eine Bie- gung des Körpers zu geschehen schien, bald dieses bald jenes Theiles sich bedienten (Fig. 4A). Ausser diesen beobachtete er nun aber noch Thierchen von etwa gleicher oder auch etwas grösserer Länge wie die vorhergehenden. Diese bewegten ihren Körper in starken Bie- <&•« Herkunft der Thierchen. 7 gungen im Verhältniss zu den ersteren und erzeugten durch ihre Biegungen, indem sie bald schwimmend sich vorwärts, bald rück- wärts bewegten und besonders indem sie sich der Länge nach zu- sammen rollten (juxta longitudinem se convolventia), eine so lebhafte Bewegung, dass er sie nicht ohne Bewunderung und Ergötzen immer wieder betrachtete. Dabei bemerkte er, dass die kleinsten Thierchen, welche um sie herum schwammen, so von ihnen weggeschleudert wurden, wie etwa ein Schmetterling in einem Mückenschwarm die Mücken mit seinen Flügeln wegschleudern würde (Fig. 4 B). Weiter sah er dann auch noch Thierchen von gleicher Dicke, aber verschie- dener Länge (Fig. 4C), welche ihre Körper sehr langsam und träge bogen (vidi ea corpora sua lente admodum et flexu admodum lan- guido inflectere), sowie noch längere, theils gerade, theils gebogene bewegungslose Thierchen (Fig. 4D). Dass Leeuwenhoek bei den in Fig. 4 B abgebildeten Thierchen eine andere als eine einfache Schlan- genbewegung gesehen und auch zu schildern beabsichtigt hat, dürfte auch daraus hervorgehen, dass er diese Art der Bewegung bereits früher im Jahre 1687 in seinem Werke: Anatomia seu Interiora rerum treffend beschrieben hat. Er berichtet daselbst S. 38 in einem Briefe an Robert Hooke über Thierchen in seinem eigenen diarrhoischen Stuhl „habentia figuram ad instar anguillarum in fiuminibus nostris", welche sich schnell bewegten und ihre Körper nach Art der Vipern bogen (incurvabant corpora sua viperarum ad instar). Ansichten über die Bedeutung der von ihm gefundenen Thier- chen im Haushalte der Natur finden wir in den Schriften Leeüwen- hoek's nicht dargelegt. Er begnügte sich damit ihre Existenz ge- funden zu haben. Ueber die räthselhafte Herkunft der Thierchen im Munde schien ihm eine im Jahre 1713 gemachte Beobachtung Auf- schluss zu geben. Er fand im Monate August auf einem Vivarium in seinem Garten ein grünlich schillerndes, äusserst zartes Häutchen, während er sonst keine Pflanzen darin bemerkte. Er berührte mit einem Stäbchen die Oberfläche des Wassers und beobachtete in dem entnommenen Wassertropfen eine ausserordentliche Menge mit dem Mi- kroskop kaum erkennbarer Thierchen. Spült nun jemand, so schliesst er, Trinkgefässe in einem solchen Wasser aus, so werden wer weiss wie viele Thiere an denselben hängen bleiben und einige davon gewiss in den Mund des aus diesen Gefässen Trinkenden hinein- kriechen. Auf diese Weise erkläre sich zur Genüge die Anwesenheit der Thierchen in der Substanz zwischen den Zähnen. An die Mög- lichkeit, dass derartige Thierchen bei ihrer ausserordentlichen Klein- heit etwa in das Blut eindringen könnten, hat er wohl gedacht, in- 8 Die kleinsten Thierchen als Krankheitserreger. dessen weist er eine solche Annahme von der Hand, weil er „die Gef ässe, welche das Material aufnehmen, aus welchem das Blut, das Fett u. s. w. gemacht wird", für so eng hält, dass ein solches Thier- chen, selbst wenn es noch tausendmal kleiner wäre, wegen seiner Grösse nicht hindurch wandern könnte. Die Entdeckung der mikroskopischen Thierchen, namentlich der Thierchen in Pfefferaufgüssen, wurde schnell überall bekannt. Bereits im Jahre 1679 wurden, wie wir aus einer Mittheilung des kurfürst- lich brandenburgischen Leibarztes Johann Sigismund Elsholz an die Academia naturae curiosorum ersehen 4 ), Microscopia globularia, Mikroskope mit Glaskügelchen als Linsen, in Paris feilgeboten, durch welche man diese Thierchen sehen konnte. Es kann daher nicht überraschen, dass die Thierchen, nachdem sie aller Welt bekannt geworden waren, von Neuem für die Erklärung zahlreicher Krank- heiten in Anspruch genommen wurden. Nicolas Andry 5 ) glaubte, dass die Luft, das Wasser, der Essig, der gährende Wein, das alte Bier, der Cider, die saure Milch voll von Keimen wären, dass das Blut, der Urin, die Pusteln der Pockenkranken deren enthielten, dass es bei den venerischen Krankheiten fast keine Körperstelle gäbe, welche nicht von den kleinen unwahrnehmbaren Würmchen ange- fressen würde, eine Ansicht, welche auch Hartsoeker theilte. Man fand es daher auch ganz erklärlich, dass man sie nur durch den die Würmer tödtenden Mercur heilen könne. Lancisi 6 ) schrieb die Schädlichkeit der Sumpfluft unsichtbaren Thierchen zu, wie bereits Varro 7 ) vor ihm gethan. Vallisneri b ) und später Goiffon !) J und Lebegne 10 ) nahmen an, dass die Pest in Toulon und Marseille im 4) Joh. Sigismund Elsholtius : Ephemerid. Nat. Cur. Decur. I. Ann. 9. Obs. 115. 1679. 5) Nie. Andry: De la g<5ne>ation des vers dans le corps de l'homme. Amster- dam 1701. Daselbst die Ansicht von Hartsoeker. 6) Jo. Maria Lancisi: Opera omnia collegit et in ordinem digessitP. Assaltus. 2tom. Genev. 1718. Tractatus de noxiis paludum effluviis üb. I. parsl. cap. XVIII. 7 1 Marcus Terentibs Varro, geb. 1 16 v. Chr. zu Reate. De re rustica lib. I. 1 2 : si qua sunt loca palustria creseunt animalia quaedam minuta, quae non possunt oculi consequi sed per aera intus in corpus per os et nares perveniunt atque efficiunt difficiles morbos. 8) Akt. Vallisneri : Opere fisico-mediche. 3 tom. Venezial733. — Considerazione ad esperienze intorno alla generazione dei vermi 1710, cit. nach Ehrenberg, Infusionsthierchen praef. VIII. 9) Goiefon: Observation faites sur la peste de Marseille 1721, cit. nach Ehrenberg ibid. 10) Lebegne: An pestis Massiliensis e seminio verminoso 1721, cit. nach Ehrbnbeeg ibid. Linne's Gattung „Chaos". 9 Jahre 1721 durch solche Thierchen erzeugt würde, kurz, es herrschte eine förmliche Manie, überall Würmer zu wittern, deren Vorhanden- sein man jedoch nicht bewies, sondern nur aus der Analogie der in den Wässern wirklich gefundenen erschloss. Es konnte nicht aus- bleiben, dass die unsichtbaren Würmer ein Gegenstand des Spottes wurden. Bereits im Jahre 1726 erschien in Paris ein satirisches Buch ' '), in welchem die Würmer nach den verschiedenen Krank- heiten als Ohnmachtler, Leibkneifler, Schwärler, Thränenfistler, Wol- lüstler, Durchlauf ler u. s. w. benannt und abgebildet wurden, wo- durch die ganze Richtung als lächerlich an den Pranger gestellt wurde und in Misscredit gerieth. Gleichwohl blieb die Idee des Contagium animatum in einzelnen Köpfen lebendig. Selbst der grosse Linne 1 ' 2 ), welcher nicht geübt im Gebrauche des Mikroskopes und voll Misstrauen gegen alle mit demselben gemachten Beobachtungen, die ganze Welt der kleinsten Lebewesen unter einer einzigen Gattung „Chaos" in bezeichnender Weise zusammenfasste , konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es ausser dem Chaos infusorium noch belebte Theilchen in der Welt gäbe, welche vielleicht auch zu diesem Geschlechte gehörten, aber noch nicht entdeckt und genügend untersucht seien, als da sind: 1. Die Ansteckung derjenigen Krankheiten, welche mit einem Ausschlage verknüpft sind, 2. der Zunder der hitzigen Fieber, 3. das Gift der Venusseuche, 4. die von Leeuwenhoek entdeckten Samenthierchen, 5. das Flockengewebe, welches im Frühjahr in der Luft hängt, und endlich 6. das was die Gährung und Fäulniss verursacht. Wie lebhaft seine Fantasie von der Vorstellung belebter Krankheits- erreger erfüllt war, zeigt ganz besonders seine Erzählung von der Furia infernalis, einem bösartigen Wesen, welches in Norwegen aus der Luft auf die Menschen herabstürzen sollte und welches, wie er mit voller Ueberzeugung berichtet, auch ihn auf seinen botanischen 11) Systeme d'un mädecin anglois sur la cause de toutes les especes de maladies, Paris. Recueilli par M. A. C. D., cit. nach Ehhenbebg ibid. 12) C. v. Linne: Vollständiges Natursystem nach der 12. lateinischen Aus- gabe und nach Anleitung des holländischen HoüTTDTNi'schen Werks, mit einer ausführlichen Erklärung ausgefertigt von Ph. Ludw. Statids Müller. Nürnberg 1773 — 76. — Seine ersten Anschauungen, dass kleine Milben die Ursache vieler Krankheiten, der Pocken, Masern, Ruhr, Pest etc. seien, s. in seinen Exanthemata viva. Upsala 1757. 10 Plenciz' Anschauungen über das Wesen des Contagiums. Excursionen in jenen Gegenden angefallen und auf das Krankenlager geworfen habe. Besonders aber war es ein Wiener Arzt, Maecus Antonius Plenciz 1 '), welcher auf der festen Basis der LEEuwENHOEK'schen Entdeckungen stehend, mit grosser Schärfe die Consequenzen dersel- ben für die Aetiologie der contagiösen Krankheiten sowohl, wie auch der Fäulniss entwickelt hat. In seinen Opera medico-physica legte er alle Meinungen dar, welche bis dato über die Entstehung jener Krank- heiten ausgesprochen worden waren. Mit ausserordentlicher Klarheit zeigte er, dass sie alle das Wesen des Contagiums nicht erschöpften, dass allein die Annahme eines „principium quoddam seminale ver- minosum" die Natur des Contagiums, seine schnelle Vermehrung im Körper, seine Verbreitungsfähigkeit durch die Luft, das Incubations- stadium der Krankheiten in befriedigender Weise erkläre. Dieses Seminium sei für jede Krankheit ein besonderes. Wie aus einer Pflanze stets nur diese eine Art entstünde, so entstehe auch aus dem Seminium des Scharlach stets nur das Scharlach, aus dem der Pocken stets nur die Pocken. Was die häufig beobachteten Verschieden- heiten im Auftreten einer Krankheit anlange, so könne man sich vor- stellen, dass die Seminien einer Krankheit sich in ähnlicher Weise verschieden zeigen könnten, wie die verschiedenen Sorten der Birne, des Apfels, der Kirsche. Indessen müsse man doch zugeben, dass die Verschiedenheit häufig von einer gewissen Constitution der Zeit, des Ortes und der Kranken abhänge. Plenciz bestätigte die Beob- achtungen Leetjwenhoek's durchaus; auch er fand in allen faulenden Dingen unzählige Animalcula und kam hinsichtlich der Entstehung der Fäulniss zu dem Schluss: dass „dann ein Körper in Fäulniss ge- räth, wenn ein wurmiges Gesäm sich zu beleben, zu entwickeln und zu vermehren beginnt: denn diese Thierchen entleeren viele aus fluchtigem Salz bestehende Excremente, desgleichen viele neue für die weitere Entwickelung dienende Samen oder Eier, durch welche Flüssigkeiten trübe und übelriechend gemacht, feste Körper aber mehr weniger übelriechend, weich und zerreiblich werden." 14 ) 13) Makc. Anton. Plenciz: Opera medico-physica in 4 tractatus digesta; quorum I contagii morborum ideam novam una cum additamento de lue bovina anno 1761 epidemice grassante sistit, II de variolis, III de scarlatina, IV de terrae motu Vindobonae 1762. 14| „Tunc aliquod corpus putrescere, quando seminium verminosum animari, evolvi et multiplicari incipit: haec enim animalcula egerunt multa excrementa sale volatili constantia, item multa alia seminia seu ovula ulteriori evolutioni inserrientia, ex quibus quae liquida sunt, turbida et male olentia redduntur, solida vero plus minus male olentia, mollia et friabilia fiunt." Abblassen der Idee des Contagium animatum. Ozanam. 1 1 Auch die Wirkung des Brodfermentes schrieb er den darin ent- haltenen Thierchen zu. Wenn er nämlich ein Theilchen des Brod- fermentes und ein Theilchen der Masse, welcher das Brodferment zugesetzt war, nach vorheriger Verdünnung mit Wasser unter dem Mikroskop beobachtete, so fand er in beiden Präparaten dieselben Thierchen: er schloss daraus, dass die ganze Teigmasse die Natur des Fermentes erlangt habe, weil die Thierchen des Fermentes sich in ihr vermehrt hätten. Wie überzeugend auch Plenciz die Vorstellung von dem Con- tagium animatum dargelegt hatte, seine Deductionen konnten, da ihnen in der nächsten Zeit thatsächliche Unterlagen nicht gegeben wurden, und da auch grössere, mörderische Epidemien das Interesse für die- selben nicht wach hielten, nicht verhindern, dass der ganze Ideen- kreis allmählich wieder in Vergessenheit gerieth. Ja man gelangte im Anfange dieses Jahrhunderts sogar dahin, die Idee des Contagium animatum als eine thörichte, längst überwundene geistige Verirrung zu betrachten. So schreibt Ozanam 15 ) im Jahre 1820 in seiner medi- cinischen Geschichte der epidemischen ansteckenden und epizootischeu Krankheiten Bd. I. S. 61 : „Viele Schriftsteller haben über die thie- rische Natur der Ansteckungsstoffe geschrieben. Mehrere haben be- hauptet, dass dieselben sich nicht allein aus der thierischen Substanz entwickeln, sondern dass sie selbst organisch und belebt seien. Vaero, Coltjmella, Luceetius, der Pater Kircher, Lancisi, Vallisneri, Reaumur, Christ, Long, Plenciz, Menuret, Rasori und einige andere haben diese Meinung vertheidigt. Fremont behauptete, die Ansteckungsstoffe entstehen und entwickeln sich in den Körpern durch Fermentation; ich will keine Zeit verlieren, diese abgeschmackten Hypothesen zu widerlegen." Erst in der vierten Dekade unseres Jahrhunderts wurde, wie wir sehen werden, durch das glückliche Zusammentreffen mehrerer wich- tiger Entdeckungen, die Lehre von der Bedeutung der niedersten Organismen für die Entstehung der Krankheiten von Neuem mächtig belebt und auf wissenschaftliche Thatsachen fest begründet. 15) J. A. T. Ozanam: Allgemeine und besonders medicinische Geschichte der epidemischen, ansteckenden und epizootischen Krankheiten, die seit den frühesten Zeiten, besonders seit dem 14. Jahrhundert, bis auf unsere Tage geherrscht haben. Aus dem Französischen mit berichtigenden Anmerkungen und Zusätzen von H. Brandeis. Stuttgart u. Tübingen 1320. Zweite Vorlesung. Beginn des Studiums der niedersten Gebilde. Otto Friedrich Müller's Klassi- ficationsversuch. Die Generatio aequivoca. Bevor wir auf jene denkwürdige Epoche näher eingehen, müssen wir einen Blick werfen auf die Arbeiten der Forscher, welche im 18. und im Anfange des 19. Jahrhunderts sich das Studium der in- teressanten niedersten Gebilde zur Aufgabe gemacht hatten. Das Material, in welchem die mikroskopischen Thierchen jeder Zeit auf- gefunden und studirt werden konnten, Aufgüsse von pflanzlichen und thierischen Producten, stand Jedermann in jedem Augenblicke zur Verfügung. Zahlreiche Freunde der Naturbeobachtung, ganz beson- ders gelehrte Laien, gingen deshalb mit Eifer daran, sich einen Ein- blick in diese neue, überaus interessante Welt der kleinsten belebten Wesen zu verschaffen. Das lebhafte Treiben der mannigfaltigsten Formen in einem winzigen Wassertröpfchen war ein so fesselndes Schauspiel, dass alle die, welche so glücklich waren, ein Mikroskop zu besitzen, gar nicht müde wurden, sich immer wieder und wieder daran zu ergötzen. Ein wissenschaftliches Studium konnte man das Beobachten den Infusorien kaum nennen: es handelte sich dabei für die meisten Beobachter nur um einen interessanten naturwissenschaft- lichen Zeitvertreib. Zudem musste sich bei der noch nicht über- wundenen Unvollkommenheit der Mikroskope die Mehrzahl der Unter- sucher auf die Beobachtung der grösseren Formen beschränken. Nur einzelne Forscher, welche sich wie Leeuwenhoek einfacher Mikro- skope bedienten, drangen etwas tiefer in diesen Formenkreis ein. Mit bewundernswerther Sorgfalt und Ausdauer hat sich vor Anderen der Freiherr von Gleichen gen. Rtjssworm 1 ) die Untersuchung der verschiedensten Aufgüsse angelegen sein lassen. 21 verschiedene Formen hat er gesehen und auch gezeichnet (Fig. 5). Bei ihrer Be- nennung dienten ihm gewisse Eigenthümlichkeiten der äusseren Form und der Art der Bewegung als Grundlagen. So unterschied er z. B. das Strichlein, das Zitterthierchen, das Punktthierchen, das Schlangen- 1) Wilh. Fr. Frh. v. Gleichen gen. Russworm : Ueber die Samen- und In- fusionsthierchen, und über die Erzeugung. Nürnberg 1778. Untersuchungen des Frh. v. Gleichen gen. Russworm. 13 thierchen, die Kettenkugeln, das Kometenthierchen u. s. w. Gleich- wohl stand das wissenschaftliche Ergebniss seiner Arbeiten in keinem Verhältniss zu der unendlichen Mühe und Sorgfalt, welche er auf X Fig. 5. Freiherr von Gleichen gen. Russwobm 1778: 1. Das Vorspiel. 5. Das Cylinderthierchen. 2. Das Naturspiel. 6-iDas Punkthierohen. 3. Das Schlangenthierchen. 7.1 Das Strichlein. 4. Das Kometenthierchen. dieselben verwandt hatte. Ebensowenig haben die zahlreichen Unter- suchungen anderer Forscher des 18. Jahrhunderts: Joblot-), Lesser 3 ), 2) Joblot : Descriptions de plusieurs nouveaux microscopes avec des obser- vations sur une grande multitude d'Insectes qui naissent dans les liqueurs etc. Paris 1716. — Observations d'histoire naturelle etc. Partie dejä publiee par feu M. Joblot, Prof. de Mathem. de l'Acad. de Peinture et de Sculpture : partie r^digge sur les observations posterieures. Paris 1754. 3) Lesser (Pastor in Nordhausen): Insectentheologie 1738. 14 Geringer Fortschritt. Otto Friedrich Müller. Reaumur 1 ), Needham 5 ), Hill 6 ), Baker 7 ), Buffon s ), Ledermüller 11 ), Wrisberg 10 ), Göze"), Corti 12 ), Köhler 13 ), Eichhorn"), Spallan- zani 1 '), Herumann 111 ) u. A. wesentliche Fortschritte in der Kenntniss der kleinsten Wesen gebracht. Der erste, welcher die wissenschaft- liche Erforschung der niedersten Formen angebahnt und nach langen Jahren mühevollster Forschung eine systematische Zusammenstellung aller der verschiedenen von ihm beobachteten Formen nach Linne- schen Principien versucht hat, war — wenn wir von einem wenig bedeutungsvollen Versuche Hill's absehen — der grosse dänische Forscher Otto Friedrich Müller in Copenhagen. In der Vorrede zu seinem grossartigen, leider erst nach seinem Tode durch Otto Fabricius veröffentlichten Werke : Animalcula infu- soria fluviatilia et marina, Hauniae 1786, giebt Müller eine scharfe aber treffende Kritik aller jener früheren Arbeiten. Mit nüchterner Klarheit charakterisirt er jene ganze Epoche als die Epoche der be- wundernden aber urtheilslosen Betrachtung der neuen Formenwelt; namentlich beklagt er es, dass Niemand sich um die Bestimmung der verschiedenen Arten bekümmert habe, so dass man häufig nicht wisse, um welche Art es sich in einem bestimmten Falle gehandelt habe. „Die Meisten", sagt Müller, „haben rein ihre (der mikroskopischen Thiere) Erscheinung angestaunt, einige haben ihrer obenhin Erwähnung ge- than, oder ohne richtige Beschreibung der Art, von welcher die Rede 4) Reaumür: Memoires pour servir ä histoire des insectes. Paris 1734. 5) Needhah, Turbervill : Nouvelles d^couvertes faites avec le microscope, traduites de l'Anglais. Leyde 1747. — Observations upon the generation, composition and decomposition of ani- mals and vegetable substances. London 174'J. — Notes sur les nouvelles däcouvertes de Spallanzani. Paris 1768. 6) Hill: History of animals. London 1752. 7) Cl. H. Baker: The microscope made easy. 1742.— Employment of the mi- croscope. 1745. — Das zum Gebrauch leicht gemachte Mikroskop. Zürich 1753. 8) G. L. le Clerc comte de Butfon : Allgemeine Naturgeschichte. Eine freie mit einigen Zusätzen vermehrte Uebersetzung nach der neuesten franz. Ausgabe von 1769. Berlin 1771—74. 9) Ledermüller: Mikroskopische Gemüths- und Augenergötzungen. 1763. Nürnberg. 10) H. A. Wrisberg: Observationum de animalculis infusoriis satura. Goet- tingae 1765. 11) Göze: Zusätze zu Bonnet's Abhandlungen aus der Insectologie. 1773. 12) Corti: Osservazione microscopiche. 1774. 13) Köhler: Naturforscher. X. 1777. Leipzig. Entdecker der grössten Spirillen. 14) Eichhorn: Kleinste Wasserthiere (1775). 1781. 15) Spallanzani: Opuscules de physique par Sennebier (1776) 1777. 16) Herrmann: Naturforscher. XX. 1784. Müller's „Infusoria"- 15 war, in unbestimmten Redensarten sich ergangen; wenige weiter vor- geschrittene haben sich mit der Erklärung ihrer dunklen Entstehung in mannigfacher Weise abgemüht: alle waren sie von Lekuwenhoek bis zum hochbertih mten Spallanzani während eines ganzen Jahr- hunderts unbekümmert um die genaue Bestimmung der Arten." Und an einer anderen Stelle: „Die Schwierigkeiten, unter welchen die Erforschung der mikro- skopischen Thierchen leidet, sind zahllos; die sichere und scharfe Bestimmung derselben erfordert so viel Zeit, so viel Schärfe der Augen und des Urtheils, so viel Gleichmuth und Geduld, wie kaum etwas anderes mehr. Nichts ist leichter, als die Thierchen zu sehen und sich an ihrer Bewegung und an ihrem Spiel zu ergötzen, aber Unter- schiede in den einfachsten, beweglichsten, veränderlichen, in der Ebene des durch sehr wenige Lichtstrahlen erleuchteten kleinsten Ge- sichtsfeldes jeden Augenblick sich dem Anblick entziehenden Thier- chen wahrzunehmen, diese wahrgenommenen Unterschiede sowie die mannigfaltigen Bewegungen eines jeden mit bezeichnenden Worten zum Ausdruck zu bringen, hierin liegt die Mühe, das ist die Arbeit." 17 ) Und diese Riesenarbeit hat Müller, im Hinblick auf die ihm zu Ge- bote stehenden optischen Hülfsmittel, in wahrhaft staunenswerther Weise bewältigt. Die ganze Schaar der in keiner der Ordnungen der 6. LiNNri'scben Klasse der Würmer unterzubringenden Thierformen fasste er zusammen unter dem Namen „Infusoria". Diese trennte er dann in solche, welche mit äusseren Organen versehen waren, und solche, welchen diese fehlten, und die letzteren weiter noch in häu- tige und dickere, membranacea und crassiuscula. Die crassiuscula ent- hielten die niedrigsten Formen: Monas, Proteus, Volvox, Enchelys und Vibrio. Von der Gattung Monas beschrieb er 10, von der Gat- tung Vibrio sogar 31 Arten. Alle Merkmale, welche sich ihm dar- 17) „Plurimi meris corum imaginibus stupuere, nonnulli eorum obiter meminere vol absque justa descriptione speciei, de qua sermo esset, vaga disseruere, pauci ultra progressi in obscurae generationis explieatione varie desudarunt, omiies a Leeüwenhoek ad clarissimum Spallanzäni usque, saeculari intervallo, de distincta specierum determinatione incuriosi." „Diffieultates, quibus laborat investigatio animalculorum microscopicorum, innumerae, eorundumque certa et distincta determinatio tantum temporis, tantum oculorum judiciique acumen, tantamque animi compositi et patientissimi praesen- tiam requirunt, ut vix aliud supra. Nihil facilius quam animalcula videre eorum- que motu et ludo delectari, differentias vero in bestiolis simplicissimis, agilissimis, mutabilibus, in area minimi campi paucissimis luminis radiis illustrati conspectum omni momento effugientibus percipere, perceptas variosque cujusvis motus verbis significantibus exprimere, hie labor, hoc opus." 16 Unterscheidung der Arten. boten, Form, Bewegung, Fundort, biologische Eigentümlichkeiten, benutzte er zur Unterscheidung der Organismen, welche er beobach- tete. Vorzüglich aber war es die Verschiedenheit der Form, nach welcher er die Arten bestimmte. So unterschied Müllee kreisrunde Formen, punctiformia sphaerica: Monas termo; leicht ovale, latitudine aliquantum longiora : Monas punctum ; figura inter sphaericam et ova- tam media: Monas Lens; ganz kurze Stäbchen, punctuli oblongi: Vi- brio lineola; etwas längere Stäbchen, welche bei der Bewegung ihre Körper in kaum sichtbare Spiralen biegen, im Tode gekrümmte Fäserchen darstellen, lineola longiores, in motu totum corpus in spi- rales flectebant, at flexurae aegre visibiles, mortui fibrillas curvatas referunt: vibrio rugula; an beiden Enden abgeschnittene linienförmige Stäbchen, linearis utrinque truncatus, monade lende dimidio angustior sextuplo et decuplo longior: Vibrio bacillus; eine fadenartige gewun- dene Form mit 2 — 4 Windungen, welche niemals, auch im Tode nicht, sich gerade streckt, in der Ruhe ein o, in der Bewegung ein in vor- täuscht, vibrio filiformis flexuosus, numquam extenditur, in quiete literam v, in motu literam m simulat: Vibrio undula; lange Fäden, welche stumpfwinklige Windungen bilden, ambagibus in angulum obtusum productis, deren Biegungen aber schlangenartig und nicht spiralig sind, flexurae serpentinae non spirales: Vibrio serpens ; end- lich sehr feine Spiralfäden, deren spitzwinklige Windungen 4 — 12 an der Zahl nicht beliebig hervorgebracht werden können, sondern starr bei jeder Bewegung bestehen, haud produci possunt sed rigidi quovis animalculi motu persistunt: Vibrio spirillum. Was die Art der Bewegungen der verschiedenen Organismen anlangt, so beschrieb Müller die wimmelnde, wackelnde, zitternde, schlangenartige, blitz- artige Bewegung. Er beobachtete ferner gewisse biologische Eigen- thümlichkeiten, so die Neigung mancher Organismen sich zu Massen zusammenzuhäufen, Häute zu bilden, an Confervenfäden sich anzu- sammeln (Vibrio undula), sowie das Ausschwärmen aus diesen An- sammlungen. An den längeren Fäden nahm er Knickungen und Theilungslinien wahr. Bei einem linienförmigen , an beiden Enden abgestutzten Stäbchen aus stinkendem Seewasser hat er in der Längs- richtung angeordnete glänzende Ktigelchen beobachtet, medio globu- lis binis (saepe unico) pellucidis, aequalibus secundum longitudinem dispositis, welche ihm auf den ersten Blick Absätze, genicula, vor- täuschten. Nach genauerer Untersuchung schienen sie ihm jedoch etwas Eigenartiges, für bestimmte Organismen Charakteristisches zu sein. Er benutzte sie deshalb als Art-Merkmal für die Aufstellung eines Vibrio bi- resp. tri-punctatus. Vielleicht waren diese glänzen- Mülleb's Abbildungen. 17 den KUgelchen nichts anderes als in den Stäbchen gebildete Frucht- formen, sog. Sporen, deren Bedeutung erst fast ein Jahrhundert später erkannt wurde. Merkwürdiger Weise fiel ihm gerade bei diesen bei- den Gebilden eine gewisse Pfianzenähnlichkeit der Art auf, dass er in ihnen das Verbindungsglied zwischen Thier- und Pflanzenreich er- blickte: „Confervis maxime affines, vegetabilia animalibus jungunt." Müller hat nun aber nicht nur die von ihm möglichst genau beobachteten Organismen beschrieben und benannt, sondern er hat auch vor allem dafür Sorge getragen , und dies ist sein Hauptver- »00 Q>* ■ftt&Kfk&ß «^ **** ^^T 290 mal, b 1 000 mal v e r- Fig. 12. Ehbenberg's Vibrionia. 1. Bacterium trilocularc, dreigliedriges Gliederstäbchen, grössert. 2. Bacterium? Enchelys, monadenartiges Gliederstäbchen, 800 mal vergrossert. 3. Bacterium? Punctum, punktähnliches Gliederstäbchen, 800 mal vergrüssert. 4. Vibrio Lineola, strichfürmiges Zitterthierchen, Strichelchen, a 300 mal, b 800 mal vergrüssert. 5. Vibrio tremulans, geselliges Zitterthierchen, 450 mal vergrossert. 6. Vibrio subtilis, zartes Zitterthierchen, a 300 mal, b und c 800 mal vergrossert. b ist in der Ruhe , c in der Bewegung , bei eintretender Euhe kehrt c in die Form b zurück. 7. Vibrio Rugula, schlängelndes Zitterthierchen. a zeigt eine Gruppe von Thierchen, 300 mal vergrossert, welche um einen schleimigen rundlichen Körper schwärmt und ihn fortbewegt. Die Vordertheile fast aller Stäbchen bewegen sich zur Kugel hin. Die Stäbchen sind Monadenstöcke, a 300 mal, * 800 mal vergrossert. 8. Vibrio prolifer, gegliedertes Zitterthierchen. a 300 mal vergr. ; alle gekrümmten sind in Bewegung, alle geraden ruhend, b ein einzelnes Stäbchen 800 mal vergr. 9. Vibrio Bacillus, stabähnliches Zitterthierchen, a 300 mal, b 800 mal vergr. Die geraden sind in Ruhe, die krummen in Bewegung. Die Gattungen Vibrio, Spirillum und Spirochaeta. 33 10. Spirochaeta plicatilis, wurmfürmiges Schlingenthierchen. Gesellschaftsformen des Schlingenthierchens von verschiedener Länge und in verschiedener Bewegung. a 300 mal, b 800 mal vergrössert. 1 1 . Spirillum tenue, zarte Walzenspirale. Spiralstäbchen verschiedener Grösse in ihren um die Längsachse wälzenden, oft zitternden Bewegungen dargestellt, wie sie bei 300 maliger Vergrüsserung erscheinen. 12. Spirillum Undula, kleine Walzenspirale, a 300 mal, b 800 mal vergrösserte Schrau- ben, c ist die Bewegungslinie eines einzelnen Schraubenstähchens. 13. Spirillum volutans, grosse Walzenspirale, a 300 mal, b und c 800 mal vergrössert. a und b in Petersburg beobachtet, nur '/'J6 Linie gross, c in Berlin in Pflanzen- aufgüssen beobachtet, bis '/« Linie gross. In der Gattung Vibrio finden wir die sechs Arten: lineola, tre- mulans, subtilis, rugula, prolifer und bacillus, von welchen Vibrio lineola, rugula und bacillus bereits von Muelleb aufgestellt waren. Vibrio subtilis, bacillus und prolifer nahmen eine besondere Stellung ein dadurch, dass sie Fäden bildeten, Vibrio rugula wegen seiner deutlichen Schlangenbiegung. Abgesehen von diesen Unterscheidungs- merkmalen dienten Ehrenberg zur Abtrennung der Arten Diffe- renzen in der Länge und Dicke, Differenzen, welche jedoch bei den einzelnen Arten innerhalb so weiter Grenzen sich bewegten, dass die grösseren Formen der einen Art noch grösser waren als die klei- neren Formen der anderen. — Die Bestimmung der Arten war somit eine recht zweifelhafte. Dies empfindet Ehrenberg auch selbst; so sagt er: „die Unsicherheit in der Benennung dieser Formen beruht auf den noch nicht hinreichend scharf ermittelten charakteristischen Merkmalen der Arten. Die von den lebenden Thieren von mir ge- nommenen Zeichnungen und Maasse sind das Leitende für meine Urtheile!" Die Gattung Spirillum enthält drei Arten: die alten Mueller- schen Vibrio undula und Spirillum, und eine neue Art Spirillum tenue, durch Länge und Dicke von einander unterschieden. Bei Spirillum undula giebt er als charakteristisch an, dass dasselbe nur l /a bis 1 '/> Spiralwindungen bilde. Die Gattung Spirochaeta mit der ein- zigen Art Spirochaeta plicatilis ist gut gekennzeichnet dadurch, dass sie die Natur der Spirillen mit der Biegsamkeit der Vibrionen ver- einigt. Sie zeichnet sich ferner aus durch ihre ausserordentliche Länge von 'jn Linie, während ihre Breite mit der von Spirillum tenue von V" ooo Linie übereinstimmt. Auch bei dieser Form sah Ehrenberg die Zusammensetzung aus kleinen rundlichen Einzelgliedern, eine Be- obachtung, welche von späteren Forschern nicht bestätigt worden ist. Alle die angeführten Gebilde zählte Ehrenberg zu den Thieren und zwar auf Grund ihrer kräftigen, schwimmenden, schlängelnden, offenbar willkürlichen Bewegung. Bestärkt wurde er in dieser Auf- fassung durch die Entdeckung eines einfachen wirbelnden Rüssels Löffler, Vorlesungen. 3 34 Thierheit der Vibrionen. Vibrionen der blauen und orangefarbenen Milch. bei einem Bacterium. Dieser Rüssel entschied nach seiner Ansicht völlig über die Thierheit dieses Organismus, stellte auch für die übrigen eine Analogie dar und befestigte die grosse Wahrscheinlich- keit gleicher Bildung. Auch ihre Fortpflanzung schien ihm dafür zu sprechen; „vom Fortpflanzungsverhältniss", schreibt er, „sind mir Ei—? Körnchen und Selbsttheilung, ein rein thierischer Charakter erkannt. " In seinen späteren Berichten an die Akademie der Wissenschaften zu Berlin beschrieb Ehrenberg noch drei niedere Formen, welche durch bestimmte Eigenschaften sich scharf von allen übrigen unter- schieden. Im Jahre 1S40 berichtete er '), dass die himmelblaue Farbe auf saurer Milch und Sahne, sowie die auf denselben Substanzen zuweilen vorkommende Orangefarbe durch kleine Thierchen, ketten- artige Formen der Gattung Vibrio bedingt sei, welche er mit dem Namen Vibrio syneyanus und synxanthus belegte. Im folgenden Jahre veröffentlichte dann Fuchs' 2 ), welcher Ehrenberg die Materialien zur Untersuchung und Bestimmung übersandt hatte, eine ausgezeich- nete Arbeit über denselben Gegenstand, in welcher er an der Hand überaus zahlreicher, scharfsinniger Versuche den Beweis führte, dass diese, von ihm Vibrio cyanogenus und xanthogenus benannten Vi- brionen die wirkliche und einzige Ursache der genannten Verände- rungen der Milch sind. Von ganz besonderem Interesse sind die Untersuchungen, welche Ehrenberg über das im Jahre 1848 in Berlin auftretende Phänomen des Rothwerdens der Speisen anstellte. :i ) Im Jahre 1819 hatte das endemische Erscheinen blutigrother Flecke auf verschiedenen Nahrungsmitteln, Polenta, gekochten Hühnern u. s. w., die Provinz Padua in die grösste Erregung versetzt. Der Medicinal- beamte Dr. Sette ') hatte erkannt, dass das Phänomen durch ein belebtes Agens hervorgerufen würde, welches er mit dem Namen Zaogalactina imetrofa (von 'Zcao vivo, yaXamivr} gelatina, sliiai in- sideo, TQoqi] alimentum) belegte, während es De Col für eine Art Mucor — Mucor sanguineus erklärte. Ehrenberg fand nun, dass die 1) Ehrenberg: Berichte über die zur Bekanntmachung geeigneten Verhand- lungen der Königl. Preuss. Akademie der "Wissenschaften zu Berlin. 1S40. S. 202. 2) Fuchs: Zur Kenntniss der gesunden und fehlerhaften Milch der Haus- thiere. Gdblt u. Heetwig's Magazin für die gesammte Thierheilkunde. Bd. 7. 3) Ehrenberg: Berichte über die Verh. d. Königl Akad. zu Berlin. 1848. S. 349, 354, 3S4, 462; 1849. S. 101; 1850. S. 364. Detaillirte historische Dar- stellung. 4) Seite : Memoria storico-naturale sull' arrossimento straordinario di aleune sostanze alimentose, osservato nella provincia di Padova l'anno 1819 letta all' Ateneo di Treviso, nella sera 28. Aprile 1820. Venezia 1824. Monas prodigiosa. Dujardin's Eintheilung. 35 kleinen rothen Tröpfchen, welche sich durch Oculiren auf gekochte Kartoffeln, Schweizerkäse, Weissbrod u. s. w. übertragen Hessen, aus sehr kleinen l /sooo — Vsooo"' grossen, ovalrundlichen, beweglichen Körperchen sich zusammensetzten, deren Bewegung von der sog. Molecular- Bewegung entschieden abwich. An den in verdünntem Zustande angetrockneten Körperchen konnte er die Form deutlich erkennen. Sie bildeten nicht Ketten wie Vibrio, sondern stellten sich als Einzelthierchen dar. Da Ehrenberg sich öfters an den angetrockneten Individuen überzeugen zu können glaubte, dass jedes Körperchen einen kleinen Rüssel nach Art der Monaden führte, wel- cher etwa halb so lang war als der Körper, so bestimmte er den Organismus als Monas prodigiosa. Die Menge der auf einen Kubik- zoll gehenden Individuen berechnete er auf 46 656 000 000 000 bis 884 736 000 000 000 — Zahlen, welche dazu dienen sollten, die ausser- ordentliche Winzigkeit der neuen Monade zu illustriren. Abgesehen von den Spirillen und den Spirochaeten waren die Farbstoff er- zeugenden Arten die einzigen, welche von späteren Forschern auf Grund ihrer charakteristischen makroskopischen Erscheinungsweise, nicht aber an ihren mikroskopischen Merkmalen wieder aufgefunden und beibehalten worden sind. Die Eintheilung Ehrenberg's erfuhr angesichts der Unsicher- heiten und Unvollkommenheiten in der Abgrenzung der Arten leb- haften Widerspruch von Seiten des französischen Forschers Felix Dujardin 3 ). Derselbe adoptirte zwar die Familien der Vibrionia, doch stellte er sie an die Spitze seines Systems als einzige Familie der I. Ordnung: „Animaux sans organes locomoteurs visibles, se mouvent par l'effet de leur contractibilite generale. u Er gab ihr somit eine gewisse Sonderstellung, und zwar aus dem Grunde, weil sie zu unvollkommen gekannt sei. Die Glieder dieser Familie theilte er ein in drei Genera Bacterium, Vibrio und Spirillum. Er nannte die geraden, mehr oder weniger deutlich gegliederten, unbiegsamen For- men, welche nur einer langsamen, wackelnden Bewegung fähig waren — Bacterium, die geraden oder gebogenen, mehr oder weniger deutlich gegliederten Formen, welche eine wellige Bewegung wie eine Schlange zeigten — Vibrio, und endlich die fädigen Gebilde, welche Schrau- ben- oder Korkzieherform hatten, niemals sich gerade streckten und sich mit grosser Schnelligkeit um die Axe der Schraube drehten — Spirillum. Das von Ehrenberg aufgestellte wohl charakterisirte Genus Spirochaeta unterdrückt er. An Arten stellte er auf im Genus 5) Dujakdin: Histoire naturelle des Zoophytes. Paris 1S41. 3* 36 Dcjaedis's Gattungen Bacterium und Vibrio. Bacteriuni: B. termo und catenula (Fig. 13), von den EiiRENBERG'scheu erkannte er nur das von Ehrenberg selbst wieder aufgegebene B. punctum an. Sein B. termo ist der Vibrio lineola Ehrenberg's. Es erscheint nach seiner Ansicht in allen animalischen und vegeta- bilischen Infusionen stets zuerst allein und in unzählbarer Menge. Es sei daher „ le preniier terme en quelque sorte de la serie animale. " — Wie unsicher seine Erkennung im Uebrigen ist, geht daraus her- vor, dass Dujardin selbst zugesteht, man müsse dasselbe oft mit den ersten Graden der Entwicklung der anderen Bacterien und auch der Vibrionen verwechseln. Aehnliche Bedenken hegt er auch hin- sichtlich seines Bacterium catenula. Dasselbe könne möglicherweise 1 ; i V \ \a) Fig. 13. Aus Fixix Düjabdin „Histoire naturelle des Zoophytes" 1841. 1 a. Bacterium termo, grossi 300 fois. (De 1'infusioD d'agaric sec.) Ib. Le mCme suppose grossi 1000 fois. 2. Bacterium catenula, grossi 300 fois. (D'unc infusion fe'tide de haricots.) 3. Vibrio lineola. (Dune infusion de cütoine scche.) — a grossi 500 fuis ; — b suppose groasi 1000 fois. (Nota. Lc vibrio lineola, de l'infusion de chair avec Oxalate d'ammoniaquc, est de deux cinquu-mo plus grand.) 4. Vibrio rugula, grossi 400 fois. (Des infusions de chenevis et de cantbarides.) 5. Vibrio serpens, grossi 300 fois. (De l'infusion de chair avec nitrate d'ammoniaque.) 0. Vibrio bacillus, grossi 300 fois. 7. Vibrio ambiguus, grossi 260 fois. (De l'infusion de cbair avec aeide oxalique.) 8. Spirillum undula. — a grossi 260 fois. — b grossi 1200 fois. 9. Spirillum volutans, grossi 300 fois. 10. Spirillum plicatile, grossi 300 fois. nur eine Entwicklungsstufe des Vibrio bacillus sein. B. punctum be- schreibt er als ein verlängertes Oval, oft zu zweien vereinigt. Die Maximal- und Minimalmaasse seiner drei Arten variiren in ebenso weiten Grenzen wie bei Ehrenberg, so dass eine Artbestimmung nach denselben ebensowenig möglich war, wie nach den Ehren- BERG'schen Angaben. Genau dieselben Bedenken lassen sich erheben gegen sein Genus Vibrio, in welchem er die alten MüLLER'schen Vibrionen, V. lineola, rugula, bacillus und serpens, annimmt, während er V. tremulans und prolifer von Ehrenberg verwirft. Die von Ehrenberg beim Eintrock- Die Gattungen Spirillum und Monas. Entwicklungbegünstigende Salze. 37 nen gesehene Zusammensetzung der Vibrionen aus kleinsten , kugel- förmigen Gliederchen hat er niemals beobachtet, erkennt daher die- selbe nicht an. Bei einem besonders grossen Vibrio beobachtete er eine deutliche Bifurcation; mit dem Ende eines Gliedes artikulirten zwei neue Glieder, von welchen jedes den Anfang zu einer neuen Gliederkette bildete. An diesen grossen Formen, deren Länge bis 0,1 mm und deren Durchmesser 0,02 mm betrug, konnte er deutlich eine resistentere Hülle und eine „substance gelatineuse " als Inhalt erkennen. Diese Beobachtung erweckte in ihm Zweifel, ob dieser Vibrio überhaupt ein Thier sei; er nannte ihn deshalb Vibrio ambiguus. Wegen der nahen Verwandtschaft dieses Vibrio mit dem Vibrio ba- cillus übertrug er seine Zweifel auch auf diesen Organismus. Den Vibrio subtilis Ehrenberg's hält er überhaupt nicht für ein Thier, sondern für eine Art von Oscillarie und verwirft ihn deshalb gänz- lich. Was die Spirillen anlangt, so schliesst er sich an Ehrenberg an, nur zweifelt er an dem Spirillum tenue. Von den 26 Arten des Genus Monas erkennt Dujärdin kaum eine an, weil Ehrenberg 21 Arten bei ungenügender Vergrößerung abgebildet habe als unregelmässige Ovale ohne Details. Er selbst führt 10 neue Arten auf, welche alle eine deutliche Geissei zeigen, alle höher organisirt sind. — Im Grossen und Ganzen haben Du- jardin's Arbeiten einen Fortschritt in der Abgrenzung und Unter- scheidung der niedersten Formen nicht gebracht. Die Unsicherheit seiner Arten war ebenso gross wie die der EHRENBERG'schen. Von besonderem Interesse sind dagegen die Beobachtungen, welche Dujärdin über den Einfluss gewisser Reagentien auf die Entstehung der Infusorien in den Infusionen gemacht hat. Als besonders begünsti- gend nennt er das phosphorsaure Natron, das phosphorsaure, salpeter- saure und oxalsaure Ammoniak und das kohlensaure Natron. „Ich war versucht zu glauben", schreibt Dujärdin, „dass mehrere dieser Salze, indem sie sich bei Gegenwart der organischen Substanzen der In- fusionen zerlegten, den Infusorien Stickstoff geliefert hatten ; was ich bestimmt versichern kann, ist, dass das oxalsaure Ammoniak wenig- stens vollständig verschwunden war" — eine Beobachtung, welche durch die späteren Untersuchungen von Pasteur, Cohn und Naegeli in glänzender Weise als richtig erwiesen worden ist. In diese Zeit fallen nun eine Reihe von Entdeckungen, welche neue Anschauungen über die Natur der niedersten Wesen anbahnten. Bei dem damals mit grossem Eifer von allen Seiten in Angriff genom- menen Studium der niederen Pflanzen, Algen und Pilze, beobachtete man Entwickelungszustände , welche anstandslos von allen Beob- 38 Zweifel an der Thierheit der Vibrionen. Pertt. achtem früherer Zeit für Thiere gehalten worden waren, aus dem einfachen Grunde, weil sie eine anscheinend willkürliche Bewegung zeigten. Die Entdeckung der sog. Schwärmsporen der Algen und Pilze führte naturgemäss zu einer erheblichen Einschränkung der Arten der Gattung Monas. — Bei dem näheren Studium der niederen Algenarten traf man nun aber auf Formen, welche mit vielen der Glieder der Vibrionen sowohl nach der Form wie nach der Art der Bewegung eine bis auf das Fehlen des grünen Farbstoffes und bis auf gewisse Unterschiede in der Grösse auffallende Analogie boten, und gegen die bereits von verschiedenen Forschern, namentlich von Dujärdin, als nicht ganz sicher angesehene Thierheit dieser Wesen die schwersten Zweifel erweckten. Der erste, welcher diesem Zweifel einen entschiedenen Ausdruck verlieh, war Perty 11 ) 1852. „Die kleinsten Organismen gehören theils dem Thier-, theils dem Pflanzenreiche an. Ein Theil von ihneu, an der Grenze beider Reiche stehend, hat durch seine Lebensphasen auf beide Beziehung. Die Vibrioniden können von den Botanikern mit ebenso grossem Rechte zum Pflanzenreiche, und zwar zu den niedersten Algen ge- rechnet werden als die Oscillatorien und Spirulinen ", lautet seine Ansicht. Er bringt die Familie Vibrionida unter die Sectio III Lampozoidia (von ).äf.i7irj Kahm auf Wein und Wasser; Schleim) seiner Phytozoidea (Pflanzenthierchen). Er charakterisirt sie als farblos, seltener blau, gelb, röthlich (nicht grün) gefärbt, ohne spec. Organe ; kaum mit einer Spur von Differenzirung ihrer Substanz. Bewegung scheinbar willkürlich, in Wahrheit automatisch; vermehren sich durch Querth eilung und stellen so Ketten oder Fäden dar. Er theilt sie ein in: a) Spirillina, Ketten oder Fäden spiralgewunden und b) Bacterina, Fäden geschlängelt oder gerade. Die Spirillina enthalten die Genera Spirochaeta (plicatilis) und Spirillum. Unter den Spirillen führt er ausser den alten Ehren- BERG'schen volutans, undula und tenue zwei neue Arten auf: das Sp. leucomelaenum, dessen intensiv schwarze Glieder durch hyaline Räume getrennt waren, und das Sp. rufum, welches er in einer Infusion rothe, makroskopisch erkennbare Flecke bilden sah. Zu den Bacterina rechnet er die Genera Vibrio und Bacterium nach Dujärdin, sowie das neue Genus Metallacter ({lera'ÜaxTriQ, welcher täuscht, verändert). 6) Pertt: Zur Kenntniss kleinster Lebensformen. Bern 1S52. Perty's Vibrionida. 39 Von Vibrionen beschreibt er rugula und lineola. Von letzterem berichtet er die Eigenschaft, sich an Infusorien anzusetzen „wie die >, i i 'i , .MM, Fig. 14. Aus Maximilian Perty „Zur Kenntniss kleinster Lebensformen" 1852. 1. Metallacter Bacillus. 2. Derselbe, an Surirella bifrons sitzend, vegetabilisch werdende, zum Theil schon nicht mehr bewegte Faden. 3. Sporonema gracile. « zur Vergleichung Metallacter bacillus. b sind Sporonemen mit einer Spore, c mit zwei, bei d ist die Spore ausgetreten, e f g sind ver- schieden gestaltete Anfänge mit und ohne Sporen. 4. Spirillum undula mit deutlicher Gliederung. 5. „ „ in verschiedenen Stadien der Entwicklung: punktförmige An- fänge und sehr kleine Spiralen. 6. Spirillum leucomelacnum. 7. Vibrio rugula mit sehr prononcirter Gliederung. 8. Bacterium termo aus einer Dottcrinfusion. Fig. 7 u. 8 unter 1000 m. V. zwischen den Theilstrichen eines Mikromtters mit Thei- lung der Linie in 200. 40 Perty's Metallacter und Sporonema. Eisenfeile am Magnet". Vibrio serpens rechnet er zu seinen Spirillina. Ausserdem aber erkennt er als besondere Arten an den Vibrio cyano- genus und xanthogenus, die Ursachen des Himmelblau- und Orange- gelbwerdens der Milch. Von besonderem Interesse ist die Schilderung seines einzigen Bacteriums: des Bacterium termo. Peety nimmt an, dass dieser Organismus verschiedene Entwicklungsstufen zeige von unmessbarer Kleinheit bis zu Fäden von l /ioo"' Länge. Er macht ferner darauf aufmerksam, dass dasselbe neben seinem beweglichen animalischen noch ein ruhendes vegetabilisches Leben eingehe, wobei dasselbe bewegungslos verharre und sich zu Fladen, Häutchen und Läppchen zusammenballe. Bacterium termo ist für ihn die Grundform aller Vibrioniden, welchen er demnach ganz allgemein ein halb thierisches, halb pflanzliches Dasein vindicirt. Mit dem Namen Metallacter bezeichnet er „bacterienähnliche Einzelwesen, welche sich durch fortgesetzte Theilung zu Streifen oder wenig biegsamen Fäden verlängern, welche unter gewissen Umständen nach einiger Zeit die Bewegung verlieren, ungemein wachsen und einer Hygrocrocis (einer Alge) ähnlich werden, indem sie aus langen verfilzten, flockige, farblose oder grauliche Massen darstellenden Fäden bestehen. " Seine einzige Art ist M. bacillus. V. subtilis und B. catenula hält er nur für eine zartere, durchsichtigere Form des Metallacter. „An die Vibrioniden schliesst sich", fährt Perty dann fort, „ einigermaassen ein Gebilde an, welches den vegetabilischen Cha- rakter entschiedener an sich trägt und, abgesehen von der Bewegung, wohl in die Algenfamilie Saprolegnieae Kütz. zu stellen wäre ". Er nennt es Sporonema gracile, „ ein äusserst kleiner cylindrischer, un- gegliederter hohler Faden schliesst au einem Ende (selten an beiden) ein, manchmal auch zwei elliptische Körperchen (wohl Sporen) ein. Fäden bis V*"'" lang, '/iooo'" und darunter breit, äusserst schwach grünlich , öfters mit Met. bacillus zusammen , dem es sehr gleicht, jedoch stets ungegliedert. Bewegung wie bei jenem scheinbar will- kürlich, massig schnell, bald mit diesem, bald mit jenem Ende vor- aus. Es gibt solche, wo die Spore breiter ist als der Faden, daher diesen etwas auseinander treibt. Sind 2 Sporen da, so liegen sie hintereinander oder an den Enden u . Durch diese Sporenbildung war Sporonema als pflanzliches Gebilde sicher charakterisirt und damit die ganze Familie der Vibrioniden als Thierfamilie erschüttert. Einen weiteren Stoss erhielt die alte traditionelle Anschauung von dem thierischen Wesen der Vibrioniden durch die grundlegende Ferdinand Cohn's Gattung Zoogloea. 41 Arbeit von Ferdinand Cohn"): Untersuchungen über die Entwick- lungsgeschichte der mikroskopischen Algen und Pilze, im Jahre 1854. Nach einer kurzen Recapitulation der EHRENBERG'schen Eintheilung stellte Cohn fest, dass in der Bestimmung der einzelnen Arten eine unlösbare Verwirrung herrschte, da die verschiedenen Autoren gute und schlechte Beobachtungen, starke und schwache Vergrösserungen, junge und alte Zustände ohne hinreichende Kritik durcheinander ge- mischt hätten. Eine neue selbstständige Bearbeitung dieser Familie erschien ihm daher ein dringendes Bedürfniss, um aus dem Laby- rinth der Synonymie herauszukommen. Eine Handhabe glaubte er für deren Beurtheilung gewonnen zu haben durch sorgfältige Beob- achtung des in jeder in Fäulniss übergehenden Infusion in unzäh- ligen Mengen erscheinenden Bacterium termo Duj., Vibr. lineola E. „Untersucht man," sagt Cohn, „eine Infusion, in welcher sich Bact. termo bewegt, genauer, so findet man an allen darin befindlichen fremden Körpern, an den Wänden des Gefässes, sowie an der Ober- fläche des Wassers farblose, gallertige Massen in sehr verschiedener Grösse und Gestaltung. • In ihrem jüngsten Zustande gleichen sie kleinen Kugeln von '/k"*"' und weniger im Durchmesser; sie ver- grössern sich aber beständig, wobei sie ein traubiges Aussehen be- kommen, und stellen endlich grosse, farblose Klumpen und Häute dar, oft von sehr bedeutender Oberfläche und Dicke, die ihrer Con- sistenz nach einer weichen Palmella gleichen. Wie diese bestehen sie aus einer wasserhellen Gallerte, in der zahllose strichförmige Körperchen ohne alle Bewegung eingelagert sind. Diese Körperchen sind dieselben, welche man neben und zwischen der Gallerte als Bact. termo Duj. hin und her schiessen sieht. Die Bacteriengallerte ist gegen das Wasser durch einen scharfen Rand begrenzt. Beige- mengte Farbstoffe tingiren sie nicht: ein vorbeistreichendes Infusor beugt ihren Rand ein. Endlich setzt der Mangel jeder selbststän- digen, selbst jeder Molekularbewegung in den Körperchen die Existenz eines sie einhüllenden starren Mediums voraus. Oft unter der Be- trachtung lösen sich einzelne Stäbchen los und bewegen sich fort: Daher sind die Körperchen des Bact. termo die frei gewordenen, selbstbeweglicheu Zellen (Schwärmzellen) einer morphologisch mit Palmella und Tetraspora zunächst verwandten, durch Vorkommen und Maugel an Färbung in das Gebiet der Wasserpilze sich stellenden Form. " Diese Bacteriumgallert fasste Cohn als besondere Gattung 7) Cohn : Nova Acta Academiae Caes. Leop. Carol. Natur. Cur. vol. 24. Theil I. S. 101. 1854. 42 Die Vibrionien gehören ins Pflanzenreich. auf und nannte sie Zoogloea (Cioov und ykoios)* Ueber die anderen Arten der Vibrionia sprach er sich noch nicht bestimmt aus. Er müsse es vorläufig dahingestellt sein lassen, ob diese in ähnlicher Weise aus einer gallertartigen Masse ausschlüpften, oder ob hier ur- sprünglich freie Thierformen vorhanden seien und Bact. terrno nur wegen äusserer Aehnlichkeit mit ihnen in Verbindung gestellt wor- den sei. Er habe zwar häufig eine Form von Zoogloea beobachtet, deren Zellen stärker und grösser gewesen wären als gewöhnlich, aber er habe doch nie die grösseren, geschlängelten Vibrionen und Spirillen in pflanzlichen organischen Häuten gefunden. Er constatirte alsdann, indem er eine wahrhaft klassische Schilderung der Spiral- formen gab, eine unleugbare Verwandtschaft dieser grösseren For- men mit der farblosen Algen -Familie der Oscillarien (der Gattung Beggiatoa). In gleicher Weise wie bei den Oscillarien theils gerade (Oscillaria), theils spiralisch gekrümmte Fäden (Spirulina) vorkämen, seien auch die Vibrionien in Vibrio und Spirillum (und Spirocbaete) vertheilt. Namentlich bestehe hinsichtlich der Art der Bewegung nicht der geringste Unterschied. Das Ergebniss seiner Untersuchun- gen fasst Cohn schliesslich in folgenden 6 Sätzen zusammen: „1. Die Vibrionien scheinen alle ins Pflanzenreich zu gehören, indem sie eine unmittelbare nahe Verwandtschaft mit offenbaren Algen bekunden. 2. Entsprechend ihrer Farblosigkeit und ihrem Vorkommen in faulenden Infusionen gehören die Vibrionien in die Gruppe der Wasser- pilze (Mycophyceae). 3. Bacterium Termo ist die bewegliche Schwärmform einer mit Palmella und Tetraspora zunächst verwandten Gattung (Zoogloea). 4. Spirochaete plicatilis gehört zur Gattung Spirulina, der wir sie geradezu als eigene Art (etwa als Spirulina plicatilis) anschliessen können. 5. Die langen, sich nicht schlängelnden Vibrionien (Vibrio ba- cillus etc.) reihen sich an die zarteren Formen von Beggiatoa (Oscil- laria) an. 6. Die kürzeren Vibrionien und Spirillen entsprechen zwar in Form und Bewegungsgesetzen den Oscillarien und Spirulinen, doch kann ich über ihre wahre Natur noch keine bestimmte Ansicht aussprechen. " Andere Forscher neigten gleichfalls dazu, den verschiedenen niederen Formen eine pflanzliche Natur zuzuerkennen. Itzigsohn 8 ) 8) Itzigsohn: Ueber den männlichen Geschlechts- Apparat bei Spirogyra und einigen anderen Conferven. Sep.-Abdr. 1852. Naegeli's Gruppe „Schizomycetes"- 43 fand bei der Beobachtung verschiedener Algen bewegliche Körper- chen, welche er Spermatosphaerien nannte, und beschrieb die Entwicklung von Spirillen aus diesen. Die Spirillen waren daher nach seiner Ansicht nichts Anderes, als Samenthierchen von Algen. Naegeli n ) hatte in seiner hervorragenden Arbeit über die einzelligen Algen die morphologische Uebereinstimmung mancher der farblosen mikroskopischen Formen mit gefärbten Algen betont. Später aber trennte er die farblosen Formen von den farbstoffhaltigen vollständig ab und theilte die einen den Pilzen, die anderen den Algen zu, und zwar auf Grund folgender, rein physiologischen Betrachtung: Während die Algen aus den Elementen C, 0, H und N, welche ihnen als C0>, NH3 und H2O in den sie umgebenden Medien geboten werden, und einigen Salzen die zum Aufbau ihres Organismus erforderlichen Stoffe durch eigene Kraft zu erzeugen, im Sonnenschein zu entbinden und gleichzeitig grünes Chlorophyll oder einen verwandten Farbstoff zu bilden vermögen, besitzen die Pilze wie die Thiere und die meisten Schmarotzerpflanzen nicht die Fähigkeit, aus anorganischer Nahrung die zur Unterhaltung ihres Lebensprocesses nöthigen Stoffe selbst zu erzeugen, sondern müssen bereits höhere organische Ver- bindungen fertig vorfinden. Sie können daher nur da gedeihen, wo ihnen die Nahrung entweder in einem lebenden oder in einem ab- gestorbenen Organismus, oder doch wenigstens in einem Wasser ge- boten wird, welches bedeutende Mengen organischer Stoffe gelöst enthält. Sie hauchen keinen aus und werden im Lichte auch nicht grün. Alle die Gebilde, welche Mangel an Farbstoff zeigen, auf organischen Unterlagen auftreten und keinen ausscheiden, müssen daher den Pilzen zugezählt werden. Auf Grund dieser Er- wägungen fasste er 10 ) 1857 alle die farblosen niederen Formen Bacterium, Vibrio, Spirillum, Sarcina, die sog. Essigmutter (Umbrina aceti) und endlich die bei einer Krankheit der Seidenraupen von ihm gefundenen, farblosen, kleinen, länglich ovalen, dem Hefepilze in der Bierhefe nicht unähnlichen Gebilde, welche er mit dem Namen Nosema bombycis belegt hatte, zusammen in eine gemeinsame Gruppe „Schizomycetes", Hess aber dabei die Frage offen, ob die Individuen dieser Gruppe Pflanzen, Thiere resp. krankhafte thierische oder pflanz- liche Elementartheile seien, ein Zweifel, welcher uns gewissermaassen wieder in die Zeiten Needhäm's und Buffon's zurückversetzt. 9) Naegeli: Gattungen einzelliger Algen, physiologisch und systematisch bearbeitet. Zürich 1849. 10) Naegeli: Verhandlungen der Deutschen Naturforscher -Versammlung in Bonn 1857. Botan. Zeitg. 1857. S. 713U. 44 Die Systematik kann nur auf organologische Charaktere basirt werden. Durch die Schaffung der Gruppe der Schizomyceten hat Naegeli dem allgemeinen Verständniss der niederen Formen einen damals sehr werthvollen Dienst erwiesen : man hatte nun wenigstens einen Sammel- namen, welcher die physiologische Eigenart dieser Gebilde in treffen- der Weise charakterisirte. Der Systematik war damit freilich nicht in der gebührenden Weise Rechnung getragen, weil, wie Cohn scharf betonte (N. A. p. 141), eine Eintheilung nur auf organologische, Bau und Fortpflanzung berücksichtigende, aber nicht auf rein phy- siologische, Mangel an Farbstoff und Lebensweise betreffende, für die Systematik ganz unwesentliche Charaktere basirt werden kann. Vierte Vorlesung. Beziehungen der niedersten Organismen zu den höher organisirten Wesen. Donne findet Vibrionen im Schanker-Eiter. Entdeckung der pflanzlichen Natur der Hefe und des Pilzes der Muscardine. Die Idee des Contagium animatum gewinnt festen Boden. Henle's Deductionen. Die Cholera in Europa. Ueberblicken wir die in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts von Zoologen und Botanikern über die allerniedersten organisirten Wesen angestellten Untersuchungen, so können wir das Ergebniss derselben dahin zusammenfassen, dass die ganze Schaar der farb- losen kugel-, Stäbchen-, faden- und spiralförmigen Gebilde als eine besondere Gruppe von Organismen anerkannt und deren Zugehörig- keit zu den niedersten Pflanzen wahrscheinlich gemacht worden ist, dass aber die Bemühungen, sie in bestimmte Arten zu gliedern, im Grossen und Ganzen nur wenig weiter geführt haben, als 0. F. Müllek in seinem ersten Versuche bereits gekommen war. Der wesent- liche Fortschritt, welchen die Lehre von den Mikroorganismen in dieser Periode gleichwohl gemacht hat, ist nach einer ganz anderen Richtung hin zu suchen. Er liegt in der Constatirung der wichtigen Thatsache, dass die niedersten Organismen in gewissen Beziehungen stehen zu den höher organisirten Wesen, in Sonderheit zum Menschen. Bereits Leeuwenhoek hatte, wie wir gesehen haben, die An- wesenheit der kleinsten Gebilde im Zahnschleim, sowie in seinem diarrhoischen Stuhlgange constatirt. Wunderbar ist es, dass trotz seiner vortrefflichen Abbildungen seine hochwichtige Entdeckung nicht weiter verfolgt, ja nicht einmal anerkannt wurde. Bei der Beschreibung seines Vibrio bacillus sagt Eheenbeeg ausdrücklich: „L.'s Abbildung der Thierchen in seinem Zahnschleim passt, den meisten Figuren nach, wohl zu diesem Vibrio, allein er hat offenbar alle die Schleimstäbchen für Thiere gehalten, welche keine thie- rische, nur eine passive Bewegung haben." Dem ausgezeichneten Mikroskopiker Donne gebührt das Verdienst, das allgemeine Inter- esse auf das Vorkommen der Vibrionen in den Se- und Excreten des Menschen, namentlich in den pathologischen Producten, gelenkt zu haben. 46 Auffindung von Vibrionen im Eiter syphilitischer Schanker durch Donna. Ich kann es mir nicht versagen, die wichtige Beobachtung, in welcher zum ersten Male auf einen Zusammenhang zwischen mikro- skopisch wahrgenommenen niedersten Organismen und einer infec- tiösen Krankheit des Menschen hingewiesen worden ist, mit den eigenen Worten des Beobachters wiederzugeben. In seinem „ memoire sur le mucus et le pus" berichtet Donnb im Jahre 1837 über die Be- schaffenheit des Eiters syphilitischer Schanker Folgendes: „Dieser Eiter zeigt in der Regel minder deutliche und weniger regelmässig gestaltete Eiterkörperchen , wie der gewöhnliche Abscesseiter, und namentlich enthält die Flüssigkeit, in welcher sie schwimmen, fremd- artige Theilchen, wie wenn sich einige Eiterkörperchen aufgelöst hätten und ihre Ueberreste in der Flüssigkeit verbreitet wären. Diese fremdartigen Theilchen geben ein sehr undeutliches Bild vom Ganzen, das von kleinen Granulationen erfüllt ist. Man könnte glauben, und das folgende Gleichniss wird am besten ausdrücken, was ich sagen will, die Eiterkörperchen seien mit einem sehr feinen Staube vermengt. Setzt man die mikroskopische Untersuchung mit Aufmerksam- keit weiter fort, so stösst man auf nicht unbedeutende Verschieden- heiten, je nach der Natur des Geschwüres, von dem der Eiter herrührt. Bei an der Eichel gelegenen Schankern, oder bei solchen, die sich zwischen Eichel und Vorhaut befinden, fand ich im Eiter immer eine grosse Menge von Thierchen, die das Ansehen jenes Infusoriums besassen, das von Müller unter dem Namen Vibrio lineola be- schrieben wurde. Im Anfange legte ich der Gegenwart dieser so gewöhnlichen Vibrionen keine Wichtigkeit bei, da dieselben, wie gesagt, sehr gewöhnlich sind und sich unter dem Einflüsse der fau- ligen Zersetzung thierischer Stoffe so rasch vermehren; allerdings hatte ich bei den anderen Eiterarten, die ich mikroskopisch unter- suchte, nichts Aehnliches bemerkt; allein ich glaubte, dass die Gegen- wart dieser Thierchen im Eiter, der, wie der in Frage stehende, dem Einflüsse der atmosphärischen Luft ausgesetzt ist, nichts beson- deres Merkwürdiges sei; erst nachdem ich dieselben Infusorien in anderen, von Wunden herrührenden Eiterarten, in faulendem, durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft zersetzten Eiter vergeblich gesucht hatte, fing diese Eigenthümlichkeit des Schankereiters an, meine Aufmerksamkeit mehr zu fesseln. So erhielt ich faulenden Eiter aus einer Halswunde, nach einer von Velpeau ausgeführten Operation ; dieser Eiter war vollkommen zersetzt, die Eiterzellen zum Theil zerstört, und demungeachtet enthielt er keine Vibrionen. Der grauliche Eiter von den verschiedensten Körpertheilen zeigte mir Die Bedeutung der Vibrionen. 