BIOGRAPHISCHES JAHRBUCH

UND

DEUTSCHER NEKROLOG

UNTER STANDIGER MITWIRKUNG

VON

GUIDO ADLER, F. VON BEZOLD, ALOIS BRANDL, ERNST ELSTER, AUGUST FOURNIER, ADOLF FREY, HEINRICH FRIEDJUNG, LUDWIG GEIGER, KARL GLOSSY, MAX GRUBER, SIGMUND GUNTHER, EUGEN GUGLIA, ALFRED FREIHERRN VON MENS! JACOB MINOR,

PAUL SCHLENTHER, ERICH SCHMIDT, ANTON E. SCHONBACH, FRIEDRICH VON WEECH, GEORG WOLFF U. A,

HERAUSGEGEBEN

VON

ANTON BETTELHEIM

VIII. BAND

VOM I. JANUAR BIS 31. DEZEMBER 1903

MIT DEM BILDNIS VON THEODOli MOMMSEN IN HKLIOGRAVURE

BERLIN DRUCK UND VERLAG VON GEORG REIMER

1905.

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In halt.

Seite

Vorrede v— vi

Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. Januar 1903 1 361

Erg&nzungen und Nachtrage 362 423

Alphabetisches Namenverzeichnis I 424

Alphabetisches Namenverzeichnis II 430

Totenliste 1903 1* 128*

Vo r w o r t.

In dem wundervollen Nachruf fiir Kilian Steiner, mit dem Gustav Schmoller den vorliegenden Band des Biographischen Jahr- buches und Deutschen Nekrologes beschenkt hat, findet er das Trostwort: ; Kein Mensch lebt umsonst auch fiir den Zusammenhang unseres irdischen gesellschaftlichen Daseins«. In diesem Sinne hat unser Unter- nehmen von Anfang seine Aufgabe zu erfassen und zu pflegen gesucht. In diesem Sinne wiirdigen unsere Mitarbeiter auch die Toten des Jahres 1903.

F. v. Weech, der schon vor dem Erscheinen des ersten Bandes zu den eifrigsten Beschiitzern des Deutschen Nekrologes sich gesellt und nunmehr auch in die Reihe der standigen Berater unseres Unternehmens sich gestellt hat, widmet dem badischen Staatsmann Nokk liebreiche Betrachtung. Schaffle findet in seinem Landsmann Wilhelm Lang, Roesicke in Theodor Barth, Gussenbauer in Otto v. Frisch, Zumpe in Max Schillings, Ernst Friedlaender in Ernst Berner, Gegenbaur in E. Goppert, Otto Hartwig in Gerhard, Hugo Wolf in Paul M tiller den berufenen Biographen. Manner der Erd- und Volkerkunde Meinecke, Schurtz, Radde, Ruge, Schneider behandelt ein Schiiler Ratzels,* Victor Hantzsch. Die Nekrologe von Gaedertz und Onno Klopp schreiben ihre Sohne, der Nachruf fur Ernst Koebner ist seinem Bruder Wilhelm Koebner zu verdanken. Einem Historiker von der Bedeutung Cornelius' wird Moritz Ritter gerecht Der Personlichkeit von Lazarus halt Ludwig Stein den Spiegel vor. Friedrich Pecht und den Kunst- und Kulturhistoriker Hefner-Alteneck charakterisiert H. Holland, den Physiologen Rollett O. Zoth, Wilhelm Muller Skutsch, Ulrich Kohler R. Weil,

VI V or wort.

Zeller-Werdmiiller Rahn, Engelbert Muhlbacher E. v. Otten- thal, den Popular-Philosophen Julius Duboc mit gleicher Unbefangen- heit Johannes Sass. In der Fiille dieser und anderer sich drangender Gestalten erscheint Theodor Mo mm sen vorlaufig nur in dem Bilde, das Band VIII beigegeben ist: den Text, den Ludo M. Hartmann fur den Herbst dieses Jahres zugesagt hat, miissen wir fiir Band IX auf- sparen, wie wir ja nicht zum Schaden der Sache nicht kalender- gerecht eingelaufene Nekrologe Rohde, Schweinitz, Kaiserin Victoria in den Nachtragen friiherer Bande und in dem vorliegenden Bande die von Uhlirz gewidmete Biographie Dummlers, die Charakteristik Robert Byrs von H. Sander, Kroneckers Nachruf fiir Kiihne und andere belangreiche Erganzungen einreihen konnten.

Wien. Anton Bettelheim.

DEUTSCHER NEKROLOG

VOM i. JANUAR BIS 3i. DEZEMBER

I9O3

Homo liber de nulla re minus quam

de morte cogitat et ejus sapientia non

mortis, sed vitae meditatio est

Spinoza. Ethices pars IV. Propos. LXVH.

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher NcLrolog. 8. Bd.

Deutscher Nekrolog vom i. Januar bis 31. Dezember 1903.

Nokk, Wilhelm, badischer Staatsminister, * 30. November 1832 in Bruchsal, t 13-Februar 1903 in Karlsruhe. N. wurde als Sohn des Professors Anton Nokk, der spater Direktor des dortigen Gymnasiums, seit 1848 des Lyzeums in Freiburg war, geboren. In dieser Anstalt erwarb er sich 1850 das Zeugnis der Reife, um dann an den Universitaten Freiburg, Bonn, Heidelberg und wieder Freiburg die Rechtswissenschaft zu studieren. Daneben vernachlassigte er aber nicht den Besuch philosophischer, historischer, literar- und kunstgeschichtlicher Vortrage. An dem studentischen Leben beteiligte sich N. in Bonn, wo er Mitglied der Burschenschaft Frankonia wurde und in deren Verband er eine Freundschaft fur das Leben mit Heinrich von Treitschke schlofi. Im Dezember 1854 unterzog er sich der juristischen Staatsprufung und wurde unter die Rechtspraktikanten aufgenommen, 1857, nachdem er die vorgeschriebene Praxis bei verschiedenen Staatsbehorden durchgemacht hatte, zum Referen- dar ernannt. Einen Urlaub, der ihm im Februar 1858 bewilligt wurde, benutzte N. zunachst zu einer Reise nach Frankreich, um sich in der franzosischen Sprache zu vervollkommnen und das franzosische Gerichts- verfahren kennen zu lernen. In Paris traf er mit seinem nahezu gleichaltrigen Freunde August Eisenlohr, dem spateren badischen Minister des Innern, zusammen. Gemeinsam reisten sie nach Marseille, schifften sich dort nach Civitavecchia ein und brachten hierauf mehrere Wochen in Rom zu. Wie vorher im sudlichen Frankreich, iibten in der »ewigen Stadt« die romischen Altertumer eine grofie Anziehungskraft auf die Freunde aus, wie in Paris besuchten sie eifrig die Museen. Unter den Kunstlern war es vorziiglich ihr Landsmann Anselm Feuerbach, dem sie naher traten. Sie trafen ihn an, als er sich eben anschickte, eines seiner bedeutendsten Meisterwerke »Dante und die Frauen von Ravenna« zu vollenden. In die Heimat zuriickgekehrt, war N. bei verschiedenen Staatsbeh5rden tatig und bewahrte iiberall das Lob, das ihm schon friiher seine Vorgesetzten spendeten, »Griindlichkeit, rasche Auffassung, ausgezeichnetes Judizium«, und zeichnete sich durch eine um- fassende, allgemeinwissenschaftliche und Fachbildung riihmlich aus. 1862 wurde er zum Sekret&r, 1864 zum Assessor im Oberschulrat ernannt, 1865 trat er in gleicher Eigenschaft in das Ministerium des Innern iiber, in welchem er 1867 zum Ministerialrat vorruckte. Zum Prasidenten dieses Ministeriums war ein Jahr vorher Dr. Julius Jolly, dem N. schon seit geraumer Zeit nahe stand, ernannt worden. Unter dessen Leitung erftffnete sich fur N. ein aus- gedehnter Wirkungskreis als Referent iiber die katholischen Kirchen- und

4 Nokk.

Ehesachen, iiber die Mittelschulen, die Volksschulen, die Lehrerseminare und bald auch iiber die beiden LandesuniversitSten und die Polytechnische Schule. Das Referat iiber diese drei Hochschulen im Ministerium des Innern behielt N. auch bei, als er 1874 zum Direktor des Oberschulrats ernannt wurde. Infolge der tief eingreifenden Ver&nderungen in der Leitung der badischen Ministerien 1876 Riicktritt Jollys, den Turban als Staatsminister, v. Stosser als Prasident des Ministeriums des Innern ersetzten, 1881 Rucktritt v. Stossers, an dessen Stelle Turban dieses Ministerium ubernahm traten auch Ande- rungen in der Organisation der obersten Staatsbehdrden ein; u. a. gingen Kultus und Unterricht einschliefllich der Fiirsorge fiir Wissenschaften und Kiinste an das Ministerium der Justiz iiber, zu dessen Prasidenten 1881 N. ernannt wurde. In dieser Stellung verblieb er fortan, auch als ihm 1893 das Presidium des Staatsministeriums unter Ernennung zum Staatsminister iiber- tragen worden war. An dieser Stelle mag erwahnt sein, dafi N. von 1867 1870 auch der zweiten Kammer des Landtages angehorte und an deren Verhand- lungen als Mitglied der nationalen Partei eifrigen Anteil nahm.

Von der Tatigkeit, welche N. seit April 1881 als Prasident des Ministe- riums dfcr Justiz, des Kultus und Unterrichts entfaltete, war jene, die das Gebiet der Justizverwaltung betraf, die wenigst bedeutende. In den Jahren 1 88 1 1898 handelte es sich besonders um Vollzugsvorschriften und Dienst- anweisungen zur Ausfiihrung der Reichsgesetze, von 1899 1901 um die wichtigere und schwierigere Aufgabe der Einfiihrung des Burgerlichen Gesetzbuches und seiner vielverzweigten Nebengesetze durch eine grdfiere Zahl den Landes- verhaltnissen angepaflter Verordnungen. Auf diesem Gebiete wurde er in wirksamer Weise durch den Ministerialdirektor Freiherrn von Neubronn unter- stiitzt. Bei der Leitung der Kultusangelegenheiten war N. bestrebt, die Beziehungen zwischen Staat und Kirche einer dauernd friedlichen Gestaltung entgegenzufiihren. Die Regelung der Kirchensteuerfrage fiir Protestanten, Katholiken und Israeliten beschaftigte ihn seit 1888 und es gelang ihm dabei, dem Grundsatz allgemein gesetzliche Anordnung zu verschaffen, dafi die kirchlichen Bediirfnisse, soweit dieses aus vorhandenen anderen Mitteln nicht geschehen konne, aus Beitragen der Konfessionsgenossen zu bestreiten und dafi zu diesem Behufe kischliche Steuern zu erheben seien. Der katholischen Kirche gegeniiber war er mit Erfolg bemiiht, die aus der Zeit des Kultur- kampfes noch fortbestehenden H&rten und Schroffheiten zu beseitigen und an ihre Stelle eine versOhnliche und entgegenkommende Haltung treten zu lassen. Mit der protestantischen Landeskirche gab es keine Konflikte. Die Israeliten verdanken ihm die Gewahrung der fiir ihre kirchlichen Interessen wichtigen Synodalverfassung. In dem Unterrichtswesen war N., der dieses Gebiet seit 1866 in alien seinen amtlichen Stellungen bearbeitet hatte, als Fachmann und Schulfreund unausgesetzt fiir den Fortschritt tatig. Der Elementat- unterricht wurde verbessert, neue Gegenstande wurden in den Lehrplan der Volksschulen und der Fortbildungsschulen aufgenommen. Fiir die Gelehrten- schulen bezeugte er bei jedem Anlasse das grofite und wirksamste Interesse. Fiir die hSheren Madchenschulen wurde ein neuer Lehrplan erlassen. Besondere Aufmerksamkeit wandte N. den UniversitSten Heidelberg und Freiburg sowie der Technischen Hochschule in Karlsruhe zu. Er sorgte fiir die ErhOhung der Zahl der Lehrstuhle, fiir die Vermehrung und Erweiterung der akademi-

Nokk. 5

srhen Institute. Die Hochachtung fur die Wissenschaft und ihre Trager, der Schutz der Freiheit der Forschung und ihrer Lehre waren die Angelpunkte seines Wirkens auf diesem Gebiete. Die Ausgestaltung der Polytechnischen Schule zu einer im In- und Ausland in ihrer Wertstellung anerkannten Hoch- schule ist in erster Reihe sein Verdienst. Auch sonst war er fur Wissenschaft und Kunst ein begeisterter und sachkundiger Forderer. Die Inventarisierung der Kunstdenkmaler Badens, die teilweise bahnbrechenden Arbeiten der Badischen historischen Kommission, die Leistungen der Karlsruher Kunst- akademie und Kunstgewerbeschule sind unvergangliche Ruhmestitel fiir sein ministerielles Wirken. Die tiefsten Grundlagen seines Schaffens bildete seine nationale Gesinnung, seine humane und liberale Lebensauffassung und die Ehrfurcht vor der Religion. Fest hielt er an seiner auf diesen Grund- lagen ruhenden Oberzeugung. Aber seinem milden Wesen, seinem grofien Wohlwollen, seinem Streben nach Frieden und Harmonie widerstrebte es, auch Gegnern mit Scharfe oder gar mit Harte entgegenzutreten, ein Vorhaben in gewalttatiger Weise durchzufiihren. Was wohl manche, die ihm ferner standen, fiir Schwache zu halten geneigt sein mochten, war die Anschauung, dafi es ein politisches Axiom sei, den richtigen Zeitpunkt fiir die Durch- fuhrung einer wichtigen MaBregel abzuwarten und mit Geduld und Nachsicht Fragen einer gunstigen Losung entgegenzufuhren, welche durch rasches und scharfes Handeln vielleicht unerreichbar geblieben ware. In dieser Auffassung der Aufgaben eines Staatsmannes, besonders in einem kleineren Staatswesen, begegnete N. sich mit dem Grofiherzog Friedrich von Baden, mit dem ihn w&hrend all der Jahre, in denen er in leitender Stellung seinem Fursten und der engeren Heimat wie dem groBen deutschen Vaterlande diente, ein Verhaltnis gegenseitigen Vertrauens und, man darf wohl sagen, treuer Freundschaft ver- band. Sein Landesfurst sah daher auch N. nur mit groflem Bedauern aus dem Dienste des Staates scheiden, als sich im Sommer 1901 die Anzeichen eines ernsten Leidens, der Folgen allzu grofier Anstrengungen und Aufregungen, wie sie mit seiner amtlichen Tatigkeit verbunden waren, zeigten und ihn zwangen, urn Enthebung von seinen Amtern zu bitten. Das Schreiben, in welchem am 27. Juni 1901 der Grofiherzog ihm die Genehmigung seines Abschiedsgesuches mitteilte, ist ein ehrenvoller Beweis der hohen Wert- schatzung, die er seinem langjahrigen Ratgeber widmete. Von alien Seiten wurden ihm bei seinem Ausscheiden aus dem Dienste, soweit es nicht schon friiher geschehen war, ehrende Anerkennungen zuteil, seitens der Hochschulen Heidelberg und Freiburg durch Verleihung der Ehrendoktorwurde mehrerer Fakultaten, durch Ernennung zum Ehrendoktoringenieur seitens der Techni- schen Hochschule in Karlsruhe, durch Adressen der katholisch-theologischen Fakultat der Universitat Freiburg, des Oberrats der Israeliten und der Synode der israelitischen Religionsgemeinschaft. Die Stadte Heidelberg und Karlsruhe ernannten ihn zum Ehrenbiirger. Es war N. nicht gegonnt, sich lange der Ruhe zu freuen, von der er selbst und die Seinigen wohl eine Besserung seines Gesundheitszustandes gehofft hatten. Um die Jahreswende 1902/03 trat eine Zunahme seines schweren Leidens ein und die Krafte des Siebzigjahrigen zeigten einen raschen Zerfall. In der Nacht vom 12. zum 13. Februar 1903 entschlief er sanft. Bei seiner Beisetzung am 19. Februar erwiesen ihm nicht nur der Grofiherzog, die Groflherzogin und die Prinzen des Hauses die letzte

6 Nokk. Roesicke.

Ehre, sondern aus alien Teilen des Landes kamen Abordnungen herbei, um an seinem Sarge Kranze niederzulegen, an dem offenen Grabe Worte der Trauer und Verehrung zu sprechen. Er hinterliefi eine Witwe, die ihm 35 Jahre lang die verstfindigste und teilnahmvollste GefShrtin seiner Freuden und Leiden, in seinen kranken Tagen die treueste Pflegerin war. Mit ihr trauerten ein Sohn und zwei TSchter an seinem Grabe. Und viele Freunde, die er von seinen Jugendjahren bis in die Jahre des Greisenalters sich er- worben und erhalten hatte, beklagten den Verlust eines Mannes, der ein echter Mensch gewesen, dessen idealer Sinn, dessen vielseitige Bildung, dessen wahre Humanit&t und Freiheit des Geistes und Urteils alien, die ihm naher traten, unvergefilich bleiben wird, wie er fortleben wird in den Ergebnissen seiner ernsten Forderung der Kunst und Wissenschaft.

Karlsruher Zeitung 1903 Nr. 360. Staatsrainister Dr. Wilhelm Nokk, von dem Ver- fasser dieses Nachrufes. Heidelberg, C. Winter, 1904. p. v# Weech.

Roesicke, Richard, Industrieller und Sozialpolitiker, * 24. Juli 1845 *n Berlin, f 21. Juli 1903 daselbst. Sein Vater, Adolf Roesicke, war ein an- gesehener Kaufmann. Der alteste Sohn Richard widmete sich, nachdem er das Franzosische Gymnasium bis zur Prima besucht hatte, ebenfalls dem Kauf- mannsstande und absolvierte zunachst von 1861 bis 1864 in Frankfurt a. M. eine dreijahrige Lehrzeit. Noch nicht zwanzig Jahre alt, wurde er von seinem Vater 1864 nach Berlin berufen, um dort die Leitung einer von dem Vater kauflich erworbenen Brauerei zu iibernehmen. Da das Brauereigesch&ft ihm bis dahin vollig fremd gewesen war, so erfullte der Sohn den Wunsch des Vaters nur mit einigem Widerstreben. In sehr kurzer Zeit fand sich der junge Mann aber in den neuen Verhaltnissen zurecht und entwickelte die nach ihrem Vorbesitzer Jobst Schultheifl genannte Brauerei, die beim Erwerb noch jeglicher Maschinenkraft entbehrt hatte, in uberraschend kurzer Zeit zu einem grofien Betriebe. Ende der sechziger Jahre von einem schweren Brustleiden befallen, das ihn veranlafite, l&ngere Zeit im Suden, in Italien, Agypten, Spanien und in der Schweiz, zuzubringen, nahm er nach seiner Genesung die Entwicklung seiner Brauerei mit erhohter Energie auf, erwarb im Jahre 1877 die Wald- schlofichen-Brauerei in Dessau hinzu und brachte, nachdem er die Schultheifl- brauerei in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, als Generaldirektor diese Aktiengesellschaft zu einer ungewOhnlichen Bliite. Die Schultheifibrauerei stand bei Roesickes Tode in bezug auf das Produktionsquantum an der Spitze aller Brauereien Deutschlands. Sie verteilte fortgesetzt glanzende Dividenden und wurde, was die soziale Fiirsorge fur die in den Betrieben der Gesellschaft beschaftigten Arbeiter anlangt, von keinem anderen Grofibetriebe Deutsch- lands iibertroffen.

Die unausgesetzte Fiirsorge, die er in seinen Betrieben zur Verbesserung der Lage der Arbeiter aufwandte, hatte ihn bald auch auf die Bahnen einer Sffentlichen sozialreformatorischen Tatigkeit gefiihrt. Als ausgesprochenen Sozialpolitiker schickte ihn der Wahlkreis Dessau-Zerbst 1890 in den Reichs- tag. Von 1890 bis zu seinem Tode hat er diesen Wahlkreis im Reichstage vertreten. Er gehSrte zunachst keiner parlamentarischen Fraktion an, son- dern blieb wildliberal. Ende der neunziger Jahre trat er der Freisinnigen Vereinigung naher und schlofi sich im Dezember 1902, wahrend der heftigen

Roesicke. j

Zollk£mpfe, die damals im Reichstage ausgefochten wurden, auch formell dieser Fraktion an. Bei den Wahlen im Juni 1903 hatte er sein Mandat so- wohl gegen die Sozialdemokratie als auch gegen die Agrarier, denen sich die Nationalliberalen, welche ihn bei alien friiheren Wahlen unterstlitzt hatten, anschlossen, zu verteidigen. Trotzdem erhielt er uber 2000 Stimmen mehr als bei der vorhergegangenen Wahl des Jahres 1898. Unmittelbar nach der Wahl unterwarf er sich einer schweren Operation, die ihn von einem Darm- leiden befreien sollte. Den Folgen dieser Operation erlag er nach einigen Tagen.

R.s Bedeutung fiir das offentliche Leben Deutschlands lag vornehmlich in dem Umstande, dafi er ein industrieller Groflunternehmer war, der die weitestgehenden sozialen Reformen nicht nur in der Gesetzgebung vertrat, sondern auch in den ihm unterstellten Betrieben praktisch durchfiihrte und dabei von jeder patriarchalischen Methode in der Behandlung der Arbeiter absah. Er forderte von den Arbeitern seines Betriebes tuchtige Leistungen und bewilligte ihnen dafiir nicht nur hohen Lohn unter gleichzeitiger Her- stellung der denkbar besten Wohlfahrtseinrichtungen, sondern er raumte ihnen auch die vollste Gleichberechtigung ein. Sie waren weder in ihrer Lebens- fiihrung noch in ihren politischen Oberzeugungen irgendwelchem Zwange unter- worfen. Er hinderte die Arbeiter seiner Dessauer Brauerei in keiner Weise daran, bei den Reichstagswahlen gegen ihn und fiir seinen sozialdemokratischen Gegner zu stimmen. Die Arbeiterausschiisse, die in der Schultheifibrauerei geschaffen wurden, dienten nicht zur sozialpolitischen Dekoration, sondern besafien sehr realen EinfluQ. Sie fungierten nicht nur bei der Begutachtung der zu erlassenden Arbeits- und Strafordnungen, sondern auch bei der Uber- wachung bestehender und bei der Beratung neuer Wohlfahrtseinrichtungen. Die Beaufsichtigung und Anregung von Vorrichtungen zum Schutze von Leben und Gesundheit war ihnen uberwiesen, und zur Schlichtung von Streitigkeiten aller Art wurden sie zugezogen. Die Mitglieder dieser Arbeiter- ausschiisse wurden alljahrlich in geheimer Wahl neugewahlt und erhielten aufier dem Ersatz ihrer Barauslagen als Entschadigung fiir Zeitversaumnis bei Ausubung ihres Amtes eine jahrliche Vergiitung von 100 M. Jeder Arbeit- nehmer, der in den Ausschufi gewahlt wurde, hatte Anspruch auf eine vier- wdchentliche Kundigungsfrist.

Die auch in diesen Anordnungen zutage tretende grunds£tzliche Gleich- stellung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern war der sozialpolitische Zentralgedanke der gesamten Roesickeschen Sozialpolitik, und gerade dadurch unterschied er sich von jenen Arbeitgebern des Typus Stumm, die zwar auch bereit sind, fiir ihre Arbeiter in materieller Beziehung gut zu sorgen und fiir Wohlfahrtseinrichtungen Opfer zu bringen, die aber an einem straffen Abhangigkeitsverh&ltnis auch aufierhalb des Arbeits vertrages festhalten. »Wenn«, so aufierte sich einmal der Freiherr von Stumm in der Reichstags- sitzung vom 19. Mai 1890, »ein Arbeiter eine von mir nicht gewiinschte Zeitung liest, dann bestrafe ich ihn nicht, sondern entlasse ihn, und ich werde es auch in Zukunft so halten. Das personliche . Verhaltnis zwischen Arbeitern und Arbeitgebern darf nicht untergraben werden«. R., der das Arbeitsverhaltnis auf moderne konstitutionelle Grundlage stellen wollte, und, soweit dies in seiner Macht war, auch stellte, befand sich deshalb politisch

8 Roesicke. Gussenbauer.

in fortgesetzter Fehde mit dem Freiherrn von Stumm, der mit alien Mitteln bestrebt war, das Wesen des patriarchalischen Absolutismus auf das moderne Arbeitsverhaltnis unserer Grofiindustrie zu iibertragen. In Deutschland hat es bisher keinen Groftindustriellen gegeben, der das Prinzip des Konstitu- tionalismus so konsequent auf das moderne Arbeitsverhaltnis zu iibertragen bereit gewesen wire wie R. Das hat ihn zu einem der bedeutendsten Sozialreformer Deutschlands gemacht. Ein durchaus auf das Positive gerich- teter Geist, hat er seine Unterstiitzung keiner auf die Verbesserung der Lage der Arbeiter gerichteten gesetzgeberischen Mafiregel versagt, sobald ihm die Durchfuhrbarkeit des Vorschlages nur einigermafien gewahrleistet schien. In der Organisation der Unfallberufsgenossenschaften war er viele Jahre hindurch die leitende Personlichkeit. Die im Jahre 1889 in Berlin veranstaltete Aus- stellung fiir Unfallverhiitung, die auf dem Gebiete des Arbeiterschutzes epochemachend war, verdankte ihre Entstehung seiner Anregung und ihre Erfolge vornehmlich seiner Leitung. Auch in seiner Stellung zur Sozial- demokratie zeigte R. eine ungewdhnliche Toleranz und Vorurteilslosigkeit. Ohne die kollektivistischen Tendenzen des sozialdemokratischen Programms im mindesten zu teilen, billigte er der sozialdemokratischen Partei doch die- selben politischen Rechte zu wie jeder anderen Partei. Er war deshalb der entschiedenste Gegner aller gegen die Sozialdemokratie gerichteten Aus- nahmemafiregeln. Obgleich er sein Reichstagsmandat immer aufs neue gegen die Sozialdemokratie in der Stichwahl mit Hilfe der rechtsstehenden Parteien behaupten mufite, machte er diesen rechtsstehenden Parteien doch niemals die geringste Konzession. Vielmehr ermunterte er seine politischen Freunde, sowohl bei den anhaltischen Landtagswahlen wie bei den Stadtverordneten- wahlen in Dessau sich mit den Sozialdemokraten zwecks gemeinsamer Be- kampfung der Reaktionare zu verstandigen. Ihm stand es fest, daO der Liberalismus in Deutschland nur dann wieder zu einer ausschlaggebenden Bedeutung kommen kOnnte, wenn es gel&nge, mit den in der Sozialdemokratie organisierten Arbeitermassen einen politischen modus vivendi herbeizufuhren. Auch in dieser Beziehung war R. dem Liberalismus der alten Schule weit voraus.

Der allzufriihe Tod dieses ungewohnlich einsichtsvollen und charakter- festen Sozialpolitikers war der schwerste Schlag, der die deutschen Sozial- reformer im Jahre 1903 getroffen hat, man kann vielleicht hinzufiigen, es war der schwerste Verlust, der neben Theodor Mommsen Deutschland in jenem Jahre uberhaupt betroffen hat. Theodor Barth.

Gussenbauer, Karl, Rektor der Universitat Wien, Professor, Hofrat, Chirurg, * 30. Oktober 1842 in Ober-Vellach in Karnthen, f 19. Juni 1903 in Wien. G.s Vater war ein tiichtiger Dorfarzt, dessen Tatigkeit muhevoll und auf- reibend, dessen Einkommen sehr gering war, so dafi die Briider Hermann und Karl in aufierst bescheidenen Verhaltnissen heranwuchsen. Bereits in seinem sechsten Lebensjahre kam Karl von seinem Elternhause fort, zu seinem Oheim, dem Pfarrer Rudolf Gussenbauer, von dem er den Elementarunterricht erhielt und nach Beendigung der Volksschule nach Salzburg geschickt wurde, wo er sich im Borromaum fiir den geistlichen Stand vorbereiten sollte.

Gussenbauer. g

Nachdem G. hier fiinf Klassen absolviert hatte, erklarte er seinem Oheim, dafi er sich zu diesem Beruf durchaus nicht hingezogen fiihle und bezog mit dessen z5gernder Einwilligung das Gymnasium in Klagenfurt. Grofi waren hier seine Entbehrungen und kaum fiir den ndtigsten Lebensunterhalt reichten die sparlichen Mittel, mit welchen er von den Seinigen unterstiitzt wurde.

Noch schlechter erging es ihm, als er im Jahre 1861 nach Wien kam, urn hier Medizin zu studieren. Seine Bemiihungen eine Stelle als Hauslehrer zu erhalten, schlugen fehl ; ohne Freunde und Bekannte, allein in der fremden Stadt lernte G. Hunger leiden. Doch hier zeigte sich schon sein Mut und seine feste Willenskraft: er versaumte es nicht, trotz der driickenden Lage, in der er sfch befand, seine Kollegien mit Eifer zu besuchen und mit ge- spanntem Interesse folgte er den Vorlesungen Hyrtls und Briickes.

Durch Hofmeisterstellen, welche er endlich in der Familie des Grafen Pdlffy, dann in der Familie seines sp&teren Freundes v. Rosthorn erhielt, in seiner finanziellen Lage gebessert, genofi G. mit dem hohen Interesse, das er seinem Stande entgegenbrachte, die Bliitezeit der »Wiener Schule«. Aufler Hyrtl und Briicke horte er Rokitansky, Skoda, Oppolzer, Arlt, Schuh und Hebra. Am Institut Briickes verfaflte er zwei Arbeiten, die ihm spater einen Ruf als Assistent der physiologischen Lehrkanzel nach Breslau eintrugen, welchen er aber nicht annahm. Im Jahre 1867 wurde er zum Doktor der Medizin und Chirurgie, zum Magister der Augenheilkunde und Geburtshilfe promoviert.

Hierauf praktizierte G. an verschiedenen Abteilungen des allgemeinen Krankenhauses sowie im Rudolf-Spital, wo damals Weinlechner titig war.

1869 kam er als Operationszftgling an die Klinik Billroth. Schon bei der dazu ndtigen Priifung (Operation an der Leiche) fiel Billroth die aufier- ordentliche Geschicklichkeit und Exaktheit auf, mit welcher G. seine Auf- gabe lftste.

Die Billrothsche Schule war damals im Aufbliihen begriffen. Billroth verstand es, die Begeisterung, mit welcher er an seinem Berufe hing, auch auf seine Schiiler zu ubertragen. Er erkannte ihre F&higkeiten und Talente und leitete ihre Arbeitslust und ihren Tatendrang auf bahnbrechende Wege. So war es ein emsiges und ruhmreiches wissenschaftliches Arbeiten, das Billroth mit seinen Schulern verband; diesen war er nicht nur der grofle Meister und Lehrer, er war auch ihr Freund und Vater, dem sie Hochachtung und Dankbarkeit, aber auch Liebe und ihr ganzes Vertrauen entgegenbrachten. So stand G., insbesondere nachdem er 1872 klinischer Assistent geworden war, an der Seite des grofiten Chirurgen in seiner besten Zeit.

Der Eifer und die Pflichttreue, welche er in dieser Stellung an den Tag legte, die riicksichtslose Strenge gegen sich, die stets gleiche Energie und Gewissenhaftigkeit, mit der er seinen Dienst versah, erweckten die Bewunderung und Hochachtung seiner Kollegen. Tag und Nacht, mit stets gleicher Arbeits- freudigkeit schaffend, sorgte er fiir das Wohl der ihm anvertrauten Kranken. Daneben fand er Zeit zu wissenschaftlichen Studien; er arbeitete sich ein in Bakteriologie, Histologic und experimentelle Pathologie und stand Billroth bei seinen zahlreichen Tierversuchen hulfreich zur Seite.

Dieser Zeit entstammen mehrere Publikationen G.s, von welchen jene iiber die Perlmutterkrankheit seine Habilitationsschrift, die experimentell-

I o Gussenbauer.

chirurgische Studie (iber partielle Magenresektion eine grundlegende Arbeit fur die moderne Magendarmchirurgie wurde.

Im Jahre 1873 fuhrte Billroth seine erste Totalexstirpation wegen eines karzinomatosen Kehlkopfes aus, und G. gelang es, nach langem Nachdenken und vielen miihevollen Versuchen, fur den Patienten einen Apparat zu kon- struieren, der in die Trachealkaniile eingefuhrt, dem Kranken es ermoglichte, wieder zu sprechen. Dieser Apparat wurde allerdings spater von anderen modifiziert und verbessert, doch gebiihrt das Verdienst der Idee und ersten Ausfiihrung eines kiinstlichen Kehlkopfes allein G.

Im Jahre 1875 kam von seiten der belgischen Regierung die Anf rage an Billroth, ob er wohl fur die erledigte Lehrkanzel in Liittich einen tiichtigen Chirurgen wisse, es sollte womoglich einer seiner Schuler sein. Billroth empfahl G., dessen aufierordentliche Fahigkeit er kannte, von dessen selbst- standiger chirurgischer Tatigkeit er viel erwartete. So kam G. im Alter von 33 Jahren als Ordinarius und Leiter der Kgl. belgischen Universit&tsklinik nach Liittich. Wie grofl die Willenskraft und der Fleifi G.s war, kann man daran erkennen, dafi er, der franzOsischen Sprache unkundig, dieselbe in wenigen Monaten derart erlernte, dafi er nicht allein seine Antrittsvorlesung in fliefiendem Franzdsisch vortrug, sondern auch seine Klinik von allem Anfang an in dieser Sprache hielt.

In seinem neuen Wirkungskreis erlebte er anfangs Anfeindungen, nament- lich von seiten der Presse, welche ihn als Auslander herabsetzen wollte. Dazu kam die Art seines Auftretens im Spital. Die von ihm ubernommene Klinik war aufierst mangelhaft eingerichtet, schlecht gefiihrt und befand sich in den denkbar ungunstigsten hygienischen Verhaltnissen. Wundfieber und Hospital- brand waren an der Tagesordnung. Da fuhr G. hinein mit all seiner Energie und Strenge. Riicksichtslos mit eiserner Hand entfernte er alles, was er als schlecht erkannte und ebnete sich den Boden, auf den er Billroths Schule pflanzte. Mit einigen jungen Arzten, die er sich heranzog und als tuchtig und verlafilich erkannte, leitete er die Klinik nach den Prinzipien der mo- dernen Antisepsis und schon bald konnte er in einem statistischen Jahres- bericht der Regierung die eklatanten Erfolge seiner TStigkeit aufweisen. Nun war das Eis gebrochen und G., nur mehr It grand mcdecin genannt, erfreute sich der grofiten Achtung und Verehrung in ganz Belgien.

Die Studenten folgten mit Interesse seinen Vorlesungen, die ihnen gar manchen neuen Gesichtspunkt brachten. Wenn er das FranzSsische anfangs auch nur muhevoll beherrschte, so dafi er die lateinische Sprache oft zu Hilfe nehmen mufite, so hielt doch der geistige Inhalt seines Vortrags die Horer in Atem. Sie wurden gefesselt durch die Klarheit seiner Worte und Anschauung und durch den Reiz seiner Kritik.

Die Begeisterung, mit welcher Arzt und Patient von G. sprachen, ver- schaffte ihm einen Ruf, der weit uber die Grenzen des Landes hinausging, und als ihm nach 21/* Jahren die erledigte Lehrkanzel an der deutschen University in Prag angetragen wurde, machte die Regierung alle mOglichen Versprechungen, um ihn zu halten, und nur ungern liefi man ihn ziehen, wohlwissend, welchen Verlust die Universitat und das ganze Land durch seinen Abgang erfahre.

Von wissenschaftlichen Arbeiten entstammen der Zeit zwei bedeutende

Gussenbauer. j \

Monographien : »Sephthamie und Pyohamie« und die »Traumatischen Ver- letzungen*. Beide Werke, besonders das letztere zeigen eine verbliiffende Scharfe der Beobachtung und Klarheit in der kritischen Beurteilung derselben.

In Prag, wo G. von 1878 1894 wirkte, herrschte ein reges wissenschaft- liches Leben, an dem er mit Freude tatigen Anteil nahm. Er trat in die Redaktion der »Zeitschrift fur Heilkunde« und fftrderte durch zahlreiche eigene Beitrage dieses Organ der Prager medizinischen Fakult&t. Desgleichen regte er seine Schiller zu wissenschaftlichen Forschungen an und verstand es, das reichhaltige Krankenmaterial, das ihm im Zentrum des so dicht bevolkerten Landes zustrdmte, zu Nutz und Frommen der rasch fortschreitenden Wissen- schaft zu verwerten. G. stand in der Bltite seiner Jahre, in der Glanzperiode seines Schaffens. An all den unermtidlichen Arbeiten, in der Klinik, am Krankenbett, im Laboratorium, am Schreibtisch und in der Privatpraxis fand er seine Befriedigung. Seine Tuchtigkeit war bald in den weitesten Kreisen bekannt und seine Popularitat wie die eines Fiirsten. Dazu trug nicht wenig bei, dafi er an den Arztevereinen im Land mit Interesse Anteil nahm und regelmafiig in den Wanderversammlungen der deutschen Arzte B6hmens aus- gewahlte Kapitel aus der Chirurgie vortrug. Den Berliner Chirurgenkongrefi versaumte er nie zu besuchen. Er folgte mit grofier Aufmerksamkeit alien Vortragen und Demonstrationen und wirkte durch seine sachliche und stets treffende Kritik anregend auf die Diskussion. Auch an den internationalen medizinischen Kongressen in London, Berlin und Moskau nahm er tatigen Anteil.

G. verheiratete sich in Prag und fand in seiner Frau eine ihm durchaus ebenburtige Lebensgefahrtin, die ihm in Lieb und Treu bis zu seinem Tode zur Seite stand.

Seine Publikationen aus der Prager Zeit sind zahlreich und erstrecken sich uber die verschiedensten Gebiete der medizinischen Wissenschaft. Sehr ein- gehend beschaftigte sich G. mit der Frage der Atiologie der bbsartigen Geschwiilste, und auch spater, als er nach Wien kam, setzte er seine dies- bezuglichen Studien fort, ist jedoch zu keinem Abschlufi gekommen. Doch wissen wir, dafi er die parasitare Theorie vertrat und stets daran festhielt. Neben der Tatigkeit G.s als Arzt und Gelehrter verdient hervorgehoben zu werden, dafi er im Jahre 1886 als Rektor der Prager Universit&t in den nationalen Kampfen mit gleicher Entschiedenheit fur deutsche Kultur und deutsches Recht eintrat wie er es spater in seinem letzten Lebensjahr als Rektor der Wiener Universitat getan hat.

Als im Jahre 1894 Billroth starb, wurde G. einstimmig als der wurdigste Nachfolger des unerreichten Chirurgen anerkannt und berufen. In seiner Antrittsvorlesung in Wien sagte er: »Ohne personliche Aspiration verliefi ich die alteste deutsche Universitat und kam in pietatvoller Erinnerung meines Lehrers und Meisters nach Wien. Wie dem Sohne das Erbe des Vaters, so fiel mir nach dem oft so ratselhaften, aber nicht minder unwandelbaren Gesetze des Schicksals seine Lehrkanzel zu.«

G. oblag seinen Berufspflichten in Wien mit ungeschwachter Manneskraft, fortschreitend auf dem Pfade des Gelehrten und Kiinstlers durch voile neun Jahre, bis ihn das erbarmungslose Schicksal traf. Ein Herzleiden, das erst wenige Monate vor seinem Tode ernste StGrungen seiner sonst so kr£ftigen Konstitution verursachte, brachte ihm den Tod. Als ein Mann von Selbst-

1 2 Gussenbauer.

beherrschung, der sich selbst mit spartanischer Strenge erzogen, kannte er kein Mitleid mit sich und heischte keines von seiner Umgebung. Mit wachsender Sorge bemerkten seine Angehftrigen und Freunde die stets zu- nehmenden Symptome der drohenden Herzschwache. Umsonst bat man ihn, sich zu schonen, sich die so aufreibende Tatigkeit in der Klinik, die schwere Last der Rektoratsgeschafte leichter und ertraglicher zu machen. Umsonst! Mit stoischer Ruhe und gewohnter Gewissenhaftigkeit erledigte er seine Arbeiten als Rektor, hielt er die klinische Vorlesung; nur eins liefi er das Operieren. Vielleicht fiirchtete er, dem Kranken unter seinem Messcr nicht mehr mit der gewohnten Sicherheit helfen zu konnen. Und wie grofi- artig, wie genial hatte er operiert! Mit einer staunenswerten Technik vollendete er die schwierigsten Eingriffe und kannte kein Hindernis, sobaid es gait, einem sonst rettungslos verlorenen Menschen zu helfen.

G. war ein ernster Mann. Schon als junger Student urn seine Kxistenz kampfend, hatte er seinen Geist gestahlt in Willenskraft und Strenge. Grofi war in ihm das Pflichtgefuhl, und wie er es selbst empfand, so forderte er es von seinen Untergebenen. Sein Gerechtigkeitsgefiihl, das ihn in all seinen Handlungen und Urteilen leitete, war derart ausgepragt und mit so eiserner Konsequenz angewandt, dafi seine Kollegen und die Fakultat sich in strittigen Fragen gerne an ihn wandten und sein Wort gait! Protektion kannte er nicht. Hoffte jemand, G. wiirde ihm bei diesem oder jcnem durch die Finger sehen, so kam er schlecht an. Ohne zu geifleln, aber auch ohne Rucksicht sagte er jedem, gleichviel ob es ein Untergebener oder Vorgesetzter war, mit stets gleicher Offenheit unci in der fur ihn so charakteristischen knappen und biindigen Form seine Meinung. Wenn er deshalb manchmal auch fur hart und vielleicht allzu strenge gait, so muflte doch jecler zugeben, er wollte stets das beste und verstand es dies iiberall durchzusetzen, wo es in seiner Macht stand. Seiner ausgepragten Wahrheitsliebe entsprach es, dafl ihm Etikette und all die iiblichen konventionellen Hoflichkeiten zuwider waren; eine Phrase hdrte man von ihm nie. Und wer ihn naher kannte, der wuflte, was fur ein seelenguter Mann er war, wie nah ihm das Wohl und Wehe seiner Mitmenschen ging, wie ungern er tadelte. Aber mit unbeug- samer Kraft kftmpfte er jede Regung seiner so warm fiihlenden Seele nieder, als schamte er sich ein Herz zu haben, und wer ihn nicht naher kannte, nicht gut beobachtete, der ahnte wohl nicht, welch tiefes Gemut, welch grofie Nachstenliebe hinter dem harten Panzer peinlicher Gerechtigkeit und strengen Pflichtbewufltseins verborgen war.

G. war ein grofier Freund der Natur. Alljahrlich nach SchluB des Sommersemesters reiste er in seine Heimat, wo er fiir seine Familie ein stattliches Haus gebaut hatte. Hier hatte sein Vater, der erst wenige Jahre vor dem Tode seines Sohnes gestorben war, in behaglicher Ruhe den Abend seines Lebens verbracht. Hier lebte G. seiner Familie, seinen Landsleuten. Dabei befaflte er sich mit der hohen Jagd, mit Bergsteigen und Klettertouren ; er sorgte um die heimische Kultur durch Bauten und Anpflanzungen allcr Art. Da, wo er alljahrlich ausruhte von den Miihen und Plagen des Winters, in der frischen Bergluft frische Kraft schopfend fiir neues rastloses Arbeiten, da liegt er auch begraben, am lauschigen Friedhof seines stillen Geburts- ortes. Aber sein ruhmvoller Name, sein Andenken lebt fort und wird nicht

Gussenbauer.

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untergehen. G. war ein bewunderungswurdiger Charakter, ein grofler Ge- lehrter, ein uniibertroffener Chirurg.

Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten Gussenhauers: »Ober die Muskulation dcr Atrioventrikularklappen des Menschenherzens« (Wien). »0ber das Gc- fafisystem der aufieren weiblichen Genitalien« (Wien. k. k. Akad. d. Wissensch. Bd. 60). >Cber die erste durch Th. Billroth ausgeftihrte Kehlkopfexstirpation« (Langenbecks Archiv Bd. XVII, 343). »Die partielle Magenresektion* (Langenbecks Archiv Bd. XIX). * Rapport de la Clinique chirurgicale de Liege* (1876 1878). »Die traumatischen Ver- letzungen* (D. Chir. Lief. XV, 1880). »Sephthamie, Pyohamie und Pyosephthamie« (D. Chir. Lief. IV, 1882). »Hystiogenese des Krebses« (Kongreflbericht, 31. Kongr. 2. Sitzg. 1902). »Uber die Erfolge der operativen Behandlung der Karzinomec (Prag. med. W. 1879). »t)ber die Entwicklung der sekundaren Lymphdrttsengeschwtilste« (Zeitschr. f. Heilkunde Bd. II). »Ein Beitrag zur Lehre von der Verbreitung des Epithelialkrebses auf Lymphdrtisen« (Langenbecks Archiv Bd. XII, S. 561), »Ober die Pigmentbildung in melanotischen Sarkomen« (Virchows Archiv Bd. 63). »t)ber die Heilung per primam intcntionem* (Archiv f. kl. Chir. Bd. XII, S. 791). »Die Methoden der kUnstlichen Knochentrennung und ihre Verwendung* (Archiv f. kl. Chir. 1875, S. 1). »Erfahrungen iiber Massage* (Prager med. W. 1881, N. 1). »Cber eine lipomatose Muskel- und Nerven- degeneration* (Langenbecks Archiv Bd. XVI, S. 602). »Cber die Veranderungen des quergestreiften Muskelgewebes bei traumatischen Entztindungen« (Archiv f. kl. Chir. Bd. XII, S. 10 10). »Erfahrungen tiber die Jodoformbehandlung bei der Knochentuberkulose« (Prager med. W. 188 1, Nr. 35). »Cber die Behandlung der Gangran bei Diabetes melhtus* (Wiener kl. W. 1899, Nr- *7)* »^ie Knochenentzttndungen der Perlmutterdrechsler« (Langenbecks Archiv Bd. XVIII, S.630). »Beitrag zur Kenntnis und Exstirpation von myelc- genen Schadelgeschwtilsten« (Zeitschr. f. Heilkunde Bd. V). »Erfahrungen iiber die osteo- plastische Schadeltrepanation wegen Hirngeschwlilste« (Wiener kl. W. 1902, Nr. 6, 7, 8). »Zur operativen Behandlung der tiefliegenden traumatischen Hirnabszesse« (Prager med. W. 1885, Nr. 1). »0ber den Mechanismus der Gehirnerschtitterung«c (Prager med. W. 1880, Nr. 1 3). »Zur Kasuistik der Epilepsie nach Hirnlasion* (Prager med. W. 1886, Nr. 35).

>Hirnsklerose und Herderscheinungen« (Wiener kl. Wochenschr. 1902, Nr. 38). »Uber Pachymeningitis tuber c. circumscripta* (Prager med. W. 1892, Nr. 9). »t)ber Skalpicrung durch MaschinengewalU {Zeitschr. f. Heilkunde Bd. IV). »0ber die Commotio vitdullae spinalis* (Prager med. W. 1893, Nr. 40— 41). »0ber Nervennahtc (Prager med. W. 1882, Nr. 1). >0ber Ischias scoliotica (Prager med. W. 1890, Nr. 17 18). »t)ber Stomato- plastik« (Prager med. W. 1885, ^»r- x3)« >Cber buccale Exstirpation der basilaren Rachen- geschwiilste* (Archiv f. kl. Chir. Bd. XXIV, S. 265). »Ein neues Verfahren der Stomato- plastik zur Heilung der narbigen Kieferklemme« (Langenbecks Archiv 1877, Bd. XXI, H. 3, S. 52). »Die temporare Resektion des Nasengertlstes zur Freilegung des Sinus frontalis* (Wiener kl.W. 1 895, Nr. 21). »0ber Behandlung der Trigeminusneuralgie« (Prager med.VV. 1886, Nr. 31). »Beitrag zur Kenntnis der subpleuralen Lipome* (Langenbecks Archiv Bd. XLIII, S-323). »Zur Kasuistik der Kehlkopf exstirpation « (Prager med.VV. i883,Nr.3i). »Beitrag zur Kenntnis der bronchiogenen Geschwtilste* (Festschrift f. Billroth). »Ober kombinierte Osopbagotomiec (Zeitschr. f. Heilkunde Bd. IV), »Zur Kasuistik der Fremdktfrper des Magensc (Prager med. W. 1891). >Zur Kasuistik der Fremdkttrper des Magensc (Prager med. W. 1883, Nr. 15). »Zur operativen Behandlung der Pankreascysten" (Langenbecks Archiv Bd. XXIX, H. 2). »Zur Kasuistik der Pankreascysten* (Prager med. W. Nr. 2 3).

»Zur Kasuistik der Pankreascysten« (Prager med. W. 1891 Nr. 32 33). »Fall von partieller Resektion des Colon descendens* (Langenbecks Archiv Bd. XXIII, S. 233). >Zur operativen Behandlung des Karzinoms des S Romanum* (Zeitschr. f. Heilkunde Bd. I, 1880). »0ber Hernia epigastrica* (Prager med. W. 1884, Nr. 1). >Exstirpation eines Hamblasenmyoms nach vorausgehendem tiefem und hohem Blasenschnitt* (Archiv f. kl. Chir.)

»Cber Harnblasensteinoperationenc (Prager med. W. 1888, Nr. 1 7). > Beitrag zur Exstirpation von Beckenknochengeschwiilsten« (Zeitschr. f. Heilkunde Bd. XI, 1890). »0ber

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sakrale Dermoide* (Prager med. W. 1893, Nr. 36). »0ber die Behandlung der Fissura anU (Wiener kl. VV. 1902, Nr. 2). »Ober die Behandlung der Rififrakturen des Fersen- beinesc (Prager med. W. 1888, Nr. 18.) Otto v. Frisch.

Zumpe, Herman, Kgl. bayr. Generalmusikdirektor, * 9. April 1850 in Oppach in Sachsen, f 4. September 1903 in Munchen. Der am 4. Sept. 1903 jah aus dem Leben geschiedene Miinchener Generalmusikdirektor Her- man Zumpe hat einen heifien, steilen Weg zur H6he des Lebens zurucklegen miissen. Zur Lehrertatigkeit bestimmt, und nach seiner in Taubenheim a. d. Spree verbrachten Jugendzeit im Seminar in Bautzen ausgebildet, hatte er kurze Zeit in Weigsdorf gewirkt, sein Herz aber zog ihn mit einer Macht, die alien Hindernissen gewachsen war, zum kunstlerischen Lebensberufe. Er wufite seine Versetzung nach Leipzig zu erreichen, wo er bis 1871 bei Prof. Tottmann griindliche musikalische Studien betreiben konnte. Die entschei- dende Wendung in seinem Leben trat 1872 ein; er legte die Lehrerstelle nieder und hatte das Gliick, nach Bayreuth an die sogenannte »Nibelungen- Kanzlei« berufen zu werden, wo er unter den Augen Richard Wagners und zusammen mit Hans Richter, Anton Seidl, Franz Fischer seine musikalische Ausbildung (bis 1875) vollenden durfte. Die kunstlerische Weihe und Lehre, die er dort empfing, hat ihm den Blick geftffnet fiir die groflen Geheimnisse seiner Kunst und ihn deren Wesen als Kulturmacht erfassen gelehrt. An kleineren Buhnen in Salzburg, Wiirzburg, Magdeburg hat er dann als Kapellmeister des Opernwesens Leid und Freud griindlich kennen gelernt, bis er in den achtziger Jahren einen grofieren Wirkungskreis in Frankfurt a. M. und nicht lange darauf in Hamburg fand. Aber im Kunstgeschafts- bereich Pollinis war seines Bleibens nicht. Er zog sich ins Privatleben zu- riick (1886 1 891), durch kompositorische und padagogische T&tigkeit die materiellen Sorgen von sich uud seiner schon in Bayreuth begriindeten Fa- milie wehrend. In diesen Jahren ernsten Lebenskampfes entstanden einige Werke leichteren Stils, darunter die bekannte Operette »Farinelli«. In seinem Herzen aber bewahrte er treu den Zug zum Hdchsten. Mit der Berufung zum Hofkapellmeister nach Stuttgart (1891) begann die wichtigste und gliicklichste Epoche seines Lebens, in der er seine Krafte voll entfalten konnte. Das Stuttgarter Hoftheater verdankt seinem Wirken (1891 1895) manche kunstlerische Tat von Bedeutung (so die deutsche Erstauffiihrung von Verdis Falstaff), nicht minder das Konzertunternehmen Dr. Franz Kaims in Munchen, dem er in den Jahren 1895 1897 eine hochgeachtete Stellung im Miinchener Musikleben erk£mpfte. Doch sein Herz hing zu sehr an der dra- matischen Kunst, als dafi er nicht freudig einem Ruf des Generalintendanten von Ledebur nach Schwerin gefolgt ware. Die Schweriner Oper erlebte unter Z. 1898 1901 eine Zeit hoher Bliite. Eine Frucht seiner dortigen T&tigkeit lernte auch das Berliner Publikum schatzen gelegentlich der Gastspiele des Schweriner Ensembles mit Schillings1 Ingwelde im Berliner Opernhaus. Auch im Auslande erntete Z.s Kunst nachhaltige Erfolge. Es war naheliegend, dafi Ernst von Possart den Plan fafite, Z.s kunstlerische Kraft der Miinchener Hofbuhne zu gewinnen, da nach Herman Levis Abgang und nachdem Richard Straufi seiner Vaterstadt den Riicken gekehrt hatte, ein fiihrender musikalischer Geist fehlte, der die Energie besafi, die groflen Traditionen

Zumpe. Cornelius. I c

dieser Biihne lebendig zu erhalten und ihrem Leiter ein verstfindnisvoller und tatkraf tiger Heifer bei der Verwirklichung seiner bedeutenden Plane zu sein. Dem uneigenniitzigen Entschlusse des kunstsinnigen Regenten Schwerins und seines Intendanten verdankte Z. die Moglichkeit, dem Rufe Possarts 190 1 zu folgen. Mit zaher Energie, mit aufopferndem Fleifie sich seiner nach Lage der Dinge aufierst schwierigen Aufgabe widmend, hat Z. sich in Munchen als der rechte Mann am rechten Orte bewahrt; unter seinem Stabe bliihten die »Akademiekonzerte« neu empor, durch sorgfaltige Neueinstudierungen klassischer Opernwerke wurde das Repertoire befestigt, im Mittelpunkt seiner Tfitigkeit aber stand das Wirken fiir das im Entstehen begriffene Prinzregenten- theater, dem Possart in erster Linie die verantwortungsvolle Aufgabe zu- gewiesen hatte, das vorbildliche Wirken Bayreuths in umfassender Weise fiir die Pflege des Wagnerschen Kunstwerkes nutzbar zu machen. Dem SchOpfer und Meister des musikalischen Dramas alle gebiihrenden Ehren zu zollen war Z. ein Herzensbedurfnis. So wirkte er, mit Possart durch ein inniges Freundschaftsband verbunden, in schaffensfreudiger Begeisterung fiir das kiinst- lerisch bedeutungsvolle Unternehmen, und die achtunggebietende Stellung, die es sich errungen, ist nicht zum wenigsten Z.s Verdienst.

In vollem Sonnenlichte erfolgreicher Tatigkeit stehend, ist er plotzlich am 4. Sept. 1903 einem Herzschlage erlegen. Nach einem Leben voll heifier K&mpfe war ihm ein Siegertod vergdnnt.

In der Geschichte des deutschen Theater- und Konzertlebens der letzten beiden Dezennien mufi Z. ein ehrenvoller Platz als Dirigent von ungewohn- lichen Eigenschaften angewiesen bleiben. Die Triebkraft seiner kiinstlerischen Leistungen war eine nie erldschende Begeisterungsfahigkeit, die er mit be- sonderem padagogischem Geschick zu iibertragen wufite, der Grundzug seines kiinstlerischen Wesens ein edles Pathos, das nur kiihlen Beobachtern als auflerlich erscheinen konnte. Nicht durch genialischen Schwung rifl er mit sich fort, er wirkte aufs Gemiit durch Wahrhaftigkeit und Echtheit seiner Absichten. Und wie der Kiinstler, so der Mensch. Dem Freunde zeigte er ein warmes, oft bis zur Schroffheit im Urteil ehrliches, vom verwirrenden Theaterleben unangetastet gebliebenes Herz voll kindlich naiver Eigentumlich- keiten.

Z.s kompositorischer Tatigkeit war eine nachhaltigere Wirkung nur auf einem Gebiete beschieden, das er wohl recht eigentlich »der Not gehorchend* betreten hatte. Des bedeutenden Erfolges der Operette »Farinelli« (1886) wurde schon Erwahnung getan. Was er aus »eigenem Triebe* geschaffen hat, verkiindet uns keine neuen Geheimnisse der Tonsprache; eine Anzahl tiefempfundener Lieder (3 Hefte), eine Ouvertiire zu Wallensteins Tod (Mskpt.), ein unvollendetes Streichquartett (Mskpt.) und vor allem die unvollendet gebliebene Oper »Sawitri«, Dichtung von Graf Sporck, der er die freie Zeit seiner letzten Lebensjahre widmete, spiegeln doch seine naiv pathetische, dem Edelsten zustrebende Seele in sympathischer Weise wider.

Max Schillings.

Cornelius, Karl Adolf, Historiker, * 12. Marz 1819 in Wiirzburg, f 10. Fe- bruar 1903 in Munchen. C. ging aus einer Kiinstlerfamilie hervor: sein

1 6 Cornelius.

Vater war ein Schauspieler, der seine Kunst mit idealem Sinn erfaflte, sein Oheim, der dem Neffen bis zum Ende seine besondere Zuneigung schenkte, war der gewaltige Maler. Er selber wurde fiir den Gelehrtenberuf bestimmt, und wie die Mittel in dem Kunstlerhaushalt knapp waren, so muflte er die Zeit der kostspieligen Vorbereitung nach MOglichkeit abkurzen. Mit 17 Jahren zog er vom Gymnasium zur UniversitSt, mit 21 Jahren trat er, versehen mit einem Oberlehrerzeugnis, in dem Deutsch und Geschichte als Hauptfacher erschienen, sein Probejahr als Gymnasiallehrer an, und mit 22 Jahren wurde er als Hilfslehrer am Gymnasium zu Emmerich, mit 24 Jahren als ordent- licher Lehrer in Koblenz angestellt.

Er trat in die Welt als ein junger Mann, der auffiel, wo er sich zeigte: schlank von Wuchs, das fein geschnittene, blasse Antlitz durch leuchtende Augen und tiefschwarze Haare gehoben, in seiner Rede kraftvoll bis zur Verwegenheit, aber immer zum Ziel treffend und gewihlt, mit einem Organ von prachtigem Klang, dazu in Kleidung und Haltung einigermafien nach- lassig wie ein junger Maler, und dann wieder, wenn er sich zusammennahm, leicht etwas geziert, gleichsam mit einem Anflug dramatischer Kunst; er war im vollen Sinne, was man im geselligen Verkehr interessant zu nennen pflegt. In seinem Beruf gewann er alsbald hohe Anerkennung, sowohl als Lehrer wie als Charakter: er ist ein vorziiglicher Lehrer und hdchst ehrenhafter Mensch, schrieb der Schulrat Landfermann ; er ist, so bemerkte bei Gelegen- heit eines kleinen Konfliktes der Oberregierungsrat Halm, ein rechtschaffener Mann und keiner Luge fahig. Aber er kannte auch Interessen, die auBerhalb seines Berufes lagen. In seinem Vaterhaus und seinem Studium waren ihm die Schdpfungen grofler Dichter nahe getreten; in das Verstandnis und den Genufi der poetischen Literatur, der deutschen wie der fremdlandischen, ein- zudringen, blieb fortan eine seiner liebsten Beschaftigungen, und wenn ihm auch nicht, wie seinem jiingern Bruder, die Gabe kiinstlerischer Produktion zuteil geworden war, so wufite er doch als glanzender Vorleser den Werken der Dichter Klang und Leben zu verleihen. Daneben verleugnete er nicht den frdhlichen Rheinlander (nach dem Ort seiner Geburt war Cornelius ein Wiirzburger; aber das hing mit dem wechselnden Aufenthalt seines Vaters zusammen): in ausgew&hltem MSnnerkreise anregende GesprHche zu fiihren, joviale Scherze auszutauschen und die Stimmung mit vinum bonum zu erhohen, hat immer zu seiner Lebenskunst gehOrt und wurde damals im Hochgefiihl der Jugend geubt. Man konnte darum auch bei oberfl£chlicher Beobachtung zweifeln, ob er mehr SchOngeist als Gelehrter sei, und ob er zu den Naturen geh6re, denen die Zukunft besondere Sorgen bereitet. Aber in der Tiefe arbeitete in ihm der Drang nach selbst&ndiger wissenschaftlicher Forschung und nach einer Stellung, die diesem Verlangen entsprach. Sein Gltick wollte, daB es ihm dabei an &ufierer FOrderung nicht gebrach.

Theodor Briiggemann, erst ein hervorragender rheinischer Schulmann, dann im Jahr 1843 zum vortragenden Rat in der katholischen Abteilung des Kultusministeriums ernannt, hatte sich in demselben Jahr, da C. geboren wurde, mit einer Tante desselben vermahlt. Selbst kinderlos, nahm er den Neffen seiner Frau als Tertianer nach Koblenz in sein Haus und behielt ihn bei sich, bis er die Universit&t bezog. An Briiggemann hatte C. fortan einen vaterlichen Berater und nebenbei einen machtigen GSnner. Der erste Beweis

Cornelius. 1 7

dieser Fiirsorge war, dafi er im Jahr 1846, ohne dafi er einen akademischen Grad gewonnen oder eine Zeile geschrieben hatte, die Stelle des Dozenten der Geschichte und Literatur an dem Lyzeum zu Braunsberg erhielt. Hier- mit betrat C. die Vorstufe des akademischen Berufes, und nun liefi es ihm keine Ruhe, bis er vCllig in denselben eintrat. Was ihn dabei ermutigen konnte, war der Umstand, dafi man an einigen Universitaten, die in vor- wiegend katholischen Gebieten lagen, das Fach der Geschichte doppelt, mit einem Protestanten und einem Katholiken, zu besetzen suchte, und dafi fahige Historiker, die wirklich zur katholischen Kirche hielten und doch ohne vorgefafite Tendenz forschten und lehrten, schwer zu finden waren. Aber ein Beweis von Selbstvertrauen und hohem Sinn war es doch, dafi der mittellose junge Mann die Stelle, die ihn nahrte, nach dreij&hrigem Besitz preisgab, um seine Doktorpromotion nachzuholen und sich im Januar 1852 in Breslau als Privatdozent der Geschichte zu habilitieren.

Schon hatte er jetzt auch das Gebiet seiner selbstandigen Forschung abgesteckt. Als er wahrend seiner Studienjahre sich an den historischen Ubungen Rankes beteiligte, gewann er als tiichtiger Schiiler dessen Gunst und erfuhr selber von den gerade gegen Schlufi seiner Studien (1839 1840) erscheinenden drei ersten Banden derReformationsgeschichte eine bestimmende Einwirkung. Die Reformationsgeschichte stand fortan im Mittelpunkt seiner Arbeiten, und innerhalb derselben fand er einen Abschnitt, der ihn sowohl wegen seiner eigenartigen Bedeutung, als auch darum anzog, weil hier nach den Vorschriften seines Lehrers der Durchbruch von der jungeren zur altesten Schicht der Uberlieferung erst vorzunehmen war: es war die Geschichte des Ursprungs und Untergangs des Reiches der Wiedertaufer in Munster. Dem Nachweis, dafi die hieriiber vorliegenden Quellen abgeleitet und getrubt seien, gait gleich seine Doktordissertation vom Jahr 1850. Zwei Jahre spater konnte Ranke in der dritten Auflage seiner Reformationsgeschichte bereits auf eine Sammlung der echten »Denkmale aus dieser Zeit« hinweisen, welche C. ihm grfifitenteils schon handschriftlich mitgeteilt habe: »sie wird sehr merkwiirdig werden; fiir die neue Bearbeitung dieses Abschnittes ist sie mir sehr niitzlich gewesen«. Im Jahr 1853 erschien diese Sammlung unter dem Titel »Berichte der Augenzeugen uber das Miinstersche Wiedertauferreich«. Ihr hatte C. es zu danken, dafi er im Januar 1854 zum aufierordent- lichen Professor in Breslau ernannt wurde, ja einige Zeit vorher schon, am 27. Dezember 1853, von der philosophischen Fakultat der Universitat Bonn an dritter Stelle fiir die durch Aschbachs Abgang erledigte ordentliche Pro- fessur vorgeschlagen, und hierauf, nach einjahrigem Schwanken des Ministers, am 18. Dezember 1854 an1 die rheinische Universitat als ordentlicher Professor versetzt wurde. (Den Vorschlag hatte Dahlmann gegen Lobell durchgesetzt. Im Ministerium wurde der an erster Stelle vorgeschlagene Wegele abgelehnt; der an zweiter Stelle vorgeschlagene Ficker wurde berufen, lehnte aber seiner- seits ab. Gegen C. hatte der Minister das Bedenken, dafi er seiner kaum angetretenen Breslauer Professur nicht gleich wieder entzogen werden k6nne. [Fakult&ts- und Kuratorialakten].)

In Bonn verttffentlichte er seine erste historische Darstellung von grdfierer Anlage: es war der erste Band der Geschichte des Miinsterschen Aufruhrs. Diesem Werk hatte er es wiederum zu danken, dafi er noch vor Ablauf

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolo^. 8. Bd. 2

1 8 Cornelius.

zweier Jahre von Bonn nach Miinchen berufen wurde und damit das seiner Laufbahn als Universitatslehrer gesteckte Ziel erreichte.

