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00-258.70

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MICROFILMED 2003

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AUTHOR: Tiemann, Johannes

Kritische

von buch I und II der platonischen gesetze mit besonderer berücksichtigung der fragen, welche bruns hinsichtlich der abfassung derselben angeregt hat . . .

PLACE: Osnabrück

DATE: 1888

BIBLIOGRAPHIC RECORD TARGET

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Storage Number : CO^/35S J^O

Kritische smalyse von buch I xind II der platonischen gesetze mit besonderer berücksichtigung der fragen, welche brxins hinsichtlich der abf assiing derselben angeregt hat . . . Author(s) : Tiemann , Johannes. Pioblication:

Osnabrück, Tear:

1888 Description: 33 p. Language :

German SUBJECT(S) Note(s): Dissertation: Programm Ratsgymnasiiom, Osnabrück, 1888.

OCLC: 43720645

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Inhalt: l.ygritische Analyse ^on Buch I und II der platonischen ^W^. Gesetze mit besonderer Berücksichtigung der Fragen, W%!\>

welche Bruns hinsichtlich der Abfassung derselben an-^ f geregt hat/ vom Cand. Johannes Tiemann "-'^

2. Schulnachpchten vom Direktor R

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Kritische Analyse von Buch I und II der platonischen Gesetze

mit besonderer Berücksichtigung der Fragen, welche Bruns hinsichtlich der Abfassung derselben angeregt hat

JJurch eine mir von Herrn Professor von Wilamowitz gestellte Prüfangsaufgabe auf eine eingehen- dere Beschäftigung mit den platonischen Gesetzen geführt, bin ich, je länger, desto mehr, zu der Über- zeugung gekommen, dasz die Vorstellung von der Arbeit des Redaktors an den Gesetzen, zu welcher Bruns gelangt ist ^), nicht die richtige ist. Dasz wir in den Gesetzen, wie sie vorliegen, nicht ein fertiges Werk Piatos vor uns haben, ist auch meine Ansicht. Das vollständige Fehlen des Zusammen- hanges zwischen Buch n und m, mehrere Partien in den letzten Büchern, welche auf jeden Unbe- fangenen den Eindruck von lose an einander gereihten Fragmenten machen, scheinen mir Beweis genug dafür. Aber eben dieser lückenhafte Zustand des Werkes läszt mir von vornherein eine so durch- greifende Bearbeitung, wie Bruns sie namentlich für die beiden ersten Bücher annimmt, als unwahr- scheinlich erscheinen. Nach Bruns haben wir näAlich in den von ihm als original anerkannten Par- tien des ersten Buches die Einleitung zu einem ursprünglichen, später aber aufgegebenen Entwürfe des Schriftstellers vor uns, während das zweite Buch ein Stück der erst mit dem vierten Buche beginnenden Gesetzgebung für die kretische Kolonie sei, welches seinem Zusammenhange nach in das jetzige siebente Buch gehöre. Diese heterogenen Elemente seien vom Redaktor mit Hilfe mannigfacher Einschiebungen, in denen man teils aus ihrem eigentlichen Zusammenbange gerissene originale Fragmente, teils vom Redaktor selbst verfaszte Stücke zu erkennen habe, zu einem Ganzen vereinigt und in dieser Form vor das übrigens ganz andere, verloren gegangene Untersuchungen voraussetzende dritte Buch gestellt. Man wird mir zugeben, dasz die Annahme eines so gewaltsamen Eingreifens von seiten des Redaktors bei dem übrigens vielfach lückenhaften Zustande der Gesetze zu den ernstlichsten Bedenken Anlasz geben musz, und dasz deshalb eine genaue Prüfung der von Bruns für seine Behauptungen beigebrachten Gründe wohl gerechtfertigt erscheint. Als ein Versuch, diese Prüfung an der Hand einer kritischen Analyse der ersten beiden Bücher im einzelnen vorzunehmen, möge folgender Aufsatz angesehen werden. Die Personen des Dialoges sind : ein Athener {^svog ^A^rjvatog) ; Klinias, ein Kreter ; Megillos, ein Spartaner. Sie befinden sich auf dem Wege von Knossos nach einem Heiligtume des Zeus. Der Athener eröffnet den Dialog mit der Frage: Hat ein Gott oder ein Mensch eure Gesetze geschaffen? Die Antwort lautet: Ein Gott; bei den Kretern Zeus, bei den Lacedämoniem Apollo. Es ist wohl zu beachten, dasz der göttliche Uraprung der kretischen und spartanischen Gesetze hiermit als Voraus- setzung des weiteren Gespräches aufgestellt wird, da dieser Punkt von Wichtigkeit ist für das richtige

^) „Piatos Gesetze vor und nach ihrer Herausgabe dnrch Philipp von Opus." Weimar 1880.

1

Verständnis mehrerer von Brons bemängelter Stellen, von denen im weiteren Verlaufe der Untersuchung die Bede sein wird (p. 3 u.5). Zunächst knüpft der Athener an diese Voraussetzung des göttlichen Ursprungs die Vermutung, dasz es den Mitunterrednem iizetör] kv roiovroiq i)dtai, ridQa(p^t wohl angenehm sein würde, sich den Weg durch ein Gespräch über Gesetze und Verfassung zu verkürzen. Nachdem diese ihre Zustimmung zu erkennen gegeben haben, beginnt er sogleich mit der mitten in den Gegenstand führenden Frage : Wozu hat das Gesetz bei euch die Syssitien, die Gymnasien und die Handhabung der Waffen vorgeschrieben? einer Frage, welche ja den dorischen Mitunterrednern gegen- über nahe genug lag. Elinias antwortet, der kretische Gesetzgeber habe in der richtigen Erwägung, dasz der Friede ein bloszer Name sei, und dasz in Wahrheit alle Staaten fortwährend mit einander auf Eriegsfusz lebten, nicht nur jene von dem Athener genannten Einrichtungen, sondern überhaupt nahezu alle Einrichtungen des Staates mit Bflcksicht auf den Krieg getroffen. Um aus dieser Antwort die Grundlage für die weitere Untersuchung zu gewinnen, faszt der Athener ihren Inhalt zusammen in dem Satze: „Also ein wohl geordneter Staat musz so eingerichtet sein, dasz er die anderen Staaten im Kriege besiegt."

Nachdem auch Megillos diesem Satze beigepflichtet hat, überträgt der Athener das demnach für den Staat Geltende auf das Dorf, die Familie und schlieszlich auf den einzelnen in Beziehung auf sich selbst. Klinias giebt zu dieser Erweiterung des Satzes seine lebhafte Zustimmung zu erkennen und findet in ihr die wahre Begründung für den bekannten Gedanken: Über sich selbst zu siegen ist der erste und schönste Sieg, und sich selbst zu unterliegen, die schimpflichste Niederlage. Der Athener benutzt den ihm hierdurch gebotenen Begriff des xqeLxxwv iavtov und ijmav iavtov, indem er nun umgekehrt das zunächst für den einzelnen Geltende, dasz nämlich jeder, je nach dem, bald xqbit- xwv iavTOV, bald iJTTcov iavrov ist, auf Familie, Dorf und Staat, als Einzelwesen betrachtet, über- trägt. Auch dem stimmt Klinias zu und erklärt eine nöXig für xgeitru) iavTrjg, wenn die besseren Elemente (oi dfieivoveg), für »/rrw iavrijg, wenn die schlechteren Elemente (ot XEtQOvg) die Ober- hand gewinnen. Auf die durch die Ausdrucksform dieses Gedankens nahe gelegte Frage, wie das Xitgov überhaupt dem äuEivov gegenüber xQelrtov sem könnte, erklärt der Athener jetzt nicht ein- gehen zu wollen wir werden an einer anderen Stelle eine Beantwortung dieser Frage finden ; auch daran will er keinen Anstosz nehmen, dasz, wenn die x^iQOvg in der Ueberzahl sind und die Minderheit der dfisivovsg überwältigen, doch der ganze Staat x^igcav iavtijg und umgekehrt, wenn die Minderheit der diAeivovsg siegt, doch der ganze Staat xQtittwv ^aüT^g genannt wird ; denn, meint er, es handelt sich nicht um Worte, sondern um die Sache. Hinsichtlich dieser wird nun zunächst an dem Beispiele eines Richters, welcher die Feindschaft zwischen Brüdern schlichten soll, von denen ein Teil wohl, ein anderer übel geraten ist, festgestellt, dasz ein solcher Richter seine Aufgabe am besten lösen würde, wenn er die übel Geratenen weder tötete noch unterdrückte, sondern mit ihren Brüdern aussöhnte, obwohl er damit nicht den Krieg, sondern den Frieden zum Zwecke seiner Gesetzgebung machen würde. Darauf wird der auswärtige Krieg (6 I|w5«v iröks^iog), welchen Klinias ursprünglich allein im Auge gehabt hatte, unterscliieden von dem inneren Zwiste (ordoig), zu welchem die Unter- suchung durch den Begriff des nöXefiog avrov ngbg iavröv unvermerkt übergeleitet war, und die letztere Art des Krieges, der innere Zwist, wird als die für den Gesetzgeber wichtigere anerkannt. Der Zweck des Gesetzgebers aber musz dabei nach dem aus dem eben angeführten Beispiele gewonneneu Ergebnisse nicht der Krieg, sondern der Friede sein. Das sich so ergebende Resultat ist demnach: 1) Der Gesetzgeber musz nicht in erster Linie auf den äuszeren Krieg, sondern vielmehr auf den inneren Zwist sein Augenmerk richten. 2) Das dabei zu erstrebende Ziel ist nicht der Krieg, sondern der Friede. Noch besser würde es sein, wenn dieser Friede überhaupt von Anfang an, ungestört durch jeden Krieg, vorhanden wäre.

Dies Resultat musz Klinias freilich anerkennen, aber trotzdem scheinen ihm die dorischen Ver- fassungen allein auf den auswärtigen Krieg berechnet zu sein. Der Athener giebt die Möglichkeit zu irax' äv lawg 629 A), warnt aber vor vorschnellen Urteilen und schlägt vor die Untersuchung in der Weise noch einmal aufzunehmen, dasz Tyrtäus als Vertreter der Dorier sein Urteil über den fraglichen Gegenstand abgeben soll. Zu Grunde gelegt werden die Verse, in welchen er die Tüchtigkeit im Kriege als erste und wesentlichste Tugend preist (Bergk II fr. Tyrt. 401. oüt äv pivijaaiiiTjv ovx iv Xöyqt dvdga ri^eiftTjv etc). Es ergiebt sich, dasz diese Verse nur auf den auswärtigen Krieg gerichtet

sein können. Die Tüchtigkeit in dieser Art des Krieges kann aber nach der bisherigen üntersuchang nicht als erste Tagend gelten, nnd es wird dem Tyrtäns die Autorität des Theognis entg^engesetzt ^), welcher den im schweren Bürgerkriege zuverlässigen Mann als den Torzüglichsten verherrlicht. (Bergk U Theogn. v. 77.) Denn dazu, so fährt der Athener aus, gehört die gesamte dgerr/, während der von Tyrtäus Grepriesene nur die dvögüa nötig hat. Nun musz aber ein Gesetzgeber, und zumal ein gött- licher Gesetzgeber wie in Kreta, sich die höchste dgerrj, nnd mithin die von Theognis gepriesene niar&trjg, nicht die dvögeia des Tyrtäus, zum Endziel setzen.

Nachdem so der Versuch gescheitert ist, mit Hilfe des Tyrtäus ein dem Ergebnisse der Unter- suchung entsprechendes Princip in den dorischen Verfassungen nachzuweisen, liegt die von Klinias daraufhin gestellte Frage: „Wollen wir unseren kretischen Gesetzgeber als schlecht verwerfen?" aller- dings nahe genug, und man könnte erwarten, dasz der Gedanke, die kretische nnd spartanische Ver- fassung seien Musterverfassungen, jetzt in der That endgiltig aufgegeben würde. Nun beachte man aber, dasz gleich zu Anfang diese Verfassungen als göttliche hingestellt wurden, und dasz an unserer Stelle 630 C. 6 t^ÖE JtaQcc Jibg vofxo&irrjg auf den göttlichen Charakter derselben ausdrücklich Bezug genommen wird. Göttliche Verfassungen lassen sich jedoch schlechterdings nicht verwerfen, und es ist daher wohl begründet, wenn der Athener, so lange er an dem göttlichen Ursprünge derselben noch festhält, keinen Tadel gegen sie aufkommen lassen will. Der Athener sucht vielmehr eine nochmalige, endgültige Prüfung der dorischen Verfassungen herbeizuführen, und er fahrt deshalb folgendermaszen fort: Dasz Klinias die aQttr] als Zweck der Verfassung hinstellte, ist dem göttlichen Charakter der- selben durchaus gemäsz, dasz er aber nur einen Teil der ägerri, und zwar den unbedeutendsten, dazu wählte, entspricht diesem Charakter durchaus nicht. Die richtige Art über die kretische Verfassung zu sprechen ihren göttlichen Ursprung natürlich vorausgesetzt wäre vielmehr folgende gewesen, die auch jetzt noch angewandt werden kann: Die kretischen Gesetze sind mit Secht berühmt, denn sie machen diejenigen, welche sich ihrer zu erfreuen haben, glücklich, indem sie ihnen die göttlichen und menschlichen Güter verschaffen, wobei erklärt wird, dasz die göttlichen Güter die menschlichen not- wendig im Gefolge haben. Dann folgt nach einer Aufeählung dieser Güter, in welcher die göttlichen als die bekannten vier Kardinaltugenden erklärt werden, eine nach Gruppen geordnete Übersicht über das, worauf sich die einzelnen gesetzlichen Bestimmungen zu beziehen haben, mit, der ausdrücklichen Erklärung, dasz jede dieser Bestimmungen die vorher erwähnten Güter und im letzten Grunde das höchste derselben, die (pgövrjatq, im Auge haben müsse. Endlich wird der Gesetzgeber Wächter für seine Gesetze ernennen als lebendige Vertreter der q)Q6vijaig, in welcher alles gipfeln soll. Der wesent- liche Funkt ist also, kurz gefaszt: Die kretischen Gesetze sind vorzüglich, weil sie alle Güter ver- schaffen. Alle Güter zu vei'schaffen ist aber nur möglich bei richtiger Schätzung derselben, die darauf hinausläuft, dasz die (pQÖvijaig in ihrem wahren Werte erkannt und als oberstes Princip bei allen gesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht wird.

Bruns (S. 10 ff) findet hierin auf Grund der sich anschlieszenden Worte: oilrtog, cJ ^ivot, symye ^d^slov äv vfzdg xal hi vvv ßovXofiac öu^el&siv, Jtcog iv rotg tov Jiög Isyofuvoig vöfioig Totg tov Uv^iov 'AitöXXwvog . . . ivEOrip te ndvra tavra . . . eine Disposition für den weiteren Dialog. Aber eine eigentliche Disposition will der betreffende Abschnitt noch nicht geben, er will nur den richtigen Gesichtspunkt feststellen, unter welchem alle, und so hier speciell die dorischen Verfassungen betrachtet werden müssen. Vorher waren dieselben ja von dem einseitig falschen Gesichts- punkte betrachtet, als ob die dvögeia das oberste Princip sei, jetzt sollen sie ven dem erweiterten, richtigen Gesichtspunkte betrachtet werden, welcher mit einem Worte gesagt an Stelle der dvÖQÜu die g)Q6vijaig mit der daraus sich ergebenden weiteren Stufenfolge der Güter setzt. In welcher Art der Nachweis geführt werden soll, dasz die dorischen Verfassungen wirklich dieser Forderung ent- sprechen, bleibt dabei zunächst noch eine offene Frage. Begründet wird diese Auffassung dadurch,

') Merkwürdiger Weise schlieszt Bruns (S. 9) aus den Worten 630 A JtOir]ti]V de xai ^^ig fidQtVQ'' MxOlUV, ßioyviv . ., dasz Theognis hier fast als Vertreter des Jonismns erscheint Die ^fUig sind doch der Athener und seine Mitanterredner, dem Tyrtans gegenüber! und Theognis wird also gar nicht als Vertreter eines bestimmten Stammes, sondern nur als Vertreter des durch die bisherige Untersuchung gewonnenen Ergeb- nisses benutzt.

1*

dasz vou den Worten öiTva 6e äya^d laziv (631 B) an die Erörterungen einen durchaus allgemeinen Charakter tragen. Es heiszt von hier ab nicht etwa mehr: „Der kretische Gesetzgeber ist so und so yerfahren," sondern es werden ganz theoretisch die an den wahren Gesetzgeber überhaupt (cf. T(p vofio&irf] raxtiov oi/rwg 631 D) zu stellenden Forderungen definiert. Noch verkehrter ist es, um das gleich hier zu erwähnen, nach der Ansicht der meisten Erklärer in dem betreifenden Abschnitte die Disposition für den gesamten Dialog, d. h. also für den von Plato gegebenen Verfassungsentwurf mit Einschlusz der vorbereitenden Erörterungen, zu suchen. Denn abgesehen von allem anderen will der fragliche Abschnitt überhaupt nicht den genauen Gang eines wirklichen Verfassungsentwurfes geben. Das zeigen schon die Worte: 632 C xatcöibv ö ^eig zovg vöfiovs anaot toixoiq (pvkaxaq ini- üTTjOei etc. Denn bei einem wirklichen Verfassungsentwurfe kann mit der Einsetzung der Beamten und etwas anderes kann doch mit den Worten, da vorher von irgend welchen Beamten noch nicht die Bede war, nicht gemeint sein schlechterdings nicht bis zur Vollendung der ganzen Gesetzgebung gewartet werden, und auch Plato thut dies ja in seinem eigenen Entwürfe nicht.

Also es soll nur der Gesichtspunkt angegeben werden, nach welchem sich der Gesetzgeber bei Aufstellung einer wirklichen Verfassung zu richten hat. Dem entsprechen auch die angeführten Worte: owTCög, cJ ^ivoi, ^ytoye rj&eXov av VfAäg xal ht vvv ßovXofiat öie^eX^elv, ncag h xolg rot dibg keyofASvuig vö^oig . . . kveari te ndvra ravta . . . „So d. h. auf Grund der eben vor- getragenen Gesichtspunkte möchte ich, dasz ihr auseinandersetztet, wie alles dieses in den dem Zeus zugeschriebenen Gesetzen enthalten ist." Es ist deshalb ungerechtfertigt, wenn Bruns (S. 178) es tadelt, dasz, nachdem eben eine Disposition gegeben ist, die ratlose Frage des Klinias 632 D jtcog ovv, (3 ^ivEy XiysLv XQV ii£td ravta ; zu einer neuen Disposition Anlasz giebt. Vielmehr, was folgt, ist überhaupt die erste für unseren Dialog aufgestellte Disposition. Um nämlich festzustellen, dasz die dorischen Gesetze in der Tbat nach jenen eben angegebenen Gesichtspunkten aufgest-ellt sind, sollen zuerst für die einzelnen Teile der dgerrj die InLtqÖEviJiata aufgesucht, und dann erst soll nachgewiesen werden, dasz auch wirklich in allen einzelneu Bestimmungen die oQExr] als letztes masz- gebendes Ziel zum Ausdruck kommt. Dieser vorgeschlagene Gang der Untersuchung ist ein wohl er- wogener. Denn, wenn wirklich die fraglichen Verfassungen nach jenen Gesichtspunkten abgefaszt sind, so müssen sich leicht für jede einzelne ä^err} gerade auf sie gerichtete Bestimmungen finden lassen. Finden sich diese, so ist damit überhaupt erst die Möglichkeit von einer Wahrscheinlichkeit noch gar nicht zu reden gegeben, dasz auch wirklich jede einzelne Bestimmung diesem Zwecke des Gesetzgebers entspricht. Finden sie sich aber nicht, so ist damit diese Möglichkeit vollständig ausge- schlossen, und die mühselige Untersuchung hinsichtlich der einzelnen Bestimmungen kann den Unter- rednern billiger Weise erspart bleiben.

Bruns (S. 179) meint freilich, dasz in dem Satze 632 E voteqov öe d^Erijg itdarjg äys vvvör} dtrjk&0[XEv ixEtOE ßkinovra dito(pavov[j,Ev. die Worte ayE vwöf] öirjX^oiuv logischer Weise sich nur auf die ganze vorhergehende Auseinandersetzung 631 B 632 D beziehen können; und er hat recht, wenn er sie dann für sinnlos erklärt und deshalb die Korrektur Boeckh's, welcher für das sinn- lose Tcr der Handschrift aus dem apogr. Marcian. ein ä in den Text gesetzt hat, verwirft. Nun musz zugestanden werden, dasz die Worte: a vvvör] öirjk^o^ev für sich genommen, an Unklarheit leiden und sich nicht ohne Zwang auf die Einzelbestimmungen, von denen vorher die Bede war, beziehen lassen. Aber weshalb soll nicht das IxeIoe ßkinovra mit in den Relativsatz er vvvör] öirjkdo^Ev hineingezogen werden? Für das dnocpavovuEv in der Bedeutung „aufweisen" kann die participiale Bestimmung füglich entbehrt werden. Dagegen giebt sie den Worten a vwörj 6cr]k&ofiev erst einen bestimmten Bezug : „Was wir als darauf (seil, auf die dgerr]) bezüglich im einzelnen besprochen haben, wollen wir aufweisen (nämlich als in den dorischen Verfassungen vorhanden)."

Die Untersuchung beginnt mit der Sammlung der auf dvögeia bezüglichen lnitr]ÖEvixara, und zwar soll diese in der Weise vorgenommen werden, dasz sie zugleich als Muster für die gleiche Behand- lung der übrigen Teile der dgErrj dienen kann. Zunächst werden nun im Anschlusz an die schon früher besprochenen Gymnasien und Syssitien ähnliche auf den Krieg gerichtete Einrichtungen aufge- zählt, an welchen es ja in den dorischen Verfassungen nicht fehlen konnte. Darauf wird, um zu unter- suchen, inwiefern diese Einrichtungen die dvögsia erschöpfend zum Ausdruck bringen, eine Definition der dvöpEia gegeben, dahin gehend, dasz sie sich ebensowohl gegen fjöovai und nö&oi richten müsse,

wie gegen li5nai und cpößoi; ja es stellt sich heraus, dasz es noch viel schimpflicher sei, sieh durch tjdovai besiegen zu lassen als durch lijjtai. Die Schluszfolgerung ist, dasz also der wichtigste Teil der dhfÖQßia der gegen die rjSovai gerichtete sei. Wie nun der Gesetzgeber den gegen die kvnui, gerichteten Teil der dvögeia dadurch übt, dasz er die Betre£Fenden absichtlich in Xiüjrai f&hrt, so ist zu erwarten, dasz er den gegen die ^dovai gerichteten Teil in analoger Weise dadurch übt, dasz er absichtlich in ^öovai führt. Beide jedoch, Elinias und Megillos, erklären, dasz sie grosze, deutlich hervortretende Masznahmen für diesen Teil der avögüa nicht aufzuweisen haben, kleine vielleicht. Der Athener hatte dies natürlich vorausgesehen, wie er denn auch durch die Worte: xal ovdivye ^av- [iaatöv 634 C deutlich genug verrät. Schon hier also, gleich bei Untersuchung des ersten Teiles der dgETT] und noch dazu desjenigen Teiles, welcher noch am meisten in den dorischen Verfassungen zum Ausdruck kommt, tritt die berechtigte Befürchtung ein, dasz die dorischen Verfassungen, von dem für eine richtige Gesetzgebung maszgebenden Gesichtspunkte aus betrachtet, doch wohl nicht bestehen möchten. Dem gegenüber erscheint es als das Nächstliegende, dasz die bisher stillschweigend ange- nommene Voraussetzung, welche zur bestimmten Erwartung berechtigte, dasz jene Verfassungen be- stehen würden, ich meine die Voraussetzung von dem göttlichen Ursprünge derselben, einmal näher geprüft wird. Und das geschieht in der That. Der Athener erklärt: Ob die dorischen Verfassungen wirklich ein Tadel trifft, ist eine andere Frage bis jetzt liegt ja nur die Befürchtung vor, dasz dies eintreten könnte ; aber über das von der groszen Menge daran Ausgesetzte bin ich jedenfalls besser unterrichtet als ihr, denn ihr habt in der Jugend über die Gesetze nicht frei nachdenken dürfen, weil eure Verfassung, als göttlichen Ursprungs, unangetastet bleiben muszte. Doch ist diese Erklärung von der Göttlichkeit der Verfassung nur eine, allerdings sehr weise, gegen die Neuerungssucht gerichtete Masznahme des Gesetzgebers, welche aber Greise, wenn sie, wie wir jetzt, unter sich sind, nicht hindern soll. Elinias stimmt lebhaft zu und erklärt, der Athener habe die Absicht des Gresetzgebers vorzüglich erraten ; ja er fordert den Athener mit den Worten 635 B elg ü nrjSiv ye dv^g tnt.ri,\uav tolq vöftocg fifjuDv geradezu zum freimütigen Tadel auf.