47 ebenfalls keine Thierchen ; selbst durch die Fäulniss in während der Sommerzeit längere Zeit aufbewahrtem Eiter entstehen ähnliche Thierchen nur sehr langsam; während im Blute nach Verlauf von zwei Tagen, wenn dasselbe bei Zutritt der Luft sich selbst über- lassen wird, bereits zahlreiche Vibrionen sich vorfinden, zeigen sich solche im Eiter erst nach 6 bis S Tagen. Da ich überdies Vibrionen im Eiter von Weibern fand, die an Schankern der Vulva litten, so war ich überzeugt, dass dieses Factum alle Aufmerksamkeit verdiene. Sind die fraglichen Thierchen ein Charakteristicum des syphi- litischen Contagiums, oder spielen sie wenigstens eine Rolle bei der Uebertragung syphilitischer Affectionen, und namentlich bei der Erzeugung des Schankers? Das ist die erste Frage, die sich uns aufdrängt. Die Neigung, die Fortpflanzung und Verbreitung contagiöser Krankheiten der Existenz gewisser Thierchen, als Träger des An- steckungsstoffes zuzuschreiben, ist, wie man weiss, sehr allgemein. Es handelt sich hier aber nicht darum, eine mehr oder weniger geistreiche, verführerische Theorie aufzustellen, und ich beschränke mich auf die Erforschung der Umstände, unter denen sich die Vi- brionen erzeugen. Ich werde die Thatsacben so angeben, wie ich sie fand, und wenn daraus auch nicht hervorgeht, dass diese Thier- chen wirklich die Träger des syphilitischen Contagiums sind, so wird man doch wenigstens daraus ersehen, wie günstig die Schanker ihrer Entwickelung sind, wie nothwendig das syphilitische Element für ihre Existenz erscheint, und vielleicht wird man dann, wie ich selbst, geneigt sein zu glauben, dass sie dem Contagium nicht gänz- lich fremd sind. Jedenfalls und abgesehen von der medicinischen Bedeutung sind diese Thierchen schon in naturgeschichtlicher Be- ziehung interessant. Ich begann damit, den Eiter von syphilitischen Geschwüren zu untersuchen, die sich nicht an der Eichel und nicht an der Vulva befanden, und wie gesagt, fand ich darin keinerlei Thierchen, aus- genommen ein einziges Mal im Eiter eines Unterschenkelgeschwüres bei einem syphilitischen Weibe; dieses Geschwür mit livider Grund- fläche zeigte alle Charaktere der Gangraena nosocomialis, und es floss daraus eine äusserst stinkende Materie ab, die unter dem Mi- kroskop untersucht eine Menge Vibrionen beobachten Hess. Der Eiter von Leistenbubonen bei mit syphilitischen Schankern behafteten Individuen Hess mich nie, zu keiner Periode der Eiterung diese Thierchen entdecken; dieser Eiter ist bekanntlich viscöse, faden- ziehend und gewöhnlich graulich; er hat keineswegs das Aussehen 48 Beziehung der Vibrionen zum Orte der Eiterbildung. von gutem Abscesseiter, der weiss, rahmig und ohne Zähigkeit ist. Unter dem Mikroskop zeigt er nichts Besonderes und besteht aus denselben Körperchen , wie gewöhnlicher Eiter. Bei Gelegenheit der Besprechung der Inoculation werde ich auf die Abwesenheit von Vibrionen in diesem Eiter zurückkommen. Nur in dem Eiter, der um die Eichel herum secernirt wird, fin- den sich also Vibrionen; hier sieht man sie immer zu Tausenden, wenn sie nicht schon durch Injectionen oder Aetzmittel getödtet wor- den sind; man findet sie jedoch nicht allein bei ausgesprochenen Schankern. In jenen Fällen, die von den Praktikern Balanitides genannt werden, findet man dieselben Thierchen ; häufig aber ist die Balanitis syphilitischer Natur, und nicht selten entdeckt man bei gleichzeitiger Entzündung der Eichel auch noch kleine Geschwürchen an der innern Fläche der Vorhaut. Die Grenzlinie zwischen ein- facher Balanitis und mehr oder minder tiefgehenden Erosionen, die den Schanker darstellen, ist nicht immer leicht zu ziehen, und trotz so vielfältiger Untersuchungen und Einimpfungsversuche ist man noch keineswegs darüber einig, was in jedem Einzelfalle syphilitisch zu nennen ist. Folgende Thatsachen werden vielleicht dazu beitragen, einen Punkt dieser wichtigen Frage etwas zu beleuchten. Wenn man beweisen könnte, dass die Vibrionen in dem um die Eichel secernirten Eiter sich nur dann erzeugen, wenn die Eiterung syphilitischer Natur ist, wenn das syphilitische Contagium bei der Bildung dieser Thierchen eine wesentliche Rolle spielte, so würde ihre Gegenwart ein äusserst schätzbares diagnostisches Mittel sein, das gewiss nicht zu vernachlässigen wäre. Vor Allem war zu erforschen, ob die Gegenwart von Vibrionen nicht vielmehr von der eiternden Stelle abhängig sei, und weniger von der Natur des Eiters. In der That weiss man, dass die käsige Materie, welche die an der Eichelbasis gelegenen Follikel secerniren, den Ausflüssen dieses Theiles ganz eigenthümliche charakteristische Eigenschaften geben, die sich namentlich auch auf einen scharfen, widerlichen Geruch beziehen; wäre es nun nicht möglich, dass die Vermischung dieser Substanz mit dem Eiter die Erzeugung von Thierchen begünstigte, und könnte man nicht vielleicht auch in dieser käsigen Materie im normalen Zustande Vibrionen entdecken? Ich unterwarf sonach diese Materie, die ich mir von nicht sy- philitischen Individuen verschaffte, der mikroskopischen Untersuchung und fand darin keine Thierchen; um aber so sehr wie möglich ihre Entwickelung zu begünstigen, entschloss ich mich, auf der Eichel eines gesunden Individuums, welches nie an syphilitischen Zuständen Erfolgreiche Uebertragung der Vibrionen. Interesse der Aerzte an denselben. 49 gelitten hatte, eine künstliche Eiterung, wenn ich mich so ausdrücken darf, durch ein Vesicans hervorzurufen; ein kleines blasenziehendes Pflaster wurde in die unter der Eichelkrone befindliche Rinne, wo vorzüglich gerne Schanker entstehen, applicirt; als die Blase ge- bildet war, wurde das Epithelium weggenommen und auf diese Weise eine Eiterung eingeleitet, die ohne Anwendung einer reizenden Salbe durch acht Tage reichlich fortdauerte ; es bestand hier sonach eine Blennorrhoe, ja selbst eine Ulceration, die sich von einem wirklichen Schanker nur durch ihre gleichmässigen und nicht scharf abge- schnittenen Ränder unterschied ; die Wunde war fast schmerzlos. Dieser Eiter wurde nun alle Tage mit der grössten Sorgfalt mikro- skopisch untersucht, und niemals war es möglich, darin eine Spur von Thierchen zu entdecken; er enthielt gewöhnliche Eiterzellen, aber nicht ein einziges Infusorium, und doch war dieser Eiter vom Schankereiter weder durch die Stelle, von der er rührte, noch durch seine physikalischen Eigenschaften unterschieden; der einzige Unter- schied lag in der die Ulceration bedingenden Ursache ; kurz, es war kein syphilitischer Eiter, und deshalb genügten auch wenige Bähun- gen zur Bewerkstelligung der Vernarbung und Heilung der kleinen Wunde. Wäre man nun nach dem Erwähnten nicht vielleicht weniger geneigt über die Ansicht des verstorbenen Cullerier zu spotten, der an die Existenz von eigenthümlichen Thierchen in den syphili- tischen Geschwüren glaubte. Um zu erfahren, ob diese Thierchen sich auch auf einer andern Stelle des Körpers als der Eichel fortpflanzen könnten, wurde Schan- kereiter, in dem man die Gegenwart von Vibrionen constatirt hatte, auf den Schenkel des Kranken, der den Eiter geliefert hatte, inocu- lirt; den anderen Tag war eine Pustel vorhanden, die mit einer serös- eitrigen Flüssigkeit gefüllt war, in der dieselben Vibrionen in grosser Anzahl beobachtet werden konnten ; diese Pustel verwandelte sich in ein Geschwür, dessen Fortschritten durch das Cauterium Ein- halt gethan wurde. Es ist sonach evident, dass sich die Vibrionen auch anderswo als an der Eichel fortpflanzen können." Wenn auch alle diese Untersuchungsresultate Donne nicht ge- nügten für den Beweis, dass die Vibrionen die Träger des Syphilis- giftes seien, und wenn er sich deshalb auch später in seinem „ cours de microscopie", Paris 1844, der Ansicht zuneigte, dass die Gegen- wart dieses Infusoriums rein zufällig sei und nicht in Beziehung stehe zu der Krankheit, das Interesse der Aerzte hatte er mit seiner Mit- theilung auf die Vibrionen gelenkt. Zur Erhöhung dieses Interesses trug er dann noch bei durch die Erwähnung einer anderen bemer- Löffler, Vorlesungen. 4 50 Monaden im Lippenkrebs und Vaginalschleim. Pflanzliche Natur der Hefe. kenswerthen Beobachtung von Vibrionen, durch die Mittheilung näm- lich, dass Leroy d'Etiolles bei Individuen, welche an gewissen Krankheiten der Prostata litten, im frisch gelassenen Urin Vibrionen gefunden habe. Auch die Familie der Monaden erhielt eine gewisse Bedeutung für die Aerzte. Rudolph Wagner *) fand beim Lippenkrebs monaden- artige Gebilde, und Donne constatirte im Vaginalschleim von Frauen, welche an Gonorrhoe litten, kleine, länglich ovale oder auch birn- förmige, mit einem, zwei, ja auch drei peitschenförmigen Anhängen von ausserordentlicher Feinheit versehene Monaden, welche er Tricho- monas vaginalis benannte. Diese Befunde, namentlich die Entdeckung Donne's, waren so eigentümlich, dass man ihnen anfangs eine ge- wisse pathologische Bedeutung beilegen zu müssen glaubte. Donne selbst überzeugte sich jedoch später, dass jene Organismen auch bei nicht angesteckten Frauen im eitrigen Vaginalschleim keineswegs sel- tene Gäste waren, daher nicht in Beziehung standen zur pathologischen Natur der Secretion, in Sonderheit nicht zum Virus syphiliticum. Die auffallenden Beobachtungen Donne's hätten wahrscheinlich ein noch weit grösseres Interesse erweckt, wenn sie nicht durch zwei hervorragende Ereignisse des Jahres 1 837 in den Schatten ge- stellt worden wären. In diesem Jahre machten Cagniard Latour' 2 ) und Schwann') unabhängig von einander die folgenreiche Ent- deckung, dass die bei der Gährung des Bieres und Weines bereits von Leeuwenhoek gesehenen Hefekügelchen lebende Organismen sind, deren Wachsthum durch Sprossung in stündlich während der Gährung entnommenen Proben sich mit dem Mikroskop Schritt für Schritt verfolgen Hess, und dass diese zweifellos pflanzlichen Orga- nismen, welchen Turpin den Namen Torula cerevisiae gab, als die Ursache der Gährung anzusehen sind. Von jeher hatte man Gäh- rung und Krankheit als verwandte Dinge betrachtet. War die Gäh- rung durch einen belebten Organismus veranlasst, so konnten auch die Krankheiten durch ähnliche Organismen erzeugt sein. Zahlreiche ärztliche Beobachtungen lehrten auch bald, dass in anormalen gähren- den thierischen Se- und Excreten, im Mund-, im Magen-, im Darm- Inhalt, im Urin der Diabetiker u. s. w. Hefeorganismen anzutreffen 1) R.Wagner: Fragmente zur Physiologie der Zeugung. 1830. S. 7. 2) Cagniabd Latour : Memoire sur la fermentation vineuse. Comptes rendus de l'Academie des sciences 1837. Bd. 4. p. 905. 3) Schwann: Vorläufige Mittheilung betreffend Versuche über die Wein- gährung und Fäulniss. — Gilbert's Annalen der Physik und Chemie. 1837. Bd. 41. Auffindung eines Pilzes als Contagium der Muscardine. Henle. 51 waren. In dieser selben Zeit setzte zum ersten Male die Cholera ganz Europa in Schrecken. Vielleicht waren auch bei dieser Krank- heit Gährungserreger im Spiel. In der That constatirte Boehm 4 ) im Jahre 1838 die Anwesenheit solcher Organismen im Darminhalt von Cholerakranken. Da er sie jedoch nur nach dem Genüsse von Bier auftreten sah, so war er vorsichtig in der Deutung des Fundes. Er legte ihnen eine besondere Bedeutung nicht bei. Von noch grösserem Einfluss auf die ärztlichen Anschauungen als die Entdeckung der Hefepilze wurde aber die in demselben Jahre 1837 veröffentlichte Entdeckung Bassi's 3 ), dass eine miasmatisch-con- tagiöse Krankheit der Seidenraupen, die Muscardine, durch ein pflanz- liches Gebilde, einen Pilz verursacht wird. Die ausserordentlich feinen, auf dem Raupenkörper als weisses Pulver sich darstellenden Sporen dieses Pilzes werden, wie Bassi fand, durch Berührung oder durch die Luft von den erkrankten Raupen auf gesunde Raupen übertragen und rufen bei diesen, indem sie auf deren Haut auskeimen und in deren Körper hineinwachsen, die Krankheit hervor. Die bereits seit langer Zeit (i ) verbreitete Anschauung, dass niederste pflanzliche Or- ganismen andere Pflanzen als Parasiten befallen und Krankheiten der- selben erzeugen können, wurde somit dahin erweitert, dass derartige niedere Pflanzen auch bei Thieren Krankheiten erzeugen können. Zu dieser selben Zeit machte die Neu-Entdeckung der zwar vor Jahrhunderten schon gekannten, aber wieder in Vergessenheit ge- rathenen Krätzmilben als alleinige Ursache der Krätzkrankheit einen tiefgehenden Eindruck. Winzige Repräsentanten der Thier- und Pflanzenwelt erwiesen sich somit als Erreger von Krankheiten. Das Zusammentreffen dieser verschiedenen wichtigen Entdeckun- gen in dem 4. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts brachte nunmehr die Frage nach dem Contagium animatum wieder lebhaft in Fluss. In seinen pathologischen Untersuchungen, Berlin 1840, stellte Henle mit ausserordentlichem Scharfsinn alle thatsächlichen und specula- tiven Gründe zusammen, welche für die Annahme belebter Krank - 4) Ludwig Boehm : Die kranke Darmschleimhaut in der asiatischen Cholera, mikroskopisch untersucht. Berlin 1838. 5) Bassi : Del mal del segno, calcinaccio o moscardino. See. ed. Milano. 1837. (i) Persoon führt in seiner Synopsis methodica fungorum bereits im J. 1801 die Brandpilze als -Pilze auf unter dem Namen Uredo. — B. Peevost entwickelte zuerst die Anschauung, dass die Krankheitserscheinungen der Kulturgewächse, bei welchen solche Pilze beobachtet wurden, durch diese Pilze erzeugt würden. Memoire sur la cause immediate de la Carie ou Charbon des bles. Montauban 1807. i* 52 Henle's Anschauungen über den Nachweis der belebten Contagien. heitserreger sprachen, und kam mit zwingender Notwendigkeit zu dem Schluss, dass das Contagium der miasmatisch-contagiösen und auch der rein contagiösen Krankheiten belebter Natur sein müsse. Durchdrungen von dieser Ueberzeugung suchte Henle in Typhus- leichen, in Pocken- und Vaccine-Material, in der abgeschuppten Haut beim Scharlach, sowie auch bei anderen, sich auf die Haut localisi- renden Krankheiten nach dem Contagium, indessen vergebens. Nach seinen Erfahrungen glaubte er daher versichern zu können, dass weder irgend eines der bekannten Infusorien, noch eine Pflanze von der Art der Gährungspilze oder der Botrytis bassiana in den genannten Con- tagien sich fände. Diese negativen Erfahrungen machten ihn jedoch an seiner Meinung nicht irre. Mit vorahnendem Geiste hob er scharf diejenigen Schwierigkeiten hervor, welche sich einer erfolgreichen Forschung entgegenstellten. Er zeigte der Forschung den Weg, wel- cher allein zum glücklichen Ziele führen könnte. „ Es ist nicht ein- mal nöthig", ruft er aus, „zu der Ausflucht zu greifen, dass die Or- ganismen des Contagium für unsere optischen Hülfsmittel zu klein wären. Aber wenn sie nicht bewegliche thierische Wesen, sondern Eier derselben oder Keime niederer Pflanzen sind, so kenne ich kein Mittel, dieselben von den Zellen, deren Kernen oder körnigem Inhalt, wie sie in der Oberhaut,, im Eiter, ja in allen Geweben und Excreten vorkommen, zu unterscheiden, wenn nicht die Art ihres Zusammenhanges oder die weitere Entwickelung derselben Aufschluss giebt. " Wie wir sehen werden, waren es in der That gerade die diese Differenzirung ermöglichenden Methoden, mit Hülfe welcher es gelang, den Schleier von dem geheimnissvollen Wesen der Contagien hinwegzuziehen. Henle hat aber noch weiter gesehen. Der ein- fache Nachweis von thierischen oder pflanzlichen Gebilden erschien ihm nicht genügend für den Beweis, dass diese das Contagium dar- stellen: „ Finden sich ", argumentirt er, „lebende, bewegliche Thierchen oder deutliche Pflanzen in contagiösen Stoffen, so können sie hier, wie auch in gutartigem Eiter, wie in allen thierischen Secreten, zufällig entstanden sein, wenn sie einige Zeit der Luft ausgesetzt gewesen sind. Uud selbst wenn sie constant und innerhalb des Körpers in conta- giösen Materien gefunden würden, so wäre immer noch der Einwurf möglich und fürs Erste kaum zu widerlegen, dass sie nur parasitische, wenngleich constante Elemente der Contagien wären, wie man ja noch von den Samenthierchen behaupten hört, Elemente, die in der Flüssigkeit sich entwickeln und selbst für die Diagnose von Bedeu- tung sein könnten, ohne darum der wirksame Stoff der Flüssigkeit oder des Samens zu sein. Dass sie wirklich das Wirksame sind, Auffindung pflanzl. Gebilde an der Körperoberfiäche u. in patholog. Excreten. 53 wäre empirisch nur zu beweisen, wenn man Samenthierchen und Samenfllissigkeit, Contagiumorganismen und Contagiumfllissigkeit iso- liren und eines jeden Kräfte besonders beobachten könnte, ein Ver- such, auf den man wohl verzichten muss. " Constanter Nachweis, Isolirung und Prüfung der isolirten Organismen, — das sind die drei Postulate der strengen Logik Henle's. Die Geschichte der Contagienforschung hat bewiesen, dass jede Abweichung von diesen unerbittlichen Gesetzen der Logik trotz des grossartigsten Aufwandes rastlosester, unermüdlichster Arbeit stets zu trügerischen Ergehnissen geführt hat, dass nur allein die stricte Erfüllung aller drei Postulate den endlichen, herrlichen Triumph der Wissenschaft zu zeitigen ver- mocht hat. Die BASSi'sche Entdeckung, sowie die HENLE'schen Deductionen wurden die Veranlassung einer grossen Zahl von Arbeiten. Man er- innerte sich, dass schon frühere Beobachter, Ledermüller, Wris- berg, Spallanzani, 0. F. Müller u. A. auf todten Thieren, In- secten, Fischen etc. schimmelartige Bildungen beobachtet hatten, und brachte diese nun mit dem Tode der Thiere in Verbindung. Alle krankhaften Veränderungen an der Oberfläche von Menschen und Thieren wurden auf etwaige Bildungen pflanzlicher Art untersucht. Die diesbezüglichen Untersuchungen führten denn auch Schlag auf Schlag zu bedeutungsvollen Resultaten. Bei dem Favus, dem Herpes tonsurans, der Pityriasis versicola, dem Soor u. s. w. wurden glas- helle, verzweigte Pilzfäden und rundliche, glänzende Sporen von verschiedener Grösse aufgefunden und ohne Weiteres allgemein als ursächliches Moment dieser Krankheiten anerkannt, weil sie den pathologischen Veränderungen in Bezug auf ihr Vorkommen durch- aus entsprachen. Auch im Innern des Körpers, an den Oberflächen der Schleimhäute und in deren pathologischen Producten wurden pilzähnliche Gebilde gefunden und in ursächlichen Zusammenhang gebracht mit den Krankheiten, an welchen die untersuchten Kran- ken litten. Auf der Schleimhaut der Speiseröhre 7 ), auf den Darm- geschwüren von Typhusleichen, in einem typhösen Geschwür auf der hinteren Wand des Larynx*), in demNasenausfluss rotzkranker s ) Pferde, in phthisischen und pneumonischen Sputis und in Croup-Membranen 10 ), 7) Hannovbr: Müller's Archiv. 1842. S. 283. — Langenbeck: Froriep's Neue Notizen. Bd. XII. S. 145. 1839. 8) Frerichs a.a.O. — Mühlhäüser: Zeitschr. f. rat. Med. Bd. III. S. 126. 9) Langenbeck : Froriep's Neue Notizen. Bd. XX. S. 58. 1841. 10) Bennett : Zeitschrift für rationelle Medicin. Bd. II. S. 32b. — Schaffner: Flora 1845. S. 501. — Remak a.a.O. S. 222. 54 Auffindung der Sarcina ventriculi und zahlreicher parasitärer Algen und Pilze. im Munde 11 ), im Uterusschleim 12 ), im Auge 13 ) etc. wurden fädige Gebilde pflanzlicher Art aufgefunden und unter den verschiedensten Namen, als Leptothrix buccalis, Leptomitus uteri u. s. w. beschrieben. Eine ganz neue Form von Organismen fanden die Gebrüder Goodsie 14 ) in dem Mageninhalte eines Kranken, welcher an periodischem Er- brechen litt, — quadratische resp. oblonge Massen, welche aus 16 kubischen Zellen, deren jede wieder in 4 Zellen getheilt war, zu- sammengesetzt waren und somit bei der mikroskopischen Betrachtung das Aussehen boten wie mehrfach geschnürte Waarenballen. Ueber das Wesen dieser Gebilde, welche von ihren Entdeckern „Sarcina ventriculi" genannt wurden, herrschten die verschiedenartigsten An- sichten, bis Viechow 15 ) seine Ansicht dahin abgab, dass sie den niederen Pflanzen zuzurechnen seien. Das Ergebniss der durch Bassi inaugurirten Forschungen war im Wesentlichen die Entdeckung einer überaus grossen Zahl von niederen Algen und Pilzen, welche für die verschiedensten niederen und höheren Thiere als pathogen erkannt und wegen dieser Eigen- schaften eingehend studirt wurden. Die Namen Leptothrix, Lepto- mitus, Saprolegnia, Enterobryus, Trichophyton, Microsporon, Acho- rion, Oidium, Aspergillus, Isaria, Mucor, Puccinia, Laboulbenia, Sphaeria u. a. legen beredtes Zeugniss ab für diese Forschungen. Die genauere Erforschung aller dieser Organismen, im Besonderen ihre systematische Bearbeitung hat in der Folge noch lange und mühevolle Arbeiten erfordert, welche vielfach bis heute noch nicht abgeschlossen sind und erst mit Hülfe der modernen Methoden zum Abschluss gebracht werden dürften. Die niedersten Gebilde, deren Bedeutung für die Pathologie nach den soeben kurz skizzirten Forschungen nicht von der Hand zu weisen war, gewannen ein noch erheblich höheres Interesse fül- lt) Ch. Robin: Des vegätaux qui croissent sur les animaux vivants. Paris 1S47. Daselbst ausführliche Literaturangaben über alle Pilzfunde jener Epoche. 12) Wilkinson: Some remarks upon the development of epiphytes, with the description of a new vegetable formation found in connexion with the human uterus. London. The Lancet. 1849. p. 448. 13) Helmbhecht: Fall einer confervenartigen Afterproduction in der Augen- kammer des linken Auges. Caspee's Wochenschrift 1842. S. 593. 14) History of a case in which a fluid periodically ejected from the stomach contained vegetable organisms of an undescribed form by John Goodsie With a chemical analysis of the fluid by G. Wilson. - Edinb. med. and surg iournal 1842. t. 57. p.430. 15) Viechow: Die Sarcina. Arch. f. pathol. Anat. u. Physiologie etc Bd I 1847. S. 264. Die Cholera und ihr Einfluss auf die Erforschung der Contagien. 55 die Aerzte, als die Cholera gegen das Ende der vierten und im Anfange der fünften Dekade unseres Jahrhunderts zum zweiten Male in Europa einbrach. Lag doch die Annahme nahe, dass das jeden- falls belebte infectiöse Agens derselben in derartigen niederen Wesen zu suchen sein dürfte. Man durchforschte die Dejectionen, in wel- chen man dieses Agens vermuthete, und glaubte auch dasselbe in allen möglichen sich darbietenden Gebilden vor sich zu haben. Swaine 1U ), Brittan und Budd 17 ) sahen Körperchen, welche Brittan ringförmige Körper, Swaine Cholerazellen, Budd aber Cholerafungi nannte, weil er sie für pflanzliche hielt. Baly und Süll 18 j wiesen jedoch bald darauf in überzeugender Weise nach, dass die angeb- lichen Cholera-Pilze nichts Anderes waren, als Fragmente von ein- geführten Nahrungsmitteln, eine Anschauung, welcher sich die Mehrzahl der Untersucher, Griffith 1ij ), Bennett, Robertson'-") und Andere anschlössen. Pouchet' 21 ) constatirte wiederum die An- wesenheit von Vibrionen in den Cholera-Entleerungen , ein Befund, welcher einige Jahre später, aber noch in derselben Epidemie auch von Pacini 2 ' 2 ) erhoben wurde. Mit diesen Befunden war freilich die infectiöse Natur der gesehenen Vibrionen nicht bewiesen. Man fand dieselben Vibrionen auch in Dejectionen von anderen Kranken, ja auch von Gesunden. Sie erregten eine Zeit lang die Aufmerksam- keit und wurden dann schnell vergessen. Noch andere Organismen wurden in den Entleerungen der Cholera -Kranken nachgewiesen. Davaine' 23 ) beobachtete in den Cholera-Stühlen während der Epidemie von 1853/54 mehrfach birn- förmige, mit einer peitschenförmigen Geissei versehene Monaden. Hassel' 24 ) fand im Harn von Cholera- Kranken ovale oder rundliche 16) Swaine: Account of certain organic cells peculiar to the evacuations of Cholera. The Lancet 1849. p. 368, 398. 17) Brittan and Budd: London medical gazette. Sept. 1849. 18) Baly and Süll: The Cholera subcommittee of the College of physicians on the Cholera fungi. — The Lancet. Nov. 1849. p. 493. 19) Gwffith: Letter to the London medical gazette. Dec. 1849. 20) Bennett and Robertson: Edinbourgh monthly Journal. Nov. 1849. 21) Pouchet: Infusoires microscopiques dans les dejections alvines des choleriques. — Comptes rendus. 23. Avril 1849. 22) F. Pacini: Osservazioni microscopiche e deduzioni patologiche sul Colera asiatico. — Gazzetta medica italiana di Firenze 1854. — Archives de medecine müitaire de Bruxelles. 1855. 23) C. Davaine: Sur des animalcules infusoires trouves dans les selles des malades atteints du cholera et d'autres maladies. — Comptes rendus de la societe de biologie. 2. serie. 1. 1. p. 129. 1854. 24) Hassel: The Lancet. Nov. 1859. 56 Auffindung von Monaden in pathologischen Excreten. granulirte, meist mit zwei, bisweilen sogar mit drei Geissein ver- sehene Gebilde, welche er als Bodo urinarius bezeichnete, eine Be- obachtung, welche an die bereits von Leeuwenhoek im frisch ge- lassenen Urin seines Pferdes gefundenen Animalcula erinnert. Um über die Bedeutung der gefundenen Organismen Aufschluss zu er- halten, musste man natürlich vielfach vergleichende Untersuchungen anderer, normaler und pathologischer, Excrete anstellen. Das Auf- finden einer kleinen Monadenart in den Dejectionen eines Typhus- Kranken durch Davaine, von zahlreichen verschiedenartigen Monaden (Monas crepusculum, Cercomonas saltans, Bursaria) in unreinen Ge- schwüren durch Wedl' 25 ), des Paramecium coli im Blind- und Dick- darm zweier an Lienterie leidender Kranker durch Malmsten i6 ), der Nachweis zahlreicher Amöben im Darmkanal eines an Enteritis verstorbenen Kindes, sowie reichlicherer Mengen von Cercomonas intestinalis in den geleeartigen Schleimexcreten von Kindern durch Lambl 27 ) und zahlreiche andere, das Vorkommen von Infusorien im Darmkanal der verschiedensten Thiere betreffende Beobachtungen lassen erkennen, wie fruchtbar die durch die Cholera gegebene An- regung zur Untersuchung der pathologischen Secrete für die Kennt- niss der im Körper parasitirenden Mikroorganismen geworden ist. Das angestrebte Ziel, die belebte Ursache der Cholera aufzu- klären, wurde freilich trotz aller Bemühungen nicht erreicht. Als dann die Cholera vorübergegangen war, Hess das Interesse an dem Contagium animatum der ansteckenden Krankheiten wieder nach. Es traten nunmehr in den Vordergrund die Untersuchungen über die mit den krankhaften Störungen im Körper so häufig ver- glichenen Erscheinungen der Gährung. 25) Wedl : Grundzüge der patholog. Histologie. Wien 1854. 26) Malmsten: Archiv f. path. Anat. u. Phys. 1857. Bd. XII. 27) Lambl: Vierteljahrsschrift f. praktische Heilkunde. Herausgegeben von der med. Facultät zu Prag. Jahrg. 185'J. Fünfte Vorlesung. Die Untersuchungen Pasteue's über die specifischen Erreger der verschiedenen Gährungen, der Fäulniss, der Krankheiten der Weine und der Seidenraupen. Seine Gegner. Bechamp. Lemaibe's Anschauungen. Lister's Wundbehandlung. Die Milzbrand-Stäbchen. Der nächste Zeitabschnitt ist charakterisirt durch die Arbeiten des französischen Chemikers Louis Pasteue über die Erscheinungen der Gährung und über die Urzeugung. Die Ergebnisse, zu welchen Pasteue auf Grund seiner eingehenden experimentellen Studien auf den genannten Gebieten gelangt ist, sind von epochemachender Be- deutung. Sie sind die Grundlagen geworden für unsere modernen Anschauungen über die Bedeutung der Mikroorganismen im Haus- halte der Natur. Cagniaed Latoue und Schwann hatten, wie wir sahen, nach- gewiesen, dass die Alkoholgährung zuckerreicher Flüssigkeiten Hand in Hand geht mit der Entwickelung eines lebenden Organismus, der Torula cerevisiae. Pasteue constatirte, dass, ebenso wie die Alko- holgährung, alle die verschiedenartigen, unter gewissen Bedingungen natürlich vorkommenden Gährungen, die Milchsäure-, Buttersäure-, Essigsäure- u. s. w. Gährung gleichfalls durch bestimmte lebende Organismen erzeugt werden, dass ferner diese einzelnen Gährungs- erreger nicht nur durch ihre besonderen physiologischen Leistun- gen, sondern auch durch ihr morphologisches und biologisches Ver- halten als specifisch verschiedene Mikroorganismen charakterisirt sind. Die Methode, welche Pasteue bei seinen Untersuchungen befolgte, war eine sehr einfache. Er stellte zunächst fest, in wel- chem organischen Substrat sich eine bestimmte Gährung in typischer, regelmässiger Weise vollzog. Dann studirte er unter dem Mikroskope die Organismen, welche diese Gährung begleiteten. Darauf machte er sich eine künstliche Lösung der Substanz, welche vergohr, gab ihr einen Zusatz von einer albuminoiden Substanz und von etwas Asche, welche, wie er annahm, alle zum Körperaufbau jener Orga- nismen nöthigen Nährsalze enthielt, machte diese Nährlösung durch Kochen keimfrei und säte nun in dieselbe eine Spur von dem bei der typischen, natürlichen Gährung gebildeten Depot aus. Sah er 58 Das Ferment der Milchsäure uud der Rechts-Weinsäure. dann die durch bestimmte Endprodukte charakterisirte Gährung in typischer Weise auftreten und fand er weiter stets nur die bei der natürlichen typischen Gährung beobachtete Form von Organismen, so schloss er, dass diese Organismen die Ursache jener Gährung darstellten. Im Jahre 1857 ') trat Pasteue mit der Mittheilung an die Oeffentlichkeit, dass eine bestimmte Gährung, die Umwandlung von Zucker in Milchsäure, durch eine aus kleinen Kügelchen oder aus kleinen, sehr kurzen, isolirten oder in Haufen angeordneten Glie- dern bestehende „neue Hefe" erzeugt werde, welche sich durch ihre Kleinheit von der Bierhefe deutlich unterscheide. Diese neue Hefe wachse in einer Hefeabkochung, welcher 50 grm Zucker pro Liter und etwas Kreide zur Neutralisirung zugesetzt worden sei. Nicht die stickstoffhaltigen Substanzen verwandelten, wie man bisher an- genommen habe, den Zucker in Milchsäure, sondern die neue Hefe, welche jener Substanzen zu ihrer Ernährung bedürfe. Bald darauf 2 ) theilte er mit, dass die Paraweinsäure (Traubeusäure) unter dem Einfluss eines belebten Fermentes sich zerlege in Rechts- Weinsäure, welche vergähre, und in Links -Weinsäure, welche intact bleibe. Auch dieses Ferment lasse sich cultiviren, und zwar in einer neu- tralen oder schwach alkalisch gemachten Lösung von weinsaurem Ammoniak, welcher 2 — 3 Tausendstel ihres Gewichtes einer stickstoff- haltigen albuminoiden Substanz zugesetzt seien. Der sich bildende Bodensatz stelle das Ferment dar. Es bestehe aus kleinen, ketten- förmig angeordneten, vielfach verfilzten Granulationen oder Kügelchen von dem gleichen Durchmesser wie die Glieder der Milchsäure-Hefe. Bei seinen Versuchen über die Urzeugung ;) ) fand er weiter, dass keimfrei gemachter Urin und keimfreie Milch nach dem Zusatz von Staub bestimmte Veränderungen eingingen, dass der Urin eine ammoniakalische Zersetzung erlitt, während die Milch gerann. In den so veränderten Flüssigkeiten fand er organisirte Wesen „muce- dinees ou infusoires ". In diesen habe man demnach die Fermente der Zersetzungen zu suchen. Die Hauptaufgabe und zugleich die Hauptschwierigkeit bei der Erforschung dieser Fermente bestehe nun darin, jedes einzelne isolirt für sich darzustellen, um die Wirkung 1) Pasteür: Memoire sur la fermentation appellee lactique. Comptes rendus t. 45. p.913. 30./XI. 1857. — Cr. t. 4^. p. 337. 14.11. 1859. 2) Pasteür : Memoire sur la fermentation de l'acide tartrique. — C. r. t. 46. p. 615. 29./III. lsöS. 3) Pasteür: De l'origine des ferments. Nouvelles experiences relatives aux generations dites spontanees. — C. r. t. 50. p. 849. 7./V. 1860. Der Buttersäure -Vibrio. 59 eines jeden unabhängig von den anderen zu studiren. Die Isolirung biete aber grosse Schwierigkeiten aus dem Grunde, weil sehr häufig die dem einen zusagende Nahrung auch die Entwickelung der an- deren gestatte. Im weiteren Verlaufe seiner Untersuchungen 4 ) fand er, dass das „ vegetal-ferment" der Milchsäure verschieden sei von dem oder denen („ denn ", sagt er, „ es existiren deren zwei u ), welche die gummöse Substanz erzeugen. Alle diese bildeten aber niemals, wofern sie rein seien, Buttersäure: also müsse es ein besonderes Buttersäure -Ferment geben. Dieses Ferment existire nun in der That, sei aber kein „ vegetal ", sondern ein „ infusoire ". Dasselbe stelle sich dar in der Form von kleinen cylindrischen Stäbchen, welche ab- gerundet an den Enden, gewöhnlich gerade und entweder einzeln oder zu 3 — 4 und mehrgliederigen Ketten von 0,002 — 0,02 mm Länge und 0,002 mm Breite vereinigt seien. Die Stäbchen zeigten eine gleitende Bewegung, bei welcher der Körper gerade bliebe oder eine leichte Wellenbewegung darbiete. Sie pflanzten sich fort durch Theilung; daher stamme die Bildung von Gliederketten. Man könnte sie aus- säen wie eine Hefe. Das wunderbarste sei der Umstand, dass diese Wesen ohne eine Spur von Sauerstoff und selbst in einer Kohlensäure- Atmosphäre leben und sich vermehren könnten, ja dass sie sogar durch Sauerstoffzutritt getödtet würden. Die Tbierchen zeigten dem- nach grosse Aehnlichkeit in ihrem biologischen Verhalten mit den „ferments vegetaux", den Hefen, welche gleichfalls ohne Sauerstoff zu leben vermöchten. Diese Entdeckung war in hohem Maasse über- raschend: der neu aufgefundene Organismus war seiner Form nach ein Vibrio, unterschied sich aber von allen anderen Vibrionen da- durch, dass er ohne Sauerstoff zu leben und eine Fermentwirkung hervorzurufen vermochte. Ueber die systematische Stellung dieses neuen Organismus war Pasteur indess wenig bekümmert, „ Que le progres de la science," sagt er, „en ce qui touche la limite des deux regnes, fasse de ce vibrion une plante ou un animal, peu importe presentement: vivre sans aire et etre ferment sont deux proprietes qui le separent de tous les etres inferieures ordinaires des deux regnes. " Diese Beobachtung blieb nicht vereinzelt. Im Jahre 1S63 5 ) fand Pasteur noch einen zweiten anaerobiontischen Vibrio, das Ferment 4) Pasteur: Animalcules infusoires vivant sans gaz oxygene libre et deter- minant des fermentations. — C. r. t. 52. p. 344. 25.11. 1861; p. 1260. 17./VI. 1861. 5) Pasteur: Nouvel exemple de fernientation determinee par des animalcules infusoires pouvant vivre sans oxygene libre et en dehors de tout contact avec l'air de l'atmosphere. Fermentation du tartrate de chaux. Cr. t. 56. p. 446. 9., III. 1863. 60 Das Ferment der Gährung des weinsauren Kalkes. Die Vibrionen der Fäulniss. der Gährung des weinsauren Kalkes, und diesen gelang es ihm künstlich zu züchten. Er bereitete sich eine Nährlösung aus Kalk- tartrat, gab derselben einen Zusatz von Ammonium , Kali- und Erd- Phosphaten oder statt deren einen Zusatz von Hefeasche,- machte sie durch Kochen luftfrei und bedeckte sie mit einer dicken Oelschicht. In die so präparirte Flüssigkeit führte er eine geringe Menge des Depots aus einer spontanen Fermentation des Kalktartrates ein und sah alsbald die typische Gährung sich einstellen. In dem Depot fanden sich 0,001 mm dicke bis 0,05 mm lange bewegliche Vibrionen — das Ferment. Wie kam es nun aber, dass eine nicht gekochte Kalktartratlösung spontan in Gährung gerieth bei freiem Zutritt von Luft, wenn der Erreger ein anaerobiontisches Wesen war? Pästeur erklärte sich das Zustandekommen der Gährung durch die aus der mikroskopischen Beobachtung resultirende Annahme, dass zuerst kleinere, Sauerstoff bedürftige Infusorien, Monas, Bacterium termo u. s. w. in einer solchen Lösung sich entwickeln, dass diese den Sauerstoff in der Flüssigkeit aufbrauchen und damit das Terrain für die Entwickelung des anaerobiontischen Vibrio geeignet machen. Ebenso wie die Buttersäure - Gährung durch Vibrionen erzeugt wird, so wird nun nach Pasteuk's weiteren Versuchen |; ) die Fäulniss, die mit Entbindung stinkender Producte einhergehende Zersetzung stickstoffhaltiger Substanz, durch „die Vibrionen" hervorgerufen. Er acceptirt die sechs EHRENBERG'schen Arten lineola, tremulans, subtilis, rugula, prolifer und bacillus, so wie sie beschrieben waren, vorläufig wenigstens. „ Je reserve, en ce qui me concerne la question de l'identite ou de la difference de ces especes, de leurs varietes de formes subordonnees aux changements des conditions du milieu. Je les accepte provisoirement telles qu'elles sont decrites. Quoiqu' il en soit," fährt er dann fort, „j'arrive ä ce resultat que les especes de vibrions sont G especes de ferments animaux et que ce sont les ferments de la putrefaction. " Pasteur kommt somit zu derselben Ansicht, welche Mitscherlich 7 ) bereits im Jahre 1843 geäussert hatte, dass nämlich ebenso wie die Hefen die Gährung veranlassten, die Vibrionen die Fäulniss erzeugten. Pasteur hält sämmtliche Vi- brionen der Fäulniss für anaerobiontische Wesen — ohne indessen für diese Ansicht vollgültige Beweise beizubringen. Von nicht minder grosser Bedeutung für das Verständniss der niedersten Wesen waren auch die Untersuchungen Pasteur's über 6) Pastedr: Recherches sur la putrefaction. — Cr. t. 56. p. 1189. 1863. 7) Mitscherlich: Berliner Monatsberichte. 1843. S. 38. Untersuchungen über die „mycodermes" und über die Krankheiten der Weine. 61 die „mycodermes"*), die glatten oder runzeligen Häute, welche sich auf gährenden Flüssigkeiten bilden, die sog. „fleur du vin, Hem- de la biere, fleur du vinaigre". Es war jedoch nicht die Morphologie dieser Häute, welche ihn anzog — ihn interessirte als Chemiker in erster Linie das, was sie producirten. Er stellte fest, dass die „ fleur du vin" mit Alkohol: Wasser und CO2, die „fleur du vinaigre" mit Alkohol: Essigsäure, mit Essigsäure aber Wasser und CO2 bildeten, dass sie diese Wirkungen aber nur ausübten bei Gegenwart von Luft; dass untergetaucht z. B. die „fleur du vinaigre" keine Essigsäure zu bilden vermöchte. Er schloss aus diesem Versuch, dass diese organischen Häute die verbrennende Wirkung des der Luft auf die Substanzen übertragen, welche sie zersetzen. Dieselbe Eigenschaft schrieb er auch den niedersten pflanzlichen Wesen, den „muce- dinees" und auch den kleinsten sauerstoffbedürftigen Infusorien zu, welche sich an der Oberfläche zersetzungsfähiger Substrate ent- wickeln. In den „mucedinees, infusoires" und „vibrions" erkennt Pasteur die wichtigsten Arbeitskräfte im Haushalte der Natur: ohne sie würde die Oberfläche der Erde mit todter organischer Materie, mit Pflanzen- und Thier-Cadavern bedeckt sein, ohne sie würde das Leben unmöglich sein, weil das Werk des Todes unvollständig wäre, „parceque le retour ä l'atmosphere et au regne mineral de tout ce qui a cess6 de vivre serait tout ä coup suspendu. " Seine an den Fermentationen gewonnenen Erfahrungen veran- lassten Pasteuk, sich mit den eine unzweifelhafte Analogie bieten- den Veränderungen des werthvollsten Productes seines Vaterlandes — des Weines, eingehender zu beschäftigen. Sehr bald '■>) fand er, dass die am häufigsten vorkommenden und die grössten Verluste veranlassenden Krankheiten der Weine, das Sauerwerden, das sog. Umschlagen, das Bitter- und Fadenziehend- Werden der Weine durch organisirte Fermente hervorgerufen werden, das Sauerwerden durch das auf der Oberfläche des Weines eine Haut bildende Mycoderma aceti: kurze Glieder, etwa doppelt so lang wie breit, in der Mitte ein wenig zusammengedrückt, zu langen Ketten vereinigt, das Bitter- werden durch knotige, ästige, stark gewundene Filamente von 0,0015 8) Pasteur: Etudes sur les mycodermes; Röle de ces plantes dans la fer- mentation acetique. — Cr. t. 54. p. 265. lü./II. 1862. 9) Pasteur: Etudes sur les vins. Il^me partie. Des alterations spontanees ou maladies des vins, particulierement dans le Jura. — Cr. t. 58. p. 142. 1S64. (Ab- bildungen der Fermente). — Etudes sur le vin, ses maladies, causes qui les provoquent, procädes nouveaux pour le conserver et pour le vieillir. Paris, ä l'imprimerie imperiale 1866. 62 Die Krankheiten der Weine. bis 0,04 mm Durchmesser, das Umschlagen durch sehr feine, cylin- drische, sehr biegsame, nicht verzweigte Filamente von noch nicht 0,001 mm Durchmesser, welche, wenn sie zerbrochen sind, mit dem i Y ^ « ^ °8„ A "■ - a? i&\'/v u / 8 *o. ^ Fig. 15. Louis Pasteur: Maladies des vins — Leurs ferments. Ferments organis^s de quelques autres fermentations. Comptes rendus 1864. t. 58. p. 144. 1. Myeoderma aceti. 2 u. 3. Myeoderma vini. 4. Ferment des vins amera. 5. Ferment des vins tourne's. 6. Les trois ferments des vins qui restent doux apres ia fermentation (a), des vina amers (4) et des vins tourne's (e) melange's. 7. Ferment des vins blanc Alants. 8. Ferment de l'ure'e dans l'urine. 9. Ferment de la fermentation lactique, mele" ä quelques globules de levüre de biere 10, 11, 12. Diverses varie'te's d'infusoires de la fermentation butyrique (vibrions). Milchsäure -Ferment eine gewisse Aehnlichkeit bieten, das Faden- ziehend- Werden endlich durch kleine, in Ketten angeordnete Ktigel- chen von etwa 0,0012 mm Durchmesser. Stets fand Pasteur die Die Krankheiten der Seidenraupen. 63 betreffende Krankheit des Weines von dem morphologisch wohl charakterisirten Fermente begleitet. Aus dieser Constanz der Be- gleitschaft schloss er auf dessen specifische Wirksamkeit. Das Fer- ment der „ fermentation visqueuse u des Weines fand er sehr ähnlich dem gleichfalls in Ketten angeordneten Ferment des rechtswein- sauren Ammoniaks und weiterhin, wie seine in Gemeinschaft mit van Tieghem angestellten Untersuchungen ergaben, mit dem Fer- ment der ammoniakalischen Gährung des Urins. Ob die in allen diesen Fällen morphologisch gleichen Fermente auch wirklich iden- tisch seien, müssten noch weitere Untersuchungen ergeben. Nachdem Pasteue für die Krankheiten der Weine belebte Orga- nismen als ursächliches Moment gefunden, machte er sich daran, die Krankheiten der Seidenraupen, welche in jener Zeit die herrlich auf- geblühte Seidenindustrie Frankreichs zu vernichten drohten, zu er- forschen. Er constatirte i0 ) bei der sog. Fleckenkrankheit, der Pebrine, die von Cornalia zuerst gesehenen, von Naegeli als Nosema bombycis, von Lebert als Panhistopbyton beschriebenen glänzenden, ovalen Körperchen in dem Gewebe der Kaupen, — er fand dieselben Körper- chen auch in den Schmetterlingen und er constatirte deren Anwesen- heit sogar in den Eiern. Die aus körperchenhaltigen Eiern hervor- gehenden Raupen gingen, wie er beobachtete, regelmässig vor der Bildung des Cocons zu Grunde, sie inficirten aber während ihres Krank- seins durch ihre Excremente das Futter und steckten die, dies verun- reinigte Futter aufnehmenden gesunden Raupen an. Diese producirten dann wiederum körperchenhaltige Schmetterlinge, aus deren inficirten Eiern dem Tode geweihte Raupen auskrochen. Pasteur zeigte nun, dass nur bei einer auf sorgfältiger mikroskopischer Untersuchung ba- sirten Auswahl körperchenfreier Eier gesunde Raupen gezüchtet wer- den, das Sterben der Raupen verhütet und eine lohnende Kultur der- selben garantirt werden könne. Ueber die Natur der Körperchen selbst vermochte er, abgesehen davon, dass er ihre Vermehrung im Raupen- körper und ihre Uebertragbarkeit durch Fütterung und Impfung fest- stellte, ein abschliessendes Urtheil nicht zu gewinnen. Jedenfalls ging aus seinen Untersuchungen zur Genüge hervor, dass ein von allen anderen niederen Organismen verschiedenes belebtes Wesen als Ur- sache der verheerenden Krankheit anzusehen war. Bei einer anderen 10) Pastedb: ßtudes sur la maladie des vers ä eoie, moyen pratique assurö de la cornbattre et d'en prevenir le retour. Paris. Gauthier -Villars 187(1. In dem zweiten Theile dieses Werkes sind die sämmtlichen Documente über seine im Jahre 1865 beginnenden Untersuchungen über die Seidenraupen -Krankheiten niedergelegt. 64 Die Gegner Pasteur's. Bechamp. Krankheit, bei der Schlaffsucbt der Seidenraupen, fand Pasteur, dass in dem Darmkanal der Raupen neben Vibrionen wiederum ein „ferment en chapelet" stets vorhanden war, welches er auf Grund erfolgreicher Fütterungsversuche für die Ursache dieser Krankheit ansehen zu können glaubte. Die Arbeiten Pasteur's machten in der ganzen wissenschaft- lichen Welt einen gewaltigen Eindruck. Zum ersten Male war auf die Existenz bestimmter, mit bestimmten physiologischen Eigen- schaften begabter Arten in dem Chaos der niedersten Formen hin- gewiesen und die eminente praktische Bedeutung der Unterscheidung und Trennung der einzelnen Arten zum klaren Ausdruck gebracht. Gleichwohl fanden die PASTEUR'schen Forschungen keineswegs eine unbedingte Anerkennung. Die Forscher, welche die Lehre Pasteur's von der Specificität der Erreger der verschiedenen Gährungen be- kämpften, Lemaire, Bechamp, H. Hoffmann u. a., stützten sich be- sonders auf die Beobachtung, dass niemals eine bestimmte Producte liefernde Gährung von einem bestimmten Organismus begleitet sei, dass im Gegentheil sehr verschiedene Organismen zugleich bei der- selben nachweisbar seien; nicht von den Organismen, sondern von der Natur des Nährsubstrates hänge es ab, ob diese oder jene Gäh- rung entstünde. Die nicht genügende Morphologie der verschiedenen Arten einerseits und die ungenügende Sicherheit der Reinkultur einer bestimmten Art nach dem PASTEUR'schen Verfahren andererseits ge- statteten vor der Hand nicht, solche Einwände in schlagender Weise zu widerlegen. Der heftigste Gegner Pasteur's, welcher bis in die neueste Zeit hinein mit ausserordentlicher Erregtheit um nicht zu sagen Erbitte- rung gegen ihn und seine Forschungsergebnisse angekämpft hat, war Bechamp. 11 ) Bechamp war auf Grund seiner mit starken Vergrösse- rungen ausgeführten Untersuchungen zu einer ganz anderen Erklä- 11) Bächamp: Die zahlreichen Arbeiten B£champ's sind niedergelegt in den Comptes rendus der 60 er Jahre. Die folgenden sind besonders charakteristisch für seine Anschauungen: — Du röle de la craie dans les fermentations butyriques et lactiques et des organismes actuellement vivants qu'elle contient. — C. r. t. 63. p. 451. 1866. — Sur la transformation du corpuscule vibrant de la pebrine et sur la nature de la maladie des vers ä soie dits reste"s petita. — Ibid. p. 1185. — Sur les granulations mol^culaires des fermentations et des tissus des animaux (Microzymas). — C. r. t. 66. p. 366. 1868. — De l'origine et du developpement des bacteries. Cr. t. 66. p. 859. 1868.— Faits pour servir ä l'histoire de l'origine des bacteries. Döveloppement naturel de ces petits vegetaux dans les parties gelees de plusieurs plantes. C. r. t. 68. p. 466. 1869. B^chajip's Microzyma. 65 rung aller der Veränderungen gelangt, welche Pasteue als das Er- gebniss der vitalen Aeusserungen verschiedener niederster Organismen zu erweisen sich bemüht hatte. Bechamp fand, dass alle thierischen und pflanzlichen Zellen constant von ausserordentlich kleinen sphä- rischen Körperchen, Körnchen, „ granulations " erfüllt seien, welche beim Absterben des Organismus nicht zu Grunde gingen, sondern weiter lebten, ja sogar noch in den tausendjährigen Kreideformationen als lebend und wirksam nachgewiesen werden könnten. Diese klein- sten Körnchen „ microzymas ", wie er sie nannte, wären die Ursachen aller Fermentationen innerhalb des normalen pflanzlichen und thie- rischen Organismus, sowie ausserhalb desselben. Die Wirksamkeit der Verdauungssäfte sei ebensowohl durch die Microzymas bedingt, wie die gewöhnlichen Gährungen, die fettsaure Gährung, die Milchsäure- gährung u. s. w. Ausserhalb des Organismus veränderten die Micro- zymas häufig ihre Form. Indem sie sich rosenkranzförmig aneinander legten, bildeten sie das, was Andere, wie z. B. Pasteue, mit dem Namen Torula bezeichneten. So entstammte die von Pasteue und van Tieghem aufgefundene Torulacee der ammoniakalischen Gäh- rung des Urins, das Rosenkranz-Ferment des fadenziehenden Weines, das „ ferment en chapelet " der Schlaffsucht der Seidenraupen u. s. w. den Microzymas. Die Microzymas seien weiterhin im Stande, sich zu verlängern, und stellten dann isolirte oder auch zusammenhän- gende Bacterien dar. War diese Anschauung Bechamp's richtig, so war damit die PASTEUE'sche Aufstellung bestimmter Arten unter den niedersten Formen einfach hinfällig. Wenn aus einem Microzyma, einem rundlichen Körperchen, alle möglichen Formen von niederen Wesen sich entwickeln konnten je nach den äusseren Einflüssen, was nutzte es, die verschiedenen Formen näher zu studiren, wusste man doch schon von vornherein, dass sie alle nichts Anderes waren, als eine Modifikation des „Microzyma". Seine Anschauungen über die Micro- zymas mussten Bechamp naturgemäss auch zu gewissen Conse- quenzen führen über die Bedeutung derselben für die Entstehung von Krankheiten. Wurden irgend welche niedere Organismen wie z. B. die glänzenden Körperchen bei der Pebrine der Seidenraupen im Thierkörper gefunden, so konnte es sich natürlich nicht um ein Phänomen von Parasitismus handeln, sondern nur um anormale Ent- wicklung von constant unter normalen Verhältnissen vorhandenen Microzymas. Die Organismen konnten demnach nicht die Ursachen der Krankheit, sondern im Gegentheil nur eine Wirkung derselben sein. Diese von Bechamp und seinen Anhängern Estoe, Saint- Pieeee und anderen vertretenen Anschauungen, welche bei jeder Gelegen- Löffler, Vorlesungen. 5 66 Liebig's Anschauungen. Lemaire's Versuche mit der Carbolsäure. heit immer wieder und wieder betont wurden, haben zweifelsohne wesentlich dazu beigetragen, dass die PASTEUR'schen Arbeiten viel- fach mit Misstrauen angesehen wurden. In derselben Zeit hatten ferner die Anschauungen Liebig's 12 ), dass nicht die niederen Orga- nismen, sondern im Zerfall begriffene Proteinverbindungen als Ursachen der Gährung anzusehen seien, eine die Aufnahme der PASTEUR'schen Forschungsergebnisse in hohem Maasse beeinträchtigende Verbreitung gefunden. Wenn nun auch die Lehre von der Specificität der einzelnen Gährungserreger festen Fuss noch nicht fassen konnte, so gewann dagegen die von Schulze, Schwann, Schroeder und von Dusch begründete, von Pasteur im Kampfe gegen Pouchet durch zahl- reiche schlagende Versuche ruhmvoll vertheidigte Theorie, dass alle Zersetzungen durch von aussen in die zersetzungsfähige Substanz hin- eingelangende Keime hervorgerufen werden, immer mehr an Terrain. Nicht ohne Einfluss auf die Verbreitung dieser Keimtheorie war der in jener selben Zeitepoche, in welcher Pasteur seine ersten Arbeiten veröffentlichte, mit seinen Untersuchungen hervorgetretene Apotheker Lemaire l8 ). Lemaire war auf Grundlage ganz anderer Methoden zu denselben Resultaten gelangt wie Pasteur. Er hatte sich eine Reihe von Jahren mit dem Studium des Steinkohlentheers „coaltar -1 und mit dessen wichtigstem Bestandtheile, der Carbolsäure „acide phenique" beschäftigt. Durch ausgedehnte Versuche an höheren und niederen Thieren und Pflanzen hatte er festgestellt, dass diese chemischen Stoffe alles organische Leben in kürzester Zeit vernichten. Da er nun durch geringe Zusätze von Carbolsäure alle Gährungen sofort sistirt werden sah, so schloss er, dass sie alle belebten Wesen ihre Entstehung ver- dankten im Gegensatz zu den durch Diastase, Synaptase, Myrosin und andere Fermente bedingten Umsetzungen , welche in keiner Weise durch die Carbolsäure in ihrer Wirkung beeinträchtigt wurden und sich dadurch als chemische Körper charakterisirten. Durch weitere Versuche kam Lemaire noch zu viel wichtigeren Resultaten: Er fand, 12) Liebig: Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agricultur und Physiologie. Braunschweig 1^46. — Verhandlungen der Münchener Akademie der Wissenschaften. 9. Mai 1861. 13) J. Lemaihe : De l'acide phenique, de son action sur les vegätaux, les animaux, les ferments, les venins, les virus, les miasmes et de ses applications ä l'industrie, ä l'hygiene, aux sciences anatomiques et ä la therapeutique. 2'eme Edition. Paris 1865. — Considerations sur le röle des infusoires et des matieres albuminoides dans la fermentation, la fecondation et la germination. Comptes rendus de l'acad. des sciences. Octobre 1860. Lemaire's Ideen über die Miasmen, die Virus und die Wundkrankheiten. 67 dass die Keimung der Samen nicht vor sich ging in einer Erde, in welcher die niedersten Organismen durch Carbolsäure getödtet waren. Mit der Keimung fand er stets Hand in Hand gehend die Entwicke- lung von solchen Organismen. Weiterhin constatirte er dann, dass ebenso, wie die Erreger der Gährungen belebt seien, auch die „Virus" der ansteckenden Krankheiten und die Miasmen es sein müssten. Hing er ein mit Eis gefülltes Porzellangefäss im geschlossenen Räume über faulenden gährenden Substanzen oder über Sümpfen auf, in welchen ja ebenfalls Zersetzungen vor sich gingen, so sah er auf der kalten Oberfläche sich eine klare Flüssigkeit niederschlagen, welche kleinste Zellen der verschiedensten Form enthielt. Liess er diese Flüssigkeit ruhig stehen, so sah er in derselben enorme Men- gen von Monaden, Bacterien und Spirillen sich entwickeln, während Controlflüssigkeiten in der gleichen Zeit keine solche Veränderungen zeigten. Uebertrug er solche Flüssigkeiten auf fäulnissfähige Sub- stanzen, so trat rapide Zersetzung ein. Die Miasmen, schloss er, seien daher nichts Anderes als die „corps reproducteurs " von Zer- setzungen. Die Carbolsäure zerstöre die Wirkungen der Virus und Miasmen ebenso wie sie die Gährungen sistire: behandele man z.B. nach Einimpfung der Vaccine die Impfwunde mit dieser Säure, so erfolge keine Pustelbildung. Die Veränderungen, welche an den Wunden zur Beobachtung gelangten, würden gleichfalls hervorgerufen durch lebende Wesen. Die Eiterbildung erfolge durch die der Bierhefe ähnlichen Eiterzellen, welche aus der Luft in die Wunden gelangten und sich in denselben vermehrten. „Ist diese Theorie richtig", sagt Lemaiee, „so muss es möglich sein, die Eiterbildung zu verhüten, wenn man frische Wunden sogleich mit Steinkohlentheer- Emulsion oder Carbolsäure behandelt". In zahlreichen diesbezüglichen Ver- suchen au Menschen und Hunden sah er in der That die Eiterbil- dung ausbleiben oder wenigstens auf ein Minimum beschränkt blei- ben. Niemals traten in solchen Wunden putride Veränderungen und Störungen des Heilungsverlaufes ein , weil , wie Lemaiee glaubte, die von aussen zugeflihrten Erreger der fauligen Zersetzungen, die „infusoires" oder „ microzoaires ". durch die Carbolsäure getödtet wurden. „Affirmons aujourd'hui qu'avec le coaltar saponine on peut dimiuuer dans de tres grandes proportions la formation du pus et que l'ou peut empecher son alteration putride. Faire connaitre ce resultat ä tous les hommes competents, c'est leur dire qu'il sera un grand bienfait pour l'humanite." Dieselben Ideen, zu welchen Lemaire durch die experimentelle Prüfung einer dem organischen Leben feindlichen Substanz geführt 68 Lister's antiseptische Wundbehandlungsmethode. worden war, wurden kurze Zeit darauf in dem Kopfe Lister's l4 ) er- weckt durch die Versuche Pasteur's über die generatio aequivoca. In England hatte der berühmte GAT-LussAc'sche Versuch, nach wel- chem unter Quecksilber bei Luftabschluss ausgepresster Traubensaft unverändert bleibt, sofort aber in Gährung geräth, wenn auch nur eine kleine Luftblase hinzutritt, zu der, wie aus Lister's Mittheilun- gen hervorzugehen scheint, weit verbreiteten Auffassung geführt, dass der Sauerstoff der Luft die Ursache der Gährungen seL Als Pasteur nun nachgewiesen hatte, dass der fäulnissfähige, keimfrei gemachte Inhalt einer Flasche, deren Hals ausgezogen und umge- bogen war, im Uebrigen aber mit der umgebenden Luft frei com- municirte, unverändert blieb, dass mithin unmöglich der Sauerstoff der Luft, sondern nur die in der Luft enthaltenen Keime die Ursache der Zersetzungen sein konnten, sagte sich Lister, dass, wenn alle Zersetzungen durch äussere Keime veranlasst würden, auch die in den Wunden so häufig beobachteten Veränderungen mit ihren schlim- men Consequenzen durch von aussen zu den Wunden hinzutretende Keime hervorgerufen werden dürften. Durch Fernhalten dieser Keime mlissten sich demnach auch alle Zersetzungen in den Wunden ver- hüten lassen. Da nun die Keime überall vorhanden wären, in der Luft, im Wasser, an den Instrumenten, in den Verbandmaterialien, so müsste man Sorge tragen, dieselben durch geeignete keimtödtende Mittel, wie z. B. die Carbolsäure, zu vernichten, bevor die genannten Stoffe mit den Wunden in Berührung kämen. Auf der Basis dieser Erwägungen arbeitete er eine neue, der Ubiquität der Zersetzungs- erreger in sorgsamster Weise Rechnung tragende Wundbehandlungs- methode bis in die kleinsten Details aus, versuchte dieselbe in seinem Edinburgher Krankenhause und brachte sie erst, nachdem er durch unerhörte, mit derselben erzielte practische Erfolge die Richtigkeit seiner Anschauungen bestätigt sah, vor das Forum der medicinischen Welt. Langer Zeit bedurfte es, ehe Lister's Ideen festen Boden bei den Aerzten gewannen. Indessen die Erfolge waren so handgreifliche, so offenkundige, dass auch die grössten Zweifler mit ihnen rechnen mussten. Die Keimtheorie feierte mit der LiSTER'schen Behandlungs- methode der Wunden einen herrlichen Triumph. Aber wie gross auch die practischen Erfolge Lister's waren, wie einfach auch die Theorie dieselben erklärte, es fehlte gewissermassen noch der Schluss- stein an dem stolzen Bau — es fehlte die nähere Kenntniss der Keime, 14) J. Lister: The Lancet 1867. British med. Journal 1S68. Seine Arbeiten sind zusammengefasst in einem Werke : Oeuvres röunies de J. Lister, traduction du Dr. Gustave Borginon. Bruxelles 1S82. Entdeckung der unbeweglichen Stäbchen im Milzbrandblute. 69 welche die Veränderungen an den Wunden hervorriefen. Es fehlte das Detailstudium dieser Keime, wie es Pasteur für die Keime der Gährungen begonnen und bereits mit dem besten Erfolge durchge- führt hatte. Bevor wir indess auf die Entwickelung dieser hochwichtigen Detailforschungen eingehen, müssen wir des Einflusses gedenken, welchen die PASTEUR'schen Arbeiten, in Sonderheit die Entdeckung des Vibrion butyrique, auf das Studium einer schon seit lange als übertragbar erkannten wichtigen Thierkrankheit — des Milzbrandes ausgeübt haben. Im Jahre 1850 hatte Davaine zusammen mit Rayer 16 ) im Blute eines an Milzbrand verendeten Schafes fadenförmige, bewegungslose Körperchen wahrgenommen, denselben jedoch gar keine Bedeutung beigelegt. Bereits vor ihm hatte Pollender (1849) dieselben Ge- bilde im Milzblute einer Anzahl an Milzbrand verendeter Kühe ge- funden. In seiner erst aus dem Jahre 1855 datirenden Veröffent- lichung 10 ) hatte sich Pollender eingehend über diese eigenthümlichen Stäbchen ausgesprochen und namentlich constatirt, dass dieselben nach ihrem Verhalten Reagentien gegenüber nicht Bruchstücke zer- fallener Primitivfasern, wie solche Mayer") im Jahre 1841 im Blute verschiedener Thiere wahrgenommen hatte, sein könnten, sondern dass sie vielmehr pflanzlicher Natur zu sein und, abgesehen von ihrer gänz- lichen Bewegungslosigkeit, die grösste Aehnlichkeit mit dem Vibrio bacillus und ambiguus Dujardin's zu zeigen schienen. Auch hatte er bereits die Möglichkeit, dass diese Stäbchen zur Milzbrandkrank- heit in irgend welcher Beziehung stehen könnten, angedeutet. Kurze Zeit nachher hatte Brauell is ) in Dorpat die Befunde Pollender's bestätigt: er hatte die Stäbchen im Blute der Thiere nachgewiesen, während diese noch lebten; er hatte constatirt, dass sie im Blute der Foeten fehlten, während sie im Blute des mütterlichen Organis- mus vorhanden waren. Gleichwohl hatte er sie weder für den An- steckungsstoff, noch für den Träger desselben gehalten. Hinsichtlich der Natur der Stäbchen hatte er die Ansicht ausgesprochen, dass sie Vibrionen seien, weil er sie in dem Blute der an Milzbrand ver- 15) Rayer: Bulletin de la societe' de Biologie 1S50. 16) Pollender: Casper's Vierteljahrschrift für gerichtliche und öffentliche Medicin. Bd. 8. S. 103. IS55. 17) Prof. Mayer in Bonn: Froriep's neue Notizen. No. 377. April 1S41. S. 41. 18) Brauell in Dorpat: Versuche und Untersuchungen betreffend den Milz- brand des Menschen und der Thiere. — Virchow's Archiv. Bd. 11. 1857. S. 132. Bd. 14. 1858. S. 432. 