Bei dem Ubergang nach Miinchen hatte C. eine zehnjahrige Lehr- und Wanderzeit hinter sich, in der sein Geist durch die Besch&ftigung mit poli- tischen, kirchlichen und wissenschaftlichen Fragen gereift war. Fur seine Schulung in politischen Angelegenheiten war es ein grofies Ereignis, daB, ais im April 1848 die Wahlen fiir das Deutsche Parlament auch in Ostpreufien angeordnet wurden, die Wahl des Kreises Braunsberg-Heilsberg auf ihn fiel. Wie der 29J&hrige, eben zugewanderte Fremdling das Vertrauen der W&hler gewann, habe ich nicht zu erfahren vermocht; nur davon habe ich seinen damaligen Kollegen, den inzwischen verstorbenen Professor Andreas Menzel, einmal erzahlen gehort, dafl er mit einer diesem geistlichen Herrn auffallen- den Begeisterung die machtvolle Stellung, die Preufien in dem verjiingten Deutschland gebiihre, gepriesen habe. Im Parlament selber mufite er die harten Widerspriiche erfahren, zwischen denen sich das deutsche Verfassungs- werk bewegte. In der Frage des Reichsverwesers unterzeichnete er zunachst einen Antrag, kraft dessen die deutschen Fiirsten und freien StSdte zur schleunigen Ernennung des Statthalters aufgefordert werden sollten, gab dann aber, fortgetragen von der Bewegung, die Gagerns kuhner Griff hervorgerufen hatte, seine Zustimmung zu der Wahl durch die Nationalversammlung und zu der Erw&hlung des Erzherzogs- Johann, allerdings nicht ohne sich hinter- her der Wiirthschen Erklarung anzuschliefien, daB die Beistimmung zu dem Grundsatz der Wahl nur im Vertrauen auf die Zustimmung der Regierungen zu der zu treffenden Wahl gegeben sei. In dem Streit iiber das Reichsober- haupt gesellte er sich der Partei der GroBdeutschen bei, die sich am 20. De- zember 1848 im Pariser Hof konstituierte, und entzog sich der ersten Ab- stimmung iiber die Ubertragung der Wurde des Reichshauptes auf einen deutschen Fiirsten und iiber die Erblichkeit derselben, gab dann aber bei der zweiten Lesung, als das Parlament vor der Wahl stand, entweder auf Oster- reich oder auf die Reichsverfassung zu verzichten, zu beiden Bestimmungen sein Ja und wahlte am 28. Marz den Konig von Preufien zum Kaiser der Deutschen.

Das letzte Ergebnis der Frankfurter K£mpfe war fiir C. die Erfahrung, dafi sich die staatliche Einigung Deutschlands an einem doppelten Wider- spruche stiefl: an dem Gegensatz der Machtverhaltnisse der deutschen Staaten, und an dem alle innern Verfassungsfragen verwirrenden Streit von Konser- vativen, Liberalen und Demokraten. In letzterer Beziehung befestigte er sich fortan in den Grundsitzen des gemafiigten Liberalismus, in ersterer Hinsicht scheint er erst seit dem neuen Aufflammen der deutschen Einheitskampfe, seit 1859, die strengeren Konsequenzen seiner groBdeutschen Grundsatze ge- zogen zu haben. Da erschien ihm der dem Frankfurter Fiirstentag vorgelegte Verfassungsentwurf so gerecht und nutzlich, dafi, wie er damals sagte, ein verniinftiger Mann nichts dagegen einwenden konne; da sah er in den fort- schreitenden Erschiitterungen der dsterreichischen Macht in Italien und Deutschland eine unermefiliche Gefahrdung des deutschen Wesens durch Slaven, Magyaren und Romanen; von der Stirkung der zentralistischen Be- strebungen in Deutschland fiirchtete er den Niedergang der Freiheit und geisttotenden Militarismus, und gegen die preufiische Politik, die den Krieg

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von 1866 hervorrief, erfullte er sich mit leidenschaftlicher Erbitterung. Aber so erregt seine Teilnahme an den offentlichen Dingen war, den Versuch zum tatigen Eingreifen in dieselben hat er seit 1849 nicht wiederholt. Sichtlich war sein Unabhangigkeitssinn, der Rigorismus seiner Wahrhaftigkeit und die Neigung zum apodiktischen Aussprechen seiner wohlerwogenen Meinung nicht vereinbar mit den Erfordernissen der Parteidisziplin, den Kiinsten der Agitation und der Geschmeidigkeit des parlamentarischen Redners.

Nicht so lebhaft, aber tief und dauernd war der Anteil, den er gleich- zeitig an den im Innern der katholischen Kirchen beginnenden K&mpfen nahm. An die Namen Hermes und Giinther knupfte sich damals das Be- streben, die Dogmen der Kirche durch die Ergebnisse der neueren Philosophic zu befestigen und zu vergeistigen, aber auch die Erfahrung, dafi die Vertreter neuscholastischer Theologie diese Bestrebungen zu vernichten suchten, und dafi die Autoritat der Indexkongregation und des Papstes ihnen dazu verhalf. Von diesen Streitigkeiten blieb C. nicht unberiihrt. Briiggemann, in dessen Hause er in der Zeit lebte, da der heranwachsende Knabe zu den Satzen der Religionslehre ein inneres Verstandnis zu gewinnen sucht, war damals ein eifriger Hermesianer; der rheinische Freundeskreis, in den er in Breslau trat Baltzer, Elvenich, Reinkens stand mitten in dem Kampf fur die Gunthersche Philosophic. Indes fur den geistigen Inhalt dieser Bewegung ge- wann er kein sonderliches Interesse. »Ich habe«, auflerte er mir einmal, »meinen Freunden in Breslau gesagt: mit eurer Philosophic lockt ihr keinen Hund vom Ofen.« Der Grund dieser abwehrenden Haltung diirfte in einer Gedankenrichtung liegen, die auch in seiner Geschichtsschreibung hervortritt. Wer z. B. im zweiten Band seiner Wiedertaufer eine eindringende Entwicklung der Lehren sucht, in denen Zwinglis »Radikalismus« und dann der Geist der Taufer zum Ausdruck kommt, wird sich durch die Knappheit gerade dieser Abschnitte entt&uscht finden. Natiirlich liegt das nicht an einem Mangel des Wissens, wohl aber daran, dafi er in der Vergangenheit wie in der Gegenwart den metaphysisch-theologischen Gedankenfliigen eine gewisse Ge- ringschatzung entgegenbrachte. Dagegen gab es einen anderen Punkt, in dem er die Opposition seiner Breslauer Freunde gegen die Neuscholastiker nicht nur teilte, sondern wohl noch iiberbot: dafi war die Unabhangigkeit wissen- schaftlicher Forschung. Dafi der Gelehrte die Ergebnisse methodisch an- gestellter Forschungen offen auszusprechen und nicht etwa solange zu verhiillen oder zu modeln habe, bis sie mit dem, was die heutige Hierarchie als Dogma oder als unverlierbares Recht oder als Lebensinteresse der katholischen Kirche ansieht, ubereinstimmen, das war ihm wohl von Anfang an selbstverst£ndlich, und der entgegengesetzten Forderung hat er nie ein Zugest&ndnis gemacht.

Bald traten noch andere Streitfragen hinzu. Im Frankfurter Parlament hatte er einen Antrag unterzeichnet, der als »Grundrecht« die voile Unabhangig- keit der Religionsgesellschaften, vor allem natiirlich der katholischen Kirche, von jeglicher Beteitigung der Staatsgewalt an der Verwaltung ihrer Angelegen- heiten, besonders auch an der Besetzung der geistlichen Amter und dem Besitz und der Verwendung des Vermogens, forderte: er tat es in dem schwarmerischen Vertrauen, dafi im Licht der Freiheit auch die Kirche von den Versuchen zur Unterwerfung der Staatsgewalt abstehen werde. Noch fruher hatte er das superstitiftse Element im katholischen Kultus, wie es sich

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in den Auswiichsen der Heiligen- und Reliquienverehrung kundgibt, mifibilligt: er hoffte dabei, dafi die Ausschreitungen noch in Schranken zu halten seien. In beiden Voraussetzungen sah er sich nun durch den Geist, den die Re- gierung Papst Pius' IX. entfesselte, get&uscht. Da hOrte denn Reinkens schon in Breslau das gereizte Wort von ihm: »am schlimmsten ist es, wenn die Pfaffen regieren*. Und als der Papst im Dezember 1854 die Lehre von der unbefleckten Empf&ngnis verkiindete, wurde er, wenn eine frtiher von be- freundeter Seite mir einmal gemachte Mitteilung richtig ist, sich vollends des Gegensatzes bewufit, der ihn von der obersten Leitung der katholischen Kirche trennte. Er wollte dieser Kirche angehOren, aber manchen Geboten und Lehren ihrer Hierarchie stellte er sich schon so frei gegeniiber, dafi er, als er nach Munchen kam, als korrekter Katholik im rdmischen Sinne nicht mehr gelten konnte.

Often tlich trat er indes auch in kirchlichen Angelegenheiten nicht hervor; seine Offentliche Wirksamkeit gait vielmehr ausschliefilich dem wissenschaft- lichen Beruf. Hier aber zog er anfangs den Umfang seiner Tatigkeit weit oder eng, je nachdem er als Lehrer das Bedurfnis seiner ZuhSrer oder als Forscher die Anforderungen einer alles durchdringenden Griindlichkeit zu erfiillen suchte. Im akademischen Vortrag strebte er Mittelalter und Neuzeit vollstSndig zu umfassen, in Breslau z. B. durch Vorlesungen uber christliche Zeit, erster und zweiter Teil, uber Reformationsgeschichte und uber allgemeine Geschichte von 1648 bis 1848. In seiner Forscherarbeit dagegen beschrankte er sich damals, wie in der spateren Zeit, streng auf die Reformationsepoche: nur zwei Abhandlungen, iiber die Griindung der Liga und den grofien Plan Heinrichs IV., greifen iiber diese Grenzen hinaus. Die Vorzuge, die C als Forscher und Geschichtschreiber auszeichnen, traten gleich in seinen ersten Arbeiten, vollends in dem zweiten, im Jahr i860, erschienenen Band seines Munsterschen Aufruhrs hervor. Sie liegen in erster Linie in der genauen, nach Vollst&ndigkeit strebenden Aktenforschung, in der scharfsinnigen, mit heller Anschauung des lebendigen Zusammenhangs der Vorg£nge vollzogenen Kombination der zahllosen Zeugnisse und Tatsachen. Nicht leicht konnte man eine grOfiere Spannung der Aufmerksamkeit beobachten, als sie C. bei der Sammlung und Priifung seiner Quellen bet&tigte; er konnte von sich sagen, dafi er Seiten lang exzerpiere und kopiere, ohne sich ein einziges Mai zu verschreiben. Mit einer um den Zeitpunkt der Vollendung unbekummer- ten Geduld suchte er bei der Sammlung der urkundlichen Quellen dem Ideal der Vollstandigkeit so nahe als mdglich zu kommen, . und wenn er sich endlich zur Ausarbeitung entschlofi, so hiitete er sich vor Gedankensprungen oder gewagten Kombinationen: wo ein Mittelglied in dem Verlaufe der Ereignisse fehlte, machte er den Leser darauf aufmerksam. Zustatten kam ihm sein klinstlerischer Sinn. In seinem Munsterschen Aufruhr zerlegte er nach dem Muster Gibbons die Darstellung in eine Folge ganz kleiner Ab- schnitte, deren jeder ein Moment des grofien Verlaufs, wie in ein Bildchen gefafit, enthielt, und die alle sich zu einem klar gegliederten Ganzen zu- sammenschlossen. Natiirlich wurde bei einer so vollkommenen Verarbeitung des Stoffes auch der Stil ein eigenartiger. Der Schilderung persdnlicher Taten und Geschicke konnte man wohl mehr Anschaulichkeit und Kraft, der Erzahlung im ganzen helleren und leichteren Flufi wunschen, aber iiberall

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war der Ausdruck edel und mafivoll, die Satze so wohl aneinander gefiigt, wie es dem folgerechten Gedankengang entsprach, und nur da erhob sich die Rede zu hoherem, dann aber auch stets ergreifendem Schwung, wo die Gr6fie menschlicher Gedanken und Geschicke es erforderte; im einzelnen war alles so sorgf&ltig ausgearbeitet und gefeilt, dafi man wohl sagen konnte: in den Grenzen seiner Eigenart war dieser Stil nahezu vollendet. Es war eben ein ganzer Mann, der einem hier, wie in allem, was C. anfafite, entgegentrat.

Verstandnis in weiteren Kreisen konnten freilich diese Arbeiten schwer gewinnen. Fur die grofie Masse waren sie zu speziell; den katholischen Parteimannern mififiel die Darlegung des Zustandes geistiger und sittlicher Lahmung, in der die alte Kirche den Sturm des Humanismus und der Re- formation liber sich ergehen liefi; die unbedingten Bewunderer der Reforma- tion fiihlten sich abgestofien, durch das schneidende Urteil, dafi unmittelbar (dieses »unmittelbar« ist iibrigens in C.s Sinne zu betonen) durch den Sieg von Lutheranern oder Reformierten kein Aufschwung des religibsen Geistes hervorgerufen sei, und auch unbefangene Historiker hatten ihre Einwendungen gegen die beiden Grundanschauungen, dafi namlich erstens die staatliche Einigung Deutschlands durch Maximilian unter Leitung besserer Staatsmanner wohl h&tte gelingen kdnnen und, wenn gelungen, einen einheitlicheren, den vollen Bruch mit dem Uberlieferten vermeidenden Verlauf der kirchlichen Bewegung zur Folge gehabt hatte, dafi zweitens der Sieg der Reformation, wenn die Kirche sich noch »der Gesundheit und Bliite vergangener Zeiten« erfreut hatte, nicht erfolgt ware, also in Wahrheit nur aus einer voriiber- gehenden Gestaltung sittlicher und politischer Zustande zu erklaren sei. Indes seinen unbefangenen Gegnern zeigte C. selber den Weg zur Verstandigung, namlich die vorurteilslose Forschung, die zu fortschreitender Verbesserung und Vertiefung der Grundanschauungen fuhren soil.

Auf diesen Weg die Studierenden, die sich seiner Leitung anvertrauten, zu fuhren, das war denn auch das Ziel, welches sich C. im Fortgang seiner Lehrt£tigkeit steckte. Zuerst in Bonn hatte sich's an dem jungen Kampschulte, der ihm eine reformationsgeschichtliche Doktorarbeit vorlegte, erprobt, wie m&chtig seine strenge Kritik und sein fester Rat einen talentvollen und eifrigen Schiiler zu fesseln vermochte. Als er nun nach Munchen zog, war er von frischen Erwartungen erfiillt, da der Minister Zwehl ihm den Eintritt in die Direktion des zu gnindenden historischen Seminars zugesagt hatte. (Ich erzahle wieder, was mir C. uber diese Dinge im Sp&therbst 1891 mitteilte.) Hier jedoch erlebte er eine verhangnisvolle Entt&uschung. Wie er sich zum Antritt des neuen Amtes dem Minister vorstellte, erklarte ihm dieser, dafi er seine Zusage nicht halten konne, da man dem gleichzeitig emannten Heinrich von Sybel die alleinige Leitung des Seminars habe zugestehen miissen. Mancher andere wiirde dieses unkollegiale Vorgehen damit beantwortet haben, dafi er gegen den Nebenbuhler eine akademische Fehde begonnen und sich unter Lehrern und Schiilern einen Anhang geschaffen hatte. Indes so tief C. die Krankung empfand, so unbedingt verabscheute er jede Vermischung seiner personlichen Interessen mit der Berufstatigkeit. Er begniigte sich also, die aus fruherer Zeit stammenden freundlichen Beziehungen zu Sybel, ohne den Versuch einer personlichen Aussprache (dies nach Sybels Mitteilung), abzubrechen und vor dem Kollegen, der auch noch das geschichtliche Examen

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der kiinftigen Gymnasiallehrer fiir sich allein in Beschlag nahm, in den Schatten zu treten, ein Verhaltnis, das sich unter Sybels Nachfolger Giesebrecht wohl hinsichtlich der freundlichen Beziehungen der Kollegen, nicht aber in der Sache Snderte.

Es war eine Niederlage, die C. erlitten hatte, und sie blieb nicht ohne tiefgreifende Folgen. Mit einem wenig gunstigen, freilich auch das einzelne leicht verallgemeinernden Urteil betrachtete er jetzt den unsere Universitaten vielfach verunzierenden Geist der Parteiung und Intrigue, vermdge dessen so oft der Geschickte und Skrupellose emporsteigt, der Zunickhaltende und Gewissenhafte niedergehalten wird: »es bleibt«, sagte er mir einmal in einer plotzlichen Explosion, »fiir den, der an diesem Unwesen keinen Teil haben will, nichts iibrig, als dem Ehrgeizigen die Ehren zu iiberlassen und selber anspruchslos seine Pflicht zu tun«. Seine Pflicht nun hatte er bisher in dem Sinne getan, dafl er in seinen Vorlesungen dem nachsten Bediirfnis der Zu- hOrer zuliebe grofie ZeitrSume in iibersichtlicher Darstellung vorzufiihren suchte, wahrend seine eigene Neigung ihn mehr dazu trieb, enger begrenzte Epochen zu behandeln und hierbei dieselben Eigenschaften griindlicher Durchforschung und kiinstlerischer Verarbeitung zu pflegen, die seine Schriften auszeichneten. Sollte er jetzt, da als Leiter des historischen Studiums ihm ein anderer vorgezogen war, nicht dieser Neigung folgen durfen, und zwar in der Weise, dafl Vorlesungen von engerem Umfang und grofierer Fiille den von Sybel gehaltenen umfassenderen Kollegien zur Seite traten? Er bejahte diese Frage, zog sich allmahlich von der Behandlung des Mittelalters zuriick und beschrankte sich bald auch in der neueren Zeit auf drei Zeit- raume: Reformation, Revolution und neunzehntes Jahrhundert. Im Mittel- punkt seiner Darstellung standen die Wandelungen der Machtverhaltnisse im Innern und in den aufleren Beziehungen der Staaten, Leben gewann der Vortrag durch die Charakteristik der fiihrenden Personen und Gemeinschaften, auch wohl durch eine einigermafien subjektive Kritik iiber die Art, wie die Staatsleiter es hatten machen sollen und nicht gemacht haben; vor allem aber wufite er durch die Tiefe des Mitgefiihls, die Wucht des sittlichen Urteils und die Pracht der Rede seine ZuhSrer hinzureifien: oft, wenn er die ihm anhaftenden Mangel des Nachlassigen und Gesuchten abstreifte, erhob er sich zur Hohe des vollendeten Redners.

Auf diesem Wege voranschreitend, schuf er seit dem Semester 1859/60 auch eine Erganzung des historischen Seminars, indem er in seinem Studier- zimmer mit wenigen auserwahlten Schiilern Ubungen auf dem Gebiete der Reformationsgeschichte anstellte. Sein Verfahren war, dafi er den Gang von Untersuchungen, die ihn gerade beschaftigten, den ZuhSrern mit der ihm eigenen Klarheit und strengen Folge der Gedanken vorfuhrte, daneben Arbeiten iiber Fragen, die er selber stellte, und die neue Ergebnisse versprachen, be- urteilte. Mit liebevollem Eingehen pflegte er seinen Schiilern zu zeigen, was in ihren Arbeiten zutreffend und versprechend, was falsch oder fluchtig war; sein Urteil beruhte auf genauer Erwagung und war so klar und bestimmt, dafl es den Eindruck eines unverbriichlichen Wahrspruchs machte. Von der Kritik zu positiven Weisungen und Vorschlagen, wie die Arbeit im einzelnen zu andern oder anzulegen sei, pflegte er jedoch nicht voranzuschreiten :' man macht dann, meinte er, die Schrift selber, statt dafl der Schuler sie macht.

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Allerdings konnten bei dieser Zuriickhaltung einerseits, und bei der oft uber- triebenen Strenge seiner Forderungen anderseits nur Studierende, die selber zu denken verstanden, der Gefahr des Verzagens oder der endlosen Klein- arbeit entgehen. C. wunschte aber auch nur Schuler, die selbstandig dachten, er freute sich, wenn sie eigene Wege einschlugen, und mit fast ubertriebener Scheu wies er jeden Gedanken zuriick, dafi er bei Forderung wissenschaft- licher Arbeit irgend einen pers5nlichen Zweck verfolgen konne.

Bald gingen denn auch Doktordissertationen von selbstandigem Wert aus diesen Ubungen hervor, so die Reformationsgeschichte Memmingens von Rohling (1864), die Schrift iiber Donauworth von Lossen (1866), die Unter- suchung iiber die zwolf Artikel von Baumann (187 1). Eine noch umfassendere Leitung wissenschaftlicher Arbeit hoffte C. auszuiiben, als auf seinen Antrag die neu gegriindete Historische Kommission die Herausgabe der auswartigen politischen Korrespondenz der Fiirsten des Hauses Wittelsbach fiir das Jahr- hundert von 1550 1650 beschlofi (i860). Allerdings erlebte er dabei wieder insofern eine Enttauschung, als die Kommission das Unternehmen ihm nicht als einheitliches iibertrug, sondern es in drei Abteilungen unter drei be- sonderen Leitern zerschnitt, wobei ihm selber die Herausgabe der bayerischen und kurpfalzischen Akten fiir die Zeit von 1600 1650 zufiel. Aber wie nun fiir die Zusammenstellung des Materials von den Leitern jiingere Mitarbeiter anzustellen waren, so kamen jetzt nicht Studenten, sondern solche, die ihre Studien bereits abgeschlossen hatten, um sich C.s Fuhrung zu unterstellen: zuerst ich selber (1862); dann August von Druffel (1864, nur formell war er Loher untergeordnet), schliefilich Felix Stieve (1867). Jeder von uns offnete sich in seiner besonderen Weise dem starken Einflusse des Fiihrers, allerdings mehr in unserer gesamten wissenschaftlichen Entwicklung, als in der be- sonderen Arbeit der Aktenausgabe. Denn so tatkraftig C. auch in letzterer Beziehung eingriff, indem er fur bestimmte Punkte Griindung der Liga, Politik Heinrichs IV. in den Jahren 1609/10 sich unmittelbar an der Quellensammlung beteiligte, daneben umfassende Orientierungen in vielen Archiven vornahm, so brachte es doch seine oben beruhrte Art der Unter- weisung mit sich, dafi seine Mitarbeiter ihre eigenen Wege, und diese wieder nach verschiedenen Richtungen, gingen. Da aufierdem fiir das ganze Unter- nehmen die Trennung in drei Abteilungen der Aufstellung eines einheitlichen Editionsplanes von vornherein im Wege stand, so hatte jeder einzelne Arbeiter seine besondere Publikation zu vertreten.

Inzwischen gingen die Jahre voran. Wenn C, als er fiinfzig Lebensjahre vollendet hatte, zuruckblickte, so konnte er doch mit seinen Erfolgen zufrieden sein. Seine Vorlesungen hatten zahlreichen, gelegentlich sogar sehr zahlreichen Besuch gewonnen, unter seinen Kollegen hatte ihm die Griindlichkeit seiner Leistungen, seine iiber viele Scharfen und Schroffheiten hinweghelfende un- bedingte Wahrhaftigkeit und Uneigenniitzigkeit eine noch immer wachsende Achtung erworben, und auch an innigen Beziehungen, die das Gemiit frisch erhalten, fehlte es ihm nicht. Als ein Mann starker Antipathien und Sym- pathien wahlte er streng, bevor er seine Zuneigung verschenkte. Dann aber war er ein Freund von felsenfester Treue und innigem Mitgefiihl, geradezu dankbar, wenn ihm Gelegenheit geboten wurde, Hilfe zu erweisen, iiberhaupt mehr darauf angelegt, zu geben als zu empfangen. So hatte er sich ein

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nach auflen ziemlich abgeschlossenes, nach innen aber desto wSrmeres Familienleben geschaffen, und in einem kleinen Kreis anh&nglicher Freunde pflegte er einen regen Austausch der Meinungen und Erfahrungen. Auch seiner Neigung zu groflartiger Freigiebigkeit konnte er frei nachgehen, da in seinem Hause im Gegensatz gegen die schwere Zeit der Jugend sich der Oberflufl eingestellt hatte.

In dies behagliche Leben griffen nun noch zwei Vorgange ein, welche fur den weiteren Verlauf desselben bestimmend wurden. Der erste entsprang auf dem Boden wissenschaftlicher Arbeit.

Wahrend er in ubergriindlicher Forschung noch immer in den Vorarbeiten fiir den dritten Band des Miinsterschen Aufruhrs verstrickt blieb, traf ihn die Nachricht, dafl sein am 3. Dezember 1872 verstorbener Freund Kampschulte das Manuskript des zweiten Bandes seines Calvin ihm vermacht habe zur freien Entscheidung, ob es ganz, teilweise oder verbessert herausgegeben werden sollte. Indem er nun die Arbeit des Freundes durchging, mufite er sehen, wie einige maflgebende Publikationen erst nach Abschlufi derselben hervorkamen, wie die Archive von Genf und Bern, vor all em die Genfer Ratsprotokolle, zwar von Kampschulte, dann wieder von Roget durchgearbeitet waren, aber doch nicht mit solcher Vollstandigkeit, dafl nicht eine erneute AusschOpfung die Wechselfalle der Genfer Parteienk&mpfe, die Vermischung kirchlicher Ideale und politischer Machtfragen genauer und vollstSndiger an den Tag bringen mufite. Da fafite er denn mit groflartiger Selbstverleugnung den Beschlufi, das von ihm so hochgeschatzte Werk durch eine erschopfende Nacharbeit zu erganzen: der Geschichtsschreiber der Wiedertaufer wurde zum Calvinforscher. Jahrelang erschien er jetzt als standiger Gast in den Archiven von Genf und Bern, seine Vorlesungen iiber Reformationsgeschichte teilte er allerdings nicht zum Vorteil des Besuchs in zwei besondere Kollegien iiber lutherische und calvinische Reformation, und von 1886 99 verdffent- lichte er eine Reihe von Abhandlungen, in denen er die Frage stellte: wie ist Genf calvinisch geworden? eine Frage, die er zu beantworten suchte, indem er mit eindringendster Prufung die Kampfe und Wandelungen seit dem ersten Einzug Calvins in Genf bis mitten in die Zeit des Ringens um die Unterwerfung der Stadt unter den Geist des Reformators, bis ins Jahr 1548, Schritt fiir Schritt verfolgte. Es war beinahe die H£lfte des gedruckten ersten Bandes und etwa ein Viertel des ungedruckten zweiten Bandes des Kamp- schulteschen Werkes, zu dem er diese Abhandlungen als Grundlage fiir seine Umarbeitung vorlegte. Schlimm war es, dafl diese Vorarbeiten nicht bis zum Ende gediehen, und dafl daher die Umarbeitung selbst gar nicht in Angriff genommen werden konnte: der zweite Band des Kampschulteschen Werkes blieb also im Verschlufi, bis er endlich, da C.s KrSfte fiir die Vollendung der gewaltigen Arbeit versagten, durch W. Goetz unverandert zum Druck befordert wurde (1899).

Der zweite fiir C.s Leben entscheidende Vorgang war das vatikanische Konzil. Wie er sich von vornherein dariiber klar war, dafl die dieser Ver- sammlung zugedachten Beschliisse auf die Verdammung alles dessen, was ihm fiir eine wiirdige Entwicklung des kirchlichen Lebens erforderlich schien, hinausgehen muflten, so wahlte er auch seine Stellung mit gewohnter Be- stimmtheit. Als ich ihm einmal von den formalen Einwendungen gegen die

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Gultigkeit des Konzils sprach, erwiderte er kurz: ein Konzil ist uberhaupt nicht berechtigt, uns Unsinn vorzuschreiben. Nach dem Erscheinen der constitute) dogmatica de cedes ia sah er sich demgemafl vor der Wahl, entweder gleichgultig der hierarchischen Autoritat den Rucken zu kehren oder auf dem Boden der Kirche den Kampf gegen ihre Haupter zu wagen. Durch Anschlufi an die altkatholische Bewegung entschied er sich fiir das letztere. Nicht jedoch, dafl er sich dabei mit kuhnen Hoffnungen trug. In einem Vortrag in der Akademie vom 1. Juni 1872, in dem er seinen alten Satz wiederholte, dafl in den Massen, die der Reformation zum Siege verhalfen, die rein religiosen Antriebe verhaltnismafiig gering gewesen seien, bemerkte er, dafl sich diese Erscheinung im kleinen in der altkatholischen Bewegung wiederhole; und der Versammlung, die in den Pfingsttagen 1871 im Hause des Grafen Moy tagte, rief er zu: »Tauschen Sie sich nicht, meine Herren, ihre Kraft liegt nur in der Negations Mifltrauisch zuriickhaltend, stimmte er auch aliein mit Dollinger und Stumpf bei dem Munchener Kongrefi vom September 187 1 gegen den Antrag auf planmaflige Gemeindebildung. Als aber die Mehrheit gegen ihn entschieden hatte, nahm er teil an der Bischofswahl (3. und 4. Juni 1873), trat in die Synodalrepr&sentation und ubernahm den Vorsitz in dem Zentralkomitee fiir katholische Reformbewegung in Siiddeutschland. Mit doppelter Starke jedoch kehrte sein Mifitrauen wieder, als die Synode von 1878 die Zdlibatpflicht der Geistlichen aufhob. Von da ab zog er sich aus der Synodalreprasentation zuruck, ohne sich jedoch dem Gemeindeverband zu entziehen.

Die kirchlichen Zerwiirfnisse wirkten auf C.s Lehramt zuruck. Als der ihm wenig gewogene Minister Lutz im Jahre 1885 dem siebzigjahrigen Giese- brecht einen Nachfolger ernannte, dehnte er dieselbe Mafiregel auf den vier Jahre jungeren C. aus. Noch setzte letzterer einige Jahre seine Vorlesungen . fort, aber als auch er das siebzigste Lebensjahr vollendet hatte, gab er sie auf. Im November 1897 mahnte den jetzt Achtundsiebzigjahrigen ein Schlag- anfall an das Ende. Dank strenger Vorsicht und der liebevollen Pflege der Seinigen verlangerte er sein Leben noch um reichlich funf Jahre, dem ge- lehrten Schaffen entsagend, aber in unermudlicher Lektiire stets mit dem geistigen Abbild der Welt beschaftigt. Bevor dann der tfei seinem Leiden drohende Verfall der Geisteskr&fte eintrat, befreite ihn der Tod, dem er fest und ruhig entgegengesehen hatte.

K. Th. Heigel, Beilage zur »M(inchener Allg. Zeitg.« 1903, Nr. 184 185. W. Goetz, Historische Vicrtcljahrsschrift 1903, S. 449. Gedachtnisrede Friedrichs in der MUnchener Akademie, 12. November 1904.

Wiederholt aus den »Forschungen zur Geschichte Bsiyernsc, Heft 1 und 2, mit Ge- nehmigung der Verlagshandlung Rudolf Oldenbourg, MUnchen. Moritz Ritter.

Passini, Ludwig, Aquarellmaler, * 9. Juli 1832 zu Wien, f 6. November 1903 zu Venedig. P. starb als eines der beliebtesten Mitglieder der Ber- liner Kiinstlerkreise, in denen er die letzten zwanzig Jahre seines Lebens eine gesellschaftliche Rolle spielte; nach Geburt und Erziehung war er Osterreicher und wird von der Wiener Kunst unter den Sittenmalern, Kurz- bauer, Angeli u. a., neben Pettenkofen als einer der besten fiir sich in An- spruch genommen; die eigentliche Heimat aber, die Heimat seiner Kunst

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war Venedig, und in der Reihe der Genremaler der Lagunenstadt, Tito, Nono, Zezzos, Eugen Blaas, steht er obenan. Als Sohn des vielbesch£ftigten Wiener Kupferstechers Johann P. besuchte er die Wiener Akademie, wo Fuhrich, Kupelwieser und Ender seine Lehrer waren, verliefl sie aber im Jahre 1850, als seine Eltern nach Triest zogen; spaterhin gingen sie nach Venedig, das damals osterreichischer Besitz war. Hier fand der junge P. den Mann, der bestimmend und richtunggebend auf seine Kunst einwirken sollte und mit dem ihn nachher viele Jahre gemeinsamen Schaffens verbanden, den Aquarellmaler Carl Werner aus Leipzig. Dem Zuge seiner Zeit folgend, hatte dieser auf groflen Reisen, in Agypten, Griechenland, Palastina, die Stoffe seiner Kunst gesucht und an dem hellen Lichte des Orients seine frische Aquarelltechnik gebildet. Nach zehnjahrigem Aufenthalt in Rom griindete Werner 185 1 ein Meisteratelier in Venedig, das durch funf Jahre bestand und dessen bester Schuler P. war. Werners Kunst hatte damals in Italien groflen Erfolg und iibte in weiten Kreisen Einflufi; unter dieser Ein- wirkung wandte sich auch P. ganz der Aquarellmalerei zu. Im Jahre 1855 ging er mit Werner zusammen nach Rom, wo sich um seine liebenswiirdige Person ein groBer Freundeskreis scharte. Hier entwickelte sich seine Kunst auf ihrem beschrankten Gebiet zur Bliite und seine Bilder wurden Jahre hindurch mit groflem Erfolg aufgenommen und hoch geschatzt, besonders in Deutschland, so dafl er sich entschlofi, nach Berlin zu ziehen, wo er auch viel Beifall fiir seine genrehaft aufgefafiten Portrats erntete. 1878 wurde er zum k. k. Professor ernannt, auch gehorte er den Akademien in Wien, Berlin und Venedig als Mitglied an. In seinen venezianischen Aqua- rellen zieht eine bunte, heitere Reihe von Szenen aus dem Volksleben und von Ausschnitten aus dem Straflenbilde der Stadt an dem Beschauer vo ruber; .er mischt sich unter das larmende Volk auf dem Markte, blickt mit den Neugierigen von der Brucke ins Wasser, folgt dem zierlich dahineilenden Madchen in die engen, schattigen Gassen, sieht mit ihm vom Balkon her- nieder oder lauscht dem Gesang in der dammerigen Kirche. Die Gruppen wirken oft gestellt, aber meistens tr&gt die feine Beobachtung des Lebens den Sieg davon, und wenn auch das erzahlende Moment, der stoffliche Gehalt an den Bildern die Hauptsache zu sein scheint, so ist die malerische Wirkung dabei nie vernachlassigt und neben der teilweise sufilichen, schonen Formengebimg kommt die pragnante Charakteristik nicht zu kurz. Das schOnste an den Bildern ist die Aquarelltechnik an sich, die weiche, warme tiefe Farbe, die an Glut und Leuchtkraft bisweilen der Olfarbe ganz nahe kommt, freilich aber wieder haufig den alten Meistern naher liegt, als der feuchten flimmernden Helle der Wirklichkeit. Zu den beliebtesten seiner Bilder gehoren die »Kurbisverkaufer in Chioggia« (1876, Kunsthistorisches Museum, Wien), die »Chorherren in der Kirche« (1870, Nationalgalerie, Berlin), die » Neugierigen, von einer Brucke zum Kanal schauend« (Breslau, Schlesisches Museum).

Literatur: Muther, Geschichte der Malerei im 19. Jahrhundert, 1894; Hevesi, Osterreichische Kunst des 19. Jahrhunderts, 1903; Boetticher, Malerwerke des 19. Jalir- hunderts. Kunstchronik XV. Kunst fUr Alle XIX. Chronique des Arts 1903. Neue Freie Presse No. 14101 (A. F. Seligmann).

Hugo Schmerber.

Gaedertz.

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Gaedertz, Theodor, * 6. Dezember 181 5 in Liibeck, f 22. November 1903 ebenda. Am Totensonntag hauchte Theodor Gaedertz in Liibeck, fast 88 Jahre alt, seinen Odem aus. Er war der Hauptbegriinder der deutschen Kunstvereine, mit Wort und Schrift bei den Kunstkongressen unermiidlich beteiligt, ein Forderer nachmals beriihmt gewordener Maler, als guter Kenner von Ge- malden, gereifter Kritiker und tiichtiger Kunsthistoriker allgemein geschatzt.

Einer altangesehenen Lubeckischen Familie entstammend, wuchs der Knabe in einer Atmosphare auf, die aus Kunst und Wissenschaft und prak- tischer, opferbereiter Betatigung zusammengesetzt war. Sein GroBvater, ein Hanseat von echtem Schrot und Korn, als Notabel in der Franzosenzeit mehrfach Abgesandter der Freien Stadt Liibeck an den Kaiser Napoleon, schon in jiingeren Jahren als Autoritat auf dem Gebiete des Handelsrechts, speziell im Assekuranzwesen von Friedrich dem Grofien anerkannt, besafi eine der trefflichsten Privatgemaldegalerien im nordlichen Deutschland ; die- selbe hat sein Vater, Liibeckischer Senator, mit Geschmack und Gliick ver- mehrt, so dafl jeder kunstverstandige Fremde sie als Sehenswiirdigkeit be- suchte.

Kein Wunder, wenn der Enkel und Sohn zweier so hervorragender Persdnlichkeiten schon friih Freude an der Malerei und einen feinen Kunst- sinn in sich aufsog!

G. entschied sich zwar fur das Studium der Rechtswissenschaft, dem er auf den Universitaten Bonn und Gottingen oblag; aber gleich nach der Pro- motion zum Dr. iuris wandte er sich in Berlin seiner Lieblingsneigung, der Kunstgeschichte, zu, nachdem er als Schiiler des hannoverschen Hofmalers Karl Oesterley sich bereits keine ganz geringe technische Fertigkeit in der Olmalerei angeeignet hatte, wovon eine kleine Zahl sauber ausgefiihrter Bilder zeugt. Gustav Friedrich Waagen und Franz Kugler wurden seine Lehrer; sie traten ihm auch freundschaftlich naher, desgleichen die beiden Kunst- forscher, Ferdinand Sotzmann und Karl Friedrich von Rumohr. Zumal letzterer, der nach Liibeck iibersiedelte, kam oft und gern in die Galerie Gaedertz, sich mit Vater und Sohn iiber die verschiedenen Malerschulen und einzelnen Meister unterhaltend.

Kurz sei erwShnt, dafi G. nach bestandenem Staatsexamen in seiner Vaterstadt sich 1840 als Advokat und Notar niederliefi, 1847 Obergerichts- prokurator, 1856 Verwaltungsbeamter des neugebildeten Landamtes und 187 1 erster Oberbeamter des kombinierten Stadt- und Landamtes wurde, in welcher Eigenschaft er, namentlich als Obervormund, voller Pflichttreue viele Jahr- zehnte hindurch eine segensreiche Tatigkeit entfaltet hat.

Fur Liibecks Kunstleben bedeutete die Heimkehr des jungen kunstbe- geisterten und kunstwissenschaftlich geschulten Mannes einen wichtigen Ab- schnitt. Was G. als langjahriger Schriftfiihrer bzw. Direktor des Liibecker Kunstvereins, dessen Ehrenmitglied er spater geworden ist, anregend und be- fruchtend geleistet hat, gleichsam als Vorkampfer, bleibt von dauerndem Gewinn, wenn auch die jetzige Generation kaum weifi, wem der gegen- w^rtige hohe Stand der dortigen Kunstinteressen in erster Linie verdankt wird.

Das Jahr 1850 sollte fur die deutsche Kunst ein entscheidendes sein. G. war es, der Hand in Hand mit Mertens-Bremen den Gesamtverband der Kunstvereine des nordwestlichen Deutschlands schuf, sowie noch im nam-

28 Gaedertz. Meinecke.

lichen Jahre mit Lucanus-Halberstadt einen Kongrefi der deutschen Kunst- vereine nach Berlin berief, erspriefilich, ja bahnbrechend fiir unsere seitdem zu so hoher Blute und Bedeutung gelangten Kunstausstellungen.

Zahe Beharrlichkeit und ein still loderndes Feuer des wSrmsten, wahren Kunstenthusiasmus lieBen ihn nach auBen hin als Reorganisator der deutschen Kunstvereine einen vollen Erfolg erzielen.

Daneben sich kunstgeschichtlich eifrig besch&ftigend, hat der arbeitsame, bescheidene Gelehrte eine Reihe von Biichern herausgegeben, die ihm auch als Schriftsteller einen geachteten Namen sichern, vor alien die Monographien und Einzeluntersuchungen iiber Adrian van Ostade, Holbein, Memling, Rubens und Johann Kemmer, sowie seine unter dem Titel »Kunststreifziige« gesammelten AufsStze und Vortrage, welche sogar des Fiirsten Bismarck Beifall fanden.

Dem deutschen Volke wird G. wert bleiben durch seine innigen Be- ziehungen zu einem der besten Dichter unserer Tage, Emanuel Geibel. Ich darf wohl, ohne zu befurchten, mifiverstanden zu werden, hier often bekennen, daB der junge Geibel als Student zu Bonn am Rhein uns nicht so nahe ge- riickt, nicht so lieb und vertraut geworden ware, hatten wir nicht die Auf- zeichnungen seines Landsmannes und Kommilitonen G., die ich in meiner Biographie »Emanuel Geibel, Sanger der Liebe, Herold des Reiches* habe verOffentlichen diirfen.

Dafur dankt ihm der Sohn, dafiir dankt ihm jeder Verehrer Geibels.

Karl Theodor Gaedertz.

Meinecke, Gustav Hermann, deutscher Kolonialpolitiker und Kolonial- schriftsteller, * 15. Februar 1854 in Stendal, f 11. April 1903 in Berlin. Ohne einen gelehrten Beruf ergriffen zu haben, wanderte M. in jugendlichem Alter nach Nordamerika aus und liefi sich nach langerem Umherziehen schliefilich in Texas nieder. Auf mehrjahrigen Reisen erwarb er sich dann eine umfassende Kenntnis der politischen und wirtschaftlichen Verh&ltnisse in den wichtigsten uberseeischen Kolonien der groBen Weltmachte. Spater kehrte er nach Europa zuriick und war voriibergehend in Paris und Zurich als Redakteur tatig. Als um die Mitte der achtziger Jahre die deutsche Kolonialbewegung um sich griff, trat er mit Begeisterung fiir sie ein, siedelte nach Berlin iiber und entfaltete eine umfassende agitatorische Wirksamkeit. Vor allem bemiihte er sich, durch die Presse die breiten Schichten des Volkes fiir eine kraftvolle deutsche Kolonialpolitik zu erwarmen. 1887 iibernahm er die Redaktion der Deutschen Kolonialzeitung, des amtlichen Organs der Kolonialgesellschaft. Seit 1888 gab er uberdies ein Koloniales Jahrbuch her- aus, das einen guten Oberblick iiber alle einigermaBen bedeutsamen Vorginge auf kolonialem Gebiete wahrend des letzten Jahres brachte, aber nach elf- jahrigem Bestehen wieder einging. 1889 begriindete er den sehr praktisch eingerichteten, nach seinem Tode von Alfred Herfurth fortgesetzten deut- schen Kolonialkalender, der jedes Jahr eine Menge neuesten Materials ver- wertete und nicht nur alles Notige iiber Bevolkerung, Produktion und Handel der einzelnen Schutzgebiete, iiber koloniale Beamte und Behorden, Missions- wesen und Fortschritte der Zivilisation und Gesetzgebung, sondern auch Rat- schlage fiir Auswanderer und wissenschaftliche Reisende, sowie Hinweise auf

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die neueste Fachliteratur enthielt. Zum Teil auf Grund eigener Anschauun- gen schrieb er seine Biicher: Sechs Jahre Deutscher Kolonialpolitik (unter dem Pseudonym W. Weifienborn, 1890), Deutsche Kultivation in Ostafrika (1892) und Aus dem Lande der Suaheli (1895), in denen er namentlich fur die Anlegung von Zuckerrohrpflanzungen in dem fruchtbaren Schwemmlands- gebiete am Pangani eintrat. Auch durch belletristische Darbietungen (Aus dem Kreolenlande, 1888; Exotische Novellenbibliothek, 4 Bande 1895 97; Aus drei Weltteilen, gesammelte Novellen, Skizzen und Erzahlungen, 2 Bande 1900 01), die allerdings hohere kiinstlerische Anspriiche nicht zu befriedigen vermogen, suchte er das grofiere Lesepublikum fiir die iiberseeischen Ver- haltnisse zu interessieren. 1895 grundete er in Berlin den Deutschen Kolonial- verlag, der schon nach wenig Jahren eine grOBere Zahl von Werken iiber Kolonialpolitik, Exportwesen und tropische Agrikultur umfafite. Bald darauf arbeitete er den in J. J. Webers Sammlung illustrierter Katechismen erschie- nenen etwas veralteten Katechismus der Auswanderung den modernen An- forderungen entsprechend zu einem sehr brauchbaren Handbiichlein um. Eine uberaus rege T&tigkeit entfaltete er 1896 anlafllich der ersten deutschen Kolonialausstellung in Berlin. Er verfafite nicht nur den offiziellen Katalog und den Fiihrer fiir die Besucher, sondern redigierte auch den im folgenden Jahre in Form eines groflen Prachtwerkes mit vielen Tafeln und Abbildungen erschienenen amtlichen Bericht: Deutschland und seine Kolonieen im Jahre 1896. Allmahlich aber wich seine Begeisterung fiir die deutsche Kolonial- politik einer gewissen Ernuchterung. Die Verwaltung der Schutzgebiete schien ihm allzu sehr von Militarismus und Bureaukratie beherrscht zu sein. Auch fand er sie viel zu kostspielig und umstSndlich. An Stelle des zur- zeit bestehenden Systems empfahl er nach englischem Vorbild eine vorwie- gend wirtschaftliche Ausniitzung der Kolonieen. Den mafigebenden Einflufl der Offiziere und Juristen wiinschte er durch den der Pflanzer und Kaufleute ersetzt zu sehen. Da seine Ansichten, wie auch die impulsive Art, mit der er sie persOnlich und literarisch vertrat, viel Widerspruch erregten und ihn in zahlreiche verdriefiliche Streitigkeiten verwickelten, legte er 1899 die Re- daktion der Kolonialzeitung nieder und beteiligte sich bald darauf an der Grundung der Kolonialen Zeitschrift, welche in Verbindung mit dem agita- torisch tatigen deutschen Kolonialbunde fiir eine entschiedene Reform der amtlichen Kolonialpolitik unter vorwiegender Beriicksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte eintrat. Diese Forderung erhob er auch in seinen letzten, vorwiegend fiir den praktischen Gebrauch bestimmten Werken: Die deutschen Kolonieen in Wort und Bild (1899); Der deutsche Export nach den Tropen und die Ausriistung fiir die Kolonieen, ein illustriertes Handbuch fiir Reisende, Beamte und Offiziere der Schutztruppen (1900); Wirtschaftliche Kolonialpoli- tik (1900, Band I: Betrachtungen und Anregungen, Band II: Die Undurch- fuhrbarkeit des Programms des Herrn von Liebert und ein neues Kolonial- programm); Der Kaffeebau in Usambara, seine Aussichten und seine Rettung (1900) und Seidenzucht in den Kolonien (1901, gemeinsam mit Wr. von Biilow verfafit). Alle diese Werke sind von aufrichtiger Vaterlandsliebe getragen und zum Teil sehr anregend und gemeinverst&ndlich geschrieben, doch ent- behren sie in einzelnen Angaben vielfach der Zuverl£ssigkeit. Sie wenden sich nicht an die Manner der Wissenschaft, sondern lediglich an die weiteren

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Meinecke. Schurtz.

Kreise der Kolonialfreunde. In diesen haben sie ohne Zweifel viel zur Ver- breitung von genaueren Kenntnissen uber unsere uberseeischen Besitzungen und zur Ausrottung von tief eingewurzelten Irrtiimern und Vorurteilen bei- getragen. Dasselbe gilt auch von seinen zahlreichen Aufsatzen, die er in angesehenen Tagesblattern veroffentlichte. Neben seiner schriftstellerischen Tatigkeit hat er auch mehrfach praktische Arbeit fur die Kolonieen geleistet. Er verwaltete einige Zeit das Berliner Kolonialmuseum, begriindete die Usam- bara-Kaffeebau-Gesellschaft und wirkte auch bei mehreren anderen kolonialen Erwerbsgesellschaften, namentlich bei der Kameruner Kakao-Plantagen-Ge- sellschaft voriibergehend in leitender Stellung. Am n. April 1903 starb er zu Berlin noch im besten Mannesalter, aber von langer Krankheit ge- brochen. Die Genugtuung, seine Wunsche und Forderungen erfullt zu sehen, blieb ihm versagt. Viktor Hantzsch.

Schurtz, Camillo Heinrich, * 11. Dezember 1863 zu Zwickau in Sachsen, f 2. Mai 1903 zu Bremen. S., einer der befahigtsten und vielseitigsten unter den jiingeren deutschen Ethnologen, wurde als Sohn eines Arztes und Berg- direktors geboren. Er besuchte zunachst die Biirgerschule, dann mit mafiigem Erfolg das Gymnasium seiner Vaterstadt. Nachdem er Ostern 1884 die Reife- priifung nur mit der Zensur IIIa bestanden hatte, trat er als Freiwilliger in das 133. Infanterieregiment ein, mufite aber schon im folgenden Friihjahr wegen Krankheit wieder entlassen werden. Nach seiner Wiederherstellung bezog er die Universitat Leipzig, um Naturwissenschaften und Geographie zu studieren. Der bedeutsame Eindruck, den die Personlichkeit seines Lehrers Friedrich Ratzel auf ihn ausiibte, veranlaOte ihn, sich auf dessen Rat ganz der Ethnologie zuzuwenden. Diesem Gebiete gehort auch seine erste grftflere Arbeit uber das Wurfmesser der Neger an (Leiden 1889), mit der er den philosophischen Doktortitel erwarb. Auf Grund umfassender Kenntnis der alteren und neueren Reiseliteratur stellt er darin die geographische Verbrei- tung des Wurfmessers fest und weist seine Entstehung aus dem von vielen Natur\r6lkern gebrauchten Wurfholze nach, schildert seine Handhabung und beschreibt die wichtigsten Formen, die er auf einige wenige Typen zuriick- zufiihren sucht. Eine Tafel mit 60 Abbildungen erlautert den Text in an- schaulichster Weise. Dieses Erstlingswerk wurde von Friedrich Ratzel, auf dessen Anregung es entstanden ist, als ein gutes Beispiel der Anwendung der anthropogeographischen Methode auf ein ethnographisches Problem ge- riihmt. Wahrend sich S. in dieser Arbeit mit Erzeugnissen weit entfernt wohnender Vdlkerstamme beschaftigte, die er niemals gesehen hatte, fand er fur seine nachsten Schriften den Stoff in der Heimat. Von Jugend auf war er ein begeisterter Freund des Fufiwanderns. Das heimische Erzgebirge durchzog er nach alien Richtungen, namentlich wenn er als Student die Ferien in Schmiedeberg, dem damaligen Wohnsitz seines Vaters, verlebte. Mit offenem Sinn liefl er die Schonheiten der Landschaft auf sich einwirken, aber auch der niedergehende Bergbau und die volkstiimlichen Uberlieferungen der Bewohner erregten sein Interesse. Aus diesen Eindriicken entstand all- mahlich seine Abhandlung: Cber' den Seifenbergbau im Erzgebirge und die Walensagen (Forschungen zur deutschen Landes- und Volkskunde, Band 5, Heft 3, Stuttgart 1890). Darin geht er von den altesten vorgeschichtlichen

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Spuren der Metallgewinnung im sachsisch-bohmischen Grenzgebirge aus. Hier war ja eine der wichtigsten Fundstatten des Zinns, das seit grauester Vorzeit zur Herstellung der Bronze verwendet wurde. Lange Zeit gewann man das hochgeschatzte Metall nicht durch bergmannischen Abbau aus dem festen Gestein, sondern durch die Ausbeutung von Seifenlagern, also von erzfiihren- den Fluflablagerungen. Dieser Seifenbergbau wurde im Erzgebirge nicht nur auf Zinn, sondern auch auf Gold und Halbedelsteine betrieben und zwar der Sage nach vor allem durch Italiener, Juden und Zigeuner, die man unter dem Namen Walen zusammenfaflte. Nach dem Glauben des Volkes sollen diese ungeheure Schatze gewonnen und nach dem Auslande gefuhrt haben. Ihre Kenntnisse iiber das Vorkommen wertvoller Mineralien haben sie in den sogenannten Walenbiichern niedergelegt, deren Angaben allerdings kritischer Priifung nicht standhalten. Wahrend S. in dieser Schrift seine Neigung zu urgeschichtlichen Forschungen bekundete, zeigte er sich in seiner nachsten iiber Die Passe des Erzgebirges (Leipzig 1891) als tuchtiger Geograph, der namentlich dem Gebiete der Anthropogeographie neue Gesichtspunkte abzu- gewinnen verstand. Er versuchte darin nachzuweisen, daB die Strafien iiber das Erzgebirge ihrer Lage und Richtung nach nicht wie die Passe der Alpen von der Natur vorgezeichnete Wege sind, sondern dafi ihre Entstehung ein anthropogeographisches Problem ist. Das ergibt sich daraus, dafi die grofle- ren Stiidte und Verkehrsmittelpunkte am Fufie des hoheren Erzgebirges nicht den Gebirgsstrafien ihre Entstehung verdanken. Vielmehr haben diese Stadte, die urspriinglich Kulturzentren fruchtbarer Landstriche oder reicher Bergwerks- distrikte waren, erst mit der Zeit bewirkt, dafi sich aus der grofien Zahl mog- licher Strafien bestimmte Gruppen ausschieden und vorwiegend entwickelten. Diese beiden Beitr&ge zur Heimatkunde hatten indessen S. nicht seinem Hauptarbeitsgebiete, der Vdlkerkunde, entfremdet. Das bewies er durch eine bald darauf erschienene gedankenreiche Schrift: Grundziige einer Philosophic der Tracht mit besonderer Beriicksichtigung der Negertrachten (Stuttgart 1 891). Er kommt darin im Gegensatz zu vielen anderen Forschern zu dem Ergebnis, dafi die Entstehung der Tracht auf die Regungen des der mensch- lichen Natur eingeborenen Schamgefiihls zuriickzufiihren sei, das bei keinem Volke ganz fehlt und eine notwendige Folge der gesellschaftlichen Entwick- lung der Menschheit, namentlich der Ehe ist. Spater kam er von dieser Ansicht zuriick, und schon nach wenig Jahren bezeichnete er das kleine Werk als einen gut gemeinten, aber noch unreifen Versuch, die tiefere soziale Be- deutung der Trachtenprobleme darzustellen. Nach dem Erscheinen dieser Arbeit habilitierte er sich, einem Wunsche seines Lehrers Friedrich Ratzel folgend, an der Leipziger Universitat als Privatdozent. Als solcher hat er vier Semester hindurch Vorlesungen iiber Landes- und Volkskunde von Mittel- deutschland, iiber Vorgeschichte des Menschen, iiber die alten Kulturvolker der Erde, iiber die Volker Europas und iiber Kunst und Dichtung bei den Naturvolkern abgehalten. Um den Studierenden Gelegenheit zu geben, sich rasch einen kurzen, aber ausreichenden Uberblick iiber das weite Gebiet der V6lkerkunde zu verschaffen, veroffentlichte er in Webers Sammlung illustrier- ter Katechismen einen Katechismus der Vftlkerkunde (Leipzig 1893), der eine reiche Fiille von Stoff in knappster Form, aber klar und wohlgeordnet zu- sammenfafite.

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Noch in demselben Jahre erging ein Ruf des Direktors Schauinsland in Bremen an ihn, die Einrichtung und VergrOflerung des mit dem dortigen Museum fur Naturkunde verbundenen Museums fur V6lker- und Handelskunde zu iibernehmen. Da die Stellung eines Assistenten hinl&ngliche Mufle und reiche Anregung durch den t£glichen Verkehr mit den aufgestapelten ethno- graphischen Sch&tzen verhiefi, nahm er sie an, und er hat diesen Schritt auch nie bereut, um so mehr als ihm die reichen Mittel des Museums einige grSfiere Studienreisen nach den Mittelmeerlandern, nach Spanien, Nordafrika und Kleinasien ermOglichten. Unter den Best&nden der Sammlung waren namentlich viele durch auffallende Farbengebung und charakteristische Or- namentierung ausgezeichnete Schnitzereien melanesischer NaturvOlker ver- treten. Die Vergleichung dieser eigenartigen Kunsterzeugnisse mit denen anderer Vfllker fiihrte ihn allm&hlich zu Erkenntnissen von weittragender Bedeutung, die er in seiner nSchsten Schrift iiber Das Augenornament und verwandte Probleme (im 15. Bande der Abhandlungen der Kgl. s£chs. Gesell- schaft der Wissenschaften, Leipzig 1895) niederlegte. Darin weist er nach, dafl die Augenbilder in den verschiedensten Verbindungen und ornamentalen Verflechtungen nicht nur bei den Melanesiern und den Urbewohnern Neu- seelands, sondern auch bei den Nordwestamerikanern und den altamerika- nischen Kulturvdlkern in merkwiirdig iibereinstimmender Weise zur Aus- schmuckung von Geratschaften und Kleidern verwendet wurden. Aus dieser Tatsache, wie auch aus verschiedenen Vorstellungen mythologischer Art, die auffallende Ahnlichkeit zeigen, zieht er den Schlufi, dafi diese Vftlker einst in einem nahen verwandtschaftlichen oder wenigstens kulturellen Zusammen- hang gestanden haben miissen. Auf ein ganz anderes Gebiet fiihrte ihn bald darauf seine Beschaftigung mit der neu angelegten Geldsammlung des Bre- mer Museums. Er legte sich die Fragen vor: welche Wertmesser gab es vor unserm Gelde? aus welchen Anf&ngen hat sich das Geld entwickelt, und welche Entwicklungsstufen sind jetzt noch nachweisbar? Aus der Beant- wortung dieser Fragen erwuchs sein Grundrifl einer Entstehungsgeschichte des Geldes (Band 5 der Beitr&ge zur Volks- und Vttlkerkunde, Weimar 1898). Darin er&rtert er in geistreicher Weise die zahllosen verschiedenartigen primi- tiven Keime und Ans&tze des Geldwesens und die damit in engem Zusammen- hange stehenden Anf£nge des Eigentums und des Handels. Er gelangt zur Unterscheidung zweier Arten von Geld: des Binnengeldes, das seine Wurzel im menschlichen Schmuckbediirfnis hat und nur innerhalb des einzelnen Stammes gilt, und des Aufiengeldes, das dem Verkehr verschiedener St&mme miteinander dient.

Um dieselbe Zeit besch&ftigte ihn noch ein anderes weit ausschauendes Unternehmen. Sein Freund Hans Helmolt, gleichfalls ein Schiller Friedrich Ratzels und von dessen Ideen beeinflufit, bewog ihn zur Mitarbeit an der von ihm herausgegebenen, durch ihre eigenartige Anordnung des historischen Stoffes nach VOlkerkreisen bekannten grofien Weltgeschichte des Bibliogra- phischen Instituts (Leipzig 1899^.). S. hat fur dieses bedeutsame Unter- nehmen mehrere umfangreiche Abschnitte beigesteuert FUr den zweiten Band bearbeitete er Hochasien, Sibirien und Indonesien, fiir den dritten Westasien und Afrika, fiir den vierten die siidlichen und westlichen Mittelmeerlftnder. Daneben reiften aber auch noch andere Friichte seiner unermiidlichen und

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vielseitigen T&tigkeit. 1899 hatte die Furstlich Jablonowskische Gesellschaft in Leipzig eine Preisaufgabe gestellt, welche eine eingehende Untersuchung und vergleichende Darstellung des nationalen Gewerbes bei den eingeborenen Volkern eines oder mehrerer auflereuropaischer Erdteile unter besonderer Berucksichtigung der Betriebsformen der Stoffumwandlung und der Absatz- weisen der Fabrikate forderte. S. gewann den Preis durch seine Abhandlung iiber Das afrikanische Gewerbe (Leipzig 1900). Darin weist er zunichst auf die Wichtigkeit Afrikas fiir die Kenntnis primitiver Kulturverhaltnisse bin. Dann schildert er die bei den dort wohnenden Naturvolkern ubliche Arbeits- teilung zwischen den beiden Geschlechtern, hierauf die an gewisse Orte oder Stamme gebundenen und die von einzelnen Individuen betriebenen Gewerbe, weiterhin die Keime hdherer gewerblicher Organisationsformen, endlich den Absatz gewerblicher Erzeugnisse und die dabei iiblichen Handelsgebrauche. In demselben Jahre schlofi er auch noch sein Hauptwerk ab, das seinen Namen in weiten Kreisen der Gebildeten bekannt machte, die Urgeschichte der Kultur (Leipzig und Wien 1900), eine Frucht siebenj&hrigen Fleifies. Darin will er die Anfange jener gewaltigen geistigen-Erbschaft, an der die Menschheit seit Jahrtausenden spart und die sie immer weiter zu vermehren trachtet, auf Grund seiner umfassenden Kenntnis der vorgeschichtlichen Funde und der in den deutschen Museen aufbewahrten Werke der Naturvdlker dar- stellen. Keine Seite des Kulturlebens hat er dabei vernachl&ssigt. Er schil- dert die Anfange der Gesellschaft und der sozialen Schichtungen , die Ent- stehung des Staates und die Entwicklung von Sitte und Brauch. Daneben untersucht er in tief eindringender Weise die Ausgangspunkte der mensch- lichen Wirtschaft und ihre primitivsten Formen, die altesten Kulturpflanzen und Haustiere, die friihesten Spuren von Gewerbe und Handel. Besonders ausfiihrlich bespricht er die Entstehung der materiellen Kultur, die allmahlich fortschreitende Benutzung und Beherrschung der Naturkrafte, die Technik, die Waffen, Werkzeuge und Ger&te, Schmuck und Kleidung, Bauwerke und Ver- kehrsmittel. Von eigenartigem Reize sind seine kunstlerisch abgerundeten Gedankengange iiber die Urgeschichte der Geisteskultur, iiber die Anfange von Sprache, Kunst, Religion, Rechtspflege und Wissenschaft. In diesen Ab- schnitten hat er sein Eigenstes und Bestes gegeben. Hier merkt jeder Leser, dafi ein Stoff und Form gleichermaflen beherrschender Meister der Wissen- schaft zu ihm spricht. S. selbst aber war von einzelnen Teilen des Buches nicht vollig befriedigt. Namentlich die schwierigsten Probleme der Sozio- logie, die Fragen nach dem Ursprung der Gesellschaft und des Staates, reizten ihn zu immer tiefer eindringenden Untersuchungen. Die erste dieser Fragen suchte er zu losen durch sein Werk: Altersklassen und Mannerbiinde, eine Darstellung der Grundformen der Gesellschaft (Berlin 1902). Darin will er nachweisen, dafi die Gesellschaft sich nicht, wie vielfach angenommen wurde, allein aus der Familie, sondern vor allem aus den geselligen Verban- den der Manner entwickelt habe, die noch heute bei vielen Naturvolkern nach Altersklassen geordnet, sich in gewissen ausschliefilich fiir diesen Zweck bestimmten Hausern regelmafiig zu versammeln pflegen. Nach der Vollen- dung dieses Buches wollte er noch einmal wie vor 10 Jahren das weite Ge- biet der Ethnologie auszugsweise in Form eines Leitfadens darstellen, aber der Tod nahm dem Unermiidlichen plotzlich die Feder aus der Hand. Am

Biogr. Jahrbuch u. Dcutschcr Nckrolog^. 8. Bd. ^

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2. Mai 1903 starb er noch im besten Mannesalter zu Bremen infolge einer Blinddarmentziindung. Auf dem Friedhofe zu Loschwitz bei Dresden liegt er begraben. Sein nachgelassenes Kompendium der VOlkerkunde erschien wenige Wochen sp&ter als Band 16 der von Maximilian Klar herausgegebenen Sammlung: Die Erdkunde (Leipzig und Wien 1903).

S. war ein Mann von mittelgrofier Gestalt und wenig auffalliger Gesichts- bildung. Seit friiher Jugend hatte er viel unter Krankheiten zu leiden, doch beeintr&chtigten diese nur vortibergehend seine bewunderungswtirdige Arbeits- kraft. Trotzdem der hinreifiende Flufi der Rede ihm versagt war, iibte seine PersOnlichkeit auf alle, die n&her mit ihm verkehrten, einen eigenartigen Reiz aus. Gegen Fernstehende verhielt er sich meist kiihl und schweigsam, und im Verkehr mit ihnen konnte er eine gewisse Schuchternheit nie iiberwinden. Da er auf Aufierlichkeiten wenig Wert legte, blieb ihm der Vorwurf gesell- schaftlicher Nachlassigkeit nicht erspart Wer aber sein Vertrauen gewonnen hatte, dem offenbarte er allmahlich sein iiberaus eigenartiges Innenleben. Er war eine Kiinstlernatur, durch und durch Idealist und Stimmungsmensch, phantastisch veranlagt.und einer mystischen Betrachtung des Lebens und der Auflenwelt zugeneigt. Das Transzendentale hielt er nicht fiir eine theore- tische Hilfsvorstellung, sondern fiir eine reale Macht, mit der er Beziehungen ankniipfen konnte. Gelegentlich glaubte er mit Geistern und Abgeschiedenen in Verkehr zu stehen. Seine Gedankenrichtung war eine vorwiegend intuitive. Deshalb begniigte er sich in seinen Schriften nicht mit der induktiven Weise des Sammelns, Beschreibens und Vergleichens von Einzelheiten , sondern er ver- band sie gem mit der deduktiven Methode, indem er von allgemeinen Gesetzen ausging, nach denen sich seiner (Jberzeugung gemafl das Kulturleben der Menschheit entwickelte. Sein Stil ist weit entfernt von gelehrter Trocken- heit, vielmehr fliissig, klar und gedankenreich. Soweit es der Stoff irgend zuliefi, strebte er nach kiinstlerischer Ausgestaltung und Abrundung. Schon in friiher Jugend hatte er sich als Dichter versucht. Ein Drama »Schwan- hildis«, das an eine Sage seiner Heimatgegend ankniipfte, ist im Druck er- schienen (Zwickau 1890). Neben seinen selbstandigen Werken hat er noch eine grofie Zahl von kleineren Abhandlungen in angesehenen Zeitschriften veroffentlicht, so in Petermanns Mitteilungen , im Archiv fiir Anthropologic, Globus, Ausland und Internationalen Archiv fiir Ethnographie, in den Deut- schen Geographischen Blattern, den Preuflischen Jahrbiichern , den Grenz- boten, den wissenschaftlichen Beilagen zur Leipziger und zur Munchener Allgemeinen Zeitung, in der Geographischen Zeitschrift, der Umschau, der Zeitschrift fiir Sozialwissenschaft, der Deutschen Monatsschrift, der Wiener Zeit und der Deutschen Bauzeitung.