Merkwürdiger Weise hat Bruns (S. 14) die Bedeutung dieser Stelle ganz verkannt. Er wundert sich, dasz diese erste „Aporie" nicht zur Modification der sogenannten groszen Disposition benutzt wird, und findet die Weise, wie der Athener die Zulässigkeit eines etwaigen Tadels für sich in Anspruch nimmt, übertrieben vorsichtig. Die Bedeutung der Stelle, wenn sie eine solche überhaupt haben soll, kann nach ihm nur die sein, dasz der Eindruck, als ob der Dorismus denn doch kein genügendes Material sei für die Aufstellung einer Musterverfassung, abgeschwächt werde. Natürlich kommt ihm dann der gleich darauf den dorischen Verfassungen gegenüber angeschlagene völlig veränderte Ton sehr seltsam vor. Nach der oben gegebenen Darstellung kann uns die Behutsamkeit des Atheners an dieser Stelle selbstverständlich nicht als übertrieben erscheinen; das Zulassen eines Tadels war ja bei dem vorausgesetzten göttlichen Ursprünge derselben in der That eine eigene Sache. Und wenn Bruns sich darüber wundert, dasz selbst, nachdem ein Tadel für zulässig erklärt ist, der Athener doch noch aus- drücklich von einem wirklichen Tadel deraelben absteht cf. 635 B ov (Jii]v ^.JtiztficSv ye igw roig vöfiotg nwgy ngiv ßsßaiwg dg övvayiv diaaxsipaa&ai, fxdXXov de ditogav, so ist zu erwidern, dasz ein Fehler in jenen Verfassungen bis jetzt ja noch nicht wirklich nachgewiesen war, sondern dasz nur die Wahrscheinlichkeit, es möchte sich ein solcher finden, in Aussicht stand.

Diese Wahrscheinlichkeit war bedingt durch die von dem Athener ohne direkte Zustimmung der Derer gemachte Voraussetzung, dasz gegen die fjöovai in vollständig analoger Weise anzukämpfen sei wie gegen die Xvnai. Wir müssen deshalb erwarten, dasz, bevor ein Tadel wirklich erhoben wird, eben diese Voraussetzung noch einmal klar gestellt und ein Urteil der Mitunterredner über sie verlangt wird. Und diese Erwartung wird erfüllt. Der Athener sagt: Eure Gesetzgeber haben euch den Genusz der gröszten fjöovai verboten; und doch hätten sie, um eine vollkommene dvögsla zu erzielen, im Kampfe gegen YjSovai, ähnlich wie in demjenigen gegen kvTtai, dadurch üben müssen, dasz sie die Bürger absichtlich in i)<ioval geführt hätten. Die Derer wissen gegen dieses Verlangen freilich nichts zu sagen, aber sie scheuen sich als Greise über so wichtige Dinge ein schnelles Urteil zu ßiUen. So bleibt dem Athener nichts übrig als, scheinbar zu etwas anderem übergehend, dieselbe Schwierigkeit noch einmal vor Augen zu fahren. Er schlägt also vor der Disposition gemäsz die Betrachtung des zweiten Teiles der dgerrj zu beginnen, und zwar wählt er als solchen eine Reihenfolge war ja

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nicht festgesetzt die auxpQoaivrj. Der Spartaner, welcher jetzt das Wort ergreift, föhrt gleich etwas schüchtern (636 A oxidbv oi ^qötov) dieselben Gymnasien und Syssitien als auch anf die awcpQoaiüvrj gerichtete ininjdevfxara an. Der Athener antwortet, es scheine schwierig för den Gesetz- geber, Einrichtungen zu treffen, welche in jeder Beziehung gleich vorzöglich wären; so brächten die Gymnasien offenbar in mancher Hinsicht groszen Nutzen, betreffs der araaeig nnd ^öovai aber wobei er zugleich an den verderblichen Ganymedes- Mythos der Kreter erinnert seien sie gefahrlich.

An dieser Stelle nimmt nun schon Zeller (Piaton. Stud. S. 50) und im Anschlüsse an ihn Brnns (S. 18) Anstosz daran, dasz wieder zur cwcpQoavvr} gerechnet werde, was vorher unter dem Titel der dvögeia behandelt sei. Und es ist richtig, dasz in beiden Fällen vom Kampfe gegen die fjöovai die Rede ist; aber darum sind avögeia und acacpQOOiüvrj noch nicht als identisch hingestellt. Die rechte dvögeia musz sich freilich im Kampfe gegen fjöovai ebenso beweisen wie im Kampfe gegen Xvrtaiy und die acotpQoavvij ist andererseits ohne die Unterdrückung der ijöovai aber auch der kvjiat nicht möglich. Trotzdem ist jedoch die awcpQoavvrj, wie sie 631 C definiert wird, als HEttt vov aibq)Q(ov ipvx^S ^?'? psychologisch etwas ganz anderes als die ävÖQBla. Die dvÖQsla ist der Mut im Kampfe gegen wirklich schon vorhandene fiöovaL und Xinai. Die awcpQooivr} ist der ruhige, besonnene Gemütszustand, der sich erst allmählich mit Hilfe des vovq ausbildet, und der als solcher überhaupt das Aufkommen von leidenschaftlichen fjdovai und XvTrai ausschlieszt. Die aaxpQO- avvT) ist somit die höhere, aber für den Menschen doch nur mit Hilfe der dvögsia zu gewinnende und zu behauptende Tugend. Übrigens scheint Plato selbst mit den Worten 633 A nsgi t(3v rijg aXkfjg ägetTJg eIte ^eq^ov elxe arr* avra xuXelv XQ^f^v lart, örjXovvra fiövov a XiyEi (cf. 632 E, wo st-att fZEQog der Ausdruck Etdog gebraucht wird) anzudeuten, dasz er die einzelnen dgetcci als koordinierte, scharf von einander gesonderte Teile eines Ganzen nicht aufgefaszt haben will.

Gegen das vom Athener Gesagte weisz Megillos nun freilich nichts einzuwenden, aber trotzdem will es ihm hinsichtlich der fjöovai scheinen, als ob es das Richtige sei, sie möglichst zu meiden, und 80 rühmt er das strenge Verbot der Trunkenheit in Sparta im Gegensatze zu Athen und Tarent. Die Antwort des Atheners lautet: Alles derartige ist schädlich, wenn das richtige Masz fehlt, und in gleicher Weise könnte man Sparta die Ungebundenheit der Frauen zum Vorwurfe machen. Für ge- wöhnlich genügt nun allen solchen gegen die heimischen Einrichtungen gerichteten Angriffen gegen- über der Hinweis auf den vöfiog, nach welchem man sich eben zn richten habe, nicht so im gegen- wärtigen Falle, wo es sich gerade um die Tüchtigkeit und Untüchtigkeit der Gesetzgeber selbst handelt. Sprechen wir also noch eingehender über die Trunkenheit, da sie ein nicht unwichtiges inirrjöevua zu sein scheint.

In diesem Abschnitte nimmt Bruns (S. 16) zunächst Anstosz an den Worten: 637 CD ^(aiv ö'iati vvvy (piXoi. ävögsg, ov ueql rcöv dv^Q(bJt(ov rcov aXXcav 6 Xöyog, dXXä itEQi tcSv vofxo^Etcov dvTwv xaxiag te xai d^Eri/g. Da vorher gesagt ist, es solle von der kretischen und spartanischen Verfassung ausschlieszlich die Rede sein, so musz, meint Bruns, gerade an dieser Stelle, welche vor Abschweifungen warnen will, auch allein an Minos und Lykurg gedacht werden, und dann, schlieszt Bruns weiter, ist es eine unbegreifliche Impietät, von diesen in einem solchen Tone zu reden. Ich glaube aber, dasz Bruns hierbei die Stelle zu sehr auszerhalb ihres natürlichen Zusammenhanges betrachtet. Der Spartaner hatte bei der Verteidigung eines spartanischen Gesetzes den Brauch in Athen und Tarent zur Vergleichung herangezogen. Darauf antwortet der Athener, es könnte sich in solchen Fällen ja jeder einzelne Bürger rechtfertigen durch Berufung auf sein heimisches Gesetz, aber sie hätten es jetzt mit der dgEtrj der Gesetzgeber selbst, nicht mit derjenigen der gewöhnlichen Bürger zu thun. Diesem Zusammenhange gegenüber ist einmal offenbar nicht an jene dorischen Gesetzgeber (von Sparta und Kreta) zu denken, sondern das t(av vofio&Etwv aitwv stellt zunächst die Gesetzgeber überhaupt den äXXoL av^gcanoi gegenüber und ist weiter speziell auf die an dieser Stelle in Frage kommenden Gesetzgeber von Sparta, Athen und Tarent zu beziehen. Sodann ist und bleibt an unserer Stelle, durchaus der Disposition geroäsz, eine spartanische Einrichtung Grundlage der Untersuchung, und lediglich zur Erläuterung derselben werden die bezüglichen Einrichtungen anderer Staaten heran- gezogen, worin doch gewisz kein Verstosz gegen die Disposition gefunden werden kann. Übrigens bleiben ja trotzdem die Ausdrücke dgExi) und xaxia auch für die dorischen, und hier speziell für den

spartaniBchen Gesetzgeber in Geltung. Aber eine Impietät kann ich darin nicht finden. Nachdem einmal der göttliche Ursprung der Gresetze im eigentlichen Sinne abgewiesen ist, nehmen die dorischen Gesetzgeber keine Sonderstellung mehr ein.

Mit den Worten : 637 D hi yag ovv etinofisv itküv) itsQi aizaarjg i^ti^tjg kommen wir nun freilich, das musz man Bruns (S. 20) zugeben, auf ein ganz neues Thema, welches den Best des ersten und beinahe das ganze zweite Buch föllt. Aber dasz diese Untersuchung so umfangreich sein wird, ist ja vorläufig nicht yorauszusehen, und den Anlasz zu ihr giebt gerade die Frage nach der fiichtigkeit einer dorischen Einrichtung. Es soll untersucht werden, ob die Spartaner Recht haben mit Verwerfung der {jti&rj, oder die anderen Völker mit ihrer Pflege. Bald stellt sich freilich heraus, dasz eine richtige Anwendung derselben nirgends zu finden ist, und der Athener tritt dann in eine aus- führliche Erörterung dieser richtigen Anwendung auf ausdrücklichen Wunsch seiner Mitunterredner ein, trotzdem er ihnen die Weitläufigkeit dieser Untersuchung voraussagt. Es wird so unvermerkt der bis- herige Gesichtspunkt der Unterredung ob die dorischen Verfassungen allen an sie zu stellenden Anforderungen genügen verschoben, und man könnte erwarten, dasz ausdrücklich hierauf hinge- wiesen würde, aber nötig ist das nicht. Der Grund, weshalb uns die Sache jetzt so wunderbar vor- kommt, ist eben der, dasz am Ende des zweiten Buches der Zusammenhang vollständig unterbrochen ist. Hier, am Ende der Besprechung über die /i£.^/;, muszte der frühere Faden wieder aufgenommen werden und in irgend einer Weise die Unzulänglichkeit der dorischen Verfassungen festgestellt werden, um so zu dem Versuche eines eigenen Verfassungsentwurfes überzuleiten. Bis zu diesem Punkte jedoch ist nach meiner Meinung der Zusammenhang durchaus korrekt und lückenlos. So viel muszte zur Orientierung schon hier gesagt werden, jetzt haben wir den Gang des Dialoges im einzelnen weiter zu verfolgen, um dadurch zugleich die Bichtigkeit der zuletzt aufgestellten Behauptung nachzuweisen.

Megillos glaubt die Bichtigkeit der spartanischen Einrichtung schon dadurch entschieden, dasz die Lacedämonier alle jene Völker im Kriege besiegen. Der Athener läszt jedoch diesen Entscheid ungs- grund nicht gelten. Denn die gröszeren Staaten, sagt er, schlagen immer die kleineren, auch wenn letztere bessere Gesetze haben, und Niederlage und Sieg hängen überhaupt zu sehr von Zufälligkeiten ab, als dasz sie irgendwie einen sicheren Masz3tab für die Güte der Verfassungen abgeben könnten. Vielmehr müsse jedes kuLtfiÖEVua für sich beurteilt werden, und zwar auf Grundlage seiner möglichst richtigen Anwendung, fremde und dazu noch dem Zufalle unterworfene Beweisgründe wie eben in betreff der yi^rj die einen den Sieg in der Schlacht, die anderen etwa die Zahl der auf ihrer Seite stehenden Staaten für sich anführten seien von vornherein auszuschlieszen. Er schlägt deshalb vor, hin- sichtlich der nidrj ein für alle ähnlichen Fälle maszgebendes Beispiel der richtigen Art der Unter- suchung zu geben. Nachdem die Mitunterredner eingewilligt haben, wird nun der entscheidende Punkt zunächst an Beispielen klar gemacht. Über die Nützlichheit der Ziege kann nur dann richtig gcurteilt werden, wenn mau sie unter Leitung eines Hirten gesehen hat; der Tadel desjenigen dagegen, welcher sie ohne eine solche Leitung mannigfachen Schaden hat anrichten sehen, kann nicht gelten. Ebenso ist bei der Schiffahrt und im Kriegslager ein ;fp?/aTÖg uqxojv notwendige Bedingung. Zu dieser Eigenschaft nämlich ein XQV^"^^? cc(^Xf^v zu sein ist aber erforderlich die bezügliche iniatrji^irj und die d^ogvßia des Geistes. Dies auf die fu^ij angewandt, entsteht also zunächst die Frage: Hat schon jemand ein in richtiger Weise eingerichtetes avfinöaiov gesehen? Die Dorer haben ein solches natürlich noch nicht gesehen, aber auch der Athener erklärt, trotzdem er so viele ovfiitöaca beob- achtet habe, ein vollständig richtiges niemals gefunden zu haben. Für ein in richtiger Weise einge- richtetes avfiTiöatov ist aber ein ccQxoiv nötig, und zwar nach den angeführten Beispielen ein aQxfoVf der einmal die erforderliche ijtiOTrjf^ir) hat, um den Zweck des ovfiTtöoiov Förderung der g)iUa unter den Teilnehmern zu erreichen, und der zweitens möglichst d^ögvßog ist, wie im Lager vom q)6ßog, so hier von der f^i^lJ, d. h. er musz vriqxov sein. Mag nun ein solches avfiitöaiov auch noch niemals verwirklicht sein, jedenfalls darf nur dieses zur Grundlage für ein Urteil über die (uOt] gemacht werden. Darauf folgt die naturgemäsz sich ergebende Frage des Klinias: Welchen Nutzen bringt denn ein in dieser Weise geleitetes ovfiTTÖaiov, wie etwa ein richtig geleitetes OTQUTÖnsöov den Sieg im Kriege zur Folge hat? Die Antwort des Atheners lautet: Ein richtig erzogener Knabe oder ein richtig geleiteter Chor nützen dem Staate nicht viel; wohl aber wird man, wenn man nach der Eraiehung überhaupt gefragt wird, behaupten, dasz auf ihr die ägsr^ und jedes Gut beruht und

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unter anderdm auch der Sieg im Kriege. Er will damit offenbar andeuten, dasz das richtig geleitete avfxnöatov ein wesentliches Moment in der Erziehung ist, und dasz sein Nutzen also von demselben Gesichtspunkte aus betrachtet werden musz, wie der Nutzen jedes anderen Erziehungsmittels, d. h. in der Vereinzelung ist von einem groszen Nutzen des av^nöacov nichts zu merken, wie etwa auch nur ein richtig geleitetes argaxönEÖov gleich einen in die Augen fallenden Erfolg hat wohl aber, wenn es im Zusammenhange mit der ganzen Erziehung als integrierender Teil derselben betrachtet wird. So hat auch Klinias die Worte des Atheners verstanden, wenn er sagt: ,,Du scheinst die richtige Anwendung des Trinkgelages als ein nicht unwichtiges Erziehungsmittel anzusehen," woran er die er- neute Aufforderung knüpft nachzuweisen, in wiefern das der Fall sei. Der Athener ist dazu bereit, nur fürchtet er den auch sonst den Athenern gemachten Vorwurf der (piXokoyia und nokvkoyto. Denn über die jusv^iy, sagt er, ist nicht erschöpfend und deutlich zu reden, ohne die wahre musikalische Bildung, und über diese nicht, ohne die ganze Erziehung überhaupt heranzuziehen; und diese Unter- suchung könnte für einen scheinbar so geringfügigen Gegenstand wie die ^i^rj etwas weitläufig er- scheinen. Er überläszt es deshalb der Entscheidung der Mitunterredner, ob sie nicht lieber abbrechen und zu etwas anderem übergehen wollten. Beide jedoch erklären, dasz der Athener von ihrer Seite keinen Vorwurf zu fürchten habe, Megillos mit Berufung auf die Gastfreundschaft der Staaten und auf die auch von ihm gebilligte Ansicht, dasz die Athener, wenn sie gut sind, dies auch in hervorragender Weise sind, Elinias mit Berufung auf Epimenides und die seit jener Zeit ebenfalls geschlossene Gast- freundschaft. Demnach wird also die Untersuchung betreffs der ixi^rj begonnen und zwar, dem Obigen gemäsz, in der Weise, dasz eine Definition der natdeia gegeben wird. Als Tiaiöda ergiebt sich aber zunächst die Kunst, schon in der Jugend Liebe zu dem einzuflöszen, was man als Mann treiben soll. Dieser an und für sich für die Erlernung jedes Gegenstandes geltende Satz wird sodann beschränkt auf die Kunst, jemanden zu einem guten Bürger zu machen. Die izaidsia im engeren Sinne besteht also darin, schon in der Jugend Liebe zu dem zu erwecken, was später die Eigenschaften des dvfjQ dya^ög ausmacht, äya&ög ist aber nach früherer Übereinkunft derjenige, welcher über sich selbst zu herrschen vermag, und dieser Begriff wird im Bilde folgendermaszen erläutert. Jeder ist einer, er hat aber in sich zwei unverständige, einander entgegengesetzte Ratgeber, fjöovr] und kvitr}, mit der jedem entsprechenden Erwartung für die Zukunft, ^oQQog und <pößog. Über diesen Ratgebern steht als entscheidendes Element der loytafudg, welcher, zur gemeinsamen Satzung des Staates geworden, unter der Form des vö^og erscheint. Wenn nun die Menschen als Drahtpuppen in der Hand der Götter und die genannten Willensmotive (unter den tavra ra nä^rj 644 E ist der XoyiOfiög mit zu verstehen) als die leitenden Drähte betrachtet werden, so ist die Behauptung des Atheners, dasz immer dem goldenen Zuge des Xoyia^ög gefolgt werden müsse, dasz aber dieser Zug, weil er im Ver- hältnis zu den übrigen zu sanft sei, der Unterstützung von Dienern {öitijQeTai) bedürfe. So ist also, heiszt es weiter, der Begriff des xgeirrojv und iJTtiov iavrov deutlich geworden und damit auch der Begriff der rfper^, welche sich ja eben in dieser Eigenschaft zeigte. Sind diese Begriffe aber deutlich geworden, so ist auch zu hoffen, dasz man in betreff der naiöeia und ihrer kni,rr]6Bi)ixatü, also auch der xowT] Iv olvcp öiütQtßr], jetzt klarer sehen wird. Zugleich wird dabei die Erwartung ausge- sprochen, dasz diese xoivj] h ol'vtp dcazQißrj sich doch vielleicht als der Länge der Reden nicht un- würdig erweisen möchte. Klinias tritt dieser Erwartung bei und fordert zu einer der gegenwärtigen Untersuchung würdigen Fortsetzung auf. ^)

Bevor wir in der Analyse fortfahren, müssen wir die mannigfachen Einwendungen von Bruns gegen diesen Abschnitt besprechen.

Zunächst macht Bruns (S. 22) darauf aufmerksam, dasz die ursprüngliche Fragestellung 637 D: „Ist es mit der ixi&ij so zu halten, wie bei den weinliebenden Völkern, oder wie bei (den Kretern) und Spartanern?" eigentlich ohne zwingenden Grund verlassen wird, nachdem die Berufung des Spar- taners auf ihre g^Öszere Kriegstüchtigkeit zurückgewiesen ist. Diese Zurückweisung, meint er, konnte erfolgen, ohne dasz die Fragestellung selbst aufgehoben wäre. Aber in Wirklichkeit ist die ursprüng- liche Fragestellung auch noch gar nicht aufgehoben. Die Worte 638 D: o^ /««v, ort noXlobg nag-

') Hierbei ist 645 C diejenige Verteilung der Worte unter die einzelnen Personen zu Grunde gelegt, welche Stephanus zuerst gegeben und nach ihm Hermann und Schanz aufgenommen haben.

tXÖin^a (sc. (laQTVQag xai kitaivirag) d^tov^iBv ri kiyttv xvqlov, oi dt, ort tovq xC«>/^*'OV( avT(^ ÖQtapiev viMavxaq fiaxof^ivovg, auf welche sich Brans deshalb beruft, wollen nur sagen, dasz die Frage nach der Bichtigkeit einer Einrichtung zunächst unabhängig Ton der PersonenArage zu be- trachten sei. Wenn der Spartaner eben der gröszeren Zahl der Vertreter der einen Partei die mit der fraglichen Einrichtung in keiner Beziehung stehende gröszere Eriegstfichtigkeit der anderen ent- gegengestellt hätte, so könne in Wirklichkeit das eine so wenig wie das andere entscheiden. Vielmehr, führt der Athener im folgenden aus, musz jede Einrichtung aus sich selbst heraus beurteilt werden. Die ganze folgende Untersuchung ist mithin nur eine vorbereitende, auf Grund welcher erst entschieden werden kann, welche Partei recht hat. Nun musz man Brnns freilich zugeben, dasz jene ursprüngliche Fragestellung niemals wiederkehrt, aber das liegt daran, dasz sich sehr bald (639 D) herausstellt, dasz eine richtige Handhabung der ^lidr] überhaupt bei keinem Volke zu finden sei, woran sich dann bis zum Ende des zweiten Buches der Nachweis schlieszt, welcher Art diese richtige Anwendung sein müsse. Ob die daraus sich notwendig ergebende Schluszfolgerung, dasz überhaupt keiner recht hat, in der ver- loren g^gpangenen Partie am Schlüsse dieses zweiten Buches noch ausdrücklich gezogen ist, musz vor- läufig dahin gestellt bleiben; das Wahrscheinlichere ist mir freilich, dasz der Schriftsteller nach einer so umfangreichen Untersuchung auf diese für den Gang des Dialoges doch nur nebensächliche Frage nicht wieder zurückgekommen ist, sondern es dem Leser überlassen hat den Schlusz selbst zu ziehen.