70 Leisebing's und Delafond's Ansichten über die Milzbrand-Stäbchen. endeten Thiere einige Zeit nach dem Tode hatte beweglich weiden sehen. Diese Anschauung hatte Leisering l!, J verworfen. Leisering hatte zwar auch die Stäbchen im Milzbrandblute stets gefunden; er hatte sie jedoch auch im Blute von 4 Schweinen wahrgenommen, welche an ausgeprägtem Typhus litten. Er hatte sie nicht für be- lebt, sondern für Producte einer nicht zur Vollendung gekommenen Gerinnung des Fibrius oder aber für Trümmer der die Gefässe con- stituirenden Gewebe angesehen. Delafond 20 ) endlich hatte die Kör- perchen bereits im Jahre 1848 im Blute wahrgenommen und seit 1856 bei 10 Pferden, 15 Rindern, 60 Schafen und 40 Kaninchen gefunden. Er hatte das Blut der von ihm geimpften Thiere vor der Impfung und nach derselben von Stunde zu Stunde untersucht und in dem- selben erst 1 bis 5 Stunden, nachdem die ersten Symptome des Milzbrandes sich geltend gemacht hatten, das Erscheinen der Kör- perchen, dann aber weiterhin ihre stetige Zunahme bis zum Tode constatirt, ganz besonders in den grossen Blutgefässen nahe am Herzen, ferner in der Milz, in den Lymphdrüsen, in der Lunge, in der Leber und in den Nieren. Um die BRAUELL'sche Annahme, dass die Stäb- chen Vibrionen seien, zu prüfen, hatte er Versuche angestellt mit Blut und mit Aufgüssen fester Bestandtheile von gesunden und milzbrand- kranken Thieren. Dabei hatte er gefunden, dass die Stäbchen nach einigen Tagen um das Dreifache ihrer Länge und ein wenig an Breite zugenommen hatten, ohne jedoch eine Bewegung zu zeigen, dass die beweglichen Formen, welche sich mit Eintreten eines üblen Geruches einstellten, offenbar Infusorien waren (Monas termo und punctum, Vibrio lineola, Bacterium termo, Spirillum volutans und Vibrio bacillus) und ebenso gut im gesunden, wie im milzbrandigen Blute vorkamen, dass sie ferner eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen die verschiedensten Reagentien zeigten. Er hatte das Ergeb- niss aus seinen Untersuchungen schliesslich dahin zusammengefasst, dass beim Milzbrand im lebenden Blute sich einige Zeit vor dem Tode Fäden pflanzlicher Natur entwickelten, welche unter günstigen Umständen in dem herausgelassenen Blute wüchsen und ein Myce- lium von zahlreichen getrennten Fäden bildeten, dass diese Fäden als Algen aus der Gattung Leptothrix (Kutzing) zu betrachten seien, dass aber ihre Species (wahrscheinlich Leptothrix buccalis Robin) noch zu bestimmen sei. Wie diese Stäbchen in das Blut kämen, sei 19) Leisering: Dresdener Veterinär-Bericht für 1S5S und 1860. 20) Delafond: Recueil de med. vet. 1860. Repertorium für Thierheilkunde von Hebing. Bd. XXII. S. 31. Davaine hält die Stäbchen für die Ursache des Milzbrandes. 71 noch unklar, wahrscheinlich seien sie in faulenden vegetabilischen Stoffen enthalten, welche mit dem Getränk in den Körper gelangten. Selbst diese eingehenden Untersuchungen von Delafond, durch welche die constante Anwesenheit der Stäbchen im Milzbrandblute sicher festgestellt und ihre pflanzliche Organisation sehr wahrschein- lich gemacht war, hatten das allgemeine Interesse nicht auf die Stäbchen zu lenken vermocht. Erst dadurch, dass dieselben mit der die gesammte wissenschaftliche Welt bewegenden PASTEun'schen Keimtheorie der Gährungen verknüpft wurden, erhielten sie mit einem Schlage eine ungeahnte, ausserordentliche Bedeutung. Es war im Jahre 1863, als Davaine 2 ')) überrascht von der morphologischen Aehnlichkeit des PASTEUR'schen Buttersäure-Vibrio mit den von ihm im Jahre 1850 gesehenen Stäbchen, auf den Ge- danken kam, dass ebenso wie die Buttersäure-Gährung durch diesen Vibrio erzeugt werde, ebenso der Milzbrand durch die » corps filiformes " im Blute hervorgerufen sein könnte. Seine Annahme fand er durch eine Reihe sorgfältiger Versuche bestätigt. Nur mit stäbchenhaltigem, niemals mit stäbchenfreiem Blute liess die Krankheit sich auf ge- sunde Thiere übertragen. Die Zahl der in einem Tropfen Blut ent- haltenen Stäbchen schätzte er auf 8 bis 10 Millionen. Waren diese die Ursache des Milzbrandes, so musste das Blut noch wirksam sein auch bei stärkster Verdünnung, so lange nur noch Stäbchen in der verimpften Menge vorhanden waren. Und in der That, selbst mit millionenfach verdünntem Blute gelangen die Impfungen. Die Wahr- scheinlichkeit, dass die Stäbchen das Milzbrand -Virus darstellten, war demnach eine grosse. Hierzu kam noch der Umstand, dass Davaine zusammen mit Kaimbekt die Stäbchen auch in der Pustula maligna des Menschen nachzuweisen vermochte. 22 ) Diese Forschungen Davaine's gaben den Anstoss dazu, dass das Studium der mit den überaus interessanten Stäbchen vergesell- schafteten Krankheit von zahlreichen Forschern in Angriff genommen wurde. Allein während die Untersuchungs Ergebnisse Davaine's nur eindeutig waren, waren es die anderer Forscher nicht. Die einen fanden die Stäbchen in dem Blute der milzbrandigen Thiere, die anderen nicht. Manche Beobachter sahen sie, aber nicht nur beim Milzbrand, sondern auch bei den verschiedensten anderen Krank- 21) C. Davaine: Recherches sur les infusoires du sang dans la maladie connue sous le nom de sang de rate. — Comptes rendus de l'Academie des sciences 1863. t. 57. p. 220, 351, 3S6. — Memoire de la societe de Biologie 1865. 3. Ser. V. p. 193— 202. — Gaz. de Paris. 30. 1S64. — Cr. 1S64. t. 59. p. 393. 22) Davaine et Raihbebt: Cr. t. 59. p. 429— 431. — t. 60. p. 1296. 72 Einwürfe gegen die ÜAVAiNE'sche Ansicht. heiten im Blute und in den Organen der an diesen Krankheiten Ver- storbenen. So fand TiGEi") derartige Stäbchen in dem Blute an Typhus Verstorbener, Signol 24 ) bei Pferden, welche an Typhus, Influenza, Gangrän u. s. w. litten, Chalvet **) im frischen Blute von solchen, die an Krankheiten mit Dyspnoe und starker Behinderung der Circulation gestorben waren, sowie auch im Blute eines der putriden Infection erlegenen Kaninchens, Pouchet' 20 ) bei Bronchi- tiden, in der Nasenhöhle und im äusseren Gehörgang u. s. w. Ganz besonders aber erhoben Leplat und Jaillard' 27 ) Einspruch gegen die ÜAVAiNE'scheu Arbeiten: Davaine habe das ganze Blut, eine complexe Flüssigkeit, verimpft, während doch die Versuche mit den Stäbchen allein hätten angestellt werden müssen, da ja irgend ein anderer Bestandtheil des Blutes das infectiöse Agens, die Stäbchen aber nur zufällige Bestandtheile in demselben sein könnten. Von der Voraussetzung ausgehend, dass alle stäbchenförmigen Körper identisch seien und mithin auch gleiche Wirkung haben mlissten, nahmen sie Stäbchen von Pflanzenaufgüssen und faulenden thierischen Substanzen und spritzten dieselben Kaninchen und Hunden in das Blut resp. Unterhautgewebe ein. Da die Thiere nach Einspritzung selbst grosser Mengen von Stäbchen nicht an Milzbrand starben, so schlössen sie, dass die Stäbchen nicht das infectiöse Agens sein könnten. Diesen Versuchen gegenüber hob Davaine' 28 ) hervor, dass er Infusorien mit Erfolg verimpft hätte, welche sich in untersetztem Blute, ja im lebenden Thiere vorgefunden hätten, und dass er mit diesem Blute, wenn es in Fäulniss übergegangen war, Milzbrand zu erzeugen nicht mehr vermocht hätte. Die Stäbchen seien überhaupt nicht alle gleich werthig, wenn man sie auch nicht mit Sicherheit unterscheiden könne an bestimmten Formmerkmalen. Anscheinend gleiche, in Infusen mit süssem Wasser und mit Meerwasser entstan- dene Stäbchen gingen zu Grunde in kürzester Zeit, wenn man das süsse Wasser durch Seewasser und umgekehrt das Seewasser durch süsses Wasser mit aller Vorsicht ersetzte. Vibrionen aus dem Darm von Säugethieren und Vögeln gingen zu Grunde, wenn sie aus dem warmen Körper an die kalte Luft kämen: sie könnten mithin nicht 23) Tigri in Sienna: Cr. t. 57. 1863. p. 633. — Gaz. de Paris. 40. 1864. Berichte der Academia dei nuovi Lincei. t. XVII. 24) Signol: Cr. t. 57. p. 34S-351. — Gaz. des höpitaux 97. 1863. 25| Chalvet: Gaz. des höpitaux. 88. 1864. 26) Poüchet: Cr. t. 59. p. 748. 1864. — Gaz. des höpit. 133. 1S64. 27) Leplat et Jaillabd : Cr. 1 59. p. 250— 252. 1864. — Gaz. de Paris. 33. 1864. 28) Davalne: Cr. t. 59. p. 338; 393. p. 629 (Recherches sur les vibrioniens). Davaine und Pastedr widerlegen die Einwürfe. 73 dentisch sein mit solchen, welche in kalten Infusen entständen. Die unter den Aerzten allgemein verbreitete Ansicht, dass die milz- brandigen Affectionen und die, welche aus der Einführung faulender Stoffe in den Körper resultirten, ein und derselben Natur seien, sei falsch : „l'agent toxique du charbon et celui de la putrefaction sont completement distincts." Leplat und Jaillärd waren durch diese Darlegungen keineswegs überzeugt. Sie Hessen sich im Hochsom- mer von einem Abdecker in der Nähe von Chartres ein Stück Milz von einem an Milzbrand verendeten Thiere durch die Post nach Paris senden.'^ 1 ) Das Milzblut enthielt die Stäbchen. Kaninchen, welche sie mit diesem Material impften, starben in kurzer Zeit nach der Impfung. Ihr Blut enthielt auffallender Weise keine Stäbchen; gleichwohl Hess sich mit dem Blute die Krankheit mit Sicherheit von Thier zu Thier weiter übertragen. Die Stäbchen, so schlössen die Experimentatoren, könnten mithin nur ein Epiphänomen der Krankheit sein. Dem gegenüber betonte Davaine 30 ), dass die experimentelle tödtliche Krankheit der Kaninchen gar kein Milzbrand sei, weil die Incubation eine sehr viel kürzere Zeit dauere als beim Milzbrand, weil der Milztumor fehle, weil die Thiere schneller in Fäulniss über- gingen als die an Milzbrand gestorbenen, und weil sich die Krank- heit auf Thiere (Vögel) übertragen lasse, welche für den Milzbrand nicht empfänglich seien. Pasteuk 31 ) sprach sich dann weiter in einer besonderen Note an die Akademie dahin aus, dass das von Leplat und Jaillakd benutzte Impfmaterial wohl Stäbchen enthalten habe, aber nicht Milzbrand-Stäbchen, sondern die Vibrionen der Fäul- niss und der Buttersäure -Gährung, welche sich dadurch vor jenen auszeichneten, dass sie bald an dem Ende, bald in der Mitte eines Gliedes ein ovoides, das Licht stark brechendes Körperchen ent- hielten, dessen Auftreten er seit Jahren in den Fermentthierchen der Buttersäure-Gährung und gewisser Fäulnissprocesse, niemals aber in den Milzbrand -Stäbchen beobachtet habe. Auf Grund dieser und anderer Thatsachen erklärte Davaine 3 -), dass die unbeweglichen 29) Leplat et Jaillärd : Note au sujet d'experiences prouvant que le charbon de la vache, inocule au lapin, les tue avec tous les ph^nomenes du sang de rate, sans que leur sang contienne aucune trace de Bacteries. Cr. t. 61. p. 298. 1865. 30) C. Davaine: Rechercb.es sur une nialadie septique de la vache regardee comme de nature charbonneuse. Cr. t. 61. p. 36S; p. 523. 1S65. 31) L. Pastedr: Observations verbales ä la suite de la communication de M. Davaine (sur la maladie de la vache). C r. t. 61. p. 526. 321 C. Davaine: Remarques relatives aux recherches de M. Sanson sur les maladies cbarbonneuses. Cr. t. 68. p. 271. 1869. 74 Davaine's ..Bactäridies" Filamente im Milzbrandblut nicht von derselben Natur seien wie die bei der Fäulniss, bei der Septicämie oder in einem Heuinfus auftre- tenden beweglichen Stäbchen; — er sonderte sie deshalb von den „Bacteries" ab als „ Bacteridies u . Robin sprach sie als pflanzliche Gebilde an und rechnete sie mit Deläfond unter die Algen-Gattung Leptothrix. Der sichere Beweis für ihre pflanzliche Natur war in- dessen keineswegs geführt, ebensowenig wie der unumstössliche Be- weis dafür, dass sie die Ursache des Milzbrandes waren. Daher konnten sie selbst noch im Anfange der siebziger Jahre, wie in der ersten Zeit nach ihrer Entdeckung wiederum für Eiweiss - Krystalle angesprochen und für ganz bedeutungslos erklärt werden. Der Be- weis, dass Daväine mit seinem Analogieschluss das Richtige getroffen, dass die Stäbchen specifische Organismen mit specifischer pathogener Wirkung sind, blieb, wie wir sehen werden, Robert Koch vorbe- halten. Sechste Vorlesung. Wiederbelebung der Idee des Contagium animatum der Infectionskrankheiten. Salisbürt. Die Lehre von dem Polymorphismus der Pilze. Wandelbarkeit der Pilzformen nach dem Substrat. Hallier's System. Seine Versuche, einen gene- tischen Zusammenhang von Pilzen, Hefen und Bacterien durch die Kulturmethode nachzuweisen. Hallier's Untersuchungen über die Aetiologie der Infections- krankheiten. Enthusiasmus der Aerzte. Zurückweisung der HALLiER'schen Pilz- kulturen durch De Bary. Ablehnung jeden Zusammenhanges zwischen Pilzen und Bacterien durch Hoffmann, Bindfleisch, Bdrdon - Sanderson , Manassein und Ferdinand Cohn. Reaction gegen die HALLiER'schen Contagien-Pilze. Die sichere experimentelle Begründung der „ theorie des germes" durch Pasteur, die DAVAiNE'schen Arbeiten über den Milzbrand, ferner die Auffindung der Trichinen als ätiologisches Moment schwerer epidemischer Erkrankungen, ganz besonders aber die stetig fortschreitende Erkenntniss der parasitären Natur zahlreicher Pflan- zenkrankheiten lenkten nunmehr das allgemeine Interesse von neuem auf die Lehre von dem Contagium animatum. Forscher aller Länder wetteiferten gewissermaassen, die durch die Logik postulirten Krank- heitserreger zu entdecken. Der lebhafte Wunsch nach Erfolg war die Ursache, dass bei diesem Wettstreit manche Forscher es verab- säumten, eine für derartige Untersuchungen besonders noth wendige strenge Kritik an ihre Forschungsergebnisse anzulegen. Vielfach wurde, sobald nur in irgend einem Se- oder Excret etwas Organis- menartiges zum Vorschein kam, dieser Befund ohne Weiteres als die ersehnte Entdeckung proclamirt, zum grossen Nachtheil nicht nur für die Entdecker, sondern auch für die Sache, deren Förderung diese bezweckten. In England war es namentlich Salisbürt l ), welcher durch seine Untersuchungen Aufsehen erregte. Er fand im Sputum der an inter- 1) Salisbürt: On the cause of intermittent and remittent fevers, with investi- gations which tend to prove, that these affections are caused by certain species of Palmellae. — Amer. Journ of med. sciences. 1866. January. p. 51—74. — Description of two new algoid vegetations, one of which appears to be the specific cause of Syphilis and the other of Gonorrhoea (with XVI illustrations). — Amer. Journ. of med. scienc. 1868. January. p. 17 — 25. — Ueber den Masernpilz vergleiche Schmldt's Jahrbücher, ßd. 121. S. 49. 76 Salisbury's Malaria- Alge; seine Syphilis-, Gonorrhoe- und Masern-Pilze. mittirenden und remittirenden Fiebern leidenden Kranken Haufen von länglichen, kernhaltigen Zellen. Dieselben entdeckte er auch in den nach Lemaire's Vorgang auf kalten Glasplatten niederge- schlagenen Ausdünstungen des Malaria-Bodens — konnten da noch Zweifel darüber bestehen, dass dieser Organismus, welchen er als eine Alge, eine Art Palmelle erkannte, die Ursache der Malaria sei? Im Schankereiter sowie im gonorrhoischen Secret sah er stark licht- brechende Körperchen — das mussten die Sporen der Pilze sein, welche diese Krankheiten erzeugten, der Crypta syphilitica und der Crypta gonorrhoica. Bei Leuten, welche mit vermoderndem Stroh in nähere Berührung kamen, wie z. B. Soldaten im Feldlager, beobachtete er masernähnliche Ausschläge; in dem Stroh fand er einen Pilz — dieser stellte mithin das Masern-Contagium dar, und so fand er weiter bei der Mehrzahl der ansteckenden Krankheiten mikroskopische Algen und Pilze, welche er ohne Weiteres als die infectiösen Agentien derselben ansprach. Indessen als Wood 2 ) und Leydig Tausende seiner Palmellen verschluckten, ohne malariakrank zu werden, als 22 Personen von Dr. William Pepper mit seinem Straw-fungus ohne Erfolg geimpft wurden, als sich zahlreiche seiner Algensporen-Funde vor den Augen von Kennern als einfache Ver- unreinigungen seiner Präparate entpuppten, löste sich der Nimbus, welcher Salisbury in Folge seiner zahlreichen Entdeckungen um- geben hatte, in eitlen Dunst auf. So einfach lagen die Verhältnisse nicht; dem Spiele einer luftigen Phantasie erschlossen die „living seads", wie Spencer Well die supponirten Krankheitserreger nannte, das Geheimniss ihrer Natur nicht. In derselben Zeit, als Salisbury in England mit seinen Forsch- ungen Fiasco machte, trat in Deutschland ein Mann hervor, wel- cher, auf experimentelle Thatsachen sich stützend, in der That nun endlich das ersehnte Licht in das dunkele Gebiet der Aetiologie der Infectionskrankheiten hineinzutragen schien. Hallier war wohl- bekannt mit den PASTEUR'schen Forschungen, stand aber zugleich ganz unter dem Eindruck der zu jener Zeit die Pilzforschung beherrschenden Entdeckung des Polymorphismus zahlreicher, aut Pflanzen parasitirender Pilze, jener merkwürdigen Entdeckung, dass Pilze, welche auf ganz verschiedenen Pflanzen wucherten und welche man allgemein als besondere Arten anerkannt hatte, nur Entwick- 2) H. C. Wood: An examination into the truth of the asserted production of general diseases by organised entities. — Amer. journ. of med. scienc. 1868. p. 333— 352. Der Polymorphismus der Pilze. 77 lungszustände eines bestimmten Pilzes waren, deren jeder eben eines besonderen Bodens, eines besonderen Wirthes zu seiner Weiterent- wickelung bedurfte. Schon im Jahre 1851 hatte Tulasne 3 ) die erste Beobachtung dieser Polymorphie mitgetheilt. Später hatten Tulasne und de Baet 4 ) nachgewiesen, dass der Pleomorphismus der Reproductions- organe eine bei den Pilzen weit verbreitete Erscheinung ist. Aus diesem Nachweis resultirten dann Bestrebungen, womöglich für jeden Pilz an der Hand entwickeluugsgeschichtlicher Untersuchungen fest- zustellen, in welchen Formenkreis er hineingehörte. Die Forscher sahen sich mithin dazu gedrängt, die zu bestimmenden Pilze auf möglichst verschiedenen Substraten künstlich zu züchten, um ihre Formenkreise aufzufinden. Bei solchen Versuchen hatte Bail-'O ge- funden, dass die Sporen des Pinselschimmels in Maische hefenartig sprossten, und weiter, dass aus diesen Sprossungen eine gährungs- fähige Hefe resultirte. Hoffmann °) hatte gleichfalls durch Ein- bringen von Penicillium-Mycel in gährungsfähige Lösungen Hefe erzielt, welche Gährung hervorrief; andererseits war es ihm gelungen, in seinem Dunstrohre, einem Glasrohre, in welchem er ein Stück Kartoffel mit Wasser gekocht, und dann durch Abgiessen vom Wasser befreit hatte, aus der auf dem Kartoffelstück ausgesäten Hefe Peni- cillium, Mucor und andere Schimmelpilze zu cultiviren, — Versuche, welche nach seiner Ansicht unzweifelhaft bewiesen, dass die Hefe eine Vegetationsform der Schimmelpilze sei. Wenn nun die Hefe in den Entwicklungskreis der Schimmelpilze gehörte, so lag der Ge- danke nicht mehr fern, dass vielleicht auch die niedersten Gebilde, die Monaden, Bacterien u. s. w. gleichfalls in diese Kreise hinein- zuziehen seien. Eine solche Zusammengehörigkeit erschien um so mehr annehmbar, als durch dieselbe die so räthselhafte Entstehung jener Gebilde dem Verständniss näher gerückt zu werden schien. Johanna Luders 1 ) hatte wohl zuerst einen Zusammenhang dieser kleinsten Gebilde mit den höheren Formen wahrzunehmen geglaubt. 3) Tulasne: Comptes rendus de l'acad. des scienc. 24. et 31. Mars 1851. 4) De Bart: Untersuchungen über die Brandpilze. Berlin 1S53. — üeber Eurotium und Aspergillus. Bot. Zeitung. 1854. S. 425. 5) Ball: Ueber Hefe. 1S57. — Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. Königsberg 1861. 6) H. Hopfmann: Botan. Zeitg. 1860. Ibid. 1865. S. 348. (Beschreibung des Dunstrohres.) 7) Johanna Lüders: Ueber Abstammung und Entwickelung des Bacterium termo. Schdltze's Archiv. 1807. III. S. 317— 341 (vergl. Botan. Zeitg. 1800. No. 5). 78 Entstehung der niedersten Formen aus Protoplasma-Körnchen. Sie hatte beobachtet, dass aus dem Mycelium und aus den Sporen verschiedener Schimmel kleine Körperchen austraten, welche sich weiter entwickelten zu Bacterien, Vibrionen, Palmellen, Leptothrix, Hefezellen u. s. w., je nachdem die äusseren Umstände die eine oder die andere Entwicklungsform begünstigten, dass sie sich also z. B. in gährender Flüssigkeit zur Hefe, an nassen Mauern zu Leptothrix oder Palmella zu entwickeln vermöchten. Ihre Beobachtungen waren alsbald von HensenM bestätigt worden. Dieselben kleinen runden Körperchen hatte Käesten tJ ) aus den Pflanzenzellen, sowie aus den Speichel-, Eiter- und weissen Blutkörperchen austreten und sich zu Hefe und Vibrionen entwickeln sehen; in England hatte Huxley 10 ) ihr Vorkommen constatirt, in Frankreich war Bechämp n ) zu über- einstimmenden Ergebnissen gelangt. Es ist daher wohl verständlich, dass Halliee als Botaniker in diesen Ideenkreis hineingezogen wurde. Als er die bei den verschiedenen Zersetzungen, bei den Gährungs- und Fäulnissprocessen vorkommenden Organismen zu studiren begann, fand er dasselbe Chaos niederster Wesen, welches alle die zahlreichen Beobachter vor ihm auch gefunden, und in wel- chem sie sich an der Hand der Morphologie zurechtzufinden ver- gebens bemüht hatten. In dieser schwierigen Lage konnte allein die Erforschung des Entwicklungskreises dieser Formen, dessen fun- damentale Bedeutung bei dem Studium der parasitären Pilze in überzeugender Weise hervorgetreten war, Klarheit und Verständniss schaffen. Halliee l2 ) machte sich deshalb daran, den Entwicklungs- gang der niedersten Formen experimentell zu erforschen. Zu diesem Behufe construirte er besondere Isolir- und Kultur- Apparate, um in denselben auf verschiedenen Nährsubstraten die Entwicklung der ausgesäten Substanzen zu beobachten. Der Isolir-Apparat bestand aus einer Flasche , welche mittelst zweier rechtwinklig gebogener Röhren einerseits mit der Glocke einer Luftpumpe, andererseits mit einem Luftreinigungs-Apparat (einer Flasche mit Schwefelsäure und 8) Hensen: Ibid. S. 342— 344. 9) Karsten: Chemismus der Pflanzenzelle. Wien 1869. 10) Huxley : On the relations of penicillium, Torula and Bacterium. Quarterly Journal of microscopical seience. Bd. X. p. 361. 11) Bechamp 1. c. 12) E. Hallieb: Die pflanzlichen Parasiten des menschlichen Körpers für Aerzte, Botaniker und Studirende zugleich als Einleitung in das Studium der niederen Organismen. Leipzig 1S66. — Gäbrungserscheinungen. Untersuchungen über Gährung, Fäulniss und Verwesung, mit Berücksichtigung der Miasmen und Contagien, sowie der Des- infection. Für Aerzte, Naturforscher, Landwirthe und Techniker. Leipzig 1867. Hallieb's Isolir- und Kultur-Apparat. 79 einer Röhre mit Baumwolle) in Verbindung stand. In diese Flasche wurden die stark gekochten Nährsubstrate mit aller Vorsicht einge- bracht und schnell besät. Sollte die Luft in der Flasche erneuert werden, so wurde die Luftpumpe in Thätigkeit gesetzt; es musste Fig. 16. Hallier's Isolir-Apparat. dann die von aussen nachströmende Luft die Baumwolle und die Schwefelsäure passiren, ehe sie zu dem Kulturobject gelangte. Als Kultur-Apparat diente ihm eine Glasglocke, welche in einer mit Wasser gefüllten Schale stand. Innerhalb der Schale war auf einem Über den Wasserspiegel sich erheben- den Postamente das Schälchen mit den Nährsubstraten aufgestellt. Die Luft unterhalb der Glocke konnte in glei- cher Weise ausgepumpt und keimfrei erneuert werden wie in dem Isolir- Apparat. Isolir- und Kultur- Apparat wurden, nachdem sie sorgfältig mit absolutem Alkohol gereinigt waren, gleichzeitig beschickt. Der Isolir-Ap- parat blieb geschlossen bis zur Be- endigung des Versuches; aus dem Kul- tur-Apparat wurden täglich die Proben für die mikroskopische Untersuchung entnommen. Durch Vergleichung der Fig. 17. Hallier's Kultur-Apparat. Kulturerzeugnisse in beiden Apparaten glaubte Hallier mit Sicherheit feststellen zu können, ob sich im Kultur-Apparat bei der Entnahme der Proben fremde Keime einge- schlichen hatten oder nicht. Das Resultat der Kulturen in diesen Apparaten war nun ein in hohem Maasse überraschendes; namentlich schien das Verständniss 80 Hallier's Pilz-System. der niederen Formen nunmehr in ganz ausserordentlicher Weise er- leichtert zu sein: Alle die niedersten Gebilde gehören, soweit sie unbeweglich sind (Bacterien, Hefen), in den Entwicklungskreis von Pilzen, sofern sie beweglich sind (Vibrio, Spirillum) in den Kreis von Algen. Es giebt nur eine verhältnissmässig geringe Zahl von Pilz- species. Zu einem und demselben Pilzwesen gehören verschiedene Pilzformen — Morphen, z. B. eine Köpfchenschimmel-Morphe, eine Pinselschimmel-Morphe, eine Brandpilz-Morphe u. s. w., welche ehe- dem als besondere Gattungen : Mucor, Penicillium, Aspergillus, Ustilago, Tilletia u. s. w. unterschieden worden sind. Das Hauptmoment für die Entwicklung einer bestimmten Form ist das Substrat, auf wel- chem sie wächst. Sämmtliche Pilze können vorkommen in der Form des Schimmels. Die Gruppe „Schimmelpilze" ist in der Systematik daher unhaltbar. Ebensowenig lassen sich Hefen und Schimmel systematisch trennen. Dieselben Pilze, welche aerophytisch als Schim- mel auftreten, bilden anaerophytisch auch die Hefen, und zwar so- wohl aus den Fructifications- Organen wie auch aus den vegetativen Theilen. Aus den Fructifications- Organen der Pilze entstehen die Hefen, indem die Sporen entweder durch Sprossung direct zur Hefe werden, oder aber indem sie platzen und eine grosse Zahl von „Schwärmern" auswerfen, welche ihrerseits sich dann in Hefezellen umwandeln, und aus den vegetativen Theilen gehen sie hervor, indem deren körniges Protoplasma austritt und sich in den Nährflilssigkeiten zur Hefe weiter- entwickelt. Die Form der Hefe ist ebenfalls von dem Nährsubstrat und nicht vom Pilz abhängig. „Unsinnig ist es, die verschiedenen Hefezellen zu besonderen Arten, ja Gattungen mit gelehrt klingenden, meist aber nichtssagenden Namen, wie Cryptococcus, Hormiscium, Torula u. s. w. zu stempeln. " In stickstoffreichen Substraten bilden sich die sog. Fäulnisshefezellen — Micrococcus (Kernhefe), in zucker- reichen Cryptococcus (Kugelhefe), in sauren Arthrococcus (Glieder- hefe). Diese Hefen bilden, ehe sie zu Schimmeln heranwachsen, unter dem Einflüsse der Luft an der Oberfläche der Flüssigkeiten, ketten- förmig verbunden bleibende Reihen von Zwischenformen (Vegetations- reihen): der Micrococcus die Leptothrix-Reihe (später nannte er auf Itzigsohn's Vorschlag die Ketten der Micrococcus-Zellen r Mycotbrix", während er den analogen Gebilden bei den Algen den Namen „Lepto- tbrix " beilegte), der Cryptococcus die Torula-Hormiscium-Reihe, der Arthrococcus die Mycoderma-Oidium- Reihe. Endlich ist noch zu unterscheiden die Colonienhefe, früher als Sarcina und Merismopoedia beschrieben. Dieselbe entsteht dadurch, dass sich in gährungsfähigen Flüssigkeiten septirte Sporen oder zusammengesetzte Pilzfrüchte Die Pilze der Hautkrankheiten. Die Cholera-Pilze. 81 durch unausgesetzte Längs- und Quertheilung in Tochter- und Enkel- zellen theilen, welche dadurch, dass sie im Zusammenhange bleiben, die bekannten Figuren von umschnürten Waarenballen bilden. Mit diesen Anschauungen ging Halliee an das Studium der ver- schiedenen, an der Körperoberfläche wachsenden, schon seit lange als Erzeuger bestimmter Hautkrankheiten angesehenen Pilze und fand denn auch, dass der Favuspilz, das Achorion Schoenleinii, die Oidiurn- form des gemeinen Pinselschimmels Penicillium crustaceum Fr., dass das Tricbypbyton tonsurans, der Pilz des Herpes tonsurans, das Oidium des Staubbraudes Ustilago, dass das Microsporon furfur, der Pilz der Pityriasis versicolor, eine Hefeform des Köpfchen- Schim- mels Aspergillus sei u. s. f. Nunmehr machte sich Halliek daran, auch die Contagien der acuten Infectionskrankbeiten zu erforschen. Die besondere Anregung zu dieser Arbeit gab das erneute Erscheinen der Cholera. Kaum hatte dieselbe ihren todbringenden Einzug von neuem gehalten, so hatte man auch schon die bei ihrem zweiten Zuge durch Europa erfolglos gebliebene Erforschung ihres contagiösen Agens von neuem begonnen. Levden und Wiewiorowsky i8 ) hatten stäbchenartige Ge- bilde, Mc. Carthey und Dove 14 ) lebhaft bewegliche Zellchen, Klob 15 ) kleine Sporen von Pilzen in ungeheurer Zahl in den Reiswasser- stühlen gefunden. Klob hatte die Bildung gallertiger Schleim- massen in den Entleerungen auf eine Thätigkeit der Pilzsporen zurückgeführt und diese als Zoogloea termo beschrieben. Er hatte ferner behauptet, dass im Darme diese Gebilde es nur bis zur Ent- wicklung von Gliederketten brächten, welche man unter dem Namen Leptothrix zusammenfasse, dass über ihre weitere Entwicklung die künstliche Kultur dieser Massen Auskunft geben müsse. Thome "*) war es dann gelungen, aus dem Darminhalt einen wirklichen Pilz, das Cylindrotaenium cholerae asiaticae zu züchten, während Debet in Aachen (Deutsche Klinik, 1S67, No. 1 u. 2) eine Art von einzelliger Alge, das Cholerophyton aufgefunden hatte. Als nun Hallier' 7 ) die aus der Berliner Cholera-Epidemie vom Jahre 1S66 aufbewahrten 13) Leyden und 'Wiewiorowsky: Diss. über Cholera asiatica 1866. Virchow- Hirsch's Jahresbericht. 1867. II. S. 224. 14) Mc. Carthey und Dove: London hospital i'eport. 1866. 15) J. M. Klob : Pathol.-anat. Studien über das Wesen des Cholera-Processes. Leipzig 1867. 16) W. ThomiS, Realschullehrer in Köln : Virchow's Archiv. 1867. Bd. 38. S. 221. 17) E.Hallieu: Das Cholera-Contagium. Botanische Untersuchungen, Aerzten und Naturforschern mitgetheilt. Leipzig 1867. Loffler, Vorlesungen. 6 82 Hallier's Micrococcus. Enthusiasmus für die Lehren Hallier's. und ihm übersandten Cholera- Dejectionen im Mai 1867 in seinem Kultur- Apparat kultivirte, fand er, dass die kleinen Sporen nichts Anderes seien, als die Hefeform, der Micrococcus, eines exotischen Pilzes , des Reisbrandpilzes. Bei genauer Prüfung glaubte er auch Cystenfrüchte dieses Pilzes, welche den Früchten einheimischer Brandpilze sehr ähnlich waren, im Darminhalt der Cholerakranken zu entdecken. Damit schien denn der Beweis, dass die Cholera durch einen Pilz erzeugt werde, erbracht zu sein. Im weiteren Verfolgen dieser Arbeiten fand Hallier l8 J nun ferner, dass bei den Schaf-, Kuh- und Menschenpocken, beim Typhus abdominalis und exanthematicus, bei den Masern, bei der Syphilis, bei der Gonorrhoe, beim Rotz, bei der Diphtherie, bei der Lungen- seuche der Rinder, bei der Gattine der Seidenraupen u. s. f. „Micro- coccus" in den erkrankten Körpertheilen verbreitet war — und stets gelang es ihm auch, den dazu gehörigen Pilz in seinem Kultur- Apparat zu züchten. Auf Grund dieser seiner Erfahrungen stellte er dann die Hypothese auf, dass alle Contagien und Miasmen durch den Micrococcus von Pilzen oder Algen, welcher allein wegen seiner Kleinheit die feinsten Capillargefässe zu passiren vermöchte, ge- bildet würden, dass es daher bei den diesbezüglichen Arbeiten nur darauf ankäme, den Micrococcus aufzufinden und aus ihm denjenigen Pilz zu ziehen, welchem er seine Entstehung verdanke. Diese neuen, mit voller Ueberzeugung und Sicherheit vorge- tragenen Ideen Hallier's machten in wissenschaftlichen wie auch in Laienkreisen einen gewaltigen Eindruck. Das ganze System war so einfach und durchsichtig, alle Theile fügten sich so leicht und zwanglos zu einem harmonischen Ganzen, alle Behauptungen waren ja durch mikroskopische Beobachtung und durch Kulturversuche so sicher begründet, dass Zweifel an der Richtigkeit der Darlegungen kaum möglich schienen. Von allen Seiten, namentlich von Seiten der Aerzte, kamen zustimmende und bestätigende Zuschriften und Kundgebungen. Die weitesten Kreise nahmen lebhaften Antheil an den neuen wissenschaftlichen Errungenschaften. Nur die Botaniker, unter ihnen vor Allen de Bary 1 ' 1 ) und Hoffmann, verhielten sich anfangs kühl, später aber energisch ablehnend gegen diese, alles 18) E. Hallier: Parasitologische Untersuchungen bezüglich auf die pflanz- lichen Organismen bei Masern, Hungertyphus, Darmtyphus, Blattern, Kuhpocken, Schafpocken, Cholera nostras u. s. w. Leipzig ISüb. 19) A. de Bart: Virchow - Hxrsch , Jahresbericht. II. Jahrg. 1867. Bd. II. l.Abthl. S. 240— 252 — reproducirt in Botan. Ztg. 1868. S. 686; Botan. Zeitung 1867. S. 351. Kritik seiner Arbeiten, de Bary. Hoffmann. Rindfleisch. 83 bisher auf dem Gebiete der Pflanzen- Physiologie und Pathologie Geleistete in Frage stellenden, umstürzenden Ideen. Namentlich ver- misste de Baey das erste Postulat einer morphologisch-entwicklungs- geschichtlichen Untersuchung, den Nachweis der zu irgend einer Zeit nothwendig vorhandenen organischen Continuität succes- siver Entwicklungszustände. Die zahlreichen Morphen und Genera- tionsreihen der Pilze erschienen in hohem Grade auffallend; merk- würdig erschien es besonders, dass der gemeinste Schimmelpilz, der Pinselschimmel, eine so ausserordentlich häufig wiederkehrende Er- scheinung bei den Kulturversuchen der verschiedensten Objecte war. Dieselbe erklärte sich indessen in der einfachsten Weise, wenn man annahm , dass trotz aller vermeintlichen Vorsichtsmaassregeln sich stets Sporen dieses überall verbreiteten Schimmels in die Kulturen eingeschlichen hatten, oder vielmehr in der Mehrzahl der Fälle mit dem Kulturmaterial zugleich ausgesät worden waren. Bei der stets unreinen Aussaat grösserer Mengen der zu untersuchenden Materia- lien leistete solch ein schöner Kultur -Apparat, welcher das Ein- dringen fremder Pilzsporen mit aller Sicherheit zu verhüten ge- stattete, wie Bkefeld 20 ) bei einer anderen Gelegenheit treffend be- merkt, etwa denselben Dienst wie ein Regenmantel, den man einem durchnässten Menschen giebt, damit er sich durch ihn auf seinem letzten Gange vor Erkältung schütze gegen einige Regentropfen, die unterwegs auf ihn niederfallen könnten. Hoffmann, selbst ein eifriger Verfechter eines weitgehenden Polymorphismus der Pilze, wies jeden Zusammenhang der niedersten Formen, welche er unter dem Sammelnamen „ Bacterien " 2 ') zusammenfasste , mit den Pilzen und Hefen zurück. Seine Untersuchungen führten ihn zu dem Schlüsse, dass „die sämmtlichen Formen der Bacterien -Reihe nie anders, als durch gleichartige Wesen erzeugt werden." In seiner von der Pariser Akademie preisgekrönten Arbeit über die Bacterien stellte er sogar innerhalb der Bacterien - Reihe den Uebergang von Monas-Bacterien in Stäbchen-Bacterien entschieden in Abrede, indem er schrieb, „die Annahme, dass aus einem (isolirten) punktförmigen oder kugelförmigen Körperchen durch Längenwachsthum ein Bac- terienstäbchen werden könne, muss ich als unrichtig bezeichnen." Auch Rindfleisch' 22 ) kam bei seinen ausgezeichneten Untersuchun- 20) Oscar Bkefeld : Botanische Untersuchungen über Schimmelpilze. II. Heft. Die Entwicklungsgeschichte des Penicillium. Leipzig 1874. S. 21. Anm. 21) H. Hoffmann: Ueber Bacterien. Botan. Zeitg. 1869. 22) Rindfleisch: Untersuchungen über niedere Organismen. Bonn. Juni 1871. Virch. Arch. Bd. 54. S. 108; 396. 1872. 6* 84 Die Bacterien entstehen nicht aus Pilzen. gen Über niedere Organismen zu dem Resultat, dass es völlig absurd sei, an die Entstehung der Schizomyceten aus Pilzsporen zu glauben, da er frische Muskelstückchen in keimfreien Gefässen an der Luft wohl schimmeln, aber nicht in Fäulniss übergehen sah. Trotz des Vorhandenseins einer Fülle von Pilzsporen entstand kein einziges Bacterium. „Es ist so," sagte er, „wie es ein richtiger, naturwissen- schaftlicher Instinct schon längst verlangt hatte, keine Vermischung der Species, kein Chaos." Rindfleisch lehnte wie Hoffmann nicht nur den Zusammenhang von Pilzen und Schizomyceten entschieden ab, sondern er trennte ebenfalls scharf Bacterien und Micrococcus, indem er die Bacterien wegen ihrer willkürlichen Bewegung als nie- derste Thiere, den Micrococcus wegen seiner Sesshaftigkeit für eine niederste Pflanze ansprach. Nicht minder entschieden stellten auf Grund zahlreicher, einwandfreier Versuche Bükdon - Sanderson 23 ), ManasseTn 24 ) und Ferdinand Cohn '") jeden Zusammenhang zwischen Bacterien und Schimmelpilzen in Abrede. In künstlichen, nach Pa- steur's Vorgang hergestellten Nährlösungen, welche in Reagenz- cylindern frisch gekocht und in freier Luft offen hingestellt waren, sahen sie wohl Pilzmycelien, aber keine Bacterien zur Entwicklung kommen. Wenn sie dagegen Bacterienkeime, welche frei waren von Schimmelsporen oder Mycelfäden, in solche Nährlösungen aussäten, so beobachteten sie, dass stets nur Bacterien, niemals Mycelpilze wuchsen. Die Entstehung der Bacterien aus den Pilzen, welche Hallier und mit ihm besonders noch Polotebnow ili ) vertreten hatte, war durch diese fundamentalen Versuche endgültig abgethan. Weiter wurden auch gegen Hallier's Contagien - Pilze von ärztlicher Seite Bedenken laut, weil Hallier das wichtigste und abschliessende Glied in der Kette des Beweises für deren infectiöse Natur — die Wiedererzeugung der Krankheit mit dem gezüchteten Pilze einzufügen unterlassen hatte. Dem anfänglichen Enthusiasmus 231 Bürdon-Sanderson : The origin and distribution of'Microzymes (Bacteria) in water and the circumstances which determine their existence in the tissues and liquids of the living body. Second report concerning the intimate patho- logy of contagion. Appendix of the 13 Report of the Medical officer of the Privy Council. Quarterly Journal of the microc. society. Oct. 1871. 24) Wjatscheslaw Manasseln: Ueber die Beziehungen der Bacterien zum Penicillium glaucum Lk. und über den Einfluss einiger Stoffe auf die Entwicke- lung dieser letzteren; inWiEssNER: Mikroskopische Untersuchungen. Stuttgart 1872. 25) Ferdinand Cohn : Untersuchungen über Bacterien, im August 1872. Bei- träge zur Biologie der Pflanzen. Bd. 1. Heft II. S. 188. Breslau 1875. 26) A. Polotebnow: Ueber den Ursprung und die Vermehrung der Bac- terien; in Wiessnek: Mikroskopische Untersuchungen. Reaction gegen die HALLiER'schen Contagien-Pilze. 85 für seine Arbeiten folgte nach nicht langer Zeit eine sehr empfind- liche Reaction gegen dieselben. Die Folge davon war, dass die An- schauung von der pflanzlichen Natur der Contagien der Infections- krankheiten, welche Hallier vertheidigte, wiederum in Misskredit gerieth. Nicht zu verkennen ist es, dass eine ganze Reihe von Arbeiten, welche die Aetiologie der Infectionskrankheiten betrafen, unter dem Einflüsse der HALLiER'schen Ideen entstanden (cf. die von Hallier herausgegebene Zeitschrift für Parasitenkunde), leider aber auch an denselben Fehlern litten wie diese und deshalb einen wesentlichen Gewinn für die Wissenschaft nicht brachten. So tragen z. B. die zahlreichen Arbeiten über Diphtherie und Scharlach von Letzerich 27 ), Tschamer' 28 ) und Talamon ' 2il ), welche zur Auffindung des Zygodesmus fuscus, der Tilletia diphtheritica, des Verticillium candelabrum und ruberrimum führten, den geistigen Stempel Hallier's. 27) Letzerich's Arbeiten über Diphtheritis in Virchow's Archiv. Bd. 45, 46, 47, 52. (Bd. 55, 58, 61, 68.) 28) A. Tschamer: Ueber das Wesen des Scharlach- und Diphtheritis-Con- tagiums und über deren verwandschattliche Verhältnisse. — Centralzeitung für Kinderheilkunde. 1879. Nr. 23. — Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1SSU. S. 15. 29) Talamon: Progres mädical 1881. S. 122, 498. Siebeute Vorlesung. Hallier's „Micrococcus" und Chauveau's Nachweis der corpusculären Natur der Jnfection8stoffe. Auffinden von „Micrococcus, granulations, Bacterien, Bacteri- dien" bei zahlreichen Krankheiten. Ungenügende Kriterien für die belebte Natur der aufgefundenen Gebilde. Verwechselungen mit unbelebten Körperchen. Ueber- tragungsversuche auf Thiere. Mangelhafte Beweiskraft derselben. Nachweis che- mischer Gifte in faulenden Substraten durch Pandm , Bergmann und Schmiede- bbbg, Sonnenschein und Zülzee. Nachweis typischer Mikrokokken- Herde in inneren Organen durch von Becklinghadsen, Waldeter, Weigert. Klebs' Micro- sporon septicum. Anatomischer Nachweis desselben. Tiegel's Filtration infec- tiöser Sccrete durch Thonzellen. Klebs' „fractionirte Kultur'' Klebs' Kulturen in Gallertckammern. Längstheilung der Bacterien. Mikrokokkon-Kolonieen, gelbe Körper, homogene Plasmaschicht. Vergleichende Kultur des Diphtherie-Pilzes. Klebs' Kulturversuche ausser von Letzerich von keiner Seite bestätigt. Seine anatomischen Untersuchungen anerkannt. Hoeter's Monadonlehre. Einwürfe gegen die specifische pathogene Bedeutung der in den Organen nachgewiesenen Organismen. Deren Identität mit Fäulnissorganismen behauptet. Bei allen Krank- heiten identische Organismen gefunden. Notwendigkeit des Nachweises specifischer Unterschiede unter den bei verschiedenen Krankheiten gefundenen Organismen. Hatten sich nun auch die Hoffnungen, welche man anfänglich an die HALLiEE'schen Arbeiten in Bezug auf die Aetiologie der In- fectionskrankheiten geknüpft hatte, nicht erfüllt, hatten sich auch alle die zahlreichen Züchtungs- Versuche und -Ergebnisse als verfehlt und bedeutungslos herausgestellt, so blieb doch, wenn man die Halliek- schen Untersuchungen von diesem entwicklungsgeschichtlichen Bei- werk entkleidete, die Thatsache bestehen, dass Hallier bei den ver- schiedensten Krankheiten in den pathologischen Se- und Excreten kleinste, theils bewegliche theils unbewegliche, zellenartige Gebilde nachgewiesen hatte, welche unter normalen Verhältnissen sich nicht darin fanden. Es waren das die von ihm sogenannten Micrococcus- schwärmer und deren fadenartige Entwicklungszustände die Leptothrix resp. Mycothrix, dieselben Gebilde, welche von anderen Forschern als Monaden, Bacterien, Vibrionen, Bacteridien u. s. w. bezeichnet wurden. Grade auf den Nachweis dieses Micrococcus hatte Halliee einen be- sonderen Nachdruck gelegt, weil er nach seiner Ansicht vermöge seiner Chauveau's Untersuchungen über die Natur der Contagien. 87 Kleinheit alleirj geeignet war in die feinsten Capillargefässe einzudrin- gen. Von allen seinen zahllosen Pilz-Vegetationsformen stand daher für die Aerzte der Micrococcus im Vordergrunde des Interesses. Zur Erhöhung dieses Interesses trugen nicht unwesentlich die Untersuchun- gen bei, welche Chauveau 1 ) in derselben Zeit über die Natur der Contagien anstellte. Chauveau legte sich die Frage vor : An welchen Bestandtheilen der infectiösen Materialien haftet das Virus, an der Contagienflüssigkeit oder an deren geformten Bestandtheilen? Auf der Basis einer Reihe von geistvollen Versuchen gelang ihm die Beant- wortung dieser wichtigen Frage. Durch mehrfach wiederholtes Ver- dünnen von Kotzeiter resp. Vaccine- Lymphe mit Wasser, Absitzen- lassen und Decantiren der Flüssigkeiten von dem Bodensatz trennte er die löslichen Bestandtheile von den geformten ungelösten. Die Waschflüssigkeiten erwiesen sich nach ihrer Verimpfung auf Thiere unwirksam, der Bodensatz aber, welcher Eiterkörperchen und feine „granulations" enthielt, durchaus wirksam. Das Virus konnte dem- nach nicht ein gelöstes Gift sein, sondern musste ohne Zweifel als ein körperliches Etwas angesehen werden. Zu gleichen Ergebnissen gelangte Burdon-Sanderson'-) bei seinen Untersuchungen über die Vaccine-Lymphe. Diese Versuche harmonirten somit auf das Vortreff- lichste mit dem Nachweise von „Micrococcus" in den genannten und anderen Contagien. Die HALLiER-CHAuvEAu'schen Untersuchungen gaben daher der Erforschung der Contagien eine mächtige Anregung, welche in der grossen Fülle diesbezüglicher Arbeiten aus dem Jahre 1868 und den folgenden Jahren ihren Ausdruck fand. Die Micrococcus- Befunde, welche Hallier in der Menschen-, Kuh- und Schafpocken- Lymphe erhoben hatte, fanden eine Bestätigung durch Medicinal- rath Keber :i ), welcher in demselben Material neben Körnchenzellen unzählige freie Kerne und punktförmige, unmessbar kleine Moleküle auffand, sowie durch die Untersuchungen zahlreicher anderer Forscher 1) Chauveau: Nature du virus vaccin. Determination experimentale des Clements qui constituent le princip actif de la se>osite vaccinale virulente. — Comptes rendus 1S6S. 1. 66. S. 2S9; S. 317. — Nature des virus : Determination experimentale des elements qui consti- tuent le princip virulent dans le pus varioleux et le pus morveux. ibid. p. 359. — Isolement des corpuscules solides qui constituent les agents specifiques des humeurs virulentes — Demonstration directe de l'activite' de ces corpuscules. ibid. 1S69. t. 6S. No. 14. 21 Burdon - Sanderson : Introductious report on the intimate pathology of contagion. 3) F. Keber: Ueber die mikroskopischen Bestandtheile der Pockenlymphe. Virchow's Archiv. Bd. 42. S. 112. l%s. 88 Auffinden von „Micrococcus" bei zahlreichen Krankheiten. wie Weigert 4 ), Cohn :> ), Zülzer i; ), Luginbuhl"). Nachdem in dem Rotzeiter von Hällier s ) und Zürn' 1 ) Micrococcus in lebhaft schwär- mender Bewegung constatirt war, fand Semmer 10 ) darin Micrococcus- zellen zu Mycothrixfäden aneinandergereiht, fanden Christot und Kiener 11 ) in solchem Eiter wie auch in dem Blute rotzkranker Thiere „granulations" und „bacteries". Schurtz 12 ) faud unter der abgeschäl- ten Oberhaut von Scharlachkranken „Micrococcus", Hueter 13 ) in dem Gewebe und im Blut zweier an diphtherischer Gangrän leiden- der Kranken Myriaden von kleinsten Monaden, und zusammen mit Tommasi 14 ) identische Organismen auch in den Pseudomembranen bei der Diphtherie. Bei derselben Krankheit konnten auch Buhl 15 ), Oertel 1u ) und Nassiloff 17 ) nicht nur in den Membranen, sondern auch in den Lymphgefässen der Submucosa, in den Lymphdrüsen und in den inneren Organen „Micrococcus" in ungeheuren Mengen nachweisen. Eberth 1 * 1 ) constatirte in diphtheritischen Auflagerungen dichtgedrängt liegende, punktförmige, glänzende Sporen, Stern- und spindelförmige Gruppen von Pilzen in den erweiterten Saftcanälcben 4) C. Weigert: Ueber Bacterien in der Pockenhaut. — Centralblatt f. d. med. Wissensch. 30. September. 1871. No. 39. 5) F. Cohn: Organismen in der Pockenlymphe. Virchow's Archiv. Bd. 55. 1872. ..Microsphaera vaccinae." 6) Zülzer: Berlin, klin. Wochenschrift 1872. 71 Lüginbdhl: Verhandlungen der physik -med. Ges. in Würzburg 1873. 8) Hallier: Ueber einen bei der Rotzkrankheit der Pferde auftretenden Parasiten verglichen mit dem der Syphilis. Bayerisches ärztliches Intelligenzblatt 23. Juni 1868. S. 327. 9) Zürn: Adam's Wochenschrift für Thierheilkunde und Viehzucht. 1868. Nr. 25. 10) Semmer: Die Contagien. Oesterreicbische Vierteljahrschrift für wissen- schaftliche Veterinärkunde. Bd. 31. Wien 1869. 111 Christot und Kiener: De la pre"sence des bacteries et de la leucocytose concomitante dans les affections farcino-morveuses. — C. r. 1868. 23. November, t. 67. p. 1054. — Recueil de med. vät. 1868. p. 93. 12) Schurtz: Archiv der Heilkunde. 1868. Bd. 9. S. 69. 13) Hueter: Pilzsporen in dem Gewebe und im Blute bei Gangraena diph- theritica. — Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1808. S. 177. 14) Hueter und Tommasi-Crüdeli: Ueber Diphtheritis. ibid. 1868. S. 531. 15) Buhl: Zeitschrift für Biologie. Bd. 3. 1867. S. 340. 16) Oertel: Studien über Diphtheritis. Bayerisches ärztliches Intelligenz- blatt. 1868. No. 31. — Experimentelle Studien über Diphtheritis. Leipzig 1871. 17) Nassiloff: Ueber die Diphtheritis. Virchow's Archiv. Bd. 50. Heft 4. S. 550. 1870. 18) Eberth: Correspondenzblatt für die Schweizer Aerzte 1872. — Ueber bacter. Mycosen. Leipzig 1872. Bacterien-Befunde bei Krankheiten. 89 der Schleimhaut und der Gefässadventitia und zahllose Massen von Pilzen im Gewebe der Mucosa, aber nicht im Blute und in den inneren Organen. „Micrococcus" gelang es auch Semmer im Blute und in den krankhaften Veränderungen von Thieren, welche an Rinder- pest, Septicämie und anderen infectiösen Erkrankungen litten, aufzu- finden, kurz es häuften sich die Beobachtungen, welche darauf hin deuteten, dass in dem „Micrococcus" das körperliche Virus der in- fectiösen Krankheiten von Menschen und Thieren zu suchen sei. Eine Fülle von Beobachtungen, welche sich mehr an die Pasteur- DAVAiNE'schen Untersuchungen anschlössen, lenkten in dieser selben Epoche die Ideen nach der gleichen Richtung hin. Matrhoffer' ,j ) fand bei Wöchnerinnen im inneren Belag des Uterus Vibrionen, be- sonders aber bei solchen, welche am Puerperalfieber erkrankt waren. Pouchet 2 ") hatte bei den Bronchitiden, wie wir gesehen haben, Vi- brionen und Bacterien im Auswurf wahrgenommen, Leyden und Jaffe 21 ) constatirten bei putrider Bronchitis und beim Lungenbrand sowohl in den Sputis als in den erkrankten Theilen selbst das Vor- kommen von Bacterien und Spirillen. Rosenstein 22 ) in Groningen machte dieselbe Beobachtung. Traube 23 ) zeigte, dass häufig schwere Blasencatarrhe entstehen, wenn Schizomycetenkeime durch unreine Catheter in die Harnblase gelangen. Klebs 21 ) führte die Pyelo- Nephritis auf die Einwanderung von Pilzkeimen durch die Harnblase in die Ureteren und in die Harncanälchen zurück. Coze und Feltz 25 ) fanden bei Kaninchen, welchen sie faulige Flüssigkeiten res]). Blut von lebenden Typhus- und Pocken-Kranken in die Venen, unter die Haut, in die Lungen u. s. w. injicirt hatten, das Blut erfüllt von zahllosen Bacterien von verschiedener Grösse, Form und Bewegung; sie fanden ferner, dass, wenn sie das Blut der durch die Injectionen getödteten Thiere zu Injectionen bei anderen Thieren verwandten, die Ansteckung bei jeder Weiterimpfung immer intensiver sich ge- staltete und immer schneller zum Tode führte. Rindfleisch 26 ) fand 19) Mayrhoffer: Wochenblatt der Gesellschaft der Wiener Aerzte. 1863. Januar. No. 4. 20) Pouchet: Gazette de Paris. 1864. No. 47. 21) Leyden und Jaffe: Deutsches Archiv f. klin. Med. 1867. Bd. 2, 4, 5. 22) Kosenstein: Berliner klin. Wochenschrift. 1867. 1. 23) Traube: Berliner klin. Wochenschr. 1864. 2. 24) Klebs: Handbuch der patholog. Anatomie. Berlin 1869 — 1876. 25) Coze et Feltz: Recherches experimentales sur la presence des infu- soires et l'etat du sang dans les maladies infectieuses. Strassburg 1866. 26) Bindfleisch: Handbuch der pathologischen Gewebelehre zur Einführung in das Studium der patholog. Anatomie. Leipzig 1867—69. 90 Mangelnder Beweis für die infectiöse Natur der aufgefundenen Gebilde. die kleinen stecknadelknopfgrosseu Er weich ungsb erde, welche sich bei pyämischen, puerperalen, rotzigen und ähnlichen Affectionen im Herzmuskel entwickeln, nicht von Eiterkörperchen, sondern von Vi- brionen erfüllt. Wahl 27 ), von Recklinghausen 28 ), Buhl 29 ) und Waldeter' ) beobachteten bei geschwürig-hämorrhagisehen Pro- cessen im Magen und Darm, in den afficirten Schleimhautstellen bacteridienähnliche Fäden, welche sich bis in die Blut- und Lymph- gefässe verfolgen Hessen, und zugleich auch kürzere stäbchenartige Körper im Blute. In einer grossen Zahl von Milzbranderkrankungen beim Menschen fand Münch 31 ) ganz ähnliche Darmaffectionen mit denselben fädigen Gebilden. Wedl 32 ) wies Pilzmassen in cariösen Zähnen nach, ja sogar in den Zähnen vorweltlicher Thiere entdeckte er solche. Leber und Rottenstein :,:i ) bestätigten und erweiterten diese Beobachtungen. Sie beobachteten dass die Pilzmassen in den cariösen Zahntheilen sich durch Jod und Mineralsäuren violett färbten. Durch diese zahlreichen, unter einander gut harmonirenden Beob- achtungen Hessen sich viele Forscher, zumal die enthusiastischen An- bänger der Lehre von dem Contagium animatum der Art imponiren, dass sie die bei den verschiedensten infectiösen Processen gefundenen kleinsten Gebilde ohne weiteres als die Contagien dieser Krankheiten proklamirten. Von einem wissenschaftlichen Beweise, dass die ge- fundenen Gebilde die Ursachen der Krankheiten, bei welchen sie theils in den Ausscheidungen auf der Körperoberfläche, theils auch im Blute und im Parenchymsaft nachgewiesen wurden, darstellten, war jedoch bei allen diesen Untersuchungen ebenso wenig die Rede, wie bei den um die Mitte unseres Jahrhunderts gemachten analogen Funden. Verwechselungen mit allen möglichen körnigen und stäb- chenförmigen Gebilden, unorganischem und organischem Detritus, Fetttröpfchen, Krystallen u. dgl. waren bei diesen Untersuchungen, welche sich auf meist mehr oder weniger veränderte organische Flüssigkeiten erstreckten, in ausgedehntem Maasse möglich. Sichere Methoden zur Unterscheidung der verschiedenartigen organisirten 27) Wahl: Virchow's Archiv. Bd. 21. S. 579. 28) von Recexinghausen : Viechow's Archiv. Bd. 30. S. 366. 29) Bdhl: Zeitschrift für Biologie. Bd. 6. S. 129. 30) Waldeyer: Viechow's Archiv. Bd. 52. S. 341. 31) M&mch: Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1871. S. 802. 32) Wedl: Sitzungsberichte der Wiener Akademie. 1864. 33) Th. Leber und J. B. Rottenstein : Untersuchungen über die Caries der Zähne. Berlin 1867. Thier-Impfungen. Chemische Gifte in faulenden Substanzen. 91 und nicht organisirten Formelemente waren nicht vorhanden. Die Beweglichkeit der Körperchen war ein sehr unsicheres Kriterium für ihre belebte Natur. Vielfach wurde die BßOWN'sche Molekular- Bewegung kleinster Körperchen Quelle von Irrthümern. Bettel- heim ;I J warnte davor, die pathologische Bedeutung solcher be- weglicher, kleinster Elemente, welche man im Blute auffand, zu überschätzen, da er derartige bewegliche Körperchen von verschie- dener Form und Grösse bei kranken sowohl wie auch bei gesunden Individuen im Blute stets habe nachweisen können. Viele Forscher, wie namentlich Hueter, Oertel, von Recklinghausen, Nassiloff, Eberth, bemühten sich den Beweis für die belebte und infectiöse Natur der aufgefundenen Pilzschwärmer, „des Micrococcus", durch Uebertragung der krankhaften Producte auf Thiere zu führen. So- bald nun die Thiere, z. B. nach Einbringung diphtherischer Membran- theilchen unter die Haut, mit heftigen, von der Impfstelle ausgehenden Symptomen erkrankten oder sogar starben, war man von der ätio- logischen Bedeutung der in dem verimpften Materiale enthaltenen Körnchen und Stäbchen für die betreffende Infectionskrankheit über- zeugt. Freilich wurden auch gegen derartige Versuche schwerwie- gende Einwürfe erhoben. Man wies darauf hin, dass die Impfkrank- heit der Thiere durchaus nicht homolog sei mit der menschlichen Krankheit, von welcher die verimpften Producte herstammten. Andere betonten dass nicht jener kleinste Micrococcus, sondern irgend welche andere in dem mehr oder weniger zersetzten Impfmaterial enthaltene chemische Stoffe das eigentliche krankheiterregende Moment dar- stellten. Dass derartige chemische Gifte in putriden Substanzen sich entwickeln können, hatte Panum ;!5 ) bereits im Jahre 1S56 nachgewie- sen, indem er aus faulenden Fleischaufgüssen eine durch Kochen, Ein- dampfen und Behandeln mit Alkohol nicht zerstörbare, in den kleinsten Mengen — 12 mgrin — wirksame giftige Substanz, sein sogenanntes „ extractförmiges putrides Gift" zu gewinnen verstand. Hemmer 50 ) und Schweninger 117 ) hatten dann die Resultate Panum's bestätigt und 34) K. Bettelheim: Ueber bewegliche Körperchen im Blute. — Wien. med. Presse. 1868. Nr. 13. 35) P. L. Panum: Bibliothek for Läger. April 1856. p. 253— 285. Referat darüber in Schmidt's Jahrbüchern für die gesammte Medicin. 1859. S. 213 — 217. — Das putride Gift, die Bacterien, die putride Infection oder Intoxication und die Septicämie. Virchow's Archiv. Bd. 60. 1874. S. 328—352. 36) M. Hemmer : Experimentelle Studien über die Wirkung faulender Stoffe auf den thierischen Organismus. — Gekrönte Preisschrift. München 1866. 37) F. Schweninger: Ueber die Wirkung faulender org. Substanzen auf den lebenden thierischen Organismus. — Gekrönte Preisschrift. München 1866. 92 Auffinden scharf charakterisier Mikrokokkcnherde in inneren Organen. dem Gifte eine fermentartige Wirkung zugeschrieben. Bergmann und Schmiedeberg :! *) war es sogar gelungen eine intensiv giftige Base in Form eines schwefelsauren Salzes, „das schwefelsaure Sepsin' : , zu gewinnen, welches auf Hunde und Frösche ebenso giftig wirkte, wie die ursprüngliche Faulflüssigkeit. Endlich hatten Zülzer und Sonnenschein 39 ) aus altfaulenden Fleischaufgüssen ein gewissen pflanzlichen, stickstoffhaltigen Basen, wie z. B. dem Atropin und Hyoscyamin, hinsichtlich seiner Beactionen ganz analoges „septisches Alkaloi'd" darzustellen vermocht. Es waren mithin Gründe genug vorhanden , welche die Impfergebnisse in einem für die infectiöse Bedeutung des Micrococcus durchaus nicht günstigen Lichte er- scheinen Hessen. An eine Trennung der verdächtigen Formen von den Gewebsbestandtheilen und an eine Verimpfung der isolirten Ge- bilde als besten Beweis für deren pathogene Wirkung dachte man wohl, doch hielt man derartige Versuche nach dem Scheitern der HALLiEit'schen Züchtungen vor der Hand für aussichtslos. Als ein wesentlicher Fortschritt mussten daher Untersuchungen begrüsst wer- den, aus welchen bestimmte Beziehungen der kleinsten Formen zu gewissen, scharf charakterisirten, pathologisch anatomischen Gewebs- veränderungen klar und deutlich hervorleuchteten. In der Sitzung vom 10. Juni 1S71 der Würzburger phys.-med. Gesellschaft berichtete von Recklinghausen, dass er bei einer ganzen Reihe von infectiösen Krankheiten, vor allem bei Pyämie und Puer- peralfieber, ferner bei Typhus, acutem Gelenkrheumatismus, Urin- infiltration und Lnngengangrän als Ursache der metastatischen Herde in den Organen des kleinen wie des grossen Kreislaufes miliare Anhäufungen kleiner Organismen, welche er als Mikrokokken be- zeichnete, gefunden habe. Dieselben zeichneten sich aus durch ihre Widerstandsfähigkeit gegen die verschiedensten chemischen Agentien, wie Natronlauge, Essigsäure, Glycerin, und zeigten ein so gleich- massiges scharfes Korn, dass sie mit Detritusmassen unmöglich ver- wechselt werden konnten. Er hielt sie für identisch mit den von 38) E. Bergmann: Das putride Gift und die putride Intoxication. Dor- pat 1S66. — und 0. Schmiedeberg: Ueber das schwefelsaure Sepsin. Vorläufige Mit- theilung iin Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1868. S. 394. Vergl. die Dissertationen von A. Schmidt : Untersuchungen über das Sepsin, Dorpat 1869, und Petersen: Beiträge zur Kenntniss von dem Verhalten des pu- triden Giftes im faulenden Blute. Dorpat 1869. 39) ZtxzER und Sonnenschein: Ueber das Vorkommen eines Alkaloids in putriden Flüssigkeiten. — Berl. klin. Wochenschrift. 1869. S. 121. von Recklinghausen. Walbeyee. Weigert. Klebs. 93 Buhl, Oeetel und Nassiloff für die Diphtheritis und von Klebs für die Cystitis und Pyelo -Nephritis beschriebenen Formen. Er fand diese Anhäufungen nicht nur intravasculär, sondern auch extravas- culär, z. B. innerhalb der Lungenalveolen. Niemals bestand gleich- zeitig Endocarditis, so dass von Embolieen im Sinne Virchow's nicht die Rede sein konnte. Kurze Zeit darauf, am 4. August desselben Jahres, berichtete Waldeyeu in der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Kultur über ganz ähnliche Befunde, über Bacterien- herde im Herzmuskel bei Pyämie, sowie über mehrere Fälle von hämorrhagischer Nephro -Pyelitis, bei welchen in der Schleimhaut der Nierenbecken, sowohl in den Blutgetässen als interstitiell, Bac- terienkolonieen nachgewiesen werden konnten. Am 30. September desselben Jahres berichtete dann Weigert, dass er in Schnitten durch Pockenhaut im Corium gefässähnliche, buchtige, oft auch verzweigte Schläuche oder deren Durchschnitte von 0,01 — 0,02 mm Durchmesser beobachtet habe, deren dichtkör- niger, scharf gezeichneter Inhalt vollkommen die von v. Reckling- hausen angegebenen Charaktere — Unveränderlichkeit in Essigsäure, Natronlauge und Glycerin, sowie scharfes Korn — zeigten, so dass eine Verwechselung mit Detritusmassen ausgeschlossen war. Färbte er die Schnitte in ammoniakalischer Carminlösung, in welcher auch die Intercellularsubstanz des Bindegewebes sich roth färbte, so blieben die Schläuche farblos. Behandelte er aber die so gefärbten Schnitte mit Salzsäure- Glycerin, so nahm die Zwischensubstauz zwischen den Körnchen eine rothe Farbe au, während das Bindegewebe bis auf die Kerne farblos wurde. Die einzelnen Bacterieu gehörten der kleinsten Art an; zwischen ihnen fanden sich hier und da einzelne Lymphkörpercheu. Die Schläuche selbst hatten eine scharfe Be- grenzung gegen das Bindegewebe, welches öfters, aber nicht immer durch längsgestellte, unter einander zusammenhängende Bindege- webskörperchen noch deutlicher markirt war. Weigert war des- halb geneigt, die beschriebenen Schläuche für mit Bacterien vollge- stopfte Lymphgefässe zu halten. Alle diese Fälle waren Fälle von hämorrhagischen Pocken, welche am 6. Tage nach dem Auftreten des Exanthems tödtlich geendigt hatten. In allen übrigen, nach dem 10. Tage secirten Fällen fehlten die Schläuche. In diesen Fällen waren die Bacterien vielleicht, wie Weigert meinte, durch amöboide Zellen bereits fortgeschleppt. Von noch grösserer Bedeutung für die vorliegende Frage wur- den nun aber die Untersuchungen, welche Edwin Klebs während des deutsch- französischen Krieges 1870/71 an einem umfangreichen 94 Klebs' Microsporon septicum. Verwundeten - Materiale über die Anwesenheit niederer Organismen in den Wundsecreten sowie in den inneren Organen septisch und pyämisch Erkrankter angestellt und über welche er in seinen Bei- trägen zur Pathologie der Schusswunden, Leipzig 1S72, eingehend berichtet hat. Klebs fand in den Wundsecreten, sowohl in dem pus bonum et laudabile wie auch in den dünnen jauchigen Absonde- rungen, constant Fäulnisspilze, „stäbchenartige Körperchen, sog. Bacterien, ohne Bewegung, nicht selten zu mehreren aneinander gereiht, so dass langgliedrige Fäden entstanden, ferner zahlreiche Mikrospuren, glänzende ausserordentlich kleine Körperchen, deren Durchmesser höchstens die Hälfte eines Mikromillimeters betragen haben mag, die entweder frei vereinzelt lagen und dann oscillato- rische Bewegungen machten, oder in Gruppen zusammenlagen (Zoo- gloeaformen) , oder zu rosenkranzartigen Fäden aneinander gereiht waren. " Die beobachteten Formen passten genau in das HALLiEii'sche Pilzschema. Klebs reihte sie daher unter dem Namen Microsporon septicum den Fadenpilzen an. Er verfolgte sein Microsporon zu- nächst auf anatomischem Wege. Ausser in den Wundsecreten fand er es in dem Granulationsgewebe, in den Fistelgängen, in den Safträumen des Bindegewebes , in den Bindegewebsscheiden der Muskeln, in dem entzündeten Knochenmark, auf dem ulcerirenden Knorpel der erkrankten Gelenke. Er constatirte ferner dessen An- wesenheit in den Blutgefässwandungen sowie auch in den Blutgefäss- thromben, in den frischen sowohl wie besonders in den zerfallenden. Bei der Pyämie wies er es nach in den metastatischen Abscessen der inneren Organe, namentlich der Lunge und Leber — mit einem Worte, er fand es in jedem localisirten Krankheitsherde. In schweren Fällen von Septicämie konnte er es auch im Blute nach- weisen. Bei einem so auffallenden Zusammentreffen des Micro- sporon mit den krankhaften Veränderungen hielt sich Klebs zu dem Schlüsse berechtigt, dass das Microsporon die Ursache derselben, also die Ursache der Eiterung, der Abscessbildung, der Gefässarro- sionen, der Pyämie und Septicämie sei. Er bemühte sich nun weiter seine anatomischen Befunde auch noch experimentell zu stützen. Vor allem kam es ihm darauf an festzustellen, ob die bei der Impfung mit solchen microsporonhaltigen Materialien hervortretenden Krank- heitserscheinungen durch ein gelöstes chemisches Gift, wie es Berg- mann und Schmiedeberg aus faulenden schizomycetenhaltigen Sub- stanzen isolirt hatten, bedingt seien, oder aber durch die corpus- culären Elemente — das Microsporon — in denselben. Auf seine Versuche von Tiegel u. Zahn. Filtrat. infect. Wundflüssigk. durch Thoncylinder. 