Fr. Ratzel in der Weserzeitung vom 7. Juni 1903 und in den Deutschen Geographi- schen Blattern XXVI, 1903, S. 51—63 (mit Bibliographic). W. Wolkenhauer in der Deutschen Rundschau fiir Geographic und Statistik 1904, S. 39 (mit Bildnis).

Viktor Hantzsch.

Ruge, Sophus, * 26. Marz 1831 zu Dorum im Lande Wursten, f 23. De- zember 1903 zu Klotzsche bei Dresden, Professor der Geographic und Ethno- logie an der Kgl. Technischen Hochschule zu Dresden, einer der griindlichsten Forscher auf dem Gebiete der Geschichte der Erdkunde und des Karten-

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wesens. Als Sohn eines Arztes wuchs R. von friiher Jugend an unter dem Einflusse wissenschaftlicher Anregungen auf. Der friihe Tod des Vaters ver- anlafite die Witwfc, den Heimatsort zu verlassen und nach Stade iiberzu- siedeln, wo der Knabe das Gymnasium besuchte. Seit 1850 studierte er anfangs in Gdttingen, dann in Halle Theologie. Da er nach einiger Zeit die Uberzeugung gewann, dafi der Predigerberuf nicht seinen innersten Neigungen entsprechen wiirde, wendete er sich der Geschichte, der Geographic und der klassischen Philologie zu. Von seinen akademischen Lehrern beeinfluflten ihn namentlich Georg Waitz und Heinrich Leo. Nach Vollendung des Studienganges wirkte er zun^chst eine Zeitlang als Hauslehrer in einem Forsthause bei Einbeck, dann seit 1857 an einer Madchenschule in Stade. 1859 wurde ihm eine Lehrerstelle an der Handelsschule der Kaufmannschaft in Dresden iibertragen. Hier mufite er haupts&chlich erdkundlichen Unterricht erteilen. Dieser Umstand veranlafite ihn, dem weiten Gebiete der Geographie sein Hauptinteresse zuzuwenden. Seiner historischen Vorbildung entsprechend zog ihn namentlich die geschichtliche Entwicklung dieser Wissenschaft an. Mehrere VortrSge, die er hielt, fuhrten ihn mit Carl Andree und andern Dresdner Geographen zusammen. Der Wunsch, einander regelmafiig zu sehen und wissenschaftliche Belehrungen auszutauschen, bewog diese Fach- genossen 1863 zur Grundung des Dresdner Vereins fiir Erdkunde, den Ruge 30 Jahre hindurch als erster Vorsitzender leitete. Da er unermiidlich in der Abhaltung von Vortragen iiber allgemein interessierende Themen aus den verschiedensten Gebieten der Lander- und V&lkerkunde und in der Bericht- erstattung iiber wichtige Forschungen und Entdeckungen oder iiber verschie- dene geographische Bucher und Landkarten war, gelang es ihm, zahlreiche Angehorige der besten Gesellschaftskreise Dresdens als Mitglieder heranzu- ziehen. Zwar konnte der Verein nicht mit den groflen Gesellschaften in den europaischen Hauptstadten konkurrieren, aber unter den Provinzorganisationen nahm er eine angesehene Stellung ein, besonders da er ziemlich regelmafiig Jahresberichte mit zum Teil wertvollen wissenschaftlichen Abhandlungen und Kartenbeilagen und bei besonderen Veranlassungen auch verschiedene be- merkenswerte Gelegenheitsschriften verflffentlichte.

1864 erwarb R. in Leipzig durch eine griindliche und noch heute brauchbare Dissertation iiber den Chaldaer Seleukos den philosophischen Doktortitel. 1870 wurde er als Oberlehrer an die stadtische Annen-Realschule in Dresden berufen. Zwei Jahre spater habilitierte er sich als .Privatdozent an dem Polytechnikum daselbst, das spater in eine Technische Hochschule verwandelt wurde. Seine Probevorlesung handelte tiber das Verhaltnis der Erdkunde zu den ihr verwandten Wissenschaften. 1874 ernannte ihn das Ministerium zum ordentlichen Professor fiir Geographie und Ethnologic Als soldier hat er bis in die letzten Jahre seines Lebens Vorlesungen iiber Lander- und Vdlkerkunde, sowie iiber Geschichte der Geographie gehalten. Einen weitreichenden Einflufi iibte er durch seine Lehrtatigkeit nicht aus. Auch war es ihm nicht vergonnt, einen Kreis von Schiilern heranzubilden, die in seinem Sinn und Geiste weiter arbeiteten. Was Sachsen an jungen Geographen hervorbrachte, verdankte man nicht ihm, sondern seinen Leipziger Kollegen Oskar Peschel, Ferdinand von Richthofen und vor allem Friedrich Ratzel.

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Weit bedeutender und einflufireicher war seine schriftstellerische TStig- keit. Namentlich auf dem Gebiete der Geschichte der Erdkunde und des Kartenwesens hat er Arbeiten von dauerndem Werte hihterlassen. Seinen Ruf als einen der besten Kenner dieses Wissenschaftszweiges begriindete er dadurch, dafi er auf Oskar Peschels Wunsch dessen umfang- und inhaltreiche »Geschichte der Erdkunde« in zweiter vermehrter und verbesserter Auflage her- ausgab (Munchen 1877). Das, was an dem Buche bewahrt und allgemein als trefflich anerkannt war, die zweckm£fiige iibersichtliche Gliederung des Stoffes, die geistreiche und treffende Charakteristik der bedeutsamsten Per- sOnlichkeiten, die glfinzende Stilisierung liefi er mOglichst unverSndert. Da- gegen fiillte er mancherlei Liicken aus, verbesserte zahlreiche Versehen und Irrtiimer, erg&nzte die Literaturangaben und unterzog das Ganze einer sorg- f&ltigen Durchsicht. Das Werk hat linger als 20 Jahre alien, die auf diesem Gebiete arbeiteten, gute Dienste geleistet. Allmahlich aber begann es zuerst in Einzelheiten, die durch neuere Spezialforschungen iiberholt wurden, dann in ganzen Abschnitten zu veralten. R. fuhlte nicht mehr die Kraft in sich, eine neue Ausgabe zu veranstalten. Auch ein jiingerer Bearbeiter konnte nicht ermittelt werden, und so wurde das verdienstliche Buch 1903 durch Siegmund Giinthers » Geschichte der Erdkunde*, die den modernen Anforde- rungen entsprach, fiir .den praktischen Gebrauch vollig zu den Toten ge- worfen. In der Entwicklungsgeschichte der Wissenschaften aber wird es fur alle Zeiten einen ehrenvollen Platz behaupten.

Neben diesem zusammenfassenden Hauptwerke hat R. eine grofle Anzahl von Studien verschiedensten Umfanges iiber einzelne Perioden der Geschichte der Erdkunde oder iiber diesem Gebiet angeh6rende Personen und Ereig- nisse verftffentlicht Eine Auswahl derselben vereinigte er 1888 in einer Sammlung, die er »Abhandlungen und VortrSge zur Geschichte der Erd- kunde* betitelte und der Dresdner geographischen Gesellschaft zu ihrem 25Jahrigen Jubelfeste widmete. Zunachst ging er von der Geographie des Altertums aus. Hierher geh6rt seine schon erwahnte Dissertation iiber den Chald£er Seleukos (Dresden 1865), in der er durch geschickte Heranziehung, kritische Sichtung und einwandfreie Gruppierung des sehr zerstreuten und schwierig zu behandelnden Stoffes seine Befahigung fiir exakte historische Forschungen bewies. Daran schlossen sich spater noch zwei Aufsatze »t)ber die historische Erweiterung des Horizontes« (Globus 1879, Band 36) und iiber »Die Erdkunde bei den alten Agyptern« (23. Jahresbericht des Vereins fiir Erdkunde in Dresden 1893). Die ideenarme, meist sklavisch abschrei- bende Erdkunde des Mittelalters vermochte ihn niemals zu selbstandiger Be- arbeitung anzuregen. Dagegen wendete er sein lebhaftes Interesse dem Zeit- alter der grofien Entdeckungen zu. Diesem Gebiet gehOrt sein zweites Hauptwerk, die »Geschichte des Zeitalters der Entdeckungen^ (Berlin 1881 ff.) an, das als neunter Teil von Wilhelm Onckens Allgemeiner Geschichte in Einzeldarstellungen erschien und seinen Namen zuerst in weiteren Kreisen aufierhalb der Fachgenossen bekannt machte, da es nicht nur gelehrt und griindlich abgefaflt, sondern auch anziehend und allgemein verstandlich ge- schrieben ist. Einige Abschnitte daraus, welche die Entdeckungsgeschichte der Neuen Welt betreffen, verOffentlichte er spater nochmals in wesentlich ver- anderter Form in der Hamburgischen Festschrift zur Erinnerung an die Ent-

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deckung Amerikas (Hamburg 1892) und stark verkiirzt im Globus 1892, Band 61.

Unter alien den zahlreichen grofien und kleinen Entdeckern zog ihn namentlich die von der Parteien Hafi und Gunst verzerrte Person des Kolumbus an. Dessen getriibtes und verdunkeltes Bild kritisch zu beleuchten und von den ihm anhaftenden Legenden zu befreien, erschien ihm mit Recht als ein verdienstliches Unternehmen. Nach mehrjahrigen Forschungen trat er 1876 mit einem Vortrag iiber »Die Weltanschauung des Kolumbus« hervor. Darin schlofi er sich der schon von Peschel vertretenen Meinung an, dafl der Entdecker keineswegs ein wahrhaft grofier Mann, sondern vielmehr ein menschlich und wissenschaftlich ziemlich tiefstehender, aber von ungewOhn- lichera Gluck begiinstigter Schwarmer und Abenteurer war, der seine besten und fruchtbarsten Gedanken nicht sich selbst verdankte, sondern von Tosca- nelli entlehnt hatte. Anfangs erregte dieses Urteil heftigen Widerspruch, allmahlich aber wurde es von unterrichteten Sachkennern wie Henry Harrisse und andern bestatigt, und so konnte Ruge in einer vielbeachteten Biographie des Kolumbus, die er 1892 anlafilich des Jubeljahres der Entdeckung Amerikas in der von Anton Bettelheim herausgegebenen Sammlung »Ftihrende Geister« verdffentlichte, mit Genugtuung darauf hinweisen, dafl seine ehemals von so vielen Seiten bekSmpfte Ansicht allmahlich immer mehr Anh&nger und zu- letzt, wenigstens in Deutschland, nahezu allgemeine Anerkennung gefunden habe. Als kleine Spane, die bei seiner jahrelangen Beschaftigung mit dem Leben des Kolumbus und der andern Entdecker abgefallen waren, mftgen noch der Aufsatz »Was kostete die Entdeckung Amerikas (Globus 1893, Band 63), ferner eine kurze Geschichte der ersten Erdumsegelung (Abhand- lungen und Vortrage 1888) und eine Auseinandersetzung mit dem franzosi- schen Amerikanisten Jules Marcou iiber die Herkunft des NamensAmerika(Peter- manns Mitteilungen 1889), sowie eine Neuausgabe der merkwiirdigen, aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts stammenden Flugschrift »Copia der Newen Zeytung aus Pressilg Landt« (4. 5. Jahresbericht des Vereins fur Erdkunde in Dresden 1868) erw&hnt werden.

Wie die Kolumbusfeier des Jahres 1892, so hat R. auch andere mehr oder minder wichtige geographische Jubilaen durch Festartikel begriifit. Als man sich 1882 in Sachsen eines ritterlichen Abenteurers namens Bernhard von Miltitz erinnerte, der vor 300 Jahren den indischen und atlantischen Ozean durchsegelt und alle damals bekannten Erdteile besucht hatte, wies R. nach, dafl dieser Seefahrer keineswegs, wie man irrtumlich angenommen hatte, der erste sachsische Weltumsegler gewesen sei (Neues Archiv fur sachs. Geschichte 1882, Band 13). Als man in Portugal 1894 den Tag be- ging, an dem 400 Jahre zuvor Prinz Heinrich der Seefahrer geboren wurde, verdffentlichte er im 65. Bande des Globus eine Lebensbeschreibung und Charakteristik dieses verdienstvollen Forderers der Entdeckungen. In der- selben Zeitschrift wies er durch eine kurze, aber gehaltvolle Abhandlung 1896 darauf hin, dafl 600 Jahre seit der Riickkehr des grofien mittelalter- lichen Orientreisenden Marco Polo verflossen seien, und im folgenden Jahre feierte er an der gleichen Stelle den Gedenktag der Entdeckung des nord- amerikanischen Festlandes durch Giovanni Caboto im Sommer 1497. Auch das Jubilaum der Auffindung des Seeweges nach Ostindien 1898 beging er

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durch zwei in Berlin und Dresden gehaltene Vortrage (Verhandl. d. Ges. f. Erdkunde zu Berlin, Band .25; Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden, Band 3).

Wenn ihn auch das Zeitalter der grofien Entdeckungen vorzugsweise be- schaftigte, so vernachlassigte er doch auch nicht die neuere Geschichte der Erdkunde. Ins 17. Jahrhundert weisen seine Aufsatze iiber »Die Entdeckung des Kap Hoorn« (23. Jahresbericht des Vereins fur Erdkunde zu Dresden 1893), »Ober einige vor-Defoesche Robinsonaden« (Abhandlungen und Vor- trage 1888) und »t)ber die ersten Ansiedler auf der Robinsoninsel Juan Fernandez* (ebendort), ins 18. Jahrhundert die gleichfalls in dem eben ge- nannten Sammelwerke erschienenen Abhandlungen »Aus der Sturm- und Drangperiode der Geographie«, »Die Bedeutung des Jahres 1781 fur die Ge- schichte der Erdkunde« und »Die Afrikanische Gesellschaft in London*, deren ioojahriges Jubilaum 1888 feierlich begangen wurde, endlich ins 19. Jahrhundert seine an derselben Stelle abgedruckten Untersuchungen »Cber die Bedeutung der Jahre 1863 1888 fur die Geschichte der Erdkunde«, sowie seine Biographien Heinrich Barths, des verdienten Afrikareisenden (Jahresbericht des Vereins fiir Erdkunde zu Dresden, Heft 3, 1866), und Carl Eduard Meinickes, des grundlichen Kenners der Sudseeinseln und ihrer Be- wohner (ebendort Heft 15, 1878). Auch wichtige politische Ereignisse regten ihn gelegentlich zu historisch-geographischen Darstellungen an, so die Er- werbung deutscher Schutzgebiete im Stillen Ozean zu den Skizzen »Ge- schichte der Entdeckung der Karolinen« (Beilage zur Allg. Zeitung 1885) und »Geschichte der Erforschung des Bismarck-Archipels« (ebendort 1887), und die Eroffnung des Schienenweges nach Ostasien zu einem Vortrage iiber »Die Sibirische Eisenbahn« (Jahrbuch der Gehe-Stiftung zu Dresden 1902, Band 8).

Ein weiteres Gebiet, mit dem sich R. jahrzehntelang eingehend be- schaftigte, war die Geschichte des Landkartenwesens. Sein hierher gehoriges Hauptwerk ist »Die Entwicklung der Kartographie von Amerika bis i57o« (Erganzungsheft 106 zu Petermanns Mitteilungen 1892). Kleinere Aufsatze behandelten »KompaB und Kompafikarten« (Programm der Handelsschule zu Dresden 1868), »Das Fretum Anian«, die heutige Beringsstrafie (Programm der Annen-Realschule daselbst 1873), »Das unbekannte Siidland« (Deutsche geogr. Blatter 1895, Band 18) und »Valentin Ferdinands Beschreibung der Azoren« (27. Jahresbericht des Vereins fiir Erdkunde zu Dresden 1901). Diesen schliefit sich seine letzte, leider nicht vollig zum Abschlufl gekom- mene Arbeit »Topographische Studien zu den portugiesischen Entdeckungen an den Kiisten Afrikas« (Abh. d. phil.-hist. Klasse der Kgl. Sachs. Ges. d. Wiss. 1903, Band 20) an. Einige andere Abhandlungen beschaftigen sich mit der Geschichte der kartographischen Darstellung Deutschlands und seiner Nebenlander, so »Ein Jubilaum der deutschen Kartographie« (Globus 1891, Band 60), ein Hinweis auf die angeblich 149 1 im Druck erschienene, von dem Kardinal Nikolaus von Cusa entworfene Karte von Mitteleuropa, ferner »Amos Comenius als Kartograph« (ebendort 1892, Band 61) und »Die An- fange der Kartographie von Deutschland« (Verh. des 7. intemat. Geographen- Kongresses zu Berlin 1899). Auch fiir eine von ihm beabsichtigte, aber nicht zur Ausfiihrung gekommene Darstellung der Entwicklung des Kartenwesens in seinem zweiten Vaterlande Sachsen trug er mehrere Bausteine heran, so

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eine kurze »Geschichte der s&chsischen Kartographie im 16. Jahrhundert* (Zeitschrift fur wisscnsch. Geographie 1881, Band 2) und eine Lichtdruck- reproduktion der meisten Blatter der von dem Markscheider Matthias Oeder in den Jahren 1586 bis 1607 durchgefiihrten ersten Landesaufnahme Kur- sachsens (Dresden 1889). Auch sonst hat er die landeskundliche Literatur uber Sachsen durch mehrere weniger fiir Fachgelehrte, als vielmehr fur das grofie Publikum berechnete Ver6ffentlichungen bereichert, so durch eine »Geschichte des Augustusbades bei Radeberg« (Dresden 1880) und eine in der von A. Scobel herausgegebenen Sammlung »Land und Leute« erschie- nene Schilderung Dresdens und der S&chsischen Schweiz (Bielefeld u. Leipzig 1903), Sehr zahlreiche kleine Aufsatze hat er aufierdem zu den Zeitschriften der Touristenvereine fiir die S&chsische Schweiz, das Erzgebirge und das BOhmische Mittelgebirge beigesteuert.

Man wiirde die literarische Produktion R.s nicht vollst&ndig charakteri- sieren, wenn man nicht auch seiner padagogischen Schriftstellerei und seiner T&tigkeit als Kritiker gedenken wollte. Seine Lehrbucher und Leitfaden fiir den geographischen Unterricht (Geographie fiir Handelsschulen und Real- schulen 1864, Kleine Geographie 1*878, Dresdner Schulatlas 1892), sowie sein Lesebuch fiir Handelsschulen sind aus seiner langj&hrigen Praxis als Lehrer hervorgegangen. Sie wurden an vielen Schulen eingefuhrt, erlebten mehrere Auflagen und sind noch heute hier und da in Gebrauch. Als Kritiker hat er in vielen Zeitschriften, namentlich seit 1887 in den Literaturberichten zu Petermanns Mitteilungen, seit 1895 auch in Hermann Wagners Geographi- schen) Jahrbuch, die neuesten Erscheinungen auf dem Gebiete der Geschichte der Erdkunde mit Sachkenntnis besprochen. Besonders bemerkenswert sind seine ausfiihrlichen Referate iiber NordenskiOlds Faksimileatlas und Periplus (Deutsche geogr. Blatter 1890 und 1900) und iiber die grofle italienische Raccolta Colombiana (Petermanns Mitteilungen 1895).

An Ehrungen und Anerkennungen hat es R. wahrend seines langen arbeitsreichen Lebens nicht gefehlt. Der KOnig von Sachsen verlieh ihm den Titel eines Geheimen Hofrats, die geographischen Gesellschaften zu Berlin, Amsterdam und Lissabon ernannten ihn zum korrespondierenden, die zu Dresden, Leipzig, Hamburg und Miinchen zum Ehrenmitglied. Auch ge- hdrte er der philologisch-historischen Klasse der Gesellschaft der Wissen- schaften zu Leipzig und der Kftniglichen Kommission fiir sachsische Ge- schichte daselbst an.

Nachrufe in den Dresdner Tagesblattern. J. Partsch im >Geographischen Anzeiger* 1 901, II, S. 33—35 (mit Bildnis). A. Kohut im »Globus« 1901, LXXIX, S. 174—175 (mit Bildnis). V. Hantzsch in der » Geographischen Zeitschrift* 1904, X, S. 65 74. S. GQnther in der Beilage zur »AIlg. Zeitung« 1904, Nr. 18, S. 140. »Zeitschrift fur Schul- geographie« 1904, XXV, S. 129. H. Haack im »Geographen-Kalender«c 1904/05, II, S. 201 bis 202. L. Hugues, Sophus Ruge. Cenni biografici e bibliografici. Torino 1904.

Viktor Hantzsch.

Radde, Gustav Ferdinand Richard, Reisender und Naturforscher, * 27. No- vember 1831 zu Danzig als Sohn eines unbemittelten Schullehrers und Kiisters, f in der Nacht vom 15. 16. M£rz 1903 zu Tiflis. In diirftigen Verhaltnissen heranwachsend besuchte R. die Realschule seiner Vaterstadt. Da die Mittel zu weiteren Studien nicht ausreichten, trat er in die Ratsapotheke als

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Lehrling ein. Hier benutzte er jede freie Stunde zur Erweiterung seiner natur- wissenschaftlichen Kenntnisse. Sein Lemeifer erregte die Aufmerksamkeit des Professors Anton Menge, der sich seiner annahm, ihn mit Ratschlagen und Biichern unterstiitzte und ihm ein Reisestipendium der Danziger Natur- forschenden Gesellschaft verschaffte. Mit diesem Gelde und mit Empfehlungen des russischen Konsuls von Adelung, eines Sohnes des beruhmten Sprach- forschers, begab er sich 1852 nach der Krim, wo er den Botaniker Christian Steven traf, den er auf seinen Sammelreisen begleitete und fur dessen litera- rische Arbeiten er eine Reihe von Zeichnungen entwari Fast drei Jahre lang durchwanderte er die Halbinsel nach alien Richtungen, erforschte die Flora und Fauna und untersuchte auch das organische Leben des Asowschen Meeres, bis ihn die durch den Krimkrieg hervorgerufene Unsicherheit ver- scheuchte. Mehrere Abhandlungen, die 1854 55 in den Schriften der Moskauer Naturforschenden Gesellschaft erschienen (Uber das Tierleben am Faulen Meer, Versuch einer Pflanzenphysiognomik Tauriens, Beitrfige zur Ornithologie Sudrufllands), erregten die Aufmerksamkeit der russischen Gelehrten, und so wurde er im Friihjahr 1855 von der Kaiserlichen Geographischen Gesellschaft nach Petersburg berufen, um eine Forschungsreise nach dem siiddstlichen Sibirien zu unternehmen. Im April verliefl er wohlausgeriistet die Hauptstadt und begab sich in moglichster Eile nach Irkutsk, wo er Ende Mai eintraf. Nachdem er mehrere Wochen die nahere Umgegend dieses Ortes, namentlich das Tal der Angara durchstreift hatte, um sich mit Land und Leuten bekannt zu machen, begann er die Tiere und Pflanzen des Baikal sees und seiner Uferlandschaften zu erforschen. Zunachst fuhr er an der Westkiiste entlang bis zur Nordspitze, besuchte dann in Transbaikalien die Mineralquellen von Turkinskoje und das Mundungsgebiet der Selenga und kehrte im Sp&therbst nach Irkutsk zuriick. Den Winter verbrachte er teils mit der Ordnung und Erganzung seiner reichen Sammlungen, teils mit Sprachstudien und Jagd- ausfliigen. Im MSrz 1856 fuhr er abermals uber den Baikalsee, verfolgte den Lauf der Selenga bis zur chinesischen Grenze, uberstieg das Apfelgebirge, erreichte auf der transbaikalischen Poststrafie die Kreisstadt Tschita und ver- lebte den Friihling an dem durch sein Tierleben merkwurdigen Tareinor. Um dieses Leben auch im Hochsommer und im Herbst beobachten zu konnen, hielt er sich noch zweimal lingere Zeit an diesem See auf. Die Zwischen- pausen verbrachte er mit Ausflugen in das mongolische Gebiet jenseits der Grenze, in die TSler der Fliisse Schilka, Argunj und Onon und ins Sochondo- gebirge, dessen h6chsten Gipfel er bestieg. Den November verwendete er zu ergiebigen Streifziigen durch das Apfelgebirge und nach den 6stlichen Zu- fliissen der Selenga. Dann kehrte er uber den gefrorenen Baikalsee im Januar 1857 nach Irkutsk zuriick, wo er bis Ende Marz im Winterquartier blieb. Im Friihjahr unternahm er zunichst eine Reise nach der wichtigen Handelsstadt Kjachta an der chinesischen Grenze. Dann begab er sich wieder nach Tschita. Hier bestieg er ein Flofl und fuhr, begleitet von drei Kosaken und einem Tungusen, zunachst die Fliisse Ingoda und Schilka, dann den Amur abwarts bis zur Miindung des Ussuri. An giinstigen Stellen landete er, um seine Sammlungen zu vervollst£ndigen. Dort, wo das Burejagebirge dicht an das linke Ufer des Amur herantritt, fand er einen Ort, der ihm sehr geeignet zur Errichtung einer Niederlassung erschien. Er baute sich

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deshalb aus den Balken seines Flosses ein Blockhaus, trat mit den umwohnen- den Tungusen in freundschaftliche Beziehungen und untersuchte auf zahl- reichen Exkursionen die Flora und Fauna der Gegend. Da der Erfolg seiner Forschungen die Erwartungen weit iiberstieg, blieb er, wenn auch unter manchen Entbehrungen, den ganzen Winter hier. Im Friihjahr 1858 wurde in der N£he seines Hauses durch den Generalgouverneur Grafen Murawiew eine noch heute bliihende Niederlassung von Kosakenfamilien angelegt und nach seinem Namen Raddewka genannt. Nachdem er auch den Sommer unermudlich sammelnd und beobachtend teils hier, teils in der Mandschurei verlebt hatte, holte ihn im Spatherbst ein Regierungsdampfer ab und brachte ihn mit seinen naturwissenschaftlichen Sch&tzen nach Blagowetschensk. Von hier aus fuhr er im Schlitten am russischen Ufer des Amur entlang und dann auf der transbaikalischen PoststraBe bis zum Baikalsee. Im Januar 1859 traf er wieder in Irkutsk ein. Im Friihjahr brach er abermals auf, um die Urn- gebung des grofien, von Tieren reich belebten Sees Kossogol, das Sajanische Gebirge und das Quellgebiet der oberen Zufliisse des Jenissei, namentlich der Oka und des Irkut zu durchforschen. Ein Versuch, durch die Mongolei nach der Gobi vorzudringen, scheiterte an dem Widerstand der Grenzbehdrden. Er begab sich deshalb im Oktober wieder nach Irkutsk, verpackte seine iiberaus reichen und wertvollen Sammlungen und kehrte dann nach Peters- burg zuriick, wo er im Januar i860 ankam. Hier wurde er zum Konservator bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften ernannt. Die nachsten Jahre verwendete er zur Ordnung und Bestimmung der mitgebrachten Natur- gegenstande, die er dem Museum der Akademie iiberwies, sowie zur Aus- arbeitung eines umfangreichen Reisewerkes. Zunachst erschien ein Vorl&ufer unter dem Titel »Berichte iiber Reisen im Siiden von Ostsibirien* als 23. Band der von K. E. von Baer und G. von Helmersen herausgegebenen Beitrage zur Kenntnis des russischen Reiches (St. Petersburg 1861). Dann folgte in deut- scher und russischer Ausgabe das mit vielen .Tafeln und Karten ausgestattete zweibandige Hauptwerk »Reisen im Siiden von Ostsibirien in den Jahren 1855 59« (St. Petersburg und Leipzig 1862 63), worin er die Saugetiere und Vogel des von ihm erforschten Gebietes ausfiihrlich behandelte. Dieses Buch brachte ihm mancherlei Anerkennung. Die Universitat Dorpat ernannte ihn zum Magister, Breslau zum Dr. phil., und die Petersburger Akademie ehrte ihn durch Uberreichung ihrer Demidow-Pramie. Auch in Zeitschriften hat er in kiirzerer Form den Verlauf seiner Reise oder einzelne Erlebnisse derselben geschildert, so in Petermanns Mitteilungen (drei VortrMge iiber Sibirien und das Amurland i860 61), in den VerSffentlichungen der Akademie und der Kaiserlich russischen geographischen Gesellschaft und in der deutschen St. Petersburger Zeitung. Auch einige kleinere wissenschaftliche Reisen fallen in diese Jahre. So begleitete er im Sommer i860 den Akademiker von Brandt nach dem Gouvernement Cherson zur Hebung eines Mastodon am Flusse Ingul und 1862 den beriihmten Naturforscher von Baer nach Sudruflland zur Anstellung von Untersuchungen iiber die zunehmende Verflachung des Asow- schen Meeres und iiber die geologischen Verhaltnisse der Manytschniederung. Einen Wendepunkt seines Lebens bildete das Jahr 1863, das ihn nach dem Schauplatz seines ferneren Lebens und Forschens, dem Kaukasus, fiihrte. In diesem Jahre wurde ihm namlich die Stelle eines Assistenten am

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astronomisch-physikalischen Observatorium in Tiflis iibertragen. Der damalige Statthalter Groflfiirst Michael Nikolajewittfch lernte seine wissenschaftliche Tiichtigkeit sch&tzen und beauftragte ihn mit der biologisch-geographischen Erforschung des gesamten Kaukasusgebietes. Diesem ehrenvollen Auftrage folgend hat er vierzig Jahre hindurch fast jeden Sommer, sofern ihn nicht andere Arbeiten abhielten, mit Reisen durch jene Gebirgslandschaften zu- gebracht und die Wintermonate zur wissenschaftlichen Verarbeitung seiner Sammlungen und Beobachtungen verwendet. Den grOflten Teil dieser Samm- lungen iiberwies er in uneigennutziger Weise dem neugegrundeten Kaukasi- schen Museum in Tiflis, zu dessen Direktor er ernannt wurde und das er bald in alien fiinf Abteilungen, der geologischen, zoologischen, botanischen, ethnographischen und archaologischen, auf eine achtunggebietende H6he zu heben verstand. Namentlich pflegte er das Herbarium des Instituts, das all- mahlich bis auf 3000 genau bestimmte, dem Kaukasusgebiete angehorige phanerogamische Arten anwuchs. Auch brachte er eine sehr ansehnliche Sammlung von Buchern iiber den Kaukasus zusammen, die er mit solchem Verstandnis zu vermehren wufite, dafl ihn die Regierung im Nebenamte auch zum Leiter der Kaiserlichen Bibliothek in Tiflis ernannte. Von seinen Reisen, liber die er fast alljahrlich kurze Berichte in Petermanns Mitteilungen ver- (Jffentlichte, sind hauptsSchlich folgende bemerkenswert : 1864 besuchte er Mingrelien, Svanetien und die drei kolchischen Hocht&ler. 1865 durchwanderte er Abchasien, uberschritt den Nacharpafl und erstieg den Elbrus bis zur H5he von 4360 m. Die Ergebnisse seiner Forschungen in beiden Jahren stellte er in den »Berichten iiber die biologisch-geographischen Untersuchungen in den Kaukasusl&ndern« (Tiflis und Leipzig 1866, russisch und deutsch) zusammen. 1866 bereiste er zum ersten Male die noch wenig bekannte Landschaft Talysch am Sudwestufer des Kaspischen Meeres. 1867 durchzog er das russische Armenien, namentlich die Gegend von Kars und das Quellgebiet der Kura. 1868 unternahm er eine Reihe von beschwerlichen Hochtouren am Kasbek, im folgenden Jahre am Ararat. 1870 begab er sich zum zweiten Male nach Talysch und fuhr dann iiber den Kaspisee nach Krasnowodsk, wo er mit dem Grofifiirsten Konstantin Nikolajewitsch zusammentraf, den er auf einer kaspischen Rundreise begleitete. 187 1 erforschte er das Flufigebiet des Aras und den Goktschaisee, bestieg den Alag6s, sowie den grofien und kleinen Ararat, besuchte mehrere Kurdenstamme und gelangte bis an den Oberlauf des Euphrat. In den beiden n&chsten Jahren mufite er auf Forschungsreisen verzichten, da er 1872 von der Regierung nach Moskau zur polytechnischen Ausstellung und 1873 nach Wien zur Weltausstellung abgesandt wurde, um die kaukasischen Abteilungen einzurichten und zu uberwachen. Im Anschlufi an seinen Wiener Aufenthalt trat er eine Wanderung durch Deutschland an, um in den grofieren Stadten eine Reihe von Vortragen iiber die Kaukasus- lSnder zu halten. Den Text derselben liefi er 1874 in Gotha unter dem Titel: Vier Vortrage iiber den Kaukasus, als Erganzungsheft 36 zu Petermanns Mitteilungen im Druck erscheinen. In den Sommern 1874 und 1875 bereiste er teils mit seinem Freunde G. Sievers, teils mit anderen deutschen Gelehrten das russische, persische und tiirkische Armenien, namentlich die Gegend um Erzerum und um den machtigen erloschenen Vulkan Bing6l-dagh. Im folgen- den Jahre besuchte er das kleine christliche Volk der Chewsuren und ihre

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Nachbarn, die Pschawen, Tuschen und Kisten, die in den Hocht&lern des Groflen Kaukasus nahe dem Kasbek wohnen. Die wichtigen ethnologischen Ergebnisse dieserReise verflffentlichte er in einer umfangreichen, durch viele Ab- bildungen erlauterten Monographic: Die Chewsuren und ihr Land (Kassel 1878). Das Jahr 1877 brachte eine Reihe von Wanderungen im Kuratal abw£rts bis nahe zur Miindung. 1878 ging er als Abgesandter der russischen Regierung nach Paris zur Weltausstellung und zum internationalen Botanikerkongrefi. Im Herbst 1879 brach er zum dritten Male nach Talysch auf, wo er zur Ver- vollstandigung seiner ornithologischen Sammlungen bis zum August 1880 verweilte. Dabei fuhrten ihn seine Streifzuge wiederholt iiber die persische Grenze bis nach Ardebil, zum Sawalan und nach Rescht. 1881 war er mit der Uberwachung eines notwendig gewordenen Erweiterungsbaues am Kau- kasischen Museum und der dadurch bedingten Umordnung der Sammlungs- gegenstande, sowie mit der Vorbereitung des in Tiflis abgehaltenen russischen Archaologenkongresses beschaftigt, an den sich eine Reise der Teilnehmer nach Kutais und an den unteren Rion zur* Besichtigung der dortigen Alter- tumer anschlofl. Die n&chsten Jahre verbrachte er, teils veranlaflt durch seinen Gesundheitszustand, teils von dem Wunsche beseelt, die bisherigen Ergebnisse seiner Studien ubersichtlich zusammenzufassen, mit literarischen Arbeiten. Als Frucht derselben erschienen drei umfangreiche, mit Tafeln und Karten ausgestattete Werke: Ornis catuaskay die Vogelwelt des Kaukasus systematisch und biologisch-geographisch beschrieben (Kassel 1884), Reisen an der persisch- russischen Grenze, Talysch und seine Bewohner (Leipzig 1886), und Die Fauna und Flora des siidwestlichen Kaspigebiets (Leipzig 1886). 1885 nahm er seine Reisetatigkeit wieder auf. Zun£chst besuchte er die Hochalpen von Daghestan, namentlich das Gebiet zwischen Schah-dagh, Dulty-dagh und Bogos, um die Hohengrenzen der Tier- und Pflanzenverbreitung kennen zu lernen. Einen ausfuhrlichen Reisebericht verQffentlichte er als Erganzungsheft 85 zu Peter- manns Mitteilungen (Gotha 1887). 1886 wurde er vom russischen Kaiser mit der Leitung einer wissenschaftlichen Expedition nach Transkaspien und Chorassan beauftragt. Von Krasnowodsk aus gelangte er auf der neuerflffneten transkaspischen Eisenbahn durch die Turkmenensteppe bis Aschabad. Hier hielt er sich l£ngere Zeit auf und unternahm mehrere nicht ungefahrliche Ausfluge durch das erst kiirzlich eroberte und noch keineswegs v6llig beruhigte Land. Nachdem er seine reichen Sammlungen nach Krasnowodsk gebracht hatte, fuhr er l£ngs der Ostkuste des Kaspischen Meeres nach Siiden, unter- suchte das Miindungsgebiet des Atrek und zog an der persisch-russischen Grenze hin landeinwarts wieder nach Aschabad. Von hier aus erfolgten grOflere Exkursionen nach Tedschen, Merw und Meschhed. Auch drang er bis iiber die afghanische Grenze vor und untersuchte den Lauf der Fliisse Murgab und Heri Rud. Im September traf er wieder in Tiflis ein. Die Be- arbeitung der Ergebnisse dieser Reise verursachte mancherlei Schwierigkeiten, so dafl erst 1898 ein Bericht als Erganzungsheft 126 zu Petermanns Mit- teilungen erscheinen konnte. Im Hochsommer 1887 beabsichtigte er die ossetischen Alpen zu besteigen, doch mufite er diesen Plan wegen eines hartnackigen Fufileidens aufgeben. 1888 begleitete er, einer ehrenvollen Einladung folgend, den Grofifiirsten Nikolai Michailowitsch und den Prinzen Nikolai von Mingrelien auf einer Reise durch den Kaukasus. Im folgenden

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Jahre unternahm er zu seiner Erholung eine Rundfahrt durch das westliche Europa. In London wurde ihm bei dieser Gelegenheit von der Geographi- schen Gesellschaft ihre hSchste Auszeichnung, die Viktoriamedaille, iiberreicht. Nach der Riickkehr unternahm er noch in demselben Jahre eine fluchtige Reise quer durch Turkestan bis nach Samarkand. Im Friihjahr 1890 besuchte er gemeinsam mit dem Geologen Valentin die russisch-persische Grenzland- schaft Karabagh in Armenien und veroffentlichte einen Bericht als Erganzungs- heft 100 zu Petermanns Mitteilungen (Gotha 1890). Vom September desselben Jahies an begleitete er die Groflfiirsten Alexander und Sergei Michailowitsch auf ihrer Reise durch Vorder- und Hinterindien bis nach Amboina. Nach der Heimkehr wurde er mit der Ausarbeitung eines groflen Prachtwerkes iiber diese Fahrt beauftragt, das unter dem Titel » 23 000 Meilen auf der Jacht Tamara« in russischer Sprache in St. Petersburg erschien und von dem ein- zelne Abschnitte auch in deutschen geographischen Zeitschriften (Globus, Umschau, Jahresberichte des Vereins far Erdkunde zu Dresden) Aufnahme fanden. Im Sommer 1893 erfortchte er die dstlichen Uferlandschaften des Schwarzen Meeres, namentlich die Gegend von Batum bis zur turkischen Grenze und die Miindungsgebiete des Rion und des Kuban. Dann drang er in den Groflen Kaukasus ein, um die engumgrenzten Verbreitungsgebiete des Wisent und des Steinbocks kennen zu lernen (Bericht im Erg&nzungsheft 112 zu Petermanns Mitteilungen, Gotha 1894). Im n&chsten Jahre besuchte er das von der grusinischen Heerstrafie durchzogene Hochgebirgsgebiet, dann die Steppen zwischen den Flussen Terek und Kuma und die Landschaft Daghestan mit ihren schneebedeckten Hochgipfeln (wissenschaftliche Ergeb- nisse im Erg&nzungsheft 117 zu Petermanns Mitteilungen, Gotha 1895). In den Jahren 1895 und 1897 begleitete er den kranken Groflfiirsten-Thronfolger Georg Alexandrowitsch auf seinen Fahrten nach den nordafrikanischen Kusten- l&ndern, nach Algier, Tunis und dem Rande der Sahara. Seitdem zwang ihn zunehmende Altersschw&che, von grdfleren Reisen abzusehen. Er ging deshalb nunmehr daran, das Gesamtergebnis seiner wissenschaftlichen Lebens- arbeit in zwei groflen Werken zusammenzustellen. Das eine behandelt die Grundziige der Pflanzenverbreitung in den Kaukasuslandern (Leipzig 1899, Band 3 derSammlung: Die Vegetation der Erde, herausgegeben von A. Engler und O. Drude), das andere gibt in russischer und deutscher Sprache einen Uberblick iiber die Sammlungen des Kaukasischen Museums (Tiflis und Berlin 1899 ff., Band 1 2: Zoologie und Botanik von Radde selbst bearbeitet, die folgenden B&nde unter seiner Mitwirkung entstanden). Mitten unter den Vorarbeiten zu einer groflen zusammenfassenden biologisch- geographischen Monographic der Kaukasusl&nder ereilte ihn nach l&ngerem schwerem Leiden der Tod.

R. war ein seltener Mensch von ungewohnlicher Arbeitskraft und erstaun- licher Vielseitigkeit, ein Autodidakt im besten Sinne des Wortes. Ohne jede akademische Vorbildung gelang es ihm durch Fleifl und Energie, sich einen guten Uberblick auf dem Gesamtgebiete der Naturwissenschaften, der Geo- graphic und Ethnologie und bedeutende Spezialkenntnisse in der Botanik und Zoologie zu erwerben. Sein Hauptverdienst ist die wissenschaftliche Er- schlieflung der Kaukasusiander durch seine vielen Reisen, durch zahlreiche Schriften und Aufsatze verschiedensten Umfangs und durch den musterhaften

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Ausbau des Kaukasischen Museums, dem er seine wertvollen Sammlungen tiberwies und das er mit viel Verstandnis, Geschmack und Liebe ausstattete und leitete. An Ehrungen und Anerkennungen hat es ihm w&hrend seines langen arbeitsreichen Lebens nicht gefehlt. Der russische Kaiser verlieh ihm den Titel eines Geheimrats mit dem Pradikat Exzellenz. Viele gelehrte Gesellschaften des In- und Auslandes ernannten ihn zu ihrem korrespondieren- den oder Ehrenmitglied Mit mehreren Fiirstlichkeiten, namentlich mit einigen Grofifiirsten und dem Kronprinzen Rudolf von Osterreich, stand er in freund- schaftlichen Beziehungen und erreichte durch ihre Vermittlung manche F6rde- rung seiner wissenschaftlichen Arbeiten. Er gehort mit zu den besten jener deutschen Gelehrten, die sich um die geistige Kultur Rufilands unvergangliche Verdienste erworben haben. Trotz seiner Liebe fiir sein zweites Vaterland blieb er stets ein guter Deutscher und unterhielt dauernd die engste Fiihlung mit der deutschen Wissenschaft.

»Globus« 25, 1874, S. 22—24 (mit Bildnis); 58, 1890, S. 241 244, 273 275, 300 302. Moritz von D^chy im »Geographischen Anzeiger* 3, 1902, S. 161 163 (mit Bildnis). Beilage zur »Allgemeinen Zeitung« 1903, Nr. 76. W. VVolkenhauer in der » Deutschen Rundschau fUr Geographic und Statistik* 1903, S. 571 573 (mit Bildnis). »Leopoldina« 1903, Nr. 11 und 12. Viktor Hantzsch.

Schneider, Oskar, Naturforscher, Geograph und Schulmann, * 18. April 1 841 zu Lobau in der sachsischen Oberlausitz, f 8. September 1903 zu Blasewitz. S. war der Sohn des Archidiakonus Johannes Schneider. Da der Vater ein eifriger Blumen- und Tierfreund war, empfing der Knabe schon in friiher Jugend Eindriicke, die sein Interesse fiir die ihn umgebende Natur erweckten. Er sammelte Kafer und Schmetterlinge, zog kleine Tiere aller Art auf, trug Kristalle und Versteinerungen zusammen und legte sich ein Her- barium an. Bis zum 13. Jahre besuchte er die Biirgerschule seiner Vater- stadt. Dann trat er in das Gymnasium zu Bautzen ein, das er nach wohl- bestandener Abgangspriifung im Herbst i860 verliefl, um sich in Leipzig auf Wunsch seiner Angehorigen dem Studium der Theologie zu widmen. Da- neben hdrte er auch eine grofle Zahl von naturwissenschaftlichen und geo- graphischen Vorlesungen und schlofi sich eng an den ausgezeichneten Leipziger Mineralogen und Geognosten Karl Friedrich Naumann an. Dieser empfahl ihm, sich ganz der Geologie zuzuwenden und als Probe seines K6nnens eine grundliche Untersuchung der Gesteine des ihm von Jugend an wohlbekannten L6bauer Berges vorzunehmen. S. wendete sich w&hrend der akademischen Ferien diesem Unternehmen mit Eifer zu und liefi bereits 1863 einen vor- laufigen Bericht iiber seine Beobachtungen in den Abhandlungen der Natur- forschenden Gesellschaft zu Gorlitz erscheinen. Da ihn indes seine Ver- mogensverhaltnisse nOtigten, m6glichst schnell eine sichere Lebensstellung zu suchen, unterzog er sich im folgenden Jahre der theologischen Kandidaten- priifung und nahm bald darauf einen Posten als Hauslehrer bei einem Fabrikanten in Glaneck bei Salzburg an. Die reichliche Mufie, die ihm dieses Amt liefi, verwendete er zur weiteren Ausarbeitung seiner geognosti- schen Beschreibung des Lobauer Berges, namentlich zur Herstellung einer Karte. Im Herbst 1865 sandte er die Abhandlung an seinen Lehrer Nau- mann ein, und durch dessen Vermittlung erwarb sie ihm unter ErlaB der

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miindlichen Prufung den Doktortitel der Leipziger philosophischen Fakultat. Im folgenden Jahre wurde sie nebst der Karte in den Abhandlungen der Naturforschenden Gesellschaft zu Gdrlitz gedruckt Auch sonst verwendete er seinen Salzburger Aufcnthalt nach KrSften zur Erweiterung und Vertiefung seiner naturwissenschaf tlichen Kenntnisse und zur Abfassung der in den Schriften der Isis zu Dresden erschienenen Aufs&tze: Uber die Salzburger Kalkalpen, 1866, Meteorologische Beobachtungen auf dem Untersberg und Reise iiber die Hohen Tauern, beide 1867.

Ostern 1866 legte er sein Amt nieder und kehrte nach Sachsen zuriick. In Dresden erhielt er eine Lehrerstelle an der Privatschule des Direktors B5ttcher. Gleichzeitig bereitete er sich auf die zweite theologische Prufung vor, die er im Friihjahr 1867 glticklich bestand. Durch wiederholte 6ffent- liche Predigten bewies er, dafl er dem Gedanken, in den geistlichen Stand einzutreten, noch nicht vOllig entsagt hatte. Da erging im Herbst desselben Jahres die Aufforderung an ihn, die Stellung eines Erziehers im Hause des preuflischen Generalkonsuls Theremin in Agypten zu Ubernehmen. Diesem Rufe folgte er um so lieber, als sich ihm dadurch die Aussicht auf ergebnis- reiche naturwissenschaftliche Forschungen in fernen, noch wenig untersuchten Gebieten erflffnete. Um mfiglichst wohl vorbereitet die Reise anzutreten, erbat er sich Instruktionen von Rohlfs, Schweinfurth, Lepsius und andern griindlichen Kennern des Landes. Kaum war er in seinem Bestimmungsort Ramie bei Alexandrien angelangt, so begann er sogleich mit dem Sammeln von Tieren, Pflanzen und Mineralien, aber auch von Kunstwerken und Alter- tiimern. Durch Vermittlung seines Hausherrn lernte er zahlreiche hohe Beamte und andere einflufireiche Manner kennen, die ihm mancherlei F6rderung an- gedeihen liefien. In den Ferien durchstreifte er das Land nach alien Rich- tungen und drang mehrfach bis nach Ober&gypten vor. Beinahe ware er einer Einladung Georg Schweinfurths gefolgt, ihn auf seiner groGen Reise in das Herz Afrikas zu begleiten, doch hielt ihn die Nachricht von einer schweren Erkrankung seines Vaters davon ab. Die Osterzeit 1868 benutzte er zu einem mehrwdchentlichen Ausflug nach der Sinaihalbinsel und nach den heiligen St&tten Palastinas. Bei der Riickkehr fand er Gelegenheit, das eigenartige Tierleben zu untersuchen, das sich in dem beinahe fertiggestellten Suezkanal zu bilden begann. Im Sommer 1869 beabsichtigte er einen wissenschaftlich brauchbaren Katalog der von Teschendorf nur un genii gen d durchforschten , an Handschriften der griechischen Kirchenvater reichen Patriarchalbibliothek in Kairo anzufertigen, doch wurde diese Absicht ver- eitelt, da Generalkonsul Theremin nach Europa abreiste und S. sich dadurch gezwungen sah, seine Stellung aufzugeben. t)ber Italien, das er bei dieser Gelegenheit fluchtig kennen lernte, kehrte er nach seiner Heimat zuriick. Noch im Herbst 1869 wurde er zum Oberlehrer am Freimaurerinstitut, einer Knabenerziehungsanstalt in Dresden, ernannt. Die reichen Ertragnisse seiner agyptischen Forschungen legte er im Laufe der Jahre in einer Reihe von Aufsatzen nieder, die meist in den Sitzungsberichten und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden, aber auch in andern Zeitschriften oder als Schulprogramme und Sonderdrucke erschienen: Uber agyptische Skorpione (1870), t)ber die Entstehung des Toten Meeres, Bei- trMge zur Kenntnis der agyptischen und palastinischen Insektenfauna, Die

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Flora der Wiiste von Ramie, Ober die Konchylienfauna der agyptischen Mittelmeerkiiste, Die Kaferfauna von Ramie, Uber nutzbringende Holzer Palastinas (samtlich 1871), Beitrage zur Kenntnis der griechisch-orthodoxen Kirche Agyptens (1874), Ober Anschwemmung von antikem Arbeitsmaterial an der Alexandriner Riiste (1883), Die Schwefelminen am Ras el Gimse, Cber den roten Porphyr der Alten (beide gleichfalls 1883), Der agyptische Granit und seine Beziehungen zur alten agyptischen Geschichte (1887), Der Chamsin und sein Einflufi auf die niedere Tierwelt (Festschrift des Vereins fur Erdkunde zu Dresden 1888), Der agyptische Smaragd (Zeitschrift fur Ethnologie 1892), endlich: Ein Ausflug in die Tiergeographie und in die alt- agyptische Gotterwelt (1900).

Durch den Aufenthalt in Agypten war S.s Reiselust machtig angeregt worden. Er benutzte deshalb auch in seiner neuen Stellung wenigstens die Ferien zu ausgiebigen Wanderungen. 1870 besuchte er mit Rudolf Virchow die Lausitz zur Erforschung der dortigen Schlackenwalle (Zeitschrift fur Ethnologie 1870, S. 257 267), im folgenden Jahre die Schweiz und Ober- italien (Botanische Beobachtungen in Oberitalien, Isis 1872). Bald darauf vertauschte er sein Lehramt mit einem weniger anstrengenden an der stadti- schen Annen-Realschule zu Dresden, die er, wenn auch mit mehrfachen Unter- brechungen durch Urlaub, iiber 20 Jahre lang bis zu seiner 1893 erfolgten Pensionierung bekleidete. Zu seiner groflen Freude wurde ihm der geo- graphische und naturwissenschaftliche Unterricht ubertragen. Diesen suchte er vor allem moglichst anschaulich zu gestalten. Mit vieler Miihe, aber ohne grofle Kosten, brachte er eine reiche und sehenswerte Sammlung von Natur- objekten und geographischen Anschauungsmitteln zusammen. Die letztere umfafite hauptsachlich Karten, Globen, Reliefs, Landschaftsansichten, Volker- typen, Trachtenbilder, ethnographische Gegenstande, charakteristische Industrie- erzeugnisse, Handelswaren und Tauschmittel. Durch eine Schrift uber die Notwendigkeit und Einrichtung geographischer Schulsammlungen (Zeitschrift fur das Gymnasialwesen 1877) suchte er auch weitere Kreise fiir seine Be- strebungen zu interessieren. Damit es auch fiir die Hand der Schiiler an einem moglichst vielseitigen geographischen Lehr- und Anschauungsmittel nicht fehlen sollte, gab er nach jahrelangen Vorarbeiten unter Mitwirkung der namhaften Zeichner W. Claudius, H. Leutemann, G. Mutzel und C. F. Seidel seinen Typen-Atlas heraus (Dresden 1881, 4. Auflage 1892). Dieser naturwissenschaftlich-geographische Handatlas bringt auf 15 Tafeln in treff- lichem Holzschnitt mehrere hundert Objekte aus der Menschen-, Tier- und Pflanzenwelt zur Anschauung, welche beim geographischen Unterricht zur Besprechung kommen und doch den Schiilern entweder gar nicht oder in nicht geniigender Weise vor Augen gestellt werden konnen, und lehrt gleich- zeitig durch die in die beigegebenen Kartenskizzen eingedruckten Ziffern die hauptsachlichsten Fundorte und die ungefahren Verbreitungsgebiete der dar- gestellten Gegenstande kennen.

Unterdessen hatte er aber auch keine Gelegenheit versaumt, seinen geistigen Horizont durch Reisen zu erweitern. Im Sommer 1873 besuchte er mit seinem Freunde und Amtsgenossen Sophus Ruge, der gleichfalls aus einem Theologen ein Geograph geworden war, Bohmen und die Tatra, im folgenden Friihjahr Mittelitalien und Elba (Geognostische Skizze der Insel

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Elba, Isis 1874). Als 1875 eine Gesellschaft deutscher Gelehrter zu natur- wissenschaftlichen Sammlungszwecken die Kaukasuslander bereiste, wurde er zur Teilnahme eingeladen. Im Marz fuhr er quer durch Stidrufiland nach Tiflis, wo er bei Gustav Radde, dem verdienstvollen Direktor des Kaukasi- schen Museums, gastfreie Aufnahme fand. Nachdem er sich mit der Insekten- fauna in der Umgegend dieser Stadt und mit den zoologischen Sch&tzen des Museums einigermaflen bekannt gemacht hatte, eilte er, um das Erwachen des Fruhlings nicht zu versiumen, unter vielen Beschwerden auf der gru- sinischen Heerstrafle nordwarts iiber Wladikawkas nach dem Steppengebiet des Terek. Darin begab er sich zu den Naphthaquellen von Baku, nach Krasnowodsk am Ostufer des Kaspisees, nach der Landschaft Talysch am Siidwestrande desselben, endlich nach dem armenischen Hochlande. Hierauf kehrte er iiber Konstantinopel nach Hause zuriick. Die Bearbeitung seiner reichen Sammlungen, die allerdings nur zum Teil gliicklich in Dresden ein- trafen, besch&ftigte ihn mehrere Jahre, da namentlich die Bestimmung der niederen Tiere, von denen er allein 18000 Kafer in 1700 Arten mitgebracht hatte, grofle Schwierigkeiten bereitete und wegen der notwendigen Mitwirkung anderer Fachgelehrten viel Zeitaufwand erforderte. Folgende BUcher und Abhandlungen traten allmahlich als Friichte der kaukasischen Reise an die Offentlichkeit : Vorlaufiger Bericht (Sitzungsberichte der Isis 1876), Natur- wissenschaftliche Beitr&ge zur Kenntnis der Kaukasuslander (Dresden 1878), BeitrSge zur Kenntnis der kaukasischen Kaferfauna (Verhandlungen des Naturforschenden Vereins in Briinn 1878, Band 16 17, gemeinsam mit Hans Leder verfaflt), Schadel vom Schlammvulkan von Boshie-Promysl in Trans- kaukasien (Verhandlungen der Berliner Gesellschaft fur Anthropologic 1878) und Uber die kaukasische Naphthaproduktion (Dresden 1883).

Bald nach seiner Ruckkehr verheiratete er sich, und da auch seine Ver- mogensverhaltnisse giinstigere geworden waren, wurde ihm wenig mehr zu voller Zufriedenheit gefehlt haben, wenn ihm nicht sein Gesundheitszustand ernste Sorge bereitet hatte. Ein Herzleiden machte sich bemerkbar und nGtigte ihn, fast alljahrlich Urlaub zu erbitten und l&ngere Zeit in Kurorten zu verweilen, zunachst meist in Italien, spater vorwiegend auf den Inseln der deutschen Kiiste. Dabei benutzte er jedesmal ausgiebig die Gelegenheit, seine Sammlungen zu vervollst&ndigen und namentlich die Insektenfauna der betreffenden Gegenden zu erforschen. 1882 weilte er in Vallombrosa bei Florenz (Beschreibung der Gegend und Verzeichnis der daselbst gefundenen Kafer im Globus 1888, Band 54, Nr. 14), 1883, 1884 und im Winter 1888 89 in San Remo, von wo aus er auch Korsika besuchte (Die Riviera di Ponente, Weimar 1887; San Remo und seine Tierwelt im Winter, Uber Melanismus korsischer Kafer, beide in den Verhandlungen der Isis 1893 und 1902). Als 1883 infolge zunehmender Herzbeschwerden Todesahnungen iiber ihn kamen, stellte er, um einige seiner besten kleinen Aufsatze vor der Vergessenheit zu retten, eine Sammlung derselben unter dem Titel: Naturwissenschaftliche Beitrage zur Geographie und Kulturgeschichte zusammen (Dresden 1883). Seit 1887 verweilte er zu seiner Erholung fast alljahrlich einige Sommer- wochen hindurch auf Borkum. Die Mufle des Badelebens verwendete er dazu, die Fauna der Insel systematisch zu erforschen und zu sammeln. Nach 12 Jahren verdffentlichte er die Ergebnisse seiner Studien in einer als muster-

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haft anerkannten Monographie: Die Tierwelt der Nordseeinsel Borkum unter Beriicksichtigung der von den iibrigen ostfriesischen Inseln bekannten Arten (Abhandlungen des Naturwissenschaftlichen Vereins in Bremen 1898, Band 16). Darin widerlegt er die bisher verbreitete Annahme von der Tierarmut dieser Insel und weist das Vorhandensein von nicht weniger als 2823 Arten nach, von denen 28 der Wissenschaft bisher unbekannt waren.

Trotz aller Bemiihungen um seine Gesundheit verschlimmerte sich indes sein Herzleiden von Jahr zu Jahr. 1893 war er deshalb genStigt, sein Schulamt niederzulegen. Er siedelte in sein eigenes Grundstuck nach Blasewitz nahe bei Dresden iiber und lebte hier noch 10 Jahre ganz seinen wissenschaftlichen Neigungen, namentlich der Vermehrung seiner reichen Kafersammlung und dem Verkehr mit Freunden und Fachgenossen , mit denen er im Verein fur Erdkunde, in der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis und im Entomologischen Verein Iris regelmafiig zusammentraf. Auch literarisch trat er noch in seinen letzten Jahren durch eine Reihe von kieineren Abhandlungen in verschiedenen geographischen und entomologischen Zeitschriften hervor. Die wertvollsten Bestande seiner Sammlungen hinterliefi er dem Zoologischen Museum zu Dresden.

K. M. Heller in der »Deutschen Entomologischen Zeitschrift Iris« 1903, S. 236 246 (mit Bildnis und Bibliographic). Viktor Hantzsch.

Leopoldine FUrstin zu Hohenlohe-Langenburg, * 22. Februar 1837 in Karlsruhe, f 23. Dezember 1903 in Strafiburg (Elsafl). Sie war die jungste Tochter des Markgrafen Wilhelm von Baden und seiner Gemahlin Elisabeth, geborenen Herzogin von Wurttemberg. Am 22. September 1862 vermahlte sie sich mit dem Fursten Hermann zu Hohenlohe-Langenburg. Dieser sehr glucklichen Ehe entsprossen drei Kinder: der Erbprinz Ernst, die Prinzessin Elise, vermahlt mit dem Erbprinzen Heinrich XXVII. Reufi j. L. und die Prinzessin Feodora, vermahlt mit dem Fursten Emich zu Leiningen. An der Seite ihres Gemahls eifrig mit der Erziehung ihrer Kinder beschaftigt, lebte sie abwechselnd in Karlsruhe und auf dem Schlosse Langenburg, bis im Herbst 1894 die Ernennung ihres Gemahls zum Kaiserlichen Statthalter des Reichslandes Elsafl-Lothringen die Fiirstin zu dauerndem Aufenthalte nach Straflburg rief. Von da an stand sie dem Fursten Hermann bei Erfiillung seiner mannigfachen Aufgaben in treuer Pflichterfiillung und unermiidlicher Hingebung zur Seite, sowohl wenn es sich um die Representation handelte, in welcher sie eine ebenso glanzende wie liebenswiirdige Gastlichkeit betatigte, als auch bei Pflege einer werktatigen Nachstenliebe, in der sie mit ihrer Nichte, der Deutschen Kaiserin, wie mit ihrer Cousine, der Grofiherzogin von Baden, wetteiferte. Den Schwachen und Kranken hilfreich zur Seite zu stehen, den Armen ihre Sorgfalt zu widmen, betrachtete sie als eine der vor- nehmsten Pflichten ihrer Stellung und was sie ihnen Gutes tat, war erfullt von der echten Nachstenliebe, die den Beschenkten mehr noch als die erhaltene Gabe erquickt und trostet. In den Versammlungen wohltatiger und gemeinniitziger Vereine wirkte sie mit viel Umsicht und Takt, wodurch sie sich im Reichsland uberhaupt in weiten Kreisen Sympathie und Vertrauen erwarb. Mit ihren AngehOrigen trauerten an ihrem Sarge in erster Reihe die Armen und Kranken. v. Weech.

BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 4

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Diffene, Philipp, Geheimer Kommerzienrat, * 27. November 1833, f 4. Ja- nuar 1903 in Mannheim. D. entstammte einer angesehenen Mannheimer Familie ; sein Vater war wahrend einer Reihe von Jahren Biirgermeister dieser Stadt. Fruhzeitig fur den Handelsstand bestimmt, trat er, nachdem er eine griindliche Schulbildung genossen hatte, in die von seinem Vater gegriindete Tabak- und Weingrofihandlung Sauerbeck und Diffen6 ein, der er vom Tode seines Vaters an als Teilhaber angehorte; spater wurde er alleiniger Inhaber dieser Firma, welcher er durch seine unermudete T&tigkeit eine achtung- gebietende Stellung erwarb. Seit 1870 war er Mitglied der Mannheimer Handelskammer, die ihn 1880 zu ihrem Prasidenten erw&hlte. Er hatte diese Stellung bis zu seinem Tode inne. Vom Jahre 1885 an vertrat er die Handels- kammer ununterbrochen im Ausschusse des Deutschen Handelstages, auch die Leitung des badischen Handelstages lag in seiner Hand. Die Bedeutung der Bewegung, welche seit Griindung des Deutschen Reiches den Handels- stand Mannheims ergriff, um sich auf dem Weltmarkte zu bet&tigen, erkannte sein scharfer Blick alsbald, und der Forderung der Bestrebungen der am Endpunkte der Rheinschiffahrt, an zwei Flussen gelegenen Stadt war unaus- gesetzt seine rastlose Tatigkeit, seine unermlidliche Arbeitskraft gewidmet Mit der Geschichte der Entwicklung und Bliite der Industrie- und Handels- stadt Mannheim wird sein Name immer verbunden bleiben. Auch an der Verwaltung der Stadt nahm Diffen6 eifrigen Anteil. Die nationalliberale Partei der Einwohnerschaft wahlte ihn 187 1 in den Btirgerausschufi, in welchem er als Mitglied mehrerer Kommissionen sich vielfach verdient machte und seit 1 88 1 als Vorsitzender des Stadtverordnetenvorstandes mafigebenden Ein- flufi ausiibte. Im Jahre 1886 wurde Diffeni nach dem Ableben des der demokratischen Partei angehorenden Kaufmanns Kopfer als Abgeordneter des Wahlkreises Mannheim Weinheim Schwetzingen in den Reichstag ge- w&hlt und errang auch bei den Neuwahlen nach der infolge der Septennats- frage stattgehabten Auflosung des Reichstages den Sieg iiber den demokratischen und den sozialdemokratischen Bewerber. Im Jahre 1890 jedoch unterlag er in der Stichwahl dem Kandidaten der Sozialdemokratie; 1893 lehnte er sodann die Annahme einer abermaligen Kandidatur ab. Im Reichstag trat er nament- lich bei den Verhandlungen iiber die Tabaksteuer- und Tabakzollfragen als Redner in den Vordergrund und erwarb sich eine angesehene Stellung durch seine grofie Sachkenntnis. In den politischen Fragen gehorte er dem rechten Fliigel der nationalliberalen Partei an, wahrend er in den wirtschaftlichen Fragen sich mehr dem Hnken Fliigel zuneigte, jedoch fiir einen gemafiigten Schutzzoll eintrat. In Baden hatte ihn schon 188 1 der Grofiherzog zum Mitglied der Ersten Kammer ernannt, 1893 erfolgte seine Emennung zum Vizeprasidenten. Auch in dieser Stellung war Diffen£ durch sein umfassendes Wissen, seine reiche Erfahrung und die Miifiigung in Geltendmachung seiner Anschauungen hochgeschatzt. In der Geschaftswelt erwies sich das Vertrauen, das ihm in den weitesten Kreisen geschenkt wurde, durch die Wahl zum Aufsichtsrate verschiedener bedeutender industrieller Unternehmungen. Staats- manner, Kaufleute und Industrielle widmeten Diffene bei seiner Bestattung auf dem Mannheimer Friedhof am 7. Januar 1903 die ehrendsten Nachrufe. Vgl. den Jahresbericht der Handelskammer ftir den Kreis Mannheim fttr das Jahr 1902 und verschiedene Mannheimer Zeitungen aus dem Januar 1903. v. Weech.