Weiter findet Bruns (S. 22) es befremdlich, dasz nach 638 D zQÖTtov de aXXov, ov iiAoi (paiverai delv, i&iXo} Xiytiv neQi avrov rovror, rijg yti^rjg^ av dga övvwfiai ttjv nsQi anavTüiv twv tocovtcdv ÖQ^rjv [xi&oöov v(itv ötjlovv nun wiederum und zwar bezüglich der fii&rj ein Musterstück methodischer Fassung aufgestellt werden soll, nachdem kurz vorher die Be- sprechung der inirrjöevuata dvögsiag ein solches hat sein sollen. Dasz vrir es hier nicht mehr mit dem Ausdruck desselben Gedankens zu thun haben, weil wir uns bereits bei Besprechung der iitcnj' öeißfAttTa amfpQoavvrjg befinden, darin hat Bruns allerdings recht. Aber wenn er meint, dasz hier die Besprechung der kitirrjöeviiaxa auxpQOQvvrjg in derselben Weise als Muster aufgestellt werden soll wie vorher diejenige der inittjöe^iiaTa dvÖQBiag, so ist das nicht richtig. An der ersten Stelle han- delte es sich darum, bei Auffindung und Zusammenstellung der auf dvdgsia bezüglichen ininjÖEv- iiara gleich die richtige Methode für dasselbe Verfahren hinsichtlich der anderen dgerai zu finden. Und ein Ansatz zur Methodik ist allerdings in dem die dvÖQeia behandelnden Abschnitte zu finden, und zwar nicht nur in der dürftigen Aufzählung der betreffenden kntxrjöevpiata, sondern noch viel mehr in der sich daran schlieszenden Untersuchung, in wiefern diese knittidtviiaxa das Wesen der dvÖQeia vollständig zum Ausdrucke bringen. Nun stellte sich aber gleich hierbei heraus, dasz die auf dv6()£ia bezüglichen Einrichtungen in den dorischen Staaten unzulänglich wären, und da die Mitunter- redner trotzdem noch nicht gern auf die angeerbte Überzeugung von der Güte ihrer Staatsver&ssungen verzichten wollten, so sah sich der Athener genötigt die Besprechung der dvÖQEia abzubrechen und zu einem anderen Teile der dgexf} überzugehen. Durchgeführt ist somit die methodische Behandlung der ijiixT]6evfiaxa dvögeiag freilich nicht, aber sie konnte es auch nicht, weil die Voraussetzung, unter welcher sie überhaupt vom Athener vorgeschlagen war ich meine die Voraussetzung von der Güte der dorischen Verfassungen aufgegeben werden muszte oder wenigstens so stark ins Wanken kam, dasz ein anderer Weg der Untersuchung nötig wurde, welcher nicht vorgesehen war. Unter solchen Umständen kann es doch nicht befremden, wenn nun beim Einschlagen dieses Weges wieder das Muster einer richtigen Methode aufgestellt wird, und zwar gewissermaszen als Fortsetzung jenes ersten An- satzes, bei Beurteilung eines inixr]6ev[Äa zur Bekämpfung der f)6oval, wie es schon gelegentlich der dvögsia für die dorischen Staaten verlangt war, aber nicht gefunden werden konnte.

Wenn Bruns (S. 25) ferner behauptet, die 643 B 644 B gegebene Definition der natöeia werde im folgenden nicht benutzt, und auszerdem sei sie unvollständig und müsse als ein Fragment angesehen werden, welches seine richtige Stelle am Anfang des zweiten Buches habe, so kann hierüber erst nach beendigter Analyse der betreffenden Abschnitte gesprochen werden. Genug, dasz der Schrift- steller hier erklärt, die [iSxfrj könne nicht ohne Zusammenhang mit der jtaiöeia behandelt werden, und dasz dem entsprechend eine Definition der nniöda folgt, und zwar dahin lautend: die naideia sei die Kunst, schon in der Jugend Liebe zu dem einznflöszeu, was später die Eigenschaften des dvijg dyci^ög ausmache; wie sich zu dieser Definition das im zweiten Buche über naideia Gesagte stellt,

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werden wir später sehen. Nur auf eine Stelle 644 A: ^ftsTg cU firjöiv dvöfiaTi iUag)£Q(b(4£^* «y- roTg, dXl' 6 vwdrj Xöyog rjuTv öfiokoyrjxteig fievito), t&g ol'ys ÖQ^cSg irenaidtvftivoi ax^bv aya^oi yLyvovrai, xal ösl orj rrjv itaidslav ^rjöafiov driiAa^eiv, tbg itgcorov xm> xalUaxatv xotg dgiaroig dvÖQiiaiv nagayiyvöfievov. müssen wir gleich hier eingehen. Bruns (S. 61) sagt: „Es kommt hinzu, dasz der zweite der beiden Gedanken, von denen es heiszt, man sei darüber über- eingekommen, der nämlich, dasz man die naideia nicht verunebren dürfe, gar nicht ausgesprochen ist, und auch der erste <bg oi ÖQ^cSg neitaidevfisvoL axB^bv äyadoi sich in dieser Form nicht findet." Hinsichtlich des letzten Punktes ist nun freilich zuzugeben, dasz im vorhergehenden nicht steht 6 ÖQ^tog nsTtatÖEVfiivog äya^ög, sondern rfjv öe ftgög ÖQerijv ix nai<5iov naiöeicev (seil, sivai Ttaiösiav) 643 E; aber beide Ausdrücke decken sich sachlich so vollkommen, dasz wohl niemand an der verschiedenen Form einen ernstlichen Anstosz wird nehmen können. Was den ersten Punkt anbetrifft, so ist zunächst zu bemerken, dasz es grammatisch durchaus nicht notwendig ist, das xai det dfj xj]v naiöüav (4Tjdaf40v dxi^ia^eiv von dem vorhergehenden t&g abhängig zu machen, es kann auch recht wohl als Hauptsatz gefaszt werden, dem dXk' 6 . . Xöyog . . fievixto koordiniert. Übrigens ist der Gedanke, man dürfe die natöeia nicht verunebren, die freilich nicht ausgesprochene, aber not- wendige Voraussetzung für das vorhergehende xrjv ök elg XQVf^ccxa xüvovaav . . . ßdvavaov x" elvai xal dveXe^&BQOv xni ovx d^iav xb naganav nauhiav xakelo^ai^ so dasz man es deshalb vielleicht vorziehen möchte, ihn als von c&g abhängige und nicht als selbständig hinzugefügte Schluszfolgemng zu fassen. Endlich enthalten die letzten Worte der angeführten Stelle cbg iZQißxov xwv xaXkiaxwv ToTg dQiaxoig dvögäoiv TtaQayiyvöfievov nach Bruns (S. 62) einen „reinen ungeschminkten Unsinn". Ich vermag das nicht einzusehen. Unter tot xdXXiara ist alles zu verstehen, was dem Menschen zur dQexrjy dem höchsten Gute, förderlich ist, und die naiöda ist das ngcaxov xdv xaXXiaxwv, insofern sie von Jugend auf zu dieser dgsxTj erzieht, und sie ist dies endlich für die ägiaxoc ävögegy weil dieselben ihre dgexi] eben der Ttaiöeia zu verdanken haben. Dasz die fraglichen Worte durch Misz- verständnis und Übertreibung aus dem Ausdrucke 653 B xr)v nrgcoxov jtagayiyvofAivTjv naiaiv dgexrjv entstanden seien, will mir nicht einleuchten.

Ebensowenig kann ich Bruns' Bedenken (S. 62) gegen den folgenden Abschnitt als berechtigt anerkennen. Mit den Worten 644 B xai iifjv itakai ye avvexojgrjaafzev (hg dya&wv jueV ovxwv xcSv 6vPü^iv(ov ägxuv avx(Zv, xaxtav öe xwv (.tt) soll ganz von neuem eingesetzt werden ohne direkten Bezug auf das Vorhergehende. Aber die eben gegebene Definition gipfelte ja gerade in dem Satze: ol'ye dgd^wg irsjTaiösvfiivoi oxs^bv dyax^oi, und eben dieser Begriff des dya^^öv wird im folgenden näher erläutert, dya&ög ist, wie sich bereits früher gezeigt hatte (626 D cf. 633 DE 635 BCD), wer über sich zu herrschen vermag, und diese Herrschaft über sich selbst wird auf Grand des nach- folgenden Bildes gefunden in der Herrschaft des Aoycaixög. Auch die Folgerungen, welche aus der Vergleichung des Menschen mit einem ^avfia gezogen werden, scheinen mir durchaus korrekt; denn der Begriff des xgdxxwv und ijxxcov iavxov, und damit auch die der dgsxfj und naiöda, sind allerdings durch jene Vergleichung wesentlich gefördert. Man erinnere sich, dasz der Athener 627 C erklärte auf die Frage, wie überhaupt das x^^Q^v xgüxxov sein könnte als das dfJBivov, nicht ein- gehen zu wollen, weil die Beantwortung derselben einer längeren Auseinandersetzung bedürfe. Jetzt aber ist die Antwort darauf gegeben. Wenn der koycof^ög nämlich den fjdovai und XvTtaL unterliegt, so ist in diesem Falle das x^^Qo^ xgttxxov gewesen als das aftBivov.

Wenn Bruns (S. 64) hinzufügt: „Es ist seltsam, wie fremd dieser Exkurs auch sachlich den originalen Resten über die Tratöeca gegenübersteht. Gerade den Hauptgedanken des Philosophen schlieszt er aus: es war der, dasz der Mensch zu Lust und Unlust richtig gewöhnt werden müsse, also der Schwerpunkt der Erziehung vor den Xoytafxög falle. Hier wird dieser durchweg vorausgesetzt. Dieses Bild kennt keine andere Bethätigung der Tugend, als die bewuszte Hingabe an den XoyiOfiög" , so ist zu erwidern, dasz wir hier nicht eine Definition der natöeia, sondern der dgexr] vor uns haben. Übrigens ist ja auch an unserer Stelle ausdrücklich hervorgehoben, dasz die Herrschaft des Xoyia^iög zu ihrer Verwirklichung der Hilfe von vnrjgixui bedürfe.

Endlich musz ich noch auf ein Bedenken von Bruns (S. 95 ff.) mit einigen Worten eingehen. Er meint, dasz es dem Ernste, mit welchem sonst die menschlichen Einrichtungen besprochen würden, und der im zehnten Buche entwickelten religiösen Anschauung des Philosophen widerspräche, wenn hier

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die Menschen als ^avfxara ^ecov erschienen. Ich lasse es dahiu gestellt, inwieweit dieses Bedenken gerechtfertigt ist, und wie fiber die anderen aus demselben Grunde von Bmns angefochtenen Stellen zu urteilen ist; jedenfalls erscheint an unserer Stelle der Gedanke von dem Menschen als einem ^avyia ^mv nur im Bilde, das keine Schlösse auf die wirkliche Ansicht des Schriftstellers zuläszt. Die Yer- gleichung des Menschen mit einem &av(Aü ist eben sehr geeignet, die verschiedenen Willensmotive an- schaulich zu machen, und lediglich deshalb ist sie an unserer Stelle gebraucht. Auszerdem wird ja die Frage, ob der Mensch nur als ein jtaiyviov der Götter zu betrachten sei, absichtlich offen gelassen (cf. 644D). Wenn sich der Abschnitt des siebenten Buches 803 B— 804 B wirklich als philippisch er- weist, so würden wir in der Kückweisung 803 C äv&Qwnov de, OTteg stnofAev ipuiQoaOev, ^ecSv t* Tiaiyviov etvai ixsftrjxavrj^ivov vielmehr ein Miszverständnis Philipps zu constatieren haben, welcher diese Stelle für sich zu benutzen suchte, ohne zu bedenken, dasz sich in ihr die Behauptung, der Mensch sei ein naiyviov ^ttav, in Wahrheit gar nicht findet.

Was Bruns (S. 23 f.) über die siebenmalige Aufforderung sagt, welche der Athener an sich stellen läszt, ehe er seinen Mitunterrednern den Nutzen der ptidr] auseinandersetzt, das gehört in das Gebiet des subjektiven Geschmacks, und die diesbezügliche Prüfung der Analyse mnsz für jeden die Antwort darauf geben. Wenn man den Gang der Untersuchung als zusammenhängend und logisch richtig anerkennt, so kann nach meiner Meinung in der wiederkehrenden, aber jedesmal durch einen gewissen Wendepunkt begründeten Aufforderung ein Anstosz nicht gefunden werden, und Bruns findet einen solchen auch wohl nur, weil er von dem Gefühle beherrscht ist, dasz dieser Zusammenhang fehle. Übrigens werde ich auf den Charakter der letzten jener Aufforderungen bei der fortschreitenden Analyse noch näher zu sprechen kommen.

Nur in dem, was Elinias über Epimenides sagt (642 DE), musz eine sachliche Schwierigkeit, für welche noch keine genügende Lösung gefunden ist, zugestanden werden. Wenigstens kann der erzählte Vorgang nicht mit den bekannten Sühnungsopfern des Epimenides zu Solons Zeit identisch sein, da auch eine etwaige Änderung der Zahlenbestimmung öixa heai ngö tcöv IIsQacxiov cf. ort dexa fiep ttwv oix ij^ovacv durch die Prophezeiung auf die Perserkriege, von welcher ja zu Solons Zeit nicht bie Bede sein konnte, schlechterdings ausgeschlossen ist.

Fahren wir jetzt in der Analyse fortl An die zuletzt gegebene Vergleichung des Menschen mit einem ^ort;//« wird in natürlicher Weise die Frage geknüpft : „Was wird aus diesem ^av^a durch die (44'9j]?" Und diese Anknüpfung ist nicht nur äuszerlich, sondern mit unzweifelhafter Bücksicht auf das eben Vorhergehende wird die Wirkung der (xidi^ darin gefunden, dasz sie die ^dovai und Xvnac und die Leidenschaften überhaupt stärker erregt, die aia&rjasiQy itvijftai, öö^ai und (pQOvr}- aeig, also alles, wozu der Xoyiofiög nötig ist, schlieszlich ganz aufhebt, und dasz somit die ^xQ&teia eavTOV durch sie am denkbar geringsten wird. Die fted^t] führt zurück auf den Standpunkt des kleineu Kindes. Je geringer die iyxgaxeta aber ist, desto schlechter ist der Mensch. Unter solchen Umständen musz eine Überredung zu freiwilliger ne^trj natürlich höchst wunderbar erscheinen, und dies bringt der Athener seinen Mitunterrednern mit den Worten: 646 A ro^tov 6r] tov eTturjöeöfiorog ^o&' oartg ^öj'og inix^ig^aet. nei&eiv ^fiäg Sg XQV yeieof^at xai ixrj q)£vy£iv navrl aO^ivei xara övvaTÖv; recht eindringlich zum Bewusztsein. Doch diese lassen sich nicht abschrecken ; Elinias ant- wortet: „Es scheint ja (einen solchen Xöyog) zu geben. Wenigstens behauptest du es, und gerade jetzt wärest du auf dem Punkte ihn auszusprechen." „Bichtig erinnert", antwortet der Athener, „und ich bin jetzt bereit, da ihr ja erklärtet, ihn gerne hören zu wollen." Darauf Klinias : „Weshalb sollen wir ihn nicht hören? Wenn auch nur des Wunderbaren und Ungereimten wegen, ob ein Mensch sich freiwillig in einen vollkommen schlechten Zustand stürzen soll."

Hier findet Bruns (S. 24) die ersten Worte des Elinias etwas kleinmütig, da ihm allmählich gerechtfertigte Zweifel aufstiegen, ob er die Sache überhaupt noch hören würde. Aber ich kann in den betreffenden Worten nichts von Kleinmut entdecken, sondern nur das Bestreben, den Athener trotz des Ungereimten, welches die Metheinstitution nach der letzten Fragestellung haben muszte, bei dem versprochenen Beweise ihrer Vorzüglichkeit festzuhalten. Ebenso liegt in den letzten Worten jttSg d'oöx äxovaöfii&a etc. nicht etwa Ungeduld, sondern höchstens ein etwas ironisches Misztrauen g^en die zu beweisende Vorzüglichkeit der Metheinstitution. Bruns hat sich offenbar von dem Gedanken leiten lassen, dasz wir hier die sechste und siebente Aufforderung vor uns haben, und er hat dabe

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übersehen, dasz dieselben durch den Zusammenhang sehr wohl motiviert waren. Auffallend könnte nur erscheinen, dasz, nachdem vorher erklärt war, die {Aidr) liesze sich nicht ohne Zusammenhang mit der fxovatxr} behandeln, nun doch gleich nach einer, noch dazu ziemlich allgemein gehaltenen, Definition der naiöeia, zur Besprechung der fii&t] übergegangen wird. Doch wird dieser Punkt, wie ich hoffe, weiterhin seine Erklärung finden.

Der versprochene Beweis wird nun in folgender Weise vom Athener erbracht. Wie man die vorübergehende novrjQia des Körpers durch Arznei und Gymnastik und Anstrengungen jeder Art gern auf sich nimmt wegen des nachherigen Nutzens, so ist zu untersuchen, ob die [ii&rj vielleicht auch die augenblickliche Schädigung der \pvxf) durch einen ähnlichen Nutzen aufwiegt. Läszt sich dieser Nutzen nachweisen, so hat die fjidi] jedenfalls vor jener Behandlung des Körpers voraus, dasz sie nicht mit Unlust verbunden ist. Um den Nutzen der fU&i] nachzuweisen, werden zwei Arten von Furcht unterschieden. Die eine ist die Furcht vor drohenden Übeln, <p6ßog im gewöhnlichen Sinne, die zweite die Furcht vor schlechtem Rufe, uioxvvri genannt. Wie jene Art der Furcht zu bekämpfen ist, so ist diese, die aiaxvvr}, vom Gesetzgeber sehr hoch zu schätzen und in jeder Weise zu stärken; denn sie ist ein bedeutsames Mittel im Kampfe gegen kvnai sowohl wie gegen fj^ovaL Die Befreiung von jener Furcht wird erreicht, indem man den Menschen gerade in Furcht versetzt und gegen dieselbe anzukämpfen zwingt. Dementsprechend musz die aiaxvvr) umgekehrt dadurch erreicht werden, dasz man in oyaiaxvvtLa versetzt und gegen diese anzukämpfen zwingt. Wenn es nun ein (p6ßov (pag- fzaxov gäbe, welches, je mehr man davon trinkt, desto mehr in Furcht versetzt, so würde dasselbe zu einer Prüfung der avÖQsia für den Gesetzgeber jedenfalls von groszem Nutzen sein und sich auch zur Übung in derselben vorzüglich eignen, weil es ein viel einfacheres Mittel wäre, als die jetzt zu gleichem Zwecke angewendeten. Ein solches (p6ßov cpaQfiaxov jedoch giebt es freilich nicht, aber wohl haben die Menschen in dem Weine ein (paQfiaxov a<poßiüg, welches, je mehr man davon trinkt, desto mehr in vollständige uq>oßi^ versetzt. Nach dem Vorhergehenden war nun, wie auf der einen Seite möglichst grosze acpoßLa, so auf der anderen Seite ein möglichst groszer <p6ßog erstrebenswert, und es hatte sich gezeigt, dasz, wie die dcpoßia durch cpößoij so der (pößog durch d(poßia zu erreichen wäre. ä(poßoL werden aber die Menschen durch Zorn, Liebe, Übermut, Reichtum, Schönheit, Kraft- fuUe und überhaupt durch alles, was durch Vergnügen berauscht. Daraufhin wird nun die Frage gestellt, ob es hierfür ein ungeföhrlicheres PrOfungs- und dann auch Übungs-Mittel gäbe als den Wein. Die Antwort kann nicht zweifelhaft sein, und der Athener glaubt sich zu der Annahme be- rechtigt, dasz darin wenigstens auch die Kreter und überhaupt alle Menschen übereinstimmen würden, dasz der Wein als vorzügliches Prüfungsmittel anzusehen wäre.

Hier bei dem Übergange vom ersten zum zweiten Buche müssen wir sogleich Stellung nehmen zu der Frage: Bilden die Bücher ein zusammenhängendes Ganzes, oder nicht? Bruns beantwortet sie in verneinendem Sinne. Wir brauchen nun freilich nicht schon an dieser Stelle alle Gründe zu be- sprechen, welche ihn zu dieser Ansicht führen. Die meisten werden zweckmäsziger erst im weiteren Verlaufe der Untersuchung zur Sprache gebracht werden. Aber einer, welcher den Übergang der Bücher selbst betrifft, musz gleich hier seine Erledigung finden. Bruns (S. 52 ff.) behauptet nämlich, dasz, während im vorhergehenden die Übung in der aiax^vtj vermittelst der ni^r] die Hauptsache gewesen und die Prüfung durch fAE^rj nur nebenbei als nützlich erwähnt sei, in der letzten Rede des Atheners von 649 E an diese Prüfung als einziger Gegenstand der bisherigen Besprechung hingestellt und die Übung vollständig ignoriert würde. Nun geht allerdings die ganze Untersuchung davon aus, den Nutzen der {.lif^rj als eines Erziehungsmittels nachzuweisen, und es wird auch bei dem der fti^Yj analogen (pößov ^dp/uaxov, nachdem sich 648 BC als nächstliegender Nutzen desselben derjenige gezeigt hat, welchen es als Prüfungsmittel hat, doch von dem Prüfungsmittel 648 CD sogleich auf das Erziehungsmittel weiter geschlossen. Doch scheint mir das am Ende des ersten Buches ausgesprochene Resultat mit diesem Sachverhalte wohl vereinbar. Wir erinnern uns, dasz es uns bereits vorher auf- fiel, wenn trotz der Behauptung 642 A, die ^ii^r] könne nur im Zusammenhange mit der fAOvaixrj richtig und erschöpfend behandelt werden, schon 645 D nach einer allgemeinen Definition der Ttaidsia die Besprechung der fu^rj selbst in Angriff genommen wurde. Bruns (S. 48, 49) schlieszt daraus, dasz jene Behauptung Eigentum des Redaktors sei, welcher Buch I und 11 habe verbinden wollen, und

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dasz die Definition der naideia von demselben Bedaktor wenigstens an eine nngehörige Stelle gesetzt sei. Er fögt hinzu, dasz es f3r den gesunden Menschenverstand überhaupt nicht einzusehen sei, wes- halb über die [ü&rj nur im Zusammenhange mit der piovaixr} und der gesamten itaidüa gesprochen werden könne. Nach meiner Meinung ist jener Schlusz ungerechtfertigt. Wenn schleich nach der Definition der Ttatöeia zur (^s^rj selbst übergegangen wird, so liegt das daran, weil das Ergebnis dieser Definition: das Ziel der itaiöfia, die dgeri^, besteht in der Herrschaft des Xoytofiög, scheinbar einen erzieherischen Zweck der i^i&ij, welche ja gerade Schwächung des Xoyiaix6g zur Folge hat, über- haupt ausschlosz. Dieser scheinbare Widerspruch, welcher ja, wie wir bereits gesehen haben, 646 A so deutlich zum Ausdruck kommt, veranlaszte den Schriftsteller sogleich der Frage näher zu treten, ob überhaupt und in wiefern dann von einem erzieherischen Zwecke der fti^rj die Rede sein könnte. Die Beantwortung dieser Frage lautet dahin, dasz die (Aexh) gerade wegen der Schwächung des XoyLOfxös sich zunächst zum Prüfungs- und dann weiter zum Übungs-Mittel in Aufrechterhaltung des Xoytaptög auch unter schwierigen Umständen vorzüglich eignen wird. Aber hiermit ist nur bewiesen, dasz die {ii^r} überhaupt als Erziehungsmittel dienen kann; in welchem Umfange sie als solches zu verwenden ist, und welche Stellung sie somit in der gesamten Erziehung einnimmt, ist noch nicht entschieden. Um dies zu entscheiden, musz sie eben, wie vorher verlangt wurde, im Zusammenhange mit der fiov- aixf} betrachtet werden. Denn dies Verlangen hat seinen guten Grund. Die fii&ij ist nicht das einzige Mittel zur richtigen Erziehung der fjdovai und Ivitat. Vielmehr setzt sie, um angewendet werden zu können, schon einen verhältnismäszig hohen Grad des XoytOfiög voraus. So lange dieser noch nicht vorhanden ist, musz also zu einem anderen Mittel gegriffen werden, und dieses bietet sich eben, wie im zweiten Buche nachgewiesen wird, in der ftovacxfj. Ich meine, auf Grund dieser Erwä- gung musz die Forderung, die fud^rj könne erschöpfend nur im Zusammenhange mit der fiovaixr] be- handelt werden, als eine vohlberechtigte angesehen werden. Nun scheint mir aber das Schluszergebnis des ersten Buches mit dieser Forderung in logischem Zusammenhange zu stehen. Dasz die fii&r] er- zieherisch zu verwenden ist, ist ja freilich schon im ersten Buche nachgewiesen, aber doch nur, inso- fern ein jedes Prüfungsmittel denn dieses wird auch 648 B bei Besprechung des der fu&r} ana- logen cpoßov g)dp[4axov, wie bereits erwähnt, zur Grundlage gemacht und besonders ein solches, welches mannigfache Gradunterschiede der Erschwerung und Erleichterung zuläszt, immer zugleich er- zieherisch wirkt. In welchem Umfange sie aber erzieherisch anzuwenden ist, und welche Stellung sie demnach zu der auf einen gleichen Zweck gerichteten fiovatxrj einnimmt, davon ist noch nichts gesagt und konnte auch, wie wir eben gesehen haben, noch nichts gesagt werden. Deshalb wird als end- gültiges Ergebnis des ersten Buches nur hingestellt: dasz die ^i^rj als Prüfungsmittel sehr geeignet ist, daran wird wohl keiner mehr zweifeln. Dasz sie dagegen auch Erziehungsmittel ist, wird nicht in gleicher Weise abschlieszend ausgesprochen, weil die Untersuchung darüber noch nicht zu Ende geführt ist ; wohl aber wird beim Übergange zu der weiteren Untersuchung mit den Worten 652 A ^vead-* ä)g 6 löyog ioixsv ßo^Xeo^ai aijfiaivstv (seil, noch ein anderer groszer Nutzen in der richtigen Handhabung des Weines) deutlich genug darauf hingewiesen, dasz auf Grund des Vorher- gehenden auch ein erzieherischer Nutzen der ^iOr] zu erwarten ist.