95 Anregung filtrirten Tiegel 40 ) und Zahn ") Wundflüssigkeiteu, welche diese Organismen enthielten, durch Thoncylinder. Das pilzfreie Filtrat rief bei Kaninchen unter die Haut oder in das Blut injicirt wohl mehr oder weniger heftiges Fieber hervor, Eiterungen blieben jedoch aus, der Tod erfolgte nicht. Nach Einverleibung des pilzhaltigen Rückstandes hingegen gingen die Kaninchen mit weit verbreiteten Eiterungen an den Injectionsstellen regelmässig zu Grunde. Klebs 42 ) constatirte weiter, dass die als Mikrokokken be- zeichneten Körperchen sich nicht spontan im Blute gesunder Thiere entwickeln. In sorgfältig sterilisirten gläsernen Capillarröhrchen, direct aus den Gefässen gesunder Thiere entnommenes und auf- bewahrtes Blut blieb frei von solchen Körnchen. Er schloss daraus, dass wenn Mikrokokken im Blute zur Entwicklung gelangen, diese sich auf Kosten des Blutes aus importirten Keimen entwickelt haben müssen. Um direct zu beweisen, dass die sog. Mikrokokken Orga- nismen, d. h. mit der Fähigkeit der Assimilation und Proliferation ausgestattete Wesen seien, sann er Versuche aus, welche gestatten sollten, den Vorgang der Vermehrung und Weiterentwicklung dieser Körperchen direct zu beobachten, und zwar wo möglich in einer Weise, welche von den Eigenschaften des Beobachters ganz unab- hängig wäre. In der Praxis stellten sich der Identificirung eines ein- zelnen oder mehrerer solcher Körperchen , namentlich aber deren dauernder Fixirung, grosse Schwierigkeiten entgegen. Die Uebel- stände beruhten, wie er fand, im wesentlichen auf der flüssigen Be- schaffenheit der Stoffe, in oder auf welchen die Pilzkulturen vor- genommen wurden. Er wählte deshalb als Nährsubstrat Hausen- blasengallerte, welche bei gewöhnlicher Temperatur starr war und ungefähr bei 50 ° C. erst anfing flüssig zu werden. Er schloss dieselbe ein entweder in v. KECEXiNGHAusEN'sche Kammern, flache Glaskapseln, zwischen deren dünnen Wänden nur im Centrum ein kleiner, rund- licher Raum von capillarer Weite vorhanden war, oder in besondere Glaskammern, welche er von Geissler in der Weise anfertigen Hess, 40) E. Tiegel: Ueber die fiebererregende Eigenschaft des Microsporon septicuni. Inaug.-Dissert. Bern 1871. — Correspondenzblatt für schweizer Aerzte. 1871. S. 275. 41) Fr. Wilh. Zahn: Zur Lehre von der Entzündung und Eiterung mit be- sonderer Berücksichtigung der durch das Microsporon septicum hervorgerufenen Erscheinungen. Heidelberg 1S72. 42) Edwin Klebs: Beiträge zur Kenntniss der Mikrokokken. Archiv für exp. Pathologie und Pharmakologie. Bd. I. 1S74. Heft 1, ausgegeben am 14. Fe- bruar 1873. 96 Klebs' Gallertekammern. dass in die obere Fläche einer flachen Glaskapsel eine runde Oeff- nung von 1 cm Weite geblasen , dann deren gewulsteter Kand eben geschliffen und schliesslich die Oeffuung mit einem aufgekitteten Deck- glase wieder verschlossen wurde. Um die Körperchen bei Körpertem- peratur beobachten zu können , suchte Klebs eine Verbindung von heizbarem Objecttisch und capillarer Glaskammer herzustellen. Er Hess zu diesem Behufe zwei planparallele Messingplatten aufeinander schlei- fen und zusammenschrauben. Die obere Platte besass in der Mitte eine schwach konische Oeffnung, welche er von unten her durch ein Fig. 18. aufgekittetes Deckglas schloss; in die entsprechende runde Oeffnung der unteren Platte Hess er ein Spiegelglasstück einkitten. Auf diese Weise entstand zwischen beiden Glasplatten ein capillarer Raum. In der oberen Platte Hess er ferner eine im Querschnitt halbkreisförmige Rinne einschleifen, welche mit dem Capillarraum communicirte und nach aussen sich in zwei kurze Ansatzröhren öffnete, welche zur Zuführung von Gasen u. s. w. dienten. Die Erwärmung geschah durch zwei Kupferstreifen, welche an den Enden der planparallelen Platten eingeklemmt waren. Die Kammern wurden längere Zeit in Klebs' „fractionirte Kultur". 97 concentrirte Schwefelsäure gelegt, die Schwefelsäure vor dem Ge- brauch durch kochendes destillirtes Wasser ausgewaschen und der capillare Raum mit der kochenden Leimlösung gefüllt. Das Material für die in diesen Kammern anzustellenden Kulturen unterzog Klebs zunächst einer besonderen „reinigenden" Behandlung. Eine solche durch Anwendung fortdauernder directer Beobachtung zu ersetzen, erschien ihm unzulässig, da „erstens Keime vorhanden sein könnten, welche selbst mit den stärksten Vergrösserungen noch nicht sichtbar sein könnten, und da zweitens bei langsam wachsenden Körpern eine Grenze für die Möglichkeit directer Constatirung von Formver- änderungen vorhanden sei, welche nicht bloss von der Aufmerksam- keit und Fähigkeit des Beobachters abhänge." Ein ebenso sicheres Mittel, „wie es die mikroskopische Isolirung eines einzelnen Körper- chens darbieten würde," ergab sich ihm ausfolgender Ueberlegung: „Wenn in einer Flüssigkeit sich verschiedenartige Keime befinden, so ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass sie in genau derselben Menge in allen Theilen derselben vorhanden sind. Schon geringe specifische Gewichtsunterschiede werden hier eine ungleiche Ver- theilung in den verschiedenen Schichten bedingen. Grösser noch werden diese quantitativen Differenzen werden, wenn von Anfang an die einzelnen Arten in verschiedener Menge vorhanden waren." Klebs verfuhr demnach in der Art, dass er frisch ausgezogene und fein zugespitzte Capillarröhrchen auf den Boden der pilzhaltigen Flüssigkeit einsenkte und dort deren Spitze abbrach; es trat dann eine geringe Menge von dem Bodensatze in dieselben ein. Das herausgezogene Röhrchen wurde wieder zugeschmolzen, mit starkem Alkohol gereinigt und in einer pilzfreien Vegetationsflüssigkeit, welche sich unter einer Oelschicht in einer Stöpselflasche befand, wiederum zerbrochen. Nachdem hier die Vegetation vollendet war, wurde die- selbe Procedur nochmals wiederholt. „In dieser Weise," sagt Klebs, „ist es möglich, etwaige Verunreinigungen, die in der Ursprungs- flüssigkeit vorhanden sein mögen, zu entfernen und denjenigen Körper rein zu erhalten, welcher in der ersteren in tiberwiegender Menge vorhanden war. Man kann die Methode als fractionirte Kultur bezeichnen." Dass bei diesem Verfahren nicht der in über- wiegender Menge in der ursprünglichen Flüssigkeit vorhandene, sondern der in dem gewählten Nährsubstrat am besten und schnell- sten wachsende Organismus gewonnen wird, entging Klebs; auch übersah er, dass unter Umständen zwei oder mehrere Organismen in demselben Substrat sich gleich gut und schnell entwickeln können, wie Pasteuk bei seinem, dem KLEBs'schen nicht unähnlichen Kultur- Löffler, Vorlesungen. 7 98 Längstheilung d. Bacterien. Bacterien-Colonieen. Gelbe Körper. Plasmaschicht. verfahren hervorgehoben hatte, dass mithin die Gewinnung einer Reinkultur eines Organismus nach diesem Verfahren von nicht zu beherrschenden Zufälligkeiten abhängt. Nach seiner Methode der fractionirten Kultur behandelte Klebs eine Flüssigkeit, welche Teegel aus den Lungen eines an septischer Mycose erkrankten Mannes gewonnen und „durch Filtration mit Thonzellen und Waschen des Rückstandes schon möglichst gereinigt hatte". Als Kulturflüssigkeit diente ihm eine 2proc. Lösung von weinsaurem Ammoniak. Ein Tröpfchen einer vierfachen Kultur wurde dem Leimtropfen in einer RECKLiNGHAusEN'schen Kammer halbkreisförmig angelagert. Der Tropfen enthielt wenige blasse Stäb- chen. Zwei solche wurden eingestellt und mit Wasserimmersions- linse beobachtet. Nach wenigen Stunden fand sich an Stelle jedes Stäbchens ein kleines Häufchen äusserst feiner, etwas unregelmässig radiär gelagerter Stäbchen. Aus diesem Befunde schloss Klebs, dass sich die Bacterien nicht durch Abschnürung einzelner Zellen, sondern durch Längstheilung vermehren, wiewohl ihm die directe Beobachtung des Theilungsvorganges nicht gelungen war. Weiter beobachtete Klebs die Entwicklung einer schon mit unbewaffnetem Auge wahrnehmbaren, weisslich trüben Randschicht in dem Leim, welche aus eng zusammen gelagerten Ballen bestand. Die Ballen theilten sich; es bildeten sich kettenartige und pflasterartige Grup- pirungen von Körperchen, welche bei stärkeren Vergrösserungen (Hartnack 9— 11) sich aus kurzen viereckigen, in eine helle, galler- tige Zwischensubstanz eingebetteten Prismen zusammengesetzt zeigten. Da die Prismen sich allmählich zu Bacterien verlängerten, so nannte Klebs diese Bildungen „Bacterien-Colonieen". Neben diesen Ballen fand er nun noch verschieden geformte, schon bei schwachen Ver- grösserungen durch ihre gelbe Farbe und homogenes Aussehen sich auszeichnende Bildungen, welche er als „gelbe Körper" bezeichnete. Diese gelben Körper sah er nach Art der amöboiden Zellen Proto- plasmafortsätze treiben, welche contractile Bewegungen zeigten von allerdings grosser Langsamkeit, aber auffallenden Resultaten. Er constatirte nun weiter, dass sich von den Bacterien-Colonieen er- wachsene Bacterien ablösten, mit langsamer und vielfach unterbroche- ner Bewegung den gelben Körpern — den contractilen Pigment- körpern — näherten und in ihre Substanz aufgingen. Auf diese Weise verschmolzen Bacterien-Colonieen und gelbe Körper zu einer homogenen Plasmaschicht, aus welcher dann von Neuem dieselbe Entwicklungsreihe hervorging, wie von den ursprünglich einge- führten Keimen. Kultur der Diphtherie-Mikrokokken. 99 Die Entwickelung des Microsporon septicum bot somit Verhältnisse dar, welche in der Reihe der Bacterien, Monaden u. s. w. noch nicht bekannt waren. Klebs meinte deshalb, dass der Nachweis der amö- boiden Pigmentkörper vielleicht dazu beitragen könnte, jene Formen ganz anderen Organismen zuzugesellen, als dies bis dahin üblich ge- wesen sei. „Jedenfalls", sagt er, „wird der Nachweis der amöboiden Pigmentkörper neben den Bacterien-Colonieen in der Entwicklungs- reihe des Microsporon septicum und derjenige des Aufgehens beider in ein homogenes Plasma, das wieder dieselbe Entwicklungsreihe aus sich hervorgehen lässt, genügen, um die Schaffung eines beson- deren Namens zu rechtfertigen. Wie weit diese Species in der Natur verbreitet ist, ob sie namentlich von den gewöhnlichen Fäulniss- bacterien sich unterscheidet, das freilich können nur weitere Ver- suche lehren." Von grossem Interesse musste es natürlich für Klebs sein, zu untersuchen, ob auch die bei anderen Infectionskrankheiten gefun- denen Schizomyceten einen gleichen oder doch wenigstens analogen Entwicklungsgang zeigten. Er wählte deshalb die von vielen For- schern beobachteten Mikrokokken der als Infectionskrankheit aner- kannten Diphtherie, um sie mit seinen Kulturmethoden zu prüfen. In den Tonsillarbelag eines an dieser Krankheit verstorbenen Kindes stiess er feine Capillarröhren ein und zerbrach alsdann deren Spitze in seinen capillaren Glaskammern im Leimtropfen. Auch in diesem Falle beobachtete er nach einigen Tagen rundliche, noch nicht vollkommen geschiedene Ballen von tief brauner Farbe, daneben eine Anzahl runder, matt gefärbter, völlig homogener Scheibchen, deren grösste kaum die Grösse rother Blutkörperchen erreichten, aber keine deut- lichen Form- und Ort- Veränderungen zeigten. Nach ca. 3 Wochen fand er die vorher mit Luft gefüllten Hohlräume seiner Kammer zum Theil von einer fliessenden, zahllose ausserordentlich kleine Stäbchen enthaltenden Masse eingenommen; nur um die peripheri- schen Theile der Stäbchen fanden sich noch tief braungefärbte Massen. Klebs wies auf die Analogie und auch auf die Unterschiede zwischen den Kulturen dieses Organismus und denen des Microsporon septicum hin, Hess es aber dahin gestellt, ob die eine Formation den gelben Körpern, die andere den Bacterien-Ballen des Microsporon septicum gleichzustellen sei. Klebs hatte seine Kulturversuche mit einer so peinlichen, bis auf die kleinsten Details sich erstreckenden Sorgfalt und Genauig- keit geschildert, dass Zweifel an der Realität dessen, was ihm vor- gelegen, eigentlich kaum möglich waren. Gleichwohl fanden gerade 100 Klebs' Kulturversuche ausser von Letzerich nicht bestätigt. diese Versuche, welchen Klebs eine ganz besondere Wichtigkeit bei- mass, keineswegs eine günstige Aufnahme bei den Fachgenossen. Eine Längstheilung von Bacterien hatte noch kein Forscher beob- achtet. Die Kulturergebnisse selbst waren so auffallend seltsam, dass die Aerzte, besonders nach den mit den HALLiEE'schen Kultur- versuchen erlebten Enttäuschungen, sie ohne anderweitige Bestäti- gung anzunehmen Anstand nahmen. Nur ein einziger Beobachter, Letzerich 43 ), dessen frühere zahlreiche Arbeiten über Diphtherie vor einer sachlichen Kritik selbst nicht Stand gehalten hatten, kam zu ähnlichen Ergebnissen bei seinen nach Klebs' Methoden ange- stellten Untersuchungen. Er sah alle Uebergänge von den Bacterien zu „Plasmakugeln" zu „Mikrokokkenrasen". In einer späteren aus dem Jahre 1880 datirenden Arbeit im KLEBs'schen Archiv beschrieb er an den Kulturen in Gallerte-Kammern das Auswachsen des Micrococ- cus diphtheriticus zu sogenannten Plasmazellen, welche er als Mutter- zellen der Mikrokokkencolonieen auffasste, deren weitere Veränderun- gen zu Mikrokokkencolonieen sowie das Auswandern der Mikrokokken aus den letzteren. Charakteristisch für seine Auffassung ist es, dass er diese Plasmazellen massenhaft wandständig in den venösen Ge- fässen des Herzens, im Lumen der Harncanälchen , auch in denen der Versuch sthiere, und in den Lymphräumen der Lymphdrüsen con- statiren konnte. Eine Bestätigung der KLEBs'schen Kulturergebnisse durch andere Beobachter blieb aus. Und doch waren die Gebilde, welche Klebs gesehen und beschrieben hatte, die Bacteriencolonieen und die gelben Körper, die braunen Ballen und die hellen Scheib- chen richtig beobachtet; nur ihre Deutung war eine irrthümliche. Jene verschiedenartigen Formationen standen nicht, wie Klebs mit Sicherheit erkannt zu haben glaubte, in einem genetischen Zusammen- hange unter einander, sondern nur in einem räumlichen Verhältniss zu einander. Es waren, wie wir jetzt, nachdem wir durch Koch mit den Eigenthümlichkeiten des festen Nährbodens vertraut gemacht sind, wissen, aus isolirten Keimen hervorgegangene Colonieen ver- schiedener, in dem ausgesäten Material vorhanden gewesener Bac- terienarten, welche sich nach Verflüssigung des festen Nährbodens zu einer gleichförmigen Masse, zur „homogenen Plasmaschicht", ver- mischt hatten. Während die Kulturversuche von Klebs unbeachtet blieben, fan- den seine pathologisch - anatomischen Untersuchungen über die Ver- 43) Letzekich: Viechow's Archiv. Bd. 58, 61, 68. Archiv f. experimenteUe Pathologie und Pharmakologie. Bd. 12. 1880. S. 354. Hdetee's Monadenlehre. 101 breitung des Microsporon in den Geweben durch die ausgezeichneten Arbeiten von Biech-Hieschfeld 44 ), Paul Vogt 45 ), Hjalmae Hei- beeg 4c ), Oeth 47 ) und anderen, über die pyämischen und puerperalen Processe, volle Bestätigung. Die Betheiligung niederster Organismen an den septisch-pyämi- schen Krankheitsprocessen schien danach kaum mehr bezweifelt werden zu können. Vor Anderen gab Huetee 4S ) seiner festen Ueber- zeugung von der ätiologischen Bedeutung der kleinsten, von ihm als Monaden bezeichneten Organismen begeisterten Ausdruck. Er for- mirte seine Anschauungen zu einer vollständigen Theorie, mit welcher er eine neue Auffassung der gesammten Pathologie anbahnen wollte. Nach ihm sind die über den ganzen Erdball verbreiteten Monaden die Ursache, nicht nur der Eiterung, der Entzündung, der Wundin- fectionskrankheiten, sondern überhaupt der meisten Krankheiten. Wo eine Verletzung der schützenden Decken des Körpers, der Epi- dermis resp. der Epithelien statt hat, oder wo eine solche Decke fehlt, dringen die überall in der Luft verbreiteten Monaden in den Körper ein. In die epithellosen Lungenalveolen eindringend erzeugen sie die Pneumonie, in die offenstehenden Talgdrüsen: Acne und Furunkel, in für gewöhnlich geschlossene Canäle, wie Harnröhre und Ausfuhrungsgang der Ohrspeicheldrüse: Gonorrhoe resp. Parotitis. Die contractilen Elemente der Gefässe durchsetzend, bedingen sie Lähmung der Gefässmuskeln, Dilatation der kleinen Arterien und Venen, Verlangsamung des Kreislaufes, Anhäufung der weissen Blut- körperchen an der Gefässwand. Sie bohren Löcher in die Gefäss- wand, durch welche die weissen Blutkörperchen auswandern. Diese selbst werden monadisirt, d. h. von Monaden erfüllt. Durch das Ein- dringen der Monaden in das Stroma der rothen Blutkörperchen ent- steht die Stachelform der letzteren, welche sie besonders geeignet macht, Kreislaufstörungen hervorzurufen. Gelangen die Monaden in den Kreislauf, so entsteht das monadämische Fieber, wie z. B. 44) Birch-Hirschfeld : Untersuchungen über Pyämie. Archiv der Heilkunde. Bd. 14. 1872. 45) Paul Vogt: Monaden beim Lebenden. Centralblatt f. d. med. Wissensch. Bd.X. 11. 1872. 46) Hjalmar Heiberg : Die puerperalen u. pyämischen Processe. Leipzig 1873. 47) J. Orth: Untersuchungen über Puerperalfieber. Virchow's Arch. Bd. 58. 1873. S. 437— 46t). — Untersuchungen über Erysipel. Archiv für exp. Path. u. Pharm. Bd. 1. Heft 2 (ausgegeben am 18. April 1873). 48) C. Hdeter: Die allgemeine Chirurgie. Eine Einleitung in das Studium der chirurgischen Wissenschaft. Leipzig 1873. 102 Der Beweis für die ätiologische Bedeutung der Monaden ist nicht erbracht. bei der Wunddiphtherie, beim Scharlach, beim Erysipel; dringen die monadisirten, von den Lymphgefässen aus den Eiterherden auf- genommenen weissen Blutkörperchen in das Blut ein, so entsteht das pyämische Fieber mit seinen vielfachen Kreislaufstörungen, Stasen, Embolieen u. s. f. Davon unterschieden ist noch eine dritte Art von Fieber, das septicämische , welches durch Aufnahme eines pu- triden, durch Vibrionen erzeugten Giftes hervorgerufen wird. Beim Trismus und Tetanus wandern die Monaden längs der Nerven zu den Centralorganen überall reizend und entzündungerregend. Bei der Diphtheritis handelt es sich um Monaden, welche durch ein ausserordentliches Fortpflanzungs- und Penetrationsvermögen ausge- zeichnet sind. Die Scrofulose ist dadurch bedingt, dass auffallend weite Saftcanälchen den Monaden den Zutritt zu den Drüsen er- leichtern. Bei der Tuberkulose erzeugen die Monaden durch ihre Proliferation in den Zellenleibern die Riesenzellen u. s. w. Die HuETER'sche Monadenlehre gab für viele Krankheitserschei- nungen eine wohlverständliche Erklärung, sie stimmte auch im Wesentlichen mit den LiSTER'schen Ideen überein: aber sie war eben nur eine Theorie. Den sicheren wissenschaftlichen Beweis, dass die an ihrem Lichtbrechungsvermögen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegen Alkalien als solche erkannten Monaden die Ursache aller der genannten Krankheiten waren, blieb Huetek ebenso schuldig wie Hallier für seinen Micrococcus, Klebs für sein Microsporon. Denn selbst wenn man zugestand, dass die in den inficirten Körpern con- stant nachgewiesenen kleinsten Gebilde niederste Organismen waren, so erschien doch ein solches constantes Vorkommen durchaus noch nicht beweisend für deren ursächliche Bedeutung. Als constaute Begleiter sich zersetzender Stoffe mussten sie sich natürlich auch in den Leichen finden. Gerade Leichen von Pyämischen und Septicä- mischen zersetzten sich auffallend leicht und schnell, solche Leichen boten mithin einen ganz besonders günstigen Boden für die Weiter- entwicklung der kleinsten Organismen. Es schien also sehr wohl möglich, dass die in den Leichen aufgefundenen Anhäufungen von niederen Organismen durch postmortale Vermehrung von Fäulniss- organismen sich gebildet hatten. Die nachgewiesenen Organismen konnten daher sehr wohl zufällige und unwesentliche Begleiter, und mussten nicht nothwendig'die Erreger aller jener krankhaften Ver- änderungen sein. Zudem fanden sich dieselben „Fäulnisspilze", von welchen ja Klebs sein Microsporon zu unterscheiden nicht vermocht hatte, nicht nur bei septischen Mycosen, sondern auch im gesunden menschlichen Körper, ohne pathologische Wirkungen zu äussern, in Notwendigkeit des Nachweises specifischer Differenzen. 103 der Mundhöhle, zwischen den Zähnen, im Magen, im Darmkanal. Wunderbar erschien es ganz besonders, dass die allerverschiedensten Krankheiten: Pyämie, Septicämie, Puerperalfieber, Pyelonephritis, Typhus, Phthisis, Pocken, Diphtherie, Cholera, Rinderpest u. s. w. durch dieselben Organismen hervorgerufen sein sollten. Wenn man die bei den verschiedenen klinisch scharf charakterisirten und streng von einander getrennten Krankheiten gefundenen Organismen als die specifischen Erreger der betreffenden Krankheiten ansehen wollte, so musste man auch irgend welche Unterscheidungsmerkmale für jeden bei einer bestimmten Krankheit gefundenen Organismus ver- langen. Für diejenigen, welche diese Anschauung vertraten, entstand demnach die Aufgabe, den Beweis für das Vorhandensein solcher specifischen Differenzen, für die Existenz verschiedener Arten unter den niedersten Organismen beizubringen. Achte Vorlesung. Thatsachen, welche für die Verschiedenheit der niederen Organismen sprachen. Die Fäulnisa zerstört die Infectionsstoffe. Davaine. Birch- Hirschfeld. Mor- phologisch eigenartige Gebilde. Die Sarcine. Trecul's Amylobacter. Die Or- ganismen der blauen und der gelben Milch, des Roth Werdens der Speisen, des blaugrünen Eiters. Kulturen der Pigmente auf festem Nährboden. Hoffmann's Dunstrohr zur Reinkultur. Schroeter's Kulturen der verschiedenfarbigen Pig- mente auf gekochten Kartoffeln. Seine Unterscheidung der verschiedenen Arten nach Farbstoffbildung und Beweglichkeit. Beobachtungen, welche auf das Bestehen specifischer Unter- schiede unter den kleinsten Organismen hindeuteten, waren bereits mehrfach gemacht, hatten jedoch, wie es schien, allgemeine Aner- kennung nicht gefunden. Die Fäulniss war von Pasteur auf die Lebensth'ätigkeit der beweglichen anaerobiontischen Vibrionen zurück- geführt worden. Beim Milzbrand hatten fast alle Forscher nur un- bewegliche Stäbchen beobachtet, welche durch die Fäulniss, also durch die beweglichen Vibrionen, zerstört wurden. Beide, Vibrionen und Milzbrandstäbchen, konnten mithin nicht dasselbe sein. Lebee und Rottenstein hatten bei der Caries der Zähne in den Zahn- kanälchen fädige Gebilde gefunden, welche mit Jod und Mineral- säuren eine violette Färbung annahmen; Klebs constatirte bei der Caries der Knochen auf den zerstörten Knochenflächen stets Zoo- gloeamasseu, welche mit Jod sich gelb färbten. In den pyämi- schen Herden der inneren Organe wurden stets nur runde Gebilde gefunden, während in zersetzten Wundsecreten und überhaupt in faulenden Stoffen die allerverschiedensten Formen von Organismen angetroffen wurden. Birch- Hirschfeld constatirte das Auftreten von Pyämie nach vollkommener Reinigung und bei durchaus fäul- nissfreiem Zustande der Wundflächen, ja sogar nach vollkommener Verheilung der primären Wunden; auch constatirte er, dass frischer infectiöser Eiter durch Fäulniss seine Wirksamkeit verlor. Fäulniss- organismen konnten somit unmöglich die Ursache der Wundinfectio- nen sein. Die Sarcine. Tr£cul's Amylobacter. 105 Unter den in zersetzten organischen Stoffen vorhandenen Orga- nismen waren manche, welche sich durch ihre besondere Form so sehr von allen anderen unterschieden, dass diese Form genügte, um sie überall wieder zu erkennen. Die von den Gebrüdern Goodsir entdeckte, von Naegeli ja auch zu den Schizomyceten gerechnete Sarcine war von zahlreichen Forschern, Virchow 'J, Heller 2 ), Fre- richs 3 ), Welcher 4 ) und Anderen ausser im Magensafte auch im Urin und im Lungengewebe eben wegen ihrer charakteristischen Form auf- gefunden worden. Suringar °) hatte dargethan, dass sie sich durch ihre specifische Wachsthumsweise, einfache, mit regelmässiger Ab- wechselung in den drei Richtungen des Raumes vor sich gehende Zelltheilung, vor allen anderen niederen Organismen auszeichnete. Tregul l! ) fand bei der Maceration Milchsaft führender Pflanzen höchst eigenthümliche, kaulquappen- oder auch spindelförmige Stäb- chen, welche, wie er glaubte, durch Anamorphose aus dem Plasma der Pflanzenzellen entständen. Sie unterschieden sich durch ihre Form von allen anderen Bacterien und Vibrionen. Da sie sich wie die Stärke mit Jod blau färbten, so beschrieb er sie als neue Art unter dem Namen „Amylobacter". Auch unter den bei krankhaften Processen gefundenen, anschei- nend gleichen Organismen wurden gewisse Unterschiede aufgefun- den. So beobachtete Klebs 7 ) , dass die Mikrokokken bei Variola und Rinderpest in der Vertheilung und Anordnung, zum Theil auch 1) Virchow: Froriep's Notizen. 1846. No. 825. Virchow's Archiv. Bd. 1, 9 und 10. 2) Heller: Ueber ein eigenthümliches Harnsediment. Heller's Archiv f. physiol. und pathol. Chemie und Mikroskopie. 1847. Bd. 4. ibid. 1S52. Bd. 5. 3) Frerichs: Häser's Archiv f. d. ges. Med. 1849. Bd. 10. 4) Welcker: Henle - Ppeüpfer's Zeitschrift f. rat. Med. 1859. III. Reihe. 5. Band und Virchow's Archiv. Bd. 21. 5) De sarcine (sarcina ventriculi Goodsir) ondezoek naar de plantaardige natuur, den ligchaamsbouw en de ontwikkelingswetten van dit organisme door Dr. W. F. R. Suringar, hoogleerar te Leiden. Leeuwarden 1865, und Botanische Zeitung 1866. S. 269. 6) A. Trecdl : Matiere amylacee et cryptogames amyliferes dans les vaissaux du latex de plusieurs Apocynöes. Comptes rendus 1865. t. 61. p. 156. — Production de plantules amyliferes dans les cellules vegetales pendant la putreTaction. ibid. p. 432. — Examen de quelques objections qui pourraient etre faites ä mon travail sur l'origine de l'amylobacter. Cr. 1867. t. 65. p. 927. 7) E. Klebs: Gesammelte Abhandlungen aus dem pathologischen Institut der Berner Hochschule von 1871 und 1872, bei Stahel in Würzburg. 106 Fuchs' Arbeit über die Vibrionen der blauen und gelben Milch. in der Grösse auffallende Abweichungen boten von denen der sep- tischen Affectionen. Zahlreiche Beobachtungen, welche sich auf das epidemische Auf- treten äusserst auffallender und höchst charakteristischer Producte auf gewissen organischen Substraten, amylumhaltigen Speisen, Milch, Eiter bezogen, deuteten darauf hin, dass die Entstehung der Farb- stoffe auf die Lebensthätigkeit ganz bestimmter specifischer Schizo- myceten zurückzuführen sein dürfte. In seiner grundlegenden Arbeit über die gesunde und fehler- hafte Milch der Hausthiere hatte Fuchs den positiven Beweis ge- führt, dass die blaue und gelbe Milch durch zwei unter sich und von den in der gesunden Milch vorhandenen Infusorien durchaus ver- schiedene Vibrionen erzeugt wird. Er hatte die Vibrionen der blauen Milch in Altheeschleim gezüchtet und sich auf diese Weise Monate lang das Material zu Versuchen über die blaue Milch conservirt. Der Zusatz von einem Tropfen des infusorienschwangeren Altheewurzel- schleimes hatte ihm genügt, um in gesunder Milch die blaue Farbe hervorzurufen. Er hatte ferner constatirt, dass die Vibrionen bei einer Wärme von 50° — 55° R. starben, aber wenn sie eingefroren waren, beim Aufthauen freudig fortlebten, dass sie auch, wenn sie 3 Wochen auf einem Glastäfelchen mit ihrem Medium eingetrocknet waren und wieder befeuchtet wurden, aus ihrem Scheintode zu neuem Leben erwachten. Er hatte festgestellt, dass sie unter einer Glocke, unter welcher eine Chlor-Entwickelung stattfand, sich vermehrten und die Milch blau färbten, aber in einem Tropfen auf einem Glastäfelchen ausgebreitet, nach Chlorwasserzusatz starben. Er hatte aus seinen Versuchen geschlossen, dass die genannten Infusorien gleich zu achten wären einem fixen Contagium mit grosser Lebenstenacität und dass zur Tilgung desselben in einer Milchwirthschaft ein ähn- licher Weg eingeschlagen werden müsste, wie bei der Desinfection eines solchen Krankheitsstoffes; dass es nicht genügte, eine blosse starke Chlorräucherung zu veranstalten, sondern dass es vielmehr erforderlich wäre, alle Milchgefässe mit Einschluss des Melkgefässes und des Seihapparates vermittelst Kalklauge heiss auszubrühen, die früheren Seihtücher aber zu diesem Zwecke gar nicht mehr zu be- nutzen oder besser zu vertilgen, dass es endlich erforderlich wäre, das Euter der Kühe und die Hände derjenigen Personen, welche mit der Milch umgingen, mit einer passenden Lauge abzuwaschen, da an allen diesen Theilen die specifischen Infusorien haften und sich eine Zeit lang lebend erhalten könnten. Diese eingehenden, aus dem Jahre 1S40 datirenden Unter- Spätere Arbeiten über die Entstehung der blauen Milch. 107 suchungen von Fuchs waren denn auch vielfach als zutreffend an- erkannt worden , so von Gielen 8 ) , Elten '') und Anderen , hatten jedoch auch mehrfach Widerspruch erfahren. Namentlich hatte Haubnee 1u ), unter dem Einflüsse der LiEBiG'schen Lehre, dass ein in Zersetzung begriffener Körper die Zersetzung anderer vermittele, aus der langen Reihe seiner Versuche den Schluss ziehen zu müssen geglaubt, dass die Vibrionen oder, wie er sie nannte, die Sammel- Monaden in der blauen Milch die Erzeuger dieser Veränderung nicht seien, sondern dass die Ansteckung vermittelt werde durch ein che- misches Ferment, welches in dem sich zersetzenden Käsestoffe ent- halten sei. Hoffmann ' l ) und namentlich Mosler 12 ) hatten unter dem Einfluss der HALLiEE'schen Ideen die Pilze in der blauen Milch mit dem Pilze der sauren Milch und weiter mit dem gewöhnlichen Penicillium identificirt und das Blauwerden in erster Linie auf eine Krankheit der die Milch producirenden Kühe zurückführen wollen. Zu wieder anderen Ergebnissen war Otto Erdmann l:i ) gelaugt bei seinen Studien über die Bildung von Pigmenten aus Protein- stoffen. Er hatte nachgewiesen, dass der rothe Farbstoff bei dem Phänomen des Rothwerdens der Speisen mit dem Fuchsin, der Farb- stoff der blauen Milch mit dem Triphenylrosanilin nahezu überein- stimmte, dass die beiden organischen Farbstoffe mithin ihrer Natur nach zusammengehörten. In dem rothen Schleime sowohl wie in der blauen Milch fand er Vibrionen, welche er für gleich unter sich und für ähnlich wenn nicht identisch hielt mit den PASTEUR'schen Butter- säure-Vibrionen. Aus den PASTEUR'schen Untersuchungen zog er den Analogie-Schluss, dass die Vibrionen die Ursache der Farbstoff- bildung seien. Da nun aber die Farbstoffe zusammengehörten, da er roth gemachte Milch, Kartoffeln, Bohnen, ja selbst Fleisch unter Umständen blau werden sah, sprach er sich gegen eine specifische Verschiedenheit der bei den verschiedenen Farbstoffbildungen ge- fundenen Vibrionen aus: „Ja ich bin der Meinung", sagt Erdmann, 8) Giblen: Kur der blauen Milch der Kühe. Magazin für die gesammte Thierheilkunde von Gürlt-Hertwig. Bd. 8. 2. S. 234. 9) Elten: Centralblatt f. d. gesammte Landescultur in Böhmen. Prag. 1864. No. 45. 10) Haubner: Wissenschaftliche und praktische Mittheilungen. Magazin f. d. ges. Thkde. 1852. Bd. IS. 11) H. Hopfmann: Botanische Zeitung 1S65. No. 13. S. 118. 12) F. Mosler: Ueber blaue Milch und durch deren Genuss herbeigeführte Krankheiten. Virchow v s Archiv. 186S. Bd. 43. S. 161. 13) Otto Erdmann: Bildung von Anilinfarben aus Proteinkörpern. Journal f. pract. Chemie. Bd. 99. Heft 7 u. S. S. 3S5. 1866. 108 Die Entstehung des blaugrünen Eiters. Lücke. „dass man die Vibrionen der blauen und rothen Speisen so lange zu einer und derselben Gattung rechnen muss, bis man wirkliche Unterscheidungsmerkmale für sie aufgefunden hat, denn die in weiten Grenzen schwankenden Grössenverhältnisse kann man nicht als solche gelten lassen. Je nach dem Substrat und den einwirkenden Agen- tien mögen dann nicht bloss die Producte andere werden, sondern die Vibrionen selbst sich in so verschiedener Weise entwickeln, dass diese auf die entstehenden Producte bestimmend einwirkt. Das sind ÜARWiN'sche Grundsätze. Wenn irgendwo eine Anwendung und Prüfung derselben durch directe Beobachtung möglich ist, so könnte das wohl bei so primitiven Wesen der Fall sein. u Wir werden sehen, wie genau die gleichen Ueberlegungen, welche die ersten unbefan- genen Beobachtungen von Eheenbeeg und Fuchs zurückdrängten, auch später noch der Aufstellung specifisch verschiedener Arten unter den niederen Organismen entgegenwirkten. Ebenso wie das Phänomen des Rothwerdens der Speisen und der blauen Milch hatte auch die Entstehung des blaugrünen Eiters in den Verbandstoffen seit langer Zeit schon das Interesse der For- scher erregt. Mery u ) hatte die Ursache dieser Färbungen in einem Pilze gesucht, welchen er Agaricus oder Calvaria uosocomialis hatte benennen wollen. Kkembs 15 ) hatte behauptet, dass die Farbe thie- rischen Gebilden, der Monas lineola Ehrbg., entstammte. Chalvet 1ü ) hatte gemeint, dass Kügelchen, welche den Eiterkörperchen ähnlich wären, die Blaufärbung bedingten. Lücke 17 ) aber führte in einer sorgfältigen Studie den Beweis, dass der blaugrüne Farbstoff, das von Fordos 1 -) isolirte, in Nadeln krystallisirende Pyocyanin, durch kleine bewegliche Vibrionen erzeugt werde, welche bei 460facher Ver- grösserung eben zu erkennen seien, bei lOOüfacher dagegen sich als kurze, an beiden Enden angeschwollene, den dumb-bells-Krystallen ähnliche Stäbchen von 0,003 mm durchschnittlicher Grösse dar- stellten. Er fand, dass diese Stäbchen ganz bestimmter Bedingun- gen für ihre Entwickelung bedürften, eines geeigneten Nährsubstrates, dünnflüssiger Wundsecrete oder künstlicher Eiweisslösungen, und einer genügend hohen Temperatur. Es gelang ihm sogar, diese Vi- brionen in Compressen, welche mit Hühnereiweiss oder Zuckerwasser getränkt waren, zu züchten, wenn er die Compressen in Wachstaffet 14) M£ry: Gazette medicale de Paris. 36. 1850. 15) Kkbmbs: Bayersches ärztliches Intelligenzblatt 23. 25. 1858. 16) Chalvet: Gazette hebdomadaire. VII. 38 u. 39. 1860. 17) Lücke: Archiv für klinische Chirurgie. Bd. III. S. 135. 1862. 18) Fordos: Comptes rendus de l'Academie des sciences. t. 51. 1859. Kulturen der farbstofferzeugenden Organismen auf festem Nährboden. 109 eingebiillt auf ein gesundes Bein aufband, das Bein also als Brüt- apparat benutzte. Der Umstand, dass Vibrionen von dumb-bells-Forni auch sonst in faulenden Körperflüssigkeiten aufträten, sei kein Ein- wand dagegen, dass die in den blaugefärbten Verbandstücken ge- fundenen Vibrionen die specifischen Erzeuger der Farbe seien. Die ja auch der Form nach gleichen Vibrio cyanogenus und xantbogenus producirten dennoch ganz verschiedene Farben in der Milch. Von diesen beiden seien aber die Vibrionen des blaugrünen Eiters durch- aus verschieden, da sie in der Milch überhaupt nicht zu existiren vermöchten. Wenn somit auch Hinweise auf die Existenz deutlich von einander abzugrenzender Arten unter den niedersten Organismen in nicht ge- ringer Zahl vorhanden waren, so fehlte es doch immer noch an un- anfechtbaren positiven Beweisen dafür, weil es noch Niemand gelun- gen war, eine bestimmte Art für sich ohne Beimengung anderer Arten zu erhalten. Die farbstofferzeugenden Organismen nun waren es , aus deren Studien sich die Möglichkeit, diese Beweise zu liefern, ergab, und zwar aus dem Grunde, weil durch sie die Forscher auf eine neue Kulturmetbode, die Kultur auf festem Nährboden, hingeführt wurden. Das Phänomen des Kothwerdens der Speisen war zuerst auf stärkemehlhaltigen Substanzen, Polenta, Reis u. dgl., beobachtet wor- den. Schon den ersten Beobachtern, Sette und Ehkenberg, war es gelungen, die rothe Masse auf den verschiedensten stärkemehl- haltigen Substraten weiter zu kultiviren. Besonders geeignet hatte sich die gekochte Kartoffel gezeigt, da dieses Substrat jeder Zeit schnell zur Hand war. So hatte Fresenius vj ) die EHRENBERG'sche Monas prodigiosa auf Kartoffeln kultivirt. Bei diesen Kulturen hatte er bemerkt, dass ähnliche, mit Ausnahme der Farbe ganz überein- stimmende, aus Milliarden von beweglichen Körperchen bestehende Gallertmassen häufig auf den gekochten Kartoffeln auftraten, eine Beobachtung, welche auch Cohn zu bestätigen Gelegenheit fand. Diese Bildungen, ebenso wie die Vibrionenmassen, welche nach den Beobachtungen von Mitscherlich an faulenden Kartoffeln als Cellu- lose auflösendes Ferment auftreten, schienen damals (1854) Cohn mit der Bacteriengallerte (Zoogloea Termo) sehr nahe verwandt, vielleicht generisch identisch zu sein. Diese interessanten Befunde waren später nicht weiter verfolgt worden. Dann hatte Otto Erdmann bei seinen bereits erwähnten 19) Fresenius: Beiträge zur Mycologie. II. 110 Otto Ekdmann. Hoffmakn's Dunstrohr zur Reinkultur. Untersuchungen die Kartoffel als Nährsubstrat benutzt und bei dieser Gelegenheit einige interessante Beobachtungen gemacht. Er durch- schnitt in der Schale gekochte Kartoffeln in der Mitte und impfte sie mit der Substanz roth gewordener Semmeln. Legte er dann die Kartoffelschnitte aufeinander, so bemerkte er, dass der Farbstoff in der Mitte ziegelroth, am Eande mehr blut- oder carmoisinroth war, auch machte sich schon nach kurzer Zeit, wie er glaubte, Fäulniss bemerklich durch einen Geruch, „welcher lebhaft an den der Häringe (Trimethylamin) erinnerte. " Legte er die Schnitte nicht aufeinander, so war der sich bildende Farbstoff blutroth, „sicherlich, weil das gebildete Ammoniak sich verflüchtigen konnte, also den Farbstoff nicht zersetzte. " Der erste, welcher nicht nur farbstoffproducirende Organismen, sondern auch andere Organismen, welche in den allerverschiedensten Materialien enthalten waren, auf festen feuchten Substraten, im Be- sondern auf Stücken gekochter Kartoffeln zu kultiviren versucht hat, war der Botaniker Heeemann Hoffmann 20 ). Er bediente sich bei diesen Versuchen seines „Dunstrohres zur Reinkultur", mittels wel- ches er die Keime der Aussenluft mit Sicherheit auszuschliessen ver- mochte. Sein Verfahren war folgendes: Er füllte ein Reagenzglas zur Hälfte mit Wasser und kochte dieses unter loser Verkorkung V4 Stunde. Alsdann warf er ein Stück aus dem Innern einer Kar- toffel, eine Brotkruste oder dergleichen hinein und kochte abermals einige Minuten. Hierauf Hess er das Wasser abfliessen, indem er den Kork ein wenig lüftete, lagerte das Reagenzglas horizontal und brachte schliesslich nach dem Erkalten mittelst einer langen Nadel eine Spur bacterienhaltiger Substanz auf den angebrühten Körper im Innern. Nach einigen Tagen bis Wochen sah er an der Impf- stelle einen meist orange- bis ockerfarbigen, ausnahmsweise auch zum Theil violetten oder carminfarbenen, zähen, mit der Nadel kaum zu zerreissenden, stets schwach alkalisch reagirenden, geruchlosen bis modrigen, sehr selten stinkenden Gallertschleim von hirnartigem Aussehen sich entwickeln, welcher das Substrat mit einer bis zu 1 mm hohen Schicht überzog und von da auch auf die Glaswand darunter und daneben bis auf 1 cm Entfernung überging. Die Masse bestand aus (überwiegend) isolirten Micro bacterien, aus 6 — lOglie- drigen Bacterien-Ketten und aus Monas crepusculum, wovon diese oder jene Form local bis zur Ausschliesslichkeit vorherrschen konnte. Diesen Bacterienschleim erzielte er mit jedem bacterienhaltigen Ma- 20) H. Hofpmakn: Botanische Zeitung 1869. Scheoetee's Untersuchungen über Bacterien-Pigmente. 111 terial, mit saurem Schleim von Essigständern, mit faulendem Fleisch- wasser, mit dem Blute von Menschen, welche an Diphtherie gestor- ben waren, mit Sauerkrautbrühe, Leimwasser, mit Blut von Thieren, welche an Milzbrand verendet waren u. s. w. Unterschiede charak- teristischer Art fand er dabei nicht. Er hob deshalb ausdrücklich hervor, dass es sich in dem einen oder anderen Falle nicht etwa um verschiedene Species von Bacterien handeln könne, „soweit wenigstens ", fügte er hinzu, „ das Auge reicht und der genetische Zu- sammenhang irgend zuverlässige Schlüsse erlaubt." Dieser Versuch einer Züchtung von Bacterien auf festem Nähr- boden hatte somit nicht zu irgend welchen verwerthbaren Resultaten geführt. Erst unter den Händen Schroeter's 21 ) im pflanzenphysiolo- gischen Institut von Ferdinand Cohn in Breslau lieferte diese Methode die ersten sicheren Grundlagen für die Aufstellung verschiedener Arten unter diesen Organismen, welche, wie Schroeter sich ausdrückte, „am häufigsten in ihren bewegten Formen als Bacterien , in ihren unbe- wegten als Bacteridien bezeichnet werden. " Schroeter machte sich an das Studium der so überaus interessanten Pigmentbildungen, welche, wie Fresenius und Cohn beobachtet hatten, auf Kartoffelscheiben, nachdem sie der Luft ausgesetzt gewesen sind, häufig entstehen und mit massenhafter Entwickelung kleinster Organismen einhergehen. Als Nährsubstrat für die Pigmente bediente er sich der gekochten Kartoffel, auf welcher sie sich ja auch spontan entwickelten. Er be- gann seine Untersuchungen mit dem bekannten, damals (1868 — 70) in Breslau vielfach beobachteten Phänomen des Rothwerdens der Speisen. Im Winter 1868/69 waren in dem ÜOHN'schen Institut Kul- turen des rothen Pigmentes vorgenommen worden. Hierdurch schie- nen sich so reichliche Keime in den Institutsräumen verbreitet zu haben, dass es in der Folge nur des „Auslegens von Nährsubstanz " bedurfte, um ziemlich sicher das Auftreten von rother Färbung in kleinen Theilchen zu erhalten, die dann beliebig vermehrt werden konnten. Spontan trat die rothe Färbung in Form äusserst kleiner rosen- bis pfirsichblüthenrother Schleimtröpfchen auf, die anwuchsen bis zur Grösse eines starken Stecknadelknopfes, dann sich verflachten, zusammenflössen und einen rothen Ueberzug auf der Kartoffel bil- deten. Die elliptischen Körperchen des rothen Schleims, welche Ehrenberg als Monas prodigiosa beschrieben hatte, bestimmte Schroeter, da sie in ihrer Schleimsubstanz gar keine, bei Wasser- 21) J. Schboeteb: Ueber einige durch Bacterien gebildete Pigmente. Bei- träge zur Biologie der Pflanzen von Ferdinand Cohn. Bd. 1. 1875. Heft 2. S. 109, 112 Pigmentbildungen auf ausgelegten Kartoffelscheibcn. zusatz nur die gewöhnliche Molekularbewegung zeigten, nach dem Vorgange Dävaine's als Bacteridium prodigiosum. Er konnte, indem er Theilchen des Schleimes auf die verschiedensten Medien: Kar- toffeln, Stärkekleister, Mehlbrei, Fleisch, Hühnereiweiss u. s. w. übertrug, auf allen diesen Substraten, sofern sie gekocht waren, die- selbe Pigment -Schleimbildung hervorrufen. Das schönste Blutroth entwickelte sich bei neutraler Reaction des Schleimes ; wurde die Re- action alkalisch, so fand eine orangerothe Verfärbung statt. Erst mit Beginn derselben sah er unter dem Mikroskop bewegliche Bac- terien auftreten. War der Schleim schmutziggelb geworden, so wim- melte es nur von solchen Organismen, während die unbewegten Kör- perchen verschwunden schienen. „Man könnte geneigt sein", schreibt Schroeter, „zu glauben, dass sich die ruhenden Bacteridien in die lebhaft beweglichen Elemente umgewandelt hätten ... Da sich aber Bacterien, auch ohne vorheriges Auftreten von B. prodigiosum auf den benutzten Nährsubstanzen einfinden, muss zugegeben werden, dass sich die Bacterien auch parasitisch in dem rothen Schleim niederlassen können . . . Jedenfalls sind sie es, die den alkalischen Stoff bilden und durch dessen weitere Entwicklung das rothe Pig- ment zerstören. " Bei diesen Kulturen bemerkte er zwischen den rothen Tröpfchen des B. prodigiosum auch kleine pomeranzenfar- bige Klümpchen. Dieselben erhielt er auf ausgelegten Kartoffeln auch ohne dass gleichzeitig rothe Tröpfchen sich zeigten. Sie wuchsen von stecknadelknopfgrossen KUgelchen zu weit verbreiteten Flecken an, behielten von Anfang bis zu Ende dieselbe Pomeranzenfarbe und bestanden ganz aus unbewegten Körperchen. Ferner fand er hellgelbe Tröpfchen, welche, anfangs mohnsamengross, in etwa drei Tagen zur Grösse eines Pfefferkornes heranwuchsen und ebenfalls aus elliptischen unbeweglichen Körperchen, etwas grösser als Bact. prodig., sich zusammensetzten. Davon unterschieden waren chrom- gelbe Häufchen von trockener, bröckeliger Beschaffenheit, welche ganz aus Sarcine bestanden. Von diesen verschieden zeigten sich die Organismen bei der sog. gelben Milch. Eine solche Milch fand er immer dicht erfüllt von lebhaft bewegten stäbchenförmigen Bac- terien, welche er mit Ehrenberg's Vibrio synxanthus für identisch hielt und nach seiner Nomenklatur als Bacterium xanthinum be- zeichnete. Morphologisch konnte er dieselben nicht unterscheiden von den Bacterien, „welche das Sauerwerden der Milch begleiten." Auf einer zur Bacterienkultur ausgelegten Kartoffelscheibe beob- achtete er weiter eine umfangreiche intensive Blaufärbung, welche auch in die Tiefe ging. Nach der Aussaat von Theilchen, welche Schboetee's Klassification der Pigment-Bacterien. 113 er der Oberfläche entnommen hatte, auf frische Kartoffelstücke zeigte sich an den Impfstellen stets erst nach 10 Tagen eine blau violette Substanz, in welcher Scheoetee wiederum das Vorhandensein kleiner elliptischer, unbeweglicher Organismen constatirte. Ein im Innern der blaugewordenen Substanz auftretendes Pilzmycel erklärte er für accidentell fortgepflanzt durch gleichzeitig mit den Bacteridien von der ersten Kulturstelle übertragene Schimmelsporen resp. lebende Mycelstücke. Auch violette Klümpchen fand er, aus unbewegten farb- losen elliptischen Körpereben bestehend, grösser als B. prodig., von diesem auch weiter noch verschieden dadurch, dass sie zu mehreren kettenartig verbunden waren. In dem blaugrünen Eiter fand er constant in Uebereinstimmung mit früheren Beobachtern (Lücke) nur bewegliche Bacterien, ebenso in der blauen Milch (Fuchs, Eheen- beeg). Endlich sah er auch eine Bildung braunen Pigments mit der Entwickelung von Bacteridien Hand in Hand gehen. Aus seinen Untersuchungen über die bunte Reihe der organischen Pigmente kam Scheoetee zu folgendem Schluss: „Die Organismen, welche sie bil- den, sind oft schon durch unsere jetzigen optischen Hilfsmittel, je nach der Verschiedenheit der Pigmente, als verschieden zu erken- nen, eine Färbung kann sogar durch mehrere unterscheidbare Orga- nismen gebildet werden, und dann verhalten sich auch die Pigmente gegen bestimmte Reagentien verschieden. Es ist vielleicht nicht unberechtigt, bei jeder bestimmten Pigmentbildung einen speeifisch verschiedenen Organismus anzunehmen und demgemäss neben einem Bacteridium prodigiosum (Eheenbeeg) auch ein Bacteridium auran- tiacum, luteum, cyaneum, violaceum, brunneum, neben Bacterium syn- xanthus und Bacterium syneyanus (Eheenbeeg) ein Bacterium aeru- ginosum aufzustellen." Somit hatte Scheoetee nachgewiesen, dass unter den niedersten Organismen speeifisch verschiedene Arten vorhanden sind. Er hatte auf demselben Nährboden sich Klümpchen entwickeln sehn von sehr verschiedener Farbe und verschiedenem äusseren Habitus, und jedes Klümpchen hatte er durch Uebertragung auf frische Nährböden mit seinen charakteristischen Eigenthümlichkeiten weiterzüchten können. Die Thatsache aber, dass das Hervortreten dieser auffallenden Unter- schiede in erster Linie der auf natürlichem Wege vor sich gegange- nen Isolation der verschiedenen Keime voneinander und in zweiter Linie der durch den festen Nährboden bedingten isolirten Entwick- lung jedes einzelnen Keimes zu danken war, hatte er in ihrer hoch- wichtigen allgemeinen Bedeutung für die Erforschung dieser nieder- sten Gebilde nicht erkannt. Scheoetee ahnte ebensowenig wie der Löffler, Vorlesungen. 8 114 Eine Artbestimmung ohne morphologische Kennzeichen ist unmöglich. scharfblickende Forscher Ferdinand Cohn, dass in diesem von der Natur selbst angestellten Experimente ein Fingerzeig gegeben war für den Weg, welchen die Erforschung der niedersten Gebilde ein- zuschlagen hatte, dass mit demselben die künstliche Isolirung der verschiedenen Keime, die Uebertragung der isolirten Keime auf feste Nährsubstrate und die Beobachtung der weiteren Entwicklung eines jeden Keimes zur Unterscheidung der verschiedenen Arten offenbart war. Einen entschiedenen Fehler machte Scheoeter bei der Ein- theilung seiner Arten, indem er die von ihm selbst ja constatirten morphologischen Unterschiede der die verschiedenen Klümpchen bil- denden Organismen vollkommen unberücksichtigt Hess. Sowohl zur Unterscheidung seiner Genera — Bacteridium und Bacterium — wie zur Trennung der Arten innerhalb dieser Genera benutzte er rein physiologische Merkmale, einerseits Beweglichkeit resp. Fehlen der- selben und andererseits Farbstoffproduction. — Eine Artbestimmung aber ohne jedes morphologische Kennzeichen ist, wie Cohn bereits im Jahre 1854 betont hatte, unmöglich. Neunte Vorlesung. Febdinand Cohn's System. Seine Untersuchungen über die Ernährung der Bacterien und ihre Wirkungsweise. Mit der Arbeit Schroeter's über die Pigmentbacterien ist eine neue Aera der Bacterienforschung eingeleitet. Ihre eigentliche Si- gnatur erhielt dieselbe jedoch erst durch die grundlegenden Arbeiten Ferdinand Cohn's. Alles auf diesem Gebiete Geleistete beherr- schend und auf eigene umfassende Untersuchungen fussend, konnte sich Cohn 1 ) daran machen, unter Voranstellung des morphologischen und mit gleichzeitiger Berücksichtigung des biologischen Verhaltens der niederen Organismen ein System zu schaffen, welches dem augen- blicklichen Stande der Kenntnisse Rechnung tragen und das geradezu chaotische Gewirr der Benennungen auf diesem Gebiete beseitigen sollte. Unter dem Namen „Bacterien" fasste er die grosse Gruppe von niederen Organismen zusammen, deren gemeinschaftlicher Cha- rakter ihm darin zu liegen schien, dass sie sich darstellten als „chlorophylllose Zellen von kugliger, oblonger oder cylindrischer, mitunter gedrehter oder gekrümmter Gestalt, welche ausschliesslich durch Quertheilung sich vermehren und entweder isolirt oder in Zell- familien vegetiren. " Die Sarcine hatte er in dieser Definition nicht mit einbegriffen. Da er Theilung übers Kreuz durch Scheidewände, welche auf einander senkrecht stehen, bei freien Bacterien nie be- obachtet hatte, so glaubte er die Sarcine von den Bacterien voll- ständig abtrennen und als eine besondere Gattung der Schizomyceten betrachten zu sollen. Er theilte die Bacterien in vier Gruppen 1) Ferdinand Cohn: Untersuchungen über Bacterien. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. 1. 1S75. Heft 2. S. 127. 1872. — Verhandlungen der schlesi- schen Gesellschaft für vaterländische Kultur — Sitzung der medicinischen Section vom 10 Februar und vom 4. August 1S71, der naturwissenschaftlichen Section vom 14. Februar 1S72. — Botanische Zeitung vom 22. December 1871. — Vibchow's Archiv. Bd. 55. März 1S72. — Hedwigia 1S72. No. I, Bericht der botanischen Section der schlesischen Gesellschaft für 1871. 116 Cohn's Systematik. (Tribus), und jede derselben wieder in eine oder mehrere Gattungen nach bestimmten tbeils morphologischen theils entwicklungs- geschichtlichen Charakteren. Er unterschied: Tribus I. Sphaerobacteria (Kugelbacterien) Gattung 1. Micrococcus char. emend. Tribus II. Microbacteria (Stäbchenbacterien) Gattung 2. Bacterium char. emend. Tribus III. Desmobacteria (Fadenbacterien) Gattung 3. Bacillus n. g. Gattung 4. Vibrio char. emend. Tribus IV. Spirobacteria (Schraubenbacterien) Gattung 5. Spirillum Ehr. Gattung 6. Spirochaete Ehe. Weiter sonderte Cohn dann die Gruppen der Kugel- und Stäbchen- bacterien einerseits von den Gruppen der Faden- und Schrauben- bacterien andererseits ab, aus dem Grunde, weil bei den ersteren beiden die Zellengenerationen durch Aufquellung der Zellmembranen zu gallertartiger, wasserheller Intercellularsubstanz in grösseren, scharf begrenzten, elastisch biegsamen Gallertmassen (früher von ihm als Formgattung Zoogloea bezeichnet) verbunden blieben, während die beiden letzteren entweder frei zerstreut oder in Schwärmen aufträten. Ueber die Schwierigkeiten, welche einer Klassification der Bac- terien noch immer sich entgegenstellten, war Cohn sich durchaus klar: sie beruhten in der geringen Anzahl von Merkmalen, welche zu einer solchen benutzt werden konnten, in der Unmöglichkeit mit den stärksten Immersionssystemen die Formgestaltung der Bacterien, die Organisation ihres Inhaltes und ihre Vermehrung mit ausreichen- dem Detail beobachten zu können. „Wenn bei allen übrigen Orga- nismen die Begründung der Gattungen auf Unterschiede in der Fort- pflanzung zurückgeführt wird, so hat sich bei den Bacterien über- haupt keine eigentliche Fortpflanzung (Ei- oder Sporenbildung) bis jetzt nachweisen lassen. Nur die Grösse und innerhalb gewisser Grenzen die Form der Glieder, sowie die Verbindung derselben zu Colonieen, bietet gewisse Verschiedenheiten, von denen wir aber nicht immer wissen, inwieweit dieselben ursprünglich verschiedenen Arten angehören, inwieweit sie von äusseren Umständen abhängig, in den Variationskreis einer Art fallen oder gar nur Entwicklungs- zustände des nämlichen Wesens sein können. " Den Kernpunkt der ganzen Frage traf Cohn, indem er sagte: „Da es unmöglich ist, einzelne Bacterien zu isoliren und längere Zeit unter verschiedenen Verhältnissen zu beobachten, bei Massen- Schwierigkeiten bei der Artbestimmung. 117 culturen aber sich niemals Sicherheit gewinnen lässt, ob zur Aussaat nur eine einzige oder verschiedene gleich- zeitig unter einander lebende Arten benutzt wurden, so besitzen wir für jetzt keinerlei Methoden, um bei den Bacterien Alters- und Entwicklungszustände, Va- rietäten und Arten sicher abzugrenzen." Er sah sich des- halb genöthigt, das in der Mykologie angewendete Verfahren, jede Form, welche sich durch hervorstehende Merkmale auszeichnet, mit einem besonderen Gattungsnamen und jede kleinere Abweichung als Species zu unterscheiden, auch bei den Bacterien anzuwenden. „Auch bei der Klassification der Bacterien können wir für jetzt neben einer gewissen Anzahl wirklich natürlicher auch die Unterscheidung von „Formgattungen und Formspecies " nicht umgehen und werden als solche eben alle abweichenden Formen aufnehmen, wenn die- selben unter bestimmten Verhältnissen ausschliesslich oder doch vor- herrschend auftreten. Aufgabe weiterer Forschungen wird der Nach- weis sein, ob und welche dieser Formgattungen und -Arten etwa im entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhange stehen. " Dass sich die Bacterien in ebenso gute und distincte Arten gliedern wie andere niedere Pflanzen und Thiere, davon war Cohn überzeugt und zwar auf Grund der Form - Constanz der grösseren Bacterien, besonders der Spirillen. Ueber die Frage, ob man jede Form, welche in einem besonderen Medium constant vorkomme, oder eine eigenthümliche Fermentwirkung ausübe, für eine besondere Art erklären solle, auch wenn sie sich mikroskopisch nicht unterscheiden lasse, hielt er es noch nicht an der Zeit, eine abschliessende Entscheidung zu geben. „Jedenfalls", sagte er, „verhält sich die Sache nicht so, dass ein und derselbe Bacterienkeim, je nachdem er in Harn oder in Wein geräth, diesen alkalisch, jenen fadenziehend macht, oder dass die- selbe Bacterie hier Buttersäure bilden, dort Milzbrand übertragen, hier einen rothen Fleck auf einer Kartoffel, dort Diphtherie in der Luftröhre eines Menschen hervorrufen kann. Vielmehr ist zu er- warten, dass unter vielen scheinbar gleichen Organismen vervoll- kommnetere Mikroskope auch morphologische Verschiedenheiten wer- den erkennen lassen, welche die Annahme primärer Artverschieden- heiten begründen." Ausserdem aber vermuthete Cohn, dass unter den Bacterien, welche äusserlich nicht zu unterscheiden wären, aber doch verschiedene chemische und physiologische Wirkung zeigten, sich Kulturvarietäten oder Rassen fänden, welche ursprünglich von einem gemeinschaftlichen Keime entstammend durch Variation zu physiologisch verschiedenen Sorten geworden seien, und nun durch 118 Die Spbaerobacterien. Die Gattung Micrococcus. constante, natürliche oder künstliche, Züchtung unter gleichen Ver- hältnissen und auf gleichem Nährboden immer die nämlichen Pro- ducte erzeugten. Die Entwickelung des bitteren und süssen Mandel- baumes aus einer gemeinschaftlichen Urpflanze legte ihm einen solchen Analogieschluss nahe. Seine bereits im Jahre 1853 ausgesprochene Ansicht, dass die Vibrionen ins Pflanzenreich gehörten, hielt Cohn für sämmtliche Bacterien aufrecht. Er rechnete sie, obwohl sie nach der Lebensweise mit den Pilzen übereinstimmten, zu den Algen. „Die Bacterien bilden den Anfang der Phycochromaceenreihe. " Er brachte sie in eine Ordnung mit diesen als „Schizosporeae". Micro- coccus und Bacterium schloss er an die Chroococcaceen (xgcJg Haut), Sarcina an Meriismopoedia mit kreuzweiser Zelltheilung, die Faden- bacterien an die Oscillarien Beggiatoa und Leptothrix, die Schrau- benbacterien an die Spirulinen an. Jeden Zusammenhang mit Hefe- pilzen und Schimmelpilzen wies er, wie wir bereits gesehen haben, von der Hand. Es gebe zwar Hefearten, welche, wie z. B. die von Fresenius aufgefundene Rosahefe in derselben Weise auf Kartoffeln Pigmenthäufchen bildeten, wie die Mikrokokken; die Hefen bilde- ten indessen an verschiedenen Stellen Sprossen, die Mikrokokken vermehrten sich dagegen nur durch einfache Zelltheilung. Das Auf- treten von Pilzmycelien in Bacterienkulturen sei stets auf das Hin- eingelangen von Pilzsporen oder Mycelien zurückzuführen ; wenn nur Bacterien ausgesät würden, wüchsen nur Bacterien, nach Aussaat von Schimmelsporen nur Schimmelpilze. Für die Kugelbacterien, welche Cohn in seinem Aufsatze über die Organismen der Pockenlymphe mit dem Namen „ Microsphaera " belegt hatte, adoptirte er den HALLiEE'schen Namen Micrococcus, ohne frei- lich diesem Namen dieselbe Bedeutung unterzulegen wie jener. Seinen Micrococcus charakterisirte er als „ Zellen, farblos oder schwach ge- färbt, sehr klein, kugelig oder oval, durch Quertheilung zu zwei- oder mehrgliedrigen kurzen rosenkranzförmigen Fäden (Mycothrix, Torula- form), oder zu vielzelligen Familien (Colonieen, Ballen, Haufen) zu Schleimmassen (Zoogloea-, Mycodermaform) vereinigt, ohne Bewegung. " Da die Arten dieser Gattung sich nur sehr schwierig durch Gestalt und Grösse unterscheiden Hessen, so wählte er als Grundlage für ihre Trennung ihre physiologische Thätigkeit. Demgemäss ordnete er sie in drei Gruppen, in 1. chromogene, 2. zymogene und 3. pathogene, die Kugelbacterien der Pigmente, der Fermentationen und der Contagien. Die Pigmentbacterien trennte er in zwei Klassen; in der einen ver- einigte er diejenigen, deren Pigmente in Wasser löslich waren und sich in den Medien, in welchen die Entwickelung stattfand, ver- Die chromogenen, zymogenen und pathogenen Mikrokokken. 