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Pecht, Friedrich, Historien- und Portratmaler, Zeichner und Kunst- historiker, * 2. Oktober 18 14 zu Konstanz, f 24. April 1903 zu Munchen als groflherzoglich badischer Hofmaler. Die Familie Pecht stammte aus Ost- preufien oder Schweden, verzog nach Unterfranken, wo der Groflvater bei Haflfurt eine Ansiedlung (Neudorf) griindete, daselbst unseres Kiinstlers Vater 1773 geboren wurde. Anfangs zur Theologie bestimmt, studierte der- selbe zu Bamberg und Wiirzburg, trat in die Riegersche Buchhandlung zu Augsburg, iibernahm eine Filiale derselben in Konstanz 1798, errichtete eine Buchdruckerei in Frauenfeld, begann und redigierte daselbst die »Thurgauer Zeitung« und eine landwirtschaftliche Monatsschrift, den »Bauernfreund«, heiratete die Tochter eines Kantonrates, iibersiedelte 181 2 nach Konstanz und etablierte dort nach Senefelders Erfindung eine lithographische Druckerei. Im Hungerjahre 18 17 liefl sich der unruhige, wanderlustige Mann herbei, eine Anzahl Arbeiter einer Petersburger Kattunfabrik zuzufiihren. Wahrend der Vater noch viele unniitze Projekte, auch eine Samenhandlung und Zichorien- fabrik betrieb, erhielt der kleine Fritz in der altertiimlichen Stadt, deren Kunstwerke zur barbarischen »Versch6nerung« der Vernichtung anheimfielen, die ersten kiinstlerischen Eindriicke. Auch die damals vielverbreiteten Bilder- bogen des Nftrdlinger Malers Joh. Michael Voltz (1784 1858) iibten grofie Anziehungskraft auf den Knaben, welcher bei dem Bildhauer Sporer, dem Zeichnungslehrer Nikolaus Hug, dem Maler Wendelin Moosbrugger und der schOnen Marie Ellenrieder weitere Anregung fand und die abermals in Schwung kommende lithographische Anstalt des Vaters als Faktor leitete, dabei auch Kopfe auf Stein zeichnete, darunter die Bildnisse von Wessen- berg, den Prinzen Louis Napoleon und dessen Mutter, der »dicken K&nigin Hortensia«. Seine landschaftlichen Studien boten den Stoff zu einem im vaterlichen Verlag erscheinenden »Bodensee-Album« (1832). Angezogen vom Ruf des dortigen Kunstlebens und insbesondere um sich im Gebiete der Lithographie weiterzubilden, ging P. nach Munchen, zeichnete an der Akademie gleichzeitig mit Schraudolph, Giessmann und Strahuber, wobei Schnorr, Heinrich Hess und Conrad Eberhard die Korrektur iibten, hospitierte bei Hanfstangl, wo er an einem Reiterbilde des KSnigs Otto von Griechen- land die Luft des Hintergrundes verbesserte und an einem Bildnisse Schellings von Stieler die Haare des groBen Philosophen krauselte; naturlich besuchte er auch mit absolutem Unverstandnis dessen Vortrage und mit gleichem Erfolge die Kunstexpektorationen F. von Oliviers an der Akademie; alle Sehenswiirdigkeiten der Stadt wurden bestaunt und eine Menge mehr oder minder interessanter Persdnlichkeiten, wie Saphir, Esslair, Vespermann be- wundert. Dazwischen gab es Kiinstlerfeste mit der veritabeln Inszenierung von »Wallensteins Lager«, oder eine Erstauffuhrung von Meyerbeers »Robert der Teufel«, dann wieder Ausfliige in die altbayerische Bergwelt, Abstecher in die Schweiz, nach Tirol und Innsbruck zu den erzgegossenen Grabwachtern am Denkmal des Kaisers Maximilian. In erstaunlicher Armut taten sich die jugendlichen Kunstgenossen zusammen, die vom taglichen Ertrag ihrer Arbeit nicht allein in frugalster Weise und buchstablich von der Hand zum Munde lebten, sondern auch mOglichst viel lasen und lernten und grofie Zukunfts- hoffnungen planten. Im Winter 1836 folgte P. einer Einladung Hanfstangls nach Dresden, bet&tigte sich an der lithographischen Reproduktion der

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dortigen Meisterwerke in der Galerie, malte eine Menge von Bildnissen, be- freundete sich mit Semper, Rietschel, Emil Devrient, Dahl, Friedrich, L. Richter, und erweiterte seinen Gesichtskreis, welcher 1838 und 1839 in Leipzig, insbesondere durch die Bekanntschaft mit den Tragern des »Jungen Deutschland« erheblichen Zuwachs fand. Nachdem P. auch noch die tonan- gebenden »Dusseldorfer« auf einer Berliner Ausstellung und die Erzeugnisse der neueren Franzosen bei einem Kunsth&ndler kennen gelernt hatte, zog er 1839, mit guten selbstverdienten Mitteln versehen, iiber Miinchen, Konstanz, Karlsruhe und Strafiburg nach Paris. Delaroche bot ihm wohlwollend einen Platz in seinem sehr einfachen und schmucklosen, aber mit Schulern uber- saten Atelier. In Paris wurde P. mit dem feinen Winterhalter und in Versailles mit Delacroix bekannt, ebenso mit Laube, welcher ihn mit Heine zusammenfuhrte. P. zeichnete nicht nur Heines Portrat (lithographiert von P. Rohrbach), sondern schilderte auch sein ganzes Wesen (Pecht: »Aus meiner Zeit« 1894, I, 187). Hingerissen von der nonchalanten Grazie der Heineschen Lieder, die P. fast auswendig wufite, gebrauchte der Maler den unvorsichtigen Ausdruck »das klinge ja leicht wie aus dem Armel geschiittelt« ; da brauste aber der Dichter zornig auf: »wenn Sie es nur wiifiten, wie ich oft tage-, ja wochenlang an einem einzigen Verse herumgefeilt habe!« Dazu kann der Schreiber dieser Zeilen mit weiteren, wie mir diinkt, bisher nicht bekannten Erinnerungen dienen. Das ganze Manuskript vom »Buch der Lieder« hatte Heine dem um dieselbe Zeit in Paris weilenden August Lewald geschenkt. Lewald hiitete diese kostbare Gabe mit neidischer Sorgfalt; nur nach langen Bitten entschlofl sich Lewald, wie er mir 1857 wiederholt erzahlte, ein Blatt fur eine sehr hohe Autographenjagerin herauszuschneiden. Jede Seite dieses in klein Oktav geschriebenen Heftchens afcigte vielfache Korrekturen, eine einzige Strophe trug 17 Varianten! Leider ist dieses unbezahlbare Unikum unwiederbringlich verloren, da August Lewald, vor seinem am 10. Marz 187 1 in Miinchen erfolgten Tode, alle Briefe und Autographen, samtliche Korre- spondenzen, Schriften und Biicher in einem Anfall von Raserei ver- brannte! P. kam damals in Paris auch mit seinen deutschen Kollegen, dem Schlachtenmaler Feodor Dietz und dem zierlichen Albert Graefle, in Fuhlung. Den anziehendsten Eindr'uck machte jedoch Richard Wagner, der trotz seines schlechten Klavierspieles und der noch miiheseligeren Hand- habung der franzdsischen Sprache, eine Auffuhrung seines »Rienzi« an der grofien Oper durchzudriicken hoffte. P. war formlich fasziniert von der magischen Anziehungskraft, der freien Oberlegenheit, dem angeborenen Adel seiner Natur, seiner Leidenschaftlichkeit und dem sprudelnden Witz des erst , sechsundzwanzigjahrigen Komponisten, seiner Weltgewandtheit und der Un- erschopflichkeit, neue Hilfsmittel und Quellen zu finden und herauszuschlagen. Die Schilderung seiner Beriihrungspunkte mit Wagner gehGrt zu den an- ziehendsten Abschnitten in P.s »Lebenserinnerungen«.1) In dieser Zeit war P. auch Zeuge der »Einholung der Leiche Napoleons von St. Helena* und der Enthiillung der »Juli-Saule«. Seine artistischen Pariser Eindriicke und Erfahrungen verwertete P. 1841 und 1842 in Konstanz als Zeichner, Portrat-

*) In erweiterter Form in der »Taglichen Rundschau* und daraus im Feuilleton der Mtinchener »Neuesten Nachrichten« Nr. 171 und 172 vom 22. und 24. Juni 1894.

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maler und Lithograph; ein Ausflug ins Appenzellerland ergab schones Material zu sehr einfachen Genrebildern, darstellend z. B. : eine »Appenzeller Stube«, ein armes »einen Brautkranz betrachtendes Madel« oder das »Wild- kirchli«, welches noch lange auf seine durch J. V. von Scheffel zu erwartende Beriihmtheit warten mufite Stoffe, welche im Kunstverein zu Miinchen, wo P. 1843 1844 abermals gastete, gebiihrliche Anerkennung fanden.1) Auch »Der Wirthin Tochterlein« und die »Wallfahrt nach Kevlaar« erhielten eine iiber die schwarzgerauchten Wande der »Scheidelschen Kiinstlerherberge« hinausgehende Beachtung. P. wurde mit Kaulbach, Genelli, Enhuber, Albert Zimmermann und andern Koryphaen, auch mit den jungeren Malern bekannt, welch letztere der scharfe Kritiker noch in spaterer Erinnerung ziirnend apostrophierte : »Es gibt nichts Undankbareres als den Verkehr mit jungen Kunstlern (und P. war kaum erst in das dritte Dezennium getreten!), die so gar nichts zu geben haben, aber doch sehr bald die alteren zu iiber- sehen glauben.« Er sprach damals schon sehr doktrinar iiber eigene Er- fahrung! Auf wanderlustigen Streifzugen wurden Griinwald, Schaftlarn, Starnberg dieses vorlaufig noch ohne Eisenbahn und Dampfschiff unsicher gemacht, dann ging es iiber Murnau und Partenkirchen »ins Tirol«, durch das Otztal nach Meran, wo P. zwei Monate im Schlofl Tirol in Sommer- frische lag und Blutsbriiderschaft mit dem feinfuhligen Dichter und Maler Friedrich Lentner, dem sarkastischen Dr. Ludwig Steub und dem markanten Dr. Streiter schlofi. Das Jahr 1845 brachte ihn wieder nach Leipzig, wo im lebhaftesten Verkehr mit Laube, Kuranda, Kammerrat Frege, Alexander Kauff- mann, Moriz Hartmann, Alfred Meissner, Uffo Horn, Berthold Auerbach, Gustav Freytag, Julius Frobel nicht allein ihre Portrats, sondern auch eine Menge Bildnisse von anderen beriihmten und seitdem wieder verschollenen Grdflen gezeichnet wurden. Ein Abstecher nach Weimar machte ihn mit Bernhard Neher und Preller bekannt, auch heimste er noch allerlei Tradi- tionen ein und entrifi selbe der Vergessenheit z. B. : dafi sich Frau von Pogwisch, die Mutter von August Goethes Gattin, zu dem Ausspruch verstieg, daB sie »Goethen als Menschen verabscheue; es habe gewifl keinen zweiten Egoisten wie ihn gegeben«, womit nicht ihr Schwiegersohn, sondern der Vater desselben gemeint war. Wieder in Dresden (1846 1847) make P. viele hocharistokratische polnische Schonheiten, lernte auch die geistreiche Grafin Ida Hahn-Hahn kennen und begann sein Olbild: »Goethe nach der ersten Auffiihrung seiner »Iphigenie« mit Corona Schroter« ein Thema, welches spater Kaulbach abermals bearbeitete. In regen Verkehr trat P. mit Hahnel, Ferd. Hiller, dem jugendlich iiberschaumenden Arthur von Ramberg, mit der Schroder-Devrient, Otto Ludwig, Semper, Rich. Wagner, Emanuel Geibel, Julius Schnorr und vielen anderen. Der Sommer 1847 brachte ihn iiber Miinchen wieder nach Meran und dann nach dem schon unheimlich kochenden Venedig, iiber Triest, Wien, Prag nach Dresden und Leipzig zuriick, wo sein Goethebild gliicklich noch einen Kaufer fand. Da es aber

») Die »Appenzeller-Familie« wurde im Mlinchener Kunstverein zur Verlosung 1842 ura 132 Gulden angekauft; 1843 »Der Wirthin Tochterlein« mit 294 Gulden und von dem Xylographen Schneider gewonnen, Aufler der »Wallfahrt nach Keviaarc wurden 1844 noch ausgestellt eine »Mittag-sruhe schwabischer Landleute, welche von der Wallfahrt nach Maria Einsiedeln zurtickkehren« und »Zwei Madchen in der Kirche«.

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beim Anbruch des tollen Jahres 1848 fiir die Kunst wenig Aussicht gab, so nahm P., angeregt durch einen Schweizer Vetter, der als Agent eines brasiliani- schen Hauses grofle Geschafte mit Kaffee und Diamanten machte, einen uber Hamburg und England nach Amerika lautenden Pafl. Ausgestattet mit wohlgemeinten, in die hOchsten Kreise reichenden Empfehlungsbriefen, konnte der nur hOchst mangelhaft die Sprache beherrschende Portr&tmaler keinen festen Fufl fassen, trotz einigen (sogar fiir den Prinzen Albert) zur Zufriedenheit ausgefiihrten Auftragen. Er beschrinkte sich also neben den Studien in den Galerien, auf Studien in der aristokratischen Promenade des Hydepark und die nicht immer anziehenden Eindriicke des ubrigen Strafien- und Volkslebens, und kehrte, in rechtzeitiger Erkenntnis der Torheit, sich expatriieren zu wollen, und trotz der vielverheifienden Ankunft und Einladung eines zweiten Schweizer Vetters, ihm nach Bahia zu folgen, nach Deutschland und Frankfurt zuriick, um hier im politischen Gewimmel des Parlaments Stoff zu sammeln zu einem grofien historischen Bilde. Aber der so gewaltige Erwartungen er- regende Reichstag ergab wenig kunstlerische Ausbeute. P. zeichnete im Wetteifer mit Boddien, Adolf SchrOdter und anderen nur einen Zyklus von Karikaturen, welche unter dem treffenden Titel als »Atzbilder« erschienen, ausgestattet mit satirischen Texten des seine politischen Gegner auch aufler- halb der Paulskirche als »Piepmeyer« mit alien Waffen des Geistes und Spottes verfolgenden Joh. Hermann Detmold (* 1807, f 1856). Aufierdem blieb es bei Vorstudien von grofien Portrats, Gruppen - Kompositionen und Klubbildern und ein paar Bilderbogen mit der Ermordung von Auerswald und Lichnowski. Dann ging es uber Konstanz in die Meraner Sommer- frische und nach dem inzwischen sehr veranderten »Elbeflorenz« zuriick, wo P. neben dem Verkehr mit Betty Paoli, Alfred Rethel und A. von Ramberg Szenen und Charakterkdpfe zeichnete zu Hacklanders »Geheimen Agenten* oder Gutzkows »Ritter vom Geist« und einen Genrestoff aus den »Befreiungs- kriegen« begann. Bei einem Ausflug nach Partenkirchen, von wo P. auch das »Ammergauer Passionsspiel« besuchte und davon Gruppen und Kflpfe fiir Philipp Eduard Devrients Monographie (Leipz. 185 1) zeichnete, hatte sich der Kunstler eine hartnackige Augenentziindung zugezogen, welche vorerst das Malen und Zeichnen unm&glich machte. In der unfreiwilligen Mufie diktierte P. seine »Jugenderinnerungen«, die in Kiihnes »Zeitung fiir die elegante Welt« (abgedruckt in P.s Autobiographic »Aus meiner Zeit« 1894, I. B.) erschienen und Gliick machten. Da der Arzt von einem Besuche Italiens griindliche Heilung versprach, so kam P. darauf, dahin zu reisen und die Eindriicke als Schriftsteller, vielleicht sogar in illustrierter Form zu verwerten, wozu sich der bereitwillige J. J. Weber als Verleger einverstanden erkl&rte. P. ging also, ebensowenig vorbereitet, wie ehebevor fiir Paris und London, nach Italien, ohne besondere sprachliche oder kunsthistorische Kenntnisse, ausgestattet, wie er selbst mit riihrender Offenheit eingesteht, mit »einer unglaublichen Unwissenheit«. In Venedig abermals erkrankt, fand P. an dem Wiener Ministerialrat Exner1) (* 1802, f 1853) einen fOrdernden

*) Cber diesen um Venedig so hochverdienten k. k. Hofrat Franz Exner (geb. 28. Aug. 1802), welcher schon am 19. Juni 1853 zu Padua starb, vgl. Wurzbachs »Biographisches Lexikon* 1858 IV", 115 ff.

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Freund, und einen frohlichen Kunstgenossen an dem damals seine Schwingen ganz virtuos entfaltenden Aquarellisten Ludwig Passini (welchem er 1879 im II. Bd. S. 251 ff. seiner »Deutsche Kunstler des XIX. Jahrhunderts« ein so schones Denkmal setzte). P. begann damals schon die Vorstudien zu seinem grofien und sehr respektabel durchgefuhrten, aber erst 1854 vollendeten Bilde, darstellend eine »Episode aus dem Einzuge der Gsterreichischen Truppen in Venedig 1849% wo die vielverrufenen Krieger ihre Rationen mit den uberall am Markusplatze herumliegenden Hungernden und Kranken teilten (seit 1882 im Rudolphinum zu Prag), eine Leistung, welche 1854 in Galvanographie durch Schweninger in vielen Kunstvereinen als Jahrespramie die weiteste Verbreitung erhielt. Unter den merkwurdigen PersOnlichkeiten, die P.s Aufmerksamkeit erregten, befand sich auch der originelle Charakter- kopf John Ruskins, des Vaters der englischen Pniraphaeliten, welcher damals uber seinen *Stones of Venice* seine lustige Frau und sie ihn in Vergessenheit brachte. Ganz entziickt von den ihm friiher so wenig bekannten venetiani- schen Malern, die er trefflich charakterisiert (dabei begegnen ihm freilich, wie auch anderswo, allerlei Lapsalien, z. B. im Exkurse liber Paolo Veroneses »Hochzeit von Canaan «!), ging P. uber Padua, Mantua, Bologna, Florenz, Livorno nach Rom. Mit grofier Geschicklichkeit gelingt es ihm, die Haupt- personen, mit welchen P. auf l&ngere oder kiirzere Zeit in Fuhlung geriet, durch wenige festsitzende Striche leibhaft dem Leser vorzufiihren, so den alten, immergrimmigen Maler und Bildhauer Joh. Martin von Wagner, den idealen Landschafter Ernst Willers (1802 1880), den jungen gluhenden Bouguereau, den ehrwiirdigen Overbeck, Karl Werner und Swertschkow. Zu- fallig stiefi er auch mit einem jungen in gleicher Mauserung befindlichen Juristen zusammen, welcher mit ahnlichen Berufsschmerzen behaftet war und von poetischem Geist angehaucht, die Kokons seiner bisherigen Existenz zu durchbrechen trachtete. Wahrend P. zum Berufe des Schriftstellers einbiegend, seine Palette vorlaufig an den Nagel zu hangen und ein Buch uber Italien zu schreiben gedachte, miihte sich der damals noch namen- lose Jos. Viktor Scheffel, ein bisher nur widerwilliger Themis -Jiinger, der Muse der Malerei den Gurtel zu I6sen, ahnungslos, dafi der ihm einzig be- stimmte Hippogryph schon ungeduldig scharrend seines kiinftigen Reiters harrte. Mit liebenswiirdigster Teilnahme fur den alteren Kollegen, mit be- zaubernder Mischung von gesundem Menschenverstand , kdstlichem Humor und holder Idealitat bat der die poetischen Eierschalen noch auf dem Riicken tragende Maler den praktischen Kollegen, ja nicht zwischen zwei Stuhlen niederzusitzen, wahrend der artistische Kritiker die Seele seines Bruders in Apoll zu retten suchte. Sie blieben uber diesem Lebensturnier mit deutscher Griindlichkeit bis um die tiefste Mitternacht sitzen und »wendeten sehr viel feurigen italischen Weines daran, um sich gegenseitig die deutsche Tinte auszureden«. Fiir beide waren im Ratschlufi der G5tter indessen die giinstigen Wiirfel gefallen. Keiner fand »des Lotos stifle Kernfrucht, die der Heimat Angedenken ausl6scht« ; jeder wurde seines eigensten Berufes klar. Scheffel folgte dem Gangsteig zum Parnafl; P. dem ehrenden Namen eines scharfsinnigen Kritikers und anmutenden, gefalligen Schriftstellers, ohne deshalb der ausiibenden Kunst ganz treulos zu werden. Es zeigte sich deutlich, dafi seine Feder im friiheren Verkehr mit den Stimmfiihrern des

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»Jungen Deutschland* Schulung empfangen hatte, er handhabte sie mit Grazie, Humor und Sarkasmus; dabei stand dem scharfbeobachtenden Maler immer ein heimlicher Poet zur Seite; es fehlte ihm, wie seine farbenprSchtigen Schilderungen, darunter beispielsweise die hinreifienden Skizzen des »Rdmi- schen Kameval* beweisen,1) nichts zu einem gl&nzenden Feuilletonisten und stilistischen Meister, als eine gediegene wissenschaftliche Bildung, die ihm auf seinem ganzen Lebensgang ziemlich feme geblieben war. Daher sein doktrinares Schwanken, welches prinzipienlos jeder neuauftauchenden Er- scheinung huldigend, doch alsbald wieder bedingungsweise eingeengt oder riickwirkend verplempert wurde. Die Folge davon ergab eine unerquickliche Reihe von Plankeleien um des Kaisers Bart und andere Unnotwendigkeiten, zahllose Verstimmungen, Anfeindungen, Empfindlichkeiten und nutzlose Ver- geudung der guten, unwiederbringlichen Zeit. In Summa gestaltete sich das unleugbare Resultat, in eine neue Tatigkeit und gangbare Wege eingelenkt zu haben, worauf ihm viel schw&cher begabte Naturen folgten, die gegen ihn das hOhnende Wort ausspielten: wohl seinen Worten zu glauben, aber nicht seinen Werken zu folgen! Indessen erwarb P. durch seine in Briefform ab- gefaflten »Sudfnichte« den unbestrittenen Ruhm eines geachteten Schrift- s tellers, dem spater der eines scharfen Kritikers folgte. Nach seiner iiber Neapel, Capri, Orvieto, Florenz, Pisa, Genua, Turin und Mailand erfolgten Riickkehr der Vater war unterdessen, 1852, gestorben verstSndigte er sich mit den ubrigen Erben der inzwischen nicht unbetr&chtlich ausgedehnten Kunstanstalt in Konstanz, heiratete seine schon friiher erkorene Braut zu Ulm und griindete nach einem abermaligen Winteraufenthalte zu Venedig*) ein behagliches Heim zu Miinchen. Hier erbliihte ihm die Aufgabe, als standiger Referent iiber die neuesten Erzeugnisse der Kunst und Industrie, iiber die Ausstellungen des In- und Auslandes in die Augsburger »AUgemeine Zeitung* zu berichten, eine ebenso geachtete, wie beneidete und angefeindete Obliegenheit, welche den vielbeweglichen Wanderer bald wieder nach Wien und London, nach Paris, Gent und Antwerpen, mit idyllischen Rasttagen an den Bodensee oder nach Berchtesgaden brachte. Damit begannen bei dem durch Kaulbach, Schwind und den neuauftauchenden, schnell aller Augen auf sich ziehenden Piloty rasch veranderten Miinchener Leben die »kritischen Schuljahre« P.s, welcher als Herold der neuen Ara ihren Ruhm willig, wohl- beredt und glanzend verkiindete. Freilich machten sich auch Meinungs- verschiedenheiten mit alteren und jiingeren Fachgenossen wie Ernst FOrster, Moritz Carriere, Feodor Dietz, Julius Grosse, Anton Teichlein und sogar mit Dr. Max von Pettenkofer geltend, es setzte allerlei literarisch-artistische Hackeleien und Lieblichkeiten, Fehden und K&mpfe, nebst blauen Augen,

s) Vom romischen Karneval; vgl. Pecht: Sttdfrtichte. Skizzenbuch eines Malers. Leipz. 1853 bei J. J. Weber I, 204 ff. Andere Proben seines perlenden Humors gab P., im Eingang seines Artikels iiber den »Neubau der Bayerischen Vereinsbankc (in Nr. 292 »Allg. Ztg.« 21. Oktober 1886), in dem Bericht liber die »Elektrische Ausstellung im Mttnchener GlaspalasU (in Nr. 290 »AUg. Ztg.c 17. Oktober 1882) und an vielen anderen Stellen.

*) Hier vollendete P. im Winter 1853 auf 1854 sein fiiiher begonnenes Bild fiber die »Einnahme Venedigsc (vgl. die Berichte in Eggers »Deutsches Kunstblattc, Berlin 1854, V, 440 [von A. Teichlein] und ebendas. 1857, VIII, 461),

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moralischen Beulen, ehrenvollen Narben, schwere Turniere mit Lanzen- gesplitter und Schwertgerassel, aber auch wieder problematische Friedens- schliisse und diplomatische Siegesfeierlichkeiten. Selbst mit den Redaktionen setzte es Spahne und Zwist, dafiir Sffneten ihm andere Blatter, wie die »Suddeutsche Zeitung«, die »Neue Freie Presse«, die Munchener »Neuesten Nachrichten« und die »Allgemeine Zeitung« ihre Spalten und Feuilletons. Aus den Artikeln rundeten sich in neuer Bearbeitung eigene Biicher, z, B. tiber »Die moderne Kunst auf der Internationalen Kunstausstellung zu Miinchen« (1863), iiber die Pariser (1867 und 1878) und Wiener (1873) Welt- Ausstellungen alle voll Geist, Witz, Humor, wohlwollender Belehrung und anmu tender Unterhaltung. Schon 1859 hatte ihn der Osterreichische Lloyd in Triest mit einer Edition der »Meisterwerke Venetianischer Malerei« (in Stichen von Merz, Raab u. a.) betraut, wozu P., als zu einem popularen Unternehmen, die passenden Begleittexte schrieb. Das gab den Anstofi fiir die alsbald beliebten »Illustrationen« deutscher Kiinstler zu den Meister- werken der groflten Dichter, welche unter Beteiligung von Arthur von Ram- bferg in Leipzig (bei F. A. Brockhaus) in Stahlstich erschienen, keine eigent- lichen »Kompositionen«, sondern einzelneideale»Kostiim-undCharakterbilder« in halber Figur und Kniestiick. Von den 50 Bl&ttern zu Schiller lieferte P. allein 31 Zeichnungen, drei zu den Raubern, vier zu Fiesko, zwei zu Don Carlos, sieben zu Wallenstein, fiinf zur Jungfrau von Orleans, sechs fiir den Tell (in effektvollen Farbenstichen von Raab, Sichling, Schultheifl, Lammel, Geyer, Fleischmann, Jaquemot, Gonzenbach, Merz, Froer), darunter manches sehr theatralisch urgiert. Darauf folgte in gleicher Anzahl und Ausstattung eine »Goethe-Galerie« in 50 Blattern, ebenso »Lessing« (1857 mit 30 Blattern) und »Shakespeare« in 36 Tafeln, wobei Max Adamo, Fr. Schw6rer, H. Spiefl und andere jiingere als Mitarbeiter auftraten. Im Zusammenhange damit entstanden mehrere figurenreiche Olbilder P.s »Goethe am Hofe des Mark- grafen Carl Friedrich von Baden, bei Anwesenheit Carl Augusts von Weimar 1775, sein Faust-Fragment vorlesend«, eine etwas gequalte und steife Arbeit, ganz in jener akademisch-aufgestutzten Manier, welche P. an seinen Cofiffen so bitterlich verhohnte (nach einer sp&teren Wiederholung gestochen von H. Droehmer und in Holzschnitt bei J. J. Weber in der Leipziger »Illustr. Ztg.«). In gleicher Weise bearbeitete P. die Szene, wie Schiller nach der ersten Auffuhrung der »Rauber« beim Austritt aus dem Theater von den Zu- hdrern erkannt und mit einem »Hochvivat« gefeiert wurde. Darauf kam noch ein »K6nig Lear mit Cordelia*, »Heinrich VIII. mit Anna Boleyn auf dem Feste des Kardinal Wolsey« (Original in Schwerin, Stich von Raab in Brockhaus »Shakespeare-Galerie«) und »Prinz Heinrich IV. am Sterbebette seines Vaters« (Stich von J. Bankel). Zur Abwechslung wurde auch einmal eine friihere Interieur-Studie aus dem Dogenpalast mit Figuren staffiert, eine »Herbststimmung« in Farbe gesetzt, ein Bildnis oder Genrestoff (»Amor einer Dame einflusternd«) vorgenommen. K6nig Maximilian betraute ihn mit der Darstellung von 12 historischen Charakterfiguren von Staatsmannern und Feldherren, welche in Fresko, jedoch erst 187 1, nach dem Tode des Kdnigs beendet wurden. Als Freskotier betatigte sich P. mit zwanzig die Geschichte der Stadt Konstanz behandelnden Kompositionen, welche in dem bekannten Konzilsaal daselbst, unter Beihilfe seines Landsmannes Fr. SchwSrer (* 1833

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zu Weil, f 1891 in Miinchen), wobei die Bilder »Hufi auf dem Scheiterhaufen*, der »Einzug des Papstes Martin V.«, die »Verteidigung von Konstanz gegen die Schweden* und schliefilich noch im Auftrag der Grofiherzogin von Baden der »Empfang Kaiser Wilhelm I. in Konstanz 187 von P. ausgefuhrt wurden.

In der langen Zeit seines vielbewegten Lebens war P. mit den besten seiner Zeitgenossen in personlichen Verkehr gekommen, hatte ihre Werke kennen gelernt und in verschiedenen Zeitschriften teilweise schon den Lebenden oder oftmals auch den Toten ein gebuhrendes Denkmal gesetzt. Diese Biographien begann P. unter dem Titel »Deutsche Kiinstler des XIX. Jahrhunderts« zuerst 1877 in einem Bandchen (Nordlingen bei Beck) zu sammeln, welchem alsbald bis 1885 noch weitere Teile (der zweite Band auch in neuer Auflage 1887) nachfoigten.1) In diesen, mit meisterlicher Realistik hart herausgemeifielten Portratkopfen hat P.s Feder wohl das Beste geleistet. Freilich fiihrte ihm auch hier bisweilen die Vorliebe oder eine uniiberwindliche Abneigung die Hand, beengte und triibte den sonst freien Blick wie uberhaupt eine streng objektiv-historische Anschauung nie die Intention derjenigen Schule war, unter deren Einwirkung seine Bildung sich vollzog. Er hatte bei seiner eminenten Begabung auch das nicht neidens- werte Talent, schnell zu vergessen oder ein kurz vorher zu emphatisches Wort wieder einzudammen so betriibliche Delikte ergaben sich in auf- falligster Weise in den Artikeln iiber Cornelius, Defregger, Kaulbach, in der widerwartigen Geringschatzung von Schwanthalers grandioser Phantasie und Gestaltungskraft, in der volligen Charakterverschiebung des Schlachtenmalers Franz Adam, wie er uberhaupt den Tragern dieser Maler-Familie am liebsten aus dem Wege ging : auch begegnete es ihm, blofi auf sein Gedachtnis ver- trauend, Bilder auf andere Namen umzutaufen (so ist z. B. Langenmantels »Lavoisier« als Makarts Leistung ausgegeben). Aber abgesehen von solchen Hinfalligkeiten klingt aus diesen Portratskizzen eine Feuer- und Farbenkraft, ein den Leser geradezu hinreiflender und fesselnder, die bereitwilligste An- erkennung abnotigender Zug. Hier ist P. freilich »cum gram salts* ganz in seinem Element, wenn er auch die feinkritische Diplomatik eines Crowe und Cavalcaselle nicht im entferntesten erreicht, wie er uberhaupt immer nur durch das personliche Sehen, nie aber durch eigene exakte Forschung sein Wissen konstruierte. Blicher zu lesen, war uberhaupt nicht seine Sache und machte ihm Pein; ein zuverlassiges Zitat aus einem Fachwerke sucht man vergeblich in seinen Schriften. Dagegen ergdtzt er die Leser und Lacher durch uberraschende Apergus und politische Betrachtungen, die seinem patriotischen Herzen urplGtzlich und unerwartet wie eine Sturzwelle entquellen.

*) Der I. Band enthalt die Namen: Cornelius, L. Richter, E. Rietschel, L. Knaus, G. Semper, M. v. Schwind, Anselm Feuerbach und Preller; II. Rottmann, Defregger, W. v. Kaulbach, Lenbach, Alfred Rethel, A. Boecklin, L. Passini, B. Genelli, A. v. Menzel und Makart; III. R. Mengs, Carstens, Chodowiecki, Flihrich, Hansen, Ferstel, Fr. Schmidt, Piloty, G. Max, Beiidemann, Lessing, A. Achenbach und B. Vautier; IV. Schinkel, L. v. Klenze, Overbeck, Peter von Hefi, Winterhalter, Bernhard Neher, Rahl, E. Schleich, A. v. Ramberg, Hahnel, Schilling, A. von Werner, Peter Janssen, Eine pr&chtige Leistung ist auch P.s Charakteristik von Meissonnier in »Vom Fels zum Meer« ,Oktober 1884, S. 100 ff.

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Vasari oder Karel van Mander blieben ihm ein imaginarer, kaum vom Horen- sagen bekannter Begriff, ebenso Hermann Grimms Forschungen und Ergeb- nisse iiber Michelangelo, oder Lessings »Laokoon«. Es war ihm eine Leichtigkeit, die Verdienste eines Kunstlers mafllos zu erheben und demselben kurze Zeit darauf das gerade Gegenteil zu sagen. Cornelius und Kaulbach standen nicht in seiner Gnade. Piloty wurde ebenso gepriesen, wie als antiquierte PersOnlichkeit iiber der Bewunderung seiner Schiiler beiseite ge- schoben. Es gab prinzipielle Abneigungen und offene Feindschaften. Wie lange nergelte er an Schwind herum, bis er sich nach einer unerwarteten personlichen Zusammenkunft, zu dessen aufrichtigem Lobredner bekehrte. Am langsten und besten hielt seine Freundschaft mit Spitzweg, dessen ebenburtige, sarkastische Ader ihm ebenso wie Schwinds Schlagfertigkeit imponierte.

Neben den seinen Schriftstellernamen begriindenden »Siidfriichten« und den immerhin auf der H6he seiner Leistungsfahigkeit stehenden »Deutschen Klinstlern des XIX. Jahrhunderts« entstand der leichtbegreifliche Wunsch, seine weitverzweigte journalistische Mosaikarbeit zu einem einheitlichen Bilde zu bringen. Zur Erg&nzung seiner eigenen Aufzeichnungen und Erinnerungen versendete er ziemlich umfassende Fragebogen zirkularschreibenmafiig an alle Betreffenden, die ihm ein unschatzbares, autobiographisches Material ein- brachten, welches er nun in seiner Weise rektifizierte und ordnend gestaltete. Nachdem P. schon zu Franz von Rebers »Geschichte der neueren deutschen Kunst« (Leipz. 1884), die Skizze iiber »Die deutscheKunst der Gegenwart« (III, 202 99)1) geliefert hatte, reifte endlich die »Geschichte der Miinchener Kunst im XIX. Jahrhundert« (Miinchen 1888 bei Fr. Brupkmann 498 S. gr. aus- gestattet mit 40 Bilderbeilagen und zahlreichen Text-Abbildungen), ein Beweis seiner vielseitigen Arbeitskraft, wobei er freilich oft nach Laune oder per- sOnlicher Riicksicht seine feuilletonistisch verw5hnte Feder walten liefl. Ab- gesehen davon, dafi eine Menge guter Namen vergessen oder nur mit ober- flachlicher Nennung abgetan wurden, schwankt oft die Wage seines Urteils in bedenklicher Weise. Unser Staunen steigt durch seine Betatigung an der seit 1885 gegriindeten Zeitschrift »Kunst fiir Alle«, bei welchem Unternehmen P. zwar als nomineller Redakteur zeichnete, jedoch die eigentliche technische Last einer jungeren Kraft (Fritz Schwartz) iiberliefi, wahrend er mit zahllosen kleineren und groBeren Referaten die geistige Fiihrerschaft behauptete und damit den Beweis einer unermiidlichen und freundlichen Fiihlung mit den jeweilig auftauchenden neueren und neuesten, seiner urspriinglichen Tendenz vielfach entgegengesetzten Richtungen lieferte. Die proteusartige Schnellig- keit, sich oft sehr minderwertigen Erscheinungen entgegenkommend an- zuschmiegen, verleitete zu Inkonsequenzen, welche dem Unternehmen ein neues Publikum zufiihrten und zur Kosmopolitik des nach P.s Heimgang frGhlich weiter florierenden Unternehmens wesentlich beitrugen. Schliefilich liefi er sich, vielfachen Mahnungen entsprechend, auch noch herbei, seine Lebenserinnerungen unter dem Titel »Aus meiner Zeit« (Miinchen 1894 in zwei B&nden bei Fr. Bruckmanns Nachfolger) zu erzahlen, wobei freilich

«) P.s Beitrag stiefi auf scharfes Urteil in Ltltzows Zeitschrift (1885, XX, 203), ebenso verletzten mancherlei Beitrage zu Liliencrons »Allgemeine Deutsche Biographic*, worUber sich Dissidien ergaben, so dafi P. als Mitarbeiter ausschied.

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viele schon bekannte Episoden wieder zur Sprache kamen; doch hielt er sich in neidenswerter Frische, mit grofier Selbstbefriedigung und Ofters mit leichter plauderfrShlicher Ironie oder humoristischer SchSrfe auf sein langes Tagwerk zuriickblickend: Ein immer »cum grano salts* dankbar aufzunehmendes Opus; kein vollendetes Kunstwerk wie »Dichtung und Wahrheit*, aber doch ein Spiegel seiner Zeit und eines vielfach komplizierten Charakters, dem auch der fernerstehende Psycholog Teilnahme nicht versagen wird.

Nach dem Tode seiner Frau (1874) iibernahm P.s Schwester die Stelle eines General-Sekretars ; da P. eine unleserliche Hand schrieb, besorgte sie zum Heil aller Redakteure und Setzer die Reinschrift seiner Manuskripte: eine hfichst humane, Nachahmung verdienende Einrichtung!

Im Jahre 1857 malte er sein eigenes Portrat; aus dieser Zcit stammt auch eine Photographie im Visitenkartenformat. Beide zeigen nach Persttnlichkeit und Visage groBe Ahnlichkeit mit dem von Bonnet gemalten Bildnisse Leon Cogniets. Eine Holzschnitt- zeichnung von F. Weifi erschien in Nr. 47 »0ber Land und Meer« 1874. Die ursprttnglich schmachtigen Formen gingen spater in ein behabiges, eher einera Gutsbesitzer und Ritt- meister a 1. s. entsprechendes Embonpoint liber; das trotz der immer schiefsitzenden Brille scharf bohrende Auge eignete eher einem Jager und Schtitzen, der freilich oft gcnug ins Schwarze getroffen. So erscheint er zuerst als Titelbild zu seiner »Geschichte der Miinchener Kunst im XIX, JahrhunderU 1888, und in der spateren Selbstbiographie (1894). Seiner Leibesgestalt nach blieb P. unter dem Mittelmafi; doch sah es putzig aus, als der Maler etwas gebeugt und herablassend vor Adolf Menzel stehend, ihm zum Zeichen seiner Hoch- achtung die Hand schtlttelte.

Aus der Unzahl von Zeitungsreferaten werden bier nur die Artikel von M. Haushofer (in Nr. 2675 Leipz. »Illustr. Ztg.c 6. Oktober 1894) und Dr. von Reber (in » Kunst for Alle« 1. Oktober 1894), beide zum 80. Geburtstage erwahnt. Das Verzeichnis aller flber ihn erschienenen Nekrologe geht tiber unsere Grenzen. Die ersten biographischen Notizen lieferte Vincenz MUllers »Handbuch von Mlinchenc 1845, S. 164. Die letzte, tibrigens er- ganzungsbedlirftige, aus P.s eigenen Mitteilungen stammende Aufzahlung seiner Bilder und Werke iindet sich in Fr. v. B5ttichers »Malerwerkenc 1898 II, 231 ff.

Hyac. Holland.

Albu, Isidor, Arzt und Hygieniker, zuletzt in Berlin, * 20. Januar 1837 in Fichtberger bei Landsberg a. W., f 5. Januar 1903 in einem Sanatorium in Grofl-Lichterfelde bei Berlin. A. studierte und promovierte 1864 in Berlin. Hier liefi er sich als Arzt in der Rosenthaler Vorstadt (Berlin N.) nieder und arbeitete nebenher schriftstellerisch, wobei er sich besonders hygienischen und epidemiologischen Studien widmete. Er verOffentlichte unter anderem eine deutsche Ausgabe von Riants *Le(ons (ThygUne* (1874 unter dem Titel »Handbuch der allgemeinen persOnlichen und dffentlichen Gesundheitspflege«), ferner mehrere Aufsfttze iiber die Berliner Mortalit&ts- verhaltnisse, iiber Cholera, Pocken, Typhus und Grundwassergang in Berlin, gab 1879 einen hygienisch-topographischen Atlas von Berlin mit graphi- schen Darstellungen und drei Karten heraus und machte sich besonders auch dadurch verdient, dafl er lebhaft fur die Einrichtung von Krippen resp. Kinderbewahranstalten in den Srmeren Stadtteilen wirkte. 1882 folgte er einem Rufe als Leibarzt des Schahs von Persien in Teheran und Professor an der medizinischen Schule daselbst, von wo er etwa 1892 nach Deutsch- land zuriickkehrte. Er praktizierte anfangs an einem kleinen Ort im Han:,

Albu. Bete. 6 1

ging wieder nach Berlin und griindete hier ein Okularium zur Beschaffung passender Brillen und augenarztlicher Behandlung, das er bis kurz vor seinem Tode leitete. Wahrend seines Aufenthaltes in Persien verdffentlichte er in der ^Berliner klin. Wochenschr.« einen Aufruf zur Erneuerung und Erhaltung der noch vorhandenen, aber sehr vernachlassigten Grabstatte Avicennas, des beruhmten arabischen Arztes.

♦Vergl. »Biogr. Lex. hervorr. Arxtec von Hirsch und Wernich Bd. I, Pa gel.

Betz, Philipp Friedrich, einer der alteren und bekannteren Arzte Wurttembergs, * 15. Februar 18 19 in Weinsberg, f 24. September 1903 in Heil- bronn. B. war der Sohn eines Strumpfstrickers, Weinschenken und Stadt- J

rats in Weinsberg. Er besuchte bis zu seinem 14. Lebensjahre die dortige j

Lateinschule und widmete sich, angeregt durch die glanzende Laufbahn seines Oheims, des hanndverschen Oberstabsarztes Dorsch in Celle, und die freund- j

schaftlichen Beziehungen zu dem Stadtarzt Dr. Stegmeyer in Gundelsheim a. N. der Heilkunde, zu welchem Zweck er 1833 beim Wundarzt Stegmeier in die Lehre trat. 1838 kam er als freiwilliger Unterarzt flir das K. wtirttembergische Militar nach Ludwigsburg, nachdem er 1837 die Gehilfenpriifung mit gutem Erfolge bestanden hatte. Hier besuchte er nebenher das Lyzeum und erlangte 1842 das Zeugnis der Reife fur die Universitatsstudien, die er in Tubingen machte und nach deren Beendigung er 1845 in Stuttgart ein Jahr lang als Unterarzt diente, wobei er gleichzeitig den Schulern der Kgl. Kunstschule anatomischen Unterricht erteilte, Nachdem er dann voriibergehend in seiner Vaterstadt praktiziert hatte, ubernahm er die Stelle als anatomischer Pro- sektor in Tubingen unter Friedrich Arnold, hielt Vorlesungen iiber Osteologie und Pastoralmedizin, war nebenbei eine Zeitlang Assistent an der medizi- nischen Klinik unter Wunderlich, machte 1848 auf Staatskosten eine wissen- schaftliche Reise nach Prag und Wien und liefl sich schliefilich zu dauernder Tatigkeit in der Gesamtmedizin 1850 in Heilbronn nieder, wo er bis zu seinem Lebensende in segensreichster Weise praktisch und schriftstellerisch wirkte. Von 1848 1855 war er Aeifiiger Mitarbeiter an verschiedenen Zeit- schriften und 1856 griindete er die sehr bekannten, weit verbreiteten und beliebten »Memorabilien, Monatsblatter fiir praktische und wissenschaftliche Mitteilungen rationeller Arzte« im Verein mit einer grofien Schar von Mit- arbeitern. In 44 Banden dieser Zeitschrift, die 1884 ihr 25jahriges Jubilaum feierte, ver5ffentlichte B. selbst 214 Originalartikel iiber die verschiedensten Gebiete der Medizin. 1864 erfolgte die Ubernahme des Verlags des »Irren- freunds«. Beide Zeitschriften hOrten mit B.s Tode zu erscheinen auf. Cbrigens war B. Impfgegner und ein eifriger Politiker, seit i860 Mitglied des Deutschen Nationalvereins, seit 1867 Mitglied der deutschen Partei in Stuttgart, 1899 Ehrenvorstand der 1875 organisierten Heilbronner deutschen Partei. In den Kriegen von 1866 und 1870 leistete er aufopferungsvolle arztliche Dienste. 1877 gab er die erste Anregung zur Griindung einer Zentralhilfskasse fiir die Arzte Deutschlands; auch sonst nahm er an alien Angelegenheiten des arzt- lichen Standes tatkraftig leitend und anregend teil, wofiir er seit 1876 dem Vorstande des arztlichen Bezirksvereins II angehoren durfte, bis er 1894 zurucktrat, aus welchem Anlafi er zum Ehrenprasidenten ernannt wurde.

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1 87 1 setzte B. die Errichtung eines Denkmals fiir bekolampadius, den Re- formator van Basel, in dessen Geburtsort Weinsberg durch. Spater griindete er einen Geschichtsverein fiir Stadt und Land Weinsberg. 1896 beging er sein 5ojahriges Approbationsjubilaum, wobei er eine Reihe von Ehrungen aus weiten Kreisen erhielt. Am 80. Geburtstage wurde er durch den Sanitatsrats- titel ausgezeichnet. Nachdem er mehrere Jahre an allgemeiner Altersschwache gekrankelt hatte, erlitt er am n. November 1902 einen Hirnschlagflufi (Hirnembolie), der zur Lahmung und schliefilich zum Tode fiihrte.

VergL »Wtirtt. Med. Korrespondenzblatt« LXXIII Nr. 48 vom 28. November 1903, P. 855—858 nebst Bild. Pagel.

Bumm, Anton, ordentlicher Professor der Psychiatric, Medizinalrat in Mlinchen, * 27. M&rz 1849, f 13. April 1903. B. war der Sohn eines Taub- stummenlehrers in Wiirzburg, besuchte in seiner Vaterstadt Gymnasium und Universit&t und geniigte daselbst seiner Militarpflicht. 1872 erhielt er bei der Fakultatspriifung in alien Fachern die erste Note und promovierte in demselben Jahre mit einer Dissertation iiber Schufiwunden. 1873 bestand B. die Staatspriifung mit Nr. I und trat bald danach als Assistenzarzt in die von Hubrich geleitete Wernecker Kreisirrenanstalt, an der er bis 1876 tatig war, nachdem er inzwischen auch wissenschaftliche Reisen nach Wien, Paris und London gemacht hatte, wo er unter Meynert und Charcot sich in der Psychiatrie vervollkommnete. 1877 trat nach einer mehrmonatlichen Er- krankung B. bei Gudden in Miinchen als Assistent ein, wurde 1883 zweiter Hilfsarzt an der Kreisirrenanstalt Erlangen, jedoch schon am 1. Oktober 1884 als Nachfolger Grasheys zum Direktor der niederbayrischen Kreisirrenanstalt in Deggendorf ernannt. 1888 folgte er einem Ruf in die durch Hagens Abgang erledigte Stellung als Anstaltsdirektor und Prof. e. o. nach Erlangen, 1896 siedelte er als Direktor der oberbayerischen Kreisirrenanstalt und ordent- licher Professor der Psychiatrie nach Miinchen iiber, wo er bis zu seinem an einem Gallensteinleiden erfolgten Tode verblieb. B. ist aufs engste mit dem Entwicklungsgange der modernen Psychiatrie verkniipft. Insbesondere hat er sich durch seine hirnanatomischen Arbeiten einen Namen gemacht, die er nach der von Gudden angegebenen experimentellen Methode anfertigte. So verOffentlichte er u. a. Vortr&ge und Abhandlungen iiber die Verteilung des Sehnerven in der Netzhaut des Kaninchens (1880), iiber ein selten beobachtetes Markbiindel an der Basis des menschlichen Gehirns (1883), iiber das Grofl- hirn der Vogel (1883), eine Abhandlung, welche die erste eingehendere Dar- stellung der speziellen Histologic des Vogelgroflhirns bildet, iiber experimentelle Beitrage zur Kenntnis des Hornervenursprungs beim Kaninchen (1888), experimentelle Untersuchungen iiber das Corpus trapezoides und den Httr- nerven der Katze (1893) u. a. Mit dem letztgenannten Werke hat B. sein anatomisches Meisterstiick geliefert, in dem er in uniibertrefflicher Weise eines der schwierigsten und strittigsten Probleme der Hirnforschung zur Klarung brachte. Spater hat B. noch die feinere Anatomie des Ganglion ciliare be- arbeitet und die Ergebnisse, die einen wesentlichen Fortschritt in der Erkenntnis bedeuteten, in mehreren Vortragen und Abhandlungen niedergelegt. Gem beschaftigte sich B. mit historisch-medizinischen Studien besonders der arabisch-

Bumm. von Eggers. Duboc. 63

judischen Periode. Er hat Uber die Psychiatrie des Avicenna (in » Munch, med. Wochenschrift*) eine Abhandlung verdffentlicht und mehrere kleinere Studien als Manuskript drucken lassen.

Vergl. Specht-Erlangen in »MUnch. med. Wochenschrifu 1903, Nr. 27 p. 11 62 1166.

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Eggers, Heinrich Franz Alexander Freiherr von, Botaniker, * 4. De- zember 1844 zu Schleswig, f 14. Mai 1903 in Leipzig. E., dessen Vater K6niglich dSnischer Polizeimeister in Schleswig war unci spater in Tondern lebte, wurde hier und in Odensee auf Fiihnen erzogen, wo er von 1858 1862 die Lateinschule besuchte. Er trat dann als Offiziersaspirant in die danische Armee ein und machte als solcher den Feldzug von 1864 mit. Nach dem Friedensschlufi nahm er seinen Abschied als Leutnant, um in fremde Kriegs- dienste zu gehen. Er schloB sich dem Korps osterreichisch-belgischer Frei- williger fur Kaiser Maximilian an, das zu Laibach in Osterreich gebildet wurde, und traf im April 1865 in Mexiko ein. Im Oktober 1866 wurde er gefangen genommen. Nach seiner Freilassung im April 1867 bereiste er den Siiden Mexikos und kehrte im Dezember desselben Jahres nach Kopenhagen zuriick. Cber seine Erlebnisse verdffentlichte E. 1869 die »Erindringer fra Mexiko«, ein Werk, das neben der Schilderung der kriegerischen Ereignisse eine Fulle feiner Beobachtungen iiber Land und Leute enthalt. Im April 1868 wurde er als Sekondeleutnant aufs neue im danischen Heere angestellt, aber bereits Ende des Jahres auf seinen besonderen Wunsch zu den westindischen Truppen kommandiert. Er stand dann lange Jahre auf St. Thomas, seit 1878 als Kapitan und Kompagniechef. Am 1. Dezember 1885 quittierte er den Dienst und lebte von nun an ausschliefilich seinen wissenschaftlichen Forschungen, und zwar teils in Westindien, teils in Kopenhagen. Die Re- sultate seiner Reisen und Studien, die in erster Linie der Flora der west- indischen Inseln galten, legte E. in zahlreichen Abhandlungen nieder, die in verschiedenen botanischen und geographischen bei Bricka genannten Zeitschriften erschienen sind. Hier sei noch auf das gr6fiere Werk » The Flora of St. Croix and tfu Virgin Islands* (Washington 1879) hingewiesen, sowie auf die beiden vortrefflichen Aufsatze »Die Insel Tobago« und »Moderner Plantagenbau« (Deutsche Geographische Blatter, Bd. 16, 1893, S. 1 20; Bd. 21, 1898, S. 1 21). Die reichhaltigen Sammlungen, welche E. angelegt hat, besitzt zum groBten Teil das Museum von Kopenhagen.

Vgl. H. K. Eggers, Geschichte des Geschlechtes Eggers. Bd. 1, Ploen 1879, S. 140 146; Bd. 2. Harburg, 1887, S. 97 (Bildnis auf der Tafel zwischen S. 98 u. 99). »Geo- graphisches Jahrbuchc, Bd. 26, 1903, S. 428. »Globus«, Bd. 84, 1903, S. 20. ^Deutsche Rundschau fttr Geographic und Statistik*, Jg. 25, 1903, S. 520. »Kieler Zeitungc, Morg.-Ausg. v. 26. Mai 1903. C. F. Bricka, Dansk Biografisk Lexikon, Bd. 4, 1890, S. 438/39. »Botanisk Tidsskriftc, Bd. 12, 1880/81, S. 237/38. Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Freih. Hauser. Jg. 55, 1905, S. 161. J oh. Sass.

Duboc, Karl Julius, Philosoph und Schriftsteller, * 10. Oktober 1829 in Hamburg, + 11. Juni 1903 in Dresden (nicht am 12. oder 13. Juni, wie mehrfach angegeben wird. Herr Ed. Duboc hatte die Freundlichkeit, mir das richtige

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Datum mitzuteilen.) D., ein Bruder des unter dem Pseudonym Robert Waldmuller bekannten Dichters Eduard D., war der jungste von sechs Geschwistern. Die Mutter gehbrte einer alten angesehenen Kaufmannsfamilie an, der Vater, gleichfalls Kaufmann, war ein aus Havre geburtiger Nord- franzose. Er starb aber noch vor der Geburt des jungsten Sohnes. Dieser kam, nachdem er 1844 auch die Mutter verloren hatte, zuerst zu Verwandten nach Offenbach, dann nach Frankfurt a. M. Hier besuchte er bis 1850 das Gymnasium, studierte darauf in Giefien und Leipzig Mathematik und Physik in der Absicht, sich spater dem Bergbaufach zu widmen. Daneben vertiefte er sich mit gr6fitem Eifer in philosophische Studien, die seiner Neigung und Begabung weit mehr entsprachen. Kranklichkeit zwang ihn jedoch, 1853 die Universitat zu verlassen, und »eine eigentumliche Verkettung von Lebens- umstanden«, wie er selbst sagt, fiihrte ihn noch in demselben Jahre nach Australien, von wo er erst 1857 in die deutsche Heimat zuriickkehrte. Er ging nach Berlin, wo er seine philosophischen Studien fortsetzte und durch die Doktorpromotion zum Abschlufi brachte. Dann wandte er sich dem Journalismus zu und wirkte zuerst als Mitredakteur der »Deutschen Zeitung«, die aber bald einging. Von 1861 bis 1863 stand D. als lei tender Redakteur an der Spitze der »Westfaiischen Zeitung* in Dortmund. In diese Zeit fallen seine ersten gr5fieren Aufsatze, die er in Oppenheims »Deutschen Jahrbiichem fur Politik und Literatur« verOffentlichte. (Jg. 1862, Bd. 2 S. 191 209: »Ein Besuch im Zellengef&ngnis zu Bruchsal«; Bd. 4 S. 118 138: »Wider die Grundanschauungen des philosophischen Idealismus«; Bd. 5 S. 378 397: »Die Gef&ngnisfrage im preufiischen Abgeordnetenhause*.) Dortmund wurde fur ihn noch von ganz besonderer Bedeutung, weil er hier in der Schwester des Kunsthistorikers Wilhelm Lubke seine Lebensgefahrtin fand. Es folgten Jahre aufreibender T&tigkeit im Dienste der Berliner »Nationalzeitung«, deren Redaktion D. bis 1870 angeh6rte. Dann aber gab er den journalistischen Beruf auf und zog nach Dresden, das ihm Heimat wurde und blieb. Hier schuf er, fern vom Larm und Treiben des Tages und doch in engster Fuhlung mit alien StrSmungen und Erscheinungen der Gegenwart, jene reifen und tiefen Werke, die in der Geschichte des deutschen Geisteslebens ihre Be- deutung behalten werden.

D.s philosophischer Trieb war ein Erbteil vom Vater her, der selbst eine Schrift »de la dignite de Vlwmnu* (Bruxelles 1826) verdffentlicht hatte und mit Hegel und Reinhold in nahem Verkehr stand. Des Sohnes Fuhrer und Meister auf dem Wege der Erkenntnis wurde Ludwig Feuerbach, zu dem er auch in personliche Beziehungen trat. »Der zentrale Punkt, in dem D. an Feuerbach hangt«, sagt J06I, »ist der Sensualismus, d. h. die Betonung des Sinnlichen, Empfundenen, als des Wirklichen, Wahren«, wie denn D. »die Konzentration auf das Diesseits«, d. h. eben die Verweltlichung, oder spezieller »das Prinzip der Sinnlichkeit« als Feuerbachs Leistung betont. Im einzelnen freilich gingen beide wieder weit auseinander, vor allem trennte sie ein tiefer Unter- schied des Temperaments. D. selbst aufiert sich uber sein Verhaltnis zu Feuerbach einmal folgendermafien: »Ich werde haufig als Anhanger, als Schiiler, gelegentlich »der letzte Schiller Feuerbachs« bezeichnet. Es ist dies namentlich meinen spateren Schriften gegeniiber kaum aufrecht zu erhalten. Nur mein »Leben ohne Gott« ist noch wesentlich auf Feuerbachschem

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Standpunkt geschrieben. In alien meinen spateren Schriften habe ich die sehr wesentlichen Unterschiede, die meine Auffassung von der seinigen trennen, wiederholt betont und hervorgehoben«.

Das »Leben ohne Gott« erschien 1875 und ist dem Andenken Ludwig Feuerbachs gewidmet. Die »Untersuchungen uber den ethischen Gehalt des Atheismus«, welche D. hier vorlegt, enthalten keineswegs nur negative Kritik, sie zeigen vielmehr, wie dem Menschen, auch wenn er sich der alten, mit den Ergebnissen der modernen Wissenschaft unvereinbaren Gottesvorstellung und des Unsterblichkeitsglaubens entauflert hat, noch ein tiefes religioses Empfinden bleiben kann und muB. Als Kern der neuen Religiositat gilt dem Verfasser das Gefiihl der Ehrfurcht, der Ehrfurcht vor dem t)ber- ragenden. »Wer bestreiten will, dafi der Atheismus religios sein konne, mufi sich an dieses Buch halten«, in dem sich neben vielen andern das schone Wort findet: »Wer das Seinige erwartet mit einem innerlichen Gefiihl des Handefaltens, weil er die Lebensgesetzlichkeit desselben erkannt, und mit einem versohnten Sinn, weil er das Leben als der Giiter hochstes begreift, der wahrt die Wurde des Menschen «. Ein solcher Geist weht in dem Ganzen, dessen charakteristischer Schlufi in den Ruf des Psalmisten ausklingt: »Meine Seele durstet nach dem lebendigen Gott.«

Derselbe hohe Idealismus, der sich in dem »Leben ohne Gott« offenbart, erfiillt auch D.s erstes groBeres Werk, »die Psychologie der Liebe«, mit dem er bereits ein Jahr zuvor, 1874, auf den Plan getreten war. Es enthalt in uberaus feinen Seelenschilderungen die »Naturgeschichte des Gefuhls, welches die Geschlechter zusammenfiihrt«. Ein Verklarungsglanz liegt uber der ganzen Darstellung, die nie eine auBerliche bleibt, sondern tief in das »Heiligtum der Liebe« hineinfiihrt. D.s Standpunkt ist ein idealer Realismus, in der vollen Wertschatzung des Lebens bekennt er sich auch hier schon zum Optimismus. Beide Werke, das »Leben ohne Gott« und die »Psychologie der Liebe«, bilden gewissermafien die Grundmauern zu dem Hauptwerke, in dem D. seine Philosophic eingehend darlegt und begrundet. Es erschien 1 88 1 unter dem Titel »Der Optimismus als Weltanschauung und seine religios ethische Bedeutung fur die Gegenwart«. Eine Erganzung dazu bildet die Schrift »Die Tragik vom Standpunkte des Optimismus, mit Bezugnahme auf die moderne Tragodie« (1886). Mit scharfen Waffen wendet sich D. gegen den Pessimismus, der den idealen Gehalt des Seins nicht gelten lassen und alle Liebe und Freude aus dem Leben tilgen will. Fur ihn gibt es nichts Sinnloseres, als die Lieblosigkeit oder Freudlosigkeit. »Hast du die Liebe oder Freude verloren, so starrt dir iiberall das grofle Warum entgegen. Warum, wozu alles, was mich umgibt? was soil es mir? was soil ich ihm? Welt und Geschopf, Leben und Arbeiten, Werden und Vergehen nichts hat einen eigentlichen Sinn mehr, und alles Grubeln bewahrt dich nicht vor dem Sturz in eine bodenlose Tiefe. Nur die Liebe rettet dir den Zusammen- hang des Ganzen und dich innerhalb dieses Zusammenhangs«. Mit der Preis- gebung des Individuums im Weltprozefi versohnt D. der Gedanke, dafi dieser Weltprozefl ein Lichtgestaltungsprozefi ist. Das Gewissen wird aus dem Prinzip des »Gebuhrenden« hergeleitet. Die Ableitung des Gewissens erf&hrt eine noch weit ausfiihrlichere Behandlung in dem 1892 herausgegebenen »Grundrifl einer einheitlichen Trieblehre vom Standpunkte des Determinismus«.

Bio^t. Jahrbuch u. Dcutschcr Nckroloj. 8. Bd. t

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D. bietet hier »eine ethische Psychologie im eudamonistischen Sinne«. (Vgl. auch die Abhandlung »Kant und der Eudamonismus« : Zcitschrift f. Volker- psychologie, Bd. 14, 1883, S. 261 280; Bemerkung dazu von H. Steinthal: S. 280 289; SchluBbemerkung von D.: S. 473 476.) Gegenuber der Maximc Kants »Tue, was du sollst« lautet seine Forderung »Tue, was du willst«, d. h. erfulle den Inhalt deines menschlichen Willens. »Den deni hochsten Gute nachstrebenden Gliickseligkeitstrieb voll und tatsachlich bejahen, heifit die Menschlichkeit vollenden, und dies fallt mit der Sittlichkeit zusammen. Zur Gesaintheit der ethischen Fragen nahm D. spater noch einmal Stellung in dem Werke »Die Lust als sozialethisches Entwickelungsprinzip. Ein Beitrag zur Ethik der Geschichte« (1900).

Auch als Historiker suchte er dem Leben der Gegenwart gerecht zu werden und es aus der Vergangenheit zu vcrstehen. Aus diesem Streben erwuchs die reifste Schopfung seines Geistes, das grofie Geschichtsgemalde »Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland« (1889). »Der Psychologe, Asthetiker und Sozialschriftsteller habcn sich hier vereinigt, die wirren Gestaltungen, welche die wechselnde Zeit hcrvortreibt, zu plastischer Klarheit zu heben und von einer Kritik hochethischer Farbung durchleuchten zu lassen.« Das Ganze ist »kein ausgekliigelt Buch«, sondern erlebt und daher von so packender und iiberzeugender Wirkung. Auf tiefem, innerlichem Miterleben beruhen auch die iibrigen Arbeiten D.s, in denen er einzelne hervorragende Zeiterscheinungen wie die Frauenfrage, den Einflufi Nietzsches, die Emanzi- pation der Kunst kritisch behandelt. Cberall dringt er mit Nachdruck auf das Einfache und Naturgemafie und ruft die Zeit, die ihm ganz »jenseits des Wirklichen« zu stehen scheint, zuriick zum Wirklichen, »das ihm als das Gesunde, Lebensfahige heilig ist«.

Als Essayist geniefit I), mit Recht einen besonderen Ruf. Die vier Sammlungen »Gegen den Stroma, »Reben und Ranken«, »Plaudereien und Mehr«, »Streiflichter* enthalten eine Fiille von anregenden Aufsatzen, die, mit Geist und Liebe gearbeitet, in ihrem edlen Mali nach Form und Inhalt zu dem Besten zahlen, wras unsere Literatur auf diesem Gebiete besitzt.

Der Feder des Poeten D. verdanken wir den Novellenstraufi »Herzens- geschichten« und die Gedichtsammlung ^Friih- und Abendrot«. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens versuchte er sich auch als Dramatiker, ohne jedoch einen nennenswerten Erfolg zu erringcn.

In der Philosophic der Zeit wird D. seinen Platz behalten. Immer wird man ihn, der »der Philosophic des Todes die Philosophic des Lebens, dem Welthafi die Liebe entgegensetzt'<, unter den machtvollen Gegnern des Pessi- mismus in erster Reihe nennen, und die »schonheitsvolle Gesundheit« seiner vom Ideal derMenschenwurde gctragenen, aus tiefstem Wahrheitssinn und Freiheitsdrang geborenen Schriften wird immer wieder lebendigen Widerhall wecken.