Endlich kommen in diesem Zusammenhange noch zwei einzelne Stellen in Betracht. Erstens behauptet Bruns (S. 56), 650 B xai ötj xal tovto fiiv ccvrb negi yt toiütojv ovt' av KQijrag ovte aXXovg dv&ganovg ovSivag oi6[AE^a dficpiaßrjTfiOai (atj ov nelgdv dXXrjXcav iituix^ rainrjv ehai sei das xal 6f] xai unlogisch gebraucht; denn mit dieser Partikelverbindung werde immer ein neuer Gedanke eingeführt, während an dieser Stelle nur ein Gedanke, von dem unaufhörlich die Rede gewesen wäre, ohne die geringste neue Färbung wiederholt würde. Dasz nun xai dfj xai „und so auch" oder an unserer Stelle, der ursprünglichen Bedeutung des 6r} noch näher stehend, „und auch schon" immer den Übergang zu einem neuen Gedanken bilden musz, ist nicht zu bezweifeln. Aber wenn nach dem Nachweise, dasz die pii^r} sich als Prüfungsmittel vorzüglich eignen würde, fortge- fahren wird: „Und daran selbst, dasz die pii^rj als Prüfungsmittel geeignet ist, werden auch schon die Kreter, glauben wir, oder irgend ein anderer nicht zweifeln", so ist dieser Gedanke offenbar in der That neu.

Ferner findet Bruns (S. 56) es unlogisch, dasz auf die Worte 653 A 'AvaiAvrja^r^vai toivw

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ly(ö/£ ndkiv Ijii^vfuo, xi tiote ki/Oftev^) ^[ilv elvai rr/v ö^&riv nacdeiav. tovtov ydQ, wg ye iyw Tona^ü) vvv, k'ariv h r(p iititr]6ev[iart rovtqt xaXcog xaTogOoviMvqf aayvTjQia, nicht uur eine neae Definition folgt, sondern auch äuszerlich ohne Zusammenhang mit einem kiy^ rolvw fortgefahren wird. Dem gegenüber ist freilich zuzugeben, dasz man nach jenem Eingange eine Wieder- holung der früheren Definition erwarten könnte. Aber der Scliriftsteller konnte doch auch, da dieselbe noch nicht so sehr lange vorhergegangen war, die Bekanntschaft mit ihr noch voraussetzen worauf auch das XdyofAev statt iXiyoftev hinzuweisen scheint und, ohne sie selbst von neuem anzuführen, sogleich auf ihrem Grunde weiter bauen. Wenn sich daher uur nachweisen läszt, dasz sich das Fol- gende auf jeno frühere Definition gründet, so kann nach meiner Meinung etwas Unlogisches in der Sache nicht gefunden werden. Beide Hauptpunkte jener Definition aber, dasz die naideia es mit der dgeti] zu thun habe und weiter speziell mit dem Einflöszen der Liebe zu ihr von frühester Jugend an, bilden im folgenden die notwendige Grundlage, wenn es heiszt: naiSiiav öi] Xiyto ttjv jcaQa- ytyvofUvTjv hqwtov izaiaiv agezrjVf während die die nähere Ausführung enthaltenden Worte: fjdovi) öf] xai (fiXia xai Xvm] xai fAioog av ÖQy^wg iv ipvxctii iyyiyvojvtai firjjtct) <Jvva(iiv(av Xöyov kaf^ßdvecvy ein neues, erst jetzt gefundenes Resultat hinzufügen.

Die Analyse des folgenden Abschnittes kann, weil der ihm zu Grunde liegende Gedankengang von keiner Seite angefochten wird, etwas kürzer behandelt werden.

Die erste Empfindung der Kinder, heiszt es, ist ^öovr] und Xvn7]', sonach ergiebt sich als Wesen der naideia (mit Kücksicht auf das früher aufgestellte Ziel derselben): die fjöovai und Ivnai von vornherein mit dem später zu gewinnenden Xoyioi.i6g in Obereinstimmung zu setzen. Zur ünter- stätzang dieser naiötia haben die Götter den Menschen, die Feste und die Musen und Apollo, ihren Führer, und Dionysos als Festteilnehmer gewährt.

Jedes junge Geschöpf strebt nämlich nach Bewegung sowohl des Körpers wie der Stimme, doch haben die Menschen vor allen übrigen das Gefühl für ßythmus voraus, ein Geschenk eben jener Götter. Die erste Erziehung findet also statt durch die Musen und Apollo. Demnach ist die x^Q^^^t zerfallend in OQXijOig und (pörj, zunächst gleich der naiöeia zu setzen, und das xaXwg Tiaiöeveo^ai ist identisch mit xaAtog qöuv und xakwg dgxelo&dt. Das xaX(ag qöeiv und dgxela&ai setzt aber das xaXä qöeiv und ÖQx^^odat, voraus, und dazu musz ferner kommen, dasz das xaXa qöeiv und dgxst- a^ai dem Betreffenden auch ^öovi^f und das Gegenteil Xvrtij bereitet. Dann wird das xaXöv definiert als das dgerf/g ix^t^^ov. Nun herrscht aber hinsichtlich der ijöovrjy welche die xoQeia gewährt, keineswegs Übereinstimmung, und dies liegt daran, dasz nicht das eigentliche xaXöv die ^dovrj hervor- ruft, sondern dasz, da die xoQsiü es mit der Darstellung von rgörtoi zu thun hat, jeder notwendig die mit seinen rgönot übereinstimmenden Darstellungen lobt und demgemäsz für schön erklärt, die nicht übereinstimmenden aber tadelt.

Die Freude über Darstellung schlechter rgÖTtoi ist aber ebenso gefährlich wie der freundschaft- liche Verkehr mit schlechten Menschen. Wo deshalb die Gesetze richtig gegeben sind, wird es nicht erlaubt sein dürfen, dasz die Dichter nach Maszgabe ihrer eigenen i^dov») angefertigte Gedichte ohne weiteres die Jugend lehren. Nun ist dies aber überall erlaubt auszer in Ägypten; denn hier ist hin- sichtlich der lAovuixrj wie jeder anderen Darstellung schon vor langer Zeit das richtig Befundene aus- gesucht und als Norm für die Zukunft festgestellt, indem es den Göttern geweiht wurde, so dasz man dort jetzt noch genau dieselbe Kunst findet wie in ältester Zeit. Wenn also jemand das Bichtige hin- sichtlich der fiovaixrj finden kann, so mag er das getrost gesetzmäszig feststellen ; denn möglich ist so etwas, wie die ägyptische Einrichtung zeigt.

Diese Untersuchung hinsichtlich der ÖQ^örrjg der Musik wird nun folgendermaszen geführt. Wir freuen uns, wenn wir meinen, dasz es uns gut geht. Die Jugend ist in solchen Fällen selbst zum xogevecv geneigt, das Alter dagegen, selbst dazu unfähig, bestimmt denjenigen den Preis, welche es am besten verstehen, das Andenken an die früliere Jugend wachzurufen. Falls wir nun nicht die ge- wöhnliche Ansicht, dasz die Festaufführungen nach dem Vergnügen der Zuschauer zu beurteilen seien.

0 nors Xiyoiisv ist die Lesart des Parisin. A, und diese scheint mir dem Zusammenhange sogar mehr l^emäsz als die von Madwig vorgeschlagene not' iXiyoftev.

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für ganz verfehlt halten, müssen wir, davon ausgehend, zunächst demjenigen den Preis zuerkennen, welcher die meisten am meisten erfreut. Setzte man nun allein auf Grund dieses Satzes einen Wett- kampf ins Werk, ohne die Art desselben irgend näher zu bestimmen, so würde je nach Alter und Bildung der Zuschauer der Preis einem anderen zuerkannt werden müssen. Die kleinen Kinder würden dem Zauberkünstler, die gröszeren der Komödie, die Jünglinge und Frauen, wie die grosze Mehrzahl überhaupt der Tragödie, das Alter den Rhapsoden den Preis zuerkennen. Wir würden natürlich auf der Seite des Alters stehen, da dieses nach Charakter und Bildung als das beste erscheint. Auf Grund hiervon wird zu dem Satze, dasz die fiovaixr} nach der fjdovi) zu beurteilen sei, der Zusatz gemacht: aber nach der fjöovr] der am besten Erzogenen oder noch lieber des einen durch Tugend und Erziehung vor allen Hervorragenden. Denn der xQirrjg musz Lehrer, nicht Schüler der Zuschauer sein.

So führt die Untersuchung also wieder, erinnert der Athener, zu dem schon öfters aufgestellten Grundsätze : die naiöpca ist das Leiten der Jugend zu dem vom G^etze als richtig anerkannten löyog ; und es zeigt sich, dasz die Gesänge dazu dienen, die '^öovr] und kvitr} der Jugend mit diesem köyog in Übereinstimmung zu bringen. Wie der Arzt die heilsame Nahrung den Kranken in angenehmen Speisen darreicht, so müssen auch die Dichter in ihren Gesängen Ermahnungen zur ägerrj in ange- nehmer Form bringen, und das thun sie, indem sie die axtiptccta äya^cav dvÖQcSv im Gedichte darstellen.

Dem hält Klinias entgegen, dasz so etwas nur in Kreta und Lacedämon zu finden sei, in allen anderen Staaten werde hinsichtlich der (lovaixi'] nach Maszgabe von ätaxroL f}6ovat immer Nenes erstrebt.^) Der Athener antwortet, er habe nicht den jetzigen Zustand beschreiben, sondern vielmehr den idealen, wie er sein sollte, auseinandersetzen wollen. Angenehm sei es ja nicht, unheilbar schlechte Einrichtungen zu tadeln, aber zuweilen sei es doch nötig. So mOszten sie jetzt sehen, ob die kretischen und spartanischen Einrichtungen dem von ihm geschilderten und auch von den Mitnnterrednem als richtig anerkannten Zustande etwa mehr entsprächen als diejenigen der übrigen Hellenen. Er stellt deshalb die Frage: „Zwingt ihr die Dichter in ihren Gedichten zu erklären, dasz der dya&bg ßiog der allein glückliche ist, und dasz Reichtum, Gesundheit, Kraft, Tapferkeit im Kriege und überhaupt alle sogenannten dya^a, wenn sie mit Ungerechtigkeit verbunden sind, den Menschen nur desto un- glücklicher machen?" Klinias kann weder behaupten, dasz die heimischen Gedichte dieser Anforderung entsprächen, Boch kann er selbst die Berechtigung derselben zugeben. Dasz ein reicher, gesunder und tapferer Mann, der aber ungerecht ist, aloxQfog lebt, gesteht er noch zu, dasz er auch xax(og lebt, schon weniger, dasz er aber gar drjöcog leben sollte, durchaus nicht mehr. Für den Athener ist es so sicher wie nur irgend etwas, dasz nur der ölxaiog ßiog eidai^tav ist, und er sucht durch fol- gende Erwägung auch seinen Mitunterredner von der Richtigkeit seiner Ansicht zu überzeugen. Wenn ein Gesetzgeber den ijiSiarog ßiog für verschieden erklärt vom dixaiöraxog^ so kommt er notwendig in die gröszte Verlegenheit. Denn wenn er den rjötaxog ßiog für evöatfioveozatog erklären würde, so müszte er zugeben, dasz er die svöaiftovia den Bürgern nicht zuteil werden lassen will; wenn er aber den dixatöraTog für svöamoviatarog erklären würde, so müszte er für diesen ein dcya^öv angeben können, welches, von der fjdovr) verschieden, dieselbe noch überträfe. Aber in Wirklichkeit sind doch die speziellen Güter des öixatog ßiog: Ruhm und Lob bei Göttern und Menschen, sowie das [irjte tiva döixsTv firjte vnö tivog döixeia&ai, nicht etwa schön, aber dabei unangenehm; und ihr Gegenteil nicht etwa angenehm, aber dabei schimpflich und schlecht? Mag nun diese Frage, ob dyad^öv und j^rfy dasselbe ist, auch sonst keinen groszen Wert haben, der Gresetzgeber musz jedenfalls

1) Bruns .(S. 125) findet es wunderbar, dasz der Kreter hier plötzlich den Ruhm des ägyptischen Insti- tuts betreffs der Überwachung der Musik von selten des Staates auch für Sparta und Kreta in Anspruch nimmt, während er sich 656 CD den ägyptischen Brauch als etwas ganz Nenes habe erzählen^ lassen. Doch in Wirk- lichkeit behauptet der Kreter gar nicht, dasz der ägyptische Brauch sich auch in Sparta und Kreta vorfinde, wie dies ja auch gewisz nicht der Fall war, sondern nur, dasz die kretische und spartanische Musik im Gegen- satze zu derjenigen der übrigen griechischen Staaten einen konservativen, auf die uqbt^ gerichteten Charakter trage. Den Anlasz zu dieser Behauptung gerade an dieser Stelle dürfen wir vielleicht in der Ausführung des

Atheners 659 BC mit der Gegenüberstellung des itakaibg '^Eklrjvixbg vöfiog und des neuen SixeXixög re xai 'Itahxbg voftog suchen.

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behaupten, dasz der öixaiog ßiog zugleich der rj^iatog ist. Da aber alles aus der Ferne Oesehene undeutlich und unklar erscheint, so wird der Gesetzgeber dieses Dunkel beseitigen, indem er die Bürger irgendwie überzeugt, dasz der ölxatog ßiog, vom Standpunkte des äöixov aus gesehen, unangenehm, von dem des öixaiov aus aber angenehm erscheint; und daez ebenso der äSixog ßiog vom Stand- punkte des öixaiov aus unangenehm, von dem des äöixov selbst aber angenehm erscheint. Nun ist aber das Urteil der \Vvxt) ä^uiviov das maszgebende, mithin ist in Wahrheit der ßiog dfiEivcav auch der fiöimv. Übrigens dürfte der Gesetzgeber, selbst wenn dem nicht so wäre, wohl eine Erfindung ersinnen, welche geeignet wäre, alle zu veranlassen, freiwillig dem öixaiog ßiog zu folgen. Mythen werden sehr leicht geglaubt, so dasz es nur darauf ankäme, eine für diesen Zweck geeignete zu erfinden.

Um nun alles sonst als schön Erkannte und besonders diesen Grundsatz, dasz der öixai&tarog ßiog auch der rjöiaxog ist, der Jugend einzuprägen, sollen drei Chöre dienen. Der erste ist der Chor der Musen, aus Knaben bestehend, der zweite der Chor des Apollo aus Männern bis zu dreiszig Jahren, der dritte der Chor des Dionysos aus Männern bis zu sechzig Jahren. Diejenigen, welche das sechzigste Jahr überschritten haben, sollen zum selben Zwecke mitwirken als ^iv^oXöyoi. Die beiden ersten Chöre erscheinen den Dorern durchaus natürlich, weshalb die Besprechung über sie hiermit für abgeschlossen erklärt wird; um so wunderbarer erscheint ihnen dagegen der dritte, der des Dionysos. Diesem, auf welchen die ganze Untersuchung von Anfang an gerichtet war, wird deshalb im folgenden noch eine eingehendere Begründnng zuteil. Es wird davon ausgegangen, dasz man doch den am besten gebildeten Teil des Staates, die über 30 Jahre alten Männer, für die (pörj keinenfalls ent- behren könnte. Da man aber, je älter man wird, um so weniger noch zum öffentlichen Auftreten geneigt ist, zumal wenn man nach der jetzt bei Wettkämpfern üblichen Weise nüchtern in den Wett- kampf eintreten sollte, so wird folgender Gesetzvorschlag gemacht: Den Knaben bis zum achtzehnten Jahre ist der Weingenusz überhaupt zu verbieten in der Erwägung, dasz man nicht Feuer zu Feuer thun darf, und aus Scheu vor der kf.ifiavr]g i'^ig der veoi; die Männer bis zum dreiszigsten Jahre dürfen Wein trinken, aber mit Masz; diejenigen dagegen, welche das dreiszigste Jahr überschritten haben, sollen auszer den anderen Göttern auch den Dionysos anrufen, um durch das Geschenk dieses Gottes die avarrjQÖTTjg des Alters zu überwinden und so geschmeidiger und bildsamer zu werden. Hierdurch, meint der Athener, würde zunächst der Vorteil erreicht, dasz die Betrefl'enden sich zum Singen im Freundeskreise bereit finden lieszen.

Endlich wird die Frage behandelt, welches wohl die für solche Männer passende Gesangsweise sein dürfte. Die Derer kennen nur den Chorgesang, aber dieser ist für Männer von solchem Alter von vornherein ausgeschlossen. Ebenso ist klar, dasz sie nur die schönste [iovaixq ausüben werden. Welche Anforderungen sind nun für die Ausübung derselben zu stellen? Dies zu beantworten, soll folgende Erörterung dienen. Bei allem, welches mit xciQ'-S verbunden ist, ist entweder die xo^*S selbst die Hauptsache, oder sie kommt blosz nebenbei zu dem eigentlichen Hauptzwecke, der ÖQ^örrjg und d}(ptXiay hinzu. Demgemäsz ist die erstere Gattung, die der eigentlichen naiöid, folgerichtig nur nach der riöovfj zu beurteilen, alles andere dagegen, als zur letzteren Gattung gehörig, in erster Linie nach der OQ^ötTjg und uicptUa. Nun liegt das Wesen der (iovaixrj in der Nachahmung. Bei jeder nachahmenden Kunst ist aber immer die ÖQ&ötrjg das Maszgebende. Folglich ist die fzovaixrj nicht nach TJöovrj, sondern nach dg^örrjg zu beurteilen. Um diese ÖQ^ÖTijg zu erkennen, ist aber dreierlei nötig: man musz wissen,

1) was dargestellt wird,

2) ob es richtig dargestellt ist,

3) ob das Dargestellte schön ist.

Bei der Bedeutung der Musik für die Erziehung und bei der Schwierigkeit sie zu beurteilen, ist dies von ganz besonderer -Wichtigkeit. Daraus folgt für die Mitglieder des dionysischen Chores, dasz sie hinsichtlich der f^ovaixr) jedenfalls besser gebildet sein müssen als die Teilnehmer gewöhn- licher Chöre; denn um an diesen teilzunehmen, ist das Verständnis von Rythmus und Harmonie nicht nötig. Aber sie müssen auch besser gebildet sein als die Dichter; denn diese brauchen wenigstens nicht zu erkennen, ob das Dargestellte schön ist oder nicht, jenen Sängern dagegen kann das nicht erlassen bleiben.

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Somit wäre also, wird geschlossen, der anfangs behauptete erzieherische Nutzen des dionysischen Chores nachgewiesen. An diesen Schluszsatz wird dann noch 671 A 672 A eine kurze Beschreibung der Art und Weise geknüpft, wie dieser Nutzen erreicht sei. Die Mitglieder des dionysischen Chores sollen durch v6[joi av(iJtorutoi, welche sich stützen auf Erweckung der alddtg, zum Einhalten der nötigen Ordnung im Trinken und Singen gezwungen werden. Für diese vöfioc sollen, einer früheren Forderung entsprechend, nüchterne Wächter da sein, und zwar werden als solche die über 60 Jahre alten Greise ausersehen.