119 breiteten, in der zweiten diejenigen, deren Pigmente unlöslich waren und auf Protoplasma und Intercellularsubstanz der Zoogloea be- schränkt blieben. Von den letzteren führte er auf: Micrococcus pro- digiosus, luteus und candidus, von den ersteren : aurantiacus, chlorinus, cyaneus und violaceus. Alle diese Pigmente gelang es Cohn nicht nur auf Kartoffeln, sondern auch in künstlichen Nährlösungen zu cultiviren. Auch bei diesen Kulturen traten die Unterschiede unter den Pigmentorganismen deutlich hervor. So entwickelte sich z. B. das blaue Lacmus- Pigment, der M. cyaneus, in einer Nährlösung, welche die nöthigen Aschenbestandtheile und weinsaures Ammoniak enthielt, nicht, wohl aber dann, als Cohn ein paar Tropfen essig- saures Ammoniak hinzusetzte. Das saftgrüne Pigment des Micro- coccus chlorinus dagegen sah er sich auch ohne essigsaures Ammoniak entwickeln. Das Ergebniss seiner eingehenden Untersuchungen über die Pig- mentbacterien fasste Cohn dahin zusammen, dass „1. die chromogenen Kugelbacterien zwar im mikroskopischen Ansehen, in der Art ihrer Vermehrung, Schleimbildung, in ihrem Bedürfniss nach Sauerstoff und in der alkalischen Keaction völlig übereinstimmen und sich nur durch unwesentliche und unbeständige Formverhältnisse (Grösse, kugelige oder ovale Gestalt ihrer Zellen) unterscheiden; 2. dass die von ihnen erzeugten Pigmente in der Farbe, dem chemischen und spectroscopischen Verhalten, Löslichkeit oder Un- löslichkeit im Wasser, Analogie mit Anilin, Lacmus und anderen Arten von Farbstoffen die grössten Verschiedenheiten zeigen; 3. dass jede Art bei fortgesetzter Kultur auch unter den ver- schiedensten äusseren (eiweisshaltigen oder eiweissfreieu) Nahrungs- verhältnissen stets den nämlichen Farbstoff erzeugt; 4. dass also die verschiedenen Pigmente nicht durch Verschie- denheit der Nahrung und anderer äusserer Verhältnisse zu erklären, sondern von verschiedenen physiologischen Lebensthätigkeiten ab- zuleiten sind, welche selbst, weil constant vererbt, nur aus der an- geborenen Verschiedenheit oder specifischen Natur distincter Arten oder doch Rassen zu erklären sind." „Die hier festgestellten Schlüsse", fügte Cohn hinzu, „sind darum wichtig, weil sie ohne Zweifel eine Anwendung auf die übrigen Fermentwirkungen von Bacterien gestatten, auch da, wo diese nicht so evident hervortreten, oder dem Experimente so leicht zugänglich sind, wie bei den Pigmentbacterien. " Weniger umfassend waren die Untersuchungen Cohn's über die 120 Die Microbacteria. Die Gattung Bacterium. zymogenen und pathogenen Kugelbacterien. Von jenen führte er auf das von Pasteuk und van Tieghem entdeckte Ferment der alka- lischen Harngährung als Micrococcus urinae und die farblosen Kugel- bacterien in den gewöhnlichen Infusionen als Monas crepusculum. Von den pathogenen: den Micrococcus Vaccinae, diphtheriticus, septi- cus (Microsporon septicum Klebs) und bombycis, das torulaartige Fer- ment der Morts flats oder Morts blancs der Seidenraupen. Als Quellen der Irrthümer für die Erkennung der Mikrokokken hob er hervor die Aehnlichkeit mit Bacterien, besonders B. termo, und mit unorganischem und organischem Detritus. Als Unterscheidungsmerk- male betonte er die Beweglichkeit der Bacterien in dem einen, die Unbeweglichkeit und die weitere Entwickelung der Kügelchen zu Ketten etc. in dem anderen Falle. Die Microbacterien mit der einzigen Gattung Bacterium charak- terisirte Cohn als „kurze cylindrische oder elliptische Zellen, welche niemals Ketten oder Fäden, wohl aber eine durch reichliche Zwi- schensubstanz ausgezeichnete Zoogloeamasse bilden, und bei welchen Zustände der Ruhe mit beweglichen wechseln." Durch diese Auf- fassung der Bewegungsfähigkeit als variables entwickluugsgeschicht- liches Moment war natürlich die DAVAiNE-SciiROETEß'sche Unter- scheidung von Bacteridium und Bacterium hinfällig. Die früher aufgestellten Arten des Bacterium verwarf Cohn alle bis auf Bacterium termo und lineola, ersteres 1,5 /.i lang und nur halb oder ein Drittel so breit, letzteres 3,8 bis 5,25 fi lang und bis 1,5 /n breit mit dunkelpunktirtem Inhalt. Bact. termo hielt er für den pri- mären Erreger der Fäulniss („ohne Bacterium termo keine Fäulniss"), während die übrigen Bacterien nach seiner Ansicht bei derselben nur eine begleitende Rolle spielten. Hinsichtlich einiger anderer Arten sprach er sich dahin aus, dass wahrscheinlich das Essig- und Milch- säureferment auch zu den Bacterien gehörten, dass jedoch diese Fer- mente noch weiterer Untersuchungen bedürften. Auch die Erreger der gelben und blauen Milch, sowie des spangrünen Eiters war er geneigt mit Scheoetee als echte Bacterien anzusehen. Die Fadenbacterien theilte er, je nachdem die Fäden gerade oder wellenförmig gebogen waren, in die genera Bacillus und Vibrio. „ Sie bilden nie Zoogloea, sondern höchstens Schwärme, können bewegt oder bewegungslos (die DAVAiNE'schen Bacteridien) sein. Isolirte Glieder sind dem Bact. lineola ähnlich ; die Fäden sind nicht an den Gelenken eingeschnürt, sondern walzenrund wie Oscillarien ; sie wer- den in dieser Form als Leptothrixfäden bezeichnet", lautete seine Charakteristik. Die Desmobacteria. Die Gattungen Bacillus und Vibrio. 121 Im genug Bacillus unterschied er Bacillus subtilis, Fäden sehr dünn und biegsam, Bacillus ulna, Fäden dicker und steif, und Ba- cillus anthracis, morphologisch sich an Bac. subtilis anschliessend, wegen seiner pathogenen Eigenschaft und seiner Unbeweglichkeit als besondere Art anzusehen. Bac. subtilis hielt Cohn für identisch mit dem Buttersäureferment Pasteur's. Seine einzelnen Glieder fand er 6 /i, seine Fäden aber bis 132 /< lang. Der Inhalt der activ und passiv flexilen Fäden er- schien ihm homogen. Er glaubte jedoch, dass sich wahrscheinlich ölhaltige, stark lichtbrechende Dauerzellen in den Fäden bildeten, durch deren Auskeimen die sog. geschwänzten Formen entstünden. Auf den Bac. anthracis ging er nicht näher ein, weil er ihn nicht selbst beobachtet hatte. Bacillus ulna, dessen 10 /t lange, gegen 2 fi breite Glieder er gerade oder zickzackartig gebrochene Ketten bilden sah, schloss Cohn wegen seines feinkörnigen Protoplasmas direct an Beggiatoa an. In der Gattung Vibrio, charakterisirt „durch formbeständige Wellenbewegungen der Fäden, welche bei der Rotation den Anschein der Schlängelung hervorriefen", unterschied er zwei Arten: 1. Vibrio rugula „8 — 16 /< lang mit feinpunktirtem körnigem Inhalt, Doppel- stäbchen oft im Winkel geknickt mit selbstständiger Bewegung der beiden Hälften. Formen vielfach S förmig, auf 5 f.i eine Welle. Be- wegung wie ein Centrumbohrer, schwimmen wie ein behender Aal — bilden Schwärme ", und 2. Vibrio serpens „ um die Hälfte dünner, bilden flexile, lockenähnliche Fäden mit mehreren (3 — 4) regel- mässigen formbeständigen Wellenbewegungen.'' „Dieser Vibrio", schreibt Cohn, „gehört vielleicht zu den Schraubenbacterien, welche sich nur durch die dichter und enger gewundene Schraube und viel- leicht durch den Besitz einer flexilen Geissei, wie solche bei einer Art, Spirillum volutans gefunden, unterscheiden. " Hinsichtlich der Schraubenbacterien schloss sich Cohn vollständig an Ehkenberg an. Er trennte sie in Spirochaete mit flexiler und langer eng gewundener Schraube, und Spirillum mit starrer, kürzerer und weitläufigerer Schraube. Spirochaete plicatilis einerseits, Spirillum tenue, undula und volutans andrerseits sind die durch ihre Form wohl charakterisirten Arten der beiden Gattungen. Von der Spirochaete plicatilis berichtete er, dass er diese ziemlich seltene Art neuerdings auch im Zahnschleim aufgefunden habe. Die drei Spirillen unter- schied er durch die Höhe und den Durchmesser der Schraubengänge sowie durch die Zahl ihrer Windungen, und zwar fand er, dass die Höhe ihrer Schraubengänge 2 — 3 /<, 4 — 5 und 13,2 ft, der Durch- 122 Die Spirobacteria. Die Gattungen Spirochaote und Spirillum. messer derselben 2 — 3 /.i, 4 — 5 /.i und 6,6 ft und die Zahl ihrer Win- dungen 1 '/2 — 5, l /i — 1 bis 3 und 2'/2 — 3— 3>/2 bis 7 betrug. Die drei Arten boten demnach sehr deutliche Formunterschiede. Cohn con- statirte wohl, dass die verschiedenen Formen der Schraubenbacterien gewöhnlich gesellig untereinander vorkamen, konnte sich jedoch nicht überzeugen, dass dieselben nur Varietäten oder Alterszustände einer einzigen Species waren, wie Peett seiner Zeit angenommen hatte, da er sie wochenlang in einem Aufgusse todter Slisswasserschnecken durch Zufügung neuer Nahrung in steter Vermehrung erhalten und dabei die Beständigkeit der einzelnen einander anscheinend so nahe stehen- den Arten feststellen konnte. Durch vortreffliche Abbildungen (s. Fig. 1 9) V <^^ ^ ^Ü^^f? Iy^-% I. 1872. Beiträge Fig. 19. Aus Ferdinand Cohn: Untersuchungen über Bacterien. zur Biologie der Pflanzen. Bd. I. Heft II. S. 223. 1875. 1. Microeoccus prodigiosus (Monas prodigiosa Ehr.). Kugelbacterien des rothen Pig- ments, einzeln, zu 2 auch zu 4 zusammenhängend; die Übrigen Pigmentbacterien sind von dieser durch das Mikroskop nicht zu unterscheiden. Die Ernährung der Bacterien. 123 2. Micrococcus vaccinae. Kugelbactericn aus der Pockenlymphe in Vermehrung, zu kurzen 4— Sgliedrigen , geraden oder verbogenen Ketten und zu unregelmässigen Zellhaufen verbunden. 3. Zoogloeaform der Micrococeusartcn , Häute oder Schleimschichten durch dichte feingekörnte Punktirung charakterisirt (Mycoderma Pastbub). 4. Rosenkranzketten (Torulaform) von Micrococcus ureae aus dem Harn. 5. Sacharomyees glutinis (Cryptococcus glutinis Fresen.). Sprossende Hefe, bildet schöne rosa Häufchen auf gekochten Kartoffeln. 6. Sarcina Bpec. auf der Oberfläche eines mit Micrococcus luteus überzogenen Hüh- nereies, gelbe Häufchen bildend. 7. Bacterium termo, frei bewegte Form. 8. Zoogloeaform von Bacterium termo. 9. Zoogloeaform von Bacterium lineola. 10. Bewegliche Fadenbacterien mit kugligen und elliptischen stark lichtbrechenden Köpfchen, vielleicht aus Gonidien gekeimt. 11. Bacillus subtilis, kurze Glieder und längere, sehr flexile, z. Th. in Theilung be- griffene bewegliche Fäden. 12. Bacillus ulna, einzelne Glieder und längere Fäden, z. Th. in ihre Glieder zerbrechend. 13. Vibrio ßugula, einzeln oder in Theilung. 14. Schwärm von Vibrio serpens, die Fäden verfilzt. 15. Spirillum tenue. 16. Spirillum undula. 17. Spirillum volutans. Zwei Spiralen um einander gedreht. 18. Spirochaete plicatilis. Sämmtliche Figuren sind von Cohn mit der Immersionslinse IX Hartnack, Ocular III, unter einer Vergrüsserung von 650 gezeichnet. brachte Cohn die Formunterschiede seiner Arten zur klaren An- schauung. Da Cohn bei seinem artenreichen System dem entwicklungs- geschichtlichen Faktor eine ganz hervorragende Bedeutung beige- messen hatte, musste er natürlich bestrebt sein, die Ernährungs- und Wachsthumsbedingungen der Bacterien möglichst genau zu erforschen. Auch nach dieser Richtung hin sind seine Untersuchungen grund- legende. Der Weg, welchen er einzuschlagen hatte, war vorgezeich- net durch die genialen Beobachtungen Pasteue's über die Ernäh- rung der Hefepilze. Pasteur' 2 ) hatte gezeigt, dass die Hefepilze wie alle übrigen Pflanzen sich zusammensetzen aus Kohle, Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff und einer Anzahl Aschenbestandtheilen, unter welchen Kali und Phosphorsäure die wichtigsten sind, und dass sie nur dann wachsen und sich vermehren können, wenn ihnen diese Elemente als Rohstoffe dargeboten werden. Er hatte weiter darge- than, dass sie den Sauerstoff und Wasserstoff in Form von Wasser erhalten, dass sie den Stickstoff in der Form von Ammoniak und die Kohle nicht aus der Kohlensäure wie die grünen Pflanzen, son- dern aus dem Zucker entnehmen. Auf dem Wege des Experimentes 2) Louis Pasteur: Annales de Chim. et de Phys. LVIII. 1858. Deutsch von Victor Griesmayer. Augsburg 1871. 124 Die Ernährung der Bacterien. Normal-Nährlösungen. hatte er nachgewiesen , 3 ) dass sich die Pilze der Hefe und anderer Fermente in einem Medium völlig normal entwickeln, welches be- steht aus einem gährungsfähigen Stoff und einer Anzahl zweckmässig gewählter Mineralsalze. Als Normalernährungsflüssigkeit hatte er eine Mischung angegeben, welche aus 100 Gewichtstheilen destillirten Wassers, 10 Theilen weissem Candiszucker, 1 Theil weinsaurem Am- moniak und der Asche von 1 Theil Hefe, deren Gewicht etwa 0,075 der Mischung betrug, zusammengesetzt war. Diese „PASTEUR'sche Nährflüssigkeit" hatte sich auch für Bacterien bei den Versuchen Burdon -Sanderson's als vortrefflich geeignet erwiesen. Burdon- Sänderson hatte sie sogar als Reagenz auf die Anwesenheit von Bacterien in allen möglichen Medien, Wasser, Blut, Eiter u. s. w. benutzt. Enthielt nämlich die Substanz, welche er in gekochte PASTEUR'sche Flüssigkeit brachte, Bacterienkeime, so entstand inner- halb weniger Tage eine Trübung der Flüssigkeit; war sie frei davon, so blieb sie klar. Cohn stellte sich nun die Aufgabe, die Ernährung der Bacterien mit Rücksicht auf die von Pasteur gemachten Beobachtungen zu studiren. Sehr bald fand er, dass die Ernährung dieser Organismen ebenso gut, ja bei weitem besser vor sich ging, wenn aus der PASTEUR'schen Flüssigkeit der Zucker weggelassen wurde, weil der Zucker die Entwickelung der Hefen und Schimmelpilze den Bacterien gegenüber zu sehr begünstigte. Er verwandte deshalb eine Flüssig- keit, welche in 100 Theilen Wasser 1 Theil weinsaures Ammoniak und ca. 1 Theil Aschenbestandtheile enthielt. Als dann A. Mayer 4 ) den Antheil der einzelnen in der Hefe- asche enthaltenen Mineralbestandtheile an der Ernährung der Alko- holhefe experimentell ermittelt hatte, benutzte Cohn die MAYER'sche Normallösung der mineralischen Nährsalze: 0,1 g phosphorsaures Kali, 0,1 krystallisirte schwefelsaure Magnesia und 0,01 dreibasisch phosphorsauren Kalk auf 20 ccm destillirtes Wasser mit einem Zu- sätze von 0,2 g weinsaurem Ammoniak und bezeichnete diese Mischung als „normale Bacterienflüssigkeit". Ausserdem benutzte er noch die WoLF'sche oder KNOP'sche Nährsalzlösung, welche aus phosphorsaurem Kali, schwefelsaurer Magnesia und salpetersaurem Kalk oder (wenn es sich um Abwesenheit der Salpetersäure handelte) Chlorcalcium bestand. Zur Infection der Nährlösungen benutzte er einen „Bacterien- tropfen" aus verschiedenen in stinkender Fäulniss befindlichen, Bac- 3) Louis Pastbtte : Comptes rendus de l'Academie des sciences. 18. Däc. 1871. 4) A. Mater: Untersuchungen über die alkoholische Gährung 1870. Kohlenstoff- und Stickstoffc[uellen der Bacterien. 125 terium termo in überwiegender Menge oder fast allein enthaltenden Pflanzensameninfusen. In Lösungen, welche nur die mineralischen Salze enthielten, zeigte sich keine Entwicklung, ebensowenig in destillirtem Wasser; bei Zu- satz von weinsaurem Ammoniak trat jedoch Trübung ein. Hieraus schloss Cohn, dass Bacterien oder vielmehr Bacterium termo sich in eiweiss- und zuckerfreien Lösungen zu entwickeln vermöchten, indem sie das Ammoniak als Stickstoff-, die Weinsäure als Kohlenquelle be- nutzten. Andere organische Säuren: Bernsteinsäure, Milchsäure und Essigsäure konnten der Weinsäure substituirt werden; auch andere Kohlenverbindungen, insbesondere Rohrzucker, Milchzucker, Glycerin und Cellulose wurden von den Bacterien assimilirt; die Kohlensäure im kohlensauren Ammoniak wurde dagegen nicht assimilirt. Auch Harnstoff allein und in Verbindung mit mineralischen Nährsalzen erwies sich untauglich zur Ernährung, wohl aber in Verbindung mit einer stickstoffreien Kohlenverbindung, wie z. B. weinsteinsaurem Kali. Er diente dann als Stickstoffquelle für die Bacterien. Die Frage, ob Salpetersäure den Bacterien den Stickstoff liefern könne, vermochte Cohn nicht mit Sicherheit zu entscheiden, da die benutzten Reagentien immer Spuren von Ammoniak enthielten, wie eine Prüfung mit Nessler- schem Reagenz ergab. Aus dem gleichen Grunde sah Cohn Lösungen von weinsteinsaurem Kali und Cremor tartari sich trüben ohne Zu- satz einer Ammoniakverbindung. Salpetersaures Ammoniak war ebenso wie Harnstoff für sich allein ungünstig, in Verbindung mit weinstein- saurem Kali aber äusserst günstig für die Vermehrung der Bacterien. Aus allen diesen Beobachtungen kam Cohn zu der Ueberzeugung: „ dass die Bacterien in völlig normaler Weise und in grösster Ueppig- keit sich vermehren, sobald sie die erforderlichen Aschenbestand- theile in Lösung vorfinden und ihren Stickstoff aus Ammoniak oder Harnstoff, wahrscheinlich auch aus Salpetersäure, ihre Kohle aus irgend einer organischen Kohlenstoffverbindung entnehmen können." In vorsichtiger Weise betonte Cohn, dass dieser Satz vorläufig nur für Bacterium termo Geltung habe, und dass es noch zu ermit- teln sei, ob nicht einzelne Arten auf bestimmte Kohlenstoffverbin- dungen angewiesen seien. Um die ausserordentlichen Wirkungen der Vermehrung der Bac- terien auf die organische Welt, ihre kolossalen Arbeitsleistungen ver- ständlich zu machen, stellte Cohn folgende Berechnung 5 ) an: „Wir 5) Ferdinand Cohn : Ueber Bacterien, die kleinsten lebenden Wesen. Samm- lung gemeinverständlicher wissenschaftlicher Vorträge, herausgegeben von Rüd. Virchow und Fr. v. Holtzendorff. VII. Serie. Heft 165. Berlin 1S72. 126 Arbeitsleistungen der Bacterien. nehmen an", schreibt er, „dass eine Bacterie sich innerhalb einer Stunde in 2, diese wieder nach einer Stunde in 4, nach 3 Stunden in 8 theilen und sofort; nach 24 Stunden beträgt die Zahl der Bac- terien bereits über 1 6 ',2 Millionen (16,777,220); nach 2 Tagen wür- den sie zu der ungeheuren Zahl von 281 Vs Billionen, nach 3 Tagen zu 47 Trillionen anwachsen; nach einer Woche würde ihre Anzahl sich nur durch eine Ziffer von 51 Stellen ausdrücken lassen. Um diese Zahlen leichter fasslich zu machen, wollen wir die Masse und das Gewicht berechnen, welches aus einer Bacterie in Folge ihrer Vermehrung hervorgehen kann. Die einzelnen Körper- chen der gemeinsten Art der Stäbchenbacterien (Bacterium termo) haben die Gestalt kurzer Cylinder, von tyiooo Millimeter im Durch- messer und etwa "soo Millimeter Länge. Denken wir uns ein würfel- förmiges Hohlmaass von 1 Millimeter Seite (1 Kubikmillimeter), so würde dasselbe nach den eben angegebenen Verhältnissen von 633 Millionen Stäbchenbacterien ohne Zwischenraum ausgefüllt werden. Nach 24 Stunden würden die aus einem einzigen Stäbchen hervor- gegangenen Bacterien etwa den vierzigsten Theil eines Kubikmilli- meters einnehmen; aber schon am Ende des folgenden Tages wür- den die Bacterien einen Raum erfüllen, der 442,576 solcher Würfel, oder, was dasselbe ist, etwa '/s Liter oder 442 Cubikcentimetern gleichkommt. Nehmen wir den Raum, den das Weltmeer einnimmt, gleich */s der Erdoberfläche, und seine Tiefe im Mittel gleich einer Meile, so ist der Gesammtinhalt des Oceans 928 Millionen Cubik- meilen; bei stetig fortschreitender Vermehrung würden die aus einem Keim entstammenden Bacterien schon nach weniger als 5 Tagen das ganze Weltmeer vollständig erfüllen ; ihre Zahl würde sich dann nur durch eine Ziffer von 37 Stellen ausdrücken lassen. Noch überraschender sind die Gewichtsverhältnisse. Setzen wir das specifische Gewicht einer Bacterie dem des Wassers gleich, was von der Wahrheit nicht viel abweichen kann, so ergiebt sich aus den eben angeführten Maassen, dass ein einziges Stäbchen 0,600,000,001,571 Milligramm, oder dass 636 Milliarden Bacterien ein Gramm, oder 636,600 Milliarden ein Kilogramm wiegen. Nach 24 Stunden würde das Gewicht der Bacterien ungefähr '/<« Milli- gramm, nach 48 Stunden fast 1 Pfd. (442 Gramm) betragen, nach 3 Tagen dagegen nahezu 7 72 Millionen Kilogramm oder ein Gewicht von 148,356 Centnern erreichen." Vielversprechende Gesichtspunkte eröffnete Cohn für das Ver- ständniss der Wirkungsweise dieser kleinsten Wesen durch seine Untersuchungen über die Fäulniss. In Uebereinstimmung mit den Beziehungen der Bacterien zur Fäulniss. 127 PASTEUß'schen Forschungen stellte er den Satz auf: „Fäulniss ist ein correlatives Phänomen nicht des Todes, sondern des Lebens". Die Frage aber, auf welche Weise die Bacterien Fäulniss erregten, musste er noch offen lassen. Die Chemie sei noch nicht im Stande, sie präcis zu beantworten. Man müsse sich daher vor der Hand darauf beschränken, die biologischen Verhältnisse der Bacterien bei der Fäulniss festzustellen. Zur Fäulniss könnten aber die Bacterien in vierfacher Beziehung stehen : Sie könnten die eiweissartigen Stoffe zersetzen, indem sie dieselben entweder ganz oder theilweise assi- milirten, in ihre eigene Zellsubstanz umwandelten, oder indem sie ein umgeformtes eiweisslösendes und veränderndes Ferment in ihren Zellen erzeugten und ausschieden, oder indem sie denselben Sauer- stoff entzögen, oder endlich Sauerstoff auf dieselben übertrügen, mit anderen Worten reducirend oder oxydirend wirkten. Möglich wäre es auch, dass mehrere dieser Thätigkeiten combinirt wirken könnten. Durch Versuche mit chromogenen Mikrokokken wies Cohn ferner nach, dass die Bacterien bei künstlicher Ernährung (durch NH 3 -Ver- bindungen) dieselben Producte erzeugten wie bei natürlicher (durch Eiweissstoffe). Er schloss daraus, dass die Bacterien das Eiweiss- molekül spalteten in NHs und flüssige und gasförmige Nebenproducte, in ähnlicher Weise wie die Hefen Zucker zerlegten in Alkohol, Kohlensäure, Glycerin und Bernsteinsäure. Auch die Frage von den Beziehungen der Bacterien zu den Contagien zog Cohn, obwohl sie ihm als Botaniker eigentlich ferner lag, in den Kreis seiner Betrachtung. Mit einfachen klaren Worten kennzeichnete er den Stand der Forschung auf diesem wichtigen Gebiete. „So lange man nicht zwischen Bacterien und Bacterien unter- schied und an den Satz glaubte, dass aus einer beliebigen Schimmel- spore alle übrigen Schizomyceten und Mycelpilze hervorgehen können, so lange konnte auch die Contagienfrage keine wissenschaftliche Grundlage gewinnen," lautete seine von den Aerzten damals leider nicht genügend gewürdigte Ansicht. Als „ersten Schritt zum Fortschritt" bezeichnete er den Umstand, dass man die pathogenen von den saprogenen Bacterien zu unter- scheiden versucht und zugleich nachgewiesen habe, dass die überall verbreiteten Bacterien der Fäulniss das Contagium nicht erzeugten, sondern vielmehr zerstörten. Die Untersuchungen von Davaine für das Milzbrandvirus und von Klebs für die Pyaemie Hessen hierüber keinen Zweifel, während zugleich die Filtrirversuche von Klebs und die Diffusionsversuche von Chauveau bewiessen hätten, dass das 128 Beziehungen der Bacterien zu den Contagien. Virus Dicht in den gelösten Theilen des Contagium, sondern in den festen und ohne Zweifel in den mikroskopischen Organismen zu suchen sei. Die vier Möglichkeiten, welche er in Bezug auf die Ferment- thätigkeit der Fäulnissbacterien ins Auge gefasst habe, müssten auch bei der Contagienfrage zur Erwägung kommen. Wie die verschie- denen Bacterien wirkten, ob durch Entziehung von Nährstoffen, ob durch mechanische Obstruction der Gefässe, ob durch Bildung flüs- siger Gifte, wie das Septicin, ob sie ferner die Rolle eines Oxydations- oder eines Reductionsfermentes spielten, müsse durch weitere For- schungen festgestellt werden. Da die pathogenen Organismen ver- muthlich verschiedenen Arten, Rassen und Varietäten angehörten, könnten in verschiedenen Contagien verschiedene Fermentwirkungen in Betracht kommen. Ein weiter Ausblick auf die künftige Entwickelung der Bacterien- forschung war durch die Arbeiten Cohn's eröffnet, eine Fülle von Anregungen war geboten für einen jeden, welcher nicht in vorge- fassten DARWiN'schen Entwickelungsideen befangen den Blick für den wunderbaren Reichthum der Formen und Lebensäusserungen der niedersten Wesen offen hielt. Aber nur wenige Forscher vermoch- ten, wie wir sehen werden, in jener Zeit eine ruhige Objectivität gegenüber den zahlreichen, dem Verständniss noch nicht erschlos- senen Erscheinungen auf diesem neuen Gebiete zu wahren. Zehnte Vorlesung. Einwände gegen das CoHN'sche System. Klebs' Mikrobacteria. Seine Mikro- sporien und Monadinen. Spätere Anerkennung der Genera Micrococcus und Bacillus durch Klebs. Sein Micrococcus vaccinae et variolae. Sein und Tom- masi-Crddeli's Malaria-Bacillus. Sein Typhus- und Diphtherie-Bacillus. Ray- Lankestee's peach-coloured Bacterium. Lister's Untersuchungen über den Ein- fluss des Nährsubstrates auf Form, Beweglichkeit und Fermentthätigkeit der Bacterien und deren wichtige Consequenzen für die Entstehung der Wundinfec- tionskrankheiten. Die Untersuchungen Cohn's über den Brunnenfaden. Aehn- lichkeit der Gonidien der Crenothrix mit manchen Bacterien. Mit seiner zusammenfassenden Darstellung der Bacterienlehre hatte Cohn einem allseitig gefühlten Bedürfnisse Rechnung getragen. Im Gegensatze zu Hallier, welcher von vorgefassten Ideen über den bestimmenden Einfluss der äusseren Verhältnisse auf die Form geleitet, einen Zusammenhang der niedersten Formen unter sich und mit höheren Pilzen herauszufinden sich bemüht hatte, war Cohn be- strebt gewesen, die Trennung dieser Formen so streng wie möglich durchzuführen und die Verschiedenheit derselben als Ausdruck be- sonderer Artverschiedenheiten anzusehen, so lange nicht der Beweis ihrer entwicklungsgescbichtlichen Zusammengehörigkeit ge- führt worden sei. So hatte er eine vorläufige Basis geschaffen, auf welcher eine Verständigung möglich war und auf welcher mit Erfolg weiter gebaut werden konnte. Aber wie wahrscheinlich auch Cohn die Existenz verschiedener Arten unter den Bacterien für einen jeden gemacht hatte, wie scharf er auch die einzelnen Arten durch Form , physiologische Leistung und Entwicklungsgang zu charakte- risiren sich bemüht hatte, den streng wissenschaftlichen Beweis da- für, dass die von ihm aufgestellten Arten auch wirklich echte Arten waren, hatte er zu erbringen nicht vermocht, da, wie er selbst her- vorhob, die Methode der isolirten Beobachtung einzelner Individuen noch nicht gefunden war. Es konnte daher nicht ausbleiben, dass von Seiten der Botaniker sowohl als von Seiten der bei der Bac- terienfrage ganz besonders interessirten Aerzte Einwände der ver- schiedensten Art gegen sein System erhoben wurden. Die Einen Löffler, Vorlesungen. 9 130 Einwände gegen das CoHN'sche System. richteten ihre Angriffe gegen das Fundament des ganzen CoHN'schen Systems. Sie wollten nicht einmal anerkennen, dass die Bacterien pflanzliche Organismen sind und nur aus ihresgleichen hervorgehen. Sie wollten vielmehr die alte, aus irrthümlicher Deutung mikrosko- pischer Beobachtungen entsprossene, schon tausendmal widerlegte Anschauung wieder neu beleben, die Anschauung nämlich, dass die Bacterien aus den eiweisshaltigen Säften der nicht mehr normal er- nährten, absterbenden Thier- und Pflanzenzellen, und zwar aus den körnchengleichen Zellsaftbläschen im Protoplasma entständen. Wir müssen dieser phantastischen Ideen hier nochmals Erwähnung thun, da zahlreiche Forscher, Männer von wissenschaftlichem Ernst und wissenschaftlicher Bedeutung wie Karsten '), Wiegand 2 ), Estor :i ), Winternitz J ) u. A. bis in die neueste Zeit für dieselben eingetreten sind. Da sie jedoch trotz der eifrigsten Bemühungen ihrer Ver- theidiger für die weitere Entwickelung der Lehre von den Mikro- organismen eine Bedeutung nicht erlangt haben, können wir von einer eingehenderen Darlegung derselben absehen. Andere Forscher verwarfen die Aufstellung besonderer Arten unter den Bacterien, indem sie alle zu Tage tretenden morphologischen und physiologi- schen Verschiedenheiten dieser niedersten Wesen auf den Einfluss äusserer Bedingungen, namentlich der Ernährungsverhältnisse, zu- rückführen wollten. Wieder Andere stimmten wohl mit Cohn darin Uberein , dass unter den Bacterien distincte Arten vorhanden seieD, verlangten aber eine ganz andere Charakteristik derselben. Nament- lich behaupteten sie, in missverständlicher Auffassung der CoHN'schen Ausführungen, dass eine Abgrenzung der Arten nach der Verschie- denheit der Form nicht zulässig sei, da sie mehrere der von Cohn als Merkmale besonderer Arten angesehenen Formen als dem Ent- wicklungskreise einer natürlichen Art angehörig erkannt haben wollten. Sie beachteten eben nicht, dass Cohn sein System durch- aus nicht auf rein formelle Kennzeichen basirt hatte, sondern dass er für die Charakteristik seiner Genera auch entwicklungsgeschicht- liche Momente, soweit sie ihm in jener Zeit zu Gebote gestanden 1) Herbmann Kabsten: Deutsche Flora 1883 und Natur 1883. 2) A. Wiegand, Professor der Botanik in Marburg : Entstehung und Form- entwickelung der Bacterien 1884. 3) Estoe : Pathogänie des maladies infectieuses par M. le professeur Estob, faculte de mädecine de Montpellier. Semaine medicale. No. 12. 1886. 4) W. Wtntebnitz : Zur Pathologie und Hydrotherapie der Cholera. Kli- nische Studien aus der bydriatischen Abtheilung der allgemeinen Poliklinik in Wien. Leipzig und Wien 1887. Klebs' Mikrobacteria. 131 hatten, verwerthet hatte. Wir wollen die diesbezüglichen hervor- ragenderen Arbeiten in ihrer zeitlichen Aufeinanderfolge nunmehr etwas näher betrachten. Wir werden auf diese Weise am deutlich- sten erkennen, dass zwar der Kampf auf diesem Gebiete auch bis heute noch nicht zum Abschluss gelangt ist, dass aber die Cohn- schen Principien Dank vor Allem den bahnbrechenden Forschungen Kobert Koch's über die pathogenen Organismen, sich als die einzig richtigen erwiesen haben, und dass dieselben auch heute noch unseren Anschauungen über die Bacterien als Grundlage dienen können. Kurze Zeit, nachdem Cohn seine Studien mitgetheilt hatte, sprach sich Klebs 5 ) gegen die systematische Trennung von Kugel- und Stäbchen-Bacterien aus. Nach seinen Erfahrungen hielt er sich für berechtigt, die letzteren als eine Entwickelungsphase der ersteren aufzufassen und zwar im Besondern auf Grund seiner directen Be- obachtungen über das Microsporon septicum. Er verschmolz deshalb die beiden ersten Tribus des CoHN'schen Systems zu der einen Gruppe: Microbacteria. Er charakterisirte sie folgendermaassen: „ Zellen farblos oder schwach gefärbt, sehr klein, kugelig oder oval (Micrococcus), die sich zu vielzelligen Familien (Zoogloea) vereinigen. Innerhalb der letzteren wachsen die Mikrokokken zu stäbchen- förmigen Gebilden (Bacterien) heran, die sich loslösen und frei be- weglich werden." Die von ihm beobachteten contractilen Plasma- ballen finden merkwürdiger Weise in dieser Definition keinen Platz. Hinsichtlich einer Trennung des Microsporon septicum von den Fäulnissbacterien sprach er sich noch reservirt aus. Er wolle keines- wegs eine Identität des Microsporon septicum mit den Fäulnissbac- terien behaupten. Im Gegentheil habe er gerade, um diese Ent- scheidung offen zu halten, für die erstere Form einen besonderen Namen gewählt, indessen machten ihm „pathologische Thatsachen, so namentlich das Fortschreiten septischer Infectionsprocesse zu wirk- licher Fäulniss, eine Zusammengehörigkeit beider wahrscheinlich." Im Uebrigen erkannte Klebs im Princip die Wichtigkeit der Form der Bacterien für die Artunterscheidung voll und rückhaltlos an, da er ja selbst sich bemüht hatte, wie wir bereits sahen, unter den von ihm bei verschiedenen Krankheiten gefundenen Mikrokokken morphologische Differenzen aufzufinden. Im weiteren Verlauf seiner Untersuchungen sah er sich veranlasst, unter den Mikrobacterien zwei Genera zu unterscheiden. Als er nämlich im Bronchialinhalte von 5) Klebs: Beiträge zur Kenntniss der Mikrokokken. Archiv f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. I. 1874. S. 63. 9* 132 KLEBs'Monad.u.Mikrosporinen. Spät. Äncrk. von ConN'sMikrococcusu.Bacill. Pneumonikern lebhaft bewegliche Körperchen von Körner- und Stäbchenform gefunden hatte b ), bezeichnete er diese als Mo nadi- nen im Gegensatz zu den Mikrosporinen, welche durch Bildung von Mikrokokkenballen und Weiterentwickelung dieser letzteren zu langen Fäden charakterisirt waren. Zu diesen rechnete er das Micro- sporon septicum und diphtheriticum "), zu den Monadinen das Monas pulmonale, das Monas tuberculosum s ) , welches er aus tuberkulösen Substanzen gezüchtet haben wollte, und das Helicomonas syphiliti- cum 9 ), welches er aus dem Blute einer mit einer syphilitischen Induration geimpften Aeffin in der Form schlauchförmiger und spi- ralig gedrehter Bildungen in Hausenblasengallerte sich hatte ent- wickeln sehn. Bei seinen Untersuchungen von Vaccine- und Variola- Lymphe 10 ) überzeugte sich später Klebs, dass die Organismen in denselben ausschliesslich in der Gestalt der Mikrokokken auftraten, dass sie in keiner ihrer Entwickelungsphasen andere Formen annahmen, als diejenigen kleiner Kügelchen. Er stimmte deshalb Ferdinand Cohn bei, indem er ebenfalls eine Gruppe solcher Spaltpilze zuliess, welche nur in Micrococcusform auftreten. Er bezeichnete demzufolge die in auffälliger Weise immer zu vieren gelagerten, kaum 0,5 /.i errei- chenden Organismen in der Variola- und Vaccine-Lymphe als Micro- coccus quadrigeminus. Auch die Gattung Bacillus erkannte er als solche an, nachdem er zusammen mit Tommäsi-Ceudeli ' ') aus Ma- laria erzeugenden Erdbodenarten Stäbchen von 2—7 (j. Länge, welche zu gewundenen Fäden heranwuchsen, in Hausenblasengallerte, Ei- weisslösung, Haru u. s. w. gezüchtet hatte, und nachdem er ferner in den frischeren und intensiveren Organveränderungen beim Typhus abdominalis V! ) homogene, mattglänzende Stäbchen und ungegliederte Fäden bis zu 80 ,u Länge constant hatte nachweisen können. Zwar 6) Klebs : Beiträge zur Kenntniss der pathogenen Schizomyceten. Archiv f. exp. Path. u. Pharm. Bd. IV. 1875. 7) 1. c. Bd. IV. 8) Klebs : Amtlicher Bericht der 50. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte. München 1877. S. 277. 9) Klebs : Das Contagium der Syphilis. Eine experimentelle Studie. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. X. Heft 3 u. 4. S. 161. 1879. 10) Klebs: Der Micrococcus der Variola und Vaccine. 1. c. Bd. X. Heft 3 u. 4. S. 222. 11) Klebs und Tommasi-Cbudeli: Studien über die Ursache des Wechsel- fiebers und über die Natur der Malaria. I.e. Bd. XI. S. 311. 12) Klbbs: Der Ileotyphus eine Schistomycose. I.e. Bd. XII. Heft 2 u 3. S. 231. 1880. Ray-Lankester's peach-eoloured Bacterium. 133 fand er auch Mikrokokken an der freien Oberfläche der nekrotischen und ulcerirten Partien, doch hielt er es für wahrscheinlich, dass diese nur eine Complication darstellten, da sie „innerhalb der äusserst dichten und massenhaften Anhäufungen der Fäden im Gewebe, z. B. im Typhusschorf oder in der Knorpelsubstanz " (der beim Typhus häufig vorkommenden Larynx-Geschwüre), ihm nicht vorzukommen schienen. Trotz der Anerkennung der CoHN'schen Gattungen Micro- coccus und Bacillus hielt Klebs gleichwohl, auch später noch, an seinen Mikrosporiuen fest. Denn als er im Jahre 1S83 ls ) in den Membranen bei der Diphtherie äusserst kurze und schmale, regellos wie in einer Gallerte eingebettete Stäbchen an der Oberfläche der Exsudatschicht aufgefunden hatte, nahm er an, dass es zwei Formen der Diphtherie gäbe, deren eine mikrosporine durch das Microsporon diphtheriticum und deren andere bacilläre durch die kurzen Stäbchen erzeugt werde. Das Beweismaterial, welches Klebs für die speci- fische Natur der von ihm aufgefundenen Mikrosporinen, Monadinen, Mikrokokken und Bacillen mit einem grossen Aufwände von Kultur- und Uebertragungsversuchen beizubringen sich bemüht hat, ist in- dessen, wie eine objective Kritik ergeben hat, nicht ausreichend ge- wesen für diesen Beweis. Obwohl daher Klebs zwei Jahrzehnte hindurch einer der eifrig- sten Vertheidiger der von Cohn aufgestellten Lehre von der Existenz specitisch verschiedener Bacterienarten hinsichtlich der pathogenen Bacterien gewesen ist und obwohl er eine Fülle von Anregungen nach dieser Richtung hin durch seine Arbeiten gegeben hat, so kann ihm doch das Verdienst, die endgültige Anerkennung verschiedener Arten unter den pathogenen Bacterien erkämpft zu haben, nicht bei- gemessen werden. Zu ganz anderen, dem CoHN'schen System widerstreitenden Er- gebnissen gelangte der englische Forscher Räy-Lankestee u ). Der- selbe beobachtete im Sommer des Jahres 1873 im histologischen Laboratorium des Exeter College eine auffallende Rothfärbung fau- lender thierischer Theile, welche er zur Maceration in Glasgefässen aufgestellt hatte. Auch die dem Licht zugewandte Seite des Ge- fässes war mit derselben schön purpurrothen — fine purple-red — Masse bedeckt. Bei der mikroskopischen Untersuchung fand er, dass 13) Klebs: Verhandlungen des Congresses für innere Medicin. II. Abthei- lung. Wiesbaden 1S83. S. 143. 14) Ray-Lankester: On a Peach-coloured Bacterium — Bacterium rubes- cens n. sp. Quaterly Journal of microscopical science. Vol. 13. New series. 1873. S. 408. 134 Ray-Lankesteh's Einwände gegen Cohk's System. die rothen Massen aus Organismen von der verschiedensten Form und Grösse bestanden. Die Einzelzellen, welche er „units" oder „plastids" nannte, waren theils kugelförmig, theils biscuitförmig „bacteroid", theils auch stäbchenförmig „bacillar u oder an den Enden zugespitzt „ acicular ". Die aciculare Form war allein beweglich, die anderen unbeweglich; während die einen frei, isolirt waren, lagen andere in Schleimmassen eingebettet, Klumpen oder auch netzförmig durchbrochene Massen bildend, noch andere waren in Fäden und rosenkranzförmigen Ketten angeordnet; manche waren homogen, viele aber enthielten in ihrem Protoplasma ein, zwei oder mehrere stark lichtbrechende Körnchen. Was jedoch allen diesen Formen gemein- sam war, was Kay - Lankestee als das tief eingewurzelte Zeichen ihrer gemeinsamen Abstammung, ihr Rasse-Merkmal „the deep-rooted emblem of their commun parentage, their race-mark" auffassen zu müssen glaubte, das war die eigenthümliche rothe Färbung, welche alle diese verschieden gestalteten Organismen darboten und welche durch einen Farbstoff mit ganz bestimmtem charakteristischem Spec- trum, das von Ray • Lankester sogenannte „ Bacteriopurpurin * be- dingt war. Auf Grund dieses gemeinsamen physiologischen Merk- males hielt sich Ray- Lankester für berechtigt, alle von ihm be- obachteten Formen als Variationen einer Art anzusehen, und er bezeichnete diese Art nach der in überwiegender Menge auftretenden Form als das pfirsichfarbene „the peach-coloured" Bacterium — Bacterium rubescens. Den Beweis für den entwicklungsgeschicht- lichen Zusammenhang der verschiedenen rothen Formen konnte Lankester weder durch directe Beobachtung, noch durch Kultur- versuche fuhren; er begnügte sich deshalb mit dem gemeinschaft- lichen physiologischen Merkmal der Rothfärbung und dem gleich- zeitigen Auftreten in demselben Substrat. Er erklärte ausdrücklich, dass er nicht gewagt haben würde, die Hypothese der specifischen Continuität der verschiedenen Formen aufzustellen, wenn die „pla- stiden " farblos gewesen wären, wie die von Bacterium termo, lineola, Bacillus subtilis u. s. w. , und dass nur in dem Falle , dass der Be- sitz des purpurnen Farbstoffes als Gewähr für die Annahme speci- fischer Continuität der verschiedenen Formen anerkannt würde, seine Beobachtungen von irgend welchem weiteren Interesse wären. Jede der verschiedenen Formen hätte man auch als eine Art von bacteriumähnlicher Pflanze auffassen können. Solche Species könnten aber nur den Werth von künstlichen oder Form-Species be- anspruchen, da kein Beweis vorliege, dass diese verschiedenen For- men ihre selben Formen wiedererzeugten und als Rasse ihre Cha- Listee's Anschauungen über die Bacterien. 135 rakteristica bewahrten. Im Gegentheil habe man constant verschie- dene Zwischenformen zwischen zwei vorherrschenden Formen beob- achten können. Für die Beschreibung empfehle es sich die Plasti- den zu unterscheiden a) nach ihrer Form als: kugelig (sphaerous), biscuitförmig oder bacteroid, faden- förmig (filamentous), nadeiförmig (aciculare), bacillar, Ser- pentine, spiroid und helicoid; b) nach ihrer Structur als: nackt oder schleimerzeugend (gloeogenous) und als ho- mogen oder gekörnt (loculate) und endlich nach der Form der Aggregation als: linear, sternförmig, kugelig (globose), massig (massive), baumförmig (arborescent), ketten-, netz- und würfelförmig. Die natürlichen Species seien auf tiefere Charakteristica, wie sie Cohn durch seine Eintheilung in saprogene, chromogene und pathogene angedeutet habe, zu begründen. Das CoHN'sche System sei nur ein künstliches oder formales System und kein natürliches. Die natürlichen Species dieser Pflanzen seien innerhalb gewisser Grenzen „ protean u , proteusartig. Bacterium termo und lineola fasste er als zwei verschiedene natürliche Species auf, weil sie verschie- dene Gerüche lieferten. Auch bei diesen beiden Species hielt er das Vorhandensein einer kugeligen, biscuitförmigen , bacillaren, Serpen- tinen und möglicherweise auch spiraligen Form oder Phase der Pla- stiden für wahrscheinlich. Mit Cohn nahm Lankester somit die Existenz distincter Arten unter den Bacterien an, wollte dieselben jedoch durch andere Charakteristica als morphologische bestimmt wissen, da eine natürliche Species verschiedene Formen in ihrem Entwicklungskreise begreifen könnte. Eine eigenartige Anschauung über die Bacterien vertrat der Schöpfer der antiseptischen Wundbehandlung Joseph Ltster l5 ). Er huldigte noch der Ansicht, dass die Bacterien aus feinsten Sprossen von Pilz-Conidien hervorgingen. Dieselben gehörten deshalb nach seiner Meinung, wie die Pilze, mannigfachen, gänzlich verschiedenen Arten an (various totally distinct kiuds), welche ihre Verschiedenheiten offen- barten sowohl in morphologischer Hinsicht als noch mehr in physio- 15) Joseph Lister: On the germ theory of putrefaction and other fermen- tative changes. Nature. July 10. and 17. 1872. — A further contribution to the natural history of Bacteria and the germ theory of fermentative changes. Quaterly Journal of microscopical science. Vol. 13. New series. 1873. S. 3S0. 13G Listek's Bacterium lactis. Wandelbarkeit desselben nach dem Substrat. logischer Hinsicht durch die Charaktere der fermentativen Verände- rungen, zu welchen sie Anlass gäben, und durch den Umstand, dass einige Arten überhaupt nicht wüchsen in Medien, in welchen andere gediehen. Manche Arten zeigten in verschiedenen Medien sehr merk- liche Veränderungen in Gestalt und Bewegung, manche gäben An- zeichen ihres pilzlichen Ursprungs durch nicht zu bezweifelnde Ver- ästelungen, durch die Gegenwart von Kernen oder Vacuolen in ihrem Innern. Aber so sehr auch die eine Modifikation verschieden sein möge von der in einem anderen Medium, die letztere Varietät könne nach Belieben wieder erzeugt werden, indem man die modificirte Form in das Substrat zurückbringe, in welchem sie ursprünglich beobachtet sei. „ Aus diesem Grunde ", so schliesst Lister, „ sind alle bisherigen Classificationsversuche von Ehrenberg bis Cohn, welche auf absolut morphologischen Charakteren basiren, ganz unzuverlässig. Um die Species irgend eines besonderen Specimens zu bestim- men, muss man in Rechnung ziehen, nicht einzig seine Erscheinungs- form, sondern auch die Charaktere des Mediums, in welchem es vorkommt. Gerade die reine Morphologie wird uns oft ganz in die Irre führen, wofern wir nicht im Stande sind, die physiologischen Charaktere festzustellen. Und selbst diese scheinen keineswegs con- stant zu sein, denn wir werden in dieser Abhandlung Gründe kennen lernen , welche uns berechtigen zu glauben , dass ein und derselbe Organismus zu verschiedenen Zeiten in derselben organischen Lösung Unterschiede in seinen fermentativen Wirkungen darbieten kann. " Es würde uns zu weit führen, die mit minutiösester Genauig- keit geschilderten Versuche Lister's im Detail zu verfolgen. Wir wollen uns daher darauf beschränken, nur einen Versuch, auf wel- chen Lister seine weiteren, für die ärztliche Welt besonders wich- tigen Schlüsse baute, kurz zu skizziren. Von einer nach 23 Stunden sauer gewordenen Milch, welche bewegungslose Bacterien zu zweien, zu vieren und in Ketten angeordnet enthielt, brachte er ein kleines Tröpfchen (small drop) in gekochte Milch, Rübeninfus und Urin, und sah nun in den verschiedenen Medien sehr verschiedene, theils be- wegliche, theils bewegungslose Formen entstehen. Aus dem Urin übertrug er die Bacterien in PASTEUR'sche Lösung, aus dieser wieder in Urin, aus letzterem wiederum in Milch. Mit dem Medium änderte sich jedesmal ihre Form und auch ihre Beweglichkeit. In der zu- letzt inficirten Milch bildete sich ein gefärbter Bodensatz „ so schwarz wie Pech", welcher, wie Lister constatirte, von dem ausgesäten Bacterium ausgeschieden war. Nach sorgfältiger Abwägung aller Momente, welche zur Erklärung der beobachteten Aenderungen hat- Folgerungen Listee's für die Wundkrankheiten. 137 ten in Betracht kommen können, kam Listee zu dem Schluss, dass es sich in allen von ihm vorgenommenen Uebertragungsversuchen nur um „einen" Organismus handeln könne, der sowohl in seiner Func- tion, wie in seiner Form durch die verschiedenen Medien modificirt sei (only one organism but modified in function as in form by the different media). Da dieses „eine" Bacterium so grosse morpholo- gische und physiologische Eigenthiimlichkeiten bot, so hielt er sich für berechtigt, dasselbe als eine bestimmte und wieder erkennbare Art anzusehen, für welche er den Namen „Bacterium lactis" in Vor- schlag brachte. Freilich that er dies nur mit einem gewissen Miss- trauen, da nach seiner Ansicht bis dato noch kein Bacterium durch zuverlässige Charaktere bestimmt sei. Wunderbar ist es, dass Listee bei der scrupulösen Betrachtung aller Erklärungsmöglichkeiten für die so ausserordentlich auffallenden Wandlungen in der Form und Function der von ihm beobachteten Organismen die am nächsten liegende Möglichkeit gänzlich übersah, die Möglichkeit nämlich, dass in der sauren Milch, von welcher er ausgegangen war, verschieden- artige Organismen enthalten gewesen wären, welche sich in den ver- schiedenen Nährsubstraten verschieden kräftig entwickelt hätten. Der Tragweite seiner Untersuchungen war sich Listee wohl bewusst. Beweis dafür sind die Consequenzen, welche er als Chirurg aus diesen Milchversuchen zog. Wenn ein und dasselbe Bacterium in Folge veränderter Umstände in einem und demselben Medium so himmelweit verschiedene fermentative Wirkungen hervorbringen könne, wie Milchsäurebildung und Erzeugung von schwarzem Pig- ment, so werde es leicht verständlich, dass derselbe Organismus, wel- cher unter gewöhnlichen Umständen völlig harmlos sein könne, zu anderen Zeiten Producte liefere, welche für die menschliche Oekonomie giftig seien. So erkläre sich z. B. die frühere Beobachtung, dass unter lange liegenden Verbänden sich Hospitalbrand entwickele, wäh- rend dies in demselben Krankensaal bei täglich frisch verbundenen Wunden nicht der Fall sei. Wenn man annehme, dass ein Organismus die Ursache der Krankheit sei, warum solle das besondere Virus des Hospitalbrandes in dem ersten Falle eher in die Wunde kommen als im letzteren? Nunmehr sei es nicht nöthig, ein derartiges spe- cielles Virus anzunehmen, da ja Organismen, welche in allen Wun- den vorhanden seien, in Absonderungen, welche lange unter den Verbänden faulten, specifische Eigenschaften annehmen könnten. In ähnlicher Weise könne man sich vorstellen, dass die Unge- sundheit eines alten unreinen Hospitals verursacht werde, nicht durch die Einführung neuer Organismen in dasselbe, sondern durch eine 138 Cohn's Untersuchungen Modification der gewöhnlichen in diesem wie in allen frisch gebau- ten Anstalten vorhandenen Organismen. Fig. 20. Aus Ferdinand Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen 1875. Crenothrix polyspora: 1. Ein Faden mit Makrogonidienbildung durch Theilung der Zellen in 2 — 4; in mehreren anhaftenden dünneren Fäden beginnt zum Theil auch Makrogonidien- bildung aus dem Vollinhalt der Zellen. 2. Ausgetretene Makrogonidien, zum Theil in der Mitte eingeschnürt oder quergetheilt. 3. Mikrogonidienhaufen, anscheinend durch schleimige Intercellularsubstanz nach Art Ton Zoogloea zusammengehalten. 4. Kurze Faden aus rundlichen quergetheilten farblosen Zellen, anscheinend aus ge- keimten Gonidien hervorgegangen. 5. Ein dünnes Fadenstück in Gonidienbildung begriffen ohne Anschwellung der Scheide. über den Brunnenfaden. 139 6. Ein dunner Crenothrixfadcn mit Zweitheilung im oberen Ende, während tiefer die ungetheilten Zellen als Makrogonidien austreten. 7. Ein Faden, dessen Scheide nach ohen keulenförmig verdickt zu einem Sporangium wird, der mit Makrogonidien erfüllt, an der Spitze bereits entleert ist. Im unteren Theile des Fadens bilden sich einzelne Zellreihen durch Theilung zu Gonidien um, wahrend andere ungetheilt bleiben. 8. Ein anderer Crenothrixfaden mit stark aufgeschwollener Scheide, die sich bis in grosse Tiefe mit Mikrogonidien gefüllt hat. 9. Ein stärkerer Crenothrixfaden mit einer grösseren eiförmigen seitlich ansitzenden Zelle (Spore?). 10. Ein kleiner Rasen von Crenothrix, dessen Scheiden zum Theil gelb gefärbt und von einer goldgelben klaren olartigen Substanz stellenweise eingehüllt sind; an ein- zelnen Stellen sprossen strahlige Bündel von dünnen Crenothrixfaden , welche aus gekeimten Mikrogonidien hervorgegangen sind. Zu sehr ähnlichen Schlussfolgerungen gelangte auch der berühmte deutsche Chirurg Theodor Billroth ") bei seinen diesbezüglichen Untersuchungen. Billroth's Anschauungen über die Bacterien basirten einestheils auf der alten HALLiER'schen Idee einer entwickelungsgeschichtlichen Zusammengehörigkeit aller Formen, im Besonderen aber noch auf einer Reihe von Beobachtungen, welche Cohn selbst an gewissen, im Brunnenwasser vorkommenden farblosen, algenähnlichen Organismen gemacht hatte. Da diese CoHN'schen Beobachtungen für das Ver- ständniss mancher Wandlungen in der Systematik der Bacterien von hoher Bedeutung geworden sind, müssen wir dieselben in den Kreis unserer Betrachtung ziehen, bevor wir auf die BiLLROTH'schen Unter- suchungen näher eingehen. Im Jahre 1870 hatte Cohn 17 ) in dem Wasser zahlreicher Breslauer Brunnen gelbliche bis bräunliche Flocken beobachtet von 1 — 2 Mm. Grösse, welche aus durcheinander gewirrten unverzweigten, farblosen oder gelblichen Algenfäden bestanden und früher als eine Art von Leptothrix oder Hygrocrocis betrachtet worden waren. Er erkannte diese Fäden als eine besondere Art, welche nur in den vom Lichte abgeschlossenen Räumen der Brunnen vorkommt, und nannte sie Crenothrix, Brunnenfaden. Er fand, dass die verschiedenen Fäden eine ausserordentlich verschiedene Dicke hatten, von 1,5 ft — 5,25^, dass die einzelnen Fäden selbst an dem einen Ende dünner, an dem 16) Theodor Bili/roth: Untersuchungen über die Vegetationsformen von Coccobacteria septica und den Antheil, welchen sie an der Entstehung und Ver- breitung der accidentellen Wundkrankheiten haben. Versuch einer wissenschaft- lichen Kritik der verschiedenen Methoden der antiseptischen Wundbehandlung. Berlin 1874. 17) Ferdinand Cohn: Ueber den Brunnenfaden (Crenothrix polyspora) mit Bemerkungen über die mikroskopische Analyse des Brunnenwassers. — Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd.I, Heft 1. S. 108. 1870, 1875. 140 Aehnlichkeit der Mikrogonidien mit Bacterien. anderen dicker waren; dass sie eine deutliche starre Scheide zeig- ten, in welcher eine einfache Reihe farbloser Zellen, aus homogenem oder feinkörnigem Protoplasma bestehend, enthalten war. Bisweilen fand er in den Fäden eine durch ihre Grösse sich auszeichnende Endzelle, welche er als Spore auffasste. Viel häufiger aber war eine andere Fortpflanzungsweise, welche er in einer feuchten Kammer direct beobachten konnte. Die Fäden nahmen eine rosenkranzför- mige Gestalt an, indem das Plasma der Zellen sich zusammenballte. Dann dehnten sich die Zellen in der Scheide etwas in die Breite, theilten sich der Quere nach und nahmen dadurch die Gestalt nie- driger Scheiben an; diese wiederum theilten sich durch eine Längs- scheidewand in zwei, darauf in vier u. s. w. Stücke, bis schliesslich jede Zelle in eine sehr grosse Zahl, mindestens 16, Plasmakugeln zerfiel, welche Cohn Mikrogonidien nannte. Die keulenförmig an- geschwollene Scheide umhüllte diese Gonidien als Sporangium. Aus diesem wurden sie allmählich durch nachgleitende Gonidien ver- drängt. Die Gonidien waren 1 — 2 fx breit und um das Doppelte länger, häufig quergetheilt und semmelförmig, viele derselben hatten eine langsam rollende Bewegung. An manchen Fäden theilten sich die Zellen nur in 2—4 Stücke, welche demnach grösser als die Mikrogonidien, 3 — 5 fi breit waren. Diese nannte Cohn Makrogonidien. Die Makrogonidien bildeten im Wasser palmellenähnliche durch eine schleimige Zwischensubstanz zusammengehaltene Anhäufungen. Cohn beobachtete, dass diese Gonidien zunächst zu kurzen Zellschnüren oder Stäbchen auswuch- seu, sich an irgend einer Unterlage festsetzten und nun durch succes- sive Quertheilung zu gonidienbildenden Fäden sich fortentwickelten. Häufig sah er feine farblose Fäden strahlig an einem oder meh- rere Punkten eines alten Fadens festsitzen, welche er als junge Ent- wickelungszustände der Gonidien auffasste. Der Organisation nach gehörte die Crenothrix zu den phycochromhaltigen Oscillarineen, der Ernährungsweise nach zu den Wasserpilzen, ebenso wie die farblosen Gattungen Beggiatoa, Spirochaete u. s. w. Zwischen den Fäden einer farblosen Oscillarinee , Beggiatoa mirabilis hatte Cohn schon früher zahlreiche farblose kuglige oder eirunde, oft der Quere nach einge- schnürte Zellen mit langsam rollender Bewegung gesehen ; diese Zel- len glaubte er, wegen ihrer Uebereinstimmung mit den Gonidien der Crenothrix, nunmehr auch als zum Entwickelungskreis von Beggiatoen gehörig deuten zu müssen. Am Schlüsse seiner interessanten Abhandlung hob Cohn hervor, dass eine auffallende Aehnlichkeit, wenn auch vielleicht Möglichkeit der Verwechselung beider. 141 nicht Verwandtschaft der Gonidien der Crenothrix mit gewissen Schizomyceten und farblosen Palmellen bestehe, durch welche die sichere Feststellung ihrer Entwickelungsgeschichte in eigenthümlicher Weise erschwert werde. „ Die isolirten Mikrogonidien unserer Crenothrix ähneln gewissen grösseren unbeweglichen Bacterienzellen, welche sich gleichzeitig in dem Brunnenwasser fanden, um so mehr, als dieselben, wie ich oben bemerkte, auch meist in der Quertheilung begriffen und daher eingeschnürt sind. Die Mikrogonidienhaufen endlich, welche oft zu Millionen in der Umgegend eines Crenothrixräschens zusammen- gelagert und anscheinend auch durch Zwischensubstanz verbunden sind, zeigen eine so überraschende Aehnlichkeit mit den Zoogloeaformen der Bacterien, oder, wenn man will, mit farblosen kleinzelligen Pal- mellen, dass eine Verwechselung leicht ist, ohne dass ich deshalb einen entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhang dieser For- men behaupten will." Auch bei dieser Untersuchung hatte Cohn seinen Standpunkt klar und deutlich gekennzeichnet. Er hatte hervorgehoben, dass die Gonidien manchen Bacterien sehr ähnlich sähen, aber er hatte sie nicht ohne Weiteres für identisch mit denselben erklärt. An der Klippe der Formähnlichkeit der Gonidien dieser farblosen Algen mit den Bacterien, welche Cohn zu vermeiden gewusst hatte, sind, wie wir sehen werden, spätere Beobachter, unter ihnen auch Billroth, gescheitert, insofern als sie aus der als sicher angenom- menen Identität beider eine Zugehörigkeit der Bacterien zu höher organisirten Formen und die Nicht- Existenz besonderer Arten unter den Bacterien gefolgert haben. Elfte Vorlesung. Billroth's Coccobacteria septica. Die Beziehungen der Coccobacteria zu den In- fectionskrankheiten. Virchow's diesbezügliche Anschauungen. Die Entdeckung der Spiralfäden im Recurrensblut durch Obermeier. Cohn hält seinen Standpunkt Billroth und auch Ray-Lankester gegenüber aufrecht. Beschreibt zahlreiche neue Arten. Vereinigt die Bacteriaceen und Phycochromaceen wegen ihrer un- zweifelhaften nahen Verwandtschaft zu einer gemeinsamen Gruppe und stellt diese unter der Bezeichnung Schizophytae den höheren Pflanzengruppen gegenüber. Als Billroth im Frühling 1868 seine Untersuchungen begann, wirkten, wie er sagt, die Arbeiten Halliek's fermentirend in seinem Kopfe. Zunächst mühte er sich ab, Beziehungen von Hefe- und Schimmelsporen zu Bacterien und Vibrionen aufzufinden; „lange be- wegte ich mich", schreibt er, „in diesem circulus vitiosus und habe viel Zeit damit verloren. " Dann aber, angeregt besonders durch die Mittheilungen von Hueter und Tommasi über den Micrococcos bei Diphtheritis und Nosocomialgangrän und ganz besonders durch die hochinteressanten KLEBs'schen Untersuchungen, machte er sich daran, die morphologische Seite des Fäulnissprocesses und dessen Zusam- menhang mit der chirurgischen Praxis zu erforschen. Einen ent- scheidenden Einfluss auf den Gang seiner Untersuchungen hatten dann die Untersuchungen Cohn's über die Crenothrix polyspora. Sie veranlassten ihn zum Studium des Brunnenschleims, welcher sich an den Wasserleitungsröhren in seinem Arbeitszimmer im patholo- gischen Institut des k. k. allgemeinen Krankenhauses in Wien con- tinuirlich bildete und welchen er aus einer, von ihm vorläufig Si- phonomyxa genannten Alge zusammengesetzt fand. In dieser Alge erkannte er zuerst aus eigener Beobachtung den vollständigen Ent- wicklungsgang derjenigen Organismen, welche er in faulenden Sub- stanzen und in Wundsecreten beobachtete. Um sich über diese Flora genau zu unterrichten, sah er sich, wie alle seine Vorgänger, zu- nächst gezwungen, alle ihm vorkommenden Formen zu beschreiben. Er fand nun, dass alle diese Gebilde zwei Formtypen angehörten: entweder waren es kleine runde oder ovale, eine von der Moleku- larbewegung nicht unterscheidbare Art von Oscillation darbietende Körperchen — diese nannte er Coccos (von xömiog, Kern), oder aber stäbchenförmige Gebilde — und diese bezeichnete er als Bacteria (von ßaAtr^ia oder ßa-mrjQiov, Stäbchen). (Anm. Er überging bei dieser Eintheilung die spiraligen Formen vollkommen.) Billboth's Bacterien-Formen. 143 Beide unterschied er einmal, Hoffmann's Vorgang folgend, nach der Grösse in Micro- , Meso- , Megacoccos resp. Bacteria, dann nach der Zahl der aneinanderhängenden Individuen in Mono- , Diplo-, Strepto- (von oxqanxoq, Kette) Coccos resp. Bacteria. Nach ihrer Wachsthumsweise in Flüssigkeiten bezeichnete er sie, wenn sie un- regelmässige, durch Schleim verbundene Klumpen oder Ballen dar- stellten, als Gliacoccos resp. Bacteria (von y'J.La, Leim), und wenn sie flächenförmige Kolonieen bildeten, als Petalococcos resp. Bacteria (von nixalov, Platte). (Fig. 21.) In den Bacterien sah Billroth häufig dunkel contourirte fett- glänzende Tröpfchen auftreten; geschah dies an einem Ende, so hatten die Bacterien das An- sehen eines Nagels (fjlog), da- her wurden sie Helobacterien von ihm genannt. (Fig. 22.) Diese glänzenden Tröpfchen fasste er als Dauersporen auf. Die Entwicklung der Bacterien ging nun, wie er glaubte, in bacterienfreien Flüssigkeiten in der Weise vor sich, dass die in der Flüssigkeit vorhandenen Dauersporen in ihrem Innern feinsten blassen Coccos entwickelten, welcher, durch etwas Glia zusammengehalten, heraustrete, und Fig. 21. Micrococcos und Bacteria (a) je in deutlicher GliahUlle aus Fleischwasser in Zucker. «^^ Fig. 22. Helobacterien; Entwickelung stark glänzender Sporen (Dauersporen, Luttsporen?) in Mesobacterien; aus faulendem Blut. Fig. 23. Micrococcos aus sprossen- den kleinsten Dauersporen von Coccobacteria aus Fleischwasser. dass diese Coccos dann zu Bacterien heranwüchsen. (Fig. 23.) Wie gross der aus den Dauersporen entstehende Coccos und die aus 144 Bixlroth's Bacterien-Formen. demselben hervorgehenden Bacterien würden, ob also primär Mikro-, Meso- oder Megabacterien entstünden, das hänge sehr wesentlich von der Nährfliissigkeit ab; möglich sei es, dass auch die Abstam- mung der Dauersporen einen Einfluss darauf habe. Indem sich die Bacterien streckten und quer durchfurchten, ent- stünden die Strepto- Bacterien. Fraglich erschien es Billroth, ob die langen ungegliederten Fig. 24 A. Bildung von Coccos (Sporen von Coccobac- teria) in Bacteria; a Mesococcos in Megabac- tcria; h Megacoccos in Bacteria; c in dem Megacoccos Entwicklung von Micrococcos, (kleiner palmelloider Askococcos) aus gekoch- tem Fleischwasser und Infus von gekochtem Eiweiss. Fäden, welche man bisweilen antreffe , die Desmobacteria Cohn's, wirklich ungegliedert seien. Aus den häufig an den- selben beobachteten Knickun- gen schloss er vielmehr, dass auch diese scheinbar homogene „Leptothrix" eine Streptobac- terie sei. Bei den Meso- und Megabacterien könnten ande- rerseits die Glieder der Ketten so kurz werden, dass man im bestimmten Falle, zumal die einzelnen Glieder dann auch abgerundete Ecken bekämen, zweifelhaft sein könne, ob man sie Streptobacteria oder Streptococcos heissen solle. Die Bacterien sowohl wie die Bac- terienketten sah Billroth häufig in Bewegung; er hielt dieselbe für eine Flexilitätsbe- wegung, abhängig vom Proto- plasma; viel Glia behindere, Wasserzusatz erleichtere sie, bei 33° C. werde sie langsamer, bei 60 ° C. höre sie auf. Zu wiederholten Malen drängte sich Billroth die Vor- stellung auf, dass die Bewegung durch Wimpern bedingt sein müsste. Indessen es gelang ihm nie, trotz der Anwendung der allerverschieden- Fig. 24 B. Askococcos von Fleischwasser mit wenig deut- lichen Hüllen, ab ziemlich scharf begrenzt; c mit anklebendem oder ausschwärmendem Micrococcos ; d Ruptur der Hülle, massenhaft ausschwärmender Micrococcos. Billeoth's Askococcos. Bacteria mit blasigen Auftreibungen. 