D.s ganzes Leben und Schaffen erscheint wie eine einzigartige Erflillung jenes Wortes, das in Heinrich von Steins »Helden und Welt < der griechische Weise spricht: »Meinest du denn, wreil sie mich einen Philosophen nennen, ich halte Liebe und Leben fiir nichtig oder gering? Vielmehr nichts weiil ich sicherer als dies: wie auch immer der gewaltige, dunkle Hintergrund der Dinge in Wahrheit beschaffen sein mag, der Zugang zu ihm steht uns einzig

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in eben diesem unserem armen Leben offen, und also schlieflet auch unser vergangliches Tun diese ernste, tiefe und unentrinnbare Bedeutung ein. Wie sollte ich nun nicht auch hoffen und darauf denken mussen, diesem vergang- lichen Tun eine wiirdige Gestalt zu verleihen?«

Verzeichnis der selbst&ndig erschienenen Schriften D.s: I. Die Propa- ganda des Rauhen Hauses und das Johannes-Stift in Berlin. Eine Warming. Leipzig 1862. 2. Die bffentliche Sittenlosigkeit. Entgegnung auf die gleichnamige Schrift des Zentral- Ausschusses flir die innere Mission. 1. 4. Aufl. Hamburg 1870. 5. u. 6. mit einem Vorwort verm. Aufl. 1870. (Anonym erschienen.) 3. Sozialc Briefe. I. 3. Aufl. Hamburg 1873. (Vgl. »Blatter f. lit. Unterhaltung*, 1873, Bd. 1, S. 269/70.) 4. Geschichte der englischen Presse. Nach J. Grants Newspaper Press frei bearb. Hannover 1873. 2* u- 3. Ausg. Hamburg 1883. 5. Die Psychologie der Liebe. Hannover 1874. 2. erganzte u. verm. Aufl. mit Portr. in Stahlstich 1880. 2. Aufl., 2. (Titel-)Ausg. Hamburg 1883. 2. Aufl. Neue, mit einem Vorwort versehene Ausg. Dresden 1898. (Vgl. »Blatter f. lit. Unt.«, 1874, Bd. 2, S. 701/2; Br. Meyer, Zur Psychologie pier Liebe, »Deutsche Warte«c, Bd. 8, 1875, S. 65 73.) 6. Das Leben ohne Gott. Untersuchungen liber den ethi- schen Gehalt des Atheismus. Hannover 1875. 2. u. 3. Ausg. Hamburg 1884. (Vgl. » Blatter f. lit. Unt.«, 1876, Bd. 1, S. 155; E. Pfleiderer, Der naturalistische Atheismus. Kritische Be- trachtungen im Anschlufl an J. Duboc: »Das Leben ohne Gott«, in: »Protestant. Kirchen- zeitung*, Jg. 23, 1876, Sp. 773— 787* 799— 813). 7- Gegen den Strom. Gesammelte Aufsatze. Hannover 1877. 2. Ausg. Hamburg 1883, 3, Ausg. 1884. (Vgl. ^Deutsche Rundschau«c, Bd. 14, 1878, S. 505/6.) 8. Die Behandlung der Prostitution im Reiche. Ein Beitrag zur Kritik unserer Gesetzgebung. (Aus »Magdeburg. Zeitung«.) 1. u. 2. Aufl. Magdeburg 1877. 3., durch einen Anhang verm. Aufl. 1879. 9. Das »Leben ohne Gott« und die Kritik der *Protestantischcn Kirchenzeitung*. Eine Entgegnung. Bonn 1877. (Dagegen: J. Oliver, »Jenaer Literaturzeitung*, Jg. 5, 1878, S. 298/99.) 10. Reben und Ranken. Studienblatter. Halle 1879. (Vgl. »Blatter f. lit. Unt.«, 1879, Bd. 2, S. 417—421; •Deutsche Rundschau*, Bd. 20, 1879, S. 328/29.) n. Der Optimismus als Weltanschauung und seine religios ethische Bedeutung ftir die Gegenwart. Bonn 1881. (Vgl. »Philos. Monatshefte*, Bd. 1 8, 1882, S. 180/S3.) 12. Ein Besuch im Versorgungshaus in Bonn. Hamburg 1884. 13. Die moderne Jugendliteratur. 1. u. 2. Aufl. Hamburg 1884. (Aus: •Gegen den Strom.*) 14. Plaudereien und Mehr. Aus der Studien-Mappe. Hamburg 1884. (Vgl. »Deutsche Rundschau«, Bd. 43, 18S5, S. 154/56.) 15. Die Tragik vom Standpunkte des Optimismus, mit Bezugnahme auf die moderne Tragbdie. Hamburg 1886. (Vgl. >Philos. Monatshefte*, Bd. 23, 1887, S. 445/49.) - 16. Herzensgeschichten. Ein Novellenstraufl.

1. u. 2. Aufl. Dresden 1888. 17. Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland. Geschichte und Kritik. Leipzig 1889. Teil 2. Eine Umschau an des Jahrhunderts Wende. 1893.

2. Aufl. 1899. (Vgl. »Jahresberichte f. neuere deutsche Literaturgesch.* 1890, Halbbd. 2, S. 37, Bd. 5, 1894, IV ib: 203; »Blatter f. lit. Unt.«, 1889, Bd. 2, S. 520/21, 1893, Bd- S. 705; »Grenzboten<c, Jg. 49, 1890, 3. Vierteljahr, S. 113 117; »Magazin f. d. Literature Jg. 59t S. 355/59* 374/77; »Histor. Jahrb. d. Gorres-Gesellschaft«, Bd. 15, 1894, S. 397/991 A. Berthold, J. Dubocs Hundert Jahre Zeitgeist in Deutschland. Vortrag. Leipzig 1894.) 18. Grundrifl einer einheitlichen Trieblehre vom Standpunkte des Determinismus. Leipzig 1892. (Vgl. »Philos. Monatshefte«, Bd. 29, 1893, S. 330/37, Bd. 30, 1894, S. 49 57; »Zeitschr. f. Philos. u. philos. Kritik«, N. F. Bd. 103, 1894, S. 336.) 19. Fiinfzig Jahre Frauenfrage in Deutschland. Geschichte und Kritik. Leipzig 1896. (Vgl. ^Deutsche Literaturzeitung«, Jg. 17, 1896, Sp. 16 18 22.) 20. Jenseits vom Wirklichen. Eine Studie aus der Gegenwart. Dresden 1896. (Dagegen: O. Bie, Gesunde u. kranke Kunst, »Kunstwart«, Jg. 9, 1895/96, S. 49 51.) 21. Anti-Nietzsche. Erweitert. Sep.-Abdr. aus •Jenseits vom Wirklichen«. Dresden 1897. (Vgl. »Zukunft«, Bd. 18, 1897, S. 419: Selbst- anzeige; ^Deutsche Iviteraturzeitung«, Jg. 18, 1897, Sp. 646/47.) 22. Das Ich und die Cbrigen. (Ftir und wider M. Stirner.) Ein Beitrag zur Philosophic des Fortschritts. Leipzig 1897. (Vgl. >Jahresber. f. neuere deutsche Literaturgesch.«, Bd. 8, 1897, IV 5 d: 88;

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»Blatter f. lit. Unt.«, 1898, S. 727.) 23. Zwei Zeitgedichte. Zur Fraucnfragc. Einc Epistel an die Mannerwelt. Zur Judenfrage. Dresden 1897. 24. Die Emanzipation der Kunst. Drei Briefe an einen Freund. Nebst einer Nachschrift liber »Das Modemec. Leipzig 1898. (Vgl. »Jahresber. f. n. d. Literaturgesch.<c, Bd. 10, 1899, l II: 85.) 25. Friih- und Abendrot. Gedichte. Dresden u. Leipzig 1899. (Vgl. »Zukunft«, Bd. 30, 1900, S. 87/89: Selbstanzeige ; *Literar. Echo«, Jg. 2, 1899/1900, Sp. 1010/11: R. M. Werner, Optimistische Lyrik; ^Bibliographic d. deutschen Zeitschr.-Literatur.* Supplbd. 1. Bibliogr. d. d. Rezensionen 1900, S. 100.) 26. Die Lust als sozialethisches Entwickelungsprinzip. Ein Beitrag zur Ethik der Geschichte. Leipzig 1900. (Vgl. »Zukunft«c, Bd. 34, 1901, S. 29/30: Selbstanzeige; »Lit. Zentralbl.«, Jg. 52, 1901, Sp. 2109; ^Deutsche Litoraturzeitungc, Jg. 22, 1901, Sp. 1544/46; »Neue Bahnen«, Jg. 3, 1903, S. 432 36.) 27. Zusammen mit P. Wiegler: Geschichte der deutschen Philosophic im 19. Jahrhundert. Berlin 1901. = Das deutsche Jahrhundert in Einzelschriften. Bd. 1, Abth. 3. (Vgl. »Lit. Zentralbl.«c, Jg. 53,

1902, Sp. 1293/94.) 28. Die Freunde. Schauspiel in 4 Aufzilgen. Dresden 1902. 29. Streiflichter. Studien und Skizzen. Leipzig 1902. (Vgl. >Lit. Echo*, Jg. 5, 1902/03, Sp. 1366.)

Quellen: In ersterLinie: K. Joel, J. D. (»Nord u. SUd«, Bd. 60, 1892, S. 318—339, Portr.); derselbe, J. D. Zum 70. Geburtstag (»Frankfurter Zeitung«, 1899, Nr. 279 v. 8. Okt.). Vgl. ferner: J. Duboc, Mein Jubilaum (»Zukunft«, Bd. 40, 1902, S. 278 281). »Hamb. Correspondents Ab.-Ausg. v. 15. Juni 1903 (Nekrolog von E. Isolani). »National-Zeitung«

1903, Nr. 340, Morg.-Ausg. v. 14. Juni. »Liter. Echo*, Jg. 2, 1899/1900, Sp. 201; Jg. 5, 1902/03, Sp. 1372. A. Hinrichsen, »Das literar. Deutschlafnd«, 2. Aufl. 1891, S. 294/95. Brummer, »Lexikon d. deutschen Dichter u. Prosaisten d. 19. Jahrh.«, 5. Ausg., Bd. 1, S. 283/84, 529. Klirschners deutscher Literatur-Kalender, 1903, Sp. 279. Meyers Konversations-Lexikon, 6, Aufl., Bd. 5, 1903, S. 241/42. O. Siebert, »Gesch. d. neueren deutschen Philosophic seit Hegel«. Gottingen 1898. S. 27. Ueberweg-Heinze, »Grundri8 d. Gesch. d. Philos.*, T. 4, 9. Aufl. 1902, S. 330. Bibliogr. d. deutsch. Rezensionen. Suppl. zur ^Bibliogr. d. deutsch. Zeitschr.-Liter.«, Bd. 2, 1901, S. 54; 3, 1902, S. ioi ;

4, 1903, S. 104. Briefe von L. Anzengruber hrsg. v. A. Bettelheim, 1902, Bd. 1, Nr. 21 1, 215, 219, 222, 226 u. S. 312; Bd. 2, S. 30, 239, 243. Beziehungen zu Feuerbach: J. Duboc, Aus L. Feuerbachs Nachlafl (»Nord u. Siid«, Bd. 60, 1892, S. 307 317); der- selbe, Ludwig Feuerbach (»Zukunft«, Bd. 20, 1S97, S. 469 475). W. Bolin, Ludwig Feuerbach, sein Wirken und seine Zeitgenossen. Stuttg. 1S91, S. 289 91, 342 43. Ausgewahlte Briefe von u. an L. Feuerbach hrsg. v. W. Bolin. Leipzig 1904. Bd. I,

5. 152/53; Bd. 2, S. 204/9, 252/54, 258/59, 280/S1, 284/85, 289/90, 323/25- Vgl. auch: »Deutsche Warte«, Bd. 4, Hft. 10, 1873 (Acht Briefe von L. Feuerbach). Joh. Sass.

Laib, Friedrich, katholischer Priestcr, Kunsthistoriker, * 21. September 181 9 zu Oberndorf a. N., f 20. Januar 1903 zu Rottenburg. L. studierte Theo- logie in Tubingen, wurde am 29. August 1842 zum Priester geweiht, am 12. Juli 1846 Pfarrer in Rechberghausen, am 14. Mai 1867 Pfarrcr in Oedheim, am 1. Marz 1899 pensioniert. Literarisch tatig war L. auf dem Gebiete der christlichen Kunst. Mit Dr. Franz Josef Schwarz zusammen redigierte er dieZeitschrift: »Kirchenschmuck. Ein Archiv fiir kirchIicheKunstsch5pfungen 1 und christliche Altertumskunde. Herausgegeben unter der Leitung des christ- lichen Kunstvereins der Diozese Rottenburg« (27 Bande in 14 Jahrgangen, Stuttgart 1857 1870; mit einem Registerband, Ellwangen 1874). Ebenfalls mit Schwarz zusammen publizierte L. die folgenden Schriften: »Formenlehre des romanischen und gothischen Baustils« (in 1. Aufl. als 1. Vereinsgabe des Rottenburger Diozesanvereins fiir christliche Kunst; 2. Aufl. Stuttgart 1858; Titelauflage Zurich 1867); »Studien uber die Geschichte des christlichen

Laib. Stiegele. Cramer. 6g

Altars. Herausgegeben vom Rottenburger DiSzesanverein fur christliche Kunst. 2. Vereinsgabe« (Stuttgart 1857); »BiMia Pauperum. Nach dem Original in der Lyzeumsbibliothek zu Konstanz herausgegeben und mit einer Einleitung begleitet von Laib und Schwarz« (Zurich 1867; 2. unveranderte Aufl. Wiirz- burg 1892; neue Ausgabe Freiburg i. Br. 1899).

Vgl. Neher, Personalkatalog der Gcistlichen des Bistums Rottenburg (3. Aufl., Schw. GmUnd 1894), S. 87. p. Lauchert.

Stiegele, Paul, Domkapitular in Rottenburg, * 2. Dezember 1847 zu Ravensburg, f 24. Februar 1903 zu Rottenburg. St. studierte Theologie in Tubingen, wo er 1868 den Preis der katholisch-theologischen Fakultat und 1870 den ersten homiletischen Preis erhielt, und wurde am 10. August 1870 zum Priester geweiht. Hierauf war er zuerst kurze Zeit Vikar in Biberach, November 1870 bis 1875 Repetent im Konvikt in Rottweil. Im Fruhjahr 1875 zu einer Reise nach Italien beurlaubt, wurde er nach seiner Ruckkehr im August 1875 provisorisch, seit September 1876 definitiv Kaplan in Aulendorf, am 17. Oktober 1878 Pfarrer in Sulmingen, am 26. September 1882 provisorisch, am 5. Mai 1884 definitiv Regens des Priesterseminars in Rottenburg; 1898 Domkapitular. Als Vertreter des Domkapitels in der 2. Kammer widmete er sich mit einem bei seiner zarten Gesundheit seine Krafte aufreibenden Kifer den parlamentarischen Aufgaben, indem er insbesondere in den Kampfen um die konfessionelle Volksschule mit Mut und Entschiedenheit die Rechte der Kirche vertrat. St. war ein Mann von reichen Kenntnissen nicht nur in der Theologie, sondern auf den verschiedensten Gebieten der Wissenschaft und Literatur. Seine bekannteste literarische Arbeit sind die in drei Auflagen verbreiteten »Klosterbilder aus Italien« (Stuttgart 1881; 2. Aufl. 1892; 3. Aufl. 1893). Nach seinem Tode erscheinen »Gedenkblatter aus dem Leben und XachlaB des Domkapitulars Paul Stiegele«, wovon bis jetzt Band II, »Fasten- predigten«, herausgegeben von B. Rieg (Rottenburg 1904), vorliegt; die folgenden Bande sollen weitere Predigten und Vortrage, Band I ein Lebens- bild St.s enthalten.

Vgl. »Augsburger Postzeitung« 1903, Nr. 46 vom 26. Februar. »Kolnische Volks- zeitung« 1903, Nr. 177 vom 25. Februar. Neher, Personalkatalog der Geistlichen des BUtums Rottenburg (3. Aufl., Schw. GmUnd 1894), S. 183. K. Lauchert.

Cramer, Wilhelm, Weihbischof von Minister, * 3. Marz 181 5 zu Oelde in Westfalen, f 15. Marz 1903 zu Munster. C. besuchte das Progymnasium zu Warendorf und das Gymnasium zu Munster, studierte dann Theologie an der Akademie zu Munster und wurde am 10. August 1838 zum Priester ge- weiht. Am 30. Oktober 1839 wurde er Kaplan zu Neuenkirchen bei Rheine, am 21. Oktober 1850 Pfarrer und Dechant zu Dulmen, Anfang 1864 Regens des Priesterseminars in Munster, am 21. Juni 1864 auch als Domkapitular investiert, Mai 1866 zugleich Direktor der Weltpriesterkongregation in Kevelaer. In den Kulturkampfsjahren, wahrend das Priesterseminar seit 1876 geschlossen war, der Bischof in der Verbannung weilte und eine Reihe von Pfarreien jahrelang verwaist standen, erwarb sich C. durch Abhaltung von Volksmissionen grofie Verdienste. Als der Bischof Johann Bernard Brinkmann 1884 aus der Verbannung zunickkehrte, ernannte er C. zum Domdechanten (als solcher

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Cramer. Liebert.

wurde er am 19. April 1884 installiert) und zum Weihbischof; am 13. Novem- ber 1884 prakonisierte ihn Papst Leo XIII. zum Bischof von Lykopolis /. /. /. und Weihbischof von Munster; am 21. Dezember 1884 wurde er von Bischof Brinkmann konsekriert. Er war auch papstlicher Hauspralat und Thronassistent C. entfaltete auch als vortrefflicher religioser Volksschriftsteller eine un- ermudliche, segensreiche Tatigkeit. Als Pfarrer von Dulmen begriindete er 1852 das Dulmener »Katholische Missionsblatt. Kin Sonntagsblatt zur religiosen Belehrung und Erbauung«, das er mehrere Jahrzehnte lang auch in seinem spatern Wirkungskreise fast ganz allein schrieb. Von seinen zahlreichen Gebetbiichern, Mahn- und Erbauungsschriften haben mehrere eine grofie Zahl von Auflagen erlebt und erfreuen sich noch einer grofien Beliebtheit. Als die bekanntesten darunter seien genannt: »Feuer und Schwert oder: Die heiligen Statten und Stunden« (Dulmen 1870; die folgenden Auflagen unter dem Titel:) »Auf nach Salems Hohen! oder: Die heiligen Statten und Stunden unseres Herrn in 40 Betrachtungen fur jeden Tag der heiligen Fastenzeit - (2. Aufl. 1873; 6. Aufl. 1898); »Die christliche Mutter« (Dulmen 1872; 28. Aufl. 1899); »Der christliche Vater< (Dulmen 1873; 8. Aufl. 1897); -Die christliche Lehrerin < (Dulmen 1887; 4. Aufl. 1895); Der christliche Lehrer (Dulmen 1889; 2. Aufl. 1896). Grofiere Werke: > Das Kirchenjahr, oder Betrachtungen auf alle Tage des Kirchenjahres nach dessen Festen und Evan- gelien« (2 Bde., Munster 1877/78; 2. Aufl. 1894); »Der apostolische Seelsorger, oder der Seelsorger, wie er sein und wirken soll< (Dulmen 1889; 2. Aufl. 1890; 3. Aufl. 1903); »Unser Adel oder die Kindschaft Gottes< (Dulmen 1892). Erwahnt sei noch die Schrift: »Wahrheit und Marchen, oder die Glaubens- entscheidung des 18. Juli. Ein Wort der Belehrung und Beruhigung- (Dulmen 1870), und die Biographic: »Johann Bernard, Bischof von Miinster« (Wurz- burg 1875, Deutschlands Episkopat in Lebensbildern, III. Bd., 5. Heft).

Vgl. E. Raflmann, Nachrichten von dem Leben und den Schriften Miinsterlandiscber Schriftstellcr, Neue Folge (Mtinster 1S81), S. 42 f. »AIte und \cue Welt«, 37. Jahrg. 1903, S. 571, mit Portrat. »Literar. Handweiser« 1903, Nr. 788, Sp. 57of. »Kolnische Volkszeitung« 1903, Nr. 235 vom 17. Marz. F. Lauchert.

Liebert, Narzissus, O. S. B.} Rektor der Studienanstalt bei St. Stephan in Augsburg, * 18. Marz 1844 zu Augsburg, f 25. Marz 1903 daselbst. L. be- suchte in seiner Vaterstadt 1854 1862 das Gymnasium der Benediktiner zu St. Stephan, trat dann im Stift St. Stephan in den Orden, legte am 20. Mai 1864 Profefi ab, studierte an der Universitat Miinchen Theologie und Philologie und wurde am 30. Mai 1867 zum Priester geweiht. Im Herbst 1867 machte er das philologische Staatsexamen, am 27. Juni 1868 promovierte er in Wtirzburg zum Dr.phiL Seit Herbst 1868 wirkte er hierauf im Lehramt am Gymnasium St. Stephan, 1868 70 als Gymnasialassistent, 1869 70 als Seminarprafekt, 1870 71 als Studienlehrer, 187 1 91 als Gymnasialprofessor. Schon bald lchrte er Latein und Griechisch in den beiden obersten Gymnasialklasscn, seit 1872 auch Hebraisch. Seit 187 1 war er auch Novizenmeister und Klerikerdirektor im Kloster. 1891 wurde er Rektor der Gesamtstudienanstalt (Lyzeum und Gymnasium) und ubernahm auch die Professur fur Philologie und Padagogik am Lyzeum. L. war ein hervorragender Philologe und Schulmann, ein entschiedener Vertreter des humanistischen Bildungsideals. Die schriftstellerische Tatigkeit L.s

Liebert. Scbmid. Mitternitzncr.

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umfaQt auf philologischem Gebiete die Dissertation »De doctrina Taciti« (Wurzburg 1868) unci vier Hefte »Lateinische Stiliibungen« (Programme der kgL kath. Studienanstalt zu St. Stephan in Augsburg 1876, 1880, 1887, 1898); auf theologischem Gebiete Obersetzungen derHomilien des hi. Johannes Chryso- stomus iiber die Briefe des Apostels Paulus an die Epheser, an die Philipper und an die Kolosser (in: Ausgewahlte Schriften des hi. Chrysostomus, nach dem Ur- texte iibersetzt, Bd. VII, S. 169—558, Bd. VIII, S. 7—533, Kempten 1882 i, in der Bibliothek der Kirchenvater), und derDidache: »Die neu aufgefundene Lehre der zwolf Apostel, aus dem Urtexte iibersetzt* (Kempten 1885 in: Biblio- thek der Kirchenvater, Anhang zu den »Apostolischen Konstitutionen«).

Vgl. »Augsburger Postzeitung« 1903, Nr. 70 vom 28. Marz (P. Beda Grundl). Lindner, Die Schriftsteller des Benediktinerordens in Bayern, Bd. II (Kegensburg 1880), S. 255f.; Xachtrage (1884), S. 74. F. Lauchert.

Schmid, Theodor, S. J., * 9. November 1837 zu Dillingen, f 9. April 1903. Sch. trat am 27. September 1857 zu Gorheim in das Noviziat der deutschen Ordensprovinz der Gesellschaft Jesu ein. Nachdem er den gewflhnlichen Studiengang durchgemacht hatte, wurde er am 13. September 1868 zu Maria- Laach zum Priester geweiht. Er wirkte dann zwei Jahre in der Seelsorge zu Bonn. Seit der Verbannung aus Deutschland 1872 war er an der Stella matutina zu Feldkirch in vielseitiger Wirksamkeit tatig, als Lehrer der Reli- gion, Geschichte und Asthetik an den hoheren Gymnasialklassen, sowie als Prcdiger und Chordirigent. Schriftstellerisch machte sich Sch. als Asthetiker und Kunstkritiker auf dem Gebiete der Musik einen angesehenen Namen durch seine in den Stimmen aus Maria-Laach und in kirchenmusikalischen Organen veroffentlichten Beitriige. Als Buch erschien: »Das Kunstwerk der Zukunft und sein Meister Richard Wagner« (Freiburg i. Br. 1885; vorher in einer Reihe von Artikeln in den Stimmen aus Maria-Laach, Bd. 25 27, 1883^). Von seinen kleineren Arbeiten scien crwahnt: »Das Kunstschone in der Kirchenmusik* (im Cacilienkalender, herausgegeben von Haberl, Regensburg, fur 1883, 1884, 1885), und von seinen Beitragen zu den Stimmen aus Maria- Laach: »Kirchenmusikalische Briefe< (3. Bd. 1872, S. 505 513; 4. Bd. 1873, S. 436— 448, 571—583; 5- Bd- 1873, S- 277—288; 6. Bd. 1874, S. 71—83); Besprechungen der Passionsspiele von Vorderthiersee in Tirol (29. Bd. 1885, S. 511 526), Brixlegg (37. Bd. 1889, S. 364 381) und Oberammergau (39. Bd. 1890, S. 405 429); vPrincipes musicae Fiirsten der Tonkunst« (Palestrina und Orlando di Lasso; 47. Bd. 1894, S. 113 136, 264 286, Nachtrag 483 bis 486); »Werke der Tonkunst aus Osterreichs alter und neuer Zeit« (49. Bd. 1895, S. 151 175, 268 283); "Zur Choralkunde« (52. Bd. 1897, S. 175 199, 289 -316); seine letzte Arbeit war ein eingehendes Referat iiber das Werk von R. Molitor, Die nachtridentinische Choralreform zu Rom, Bd. I und II, Leipzig 1901 f. (unter verschiedenen Titeln, 61. Bd. 1901, S. 404 414, 516 bis 528; 65. Bd. 1903, S. 33—55, 555 572; 66. Bd. 1904. S. 84—93).

Vgl. »Stimmen aus Maria-Laach «, 65. Bd. 1903, S. 33 f. F. Lau chert.

Mitterrutzner, Johannes Chrysostomus, Can. reg.t emeritierter Gymnasial- direktor, * 30. Mai 18 18 auf clem Hollerhofe zu Tils bei Brixen, f 15. April 1903 im Stift Neustift bei Brixen. M. absolvierte die Gymnasialstudien 1831 37 zu Brixen, wo sein geistlicher Oheim Forer, der fur seine Ausbildung

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Mitterrutzner.

sorgte, Prafekt des Gymnasiums war (f 1845), die philosophischen Studien 1837 39 in Innsbruck und studierte dann in Brixen 1839 42 Theologie, wo unter seinen Lehrern Vincenz Gasser, der spatere Fiirstbischof von Brixen, als Professor des Alten Bundes und der orientalischen Sprachen, und Franz Josef Rudigier, der spatere Bischof von Linz, als Professor der Kirchen- geschichte waren. Unter Gasser, der auch sp£ter als Fiirstbischof sein grofler Gonner blieb, betrieb er mit besonderem Eifer das Studium der orientalischen Sprachen, aufier dem Hebraischen auch des Arabischen, Syrischen und Chaldaischen. Nach dreijahrigem Studium der Theologie trat er am 7. Sep- tember 1842 in dem Augustiner-Chorherrenstift Neustift bei Brixen in das Noviziat ein und erhielt statt seines Taufnamens Josef den Ordensnamen Johannes Chrysostomus; am 8. September 1843 legte er Profefl ab und wurde am 24. September 1843 zum Priester geweiht. Wahrend des folgenden Jahres horte er noch den vierten theologischen Kurs und bereitete sich zugleich auf das Gymnasiallehramt vor. Im Sommer 1844 kam er zum erstenmal nach Rom, wo er auBer anderen Wiirdentragern und Gelehrten insbesondere mit dem Kardinal Mezzofanti bekannt wurde. Zu einem zweiten langeren Studien- aufenthalt kehrte er 1846 nach Rom zunick, wo er diesmal von April 1846 bis Mai 1847 blieb; am 16. Juni 1846, dem Wahltage Papst Pius1 IX., wurde er Dr. theol. an der romischer* Universitat. Im Herbst 1847 wurde er Lehrer am Gymnasium zu Brixen, wo er abwechselnd Geschichte und Geographie und die klassischen Sprachen, als Freifacher auch modeme Sprachen lehrte. 1852 ernannte ihn die Accademia di religione cattolica in Rom zu ihrem ordent- lichen korrespondierenden Mitglied. Seit 1851 nahm sich M. mit groBem Eifer der Angelegenheiten der afrikanischen Mission an; in diesem Jahre kam der apostolische Provikar fur Zentralafrika, Dr. Ignaz Knoblecher, den er schon in Rom kennen gelernt hatte, auf einer Reise nach Brixen, um den Marienverein zur Forderung der katholischen Mission in Zentralafrika auch in dieser Diozese einzuftihren. Als Vertreter des Marienvereins sammelte M. unermudlich Geld fur die Mission, stand den Missionaren mit Rat und Tat zur Seite und wurde zu alien wichtigeren Angelegenheiten der Mission zu Rate gezogen. 1856 reiste er selbst nach Alexandria, um acht Negerknaben, die in Europa ausgebildet werden sollten, abzuholen. Nach dem Tode Knoblechers 1858 wiinschten die Missionare dieses Missionsbezirkes ihn als apostolischen Provikar in Chartum; er begab sich aber zu personlicher Ver- handlung mit der Propaganda nach Rom und bewirkte die Ernennung des P. Matthaus Kirchner. Aus Manuskripten von Missionaren und nach miind- licher Anweisung eines nach Brixen gekommenen Negers verfaflte er in den sechziger Jahren die Werke: »Die Dinka-Sprache in Zentralafrika. Kurze Grammatik, Text und W6rterbuch« (Brixen 1866) und »I)ie Sprache der Ban in Zentralafrika. Grammatik, Text und W6rterbuch« (Brixen 1867). In An- erkennung dieser Arbeiten verlieh ihm 1867 das Institut de VAfrique in Paris das Diplom als President d'honneur. Wahrend des Vatikanischen Konzils war er als Geheimschreiber des Generalsekretars des Konzils, des Bischofs Fefiler, wieder in Rom. Im Jahre 1873 wurde er Direktor des Gymnasiums zu Brixen; 1 89 1 legte er wegen fortgeschrittenen Alters und zunehmender Kranklichkeit dieses Amt nieder und erhielt den Titel eines k. k. Schulrates; er lehrte dann noch zwei Jahre am Gymnasium Italienisch, 1892/93 auch Geschichte. Im

Mitterrutzner.

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Sommer 1893 kehrte er dann in das Stift Neustift zuruck und lebte hier die letzten zehn Jahre bis zu seinem Tode. M. besafi eine hervorragende linguistische Begabung; neben der in den Studienjahren erworbenen Kenntnis der klassischen und orientalischen Sprachen beherrschte er eine grofiere Zahl von modernen Sprachen (Italienisch, Franz6sisch, Spaniseh, Portugiesisch, Rhatoladinisch, Englisch, Niederlandisch, Slovenisch, Danisch), wozu noch die schon erwahnten Negersprachen kommen; diese vielseitige Sprachkenntnis erwarb ihm den Beinamen des tirolischen Mezzofanti. Von philologischen Arbeiten sind neben den oben genannten zwei Grammatiken die als Brixener Gymnasialprogramme veroffentlichten Arbeiten zu nennen: »Leichte Methode fur Lateiner, Italienisch zu lernen, oder: Abstammung und Verwandtschaft der italienischen Sprache« (Innsbruck 1851); »Die rhatoladinischen Dialekte in Tirol und ihre Lautbezeichnung« (Brixen 1856); »Slavisches aus dem ost- lichen Pustertale« (1879). Unter seiner iibrigen schriftstellerischen Tatigkeit nehmen die biographischen und hagiographischen Arbeiten die erste Stelle ein, von denen genannt seien: »Das Leben des ehrwiirdigen Dieners Gottes Vincenz Maria Strambi aus der Kongregation der Passionisten, Bischof von Macerata und Tolentino (geb. 1745, gest. 1824). Nach den Akten des Selig- sprechungsprozesses bearbeitet« (Schaffhausen i854);»KurzeLebensbeschreibung des hochw. Herrn Alois Haller, apostolischen Missionars zu Chartum in Zentral- afrika (geb. 1820, gest. i854)« (Innsbruck 1855); »Leben und Verehrung der hi. Agnes, Jungfrau und Martyrin« (nach dem Italienischen; Innsbruck 1859;

2. Aufl. 1877); »Das Leben des seligen Paul vom Kreuze, Stifters der Kon- gregation der Passionisten « (aus dem Italienischen tibersetzt; Innsbruck i860); »Dr. Ignaz Knoblecher, apostolischer Provikar der katholischen Mission in Zentralafrika« (Brixen 1869); » Josef Kardinal Mezzofanti, der groBe Polyglott« (zuerst als Programm, Brixen 1885; 2. Titelauflage Wien 1885); »Fragmente aus dem Leben des Fragmentisten (J. Ph. Fallmerayer)« (Brixen 1887); »Ein Blatt der Erinnerung an die katholischen Missionare aus Tirol in Zentral- afrika« (Brixen 1890). Von anderen Arbeiten seien noch genannt: >Immer- wahrender katholischer Hauskalender. Ein vollstandiges Handbuch f iir katholische Familien« (mit Nikolaus Rothmuller; 2 Bde., Innsbruck 1848 51; 2. Aufl. 1869 76); ^Conspectus hierarchiac catholicae per orbem t err arum tempore concilii oecumenici Vaticani* (Brixen 187 1). Aus dem Italienischen ubersetzte M. ins Lateinische: +Angclo Scotti, Afeditationes ad usum c/eri, per singulos anni dits sumptae ex Dominicarum eimngeliis* (4 Bde., Innsbruck 1854 55); aus dem Franzosischen ins Deutsche die »Betrachtungen fur Priester* von Chaignon (in 4 Bdn., Brixen 1870 72; die folgenden Auflagen in 5 Bdn., 2. Aufl. 1879^,

3. Aufl. 1884 f., 4. Aufl. 1 89 if.). Fur die Kemptener Bibliothek der Kirchen- vater lieferte er den L, II., V. und X. Band der »Ausgewahlten Schriften des heiligen Chrysostomus, nach dem Urtexte ubersetzt« (1869 84). Nach seinem Tode erschien seine Autobiographic unter dem Titel: »Aus dem Schatze der Erinnerungen eines gliicklichen Menschen« (veroffentlicht und erganzt von Eduard Jochum, Brixen 1903; mit Portrat).

Vgl. fcrner J. M. Schmidinger, Der letzte SchUler Mezzofantis; in der aAugsburger Postzeitungc 1903, Nr. 99 und 100, vom 3. und 5. Mai. »Zeitschrift des Ferdinandeums fUr Tirol und Vorarlberg«, 3. Kolge, 47. Heft, 1903, S. 321 324 (mit Portrat zu S. 315).

F. Lau chert.

74 Beyschlag.

Beyschlag, Robert, Genremaler, * i. Juli 1838 zu Nordlingen, f 5. De- zember 1903 in Miinchen. B. entstammt ciner alten Familic, aus welcher schon viele namhafte Gelehrte unci Kunstler, inshcsondcre im Baufache, her- vorgingen. Auch Wissenschaft und Theologie sind inbegriffcn. Seine rechtzeitig erkannte Begabung fiihrte ihn auf die Miinchener Akademie zu Philipp Foltz »aus Bingen« (wie der schrullenhafte aber ttichtige Lehrer sich zum Unterschiede von alien ubrigcn ^Foltzen und Yoltzen^ zu bezeichnen beliebte), der gerade damals ein zahlreiches Hauflein riistigcr Talente bei- sammen hatte, darunter Theodor Pixis, WeiBbrod, Hauschild, Schwoiser, Jos. Munsch, Heinrich Spiefl, Karl Baumeister u. a., welche das frisch aufbliihende »Jung-Muncheiv< auch eine Art artistischen Hainbund t (lessen Geschichte noch eines Biographen harrt bcgrundeten, zu (lessen frohlichen Festen B. riistig beitrug. Foltz hielt i\cn vielversprechenden Kunst- jiinger hoch; ihm imponierte auch sein klassisch geformter Kopf, welchen der doktrinare Professor eines kleinen Fehls wegen immer als eine > beschadigte Antike« pries. Mit seinen kleinen, mit Vorliebe mittelalterlich kostiimierten, (lurch guten Formensinn und feines Farbengefiihl ansprechenden, grofltenteils etwas lyrisch-sentimental angesauselten Bildern machte B. viel Gluck. Es gab da »Gretchen«, libellenhafte »Psyehen und Quellennymphen, Liebende, die ihr verschlungenes Monogramm einem alten Linden- oder Buchenbaum einschneiden, zartliche »Xachbarkinder<< und > Fruhlingsgriille , gluckliche, mit ihren holden Sprofilingen spielende Frauchen, eine »Erwartung« a la Schiller, wobei der schlafende Freund mit Kiissen geweckt wird. Bisweilen kleidete er ahnliche Stimmungen in das moderne Leben, es gab dann > Geburtstags- gratulationen«, »lTnterhaltungcn am Brunnen , Abschieds- und dergleichen nasse Szenen. Auch mit antiken Stoffen versuchte er sich, gleichfalls gliicklich: an einer Iphigenie, Orpheus und Eurydike, einem flotenden Hirtenparchen: >() du gluckliche Jugend!' Tnter dem Titel Frauenlob' veranstaltete er eine Internationale Sammlung von anmutigen und schonen, verschiedene Jahrhunderte reprasentierenden Frauenk&pfen: aus der hellenischen Welt, mit Oberspringung der Pfahlbauten aus dem Fruh-Christentum, der ; Gotik , der hollandischen und venetianischen Bltitc, im Charakter der Renaissance, des Rokoko, der Revolutions-, Empire- und Biedermaier-Zeit. Wiederholte Reisen nach Paris und Italien gaben gar keinen neuen Zuwaehs. Ganz nach dem historischen - Rezept seines Meisters make B. eine Freske in die Galerie des bayerischen Nationalmuseums, wie d.udwig der Kelheimer mit dem Sultan Kamel iiber den Abzug der Kreuzfahrer unterhandelt* (1221) ein »recht gut komponiertes , fest gezeichnetes und frisch koloriertes Exempel der damaligen Geschichtsmalerei. Dann kehrte B. in das ihm ganz zustandige Repertoire zuriick: Er brachte anmutende Familienszenen, wobei auch der leise mitspielende Humor dem Kunstler neue Freunde gewann, darunter »\Valdhuters Tochterlein , Die beiden Hasen« und der »Liebesdienst'< (wie ein kleines Stumpfnaschen ihrem Briiderchen die zerrissenen Inexpressibles zunaht) und dergl. Eine grolJe Anzahl fortgesetzter Krzeugnisse seines Fleifies, in Holzschnitt und Photographie reproduziert, darunter auch sehr ansprechende Bildnisse, sicherten ein dankbares Publikum dem gemutreichen Kunstler, welcher nach dreiwochentlicher Kraukheit einem glucklichen Familienleben entrissen wurde. F^ine Ausstellung seines Nachlasses im

Beyschlag. BUrgel. 7 c

Miinchener Kunstverein brachte 34 grSfitenteils ganz vollendete, mitunter aus der Glanzzeit seines Schaffens stammende Bilder und Studien; sie wurden am 10. November 1904 durch Carl Maurer versteigert.

Vgl. Pccht: Geschichte der Miinchener Kunst 1888 S. 242. Singer 1895 I 122. Fr. von Botticher 1895 * 89 flf. (dabei sind 63 Nummern gewissenhaft in historischer Reihenfolge aufgezahlt). Nekrologe in Nr. 340 »AUgem. Ztg.«c 8. Dezember 1903. Kunstvereinsbericht fUr 1903 S. 67. Hyac. Holland.

Burgel, Hugo, Landschaftsmaler, * 14. April 1853 in Landshut, f 3. Juli 1903 zu Munchen. B., Sohn eines 1869 zu Regensburg verstorbenen Oberpostinspektors, absolvierte das Gymnasium und widmete sich der militari- schen Laufbahn. Seit 1876 mit der Tochter des Philosophen und Universitats- professors Dr. Karl von Prantl (f 1888) verheiratet, beschaftigte sich B. in mehr als dilettantischer Begabung mit der Malerei, nahm 1886 einen ein- jahrigen Urlaub, welchen er unter August Finks Leitung so energisch be- nutzte, dafi er den EntschluB faflte, den militarischen Beruf mit dem kunstle- rischen zu vertauschen. Im Marz 1887 nahm B. seinen Abschied als Oberleutnant und debutierte mit Bildern aus dem Isartal (namentlich mit einer »Fernsicht auf die Zugspitze«) im Kunstverein und in den Jahresaus- stellungen des Glaspalastes. Nach Eugen von Stielers Riicktritt wurd B. als erster President der Miinchener Kunstgenossenschaft gewahlt, verzichtete aber bald auf diese Stelle, um als Vorsitzender an die Spitze der sogenannten Luitpoldgruppe zu treten. Mit feiner Empfindung ausgestattet, wahlte er am liebsten weiche, in verschleierter Atmosphare verfliefiende Stimmungsbilder, wozu die Eindriicke der oberbayerischen Landschaft mit ihrem Flufl-, Seen- und Moorgebiet die wechselreichsten Motive boten. Seine alle Jahres- und Tageszeiten abspiegelnden, immer in zarten Duft gehiillten Bilder wirken ungemein beruhigend, sozusagen kontemplativ, in einer Art unendlicher Melodie, mit einem alle festeren Konturen einlullenden Nirwana. Deshalb ermiidete auch eine Gesamtausstellung seiner Werke, wie man selbe im Dezember 1903 veranstaltete, den Beschauer, wahrend in kleinerer Auswahl unser Interesse immer gefesselt wird. »Jedenfalls war der Kunstler in seiner ganzen Entwicklung noch nicht zum Abschlufl gekommen, iyid der Tod hat ihn gehindert, seine letzten malerischen Absichten vollkommen zum Ausdruck zu bringen. Doch ist das, was er uns gegeben, genug, um sich daran immer wieder zu erfreuen« und sein fruhes Scheiden zu beklagen. Die Liebe zur Natur ist sein Glaubensbekenntnis, seine Religion, sein Alles, Hochstes. Ein triiheres Eintreten in den artistischen Berufskreis ware, wie bei J. V. von Scheffel, von gunstiger Folge gewesen. Seine vornehmen Zuge hat \V. Thor in einem trefflichen Bikinis festgehalten. Seine zahlreichen Freunde bereiteten ihm vor der Uberfiihrung zur Feuerbestattung nach Jena eine glanzende Ovation.

Vgl. »Das geistige Deutschland* 1898 S. 94. Alexander Heilmeyer im Miinchener Kunstvereinsbericht ftir 1903 S. 68. Eine ver>tandnisinnige Besprechung von B.s Ge- samtausstellung seiner Bilder in Nr. 562 der »MCinchener Xeuesten Nachrichten« vom J. Dezember 1903.

Hyac. Holland.

76 Dennerlein. Eberlc.

Dennerlein, Thomas, Bildhauer, * 1847 in Mitterteich (Oberpfalz), f 24. Januar 1903 zu Miinchen. Als der Sohn eines Lehrers fruhzeitig im Zeichnen geiibt, tat D. sich schon auf der Kunstgewerbeschule durch originelle Entwiirfe, z. B. zu einem Schwarzwalder Uhrgehause, einem Handspiegel und dergl. hervor; auch Silhouetten 4 la Konewka (die vier Jahreszeiten, Arm und Reich, Sommernachtstraum, Bettelmusikanten, Jagd) und Projekte zu kunstgewerblichen Schopfungen wie Tiirklopfern, Tafelaufsatzen, Leuchtern, Tellern, Pokalen gingen aus seiner Hand hervor. Nach Ableistung seiner Militarpflicht im Kriege 1870/71 und wiederholten Studienreisen in Italien, wurde D. in hervorragender Weise bekannt durch sein Kriegerdenkmal fur Ulm. Darauf folgte das Modell zum kolossalen Adler mit der Merkur- und Neptun-Gruppe am Giebel des neuen Bahnhofgebaudes in Miinchen und die allegorischen, jede einen 200 Zentner schweren Merlera-Steinblock aus Istrien erfordernden Figuren der Regententugenden (Wahrheit und Gerechtigkeit) am dortigen KSnigssalon. In seine eigentlichste Bahn kam D., als Oberbaurat G. v. Neureuther ihm die plastische Dekoration an seinen Bauwerken, am Polytechnikum und neuen Kunstakademie-Gebaude, ubertrug. Hierfiir schuf D. nicht nur einen frOhlichen Kinderfries, sondern auch die imposante Giebel- Bekronung mit der klassischen Gestalt der Pallas Athene und den Nebenfiguren der »Poesie« und »Wissenschaft«. Die »Pallas«, welche, obwohl im Innern hohl, doch 45 Zentner Ton erforderte, wurde durch die Firma Villeroy und Boch in Mettlach gebrannt, eine vordem noch nicht ausgefuhrte Leistung. Von gleichem Kaliber waren jene, die pyramidale Gruppe harmonisch ab- schliefienden, sitzenden Seitenfiguren. Weitere Arbeiten D.s bildeten das Denkmal fiir den Dichter Karl Stieler in Tegernsee, das sinnige Grabmal fur Professor Dr. Gustav Heyer, dazu die prachtvolle Buste Gottfried von Neureuthers. Ein lebensgrofier Crucifixus kam in die Krypta der herzoglichen Familie zu Koburg. Aufierst anmutige Arbeiten lieferte D. mit einem zier- lichen Pagen iiber der Toreinfahrt im Hause der Baronin von Hormayer und der Grabfigur eines gefliigelten M&dchens. Dann entstanden die ReprSsentanten der »Chemie und Mathematik« (an der Luitpold-Kreisrealschule) und die »Industrie« als Giebelschmuck an der Hypotheken- und Wechselbank, und das Wappenschild an der k. Kriegsschule. Einen ehrenden Ruf an die Kunstgewerbeschule in Pforzheim (1876) lehnte er ab, dafur erfolgte die Verleihung des Professortitels an der Akademie und die Aussicht auf ehren- voile Bestellungen. D. war ein echter idealer Kiinstler, ein Mann ohne Arg und Falsch, eine edle, treue Seele.

Vgl. Liitzows Zeitschrift 1886 XXI 673. Fr. Pecht, Geschichte der Mttnchener Kunst 1888 S. 310 (mit Abb. der »PalIas«). »Das gcistige J)eutschland« 1898 S. 123. »Allgem. Ztg.« Abendblatt Nr. 27. 1903. Kunstvereinsbericht fUr 1903 S. 68.

Hyac. Holland.

Eberle, Syrius, Bildhauer, k. Professor, * 9. Dezember 1844 zu Pfronten (Allgau), f 12. April 1903 zu Bozen. E. fand im Hause des Vaters, eines landlichen Schreinermeisters, friihe Gelegenheit zum Schnitzen und Zeichnen; die Sehnsucht mehr zu lernen, fiihrte ihn 1862 nach Miinchen. Hier nahm sich der vielbeschaftigte Bildhauer Jakob Bradl mit praktischer Unterweisung seiner an, so dafi K. mit 21 Jahren Aufnahme an der k. Kunstakademie

Eberle.

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linden konnte und bei Professor Max Wiedemann 1866 1872 schnelle Fort- schritte raachte. Mit einer groflen Gruppe: wie ein verwundeter Soldat, von einem anderen unterstutzt, wahrend eine barmherzige Krankenpflegerin den zerschossenen Fufi verbindet, jubelnd seinen Mitstreitern den Sieg verkundet (vgl. Fr. Pecht in Beil. 208 »Allgem. Ztg.« 25. Juli 1872), erhielt E. die erste Auszeichnung und damit ein Stipendium, welches er zu einer Studienreise nach Norddeutschland verwendete, worauf er zu Miinchen in F. X. Rietzlers Atelier1) zahlreiche Heiligenstatuen und Gruppen schuf, von denen die meisten nach iiberseeischen Landern, insbesondere nach Brasilien und Peru gelangten. Langere Zeit im Atelier des riihmlichst bekannten Bildhauers und Akademie-Professors Josef Knabl als Assistent verwendet, trat nach dessen am 3. November 1881 erfolgten Ableben E. als Nachfolger in diese Stelle. Schon fruher hatte ihn K&nig Ludwig II. mit mancherlei AuftrSgen betraut: fiir ihn modellierte E. die von grofier Phantasie zeugenden, zierlichen Projekte zu einem Tafelaufsatz, zu einem Schlitten und Prunkwagen (die Gipsmodelle dazu erschienen 1903 auf der Munchener Jahresausstellung im Glaspalast). Auch fertigte er eine lebensgrofie Statue des Konigs fiir die Aula des Munchener Polytechnikums (1882). Zwei Jahre vorher wurde das nach E.s Modell in bronziertem Zinkgufl ausgefiihrte, in Auffassung und Durch- bildung zu den besten Arbeiten zahlende Kriegerdenkmal zu Kempten ent- htillt, einen zu Tode getroffenen sterbenden Helden zeigend, uber welchem eine herrliche Viktoria den Siegeskranz halt. Sein Projekt fiir den monu- mentalen Brunnen zu Lindau erhielt 1882 den zweiten Preis. Bei der Kon- kunrenz um das Munchener Denkmal fiir Franz Xaver Gabelsberger, den Urheber der nach ihm benannten Stenographic, siegte E. uber 17 Bewerber; er hat den genialen Forscher, ganz im Kostiim seiner Zeit, sitzend, mit Stift und T&felchen in den H&nden, im tiefsten Sinnen iiber seine Erfindung, zur wirksamsten Darstellung gebracht. Ebenso gliicklich ist die Charakteristik der Briider Grimm fiir Hanau: Wilhelm, stehend, schaut dem forschenden Jakob der sitzenden Figur ist ein Mantel iiber die Knie drappiert in das gemeinsam gearbeitete Worterbuch. Die einen lehrenden Greis und eine Marchen-Erzahlerin vorfiihrenden Seitenreliefs am Sockel sind im antiken Stil gehalten jedenfalls ware eine etwa an Ludwig Richters Innigkeit streifende Behandlung besser am Platze gewesen! Der Aufbau des Ganzen und die Charakteristik der unzertrennlichen Briider erhebt das Werk zu einer echt deutschen, nur mit Rietschels »Goethe und Schiller* vergleichbaren Sch5pfung. Ebenso selbstverstandlich wie monumental wirken an der die Isar uberspannenden Ludwigsbriicke in Miinchen, die je dritthalb Meter hohen, »Industrie« und »FloBfahrt« reprasentierenden groflziigigen Kalkstein- Figuren. Erstere wird durch eine kraftige, weibliche, durch Rad, Hammer und Ambos hinreichend gekennzeichnete Gestalt vertreten, die flott drapiert. mit energischem Sinne ihrer Probleme gedenkt; die FlOfierei, zwar keine Tolzer- oder Lenggriefier Kostiimfigur, aber doch hinreichend kenntlich, sitzt rudernd, in windflatternder Gewandung auf seinem Holzstofi: ein imponierendes Sinnbild der Bemeisterung des wilden Bergwassers. Zwischendurch gingen

J) Vgl. Biographisches Jahrbuch ftir 1900 V, 137. Aus Rietzlers Nachlafl wurden 120 Heiligenfiguren am 14. September 1904 versteigert.

78 Eberle. Eisenhut.

noch viel andere Arbeiten: Ein ritterlicher S. Georg als Drachenstecher an der siidostlichen Ecke des mit Skulpturen uberhaupt so frohlich ausgestatteten, von dem geistvollen Hauberrisser erbauten neuen Rathauses, drei Figuren fiir das Reichstagsgebaude in Berlin, tanzende Amoretten, ein Grabmal fur Wiirzburg usw. Mit ganzer Hingabe arbeitete der energische Kiinstler an einer Reiterstatue Kaiser Wilhelms fiir Niirnberg; aber es war ihm nur mehr die Fertigstellung des lebensgrofien Modells gegonnt, dessen Ausfiihrung Rumann ubernahm. Vielfach in hastender Arbeit erschopft, suchte der tiber- miidete Mann Krholung in Siidtirol, wo ihn am Ostersonntag im schonen Bozen der Tod iiberraschte. Aus schlichten Verhaltnissen durch eigene Kraft emporgearbeitet, blieb er dennoch zeitlebens ein iiberaus einfacher, be- scheidener Mann, der moglichst zuriickgezogen nur seinen kunstlerischen Aufgaben und seiner Familie lebte. Vom eigenen Schaffen nie leicht be- friedigt, strebte er, ein echter Kiinstler, mit verzehrendem Eifer fiir jedes be- gonnene Werk die moglichst vollendete Formgebung zu erreichen. Eine Obersicht seiner plastischen Entwiirfe und Skizzen fullte auf der Miinchener Jahresausstellung 1903 einen ganzen Saal.

Vgl. Fr. Pecht, »Geschichtc der Munchcner Kunst« 1888 S. 308. »Kunst fiir Alle«c 1889 IV 145 und 172 (mit Abbildung des Grimm-Denkmals). Pecht in Beil. 292 »Allg. Ztg.« 22. Oktober 1885 liber das Gabelsberger Denkmal, dessen Abbildung in Nr. 45 »0ber Land und Meer« 1890 64 Bd. S. 604 und Nr. 2457 »IUustr. Ztg.« Leipz., 2. August 1890. >St. Georg« in der »Vereinsgabe der Gesellschaft far christl. KunsU 1893. »Das geistige Deutschland* 1898 S. 145. Nekrolog (von Max Flirst) im Jahresbericht des »Vereins fiir christl. KunsU 1903 S. 14 fT. Hyac. Holland.

Eisenhut, Ferencz, Genremaler, * 26. Januar 1857 zu Nemet-Pal&nka (Ungarn), f 2. Juni 1903 in Miinchen. Seine ersten Studien machte E. an der Zeichnungsschule zu Budapest; seit 1888 in Miinchen an der Akademie unter W. von Diez kultivierte er mit aufierordentlicher koloristischer Be- gabung sein eminentes Talent. In seinen ganz vom Geiste des Orients durch- hauchten Bildern hatte er auf vielfachen Wanderziigen nach dem Kaukasus, der Tiirkei, Syrien, Agypten und Nordafrika unzahlige fremdlandische Stoffe gesammelt: ein kulturhistorischer Ethnograph unter seinen Kollegen. Er kannte das Leben in alien Erscheinungen und freute sich, wie Freiligrath als Dichter, uns solche Szenen in scharf charakterisierender Zeichnung und in der Farbenpracht der siidostlichen Welt vorzufiihren. So malte er die Haremsfrauen und Sklavenhandler, das Treiben und Drangen in arabischen Moscheen, das Marktgewiihl in den Straflen Kairos mit den seltsamen Industrien, mit der hochnotpeinlichen Justiz, den maurischen Badern und Caf^s, mit Geldwechslern in Tiflis, Tscherkessen- und Kosaken-Tanzen, Tatarenschulen in Baku, mit den mohammedanischen Studenten in Kairo und ihren gottesgelehrten Koran-exegesierenden Professoren, mit Strafiengauklern, bartigen Kriegern, Kaufleuten, Schuhflickern und Pfeifenbohrern, Teppich-, Schmuck- und Waffenhandlern in den Bazaren und Karawansereien aller Art. Anfanglich noch hart und trocken, wie in der »Paldnka-Illocker Dampf- fahre« (»Illustr. Welt« 1883 Nr. 39), fand er sich blitzschnell in Farbe, Zeich- nung, Stimmung und der Bewaltigung seiner Stoffe zurecht; wie ein Dichter griff er hinein in den vollen Volkertrubel und wo er ihn packte, da war es

Eisenhut. Gessner.

79

auch interessant Was Bogumil Goltz mit der Feder schildert, erzahlt uns E. in kecken, lebenspruhenden Farben und mit vornehmer, wohlerwogener Technik. Das gruppiert sich von selbst vor den Toren einer nordafrikani- schen Stadt, mit Pferde- und Eselreitern und Kamelkarawanen, mft dem sinnberiickenden, zu einer ganzen hollischen Symphonie anwachsenden GelSrm und Geschrei bei Hahnenkampfen, dem Ausrufen der Wasserverkaufer, mit den schlangenbandigenden Musikanten , Minaretsangern , Tarabukapaukern, naselnden Tanzerinnen und den ernsten Briefschreibern, Rechtsanwalten und Marchenerzahlern ; alles in kiihler Morgenstimmung oder heifiem bleischweren Tagesglast, mit dem Hintergrunde weifier Mauern und schongeschwungener Kuppeln. Das ist der echte Orient, da weifi man doch warum man lebt! Auch eine »Heilung« durch Besprechung und »t)berlesen« mit Koranversen wie eine Szene aus Hariris »Makamen« den Tod des ehrwurdigen Btiflers, Weltweisen und Pilgers Giil-baba zu Ofen (beide im Besitz des Kaisers von Osterreich) und die grolie »Schlacht von Zenta« (1897 in Munchen, Eigentum des Bacs-Bodroger Komitates) hat er uns vorgefiihrt. Immer neue wechselreiche Stoffe folgten (bettelode Marabuts; gefesselte Sklavinnen im Harem, Kriegsbeute) voll unermudlicher Frische, welche durch Photographie und Holzschnitt vervielfaltigt wurden, wahrend die Originale nicht nur in den Kunstlervereinen, sondern auch bei hohen und allerhochsten Kunst- freunden, in den Galerien zu Wien, Budapest, Berlin und Munchen ihre ehrende Stellung fanden. Die Miinchener Kunstausstellung, auf welcher der Maler mit drei Bildern vertreten war, hatte kaum ihre Sale geftffnet, als E. nach kurzer schwerer Krankheit aus dem Leben schied. Seine zahlreichen Freunde und Landsleute bereiteten ihm beim Begrabnis eine besondere Ovation.

Vgl. Singer 1895 I 393 (5 Zeilen!) Fr. v. Botticher 1895 1 2^°- »Das geistige Deutschlanck 1898 S. 154 Nr. 153. »Allgem. Ztg.cc 4. Juni 1903. Kunstvereinsbericbt 1903 S. 69. Nr. 3149 »Illustr. Ztg.« Leipz. 5. November 1903.

Hyac. Holland.

Gessner, Adolf, Frauenarzt, ordentlicher Professor und Direktor der Kg]. Universitatsfrauenklinik in Erlangen, * 4. Februar 1864, f 24. Januar 1903. G. war der Sohn eines Baurats zu Friedbcrg in Oberhessen. Er studierte seit 1883 Medizin in Giefien und Erlangen, erlangte die medizinische Doktor- wurde in Erlangen 1889 auf Grund einer Dissertation: »Mikroskopische Untersuchungen liber den Bakteriengehalt der menschlichen Hand«, wurde 1890 approbiert, war kurze Zeit Assistent an der Wasserheilanstalt Michelstadt in Oberhessen, dann Assistent an der Frauenklinik in Erlangen, wo er sich habilitierte, war hierauf seit 1893 Assistent an der Universitats-Frauenklinik in Berlin und erhielt 1901 als Nachfolger Frommels das Ordinariat der Ge- burtshilfe und Gynakologie sowie das Direktorat der Frauenklinik in Erlangen. Aufler der oben genannten Doktordissertation veroffentlichte G. Abhandlungen uber die Nachgeburtsperiode, iiber mikroskopisch-anatomische Diagnose in der Frauenheilkunde, sogen. Stuckchendiagnose liber Geschwlilste u. a.

Vgl. die im Vircbowschen Jahresbericht von 1903 I, S. 414 angegebenen Nekrologe.

Pagel.

80 Fuchs. Gebhard. Goll. Hadra.

Fuchs, Siegmund, Physiolog und Ordinarius in Wien, * 9. August 1859, f 30. Juli 1903. F. war der Sohn eines Apothekers zu Neusiedl am See in Ungarn, studierte Medizin in Wien seit 1878, besonders unter Briicke, Exner und v. Fleischl, war Assistent bei Langer, widmete sich anfangs der Augen- heilkunde, wurde 1890 Assistent am physiologischen Institut, habilitierte sich 1895 mit der Abhandlung uber die galvanischen Vorgange in der Netzhaut, gab mit Immanuel Munk in Berlin das »Zentralblatt fur Physiologies heraus und wurde 1867 zum ordentlichen Professor fiir Anatomie und Physiologie der Haustiere an der Hochschule fiir Bodenkultur in Wien ernannt. F. be- kleidete diese Stellung bis zu seinem in Vorderbriihl bei Modling erfolgten Tode. Er ist Verfasser zahlreicher wertvoller Arbeiten auf seinem Spezial- gebiete. Das Verzeichis findet sich in den Yiekrologischen Quellen, die in dem unten angegebenen Jahresbericht verzeichnet sind.

Jahresbericht von Virchow (Waldeyer-Posner) von 1903 I, S. 414. Pagel.

Gebhard, Carl, Frauenarzt und Universitatsprofessor der Gynakologie und Geburtshilfe in Berlin, * 26. Oktober 1861 in Karlsruhe (Baden), f 27. De- zember 1903. G. studierte in Berlin, hauptsachlich unter Olshausen, Dr. mcd. 1887, war seit 1889 Assistent an der Kgl. Universitats-Frauenklinik (Berlin), seit 1894 Privatdozent fiir Geburtshilfe und Gynakologie an der Universitat zu Berlin und wurde 1899 zum Professor ernannt. G. wirkte seit 1889 als Frauenarzt in Berlin. Er veroffentlichte: »Pathologische Anatomie der weib- lichen Sexualorgane« (Leipzig 1899) »Die Menstruation* (in Veits Hand- buch der Gynakologie 1898). Wahrend des Sommersemesters 1898 und des Wintersemesters 1899 erledigte G. in Greifswald einen ministeriellen Lehr- auftrag. Er war ein ausgezeichneter und beliebter Lehrer.

Vgl. die in Virchows (Waldeyer-Posner) Jahresbericht von 1903 I, 414 angegebenen nekrologischen Quellen. Pagel.

Goll, Friedrich, ordentlicher Professor der Pharmakologie in Zurich, * 1. Marz 1829 in Ziirich, f 12. November 1903 daselbst. G. studierte in seiner Vaterstadt, sowie in Wiirzburg und Paris, liefi sich 1853 in seiner Vaterstadt als Arzt nieder, habilitierte sich 1862 daselbst als Dozent und erlangte spater die erstgenannte Stellung, die er bis 1901 bekleidete, wo er in den Ruhe- stand trat. G. ist hauptsachlich in der Literaturgeschichte der Medizin bekannt als Entdecker der nach ihm benannten Riickenmarksstrange, woriiber er i860 die Monographic: »Beitrage zur feineren Anatomie des Riickenmarks« und 1864: »Verteilung der Blutgefafie auf die Riickenmarksquerschnitte« ver- offentlichte. Aufierdem ist G. noch Verfasser einer Erstlingsstudie: »0ber den Einflufl des Blutdrucks auf die Nierensekretion«, mit welcher die beziig- lichen Forschungsergebnisse Karl Ludwigs wesentlich erganzt wurden.

Vgl. die im Virchowschen Jahresberichte von 1903 I, S. 414 angezeigten Nekrologe.

Pagel.

Hadra, Sally, Chirurg in Berlin, * daselbst 24. Februar 1856, f 20. Mai 1903. H. besuchte das Friedrichsgymnasium seiner Vaterstadt. Im Oktober 1874 machte er sein Abiturientenexamen als primus omnium. In Strafiburg begann er das Studium der Medizin; beinahe ware er umgesattelt, da ihm die Schrecken

Hadra. Jiirgens. 8 1

des Seziersaales auf die Nerven fielen. Von seinen Lehrern sind Leyden, Kufimaul, Freund und Hoppe-Seiler zu nennen. Die Vorlesungen h6rte er fast samtlich doppelt. Im Jahre 1879 machte er sein Staatsexamen und zwar mit solcher Auszeichnung, dafi dies ausdriicklich vom Dekan hervorgehoben wurde. Er machte dann eine Arbeit uber Stoffwechselversuche, die in Leydens Zeitschr. f. klin. Med. veroffentlicht wurde; die Versuche fiihrte er am eigenen Kdrper aus und magerte dabei erheblich ab. In Kreuth suchte er Erholung. Wie die Sektion jetzt zeigt, hatte er damals Tuberkel, die dann ausheilten. Er wurde Assistent bei Freund in Straflburg, dann bei Riess im Krankenhaus am Friedrichshain zu Berlin; schliefilich bildete er sich bei Hahn im Friedrichs- hain zum Chirurgen aus. Seine Poliklinik in Berlin erfreute sich grofler Beliebtheit. Im Jahre 1900 kaufte er sich ein Haus in der Koniggratzerstrafie, um dort eine Klinik anzulegen; an dem Tag, an dem der Kontrakt unter- schrieben wurde, stellten sich zum erstenmal Blutungen aus der Blase ein. H. erkannte wohl nicht ganz die Krankheit, die unaufhaltsam Fortschritte machte. Am 27. Februar mufiten ihn seine Angehorigen fast mit Gewalt seiner Praxis entziehen. Die Sektion ergab, dafi ein disseminierter Mark- schwamm an der vorderen Seite der Blase vorhanden war, aufierdem Sklerose der Coronararterien und alte Herde in den Lungen. H. war Diabetiker.

Er war ein ausgezeichneter Diagnostiker und hatte viel Gliick bei seinen Operationen. Er war ein bescheidener, frohlicher Mensch. Als grofler Sports- mann betrieb er eifrig das Radfahren und Reiten; manchen Knochenbruch hat er sich auf diese Weise zugezogen.

Es sei noch hinzugefugt, dafi er im Verein fur innere Medizin zweimal das Wort ergriffen hat. Im Jahre 1886 sprach er uber Oesophaguskompressions- stenose durch Mediastinaltumor, und im Jahre 1898 stellte er einen Fall von Gastrotomie nach Witzel vor, der ideal geheilt ist.

In der Berliner medizinischen Gesellschaft hatte er sechsmal das Wort zur Demonstration vor der Tagesordnung genommen.