Ehe wir auf die Hauptfrage näher eingehen, ob und wie der eben analysierte Abschnitt, welcher gipfelt in der Einsetzung des dionysischen Chores, sich mit den Erörterungen über Trunkenheit im ersten Buche vereinigen läszt, bedarf noch eine Stelle dieses Abschnittes selbst der Erläuterung. Es handelt sich um den Beweis, dasz der agiarog ßiog auch der rjötarog sei 662 B 664 B. Nach dem Vorgange von Zeller (Piaton. Stud. S. 102) erklärt Bruns (S. 117 ff.) diesen Beweis für unvollständig. Zu der Frage, sagt Bruns, ob glücklich und gerecht sein dasselbe sei, komme nur die Behauptung hinzu: , »Berühmt sein wegen Gerechtigkeit ist angenehm" (663 A). Aber nach dem ganzen Zusammen- ' hange liegt mehr in dei- fraglichen Stelle. Ausgehend davon, dasz ein Gesetzgeber, welcher den öixaiog ßiog vorschriebe, unsinnig wäre, wenn er den aöixog für den glücklichsten erklärte, hatte der Athener gefolgert, dasz er notwendig den öixaiog für den glücklichsten erklären müszte. Wenn er dann aber trotzdem dem aöixog ßiog ein höheres Masz von fjöovri zuschriebe, so müszte er für den öixaiog ßiog ein höheres Gut nachweisen als die fjöovi]. Ein solches aber wäre nicht vorhanden. Denn die speziellen Vorzüge des öixaiog ßiog, Kuhm und Lob bei Göttern und Menschen und das yi,f}tE tivä döixEiv (.irjTS V7TÖ Tivog döixela&ai, wären doch nicht etwa gut, aber dabei unangenehm (drjöig), und ihr Gegenteil nicht etwa angenehm (tjöv), aber dabei schimpflich und schlecht. Hiermit ist nicht etwa blosz, wie Bruns meint, eine für die Sache nicht weiter benutzte neue Behauptung hinzugekommen, sondern die eben analysierte Erörterung enthält die notwendige Grundlage für die gleich folgende Schluszfolgerung, dasz die Rede, welche das ijöv von dem öixaiov und dya&6v nicht als etwas von demselben Verschiedenes trennt, jedenfalls geeignet ist, jemanden zu der freiwilligen Wahl des öixüiog ßiog zu bestimmen, und mithin von dem Gesetzgeber unter allen Umständen behauptet werden musz. Daran schlieszt sich sodann der Nachweis, wie der Gesetzgeber die Bürger von der gröszeren fjöovi) des öixaiov im Vergleich mit dem äöixov zu überzeugen habe. Das aus der Feme Gesehene, heiszt es, ist immer undeutlich. Der Gesetzgeber aber wird die Unklarheit beseitigen, indem er zur Über- zeugung führt, dasz nach Art von Schattenumrissen, vom Gerechten aus gesehen, das Gerechte als an- genehm, das Ungerechte als unangenehm erscheint, vom Ungerechten aus dagegen gerade umgekehrt. Da die Wahrheit der Entscheidung aber bei der d(XEiv(av xpvx'f] liegt, so ist also auch in Wahrheit der aöixog ßiog der unangenehmere, der öixaiog aber der angenehmere. Durch diese Analyse scheint mir der Einwand von Bruns, dasz 663 B ovxovv ö fuv /i/y ;c<»(>^wv löyog fjöv te xai öixaiov . . . nid^avdg ye, el ^t]Öev kregov, rcgög riva i&iksiv ^?)v rbv öoiov xai öixaiov ßiov die Schwäche der gegebenen Argumentation deutlich durchbräche, von selbst erledigt; denn der Beweis war ja an dieser Stelle überhaupt noch nicht zu Ende geführt. Wohl aber müssen wir guf einen anderen Ein- wand noch kurz eingehen. Mit Rücksicht auf 663 C ^^. Trjv ö'dkrj&eiav i>^g xgiaewg Ttorigav xvQUorigav etvai cpcouev; Ttörega ttjv rr^g x^^QOvog ipvxyg »/ t)]v rrjg ßekriovog; KX. 'Avayxalöv itov TTjv tilg d^isivovog, behauptet Bruns, dasz es doch nicht als Beweis angesehen werden könnte, wenn einfach das Urteil der diteivcov ipvxrj dem der ;f6t{)cöv gegenüber als maszgebend bezeichnet würde. Dieser Einwand wäre richtig, wenn es sich um Dinge handelte, worin beide Teile gleich urteilsfähig wären. Das ist hier aber nicht der Fall. Der aöixog erkennt eben von seinem Stand- punkte aus das aiaxQÖv nicht als aiaxQdv; denn sonst könnte er, weil dasselbe drjöig ist (cf. 663A) überhaupt nicht aöixog sein. Der öixaiog dagegen erkennt von seinem Standpunkte aus das aioxQÖv als aiaxQÖv und meidet es gerade deshalb. Somit ist in unserem Falle allerdings das Urteil des öixaiog maszgebender als dasjenige des aöixog. Diese Erwägung ist freilich nicht ausgesprochen, weil die Derer sich dabei beruhigten, dasz das Urteil der d^sivcov ipvxf] jedenfalls maszgebender wäre, aber deshalb dürfen wir sie doch im Sinne des Schriftstellers als stillschweigende jener Behauptung zu Grunde liegende Voraussetzung ansehen.

Wenn Bruns endlich behauptet, der hier mangelhaft gebliebene Beweis werde im fünften Buche

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732 E ff. wirklich geführt, wo es heiszt, der äyax^ög ßiog sei nicht nur der evöo^ia wegen zu wählen, sondern auch, weil er mehr ^öovrj gewähre, und wo dann ausgeführt wird, beim aiaq>Q{ov ßiog und bei dem dya^bg ßiog überhaupt überwiege die f)6ovrj, beim dxöXaatog und dem xaxög überhaupt die Ivnrj, so ist da von der ^Sovrj im gewöhnlichen Sinne die Rede, welche unabhängig ist von dem xaköv, und es soll nachgewiesen werden, dasz auch diese ^öovf] dem dya^ög ßiog im höheren Masze zukommt als dem xaxög ßiog; an unserer Stelle soll aber gerade die dgerrj selbst als im letzten Grunde auf tjöovrj beruhend und als wegen dieser ^dovrj erstrebenswert erwiesen werden.

Wir müssen jetzt zu der wichtigsten Frage hinsichtlich des zweiten Buches übergehen: Ist die Einrichtung des dionysischen Chores Fortsetzung der Besprechung über fii&r) im ersten Buche, oder nicht? Bruns (S. 37 ff.) behauptet, wie wir schon wissen, das letztere. Die Metheinstitution des ersten Buches, sagt er, will ihre jugendlichen Teilnehmer erziehen durch den Kampf gegen fjdovai. Der dionysische Chor besteht aus erwachsenen, durch das Alter schon ernst gewordenen Männern; er hat keinen auf die Mitglieder gerichteten erzieherischen Zweck, sondern er soll auf die jüngere Generation erzieherisch einwirken. Der Wein soll hier dazu dienen, Anregung zum Singen zu geben, was eine /4£^, wie sie im ersten Buche geschildert ist, ausschlieszt. Diese Auseinandersetzung hat etwas sehr Bestechendes, man glaubt in der That, die Sache sei damit entschieden; trotzdem kann ich ihr bei eingehender Erwägung nicht zustimmen.

Bruns leugnet, wie das eben Angeführte zeigt, dasz bei dem dionysischen Chore ein auf die Mitglieder selbst gerichteter erzieherischer Zweck vorhanden sei. Er thut dies, weil er (S. 41) den Schlusz des zuletzt analysierten Abschnittes, wo der im ersten Buche angedeutete erzieherische Nutzen der pU^rj auf den dionysischen Chor übertragen wird, für unächt hält. Auf ein formelles Bedenken, welches er gegen diesen Abschnitt, und zwar mit Recht, erhebt, werden wir noch später zu sprechen kommen. Vorläufig haben wir es nur mit der Frage zu thun: Ist der auf die Mitglieder des diony- sischen Chores selbst gerichtete enieherische Zweck der ^B&q sachlich vereinbar mit der Stellung, welche derselbe als ein auf die Jugend durch Mustergesänge wirkendes Institut einnimmt? Nach meiner Meinung steht jener Zweck mit dieser Stellung im besten Einklang, ja er kann sogar als notwendige Voraussetzung für diese angesehen werden. Denn ein uneingeschränkter Genusz des Weines, wie er dem dionysischen Chore 666 AB gestattet wird, wird nur dann als Anregungsmittel zum Singen zu erziehe- rischen Zwecken von Erfolg sein, wenn der Weingenusz von den Sängern selbst als eigenes Erziehungs- mittel betrachtet und angewendet wird. Im anderen Falle würde die notwendig eintretende Ausartung der ^i^T) auch eine Ausartung des Gesanges zur Folge haben. Übrigens mag man zugeben, dasz, je gröszer der Weingenusz wird, um so mehr die Bedeutung der ^i^rj als eines auf die Sänger selbst gerichteten Erziehungsmittels zunimmt, während ihre Bedeutung als eines Anregungsmittels zum Singen mehr zurücktritt.

Die zweite Frage, welche wir nunmehr zu beantworten haben, lautet: Ist die so auf zwei Zwecke gerichtete Einrichtung des dionysischen Chores zu vereinigen mit dem im ersten Buche über das er- zieherische Element der yUdt} Gesagten?

Zeller (Piaton. Stud. S. 33) und Bruns behaupten, dasz die liidt} im ersten Buche als Übungs- mittel für die Jugend dienen solle, während sie im zweiten Buche auf die über 30 Jahre alten Männer beschränkt werde. Zeller beruft sich dafür auf 643 C ff. Doch handelt es sich dort um jene ganz allgemein gehaltene Definition der naiöeia. Dasz die naiöeia von Jugend auf anfangen musz, ist selbstverständlich, aber man wird doch nicht behaupten wollen, dasz die Übung durch ^£^17 die einzige jiaidsia sei; folglich kann man von jener Definition auf diese keinen Schlusz ziehen. Bruns (S. 38), welcher diese Stelle, als wenigstens in ihrem jetzigen Zusammenhange redaktorischen Ursprungs, nicht heranziehen kann, beruft sich auf 635 C. rauröv dr] tovt' olfiai xai TTQÖg rag ^öoväg iöei 6ia- voela&ac rbv avtöv vofio&ertjv^ Xiyovxa avrbv iigog iccvzbv, dtg rjfilv ix viwv et aneiQoi xväv fuyiariov rjdovcöv ol noXXtai yevi^aovtac xai dutXirrjxot, yiyvöfjievoi h taZg ^öovaZg xagTsgeTv xai liTjdkv Tcov alaxQcov dvayxd^ead^ai jtoulv, ^sxa rrjg yXvxv9vfuag rjjg ngbg rag ^(Jovag vav- xbv nüaovxac xolg fjxxwutvoig xcov <p6ßwv. Es ist richtig, dasz an dieser Stelle zum ersten Male die Notwendigkeit einer Übung in der owtpQoavvr] formuliert wird. Die dorische Gesetzgebung wird getadelt, weil sie darauf ausgeht, die fjdovai von Jugend auf möglichst auszuschlieszen. Denn es zeigt sich, dasz eine Übung in den ^öovai behufs Erlangung der aonpQoavvf] noch wichtiger sei

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als eine Übung in den (p6ßoL behufs Erlangung der dröpsia. Als dasjenige, was die fjdovai am stärksten erregt, und was in Sparta principiell ausgeschlossen ist, wird nun 637 A die A«*^ genannt, und diese wird dann im weiteren Verlaufe des Buches als Mittel zur Prüfung und Übung in der a(0<pQoaiv7} besprochen. Wenn man demnach auf die Zusammenstellung der Worte ex viwv x<av fiBYtortov fjöovbiv groszen Nachdruck legen will, so kann man ja in Verbindung mit dem Folgenden den Gredanken darin angedeutet finden, dasz die piii^ri von Anfang an als Erziehungsmittel g^en fjdovai angewendet werden solle. Aber die Worte lassen sich doch auch ohne diesen speziellen Bezug allgemeiner so erklären, dasz es falsch sei, die gröszten fjdovai von Anfang an auszuschlieszen, anstatt sie vielmehr zu erziehen und analog den (pößoc als Mittel zur Erlangung der acacpgoavvi] zu be- nutzen. Und diese Erklärung wird gestützt durch den naheliegenden Gedanken, dasz doch nicht jeder Grad und jede Art der ^dovrj für jedes Alter passend sei. Mit einem Worte die lUyiatai, fjöovai sind relativ zu verstehen : für die Jugend sind die zulässigen piiyiatui fjdovai nicht dieselben wie für das gereifte Alter. Bruns (S. 38) sagt freilich: „Übrigens versteht es sich von selbst, dasz man g^en die Verführungen der Lust nicht erst dann pädagogisch wirkt, wenn sie aufhören nämlich im Greisenalter." Nun, ich glaube, die Übertreibung wird Bruns selbst eingestehen. Mit 30 Jahren fangt doch nicht das Greisenalter an, und es kann doch auch nicht als sinnlos bezeichnet werden, auf die über 30 Jahre alten Männer bezüglich der fjöovai noch pädagogisch zu wirken. Ich sage, noch päda- gogisch zu wirken ; denn dasz die pädagogische Wirkung dann erst anfangen sollte, wäre freilich sonder- bar, und eben diese Voraussetzung hat Bruns auch zu jener Übertreibung verleitet. Es bliebe also, um die von mir aufgestellte Behauptung, der im ersten Buche geschilderte erzieherische Zweck der Hi^rj sei nicht auf die vioi zu beziehen, annehmbar zu machen, noch der Nachweis übrig, dasz der Schriftsteller einmal die iiid^r] erst für das spätere Alter als zweckmäsziges Bildungsmittel hinstellt, und dasz er zweitens eine pädagogische Einwirkung anderer Art ihr schon vorausgehen läszt.^) Wir er- innern uns, dasz uns diese Voraussetzung schon beim Übergange vom ersten zum zweiten Buche selbst notwendig erschien, und dasz wir schon damals andeuteten, das erste Mittel zur Erziehung der fjSovai und Xvnai sei in der ^ovoixrj zu suchen. Die fortschreitende Analyse hat uns jetzt den Grund er- kennen lassen, weshalb dies der Fall ist. Die [iovautr] ist wegen des ihr zu Grunde liegenden Ge- fühles für Harmonie und Bythmus geeignet von vornherein^ die fjdovai und Xvnai mit dem erst später zu gewinnenden Ao/ta/iög in Übereinstimmung zu bringen. Nun zeigt sich aber, dasz die Neigung zur selbstthätigen Ausübung der piovaixr} bei den über 30 Jahre alten Männern, und zwar je älter sie werden, desto mehr, abnimmt. Hier setzt demnach die Anwendung der fii^ ein, zunächst um als ein Anregungsmittel zum Singen, dann aber auch, in engster Verbindung damit, um als ein auf die Sänger selbst gerichtetes Erziehungsmittel zu dienen. Bemerkenswei-t ist die Art, wie diese Ein- schränkung der fii&7] begründet wird. Den vioi bis zum achtzehnten Jahre, heiszt es, müssen wir überhaupt jeden Weingenusz, den vioi bis zum dreiszigsten Jahre wenigstens die itoXvoivia verbieten didaaxovreQ, &g ov XQ^ ^Q ^^^ ^^Q ^X^^^^^ «^S ^o o(aiia xai trjv tpvx^v, jtgiv eni tovg növovg iyx^i^v nogevea^at, vtjv iiifiavi] sdXaßovfuvoc k'^tv ruivvetav. Die vioc sind eben schon von selbst in einer kfifiavrjg i'^ig t(ov ipvxcor, welche bei den Älteren erst durch die fii&rj hervorgerufen wird, und die fjdovai sind bei ihnen schon von Natur stark genug, der Xoyiofiög da- gegen noch zu schwach entwickelt, als dasz eine künstliche Beizung der ^dovai auf £osten des koyta- (lög thunlich wäre. Erst wenn die vioi gelernt haben, vermittelst der xoQeia ihre fjdovai in Über- einstimmung zu setzen mit dem Xoyionög und so zu mäszigen, und wenn ihre fjdovai durch das ge- reiftere Alter von selbst mehr herabgestimmt sind, wird eine Erziehung durch ni&rj annehmbar. Zu vergleichen ist hierzu noch die Stelle 672 C, wo die ipifiavfjg e^ig der jcaTdeg, als Grundlage für die Bildung durch xoQBia, in Parallele gesetzt wird zu der durch (udrj erzeugten ftavia, als der Gmndlage für die Bildung durch diese.

Nach dieser allgemeinen Rechtfertigung des logischen Zusammenhanges der beiden Bücher müssen noch einige einzelne Fragen behandelt werden, welche Bruns angeregt hat.

Im zweiten Buche befinden sich nach ihm (S. 43 ff.) zweierlei Arten von Zurückweisungen. Beide werden mit xar' dgxceg oder iv dgxoZg eingeleitet. Bei den einen, den nach Bruns als original anzuerkennenden, wird hiermit der Anfang des zweiten Buches bezeichnet, bei den anderen, nach Brun» dem Redaktor angehörigen, die Ausfühi-ungen des ersten Buches.

0 S. 13. 3*

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Eine BOckweisung auf den Anfang des zweiten Buches haben wir zunächst 664 E. stnofiev sl uBi-tvrjue&tx xar' aQxog rwv Xöywv, (bg f] q)i)aiq x(av viwv öianvQog ovaa fjavxLav ovx ol'a re äyeiv ovTS xord adapia ovze xorrd trjv (pwvrjv. Die Worte beziehen sich auf 653 D (prjaiv 6i (seil. 6 Xöyog) viov ciitav fbg ^itog dnEiv tolg atbiiaai xal ralg gxovaig fjavxiov ayuv od övvaoitai. Hier ist daran zu erinnern, dasz das im ersten Buche über ue.'9r] Gresagte mehr yor- bereitender Natur ist. Über den eigentlichen erzieherischen Zweck der fiid^i] und ober die Art ihrer Einrichtung wird erst im zweiten Buche gehandelt, und zwar auf Grund der liovatxr], auf deren ersten Anfang eben jene Worte hinweisen. Wenn es also unmittelbar vorher 664 D heiszt: xai [xrjv elalv ys ovroiy (ov x^^Qf-v ol nXeloroi xwv ifingoad^ev kQQtidrjaav Xöycov^ so ist mit dem oi kfingoa&ev Xöyoi nicht die ganze vorhergehende Erörterung gemeint, sondern nur der Teil derselben, welcher in direkter Beziehung zum dionysischen Chore steht, und welcher beginnt mit dem zweiten Buche. Mithin bezieht sich das xar' dgx^g '^^^ Xöyiov auch nach vorhergehendem ersten Buche doch vollständig logisch auf den Anfang des zweiten Buches.

Die zweite von Bruns (S. 46) als original anerkannte Stelle ist 671 A y.at oitsQ 6 löyog h ccQXalg ißovXrj^r], tt]v tqi tov Jiovvaov x<^QV ßorj^etav iiriÖEt^ai xakwg Xeyofiivrjv, eig dv- va^iv eiQTjxEv. Bruns sagt nur, dasz sie sich auf den Anfang des zweiten Buches beziehe, ohne die Stelle anzuführen. Dabei hat er nicht beachtet, dasz die Worte 653 A 'Ava[4vr}a&Tjvai roivvv iyayye naXtv imdvuw, xL itoxf Xsyoi-iev fiiilv eivai xrjv ÖQ&fjv Jtaiöeiav. xovxov yag, mg ye iyo) xo- ita^ü) vvv, iaxiv h xcp iittxrjdevfiaxi xovxco xaXcjg xaxoQ^ovfiivcp ocaxrjQidy auf welche sich jene Stelle nach meiner Meinung allein beziehen kann, von ihm als redaktorische Zuthat erklärt werden, weil sie auf das erste Buch zurückweisen, worauf schon Praetorius*) mit Recht aufmerksam macht. Denn dasz sie sich vielleicht auch auf 653 D beziehen könnte, wie Praetorius anführt, ist, soweit ich sehe, ausgeschlossen, weil hier die Musen, Apollo und Dionysos vollständig gleichgestellt werden und auf letzterem nicht ein besonderer Nachdruck ruht, was doch jene Stelle 671 A jedenfalls voraussetzt. Also im zweiten Buche kann sich die angeführte Stelle nur auf die auf das erste Buch zurückweisenden Worte 653 A beziehen. Nun findet sich aber auch im ersten Buche derselbe Gedanke 641 D Joxelg rj^ilv (3 (piXs xr]v kv xoig oivoig xoivijv öiargißrjv tug slg Jtaiöeiag ^eyaXrjv {lolgav xeivovaav Xiyetv, av dg&wg yiyvrjxai. vergl. 643 A 6ia yag xavtrjg (seil, xfjg naiöeiag) (pafiEv Ixiov sivai xöv figoxexet'giOfiivov iv xcp vvv Xoyov vcp' f]uwv^ ^ixgtJteg äv ngög xöv ifeöv aq)ix7]xaL, so dasz es also zweifelhaft sein kann, ob der Schriftsteller 671 A speziell die Stelle des zweiten Buches, oder vielmehr die des ersten Buches im Auge gehabt hat. Übrigens ist es sachlich gleichgültig, was wir annehmen wollen; denn das xovxov yag, äg ye iyo) xoTta^o) xa vvv, iaxtv sv tqJ ijtixrjösv- liaxL xovx(p . . awxTjgia findet nur unter Voraussetzung der betreffenden Stellen des ersten Buches seine Erklärung. Endlich ist zu bemerken, dasz auch die bei Gelegenheit des zuerst besprochenen Citates angeführten Worte 664 D xai fifjv etaiv ye ovxoi (seil, ot xgixvt xogoi) wv ;fdptv ol nXeZaxoc xtov eixngoa^ev iggfj&rjoav Xöywv denselben Gedanken, dasz nämlich der dionysische Chor als Gipfelpunkt der Untersuchung anzusehen ist, voraussetzen. Wenn Bruns demnach diese beiden Citate 664 DE und 671 A als originale gelten lassen will, so rausz er entweder den Zusammenhang von Buch I und II anerkennen, oder er musz annehmen, dasz in der ursprünglichen Fassung des zweiten Buches ein ähnlicher Gedanke vorausgegangen und vom Redaktor durch den jetzt vorliegenden ersetzt wäre. Wie bedenklich aber die Annahme ist, eine Stelle, auf die sich ein späteres Citat sehr wohl beziehen kann, als redaktorisch zu erklären und durch eine andere Stelle ähnlichen Inhalts zu ersetzen, die vom Redaktor gestrichen sei, ist von selbst klar. Oder aber Bruns musz auf die Origi- nalität jener Citate und damit auf den von ihm aufgestellten Unterschied zwischen originalen und redaktorischen Citaten überhaupt verzichten.

Nun noch eine sachliche Bemerkung zu der Stelle 671 A. Es könnte auffallend erscheinen, wenn mit den Worten xai onsg 6 Xöyog iv dgxaZg ißovXrj^rj, xfjv xcp xov Jtov6oov xog<p ßorj- deiav eniöei^aL xaXdg Xeyopievrjv, elg övvanLv etgrjxev ,,Und was die Untersuchung von Anfang an bezweckte, nachzuweisen, dasz die durch den dionysischen Chor (betreffs der nai^eia) erreichte Hilfe mit Recht behauptet sei, hat sie nach Vermögen nachgewiesen" der Vorteil, welchen der

') Praetorius: De legibus Platonicis a Philippe Opuntie retractatis. Bonn 1884, p. 33.

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Wein als Anregungsmittel zum Vortragen von Mustergesängen gewährt, als das einzige von Anfang an beabsichtigte Resultat der Untersuchung hingestellt wird. Doch sahen wir schon vorher, dasz der Wein diese Wirkung nur haben könnte, wenn er von den Sängern selbst als ein auch auf sie gerichtetes Erziehungsmittel zur aaxpQoaivr) gehandhabt würde. ^) Genau dem entsprechend wird dann auch an unserer Stelle fortgefahren: axe(p(b(i£&a df} et xov^* ovna yiyovev. „Sehen wir also, ob dies (d. h. der eben angegebene Erfolg des Weingenusses) so erreicht worden ist." Das „so" wird sodann dahin erklärt, dasz die vöfiot aviiiKmxoi im Stande sein müszten, röv tvekniv xal &aQQakf.ov ixeivov yiyvöfxevov xai dvaioxvvreQov tov öiovzog, xul oix i&iXovra rä^tv xal xaxa iiiQog oiy^g xai Xoyov xal Ttöaecas xal fto6aijg irtOftiveiVy kdikEiv Jtoietv n&vta TOtJrots ravavtia. Also der Vortrag von Mustergesangen ist in der That der Endzweck des dionysischen Chores, durch welchen nicht nur der erzieherische Einflusz auf die Jugend, sondern auch die Erziehung der Mitglieder selbst gewährleistet wird; denn eben in dem Vortrage dieser Gesänge bethätigt sich die auf die Probe ge- stellte ou)q)Qoavi'T] der Mitglieder. Was endlich die von Bruns (S. 45) im Gegensatz zu den eben behandelten als redaktorisch bezeichnete Stelle betriift 671 A &ogvßd)6i]g [liv Ttov 6 ^vlloyog 6 TOtovTog is äv&yxrjg itgoiovarjg Tr,g Jtöaecog enl (lakkov del ^v^ßaivei yiyvöitevov, öneQ vjts- ^ifieita xar aQxäg dvayxalov elvac yiyvea&ai nsQi tiav vvv ^yofiivatv*), so weist sie zurück auf64dC eativ öe ye fj roiavtr] avvovaia, eI'tceq EOtai [iEtä fJ-Extrjg, ovx d^ögvßo^. Hier bezieht sich das xar dgxdg also nicht auf den Anfang der Untersuchung, welche speciell vom dionysischen Chore handelt, sondern auf die vorbereitenden Untersuchungen des ersten Buches. Um zu verstehen, wie der Ausdruck xar dgxo^S ^^ Sinne des Schriftstellers eine so weite Beziehung zuläszt, dasz er auf die räumlich ziemlich weit getrennten Stellen 640 C und 654 A hinweisen kann, musz man be- denken, dasz, nachdem 643 A bis 645 D der Zweck der jiaiÖEca festgestellt ist, der ganze Rest des ersten Buches der vorläufigen Erörterung gewidmet wird, welcher Nutzen angesichts dieses Zweckes in der (lEx^rj überhaupt liegen könnte, dasz aber die Darstellung, wie dieser Nutzen im Zusammenhange mit der fwvaixr] zu verwirklichen sei, erst mit dem Anfange des zweiten Buches beginnt.