145 artigsten Reagentien, solche sichtbar zu machen. An den Bacterien nahm Billroth verschiedene Metamorphosen wahr. Bei Luftabschluss in filtrirtem Fleischwasser sah er die Bacterien ganz blass werden und ihrer Auflösung entgegengehen. Sie fanden sich dann mit einigen Dauersporen gemischt in dem schlammig-schmierigen Bodensatze. Bei Megabacterien sah er das Plasma aus einzelnen Gliedern verschwin- den und nur die leere Hülle zurückbleiben, einen Vorgang, welchen er mit der Auswanderung der Blutkörperchen verglich. Ferner sah er den Bacterienkörper in kleine runde Kügelchen sich umwandeln (ein Analogon hatte er dafür in der Bildung der Mikrogonidien bei Crenothrix) und schloss daraus, dass die grösseren Gebilde Micrococcos in sich bilden könnten, welcher dann wie in einem Schlauch {aoxög) angehäuft sei — dass sie dadurch also zum Askococcos werden könn- ten. (Fig. 24). Endlich beobachtete er nicht selten im Fleischwasser und im Milchserum Aufblähungen eines Bacterienendes und kuglige Fig. 25. Bacteria mit blasigen Auftreibungen. oder kolbige Quellungen eines oder mehrerer Glieder einer Bacterien- kette. (Fig. 25.) Gerade diesem, wie spätere Untersuchungen ergeben haben, ganz nebensächlichen Befunde legte er eine besondere Bedeu- tung bei, weil derselbe mit den bei vielen Oscillarien, besonders auch bei der Crenothrix von Cohn gemachten Beobachtungen übereinzu- stimmen schien. Damit hielt er die näheren Beziehungen der Bacterien zu den Oscillarien für erwiesen. Nachdem die Beobachtung der bla- sigen Auftreibungen an den Bacterien und die Bildung von Coccos in denselben die Annahme, dass Coccos und Bacterien nur verschie- dene Formen einer Pflanze seien, für Billroth fast zur Gewissheit gemacht hatte, fehlte nur noch die directe Beobachtung der Ver- einigung aller Formen in einem einzigen unverkennbaren Pflanzen- individuum. Endlich fand er das Gesuchte in einem Milchserum, welches wochenlang erst geschlossen, dann offen gestanden hatte und durch Zufall in dieser ganzen Zeit frei von Oidium geblieben Löft'ler, Vorlesungen. Hl H6 Die Coccobacteria septica. war (Fig. 26): Fäden, welche mancherlei Aufblähungen zeigten, theils aus langen, theils aus kurzen Bacterienketten, theils auch aus Coccos zusammengesetzt waren und ein theils homogenes matt glänzendes, theils in feinen, aber sehr deutlichen Micrococcos umgewandeltes Plasma enthielten. Die ganze Pflanze war mithin eine Combination von Coccos, Askococcos und Bacteria. Billroth nannte sie des- halb „Coccobacteria", und gab ihr, wegen des Vorkommens der ein- zelnen Formen in den verschiedensten faulenden Substanzen, den Beinamen „septica". Die Pflanze nun hatte Billroth, entsprechend Fig. 20. Coccobacteria septica. Coccos, Bacteria und Askococcos unter einander in mannigfaltigen Formen verbunden aus saurem Milchserum. seiner vorgefassten Meinung, gefunden. Allein gewisse Beobachtun- gen, welche sich nicht recht in das Schema einfugten, erweckten ihm Bedenken, über welche er sich nur durch künstliche Interpretationen hinwegzusetzen vermochte. Er fand nämlich, dass die grösseren Formen, mit welchen häufig die Vegetation in einer Flüssigkeit be- gann, meist bald verschwanden, und dass dann in der Folge nur die kleinsten Formen von Coccos und Bacteria erschienen. Anfäng- lich glaubte er, der Mangel an geeigneter Nahrung sei die Ursache des späteren Fehlens der grösseren Formen. Er brachte deshalb die kleinsten Formen auf und in andere frische Nährsubstrate. Aber Persistenz gewisser Vegetationsformen. 147 trotz der mannigfaltigsten Aenderungen der Wachsthumsbedingungen hinsichtlieh der Concentration des Substrates, der Temperatur, der Luftzufuhr u. s. w., die übertragenen Micrococcos und Mikrobacterien wucherten immer nur als solche fort. Er erklärte sich dies eigen- thümliche Verhalten so, „dass, wenn einmal eine Zeit lang hinter- einander der noch geringen Volumzunahme des Coccos die Durch- furchung immerfort auf dem Fusse gefolgt sei, die Vegetationsform diesem Modus nicht mehr abgebracht werden könne." Die Entwick- lung neuer Bacteriengenerationen erfolge verauthlich nur aus Dauer- sporen, welche einige Zeit der Ruhe bedürften, ehe sie neuen, zu Bacterien auswachsenden Coccos auswürfen. Zwischen bestimmten Vegetationsformen, welche durch sei es welche Aenderungen ihrer Wachsthumsbedingungen nicht mehr beeinflusst werden, und beson- deren Arten ist die Differenz nicht allzu gross. Dass Billkotti dem Gedanken an die Annahme specifischer Arten nicht fern gestanden hat, erhellt aus den Schlussworten des ersten Capitels: „Will man die einzelnen vegetationsfälligen Stücke von Coccobacteria isolirt als be- sondere Pflanzen aufrecht erhalten, was bei der von mir gebrauchten Nomenclatur ohne Aenderung derselben geschehen kann, so müssten Coccos, Gliacoccos und Askococcos bei den Chroococcaceen 0;owc, Haut), Bacteria und Streptobacteria bei den Nematogeneen (>'/;,««, Faden), und zwar in der Familie der Oscillariaceen, Streptococcus etwa in die Familie der Nostochaceen untergebracht werden", ein Schluss, mit welchem er seiner ganzen vorhergegangenen Darlegung gewissermaassen selbst das Urtheil spricht, da er ja damit seine Beweisführung für die Aufstellung einer Coccobacteria septica als nicht beweisend anerkennt. Nachdem Billroth sich seine Ansicht über die Natur der in faulenden Stoffen gefundenen Wesen gebildet hatte, stellte er überaus zahlreiche und sorgfältige Untersuchungen über die in dem erkrankten menschlichen Organismus vorkommenden Gebilde an. Er gelangte dabei zu der Ueberzeugung, „dass Alles, was an pflanz- lichen Organismen in Secreten, Exsudaten und Geweben am leben- den Menschen zu finden sei, morphologisch durchaus nicht von denjenigen Vegetationsformen zu unterscheiden sei, welche beim Fäul- nissvorgang der todten Gewebe, der Exsudate und Secrete ausserhalb des Organismus vorkämen." Ja, er sprach weiter den Satz aus, „es giebt bis jetzt keinerlei morphologische Kennzeichen irgend einer Micrococcos- oder Bacterienform, aus welcher man schliessen könnte, dass sie sich nur bei dieser oder bei jener Krankheit im oder am lebenden Körper entwickeln könnte." Gegen die Aufstellung ver- 10* 148 Billkoth verwirft die pathogenen Bacterien. schieden« - Arten nach ihren physiologischen Functionen, welche Cohn wenn auch mit einigen Bedenken acceptirt hatte, wandte sich Bill- roth mit grosser Entschiedenheit. ..Die von Cohn mit liebenswür- diger Pietät gegen die Aerzte aufgestellte Gattung „Pathogene Kugel- bacterien " mit vier Arten, zu der noch eine Art „Bacillus anthracis" aus der Gattung „Bacillus" hinzukommt, halte ich nur für das Re- sultat einer Concession an die moderne Zeitströmung. Micrococcos vaccinae, Micrococcos diphtheriticus, Micrococcos septicus, Bacillus Anthracis, dazu könnte man noch fortfahren : Torula Erysipelas, Zoo- gloea Cholerae asiaticae, Micrococcos carcinomatosus, Micrococcos Pyo- haemiae etc. etc.; sie bedeuten für mich nichts als in Secreten von Kranken mit Vaccina, Diphtheritis, Milzbrand, Erysipelas, Cholera etc. gefunden; von einem Beweis, dass diese Organismen die Krank- heitsträger sein müssen, sind wir noch viel weiter entfernt, als von dem Beweise, dass Torula urinae den Harn ammoniakaliscb macht; ich finde gar keine wesentlichen morphologischen Differenzen zwi- schen den mannigfaltigen Vegetationsformen der sogenannten septo- genen und pathogenen Coccos und Bacterien ; ob Differenzen in der chemischen Wirkung existiren, weiss man noch weniger." Ebenso ablehnend verhielt er sich gegenüber der Aufstellung verschiedener Arten nach den Farbenunterschieden, welche sie darböten. Farben- unterschiede spielten in der Classification stets eine untergeordnete Rolle; bei Hyacinthen, Nelken, Pelargonien etc. seien die Farben- nüancen kaum noch als Varietäten und Spielarten zuzulassen : warum solle das bei den Bacterien anders sein? Es gebe da eben purpur- rothe, grünliche, bläuliche, hellgelbe, orangefarbene, weisse Varie- täten (es gebe ja auch rosafarbene Hefe), die man mit Mühe und Sorg- falt, wie ein guter Kultivateur seine Hyacinthen etc. züchten könne. Mit dieser Analogie war jedoch durchaus kein Anhaltspunkt gegeben für die Beantwortung der Frage: woher stammen diese Farbendiffe- renzen ? Durch Bodenverschiedenheiten allein Hessen sich dieselben nicht erzeugen, wie Billroth selbst zugestehen musste. Er fand keine andere Antwort als die: von der Caprice der Organismen, ge- legentlich Varietäten zu bilden. In der That eine höchst unbefrie- digende Erklärung. Die Differenzen in den chemischen Functionen der Coccobacterien, welche Pasteur und Cohn als Wirkungen ver- schiedener Bacterienarten auffassten, suchte Billroth nur in Diffe- renzen der jedesmaligen Stoffwechselzustände, d. h. in Acclimatisations- verhältnissen der Vegetationen an diese oder jene Flüssigkeit. Ueber das Verhältniss der Coccobacteria- Vegetationen zu den Wundinfections- krankheiten bildete er sich eine ganz eigene Anschauung: Da er Das phlogistische Zymoid. Steigerung der Vegetationsenergie. 149 gerade bei den perniciösen Formen progredienter septischer Phleg- monen Microccos- Vegetationen vermisste, so glaubte er, dass in den localen Erkrankungsherden zunächst stets unabhängig von allen Vegeta- tionen ein eigentümlicher giftiger Stoff „das phlogistische Zymoid" ent- stünde, welcher in das Blut gelange, entzündliche Reizung der inneren Organe, besonders der Milz, der serösen Häute und Nieren, veran- lasse, und in diesen Organen reproducirt werde. Den Organismen schrieb Billroth die Fähigkeit zu, diesen Stoff in sich zu fixiren oder auch wohl ihn rasch zu vermehren. Eine grosse Bedeutung legte Billeoth der Vegetationsenergie bei, mit welcher ein Organismus zu wachsen vermöge; von dieser hänge dessen chemische Action wesentlich ab. Organismen, welche in demselben Substrat eine Zeit lang gewachsen seien, erwürben sich dadurch eine höhere Vegeta- tionsenergie. Ein im Eiter entstandener Coccos wäre aus diesem Grunde etwas sehr Gefährliches für Wunden: „Die Eitercoccoshefe werde vielleicht gelegentlich in Hospitälern Culturpflanze, wie die Bierhefe in den Bierbrauereien." Die Vegetationsenergie der Organismen könnte sich unter geeig- neten Verhältnissen zu einer solchen Höhe steigern, dass diese Wider- stände zu überwinden im Stande wären, welche sie sonst nicht zu überwinden vermöchten. Ein so energisch vegetirender Coccos auf einen gesunden Menschen übertragen, könne gegen die Gewebe des- selben vielleicht sofort aggressiv (phagedänisch) vorgehen. „So könnte z. B. eine in sehr wasserreichen Dejectionen entwickelte Coccosvege- tation in den Darmkanal eines gesunden Individuums gelangt, hier sofort weiter wuchern ; ja ich würde nicht davor zurückschrecken, selbst das Choleracontagium (wir betrachten dabei das Contagium vegetabile immer als unbewiesene Hypothese, da ja das schädliche Agens auch ein den Sporen anhängender Stoff sein könne) auf die gewöhnliche Coccobacteria zurückzubeziehen, welche unter gewissen Verhältnissen in heissen Ländern sich zu einer aussergewöhnlichen Höhe der Vegetationsenergie erheben könnte, mit welcher Vegeta- tionsenergie dann auch die Contagiosität wesentlich zusammenhängen dürfte: dieselbe würde sich dann in kälterer Jahreszeit allmählich erschöpfen und endlich ganz erlöschen, bis sich wieder günstige Verhältnisse dafür zusammenfinden." Der Grund, weshalb Billeoth diesen Anschauungen den Vor- zug einräumte vor der Annahme verschiedener Arten von pathogenen Bacterien, war ein rein botanischer, nämlich der, dass man nicht be- rechtigt sei, Arten aufzustellen, so lange man keine morphologischen Kennzeichen für solche habe. „Dass die Kartoffelnkrankheit keine 150 Billeoth ist kein principieller Gegner der pathogenen Bacterienartcn. gewöhnliche Fäulniss sei, ist erst durch die Entdeckung und ge- nauere Kenntniss der Entwickelung von Peronospera festgestellt. Zeigt Jemand in einer ebenso von allen Botanikern anzuerkennenden Weise, dass die Coccobacteria in den Choleradejectionen eine Pflanze mit anderen Vegetationsformen, eine Pflanze mit scharf erkennbaren Zei- chen einer Art, kurz eine andere Pflanze ist, als die Coccobacteria, die in allen diarrhoischen Stühlen vorkommt, zeigt Jemand, dass der Coccos im Eiter eine botanisch scharf zu kennzeichnende Art ist, verschieden von dem Coccos, wie er bei Hospitalbrand vorkommt, dann will ich das specifisch zymotische dieser Krankheiten, sowie ihre ätiologische Abhängigkeit von diesen Pflanzenarten rückhaltlos anerkennen. " Dass die Postulate Billroth's durchaus berechtigt waren, muss jeder unparteiische Beurtheiler ohne Weiteres zugeben. Noch war auch nicht für eine einzige der zahlreichen lnfectionskrankheiten, bei welchen Bacterien theils in Secreten, theils im Blut und in den Ge- weben sicher nachgewiesen worden waren , der Beweis der ätiolo- gischen Bedeutung dieser Gebilde erbracht. Noch war es nicht er- wiesen trotz aller diesbezüglichen Untersuchungen und Beobachtun- gen, dass die Septicämie, die Pyämie, die Diphtherie, die Vaccine und die Variola jede durch einen der betreffenden Krankheit eigen- thümlichen, durch ganz bestimmte Eigenschaften ausgezeichneten Micrococcus bedingt sei. Noch war auch der vielgesuchte specifische Choleraorganismus, welcher nach der Annahme Pacini's im Darm der Cholerakranken die Darmzotten abweiden sollte, nicht entdeckt; im Gegentheil Viuchow ') betonte in seiner berühmten Rede über die Fort- schritte der Kriegsheilkunde am 2. August 1874 ausdrücklich, dass er dieselben Formen von Mikrokokken und Bacterien, welche die Cholera- stühle zeigten, in Darmausleerungen von Kranken mit Fleckfieber, ja bei einfacher chronischer Diarrhoe in cholerafreier Zeit gesehen, ja dass er auch im Darm von Arsenikleichen zu seinem grössten Erstaunen dieselben Mikroorganismen gefunden habe, welche die Cholera cha- rakterisiren sollten. Auch Lewis und Cunningham 2 ) hatten bei ihren überaus zahlreichen mikroskopischen Untersuchungen und Kulturen 1) Viechow: Sein Archiv. 1S69. Bd. 45. S. 280. 16G9. Bd. 47. S. 524; 1870. Bd. 50. S. 455 (C. E.E. Hopmann). — Die Fortschritte der Kriegsheilkunde be- sonders im Gebiete der lnfectionskrankheiten. Rede gehalten zur Feier des Stiftungstages der milit.-ärztl. Bildungs-Anstalten am 2. August 1874. 2) Lewis und Cunningham : Microscopical and physiological researches into the nature of the agent or agents producing Cholera: Appendix to the 8 annual Report of the Sanit. Commissioner wich the government of India. Calcutta 1872. Billroth verwirft mit Recht die Bacterienfunde bei Cholera und Milzbrand. 151 von Dcjectionen Cholera-Kranker keine anderen Organismen aufge- funden, als in den Dejectionen nicht Cholera-Kranker. Zu gleichen Ergebnissen war auch Eberth'j gekommen, und Nedswetzky 4 ), welcher bei seinen Studien der Krankheit selbst zum Opfer fiel, hatte seine Meinung, dass er die verschiedenen, von ihm im Erbro- chenen, im Darminhalt, ja sogar in der Expirationsluft nachgewie- senen und auf Kartoffeln und Gurken gezüchteten theils kugeligen, theils rosenkranzartigen, theils stäbchenförmigen Organismen für „ Cholera -Bacterien" halte, in keiner Weise begründen können; ebensowenig war es Hoegyes 5 ) gelungen, specifische Pilzformen im Choleradarm zu entdecken. Ja nicht einmal für den Milzbrand war es erwiesen, dass die von so vielen Forschern in einer Unsumme von Einzelfällen aufgefundenen Stäbchen das Virus darstellten. Be- weis dafür die von Viechow in derselben Rede gebrachte Mitthei- lung, dass er bei der grossen in jenem Sommer unter den Dam- hirschen des Grunewaldes bei Berlin ausgebrochenen und von ihm als Milzbrand angesehenen Epizootie, in der gelben Lymphe, welche die Lymphdrüsen des Halses bei einem gefallenen Thiere umgab, „höchst winzige und äusserst spärliche" Mikroorganismen gefunden habe, dass Kaninchen auf die Einbringung minimaler Mengen der Lymphe vor dem Ablauf von 24 Stunden gestorben seien und dass das Blut des gestorbenen Thieres „fast gar keine Beimischung von Parasiten" gezeigt habe. Dass Billeoth mit seiner sachlichen Kritik das Richtige ge- troffen, erkannte auch Virchow in jener Rede offen an, indem er den Satz aussprach : „ Es ist bisher nicht gelungen, so durchgreifende Unterschiede zwischen den Parasiten der Cholera und denen der Ruhr, zwischen den Bakteridien der Blattern und denen der Diph- theritis zu finden, dass man bei jeder dieser Krankheiten besondere Pflänzchen nach bestimmten Merkmalen zu erkennen und im tech- nischen Sinne zu diagnosticireu vermöchte." Wäre Billeoth hier stehen geblieben, hätte er betont, dass die damals bekannten Unter- suchungsmethoden noch nicht gestatteten, die Unterscheidung spe- cifischer pathogener Arten wissenschaftlich zu begründen, so wäre sein Werk bei der Berühmtheit seines Namens gewiss von frucht- bringendster Anregung für die Erforschung der Bacterien geworden. 3) Eberth: Die geformten Bestandtheüe des Cholerastuhles : zur Kenntniss der bäuerischen Mycosen. Leipzig IST 2. 4l E. Nedswetzky: Zur Mikrographie der Cholera. Dorpat 1S72. 5) Andreas Hoegyes : Experimentelle Fragmente über die Wirkung der Cho- leraentleerungen auf Thiere. Zeitschr. f. Epidemiol. I. S. 98. 1S74. 152 Virchow's Ansichten über die Contagien der Infectionskrankheitcn. So aber Hess er sich durch seine morphologischen Studien bestim- men, unter Ablehnung aller der zahlreichen von Pasteur, SchbOETEB, Cohn, Klebs, Biech- Hirschfeld und Anderen nachgewiesenen biologischen Verschiedenheiten niederer Organismen Alles, was er gefunden, zusammenzuwerfen und unter Aufgabe seines objectiven kritischen Standpunktes ein System aufzustellen, für dessen Be- gründung er zwar nur Analogieschlüsse, Hypothesen und rein will- kürlich gedeutete mikroskopische Beobachtungen ins Feld führen konnte, durch welches er aber gleichwohl gar Manchen von dem richtigen Wege ab auf eine falsche Fährte geführt hat. Gerade mit dieser homogenisirenden Tendenz stiess Billroth auf Widerspruch bei den Aerzten. „Ohne mir in diesem Augenblick", sagt Virchow, „ein Urtheil über die Richtigkeit der botanischen Abschnitte dieser bedeutungsvollen Arbeit anmaassen zu wollen, muss ich doch sagen, dass sie mit meinem eigenen Gedankengange nur zum Theil zusam- mentrifft. Ich halte es allerdings für richtig, dass die gewöhnlichen Fäulnissorganismen ausreichen, um einen grossen Theil der localen und einen gewissen Theil der allgemeinen Infectionskrankheiten zu erklären. Es ist dies das schon immer von uns zugestandene Ge- biet der putriden Infection, deren höchste Entwickelung die Septi- cämie ist. Mit dieser Gruppe tritt mindestens ein grosser Theil der diphtherischen Processe, deren Verwandtschaft mit den fauligen wir längst ausgesprochen haben, in eine allerdings nähere Verbindung, als bisher gewöhnlich angenommen wurde, ja wahrscheinlich in eine viel nähere , als selbst Billkoth zuzugestehen bis jetzt geneigt ist. Für die Kriegsheilkunde kommen hier vorzugsweise in Betracht die Wundfieber, die Ruhr und der Abdominaltyphus, vielleicht auch die Rachendiphtherie, also die früher als einheimisch bezeichneten In- fectionskrankheiten." Nachdem Viechow dann den nicht von der Hand zu weisenden Zusammenhang jener Krankheiten mit Hospital, Boden, Lager u. s. w. hervorgehoben, fährt er fort: „Darf man nun annehmen, dass das Wohnungs- Miasma, das Hospital-Miasma, das Lager -Miasma ein identisches ist? dass dasselbe Miasma je nach Umständen Abdominaltyphus und Ruhr, Diphtherie und Rose, Hospi- talbrand und Septicämie hervorbringt? dass es von den gewöhn- lichen Fäulnissorganismen herstammt und in einer bestimmten Pilz- oder Algenart seinen Ausdruck findet? Zu der Bejahung solcher Fragen würde mit Folgerichtigkeit die Annahme Billeoth's von dem Zusammenhange aller der erwähnten parasitären Pflanzen als blosser Vegetationsformen der Coccobacteria septica führen, sobald man über- haupt den parasitären Pflanzen pathogenetische Eigenschaften bei- Viechow betont die Unzulänglichkeit der morphologischen Untersuchung. 153 legt. " Nachdem Virchow dann weiter die nahe Verwandtschaft der Cholera mit fauligen Processen betont, legt er seine eigenen An- schauungen über die Aetiologie der Infectionskrankheiten dar. Zwei Möglichkeiten seien vorhanden: entweder seien die Mikroorganismen aller der genannten Infectionskrankheiten identisch, und dann werde man, wie es auch bei Billroth geschehe, auf besondere giftige Substanzen hingewiesen, welche noch neben den Pilzen oder Algen vorhanden seien und unabhängig von ihnen entstehen müssten, oder aber die Mikroorganismen seien trotz ihrer anscheinenden Ueberein- stimmung verschieden und bildeten die Träger und Erreger der ge- fährlichsten Vorgänge im Körper, sie seien die eigentlichen Krank- heitsursachen. Ein Drittes scheine ihm nicht möglich. „Die Schwie- rigkeit", schliesst er dann, „ eines Verständnisses der pathologischen Bedeutung dieser (der fauligen) Vorgänge würde nur dann unüber- windlich erscheinen, wenn in der That eine einzige Pflanze die man- nigfaltigen Formen der Fäulnissorganismen erzeugte. Allein es bleibt, wie mir scheint, auch gegenüber dem scheinbar sichersten Ergebniss der morphologischen Untersuchung, der praktische Versuch immer noch in Bezug auf die physiologische oder pathologische Wirkung entscheidend. Bringen dieselben Formelemente ganz verschiedene Wirkungen hervor, so müssen sie innerlich verschieden sein. Kön- nen wir diese innere Verschiedenheit an so feinen Körpern, wie die Vibrionen und Bacterien es sind, nicht direct sehen, so werden wir uns daran erinnern müssen, dass an den Bildungszellen des Eies und zahlreicher pathologischer Gewächse, trotzdem sie neben Vibrionen als förmliche Riesen erscheinen, auch nicht im Voraus gesehen wer- den kann, was aus ihnen werden wird. Ja die Eier selbst sind viel- fach einander so ähnlich, dass die Verschiedenheit der Thiere, welche aus ihnen hervorgehen werden, auch nicht im Entferntesten geahnt werden kann. Ergiebt sich daher durch eine Impfung oder durch den pathologischen Zufall, dass durch Bacterien, welche denen ge- wöhnlicher faulender Infusionen vollständig gleichen, Milzbrand ent- steht, während die Bacterien der gewöhnlichen Infusionen ihn nicht erzeugen, so werden wir immer schliessen müssen, dass die Bacterien des Milzbrandes von den Bacterien der Infusion mindestens so ver- schieden sein müssen, wie Schierling von Petersilie." Im Gegensatz zu Billroth, welcher die Frage nach der Speci- ficität der pathogenen Organismen von seinem einseitigen botanisch- morphologischen Standpunkte aus verneinen zu müssen glaubte, betonte Virchow, dass die Unzulänglichkeit morphologischer Unter- scheidungsmerkmale kein Grund sei, um auf die Annahme specifi- 154 Die Entdeckung von Spiralfäden im Recurrensblut durch Obermeier. scher pathogener Organismen zu verzichten, und dass vielmehr in diesem Falle die Entscheidung dieser wichtigen Frage dem patho- logischen Experimente überlassen bleiben müsse. Wie wir sehen werden, wurde es erst durch die gleichzeitige Berücksichtigung der Morphologie und des pathologischen Experimentes möglich, die Frage von der Specificität der pathogenen Organismen endgültig zu ent- scheiden. Eine hochwichtige Beobachtung, welche wie kaum eine andere geeignet gewesen wäre, Billroth's Anschauungen zu beein- flussen, war bereits ein Jahr vor der Veröffentlichung seines Werkes gemacht. Leider hat sie Billroth in seinem Werke nicht mehr in ihrer vollen Bedeutung zu würdigen vermocht; er erwähnt sie nur ganz nebenbei in einer Anmerkung. Im Jahre 1873 hatte Otto Ober- meier lj ) im Blute von Kranken, welche an Kecurrens litten, ausser- ordentlich feine, lebhaft bewegliche Spiralfäden gefunden, welche bei ihren Bewegungen die Blutkörperchen durcheinanderwirbelten. Diese Fäden fanden sich nur kurz vor und während des Fieberanfalles, mit dem Abfall des Fiebers verschwanden sie. Nur diese eine Form von Organismen kam zur Beobachtung, und bei keiner anderen Krankheit fanden sich derartige Gebilde im Blute. Engel 7 ), Bliesener s J, Wei- gert !i ), Litten 10 ), Birch-Hirschpeld 11 ) und Laptschinsky 12 ) bestä- tigten diesen auffallenden Fund. Weigert stellte fest, dass die Be- wegung der Spiralfäden nur fortdauerte ausserhalb des Körpers in '/i proc Kochsalzlösung sowie in Blutserum , und dass alle anderen Stoffe sie sistirten. Drängte nicht dieses einzig dastehende Verhalten dazu, anzunehmen, dass die Spiralfaden zu der Erkrankung in engster Beziehung standen? Jedenfalls erhielt die CoHN'sche Lehre durch G) Otto Obermeier: Vorkommen feinster, eine Eigenbewegung zeigender Fäden im Blut von Recurrenskranken. Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. Bd. XI. 10. 1873. — Vortrag in der Berl. med. Gesellschaft am 20. März 1873. Berliner klin. Wochenschr. Bd. X. 32. 1873. — Zur Contagion des wiederkehrenden Fleckfiebers. Centralblatt f. d. med. Wissensch. Bd. XL 36. 1873. 7) Engel: Berl. klin. Wochenschr. Bd. X. 35. 1873. 8) Bliesener: Ueber Febris recurrens. Inaug.-Dissert. Berlin 1873. 9) Weigert: Sitzung der schles. Ges. f. Vaterland. Kultur vom 12. Septem- ber 1873. 10) Litten: Die Recurrensepidemie in Breslau 1872,73. Deutsches Archiv f. klin. Med. Bd. XIII. 1. S. 125. 1874. 11) Bihch-Hirschpeld: Ueber die Spirillen im Blute Recurrenskranker. Deutsches Arch. f. klin. Med. XIII. 3. S. 346. 1874. 12) Laptschinsky: Recurrensspirillen. Centralbl. f. d. med. Wissenschaften. Bd. XIII. 6. 1875. Cohn wahrt Billkoth gegenüber seinen Standpunkt. 155 diese Beobachtung eine mächtige Stütze gegen Billkoth. Bei einer klinisch scharf charakterisirten Krankheit fand sich ein morphologisch ganz eigenartiger, der CoHN'schen Tribus der Spirobacteria seiner Form nach angehörender Organismus, und zwar im frischen lebenden Blute — wie stimmte zu dieser Thatsache eine „ Coccobacteria septica " ? Den BiLLKOTn'schen Anschauungen trat auch Cohn 13 ) in einer im darauffolgenden Jahre erschienenen Arbeit entgegen. Als Botaniker konnte er zwar nicht die von Billroth gegen die Aufstellung der Gruppe der pathogenen Bacterien gerichteten Einwendungen wider- legen, da dieses Untersuchungsgebiet ihm zu fern lag. Er musste sich deshalb darauf beschränken, in Bezug auf die saprophytischen Orga- nismen seinen Standpunkt zu wahren. Seinen stets von ihm vertretenen Grundsatz, Bacterien von ver- schiedener Gestaltung und verschiedener Fermentthätigkeit als ver- schiedene Arten und Gattungen so lange auseinander zu halten, als nicht der Beweis ihrer Identität mit voller Evidenz geführt sei, hielt er mit aller Entschiedenheit gegenüber der BiLLROTii'schen Zusam- menfassung aller Formen in eine einzige Gattung Coccobacteria aufrecht. „ Ich meine, " sagt Cohn, „ dass es für die Fortentwickelung un- serer Wissenschaft minder nachtheilig ist, wenn selbst allzuviele Formen , die schliesslich aus gemeinschaftlicher Quelle abgeleitet werden können, so lange und so weit als möglich auseinander ge- halten werden, als wenn umgekehrt durch Zusammenwerfen verschie- denartiger Wesen auf deren specielle Erforschung von vornherein verzichtet wird" — eine Anschauung, welche, frei von jeder syste- matisirenden Tendenz, allein einen Fortschritt in der Erkenntniss der Bacterien gewährleistet hat, und welche sich auch heute noch als durchaus zutreffend erweist. Durch zahlreiche unermüdlich fortgesetzte Untersuchungen war Cohn in der Lage, seine früheren Anschauungen neu zu befestigen. So fand er bei einer Luftuntersuchung auf einer zum Waschen der Luft dienenden Nährlösung von weinsaurem Ammoniak eine milch- weisse, dicke, zähe Haut, welche bei starker Vergrösserung sich zu- sammengesetzt zeigte aus froschlaichähnlichen KUgelchen, deren jedes in einer knorpligen Kapsel ein Aggregat ausserordentlich kleiner dicht aneinander gelagerter Kugelbacterien barg. Diesen eigenartigen Organismus bezeichnet er, den Billroth- 13) Ferdinand Cohn: Untersuchungen über Bacterien. II. Beiträge zur Bio- logie der Tflanzen. Bd.I. 1875. Heft 3. S. 141. 156 Cohn's Anschauungen über die pfirsichblüthrothen Organismen. sehen Namen adoptirend, als Ascococcus. (Fig. 27.) Er fand, dass derselbe mit den Mikrokokken der Harn- und Pigmentgährung darin übereinstimmte, dass er die Nährlösung unter gleichzeitiger Bildung eines intensiven Milch- und Käsegeruches alkalisch machte, dass er sich also verschieden zeigte von den meisten Stäbchenbacterien, weil diese, wie die Essig- und Milchsäurebacterien in ihrer NährflUssig- keit eine saure Reaction hervorriefen. Die Ansicht von Lankester, dass die auf vermodernden Thier- und Pflanzentheilen pfirsichblüthrothe Ueberztige bildenden Organismen einer einzigen natürlichen formenreichen Species angehören sollten, unterzog Cohn einer eingehenden experimentellen Prüfung. . *yä " - . - ■■ Fig. 27. Ferihnand Cohn: Untersuchungen über Bacterien II. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. I. Heft III. S. 141. 1873. Ascococcus Bii.lrothii. Grosse knollige Zellfamilie, umgeben von kleineren und in Jlicrococcus eingelagert; a drei Zellfamilien von gemeinschaftlicher Gallertkapsel um- hüllt. Vergr. (55. Ein vergleichendes Studium der am Boden der Gefässe und an ihren Wandungen abgelagerten Massen sowie der in der Flüssigkeit schwim- menden, grösseren oder kleineren, lockeren, schleimigen Flöckchen ergab auch Cohn eine überraschende Mannigfaltigkeit der Entwicke- lungszustände. „Auf den ersten Blick", fährt Cohn dann fort, „scheint es leicht, die Alge wegen ihrer auffallenden Farbe auch in den ver- schiedensten Gestaltungen wieder zu erkennen; bald überzeugt man sich aber, dass gerade diese Färbung irre leitet, da eine ganze Anzahl mikroskopischer Organismen, welche meist ge- sellig untereinander vorkommen, aber durchaus nicht in entwickelungsgeschichtlichem Zusammenhang stehen, durch die nämliche Pfirsichblüthfarbe charakterisirt sind. " Cohn vertheidigt die Trennung der rothen Organismen nach ihren Formen. 157 Die amorphen Flecken, die schwimmenden Hohlkugeln und die zerrissenen Blasen, welche aus völlig gleichartig gebauten und ge- färbten Zellen sich zusammengesetzt zeigten, gehörten nach seiner Ansicht in den Entwickelungskreis einer und derselben Art, welche er Clathrocystis roseopersicina benannte. Auch die von Eheenbeeg und Moeken als Monas vinosa beschriebenen beweglichen rothen Kügelchen von gleicher Grösse — 2,5 /u — wie die Zellen der Clathro- cystis, welche er in Gefässen mit Kulturen dieses Organismus in grossen Schwärmen antraf, war er geneigt, als Schwärmzellen der Clathrocystis aufzufassen ; die endgliltigeEntscheidung über diese Frage Hess er jedoch noch offen. Andere, neben und zwischen diesen Kügel- chen vorkommende rothe Organismen (Fig. 28, A.B. C.) beschrieb Cohn dagegen als besondere Arten: blassrothe, dunkelkörnige , spindelför- mige Körperchen als Rhab- domonas rosea, kurze cylin- drische, 5 (.i breite und 7 bis 15 /< lange dunkelkernige, mit einer langen Geissei am Hiuterende versehene Ge- bilde als Monas Okenii, und A. B. C. Fig. 28. A. Ehabdomonas rosea. li. Monas Okenii. C. Monas Warmingii. Vergr. 600. Fig. 29. A. Spirillum volutans. B. Ophidomonas (Spirillum) sanjrainea Ehe. Vergr. 600. eine dritte, noch grössere, nur an den beiden abgerun- deten Enden mit dunkel- rothen Kömchen erfüllte Form als Monas Warmingii. Endlich fand er noch in faulendem Wasser, welches aus dem Sunde stammte und ihm von Waeming übersandt war, grosse, durch Einlagerung rother Körnchen gleichfalls roth gefärbte Spiralen, mit deutlichen Geissei- fäden au den Enden, in welchen er die von Eheenbeeg bereits im Jahre 1S36 und 1840 aufgefundenen und als Ophidomonas jenensis und sanguinea (Fig. 29, B.) beschriebenen Gebilde wiederentdeckt zu haben glaubte. Diese schienen ihm eine solche Uebereinstimmung mit den farblosen Spirillen, namentlich dem riesigen Spirillum volutans zu 158 Bacillus ruber. Micrococcus fulvus. Myconostoc gregarium. bieten, dass er zweifelhaft war, ob er sie den Spirillen zuordnen oder als selbstständige Gattung Opbidomonas beschreiben sollte. Während Cohn somit die einzelnen pfirsichblüthfarbenen Organismen wegen ihrer verschiedenen Formen streng auseinanderhielt, erkannte er andrer- seits, dass allen diesen Organismen ein wichtiges Merkmal gemein- sam war. Diese sämmtlichen Organismen enthielten in ihrem Plasma auffallende, stark lichtbrechende Körnchen, ähnlich den in den Fä- den der Beggiatoen von Cramer als Schwefel erkannten Körnchen. Cohn gelang es nachzuweisen, dass auch die Körnchen in den pfirsichblüthfarbenen Organismen nichts Anderes als Schwefel sind. Er constatirte dann weiter, dass alle diese Organismen in SET,- hal- tigem Wasser, welches alle übrigen Organismen tödtet, zu leben ver- mögen, dass sie durch ihre Zellthätigkeit schwefelsaure Salze unter Entwickelung von SH 2 zu zerlegen und aus diesem SH, den S in krystallinischer Form an ihren Zellleibern abzuscheiden im Stande sind, dass sie sich daher als eine von allen übrigen niedersten leben- den Wesen durchaus verschiedene, eigenartige Gruppe von Organis- men darstellen. Als einen weiteren Beweis für die specifischen Verschiedenheiten der niederen Organismen theilte Cohn dann mit, dass es noch andere rothe Farbstoffe gäbe, welche von niedersten Organismen gebildet würden, so ein ziegelrothes Pigment auf gekochtem Reis und ein rost- rothes auf Pferdemist. Ersteres würde durch Stäbchen, Bacillus ruber, das zweite durch kugelige Zellen, Micrococcus fulvus, erzeugt. Beide Pigmente zeigten sich ebenso wie das Pigment des Micrococcus pro- digiosus durchaus verschieden in chemischer und physikalischer Be- ziehung von dem pfirsichblüthrothen Farbstoff der schwefelhaltigen Organismen, böten mithin Unterschiede, welche auf Art- Verschieden- heiten der sie producirenden, auch morphologisch differenten Orga- nismen hinwiesen. In dem faulenden Wasser, in welchem die Clathrocystis vege- tirte, beobachtete Cohn noch zwei andere morphologisch eigenartige Gebilde. An der Oberfläche fand er farblose Schleimtröpfchen, aus Gallertkugeln bestehend von 10 — 17 ^u Durchmesser, welche in ihrem Innern farblose, stark lichtbrechende Körnchen einschliessende, knäuel- artig, aber locker gewundene Fäden bargen. Lankester hatte diese Kugeln bereits als den gallertbildenden Entwickelungszustand eines Spirillum beschrieben; Cohn aber, seinen Principien treu, fasste ihn als besondere Art auf und benannte ihn Myconostoc gregarium. In der- selben Flüssigkeit entdeckte Cohn ferner kleine Raschen von farblosen, Leptothrix ähnlichen Fäden, welche bei schwacher Vergrösserung Cladothrix dichotoma. 159 deutliche Gabelung zeigten. Als Cohn diese Gebilde bei starker Ver- grösserung untersuchte, sah er, dass nicht eine wirkliche Gabelung, sondern vielmehr eine sogenannte falsche Astbildung vorlag, welche dadurch entsteht, dass ein Faden sich in der Mitte in zwei Hälften durchfurcht, deren jede an der Spitze weiter wächst; ist dann die untere Hälfte eine Strecke weit parallel der oberen fortgewachsen, so hat es den Anschein, als zweigte sich die obere Hälfte astartig ab. Den neuen Organismus benannte er Cladothrix dichotoma. Da im Uebrigen die- selbe falsche Astbildung bei verschiedenen spangrünen Oscillarineen angetroffen wird, so sah Cohn in derselben einen Beweis für die innige Verwandtschaft dieses pilzartigen, farblosen Organismus im Wasser mit jenen grünen Algenarten. Fig. 30. Myconostoc grcgarium. Gallertkugeln mit eingelagerten unregelmässig zusammen- gerollten Zellfuden; a und b einfache Kugel; c Theilung der Kugel, beginnt mit der Zweitheilung des Fadens; d der Faden zerfallt in ringförmige Stücke. Vgr. 60U. Cladothrix dichotoma. Dichotomc Fäden bilden weisse Schleimmasscn an der Ober- fläche faulender Flüssigkeiten. Vergr. 100; a falsche Dichotomieen deutlich er- kennbar. Vcrgr. (500. Endlich beschrieb Cohn noch einen neuen Organismus, welcher ein besonderes ärztliches Interesse beanspruchte. A. v. Graefe ,4 ) hatte zuerst im Jahre 1855 in den Thränenkanälen des menschlichen Auges Concremente von eng verfilzten Pilzmassen beobachtet und als Favuselemente bezeichnet. Einen ähnlichen Fall hatte im Jahre 1869 Foerster l5 ) mitgetheilt. In der bröckeligen schmierigen Masse hatte Waldeyer Pilzelemente gefunden, welche er für identisch mit Leptothrix buccalis Robin et Lebert der Mundhöhle erklärt hatte. Die Leptothrixfäden sah Waldeyer umgeben von kleinem rund- 14) A. v. Graefe im Archiv für Ophthalmologie I. 2S4 und II. 1. 224. 15) Foerster: Pilzmasse im uatern Thränenkanälchen in Graefe's Archiv für Ophthalmologie XV, I. S. 318— 23. Taf. III. Fig. 1. 1(J0 Streptothrix Foersteri. liehen Micrococcus und beweglichen Bacterien. In den bald darauf von Gkaefe"') beschriebenen Fällen von Concrementen im unteren Thränenröhrchen hatten Cohnheim und Lebee ebenfalls Leptothrix- elemente identisch mit denen der Mundhöhle nachgewiesen. Mehrere solcher Concremente wurden dann Cohn von Foeesteb zur Unter- suchung übermittelt. Die weiche, talgartige, leicht zu zerdrückende Masse bestand der Hauptsache nach aus „feinen, äusserst dünnen, farblosen, parallel nebeneinander gelagerten oder wirr durcheinan- der verfilzten Fäden, welche gerade oder bogig gekrümmt, stellen- weise aber schlängelig, eng und zierlich pfropfenzieherartig gewun- den* waren. Diese Stellen erinnerten Cohn an die Schraubenfäden der Spirulinen und Spirochaeten, von denen sie sich jedoch durch weit grössere Unregelmässigkeit leicht unterschieden. Die Fäden waren eingelagert und dicht umhüllt von feinkörnigen Micrococcus- massen. Als er die Fäden durch Ausspülen mit Wasser isolirt hatte, erkannte er, dass sie sämmtlich von gleicher, so zu sagen haarfeiner Dicke waren, in unbestimmter Folge bald gerade, bald lockig ge- dreht verliefen und dass sie auch, wenn auch nur spärliche, Ver- zweigungen zeigten. Durch diese Eigenthümlichkeiten unterschieden sich die Fäden von den dickeren, steifen und geraden, deutlich gegliederten und stets unverzweigten Fäden der Leptothrix buccalis. Cohn betrachtete sie deshalb als eine besondere Art und bezeich- nete sie als Streptothrix Foersteri. Ueber etwaige verwandt- schaftliche Beziehung der Streptothrix zur Leptothrix vermochte er sich nicht bestimmt zu äussern, da ihm Kulturversuche nicht ge- langen. Die neben der Streptothrix wahrgenommenen Mikrokokken, Bacterien, Geisseimonaden, oidiumartigen Gonidienketten und in der Keimung begriffenen Pilzsporen hielt er für seeundäre Bildungen in den Concrementen. Wir sehen somit, dass Cohn durch sorgsame morphologisch - eutwickelungsgeschichtliche Studien die Unterscheidung der von An- deren in einen Topf zusammengeworfenen niederen Organismen stetig vertiefte und seine Anschauungen über die Existenz verschiedener Arten unter denselben immer fester begründete. Die zahlreichen neuen Beobachtungen, welche Cohn gemacht hatte, Hessen es vom systematischen Standpunkte aus ihm unmög- lich erscheinen, die Bacteriaceen von den anderen niederen Pflanzen als eine selbstständige Familie abzutrennen. Da die Bacterien so nahe 16) A. v. Grabfe: Ueber Leptothrix in den Thränenröhrchen. Archiv für Ophthalmologie XV. I. S. 324. Cohn bildet die Gruppe der Schizophytae. 161 verwandtschaftliche Beziehungen zu den phycochromhaltigen Algen, aber nicht zu den Pilzen gezeigt hatten, so sah er sich veranlasst, unter Aufgabe des NAEGELi'schen Namens der Schizomyceten und des von ihm selbst früher vorgeschlagenen Namens der Schizosporeae, die Bacterien mit den niedersten Algen unter der Bezeichnung der Schizophytae zu vereinigen und von den höheren Pflanzengruppen abzugrenzen. Indem er die Bacterien unter die ihnen am nächsten stehenden Genera vertheilte, und dabei in erster Linie auf die An- ordnung der Zellen und erst in zweiter Linie auf deren Phycochrom- gehalt und Grösse Rücksicht nahm, erhielt er folgende Eintheilung der Schizophyten: Schizophytae. Tribus I. Gloeogenae. Zellen frei oder durch Intercellularsubstanz zu Schleimfamilien vereinigt. A) Zellen frei oder binär oder qualernür verbunden. Zellen kugelig . . . Chroococcus. Naeg. Zellen cylindrisch . . Synechococcus. Naeg. B) Zellen im Ruhezustand zu amorphen Schleimfamilien vereinigt. a) Die Zellmembranen mit der Intercellularsubstanz zusammen- fliessend. Zellen nicht phycochromhaltig, sehr klein. Zellen kugelig . . . Micrococcus. Hall, emend. Zellen cylindrisch . . Bacterium. Duj. 00 Zellen phycochromhaltig, grösser. Zellen kugelig . . . Aphanocapsa. Naeg. Zellen cylindrisch . . Aphanothece. Naeg. b) Intercellularsubstanz aus ineinander geschachtelten Zellhäuten gebildet. Zellen kugelig . . . Gloeocapsa. Kg. Naeg. Zellen cylindrisch . . Gloeothece. Naeg. Cj Zellen zu begrenzten Schleimfumilien vereinigt. c) Zellfamilien einschichtig, in einer Zellfläche gelagert. Zellen quaternär geordnet, in einer Ebene. Merismopoedia. Meyen. 00 Zellen ungeordnet, in eine Kugelfläche gelagert. Zellen kugelig, Familien netzförmig durchbrochen. Clathrocystis. Henfe. Zellen cylindrisch, keilförmig, Familien durch Furchung getheilt Coelosphaerium. Naeg. L öf f ler, VorlesuDgen. 11 162 Cohn bildet die Gruppe der Schizophytae. d) Zellfamilien mehrschichtig, zu sphaeroidischen Zellkörpern vereinigt. Zellenzahl bestimmt. Zellen kugelig, quaternär geordnet, farblos. Sarcina. Goods. Zellen cylindrisch, keilförmig, ungeordnet, phycochrom- haltig Gomphosphaeria. Kg. 00 Zellenzahl unbestimmt, sehr gross. Zellen farblos, sehr klein Ascococcus. Billb. emend. Zellen phycochromhal- tig, grösser . . . Polycystis. Kg. Coccochloris. Spe. Polycoccus. Kg. u. a. Tribus II. Nematogenae Eab. Zellen in Fäden geordnet. A) Zettjuden stets unver zweigt. a) Zellfäden frei oder verfilzt. Fäden cylindrisch, farblos, undeutlich gegliedert. Fäden sehr dünn, kurz Bacillus. Cohn. Fäden sehr dünn, lang . . . . Leptothrix. Kg. em. Fäden stärker, lang Beggiatoa. Tbev. 00 Fäden cylindrisch, phycochromhaltig, deutlich gegliedert, Fortpflanzungszellen nicht bekannt . Hypheotrix. Kg. Oscillaria.Bosc.u.a. 000 Fäden cylindrisch, gegliedert, Gonidien bildend. Fäden farblos Crenothrix. Cohn. Fäden phycochromhaltig .... Chamaesiphon u. a. 0000 Fäden schraubenförmig ohne Phycochrom Fäden kurz, schwach wellig . . . Vibrio. Ehe. em. Fäden kurz, spiralig, starr . . . . S p i r i 1 1 u m. Ehe. Fäden lang, spiralig, flexil . . Spirochaete. Ehe. phycochromhaltig : Fäden lang, spiralig, flexil . . . Spirulina. Link. 00000 Fäden rosenkranzförmig Fäden ohne Phycochrom . . Streptococcus. Bille. Fäden phycochromhaltig .... Anabaena. Boey. 000000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Spermosira. Kg. u.a. Mastigothrix u. a. Cohn bildet die Gruppe der Schizophytae. 163 b) Zellfäden durch Intercellularsubstanz in Schleimfamilien ver- einigt. Fäden cylindrisch, farblos . . .Myconostoc. Cohn 1 ) 00 Fäden cylindrisch, phycochromhaltig Chthonoblastus, Limnochlide. Kg. u. a. 000 Fäden rosenkranzförmig . . . Nostoc, Hormosiphon u. a. 0000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Rivularia. Roth. Zonotrichia. Ag. u. a. B) Zellfäden durch falsche Astbildung verzweigt. Fäden cylindrisch, farblos . . . Cladothrix. Cohn 2 ) Streptothrix 3 ) ? 00 Fäden cylindrisch, phycochromhaltig Calothrix. Ag. Scytonema. Ag. u.a. 000 Fäden rosenkranzförmig Merizomyria, Kg. Mastigocladus. Cohn. 0000 Fäden peitschenförmig nach der Spitze verjüngt. Schizosiphon. Kg. Geocyclus. Kg. u.a. 1) Myconostoc n. g. filamenta tenerrima achroa implicata convoluta muco inclusa in globulos perparvos congesta. M. gregarium sp. unic. globuli gregarii in superficie aquae putridae natantes. 2) Cladothrix n. g. iilamenta leptotrichoidea tenerrima achroa non arti- culata stricta vel subundulata pseudodichotoma. Cl. dichotoma sp. unic. in aqua putrida. 3) Streptothrix n. g. filamenta leptotrichoidea tenerrima achroa non arti- culata stricta vel anguste spiralia, parce ramosa. Sp. Foekstbri sp. unic. filamenta in Micrococco mucoso nidulentia, concre- tiones in canaliculo lacrymali hominis raro repertas componentia. 11* Zwölfte Vorlesimg. Entdeckung einer besonderen Fruchtform bei der Gattung Bacillus durch Cohn. Robert Koch erkennt die Milzbrandstäbchen als eine besondere pathogcne Bacillus-Art und begründet die Aetiologie der Milz- brand-Krankheit auf die Ent wickelungsgeschichte des Bacillus Anthracis. Bedeutung seiner Entdeckung für die Aetiologie der Infections- krankheiten. Paul Bert's Untersuchungen über das Milzbrandvirus. Pasteur widerlegt Paul Bert, bestätigt sämmtliche von Koch gefundenen Thatsachen, entdeckt den „vibrion septique". Von allen den Momenten, welche Cohn für die Notwendigkeit einer Trennung der Bacterien in distincte Arten beizubringen ge- wusst bat, ist keines von so weitgehender Bedeutung geworden, wie die von ihm gemachte Entdeckung, dass seine Gattung Bacillus durch eine besondere Fruchtform, durch die Bildung von Dauersporen aus- gezeichnet ist. Das Auftreten glänzender, stark lichtbrechender Körnchen in stäbchenförmigen Gebilden ist ein so häufiges und so auffallendes Phänomen, dass ein sorgfältiger Beobachter es nicht übersehen kann. Und in der That hatte ja bereits 0. F. Müller glänzende Körnchen in gewissen Vibrio- Arten gesehen und diese darnach Vibrio bi- und tripunctatus genannt. Cohn hatte mit glän- zenden Köpfchen versehene Bacterien schon im Jahre 1851 in einer Infusion von todten Fliegen in ungeheurer Menge beobachtet. Pekty hatte sie wahrgenommen in kleinen cylindrischen Gebilden und darauf seine Gattung Sporonema gracile basirt. Trecul hatte geschwänzte Bacterien in den Milchgefässen von Pflanzen beobachtet und Uroce- phalum benannt. Pästeur hatte bei den Vibrionen der Fäulniss, sowie in den Vibrionen, welche im Darmkanal der an der Schlaffsucht er- krankten Seidenraupen vorkommen, glänzende Körperchen als eine Art von Cystenbildung beobachtet und diese Cystenbildung als eine besondere Art der Fortpflanzung der Vibrionen, als eine „ reproduction par noyaux Interieurs " aufgefasst. Im Jahre 1S72 hatte Cohn das häufige Vorkommen der merkwürdigen kugeligen oder ovalen Körper- chen von ölartiger Lichtbrechung theils als isolirte Gebilde, theils in Verbindung mit zarten Fädchen betont und sich dahin geäussert, dass die zarten Fäden den Eindruck machten von Bacterienkeimfäden, welche aus einer ölhaltigen Gonidie oder Dauerzelle hervorgegangen Entdeckung der Sporenbildung der Bacillen durch Cohn. 165 seien. Billrotii hatte dann in faulenden Substanzen Stäbchen mit glänzenden Köpfchen als Helobacteria, Nagelbacterien, beschrieben und die ölartig glänzenden Gebilde ebenfalls als Dauerformen ange- sehen. Cohn nun war es, welcher auf Grund seiner Untersuchungen über die Bacillen im Labauszug den wissenschaftlichen Beweis führen konnte, dass die stark lichtbrechenden Gebilde in der That Dauer- formen sind, welche den Vegetationskreis der Bacillen beschliessen und deren Erhaltung unter ungünstigen Lebensbedingungen ermöglichen. In neutralisirten Heuaufgüssen sah er nach dem Kochen nur Stäbchen sich entwickeln, welche er als Bacillus subtilis bezeichnete. An diesem Bacillus sabtilis ') verfolgte Cohn die Entwickelung des schwärmenden Stäbchens in der einfach getrübten Flüssigkeit zum unbeweglichen, Leptothrix ähnlichen Faden in der auf dem Aufguss sich bildenden schleimigen Decke. Er stellte fest, dass in jedem Gliede jeden Fadens eine glänzende, 1,8 — 2,2 /< lange und 0,8 ^e dicke Spore sich entwickelte, so dass schliesslich die ganze Decke nur aus Sporen zusammengesetzt erschien, und beobachtete endlich das Auskeimen der isolirten Sporen zum schwärmenden Bacillus. „Als ich," schreibt Cohn, „eine geringe Menge Sporen, welche schon seit Monaten auf dem Boden eines gekochten Aufgusses abgelagert waren, mit einem frischen Tropfen in die feuchte Kammer brachte, glückte es mir, die Keimung direct zu beobachten. Die Sporen schwollen etwas an und trieben an einem Ende einen kurzen Keim- schlauch, sie erschienen nun als Köpfchenbacterien. Der stark lichtbrechende Körper der Spore verschwand bald; der Keimschlauch glich dann einem kurzen Bacillusstäbchen, das sich in Bewegung setzte, durch Quertheilung gliederte, dann fadenförmig verlängerte. Bald schwärmten im Tropfen zahllose kürzere und längere Bacillen, letztere gingen in Ruhezustand über und verfilzten sich in weisse, schon dem blossen Auge sichtbare Filzmassen. " Cohn machte dann ferner die überaus wichtige Entdeckung, dass diese Sporen sich durch eine grosse Widerstandsfähigkeit gegen höhere Temperaturen, sogar gegen Siedhitze auszeichnen und dass in allen Fällen, in welchen in gekochten Substraten Bacterien er- scheinen, dies stets nur Bacillen sind, deren Dauerformen der Er- hitzung widerstanden haben. Es war hierdurch ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zwi- schen den Bacillen und den nicht Sporen bildenden Bacterien, in 1) Ferdinand Cohn: Untersuchungen über Bacterien IV. Beiträge zur Bio- logie der Bacillen. Beiträge zur Biologie der Pflanzen Bd. II. 1877. Heft 2. S. 249. Juli 1876. 166 Buttersäuregährung der Bacillen bei Luftabschluss. Sonderheit Bacterium termo gewonnen, da dieses, wie Eidam 2 ) durch eine Reihe sorgfältiger Versuche festgestellt hatte, schon bei niedri- geren Temperaturen, bei 45 °C. nach 14sttindigem und bei 50 ° C. nach 3stündigeni Erwärmen stets abgetödtet wird. Der fundamen- talen Bedeutung dieses Ergebnisses für die Generatio aequivoca und besonders für die Desinfectionslehre haben wir schon früher bereits gedacht. Bei genauerem Studium der Sporenbildung des Bacillus subtilis fand Cohn, dass das Auswachsen zu langen Fäden und die Sporen- bildung ausschliesslich an der Oberfläche der Flüssigkeit, also offen- bar unter dem Einfluss der Luft stattfand. In zugeschmolzenen und daher mit einer beschränkten Luftmenge versehenen Kölbchen bildete sich zwar das Häutchen, aber dasselbe blieb zart, dünn und fettig; nur sehr selten begann die Sporenbildung. Er schloss daraus, dass die vollkommene Entwickelung der Bacillen und insbesondere ihre Fortpflanzung durch Sporen nur bei ungehinderter Luftzufuhr ein- trete. An derartigen der Luft frei ausgesetzten Aufgüssen nahm Cohn keine auffallende Fermentation wahr. Dagegen aber sah er in her- metisch verschlossenen Blechbüchsen mit Conserven, aus welchen durch stundenlanges Kochen der bei weitem grösste Theil der Luft ausgetrieben sein musste, bisweilen eine äusserst energische Gas- bildung bei gleichzeitiger Entwickelung von Bacillen zu Stande kommen. Er vermuthete, dass unter diesen Umständen Buttersäure- gährung eingetreten sei und dass die Bacillen die Erreger derselben darstellten ; denn ohne Bacillenentwickelung sah er niemals Gährung in den Conserven sich entwickeln. Er schloss daraus, dass im luft- leeren Räume die Fermentwirkung der Bacillen mit besonderer Inten- sität vor sich gehe, während intensives Wachsthum und Sporenbil- dung an den ungehinderten Zutritt der Luft gebunden seien. Eigentliche Fäulniss sah er in gekochten Substanzen niemals eintreten, ent- sprechend den Beobachtungen Eidam's, dass das Ferment derselben, das Bacterium termo, stets durch Siedehitze getödtet werde. Auf Grund der gesammten, die Form, das biologische Verhalten und die Fermentthätigkeit der Bacillen umfassenden Untersuchungen konnte Cohn nunmehr den Satz aussprechen, welchen er als den Angel- punkt für die wissenschaftliche Erkenntniss der Bacterien betrachtete, „dass es ganz verschiedene Gattungen dieser Organis- 2) Eddakd Eidam: Untersuchungen über Bacterien III. Beiträge zur Bio- logie der Bacterien. Die Einwirkung verschiedener Temperaturen und des Ein- trocknens auf die Entwickelung von Bacterium termo Duj. Beiträge zur Biologie der Pflanzen Bd. I. 1S75. Heft 3. S. 208. Cohn hält seine Gattungen für natürlich. 167 men giebt, welche immer nur aus Keimen gleicher Art hervorgehen und durch verschiedene Entwickelung, verschiedene biologische Bedingungen und Ferment- thätigkeiten sich scharf und constant unterscheiden. Als zwei solche völlig distincte Gattungen," fährt er dann fort, „haben wir insbesondere Bacterium termo und die Bacillen nach- gewiesen, welche höchstens in ihren ersten Entwickelungszuständen verwechselt weiden können , die aber durch ihre gesammte Entwickelungsgeschichte, durch ihr Verhalten gegen höhere Tempe- raturen und andere Lebensbedingungen, sowie durch ihre Ferment- wirkung sich durchaus verschieden erweisen. " In einer Anmerkung erklärt er nunmehr auch, dass er seine Gattungen (Micrococcus, Bacterium, Bacillus, Vibrio, Spirillum und Spirochaete) für natürlich halte, während er die von ihm aufgestellten Arten dieser Gattungen nur als provisorisch ansehe. Eine glänzende Bestätigung des von Cohn ausgesprochenen Satzes und die stricte Erfüllung der BiLLROTH'schen Postulate hinsichtlich der Aufstellung pathogener Arten unter den Bacterien lieferte noch in demselben Jahre der damalige Kreisphysikus im Kreise Wollstein, Robert Koch. Angeregt durch das in seinem Kreise nicht seltene Auftreten des Milzbrandes stellte er sich die Aufgabe, die Aetiologie dieser für die Landwirtschaft so überaus wichtigen Krankheit zu erforschen. Trotz der zahlreichen über die Aetiologie des Milzbrandes angestellten Untersuchungen war das entscheidende Wort noch nicht gesprochen. Während Davaine, wie wir gesehen haben, mit aller Entschiedenheit seine Meinung dahin abgegeben hatte, dass die con- stant im Blute nachgewiesenen Stäbchen als die Ursache der Krank- heit angesehen werden müssten und dass alle Milzbranderkrankungen entweder auf eine directe oder aber indirecte Uebertragung der frischen, resp. im getrockneten Zustande lebensfähig verbliebenen Bacteridien zurückzuführen seien, hatten andere Forscher die Stäbchen für nicht wesentlich erachtet, weil sie erstens nach der Impfung mit bacteridien- haltigem Milzbrandblut tödtlichen Milzbrand erzielt haben wollten, ohne nachher Bacterien im Blute zu finden, und weil sie zweitens durch Impfung mit solchem bacterienfreien Blute wiederum Milzbrand hatten entstehen sehen, bei welchem Bacterien im Blute vorhanden waren. Zudem hatten langjährige Beobachtungen der Milzbrandepidemieen unter den Thieren mit aller Sicherheit ergeben, dass die Krankheit in unzweifelhaftem Zusammenhange steht mit gewissen Bodenver- 168 Bolllnger's Anschauuligen über die Milzbrand-Organismen. hältnissen, dass z. B. der Milzbrand besonders häufig iu feuchtem Boden, in Flussniederungen, Sumpfdistricten vorkommt, dass er sein Maximum hat in den Monaten August und September, in welchen die Curve der Bodenwärme ihren Gipfelpunkt erreicht, dass häufig mit dem Betreten bestimmter Weideplätze die Krankheit in einer Heerde zum Ausbruch kommt — Thatsachen, welche durch die An- nahme Davaine's nicht in befriedigender Weise erklärt wurden. Bollinger 3 ), welcher sich nächst Davaine wohl am eingehend- sten mit der Pathologie des Milzbrandes beschäftigt hatte, hatte sich zu erweisen bemüht, dass die gegen Davaine ins Feld geführten Thatsachen mit der ätiologischen Bedeutung der Stäbchen sehr wohl in Einklang zu bringen wären. Wenn durch eine Impfung mit bac- terienfreiem Blute Milzbrand mit Stäbchen im Blute des geimpften Thieres erzeugt worden sei, so hätte jenes Impfblut in solchen Fällen gleichwohl schon kleinste Organismen, die Bacterienkeime, ent- halten, welche dann in den Impfthieren die Entwickelung der Bac- terien herbeigeführt hätten. Bollinger hatte erkannt zu haben ge- glaubt, dass ausser den Stäbchen im Milzbrandblute als Zwischenglie- der, wenn auch in geringer Zahl, kleinere Formen von 0,002 — 0,003 — 0,000 mm Länge bis herab zu den kleinsten, unmessbaren Formen vorhanden seien, die bei gewöhnlicher Vergrösserung als feine Punkte, bei stärkerer Vergrösserung als Kugelbacterien mit allen optischen und chemischen Eigenschaften der Fadenbacterien sich darstellten, dass ferner die isolirt vorkommenden Kugelbacterien sich fortwäh- rend durch Zweitheilung vermehrten und als Gliederketten zu Reihen sich vereinigten. Er hatte deshalb auch die Stäbchen als kurze Kugelketten abgebildet. In dieser Beziehung befand sich Bollinger in vollkommener Uebereinstimmung mit Semmer 4 ), welcher ebenfalls kugelförmige Bacterien bei dem Milzbrand gefunden und die Stäbchen als weitere Entwickelungsstufe dieser Mikrokokken angesehen hatte, mit Eberth und Anderen. Bollinger hatte dann weiter sich dahin geäussert, dass die von ihm Bacterium anthracicum benannten Organismen sich im kranken 3) 0. Bollixgeb: Beiträge zur vergleichenden Pathologie und pathol. Ana- tomie der Hausthiere. 2. Heft. Zur Pathologie des Milzbrandes. München 1872. — Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1672. S. 417. — üeber die Milzbrandseuche in den bayrischen Alpen. Deutsch. Arch. f. klin. Med. XIV. 3 u. 4. S. 269. 1S74. — Infectionen durch thierische Gifte in Ziehssen's Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie III. S. 450. 1S74. 4) Semmeb: Österreichische Vierteljahrschrift für Veterinärkunde XXXVIII. Bd. 72. S. 23. 1871. Cohn. Harz. Koch's Kulturen des Milzbrandbacillus. 169 Thierkörper vermehrten, dass sie vielleicht aber auch ausserhalb des- selben, namentlich im Boden (ectogenj die Bedingungen ihrer Ent- wickelung fänden, vorausgesetzt, dass der Boden mit diesen Orga- nismen oder deren Keimen imprägnirt sei. Diese Anschauung Bollinger's hatte jedoch keineswegs allge- meine Zustimmung gefunden. Cohn 5 ) hatte eine rosenkranzähnliche Zusammensetzung der Anthraxstäbchen nicht wahrnehmen können und hatte deshalb an seiner früheren Auffassung der Milzbrand- bacterien als einer Bacillusart festgehalten. Ja, er hatte sogar die Vermuthung geäussert, dass man bei dem Bacillus anthracis vielleicht wie bei anderen Bacillen eine Fortpflanzung durch kugelige Dauer- sporen erwarten und in diesen die Keime der Infection in scheinbar stäbchenfreiem Blut, sowie in eingetrockneten Contagien vermuthen dürfe. Im Gegensatz zu Bgllinger und Cohn hatte dann Harz' 1 ) die Stäbchen wieder für nicht organisirte Gebilde erklärt und jede Verwerthung „dieser sog. Milzbrandbacterien" für die Aetiologie und die Erklärung der Symptome des Milzbrandes zurückgewiesen. Kurz dem Zweifel an der Bedeutung der Stäbchen war noch immer Thür und Thor geöffnet. Koch") nun war es, welcher mit Hülfe neuer, jeden Irrthum ausschliessender Methoden diese fundamentale Frage endgültig zu entscheiden vermochte. Zunächst zeigte Koch, dass sich die Bacillen im Blute und in den Gewebssäften des lebenden Thieres ausserordentlich schnell durch Verlängerung und fortwährende Quertheilung vermehren, in- dem er durch Impfung von Maus zu Maus durch lange Reihen von Generationen hindurch — die längste dieser Reihen betrug zwanzig Mäuse — die Krankheit übertrug und stets in den geschwollenen Milzen zahllose Mengen von glashellen Stäbchen nachwies. Dann aber führte er den Beweis, dass im Blute des todten Thieres und in geeigneten anderen Nährflüssigkeiten, in frischem Rinderblutserum oder Humor aqueus von Rinderaugen innerhalb gewisser Temperatur- 5) Ferdinand Cohn: Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. I. Heft ü. S. 200. 1S75. G) Harz: Zur Kenntniss der sog. Milzbrandbacterien. (Bacterium anthraci- cum Bollinger. Bacillus anthracis Cohn.) Centralblatt f. d. med. Wissensch. ISTti. S. 277. 