Vgl. Nachruf von J. Becher in der Sitzung des Vereins fiir innere Medizin vom 25. Mai 1903 und die tibrigen inVrrchows Jahresbericht von 1903 I, S. 415, genannten Quellen.

Pagel.

Jiirgens, Rudolf, Patholog, Universitatsprofessor und Kustos des patho- logisch-anatomischen Museums in Berlin, * 19. Januar 1843 in Tengshausen (Oldenburg), f 11. Juni 1903 in Hollander bei Berlin -Hoppegarten. Als Arzt approbiert 1873, war J- Assistent unter Virchow am pathologisch- anatomischen Institut in Berlin, an welchem er eine sehr umfassende Tatigkeit als Lehrer in Kursen fiir Arzte und Pruflinge im Staats- und Physikatsexamen, spater als Examinator und ganz besonders als Prosektor entwickelte. 1901 erhielt er den Professortitel, auch hatte er sich noch 1902 als Privatdozent habilitiert. Sein Tod erfolgte nach langerer Erkrankung. Seine ziemlich zahlreichen wisssenschaftlichen Arbeiten und Veroffentlichungen galten der Diagnose der Amyloiddegeneration, der Lehre von den Geschwiilsten und von deren Beziehungen zu den Protozoen. U. a. verdffentlichte J.: *Experimen telle Untersuchungen iiber die Atiologie der Sarkome« (1896); » Uber Protozoen des Karzinoms« (1898); »Zur Atiologie des Karzinoms« (1900). Zahlreiche kasuistische Mitteilungen, Gelegenheitsfunde bei Sektionen etc.

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 6

82 Jtirgens, Munk. Nassc. Pfitzner.

veroffentlichte J. in Gestalt von Vortragen und Demonstrationen in den groBen wissenschaftlichen Vereinen Berlins.

Vgl. die im Vircbowschen Jahresberichte von 1903 I, S. 416 angegebene Quelle.

Pagel.

Munk, Immanuel, aufierordentlicher Professor der Physiologic und Ab- teilungsvorsteher am physiologischen Institut der Universitat in Berlin,

* 30. Mai 1852 in Posen, f 1. August 1903 in Berlin. M, war ein jungerer Bruder des beriihmten Berliner Physiologen und Akademikers Hermann M. Er studierte Medizin in Berlin, erlangte Hier 1874 die Approbation als Arzt und widmete sich seitdem ausschliefllich physiologischen Spezialstudien. Er habilitierte sich 1883, erhielt 1895 den Professortitel und wurde gleichzeitig als Nachfolger von Gad mit der Leitung der speziellen physiologischen Ab- teilung des genannten Instituts betraut und 1899 zum Extraordinarius ernannt. M. war ein ausgezeichneter Physiolog, ein bedeutender Forscher und nament- lich auch als Lehrer und Mensch sehr beliebt. Seine ebenso zahlreichen als wichtigen Arbeiten betreffen teils die Gebiete des Stoffwechsels und der Ernahrung, teils die Harnchemie. Er war Verfasser eines beliebten, oft auf- gelegten Lehrbuches der Physiologie, gab mit Uffelmann zusammen ein Werk heraus unter dem Titel »Die Ernahrung des gesunden und kranken Menschen *, redigierte gemeinschaftlich mit S. Fuchs, Wien, das Zentralblatt fur Physiologie und lieferte auch grofiere Beitrage fiir mehrere Sammelwerke. So bearbeitete er u. a. zusammen mit Salkowski den Abschnitt uber physiologische Chemie fiir Virchows Jahresbericht.

Vgl. Virchows Jahresbericht von 1903 I, S. 419 und die dort genannten nekrologi- schen Quellen. Pagel.

Nasse, Otto Johann Friedrich, ordentlicher Professor der Medizin zu Rostock, * 2. Oktober 1839 zu Marburg, f 26. Oktober 1903 zu Freiburg i. Br. N. war ein Sohn von Karl Friedrich Werner N. Er studierte in Marburg, Berlin, Wien, war besonders Schiiler seines Vaters, E. Du Bois-Reymonds, C. Ludwigs urrd H. Kolbes, wurde 1862 Doktor, war seit 1866 Privatdozent in Halle, wurde 1872 Professor e. o. daselbst, 1880 Professor ord. der Phar- makologie und physiologischen Chemie in Rostock, trat 1899 krankheitshalber von der Tatigkeit an der Universitat zuriick und zog sich nach Freiburg i. Br. zuruck. N. war ein hervorragender Lehrer und Forscher. U. a. ver6ffentlichte erfolgende Schriften: »Beitrage zur Physiologie der Darmbewegungen« (Leipzig 1866), »Zur Anatomie und Physiologie der quergestreiften Muskelsubstanz^ (lb. 1882); ferner verschiedene Aufsatze, hauptsachlich in Pfliigers Archiv sowie in den Sitzungsberichten der Naturforschergesellschaft zu Rostock be- treffend: Muskelsubstanz, Fermente, Eiweifisubstanzen, Oxydationsvorgange, Kohlehydrate, und zwar insbesondere Glykogen, Glykolyse, das Millonsche Reagens usw.

Vgl. die in Virchows Jahresbericht von 1903 I, S.420 angegebenen nekrologischen Quellen.

Pagel.

Pfitzner, Wilhelm, Extraordinarius der Anatomie in Strafiburg i. E.,

* 22. August 1853 zu Oldenburg in Holstein, f 1. Januar 1903 in Strafiburg.

Pfitzner. von Kahlden. Boeddinghaus. 83

P. studierte an den Universitaten Kiel, Strafiburg, Heidelberg und GGttingen, promovierte in Kiel 1879, wurde 1883 Assistent am anatomischen Institut in Strafiburg i. E., habilitierte sich 1885 fur Anatomie daselbst, wurde aufierordent- licher Professor 1891, aufierordentlicher Professor der topographischen Ana- tomie und Prosektor 1893. Er verdffentlichte iiber den Bau des menschlichen Extremit&tenskeletts eine Serie von ausfuhrlichen Publikationen, aufierdem cytologische und anthropologische Untersuchungen, so u. a. 1886 »Zur patho- logischen Anatomic des Zellkerns«, Beitrage zur Anthropologic u. a.

Vgl. Virchows Jabresbericht von 1903 I, S. 421. Pa gel.

Kahlden, Clemens von, aufierordentlicher Professor der pathologischen Anatomie in Freiburg i. Br., * 29. Mai 1859 in Koblenz, f 13. Marz 1903 zu Freiburg i. Br. K. war 1882 in Marburg als Arzt approbiert und promovierte daselbst am 12. November 1882 zum Dr. med. Dann bekleidete er bis 1885 eine Stellung als Assistent an der chirurgischen Universitatsklinik unter Roser, war bis 1889 zweiter, darauf erster Assistent am pathologischen Institut in Freiburg, habilitierte sich 1888 als Privatdozent fiir pathologische Anatomie und erhielt 1891 das Extraordinariat Gleichzeitig war er seit 1899 Vertreter der gericht- lichen Medizin an der Universitat. K. war einer der bedeutendsten Manner der Neuzeit in seinem Fach. Mit Ziegler gab er das Zentralblatt fiir patho- logische Anatomie heraus, dessen eifriger Mitarbeiter er war. Er ver6ffentlichte u. a, ein bis 1900 sechsmal aufgelegtes technisches Hilfsbuch zur Untersuchung pathologischer Praparate (Jena) und zahlreiche Artikel und Abhandlungen in seinem Spezialgebiet, von denen die wichtigsten in dem unten angezeigten Nekrolog zusammengestellt sind.

Vgl. Virchows Jahresbericht von 1903 I, S. 416. Pagel.

Boeddinghaus, Karl, katholischer Priester, * 25. Oktober 1835 zu Camen bei Dortmund, f 17. April 1903. B. absolvierte die Gymnasialstudien und die theologischen Studien zu Minister i. W. und wurde am 11. Februar 1862 zum Priester geweiht. Hierauf wirkte er zuerst fiinf Jahre als Kaplan an der deutschen katholischen Kirche in London; am 13. November 1867 wurde er Kaplan an der Pfarrkirche zum hi. Agidius in Munster, welche Stelle er bis 1901 versah. Daneben war er insbesondere publizistisch tatig, 1870 82 als Verleger und Leiter des »Westfalischen Merkur«, in welcher Eigenschaft er sich in der Kulturkampfszeit um die Interessen der Katholiken grofle Ver- dienste erwarb. Er war auch Mitbegrunder, Vorstandsmitglied und zeitweiliger President des Augustinusvereins und Prises des katholischen Gesellenvereins in Munster. Besonders verdient machte er sich auch durch den Bau der katholischen Kirche und die Griindung des katholischen Kinderheims auf der Insel Borkum. B. iibersetzte: »J. Morris, Kardinal Wiseman in seiner letzten Krankheit. Mit Autorisation ubersetzt von einem Priester der deutschen Mission zu London* (Munster 1865). Beitr&ge zum Miinsterischen Pastoralblatt. Vgl. »Literar. Handweiser«c 1903, Nr. 777, Sp. 20. »K8lnische Volkszeitung* 1903, Nr. 327 vom 18. April. Rafimann, Nachrichten von dem Leben und den Schriften Mtinster- landischer Schriftsteller, Neue Folge (Monster 1881), S. 25. F. Lauchert.

6*

84 van Ackeren. Afimann. Wetzel.

Ackeren, Josef van, Ehrendomkapitular und Dechant in Kevelaer, * 4. Juli 1830 zu Nutterden bei Cranenburg (am Niederrhein), f 2. Mai 1903 zu Kevelaer. A. studierte in Miinchen und Minister und wurde am 17. De- zember 1853 zum Priester geweiht; Kaplan in Kevelaer; vorubergehend auf der Insel Norderney tatig; 21. September 1863 Pfarrer von Kevelaer; seit 1890 auch Landdechant des Dekanates Geldern; 26. Oktober 1892 Ehrendomkapitular von Minister; Synodalexaminator, Papstlicher Hauspralat; machte sich wahrend seiner langjahrigen Wirksamkeit an dem Wallfahrtsorte sehr verdient um die Hebung desselben. *

Vgl. »Alte und Neue Welt«, 37. Jahrg. 1903, S. 699, mit Portrat. »K6lnische Volkszeitung« 1903, Nr, 370 vom 2. Mai und Nr. 373 vom 3. Mai. F. Lau chert.

Afimann, Johann Baptist Maria, Bischof, Feldpropst, * 26. August 1833 zu Branitz in Schlesien, f 27. Mai 1903 zu Ahrweiler. A. besuchte das Gymnasium in Leobschiitz, studierte Theologie an der Universit&t Breslau und wurde am 15. Juli i860 zum Priester geweiht. 1861 64 war er Kooperator in Katscher bei Ratibor, Januar 1865 bis Juli 1868 Missions- pfarrer und Militarseelsorger in Kolberg; in dieser Eigenschaft machte er den Krieg von 1866 als Feldgeistlicher mit; ebenso 1870/71 den deutsch- franzosischen Krieg als Divisionspfarrer in Neisse, welche Stellung er 1868 bis 1882 bekleidete. 1882 88 war er Propst von St. Hedwig in Berlin und furstbischoflicher Delegat fiir die Mark Brandenburg. 1888 wurde er zum katholischen Feldpropst der kgl. preufiischen Armee und der kaiser- lichen Marine berufen, am 1. Juni 1888 zum Titulaturbischof von Phila- delphia in Kleinasien prakonisiert, am 15. Oktober von Kardinal Kopp in der St. Hedwigskirche zu Berlin zum Bischof konsekriert.

Vgl. »Die katholische Kirche unserer Zeit und ihre Diener in Wort und Bild« II. Bd. (Mtinchen 1900), S. 231 f., mit Portrat. »Alte und Neue Welt«, 37. Jahrg. 1903, S. 7291*., mit Portrat. F. Lauchert.

Wetzel, Franz Xaver, katholischer Stadtpfarrer und Dekan von Lichten- steig (Kanton St. Gallen) und Kanonikus, Volksschriftsteller, * 25. November 1849 zu Rorschach, f 31. Mai 1903 zu Ingenbohl im Mutterhaus der barm- herzigen Sch western. W. begann im Herbst 1863 die Gymnasialstudien in Schwyz, setzte sie von Herbst 1864 bis 1869 im bischof lichen Knabenseminar zu St. Georgen bei St. Gallen fort, studierte von Herbst 1869 bis 1873 Theo- logie in Innsbruck, trat dann in das St. Gallische Priesterseminar zu St. Georgen ein und wurde am 21. Marz 1874 in St. Gallen von Bischof Greith zum Priester geweiht. Zuerst wirkte er dann kurze Zeit als Professor am bischoflichen Knabenseminar zu St. Georgen. Nach dessen Aufhebung im Herbst desselben Jahres durch die radikale St. Gallische Regierung ernannte ihn Bischof Greith zu seinem Kanzler. 1878 wurde er Rektor der katholischen Kantonsrealschule und Religionslehrer an der Kantonsschule in St. Gallen; Anfang 1881 Kaplan und Professor an der Realschule in Uznach; November 1882 Pfarrer zu Alt- statten im Rheintal; 1895 Dekan des Kapitels Rheintal; 1897 zugleich nichtresidierendes Mitglied des Domkapitels von St. Gallen; 1899 Stadtpfarrer und Dekan von Lichtensteig. Aus der grofien Zahl der Schriften Wetzels, von denen insbesondere die seit Anfang der neunziger Jahre erschienenen

Wetzel. Calandrelli. 85

erbaulichen Volksschriften eine sehr starke Verbreitung gefunden haben und ihren Verfasser in die erste Reihe der religiSsen Volksschriftsteller neben Alban Stolz stellen, seien folgende genannt: »Die Wissenschaft und Kunst im Kloster St. Gallen im 9. und 10. Jahrhundert« (Lindau 1877; neue Aufl. unter dem Titel: »Das goldene Zeitalter des Klosters St. Gallen«, Ravensburg 1900); »Illustrierte Weltgeschichte in Charakterbildern fur Schule und Haus« (Einsiedeln 1878; 7. Aufl. 1898); »Die Lektiire, oder: Wie soil man lesen?« (Lindau 1881; 2. Aufl. Ravensburg 1897); »Der selige Nikolaus von Fliie« (Einsiedeln 1887; 2. Aufl. Ravensburg 1895); »Phrasen« (Ravensburg 1895; 2. Aufl. 1897); »Schlagworter« (ebd. 1895; 2. Aufl. 1897); »Das Laienapostolat« (ebd. 1896); »Das Vaterhaus« (ebd. 1898); »Die Weisheit in Spruchen« (ebd. 1900); »Warum wir glauben« (ebd. 1902); »Der romische Katholizismus gegen- uber dem einfachen Evangelium« (ebd. 1902); »I)r. Otto Zardetti, Erzbischof von Mozissus. Erinnerungsblatter« (Einsiedeln 1902).

Vgl. Adolf Fah, Der Jugendfreund und Volksschriftsteller Franz Xaver Wetzel. Ravens- burg 1904. Mit PortrSt. »Schweizerisches katholisches SonntagsblatU 1903, Nr. 26 28. Portrat in Nr. 24. »Alte und Neue Welt«c, 37. Jahrg. 1903, S. 764, mit PortrUt.

F. Lauchert.

Calandrelli, Alexander, Bildhauer, Professor, * 9. Mai 1834 in Berlin, f 26. Mai 1903 daselbst. C. war der Sohn des Edelsteinschneiders Giovanni C, der im Jahre 1832 aus Italien nach Berlin berufen wurde. Er studierte an der Berliner Akademie in den Jahren 1848 52 und arbeitete dann in mehreren Meisterateliers. Bei Friedrich Drake zahlte er zu den besten Schiilern; gegen- uber dem klassisch antiken Empfinden des Lehrers und seiner von Thor- waldsen beeinflufiten weichen Formengebung entwickelte sich bei C. eine mehr realistische Auffassung und hartere Durchbildung. Er besuchte auch das Atelier August Ferdinand Fischers, der gleichfalls in der Richtung des antikisierenden Geschmacks wirkte, und dasjenige Dankbergs. Seine Formen- gebung wurde auch dadurch beeinflufit, dafi er sich urspriinglich mit Klein- kunst beschaftigte, mit der er gleich seinen Lehrern begonnen hatte: Drake arbeitete anfangs in Holz und Elfenbein, Fischer war Goldschmied und C. stellte Modelle fur Kleinplastik und Arbeiten in Wachs her. Ebenso wie seine Lehrer stieg auch er von diesen Anfangen bis zu monumentalen Werken auf und schuf eine stattliche Reihe von Denkmalern. Im Jahre 1866 eroffnete er ein eigenes Atelier, wo ihn zahlreiche Staatsauftrage beschaftigten. Sein durch Naturbeobachtung gemafiigter Klassizismus bewahrte ihn bei den grofien Monumenten bisweilen nicht vor dem konventionellen Denkmalschema. Als eine seiner besten Arbeiten gilt das Bronzerelief an der Ostseite des Sieges- denkmals in Berlin, wo der Auszug der Truppen und die Ersturmung der Duppeler Schanzen dargestellt ist. An dem aufieren plastischen Schmuck der Xationalgalerie in Berlin ist der Kunstler durch zwei Werke beteiligt: die rechte der beiden Sandsteinfiguren, welche den oberen Abschlufi der Treppen- wangen bilden, »der Kunstgedanke«, ferner das auf dem Podest der Freitreppe errichtete eherne Reiterstandbild Friedrich Wilhelms IV., das 1886 enthiillt wurde; an dem Sockel aus schwedischem Granit sind die traditionellen vier allegorischen Denkmalsfiguren angebracht, Glaube, Poesie, Philosophic und Geschichte, in das Postament sind Ornamentfriese eingelassen. Im Inneren

g6 Calandrelli. Kaulbach.

des GebSudes der Nationalgalerie, im Kuppelsaal, stammen vier der Musen- figuren, in Stuck mit leicht polychromer Behandlung, von C-; es sind links vom Eingang Erato, Melpomene, Urania, Thalia. Desgleichen die stehende Statue von Cornelius in der Vorhalle der Nationalgalerie und zwei Gruppen auf der neuen Konigsbrucke, ferner eine sitzende Statue des Peter von Cor- nelius, die Statue des Generals Yorck an dem Denkmal Friedrich Wilhelms III. in Koln, mit dessen Vollendung C. nach dem Tode Blasers betraut wurde, die Kolossalstatuen Kaiser Wilhelms I. und des Kurfursten Friedrich I. am Nationaldenkmal bei Brandenburg, die Kolossalstatue Wilhelms II. im Teltower Kreishaus, das Denkmal des Kurfursten Friedrich I. von Brandenburg in Friesack, das Reiterdenkmal Wilhelms I. in Bromberg u. a.

Litcratur: A. Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst, 1894. »Kunst- chronik« XIV. »Kunst fUr Alle« XVIII. *Chroniquc des Arts ct dc la Curiositc* 1903.

H. W. Singer, Allgemeines Ktinstlerlexikon, 1895. »Jahrbuch der bildenden Kun.>t« 1904.

Dr. Hugo Schmerber.

Kaulbach, Friedrich, Maler, Professor, * 8. Juli 1822 zu Arolsen, f 5. Septem- ber 1903 zu Hannover. In der Malerfamilie K. nahm der Verstorbene neben seinen beruhmteren Verwandten nur einen bescheidenen Platz ein, und seinName blieb auf einen kleineren Kreis beschrankt; sein Onkel und Lehrer war der alte Wilhelm von K. (1805 1874), der das »tiefe Gedankenspiel des histori- schen Weltgeistes« malte, sein Sohn und Schuler ist Friedrich August K. (geb. 1850), der Maler der altdeutschen Patriziertochter, der Lautenspielerinnen und der elegant kostiimierten modernen Damenportrats. Mit 18 Jahren kam K. nach Miinchen und trat in das Atelier seines Onkels ein, wo er bis 1845 studierte. Nach einer Reise in Italien liefi er sich eine Zeitlang in Miinchen selbst&ndig nieder und malte im Geiste seiner Zeit meist kolossale Historien- bilder, mit Szenen aus der Bibel oder aus Shakespeare: die »Kronung Karls des Grofien« fiir das Maximilianeum zu Miinchen, »Adam und Eva bei Abels Leiche«, »Othello und Desdemona«, »Julia Capulets Hochzeitsmorgen«, das nach vierzig Jahren vollendet und nicht lange vor dem Tod seines Schftpfers in Hannover erworben und der Stadt Hannover zum Geschenk gemacht wurde. Daneben war K. im Portratfach tatig und seine Bildnisse mit ihrer korrekten Eleganz und mondanen Oberflachlichkeit verschafften ihm bald einen Ruf in vornehmen Gesellschaftskreisen. Im Jahre 1855 wurde er nach Hannover berufen, wo ihn Konig Georg V. bewog, sich als Hofmaler niederzulassen und ihm ein Atelier nahe dem koniglichen Schlosse erbauen liefi. Hier malte er durch ein halbes Jahrhundert die kSnigliche Familie und andere Mitglieder des Adels: Bilder ohne Charakteristik des Ausdrucks und ohne Farbenreiz, in peinlichster Detailausfuhrung und Treue des Kostiims. Das Hauptwerk unter diesen ist das grofie Gruppenbild der koniglichen Familie in der Portratgalerie des Schlosses Hehrenhausen. Im Museum der Stadt Hannover befindet sich ein Portrat des Wiener Bildhauers Hans Gasser (1854) und der Bildhauerin Elisabeth Ney (i860). Er war Professor an der technischen Hochschule in Hannover.

Literatur; »Kunst fttr Alle« XVIII und XIX. »Kunstchronik« XIV. *Chroniqu€ des Arts ct dc la Curiositc* 1903. Boetticher, Malerwerke des 19, Jahrhunderts, 1895 1901.

>Jahrbuch der bildenden KunsU 1904. Muthcr, Geschichte der Malcrei im 19. Jahr- hundert, 1893. Dr. Hugo Schmerber.

von Kopf. 87

Kopf, Josef von, Bildhauer, * 10. Marz 1827 zu Unlingen in Wiirttem- berg, f 2. Februar 1903 in Rom. Mit K. ist einer aus der Schar jener deutschen Kiinstler verschwunden, die in ihrer Jugend, zur Zeit der Nazarener, nach Rom zogen, urn dort das Heil der Kunst zu finden; wahrend aber die meisten nach kiirzerem oder langerem Bleiben wieder in ihr Vaterland gingen, war fur K. der rdmische Aufenthalt nicht nur eine Episode, sondern er fand in der Stadt, wo er seine ersten bescheidenen Schritte tat und die ersten Krfolge gewann, fur das ganze Leben eine zweite Heimat. Sein Leben reprasentiert den Typus einer bewegten Kunstlerlaufbahn: vom hungernden Steinmetzlehrling, den der Zug der Zeit antreibt, zu Fufi nach der heifi ersehnten ewigen Stadt zu ziehen, wo er allein zum Kiinstler werden zu kdnnen glaubt, bis zum vielgeriihmten und begehrten Bildhauer, der mit den Hochsten der Erde verkehrt, die besten Kunstler zu Freunden hat und auf grofien Reisen den Spuren seiner Kunst nachgeht. Dabei durchaus keine grofiziigige, heldenhafte, geistreiche, prachtliebende Herrschernatur, wie wir uns etwa Lenbach in seinem Atelier im Palazzo Borghese denken, wo er mit Prinzen, Fiirstinnen und Kardinalen Feste gab und in den herrlichen Ge- machern traumte »der Furst Borghese zu sein«, sondern ein schlichter, urwuchsiger, wohl auch sarkastischer Mensch, der jeden AllerhOchsten Auftrag mit geschmeichelter Genugtuung in seinem Tagebuch verzeichnet und bei Hofballen und Festen mit dem Frack und der Etikette zu kampfen hat. Ein regelrechtes Studium seiner Kunst machte er niemals durch. Seine harte Jugend als Sohn eines armen Bauern bildet ein langes Leidenskapitel in seinen Erinnerungen. Vom Maurerhandwerk entflieht er immer wieder zur Kunst und erwirbt sich die Anfangsgriinde bei Sickingen (Munchen), Hofmann (Wiesbaden) und Knittel (Freiburg i. B.).

Fur letzteren fuhrte K. mehrere Brunnenfiguren aus, bildete sich zugleich im Zeichnen nach dem Modell und in Anatomie und besuchte die Universitat. Hier in diesem gesteigerten Leben wurde der langgehegte Wunsch, in Rom die hohe Kunst zu erlernen, zum Entschlufi, und ohne Mittel, ohne Empfehlungen verliefi er am 1. September 1852 Freiburg. Seine Fuflreise durch Tirol uber Verona, Venedig nach Rom, ausgestattet mit einem Pilgerbuch und hundert Gulden, beschreibt er selbst mit humorvoller Erinnerung; auch die Ankunft in Rom, am 13. Oktober war nicht glanzend, da er von seiner Unterkunft im Pilgerhause aus umsonst bei alien Bildhauern Arbeit suchte. Trotz alledem vertiefte er sich in fromm glaubigem Sinne in die Herrlichkeiten der Stadt, zeichnete in der franzosischen Akademie auf dem Pincio nach Modell und besuchte einen Kurs in der Akademie S. Luca, sobald er einen bescheidenen Verdienst hatte. Diesen fand er durch die Bekanntschaft mit einem papst- lichen Schweizer-Hellebardisten, der in seinen Mufiestunden verzierte Stuhl- fiifle schnitzte und ihm Arbeit gab. Endlich gelang der erste Schritt auf dem Wege zu eigentlich kiinstlerischer Tatigkeit, als ihn der Bildhauer Pilz aus B6hmen in sein Atelier aufnahm, so dafi er seine Schnitzerei aufgeben konnte. Seine ersten Versuche in der Bildhauerei sind ganz im Sinne streng religioser Kunstanschauung entstanden. Zu Ende 1853 begann er einen sitzenden Christus zu modellieren, ohne Modell, ohne sonstige Studien, der das Interesse von Cornelius und Overbeck erregte und den jungen Anfanger als wiirdiges Glied der Nazarenergemeinde erscheinen lieB. Sie stellten ihm empfehlende

88 von Kopf.

Zeugnisse aus, die an die Akademie der Kiinste in Stuttgart mit einem Brief an den K6nig gesendet wurden: er erhielt eine Subvention und die Auf- forderung noch mehr einzusenden. Der Entwurf zu dem Relief » Abraham verstofit die Hagar« (1854) wurde vom K6nig Wilhelm I. von Wiirttemberg fiir das konigliche SchloB in Stuttgart in Marmor bestellt und damit begann die lange Reihe der Werke, die der Kunstler fiir die wiirttembergische Herrscherfamilie schaffen sollte. Andere Arbeiten aus dieser Zeit waren das Relief »Nemesis« und die Statue der Ruth, die spater die Bezeichnung »Sommer« bekam und die erste der vier Figuren der Jahreszeiten wurde, die im Garten der kSniglichen Villa Berg bei Stuttgart aufgestellt und nachher in alien Grofien und Stoffen vielfach nachbestellt wurden. Auf sein Schaffen waren zu dieser Zeit sowohl Cornelius als der Bildhauer Wagner von Einflufi. Er selbst fand spater seine eigenen Sachen von damals konventionell und »im cornelianischen Fahrwasser« : »t)ber dem Gedanken an eine schdne Figur hatte ich das Individuum der Ruth vergessen: Das ahrenlesende schone Weib, mit dem einfachen Anzuge der arbeitenden armen Frau, die sich bucken und beide Arme gebrauchen und sich gegen die Sonne mit einem Tuche schutzen soil, liefl ich ganz aufier acht. Es kam mir nicht in den Sinn, einen wirklichen,. individuellen Menschen zu schaffen . . . und so das Sch6ne durch den Charakter in der lebensfahigen Figur zu erreichen . . . Die Furcht, in das Genrehafte zu fallen, verscheuchte damals jedes liebevolle Eingehen auf die Person, die dargestellt werden sollte.« Vom Jahre 1857 an wurde seine Stellung immer besser. Sein Atelier wurde von Fremden aufgesucht, die Kronprinzessin von Wiirttemberg und die russische Kaiserin machten Bestellungen, Schnaase nahm sich seiner an, ein neues grofies Atelier wurde bezogen, K6nig Ludwig von Bayern zog ihn zu Tisch, besonders russische Reisende erstanden seine Arbeiten. Der Aufschwung trug ihm sogar den Tadel von Cornelius ein, der ihn lieber auf der »Bahn der christlich- historischen Kunst« verharren gesehen hatte, als dem Verdienste nachlaufend. Er lernte Bocklin kennen, mit dem ihn spater Freundschaft verband, Lenbach, Piloty u. a. und wurde in das romische Gesellschaftsleben gezogen. Es be- gannen die Portratauftrage, die spaterhin den Hauptanteil seines Schaffens bilden sollten. Nach siebenjahrigem Aufenthalt in Rom besuchte er im Sommer 1859 Deutschland und diese Reise wurde ein Wendepunkt in seinem Leben. In Stuttgart erwarb er sich viele Freunde, wurde vom Konig und von der russischen Kaiserin empfangen und ins Hofleben gezogen. Von nun an unternahm er fast alljahrlich die Reise nach Deutschland, und es entstand eine Reihe von Arbeiten hauptsachlich fiir den russischen und wiirttembergi- schen Hof: ein Kolossalbrunnen mit iiberlebensgroflem Triton fiir die Villa Oranienbaum, die »Griechische Tanzerin«, das »Madchen mit Schlange,« die »Bathseba im Bade« (heute Sammlung der koniglichen Kunstschule in Stuttgart), eine Pieti fur die katholische Kirche in Stuttgart und viele Biisten. Das grofite Werk waren die zwei grofien Kamine fiir den weifien Saal in Stuttgart, die 1867 aufgestellt wurden. Der erste Entwurf mit liegenden Gestalten lehnte sich an die Graber der Medici an, als Gegenstand waren die vier Elemente gewahlt, die beim Kaminfeuer in Betracht kommen, durch die Figuren des Prometheus und Zephyr, der Gaa und Venus dargestellt; grofie Putten mit den Attributen fiir die Figuren sollten karyatidenartig an den

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Seiten der Offnung sich erheben, zwischen den liegenden Figuren war eine Uhr angebracht und in der Mitte des Kamins eine Nische mit einer Biiste. Der Entwurf muflte spater geandert werden, weil er in den Stil des Saales nicht pafite. Den Vorschlag, als Professor an die Kunstschule in Stuttgart zu kommen, lehnte K. ab, dagegen ware er gerne nach Wien gegangen, wozu ihn Liibke aufforderte; er unternahm audi 187 1 die Reise dorthin, wurde bei Lutzow, Eitelberger, Makart, Ferstel u. a. wohl aufgenommen, doch aus der Berufung wurde nichts und die Stelle erhielt Zumbusch. 1872 modellierte er auf einer Reise nach Holland die Kdnigin; er besuchte auch Paris und London und wurde an den Hofen von Darmstadt und Weimar eingefuhrt. Den Winter verbrachte er regelm&fiig in Rom, fiihrte ein gastliches Haus, modellierte viele PortrSts von Fremden und auch eine Reihe von Statuen, z. B. die »Nymphe sich vor einer Eidechse furchtfend«, die Reliefs »Tanz«, »Poesie«, »Musik«, viele Kopien nach Antiken, »Goldschmieds T6chterlein«, »Eva«, y>Amore impertinentc^^ »Josef und die Frau des Potiphar« u. a. Im Jahre 1874 entschlofi er sich zum ersten Male den Sommer iiber nach Baden-Baden zu gehen, das von nun an der Hauptstiitzpunkt seiner kiinst- lerischen Tatigkeit werden sollte. Jeden Sommer gingen aus seinem Atelier eine Menge von Portr&ts und anderen Werken hervor und endlich erreichte er seinen Wunsch, auch die Biiste des dort weilenden Kaisers Wilhelm I. modellieren zu konnen. Der Grofiherzog von Baden bewog ihn, jedes Jahr im Sommer nach Baden-Baden zu kommen und schenkte ihm ein Atelier, das der Kunstler mit grofier Liebe unter Beihilfe seiner Freunde allmahlich aus- gestaltete und das ein Anziehungspunkt fiir die Besucher des Kurortes wurde; ein Sandsteinbau in italienischem Renaissancestil mit einer von zwei Saulen getragenen Vorhalle, innen mit Bildern seiner Freunde geschmiickt Zum Dank fur diese Schenkung stiftete K. eine Kolossalbuste des Kaisers, die vor der Trinkhalle aufgestellt wurde, und 1892 schenkte er das Atelier samt Inhalt dem Grofiherzog von Baden. In Gemeinschaft mit Ernst Curtius bereiste er 1876 Griechenland. Zu den Arbeiten aus seiner spateren Zeit gehdren vier Figuren fiir das Schlofi Heiligenberg: »Mignon«, »Des Madchens Klage«, »Amor« und »Psyche« (1889), sowie das Denkmal der Kaiserin Augusta in der Lichtenthaler Allee in Baden-Baden, das 1892 enthiillt wurde und das er als Abschlufi seiner grofieren Werke bezeichnete. Als Bildhauer wurde K. in seiner Bliitezeit sehr hoch, zum Teil iibermafiig geschfitzt; er wurde der erste Portratist seiner Zeit genannt und seine biblischen, mythologischen und allegorischen Figuren fanden grofien Beifall. Nachdem er sich bald aus dem beschrankten Kreis der religiosen Kunst seiner ersten Jahre befreit hatte bildete er die ihm charakteristische Kunstanschauung allmahlich aus und bemiihte sich, die Grenzen seiner Begabung zu erweitern. *5eine Figuren sind schone, zierliche Formen in grazioser Bewegung, aber ohne den Reiz des Individuellen und pragnant Charakteristischen; bei den allegorischen Figuren mufi er die Attribute dazunehmen, um sie verstandlich zu machen, denn die Fortuna ohne Fiillhorn und Rad, oder die Nemesis ohne Geifiel und Ruder konnte ebensogut anders heifien. Die feine, weiche Marmor- ausfiihrung, die nur in einigen Busten weniger hervortritt, bewegt sich in der Manier Thorwaldsens. Selbst Cornelius fand einmal eine Madonna von K. zu weich und sentimental (1856). Aus den Aufzeichnungen des Kunstlers

go von Kopf. Curtze.

geht hervor, daB er sich der seinem Talente auferlegten Beschr&nkung wohl bewufit war und mehr realistische Charakteristik anstrebte, wobei ihn auch der Einflufi von Wagner anspornte, und daB ihn im Gefiihl dieser iiberwiegend formsch6nen, sanften Manier bisweilen der Wunsch iiberkam, etwas Kraftig- gewaltiges, womoglich Kolossales zu schaffen. Er plagt sich mit einem iiber- lebensgrofien Prometheus am Felsen, unternimmt einen Titanenkampf, ohne etwas zu erreichen; auch sein Wunsch, einen gr&fleren Denkmalsauftrag zu erlangen, blieb unerfiillt. In manchen seiner Busten erreichte er dennoch eine lebendige, ja imponierende Wirkung. Unter den zahlreichen Portrats, denen er ofters die Form der Herme gab, erwahnen wir: Kaiser Wilhelm I. (1876, Nationalgalerie Berlin) im romischen Imperatorenmantel mit dem Stern des Roten Adlerordens, Kaiserin Augusta aus den letzten Lebensjahren, im Haubchen und Diadem, Gregorovius, Ebers, Curtius, Dollinger, Delbriick, Hackel, Henzen, Schnaase (Relief im St&delschen Institut und Biiste auBen am Museum in Berlin), Liibke, Preller, Andreas Achenbach, Bocklin, Richard VoB, Franz Xaver Kraus, Malvida von Meysenbug und viele Mitglieder der Aristokratie. Im Sommer 1904 war in der Kunstausstellung zu Dresden eine Reihe von seinen Busten und Reliefs vereinigt, welche aus dem Besitze des Herrn Geh. Hofrates Prof. Graff, der Frau (). Schweter und der Frau Baronin von Cramer-Klett in Munchen stammten, u. a. Leo XIII. (Gipsrelief 1898), Bocklin (Gipsrelief 1884) und Dollinger (Marmorbiiste). Die Leitung der Aus- stellung hatte pietatvoll dem verstorbenen Meister einen kleinen Raum neben dem Hauptsaal fast ganz eingeraumt, so dafi der Gesamteindruck unbeeinfluflt von Vergleichen mit modernen Werken blieb; auch so aber trat die feine, genaue Ausfiihrung der Kopfe und Kostiime charakteristisch hervor und selbst ein so spites Werk, wie das Portrat des Papstes Leo XIII. (1898) zeigte, dafl K. den Traditionen seiner Blutezeit treu geblieben war. Im Jahre 1899 gab er einen starken Band »Lebenserinnerungen eines Bildhauers* heraus, der auch manches Interessante uber das Leben der Kunstler und Fremden in Rom bietet.

Literatur: »Kunst und Kunsthandwerk* 1900 (Mit vielen Abbildungen). Kopf, Lebenserinnerungen eines Bildhauers, 1899. »Kunstchronik« XIV, Nr. I, 2, 16. Adolf Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst, 1894. »Kunst fiir Alle«c XVIII. »Illustrierte Zeitung« CXX, S. 263. »Chroniquc des Arts ct dc la Curiositi* 1903. A. Heilmeyer, Die moderne Plastik in Deutschland, 1903.

Dr. Hugo Schmerber.

Curtze, Maximilian, Gymnasiallehrer, Schriftsteller iiber Geschichte der Mathematik, * 4. August 1837 in Ballenstedt, f 3. Januar 1903 in Thorn. C. war das drfctjungste unter zwolf Kindern, welche dem Geh. Medizinalrate Eduard Curtze, herzoglich anhaltischem Leibarzte in drei verschiedenen Ehen geboren wurden, und gehorte der letzten Ehe mit Johanna, geborener Nicolai, an. Alle Kinder, mit Ausnahme einer unverheiratet als Lehrerin in Bernburg lebenden Schwester, sind Maximilian im Tode vorangegangen. Der Vater starb 1846, worauf die Mutter nach Bernburg iibersiedelte. Im. dortigen Gymnasium erlangtc C. 1857 das Reifezeugnis, welches insbesondere die mathematische Begabung des Abiturienten hervorhob, und dem darin mittelbar ausgesprochenen Rate folgend bezog C. die Universitat Greifswald,

Curtze.

9*

um Mathematik zu studieren. Ohne sich studentischem Verbindungsleben zu entziehen, widmete sich C. eifrig der von ihm gewahlten Wissenschaft. Er war der Schuler Grunerts, eines Mannes, der freilich zumeist durch das von ihm gegrundete Archiv der Mathematik und Physik und durch das unter seiner Leitung zu Ende gefiihrte Mathematische Worterbuch Kliigels bekannt ist, der aber auch zahlreiche, fiir ihre Zeit ganz gute, wenn auch durch einen Wust von Rechnungen etwas abschreckende Lehrbiicher und Abhandlungen verfafltc, und der sich seinen Schiilern als der vaterliche Freund zeigte, als welchen C. den am 7. Juni 1872 Verstorbenen in einem warmen Nachrufe riihmt. Das Jahr 1 861 brachte C. nach bestandenem Lehrerexamen an die hohere Biirger- schule zu Lennep in der Rheinprovinz; im April 1864 fofgte die endgiiltige Anstellung als Gymnasiallehrer in Thorn, und an dieser Anstalt blieb C. voile 30 Jahre, bis er 1894 in den Ruhestand trat. Von Thorn aus gingen seine wissenschaftlichen Leistungen in die Welt. In Thorn begriindete er kurze Zeit nach der Anstellung, am 4. August 1864, sein Familienleben durch Ver- heiratung mit Klara Flamant, welche er seit dem Abgang zur Universitat, wenn nicht schon langer, als die ersehnte Lebensgefahrtin betrachtete, und mit welcher er in treuer Liebe bis zu seinem Tode vereint blieb. In Thorn erlosch sein Leben am 3. Januar 1903.

C.s wissenschaftliche Leistungen zerfallen in drei Gruppen. Erstens hat er einige wenige kleinere reinmathematische Aufsatze verfafit; zweitens hat er Ubersetzungen italienischer Schriften von Battaglini, von Brioschi, von Cremona, von Gherardi, von Schiaparelli, von Sella geliefert; drittens hat er und hier liegt seine wahre Lebensarbeit geschichtlich-mathematischeForschungen angestellt, einer der Wenigen in Deutschland, welche, diesem Sonderfache ihre voile Kraft widmend, demselben mehr und mehr anerkannte Bedeutung zu verschaffen wufiten. C.s Tatigkeit als Schulmann litt aber keineswegs unter der schriftstellerischen Fruchtbarkeit. Dankbare Schiiler bestatigen, was sie ihm auf diesem Gebiete zu verdanken hatten. Eine tibersicht von C.s Ver- offentlichungen mitAusschlufi zahlreicherBiicherbesprechungen, welche meistens durch sachliche Berichtigungen oder Erganzungen der angezeigten Werke sich auszeichnen und in den verschiedensten kritischen Organen zum Abdruck gelangt sind, hat Herr S. Giinther einem Nachrufe in der Bibllotheca Mathe- matics, 3. Folge 4. Band S. 65 81 einverleibt. Einen anderen Nachruf hat der Verfasser des gegenwartigen Nekrologes in den Jahresberichten der Deutschen Mathematikervereinigung fiir 1903 veroffentlicht. Beiden Nachrufen ist das Bildnis C.s beigegeben. Haben wir, an den angegebenen Orten zu naheren Fachgenossen redend, den Freund von dem dahingegangenen Freunde erzahlen lassen, so moge hier in kiirzerer, mehr objektiver Weise iiber C. als Geschichts- schreiber der Mathematik berichtet werden.

C. war noch nicht lange in Thorn ansassig, da wurde er auf einen der dortigen reichhaltigen Gymnasialbibliothek angehorenden handschriftlichen Sammelband aufmerksam, welcher dem XIV. Jahrhunderte entstammte. Ks war vermutlich die erste Handschrift, mit welcher C. sich zu beschaftigen Gelegenheit hatte, und ein gliicklicher Zufall wollte, dafi ihr Inhalt der Er- forschung wert war. Fand sich doch in ihr der Algorismus proportionum des Nicole Oresme! Verfasser und Werk waren selbst Fachgelehrten der Ge- schichte der Mathematik so gut wie unbekannt, und erst seit C. beide neu

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Curtze.

entdeckte und 1865, 1868, 1879 in immer ausfuhrlicherer Weise davon handelte, wurde dem gelehrten Bischof von Lisieux die Stellung einger&umt, welche ihm als dem hervorragendsten franzosischen Mathematiker desXIV. Jahrhunderts, als dem Begriinder der Rechnung mit Potenzen, auch mit solchen mit ge- brochenem Exponent mit Recht zukommt.

Hatte sich C. bei dieser Gelegenheit mit der Mathematik des XIV. Jahr- hunderts bekannt machen miissen, so fiihrte ihn ein anderer gliicklicher Zufall tief in die Kenntnis der beiden folgenden Jahrhunderte. Das Leben des Nicolaus Coppemicus, des beriihmtesten Sohnes der Stadt Thorn, ist durch die Jahreszahlen 1475 unc* 1543 begrenzt. Thorner Burger hatten am 19. Fe- bruar 1839 einen Verein gegriindet, dessen ausgesprochener Zweck es war, fur die Errichtung eines Coppernicusdenkmals in Thorn zu wirken, und als im Oktober 1853 diese Aufgabe gel6st war, bildete sich aus dem alten Vereine ein neuer: der Coppernicusverein fur Wissenschaft und Kunst, der, wenn er auch allgemeineZwecke verfolgte, doch in erster Linie die Coppemicus- forschung zu fordern sich vornahm. Leopold Prowe, Oberlehrer am Thorner Gymnasium, Sprflfiling einer angesehenen Thorner Familie, Festredner bei der Denkmalsenthiillungsfeier von 1853, war die treibende Kraft des neuen Vereins. C. muflte, als er 1864 nach Thorn kam, zu dem Schulkollegen wie zu dem Vereine in nahe Beziehungen treten, mufite an den Bestrebungen des Vereins teilnehmen. Kann oder mufl man in den erwahnten Umstanden einen gliick- lichen Zufall erkennen, so war es C.s glanzende Begabung fur geschichtliche Forschung, welche ihm bald eine Stellung neben Prowe zuwies. C. hat in Prag die dort in graflich Nostizschem Besitze befindliche Originalhandschrift des Hauptwerkes des Coppemicus, seiner sogenannten Revolutionen, mit den vorhandenen Druckausgaben verglichen und so den gereinigten Text hergestellt, der wieder unter C.s Leitung 1873 als Jubilaumsausgabe die Presse verlieB. C. veroffentlichte 1874 und 1875 unter dem Titel Reliquiae Coppernkanae Randbemerkungen, welche Coppemicus einst in ihm angehorende Biicher ein- getragen hatte. Inedita Cappernkana heifit eine weitere Veriiffentlichung C.s, die Frucht einer 1877 auf Kosten des Fiirsten Boncompagni nach Upsala unternommenen Reise, deren Ergebnisse mit in Wien und in Berlin befind- lichen Schriftstiicken, welche noch nicht veroffentlicht waren, vereinigt wurden. Auch dem Studiengange des Coppemicus in Italien widmete C. seine Forschung, und er stieg so von Coppemicus aufwarts zu Domenico Maria Novara, der jedenfalls, zu Scipione del Ferro, der moglicherweise ein Lehrer des Thorner Astronomen war.

Wir haben in Oresme und Coppemicus zwei Brennpunkte C.scher Forschungen kennen gelernt. Aber sein Gebiet erstreckte sich ungemein viel weiter. Emsiges Studium vorhandener Handschriftenkataloge, spater eine im Sommer 1896 im Auftrage der Berliner Akademie untemommene Rundreise zur Durchstoberung deutscher und osterreichischerBibliotheken nach mathematischen Handschrif ten erweiterten seinen Blick und gestatteten ihm in dem Bericht iiber jene Rund- reise ein Arbeitsprogramm zu enthullen, welches noch zahlreichen jungeren Kraften gestattet, mit Hoffnung auf Erfolg C.s Spuren nachzugehen.

Lassen wir in aller Kurze die Namen der Schriftsteller an uns voriiber- ziehen, mit welchen C. sich neben Oresme und Coppemicus beschaftigt hat. Archimed kann hier insoweit genannt werden, als C. nachwies, dafi ein so-

Curtze.

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genannter Brief des Archimed an Konig Gebon eine spate Falschung ist, welche schon weit friiher als solche erkannt worden war. Wir erwahnen weiter die Kubikwurzelausziehung des Herrn von Alexandria, mit deren Diskussion C. sich beschaftigte. Wir erwahnen Diophant wegen einer lange verschollenen, von C. in Krakau wieder aufgefundenen griechischen Handschrift seiner Arithmetik.

Orientalischer Sprachen war C. nicht machtig, aber um so genauer kannte und wiirdigte er im XII. Jahrhunderte durch Gerhard von Cremona und durch Plato vonTivoli angefertigteObersetzungen arabischerund hebraischer Schriften, und die Herausgabe soldier Obersetzungen war ihm besonders angelegen. So erschienen durch C. eingeleitet und mit Erlauterungen versehen das Buch der drei Briider (um 830 verfafit), der Kommentar An-Nairizis zu den Elementen des Euklid (um 900 verfafit), die Geometrie des Abraham Savasorda (im Jahre 11 17 abgeschlossen). Wir kommen noch auf die grofle Bedeutung zuriick, welche C. diesen Obersetzungen beilegte.

Wir gelangen zu mittelalterlichen europaischen Schriftstellern. C. machte auf die in Munchen aufbewahrte alteste Handschrift der Gerbertschen Geometrie aufmerksam. Er lernte die dem XII. Jahrhunderte angehorende Geometrie des Hugo Physicus kennen, sowie einen dem gleichen Jahrhunderte ent- stammenden Algorismus, einen am Ende des XII. Jahrhunderts verfafiten Trcutatus de abaco. Sodann gab C. die Schrift De triangulis des Jordanus Nemorarius erstmalig heraus, vervollstandigte die altere liickenhafte Ausgabe von desselben Verfassers Biichern De numeris datis. Er wies nach, dafl der andere grofle Mathematiker des XIII. Jahrhunderts, Leonardo von Pisa, vieles aus der Geometrie des Savasorda entlehnte. Er wies andererseits bei Leonardo von Pisa auf das Vorhandensein einer Regel zur Auflosung mehrerer gleich- zeitig zu erfullender unbestimmter Gleichungen ersten Grades hin, welche sich bei dem Regensburger Mbnch Frater Fridericus von 1450, welche sich um die gleiche Zeit bei Regiomontanus wieder findet, welche aber auch in China seit dem III. nachchristlichen Jahrhunderte unter dem Namen Ta Yen bekannt war. Aus dem Ende des XIII. Jahrhunderts stammte der von 1291 datierte Kommentar des Petrus de Dacia zum Algorismus des Sacrobosco, welchen C herausgab.

Wir wenden uns dem XV. Jahrhunderte zu. C. war es, der den oben erwahnten Frater Fridericus entdeckte, der eine neue Ausgabe des Brief- wechsels des Regiomontanus veranstaltete und insbesondere die fur die Kenntnis der damaligen Zeit so wichtigen Rechnungsausfiihrungen zum Abdruck brachte, welche der friihere Herausgeber, Christoph von Murr, weggelassen hatte. Weitere Schriften des XV. Jahrhunderts, welche durch C. bekannt wurden, sind das Buch De capacitate, eine Geometrie von Leonardo Mainardi, eine Quadratur des Kreises, eine deutsche Obersetzung des Robertus Anglicus von 1477.

Im XVI. Jahrhunderte entstand die deutsche Obersetzung des unter dem Namen Initius Algebras bekannten Werkes, welche C. im Drucke herausgab.

Das sind gewaltige Leistungen eines einzigen Mannes, und sie erschopfen noch keineswegs das Arbeitsgebiet C.s. Bald unter dieser, bald unter jener Spitzmarke hat C. zahreiche kleinere Notizen zum Drucke gegeben. Er hat sich mit dem sogenannten Josephsspiele beschaftigt, mit Witelo, mit Dominicus

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Curtze. Hautmann.

de Clavasio, mit Johannes de Lineriis, mit dem Prozesse gegen Galilei und mit vielem anderen. Alles, oder doch wenigstens fast alles, was wir erwahnten, bildete fur C. die Vorarbeit fur eine Geschichte der Geometrie im Mittelalter, deren Plan in seinem Riesengedachtnisse fertig dastand, an deren schriftlicher Ausfuhrung aber der j&he Tod ihn verhinderte.

Zweifellos hat die Geschichtswissenschaft durch die Nichtausfuhrung des geplanten Werkes einen grofien Verlust erlitten. Da Aufzeichnungen nicht vorhanden sind, lassen sich Vermutungen iiber C.s leitende Grundgedanken kaum wagen. Nur einen dieser Grundgedanken glauben wir zu kennen. Die mittelalterlich-europaische Geometrie steht unter demEinflusse griechischer Wissenschaft, die in arabischer und hebraischer Sprache sich forterbte. Aber diese Forterbung selbst war bedingt durch eine lateinische Wiedergabe der auch fur die Gebildeten nicht lesbaren orientalischen Texte. Das ist die von C. richtig erkannte und gewiirdigte Bedeutung des Gerhard von Cremona, des Plato von Tivoli. Moritz Cantor.

Hautmann, Johann, Bildhauer, * 21. April 1820 zu Miinchen, f 30. Januar 1903 ebendaselbst. H. stammte aus einer alten, in der Mitte des XVIII. Jahrhunderts von Amberg nach der bayerischen Hauptstadt iiber- siedelten Kiinstlerfamilie. Sein Vater, Joseph Hautmann, welcher im 82. Lebensjahre, am 28. September 1877 starb, war ein tuchtiger Techniker und Steinmetz, der den siidlichen (alten) Friedhof mit Grabdenkmalern und Busten schmiickte. Wahrend ein jiingerer Sohn, Hippolyt Hautmann, rechtzeitig zur Kunst kam und sich einen guten Namen erwarb, aber schon 1862 in Florenz, wo er seine zweite Heimat gefunden hatte, aus dem Leben schied, war unser hier in Rede stehende H. zum Theologen bestimmt; er durchlief Lateinschule und Gymnasium, sprang dann aber doch zur Kunst ab, genofi auf der Akademie noch die Unterweisung des alten Conrad Eberhard und die Aufnahme als Eleve im Atelier Schwanthalers, der jedoch im vollen Schaffen schon 1848 starb. Kurze Zeit stand H. als Kustos am sogenannten Schwanthaler-Museum, bis ihm die zahlreich zufliefienden Auf- trage zur Errichtung einer eigenen Werkstatt ermutigten. Er fertigte religiose Skulpturen fur die Kirche in Friedberg und den Dom in Augsburg, die Riesenstatue einer »Madonna« fur den Dom in Kaloska, ebenso formte er nach einer Skizze von Sjostrand ein Hochrelief in Zementgufi fiir das neue Akademiegebaude in Helsingfors, auch viele allegorische und dekorative Darstellungen, sonstigen Schmuck und Zierrat an Briicken und ftffentlichen Bauten. Auch viele Portratbiisten von Gelehrten (Abt Haneberg) und her- vorragenden Mannern (Windthorst) und anderen, die freilich nicht immer dem Kunstler in Original safien, darunter von dem jungen K6nige Ludwig II. und seiner Braut (welche in Hunderten von Abgiissen fiir alle bayerischen Stadte, MSrkte und Rathauser bereit stand, als das vorschnelle Versprechen riickgangig wurde die fast unabsehbare Reihe von verstaubten Exemplaren bildete einen seltsamen Eindruck in H.s Atelier; Herzog Maximilian hatte den Kunstler mit dem Titel eines Hofbildhauers begnadet). Spater versah der patriotische Kunstler alle Justizhallen und Sitzungssale, Rentamter und Landgerichte mit der Buste des Prinzregenten, wozu derselbe dem Plastiker personlich gesessen hatte. KOnig Ludwig II. hatte H. in besondere Affektion

Hautmann. Hirschfelder.

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genotnmen und viele Auftrage fiir den Linderhof und das stolze Chiemsee- schlofl iibertragen, wozu H. zu langeren Studien sich nach Paris begab. Bei dem plotzlichen Tode des ungliicklichen Monarchen formte H. das Haupt und die rechte Hand des hohen Verlebten. Als Alter und Krankheit dem Bildner schliefilich Reserven auferlegten, konnte er sich des trostlichen Bewufltseins freuen, ein wenn auch von mancherlei Muhen und Sorgen nicht verschontes dazu gehorte auch 1891 eine unbegreifliche Konkurserklarung aber doch allzeit ehren- und verdienstvolles, vieltatiges Leben und Schaffen voll- endet zu haben.

Vgl. Nr. 52 »Neueste Nachrichten* vom 2. Februar 1903 und (M. Fiirst) Rechenschafts- bericht des Vereins ftir christl. Kunst 1903 S. 11 ff. Hyac. Holland.

Hirschfelder, Salomon, Genremaler, * 16. Mai 1832 zu Dettensee (Hohen- zollern), f 10. Mai 1903 in Miinchen. Seit 1853 an der Akademie, bei Pro- fessor Ph. Foltz, machte er sich durch seine einfachen, meist heiteren Szenen aus dem Volksleben, in der Weise wie Kaltenmoser und Naumann einen geachteten Namen. Mit den beiden Genannten zeichnete er vieles fiir Steffeus Breslauer Volkskalender, lustige Einfalle, die der nachmals gesuchte Conrad Geyer auf seinen Platten in Stich iibersetzte. Seine meist kleinen Bilder nahmen in ihrer Technik die Wette auf mit denen anderer Zeitgenossen, dabei befleifligen sie sich eines guten Humors, einer heiteren Laune. Dazu gehdrten als Erinnerung an seine Heimat allerlei, mit der schwierigen Abfassung oder Lesung von Liebesbriefen vollauf beschaftigte »Schwaben-Madchen«, ein minniglich plauderndes Parchen, welchem unterdessen die gierigen Huhner die Brot- und Eiervorrate erleichtern, ein mit Bierflaschen beladener Schul- knabe, welcher dem Herrn Lehrer in den Weg lauft und nun verzweifelte Anstrengungen macht, dem hohen, derselben Quelle zusteuernden Allgewaltigen die gebuhrliche Reverenz zu erweisen. Zu seinen packendsten Einfallen zahlten zwei Kinder, wovon das dralle, breitspurig aufgepflanzte Madchen mit fest- geschlossenen Handen ihrem Gegenpart mit einer energischen Frage »Rechts oder Links* die Wahl lafit. Auch ein leichtfufiiger Fechtbruder, der auf der Walze bei einem Flickschuster vorspricht, zu spat aber an den Wandtrophaen, an Federhut und Sabel, den gestrengen Gemeindediener und rechtschaffenden Pfleger der Ordnung und Gerechtigkeit erkennt. Auch Bildnisse malte er friihzeitig, immer mit grofler Treffsicherheit und Ahnlichkeit; er »zeichnete mit der Farbe«, wie man damals uberhaupt den »alten Herren« nachsagen konnte. Die deutschen Kriegsjahre boten erwunschte Gelegenheit zu patrio- tischen Kriegerszenen mit braven Soldaten und schonen Krankenpflegerinnen; ebenso betatigte unser Maler bei Turnerfest-Zeitungen mit allerliebsten »Kraft- proben* seinen immer bereitwilligen Humor. Eine »Gewichts- und Brotvisi- tation« (Gartenlaube 1873 S. 124 und 125) ergab gleichen Anlafi, ebenso ein vDienstbotenbureau« oder ein »Rache ist siifi« betitelter, die Uniform seines Vorgesetzten tiichtig durchklopfender Offiziersbursche. H. photographierte nicht allein eine Menge Modelle, er arbeitete auch und experimentierte mit Ver- besserungen dieser Technik; er konstruierte einen Apparat mit Momentver- schlufi; photographierte zu einer Zeit, wo noch niemand dergleichen wagte, einen Taubenflug und einen Blitzzug. Vergebens suchte er seine Verbesse- rungen in Paris und London zu verkaufen, vergeblich nahm er ein deutsches

g6 Hirschfelder. Hofelich.

Patent. Umsonst er drang nirgends durch. Auch das Problem loste er, drei verschiedene Einstellungen auf einer Platte zu realisieren. Die meisten seiner Platten uberliefi er dem Kunsthandler Ferdinand Finsterlin. AuBer- ordentlich musikalisch, gehdrte es zu seinen stillen Freuden, alle Instmmente zu spielen, voraus die Geige, und zwar mit hinreifiendem Feuer und zartester Empfindung. Als er sein Ende fiihlte, liefi er den ganzen Inhalt seines Ateliers, fertige Bilder, Skizzen, Zeichnungen, den ganzen Schatz seiner artistischen Habseligkeiten am 29. April 1903 durch Carl Maurer versteigern und begab sich darauf in das israelitische Gemeindehaus, wo er, zeitlebens ein strenggl&ubiger Bekenner, wenige Tage darauf aus dem Leben schied. »Seinen ganzen Lebensinhalt bildete die Kunst, eine Kunst, die unter Tranen lachelt; sie bildete das Gegengewicht zu seinen Leiden und Entbehrungen in ihr fand er Trost, Frieden und reichen Segen.«

Vgl. Fr. von B5tticber 1895 h 543- Singer 1896 III, 182 fcZeilen!) Nekrolog in Nr. 131 »Allg. Ztg.« 12. Mai 1903. Hyac. Holland.

Hofelich, Ludwig, Xylograph und Landschaftsmaler, * 30. Oktober 1842 in Leipzig, f 12. Januar 1903 zu Munchen. Die Armut seiner Eltern notigte H., trotz aller Vorliebe zur Malerei, in der Holzschnittkunst, die er bei Joh. Gottfried Flegel (* 1815, f 1881) erlernte, eine sichere Erwerbsquelle zu suchen. In dieser Technik von i86o-«-i864 in Petersburg auflerordentlich tatig, studierte er nach Moglichkeit in der Eremitage an alten Meistern mit einem seine Gesundheit bedjohenden Feuereifer. Auch im figiirlichen Fache suchte H. seine Ausbildung 1867 in Berlin, Dresden und Leipzig zu erreichen. Abermals krank, wendete sich H. nach der siiddeutschen Alpenwelt, deren Schonheit ihm neue Anregung und erwunschte Heilung bot. Seit 1868 in Munchen ansassig, durchzog er, unausgesetzt Studien sammelnd, das ganze Hochland und die Schweiz. Daraus holte er seine hochpoetischen Wald- landschaften, hier erquickte er sich an Flufiufern und SeegelSnden, an traumerischen Weihern ujid Schilfwassern; ihre wechselnden Stimmungen zu beobachten und nachzubilden, konnte er nie ermiiden, zum weiteren Ausdruck am liebsten die Tierstaffage verwendend. Verlassenen, einsamen Gegenden, verschutteten Gebirgsstrafien folgte er nach, die Waldstille lehrte ihm ihren Zauber. Gleiche Intention fiihrte ihn nach seiner norddeutschen Heimat und gab ihm das Geleite an den oberitalischen Seen und in Torbole, am Starn- berger See und dem lieblich ernsten Bernried. Zuletzt brachte er noch ein Herbstmotiv aus dem Englischen Garten und von der Isariiberschwemmung bei Ismaning; beide erschienen auf der Kunstausstellung im Glaspalast 1903, dazu sein Selbstbildnis: im Arbeitskleid, das Pfeifchen im Mund, ruhig, ernst, mit stillen Augen auf den Beschauer blickend. Der griine Ehrenkranz mit der Trauerschleife zeigte, dafi der Maler schon unter der Erde ruhte. Eine verhaltnismaflig leichte Erkrankung schlofi unerwartet dieses tatige Schaffen, welchem die Mitwelt nicht nach vollem Verdienst entgegenkam.

Im November 1903 erschienen im Miinchener Kunstverein an dreihundert Blatter mit Studien, Skizzen und Zeichnungen aus H.s Nachlafi, der dankbare Kaufer fand.

Vgl. Fr. von Bfitticher 1895 1> 54^. Singer 1896 II, 189. Das geistige Deutsch- land 1898 S. 314 (Autobiographic) und Kunstvereinsbericht fUr 1903 S. 70 (von Alfred Niedermann). Hyac. Holland.

Ktfppen. Mayer. 07

Kdppen, Theodor, Historienmaler, * 27. Juli 1828 zu Brake a. d. Weser (Oldenburg), f 3. M&rz 1903 in Nymphenburg (Munchen). Sohn eines Land- wirtes; erst Dekorationsmaler in Oldenburg, kam iiber Diisseldorf nach Miinchen an die unter Kaulbachs Direktion neu florierende Akademie. Die Mittel zu ernsteren Studien gewann K. durch geschickte Kopien nach alteren Meister- werken der Pinakothek, insbesondere der beriihmten Bettelknaben Murillos, die er, entgegen der damaligen Hausordnung, durch sehr einfache List, in der verpftnten Originalgrofie, mit wahrer Virtuositat anzufertigen verstand. Diese harmlosen Reveniien bildeten die solide Basis, um eigene Plane zu realisieren, wozu auch vielfache Portrats, darunter das treffliche Bildnis des Landschafts- malers Ernst Willers, erwiinschte Fftrderung boten. Dazu gehflrten die idealen Gebilde von »Nacht und Tag« (1861), welche spater mit »Morgen und Abend* (1867) einen Appendix erhielten. Dafi er sich auch an kilhne Probleme wagte, deren Realisierung eine grSflere Kraft erfordert hatte, zeugt von dem idealen Mute der damaligen Jugend. Hiezu zfthlt der schOn gezeichnete Karton »Der Mensch im Kampfe mit den Elementen* (1865), ein Stoff, welchen K. immer wieder vornahm, bis derselbe (1874) zu einem durch- gearbeiteten Olbilde reifte, welches um 6000 Gulden doch eines Kaufers sich erfreute. Auch eine Komposition mit »Hagen und die wilden Meer- maide« hatte ihn 1867 in Arispruch genommen, aber auch »Amoretten«, Friichte tragende italische Frauen, mit oder ohne Kinderbeigabe; italische Fischer und rudermachtige, hart vom Sturm bedraute Marinari\ ferner ein Sturm an felsiger Kuste mit umbrandetem Leuchtturm sch&ne Friichte einer siidlichen Studienreise, die sich vorwiegend mit landschaftlichen Ein- driicken befafite, welche dem Maler bei seinem »Von den Okeaniden be- klagten Prometheus « (1888) gut zustatten kamen. Das fiihrte ihn wieder auf die Antike zuriick mit einer »Antigone und Ismene« und »Antigone bei der Leiche des Polyneikes«, von da gab es mit Szenen zu »Romeo und Julia« und »Kdnig Lear« den Obergang zu Shakespeare.

Die Mehrzahl seiner Bilder kam mit einer »Abundantia« nach England und Amerika, einige erwarb die Galerie zu Oldenburg. Ein dekorativer Zyklus fur einen Konzertsaal gelangte nach Edinburg. K. versah auch die Stelle eines Lehrers bei der Prinzefi Ludwig Ferdinand.

Vgl. Fr. v. B5tticher 1895 I, 743. Singer 1896 I, 372. Kunstvereinsbericht 1903 S. 72. Hyac. Holland.