Weiter meint Bruns, die unumwundene Art, auf welche im zweiten Buche Gesetze gegeben würden, zeigte, dasz wir hier einen Teil der Gesetzgebung für die magnesische Kolonie vor uns hätten; ja er findet sogar einen Beamten, welcher nachher für die magnesische Kolonie eingesetzt wird, im zweiten Buche bereits vorausgesetzt.

Gehen wir zunächst auf den letzteren Punkt ein, so behauptet Bruns (S. 70), dasz an der Stelle 658 E dkXa axEÖbv ixEivrjv eivai Movaav xalXiarrjv, rjrcg rovg ßilriaTOvg xal ixavtog jtEitaid'EVfiivovg xeqiiei, fiahava 6i TJrig ^va tbv dQEtfj xe xal TtaiÖEtq 6iag>EQ0VTa dieser Eig dQExfj XE xal Ttaideiq 6iaq)EQ(ov gar nicht verstanden werden könne; es sei kein anderer als der 765 D eingesetzte oberste Erziehungsaufsehev, von dem es heisze og av dgiarog Eig ndvxn ?]. Nun ist es ja richtig, dasz dieser 765 D eingesetzte Beamte in der magnesischen Kolonie auch hin- sichtlich der fiovaixrj als oberster Aufseher fungiert. Aber weshalb jene Worte des zweiten Buches direkt auf ihn bezogen werden und ohne seine Einsetzung unverständlich sein sollen, vermag ich nicht einzusehen. Jene Worte besagen doch nur, dasz die fiovaixr] nicht nach der ^öovt) jedes beliebigen, sondern nach der ^dorrj der Besten oder vielmehr eines durch Tugend und Erziehung besonders Hervorragenden beurteilt werden müsse; und gerade der unbestimmte Ausdruck Sva xöv dgEx/j xs xal naiÖEiq öiacpigovxa statt der Nennung des betreffenden Beamten scheint mir zu beweisen, dasz wir hier nicht eine gesetzliche Bestimmung für die magnesische Kolonie vor uns haben.

Um sodann über die angeblich unumwundene Art, wie im zweiten Buche Gesetze gegeben werden, zur Klarheit zu kommen, beachte mau zunächst, dasz es an der Stelle, wo zum ersten Male eine gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der [wvaixrj in Frage kommt (656 C), ganz allgemein heiszt: OTtov öt) vöfiot xaXcog eloi xei^Evoi y xal Etg xöv EKELxa xQ<^vov ^aovtai, negl^) xrjv jieqI xa, Movaag naiöeiav xe xal itatöiav olöf^E&a e^iaea^ai xolg noirjTixolg . . . o xi äv xvxrj dnegya- ^EO^ai Jigög dgexrjv rj (.lox^figtav ; Mit dieser Allgemeinheit lieszfe sich nun freilich die Gesetz-

1) S. 18.

*) XEyofiEvwv Eusebius. yiyfOfiivwv A.

^) Ttegl hat Schanz hinzugefügt. Jedenfalls musz eine sinnverwandte Präposition ausgefallen sein.

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gebung für die kretische Kolonie noch sehr wohl vereinigen, wenn, nachdem die Möglichkeit einer der- artigen gesetzlichen Bestimmung durch den ägyptischen Brauch nachgewiesen, und die Richtigkeit der Itovaixf} dahin bestimmt ist, dasz sie nach der fjöovr] der Besten oder vielmehr des Besten beurteilt werden müsse, nun eine entsprechende Bestimmung für die kretische Kolonie folgte. Eine solche Be- stimmung folgt aber nicht, sondern der Satz, die fiovaix^ sei nach der ^öov^ des Besten za beur- teilen, wird 659 D nur benutzt, um daran zu erinnern, dasz die Untersuchung somit wieder auf das schon vorher anerkannte Ziel der naiöeia Übereinstimmung der ijöovai und Xvnai mit dem Xo- yujfÄÖg führe. Und auch nachdem weiter gefunden ist, dasz im letzten Orunde die dgexi^ von der fj6ovf], wie umgekehrt die xaxia von der Xvnt], unzertrennlich wäre, und dasz der Gesetzgeber den Dichtem unter keinen Umständen erlauben dürfte davon abweichende Behauptungen in ihren Ge- dichten aufzustellen, folgt keine diesbezügliche Bestimmung für die kretische Kolonie, sondern es ist ganz allgemein von dem vofiOx^irrjgy ov xi xai afAixgbv 6g)£Xog die Bede (663 D). Ebenso allge- mein heiszt es 664 A, wo es sich darum handelt, dasz der Gesetzgeber zu diesem Zwecke auch wohl ein \pev(iog ersinnen dürfe: xai tot, liiya. yiati vo/io^cV// iragaöetyi^a toü neiaeiv, ort äv iittxstvfj xig nel&eip rag riov viwv yjvxäg. Säte ovökv äXXo avxbv öst axonovvra dvevQtaxeiVf il xi nüaag [Aiyiaxov aya&ijv igyöaatro äv nöXiv, xo^tov 6e itigi ndaav (iijxavjjv eögiaxttv^ omi/v' äv noTE tQ&rtov ^ xoiaöxr] avvoixia ndaa itSQi tovxutv iV xai xadxöv oti fi&Xiaxa cp&iyyoit' du .... Hier behauptet Bruns (S. 70) freilich betreffs des Ausdrucks fj roiavtrj ovvoixia : „Um von einer ,,solchen'' Gründung sprechen zu können, muszte die bestimmte Nennung dieser Gründung vorausgehen, zum mindesten ein Gedanke wie dieser: „Nehmen wir an, wir hätten eine Musterkolunie zu gründen." Da nichts derartiges vorausgeht, wäre näaa avvoixia oder avvoixia rtg richtiger gewesen. r) ToiavT/j avvoixia ist unlogisch und verrät die unnatürliche Stellung des ganzen Abschnittes." Aber der Ausdruck f) toiavrrj avvoixia ist mit Bezug auf das erste Satzglied: rj xi neiaag ftiyioxov äyadbv Igyäoaito äv itöXiv^ zu verstehen; eine „solche Wohnungsgemeinschaft" oder „Stadt" (nicht, wie Bruns übersetzt, „Gründung") soll heiszen: eine Wohnungsgemeinschaft, hinsichtlich welcher der Gesetzgeber sich klar geworden ist, was für sie das ftiyiaxov dya&6v sei. Dies kann gar nicht zweifelhaft sein, sofern das roiavrrj sich doch auf das unmittelbar Vorhergehende beziehen musz. Selbst wenn dieser Abschnitt der Gesetzgebung für die kretische Kolonie angehörte, wäre doch das Toiavrr) in der eben angegebenen Weise zu verstehen und könnte unmöglich auf die kretische Kolonie als solche bezogen werden. Dies ginge nur an, wenn au die Stelle des jetzt da stehenden Vorder- satzes die direkte Nennung der kretischen Kolonie träte.

Um noch deutlicher zu erkennen, wie wenig das zweite Buch bis zu dieser Stelle (664 B) den Charakter einer wirklichen, für eine bestimmte Stadt berechneten Gesetzgebung trägt, möge man den betreffenden Abschnitt des siebenten Buches 790 A ff. vergleichen, wo derselbe ägyptische Brauch in der That als Muster für die Gesetzgebung der kretischen Kolonie benutzt wird. Der nun folgende Abschnitt könnte freilich das musz man zugeben (cf. Bruns S. 69) nach seiner Fassung wohl ein Stück der Gesetzgebung für die kretische Kolonie sein. Es wird in ihm erörtert, wie sich auf Grund der als richtig erkannten fiovaix^ die Darstellung derselben durch Chöre zu gestalten habe, und da heiszt es 664 C es ist das diejenige Stelle, welche am ersten den Gedanken, dasz wir es hier mit einer wirklichen Gesetzgebung zu thun hätten, aufkommen lassen könnte : Jtiog ovv aöxovg nagafiv&ijaöiu&a ngo&vfAovg elvai itgog tag (pdäg ; äg^ vofiod^exrjaofisv u. s. w. Hier wird also wirklich eine gesetzliche Bestimmung gegeben. Aber wir haben durchaus keinen Grund dieselbe auf die kretische Kolonie oder überhaupt nur auf eine bestimmte Stadt zu beziehen. Vielmehr wenn wir bedenken, dasz die Grundlage, auf welcher diese ganze Besprechung der Chöre ruht, die Darstellung von der richtigen Beschaffenheit der Musik in keiner Weise zu einer bestimmten Stadt in Beziehung gesetzt ist, so müssen wir schlieszen, dasz auch an dieser Stelle von keiner bestimmten Stadt die £ede ist, sondern dasz der Ausdruck fj jtöXig, welcher verschiedentlich gebraucht wird (664 D oüi? trj nöXsi ; 665 D ägiarov Tfjg nöXEwg), und welcher also auch für die hier in Frage kom- mende gesetzliche Bestimmung maszgebend ist, ganz allgemein verstanden werden soll. Dasz aber bei der ins einzelne gehenden, fortlaufenden Darstellung, welche hier nötig wird, das fmeCg an die Stelle des auch möglichen vono^itrjg tig tritt, kann doch nicht auffallig erscheinen!

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Ein wesentliches Bedenken formeller Natnr bleibt freilich bei der von mir gegebenen Ansicht bestehen. Die Worte 671 BC. otxovv S<pafi£ry otcxv yiyvrjtat, rwrct, xa^airsg ttva aiöijgov ras ipvxccg ttSv irivövTiov öian^Qovg yiyvoftivag fiaX&axcoTtQag yiyvea^ai xai vsansQag, co'orc edaydtyovg IvixßaivBiv r<p dvva(Aiv(p re xai ittiaTafj£v<p naiöeiEiv re xai nXarreiVy xad&nig öt' TjOav veai können sich, wie Bruns (S. 43) richtig sagt, nnr beziehen anf 666 BC coar« dvrj- ßdv ij^tag xai tSvaOvfJiag krj&rjv yiyvsa&tu, ixak^axunegöv r'ix axXrjQOTSQOv t6 rfjg ifrvjc^g ^/^og^ xa^änto «^S ^«P aidrjQov ivre&evTa, yiyvöfievov xai ovtco evnkaoT&reQOv elvai. Nur hier findet sich der Vergleich des seelischen Zustandes mit glühend gemachtem Metalle, und nur hier wird mit den Worten evjtXaarÖTEQov dvai der Begriff des nlavTeiv angedeutet. Das einzige, was gegen diese Beziehung sprechen könnte, sind die Worte ovav yiyvTjiai xavta-, denn mit dem xavta kann nur der unmittelbar vorhergehende Gedanke gemeint sein, dasz das Gelage in seinem Fortgange notwendig einen lärmenden Charakter annehme, ein Gedanke, welcher aber 666 C nicht ansgesprochen ist. Jedoch wird man hieran, glaube ich, kaum einen ernstlichen Anstosz nehmen, wenn mau bedenkt, dasz jener lärmende Charakter als eine von vornherein anerkannte notwendige Folge des uneinge- schränkten Weingenusses hingest-ellt wird, und dasz mithin, was von jenem Weing«nusse überhaupt gesagt ist, auch bei dem Eintritt dieser Folge seine Gültigkeit haben musz. Übrigens ist diese Folge gerade hier offenbar absichtlich hervorgehoben wegen des scheinbaren Widerspruches, in welchem sie mit der gleich folgenden Schilderung des erziehlichen Elementes der lUd^q steht. Also bis xa&äiceg ÖT* ijaav viai haben wir eine Bückweisung auf 666 C anzuerkennen. Wenn aber fortgefahren wird: rovrov öUlvai xbv nldavijv töv aötbv äaneg rdrc, vbi' dya^öv vofio&irrjVy so li^ hier kein Bezug mehr auf jene Stelle des zweiten Buches vor, sondern dies könnte sich nur auf das im ersten Buche Gesagte beziehen, wo es 647 A heiszt : ^Ag^ ovv xai voiiodirrjg, xai nag ov xai apuxgöv 6(p£Xog, rovTOv tbv wößov kv tififj (isyiaTjj oißei, und 648 E italiv örj ngbg xbv voftos^ixTjv Xiyioftsv xaöe' eis:- cJ i>ofio9ixa etc. Aber, selbst wenn man diese wunderbare Art des Citierens, dasz zuerst eine Stelle des zweiten Buches citiert und dann, scheinbar dieselbe fortcitierend, ein Ge- danke des ersten Buches herangezogen wird, gelten lassen wollte, so kommen wir mit den Worten ov vöf40vg tlvat öel ovfiTtorixovg auf einen Gedanken, welcher freilich aus dem ersten Bnche wohl ge- schlossen werden kann, aber in dieser Form doch nicht dasteht. Geschlossen werden kann er ans 647 D. a(bg)g(ji)v öi äga xeXmg Saxat [jf] nollalg fjöovaXg xai inidvfüaig TcgoTgsnovaaig ävaiaxw' xelv xai äöixtiv diafie^axi]ftivog xai vevixtjxibg fiszä Xöyov xai igyov xai xix^rjg Sv rt naiöi- aig xai iv OTtovöalg und noch mehr aus 648 C, wo von dem dem Weine analogen q>ößov <pdg- liaxov die Bede ist, XQV^ ^'^v etg rot>s <p6ßovg aytav xai iXiyxoiv iv toig iza&ri^aaiv, coore ävayxa^eiv äq)oßov yiyvta&üt nagaxeXevöfievog xai vov&excov xai t«/möv, töv öe dxifxaCfov u. s. w. Freilich liesze sich einwenden, dasz die Form des Satzes ov vö^ovg elvai du av^itoxixovc nicht notwendig die Fortsetzung eines Citates voraussetzt. Indessen, wenn es später heiszt: xbv av liil övvdfiBvov idiXeiv itei^ea&ai xoiuxoig (seil, xotg vöiioig) xai tolg ^ysfxöai xotg xov Jio- vvaoVy xolg vnig i^xovxa irrj yeyovöoiv, larjv xai fxei^bn xi]v atax^vrjv <pig£iVy ij xbv xotg xov "Agsatg djtBidovvra dgxovOLv, so kann der Infinitiv hier nnr von jenem ersten Sq}afuv ab- hängen, und wir haben mithin die Form eines Citates bei einem ganz neuen Gedanken, welcher sich weder im ersten noch im zweiten Buche findet; denn es ist nirgends gesagt, dasz die über sechzig Jahre alten Greise die fjyE^iövBg xov Jiovüoov sein sollen.

Also dasz an unserer Stelle ein logischer Fehler vorliegt, ist jeden&lls zuzugeben. Bruns erklärt sich denselben, indem er die Stelle dem Redaktor zuschreibt. Doch ist damit keine eigentliche Er- klärung gegeben. Denn weshalb sollte der Bedaktor, wenn er diesen Gedanken einfügen wollte, um den dionysischen Chor mit der Metheeinrichtnng des ersten Buches zu vereinigen, das in dieser unlo- gischen Form thun? Wenn es sich um das Miszverständnis eines von dem Schriftsteller ausgesprochenen Gedankens handelte, so könnte man das bei einem Bedaktor natürlich finden; aber dasz «r einen durch- aus neuen Gedanken als früher ausgesprochen citiert, dasz er, an eine Stelle des zweiten Buches an- knüpfend, ruhig fortcitierend Gedanken des ersten Buches anführt, bleibt doch auch für einen Redaktor höchst sonderbar. Vielleicht wäre es dann noch wahrscheinlicher, dasz wir hier eine unvollendete Stelle des Schriftstellers vor uns haben. Denn dasz in Form eines Citates Gedanken angeführt werden, welche sich freilich aus der früheren Darstellung leicht ergeben, welche in ihr aber doch nicht direkt ausge-

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sprechen sind und sich noch weniger an einer Stelle vereinigt finden, läszt sich nach meiner Meinung bei einem vorläufigen Entwürfe des Schriftstellers, welcher den Gedanken ohne Rücksicht auf die ein- zelnen vorhergehenden Stellen aus dem ihn beschäftigenden Plane nimmt, viel leichter erklären als bei einer Einschiebung des Redaktors, welcher vielmehr auf Grund der einzelnen ihm vorliegenden Stellen die Ergänzung aufbauen musz. Übrigens kann man dem logischen Fehler an unserer Stelle leicht durch eine kleine Änderung abhelfen, wenn man annimmt, dasz in den Worten toütov de eivai röv nkdOTTjv röv avrbv ojartEQ r6re zwischen avrov und löoneg ein ronra^w ausgefallen sei, von welchem dann die weitere indirekte Rede abhängen würde. Das tona^o) wäre bei Anführung von Gedanken, die sich aus dem Vorhergehenden leicht schlieszen lassen, eine ganz passende Wendung.

Was den Rest des Buches anlangt, so wird anknüpfend dai*an, dasz ein in der eben beschrie- benen Weise eingerichteter Gebrauch der ^li^j] vorzügliche Dienste leisten würde, erklärt, man müsse also nicht die Gabe des Dionysos so ohne weiteres bei Seite schieben, als unwürdig in die Staatsver- fassung aufgenommen zu werden; denn es könnte wohl noch jemand mehr Nützliches von ihr anführen, da man auch das gröszte in ihr liegende Gut wegen des Miszverständnisses der Menge nicht ohne Scheu namhaft machen könnte. Auf die Frage des Kreters, was der Athener damit meine, antwortet dieser, es gehe eine Sage, dasz Dionysos, von Hera des Verstandes beraubt, den Wein den Menschen aus Rache verliehen habe. Wie sich nun aber das Streben jedes jungen Geschöpfes, bevor es seinen natürlichen Verstand erlangt habe, sich in ungeordneter Weise zu bewegen und zn schreien, als Grund- lage der Musik gezeigt habe, so habe sich auch der Wein, welchen die Menge als Mittel zum Wahn- sinn betrachte, als ein qjdQpianov ircl ow(pQoavvr]v erwiesen.

Sonderbarer Weise finden Zeller (Piaton. Stud. S. 60) und Bruns (S. 50) hier einen logischen Fehler; mit den Worten 672 A Inel xai (leyiarov dyit&öv, o ötogeTtoc, Xeyeiv ^tiv oxvog werde nämlich etwas Neues angekündigt, während in Wirklichkeit doch nur derselbe Gedanke folge, von welchem unaufliörlich die Rede gewesen sei. Aber es soll mit jenen Worten durchaus nichts Neues eingeführt werden. Der Athener sagt: xai yag k'ri irleio) nq äv Ifts^i/.&oi Xiywv iitü xoi fiiyiOTOv dyad^öv^ 6 öcogntai, kiyuv fiiv öxvog elg rovg TiolXovg 6cd xaxtog rovg dv- ^Q(b7rovg avTÖ vTzoXaßelv xai yvtavai Xsxi^sv. Um diese Worte zu verstehen, haben wir uns ein- mal vor dem knei etwa einen Gedanken wie: „und doch sind jene Vorteile unausgesprochen geblieben", und dann als Gegensatz zu dem Xeyetv [lev: „und doch ist jenes Gut wirklich vorbanden", zu er- gänzen. Die Übersetzung würde demnach etwa lauten: „Denn es möchte jemand wohl noch mehr Vor- teile (nämlich: des Weingenusses) aufführen. (Aber diese sind unausgesprochen geblieben); denn auch das gröszte Gut, welches er (nämlich: der Gott) verleiht, scheut man sich vor der groszen Menge aus- zusprechen, (obwohl es vorhanden ist), weil die Menschen es falsch verstehen und es verkennen, wenn man es ihnen nennt." Ich wüszte nicht, weshalb wir bei dieser Erklärung einen ganz neuen, bisher unerörtert gebliebenen Nutzen des Weines unter jenem fiiycarcv dyaMv vermuten sollten; es scheint mir im Gegenteil viel näher liegend, das ftfyiarov dycc&öv im Gegensatze zu dem xa) ydg in TtXeiw rig äv ene^il^oi Uyoiv gerade auf die vorhergehende Erörterung zu beziehen. Ebenso wenig beweist die Frage des Kreters: notov 6q ; dasz von etwas Neuem die Rede ist, sondern sie beweist nur, dasz der Kreter noch nicht versteht, von welchem dyadöv der Athener eigentlich redet. Endlich findet Bruns in den Worten 672 C ndv ^aiverai ts xai ßoq drdxrtog eine lächerliche Übertreibung. Aber die etwas starke Schilderung von dem Zustande des viov hat, soviel ich sehe, seinen guten Grund, und der Ausdruck piaLviadoL ist offenbar absichtlich gebraucht, um den hier be- schriebenen Zustand zu der durch den olvog hervorgerufenen ^lavia in Parallele zu setzen.

Es folgt eine Eintheilung der xogeia in einen auf die Stimme bezüglichen Teil: die fiovatxrjy und einen auf den Körper bezüglichen: die yvfivaotixrj. Der erstere Teil, sagt der Athener, sei er- schöpfend besprochen; betreffs des letzteren stellt er den Mitunterrednern frei, ob sie ihn auch be- handeln oder lieber bei Seite lassen wollten. Natürlich wünschen die Derer auch eine Behandlung der ihnen viel näher liegenden yv^vaarixr]. In die Untersuchung hierüber wird dann auch wirklich ein- getreten. Ähnlich der ^lovacxrj, heiszt es, entspringe auch die oQXV^tgt die Gnindlage der yu//- vaoTixr], einerseits aus dem allen jungen Geschöpfen gemeinsamen Streben nach Bewegung, anderer- seits aus dem den Menschen allein verliehenen Gefühle für Rhythmus. Vermöge der Verwandtschaft

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mit dem Liede sei dann aus der Vereinigung mit diesem die gesamte xoqeIcc entstanden, deren einer Teil also besprochen sei, während der andere jetzt besprochen werden solle.

Dieser Gedankengang kann uns auflfällig erscheinen. Denn nachdem die Besprechung über die fiiärj beendigt war, muszten wir eine Bückkehr zu ihrem Ausgangspunkte und eine Stellungnahme zu der damals ausgesprochenen Voraussetzung von der Mustergültigkeit der dorischen Verfassungen er- warten. Es muszte jetzt gesagt werden, dasz diese Verfassungen jener Voraussetzung augenscheinlich nicht entsprächen, da sie für die avÖQeia nur einseitige und für die aco^goavvrj überhaupt keine er- zieherischen Institute aufzuweisen hätten. Jedoch hängt einmal die hier von ^ovaixrj und yvuvaatixij gegebene Definition so eng mit den zu Anfang des zweiten Buches aufgestellten Begriffen zusammen, dasz an der Zugehörigkeit dieses Abschnittes zum zweiten Buche nicht gezweifelt werden kann. Auf der anderen Seite kann der Abschnitt auch nicht zur Unterstützung der Ansicht von Bruns dienen, dasz wir im zweiten Buche ein Stück der Gesetzgebung für die kretische Kolonie vor uns haben. Denn obwohl die eingeleitete Besprechung der yvfivaarix^ im Anschlusz an die fiovaixr] für diese Ansicht sprechen könnte, so wären doch in einer fortlaufenden Gesetzgebung die Wort« 672 E rd d'fipUaea, ojt(og av irt öoxij, jT£Qavov(j,ev ij xai kaaoiiev und 673 B 'Vij^av Hycopiev, y ncog xai Jtij itoir]tiov sinnlos, weil bei einer wirklichen Gesetzgebung die yvfivaarixfj selbstverständlich besprochen werden muszte, und dies nicht, wenn auch nur scheinbar, in das Belieben der Mitunterredner gestellt werden konnte. Und selbst wenn wir diese Fragestellung an und für sich als möglich zugäben, so hätte die wirkliche Besprechung der yvfivaatcxfj jedenfalls nicht allein mit Rücksicht auf die Natio- nalität der Mitunterredner motiviert werden können, sondern es hätte mindestens ein Hinweis darauf hinzukommen müssen, dasz bei Fortlassang der yvfivaatixfj die Gesetzgebung in einem wesentlichen Punkte unvollständig bliebe.