7) Robert Koch: Die Aetiologie der Milzbrand -Krankheit, begründet auf die Entwickelungsgeschichte des Bacillus anthracis. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. II. 1S77. Heft II. S. 277. 27. Mai 1S76. 170 Koch entdeckt die Sporenbildung des Milzbrandbacillus. grenzen (18° — 40°C), und bei Luftzutritt die Bacillen zu ausser- ordentlich langen, unverzweigten Leptothrix ähnlichen Fäden aus- wachsen und in der That, wie Cohn vermuthet hatte, zahlreiche glänzende Sporen bilden. Im hohlgeschliffenen Objectträger auf dem M. ScmjLZE'schen heizbaren Objecttisch konnte er diesen Vorgang mit seinen Augen in einem Tropfen Humor aqueus, in welchen eine möglichst geringe Menge ganz frischer bacillenhaltiger Milzsubstanz eingetragen war, Schritt für Schritt verfolgen. Innerhalb der ersten 10—20 Minuten wurden die Bacillen etwas dicker; sie quollen an- scheinend auf, veränderten sich aber sonst in den ersten beiden Stun- den wenig. Dann aber begannen sie zu wachsen; nach 3 — 4 Stun- den hatten sie schon ihre 10- bis 20 fache Länge erreicht (Fig. 31); nun fingen sie an, sich zu krümmen, gegen- seitig zu verdrängen oder geflechtartig l -^ l£L \ a^^T"T"ipX durcheinander zu V \ , , ' y^\^^\C\"*"^ schieben, sich nach Art von Schlingpflan- zen in der verschie- densten Weise bald zu langen parallelen Zügen oder zu äusserst zierlichen, spiralförmig ge- drehten Bündeln zu vereinigen, bald aber den unregelmässigsten Figuren sich zu einem unzertrennbaren Knäuel zu verschlingen. Nach 10 bis 15 Stunden erschien der Inhalt der kräftigsten Fäden fein granulirt; es schieden sich in regel- mässigen Abständen sehr kleine, mattglänzende Körnchen ab, welche sich nach einigen weiteren Stunden zu den stark lichtbrechenden eirunden Sporen vergrösserten (s. Tafel I). Allmählich zerfielen dann die Fäden, die Sporen wurden frei, sanken, dem Gesetze der Schwere folgend, in die unteren Schichten des Tropfens und sam- melten sich dort in dichten Haufen an. Diese Sporen sah Koch in frischem Humor aqueus zu den charakteristischen Bacillen wieder auswachsen (Figur 32). Jede Spore erschien von eiförmiger Ge- stalt und in eine kuglige glashelle Masse eingebettet, welche wie ein heller schmaler, die Spore umgebender Bing sich darstellte. Diese Masse verlor ihre Kugelgestalt und verlängerte sich in der A. B. in A J* Fig. 31. Milzbrandbacillen vom Mute eines Meerschweinchens. Milzbrandbacillen aus der Milz einer Maus, nach drei- stündiger Kultur in einem Tropfen Humor aqueus. Verffr. 650. Koch beweist die ätiologische Bedeutung des Bacillus anthracis. 171 Richtung der Längsachse der Sporen, während die Spore in dem einen Pol des kleinen walzenförmigen Körpers liegen blieb. Die Hülle wurde länger und fadenförmig, und die Spore blasser und kleiner, bis sie verschwand. Koch schloss aus dieser Formverände- rung der Spore bei der Keimung, dass dieselbe aus einem stark lichtbrechenden Tröpfchen, vielleicht einem Oel bestehe, welches von einer dünnen Protoplasmaschicht eingehüllt sei. Letztere sei die eigentliche entwickelungsfähige Zellsubstanz, während ersteres viel- leicht einen bei der Keimung zu verbrauchenden Reservestoff bilde. Mit dieser letzten Reihe von Untersuchungen war der Kreis, wel- "" msm ^, «, eher von den Formveränderungen " „ "^ ü fj ^ v & des Bacillus Anthracis gebildet wird, ° a " l . . y & (0 ) geschlossen und damit die vollstän- o °°^ o ° m> ° / A dige Entwicklungsgeschichte des- a (/ Dolschenkow :)J ) und namentlich Frisch 33 ) sahen bei der Impfung faulender Substanzen auf die Cornea mehrfach auch schwere Erkrankungen derselben, Hypopyon-Keratitis, ja selbst Panophthalmitis folgen. Wohl erhielt Bikch-Hirschfeld :u ) bei der Verimpfung des mikro- kokkenhaltigen Eiters Pyämischer auf Kaninchen eine mit phlegmo- nösen Entzündungen (nicht selten auch mit pyämischen Metastasen) verlaufende tödtliche Infection, während er durch gleiche Mengen pu- trider Massen meist nur eine ganz vorübergehende Störung hervorrufen konnte, aber andere Forscher, wie z. B. Bergmann ss ), konnten der- 29) Eberih: Centralblatt f. d. med. Wissenschaften. 1873. No. 8 u. 19. 30) Leber: Centralblatt f. d. med. Wissensch. 1873. No. 9. 31) Stromeyer: ibid. No. 21. 32) Dolschenkow. ibid. No. 42 und 43. 33) Anton Frisch : Experimentelle Studien über die Verbreitung der Fäulniss- organismen in den Geweben und die durch Impfung der Cornea mit pilzhaltigen Flüs- sigkeiten hervorgerufenen Entzündungserscheinungen. Erlangen 1874. Fr. Enke. 34) Birch-Hirschfeld: Die neueren pathologisch-anatomischen Untersuchun- gen über Vorkommen und Bedeutung niederer Pilzformen (Bacterien) bei Infec- tionskrankheiten. Schmidt's Jahrbücher. Bd. 166. 1875. S. 187. 35) E. Bergmann: Zur Lehre von der putriden Intoxication. Deutsche Zeit- schrift f. Chir. 1. 4. S. 373. 1873. 184 Annahme der Gleichheit aller Bacterien. artige PhlegmoDen als eine sehr häufige Folge von Injectionen fau- liger Substanzen verzeichnen. Wohl erzielte Orth 3 ' 1 ) mit dem mikrokokkenhaltigen Inhalt von Erysipelblasen eine mit Röthung und Infiltration der Haut einher- gehende, in derselben Weise wie das Erysipel sich ausbreitende fieberhafte Affection bei Kaninchen, aber Lukomsky 3 ') erzielte sowohl mit Inhalt von Erysipelblasen, als auch mit Fäulnissinfusen rasch sich verbreitende, stark phlegmonöse Unterhautentzündung mit be- deutender Betheiligung der Cutis, bei welcher sich ebenso wie beim Erysipel da, wo der Process im Fortschreiten begriffen war, Mikro- kokken in grosser Anzahl in den Lymphgefässen und Saftkanälen vorfanden. Also auch das Thierexperiment ergab keine sicheren Anhalts- punkte für eine Unterscheidung der bei den verschiedenen Krank- heiten gefundenen Bacterien. Da somit jene Bacterien weder durch morphologische Kriterien, noch durch die Kultur, noch durch das pathologische Experiment von einander und von den Fäulnissbacte- rien unterschieden werden konnten, so kann es nicht überraschen, dass viele Forscher auf die Unterscheidung von pathogenen und saprogenen Bacterien überhaupt verzichteten und alle jene Bacterien für gleich erachteten, eine Anschauung, welche in der Aufstellung der Coccobacteria septica durch Billroth ihren Ausdruck fand. Aus der Annahme der Gleichheit aller Bacterien folgte dann aber nothwendig, dass die Bacterien nicht die Ursache der verschiedenen Krankheiten sein, sondern nur ein Epiphänomen derselben darstellen konnten. Für eine solche Ansicht, d. h. gegen eine ursächliche Be- theiligung der Bacterien an den Krankheitsprocessen, sprach auch die von vielen erfahrenen Beobachtern constatirte Thatsache, dass bei denselben Krankheitsprocessen Bacterien bald gefunden, bald aber auch vollkommen vermisst wurden, sowie dass in einer nicht minder grossen Zahl von Fällen die Menge der nachweisbaren Bac- terien durchaus nicht im Verhältniss stand zur Schwere der beob- achteten Krankheitserscheinungen. Nun gab es aber eine ganze Gruppe von Krankheiten, für welche man von jeher die Fäulnissprocesse als ätiologische Momente anzu- sehen gewohnt war: die grosse Gruppe der Wundkrankheiten. Die nach schweren Verletzungen auftretenden, durch kaum er- träglichen Gestank die Luft der Krankensäle verpestenden Eiterungen 36) Obth: Untersuchungen über Erysipel. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. 1. Heft 2 (ausgegeben am 18. April 1873). 37) Ltjkomsky: 1. c. Fäulniss und Wundkrankheiten. 185 und Jauchungen lieferten den unwiderleglichen Beweis, dass am lebenden Körper die intensivsten Fäulnissprocesse vor sich gingen. Ueberaus zahlreiche Versuche an Thieren lehrten die deletären Wir- kungen fauliger Substanzen auf den thierischen Organismus kennen. Da nun die Fäulniss ausserhalb des Körpers nach den bahnbrechen- den Versuchen von Schwann, Schroeder uud Dusch und ganz be- sonders von Pasteur durch Bacterien bedingt war, so mussten auch die Fäulnissprocesse an der Wunde durch die gleichen Keime be- dingt sein. Die glänzenden Erfolge der fäulnissverhütenden, „anti- septischen" Wundbehandlung Lister's legten Zeugniss dafür ab, dass mit der Verhütung der Fäulniss ein ungestörter Heilungsverlauf der Wunden Hand in Hand ging. Wenn man nun aber annahm, dass die Überall verbreiteten Bacterien der Fäulniss die Entstehung der Wund- krankheiten bedingten, so entstand die Frage: Weshalb bewirkten die Fäuluissbacterien so viele klinisch ganz verschieden verlaufende Krankheiten ? Weshalb erzeugten sie bald Pyäinie, bald Septicämie, bald Erysipelas, bald Hospitalbrand, bald Diphtherie? Wie war es zu erklären, dass nach Einführung bacterienhaltiger Faulstoffe die Thiere bald an schweren jauchigen Phlegmonen, bald an einfachen Abscessen, bald an geringen localen Entzündungen erkrankten, bald an foudroyanter Septicämie zu Grunde gingen, bald überhaupt nicht krank wurden'? Hier gab es nur zwei Möglichkeiten der Erklärung. Entweder waren in den Faulstoffen verschiedene Bacterien enthalten, welche die verschiedenen Affectionen erzeugten, oder aber, wenn die Bacterien stets die gleichen waren, es mussten andere, ausserhalb der Bacterien liegende Momente die Ursache jener Verschiedenheiten sein. Da nun, wie wir sahen, für die erstere Annahme überzeugende Be- weise nicht beigebracht werden konnten, so bemühte man sich diese anderen Momente näher zu ergründen. Nachdem durch die Unter- suchungen von Panum, Bergmann und Schmiedeberg, Sonnenschein, Zülzer u. A. das Vorhandensein chemischer Producte von intensiv giftiger Wirkung in den Faulstoffen sicher gestellt war, suchte man die verschiedenen Wirkungen der Fäulniss durch quantitative und auch qualitative Verschiedenheiten jener Fäulnissgifte zu erklären. Dass die Quantität jener giftigen Substanz nicht ohne Bedeutung war, dafür konnte man die Thatsache ins Feld führen, dass ohne jeden Zweifel mit der Grösse der Dosis der injicirten septischen Substanzen die Schwere der nachfolgenden Erkrankung in Einklang stand, dass kleinere Dosen häufig ganz ohne Wirkung blieben, mittlere nur mehr weniger bedeutende Fieberbewegungen, grosse Dosen dagegen meist den Tod der Thiere zur Folge hatten. 186 Verschiedenheit der Giftigkeit derFaulstoffeje nach dem Stadium der Fäulniss. Für qualitative Verschiedenheiten jenes Stoffes sprechen die Ver- suche Samuel's 3s ) über die Wirkungen, welche eine langsam faulende Muskelsubstanz in den verschiedenen Stadien des Fäuluissprocesses auf Thiere hervorbrachte. Bei diesen Versuchen fand Samuel sehr erhebliche Unterschiede in der Wirkung je nach dem Stadium der Fäulniss. Er constatirte, dass zunächst ein phlogogenes Stadium ein- trat, in welchem nach der Impfung nur „Resolutionsentzündungen" entstanden, dass dann ein septogenes folgte, charakterisirt durch sep- tische Gangrän, Septicaemia fulminans, progressive Jauchung, Ery- sipels malignum und Erysipelas simplex und dass schliesslich ein rein pyogenes Stadium, dessen Signatur recht kräftige Eiterungen mit von Anfang an sehr starken Congestionen waren, den Abschluss bildete. Als Reagens diente ihm das Kaninchenohr. Die Stadien waren von verschiedener Dauer, gingen auch vielfach in einander über; bisweilen fehlte auch wohl das eine oder das andere Stadium gänzlich. So fand Samuel z. B., dass bei Muskeln, welche von an Sepsis gefallenen Thieren stammten, das phlogogene Stadium ganz ausblieb, und dass das mit solchem Material angesetzte Wasser oft sogleich septische Wirkung ausübte, nachdem es nur einige Stunden mit demselben in Berührung gewesen war. Mit den Thierversuchen liess Samuel stets Hand in Hand gehen eine mikroskopische Unter- suchung der faulenden Substanz. Dabei machte er die interessante Beobachtung, dass mit der Aenderung der Impfwirkung auch das mikroskopische Bild sich allmählich änderte. Während im ersten Stadium die lebhaft beweglichen Stäbchen des Bacterium termo sich fanden, traten nach 8—14 Tagen zahlreiche rosenkranzförmige Sporen- ketten auf, welche allmählich auch wieder verschwanden, so dass nach 4—6 Wochen die Flüssigkeit ein ganz neues Bild bot. Gerade Fädchen (Bacillusformi und wellig gelockte (Vibrioform) erfüllten in ungeheuren Mengen die Flüssigkeit und fesselten den Beschauer nicht bloss durch die Lebendigkeit, sondern auch durch die scheinbare Selbstständigkeit ihrer Bewegungen. Der Höhepunkt dieser Ent- wicklung fiel mit der Höhe des septogenen Stadiums zusammen, je- doch nicht immer. Dann, im Winter nach 4 — 5 Monaten, machte dieses Bild dem einer gleichmässigen sämigen Sporen- und Detritus- masse Platz, mit deren Bildung das Ende des septischen Stadiums erreicht war. Neben den ruhenden Sporen traten nunmehr glänzende bewegliche Bacterien auf, welche keine Aehnlichkeit hatten mit den 3S) S. Samuel: Ueber die Wirkung des Fäulnissprocesses auf den lebenden Organismus. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. I. Heft 4 und 5 (ausgegeben am 2U. August 1S73). Billboth's „phlogistisches und septisches Zymoid". 187 Arten in den anderen Stadien, und damit war das pyogene Stadium erreicht. Nähere Angaben über die in den erzeugten Processen im Thierkörper sich findenden Bacterien machte Samuel nicht; bei der Septicämie fand er im Blute nie Bacterien, bei der progressiven Jauchung „eine Menge von Sporen aber wenig ausgebildete Bacterien- formen. " Ueber die Beziehungen der Bacterien zu den Krankheits- processen hegte Samuel die Vorstellung, dass als Causa proxima der septischen Gangrän und der fulminanten Septicämie, der furcht- barsten Wirkungen der Fäulniss, nur die chemischen Potenzen der Bacterien anzuerkennen seien, während die progressiven septischen Processe, die progressive Jauchung, das Erysipelas malignum und das Erysipelas simplex die Leistung der Bacterien seien, „welche durch ihr Leben, ihre Theilung und ihre Wanderung Propaganda mit den Stoffen machten, deren Träger sie seien." Sein von vielen Aerzten in jener Zeit getheilter Standpunkt ist treffend charakterisirt durch die Worte : „ Unter der Bezeichnung progressive septische Pro- cesse fassen wir eine Anzahl von Krankheiten zusammen, deren ge- meinsamer Ursprung aus Fäulnissbacterien nachweisbar ist, ein Ur- sprung, dem sie auch sämmtlich den progressiven Charakter verdanken, der durch die Proliferation und Migration der Bacterien bedingt ist. Zweifellos gehören auch die Osteomyelitis ichorosa, Parametritis, die Peritonitis puerperalis und andere analoge progressive Erkrankungen septischen Ursprunges hierher, deren besondere Form nur durch die Eigenthlimlichkeiten der Gewebe und Organe bedingt ist, in denen sie auftreten. Es ist eine ganze Krankheitsgattung, um die es sich handelt, mit gemeinsamen Charakteren bei grossen anatomischen und geringen ätiologischen Differenzen." Billkoth's Anschauungen waren, wie wir bereits sahen, wieder andere wie die Samuel's. Billroth war der Ansicht, dass es ge- wisse Formen von Bindegewebsentzündungen gäbe, welche man als Erysipel, Phlegmone, Diphtherie bezeichne. In diesen entwickele sich das „ phlogistische Zymoid ", welches den Körper zur Aufnahme des Micrococcus geeignet mache. Ebenso spiele bei der putriden Infection das „ septische Zymoid " die Hauptrolle, die Bacterien seien nur von untergeordneter Bedeutung. Die Stoffe, welche Wundfieber, Septicämie und Pyämie erzeugten, hielt Billroth für nahe verwandt wenn nicht identisch. Dieses Gift bedinge je nach der Art der Bei- mischung und je nachdem es schubweise oder continuirlich resorbirt werde, die verschiedenen klinischen Bilder. Nur als Träger und ev. auch Vermehrer des Zymoids hatten nach Billroth die Coccobac- teria-Vegetationen i. e. die Fäulnissbacterien eine Bedeutung. Jeden- 188 Die verimpfbare Septicämie. falls war nach seiner Auffassung der chemische Körper das Wesent- liche, die Bacterien nur etwas Secundäres oder Consecutives. Alle natürlichen und künstlichen Wundinfectionskrankheiten konn- ten zur Noth unter Zuhilfenahme gewisser freilich noch unbewiesener Voraussetzungen erklärt werden durch ein chemisches Agens, an dessen Bildung und Uebertragung Bacterien vielleicht betheiligt waren. Aber eine Beobachtung war bei den Versuchen, Kaninchen mit faulenden Stoffen zu inficiren, schon frühzeitig gemacht worden, welche von den Anhängern der Lehre von der Existenz specifischer pathogener Arten unter den Bacterien als das classische Beispiel einer durch ein specifisches vitales Agens erzeugten Krankheit angesehen wurde und gegen die Vertheidiger der chemischen Natur der Infectionsstoffe immer wieder ins Feld geführt werden konnte. Es war dies die, wie Dävaine angiebt, zuerst von Mägendie gemachte aber nicht veröffentlichte, dann aber durch die Untersuchungen von Coze und Feltz 89 ) in weiteren Kreisen bekannt gewordene Beobachtung, dass das Blut von Kaninchen, welche mit putriden Stoffen, faulendem Blut, Blut von Pyämischen, Puerperalkranken, Scharlach-, Variola- und Typhuskranken inficirt waren, sich von Thier zu Thier über- tragen Hess, dass ferner die Quantität Kaniuchenblut, welche zur Uebertragung der Krankheit genügte, sehr viel geringer war als die Menge faulenden Blutes, welche zur ersten Infection eines Kanin- chens nothwendig gewesen war, dass endlich mit jeder neuen Ueber- tragung die Virulenz dieses Kaninchenblutes zunahm in der Art, dass mit jeder weiteren Uebertragung die Infection mit immer kleineren Dosen desselben gelang. Auch Klein und Burdon -Sanderson 40 ) hatten eine ähnliche Zunahme der Virulenz septischer Flüssigkeiten constatirt, wenn sie dieselben Meerschweinchen in die Bauchhöhle einspritzten. Die über das Zustandekommen dieser progressiven Viru- lenz von Davaine 41 ) angestellten Versuche hatten dann, zumal sie vor der Akademie der Medicin zu Paris verhandelt wurden, das allgemeine Interesse auf diesen Gegenstand gelenkt. Davaine's über- aus zahlreiche und sorgfältige Versuche Hessen keinen Zweifel dar- über zu, dass erstens durch faulende Stoffe der verschiedensten Art eine nach einem deutlichen Incubationsstadium in kürzester Frist, 39) Coze et Feltz : Recherches experimentales sur la prösence des ini'usoires etc. Ötrassburg 186(3. 40) Burdon - Sanderson : On the Pyaemie. Pathological society of London. T. niay 1872. 41) Davaine: Recherches sur quelques questions relatives älasepticemie. Bulletin de l'acad^mie de medecine ä Paris. Septembre 1872. Octobre 1872. Janvier 1873. Die progressive Virulenz septicämischen Blutes. 189 innerhalb 24 — 36 Stunden, zum Tode führende, mit Milzschwellung, im Uebrigen aber ohne anderweitige pathologische Veränderungen einhergehende , mit kleinsten Mengen Blutes von Thier zu Thier übertragbare Krankheit bei Kaninchen erzeugt werden konnte , und dass zweitens die Virulenz des Blutes solcher Thiere mit jeder neuen Uebertragung in wahrhaft erstaunlicher Weise zunahm. Als Davaine in einer fortlaufenden Reihe von Uebertragungen von Kaninchen zu Kaninchen, bei welcher er mit jeder Generation die Dosis des zur Infection verwandten Blutes verringerte, bei dem 24. Kaninchen an- gelangt war, hatte ein Tropfen des mit der trillionenfachen Menge Wasser verdünnten Blutes dieses Thieres genügt, um bei anderen Kaninchen mit Sicherheit dieselbe rapide tödtende Krankheit zu er- zeugen. Davaine hatte dann weiter constatirt, dass es nicht mit jedem faulenden Blut gelänge, die übertragbare Krankheit bei Kanin- chen zu erzeugen. Lange Zeit faulendes Blut hatte er vielfach un- wirksam gefunden. Er hatte deshalb geglaubt, dass der Infections- stoff durch die eigenen Producte der Fäulniss zerstört würde, ebenso wie die Bierhefe durch den von ihr gebildeten Alkohol vernichtet wurde. Die grössere Virulenz des Blutes septisch inficirter Thiere gegenüber der des faulenden Materiales, welches zur Infection ge- dient hatte, hatte er sich in der Weise erklärt, dass der übertrag- bare Stoff im lebenden Blute durch die anderen bei der Fäulniss gebildeten Producte weniger beeinflusst würde, weil diese aus dem Blute ausgeschieden würden. Blutproben, welche im Brütapparat zur Absorption der Fäulnissgase mit Kohle gemischt waren, hatten sich in Uebereinstimmung mit seiner Annahme virulenter erwiesen als Proben ohne solchen Zusatz. Die überraschenden Mittheilungen Davaine's regten naturgemäss eine grosse Zahl von Forschern an sich von deren Richtigkeit durch eigene Versuche zu überzeugen. Das Ergebniss dieser von Bouley 42 ), Behier"), Liouville, Leblanc 44 ), Vulpian, Colin 45 ), Raynaud 40 ), Clementi 47 ), Thin undDitEYER 4S ) angestellten Controluntersuchungen 42) Bouley: Bulletin de l'academie de mäd. Septembre 1872. 43) Behier et Liouville: ibid. Fevrier 1873. 44) Leblanc et Vulpian: ibid. Avril 1873. 45) Colin: ibid. Octobre 1S73. 46) Raynaud : Etudes experimentelles sur l'inoculabilite' du sang dans un cas de pyohtSniie spontane^. Gazette hebdomadaire. 1873. No. 14. 47) G. Clementi und G. Thin : Untersuchungen über die putride Infection. Wiener med. Jahrb. 1873. III. 1-12. Centralblatt f. d. med. W. 1873. No. 45. — Gesualdo Clementi: Experimentelle Untersuchungen über das Vorkom- men von Bact. im Kaninchenblut bei Septicämie. Centralbl. f. d. med. W. 1873. No. 45. 4S) W. Dkeyek: Ueber die zunehmende Virulenz des septischen Giftes (Da- 190 Der Streit über die Natur des septiciimischen Giftes. war das, dass die Angaben Davaine's im wesentlichen als richtig anerkannt wurden. Nur zeigte es sich, dass nicht bei allen Thier- arten die Erzeugung der übertragbaren Krankheit gelang, dass Pferde, Esel und Hammel, namentlich aber Fleischfresser, Hunde und Ratten, sich nahezu unempfänglich gegen die septische Infection erwiesen, während in erster Linie Kaninchen, dann aber auch Meerschweinchen, Mäuse und Sperlinge eine ausgesprochene Disposition für dieselbe darboten. Auch ergab sich, dass das septicämische Blut einer Thier- gattung im Körper anderer Thiergattungen nicht nothwendig wirk- sam war, dass z. B. sehr wirksames septicämisches Kaninchenblut Hunde nicht krank machte (Dreyer). Die von Davaine aufgestellten Gesetze, dass das septicämische Blut absolut perniciöser sei als das einfach putride und dass das septicämische Gift durch fortgesetzte Uebertragung von Thier zu Thier (Kaninchen zu Kaninchen) an Ge- fährlichkeit zunehme, erschienen über jeden Zweifel erhaben. Wie aber waren nun diese Thatsachen zu erklären? Welcher Natur war jenes septicämische Gift? Handelte es sich auch hier um einen chemischen durch die Fäulniss gebildeten giftigen Stoff, welcher sich innerhalb des Körpers in ein Contagium verwandelt hatte, oder aber um ein belebtes Agens, welches sich in dem Thier- körper mit wachsender Schnelligkeit vermehrte, resp. einen immer giftigeren Stoff ausschied? Die unzweifelhafte Reproductionsfähig- keit des infectiösen Stoffes drängte naturgemäss zur Annahme eines belebten Agens. Da die faulenden Stoffe stets reich an Bacterien waren, so lag die Vermuthung nahe, dass in diesen Bacterien das Virus zu suchen sei. Waren aber Bacterien im Spiel, so mussten sie auch im Blute mit Hilfe des Mikroskopes nachweisbar sein. Ueber die Befunde von Bacterien im Blute der inficirten Thiere lauteten die Angaben der verschiedenen Forscher aber wenig übereinstimmend. Coze und Feltz hatten constant bei den septischen Infectionen die rothen Blutkörperchen stachelförmig, mit Zacken besetzt und von Körnchen erfüllt gefunden, und hatten gemeint, dass diese Ver- änderungen durch Einwandern von Bacterien entstanden sein könnten. Diese Ansicht war, wie wir bereits sahen, auch von Hueter adoptirt worden, wurde aber von anderen Forschern, Max Wolfp 49 ), Riess'' ), Hiller 51 ) als irrthümlich zurückgewiesen. Ausserdem aber hatten vaine). Archiv f. exp. Pathol. u. Pharm. Bd. 2. Heft 2 und 3 (ausgegeben am 17. April 1S74). 49) Max Wölk?: Berl. klin. Wochenschr. 1873. S. 368. 50) Riess: üeber sogenannte Mikrokokken. C. f. d. m. W. 1873. S. 530. 51) Arnold Hillee: Ueber die Veränderungen der rothen Blutkörperchen durch Sepsis. C. f. d. m. W. 1874. S. 21—24. Ist es chemischer oder belebter Natur? 191 sie angegeben, Ketten von kleinen Pünktchen, Stäbchen und lange oscillirende und wurmförmig sich bewegende Fäden im Blute gesehen zu haben. Davaine, welcher selbst annahm, dass das Virus belebt sei und von den in den putriden Flüssigkeiten vorhandenen Bacterien herrühre, äusserte sich nicht Daher über deren Vorhandensein und Beschaffenheit im Blute. Behier und Liouville fanden in den un- mittelbar nach dem Tode des Thiers entnommenen Flüssigkeiten (Blut und Exsudate) eine Unzahl sich lebhaft bewegender Kugel- und Stäbchenbacterien und die Blutkörperchen beladen mit Kugel- bacterien von derselben Beschaffenheit und Lebhaftigkeit wie die frei in der Flüssigkeit schwimmenden. Vulpian fand bei der Unter- suchung der für die Impfung verwendeten verdünnten Blutmengen vorzugsweise zahlreiche Kügelchen, ausserdem aber auch Stäbchen; selbst bei einer Verdünnung von 1 : 1000 nahm er die Kügelchen noch in ziemlicher Anzahl wahr, auch bei der billionenfachen Ver- dünnung fand er sie bisweilen noch. Er schlug deshalb vor die Septicämie als Bacteriämie zu bezeichnen. Colin wiederum erkannte die körnigen Elemente im Blute nicht als Bacterien an. Clementi suchte die Frage nach der Bacteriennatur der meistens allein stehend, sehr selten zu zweien gefundenen Körnchen im Blute der Kaninchen durch Kulturversuche in PASTEUR'scher Flüssigkeit zu entscheiden. Da die mit Proben solchen Blutes besäte Kulturflüssigkeit sich nicht trübte, so schloss er, dass die toxische Wirkung des Durchgangs- blutes nicht auf Bacterien zurückzuführen sei. Auch Deeyer, welcher im Blute sämmtlicher an Septicämie gestorbener Thiere „isolirte und Haufen von kleinen Körnchen (Kugelbacterien) und isolirte Stäbchen- formen (jedoch seltener)" nachzuweisen vermochte, verwahrte sich ausdrücklich dagegen, dass die zunehmende Virulenz septieämischen Blutes bei fortgesetzter Uebertragung auf Vermehrung von Bacterien beruhe. Nie habe er nachweisen können, dass das septieämische Blut der 8. Generation mehr Bacterien enthalten habe wie das der 2. oder 3. Mit besonderem Nachdruck trat Onimus i2 ) der Annahme entgegen, dass die Bacterien bei der Septicämie eine wesentliche Rolle spielen sollten. Er betonte, dass die Virulenz der geimpften putriden Massen keineswegs parallel gehe der Menge der in ihnen enthaltenen Bac- terien: faules Blut sei oft sehr reich an Bacterien und zeige dennoch keine Wirkung, während im Gegentheil das so ausserordentlich viru- lente Blut septisch inficirter Thiere oft nur mit Mühe einzelne Bac- terien erkennen lasse. Onimus Hess ferner faules Blut verschiedener 52) Onimus: Injections de bacteries sans septicemie. Gaz.hebd. 1873. No. 10 u. 11 und Gaz. mt§d. 1S73. No. 11. 192 Haben die Bacterien für sich allein eine pathogene Wirkung? Provenienz, sowie septicämisches Blut durch Pergamentpapier in Wasser dialysiren. Nach kurzer Zeit fand er nicht nur diesseits des Papieres, sondern auch im Dialysat reichliche Mengen von seiner Meinung nach identischen Bacterien. Er nahm deshalb an, dass die Bacterien aus dem Blut durch die Poren des Papiers nach aussen gelangt seien. Gleichwohl war nur das Blut wirksam, das Dialysat aber unwirksam bei der Impfung. Die Bacterien konnten mithin nicht die Ursache der Virulenz sein. Im Gegensatz zu Onimus con- statirten dann wiederum Stricker :,:i ), Clementi und Thin, dass das Dialysat septicämischen Durchgangsblutes ausnahmlos und in hohem Grade giftig sei, ja sie fanden sogar, dass einige Stunden lang ge- kochtes Durchgangsblut seine Giftigkeit nicht verloren hatte. Diese Versuche standen zwar im Widerspruch mit denen von Onimus, sprachen aber gleichfalls gegen eine Mitbetheiligung lebender Orga- nismen an der septicämischen Infection. Aufgeklärt war trotz aller dieser Versuche die Entstehung des septicämischen Agens keineswegs. Ganz besonders erschwert wurde die Lösung der Frage nach der Bedeutung der Bacterien im septicämischen Blut dadurch, dass die Forscher die Begriffe faules Blut und septicämisches Blut nicht streng auseinander hielten. Der Grund dafür ist leicht ersichtlich. Die Septicämie der Thiere, charakterisirt durch die ausserordentliche Virulenz ihres Blutes, wurde ja erzeugt durch fauliges, septisches Blut. Waren Bacterien die Ursache der Septicämie, so erschien es eben selbstverständlich dass die Bacterien bei der Septicämie keine anderen sein konnten als die, welche in dem Material, mit welchem die Septicämie erzeugt wurde, vorhanden waren. So kam es, dass die Forscher von dem Studium der Bacterien im infectiösen Kanin- chenblut abgelenkt und immer wieder auf das der Bacterien in den faulenden Substanzen hingeführt wurden und dass es als Hauptauf- gabe erschien, womöglich darüber ins Klare zu kommen, ob den Bacterien in den septischen Flüssigkeiten eine Bedeutung für das Zustandekommen von septischen Erkrankungen, für die Schwere und Dauer der Krankheitserscheinungen und weiterhin ob überhaupt „den" Bacterien für sich allein irgend welche directe pathogene Wirkung beizumessen sei oder den neben ihnen in den verschiedenen Medien vorhandenen eventuell ihnen anhaftenden chemischen giftigen Stoffen. Zu diesem Behufe wurden die verschiedensten Versuche gemacht, die Bacterien von den Flüssigkeiten, in welchen sie sich fanden, zu 53) Steickbe: lieber die Vergiftung des Blutes durch die Producte der Fäul- niss. Vortrag gehalten in der Gesellschaft der Aerzte in Wien am 16. Mai 1873. Versuche die Bacterien von ihrem Nährboden zu trennen. 193 isoliren und die Wirkimg der Bacterien sowohl wie die der bacterien- freien Flüssigkeiten jede für sich zu prüfen. Bergmann"' 4 ) liess bacterienhaltige Flüssigkeit gefrieren und wiederaufthauen. Dabei senkten sich die Bacterien zu Boden. Die klare oberflächliche Schicht erwies sich erheblich weniger wirksam wie der bacterienreiche Boden- satz. Auch nach der von Klebs und seinen Schülern Zahn und Tiegel, zuerst angewandten Filtrationsmethode suchten viele Forscher die Bacterien abzuscheiden, gelangten aber durchaus nicht zu Über- einstimmenden Resultaten. Bergmann (1. c.) so wenig wie Wolff 55 ) gelang es ein vollkommen bacterienfreies Filtrat zu erzielen. Sie überzeugten sich, dass durch die zur Filtration benutzten Thoncylinder Bacterien hindurchgingen. Das bacterienarme Filtrat fanden sie aber weniger wirksam als die unfiltrirte Faulflüssigkeit, ein Ergebniss welches für eine Betheiligung der Bacterien an der Wirkung sprach. Küssner, ™) welcher Jauche der verschiedensten Art durch einen Glastrichter filtrirte, in welchem sich eine doppelte Lage Fliesspapier befand und dessen Hals mit ausgekochter Baumwolle dicht verstopft war, erhielt zwar ein bacterienfreies Filtrat, fand aber dass dasselbe die Versuchst!] iere ebenso prompt tödtete wie der Filterrückstand. Kehrer 57 ) wiederum fand das Thonzellenfiltrat relativ unwirksam d. h. niemals sah er Abscesse oder Phlegmonen nach der Injection des Filtrates auftreten. Er glaubte jedoch aus seinen Versuchen nicht schliessen zu können, dass „Vibrionen oder andere thierische oder pflanzliche Organismen Träger oder Erzeuger des Sepsins seien, da es noch unmöglich sei diese Organismen von anderen neben den- selben vorkommenden Molecülen zu trennen." Besonders wichtige Aufschlüsse erwartete man dann von den Iujectionen mit Bacterien, welche in unschädlichen, mineralischen Nährlösungen gezüchtet waren. Aber auch diese Versuche führten nicht zu unzweideutigen Ergebnissen. Während die Einen Abscesse, Phlegmonen, Allgemeinerscheinungen und nicht selten tödtlichen Aus- gang erzielten (Bergmann, Tiegel, v. Brehm 5S ) u. A.), sahen Andere nur unbedeutende von den Thieren schnell wieder überwundene Stö- rungen nach den Injectionen eintreten. Max Wolff, welcher in 54) Bergmann: Zur Lehre von der putriden Intoxication. Deutsche Zeitschr. f. Chirurgie. I. 4. S. 373. 1873. 55) Max Wolff: üeber Pilzinjectionen. C. f. d. m. W. 1S73. S. 115. 56) B. Küssner, cand. med.: Zur Bacterienfrage. C. f. d. m. W. 1873. S. 500. 57) F. A. Kehrer: üeber das putride Gift. Arch. f. exp. Path. u. Pharm. Bd. II. Heft 1 (ausgegeben am 3. Februar 1S74). 58) H. v. Brehm: Zur Mycosis septica. Diss. inaug. DorpatlS72. Löffler, Vorlesungen. 13 194 Hilleb wäscht isolirte Bacterien mit destillirtem Wasser aus. zahlreichen Versuchen die Wirkungen septischer Substanzen mit denen gezüchteter Bacterien verglich, hatte folgende Resultate : Von 12 mit Eiter von Pyämikern inficirten Meerschweinchen gingen 11 in kurzer Zeit zu Grunde, von 12 Meerschweinchen, welchen Kul- turen aus dem pyämischen Eiter beigebracht waren, dagegen nur 4. Von S mit dem Secret jauchig gangränöser Phlegmonen injicirten Meerschweinchen starben 7, von 10 mit grösseren Dosen der aus demselben Secret gezüchteten Bacterien behandelten nur 4. Die pyämische und septische Pilze enthaltenden Züchtungsflüssigkeiten waren mithin bei weitem weniger deletär als die fast absolut tödt- lich wirkenden Wundsecrete selbst. Wirkungslos jedoch waren sie auch nicht. Ueberall traten somit Widersprüche zu Tage bei den Versuchen, deren Aufklärung nicht gelang. Es würde zu weit führen alle diesbezüglichen Versuche im Einzelnen näher zu verfolgen, wir wollen uns deshalb darauf beschränken die anscheinend beweiskräftig- sten Versuche eines der energischsten Vertheidiger der chemischen Na- tur des septischen und septicämischen Giftes, die Versuche Hiller's 5 ") wiederzugeben. Hiller bemühte sich einmal die Organismen von den putriden Stoffen oder den Züchtungsflüssigkeiten möglichst voll- ständig zu trennen, zweitens sie dabei lebens- und actionsfähig zu erhalten und drittens sie in irgend eine zum Experiment verwend- bare Form zu bringen. Er schied die Fäulnissorganismen „in den verschiedensten Vegetationsformen und den mannigfachsten Entwicke- lungsstadien " aus den verschiedenartigsten faulenden Stoffen ab, theils durch wiederholte Filtration durch Thonzellen (nach dem Vorgange von Tiegel), theils durch Diffusion durch thierische Membranen (nach Onimus), theils durch Gefrierenlassen und Wiederaufthauen nach der von Bergmann angegebenen Methode, endlich auch durch Abheben zarter Bacterienhäutchen, welche sich an der Oberfläche von Flüssigkeiten gebildet hatten, mit einem Glasstabe. Die so ge- wonnenen Bacterien suchte Hiller durch nachfolgendes Auswaschen mit destillirtem Wasser von allen ihnen anhängenden giftigen Stoffen zu befreien. Die ausgewaschenen Bacterien vertheilte er in destillir- tem Wasser, und injicirte die gleichmässig getrübte, lichtgraue Isola- 59) Arnold Hiller: Untersuchungen über die Bacterien und ihre Beziehun- gen zum lebenden Organismus. Allg. med. Centralzeitung. 1874. No. 1 u. 2. — Der Antheil der Bacterien am Fäulnissprocess, insbesondere der Harn- iäulniss. C. f. d. m. W. 1874. S. 833 und 849. — Ein experimenteller Beitrag zur Lehre von der organisirten Natur der Contagien und von der Fäulniss. Vortrag gehalten auf dem IV. Chir.-Congress 1875. v. Langenbeck's Archiv f. klin. Chirurgie. Bd. 18. S. 669 — 697. — Die Lehre von der Fäulniss. Berlin 1879 (August Hirschwald). Die „reinen" Bacterien erweisen sich unschädlich. 195 tionsflüssigkeit, welche, wie Controlaussaaten in PASTEUR'sche Lösung ergaben, unzweifelhaft entwicklungsfähige Bacterien enthielt, zahl- reichen Thieren, Hunden, Kaninchen und Fröschen, in der Dosis von 0,5 — 8 ccm unter die Haut, in die Rückenmuskulatur und in das Gef ässsystem , ja sogar sich selbst in der MeDge von einer halben PEAVAz'schen Spritze unter die Haut des linken Vorderarms, ohne jemals „ Entzündung oder Fieber oder irgend einen anderen derjeni- gen Krankheitszustände hervorzurufen, welche man unter dem Namen der septischen oder putriden Infection zusammenfasste. " Eine besondere UÜ J Versuchsreihe stellte Hiller zu dem Zwecke an, das Verhältniss der Bacterien zur frischen Wunde und zur Eite- rung genau zu prüfen. Niemals gelang es ihm, „Wunden, die auch unter anderen Verhältnissen nicht geeitert haben würden, z. B. sub- cutane Wunden, oberflächliche Hautwunden von Kaninchen, durch Bedecken mit Milliarden isolirter kleinster Organismen in Eiterung zu versetzen, auch niemals die Salubritätsverhältnisse einer sonst gutartigen, aber eiternden Wunde bei Hunden durch tägliche Be- rieselung mit einer bacterienreichen Isolationsflüssigkeit wirklich zu verschlechtern. " Für die Unschädlichkeit der Bacterien, wie Hiller sie vertrat, schien auch die von verschiedenen Seiten, so besonders von H. R. Ranke 01 ) betonte Thatsache zu sprechen, dass die Wundsecrete unter dem LiSTER'schen Verbände bei völligem Wohlbefinden der betreffenden Patienten zahlreiche Coccobacteria-Formen, namentlich aber Mikrokokken erkennen Hessen — eine Ansicht, gegen welche Birch- Hirschfeld ° 2 ) freilich erinnerte , dass Bacterien unter dem LiSTER'schen Verbände nicht in jedem Falle und vor allem nicht in Gliaform vorhanden seien, auch nicht in solcher Menge wie in den Fällen, in welchen nicht nach Lister verfahren sei, und dass die Mikrokokken aus dem Wundsecret bei LiSTER'schen Verbänden an Vitalität eingebüsst hätten, da sie in PASTEUR'scher Flüssigkeit nur sehr spärlich oder gar nicht wüchsen und bei der Impfung unter die Haut von Kaninchen ohne Wirkung wären. Durch seine zahlreichen eingehenden Versuche hielt sich Hiller zu dem Schlüsse berechtigt: „dass die Bacterien an und für sich das giftige Princip in faulenden Substanzen nicht sein könnten, son- dern dass dies ein Stoff sein müsse, welcher den Organismen nur 60) Hillek: Bacterien und Eiterung. Chirurg. Centralblatt. I. 1874. 33. 61) H. R. Ranke: Die Bacterien-Vegetation unter dem LisiBK'schen Verbände. Chir. Centralblatt. I. 1874. 13. 62) Bikch-Hibschfeld : 1. c. Schmidt's Jahrbücher. 1875. S. 197. 13* 196 Die septische Infection ist eine chemische Intoxication. anhafte, möglicherweise auch von ihnen (wie in den Züchtungsflüssig- keiten) erzeugt werde, aber jedenfalls durch Auswaschen von den- selben sich trennen lasse." Der durch die Arbeiten zahlreicher Forscher, namentlich von Panum, Bergmann und dessen Schülern gelieferte sichere Beweis, dass in faulenden Substanzen ein weder durch Kochen, noch durch Eindampfen, noch durch Behandeln mit bacterientödtenden Keagentien — absolutem Alkohol, concentrirter Schwefelsäure, Bleiessig u. dgl. — zerstörbares, in Wasser lösliches Gift chemischer Natur vorhanden ist, erschien ihm als willkommene Ergänzung seiner eigenen Ver- suche über die Unschädlichkeit „reiner Bacterien ". Das Wesen der „septischen Infection" schien nun vollkommen geklärt: Dieselbe konnte nicht, wie andere Forscher, Klebs, Birch-Hieschfeld u. a. bewiesen haben wollten, eine Pilzkrankheit, eine septische Mycose sein, sondern war nur eine durch Fäulnissproducte bedingte chemische Intoxication. Auch die vitale Natur des impfbaren Giftes der Septicämie hielt Hiller auf Grund der Versuche von Stricker, Clementi und Thin für sicher widerlegt. Eine einfache Rechnung 03 ) führte ihn zu dem gleichen Ergebniss. Wenn ein Micrococcus die Ursache der Septicämie wäre, so müsste ein Billiontel Tropfen Blut, welcher ja noch wirksam sei, wenigstens noch einen Micrococcus, der ganze Tropfen mithin wenigstens eine Bil- lion Mikrokokken enthalten. Eine Billion Mikrokokken würde aber, der Durchmesser eines Micrococcus zu '/i°oo mm gerechnet, 1 cem einnehmen, während der Raum eines Tropfens nur etwa 50 emm, also den 2üsten Theil davon betrage. Jedenfalls würde der ganze Tropfen, wenn er die Billion Bacterien überhaupt fassen könnte, gar nicht mehr flüssig, sondern zu einer schwer beweglichen, breiigen Masse erstarrt sein. Mit der Thatsache der Wiedererzeugung des Giftes im Thier- körper fand sich Hiller Ij4 ) dadurch ab, dass er einige „ ohne Zweifel nicht parasitäre" Krankheiten, wie Syphilis und Intermittens , als Analoga anführte, bei welchen ja ebenfalls eine Reproduction des Giftes statthabe. Am wahrscheinlichsten schien es ihm, dass es sich dabei um eine Art Fermentwirkung des Giftes handle. Die Steige- rung der Virulenz bei fortgesetzter Transmission, könne man, meinte er, sich in der Weise erklären, dass das Gift bei jeder nachfolgen- 63) Hillek: Die Lehre von der Fäulniss. S. 1C6 u. 170. 64) Hiller: Der erysipelatöse Entzündungsprocess. Berl. klin. Wochenschr. 1874. 48. Hiller's Erklärungen für die Bacterienfunde in inneren Organen. 197 den Regeneration entweder in immer grösserer Reinheit oder in immer stärkerer Concentration auftrete. Auch dasjenige Factum, welches am meisten gegen die von ihm behauptete Unschädlichkeit der Bacterien sprach, die zahlreichen Bacterienfunde in den Organen von Leuten, welche an infectiösen Krankheiten gestorben waren, glaubte Hiller in hinreichender Weise erklären zu können. Eine ganze Anzahl der sog. Mikrokokkenfunde hielt er überhaupt für nicht sicher erwiesen 65 ), da die gefundenen Körnchen nicht durch tadellose optische oder chemische Kriterien von albuminösem oder fettigem Detritus unterschieden seien, wie z. B. in den Arbeiten von Burkart und Heiberg. Gegen die von Lukomsky beim Erysipel gefundenen Mikrokokken erhob er die gleichen Be- denken 05 ); auch meinte er, dass die von Lukomsky beschriebene Ausbreitung seiner Mikrokokken an der Grenze der entzündeten Partie mit der sonst beobachteten Art und Weise der Ausbreitung von Bacterien in den Geweben nicht übereinstimme, insofern als stets am Orte der Invasion die grösste Zahl von Bacterien, mit der Entfernung von dieser Stelle aber stets eine geringere Zahl derselben nachweisbar sei. Auch bei dem Erysipelas sei das Wesentliche ein chemisches Agens, ein septisches Gift, welches von der Haut aus in die Lymphgefässe und Saftkanälchen und dann auch in die Venen eindringe, und nun im Blute seine Wirkung entfalte, zur Gefäss- dilatation, Blutüberfüllung, Stromverlangsamung u. s. w. Anlass gebe. Für diejenigen Fälle aber, in welchen über die Bacteriennatur der in den Organen aufgefundenen Körnchen Zweifel nicht bestehen konnten, nahm Hiller mit Billroth an, dass stets erst eine physika- lische oder chemische Störung hätte vorhergegangen sein müssen, ehe sich die Bacterien hätten entwickeln können. Mit Billroth vertheidigte er den Satz, dass im lebenden gesunden Körper die Bacterien sich nicht zu vermehren vermöchten, oder wie Billroth's Fassung lautete, dass die Coccobacteriensporen nicht im Stande seien, die Eiweisskörper in der Form, in welcher sie sich im lebenden Or- ganismus fänden, zu assimiliren. Zugleich aber hielt es Hiller nach den Erfahrungen von Billroth und Tiegel 66 ) über das con- stante Auftreten von Bacterien in frischen thierischen, unmittelbar nach der Entnahme in Paraffin eingetauchten Organtheilen für er- wiesen, dass im lebenden Körper, nicht nur im Intestinaltractus, son- 05) Hiller: Kritische Bemerkungen über Endocarditis bacterica. Viechow's Archiv. Bd. 62. 3. S. 336. IST 5. (1(3) E. Tiegel: Ueber Coccobacteria septica (Billroth) im gesunden Wirbel- thierkörper. Virchow's Archiv. Bd. 60. S. 453-470. 1S74. 198 Die Bacterien sind stets eine Folge der Erkrankung. dern auch in den inneren Organen, im Blut, Bacterien stets vorhan- den seien, welche erst dann, wenn irgend wo eine Ernährungs- oder Circulationsstörung Platz gegriffen hätte, in den abgestorbenen resp. kranken Producten einen Boden für ihre Entwicklung fänden. Nie- mals seien somit die Bacterien das Primäre, Krankmachende, son- dern stets nur etwas Secundäres — eine Folge der Erkrankung. So sehen wir denn, dass mit den Untersuchungen Hilleu's die ganze Lehre von den pathogenen Bacterien in Frage gestellt war. Die Keaction gegen Hiller Hess indessen nicht lange auf sich warten. Vierzehnte Vorlesung. Die weitere Entwickelung des Bacterienstreites. Viele Forscher finden keine Bacterien im Blut und in den Geweben des gesunden Körpers. Die Versuche von Traube und Gscheidlen und von Landau. Panum's Anschauungen. Panum will die „putride Intoxication" streng von der „Septicämie" trennen. Hiller's Gegner. Klebs' Einwände. Weigert's eingehende Kritik aller gegen die Exi- stenz specifischer Arten unter den Bacterien beigebrachten Gründe. Hiller's Replik. Weigert's Duplik. Die neue Aera beginnt mit der Einfuhrung neuer Untersuchungs-Methoden in die Bacterienforschung. Den Untersuchungen derjenigen Forscher, welche die „septische Infection " nicht den „ unschädlichen " Bacterien, sondern den bei der Fäulniss gebildeten giftigen Stoffen zur Last legen wollten, welche stets erst irgend eine physikalische oder chemische Veränderung des Körpers postulirten, damit die in den Geweben präexistirenden Keime zur Entwicklung gelangen könnten, standen nun aber eine ganze Reihe von Thatsachen gegenüber, welche von vornherein zu schwer- wiegenden Bedenken gegen die Richtigkeit jener Versuchsergebnisse berechtigten. Was zunächst die principiell wichtige Behauptung der Präexi- stenz entwicklungsfähiger Keime im Blut und in den Geweben ge- sunder Individuen anlangt, so hatten zuverlässige Mikroskopiker, wie Rindfleisch und Riess bestimmt erklärt, niemals Bacterien im norma- len Blut gefunden zu haben, und Klebs, Pasteur und Burdon-San- derson hatten in dem Blute gesunder Thiere, welches sie unter allen Cautelen gegen das Eindringen fremder Keime von aussen her direct aus der Ader entnommen hatten, niemals selbst bei langer Aufbe- wahrung eine Entwicklung von Fäulnissorganismen wahrgenommen. Die interessanten Versuche von Traube und Gscheidlen ') lehrten sogar, dass im Gegentheil das lebende Blut die Fähigkeit besitzt, Fäulnissorganismen in nicht geringer Zahl nach kurzer Zeit zu ver- nichten. Arterielles Blut von Kaninchen, welchen 24 oder 48 Stunden 1) M. Traube und R. Gscheidlen: Versuche über die Fäulniss und den Widerstand des lebenden Organismus gegen dieselbe. Sitzung der Schles. Ges. f. vaterländ. Cultur vom 13. Februar 1S84. 200 Die Versuche von Landau. Panum's Anschauungen. vorher 1,5 ccm einer bacterienreichen Flüssigkeit in die Jugularis injicirt waren, mit den nöthigen Cautelen in Glasröhrchen entnommen und aufbewahrt, faulte selbst nach Monaten nicht; erst wenn grössere Dosen solcher Flüssigkeiten dem Kannichen injicirt worden waren, ging das dem noch lebenden Thier entnommene Blut in Fäulniss über. Zu noch wichtigeren Resultaten führten die Versuche Lan- dau's 2 ). Auch das Blut von Wundfieberkranken, Septicämischen und Pyämischen, welches in gleicher Weise mit allen Cautelen in sterilisirten Glasröhren aufgefangen und aufbewahrt wurde, faulte nicht. Ebensowenig faulte das Blut von einem Abdominaltyphus- Kranken und von einem Variola- Kranken. Selbst das spirillenreiche Blut eines Recurrens- Kranken zeigte keine Spur von Fäulniss. Durch die Beobachtung, dass Blut, welches specifische Organismen enthielt, nicht faulte, war somit die Möglichkeit erwiesen, dass auch bei den accidentellen Wundkrankheiten specifische von den Fäulnissbacterien ganz verschiedene Organismen im Blute sehr wohl vorhanden sein konnten. Panusi 3 ), der Entdecker des chemischen Giftes in faulenden Substanzen, welcher den unumstösslichen Beweis geliefert hatte, dass bei der putriden Vergiftung von einer Wirkung mikroskopischer Or- ganismen nicht die Rede sein könnte, da solche Wesen die ver- schiedenen physikalischen und chemischen Einwirkungen, das stunden- lange Kochen, zur Trockne Dampfen, Digeriren mit kaltem und kochendem Alkohol u. s. w., nicht überstehen könnten — Panum selbst wies darauf hin, dass die Thatsache von dem Vorhandensein eines chemischen „putriden oder septischen Giftes" keineswegs mit der Theorie von der pathogenetischen Bedeutung der Bacterien und Pilze im Widerspruch stehe, indem es keine Schwierigkeiten habe anzunehmen, oder zu vermuthen, dass das betreffende chemische Gift von den betreffenden mikroskopischen Organismen (unmittelbar oder aus eiweissartigen Stoffen) erzeugt werden könne. Eine solche Annahme sei auch mit den Annahmen sehr wohl vereinbar, denen zu- folge fieberhafte Krankheiten (als Variola, Morbilli, Cholera u. s. w.) von specifisch verschiedenen Arten der mikroskopischen Organismen abhängig gemacht würden. Die Verschiedenheiten der Symptome in diesen Krankheiten könnten dann zum Theil, vielleicht alle davon abhängen, dass die specifisch verschiedenen mikroskopischen Orga- 2) G. Landau: Zur Aetiologie der Wundkrankheiten. Archiv für klinische Chir. XVII. 3. S. 527. 1874. 3) L. Paxcm: Das putride Gift, die Bacterien, die putride Intoxication und die Septicämie. Virch. Aren. Bd. 6(J. 1S74. S. 301. Der Begriff „Septicämie'' ist ein sehr unsicherer. 201 nismen auch specifisch verschieden wirkende chemische Gifte pro- ducirten. „So viel ist jedenfalls einleuchtend", fährt er dann fort, „dass diejenigen, welche meinen, dass man bei der gegenwärtigen Sachlage Partei ergreifen müsse, entweder für die Bacterien und gegen das „putride Gift", oder für das putride Gift und gegen die Bacterien, die Sachlage ganz missverstanden haben, einerseits, weil von der Parteinahme gegen eine erwiesene Thatsache ja überall nicht die Rede sein darf, und andrerseits, weil die betreffende Thatsache mit den zur Zeit beliebten Theorien sich sehr gut zu ver- tragen scheint." Mit scharfem Blick erkannte Panuji als Quelle der vielfach einander widersprechenden Theorien und Meinungen die ver- schiedene Bedeutung, welche die Forscher mit dem Begriffe „Septi- cämie" verbanden. „Bei solchen Untersuchungen", schreibt er, „dürfte es aber vor allen Dingen gerathen sein, Begriffsverwechselun- gen zu vermeiden, welche entstehen können, wenn man die Be- zeichnung „Septicämie" mehrfach in verschiedenem Sinne anwendet. Es ist schon misslich, dass die Kliniker den Begriff der Septicämie nicht gleichmässig auffassen, indem man früher bei Aufstellung des- selben den Typus vor Augen hatte, den man experimentell bei Thieren durch Injection putrider Stoffe in das Blut hervorrufen kann, neuer- dings aber, zum Theil von der hypothetischen gemeinschaftlichen Ursache der sogenannten Pyämie und der Ichorämie (oder Septicämie im engeren Sinne) ausgehend, den Begriff der Septicämie erweitert hat, indem man zum Theil die Grenze zwischen Septicämie und Pyämie hat fallen lassen und zum Theil selbst geneigt zu sein scheint, auch noch Hospitalbrand und Erysipelas in die Septicämie aufzu- nehmen. Noch misslicher wird es aber, wenn man auch bei ganz verschiedenen Klassen von Experimenten, durch verschiedene Ur- sachen hervorgerufene und untereinander verschiedene Symptomen- gruppen, gemeinschaftlich als „Septicämie" oder „septicämische Sym- ptome" bezeichnet. Schon bei der Klasse von Experimenten, bei welcher man mit dem chemischen „putriden Gift" gearbeitet hat, sind die Symptome, die man hervorgebracht und mehrfach als „Septi- cämie" oder „septicämische Symptome" bezeichnet hat, in nicht un- erheblicher Weise verschieden, je nachdem man mit dem „putriden Gift" in toto, oder mit einem vielleicht nicht einmal constant in dem- selben vorhandenen Bestandtheil desselben, dem sogenannten „Sepsin" experimentirt hat, und je nachdem man direct in das Blut oder in das subcutane Bindegewebe oder in seröse Höhlen injicirt hat. Ich möchte daher vorschlagen, die Experimente und Beobachtungen, bei welchen es sich um das „putride Gift" handelt, als „putride In- 202 Die ..putride Intoxication" ist von der „Septicämie" zu trennen. toxication" zu bezeichnen oder von „putrider Vergiftung" und „ Sepsinvergiftung " zu sprechen und zwar immer unter Angabe der Applicat ionsweise. — Diejenige, dem Milzbrande verwandte „Septicämie", von der Davaine spricht, und die er durch Impfung mittelst minimaler Stoffmengen, welche, wie es scheint, immer ganz speci fische mikroskopische Organismen enthalten, von Thier auf Thier überträgt, und wobei z. B. die in einem Fliegenstachel ent- haltene Menge schon todbringend wirken kann, ist offenbar etwas ganz Anderes als die „Septicämie", für die ich den Namen der „putriden Intoxication oder der putriden Vergiftung" aufrecht erhalten möchte. — Ebensowenig sind seine Versuche mit denjenigen identisch, welche Ravitsch 4 ) mit Injection der wahrscheinlich Fäul- niss erregenden stabförmigen Bacterien, Bergmann und Bkehm mit den in PASTEUE'scher Flüssigkeit gezüchteten Bac- terien und Pilzen, Tiegel mit dem menschlichen Leichen entnommenen„Microsporonsepticum" vorgenommen hat. Alle diese Versuche sind sowohl in causaler als in phänomenaler Beziehung unter einander zum Theil ganz verschieden, und der Umstand, dass sie alle mehr oder weniger den Zweck haben, diejenigen Krank- heitsformen, welche die Kliniker bald in einem, bald im anderen Sinne als „Septicämie" zu bezeichnen belieben, zu erzeugen*), ent- hält kein Motiv, sie auch pele-mele als Septicämie oder septic- ä mische Erscheinungen zu bezeichnen." „Um die schwierigen und bereits sehr verwickelten Probleme, die hier vorliegen, in befriedigender Weise zu lösen", schliesst Panum seine beherzigenswerthen Darlegungen, „muss man vor allen Dingen den Forderungen der Logik genügen und Punkt für Punkt durch streng wissenschaftliche Untersuchungen aufzuklären suchen, ohne dabei den Ueberblick über die sämmtlichen in Betracht kommenden Thatsachen zu verlieren. Diejenigen aber, welche in der Weise der Advocaten, nur solche Thatsachen hervorheben, welche der von ihnen beliebten Theorie oder Vorstellung günstig zu sein scheinen, andere Thatsachen aber, die für ihre Theorie unbequem und gefähr- lich erscheinen, vernachlässigen und ignoriren, werden nicht die Wissenschaft fördern , sondern nur die Verwirrung der Begriffe ver- mehren.'" Zu diesen von den Vertheidigern der chemischen Natur der In- fectionsstoffe nur allzu sehr ignorirten Thatsachen gehörten auch die 4) Ravitsch: Zur Lehre von der putriden Infection u. s. w. Berlin 1872 bei Hirschwald. *) Die Worte „zu erzeugen- sind im Original ausgelassen. Klebs' Einwände gegen Hiller. Weigekt's Kritik. 203 namentlich von Davaine und Birch-Hirschfeld experimentell er- brachten Beweise, dass die Infectionsstoffe der Septicämie und Pyämie durch die Fäulniss ihre Wirksamkeit verlören, Thatsachen, welche sich mit der Behauptung, dass die giftigen, als Erzeuger jener Krank- heiten angesehenen Stoffe bei der Fäulniss gebildet würden, nicht in Einklang bringen Hessen. Den Versuchen und Schlussfolgerungen Hiller's traten sehr bald nach ihrer Veröffentlichung verschiedene Forscher auch direct ent- gegen. Auf dem Chirurgencongresse im Jahre 1875 sprach sich Klebs dahin aus, dass die septischen Mikrokokken durch die Ueber- tragung in destillirtes Wasser gewisser specifischer Eigenschaften ver- lustig gegangen sein, dass sie in ihren functionellen Eigenschaften durch die Isolirung beeinträchtigt sein dürften. Und weiter 5 ] betonte er, in Uebereinstimmung mit Fischer 11 ), dass die günstigen Erfolge der LiSTER'schen Verbandmethode trotz der Entwickelung von Or- ganismen in dem Secrete durch die besonderen Verhältnisse des Ver- bandes, die reichliche Einwirkung der Carbolsäure, den Abschluss und die Eindickung der Wundsecrete bedingt sein könnten. Vor allen aber war es Weigert, welcher in seiner Habilitationsschrift: Ueber pocken- ähnliche Gebilde in parenchymatösen Organen und deren Beziehung zu Bacteriencolonien, Breslau 1S75, in eingehendster Weise alle gegen die Existenz specifisch pathogener Bacterien gemachten Einwände einer strengen, objectiven Kritik unterzog. Bei einer exacten Be- handlung dieser Dinge, führte Weigert aus, seien folgende 4 Punkte zu berücksichtigen: 1) Sind die Gebilde, die man als Bacterien ansieht, in der That solche ; vor allen Dingen, hat man nicht Zerfallsproducte menschlicher Gewebsbestandtheile vor sich? 2) Stehen die Bacterien in einer Beziehung zu den krankhaften Producten oder Processen? 3) Ist die Beziehung eine derartige, dass von den Bacterien aus die krankhaften Producte oder Processe angeregt sind"? 4) Ist das, was an den Bacterien krankmachend ist, ein Lebens- product der letzteren oder haftet es ihnen nur zufällig an? In Bezug auf die allgemeine Diagnose der Bacterien erklärte Weigert, dass es sehr viele Fälle gäbe, in welchen auch der ge- 5) Klebs: Beiträge zur Kenntniss der pathogenen Schizomyceten. VII. Ab- handlung. Archiv f. exp. Path. u. Pharm, Bd. V. Heft i u. 5 (Ausgegeben am 21. April 1S76). S. 374. (!) E. Fisches: Der Lister'sche Verband u. die Organismen unter demselben. Deutsche Zeitschrift f. Chirurgie. Bd. 6. S. 33 S. 204 Weigert's Hämatoxjlinfarbung der Bacterieu. tibteste Mikroskopiker nicht im Stande sei, zu sagen, ob gewisse Pünktchen Bacterien vorstellten oder nicht, und dass es ebenso in einem körnchenreichen Gewebe unmöglich sei, zu entscheiden, dass keine Bacterien vorhanden seien. Anders aber liege die Sache bei dichten Bacterienanhäufungen, deren äusserst gleichmässiges, regel- mässiges Korn und chagrinirtes Aussehen verbunden mit ihrer gelb- bräunlichen Färbung keine Analogie fänden unter den Abkömmlingen menschlicher Gewebe. Gegen die Gefahr einer Verwechselung mit kör- nig geronnenem Ei weiss (Lymphe, Detritus) und mit der annähernd ebenso regelmässigen Körnung mancher Parenchymzellen und man- cher Granulationen weisser Blutkörperchen schütze die von ihm an- gegebene Färbung mit Carmin- Salzsäure -Glycerin und ebenso die später wohl von Eberth im Jahre 1872 zuerst mitgetheilte mit Hä- matoxylin, beide exquisit kernfärbende Mittel. Bei der Hämatoxylin- färbung nähmen die genannten anderen Stoffe (wenn man sich natür- lich vor Ueberfärbung und vor Nachdunkeln hüte) keine oder nur eine hellblaue Tinction an, die sehr scharf gegen die dunkelblaue der Kerne und Bacterienhaufen absteche. Diese hellblaue Färbung weiche bei kurzer Behandlung mit schwach ammoniakalischer Car- minlösung meist einer rothen, die natürlich den Gegensatz noch schärfer hervortreten lasse. Allerdings nähmen auch noch andere Gewebselemente eine dunkelblaue Hämatoxylinfärbung an, so ver- trocknetes Gewebe, Kalkconcremente, Knorpeltheile, gewisse Theile von Drüsenzellen (Heidenhain), manche Concretionen, namentlich Amyloidkörperchen im Gehirn, weisse Thromben (Zahn) und ihnen ähnliche Anhäufungen weisser Blutkörperchen in der Lunge und an einigen anderen Orten, doch seien alle diese Dinge schon bei mitt- leren Vergrösserungen ohne Schwierigkeit von den ähnlich gefärbten Bacterienherden zu unterscheiden. In MüLLER'scher Flüssigkeit ge- härtete Präparate lieferten oft diffuse, schmutzigblaue Tinctionen. Solche Präparate nähmen aber die prächtigste isolirte Kernfärbung an, wenn man sie einfach einige (bis 24) Stunden in Glycerin lege. Weigert betonte dann weiter, dass in faulen, in Alkohol gehärteten Gewebstheilen auch die Fäulnissbacillen sich prächtig tingirten. Es falle ihm jedoch nicht ein, zu behaupten, dass nun alle Bacterien- arten, namentlich solche, die nicht in zoogloeaartigen Haufen lägen, sich wie die Pockenbacterien verhielten. Man müsse eben vorläufig darauf verzichten, Bacterien unter allen Umständen leicht zu erken- nen. Gewisse Schwierigkeiten für die Diagnose der Bacterienmassen entstünden auch dadurch, dass die Bacterien, wie die Kerne, Zu- stände des Absterbens zu haben schienen, in denen ihre Färbbarkeit Ihre Unterscheidung von Fetttröpfchen. Sie sind stets das Primäre. 