Mayer, Friedrich Carl, Architekturmaler, Groflherz. Weimarischer Hofrat, * 3. Januar 1824 in T6lz, f 24. Januar 1903 zu Munchen. M., Sohn des damaligen Rentbeamten Eduard Mayer, wurde zum Studium und zur Beamten- laufbahn bestimmt, fiihlte sich aber nach dem Vorbilde seines Urahns, eines wackeren Augsburger Bauherrn, unwiderstehlich zur Architektur hingezogen; besuchte denn auch mit der Versetzung seines Vaters nach Augsburg (woselbst derselbe spater im Ruhestand, 1855 und 1856, sehr hiibsche, auf gediegenen Studien beruhende »Skizzen« aus der dortigen Stadtgeschichte verfafite) die dortige Kreisgewerbe- und PolytechnischeSchule, dann die Miinchener Akademie, wo er sich unter Eduard Metzger, Voit u. a. (1844 48) ganz der Baukunst und den damit verbundenen praktischen Ubungen widmete. In Niimberg betatigte sich M. zuerst als Heideloffs Assistent am Polytechnikum (1849) und als

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 7

98 Mayer.

Maler, wozu er auf steten Studienfahrten am Rhein und in Belgien ein herr- liches Material gesammelt hatte. So entstanden die anziehenden, nach Krelings geistreichem Vorgang, mit altertiimlichen Staffagen belebten Olbilder aus dem »Kreuzgang von Schulpforta«, dem »Inneren der Stiftskirche zu Gemrode* (1848), eine »Partie aus dem Kreuzgang des Mainzer Domes* (1849). Gerechtes Aufsehen machte das grofie Gemalde (1850) wie »Adam Krafft sein Sakramentenh&uslein dem Biirgermeister von Imhoff iibergibt* (Stahlstich von Hablitschek). Gleiche Teilnahme erhielt das Innere der Sebaldkirche mit dem Sebald-Denkmal nach dem urspriinglichen (in Wirklich- keit leider nur halb ausgefuhrten) Entwurfe eines seither noch unbenannten Meisters. Der Maler staffierte sein Bild mit dem freilich unhistorischen, aber sehr naheliegenden Vorgang: wie Peter Vischer das Denkmal dem Kaiser Maximilian erklart, der mit Veit Stofi, Wolgemut, Diirer und vielen anderen zum Beschauen dieses Gufiwerkes gekommen ist. Das grofie Bild erschien zuerst 1851 auf der Munchener Kunstausstellung, bestand hier die gef&hrliche Konkurrenz mit Ainmillers exzellenten »Ansichten aus der Westminsterabtei* und erhielt trotz diesen beiden Rivalen allgemeinen Beifall (vgl. Beilage 224 »Neue Munchener Ztg.« 20. September 1851). Daran reihte sich 1852 eine Ansicht des »Nurnberger Marktplatzes mit-der Frauenkirche und dem sch5nen Brunnen« belebt durch die festliche Einfiihrung der Reichskleinodien 1422. Ferner die sogenannte »Brautture bei S. Sebald«, eine Partie aus der Michaels- kirche zu Hildesheim, das Kabinettstiick einer mittelalterlichen »Fabrica« mit dem beriihmten Erzbildner Bernward von Hildesheim (1854), ein Kirchenfest mit dem Motiv aus dem Augsburger Dom. Schon damals exzellierte M. durch die verstandnisinnige optische Konstruktion, jeder Pinselstrich war richtig gedacht und haarscharf an seine Stelle gesetzt, ohne dafl dadurch die Gesamt- haltung in Form und Farbe litt. Als gewissenhafter Techniker und Lehrer bewahrte sich M. 1855 65 an der Kreisgewerbeschule: als solcher schnitt er alle architektonischen Stilarten, z. B. die Konstruktion des maurischen Tropf- steingewolbes, in Holz, wie er iiberhaupt Modelle jeder Art, sogar Miniatur- backsteine, formen liefi. Wie der Maler neben seiner ausgedehnten Lehrtatig- keit, neben der Unzahl von Entwurfen und Werkzeichnungen fUr Hausgerate, Glasfenster, Tapeten und Teppichmuster, Gefafle, Metall-und Elfenbeinarbeiten, sowie ganzer Wohnungseinrichtungen in alien Stilarten und Geschmacks- richtungen fruherer Zeiten und Generationen, wie M. zu immer neuen und so liebe- und stimmungsvoll durchgefuhrten eigenen Bildern noch Zeit finden konnte, war nur seinem eisernen, andauernden Fleifle mOglich. So entstanden inzwischen kleine architektonische Epigramme seiner Kunst, indem er den alten Patrizier- und Burgerhausern der Bibra und Preller ihre malerischen Ge- heimnisse und poetischen Winkel ablauschte und zur erfreulichen weiteren Kenntnis brachte (1861). Gleich anziehende Motive sammelte er aus dem Dom in Magdeburg (1862), aus dem Rathaus zu Braunschweig (1863), aus den Furstenzimmern in Augsburg (1868). Im Jahre 1865 folgte M. einer ehrenvollen Berufung als Professor an die Kunstschule nach Weimar, unter Fortsetzung der gleichen Tatigkeit. Hatte er friiher schon die Restauration der hi. Kreuzkirche zu St. Johann bei Wurzburg und den Bau des sogenannten roten Turmes in Oberwesel (1864 66) gefiihrt, so leitete M. die gesamte Ausstattung eines Thuringer Schlosses und des Palais fiir den Herzog Moritz

Mayer. Steub. gg

von Sachsen-Altenburg. Dann kehrte der mit Ehren und Orden vielfach aus- gezeichnete Kunstler 1875 nach Niirnberg zuriick, welches er 1889 mit Munchen vertauschte, wo er sich ein neues, gleich gemiitliches Heim schuf und mit unermtidlichem Eifer, trotz seines durch gluckliche Operation 1897 gehobenen Augenleidens, der geliebten Kunst oblag. Seine Bilder gingen ebenso wie die liebenswiirdigen Genrestiicke des mit M. vielfach geistverwandten Anton Seitz (vgl. Biogr. Jahrb. V) weit in die Welt. Stoffe hatte er fur mehr als eine Lebenszeit eingeheimst. Er arbeitete wie ein SchatzgrSber, der verborgene Kleinode der Vergessenheit entreifit und in das rechte Licht bringt. Eine Auswahl dieser seiner »architektonischen Novellen« erschien in ihrer Weise auch h la Claude Lorrain, eine Art »Libcr vcritatis* in einem mit photographischen Reproduktionen reich ausgestatteten Album (in Furth bei Schildknecht) und mit neuen Aufnahmen eine zweite Kollektion bei Joh. NShring in Ltibeck. Damit ist aber sein Lebenswerk noch immer nicht erschdpfend gezeichnet. In seiner Wohnung hing Bild an Bild, eine ganze Galerie von Zeitgenossen, deren Werke er durch Tausch, Kauf und Geschenk erhalten,darunter aber auch eine erklecklicheZahl eigener Schopfungen. Bewundernswert blieb die Sch&rfe seiner Beobachtung und die Sicherheit der Hand, das reizende, bis ins kleinste gehende, in liebevollster Weise durchgebildete Detail, darunter z. B. die Gitter und die subtilen Dekorationen mit Waff en und Wappenschildern an den WSnden (Ulm) und dabei doch die das Ganze beherrschende einheitliche Wirkung, Haltung und Stimmung. Ebenso originell war seine Sammlung von eigenhSndigen Modellen. So hatte M. die Kopie eines »Ordinari-Flosses« aus der Erinnerung gefertigt, wie dergleichen noch vor einem halben S&kulum von Tolz nach Wien gingen mit allem Bei- werk, mit der Kochhiitte darauf, deren Insassen und der iibrigen Ladung von Bier- und GipsfHssern, Kohlen usw. Ebenso ein die Donau und den Inn aufwarts d. h. »bergfahrendes« von schweren Pferden gezogenes Fracht- schiff (ahnliche Szenen malte ja auch Ludwig Hartmann, vgl. Biogr. Jahrb. VII); dazu die wahrhafte Nachbildung eines alten echten Wirtschafts- und Bauern- hauses aus Lenggries oder Jachenau. Aus Platzmangel hing dergleichen mit anderen plastischen Reproduktionen alter, mit GetreidesScken belasteter Schrannenwagen, von Bierfuhrwerken und anderen zur Kunde des altbayerischen Volkslebens hdchst wertvollen Inventarstiicken, durch eigens konstruierte Auf- ziige mittelst Schniirwerk dem Augenschein schnell vermittelbar, von den Plafonds seiner mit Seltsamkeiten aller Art geschmuckten und iiberladenen Zimmer herab. M. war seit 1855 mit der Tochter eines kunstliebenden Nurnberger Kaufherrn verheiratet. Sein treffliches Bildnis hat Kuppelmayer 1894 gemalt.

Vgl. Naumann, Archiv f. zeichnende Kttnste 1870. Westermayer, Chronik von Ttflz, 1871, S. 182. Regnet in Nr. 11 von Schaslers >Deutsch. Kunst-Ztg.c 1873. Friedrich, Xftrnbergs Meister der Gegenwart, 1876. Fr. von B5tticher, 1895 H* 9^o« Nekrolog in Nr. 26 »Allg. Zeitg.« 1903. Kunstvereinsbericht 1903, S. 72.

Hyac. Holland.

Steub, Fritz, Charakterzeichner und Karikaturist, * 11. November 1844 zu Lindau, f 5. August 1903 zu Partenkirchen. Als der Sohn eines be- habigen Kaufmanns besuchte St. die Volksschule seiner Heimat, kam dann zu seinem Groflvater, dem Universititsstiftungs-Administrator St. (Vater des

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Kulturhistorikers und Humoristen Dr. Ludwig St.), nach Munchen, wo er die Gewerbeschule absolvierte und um sich dem Maschinenbaufach zu widmen, das Polytechnikum in Karlsruhe auf zwei Jahre bezog. Ausgezeichnet mit einetn glanzenden Wissen und empfehlenden Zeugnissen fiihrte ihn, als er gerade daran war zu Munchen in die praktische Laufbahn einzutreten, sein guter Stern zu dem Maler und Xylographen Kaspar Braun, dem Begriinder der »Fliegenden Blatter«, der sich seiner in vaterlicher Weise annahm und ihn fur die artistische Laufbahn gewann. Die Akademie wird St. wohl schwerlich oder nur kurze Zeit besucht haben, obwohl er bei Professor Joh. Leonhard Raab als Zeichner, Radierer und Kupferstecher eintrat, wo eine Brustfellentziindung die Lehrzeit nur zu bald unterbrach. Dann warf sich St. auf die Xylographie, nahm seine Beschaftigung als Zeichner neuerdings auf und lieferte eine Reihe schnurriger Einfalle (darunter auch mit der Kon- struktion neuer unmoglicher Zukunftsmaschinen) fiir die »Fliegenden Blatter « und eine stattliche, allm&hlich uber 70 Nummern zahlende Folge fiir die lustigen »Munchener Bilderbogen«, alles fiir den weltbekannten Verlag von Braun und Schneider, der seit 1864 dieser willkommenen Kraft geme seine Spalten zu st&ndiger Mitarbeiterschaft offnete. Im Jahre 1872 schlofi St. eine Ehe mit Elise Braun, einer vielbegabten Tochter seines bisherigen Freundes und Prinzipals. Vorubergehend gab St. seine kOstlichen Einf&lle auch in anderen illustrierten Zeitschriften, z. B. in »Ober Land und Meer« (darunter ein Blatt mit uber ein Halbhundert der putzigsten Figiirchen aus dem Sommerfrischentreiben, Botanischen Charakterkopfen usw.) und Schorers »Familienblatt« (Die »Artistenhochzeit« in Nr. 6 des Jahrgang 1890), wie er auch M. Reymonds kftstliche Unica »Das Laienbrevier des H£ckelianismus«, dessen »Exodus des Menschengeschlechts aus Lemurien* (in drei vielaufgelegten Ausgaben nebst der Farge »An Bord des Julius Verne« (Bern 1878 bei George Frobeen u. Comp.) einer humoristisch-satirischen Weltumsegelungsnovelle, mit seinen neckifcchen, kongenialen Einfallen begleitete. Auch illustrierte St. eine Ausgabe des Don Quixote. Ein eigenes Biichlein mit tollen Scherzen und Schw&iken »Firlefanz« (zuerst 1874) und das possierliche Opus »Leben und Taten des Herkules« mit Versen des Herrn von Mieris (Franz Bonn) erhielt, gleichfalls bei Braun und Schneider, seinen entsprechenden Bilderschatz. Ein anderes, in Bild und Wort sich deckendes, damals epochemachendes und ganz zeitgematJes, nun leider aus dem Buchhandel verschwundenes Opus trug den Titel »Der deutsch-franzdsische Krieg. Eine romantische Tragddie in fiinf Aufziigen« (Munchen 187 1, Braun und Schneider, 40); dasselbe bestand in einer geistreichen, wSrtlichen, von keinem geringeren als Herrn von Possart getroffenen Auswahl aus Schillers »Jungfrau von Orleans*, welche St. mit 44 seiner hinreiflenden Bilderscherze illustriert hatte.

Was St.s Kunst betrifft, so begniigte er sich am liebsten mit der Dar- stellung von kleinen, oft nur fiinf Zentimeter hohen Charakterfiguren. Es sind der Mehrzahl nach kaum Einakter, wohl auch Duetten, bisweilen grSflere Gruppenbilder; wenn er sich ins turkische, persische oder indische Reich begab, auch langere Zyklen. Schon ist keine von ihnen, aber wild, gr&filich, turbulent und obwohl lacherliche Karikaturen, doch voll leicht erkennbarer schrecklicher Wahrheit. Sie waren eigentlich eine Zierde zu dem bekannten Buche von Rosenkranz »trber die Asthetik des Hafllichen«. Man sieht das

Steub. 10 1

Vorbild von Kaspar Brauns Lumpen, Herbert Konigs und Reinhardts Biihnen- kunstlem, Harburgers Geldprotzen und Bauern oder Spitzwegs Philistern. Sie alle aber hat St.s exzentrischer Humor weit iiberboten. Diese Strolche, Knoten, Fechtbrlider, Tagdiebe, Polizisten, Spieflbiirger, Hausierer, Eisen- bahner, Weinschmecker, Biertrinker, Bettler und Kommerzienrate, Hungerleider und VielfraBe, »zerstreute« Gelehrte, TragOden und Betteldichter, Kritiker, Schuhputzer und andere Bedientenseelen, Spitzbuben, R&uber und Doktoren aller Fakultaten, b5se Weiber und Giftschlangen, klatschlustige, politische Seifensieder, diese eingebildeten Kranken, die kochlOffelhandhabenden Zofen, Frauen und Kiichentrabanten, Amtsleute, F6rster, Nachtwachter, ulkende Studenten, Steuereinnehmer, Photographen, Anwalte und Verteidiger, das landplagende Heer der sogenannten »Kunstler«, Feuerfresser, Magier und »Professoren« jeden Kalibers: alle diese numerisch kolossalen Typen hielt St.s markante Figur fest mit sicheren Strichen und zielbewuflter Wirkung in seiner Weise eine so originelle Erscheinung wie Oberiander, Busch, Bechstein, Spitzer, die teilweise in Daniel Nikolaus Chodowiecki und Jacques Callot ihre Vorganger hatten.

St. war ein aufierst stiller, aber scharfsehender unermiidlicher Beobachter, ein wohlwollender, wortkarger und doch liebenswiirdiger Kauz. In seiner Jugend leuchtete aus seinem Antlitz eine madchenhafte SchOnheit, wie aus Fra Angelicos Engelsk&pfchen, auch spater behielt sein immer ernster Ausdruck einen jugendlichen Grundton, uber welchen nur die fliichtige Spur eines Witzes zuckte, wahrend sein Stift die tollsten Dinge zu Papier brachte. Er tat sich indessen nie genug, anderte unzahlige Male, bis er den gewiinschten zutreffenden Ausdruck fand. Ganze Bogen fullte er mit ein und denselben Kopfen und Figuren, immer bessernd und mit jedem Strich ringend, gerade so. wie Heinrich Heine unermiidlich an seinen Liedern besserte und glattete. St. besafi einen Schatz von Wissen aus den verschiedensten Fachern, trug sich mit Verbesserungen von photographischen Apparaten, experimentierte tage- und wochenlang in seiner Dunkelkammer, weshalb er wahrend seines Aufenthaltes zu Furstenfeldbruck sogar einmal den Verdacht der heiligen Hermandad erregte ein den Kiinstler hochst belustigender Kasus, welcher mit der photographischen Aufnahme des zur Untersuchung abgeordneten Polizeisoldaten endete, dessen unverkennbares Konterfei alsbald die »Fliegenden Blotter* verewigten. Mit alien Ergebnissen der neuesten reproduzierenden Kunsttechnik und Forschung war er vertraut und verfiigte iiber eine viel- seitige Bildung und Belesenheit. Er hielt franzosische, englische und ameri- kanische Zeitungen, freute sich an alien Fortschritten des Reproduktions- verfahrens. Er hatte einen weiteren Blick als andere seiner Kunstgenossen : St. ehrte die Antike, ebenso die grofien Meister wie Diirer und Cornelius, Schwind, Richter, Rethel und Preller sie standen ihm nicht im Wege, ubten aber auch keinen Einflufi und beirrten ihn nicht, da er an seiner Natur, wenn auch nicht im Sinne jenes stolzen •afur/i1 to sono pittorc*, festhielt und auf selbsteigenen Fufisteigen weiterging. St. liebte es auf eigenem Grund und Boden zu sitzen, wechselte aber gern seinen Aufenthalt: bald baute er in Schwabing, in Bruck oder Starnberg ein echt kunstlerisches Tuskulum, um selbes, veranderungsbediirftig, wieder mit der Stadt zu vertauschen. Neidlos anerkannte er alle Bestrebungen seiner mitarbeitenden Zeitgenossen, ohne

1 02 Steub. Kast.

gerade von koloristischer Einseitigkeit und symbolistischen Spielereien entziickt zu sein. All das seltsame Getier und Edelwild, welches im deutschen Kunst- revier neuestens sein Wesen trieb, worauf ja auch die »Fliegenden« bisweilen ein lustiges Halloh anstimmten, machte ihm Freude. Der Schalk pflegte die Kunst des Lachens; gramliche Argerlichkeiten kannte er nicht. Aber der Mann, welcher gewifi Hunderttausende von Menschen zu Frohsinn, Heiterkeit und zum gesundesten Lachen hinrifi und dadurch als echter Humorist zu ihremphysischen Wohlsein wesentlich beitrug, machte nur selten von seinem Namen Gebrauch. Die Wenigsten wuflten denselben; ein Monogramm gebrauchte er nicht, hOchst selten setzte er einen nicht immer gut leserlichen Zug oder Hausbuchstaben dazu. Seine Freunde kannten ja jeden Strich seiner originellen Hand auf den ersten Blick. Und das war ihm genug. Dafur fehlt sein Name fast in alien Kompendien. Das schone Kunstlerschaffen wurde schliefllich getriibt: Im Jahre 1900 starb nach langen, schweren Leiden seine Frau. Von da an war seine Gesundheit erschlittert. Nun wird ihm auch die langst verdiente Anerkennung zuteil werden.

Nach seinem Tode brachten die »Fliegenden«, gleichsam als *Memoires d'outre tombc« in Nr. 3054 und 3056 noch zwei lacherliche Proben seines Humors, einen moralisierenden Schnapphahn und eine kniitteldicke Bauern- schlagerei als Studienobjekt fiir einen reisenden Malerl In der Friihjahrs- sezessionsausstellung 1904 erschienen zehn Rahmen mit Feder- und Bleistift- zeichnungen aus verschiedenen Jahren, kflstliche SSchelchen und Blattchen, im Besitze von Braun und Schneider und der Maler Lipps und Thiem in Starnberg.

Vgl. Kutschmann, Geschichte der deutschen Illustration 1900, S. 306 u. Morgenbl. 218 der »Allg. Ztg.«, 8. August 1903. Hyac. Holland.

Kast, Alfred, ordentlicher Professor der inneren Medizin in Breslau, * 25. Juli 1856 zu Illenau bei Achern in Baden, f 7. Januar 1903 in Nizza. K. war der Sohn eines Irrenarztes, spateren Bezirksarztes und Medizinalrats in Freiburg, studierte in Freiburg, Heidelberg und Leipzig, hauptsachlich als Schuler von Erb, Baumler und Cohnheim, erlangte 1879 die Doktorwurde, habilitierte sich 1883 in Freiburg, wurde dort 1886 Prof. e. o., 1888 Direktor des allgemeinen Krankenhauses in Hamburg und folgte 1892 einem Ruf in die oben zuerst erwShnte Stellung nach Breslau. K. hat sich durch Ein- fiihrung des Sulfonals als Schlafmittel in die arztliche Therapie ein unaus- lOschliches Andenken gesichert. Seine weiteren wissenschaftlichen Arbeiten bewegen sich ebenfalls auf dem Gebiet der physiologischen Chemie. Unter anderem veroffentlichte er Untersuchungen uber die aromatischen Faulnis- produkte im menschlichen Harn, uber das Schicksal der organischen Chlor- verbindungen im menschlichen Organismus, uber Chlorausscheidung und Ge- samtstoffwechsel. Ferner ist K, Verfasser von Arbeiten zur Lehre von den Nervenkrankheiten, wie von Studien liber cerebrale Kinderlahmung, prim&re degenerative Neuritis, sogenannte subakute Ataxic, Paraplegien, traumatische Neurose, und zur Lehre von den inneren Krankheiten: Leukamie, arzneiliche Fieberbehandlung, Fieber bei Krebskranken u. a. m.

Vgl. die in Virchows Jahresbericht von 1903 I S. 416 genannten Quellen.

Pagel.

von Liebig. IO3

Liebig, Georg Freiherr von, * 17. Februar 1827 zu Giefien, f 31. De- zember 1903 in Miinchen. L. war der Sohn des weltberiihmten Chemikers Justus v. Liebig. Er studierte in Gieflen und in Berlin, promovierte in Giefien 1853, machte bald darauf eine zweite Priifung in London beim Coll. of Surg., trat in den Dienst der englisch-ostindischen Kompagnie in Bombay 1853 und wurde, nach dreij&hriger Dienstzeit mit englischen und indischen Truppen, 1856 nach Kalkutta als Professor der Naturgeschichte am Hindu- College berufen. Er kehrte 1858 nach Europa zuriick, wurde nach kurzem Aufenthalte in Berlin, um besonders die neueren Fortschritte in der Gyna- kologie kennen zu lernen, 1859 Bezirks- und Salinenarzt in Reichenhall, blieb in dieser Stellung 15 Jahre lang und gab sie 1873 auf. Er bewohnte seitdem Reichenhall nur w£hrend der Sommermonate, zur Ausiibung der Praxis, und lebte im Winter in Miinchen, wo er sich 1877 fur Klimatologie und Balneo- logie habilitierte. Die Titel seiner wichtigsten literarischen Arbeiten sind: »0ber die Respiration der Muskeln« (Muellers Archiv 1851) »t)ber die Temperaturunterschiede des venOsen und arteriellen Blutes« (Jnaug.-Diss., Giefien 1853). Aus Indien machte er iiber eine kleine Choleraepidemie (Arch. f. gemeinniitz. Arbeiten) eine kurze Mitteilung, verOffentlichte zwei meteorologische Arbeiten im Journ, of the Asiat Society in Kalkutta, fiber die Bahn eines Wirbelsturmes und Abzug des Wasserdampfes von der Barometerhohe, den er als ungerechtfertigt nachwies. Dber die klimatischen Eigentfimlichkeiten, die Kurmittel von Reichenhall und deren Wirkung ver- offentlichte er Arbeiten im Bayerischen arztlichen Intelligenzblatt, der Wiener med. Wochenschrift, der Deutschen Klinik und der peutschen med. Wochen- schrift, zusammengefafit in der Badeschrift: »Reichenhall, sein Klima und seine Heilmittel« (5. Aufl. Reichenhall 1883), darunter: »Beobachtungen fiber Puis- und KOrpertemperatur im lauen Bade« (Arztl. Intelligenzbl. 1878). Nach Errichtung einer pneumatischen Kammer ffir die Anwendung des erhfthten Luftdruckes in Reichenhall 1866 publizierte er: »Untersuchungen fiber die Ventilation und Erwarmung der pneumatischen Kammern usw.« (Mfinchen 1869) »Ober das Atmen unter erhahtem Luftdrucke« (Zeitschr. f. Biol. 1869) »Die Sauerstoffaufnahme unter erhfthtem und gewdhnlichem Luft- drucke« (Pflfigers Archiv 1875) »Ein Apparat zur Erklarung der Wirkung des Luftdruckes auf die Atmung« (Du Bois-Reymonds Archiv 1879) usw. Es folgten noch in Du Bois-Reymonds Archiv zwei Untersuchungen fiber »Die Puls- kurve« (1882, 1883) und »Die Veranderung der Pulskurve in der pneumati- schen Kammer* (Deutsche med. Wochenschr. 1884) « Wirkung der saugenden Spannung im Pleuraraume auf die Zirkulation« (Sitzungsber. der Ges. f. Morphol. und Physiol., Mfinchen 1885) und »Die Wirkung des Luftdruckes auf die Zirkulation« (Du Bois-Reymonds Archiv 1888). Es folgten ferner eine Anzahl von Arbeiten fiber Beobachtungen unter dem erhohten und dem verminderten Luftdruck bezfiglich der Atmung, Muskelkraft, Blutdruck, Puis, meist in den Sitzungsber. d. Ges. f. Morphol. und Physiol, in Mfinchen, welche zum Teil zu einer Arbeit fiber die »Bergkrankheit« Veranlassung gaben (Deutsche Vierteljahresschr. f. offentl. Gesundheitspfl. XXVIII, 1896) und 1898 in einem Buche »Der Luftdruck in den pneumatischen Kammern und auf H6hen« zusammengefafit wurden. Aufier Zusammenhang mit den seither erwahnten Arbeiten stehen: »Gewichtsbestimmungen der Organe des

104 von Lieb*£* Pflttger. Saenger.

menschlichen K6rpers« (Reicherts und Du Bois-Reymonds Archiv 1874) »Zur Beurteilung der Revakzination« (Deutsche Klinik 1873) »Die NShr- salze und die Molke« (Vortr. Balneol. Vers., Berlin i88i;~Wiener med. Blatter 1 881). Dazu zahlreiche andere Arbeiten und Aufs&tze teils in den bereits genannten Zeitschrif ten , teils in der Berl. klin. Wochenschr. und in dem Deutschen Archiv f. klin. Med.

Vgl. Virchows Jahrcsbcricht von 1903 IS. 418. Pagel.

Pfluger, Ernst, Professor der Augenheilkunde an der Universitat Bern, * 1. Juli 1846 zu Biiren a. d. Aare, Kanton Bern, f 30. September 1903 in Bern. P. studierte in Bern, promovierte 1870, bildete sich in seinem Spezialfach in Utrecht und Wien unter Donders und Arlt, habilitierte sich in Bern, war von 1876 1879 aufierordentlicher und seitdem ordentlicher Professor der Augenheilkunde in Bern. Er war Verf. einer Reihe von Einzel- abhandlungen, die meist im Archiv fur Ophthalmologic, in den Berichten iiber die Augenklinik in Bern und im Schweizer arztlichen Korrespondenz- blatt verdffentlicht sind. Selbstandig erschienen u. a. »Tafeln zur Bestimmung der Farbenblindheit« und »Sehproben«. Daneben hat P. noch eine popular- wissenschaftliche Abhandlung iiber Kurzsichtigkeit und Erziehung verfafit.

Vgl. die in Virchows Jahresbericht von 1903 I 421 genannten Quellen. Pagel.

Saenger, Max, ordentlicher Professor der Geburtshilfe und Gynakologie an der deutschen Universitat in Prag, * 14. Marz 1853 zu Baireuth, f 12. Januar 1903 in Bubentsch bei Prag nach langerer Krankheit. S. studierte seit 187 1 in Wiirzburg und Leipzig, approbiert und promoviert 1876 (»Die Mechanik der Broncho- und Pneumorrhagien bei Tuberculosis pulmonum*), war bis 1878 Assistent am pathologischen Institut, sowie an der medizinischen Poliklinik unter E. L. Wagner, wo er auch durch den bekannten Erfinder der »polaren Elektrisation«, der damals an der Poliklinik wirkte, Brenner, Anregung zur Beschaftigung mit Nervenkrankheiten empfing. 1878 1881 war S. Assistent an der Klinik von B. S. Cred6, habilitierte sich fur Geburts- hilfe und Gynakologie 1881 mit der Schrift: »Der Kaiserschnitt bei Uterus- fibromen nebst vergleichender Methodik der Sectio catsarea und Porro- Operation«, einer Arbeit, welche zusammen mit einer Reihe nachfolgender Publikationen durch Angabe von Verbesserungen der Operationstechnik, be- sonders der Uterusnaht, deren Geschichte ausfuhrlich gebracht wird, einen Umschwung zugunsten der konservativen Methode des Kaiserschnitts gegen- iiber der Porro-Operation bewirkte und den Weg fur eine haufigere Anwendung des Kaiserschnitts bei relativer Indikation zur Vermeidung der Kraniotomie und Embryotomie des lebenden Kindes bahnte. S. warf sich nun auf die moderne, operative Gynakologie, gestiitzt auf normale und pathologische Anatomie als wissenschaftliche Grundlagen. Er iibte bereits 1881 die grofiten gynakologischen Operationen aus, z. B. komplette, vaginale Totalexstirpation des Uterus (neben Thiersch als erster in Leipzig), schwierige Coeliotomien bei eitrigen Adnexerkrankungen usw. unter Asepsis und Antisepsis, deren Ausbildung er sich unausgesetzt widmete, mit Hilfe eigener Erfindungen und

Saenger. Schmid-Monnard. IO5

Verbesserungen. Sehr friih befaflte er sich mit der jetzt so sehr betonten mechanischen Desinfektion (Sanddesinfektion), die er nie zu uben aufhOrte und in der Prager Klinik (mit Schenk) in neue Bahnen lenkte. 1884 1887 war S. Operateur der gynakologischen Klinik in besonderer von Cred6 ihm anvertrauter Stellung. Anfangs in diirftigen Mietswohnungen in der von Leopold iibernommenen Privatklinik tatig, konnte er erst 1890 eine alien modernen Anforderungen entsprechend eingerichtete Frauenheilanstalt mit 25 Betten erSffnen, die erste nach dem Monnier-Rabitz-System mit Abrun- dungen der Wanddecken und Kanten ausgiebig durchgefiihrte Klinik, in der die Fufib&den der Operations- und Nebenraume aus unverwustlichem Xylolith hergestellt waren, mit zwei Laboratorien zu histologischen und bakteriologi- schen Arbeiten usw. 1883 griindete S. eine sehr frequentierte gynakologische Poliklinik, die einzige derartige in Deutschland, welche nur Studenten zu- ganglich war, wo jedoch in den Ferien Arztekurse stattfanden. Ende 1890 wurde S. Professor e. o., 1897 kgl. sSchs. Med.-Rat, 1899 als Professor ord. und Vorstand der geburtshilflich-gynakologischen Klinik nach Prag berufen. S. war 21 Jahre lang Mitglied der Gesellschaft fur Geburtshilfe in Leipzig, wiederholt deren Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender, spater deren 'Ehrenmitglied, aufierdem Mitglied bzw. Ehrenmitglied zahlreicher anderer gynakologischer und gelehrter Gesellschaften. Ein vollstandiges Verzeichnis von S.s Publikationen 1877 1899 umfaBt etwa 132 Nummern. Dieselben beziehen sich auf die verschiedensten Kapitel der Geburtshilfe und Gyn&kologie, Kaiserschnitt, Geschwulste, speziell Deciduoma, plastische Operationen, Retro- versio-flexio uteri, Atzbehandlung des Uterus, Adnexe, Tubenschwangerschaft, Carcinoma uteri, Hysterektomie, Operationen in der BauchhOhle, Harnorgane, Asepsis, aufierdem noch Reden, Nekrologe, feuilletonistische Aufsatze und sonstige Arbeiten nicht gynakologischen Inhalts. Die Titel der wichtigeren Arbeiten von S. sind in einer der unten angegebenen Quellen zusammen- gestellt.

Vgl. die in Virchows Jabresbericht von 1903 I S. 422 genannten Quellen und Page!, Biogr. Lex. hervorr. Arzte des XIX. Jahrh. S. 1460—64. Pagel.

Schmid-Monnard, Karl Alexander, verdienter Schulhygieniker und Arzt in Halle, * 11. August 1858 in Leipzig, f 10. November 1903 in Halle. Sch. studierte seit 1880 Zoologie in Wurzburg, promovierte 1883 zum Dr. phil. mit einer Arbeit iiber Histogenese der Knochen der Teleostier, hierauf ging er zum Studium der Medizin iiber, das er in Giefien und Kiel erledigte, erlangte 1887 die Srztliche Approbation, iibernahm die Stellung als Assistent an der chirurgischen Privatklinik von Neuber in Kiel, siedelte 1888 nach Halle iiber, wo er seine Habilitation als Privatdozent vorbereitete und kurz vor Beendigung der beziiglichen Schrift starb. Sch. hat sich durch eine grdfiere Reihe wichtiger Veniffentlichungen um die Forderung schulhygieni- scher Bestrebungen wohlverdient gemacht. Seine schriftstellerischen Leistungen und Arbeiten auf diesem und anderen Gebieten der Medizin sind in den von der unten angegebenen Quelle genannten Nekrologen verzeichnet.

Vgl. Virchows Jahresbericht von 1903 I S. 423.

Page].

106 Steudel. Sch&ffle.

Steudel, Wilhelm, Arzt und Sanit&tsrat in Stuttgart, * 4. April 1829 in Oberurbach, Oberamt Schorndorf, f 23. Juli 1903 in Stuttgart. S. erhielt seine Erziehung im Hause seines Verwandten, des Dichters Ludwig Uhland, der ihn im Alter von fiinf Jahren an Kindesstatt aufnahm, studierte seit 1848 Medizin in Tubingen, hauptsachlich als Schiiler von Griesinger und Viktor Bruns, erhielt 1853 seine Approbation als Arzt; erlangte die Doktorwurde 1854, besuchte behufs weiterer Ausbildung Wien und Paris, wurde 1855 Oberamtswundarzt in Boblingen, 1862 Distriktsarzt in Kochendorf, war seit 1869 Stadtdirektionsarzt in Stuttgart und zog sich 1899 ins Privatleben zuriick. S. hat sich urn die Pflege und Forderung der arztlichen Standes- angelegenheiten durch Wort und Schrift ein grofles Verdienst erworben. Er begriindete den Stuttgarter Arzteverein, dessen Vorsitzender er 1880 wurde und war seit 1888 Vorsitzender des Bezirksvereins. Obrigens bekleidete S. eine Zeitlang das Amt als Examinator der Geburtshilfe in Stuttgart. Er war ein tiichtiger und beliebter Arzt, auflerdem ein hervorragender Schmetterlings- kenner.

Vgl. die in Virchows Jahresbericht von 1903 S. 424 angegebene Quelle.

Pagel.

Schaffle, Albert Eberhard Friedrich, volkswirtschaftlicher und sozial- wissenschaftlicher Gelehrter, Schriftsteller, Universitatsprofessor, auch k. k. Minister, * 24. Februar 1831 zu Niirtingen im Konigreich Wurttemberg, f 25. De- zember 1903 in Stuttgart. Sch.s Vater war Lehrer an der Nurtinger Real- schule; er bestimmte den friihzeitig aufgeweckten und strebsamen Sohn zur theologischen Laufbahn. Im niederen Seminar zu SchGnthal (1844 1848) eignete sich dieser eine griindliche klassische Bildung an, zeigte aber schon damals vorwiegende Neigung fur realistische Facher, fur Mathematik, Geschichte und Geographic Im Herbst 1848 trat er in das Tubinger Stift, wo zunaehst das Studium der Philosophie an die Reihe kam, das aber schon nach sieben Monaten durch die Revolution unterbrochen wurde. Man hat in der Rich- tung, die spater Sch.s sozialwissenschaftliche Studien nahmen, in dem syste- matischen Zug seines Denkens, in der Durchfiihrung des Evolutionsprinzips, in seiner Vielseitigkeit und in seiner formalistischen Dialektik denEinfluBderHegel- schen Philosophie erkennen wollen. Tatsachlich hat ihn das philosophische Studium als solches wenig angezogen, und die allerdings unverkennbare spekulative Anlage in ihm ist spater mehr durch Lotze und Albert Lange befruchtet worden. Immerhin darf gesagt werden, dafl in seiner Tubinger Zeit die Hegelsche Philosophie dort noch eine Macht war, der sich gerade die Begab- teren schwer entzogen. Man sog Hegelschen Geist sozusagen mit der Luft ein. Den aufleren Zwang der Stiftseinrichtungen aber ertrug er unmutig, zum geistlichen Beruf verspurte er nicht die geringste Neigung, und es war we- niger die jugendliche Begeisterung fiir die Revolution, als vielmehr der Drang, lastige Fesseln abzustreifen und der ihm drohenden Bestimmung zu entgehen, was ihn im Juni 1849 bewog, dem Ruf der sogenannten Reichs- regierung zu folgen, als diese zur Unterstutzung des badischen Aufstandes aufforderte. Mit anderen Studiengenossen entwich er dem Stift und wagte es aufs Ungewisse hin, entschlossen, alle Folgen zu tragen. Die Erfahrungen des abenteuerlichen Freischarenzugs waren freilich beschamend. Die grofle

Scbaffle. 107

Masse des Freiheitsheeres war, wie er in seinen Denkwiirdigkeiten schreibt, »unsagbar gemeines Gesindel«, und die einzige Frucht, die er von dieser kurzen, fur die Tubinger Freischar unblutigen Episode davontrug, war »der unausldschliche Ekel an jeder Art der ziellosen und selbstischen Volksver- hetzung*. Sch. kehrte nach Tubingen zuriick, aber nicht ins Stift; mit der geistlichen Laufbahn hatte er endgultig gebrochen. Mittellos, wie er war, versuchte er es nun zuerst mit dem Lehrfach. Bald aber eroffnete sich dem Neunzehnjahrigen eine seinen Fahigkeiten und seinem inneren Drang weit angemessenere Aussicht: die Familie Elben in Stuttgart berief ihn auf den Rat des Tubinger Geschichtsprofessors Haug in die Redaktion des Schwa- bischen Merkur, der er nun ein voiles Jahrzehnt, 1850 1860, angehorte. Er hat seine Pflichten als Journalist mit grdflter Punktlichkeit erfullt, doch war er auch von Anfang an entschlossen, dafi dies nur ein Durchgangspunkt fur ihn sein sollte. Gereut haben ihn die journalistischen Lehrjahre niemals. Er war damit in eine Schule getreten, in der er Menschen und Dinge viel- seitig kennen lernen konnte, in der er genotigt war, seine Kenntnisse zu er- weitern, das jah abgebrochene Studium wieder aufzunehmen und zu erg&nzen. Und nun fand er auch das Feld, das ihm zum Lebensberuf wurde. Mit einer erstaunlichen Arbeitskraft warf er sich auf die verschiedenen Zweige des Staatsrechts und der Nationalokonomie. Die journalistische Tagesarbeit und das theoretische Studium erganzten sich gegenseitig. »Dafi ich das Gelernte eigentumlich gelernt habe, dafi theoretische und praktische, wissenschaftliche und geschaftliche Ausbildung in engste Wechselbeziehung traten, ist fiir meine Entwicklung giinstig, jedenfalls entscheidend geworden.« Nach wenigen Jahren hatte er sich in den Staatswissenschaften eine so umfassende Kenntnis erworben, dafi er, nachdem ihm ein nur zweimonatiger Urlaub bewilligt wor- den war, die hdhere Staatspriifung fiir den Dienst im Ministerium des Innern mit Glanz ablegen konnte. Stets war er stolz darauf, dafi er dies fertig gebracht hatte einzig durch Selbststudium, ohne eine akademische Fachvor- lesung gehort zu haben. Er begriindete jetzt einen eigenen Hausstand; durch die Staatspriifung sah er sich fiir die Zukunft dkonomisch gedeckt.

Wahrend er noch der Redaktion des »Schw&bischen Merkur« angehdrte, hatte er eine Verbindung angekniipft, die fiir seinen spateren Lebensgang von den wichtigsten Folgen war. Er trat in ein naheres Verh&ltnis zu dem Baron Georg von Cotta, dem er bald der tagliche Berater, der vertrauteste Freund, die rechte Hand wurde. Damit wurde er in eine weitere Welt eingefiihrt, auch zum erstenmal sein Interesse fiir Osterreich geweckt. Cottas Ehrgeiz war es damals, der Schaffung einer wirtschaftlichen Union mit Osterreich ebenso zu dienen, wie sein Vater sich um das Zustandekommen des Zollvereins verdient ge- macht hatte. Fiir dieses Ziel ging nun auch Sch. ins Zeug, zumal, nachdem er auf einer Reise nach Wien im Jahre 1857 durch Empfehlungsbriefe Cottas mit dem Frhrn. v. CzOrnig, dem Chef des statistischen Amtes, und mit dem Sektionschef im Finanzministerium v. Hock personlich bekannt geworden war. Cotta stellte ihm die Allgemeine Zeitung und die von ihm selbst redigierte Deutsche Vierteljahrsschrift zur Verfiigung, und in beiden Organen entwickelte der junge Schriftsteller bald eine aufierst fruchtbare Tatigkeit, politischer sowohl als wissenschaftlicher Art. Gleich die erste Abhandlung in der ge- nannten Zeitschrift (1856) zeigte bereits die Grundzuge seiner sozialpolitischen

108 Schfcffle.

Anschauungen. Sie war »Abbruch und Neubau der Zunft« betitelt und sprach sich fur berufsgenossenschaftliche Organisation, unbeschadet der Ge- werbefreiheit, aus. Unter Freiheit verstand er im Gegensatz zum Faustrecht des laisser /aire und laisser aller »die Freiheit jedes Gesellschaftsgliedes in in seiner organischen gesellschaftlichen Berufsfunktion*. Andere Abhand- lungen in diesen Jahren galten dem Aktienwesen, der Handelskrisis von 1857, den Wiener Zollkonferenzen, dem deutschen Gewerbe- und Heimatrecht, dem Miinzwesen usw. Mit dem Ausbruch des italienischen Krieges im Jahre 1859 begann in Siiddeutschland eine leidenschaftliche Bewegung, die tatige Partei- nahme fiir Osterreich verlangte. Die Allgemeine Zeitung war die erste, die den Alarmruf erhob, und in dieser war die Stimme Sch.s eine der lautesten. Unermudlich und unter heftigen Angriffen auf die preuflische Politik stritt er fiir den Satz, dafl der Rhein am Po zu verteidigen sei, und dafi der Krieg des Kaisers Napoleon fur Italien nur als Vorl&ufer eines Krieges zur Erobe- rung der Rheingrenze gedacht sei. Mit dieser Parteinahme fiir Osterreich ware, als dann nach Villafranca in Deutschland die Parteien in eine groB- deutsche und eine kleindeutsche auseinandergingen , seine Stellung am »Schwabischen Merkur« kaum langer vereinbar gewesen, ware er nicht in dieser Zeit iiberhaupt bereits auf dem Sprung gewesen, die journalistische Laufbahn zu verlassen.

Schon im Jahre 1859 hatte ihm der osterreichische Handelsminister, Frei- herr von Bruck, eine Stellung als Ministerialrat in Wien angeboten. Er lehnte ab, weil ihm die Osterreichischen Verhaltnisse zu fremd waren. Wiin- schenswerter schien ihm die akademische Laufbahn, in der er sich ungehin- dert entfalten, und neben dem Dozenten gleichzeitig Publizist bleiben konnte. Im Herbst i860 folgte er einem Ruf an die staatswirtschaftliche Fakult&t nach Tubingen. Solche Anerkennung hatte er sich durch seine schriftstelle- rische Tatigkeit erworben, dafl ihm sofort das Ordinariat erteilt wurde. Acht Jahre wirkte er nun als Lehrer an der heimischen Hochschule. Seine Zu- horer riihmten seinen lebendigen, anregenden Vortrag. Der Lehrauftrag um- fafite: Enzyklopadie der Staatswissenschaften, Nationalokonomie, Politik, Polizeiwissenschaft. Nebenher ging eine fruchtbare Schriftstellerei. Schon im Jahre 1861 veroffentlichte er ein Lehrbuch der Nationalflkonomie. Eine Reihe von Abhandlungen folgte, teils in der Deutschen Vierteljahrsschrift, teils in der Tiibinger Zeitschrift fiir die gesamte Staatswissenschaft, deren Redaktion er im Winter i860 ubernommen hatte, und mit Ausnahme eines Jahres, 187 1 72, bis an sein Ende fortfiihrte. Diese Abhandlungen waren zum Teil rein wissenschaftlichen Inhalts, iiberwiegend aber zugleich der prak- tischen Politik zugewandt. Damals war die Frage der Zolleinigung mit Osterreich durch den Abschlufi des preuflisch-franzosischen Handelsvertrags in ein kri- tisches Stadium getreten. Eine lebhafte publizistische Debatte entspann sich iiber die deutsche Verfassungsreform, und Sch. war einer der grofldeutschen Stimmfuhrer. Aber auch die Arbeiterfrage begann ihn jetzt angelegentlich zu besch&ftigen, und er war um so geneigter, Lassalles Auftreten nicht ohne Sympathie zu wiirdigen, als er von Anfang an dem »vulgaren Liberalismus* der Nationalftkonomie ablehnend gegeniiberstand, niemals an die absolute Harmonic der kapitalistisch-liberalen Volkswirtschaft geglaubt hatte.

Bei seinem lebhaften Drang zu politischer Betatigung lag es nahe, sich

Schaffle. I0o

auch auf parlamentarischem Boden zu versuchen. Schon im Jahre 1861 nahm er fiir den Landbezirk Tubingen eine Wahl in die wiirttembergische Kammer der Abgeordneten an. Er war hier urn seiner finanziellen und volkswirt- schaftlichen Kenntnisse ein gesch&tztes Mitglied, wie ihm andererseits der Einblick in die Verwaltung, das Steuerwesen, die Wohlfahrtspflege des Staa- tes, den er besonders durch die Arbeiten in den Kommissionen erwarb, von Nutzen war. Als Mitglied der Finanzkommission hatte er neben Moritz Mohl den preuBisch-franzdsischen Handelsvertrag zu begutachten; er verfaflte einen Sonderbericht, der im Gegensatz zu Mohls extrem schutzzOllnerischem Bericht eine gemafiigte Freihandelsrichtung vertrat, in dem Sinne, dafi Osterreich die Handels- und Zollannaherung an den Zollverein ermdglicht werden sollte. Zu der Zeit, da sein Bericht erschien, Januar 1864, waren aber die Wiirfel schon gefallen; die kleineren Staaten sahen sich urn der Erhaltung des Zoll- vereins willen zur Annahme des Vertrages genfttigt, und der Gedanke der Zolleinigung mit Osterreich, fiir den Sch. bis zuletzt gekampft hatte, war aussichtslos geworden, ubrigens, wie er selbst einraumte, nicht bloB durch die Schuld der damals allmachtigen Freihandelspartei , sondern »mindestens ebenso« durch die Fehler der 6sterreichischen Regierung und durch die siid- deutschen SchutzzSllner. Nicht gliicklicher war er als einer der publizistischen Wortfiihrer der groBdeutschen Partei. Er hatte an der Konstituierung des grofldeutschen Reformvereins teilgenommen, die im Oktober 1862 zu Frank- furt a. M. beschlossen wurde, und war als Ausschuflmitglied auch an der Abfassung des Programms beteiligt. Doch hatte er keine Freude an den konservativen Partikularisten, Welfen und Ultramontanen, die die grofle Masse dieser Partei bildeten, auch nicht an der Reformakte, die Osterreich im Jahre 1863 auf dem Fiirstentage in Frankfurt einbrachte; er nahm dann noch, als die schleswig-holsteinische Erbfolgefrage den deutschen Verfassungsstreit abgelost hatte, an der Frankfurter Abgeordnetenversammlung teil, zog sich aber seitdem von dem eigentlichen Parteileben mehr und mehr zuriick, Diese Erfahrungen wirkten dazu mit, daB er im Jahre 1865 kein Mandat mehr fiir den Stuttgarter Standesaal annahm. Er hatte im Grunde eine ver- einsamte Stellung daselbst eingenommen, er pafite nicht recht weder in die politische noch in die wirtschaftliche Parteischablone. Auch hatten ihn die »Miserabilitaten« des kleinstaatlichen Parlamentarismus abgestoflen, und dazu kam noch, dafi er mit dem leitenden Minister, Freiherrn von Varnbiiler, auf gespanntem FuBe stand, und selbst mit seinem intimen Freunde, dem Unterrichtsminister Golther, zerfiel. Kurz, er verliefi die politische Biihne und kehrte ganz zu seinem akademischen Beruf zuriick. Aber auch in die Universitatsverhaltnisse hatte der politische Gegensatz eingegriffen. Im Senat stand sich eine kleindeutsche und eine grofldeutsche, zugleich spezifisch schwabische Partei gegeniiber, die, so oft es sich um eine Berufung oder um die Rektorwahl handelte, ihre Krafte mafien. Sch. erlitt mit seinen groB- deutschen Freunden mehr als eine Niederlage, so bei der Rektorwahl im Frfihjahr 1867, wo er selbst mit 13 gegen 17 Stimmen gegen den Kirchen- Mstoriker Weizs&cker unterlag. Auch gesellschaftlich stand man in getrennten Lagern, und es ist charakteristisch, dafi Sch., aufier mit wenigen gleichgesinnten Freunden, am meisten mit Mitgliedern der katholisch-theologischen Fakultat L'mgang pflog, deren H&upter allerdings keineswegs Ultras waren. Im

110 Sch&ffle.

Jahre 1867 erschien seine Nationalokonomie in zweiter, v6llig umgearbeiteter Auflage. Gleichzeitig vertiefte er sich in die Studien, aus denen bald dar- auf sein »Kapitalismus und Sozialismus« hervorging. Als aber im Fruhjahr 1868 die Zollparlamentswahlen stattfanden, die das politische Leben in Wurttemberg wieder aufs tiefste aufwuhlten, liefi sich auch Sch. von neuem in das Parteigetriebe hineinziehen. Er nahm eine Kandidatur fur Ulm an und gehorte zu den siebzehn Gliicklichen, die Wurttemberg mit der Losung: keine Erweiterung des Zollparlaments zum Vollparlament, kein Anschlufi an den norddeutschen Bund, nach Berlin sandte. Aber noch w&hrend der ersten Tagung des Zollparlaments erhielt er durch Vermittlung des Pandektisten Brinz einen Ruf an die Universit&t Wien. Einen ersten Ruf dahin, der im Jahre 1863 durch Schmerling an ihn erging, hatte er abgelehnt. Jetzt wurde er unter glanzenden Bedingungen erneuert, und Sch. ziigerte um so weniger ihm zu folgen, als das Ministerium Varnbiiler nichts tat, ihn der Heimat zu erhalten.

Im Oktober 1868 hielt der k. k. Universit&tsprofessor und Regierungsrat seine Antrittsvorlesung in der Aula zu Wien. Bis in den Sommer 1870 lebte er ganz dem akademischen Beruf, doch wirkte er durch Vortrage, deren Gegen- stand die Arbeiterbewegung war, iiber die akademischen Kreise hinaus. Aus diesen Vortragen entstand dieSchrift iiber Kapitalismus undSozialismus, die 1870 in Tubingen erschien. In Wien glaubte er noch tiefere Einblicke als bisher in die Disharmonien der bestehenden Gesellschaft gewonnen zu haben; er war von der Unhaltbarkeit der rein liberal individualistischen oder kapitalistischen Gesellschaftsordnung uberzeugt und sah das Heil in einer »freiheitlich-ge- nossenschaftlich-korporativen Weiterbildung und Erganzung der individualistisch interessierten Produktionsweise in einem 6konomisch sogenannten FSderalis- mus oder Sozietarismus«. Fiir Osterreich speziell schien ihm das allgemeine Wahlrecht im Gegensatz zu der bestehenden Gruppen- und Klassenvertretung ein unerlaflliches Mittel zur sozialen wie auch zur politischen Reform. »Das zentrifugale heutige Osterreich sollte in staatsminnischer Erkenntnis seines Heils dem direkten allgemeinen Wahlsystem huldigen ; dieses System wird die groflen materiell-humanen Fragen auf die Tagesordnung bringen, und in der fruchtbaren Losung dieser Fragen kann Osterreich seiner zahllosen Sonder- schichten Herr werden, denen es dafiir im Gebiete und Umfang ihrer wahren Berechtigung riickhaltlose Autonomic einraumen mag.« In diesen Worten lag bereits sein Programm fiir die Heilung der osterreichischen Staatskrankheit. Seine akademischen Vorlesungen iiber Verfassungspolitik hatten ihn auch zu Studien iiber das Ssterreichische Staatswesen gefuhrt. »Als ich 1868 berufen wurde, hatte ich von der inneren staatsrechtlichen und politischen Lage Osterreichs auch nicht annahernd eine richtige Vorstellung.« Er hatte mit Staatsm&nnem des absolutistisch-bureaukratischen Systems, wie Hock, in Beziehung gestanden, aber diese waren jetzt durch den parlamentarischen Zentralismus kalt gestellt. »Davon, dafi der Zentralismus iiberhaupt bereits bankerott war, derjenige Schmerlings und Auerspergs noch rascher und ent- schiedener als der absolutistische Schwarzenbergs, Stadions, Brucks und Bachs, hatte ich beim Obertritt nach Osterreich noch keine Ahnung.« Nun sollte ihm der Glaube an die Allmacht des Zentralismus zergehen. Im Umgang mit seinem Kollegen Habietinek, Lehrer des Zivilprozesses, und dessen deutschen

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und bohmischen Freunden lernte er zum erstenmal die bohmischen Verhalt- nisse kennen. »Durch Habietinek iiberzeugte ich mich vor allem von dem unbeugsamen Ernst der vereinigten streikenden tschechischen MajoritatBShmens und des konservativen b6hmischenHochadels,namentlich erstmal vom Charakter und von der Bedeutung der fiihrenden PersSnlichkeiten. Bestverleumdete und »Feudale« lernte ich als bedeutende, vorurteilslose und brave Menschen kennen, viele der liberalen TagesgOtzen des Parlamentarismus fand ich mit dem Kot der Korruption beschmutzt.« Wie dann Sch. allmahlich in die verhangnis- volle Bahn geriet, die zum Ministerium Hohenwart fiihrte, wie er das Selbst- vertrauen gewann, der Retter seines Adoptivvaterlandes aus seinen verfassungs- politischen Wirren zu werden, das hat er selbst in breiter Ausfuhrlichkeit in seinen Denkwiirdigkeiten erzahlt. Er wurde mit einem Grafen Diirckheim bekannt, der Adjutant des Kaisers Franz Joseph gewesen und jetzt Mitglied des Abgeordnetenhauses war. Mit diesem Diirckheim pflegte sich Sch. iiber verfassungspolitische Fragen zu unterhalten und eines Tages es war im Februar 1870 bat ihn jener, ihm eine Darstellung seiner »6sterreichischen Staatsgrundsatze« in die Feder zu diktieren. Das geschah denn »aus dem Stegreif*, und durch den Grafen Diirckheim gelangte das Manuskript in die Hande des Kaisers. Das hatte weitere Folgen, als unter dem Eindruck des deutsch-franzosischen Kriegs der Kaiser den Unfrieden seiner Volker doppelt schwer empfand und eine neue Aktion des Ausgleichs mit Bohmen beschlossen wurde. Es fand zunachst eine Konferenz bei Habietinek statt, der eine Denk: schrift des Barons von Helfert zu Grunde lag als Ergebnis einer Sondierungs- reise nach Prag, wo namentlich der Fiihrer der Opposition Graf Clam-Martinic zu Rate gezogen war, der auf der Anerkennung des bohmischen Staatsrechts in vollem Umfang bestand. Der Konferenz, die zunachst ohne Ergebnis war, wohnte auch Graf Hohenwart, der Statthalter von Oberosterreich, an, mit dem Sch. schon im April durch Diirckheim bekannt geworden war. Im Oktober wurden die Anlaufe zu einem Systemwechsel ernstlich erneuert. Diirckheim fiihrte Sch. zu dem Prisidenten des damaligen Ubergangsministeriums, Grafen Potocki, der sich gleichfalls die »Staatsgrundsatze« vortragen liefi, und am 24. Oktober hatte Sch., durch Potocki eingefiihrt, Audienz beim Kaiser, dem er »unverbliimt das Verderbliche und Naturwidrige des die Bevolkerungs- mehrheit bedriickenden und kontumazierenden Systems einer parlamentarischen Nationalists- und Klassenminoritatsherrschaft« auseinandersetzte. DieseMinori- tatsherrschaft sei tatsachlich Herrschaft des Grofikapitals mit Unterstiitzung des doktrinaren Liberalismus, des Beamten-, Advokaten-, Literaten- und Pro- fessorentums. Als Gegengewicht gegen die Gefahr der ungarischen Pr&pon- deranz, fiihrte er weiter aus, miisse der Friede unter samtlichen Volkern der diesseitigen Reichshalfte hergestellt werden, d. h. die voile tatsachliche und verfassungsmaBige Gleichberechtigung unter dem Schutze des Kaisers, als des Fiirsten aller Kronlander. Dieser Friede aber beruhe auf dem Ausgleich zwischen den Deutschen und den Tschechen. Diese beiden zusammen werden dann einen so festen Punkt diesseits, wie die Magyaren jenseits der Leitha bilden. In einer zweiten Audienz am 29. Oktober beauftragte ihn der Kaiser, sich mit Hohenwart zur Bildung eines Kabinetts im Sinne der von ihm ent- wickelten Grundsatze in Verbindung zu setzen. Noch aber dauerte es Monate, bis das Ministerium zustande kam. Die Verhandlungen wurden im tiefsten

1 1 2 Schaffle.

Geheimnis gefiihrt. Beust vor alien, der Reichskanzler, durfte nichts davon erfahren, der schon friiher einen ZusammenstoB mit Sch. gehabt hatte, ebenso durften die Ungarn nichts davon wissen, und so war es eine vollige Ober- raschung, als am 5. Februar 187 1 die » Wiener Zeitung* die Bildung des Ministe- riums Hohenwart ankiindigte, das als uber den Parteien stehendes, »wahrhaft 6sterreichisches« Ministerium eingefiihrt wurde. Sch. hatte das Ministerium des Handels und interimistisch das des Ackerbaus iibernommen.

Das neue Kabinett wurde in Wien mit einem Schrei der Entriistung auf- genommen. Im Abgeordnetenhaus, das am 10. Februar zusammentrat, waren die Minister, insbesondere »der junge Herr Handelsminister aus Schwaben*, Gegenstand der heftigsten Angriffe von seiten der Fuhrer der Verfassungspartei, der Herbst, Giskra usw. Es wurde ein fdrmliches Mifitrauensvotum beschlossen in Form einer Adresse an den Kaiser, der aber diese Kundgebung als »fakti5se Opposition« abwies. Neben der Ausdehnung des Land tags wahlrechts war der wichtigste Teil des Programms der neuen Regierung der Ausgleich mit den Tschechen. Diesen nahm Sch. selbst in die Hand. Im Mai reiste er nach Prag und fiihrte dort die Verhandlung mit den Fiihrern der Opposition, Alt- und Jungtschechen. Die vereinbarten Bestimmungen wurden vom Grafen Clam in den vielberufenen »Fundamentalartikeln« zusammengefaflt. Die Forde- rungen waren: Ausgleich in denselben Formen wie mit Ungarn, Quoten- system wie dort, Recht der Steuer- und der Rekrutenbewilligung, Ausscheidung eines groflen Teils der Gesetzgebung aus der Kompetenz des Reichs und dessen Uberweisung an die Landtage, Verwandlung des Herrenhauses in einen Senat, des Abgeordnetenhauses in einen Delegiertenkongrefl, schliefilich Kr6- nungslandtag und KrSnung nach dem bShmischen Staatsrecht. Diese Artikel waren, sagt Sch., »nicht die Endverabredung des zu schaffenden Ausgleichs, sondern nur der Ausdruck dessen, was auBerstenfalls den Tschechen einge- raumt werden konnte, wenn die Vertreter der iibrigen zisleithanischen Kron- lander zustimmten«. Im September wurden sie dem behmischen Landtag zur vorlaufigen Gutheifiung vorgelegt. Spater sollte zur Abanderung des Staats- grundgesetzes die Zustimmung beider Hauser des Reichsrates eingeholt werden. Zu diesem Zweck wurden die Landtage aufgelSst, aber sofort erkl&rten die Deutschbohmen und der nieder6sterreichische Landtag, den n&chsten Reichs- rat nicht zu beschicken. Trotzdem fielen die Neuwahlen so aus, dafl die Regierung sicher auf eine Zweidrittelmehrheit zur Ab&nderung der Verfassung rechnete. Manche der Einriumungen, die der bShmischen Adelspartei gemacht worden waren, schienen auch Sch. und seinen Kollegen bedenklich, allein sie gaben sich der Hoffnung hin, dafi sich in den Verhandlungen mit den Ver- tretern der anderen Kronlander noch etwas davon abmarkten lassen werde. Eine fatalistische Hoffnung, wenn man den Tschechen ausdriicklich gesagt hatte, bis wohin man ihnen »£ufierstenfalls« entgegenkomme. Indessen waren aber die Gegner des Ministeriums eifrig bemuht gewesen, den Kaiser umzustimmen. In der Aula gab es aus Anlafi der Rektorinauguration eine grofie Demonstration, wobei die Minister beleidigt, dem Reichskanzler dagegen grofle Ovationen dargebracht wurden. Die Beschwerde, die Graf Hohenwart dariiber beim Kaiser fiihrte, wurde in einer Weise beantwortet, die ein erstes Zeichen war, dafl der Kaiser schwankte. In einem Kronrat am 20. Oktober reifte die Entscheidung. Die Reichsminister Beust und Andrassy machten

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mit Erfolg die rechtlichen Bedenken gegen die Fundamentalartikel, wie ihre Gefahren far die auswartige Politik geltend. Zwei Entwiirfe eines kaiserlichen Reskripts an den bohmischen Landtag standen zur Debatte : Der Entwurf des Ministeriums Hohenwart enthielt eine verbindliche Anerkennung der Rechts- anspriiche des Kftnigreichs Bohmen, in dem anderen Entwurf, von den Reichs- ministern vorgelegt, wurde der bohmische Landtag kurz und biindig aufge- fordert, seine Vertreter zu dem Werk der Versohnung in den Reichsrat zu entsenden. Am nachsten Tag entschied der Kaiser fur den Entwurf der Reichs- minister. Damit war die Entscheidung gefallen. Schon am 23. Oktober uber- reichte Sch. dem Kaiser sein Entlassungsgesuch, das am 30. Oktober mit demjenigen samtlicher Minister genehmigt wurde. Die Ara Hohenwart machte wieder einem liberalen, zentralistischen Kabinett Platz. Kein anderes der vielen Ministerien, die sich an der Sisyphusarbeit des Nationalitatenausgleichs in Osterreich abgenutzt haben, ist den Anspriichen des bdhmischen Staats- rechts soweit entgegengekommen , wie das Ministerium Hohenwart, und die Deutschosterreicher haben es Sch. niemals vergessen, dafl er bei dieser Aktion, die sie als den starksten Vorstofl gegen das Deutschtum und gegen die Reichs- einheit betrachten, mitgetan hat, ja die fiihrende Hand gewesen ist;, er der Deutsche, der Ausl&nder, der nach eigenem Gest&ndnis noch vor kurzem ohne alle Kenntnis der dsterreichischen Staatsverhaltnisse gewesen war. Sie erachten es als verhangnisvoll fiir alle Zeiten, dafi die Tschechen, die so dicht vor dem Ziel ihrer Wunsche standen, eben dadurch in ihren Anspriichen nur be- starkt werden konnten. Sch. selbst blieb hartnackig uberzeugt, dafi ihm mit dem verwerfenden Urteil iiber seine staatsm£nnische Episode schweres Un- recht geschehe, dafl er mit den Fundamentalartikeln die richtige Mitte zwischen Zentralismus und Foderalismus gefunden habe, dafi er auf dem rechten Wege gewesen sei, den Volkern Osterreichs den Frieden zu bringen; er ist noch in seinen letzten Publikationen bemiiht gewesen, sein damaliges Regierungs- programm theoretisch aus seinem staatswissenschaftlichen System heraus zu begTunden.

Im Besitz des Ehrenbiirgerrechts tschechischer Stadte, begleitet von den Verwiinschungen der Deutschen, hat Sch. nach diesem Mifierfolg als Staats- mann Wien im Jahre 1872 wieder verlassen. Er hat von da an in seiner schwabischen Heimat, erst in Cannstatt, dann in Stuttgart gelebt, als Privat- mann, in voller Unabhangigkeit, ganz mit seinen schriftstellerischen Arbeiten beschaftigt, die bis 1878 rein wissenschaftlich, von da an uberwiegend prak- tisch-publizistischer Art waren. Zunachst suchte er durch philosophische und namentlich naturwissenschaftliche Studien die Grundlage zu gewinnen fur das grofie Werk, das sein Hauptwerk werden sollte, und das unter dem Titel: »Bau und Leben des sozialen K6rpers« in 4 B&nden 1875 1878 erschien. Sch. fafite darin die gesamte soziale Tatsachenwelt zusammen, sie in ihren Organen, ihren Funktionen, und ihren Erscheinungsformen analysierend. Das Buch fiihrte den Untertitel : »Enzyklopadischer Entwurf einer realen Anatomie, Physiologie und Psychologie der menschlichen Gesellschaft mit besonderer Rucksicht auf die Volkswirtschaft als sozialen Stoffwechsel.« Er war namlich uberzeugt, dafl »der soziale Korper mit den Energien organischer KOrper und mit den Kraften der anorganischen Natur denselben aufieren Lebens- bedingungen gegeniibersteht, welchen auch die Organismen ihr Leben abringen*.

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SchaflNe.