Also wir müssen den Übergang zur Gymnastik als einen Teil des zweiten Buches, und zwar des zweiten Buches in seiner jetzigen Stellung, anerkennen. Um nun zu verstehen, wie sich derselbe zu den Anfangserörterungen des ersten Buches stellt, ist zunächst festzuhalten, dasz nicht wirklich eine Besprechung der Gymnastik folgt, sondern dasz am Ende des zuletzt analysierten Abschnittes ganz abgebrochen mit den Worten: „Fügen wir nun zunächst zu der Metheuntersuchung denSchlusz hinzu!" eine übrigens allgemein gehaltene, für jede beliebige Stadt gültige Bestimmung eingeleitet wird, dahin gehend, dasz der Weingenusz nur zu dem angegebenen erzieherischen Zwecke dienen dürfe, sonst aber strengstens zu verbieten sei. Diese Bestimmung bildet den Schlusz des zweiten Buches. Darauf wird eben so zusammenhangslos mit dem Anfange des dritten Buches fortgefahren: Tavra (Uv odv öi] Tavrrj' nokuEiag 6e dgxrjv rlva nore qxo^ev yeyovEvai ; Hiernach ist klar, dasz einmal jenes nach beiden Seiten des Zusammenhangs entbehrende Schlnszgesetz betreffs der ns^rj, wenn nicht seine Ent- stehung, so doch gewisz seine jetzige Stellung eine Frage, welche übrigens für unseren Zweck un- erörtert bleiben kann dem Redaktor verdankt, und dasz zweitens auch nach Streichung dieses Ab- schnittes der Anfang des dritten Buches 676 A jedenfalls nicht die unmittelbare Fortsetzung von 673 C sein kann. Welche Fortsetzung haben wir nun mit Rücksicht auf die vorhergehende Untersuchung von Buch I und Buch 11 zu erwarten? Die nächstliegende Annahme wäre ja, dasz die zuletzt eingeleitete Besprechung über Gymnastik nun wirklich zu Ende geführt wäre. Trotzdem müssen wir diese Annahme nach meiner Meinung zurückweisen. Es fiel uns ja schon sehr auf, dasz der Schriftsteller überhaupt, anstatt den Faden des ersten Buches wieder aufzunehmen, eine Besprechung über Gymnastik einleitete. Die vorhergehende Besprechung über Musik war gleich zu Anfang als notwendig erklärt, für die Be- sprechung über Gymnastik dagegen läszt sich aus dem Vorhergehenden durchaus kein Grund nach- weisen. Wenn dieselbe nun doch scheinbar eingeleitet wird, so denke ich mir den zu Grunde liegenden Gedankenzusammenhang folgendermaszen. An den Hinweis, dasz die Gymnastik denselben Ursprung habe wie die Musik und mit ihr zusammen die ganze xoQEia bilde, wurde die Erwägung geknüpft, dasz es, nachdem die Einrichtung der Musik sich überall also auch in den dorischen Staaten als verfehlt erwiesen habe, mit der Gymnastik wohl ebenso stehen muszte ; wie sich ja auch schon vor- her gezeigt hatte, dasz dieselbe sich einseitig auf eine einseitig gefaszte ävögsia richtete. Auf Grund davon muszte dann die vorausgesetzte Mustergültigkeit der dorischen Verfassungen überhaupt aufge- geben werden. Jedenfalls haben wir so eine Fortsetzung, wie der bisherige Gang des Dialoges sie

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fordert ; and anch die Heranziehung der Gymnastik zum Schlusz gewinnt so ihre gute Bedeutung, so- fern die dorischen Staaten gerade für die Gymnastik als die vorzüglichsten Pflegestätten galten.

Wir müssen jetzt noch, um uns über Buch II vollständig zu orientieren : zwei Fragen erledigen :

1) Können wir das dritte Buch, welches den Übergang zu der in den folgenden Büchern ent- haltenen Gesetzgebung für die kretische Kolonie vermittelt, überhaupt als Fortsetzung der ersten beiden Bücher betrachten?

2) Wenn dies der Fall ist, wie stellt sich dann die Besprechung der Musik im zweiten Buche zu dem betreffenden Abschnitte der Gesetzgebung für die kretische Kolonie im siebenten Buche ?

Behufs Erledigung der ersten Frage ist es nötig, uns zuerst den Inhalt des dritten Buches kurz zu vergegenwärtigen.

Buch ni beginnt mit einem historischen Überblicke über die Staatenentwickelung von den ersten An^ngen menschlicher Bildung an. Diese Betrachtung führt auf Troja und schlieszlich auf die Grün- dung der drei dorischen Staaten im Peloponnes. An dieser Stelle heiszt es, dasz also die Untersuchung durch einen günstigen Zufall wieder auf den ersten Ausgangspunkt den dorischen Staat von Sparta zurückgekommen sei, und es wird vorgeschlagen, nun von neuem mit der Betrachtung der Gesetzgebung zu beginnen. Als die Ursache für den Verfall jenes dorischen Dreistaatenbundes wird dann die gröszte Unwissenheit (/} fisyiarr] äfia^ia) gefunden. Diese bestehe aber darin, dasz das als xaXöv Erkannte trotzdem gehaszt und gemieden werde, und sie entspringe aus einer im Verhältnis zur menschlichen Natur übermäszig groszen Machtfülle der Staatslenker. Nicht eine möglichst grosze und uneinge- schränkte Macht müsse das Ziel des Staatslenkers sein, sondern iXevdeQca, cpQÖvijaig und (piXia als das einigende Band des ganzen Staatswesens. Nachdem dieser Grundsatz durch die Betrachtung der persischen Monarchie und der athenischen Demokratie seine Bestätigung gefunden hat, stellt der Athener die Frage, wie sich etwa die bisherigen Untersuchungen betreffs einer richtigen Gesetzgebung verwerten lieszen. Die Antwort darauf giebt die Erklärung des Klinias von der beabsichtigten Gründung einer kretischen Kolonie, mit deren Gesetzgebung sich sodann die folgenden Bücher befassen.

Bruns (S. 154 flf.) spricht nun dem dritten Buche die Zugehörigkeit zum ersten Buche in unserem Sinne also za den zwei ersten Büchern ab, weil das dritte Buch von dem im ersten auf- gestellten Plane hinsichtlich der Prüfung der beiden dorischen Staaten von Sparta und Kreta nichts wisse. Weder könnte das dritte Buch als unmittelbare Fortführung dieses Planes angesehen werden; denn die in demselben angestellten Betrachtungen über Staatsverfassungen gründeten sich auf die Heranziehung der verschiedensten Staaten, unter denen Kreta noch dazu überhaupt nicht vorkäme: noch fände sich im dritten Buche insofern eine Stellungnahme zu jenem Plane, dasz dieser etwa als verfehlt abgewiesen würde. Die Annahme aber, dasz eine solche Stellungnahme in der vorauszu- setzenden Lücke stattgefunden habe, erklärt Bruns für sehr miszlich. Nun wäre diese Annahme in der That miszlich, wenn uns die Auseinandersetzungen des ersten und zweiten Buches keinen Anhalt dazu böten, eine Abänderung jenes Planes vorauszusetzen. Wie wir aber gesehen haben, zeigte sich sehr bald, dasz Sparta und Kreta dem Maszstabe einer Musterverfassung keineswegs entsprächen, und wir muszten deshalb^) auf Grund von Buch I und II eine Aenderung des ursprünglichen Planes als notwendig folgend annehmen. Durch diesen Umstand gewinnt doch jene Annahme sehr an Wahrschein- lichkeit! Die ersten beiden Bücher fordern denselben Gedanken als Fortsetzung, welchen das dritte Buch als notwendig vorhergehend voraussetzt. Ich wüszte nicht, wie in dieser Beziehung zwei durch eine Lücke getrennte Abschnitte desselben Werkes besser zu einander stimmen sollten!

Ferner meint Bruns (S. 157 ff.), die NichtZusammengehörigkeit der Bücher gehe auch aus der Parallelausführung über die richtige Wertschätzung der Güter C31 C und 696 B 697 A hervor. Wenn die Bücher wirklich ein Ganzes bildeten, behauptet er, so hätte derselbe fundamentale Gedanke nicht zum zweiten Male ganz unabhängig von der ersten Besprechung ausgeführt werden können. Dagegen ist zu sagen, dasz die im dritten Buche aufgestellte Wertfolge der Güter auf einen ganz anderen Zweck hinausläuft als die im ersten Buche aufgestellte, und dasz beide deshalb wesentlich von einander ab- weichen. Im ersten Buche handelt es sich um die Güter, welche als das Endziel einer richtigen Staats- verfassung zu betrachten sind, und diese werden eingeteilt in göttliche und menschliche mit der Be-

1) S. 25.

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merkuDg, dasz bei Erreichung der ersteren die letzteren von selbst nachfolgten. Im dritten Buche da- gegen handelt es sich, indem ausgegangen wird von der falschen Erziehung der Eönigskiuder in Per- sien, darum, wonach sich in einem Staate die Verteilung der riftai zu richten habe, und da wird ge- funden, dasz für jeden Anspruch auf Tifti^ das Vorhandensein der auxpQoavvr] notwendige Vorbe- dingung sei, und dasz nach Erfüllung dieser Vorbedingung die gröszte riixi} den Vorzügen der Seele, die zweit-gröszte den Vorzügen des Körpers und die dritt-gröszte endlich den Vorzügen des Vermögens gebühre. Der wesentliche Unterschied in der Schätzung der Güter au beiden Stellen liegt nicht etwa darin, dasz im dritten Buche an Stelle der dela äya&ä die dya&a ilfvxrjg treten. Dies scheint mir nur eine Vei'schiedenheit des Ausdruckes zu sein, denn die ipvxv ^^^ ®^^^ ^^ &u&tarov am Menschen. Auch das scheint mir nicht von wesentlicher Bedeutung, dasz wir statt der Zweiteilung im ersten Buche : in göttliche Güter einerseits und menschliche andererseits, wobei die letzteren die Vorzüge des Körpers und des Vermögens in sich vereinigen, im dritten Buche die Dreiteilung: in Güter der Seele, des Körpers und des Vermögens haben. Der wesentliche Unterschied liegt vielmehr in der Stellung der ouxpQoaivt) als einer notwendigen Voraussetzung für alle Güter überhaupt. Es hatte sich gezeigt, dasz die menschliche Natur durch jedes Übermasz der rt/i^j verdorben würde, weil dadurch die oa>- fpQOoivT} und mit ihr das Vermögen nach richtiger Einsicht zu handeln verloren ginge. Und eben wegen dieser besonderen Stellung der ococpgoavvrj war es wenig passend, gerade hier auf jene Ein- teilung des ersten Buches zurückzugreifen. Die eben erwähnten formellen Unterschiede bei sachlicher Übereinstimmung in der Wertfolge der Güter zeigen nur, dasz diese Wertfolge, nachdem die Ansicht des Kreters, die Staatsverfassung müsse die dviSgeia zum Zwecke haben, einmal zurückgewiesen war, als sich von selbst ergebend angenommen wird, wie ihr ja auch an unserer Stelle keine besondere Begründung mehr zuteil wird.

Nach dieser allgemeinen Erörterung haben wir zunächst die einzelnen Stellen des dritten Buches zu prüfen, welche Zurückweisungen auf die ersten beiden Bücher enthalten, und welche Bruns von seinem Standpunkte aus natürlich für redaktorisch erklären musz.

Die erste Stelle ist 682 E "O^fv dt] xax' agxccg i^sx^anö^ada ntgl vöfitov 6 caley öfitvot nsQiTteaövteg ixovaixfj xe xal xaXq f^i&aig, vvv IttI avxä itaXiv ä(piypit&a äoneg xaxa ^£Öv, xal t l6yoc; fjf^lv olov Xaßfjv änoöiöioaiV tJxei yag im xr]v slg AaxEÖaifiova xaxoixtaiv avxrjv, ^v vf^isig ÖQ^wg sgxxxE xax(pxia&ai xai KQrjxrjv dtg dÖEXcpolg vöfioig. Hier hat Bruns (S. 164) gewisz recht, wenn er behauptet, dasz in den gleich folgenden Worten: vvv ovv öij xoaövöe TtleovexTOViAsv x^ nkävtj xov köyov ötä nokixEuav xivwv xal xaxoixtafuiv öte^sX&övxEg, mit der nXdvr) xov köyov nur die Auseinandersetzungen des dritten Buches gemeint sind. Aber es ist nicht richtig, wenn er daraus schlieszt, dasz deshalb jene ersten Worte in der Luft ständen, und dasz die dort angekündigte laßi} nicht ergriffen würde. Diese laßri wird mit dem Satze i'jxEi yag inl xrjv slg AaxEÖaifiova xaxoixcotv avxrjv in der That ergriffen, indem die Untersuchung damit auf Sparta freilich in Verbindung mit den gleichzeitig gegründeten anderen dorischen Staaten wieder zurückgeführt wird. Nur darf man den Ausdruck TtkavTj xov Xöyov nicht, wie Bruns anzunehmen scheint, auf die Ablenkung von dem ursprünglichen Thema beziehen, in welchem Falle die nk6vr) allerdings auch den Schlusz des ersten und das zweite Buch mitumfassen würde; sondern man musz jenen Ausdruck, wie die erklärenden Worte öta noXtxEHOv xivwv xal xaxoixiOfißv du^Ek&övxEg ja auch zeigen, mit Bücksicht auf den Charakter der Untersuchungen des dritten Buches verstehen, insofern diese die verschiedenen Stufen der Staatenbildung von ihren ersten Anfangen an vorführen. Es kommt hinzu, dasz die Worte 683 B: xavxa ör] naXiv olov k^ aQxfjg ^f^tv Xexxeov^ eI fir] xc xoig ElQTjfxivoig iyxaXovfiEv Xöyoig in Verbindung mit der Antwort des Megillos: El yovv, S Icvc, xig fj^lv inöoxoixo ^sög, wg, kav ijtix€t^(ir)oa)uEv öevxeqov xfj xi)g vofiod^eatag axeipUy x(ov vvv elQi](iEV(ov Xöywv ov ;(£tpot;g ovo' iXaxxovg dxovoönida, puxxQäv av iX&oniL iymyE xai piot, ßQoxet av öö^ecev rj vvv naqovaa fnAiga yiyvEO^at, zweifellos die beiden ersten Bücher voraussetzen, wie ja auch die letzten Worte [laxgav av ^X^ol^l syioys etc. deutlich die im ersten Buche geschilderte äuszere Scenerie des Dialoges erkennen lassen. Bruns hat deshalb von seinem Standpunkte aus gewisz recht, weun er auch die Worte 683 C el yovv xQETtofiivov für redaktorisch erklärt; wir dagegen erblicken in den angeführten ganz unverdächtigen Hinweisen auf die beiden ersten Bücher nur eine Bestätigung unserer Ansicht von der Zusammengehörigkeit derselben mit dem dritten Buche.

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Die zweite Stelle ist 688 A Nai, xai örj xal tzoIitiköv ye ävdQcc etc. Die Untersuchung hatte zu dem Resultate geführt, dasz es für den Menschen verkehrt wäre, in der gewöhnlichen Weise zu bitten, dasz alles nach seinem Willen geschähe; er müszte vielmehr bitten, dasz sein Wille der Vernunft folgte. Hier erinnert der Athener an die früher von ihm aufgestellte Behauptung, dasz auch der Gesetzgeber den vovg als oberstes Princip anzusehen habe, während die Mitunterredner die av- ÖQtia als solches erklärt hätten. Mit dem jetzt gefundenen Satze, es sei gefahrlich für jemand, der keine Einsicht habe, sich etwas zu erbitten, es sei denn, dasz er sich das Gegenteil von seinen Wünschen erbitte, meint er, komme die Untersuchung wieder auf denselben Gedanken ; denn es werde sich zeigen, dasz der dorische Bund nicht etwa durch Mangel an dvögtia, sondern vielmehr durch die gröszte UMwissenheit, also durch Mangel an (pQÖvrjaig, zu Grunde gegangen sei, indem das Bestreben der d(}xovreg gewesen wäre, möglichst alles zu thun, was ihnen beliebte.

Bruns (S. 167) hält diesen Bückweis auf das erste Buch für ganz äuszerlich. Ich kann ihm darin nicht beistimmen, sondern es scheint mir sehr passend, dasz an der Stelle, wo der aus der vor- hergehenden Untersuchung gefundene allgemeine Satz, der vovg müsse bei den evxol des Menschen das oberste Princip sein und nicht seine jedesmaligen ßovkrjOEig, auf die dorischen Staaten angewendet wird dasz an dieser Stelle, sage ich, der Athener daran erinnert, dasz derselbe Grundsatz für den vonoditrjg ja schon im ersten Buche von ihm aufgestellt sei. Und dasz der voiJg hier bei Anführung der entsprechenden Stelle aus dem ersten Buche in Gegensatz gebracht wird zu dem von den Mitunter- rednern aufgestellten Principe der dvögsia, findet im folgenden eine durchaus sachgemäsze Verwendung, wenn es heiszt: nicht Mangel an dvöfjsia, sondern Mangel an (pQÖvijacg habe den dorischen Bund zu Grunde gerichtet. Ja die Heranziehung der dvögeia an der letzteren Stelle wäre ohue die voran- gegangene Gegenüberstellung von votJg und dvögeia überhaupt unverständlich.

Ferner meint Bruns aus den Worten 688 B rjxei örj Jtdktv ö Xöyog stg ravröv, xai 6 Xiyutv iyio vvv Xiyfji naXiv (xtieq töts, eI [jev ßovkeade, c5g nai^wv, eI d*, ötg anoviÜd^iüVy ort dt] (prjfii Evxfj XQV^^^*- 0(paXEQbv Eivai vovv fiij xexttjijevov dXX rj xdvavTia ratg ßovXrjöEUiv ol yiyveox^üi, schlieszen zu müssen, der Gedanke: ,,Für einen Thoren ist es schlimm, wenn ihm seine Wünsche in Erfüllung gehen'*, sei auch an der betreffenden Stelle des ersten Buches ausgesprochen, wo er sich in Wirklichkeit aber nicht finde. Das xal ö Xiyoiv iyta vvv Xiya naXiv üueq töte be- sagt jedoch offenbar nur, dasz an beideu Stellen derselbe logische Inhalt nämlich der, dasz der vovg als oberstes Princip gelten müsse zu Grunde liege, ohne dasz damit eine verschiedene Färbung des Gedankens durch die besondere Beziehung, welche er an jeder der beiden Stellen hat, ausgeschlossen wäre. Und wenn, wie Bruns ferner hervorhebt, im dritten Buche Megillos derjenige ist, welcher den in Frage stehenden Gedanken zuerst ausspricht, so berechtigt doch die Form, in welcher er ihn aus- spricht {XiyELv ydg [aoc öoxEig 687 E), den Athener vollkommen den Gedanken als sein Eigentum in Anspruch zu nehmen.

Der entscheidende Punkt für Bruns liegt aber erst darin, dasz sich in den Worten: el [liv ßovXEod^E d}g Ttai^wvj eI d' c&g oitovöäl^iov .... onovdal^ovra 6' eX ^e ri^ivat ßovXsa&E, ti- 9exe genau jenes merkwürdige Spielen mit dem Gegensatze des Ernstes und Scherzes bei wichtigen und keineswegs spaszhaften Dingen finde, wie es sich aus der Lehre ergebe, welche den Menschen zum Spielzeuge in der Hand der Götter mache. Dem gegenüber erscheint mir an dieser Stelle die Ver- wendung der Begriffe aiiov6dC,Ei,v und nai^Eiv nicht nur verständlich, sondern sogar sehr nahe liegend und passend, ohne dasz wir zu ihrer Erklärung jene von Bruns erwähnte Lehre heranzuziehen hätteu; denn der Gedanke : ort örj g)7}^i Evxfj ;f()r)ö^at ocpaXEQov Eivat vovv jAf] xexttjuevov, dXX' ij *) Tdvavria xaig ßovXrjOEaiv ot yiyvEa&ai: ,, Sofern ich behaupte, dasz es für den der Einsicht Ent- behrenden gefährlich sei, sich etwas zu erbitten auszer, dasz ihm das Gegenteil von seinen Wünschen zuteil werden möge," fordert doch den Scherz geradezu heraus, wie er andrerseits im Sinne des Philo- sophen durchaus ernst gemeint ist.

1) dXX' ij ist eine Konjektur Badhams statt des dXXä in cod. A. Die Richtigkeit derselben scheint mir durch den Sinn uud durch den fast ausnahmslos reflexiven Gebrauch des pron. ov gesichert. Der Infinitiv yiyvEO&ai ist dann dem EVXf] ;tp^öi?at subordiniert.

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Ferner findet Bruus die Definition der höchsten dfjerrj 688 B (pQövrjacg ö'eTr] tovto xai vovg xai do^a fiez' IJpcörög rs xai kni\h)pUag rovroig inofxivtjg schlecht und konfus. „Dasz die rfö|a das Gegenteil der cpQövrjaig wäre", fügt er hinzu, „hätte der Referent aus 632 C xovg ^kv 6iä fpQO- vrja€(og Tovg de dC dlrjSovg i^ö^ijg iövrag lernen können." Nun ist q>Qöv/]aig und öo^a ja freilich nicht dasselbe. Bei der yollkommenen g}QÖvijaig hören die öö^ai als solche auf. Aber in der Praxis ist die dö^a, die ihrerseits auch schon schwer genug zu erlangen ist, die Stellvertreterin der eigentlichen (pQÖvrjaig, und so finden wir beide Begriffe ähnlich wie an unserer Stelle verbunden : 653 A fpgdvrjaiv 6e xai dlij&si-g Sö^ag ßsßaiovv evrvxsg otcjJ xai rrQÖg yiJQog itaQsyivero. Der Zusatz endlich pier' ^Qcorög t€ xai im&vixixxg tovroig inofiivrjg ist an unserer Stelle speziell begründet durch den zu vergleichenden Gedanken 687 E rf/v ßovXrjaiv 6e noXi) fiälXov rfj iavrov (pQovrjaBL seil, hnsox^aif und auszerdem besteht gerade in dem ^Tieo^ai der int&vfiiai jene masz- gebende Stellung, welche auch im ersten Buche für die q)Qövr)atg verlangt wird. Über die beiden folgenden Stellen (cf. Bruns S. 170) kann ich schneller hinweggehen. 693 BC heiszt es: piij ^av^iä- awiiev öe el nolkaxig yöij jtQod^ifievoi arta etgrjxafisVf ort Tigbg xavxa dtt vof40&£relv ßki- novxa TÖv vofto&irijv^ öi Ttgotedivra ov xavxa rjfitv g>atvexai ixäaxoxE' dlXa avakoyi" ^ea^at xQVi oVctv itgög aaxpQoveiv wwfxsv öelv ßXsiteiv y *) Jtgbg (pQövqaiv rj wiUav, wg iad^ o^xog ö oxonbg ovx' Sxegog dXX' o avxög, xai äXXa 6rj jioXXa ^/icrg xoiavxa av yiyvrjxai ^rjfiaxa fiij ötaxaQaxxixo). Es kann hiermit nur hingedeutet werden auf 631 D im ersten Buche und 688 AB im dritten Buche, wo beide Male der vovg als oberstes Princip der Staatsverfassung auf- gestellt wird. Etwas Naives haben die Worte xai äXXa 6f] noXXa etc. nun freilich, aber sie sind deshalb den dialektisch nicht gebildeten Mitunterrednern gegenüber vielleicht nicht so ganz unpassend. Hingegen ist auffallend, dasz bei Erwähnung der <pQÖvT]aig und <piXia die eXBv&SQia fehlt, während hinzugefügt wird: ngög octxpgovsTVf obwohl die acjcpgoavvTj für sich niemals als das oberste Princip der Staatsverfassung aufgestellt ist. Ich halte deshalb die Worte für verderbt und glaube, dasz ein endgültiges Urteil über sie vorläufig noch nicht gefallt werden kann.