205 zugleich mit der scharfen Körnung verloren gehe. Nöthig sei es stets, die Schläuche einer Prüfung mit Immersionssystemen zu unter- werfen. Zu diesem Zwecke empfehle es sich, die Präparate in Kali- lauge (oder Essigsäure) zu entfärben und in Glycerin zu untersuchen. Die Bacteriencolonien hielten den Farbstoff am längsten, man könne sie deshalb mit schwacher Vergrösserung aufsuchen und für starke einstellen. Dabei habe er sich überzeugt, dass gerade die Körnchen selbst die dunkelblaue Färbung annähmen. Die Verwechselung mit Fetttröpfchen sei nicht zu fürchten, da Fettkörnchenhaufen mit ganz gleicbmässigen, dichten, kleinen Körnchen nicht vorkämen. Einzelne Fetttröpfchen und Bacterien seien freilich ohne Reagentien oft kaum zu unterscheiden. Wenn man aber die in absolutem Alkohol entwässer- ten Schnitte mit Chloroform, Kreosot, Nelkenöl u. s. w. behandele, so würden die Fetttröpfchen unsichtbar, ebenso verschwänden sie nach Behandlung der in Alkohol entwässerten Schnitte mit Aether. Im Uebrigen nähmen die Fetttröpfchen die blaue Kernfarbe nicht an. Hiller sei deshalb im Irrthum, wenn er die Befunde von Heibebg und besonders die von Lukomsky anzweifle, da letzterer die fraglichen Massen durch Hämatoxylin blaugefärbt habe. Ueber das Vorhandensein von Bacterienherden in den Geweben sei somit kein Zweifel mehr möglich. In Bezug auf die zweite Frage: Stehen die Bacterien in einer Beziehung zu den krankhaften Processen , hob Weigert die That- sache hervor, dass bei den Pocken die überall nachweisbaren necro- tischen Partien in den früheren Stadien der Krankheit so gut wie ausnahmslos von einem centralen Bacterienherde begleitet wären. Dass weiter die Bacterien das Primäre und die necrobiotischen Herde das Secundäre seien, folge daraus, dass von Anfang sich Bac- terienschläuche ohne Necrosen in ihrer Umgebung fänden, dass aber in einem späteren Zeitpunkt dieselben sich stets von solchen um- geben zeigten, dass ferner die Bacterien häufig von den necrobioti- schen Massen durch eine Gefässmembran getrennt seien, und dass endlich, wenn sie späterhin auch ausserhalb der Gefässwand sich fänden, sie niemals, wie in faulenden Geweben in einer diffusen Verbreitung zwischen und auf den Elementen lägen. Die aprioristischen Einwände Hiller's gegen die Fähigkeit der Bacterien im lebenden Organismus zu wuchern seien hinfällig, da es durchaus noch nicht feststehe, ob die Bacterien wie Hiller meine nur von Gasen und Salzen zu leben vermöchten, oder ob sie nicht vielleicht, wie Ferd. Cohn annehme, auch Eiweisskörper zu spalten im Stande wären. Dass im übrigen die Bacterien im lebenden Gewebe 206 Die Bacterien vermehren sich und produciren dabei ein Gift. fortkämen, lehrten einmal die Beobachtungen bei Milzbrand, dann aber besonders die Impfversuche von Ebekth, Frisch, Leber u. A. auf die lebende Cornea, in der sich ja die Bacterien unzweifelhaft vermehrten. Was nun den dritten und vierten Punkt anlangt, die Ursache der krankmachenden Wirkung der Bacterien, so betonte Weigert, dass Pänuji und viele andere Forscher wenigstens für einen Theil der bacterischen Wirkungen ein chemisches von den Bacterien ab- trennbares Gift als schädliches Moment nachgewiesen hätten. Dass dieses Gift durch einen Lebensprocess der Bacterien gebildet werde, müsse man dann sicher annehmen, wenn die primäre Giftwirkung genau mit den Lebensschicksalen der Bacterien übereinstimme, mit ihrer Vermehrung zu- mit ihrem Untergehen abnehme, wie bei Re- currens. Eine solche Lebenswirkung sei auch dann anzunehmen, wenn das Gift an seltene Formen solcher Bacterien, wie wieder bei Recurrens, gebunden sei. Es sei nicht denkbar, dass stets in diesen Fällen gleichzeitig mit den specifischen Keimen auch ein von den- selben unabhängiges, ebenfalls specifisches Gift in den Körper ein- treten sollte. Ebenso müsse man einen Einfluss der Bacterien auf die Erzeugung des Giftes einräumen, wenn dieselben in frühen Stadien sich regelmässig an den Stellen einfänden, an welchen sich die Gift- wirkung äussere. Das Vorkommen so überaus zahlreicher Herde wie sie bei den Pocken constatirt würden, mache eine Einwanderung entsprechend vieler Keime gleich bei der Infection sehr unwahr- scheinlich; man müsse daher annehmen, dass die Bacterien sich im Organismus vermehrt hätten und dass sich mit ihnen auch das Pocken- gift multiplicirt habe. Der Einwand, dass an sich unschuldige Bac- terien in den Körper eingetreten seien und sich nur an den erkrankten Stellen mit dem Gifte beladen hätten, sei wohl auszuschliessen, da entsprechend viele kranke Stellen vor der Hauterkrankung nicht existirten. Die Gründe, welche gegen die Betheiligung der Bacterien als solcher am Zustandekommen krankhafter Processe angeführt wür- den, seien nicht stichhaltig. Wenn Küssner mit annähernd bacterien- freien Filtraten ähnliche Wirkungen wie mit den bacterienreichen Rückständen erzielt habe, so beweise das nur, dass das Gift von den Bacterien auch ausserhalb des Organismus in gewissen Nährflüssig- keiten gebildet werden könne. Ein Fehlen der Bacterien in den krankhaften Veränderungen sei nach seinen früheren Darlegungen nicht beweisend, ebensowenig wie negative Züchtungsergebnisse in künstlichen Gemischen, da in solchen lange nicht alle Bacterien, so z. B. die Recurrensspirillen nicht wüchsen. Aus dem Einwände, dass Die Gleichheit der Bacterien. „Tausende von Arten." 207 im Körper an den verschiedensten Stellen Bacterien wucherten, ohne krankhafte Veränderungen zu erregen, dass sie mithin unschädlich seien, könne man nur dann einen Schluss ziehen, wenn man nach- weisen könnte, dass alle Bacterien gleiche Eigenschaften hätten, oder dass wenigstens bei zwei in Vergleich gezogenen Fällen diesen beiden Bacteriensorten dieselben Qualitäten zukämen. Bei Gegen- ständen, welche an der Grenze der Sichtbarkeit ständen, bei denen man also nur wenig distincte charakteristische Merkmale wahr- nehmen könne, genüge es nicht, dass man die Gegenstände für gleich halte, bis das Gegentheil bewiesen sei, sondern man müsse sowohl die Verschiedenheit als die Gleichheit ihrer Eigenschaften positiv nachweisen. In treffender Weise erinnert Weigert hier an das Verhalten amorpher gleichfarbiger Pulver. Die Ungleichheit könnte nun eine solche sein, dass die mit ver- schiedenen Eigenschaften begabten Bacterien von Hause aus unver- änderlich verschiedene Arten darstellten, deren Unterschiede nur für unsere Mikroskope nicht nachweisbar seien. Wenn Billroth die gegentheilige Auffassung, dass auch morphologisch verschieden aus- sehende Formen einer einzigen Art angehörten, damit begründe, dass sich die eine Form aus der anderen entwickele, so sei doch zu be- denken, dass es oft kaum möglich sei, zu entscheiden, ob die neu entstandenen Formen aus den alten oder auf den alten entstanden seien. Selbst wenn man die Annahme Billroth's, dass Coccosformen in Bacterienformen resp. umgekehrt übergehen könnten, acceptire, so sei dabei noch gar nicht ausgeschlossen, „ ob trotzdem unter den Coccosformen z. B. nicht Tausende von Arten existirten, deren jede ihre entsprechende Bacteriengeneration haben könnte". Die Ungleichheit der Bacterien brauchte aber gar nicht die bo- tanisch geschiedener Arten zu sein, sondern nur die von „Spielarten". Die Möglichkeit der Bildung von Spielarten aber lehrten die ver- schieden gefärbten Formen, bei denen die einzelnen Coccoskörnchen nicht anders aussähen, als viele der ungefärbten, ein wichtiges Ar- gument, auf welches übrigens schon Davaine und Orth bei ihren Deductionen gefusst hatten. Für das Princip aber sei es ganz irrelevant, ob die producirten chemischen Stoffe eine für andere Organismen unschädliche Farbe oder ein für diese schädliches Gift darstellten. Der Modus, wie diese Spielarten zu Stande kämen, könne in mannigfaltigster Weise gedacht werden. Am einfachsten sei es wohl, anzunehmen, dass die Bacterien durch irgend eine che- mische Beschaffenheit des Nährbodens, auf dem sie sich zufällig befänden, irgend eine Abweichung des Stoffwechsels annähmen, die 208 Wie ist die Gleichheit zweier Bactericnsorten festzustellen? sich dann in ihrer Nachkommenschaft wiederholte. Auf diese Weise entstünden (ganz allgemein ausgedrückt) verschiedene „ Sorten" von Bacterien, die allerdings gelegentlich auch wieder atavistisch ent- arten und vielleicht zu ganz unschuldigen Dingen werden könnten. Mit dieser einfachen Erklärung wäre den pathologischen Erfahrungen vollkommen genügt. Weiter erörterte dann Weigert die wichtige Frage, wie man die Gleichheit zweier gleich aussehender Bacteriensorten feststellen könne. Man würde annehmen können, dass sie identisch seien, wenn sie gleiche Wirkung äusserten, aber nur für den Fall, dass dieselbe ungemein charakteristisch sei. So müsse man z. B. annehmen, dass die Spirochäten im Blute verschiedener Recurrenskranker identisch seien, da mit deren Lebenseigenschaften der gleiche Fieberverlauf verknüpft sei. Die Gleichheit der Form würde auch in diesem Falle nicht genügen, da sich ganz ähnlich aussehende Gebilde in faulenden Stoffen (Blut, Zahnschleim, Sumpfwasser) fänden. Die Gleichheit der Wirkungen gestatte aber nicht auf Gleichheit der Sorte zu schliessen, wenn es sich um sehr einfache Vorgänge, Entzündungen, Nekrose und dergleichen handele, da sehr zahlreiche Arten dieselben Wir- kungen erzeugen könnten. Alle diese Dinge müsse man ebenso be- urtheilen , wie die Reactionen chemischer Stoffe. Seien diese sehr charakteristisch, so genüge eine einzige, um zwei Körper als che- misch identisch hinzustellen, seien sie es nicht, so sei man durch eine Reaction allein zu solch einem Schlüsse nicht berechtigt. Wenn Fkiscii bei seinen Cornea-Impfuugen die sternförmige Figur bald habe ausbleiben, bald entstehen, und in letzterem Falle sich bald aus stäb- chenförmigen, bald aus runden, bald aus ungefärbten, bald aus gefärb- ten Elementen habe zusammensetzen sehen und daraus dann geschlos- sen habe, „dass die Ursache der verschiedenen Wirkungen auf die Kaniuchencornea verimpfter pilzhaltiger Flüssigkeiten nicht in einer etwaigen Verschiedenheit der Art der verpflanzten Pilze zu suchen sei", so habe er ebeu einen Fehlschluss gemacht. Die verschiedenen wirksamen Arten hätten eben das Gemeinsame gehabt, dass sie einen Stoff enthalten hätten, der jene Entzündung direct oder indirect erregt habe, während die nicht wirksamen diesen Stoff nicht gehabt hätten. Das Vorkommen zweier Bacteriensorten in demselben Nährsub- strate biete keine Garantie für deren Gleichheit. Wenn daher Onimus das bacterienhaltige Dialysat septicämischen Blutes unwirksam, dieses selbst aber wirksam gefunden habe, so sei das eben ein Zeichen da- für, dass die Bacterien der Sepsis mit denen der Fäulniss nicht gleichbedeutend seien. Weigert's Einwände gegen das Auswaschen der Bacterien. 209 Auch die Thatsache, dass nach Uebertragung wirksamer Bac- terienflüssigkeiten in PASTEuit'sche Nährlösung die gezüchteten Bac- terien nicht die gleiche Wirkung geäussert hätten, wie die Mutter- flüssigkeit, lasse sich in analoger Weise dadurch erklären, dass man nicht sicher sei, welche Bacteriensorten aus einem Gemisch von sol- chen, wie es z. B. die in faulenden Stoffen wuchernden darstellten, sich gerade in der neuen Flüssigkeit entwickelt hätten, ob die schädlichen oder die unschädlichen oder beide. Daraus erkläre sich ungezwungen der wechselnde Erfolg. Ebensowenig gestatteten die HiLLEß'schen Versuche mit ausgewaschenen Bacterien irgend welche Schlüsse. Wenn Hillek durch Uebertragen der ausgewaschenen Bacterien- niederschläge in PASTEUii'sche Lösung deren Lebensfähigkeit habe nachweisen wollen, so sei das kein Beweis, da von den übergeführten Bacterien auch nicht ein einziges hätte entwicklungsfähig bleiben können. Es sei vielmehr sehr wohl denkbar, dass die eingetretene Trübung der Lösung durch die ja in jedem destillirten Wasser vor- handenen Keime herbeigeführt worden sei; aber selbst, wenn von den übergeführten Keimen bei der mehrtägigen Behandlung mit de- stillirtem Wasser einzelne überlebt hätten, so hätten diese resisten- ten Arten wohl nur dieselben Eigenschaften zu haben gebraucht, wie die für gewöhnlich in nicht frischem destillirten Wasser vor- kommenden Keime, nämlich keine entzündungserregenden. Eine Einspritzung der „reinen Bacterien" habe dann nichts Anderes be- deutet, als eine Einspritzung von nicht frischem destillirtem Wasser, die für gewöhnlich unschädlich sei. Und auch wenn alle Keime bei dem HiLLEii'schen Verfahren erhalten geblieben wären, so hätten doch die „ Spielarten " bei dieser Behandlung ihre besonderen Eigen- schaften ebenso verloren haben können, wie sie sie einst in einer geeigneten Nährflüssigkeit bekommen hätten. „Man kann also," schliesst Weigekt seine durchaus im Sinne Cohn's gehaltene Darlegung, „weder aus dem Umstände, dass täg- lich Bacterien in unseren Körper eintreten, ohne ihm zu schaden, noch daraus, dass man künstlich gezüchtete Bacterien und mit de- stillirtem Wasser behandelte öfters unschädlich fand, den Schluss machen, dass es keine Bacterien gäbe, deren Lebensvorgänge krank- hafte Processe zu erzeugen im Stande wären." Wiewohl Weigert experimentelle Belege für seine Anschauungen nicht brachte, so ist gleichwohl seine Arbeit für die Bacterienfrage von sehr wesentlicher Bedeutung gewesen, weil in derselben zum ersten Male von einem Arzte die für die Nothwendigkeit einer Unter- scheidung specifischer pathogener Bacterien sprechenden Gründe in LöffUr, Vorlesungen. 14 210 Hillers's Argumente für die Präexistenz der Bacterien im Körper. zusammenfassender, dem Stande der damaligen Kenntnisse entspre- chender Weise dargelegt waren. Noch einmal versuchte es Hiller 7 ), gegen die WEiGER'r'schen Argumente anzukämpfen; ganz besonders bemühte er sich, für die Präexistenz der Keime im gesunden Organismus und deren Weiter- entwickeluDg bei krankhaften Störungen beweisendes Material bei- zubringen. Die Auffindung von Micrococcus und Stäbchen in heissen Abscessen, welche in keiner Weise mit der äusseren Luft communicirt hatten, durch Bergeron 8 ) und Gosselin, die Beobachtungen Bill- roth's ° gegen die Axe geneigt waren, der gesammte wirksame Lichtkegel demnach eine Oeffnung von 120°, also eine grössere Oeffnung als irgend ein anderer Con- densor besass. " Durch Blenden, welche zwischen Spiegel und Beleuchtungs- apparat eingeschaltet werden konnten, Hess sich die Oeffnung des Strahlenkegels nach Belieben modificiren. Wenn er nun einen ge- färbten Schnitt mit Hülfe dieses Apparates beleuchtete, indem er durch den Planspiegel das Licht einer hellen weissen Wolke auf den Condensor und durch diesen auf das Object warf, und zuerst ganz enge und dann immer weitere Blenden einschaltete, so sah er mit zunehmender Helligkeit des Gesichtsfeldes die Structurschatten nach und nach vollständig verschwinden und zuletzt nur das reine klare Farbenbild scharf hervortreten. Nunmehr war es leicht, unter den gefärbten Körpern die Bacterien, von denen vorher nichts zu erblicken war, oder die als dunkle unbestimmte Körnchen und Strichel- chen erschienen waren, herauszufinden, ihre Umrisse und Grössen- verhältnisse zu erkennen und sie durch ihre gleichmässige Form von anderen, etwa mit gefärbten körnigen Massen, z. B. zerfallenden Zellkernen, sofort mit Sicherheit zu unterscheiden. Um die Wirkung des ABBE'schen Beleuchtungsapparates zu ver- anschaulichen, bediente sich Koch einer sehr sinnreichen, äusserst einfachen Vorrichtung. „ Dieselbe besteht, u schreibt Koch, „aus einem kleinen, mit Canadabalsam gefüllten Glasgefäss, in welches kleine 232 Koch führt die Systeme für homogene Immersion ein. gefärbte und ungefärbte Glasperlen gethan werden. Es sind also ähnliche Bedingungen gegeben, wie bei einem in Canadabalsam ein- gelegten, gefärbten Präparat. Die gefärbten Perlen entsprechen den gefärbten Kernen oder Bacterien, die farblosen Perlen den ungefärbt gebliebenen Gewebstheilen. Sieht man nun durch das Glas auf ein dicht darunter gelegtes breites, hell vom Tageslicht beschienenes Blatt Papier, dann ist von den farblosen Perlen nichts zu sehen, die gefärbten hingegen sind deutlich und scharf zu erkennen ; wird aber das Papier von dem Glase entfernt, also der die Perlen beleuchtende Strahlenkegel bei gleicher Basis länger und sein Oeffnungswinkel immer kleiner, dann tritt dieselbe Erscheinung ein, wie wenn beim AßBE'schen Beleuchtungsapparat successive engere Blendenöffnungen genommen werden; die ungefärbten Perlen fangen nämlich allmählich an sichtbar zu werden, nehmen immer deutlichere und dunklere Um- risse an, auch die gefärbten Perlen erscheinen dunkler, zuletzt sind beide Perlenproben wenig mehr zu unterscheiden und es können farbige durch ungefärbte vollständig verdeckt werden." Für die Benutzung des AßBE'schen Apparates machte Koch zu- gleich darauf aufmerksam, dass nur solche Objectiv-Systeme mit demselben ein scharfes nicht verschleiertes Farbenbild gäben, bei welchen sämmtliche Zonen, namentlich die Randzonen der Objectiv- öffnung richtig corrigirt seien. Als vorzüglich geeignet fand er die von Zeiss nach den Angaben von Abbe construirten Oelsysteme, Systeme, bei welchen als Immersionsflüssigkeit ein Oel verwandt wurde, dessen Brechungsindex dem des Glases nahezu gleich war. Die Anwendung des AßBE'schen Beleuchtungsappa- rates in Verbindung mit den Objectiven für homogene Immersion zur Untersuch ung der mit Anilinfarben ge- färbten Präparate durch Koch stellt einen hochbedeu- tungsvollen Markstein dar in der Geschichte der Erfor- schung der Infectionskrankheiten. Obwohl die neuen Untersuchungsmethoden offenbar ausserordent- liche Vortheile darboten, empfahl Koch jedoch keineswegs deren ausschliessliche Verwendung für die Untersuchung auf pathogene Or- ganismen. Er wusste durchaus den Werth der älteren Methoden, die Untersuchung der frischen Objecte mit und ohne Anwendung von Alkalien und Säuren zu schätzen, ja er erklärte ausdrücklich, dass er auch diese Verfahren häufig in controlirender Weise neben seiner Untersuchungsmethode verwerthet habe. Auch machte er auf ge- wisse Schwierigkeiten und Fehlerquellen bei der Benutzung seiner Methode aufmerksam. Vereinzelte Bacterien, welche ja dem beob- Kocu's Methode zur isolirten Färbung von Bacterien in Gewebsschnitten. 233 achtenden Auge nicht entgingen, könnten aus den beim Färben, Aus- waschen u. s. w. gebrauchten Flüssigkeiten stammen. Einzelne Bac- terien , welche nur in den oberflächlichen Schichten von Organen gefunden würden, Hessen vermuthen, dass es sich um beginnende Fäulniss handle. Man müsse deshalb, um jeden Einwand von Ver- wechselung mit Fäulnissbacterien auszuschliessen, nur solche Objecte zur Untersuchung ziehen, die unmittelbar oder nur wenige Stunden nach dem Tode der Versuchsthiere in absoluten Alkohol gelegt wor- den seien. Zu Verwechselungen mit Mikrokokken könnten auch die von Ehelich beschriebenen Plasmazellen Anlass geben, glatte, mei- stens der Aussenwand der Gefässe aufsitzende Zellen, welche aus einem rund um einen Kern gruppirten Körnerhaufen bestünden. Diese Körnchen färbten sich genau wie die Mikrokokken, während der Kern ungefärbt bleibe. Die ungleiche Grösse der Körnchen und das Vor- handensein des Kerns sicherten indess leicht die Diagnose. Wenn es sich darum handle, jede Verwechselung der Bacterien mit thierischen Gewebstheilen auszuschliessen, oder wenn es darauf ankomme, Menge und Vertheilung der Bacterien in einem Organ übersichtlich zu machen, so empfehle es sich, nach der Anilinfärbung die Schnitte anstatt mit Essigsäure mit einer schwachen Lö- sung von kohlensaurem Kali zu behandeln; dann verlören auch die Kerne und Plasmazellen, überhaupt alles thierische Gewebe den Farbstoff wieder und die Bacterien blieben ganz allein gefärbt. Im Besitz dieser neuen ausgezeichneten Methoden machte sich nun Koch an das Studium der bei Thieren durch die Einführung faulender Substanzen erzeugbaren Krankheiten. Da sich Mäuse bei seinen Untersuchungen über Milzbrand als besonders brauchbare Ob- jecte gezeigt hatten, versuchte er es nach denselben Methoden, welche von Coze und Feltz, Daväine u. A. befolgt waren, um bei Thieren künstliche Wundinfectionskrankheiten hervorzurufen, an Mäusen die- selben oder ähnliche Krankheiten zu erzielen. Dabei fand er denn, dass der Erfolg einer Einspritzung von putriden Substanzen je nach der Art der Faulflüssigkeit und je nach der Menge, welche einge- spritzt wurde, ein sehr verschiedener war. Wenige Tage faulende Flüssigkeiten, als z. B. Blut und Fleischinfus, zeigten eine intensivere Wirkung als solche, welche längere Zeit gefault hatten. Wenn er grössere Dosen, 5 Tropfen von nicht zu altem faulenden Blute, einer Maus beibrachte, so ging das Thier unter sogleich einsetzenden Krankheitserscheinungen, Unruhe, Schweiss und Unsicherheit der Bewegungen, Unlust zum Fressen, Respirationsstörungen nach 4 bis S Stunden zu Grunde. An dem Orte der Einspritzung fand sich die ö 234 Koch entdeckt die Stäbchen der Mäusesepticämie. bacterienreicke faule Flüssigkeit, das Blut und die inneren Organe waren frei von Bacterien — das Thier erlag offenbar einer Vergiftung mit einem bei der Fäulniss gebildeten Gifte, einer Sepsin-Intoxica- tion. Wenn er jedoch einen bis höchstens zwei Tropfen solchen Blutes mehreren Mäusen beibrachte, so blieb eine Anzahl derselben frei von Krankheitserscheinungen, nur etwa ein Drittel erkrankte, aber erst ungefähr 24 Stunden später und nicht unter Vergiftungserscheinungen, sondern unter ganz constanten charakteristischen Symptomen. Die Augenbindehäute sonderten einen weisslichen Schleim ab, welcher die Augen schliesslich ganz verklebte, eine grosse Mattigkeit stellte sich ein. Die Thiere bewegten sich wenig, sondern sassen meist mit stark gekrümmtem Rücken und fest angezogenen Extremitäten ruhig da, hörten auf zu fressen, athmeten langsamer und gingen un- gefähr 40— 60 Stunden nach der Impfung, ohne dass, wie es nach der Impfung mit Milzbrand regelmässig der Fall war, Krämpfe ein- traten, fast unmerklich unter zunehmender Schwäche zu Grunde. Bei der Section fand sich bisweilen ein geringes locales Oedem an der Einspritzungsstelle, während alle inneren Organe bis auf eine starke Milzanschwellung unverändert waren. Tauchte Koch eine Scalpellspitze in das Blut eines solchen Thieres und bestrich er damit eine minimale Hautwunde einer gesunden Maus, so ging diese in derselben Zeit unter den gleichen Symptomen zu Grunde. Von dieser Maus konnte er in gleicher Weise eine dritte, von der dritten eine vierte u. s. f. in beliebiger Anzahl Mäuse inficiren — alle boten denselben typischen Krankheitsverlauf. Er hatte somit eine Infec- tionskrankheit vor sich, welche in Bezug auf die Impfbarkeit ganz der DAvAiNE'schen Septicämie glich. Als er nun das Blut unter- suchte, um den, nach der hohen Virulenz dieses Blutes zu schliessen, voraussichtlich in demselben vorhandenen Parasiten zu finden, hatte er anfangs keinen Erfolg; erst als er bei der Durchmusterung der gefärbten Präparate den AßBE'schen Condensor zu Hülfe nahm, ent- deckte er ganz ausserordentlich feine, etwa 0,8 — 1 /i lange, 0,1 — 0,2 /.i dicke Stäbchen, welche zerstreut oder in kleinen Gruppen zwischen den rothen Blutkörpereben lagen, und vielfach auch in den farblosen Blutkörperchen theils vereinzelt, theils in dichten Haufen angetroffen wurden (Fig. 33). Dass diese kleinen Stäbchen, welche beim ersten Anblick eine grosse Aehnlichkeit mit kleinen nadeiförmigen Krystallen hatten, unzweifelhaft pflanzliche Gebilde waren, ging daraus hervor, dass, wenn er septieämisches Blut in einen hoblen Objectträger und in den Brütapparat brachte, die Bacillen ebenso wie die Milzbrand- bacillen wuchsen, aber nicht wie diese lange Fäden, sondern viel- Immunität der Feldmäuse gegen die Stäbchen der Mäusesepticämie. 235 mehr dichte, aus getrennten Bacillen bestehende Haufen bildeten. In einigen Fällen sah er auch Sporen in den Bacillen auftreten. Darüber, ob die Bacillen eine eigene Bewegung besassen, konnte er bei ihrer ohne Färbungsmittel ausserordentlich schwierigen Er- kennbarkeit nicht Gewissheit erlangen. In allen Blutgefässen des Körpers traf er die Bacillen theils frei, mit der Längsaxe in der Fig. 33. Bacillen der Septiciimie bei Mausen. (Nach Koch.) 700:1. //. Wut einer septicämischen Maus. Rothe Blutkörperchen und dazwischen Bacillen. B. Weisse Blutkörperchen mit Bacillen. Richtung des Blutstromes liegend, theils die weissen Blutkörperchen erfüllend in ungeheuren Mengen an, während er die Lymphbahnen frei von denselben fand. Es konnte deshalb keinem Zweifel unter- liegen, dass die Bacillen dieser Septicämie dieselbe Bedeutung hatten, wie die in jeder Beziehung sich analog verhaltenden Milzbrandbacilleu, dass sie nämlich als das Contagium der Krank- heit anzusehen waren. Bei den Ver- suchen, die feinen Stäbchen auf andere Thierarten zu übertragen, constatirte Koch die merkwürdige Thatsache, dass die den Hausmäusen in Grösse und Ge- stalt so ähnlichen Feldmäuse sich einer absoluten Immunität gegen dieselben erfreuten. Einige Male fand Koch neben den feinen Septicämiebacillen nach Einspritz- ung faulen Blutes in der Umgebung der Iufectionsstelle einen, durch seine schnelle Vermehrung und regel- mässige Kettenbildung sich bemerklich machenden Micrococcus, wäh- rend alle anderen, in dem faulen Blut vorhanden gewesenen Bacterien- formen zu Grunde gegangen waren (Fig. 34). Durch eine geringe Menge, ungefähr l'/> cm von der Impfstelle entfernt entnommenen l . ; % Fig. 34. Micrococcus der progressiven Ge- websnekrose bei Mäusen. (Nach Koch.) a. Zellen des Obrknorpels. b. Kettenbildende Mikrokokken. 236 Die kettenbildenden Mikrokokken der Gewebsnekrose. Serums Hessen sich diese Mikrokokken, deren Durchmesser etwa 0,5 /« betrug, auf andere Mäuse übertragen, freilich stets zugleich mit den Septicämiebacillen. Nach der Impfung am Ohr entwickelte sich eine ganz auffallende Veränderung: soweit die Mikrokokken gegangen waren, hatten sämmtliche Gewebstheile das Aussehen, als ob sie mit Kalilauge behandelt worden wären, kein rothes Blutkörperchen, kein Zellkern war mehr zu erkennen — das Gewebe war nekrotisch. Bis zu dem durch die Septicämiebacillen herbeigeführten Tode der Thiere drangen die zierlichen Ketten der Mikrokokken etwa bis zur Ohr- wurzel vor, abgegrenzt gegen das gesunde Gewebe durch einen dichten Wall von Kernen, welcher an der den Mikrokokken zuge- wandten Seite in unregelmässigem Zerfall begriffen war, aber von den Mikrokokken selbst noch durch einen ziemlich breiten, weder Mikrokokken noch Kerne enthaltenden Strich nekrotischen Gewebes getrennt war. Koch erklärte sich dieses eigenthümliche Verhalten in der Weise, dass die Mikrokokken bei ihrem Vegetationsprocess lösliche Substanzen abschieden, welche in die Umgebung diffundirten. Diese Substanzen erzeugten in starker Concentration nahe bei den Mikrokokken Nekrose, in verdünnterer Lösung weiter entfernt von denselben Kernwucherung; so käme es, „dass die Mikrokokken sich immer in nekrotischem Gewebe befänden und bei ihrer Ausbreitung einen Kernwall vor sich herschöben, der auf der ihnen zugewandten Seite fortwährend abschmelze, und auf der entgegengesetzten Seite durch sich immer von Neuem anlegende Lymphzellen ersetzt werde. " Als nun Koch diese kettenbildenden Kokken auf die Feldmaus übertrug, wucherten sie im Gewebe derselben kräftig weiter im Gegensatz zu den Stäbchen der Mäusesepticämie, welche zu Grunde gingen. Es gelang ihm auf diese Weise, durch Zuhülfenahme der Feldmaus, eine Reinkultur der kettenbildenden Kokken im Maus- körper zu gewinnen, welche bei der Impfung stets die gleiche krank- hafte Veränderung, die progressive Nekrose bewirkte. Von den zahlreichen in dem faulenden Blut enthaltenen Bacterienformen hatten sich nur zwei morphologisch scharf charakterisirte Formen für Mäuse pathogen erwiesen, alle anderen hatten im Körper der Maus nicht die zu ihrer Entwickelung geeigneten Bedingungen gefunden. Als Koch die DAVAiNE'schen Versuche an Kaninchen wiederholen wollte, machte er die Beobachtung, welche auch viele andere Beobach- ter vor ihm gemacht hatten, dass die Thiere nach subcutaner Injection von Faulflüssigkeiten nicht an einer Allgemeinaffection erkrankten, son- dern dass sich local im Unterhautgewebe eine allmählich immer weiter um sich greifende Abscessbildung entwickelte, an welcher die Thiere Die Mikrokokken der progressiven Abscessbildung bei Kaninchen. 237 nach etwa 12 — 15 Tagen unter zunehmender Abmagerung zu Grunde gingen. Die inneren Organe zeigten keine Veränderungen, sie waren ebenso wie das Blut frei von Bacterien ; auch in dem Inhalt der käsigen Abscesse waren solche nicht mit Sicherheit nachzuweisen. Als Koch nun aber Querschnitte der Abscesswandungen nach vorausgegangener Härtung derselben in Alkohol mit seinen Methoden untersuchte, fand er, dass die ganze Wand von einer dünnen Schicht zu dichten Zoogloea- haufen verbundener, ausserordentlich kleiner, nur etwa 0,15 « im Durch- messer haltender Mikrokokken bedeckt war, und dass besonders in den lockeren Maschen des subcutanen Bindegewebes, in welches sich die Abscessränder hinein erstreckten, dichte wolkenähnliche Massen von Mikrokokken angehäuft lagen (Fig. 35). Am intensivsten waren die Mikrokokken in der Peripherie gefärbt; nach dem Abscess zu wurde Fig. 35. Micrococcus der progressiven Abscessbildung bei Kanincbeu. (Nach Koch). 7U0 : Randzone von einem käsigen Abscess : a = wolkenfüruiige Zoogloeamassen; b = kleinere Mikrokokkencolonien; c = Kernanhaufunsr. die Färbung immer schwächer; noch weiter nach innen fanden sich nur blasse, unverkennbar aus abgestorbenen Zoogloeen hervorgegan- gene Schollen mit Kerndetritus untermischt, welche beide Substanzen den Inhalt der käsigen Abscesse ausmachten. Koch verglich diese progressive Wucherung der Mikrokokken mit nachfolgendem Ab- sterben sehr treffend mit der Vegetation der Torfmoose. Als er solchen Abscessinhalt anderen Kaninchen einspritzte, erkrankten diese an der gleichen Affection, ein Ergebniss, welches mit der Annahme, dass die Mikrokokken im Abscessinhalt abgestorben seien, im Widerspruch zu stehen schien. Koch glaubte jedoch, diesen Widerspruch durch die Annahme erklären zu können, dass die Mikrokokken wahrscheinlich ebenso wie andere Bacterien nach Ablauf ihres Vegetationsprocesses 238 Die Mikrokokken der Pyämie des Kaninchens. Dauersporen bildeten, welche wie die Dauersporen der Bacillen durch Anilinfarben nicht gefärbt würden und deshalb im Canada- balsampräparat unsichtbar blieben. Nachdem Koch mit faulendem Blut bei Kaninchen keine AU- gemeinaffection hatte erzielen können, nahm er andere Substanzen zur Infection. Eine zwei Tage alte Maceration eines Stückchens Mausefell in Wasser, von welcher eine Spritze einem Kaninchen injicirt wurde, lieferte zuerst ein günstiges Ergebniss. Das Thier wurde 2 Tage nach der Injection krank und starb 105 Stunden nach der Einspritzung. Die Section ergab eine locale purulent-ödematöse Infiltration des subcutanen Bindegewebes, ferner Trübung des Peri- toneums mit Gerinnselbildung auf demselben, fibrinöse Verklebung der Därme, Vergrösserung der Milz, graugefärbte keilförmige Herde in der Leber, und erbsengrosse, dunkelrothe, luftleere Stellen in der Lunge — ein Befund, welcher mit dem, was man gewöhnlich als Pyämie bezeichnete, derart übereinstimmte, dass Koch nicht Anstand nahm, diesen Namen auch für die Kaninchenkrankheit anzuwenden. Bei der Untersuchung zeigte es sich, dass überall im Körper, besonders an den schon makroskopisch als pathologisch verändert zu erkennenden Stellen, Mikrokokken von <),2.") ft Durchmesser meist einzeln oder zu zweien verbunden vorhanden waren. In den Nierencapillaren bemerkte Koch ein eigen- thümliches Verhalten der Mikrokokken. Eine wandständige Anhäufung derselben schloss eine Anzahl rother Blutkörperchen ein; nament- lich an den Seiten umspannen zarte Ausläufer der Mikrokokken die rothen Blutkörperchen (Fig. 36). Koch schloss daraus, „dass diese Mikrokokken die Fähigkeit besassen, entweder Fig. 30. an und für sich durch die Beschaffenheit ihrer Miorococcus der Pyämie beim Oberfläche die rothen Blutkörperchen, an die Kaninchen. (Nach Koch.) ••vi... rr i 1 u 700:1. Gefassaus der Rin- sie S1CÜ anhangen, zum Zusammenkleben zu densubstanz der Niere. bringen, oder dass sie auf geringe Distanzen a. Kerne der Gefasswand. ,...-.. j t>i i ^ c t b. MiUrukokken. nm eine Gerinnung des Blutes und aut diese Weise Thrombenbildung veranlassten". Dies Umspinnen und Einschliessen der rothen Blutkörperchen fand Koch in allen Organen wieder; er hielt es daher für ein Charakteristicum dieser besonderen Mikrokokkenform. Infectionsversuche mit Herzblut dieses Kaniuchens führten bei anderen Kaninchen zu genau denselben Krankheitserscheinungen. Die Mikrokokken der Septicämie des Kaninchens. 239 Ausser dieser mit Metastasen einhergehenden Allgemeinaffection gelang es Koch durch Injection von faulendem Fleischinfus auch noch eine ohne Metastasen verlaufende Affection zu erzielen. Als er von der einen Fäulnissherd umgebenden Oedemflüssigkeit, welche fast nur grosse Mengen ovaler Mikrokokken enthielt, zwei Tropfen einem Kaninchen unter die Rückenhaut einspritzte, starb das Thier nach 22 Stunden ohne eine Spur von Fäulnissbildung an der Injec- tionsstelle; dagegen fand sich ein geringes Oedem und eine weiss- liche streifige Färbung des subcutanen Gewebes mit zahlreichen, 0,5 cm breiten, flachen Blutergüssen. Auch die Musculatur des Bauches und der Oberschenkel war von kleineren Blutergüssen durchsetzt. Die Darmoberfläche sah in Folge sehr zahlreicher kleiner subseröser Blut- ergüsse stellenweise wie mit Blut bespritzt aus. Andere Verände- Fig. 37. Microcoecus der Septicämie bei Kaninchen. (Nach Koch.) 700:1. Thcil eines Glomerulus; bei u Capillargefässe mit Mikrukokken. rungen fanden sich nicht. Das Blut war erfüllt von den ovalen Mikro- kokken, deren grösster Durchmesser 0,8 — 1 /.i betrug. Die Capillaren der Nieren und des Darms besonders, dann aber auch die der Lunge und der Milz enthielten ausgebreitete Einlagerungen der Mikrokokken, welche entweder schalenförmig die Capillaren auskleideten oder aber dieselben vollständig verstopften, jedoch niemals rothe Blutkörperchen einschlössen wie die Pyämie-Mikrokokken, sondern diese stets zur Seite gedrängt hatten (Fig. 37). Die Uebertragung dieser von Koch als Septicämie bezeichneten Affection gelang auf Kaninchen wie auf Mäuse, aber nur mit grösseren Mengen, 5 — 10 Tropfen, Blut. Endlich beobachtete Koch noch eine mit dem menschlichen Ery- sipels grosse Aehnlichkeit bietende Affection am Kaninchenohr, welche nach der Impfung von Mäusekoth entstanden war. Langsam 240 Die Bacillen des künstlichen Erysipels am Kaninchenohr. verbreiteten sich Röthung und Schwellung von der Impfstelle am Ohr nach abwärts, und erreichten am 5. Tage die Ohrwurzel, während das Ohr dicker und schlaffer wurde. Am 7. Tage starb das Thier. In Schnitten des gehärteten Ohres fand Koch auf den Ohrknorpelzellen dicht aufliegend, zwischen diesen und einer dichten Lymphzellen- schicht, ein Netz sehr feiner Bacillen, welche an manchen Stellen haarwulstähnliche Klumpen bildeten. Von diesen aus erstreckten sich parallele Züge von Bacillen nach allen Richtungen, so dass Koch sofort an die eigenthümlichen sternförmigen Figuren der auf die lebende Kaninchencornea verimpften Milzbrandbacillen erinnert wurde. Die Dicke der Stäbchen betrug 0,3 ,«; ihre Länge war sehr verschieden, je nach der Zahl der stäbchenbildenden Glieder und schwankte zwischen 3 und 10 fi. Das Blut und die Organe des Kaninchens zeigten keine weitere Veränderung. Eine Einspritzung mit Blut desselben blieb ohne Erfolg. Die directe Uebertragung der Ohrsubstanz hatte Koch nicht vorgenommen, so dass er eine genauere Untersuchung der biolo- gischen Eigenschaften dieser Bacillen nicht vornehmen konnte. Wenn wir nun mit Koch das Facit ziehen aus seinen neuen, mit sicheren Methoden durchgeführten Untersuchungen, so tritt eine Erscheinung in den Vordergrund, welche Koch auch als das wich- tigste Ergebniss seiner Arbeit ansah: „die unzweifelhafte Verschieden- heit der pathogenen Bacterien und ihre Unabänderlichkeit." Einer jeden Krankheit entsprach, wie wir gesehen haben, eine besondere Bacterienform, und diese blieb, so vielfach auch die Krankheit von einem Thier auf das andere übertragen wurde, oder so oft es ge- lang, dieselbe Krankheit durch putride Substanzen von Neuem her- vorzurufen, immer dieselbe. Die Unterschiede in der Form der ge- fundenen Bacterien waren so gross, wie man sie bei Organismen, die theilweise an der Grenze der Sichtbarkeit standen, nur erwarten konnte. Zudem zeigten die verschiedenen Formen sehr auffallende Unterschiede in ihren Wachsthumsverhältnissen, in ihrer Lagerung und Gruppirung in den Geweben sowie endlich in ihren physiolo- gischen Wirkungen. „Wenn nun aber jeder der untersuchten Krankheiten eine durch physiologische Wirkung, durch Wachsthumsverhältnisse, Grösse und Gestalt genau charakterisirte Bacterienform entspricht, die, so oft auch die Krankheit weiter verpflanzt wird, immer dieselbe bleibt und niemals in andere Formen, z. B. von der kugelförmigen in eine stabförmige übergeht, dann bleibt nichts weiter übrig, als dass diese verschiedenen Formen von pathogenen Bacterien vorläufig als con- stante Arten anzusehen sind." Koch's Anschauungen über die Bedeutung der Reinkulturen. 211 Die scharfe Betonung dieser wichtigen Schlussfolgerung war von ganz besonderer Bedeutung, da in derselben Zeit, als Koch die Bacterienfrage vom ärztlichen Standpunkt aus zu bearbeiten und auf- zuklären begonnen hatte, von Seiten verschiedener berühmter Bota- niker eine mächtige Gegenströmung gegen die CoHN'sche Gliederung der Bacterien in Gattungen und Arten erregt wurde, eine Gegenströ- mung, welche, wie wir noch eingehender zu betrachten haben werden, mit dem BiLLEOTH'schen Ideenflusse zu einem breiten Strome sich ver- einigend, das mühsam errichtete und nur auf wenige feste Stützen basirte Lehrgebäude Ferdinand Cohn's niederzureissen drohte. Für die Notwendigkeit, die von ihm beschriebenen pathogenen Bacterien als specifische Arten ansehen zu müssen, führte Koch noch einen Grund an: „ Man legte ", sagt Koch, „ und das mit vollem Kecht, das grösste Gewicht bei Bacterienuntersuchungen auf die sogenannten Reinkul- turen, die nur eine bestimmte Form von Bacterien enthalten. Ganz offenbar geschieht das nur in der Meinung, dass, wenn man durch eine Reihe von Kulturen immer dieselbe Form zu erhalten vermag, diesen Formen eine besondere Bedeutung zukommt, dass man sie als constante Form, mit einem Wort als Art anzunehmen hat. Giebt es nun aber wirkliche durch eine Reihe von Versuchen von jeder Beimengung anderer Bacterien freizuhaltende Reinkulturen? Aller- dings giebt es solche, aber nur in ganz beschränkten Verhältnissen. Nur solche Bacterien lassen sich mit den jetzt zu Gebote stehenden Hülfsmitteln rein kultiviren, die wegen ihrer Grösse und leicht er- kennbaren Form, wie die Milzbrandbacillen, oder durch Production eines charakteristischen Farbstoffes, wie die Pigmentbacterien, stets in Bezug auf ihre Reinheit controlirt werden können. Sobald in eine Kultur, wie es unter allen Umständen ab und zu vorkommt, eine fremde Bacterienart durch Zufall sich eingeschmuggelt hat, dann wird es in diesen Fällen sofort bemerkt und die verunglückte Kultur wird aus der Versuchsreihe ausgemerzt, ohne dass die Unter- suchung in ihrem Fortgang dadurch gestört zu werden braucht. Ganz anders ist es aber, wenn Reinkulturen mit sehr kleinen Bacterien vorgenommen werden sollen, die ohne Färbung vielleicht überhaupt nicht mehr zu erkennen sind, wie soll man da eine Verunreinigung der Kultur entdecken? Das ist nicht ausführbar und deswegen müssen alle Versuche mit Reinkulturen in Apparaten, und wenn sie noch so vortrefflich construirt sind, sobald sie kleine, wenig charakteristische Bacterien betreffen, als mit unvermeidlichen Fehlerquellen behaftet und für sich allein nicht beweisend gehalten werden. Und dennoch Löffler, Vorlegungen. 16 242 Der beste Kulturapparat für pathogene Bacterien ist der Thierkörper. giebt es auch für die kleinsten und am schwierigsten zu erkennenden Bacterien Reinkulturen. Aber nicht in Kulturapparaten, sondern im thierischen Körper finden diese statt, das beweisen meine Versuche. In sämmtlichen Fällen, die zu einer bestimmten Krankheit gehören, z. B. zur Septicämie der Mäuse, werden nur die kleinen Bacillen und niemals, wenn die Krankheit nicht absichtlich mit der Gewebs- nekrose zusammen verimpft wurde, irgend eine andere Bacterienart daneben gefunden. Es giebt eben keinen besseren Kulturapparat für pathogene Bacterien als den Thierkörper. Es vermögen in demselben überhaupt nur eine beschränkte Zahl von Bacterien zu vegetiren und das Eindringen derselben ist so erschwert, dass der unverletzte Körper eines Thieres als vollständig isolirt gegen andere Bacterienarten, als die absichtlich eingeimpften, betrachtet werden kann. " In seinen Versuchen waren Koch unzweifelhafte Reinkulturen im Thierkörper gelungen. Ja, er hatte es vollkommen in seiner Ge- walt, mehrere Bacterienarten nebeneinander unvermischt und rein weiter zu cultiviren oder aber sie zu trennen und eventuell wieder zu combiniren. „Höhere Anforderungen", fährt er deshalb fort, „lassen sich wohl nicht an eine Reinkultur stellen und ich muss deswegen die fort- gesetzte Uebertragung der künstlichen Infectionskrankheiten für die besten und sichersten Reinkulturen halten. Damit haben sie aber auch Anspruch auf die Beweiskraft, welche untadelhaften Rein- kulturen für die Aufstellung specifischer Arten der Bacterien zuge- standen werden muss." Diese seine Untersuchungen führten Koch dann folgerichtig zu dem Schlüsse, dass, wenn bei Untersuchung einer Wundinfections- krankheit mehrere verschiedene Bacterienarten gefunden würden, entweder eine combinirte, mithin keine reine Infectionskrankheit oder aber, was z. B. bei den Versuchen von Coze und Feltz das Wahr- scheinlichste sei, eine ungenaue und fehlerhafte Beobachtung vorliege. Eine weitere Consequenz, welche aus dem Nachweis des gleich- zeitigen Vorkommens einiger weniger Arten von pathogenen Bacterien neben zahlreichen ganz unschädlichen Arten in derselben faulenden Flüssigkeit folgte, war die, dass alle Versuche, die mit unschäd- lichen Bacterien, z. B. mit Bacterium termo, an Thieren vorgenommen wären, absolut Nichts für oder gegen das Verhalten der schädlichen, der pathogenen Bacterien bewiesen. Nun seien aber fast sämmtliche derartige Experimente mit dem ersten besten Gemisch von Bacterien- arten ausgeführt, ohne dass festgestanden habe, ob in diesem Ge- mische auch wirklich pathogene Bacterien enthalten gewesen wären. Koch verwirft das Gesetz von der progressiven Virulenz des septicäm. Blutes. 243 Es sei also einleuchtend, dass alle diese Experimente zu einem Be- weise für oder gegen den Parasitismus der Infectionskrankheiten nicht verwerthet werden könnten. Endlich wandte sich Koch gegen das, wie wir sahen, ziemlich allgemein anerkannte angebliche Gesetz von der progressiven Viru- lenz des septicämischen Durchgangsblutes, gegen die verführerische, von vielen exacten Forschern sogar mit Enthusiasmus aufgenommene Theorie, „ dass die unbedeutende Wirkung einer einfachen Fäulniss- bacterie durch fortgesetzte Anpassung und Vererbung bis zum quadril- lionfach verdünnten, noch tödtlichen Agens gesteigert werden könne". Nach den ausführlichen Berichten im VmcHOw-HmscH'schen Jahresbericht (die Originalarbeiten der französischen Forscher standen Koch nicht zur Verfügung) schien ihm der eigentliche Beweis dafür, dass die Virulenz des septicämischen Blutes von Generation zu Gene- ration zunehme, gar nicht geliefert zu sein. „Es wurde anscheinend allmählich eine immer stärkere Verdünnung des Blutes eingespritzt und man war erstaunt, wenn dieselbe immer wieder wirkte, und schrieb diese Wirkung der zunehmenden Virulenz zu. Aber Control- versuche, ob nicht schon in der zweiten und dritten Generation das septicämische Blut ebenso virulent war, wie in der fünfundzwanzig- sten Generation, schienen nicht gemacht zu sein. " Bei seinen eigenen Versuchen, welche er mit der der DAVAiNE'schen Septicämie am meisten entsprechenden Septicämie der Mäuse anstellte, fand Koch, dass zur ersten Infection eines Thieres verhältnissmässig grosse Quantitäten putrider Flüssigkeit erforderlich seien — und soweit stimmten seine Erfahrungen mit den von Coze und Feltz und Dä- vaine gemachten tiberein — , dass aber in der zweiten oder spä- testens in der dritten Generation die volle Virulenz erreicht werde und von da ab constant bleibe. Sobald nämlich nur als einzige pathogene Bacterienart die feinen Bacillen unbehindert von den mit ihnen zugleich im faulen Blut eingeimpften anderen Bacterien und septischen Giften, im Blute sich entwickelten, sobald das Blut eine Reinkultur der Stäbchen enthalte, sei die volle Virulenz erreicht, und dies sei in der zweiten, spätestens aber in der dritten Generation der Fall. Dass Koch mit seiner Erklärung das Richtige getroffen hatte, dafür konnte Gaffkt 2 ) nach Einsicht der französischen Original- arbeiten den Beweis liefern. Jene Controlversuche , welche Koch 2) Georg Gafpky : Experimentell erzeugte Septicämie mit Rücksicht auf progressive Virulenz und accommodative Züchtung. Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt. Bd. I. Berlin 1881. S. 110. 16* 244 Gafpkt zeigt, dass das sog. DAVAiNE'sche Gesetz eine Chimäre war. vermisst hatte, waren von Datäine wohl angestellt worden und zwar genau mit demselben Erfolge, welchen Koch bei seinen Ver- suchen erzielt hatte. In einem Versuche Davaine's hatte das Blut eines inficirten Kaninchens bereits in der zweiten Generation eine solche Virulenz erreicht, dass ein hundertmillionstel Tropfen desselben genügt hatte, ein anderes Kaninchen in 40 Stunden zu tödten. Ja, was das Ueberraschendste war, Davaine selbst hatte sich auf Grund seiner Versuche dahin ausgesprochen, dass das septicämische Blut sofort seine grösste Virulenz erlange. Das vermeintliche Davaine- sche Gesetz von der progressiven Virulenz war mithin nichts anderes als eine auf einen willkürlich aus dem Zusammenhange herausge- griffenen Versuch basirte Chimäre, deren Schattenhaftigkeit vielen sonst exacten Forschern, nicht aber Robert Koch entgangen war. Mit den Untersuchungen Robert Koch's über die künstlichen Wundinfectionskrankheiten waren die älteren mit relativ unsicheren Methoden in Angriff genommenen Bacterienforschungen abgethan; mit ihnen beginnt die neue Aera der exacten Forschung, welche die Specificität der Bacterien, in Sonderheit der pathogenen gegen alle Angriffe von Seiten der Botaniker wie der Aerzte mit unanfechtbaren Thatsachen siegreich zu vertheidigen vermochte und welche mit Hülfe neuer wiederum von Robert Koch aufgefundener Kultur- methoden auch die Geheimnisse der Aetiologie der menschlichen Infectionskrankheiten der wissenschaftlichen Erkenntniss erschlos- sen hat. Druck von J. E. Hi rschf eld in Leipzig. NAMENREGISTER. Abbe 231. 232. Andry, Nicolas 8. Appert, Francois 22. Archangelski 171. Baer, von 19. Bail 74. Baker, Cl. H. 14. Baly 55. Bassi 51. Bastian, Charleton 27. 28. Hary, de 77, 82. Bechamp 64. 78. Behier 189. 191. Bennet 53. 55. Bergeron, A. 210. Bergmann, E. 92. 183. 193. 196. 202. Bert, Paul 173. 175. Bettelheim, K. 91. Billroth, Theodor 139. 141. 142. 165. 181. 184. 187. 197. 207. 210. 214. 219. Birch 4. Birch-Hirschfeld 101. 104. 154. 180. 181. 183. 195. 203. Bliesener 154. Böhm, Ludwig 51. Boerhaave, H. 19. Bollinger, O. 168. 171. Bonnet, Charles 14. 21. 28. Borginon, Gustave 224. Bory de St. Vincent 18. Bouley 189. Brandis, H. 11. Brauell in Dorpat 69. Breieid, Oscar 83. 225. Brehm, H. von 193. 202. Brittan 55. Broek, van der 26. Brown 91. Buchholtz 210. Budd 55. Butfon, G. L. le Clerc Comte de 14. 20. Buhl 88. 90. 93. Burdon-Sanderson 26. 27. 84. 87. 124. 188. 199. Burkart 181. 197. Cagniard-Latour 50. Carthey, Mc. 81. Cazeneuve 26. Chalvet 72. 108. Chauveau 87. 127. Chevreul 24. Chiene 26. Christ 11. Christot 88. Clementi, Gesualdo 189. 191. 192. 196. Cohn, Ferdinand 28. 37. 41. 44. 84. 88. 109. 111. 115. 139. 142. 144. 145. 148. 155. 164. 169. 205. 209. 219. 223. 241. Cohnheim 160. Colin 189. 191. Collmann 181. Columella 11. Comalia 63. Corti 14. Coze 89. 188. 190. 233. 242. 243. Cramer 158. Cullerier 49. Cunningham 150. Dallinger 219. Davaine, C. 55. 56. 69. 71. 89. 120. 127. 167. 188. 191. 202. 203. 207. 233. 234. 243. 244. Debey Sl. 246 Namenregister. De Col 34. Delafond 70. 74. Dolschenkow 183. Donna 45. Dove 81. Dreyer 1S9. 190. 191. Drysdale 219. Dujardin, F61ix 34. 69. Dusch, Th. von 23. 185. Eberth 88. 91. 151. 173. 181. 182. 183. 204. 206. Ehrenberg, Christian Gottfried 30. 45. 108. 121. 157. 219. Ehrlich, F. 181. 210. 214. 233. Eichhorn 14. Eidam, Eduard 166. Eisholz, Joh. Sigismund 8. Elten 107. Engel 154. Erdmann, Otto 107. 109. Estor 65. 130. Ewart 26. Fabricius, Otto 14. Feltz 89. 188. 190. 242. 243. Fischer, E. 203. Förster 159. 100. Fokker 171. Fordos 108. Fraenkel, Albert 251. Fremont 11. Frerichs 53. 105. Fresenius 109. 111. Friedlaender 251. Friedmann 181. Frisch, A. 173. 183. 206. 208. Fritsch 219. Fuchs 34. 106. 108. Grarfky, Georg 28. 243. Gay-Lussac 68. Gielen 107. Gleichen, Wilh. Friedr. Freiherr von, gen. Russworm 12. 20. 30. Götze 14. Goiffon 8. Goodsir, Gebrüder 54. 105. Goodsir, John 54. Gosselin 210. Graefe, A. von 159. 160. Gram 250. 251. Griesmayer, Victor 123. Griffith 55. Gruithuisen, Franz von Paula 18. Gscheidlen, R. 27. 199. Haaxmann, P. J. 4. Hallier 76. 78. 86. 88. 92. 94. 102. 118. Hannover 53. Hartley 27. Hartsoeker 19. Harvey 28. Harz 169. Hassel 55. Haubner 107. Hauptmann 3. Hauser 26. Heiberg, Hjalmar 101. 180. 181. 197. 205. Heidenhain 204. Heller 105. Helmbrecht 54. Hemmer, M. 91. Henle 51. Hensen 78. Herrmann 14. Hill 14. Hiller, Arnold 190. 194. 205. 209. 210. Hoegyes, Andreas 151. Hoffmanu, H. 24. 27. 64. 77. 83. 107. 110. 143. 215. Hooke, Robert 5. 7. Houttuyn 9. Hueter, C. 88. 91. 101. 102. 142. 182. Huizinga, D. 27. Huxley 78. Jaffe 89. Jaillard 72. 175. Ingenhousz, Joh. 20. Joblot 13. 19. Joly 27. Rzigsohn 42. 80. 221. Karsten, Hermann 78. 130. Kartulis 252. Keber, F. 87. Kehrer, F. A. 193. Kiener 88. Kircher, Athanasius 1. Klebs, Edwin 26. 85. 89. 93. 94. 95. 104. 105. 127. 131. 175. 181. 182. 193. 199. 203. Klein 188. Klob, J. M. 81. Namenregister. 217 Knop 124. Koch, Robert 28. 167. 216. 227. 228. 245. Köhler 14. Krembs 108. Küssner, B. 193. 216. Lamarck, J. P. B. A. de 18. Lambl 56. Lancisi, Jo. Maria 8. Landau, G. 200. Lange, D. Christian 1. 3. Langenbeck 53. Laukester 133. 156. 158. Laptschinsky 154. Lebegne 8. Leber, Th. 90. 104. 160. 183. 206. Lebert 63. Leblanc 189. Ledermüller 14. Leeuwenhoek, Antony van 3. 19. 45. Leisering 70. Lemaire 64. 66. 76. Leplat 72. 175. Leroy d'Etiolles 50. Lesser 13. Letzerich 85. 100. 182. Leube 26. Lewis 150. Leyden 81. 89. Leydig 76. Liebig 66. Linu6 9. Lion 26. Lionville 189. 191. Lister, Joseph 26. 68. 102. 135. 224. Litten 154. Löffler 28. Long 1 1 . Lucretius 11. Lücke 10S. 181. Lüders, Johanna 77. Luginbuhl 88. Lukomsky 180. 184. 197. 205. Lustgarten 247 . Magendie 188. Meier 181. Malmsten 56. Manasse'ia, Wjatscheslaw 84. Mantegazza 27. Marchand 26. Marcuse 182. Martini 180. Mayer, A. 124. Mayer in Bonn 69. Mayerhoffer 89. Meissner 26. Menuret 11. Mery 108. Mitscherlich 60. 109. Molitor, N. K. 20. Morren 157. Mosler, F. 107. Müller, Otto Friedrich 14. 20. 33. 36. 45. 164. Müller, Philipp Ludwig Statius 9. Münch 90. Musset 27. Naegeli 37. 43. 63. 105. Nassiloff 88. 91. 93. 173. 182. Nedswetzky, E. 151. Needham, 14. 19. 43. Nepveu 181. 210. Nitsch, Christ. Lud. 18. Obermeier, Otto 154. 220. Oertel 88. 91. 93. 182. Oken, Lorenz von 18. 157. Onimus 191. 208. Orth, J. 101. 180. 184. 207. Ozauam, J. A. F. 11. Pacini 55. 150. Pauum 91. 196. 200. Paschutin 210. Pasteur 24. 26. 27. 28. 37. 57. 73. 89. 97. 104. 120. 123. 164. 174. 199. Pepper, William 76. Perls 211. Persoon 51. Perty, Maximilian 39. 122. 164. Petersen 92. Plenciz, Marc. Anton. 10. Pollender 69. Polotebnow, A. 84. Pouchet 27. 55. 72. 89. Prevost, B. 51. Pristley, Henri 20. Putzey 27. Kaimbert 71. Ranke, H. R. 195. Rasori 11. Rawitsch 202. 248 Namenregister. Bay-Lankester 133. 156. 158. Rayer 69. Raynaud 181. 189. Reaumur 11. 14. Recklinghausen, von 90. 91. 92. 93. 95. 180. Redi, Francesco 19. Regnier de Graaf 5. Remak 53. Riess 190. 199. Rindfleisch 26. 83. 89. 199. Roberts 26. Robertson 55. Robin, Ch. 54. 74. Roloff, F. 171. Rosenbach 26. Rosenstein 89. Rottenstein, J. B. 90. 104. Royal Society in London 5. Saint-Pierre 65. Salisbury 75. Salomonsen, Carl Julius 215. 222. Samuel 186. Samuelson 27. Sanson 73. Schaffner 53. Schmidt, A. 92. Schmiedeberg, O. 92. Schrank, Franz von Paula 18. Schröder, H. 23. 28. 185. Schröter, S. 111. 120. Schulze, Franz 22. 27. Schurtz 88. Schwann 23. 27. 50. 185. Schweigger 18. Schweninger 91. Semmer 88. 168. Sette 34. 109. Signol 72. 176. Sonnenschein 92. Spallanzani 14. 21. 27. Spencer Well 76. Stricker 192. 196. Stromeyer 183. Süll 55. Suringar 105. Swaine 55. Swammerdamm 19. Talamon 85. Thiu, G. 189. 192. 196. Thome\ W. 81. Tiegel 95. 98. 193. 197. 202. Tieghem, van 63. 120. Tigri 72. Tillmanns 181. Tommasi-Crudeli 88. 132. 142. Traube 89. 199. TrcScul 105. 164. Treviranus, Gottfr. Reinh. 18. 22. Troisier 181. Tschamer, A. 85. Tulasne 76. Turpin 60. Tyndall 25. Vallisneri, Ant. 8. Varro, Marcus Terentius 8. Virchow 54. 93. 105. 150. 151. 152. 181. Vogt, Paul 101. Vulpian 189. 191. Wagner, E. 213. Wagner, Rudolph 50. Wahl 90. Waldeyer 90. 93. 159. Warming 157. 219. Watson Cheyne 26. Wedl 56. 90. Weichselbaum 251. Weigert, C. 88. 93. 154. 203. 213. 215. Weissgerber, Paul 211. Welcker 105. Wiegand 130. Wieworowsky 81. Wilde 181. Wilkinson 54. Wilson 54. Winternitz, W. 130. Wolf 124. Woltf, Max 190. 193. 210. Wolffhügel 28. Wood, H. C. 76. Wrisberg, H. A. 14. 20. Wyman, Jeffries 27. Zahn, Fr. Willi. 95. 193. 204. Zülzer 88. 92. Zürn 88. Ein ausführliches Inhaltsverzeichniss wird mit dem zweiten Theile aus- gegeben werden. TAFEL-ERKLÄRUNG. Tafel I. Original -Photogramme von Robert Koch (s. Beiträge zur Biologie der Pflanzen. Bd. II. Breslau 1877. Tat'. XIV, XV u. XVI). Fig. 1. Milzbrandbacillen im lebenden Zustande. Cohn's Beiträge. Bd. IL Taf. XVI. 1. Vergr. 70t). Fig. 2. Milzbrandbacillen zu Fäden ausgewachsen. Sporen bildend. Ibid. Taf. XVI. 3. Vergr. 7 OU. Fig. 3. Blut eines Recurrenskranken mit Spirochäten. Mit Anilinbraun gefärbt, in Glycerin eingelegt. Ibid. Taf. XVI. 7. Vergr. 700. Fig. I. Spirochäten des Zahnschleimes. In getrocknetem, ungefärbtem Zustande photographirt. Ibid. Taf. XIV. 8. Vergr. 500. Fig. 5. Spirillum undula mit Geissein. Ibid. Taf. XIV. 4. Vergr. 500. Fig. 0. Bacillus mit Geissein. Ibid. Taf. XIV. 0. Vergr. 70(1. Fig. 7. Zoogloea ramigera. Ibid. Taf. XIV. I. Vergr. 200. Fig. 8. Reihenförmig geordnete Mikrokokkcn, eine feine Haut auf Wasser bildend. Ibid. Taf. XV. 8. Vergr. 500. Tafel II. Fig. 1. Durchschnitt einer gekochten Kartoffel. Die bräunliche Masse in der Mitte stellt eine ältere Reinkultur von Rotzbacillcn dar. Die zahl- reichen verschiedenartigen Gebilde in deren Umgebung sind Colo- nien von Bacterien, Hefen- und Schimmelpilzen, welche aus der Luft auf die Kartoffel gefallen sind. Sie gefährden die Reinkultur nicht, da sie durch den festen Nährboden gezwungen sind, sich bei ihrem Wachsthume auf die Stelle, auf welche sie niedergefallen sind, zu beschränken. Fig. 2. Colonie von Milzbrandbacillen in Näbrgelatinc bei SOfacher Vergrösse- rung. Man erkennt das dichte Gewirr der vielfach haarfiechten- ähnlich zusammengedrehten Fäden. 250 Tafel-Erklärung. Fig. 3. Wachsthumsweise der Milzbrandbacillen in Reagenzröhrchen mit Näbr- gelatine. Die Einimpfung ist durch Einstich erfolgt. Der obere Theil der Gelatine ist verflüssigt. Am Boden der verflüssigten Schicht sieht man als weissliche Masse die Milzbrandbacillen abgelagert. Darunter in der festen Gelatine liegen zwei mit zahlreichen Aus- läufern versehene Milzbrandcolonien. Fig. -1. Milzbrandbacillen aus der Milz einer Maus am Deckglas ausgestrichen, nach Gkam gefärbt. Einzelne Glieder (d) haben das Gentianaviolett nicht angenommen, wohl aber das zur Grundfärbung verwandte Bis- marckbraun. Die Bacillen (c) links auf der Figur sind normal gefärbt. In der Gruppe etwas nach unten von der Mitte (b) erscheinen die Bacillen, als wären sie aus grossen Kokken zusammengesetzt. Die Gruppe oben rechts (a) zeigt eine Ablagerung des Farbstoffes in Form feiner Körnchen auf den Bacillen , in deren Mitte ausserdem ein schwach gefärbter centraler Faden zu erkennen ist. Die gröbere und feinere Körnung rührt von nicht genügend langer Färbung der Bacillen und langem Auswaschen derselben in Alkohol her. Fig. 5. Reinkultur der Tuberkelbacillcn auf erstarrtem Blutserum bei 80facher Vergrösserung. (Die Figur ist in der Mitte zu hell ausgefallen. Die einzelnen C förmigen kleinen Colonien sind etwas zu dünn in der Mitte.) Fig. (i. Reinkultur der Tuberkelbacillcn auf schräg erstarrtem Blutserum im Reagenzglase, trockene, weissliche Schüppchen bildend in natürlicher Grösse. Fig. 7. Sputum mit Tuberkelbacillen mit Anilinwasser- Gentianaviolett gefärbt und mit Bismarckbraun nachgefärbt. Fig. 8. Reinkultur der Cholerabacillen in Nährgelatine, 4 Tage alt. Im oberen Theil des Verflüssigungstrichters erscheint eine mit Luft gefüllte Ver- tiefung. Die weissliche Bacillenmasse liegt am Grunde des Trichters und im Trichterhalse. Fig. 9. Colonien der Cholerabacillen in Nährgelatinc bei 80 facher Vergrösserung. Die Colonien haben keinen glatten Band, scheinen aus kleinen Bröckchen zusammengesetzt. (Diese Details treten in der Figur nicht genügend scharf hervor.) Die 3 grösseren Colonien liegen an der Oberfläche der Gelatine; sie sind etwas eingesunken in die in ihrem Umkreis verflüssigte Gelatine. Fig. 10. Reinkultur der Cholerabacillen in Bouillon, mit Fuchsin gefärbt. Ein- zelne Commas und spiralige Fäden. Fig. 11. Stichkultur der Typhusbacillen in Nährgelatine. Schleierartige, bläulich- weisslich durchscheinende Ausbreitung an der Überfläche. Fig. 12. Colonien der Typhusbacillen in der Nährgelatine bei 80 facher Ver- grösserung. Die Colonien sind dunkelbraun, scharf gerandet, fein granulirt, zeigen bisweilen mehrere concentrische Zonen. Fig. L3. Typhusbacillen aus einer Reinkultur in Nährgelatine, kürzere (den Typhusbacillen in den Geweben entsprechende) und längere Bacillen. Die Figuren 4, 7, 10 und 13 sind mit Zeiss '/« hom. Im., Ocular 2 gezeichnet. Fig. 2. Fig. 3. Fig. 4. Fig. 5. Fig. 6. Fig. 7. Tafel-Erklärung. 251 Tafel III. Fig. 1. Rotzbacillen aus der Milz einer Feldmaus. Deckglaspräparat mit alka- lischer Methylenblaulösung gefärbt. Einzelne Bacillen zeigen in ihrer Mitte ungefärbte Stellen, welche ein sporenähnliches Aussehen haben. Saft aus einem Lepraknoten mit Carbolfuchsin gefärbt, einzelne Bacillen und grosse kernlose Zellen von Bacillen erfüllt. Schnitt durch ein breites Condylom. Sypbilisbacillcn in einer Wandcr- zelle. Nach Lustgarten. Trippereiter. Deckglaspräparat. Eiterzellen erfüllt mit Gonorrhoekokken. Eine Epidermiszellc am Rande von denselben bedeckt. Methylen- blau-Färbung. Khinosclerom. Schnittpräparat nach Gram gefärbt. Zahlreiche Häufchen der Rhinosclerom-Bacillen. Die kapseltragenden FRiEDLÄNUER'schen „Pneumoniekokken", der Ba- cillus pneumoniae Weichselbaum's. Schnitt durch einen mit pneumonischem Exsudat erfüllten Alveolus nach Gram gefärbt. Kleine Kokken, einzeln und in Ketten angeordnet, zwischen und in den Zellen des Exsudates. Der Pneumoniccoccus Fraenkel's, der Diplococcus Pneumoniae Weichselbaum's. Fig. 7 a. Einzelne Exemplare des letzteren, stärker vergrössert, deutlich lancctt- förmig. Fig. 8. Der Staphylococcus pyogenes aureus. Fig. 9. Der Streptococcus pyogenes. Fig. 10. Schnitt durch eine mit diphtherischer Pseudomembran bedeckte Trachea. Nach oben Kerninfiltration der Schleimhaut, darunter das Exsudat, dessen der Schleimhaut anliegende Schicht wenige Kerne von Zellen zeigt; weiter nach aussen in einer kernreicheren Schicht des Ex- sudates dichte Massen von Diphtheriebacillen mit den eigenthüm- lichcn kolbigen Endanschwellungen. Auf der Oberfläche der Mem- bran liegen verschiedenartige Bacterien. Die Bacillen des malignen Oedems. Die Bacillen des Schweine-Rothlaufs. Deckglaspräparat von der Lunge einer Maus. Die Bacterien der Hühncrcholera. Blutpräparat. Ovale an den Enden gefärbte, in der Mitte farblose Bacterien. Micrococcus tetragenus. Schnitt aus der Niere einer Maus. In dem Glomerulus sieht man, dass die meist zu vieren angeordneten Mikro- kokken von einer ungefärbten Hülle umgeben sind. Fig. 15. Actinomyces - Rasen mit alkalischer Anilinwasser-Gentianaviolettlösung nach Gram gefärbt. Man sieht bei dieser Färbung nichts von den charakteristischen Kolben. Fig. 11. Fig. 12. Fig. 13. Fig. 11. 252 Tafel-Erklärung. Fig. lfi. Amöben aus der Stuhlentleerung eines Ruhrkranken nach Kartulis. Links zwei ruhende Amöben. Die beiden Bilder rechts stellen ein und dieselbe Amöbe dar, das eine die Amöbe in der Ruhe, das andere dieselbe in Bewegung. Man erkennt den Kern, das Körnchenplasma und das Myxoplasma. Zeiss l /is hom. Im., Ocular 3. Ausgezogener Tubus. Die Figuren 1-15 sind alle mit Zeiss '/iü hom. Im., Ocular 2 gezeichnet. TAFEL I. i v LUEFl-'l ER, \ orli 51 ngi Liohtdrucfc JUL -i KUNKHARDT LE.PtHi. Ali ron t C W. VOGEL in LEIPZIG. i.\l 1 i III 13 ^ KHi.At . vnn F ( ,1 TAFEL m X- i ^i i .*. .*# W ' A* ,v«*- 9 V fe -• u wM -V- ■J-> ^ Xl^ ^% \T-f v ^/V\ ^^cW^ £/