Ähnlich steht es mit dem Zusätze 699 C i^v aiöio noXXäxig h xolg avto Xoyoig slitofMtv. Dieser Zusatz hat an sich nichts Anstösziges, und für das noXXaxig bietet sich in verschiedenen Stellen des ersten und zweiten Buches eine genügende Grundlage. Trotzdem musz auch über ihn das ab- schlieszende Urteil aufgeschoben werden, bis es gelungen ist, den unmittelbar folgenden offenbar ver- derbten Worten durch eine glückliche Konjektur zur Hilfe zu kommen.

Wenn es endlich 702 A heiszt: xai (ätjv avxcav y' ^vexa (d. h. um des Zieles willen, welches dem Gesetzgeber vorschweben musz) xai Jwgixbv i&eaaafte^a xaxoixi^6(A£vov axgaxöitB/dov xai xäg xov dagöavov vTtatgeiag xs xai xrjv kni &aXaxxt] xaxoixiaiv xai xovg ngwxovg 6f] xovg nEgtXiTteZg yevoixivovg x^g <p^ogäg, ixi de xovg i[^ngoa&ev xovxcov yevofiivovg ^^Tv Xöyovg Ttsgi xs [iovatxTJg xai fti^rjg xai xoixiov k'xi ngöxegff, so ist zu den letzten Worten: ixi öe xobg SfiTigoa&ev xovxwv yevof^evovg fjiiTv Xöyovg, grammatisch freilich nur das k^eaaafi£9a zu ergänzen möglich, und man musz eine Art Zeugma also zugestehen. Trotzdem lassen sich die Worte nicht wohl, wie Bruns (S. 170) will, aus dem Zusammenhange streichen; denn in dem gleich folgenden Satze: xavxa yag ndvxa eXgrjxat xov xaxtösTv ^exa, nag nox' av n6Xig agioxa oixoir}, xai idiq nwg äv xtg ßiXxiaxa xbv avxov ßiov dcaydyoi bezieht sich die letzte Wendung xai Miq etc. offenbar auf das im ersten und zweiten Buche über die naideia Gesagte. Wenigstens ist im dritten Buche davon, wie jemand persönlich sein Leben am besten führen würde, abgesehen etwa von der ge- legentlichen Bemerkung, dasz ein nicht mit Einsicht Begabter nur zu seinem Schaden etwas von den Göttern erbitten könnte (cf. 687 E, 688 B), nicht die Eede.

Es ist zweckmäszig, in diesem Zusammenhange auch gleich die von Bruns angefochteneu Citate im vierten Buche mit zu behandeln.

705 C. teilt der Kreter auf eine diesbezügliche Fi-age des Atheners mit, dasz in der Nähe der zu gründenden kretischen Kolonie Schiffsbauholz nicht vorhanden sei. Der Athener erklärt dies für einen günstigen Umstand. Der Kreter, welcher den Grund hiervon nicht einsieht, fragt: Ti örj ; Die

^) 7] ist in cod. A von zweiter Hand hinzugefügt und läszt sich bei der jetzigen Überlieferung schlecht entbehren.

30

Antwort des Atheners lautet: MiiAfjaeig KOvrjQä^ ^ipitla^at Tovg JtokE^iovg ptr} ^qöiatg övvaa&ai Tiva TtöXiv dyadöv. Da auch diese Antwort dem Kreter nicht genfigt, so stellt er die neue Frage: Eig 6rj xi rcov etQrj^tevtov ßXeipag tlnsg o Xsyeig ; d. h. „Welcher Punkt des Vorhergehenden giebt dir Anlasz, von schlechten Nachahmungen zu reden?" Ehe der Athener hierauf Antwort giebt, er- innert er daran, dasz Klinias und Megillos zu Anfang (d. h. im ersten Buche) den Krieg als oberstes Princip für die kretische Gesetzgebung aufgestellt hätten, und dasz er, der Athener, dies zwar insofern gebilligt hätte, als sich die von diesem Gesichtspunkte aus gegebenen Gesetze auf die o()er^ richteten, insofern sie sich aber auf die dvögsia allein, und nicht auf die gesamte dgetr}, richteten, sei er mit jenem Principe durchaus nicht einverstanden gewesen. Nun fordert er die Mitunterredner auf, jetzt ihrerseits darauf zu achten, wenn er etwa ein nicht auf die dgerrj oder wenigstens einen Teil der o()£T)7 gerichtetes Gesetz vorschlfige; denn nur das auf diese allein gerichtete Gesetz, welches sich um Reichtum und andere Vorteile derart (auf Kosten der dgerr}) nicht kümmere, sei als richtig anzuer- kennen. Erst dann giebt der Athener die vom Kreter gewünschte Auskunft, dasz die fiifirjatg xax-q vom Seekampfe zu verstehen sei; dieser sei nämlich verwerflich, weil er die wahre dvÖQsia schädige und eine richtige Verteilung der tifiai nicht zulasse.

Bruns (S. 171) sagt von dieser Stelle: ,,Der Redaktor citiert die These des ersten Buches von der jtäaa dQEXf} und behauptet, in ihrem Sinne sei die folgende Bestimmung gehalten. Wenig passend ! Denn gerade zur Hebung der wahren dvÖQ&ia und ausschlieszlich der dvÖQÜa dient das Verbot des Seekampfes." Hier hat Bruns nicht beachtet, dasz das Hauptgewicht an unserer Stelle nicht auf dem Gegensatze von näaa aQF.rrj und dvögeia ruht, sondern daranf, ob die dgeti} oberstes Princip sei, oder irgend etwas anderes. Klinias und Megillos hatten im ersten Buche behauptet, der Krieg sei oberstes Princip; der Athener hatte dies insofern gebilligt, als die betreffenden Gesetze dann auf die dgetr] hinzielen würden, insofern sie aber nur auf einen Teil derselben, die dvdgüa^ und nicht auf die gesarote dgerr] hinzielen würden, hatte er das Princip getadelt. Hiermit werden nicht die auf einen bestimmten Teil der dgexr} gerichteten Einrichtungen Kretas als solche getadelt, getadelt wird nur, dasz sich der Gesetzgeber auf Einrichtungen für diesen Teil der dgixi} allein beschränkt hat, weil er die dgexfj eben nicht als Selbstzweck betrachtete, sondern weil ihm diese bestimmte dgexr] für seinen eigentlichen Zweck, die Kriegstüchtigkeit, wertvoll erschien. Es liegt deshalb nichts Wider- sprechendes darin, wenn es im folgenden heiszt: „Habt Acht, ob ich vielleicht etwas nicht auf die dgexr] oder einen Teil der dgexi] Bezügliches ^) vorschlage", und wenn das weiter sich anschlieszende Verbot des Seekampfes ausschlieszlich mit Rücksicht auf einen Teil der ägerrj, die dvögeia, verfügt wird. Denn es ist doch etwas ganz anderes, ob eine einzelne Bestimmung sich ausschlieszlich auf einen Teil der dgexr] richtet, oder ob in einer Verfassung ein bestimmter Teil der dgexi] um eines auszer- halb der dgexi] liegenden Zweckes willen alleinige Berücksichtigung findet, wie dies bezüglich der kretischen Verfassung getadelt war. Endlich ist die betreffende Stelle des ersten Buches hier insofern sehr passend herangezogen, als es sich hier wie dort darum handelt, ob Kriegstüchtigkeit oder dgexi] bei der Gesetzgebung das Maszgebende sei, nur dasz im ersten Buche die Anerkennung der Kriegs- tüchtigkeit als des obersten Maszstabes die einseitige Bevorzugung der dvögeia zur Folge hatte, während sie hier, beim Seekampfe, gerade eine Schwächung der dvögeia zur Folge haben würde. In beiden Fällen wird der Kriegstüchtigkeit gegenüber vom Athener die dgexi] als der oberste Maszstab geltend gemacht.

Schlieszlich meint Bruns (S. 171), die Stelle 707 D dXka yäg dnoßkenovxeg vvv jigög no- Xixeiag dgexi]v xai x^^Q^S <pwJtv axorcovi^eSa xal vöfxwv xa^iVy ov xb o(a^ea&ai xe xai elvai, ftövov dvdgcoTTOig xifti(bxaxov ^yovftfvoi, xa^dneg ol nokkoi, xb d'c&g ßekxiaxovg yiyvea&ai xe xal elvac xooovxov XQOvov, oaov äv (oatv etgrjxai ö' fiyXv oliiai xai xovxo iv xoig ngöa&ev, dürfe nicht herangezogen werden, um den Zusammenhang des dritten Buches mit den ersten beiden Büchern zu erweisen; denn der angeführte Gedanke finde sich in diesen beiden Büchern nicht.

») In den Worten : lav äga xi ^ir] ngbg dgexi]v xelvov i] ngbg dgexfjg ftögiov voiÄO^etcS, ist f*r] xelvov auch zu Tcgbg dgexfjg fiögtov zu ziehen, wie übrigens auch im folgenden das ox(fi av avvex<og x(av dei xaXwv xc ^vvenrjxac ftövov beweist; denn das x(av dei xaXcov xi ist offenbar mit Bezug auf das [xögcov dgexrjg gesagt.

Nun hat er freilich recht, dasz die Stelle 638 AB, an welche Susemihl erinnert, den hier aasge- sprochenen Gedanken nicht enthält. Dort heiszt es nar, äuszere Siege nnd Niederlagen seien nicht ein Beweis für die Güte der Verfassungen in den betreffenden Staaten ; und dieser Satz hätte aller- dings wohl als Grundlage für eine unserer Stelle entsprechende Folgerung dienen können, doch ist diese Folgerung an jener Stelle eben nicht gezogen. Wohl aber kann man sich, wie mir scheint, auf eine Stelle des zweiten Baches berufen. 661 A, 6, C wird ausgeführt, dasz es nach der Ansicht der oi JtolXoi das denkbar höchste Glück für den Menschen sei, wenn ihm zu Reichtum, Gesundheit und unbeschränkter Machtstellung etwa noch die Unsterblichkeit zuteil würde, dasz dagegen nach ihrer (des Atheners und der Mitunterredner) Ansicht alles dieses nur für die ayadoi als gut betrachtet werden könne, während für die xaxoi sogar das Leben selbst ein Übel und ein möglichst schneller Tod das gröszte Glück sei. Nach meiner Meinung wenigstens ist hier der in Frage stehende Satz: nicht die Existenz für sich sei für den Menschen das Erstrebenswerteste, sondern vielmehr, so lange er lebe, möglichst gut zu leben, deutlich genug ausgesprochen.

Hiermit wären die von Bruns behandelten Stellen erschöpft. Wir haben sie alle bis auf zwei vorläufig noch nicht völlig klar gestellte als durchaus unverdächtige Bäckweisungen auf die ersten beiden Bücher erkannt. Es mag hinzugefügt werden, dasz die Zahl dieser Bückweisungen sich noch um eine von Bruns übersehene veimehren läszt ich denke an die Worte 685 B ^AkXa f4r]v del ye fj^iä^ tovTO h T(p vvv oxojrovvrag xal i^ETa^ovtag negi vöfiwv, naü^ovxag natöiav ngeaßvTi- xfjv aaxpgövcog, öiek^Biv rrjv öööv dXvTtcog, <ag ^(papiev, ijvixa ^Qx6(i£&a TtOQSÖeaOai, welche zu beziehen sind auf 625 AB.

Dasz also die beiden ersten Bücher mit den folgenden ein zusammenhängendes Ganzes bilden, kann uns jetzt nicht mehr zweifelhaft sein. Es bleibt nur noch die Frage übrig: „Wie haben wir uns etwa den fehlenden Übergang vom zweiten zum dritten Buche zu ergänzen?" Dasz beide Bücher den Gedanken, die dorischen Verfassungen entsprächen nicht, den an eine Musterv«rfassung zu stellenden Ansprüchen, als ihre notwendige Ergänzung verlangen, haben wir bereits gesehen. Auch das sahen wir bereits, wie dieser Gedanke sich etwa an das Ende des zweiten Buches anschlosz.*) Wir hätten also nur noch zu untersuchen, auf welche Weise von diesem Gedanken zam dritten Buche übergeleitet wurde. Für diese Untersuchung giebt uns nun eine Stelle des dritten Buches einen Anhalt. Da nämlich für die Worte 683 E Baailela öe xaxaKvtxai,, w TtQög Jtög, rj xai tig dgxv nütnoTS xaxtXvdr] [Äcov vjtö TivcDv äkk(ov rj agxov avrwv ; rj vwdrj ftev 6kiyov ^[xngoa^sv rovtotg iteQirvxdvreg toTg Xöyoig ovrco ravt* kxix^EpiEv^ vvv d' kitiXeXtiapiB&a ; in dem uns vorliegenden Texte keine Beziehungsstelle zu finden ist, so liegt der übrigens schon von Bruns (S. 172) ausgesprochene Gedanke nahe, dasz wir diese Stelle eben in der verloren gegangenen Partie vor dem dritten Buche zu suchen haben. Auf Grund hiervon darf man vielleicht eine Vermutung wagen etwas Sicheres läszt sich natürlich nicht ermitteln , wie wir uns etwa die Lücke vor dem dritten Buche ausgefüllt zu denken haben. Nachdem erklärt war, dasz die dorischen Staaten dem an eine Mast«rverfassang zu legenden Maszstabe nicht entsprächen, wurde folgendermaszen fortgefahren: „Welcher Art die Tratd«'« der Bürger in einem richtig geordneten Staatswesen sein müsse, das haben wir der Hauptsache nach auseinander- gesetzt. Nun sagten wir vorher (632 C), dasz der Gesetzgeber um die Erreichung seines Zieles, der dg^r] der Bürger, zu sichern, Wäehter einsetzen müszte, die als dQxcci des Staates fungierten. Zur Erfüllung ihrer Aufgabe ist es natürlich notwendig, dasz diese dgxcti keiner Veränderung unterliegen. Trotzdem sehen wir jetzt in fast allen Staaten eine Verfassungsform nach der anderen verfallen. Glauben wir nun etwa, dasz die Ursache dieses Verfalls in den äuszeren Verhältnissen liegt? Oder müssen wir nicht vielmehr annehmen, dasz die eigene Verkehrtheit der dgxcti hieran Schuld trägt, indem sie für sich selbst dem zu erstrebenden Ziele des Staates, der dgexr]^ nicht entsprechen?" Hieran wurde dann der Vorschlag geknüpft, auf Grund eines historischen Überblickes über die verschiedenen Staatsbildungen von ihren Anfängen an die Vorzüge und Fehler derselben im einzelnen nachzuweisen.

Wie die Lücke entstanden ist, läszt sich natürlich nicht mehr nachweisen, nur soviel ist gewisz, dasz Plato selbst die betreffende Stelle, mehr oder weniger genau, ausgearbeitet haben musz, da sonst die Zurückweisung auf sie, welche 683 E vorliegt, undenkbar wäre.

Was endlich die Frage betrifft: „Wie stellen sich die im zweiten Bache betreffs der [lovaixf] gegebenen Bestimmungen zu dem entsprechenden Abschnitte der Gesetzgebung für die kretische Kolonie

1) S. 25 und 26.

1

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im siebenten Buche?", so setzt eine erschöpfende Erörterung dieser Frage die genaue Analyse des sehr verworren überlieferten siebenten Buches voraus. Da eine solche aber Aber den Bahmen der vorlie- genden Abhandlang weit hinausführen würde, so werde ich mich auf eine kurze Behandlung der wichtigsten Stellen>beschränken, indem ich es übrigens ganz dahingestellt sein lasse, ob und wie weit dieselbe durch eime eingehende Analyse etwa bestätigt wird.

Die erste in Betracht kommende Stelle ist 796 D : '^Hv slitov yvfivaarixrjv h> tolg nQ(btotg köyotg ort öioc öte^eX^eiv^ o;c«rföv öi] öisk^Xvd^a ta vov xal ia&^ avtr) navxBXrjq' tl 6b riva xa^TTjq vfisig ^x^re ßelriw, ^ivrsg etg xoivbv kiytre. Ob die vorhergehende allerdings etwas dürftige Auseinandersetzung über Gymnastik vollständig ist, oder ob sie nicht vielmehr durch die ans- führliche Behandlung der oQX'rjOLg 814 DE ff. irgendwie ergänzt werden mnsz, mag hier unentschieden bleiben: jedenfalls stimmt der eben angeführte Schluszsatz über Gymnastik mit dem Resultate unserer Untersuchung überein, insofern ja auch wir zu der Annahme gelangten, dasz die im zweiten Buche begonnene Untersuchung über Gymnastik nicht wirklich zu Ende geführt sei. Wenn dann fortgefahren wird: Tb xoivvv tovroig i^rjg negl tot twv Movoiov re xai 'AitökXcavog 6(üQa^ x6xe ftiv, wg ixTcavxa slQtjxöxsgy tßö^e&a xataXeiTteiv fiöva xa negi yvfivaaxixijg' vvv 6^ ^axi dfjXciy a r' iaxl xai oxi JtQwxa ndai i^rjxia. XiywfAsv xoivvv i^i^g atxä, so geben die letzten Worte vvv 6' Maxi etc. nur dann einen Sinn, wenn wir uns als Subjekt zu dem a x*kaxi mit Bruns (S. 90) aus dem vor- hergehenden xaxaXeiiteiv ein xa xöxe x(xxaXu(p^ivxa ergänzen. Die Obersetzung der Worte würde dann etwa lauten: „Nun aber ist klar, was das von uns Ausgelassene ist, und dasz es allen zuerst zu sagen ist." Es folgt der eingehend behandelte Gedanke, dasz jede Änderung der sogenannten naiöiai sehr gefahrlich sei; denn eine Änderung der naiöiai habe notwendig eine Änderung der U'vz^* ^^^' Bürger, und diese_ wiederum eine Änderung der vöfioi zur Folge. Besonders gefährlich in dieser Be- ziehung sei eine Änderung derjenigen naiöialy bei denen es sich um Darstellung von Charakteren handele, wie dies früher von der [lovaixJi festgestellt sei. Zur Aufrechterhaltung einer unveränderten fiovatxrj erfolgt deshalb eine dem ägyptischen Brauche entsprechende Weihung der Gesänge. Bruns (S. 90) vermiszt hier nun freilich den mit vvv d' l'art örjXa etc. angekündigten neuen Gedanken. „Die folgenden Untersuchungen (womit eben der zuletzt analysierte Abschnitt gemeint ist)," sagt er, „be- handeln nur die Notwendigkeit einer staatlichen Überwachung der dichterischen Produktion und eine Weihe der einmal acceptierten Lieder nach Art der ägyptischen Sitte: das ist aber alles bereits im zweiten Buche 656 C behandelt worden." Und es ist richtig, dasz diese Forderungen im zweiten Buche schon aufgestellt waren aber nur als an den Gesetzgeber überhaupt zu richtende Forderungen. Von einer Weihung der Lieder dagegen für einen bestimmten Staat oder gar für die kretische Kolonie selbst war, wie wir uns erinnern, im zweiten Buche nicht die Rede und konnte ja auch nicht die Rede sein. Eben diese nun wirklich zum Gesetz erhobene Weihung scheint mir aber das Neue zu sein, auf welches die Worte vvv d' ioxi drjka etc. hinweisen ; denn in ihr liegt ein Punkt vor, welcher, wie er im zweiten Buche selbstverständlich fehlte, so jetzt bei einer wirklichen Gesetzgebung notwendig hinzugefügt werden muszte. Allerdings von „einem wichtigen neuen Gedanken" über Musik kann sonach keine Rede sein, aber einen solchen durfte man überhaupt nach den Worten vvv 6' iaxc dijXa etc. nicht erwarten, da seit dem zweiten Buche nicht mehr über Musik gesprochen und der Standpunkt zu derselben also durchaus unverändert geblieben ist. Dasz femer das Wunderbare und Ungewöhnliche der Sache 797 A cf. 799 C 800 B so stark betont wird, kann nicht auffallen ; denn hei einer wirklichen gesetzlichen Bestimmung muszte dies ja viel mehr hervortreten als bei der blosz theoretisch behaupteten Notwendigkeit einer solchen. Endlich enthält der in Frage stehende Abschnitt 798 D: Ti ovv ; xoig iftTtQoa^ev köyoig ncaxevoftev, oig iXeyouev, cog xa negl xovg ^v■^f^ovg xal näoav ^ovoixrjv iaxt xqötkdv ^imrj^iaxa ßekriövcov xal ajetpörcöv dvxfgwniov, rj Trtög,- noch einen zweiten und, soviel ich sehe, durchaus unverdächtigen ROckweis auf das zweite Buch; und wenn Bruns (S. 127) sagt, 799 A werde der ägyptische Brauch als etwas ganz Neues eingeführt, so scheint mir die Art der Einführung vielmehr eine solche, dasz eine Bekanntschaft mit dem ägyp- tischen Brauche bereits vorausgesetzt wird. Denn auf die Frage des Kreters Tloiag öfj XiyBtg; folgt nicht etwa eine Schilderung desselben, wie das bei seiner ei-sten Einführung doch nötig sein würde, sondern es folgt sogleich eine ihm entsprechende Bestimmung für die kretische Kolonie.

Die zweite Stelle, welche für das Verhältnis des zweiten Buches zum siebenten in Betracht

33

kommt, ist 812 B. Tolg xii^agiataTg ^ev roivvv fjfiäg öoxw tcöv iftJiQOoO^ev köycav ävafivrj- ad-ivtag zb rtQoa^xov v€l(tai r^g re öiöaaxuliag afii xac rtäaijg rifg ntgi xa toiavta nai- öevasiog. KL Iloicjv örj tteqI kiystg ; 'Ad. "Etpcmev, olfiai, tovg tov Jcovvaov Tcvg i^rjxov- Tovrag ^) cJöovg öiacpeQÖvxwg evaio^rjTovg deiv yeyovivai negi re rovg ^v^ijovg xai rag rcSv dgiiovicov ovataaeig etc. Es handelt sich hier um die dem xiK^agcarrjg vorzuschreibende Art des Unterrichtes, und als Ziel dieses Unterrichtes wird aufgestellt, dasz die Jünglinge befähigt sein müszten, die von den dionysischen Sängern vorgetragenen Musterstücke auf der Lyra zu begleiten (cf. 812 D Tovttov roivvv dst xoQcv, wo das tovt(ov auf das unmittelbar vorhergehende rcSv fufifj- aecDv zu beziehen ist). Die im zweiten Buche getroffenen Bestimmungen über Musik werden hiermit also stillschweigend als auch für die kretische Kolonie gültig angenommen, wie dies ja übrigens nach 796 E bei der von uns gegebenen Erklärung zu erwarten stand.

Auffällig musz es freilich erscheinen, dasz bei dem angegebenen Sachverhalte von den im zweiten Buche eingesetzten musischen Chören bis auf die eben besprochene Stelle 812 D in der Gesetz- gebung der kretischen Kolonie nirgends die Rede ist. Doch hat dies vielleicht wenigstens teil- weise — darin seinen Grund, dasz 834 E, 835 A nach Besprechung der gymnastischen Wettkämpfe von einer gleichen Besprechung der musikalischen Wettkämpfe ausdrücklich Abstand genommen wird.

1) Mit dem i^rjXOVTOVTCg ist vielleicht absichtlich zur höchsten Altersgrenze für die dionysischen Sänger gegriffen, weil gerade die Ältesten derselben es zur höchsten Vollkommenheit im Verständnis der Masik gebracht haben muszten.

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