Das Gleichgewicht der personlichen Bestandteile des Wirtschaftsk6rpers ist ihm zufolge ebenso gewissen unerschiitterlichen Voraussetzungen unterworfen, wie das Gleichgewicht der Bestandteile im gesunden MenschenkSrper. In diesem Sinne ubertrug er den Gedanken der organischen Einheit vom Menschenkorper auf Wesen und Bau des sozialen Korpers. Man hat ihn deswegen der biolo- gischen Schule zugezahlt, ihn als »Organiker« bezeichnet, seine Abhangigkeit von Spencer behauptet. Er selbst hat stets mit Nachdruck betont, dafi er die Analogien, die er in alien sozialen Erscheinungsgebieten fand und durch- zufiihren suchte, eben nur Analogien seien, nicht Homologien, nur Gleichnisse, die zur Verdeutlichung dienen, Mittel der Pfadfindung. Dafi Spencer auf ihn von Einflufl gewesen sei, hat er ausdriicklich bestritten. Wirklich finden sich die Ansatze zu seiner Auffassung von der gesellschaftlichen Entwicklung der Massen schon in seinen friihesten Schriften.

Eine solche Gesamtdarstellung der Gesellschaft in alien ihren Funktionen und Einrichtungen von der sozialen Zelle bis hinauf zu den staatlichen Ge- bilden, zu Schule und Wissenschaft, zu Kunst und Religion war in Deutsch- land noch nicht geleistet worden. Mit ungemeinem Scharfsinn, in einer freilich ,oft gesuchten Terminologie ist die bauliche und die funktionelle Differenzierung der Gesellschaft durchgefiihrt, sind die verschlungenen Kreis- laufe des in Ompfen aller Art sich dahinwalzenden Menschenstroms verfolgt, ist der gesellschaftliche Daseinskampf als ein Fortschreiten von Vernichtung durch ausweichende Anpassung zu immer mehr Gesellschaftsbildung, mithin zur Zivilisation, zu Recht, Sitte und Moral beschrieben. »Schaffle hat zum erstenmal in das funktionelle Zusammenspiel der gesellschaftlichen Erschei- nungen Licht gebracht. Der von ihm geschaffene Begriff der gestaltlichen und funktionellen Differenzierung der Gesellschaft stellt eine so bedeutende Gedankenleistung dar, dafi von ihm mehrfach die Griindung neuer Teildiszi- plinen ausgegangen ist, und er noch auf lange Zeit hinaus die sozialwissen- schaftliche Einzelforschung befruchten wird.« (Spann.)

Doch wie der menschliche Korper, so hat auch der soziale K6rper seine Krankheiten und Mifibildungen, der Kreislauf wird gehemmt und kommt ins Stocken, das Gleichgewicht der evolutionistischen Fortschrittsbewegung der Gesellschaft erleidet Stftrungen, daher die Notwendigkeit heilend einzugreifen, daher bei Sch. neben seinem theoretischen Aufbau der best&ndige Drang, sich von der Anschauung des Ganzen aus in den Tatsachen zu orientieren und sein Wort in die brennenden Zeitfragen zu werfen. Dazu empfing er nun einen machtigen Anstofi durch den groflartigen Ausbau der deutschen Reichspolitik, wie er sich unter Bismarcks Fiihrung vollzog. Der ehemalige Grofideutsche hatte sich bald mit der Bismarckschen SchGpfung ausges6hntT und sie zog ihn um so mehr an, er sah sich um so starker zum Mitschaffen angeregt, je mehr die Wirtschaftspolitik des Reiches in Bahnen einlenkte, die im Einklang mit seinen wissenschaftlichen Grundansichten waren. »Bismarcks Staatskunst hat mich von nun an immer starker gefesselt.« Hatte er zum Sozialistengesetz eine gegnerische Stellung eingenommen, so stand dagegen seine Feder in der Frage der Reichseisenbahnen , des Tabakmonopols, auch in Sachen der Kolonialpolitik und des Flottenausbaus auf des Kanzlers Seite. Eine grofie Reihe von staatswissenschaftlichen Abhandlungen erschien in dieser Zeit, meistens in der von ihm redigierten Zeitschrift; sie betreffen die Ver-

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fassungspolitik, die Theorie der Volksvertretung, die Verhaltniswahl, die Ein- richtung von Wirtschaftskammern, Arbeiterversicherung, Arbeiterschutz , Woh- nungsreform, agrarische Probleme; Aufsatze, die dann in den zwei Banden der »Kern- und Zeitfragen* gesammelt sind und die wohl eine grofiere Wir- kung gehabt hatten, wenn nicht Sch.s Schreibart an einer gewissen Umstand- lichkeit und Schwerfalligkeit litte. Am meisten Aufsehen machte seine Schrift: •Quintessenz des Sozialismus«, der er gleichsam als ErgSnzung »Die Aussichts- losigkeit der Sozialdemokratie« folgen liefl, zwei Schriften, die aufs Neue bewiesen, dafi er sich in keine Parteischablone einfiigen liefl, und die nur scheinbar einander widersprachen. Schon in seinem Hauptwerk hatte er ausgefuhrt, dafl die geschichtliche Entwicklung unaufhaltsam der sozialistischen Organisation der Gesellschaft zustrebe; er nehme, hatte er gesagt, den Sozi- alismus »sehr ernsthaft* , k6nne aber fur jetzt »weder die tatsachlichen Bedingungen noch die klaren Gedanken vorfinden, wie sie ein alsbaldiger und positiver Durchbruch des Kollektivismus heischen wurde'. Einmal hat Sch. auch das biographische Gebiet betreten. Er schrieb fiir die »Allgemeine Zeitung« und spater fiir Bettelheims »Fiihrende Geister* ein Lebensbild des Buchhandlerfiirsten Johann Friedrich Cotta. Die hervorragende Beteiligung Cottas an den wiirttembergischen Verfassungsk&mpfen 1815 181 9, sowie dessen Verdienste um das Zustandekommen des Zollvereins hat Sch. zum erstenmale aktenmafiig belegt.

Die Frage der Arbeiterversicherung hat ihn auch einmal in persOnliche Beriihrung mit Bismarck gebracht. Als Bismarcks erster Unfallversicherungs- entwurf erschien, unterzog ihn Sch. einer Kritik in der »Allgemeinen Zeitung« und schickte diese Arbeit im Oktober 188 1 dem Reichskanzler zu. Es kniipfte sich daran ein l&ngerer Briefwechsel, und die Folge war, das Sch. dem Reichs- kanzler einen ausgearbeiteten Gesetzesentwurf fiir Gesamtorganisation einer berufsgenossenschaftlichen Arbeiterversicherung iibersandte, worin er besonders die Vorziige einer korporativen, beruflich und territorial gegliederten Ver- sicherung im Gegensatz zur Schablone der Privatversicherung hervorhob. Zuletzt wurde er auch zu einer pers&nlichen Besprechung mit dem Fursten nach Berlin eingeladen, die am 3. Januar 1882 stattfand. Der Verkehr mit Bismarck kam dann aber ins Stocken; dieser zog der Gesamtorganisation ein bedachtiges Vorgehen Schritt fiir Schritt vor, iiberliefi die weitere Ausfiihrung der Entwiirfe seinen R&ten, und so wurde die Sache, die sich Sch. als eine einheitliche zusammenh&ngende Organisation gedacht hatte, »zunachst zerhackt, plan- und einheitslos* gemacht. Immerhin blieb ihm die Genugtuung, dafl seine Anregungen nicht ganz unwirksam gewesen waren, und dafi nach seinem Rat der Anfang mit der Krankenversicherung gemacht wurde.

Zu seinem 70. Geburtstag, 24. Februar 1901, sind Sch. zahlreiche Beweise von Ehrung und Anerkennung aus den Kreisen der Fachgenossen zuteil ge- worden. Besonders erfreute ihn eine Festschrift, die ihm von sechs akade- mischen Lehrern: Biicher, Fricker, Funk, Mandry, v. Mayr, Ratzel gewidmet wurde. In demselben Jahre griff er noch einmal mit fast leidenschaftlichem Eifer in eine Tagesfrage ein: er unterwarf den neuen schutzz6llnerischen Zolltarifentwurf einer schneidenden Kritik. In der Bevorzugung der agrarischen Interessen erblickte er einen st6renden Eingriff in die naturgemafie soziale Entwicklung. Er fiirchtete, dafi ein starker Schutzzoll der hauptsachlichsten

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Erzeugnisse des Groflgrundbesitzes, statt die technische und wirtschaftliche Energie der Latifundientrager zu erzielen, vielmehr ihnen eine Art von Ruhe- polster geben m6chte, wodurch die Auslese im Lebenskampf der Nation zu ihren Gunsten in rucklaufigem Sinn beeinflufit werde. Auch zur Beurteilung der Landwirtschaftsbedringnis suchte er den weitesten, den soziologischen Gesichtskreis zu gewinnen. Das letzte, was er schrieb, war von dem gleichen Gedanken erfullt; es sind die Neuen Beitrage zur Grundlegung der Soziologie, die 1903 und zum Teil erst 1904 nach seinem Tode in seiner Zeitschrift er- schienen. Sch. unternahm darin eine umfassende Revision der Grundbegriffe seines Hauptwerks und schlofl mit dem bezeichnenden Satze: »Von Hause aus verfehlt miifite eine Therapie erscheinen, welche auf internationaler Verkehrshemmung begriindet ware. Das hauptsachlichste Mittel zur Abhaltung und Einschrankung der internationalen StOrungsinterdependenz, die Hemmung des Guterverkehrs durch Protektion und Prohibition, stellt sich unter dem soziologischen Gesichtspunkt als ein bestenfalls nur beschranktes wirkungs- fahiges Heilmittel nationaler Politik dar.«

Mitten aus der Arbeit rief ihn der Tod. Am 25. Dezember 1903 erlag er einer rasch verlaufenden Nierenkrankheit. Bis dahin durfte sich der stark- gebaute Mann einer Konstitution erfreuen, die unablassiger geistiger Produktion gewachsen war. In den Jahren 1899 bis 1901 schrieb er seine Lebenserinne- rungen nieder, die nach seinem Tode verCffentlicht worden sind. Man gewinnt aus ihnen den Eindruck einer kraftvollen, auf sich selbst gestellten, ihres Wertes vollbewufiten Pers6nlichkeit. »Einsam und trotzig«, dieses Motto steht iiber dem Buche eine treffende Selbstcharakteristik. Was Sch. geworden ist, ist er durch sich selbst geworden. Er ist keiner wissenschaftlichen Schule beizuzahlen und hat auch nur kurze Zeit im Bann einer politischen Partei gestanden. Aufrecht und stolz auf seine Unabhangigkeit ist er durchs Leben gegangen. Er riihmte sich, dafi kein Orden seine Brust bedeckt hat Charak- tere, die sich einsam, aus eigner Kraft ihre Stellung erkampfen, nehmen leicht etwas hartes, herbes an: liebenswiirdige Ziige wird man bei ihm nicht ent- decken. Auch erkennt man leicht, dafi er nicht zufrieden war mit der An- erkennung, die er gefunden; er hatte eine starke Anlage zu argwohnischen Anwandlungen, die sich bis zu einer Art von Verfolgungswahn steigern konnten. Mit bitterem Groll gedachte er mancher Zeitgenossen, wahrend er seinen grofi- deutschen Freunden von vormals und den Gesinnungsgenossen, die er in Osterreich gefunden, eine warme Anhanglichkeit bewahrte. Aus seiner poli- tischen Vergangenheit war ihm etwas Zwiespaltiges geblieben, auch als er sich ganz mit den Aufgaben des neuen Reiches erfiillte. Ob er mit wirklicher Befriedigung auf sein Leben zuriickgeblickt hat? Auf politischem Boden war ihm eine Enttauschung nach der anderen beschieden gewesen. Die Zoll- einigung mit Osterreich, die Bundesreform nach dem grofideutschen Programm, der Ausgleich des Volkerstreits in Osterreich an diesen Unmoglichkeiten hat er sich vergebens abgearbeitet. Er verbarg kaum die Empfindlichkeit dariiber, dafi man ihn in Wien so sang- und klanglos hatte fallen lassen und dafi auch sein Zusammenarbeiten mit Bismarck im Sande verlief. Ein origi- naler Denker ist er in seiner Wissenschaft gewesen und das ist seine bleibende Bedeutung. »An schSpferischer Kraft und Urspriinglichkeit, an Tiefe und Selbstandigkeit des Denkens, an Unverzagtheit der Meinungsauflerung werden

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ihn wenige seiner Zeitgenossen erreichen« (K. Biicher). Seine sozialwissen- schaftlichen »Entdeckungen«, wie er sie selbst nennt, haben Widerspruch erfahren, aber auch die Gegner stellen nicht in Abrede, dafi sie ein Ferment der sozialpolitischen Entwicklung geworden sind.

Schaffles Schriften in Buchform sind: Die Nation alokonomie oder allgemeine Wirt- schaftslehrc, Leipzig 1861. Die 2. Auflage erschien unter dem Titel: Das gesellschaftliche System der menschlichen VVirtschaft, Tubingen 1867. 3. Aufl. in 2. Bdn., Tubingen 1873.

Uber die ethische Seite der nationalokonomischen Lehre vom Wert, Tubingen 1862. Die nationalokonoraische Theorie der ausschliefienden Absatzverhaltnisse , Tubingen 1867.

Kapitalismus und Sozialismus, Tubingen 1870. 2. Aufl. 1878. Die Quintessenz des Sozialismus, Gotha 1875. '3- Aufl. 1891. Bau und Leben des sozialen Korpers, 4 Teile, Tubingen 1875—78. 2. Aufl. 2 Bde. 1896. Enzyklopadie der Staatslehre, Tubingen 1878.

Die Grundsatze der Steuerpolitik, Tubingen 1 880. FUr Internationale Doppelwahmng.

Der korporative Hilfskassenzwang, Tubingen 1882. 2. Aufl. 1884. Die Inkorporation des Hypothekenkredits, Tubingen 1883. Vereinigter Versicherungs- und Spardienst bei Zwangsnilfskassen, Tubingen 1884. Die Aussichtslosigkeit der Sozialdemokratie, Tubin- gen 1885. 4. Aufl. 1891. Gesammelte Aufsatze, 2 Bde., Tubingen 1885—87. Be- k amp fun g der Sozialdemokratie ohne Ausnahmegesetz, Tubingen 1890. Kern- und Zeit- fragen, Berlin 1894. Neue Folge 1895. Die Steuern, 2 Bde., Leipzig 1895—97. Neuer Beitrag zur nationalen Wohnungsreform (gemeinschaftlich mit P. Lechler), Berlin 1897.

Die staatliche Wohnungsfttrsorge, Berlin 1900. Ein Votum gegen den neuesten Zoll- tarifentwurf, Berlin 1901. Aus meinera Leben, 2 Bde., Berlin 1905.

AuBerdem mehrere Artikel im »Staatsworterbuch« von Bluntschli und Brater, und im >Handworterbuch der Staatswissenschaften* ; zahlreiche Aufsatze und Abbandlungen in der >Deutscben Vierteljahrsschrift« , in der »Zeitschrift fUr die gesamte Staatswissenschaftc , in der »Allgeroeinen Zeitung«, im »Schwabischen Merkur«, in der »Zukunft« usw.

Hauptquelle der Biographic sind die DenkwUrdigkeiten : Aus meinem Leben. Dazu vergl. Karl Bticher und Dr. Othmar Spann in der »Zeitschrift fUr die gesamte Staatswissen- schaftc, 60. Jahrg. 1904. Dr. H. Losch im »Schwab. Merkur«, 5. Marz 1904. K. Jentsch in der Wiener »Zeit«c, 27. Dez. 1903. W. Lang.

Klopp, Onno, Historiker, kgl. hannoverscher Hofrat, * 9. Oktober 1822 in Leer, f 9. August 1903 in Wien. K. war von den zwolf Kindern des Kaufmanns Wiard Klopp in Leer in Ostfriesland das fiinftalteste. K.s Vater machte die Befreiungskriege 18 14 und 181 5 als freiwilliger jager unter preu- flischer Fahne mit und vermahlte sich bald nachher mit Klara Verford aus Vechta. Die Familie Klopp, seit Generationen in Leer ansassig, war lutherisch. Wiard Klopp starb schon im 42. Lebensjahre an einer akuten Krankheit. K. wurde, nachdem er das Progymnasium in Leer durchgemacht und seine Begabung zum Studium bewiesen, auf das Gymnasium nach Emden geschickt. Hier genofi er unter tiichtigen Lehrern eine vortreffliche Vorbildung, so dafi er mit einem glanzenden Maturitatszeugnisse Ostern 1841 die Univefsitat Bonn beziehen konnte. Dort horte er hauptsachlich philologische Vorlesungen. Er trat dem Korps Westphalia bei. Ostern 1842 ging er nach Berlin, wo er philologische und theologische Kollegien besuchte; das fiinfte und sechste Semester brachte er wieder in Bonn zu. Im April 1844 wurde er in GOttingen immatrikuliert und begann sich nun auf das philologische Staatsexamen vor- zubereiten, welches er im Fruhling 1845 m^ se^r gutem Erfolge ablegte. Bald darauf wurde er in Jena zum Doktor der Philologie promoviert, Auf der Ruckreise in seine Heimat stellte er sich in Hannover dem Oberschul-

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kollegium vor, urn seine Bewerbung fiir das Lehrfach anzumelden. Im Ok- tober 1845 engagierte derMagistrat von Osnabriick K. als Lehrer am dortigen Ratsgymnasium und er blieb in dieser Stellung bis zum Juli 1858. Das Jahr 1848 wirkte nach der Richtung anregend auf K., dafi es ihm ein Antrieb wurde, auf die geschichtliche Entwickelung der bestehenden politischen Ver- haltnisse zuriickzugehen. Auf dem padagogischen Gebiete hatte K. sich schon vorher schriftstellerisch betatigt durch die Schrift: Die Reform der Gymnasien in Betreff des Sprachunterrichtes. Er plaidierte in derselben fiir Einfuhrung der modernen Sprachen auf dem Gymnasium, und zwar gleich zu Beginn des philologischen Unterrichtes ; die al ten Sprachen sollten auf die neuen folgen. AuBerdem schrieb er viel in Zeitschriften. Zu seinen ersten geschichtlichen Arbeiten geh&rte eine Studie iiber die Wiedertaufer, welche in der Munchener Hauschronik 1852 erschien. Die bedeutendste Arbeit, welche K. als Kolla- borator am Ratsgymnasium zu Osnabriick schrieb, war eine dreibandige Ge- schichte Ostfrieslands. Bei dem dritten Bande kam K. in Konflikt mit den Standen von Ostfriesland, welche ihm bereits zu den ersten beiden Banden eine Subvention hatten zukommen lassen und nun bei der Subvention des dritten Bandes den Tadel hinzufiigten, das Buch sei feindselig gegen den Konig Friedrich II. von Preufien. K. verweigerte die Annahme dieser Sub- vention, die von einem Tadel begleitet war, fiir den nicht einmal der Versuch eines Beweises erbracht. Die Sache machte grofles Aufsehen und Konig Georg V. von Hannover wies dem Historiker, dem er schon fiir den zweiten Band eine goldene Medaille hatte uberreichen lassen, die Subventionssumme aus seiner Kasse an. K. begab sich, um seinen Dank abzustatten, in die Sommerresidenz des K6nigs auf Norderney und dieser erflffnete dem Gelehrten, dafi er ihn in seine Dienste nehmen wolle. Allein die Minister fanden keine geeignete Stelle fiir K. Inzwischen hatte dieser mit der Lehrerlaufbahn, die ihn nicht befriedigte, abgeschlossen und war auch ohne eine gesicherte Stellung zu haben mit seiner Familie nach Hannover ubersiedelt , im Ver- trauen darauf, dafi er sich durch den bereits erworbenen Ruf eine Position erringen werde. Die journalistische Laufbahn hatte ihm eine solche sofort verschafft, allein er hatte die ausgesprochene Neigung des Forschers, dem die Journalistik nicht zusagte. Im Jahre 1859 machte K. eine Reise nach Eng- land und besuchte auf dem Riickwege in Belgien den Grafen Villermont, der gleich ihm Tillystudien betrieb. In jener Zeit spannte K. seine Arbeits- kraft aufs aufierste an. Im Jahre i860 erschien »K6nig Friedrich II. von Preufien und die Deutsche Nation«, im Jahre 1861 » Tilly im dreifiigjahrigen Kriege« in zwei Banden, aufierdem die »Kleindeutschen Geschichtsbaumeister* und eine Reihe kleinerer Schriften. Der Tilly namentlich machte grofies Aufsehen. Der Kaiser von Osterreich, der KOnig der Belgier und der Kdnig von Hannover verliehen K. beinahe gleichzeitig ihre goldenen Medaillen fiir Wissenschaft und Kunst. K6nig Max von Bayern sandte ein Handschreiben und der Konig der Belgier liefi durch seinen Sekretar versichern, dafi er den Tilly ganz gelesen habe.

Im Jahre 1861 stellte K. durch den Minister Grafen Kielmansegg beim Konige Georg V. den Antrag, ihm die Herausgabe der Werke von Leibniz zu iibertragen. Die Genehmigung erfolgte bald und in den nachsten Jahren war die Durchforschung des gcsamten literarischen Nachlasses von Leibniz auf

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der Kgl. Bibliothek zu Hannover K.s Hauptaufgabe. K. hat die Schreibweise Leibniz festgestellt, denn unter den Hunderten von Unterschriften des groflen Gelehrten fand sich keine mit Leibnitz. Nebenher beschaftigten K.s rastlosen Geist viele andere Probleme. Er war fiir Norddeutschland einer der bedeu- tendsten Fiihrer der grofldeutschen Partei. In Folge dessen hatte er eine ausgebreitete Korrespondenz und schrieb mehrere Broschiiren sowie zahlreiche Artikel in Zeitschriften und Zeitungen iiber diese Fragen. Der dsterreichische Gesandte in Hannover, Graf Ingelheim, war ihm ein treuer Freund und Gonner, ebenso die Legationsrate Baron Brenner und Herr von Pilat. K. fand 1862 auch Zeit, GfrOrers Gustav Adolph in vierter Auflage durchgesehen und verbessert herauszugeben. Wahrend des Furstentages in Frankfurt 1863 tagte daselbst auch eine grofldeutsche Versammlung, welche K. besuchte und wo er sehr geehrt wurde. Zugleich arbeitete er an einem grofierenWerke »Deutsch- land und das Haus Habsburg*, welches jedoch unvollendet geblieben ist. Im Jahre 1866 war es bis zu Karl V. gediehen und das Kapitel »Karl V.« liefl K. 1867 in den Miinchener historisch-politischen Blattern als Studie erscheinen.

Zu Beginn des Jahres 1865 schuf der KSnig Georg V. die Stelle eines Referenten fiir das Archivwesen des Landes und betraute K. als Archivrat mit den Agenden desselben. K. bereiste die Landesarchive Aurich, Osnabruck, Stade und Hildesheim und machte in Bezug auf das Belassen der Archivalien in den Provinzen und das Zentralisieren derselben in der Residenzstadt Vor- schlage, die heute im Prinzip nach langem Fiir und Wider fiir die Ordnung der preuflischen Staatsarchive angenommen sind. Im Herbste 1865 unter- nahm K. eine Reise nach Osterreich, die er bis nach Pola ausdehnte. In Wien besuchte er in der Abteilung der Staatskanzlei fiir die deutschen An- gelegenheiten die Barone Meysenbug, Biegeleben und Gagern und betrieb Nachforschungen in den kaiserlichen Archiven. Er hatte auch Audienz beim Kaiser. Im Dezember 1865 machte K. im Gefolge des KSnigs die Feier mit, welche in seiner Heimat zur Erinnerung an die fiinfzigjahrige Vereinigung Ostfrieslands mit Hannover abgehalten wurde.

Von Beginn des Jahres 1866 an war K. nicht mehr im Zweifel, dafi es zum Kriege zwischen Osterreich und Preufien kommen und auch Hannover in Mitleidenschaft gezogen wurde. Im April fand er eines Tages in der »Zeitung fur Norddeutschland« einen preufienfreundlichen Artikel; er schrieb mit Rot- stift unter den Titel des Blattes »Organ fiir die preuBische Provinz Hannover« und unterbreitete es so dem Minister Grafen Platen. »Sie sehen zu schwarz«, erwiderte dieser. K. hatte jedoch offiziell an politischen Beratungen der Regierung keinen Teil und ist auch vom KOnige niemals zu solchen heran- gezogen worden. Seine Vortnige bei dem KOnige betrafen hauptsachlich historische Fragen. Nur wenn Graf Platen einen dsterreichfreundlichen Artikel im offiziosen Blatte wiinschte, berief er K., die preufienfreundlichen schrieb Oskar Meding. Bei den Hannoveranern war K. mit dem Odium be- haftet, dafi er sie katholisch machen wolle. Anlafi dazu gab ihnen, dafi er einmal einen Vortrag iiber Leibniz* Verhaltnis zu den kirchlichen Reunions- versuchen gehalten hatte und dafi er seine Tochter zu den Ursulinen in die Schule schickte. Weiter hatte es keine Gefahr.

Am 15. Juni 1866 stellte Preufien an Hannover das Ultimatum, entweder Biindnis mit Preufien oder Krieg. Georg V. wahlte den Krieg. Fiir K. ware

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ein Verbleiben in Hannover unter preuflischer Okkupation sehr unangenehm geworden, allein es kam nicht dazu. Vor seiner Abreise zur Armee nach Gottingen erteilte der Konig den Befehl, dafi K. ins Hauptquartier folgen solle. In Gottingen stellte sich die Notwendigkeit heraus, Fiihlung mit dem Bundestagspr&sidium in Frankfurt zu haben. Graf Platen hielt Umfrage, wer die gefahrliche Tour unternehmen wolle. Mehrere weigerten sich; K. erklarte sich bereit. Er fuhr nachmittags ab und war nach ununterbrochener Wagen- fahrt am nachsten Tage abends 7 Uhr bei Baron Kiibeck in Frankfurt. Elf Uhr nachts setzte er sich wieder in den Wagen und urn 3 Uhr friih des zweiten Tages machte er seine Meldung beim Grafen Platen. Er war auf der ganzen Tour nicht eher angehalten worden, als bei den eigenen Vorposten. Der Rat, den K. vom Bundestagsprasidium mitbrachte, war der, die hannoversche Armee moge durchs Werratal auf Fulda marschieren, wo die Konzentration des 8. Armeekorps geplant war, sowie die Vereinigung mit den Bayern. Allein der hannoversche Generalstab entwarf den Plan, iiber Heiligenstadt, Miihl- hausen, Eisenach vorzuriicken. So geschah es und K. befand sich am 23. Juni im Hauptquartier zu Langensalza. Hier machte sich von neuem das Be- durfnis nach Fuhlung mit den siiddeutschen Verbiindeten geltend und aber- mals erklarte sich K. bereit, die verwegene Tour zu unternehmen, welche direkt durch die feindlichen Vorposten fiihrte. Die Einzelheiten dieser Tat sind K.s Geheimnis geblieben, bekannt ist nur, dafi K. in der Nacht vom 23. auf den 24. Juni Langensalza verliefi und in den ersten Nachmittagsstunden des 25. Juni vor dem General von der Tann im bayerischen Hauptquartier zu Bamberg stand. Der Kommandierende, Prinz Karl von Bayern, ebenso wie sein Generalstabschef von der Tann verhielten sich gegenuber den Nach- richten, die K. von der Stellung der Hannoveraner gebracht hatte, teilnahmslos. K. hatte sofort den Eindruck, dafi die Absicht, eine Vereinigung mit der hannoverschen Armee herbeizufiihren, nicht bestehe. Schon von Lichtenfels aus hatte K. seine Nachrichten iiber die Stellung der Hannoveraner nach Wien, Munchen und Frankfurt depeschiert. Aus dem bayrischen Hauptquartier machte er sich selbst nach Wien auf den Weg. Er berichtete dem Kaiser iiber den Stand der Dinge und reiste in Begleitung des hannoverschen Ge- sandten in Wien, von dem Knesebeck, wieder ins bayrische Hauptquartier zuriick. Inzwischen hatte am 27. Juni das fur die Hannoveraner siegreiche Treffen bei Langensalza stattgefunden, jedoch zwei Tage darauf hatte Kdnig Georg V. daselbst kapituliert. Klopp begab sich nach Frankfurt zur Dispo- sition des Baron Kiibeck und reiste, als die Preufien herannahten, iiber Munchen nach Wien, wo bald darauf KOnig Georg V. eintraf. K. war der Verfasser des Friedensansuchens, welches Georg V. von Wien aus an den Konig Wilhelm nach Nikolsburg sandte, welches aber von diesem nicht angenommen wurde. K. blieb im Dienste seines K6nigs. In den ersten Jahren nach dem Kriege veroffentlichte er aufler einer zweiten Auflage des Werkes »Friedrich II. von Preufien« mehrere Broschiiren zur Klarstellung der Vorg&nge von 1866. Dann begab er sich an Vorstudien zu seinem groflen Werke: Fall des Hauses Stuart und Sukzession des Hauses Hannover in Grofibritannien und Irland im Zu- sammenhange der europaischen Angelegenheiten (1664 17 14). Im Jahre 1870 studierte er zu diesem Zwecke in den Londoner Archiven.

Die Vollendung der Leibniz-Ausgabe, von welcher er bis 1866 fiinf Bande

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hatte erscheinen lassen, wurde K. unm5glich gemacht durch die Weigerung Bismarcks, ihm aus der Bibliothek in Hannover ferner Material verabfolgen zu lassen. Die franzOsische Akademie der Wissenschaften erliefi 1869 ein Schreiben an K., in welchem sie die Unterbrechung der Ausgabe im Interesse der Wissenschaft bedauerte. K. hatte jedoch aus der Zeit vor 1866 noch so viel Material zusammengerafft und durch Mittelspersonen nachher sich zu verschaffen gewufit, dafi er die ganze historisch-politische Serie in 11 Banden abgeschlossen edieren konnte, den letzten Band im Jahre 1884.

In das Jahr 1873 fallt K.s Ubertritt zur katholischen Kirche. Seit seiner Schrift »Katholicismus, Protestantismus und Gewissensfreiheit«, welche 1857 erschien, erwog er, wie aus verschiedenen Aufzeichnungen hervorgeht, die Frage, ob er seiner Oberzeugung, dafi die katholische Kirche die wahre sei, durch den formellen Cbertritt gerecht werden musse. Dazu kam, dafi seine Frau von Haus aus katholisch war und seine Kinder, denen er darin Freiheit gelassen, sich fur die katholische Kirche erklart hatten. Als K. dem Kdnige Georg V. seinen Entschlufi anzeigte, erwiderte ihm dieser, dafl er, ohne durch die vorgebrachten Griinde von der Notwendigkeit des Glaubenswechsels iiber- zeugt zu sein, ihm dennoch darin voile Freiheit lassen musse. Die lebhafte wissenschaftliche Korrespondenz, welche der Konig mit K. unterhielt, erlitt keine Unterbrechung. Es liegen aus den Jahren 1869 bis 1878 siebzig Hand- schreiben des Konigs an K. vor.

In der Mitte der 7oer Jahre des vorigen Jahrhunderts begann K.s Geschichts- unterricht beim Erzherzoge Franz Ferdinand, der einige Jahre darauf auch auf den Erzherzog Otto ausgedehnt wurde. Noch wahrend der Dauer dieser Stunden begann K. den Unterricht beim Herzoge Albrecht von Wurttemberg. K.s immense Arbeitskraft war alien Anforderungen gewachsen. Er hatte gleich- zeitig umfangreiche Studien in den kaiserlichen Archiven zu machen. Von 1875 bis 1888 erschien durchschnittlich in jedem Jahre ein Band vom Fall des Hauses Stuart. Im Jahre 1882 verliefi das Werk »Das Jahr 1683 und der folgende grofle Turkenkrieg bis i699« die Presse. Nebenher hatte K. stets eine ausgebreitete Korrespondenz, kam seinen dienstlichen Verpflichtungen gegen den K6nig Georg V. nach, die mit haufigen Reisen nach Gmunden verkniipft waren und besorgte die Angelegenheiten seiner Familie auf das sorgfaltigste.

Georg V. starb am 12. Juni 1878 in Paris. K. begab sich zur Leichenfeier dorthin, sowie zur Beisetzung nach Windsor. Von dort reiste er nach Gro- ningen in Holland, wo eine Zusammenkunft mit seiner betagten Mutter statt- fand. Preufiisches Gebiet wagte K. nach 1866 nicht mehr zu betreten. Zum funfzigjahrigen Priesterjubilaum des Papstes Leo XIII. 1888 widmete K. dem- selben die eben vollendete Herausgabe des Briefwechsels zwischen dem Kaiser Leopold I. und dem Kapuziner Marco d'Aviano. Nach Vollendung von »Fall des Hauses Stuart« begab sich K. an eine neue Auflage von Tilly, welche jedoch unter der Arbeit zur »Geschichte des dreifiigjahrigen Krieges bis zum Tode Gustav Adolfs« in vier Banden anwuchs. Aufierdem beschaftigten ihn mehrere grofie Entwiirfe, die nicht druckreif geworden sind: die Geschichte der Reformation, die Geschichte des Deutschordens in Preufien, die Erlangung der preufiischen KGnigskrone und andere.

K. hatte sich bis ins hohe Alter einer guten Gcsundheit erfreut. Seinen 8i.Geburtstag feierte er unter zahlreichen Teilnahmsbezeugungen seiner Freunde

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von nah und fern, aber ein halbes Jahr darauf erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Er starb in seinem Hause in Wien- Penzing am 9. August 1903.

K. hatte von Jugend auf ein lebhaftes Interesse an grofien Weltbegeben- heiten; ein starkes PflichtbewuBtsein und ein unwiderstehlicher Drang zur Erforschung der Wahrheit wohnte ihm inne. So viele Gegner er auf dem wissenschaftlichen und politischen Gebiete hatte, sie haben ihm in seinen Schriften keine nennenswerten Unrichtigkeiten nachweisen konnen. Von den meisten wird die Klarheit seiner Darstellung geriihmt. Durch das Streben jedoch, kurz und klar zu sein, erscheinen seine Satze hie und da allzu kom- pakt. Er war fur die Quellenforschung philologisch vorgeschult wie wenige seines Faches, zudem las er alle Kultursprachen vom Schwedischen bis zum Portugiesischen. Zur Wurdigung seiner Tatigkeit folgen die Namen der historischen Personlichkeiten, die er eingehend in seinen Werken behandelt hat: Barbarossa, die Habsburger, namentlich Karl V., Ferdinand II., Leopold I., Maria Theresia, Melanchthon, Moriz von Sachsen, Tilly, Wallenstein, Gustav Adolf, Ludwig XIV., Leibniz, Wilhelm III. von England, die letzten Stuarts, Prinz Eugen, Friedrich II. von PreuOen. Johannes Janssen nannte K. den ersten zeitgenossischen katholischen Historiker.

An Auszeichnungen besafi K. das Ritterkreuz des hannoverschen Guelphen- ordens, das Ritterkreuz I. Klasse des hannoverschen Ernst Augustordens, die hannoversche goldene Medaille fiir Wissenschaft und Kunst, die Langensalza- medaille, das Kommandeurkreuz des osterreichischen Leopoldordens, die osterreichische goldene Medaille fiir Wissenschaft und Kunst, das Komman- deurkreuz des papstlichen St. Gregoriusordens, das Ehrenkreuz pro eccksia et pontifice, die belgische Medaille fiir Wissenschaft und Kunst.

Als Quelle fiir vorstehende Daten hat der gesamte handschriftliche Nachlafi von K. gedient, der sich im Besitze des Sohnes Finanzrat Dr. Wiard Klopp, Wien XIII1 befindet. Ein Portrat von K., gemalt von Heinrich Vossberg, befmdet sich im Schlosse des Herzogs von Cumberland in Gmunden, ein anderes, gemalt von Baronin Wilhelmine Vogelsang, im Besitze des Sohnes.

Es folgen die bedeutenderen Werke von K. : 1. Die Reform der Gymnasien in betreflf des Sprachunterrichtes. Ein Entwurf. Leipzig. Reichenbach 1848. 2. Die Grundrechte des deutschen Volkes, mit allgemein fafi lichen Erlauterungen nebst der deutschen Reichs- verfassung. Osnabrlick. Rackhorst 1849. 3- Gudrun, der deutschen Jugend erzahlt. Leipzig. Weidmann 1850. 4. Geschichten, charakteristische Zlige und Sagen der deutschen Volks- stamme aus der Zeit der Volkerwanderung bis zum Vertrage von Verdun. Nach den Quell en erzahlt. 2 Teile. Leipzig. Weidmann 185 1. 5. Leben und Taten des Admirals de Ruiter. Mit de Ruiter's Portrat. Holzschnitt. Hannover. RUmpler 1852. 2. (Titel-) Ausg. 1858. 6. Geschichten und Charakterztige der deutschen Kaiserzeit von 843 1125. Nach den Quellen erzahlt. Leipzig. Weidmann 1852. 7. Deutsche Geschichtsbibliothek odcr Dar- stellungen aus der Weltgeschichte fiir Leser aller Stande. Unter Mitwirkung verschiedener Gelehrter. 4 Biinde. Hannover. RUmpler 1853 1856. 8. Geschichte von Ostfriesland. 3 Biinde. Hannover. Rtimpler 1854 58. 9. Studien liber Katholizismus, Protestantismus und Gewissensfreiheit in Deutschland. (Anonym.) Schaffhausen. Hurter 1857. 10. Wird Deutschland wieder katholisch werden? Von dem Verfasser der Studien tiber Katholizismus, Protestantismus und Gewissensfreiheit. (Anonym.) Schaffhausen. Hurter 1859, il.Das Restitutions -Edikt im nordwestlichen Deutschland. Aus den Forschungen zur deutschen Geschichte. 1. Band. Gottingcn. Diedrich i860. 12. Der Konig Friedrich II. von PreuBen und die deutsche Nation. Schaffhausen. Hurter i860. 13. Das Verhaltnis von Leibniz zu

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den kirchlichen Reunions versuchen in der 2. Halfte des 17. Jhrdts. Vortr. im hist. Ver. f. Nicdersachsen. Abdnick aus der Zeitschrift des Vereins. Hannover. Janecke 1861. 14. Tilly im 30jahr. Kriege. 2 Bande. Stuttgart. J. G. Cotta 1861. 15. Die gothaische Auffassung der deutschen Geschichtc und der National-Vercin. Mit Beziehung auf die Schrift des Herra Sybel: Die dcutsche Nation und das Kaisertum. Hannover. Klindworth 1862. 16. OfTcner Brief an den Herrn Professor Hausser in Heidelberg, betr. die Ansichten liber den Konig Friedrich II. von Preuflen. Hannover. Klindworth 1862. 17. Nachtrag zu dem offenen Brief an den Herrn Professor Hausser in Heidelberg, betr. die Ansichten tiber den Konig Friedrich II. von PreuBen. Hannover. Klindworth 1862. 18. Kleindeutsche Geschichtsbaumeister. Frei- burg i. B. Herder 1863. 19. Morgenstudien tiber die Regierungskunst von dem Konige Friedrich II, von Preuflen, genannt der Grofle, geschrieben fUr seinen Neffen. Originaltext mit gegentiberstehender Obersetzung. (Anonym.) Freiburg. Herder 1863. 20. Gustav Adolph, Konig von Schweden und seine Zeit von A. F. Gfrorer. 4. Aufl. nach dem Tode des Ver- fasscrs durchgesehen und verbessert. Stuttgart. Krabbe 1863. 21. Die Werke von Leibniz gemaB seinem handschriftlichen Nachlasse in der kttnigl. Bibliothek zu Hannover. Durch die Munifizenz Sr. Maj. des Konigs von Hannover ermbglichte Ausgabe. I. Reihe. Historisch- politische und staatswissenschaftliche Schriften. 1. 11. Bd. Hannover. Klindworth 1864 1884.

22. Leibniz, der Stifter gelehrter Gesellschaften. Vortrag bei der 23. Versammlung deutscher Philologen und Schulmanner zu Hannover. Leipzig. Teubner. 1864. 2^. Lcibnitii dc cxpcditionc Atgyptiaca Ludovico XIV. Franciac rcgi proponcnda scrip ta omnia quae super - sunt adjecta praefationc historicocritica. Hannovcrac. Typis Klindworthianis 1864. 24. Leibniz, Vorschlag einer franzosischen Expedition nach Agypten. Cbersichtlich , mit Wiedcrgabe einiger der hauptsachlichsten SchriftstUcke in deutscher Obersetzung und mit kritischer Berticksichtigung frtiherer Publikationen. Hannover. Klindworth 1864. 25. Ein patriotisches Wort an meine Landsleute von einem Hannoveraner. (Anonym.) Wien. Tendler 1866. 26. Studie tiber den Kaiser Karl V. (Anonym.) Historisch-politische Blatter. Bd. 60. 5 Folgen. Mtinchen 1867. 27. Der Ktfnig Friedrich II. von Preuflen und seine Politik. 2. neugearbeitete Auflage. SchafThausen. Hurter 1867. 28. Die preuflische Politik des Fridericianisraus nach Friedrich II. SchafThausen. Hurter 1867. 29. Leibniz Plan der Grilndung einer Sozietat der VVissenschaften in Wien. Wien. K. k. Hof- und Staatsdruckerei 1868. 30. Rtickblick auf die preuflische Annexion des Kbnigreichs Hannover. Mtinchen. J. G. Weiss 1868. 2 Auflagen. 31. Wer ist der wahre Erbfeind von Deutschland? (Anonym.) Mtinchen. Weiss 1868. 32. Die Hannoveraner vor Eisenach am 24. Juni 1866. OfTenes Sendschreiben als Antwort an den koburgischen Minister Herrn von Seebach. Wien. Brau- mfiller 1869. 33. Das preuflische Verfahren in der Vermbgenssache des Konigs von Hannover mit Aktenstticken. Wien. Braumuller 1869. 34. Der evangelische Ober-Kirchenrat in Berlin und das Konzil. (Anonym.) Freiburg i, B. Herder 1869. 35. Bandhauer, Zacharias, die Katastrophe von Magdeburg 1631. Auszug aus dessen Tagebuch mit einer kritisch- bistorischen Cbersicht. Freiburg i. B. Herder 1874. 36. Der Fall des Hauses Stuart und die Sukzession des Hauses Hannover in Grofl-Britannien und Irland im Zusammenhange der europaischen Angelegenheiten von 1660 1714. 14 Bande. Wien. Braumuller 1875 1888.

37. Zur Ehrenrettung von Leibniz. Sendschreiben an die kbnigliche Akademie der Wissen- schaften zu Berlin. Germania 1878. 38. Konig Georg V. Every inch a king. Hannover. Weichelt 1878. 39. Das Jahr 1683 und der folgende grofle Ttirkenkrieg bis zum Frieden von Carlowitz 1699. Graz. Styria 1882. 40. Zur zweiten Sacularfeier des 12. September 1683. Graz. Styria 1882. 41. Corrispondenza c pis to I arc tra Lcopoldo I. impcratore ed il P. Marco d Avian o Capuccino. Dai Manoscriiii originali tratta c pubblicata. Graz. Styria 1888. 42. Der 3ojahrige Krieg bis zum Tode Gustav Adolfs 1632. 2. Ausgabe des \Vrerkes: Tilly im 30jahrigen Kriege. Band 1, 2, 3. I und II. Paderborn. Schbningh 1891.

43. Philipp Melanchthon 1497 1560. Germania. Berlin 1897. Sagen der Vblker- wanderung, Geschichten der sachsischen und salischen Kaiser, sowie Admiral de Ruiter (Nr. 5, 6 und 7) sind neu aufgelegt bei Wchberg, Osnabrlick 1905. Nachrufe: »Hist.- pol. Blatter* CXXXI1, 8 (1903). »Jahrbuch der Gcs. f. bild. K. u. hist. Alt. in Emden« 1905- Dr. Wiard Klopp.

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Lazarus, Moritz, ordentlicher Honorarprofessor der Philosophic an der Universitat Berlin, Geheimer Regierungsrat, * 15. September 1824 in Filehnc (Provinz Posen), f 13. April 1903 in Meran (Tirol). L. war der Sohn einer judischen, in grofiem Ansehen stehenden Kaufmannsfamilie. Sein Vater, Aaron Levin Lazarus (f 26. Februar 1874), gehorte zu den Schulern des grdfiten Talmudisten deutscher Zunge am Anfange des vorigen Jahrhunderts, namens Akiba Eger, Oberrabbiner von Posen. Alter Gepflogenheit gemaB, vertrug sich der kaufmannische Beruf mit der nebenamtlichen Ehrenfunktion eines Rabbinatsmitgliedes und Mitvorstehers der Talmudschule zu Filehne bei Levin Lazarus durchaus. Den Einflufl des Vaters auf den kiinftigen Philosophen konnen wir nicht hoch genug anschlagen. H&tte Vater Lazarus die an ihn gerichteten Briefe seines beriihmt gewordenen Sohnes ebenso sorgfaltig be- hiitet und getreulich aufbewahrt, wie beispielsweise die Eltern Herbert Spen- cers, so kftnnte man etwaige Lucken der Lazarus'schen Biographie aus diesen Briefen, die meist in hebraischer Sprache oder doch mit hebraischen Lettern niedergeschrieben waren, mit Leichtigkeit rekonstruieren. Mdgen sich auch zwischen Vater und Sohn ganze Welten an Anschauung und Kenntnissen, an Eindriicken und Empfindungen dazwischen geschoben haben, so daB der kulturliche Abstand zwischen den zwei Generationen, denen Vater und Sohn angehflrten, nicht nach Jahrzehnten, sondern nach Jahrhunderten gemessen werden mufite, so bildete das Familiengefuhl auf der einen, das religiose Empfinden auf der anderen Seite ein Bindeglied von unzerreiflbarer Starke zwischen ihnen. Denn Moritz Lazarus war nicht e^wa wie Spinoza ein philo- sophierender Jude, sondern wie Mendelssohn ein judischer Philosoph.

In die im Jahre 1834 begrundete deutsche Schule in Filehne konnte Moritz Lazarus aus konfessionellen Grunden nicht eintreten; er erhielt daher vom Vater fur den Kaufmannsstand bestimmt eine vorwiegend talmudi- sche Bildung, wie dies in besseren judischen Familien noch in der ersten Halfte des Jahrhunderts, im Osten zumal, durchgangiger Brauch war. Sein Geburtsort war ein konfessionell-nationaler Mikroskosmus. Das Stadtchen von 3000 Einwohnern z&hlte zu je einem Drittel etwa Katholiken, Protestanten und Juden. Unweit seines Geburtsortes lag ein polnisches DOrfchen (Neu- teich), das in Anlage und Gesittung ein Modell der »polnischen Wirtschaft* darstellte, wahrend sein Geburtsort die »deutsche Zivilisation« reprasentierte. ^Dieses Bild«, sagte Lazarus spater, »konnte ich nicht aus der Seele bekommen. Weshalb diese Unordnung unmittelbar neben der Zivilisation? Was wir natio- nale Unterschiede nennen, war fiir mich ein Rfitsel, das mir nachging. Die nationale Entwicklung in der Verschiedenheit der Kultur in alien Lebens- formen war es, was sp&ter einen so betrSchtlichen Teil meines Lebens aus- gefiillt, was kristallisiert zur Entdeckung des Begriffs der Volkerpsychologie gefiihrt hat.«

Eben diese »Entdeckung«, welche L. stets als sein eigentliches Lebens- werk selbst angepriesen hat und von alien anderen als seine entscheidende Leistung angesehen wissen wollte, wurde unmittelbar nach seinem Tode zum SchibbolethabsprechenderKritik auf der einen, verhimmelnderLobeserhebungen auf der anderen Seite. Der Berliner Literarhistoriker Richard M. Meyer ver- offentlichte in der »Zeitschrift des Vereins fiir Volkskunde« (Bd. Ill, 320 324), die ihrerseits nur eine Fortsetzung der von Lazarus mit seinem Schwager

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Steinthal begrundeten und 20 Jahre fortgesetzten »Zeitschrift fiir Vdlkerpsycho- logie und Sprachwissenschaft« ist, einen Nachruf auf L., in welchem das Verhaltnis dieses vdlkerpsychologischen Dioskurenpaares wie folgt gekenn- zeichnet wird: »Im ubrigen stellte sich die Arbeitsteilung im Anfang wohl fast wie nach den Worten der Bibel zwischen Moses und Aaron: Steinthal legte die Worte in den Mund des Bruders, der fiir ihn zum Volke redete.« Darob ergrimmte die dem Meister Lazarus treu anhangende Verehrerschaar. In ihrem Namen fiihrt Alfred Leicht, Lazarus der Begriinder der Volkerpsycho- logie, Leipzig, Diirr, 1904, den umstSndlichen dokumentarischen Nachweis, der sich auf die Worte Steinthals stiitzt: »Die Ehre, Begriinder der VOlker- psychologie zu sein, kommt nicht mir, sondern dem Herrn Professor Laza- rus zu.«

Dieser Prioritatsstreit, der unerquicklich heftige Formen angenommen hat, der aber nach der chronologischen Seite unzweifelhaft zu Gunsten L.s entschieden ist, ficht die Wissenschaft um so weniger an, als es heute durchaus fraglich ist, ob eine Volkerpsychologie als Wissenschaft mdglich sei, vor allem aber, ob sie als gesonderte Disziplin Daseinsberechtigung habe. Der Urn- stand, dafi Wrilhelm Wundt seine Untersuchungen iiber Sprache, Mythos und Sitte »V6lkerpsychologie« iiberschrieben hat, »erhartet« noch lange nicht die, mit Meyer zu sprechen, »angefochtene Berechtigung« dieser Disziplin. Man vergleiche Wundts Aufsatz iiber »Wege und Ziele der V6lkerpsychologie« (Philos. Studien, Bd. IV; 1888), und man wird die Umgrenzung, innerhalb deren Wundt eine Volkerpsychologie zulaflt, an den L.'schen Anspriichen gemessen, recht enge finden. Augenblicklich werden diese Grenzen in einer Preisaufgabe der Berner Universitat (L. hat bei seinem Wegzug aus Bern einen kleinen Fonds gestiftet, der uns gestattet, alljahrlich eine philosophische Preisfrage auszuschreiben und mit einem bescheidenen Preise zu bedenken), des Naheren untersucht: »V6lkerpsychologie einst und jetzt« ist das Thema betitelt, das einen Bearbeiter gefunden hat, iiber dessen Resultat hier noch nicht gesprochen werden kann. Im ubrigen hat bereits einer meiner Schiiler, Lazarus Schweiger, den genannten Lazaruspreis fiir nachbenannte Arbeit erhalten: » Philosophic der Geschichte, Volkerpsychologie und Soziologie«, erschienen in meinen »Bemer Studien zur Philosophic und ihrer Geschichte«, Bd. XVII, 1900. Das Gleiche gilt von den Arbeiten J. Seligers, »Das soziale Verhalten des menschlichen Individuums zur menschlichen Gattung« und Hermann Kleins, individual- und Sozialethik in ihren gegenseitigen Be- ziehungen« (Berner Studien, Bd. XXXVI und XXXVII, 1904). An der Statte, die den Hohepunkt in der akademischen Wirksamkeit von L. bedeutete, ja nach eigener Aussage iiberhaupt den Zenith seines Lebens darstellte an der Universitat Bern wird der Volkerpsychologie, seinem Lebenswerke, fortgesetzte Aufmerksamkeit gewidmet. Wenn hier die Ergebnisse nicht durchweg zu deren Gunsten ausfallen, so liegt dies wohl daran, dafi uns 55 Jahre von der Begrundung der Volkerpsychologie trennen. Wir arbeiten mit anderen Methoden, nach anderen Gesichtspunkten, zu anderen Zwecken und gelangen demgemafi zu vollig anderen Ergebnissen. Die Pietat gegen Personen hat immer und unter alien Umstanden hinter den Pflichten gegen- iiber der Wissenschaft zuriickzutreten. Es ist ewig schade, dafi Steinthal sich in Paris so wenig von Comte beeinflussen liefi, dafi er vielmehr ziemlich

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abschatzig unci wegwerfend iiber den Verfasser d?r »phih$ophie positive « an seinen Freund und nachmaligen Schwager L. berichtete. Ein vertieftes Studium von Comte, Condorcet und Vico hatte Steinthal und seinen Pylades L. davon iiberzeugt, dafl Comte im wesentlichen schon hatte, wonach sie suchten. Der Name f reilich war ein anderer, philosophisch verungliickter : Soziologie. Aber die Sache war vorhanden. Spencers von Comte inspirierte »Soziologie«, die theoretische sowohl als auch die deskriptive, baut in Wirklichkeit jenes System aus, zu welchem L. und Steinthal in mehr als 25J£hriger gemeinsamer Arbeit nur Bausteine geliefert haben. Um die Art dieser Zusammenarbeit noch mit einem Worte zu streifen, so verteilte sich die Schillersche Forderung vom Zusammenstimmen von » Anmut und Wurde« dergestalt, dafl auf Seiten L.s die Anmut, auf Seiten Steinthals die Wiirde vertreten war. Dafl die Anregung zur VSlkerpsychologie von L. ausging, scheint mir ausgemacht. Ebenso halte ich die entscheidende Arbeit des Jahres 1851 »uber den Begriff und die M6g- lichkeit einer V6lkerpsychologie« in den Hauptziigen fur das Erzeugnis L.schen Geistes, so dafl die zeitliche Prioritat nicht beanstandet werden kann. Aber, wer wie ich den Vorzug hatte, dem Castor wie dem Pollux der Vdlker- psychologie gleich nahe zu stehen und besonders mit Steinthal Jahre hin- durch nachbarlich-freundschaftliche Beziehungen zu pflegen, wobei ich aus meiner grenzenlosen Verehrung fur diesen »Wissenschafts-Heiligen» niemals und niemandem gegeniiber einen Hehl machte, der wird der Wahrheit die Ehre geben mussen: die Arbeitsleistung ruhte vorwiegend, wenn nicht aus- schliefilich auf den Schultern von Steinthal, w&hrend der Arbeitsertrag, nartir- lich der ideelle, von Seiten Steinthals so geteilt wurde, dafl er die grofiere Halfte dem damals noch vergotterten Schwager iiberwies. In den ersten Jahren hat L. noch Beitrage und Besprechungen beigesteuert, aber man nehme die letzten 12 Bande der Zeitschrift zur Hand, und man wird sich uberzeugen, dafl von einer Mitarbeit L.s abgesehen natiirlich von der Mitunterzeichnung des Titelblatts verschwindend wenig zu spuren ist. Was mit Divination, Grazie, glucklicher Eingebung und gefalliger, fur damalige Ohren einschmeichelnder Ausdrucksweise zu erreichen war, das be- sorgte L. mit Anmut, wo es hingegen aufs Bohren in die Tiefe, aufs Graben in den unteren Schichten des Wissens, aufs Schiirfen hinter und jenseits der Oberflache ankam, da war die Wiirde Steinthals am Platze. Mochten immer- hin die Gegner von L. in die Welt hinausposaunen, seine Redeweise sei nicht zierlich, sondern geziert, nicht graziOs, sondern kokett, nicht Natur, sondern Pose, so verschlagt diese iible Nachrede gegeniiber der Tatsache nichts, dafl L. gerade auf Schweizerboden , wo fiir alles, was Kiinstlichkeit und Mache heiflt, nur Hohn und Spott zu ernten ist, die nachhaltigste Wirkung geubt und die dauerndsten Spuren hinterlassen hat.

Der aufiere Lebensgang von L. entbehrt nicht jener Tragik, die alien t)ber- gangsmenschen, welche den Weg vom seelischen Ghetto zum westeuropaisch- amerikanischen Kultursystem zuriickgelegt haben, unabtrennbar anhaftet. Eine gewisse Unrast der Produktion und ein nervos-mifitrauisches Schielen nach rechts und links, ob man ihm den Obergangscharakter entweder wirklich anmerke, oder nur fiihlen lassen wolle, sind psychologisch naheliegende, wenn nicht ganz unausbleibliche Folgen dieser wie aller ZwitterzustSnde. Selbst die vielbesprochene Eitelkeit, der lch-Kultus, die Selbstbeweihr&ucherung,

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die gar manchen abstiefi, hangt mit diesem Obergangscharakter zusammen. Dim war es gelungen, in einer einzigen Generation Jahrhunderte der Kultur- entwicklung behende und unauffallig zu iiberspringen, vom Talmudschiiler des Ostens zum gefeiertsten popular-philosophischen Schriftsteller des Westens, ja zum Rector magnificus einer deutsch-schweizerischen Universitat empor- zuklimmen, ohne jenes »sacrijizio del intettetto« dargebracht zu haben, das den Taufschein als unerlafiliches Eintrittsbillet in die Walhalla des akade- mischen Lehrerberufs forderte. Und ware L. seinem Lehrerberuf in Bern treu geblieben, so wiirde sioh sein aufleres Leben vielleicht minder glanzvoll, aber sein wissenschaftliches Wirken sicherlich unvergleichlich reicher und machtvoller entfaltet haben.

Dem Kaufmannsstande er war Kaufmannslehrling in Posen sagte er ebenso rasch Valet wie Schopenhauer. Wie dieser bereitete er sich privatim auf s Gymnasium vor, das er 1844 in Braunschweig bezog und 1846 mit dem testimonium maturitatis verliefl. Direktor Kriiger und der Herbartianer Griepenkerl, seine Lehrer, erkannten die hohe Begabung von L., die dieser besonders in einem Vortrag ^Religion als Bildungsmittel* an den Tag gelegt hatte. Vortrage waren uberhaupt sein wissenschaftliches Lebenselement; er war der geborene Redner und Essayist. Wenn man mit der Lupe zusieht, stellen sich alle Werke von L., selbst die anscheinend geschlossensten , wie »Das Leben der Seele«, als Vortrage, Gelegenheitsschriften oder Essays dar. Und wenn seine »Ethik des Judentums« der Form nach ein Ganzes, Einheitliches zu sein be- absichtigt oder pratendiert, so wird der Kenner unschwer die Faden heraus- finden, mit welchen die einzelnen Essays notdiirftig zu einem anscheinenden Ganzen zusammengenaht sind. Das Abrupte, Aphoristische, der Gedanken- splitter, das Pl6tzliche, der Einfall das ist das wissenschaftliche Lebens- element von L.

Schon in Braunschweig begann er Kant, Hegel und Herbart zu lesen, daneben besonders Geschichte der Philosophic zu studieren. Im Sommer 1845 war er mit seinem Lehrer Griepenkerl, einem Herbart-Schuler, schon »Bruder in Herbart*; sie sind gemeinschaftlich photographiert, wobei L. ein Bild Herbarts in der Hand hielt. Die geschlossene Art des Denkens, wie sie Herbart unter Zu- grundelegung der Erfahrung als entscheidender Wissensquelle auszeichnete, war fur L. schon wahrend seiner Studienzeit in Berlin bestimmend, der Hegelschen Denkmethode zu entsagen, um sich der herbartischen ohne auf des Meisters Worte zu schw6ren anzuschliefien. Neben den philosophischen und ins- besondere psychologischen Studien beschaftigten theologische und philologische Arbeiten den lebhaften und regsamen Geist des jungen L. Unter den Philo- logen zogen ihn besonders die sprachphilosophischen Vorlesungen Heyses an, in dessen Hause er verkehren durfte. Hier wurden zwei Freundschaften angekniipft, die in das Leben von L. tief eingegriffen haben; denn Heyse vermittelte die Bekanntschaft mit dem etwas alteren Steinthal, der spater sein engster wissenschaftlicher Bundesgenosse und Schwager werden sollte, zugleich aber lernte er den jugendlichen Poeten Paul Heyse kennen, der ihm gemutlich wie literarisch sehr nahe stand. Paul Heyse hat der ersten Frau von Lazarus, geb. Lebenheim, einen Band Novellen gewidmet.

Im Jahre 1849 promovierte Lazarus mit der Dissertation »de educations aesthetics in Halle zum Doktor. Hier kniipfte L., ahnlich wie Schillers grund-

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legende Briefe »Uber die asthetische Erziehung des Menschen« (1795), an den Erziehungswert des Schonen und den Bildungswert der Kunst an. Der Hori- zont war, entsprechend der Jugend und vollig andersartigen Begabung des Disserenten, naturlich enger. Schillers Briefe bildeten ein Seitenstuck zm Lessings »Erziehung des Menschengeschlechts«, sofern Schiller der Kunst jene weltgeschichtliche sozialpadagogische Rolle uberbinden wollte, die Lessing der Religion zugewiesen hatte; den Aufstieg vom Not- und Zwangs- staat zum moralischen und Vernunftstaat sollte nach Schiller die Kunst und nur sie bewirken. Bei L. hingegen ist der ihn beherrschende volkerpsycho- logische Gedanke mafigebend: Was haben die einzelnen Volker zur Ent- wicklung des Schonen beigetragen?

Wie eine Fortsetzung seiner Dissertation nimmt sich die Schrift aus, mit welcher L. (1850) zum ersten Male vor eine breitere Offentlichkeit trat: »Die sittliche Berechtigung Preufiens in Deutschland« eine iSngst ver- griffene Schrift, die L. nicht neu auflegen wollte. Im Anschlufi an seinen Lehrer W. Adolf Schmidt, dessen »Preufiens deutsche Politik« ihn machtig anregte, untersucht L. das Wesen des Volksgeistes im allgemeinen und das des preufiischen im besonderen, wobei die staatliche Vorherrschaft Preufiens mit dessen politisch-kultureller und asthetisch-intellektueller Uberlegenheit begriindet wird. Bald darauf trat L. mit dem hervor, was er sein eigenes nannte, der Volkerpsychologie. In Prutz' »Deutsches Museum« verOffent- lichte er 1851 »Ober den Begriff und die Moglichkeit einer V6lkerpsychologie«. Hier untersucht L. in geschlossenem Zusammenhange, was ihm zuvor dunkel und ahnungsvoll, wie im DSmmerschein, vorgeschwebt haben mochte: den Begriff des Gesamtgeistes.

Dafl damit eine neue Wissenschaft begriindet sei, mochte L. wohl an- nehmen. Der frdhlichen Entdeckerfreude, dem begliickten und verziickten Heurekaruf des jugendlichen Enthusiasten mag man zugute halten und menschlich nachfuhlen, dali ihn diese vermeintliche »Entdeckung«, die er in drei Wochen mit fieberhaften Pulsschlagen zu Papier brachte, bis er unter der Last des Geleisteten erschopft zusammenbrach, in alien Fasern seines Seins erschauern machte. Auf geschichtliche Distanz gesehen, wird die Be- geisterung fiir diese angebliche neue Wissenschaft merklich abkiihlen miissen; sie ist in demselben Mafie neu, wie sie Wissenschaft ist. Was ihre Neuheit angeht, so ist ihr Problem nicht viel jiinger als die Philosophic selbst. Die Lehre des Aristoteles vom »Gesamtgeist« der Menschen, der allein unsterb- lich sei (voO; rotr^ixo; und voO; raftr^ixrf; heiflt das Problem bei den spateren Kommentatoren, Aristoteles selbst spricht nur von -otoOv), birgt das Modell aller Vdlkerpsychologie in sich. Die Einheit des Wollens als Staatsziel ist ein alter Grundgedanke Platons, der iibrigens Thraker, Sky then und He- lenen schon ganz im Sinn von L. v6lkerpsychologisch typisiert und charak- terisiert. Und schliefilich ist das philosophische Zentralproblem des ganzen Mittelalters das sogenannte Universalienproblem nichts anderes, als die Grundfrage von L.: wie verhalt sich der Einzelne zum Allgemeinen? Nur engt L. sein Thema auf das Verhaltnis des Einzelmenschen zum Gattungsgeist, zum Volks- oder Nationalgeist ein. Aber damit ist keine neue Problem- stellung gegeben, sondern das alte Universalienproblem erhalt durch L. eine »v6lkerpsychologische« wir wiirden heute sagen: »soziologische« Biegung.

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Das L.sche Problem ist vielmehr nur ein soziologischer Spezialfall des um- fassenderen Universalienproblems. Was ist friiher und dem Werte nach h6her: das Einzelne oder das Allgemeine, das Exemplar oder die Gattung, die Einzelempfindung oder der logische Begriff, das einzelne Individuum oder seine Religions-, Volks- und Nationalgemeinschaft, der einzelne Burger oder der Staat?

Von alien mittelalterlichen Bearbeitern des Universalienproblems abge- sehen, ist Hegels Lehre vom »objektiven Geist« das unmittelbare Vorbild wie von Lazarus »Gesamtgeist«, so von Wundts Kollektivwillen und dem, was die Allerneuesten Universalgeist nennen. Aristoteles und Hegel sind die wahren und eigentlichen V&ter dieses Gedankens, den L. und Wundt adoptiert und in ihrer Weise umgedeutet haben.

Naturlich hat L. dem Platonismus neue Seiten abgewonnen. In den »einleitenden Gedanken iiber V6lkerpsychologie«, mit welchen die Lazarus- Steinthalsche Zeitschrift fur Volkerpsychologie und Sprachwissenschaft sich 1859 so glucklich einfiihrte, da6 bis auf den heutigen Tag nichts Er- schdpfenderes und Gerundeteres vorliegt, als sie diese Programmschrift bietet, empfangt der soziologische Platonismus, wie ich die Weltanschauung von L. taufen m&chte, Zuzug und Bereicherung von entlegenen Enden. Der Gesamt- geist die platonische Idee in soziologischer Fassung ist nach L. das Friihere und Urspriinglichere, und der Einzelgeist empfangt von ihm wie sein Dasein, so sein Recht. Er hebt das Individuum nicht ganz auf, wie Plato, aber er gliedert es restlos in die Gattung ein. »Ich ringe uberall danach, den Gesamtgeist zu erkennen, zu halten und das Individuum doch nicht zu verlieren«, schreibt er einmal an Graffunder. Durch L. Volkerpsychologie soil der Gesamtgeist zum »wissenschaftlichen Selbstbewufitsein« gefiihrt werden. L. unterscheidet vier Formen des Gemeinlebens: Sprache, dffentlicher Dienst, dffentlicher Geist und Gesetzgebung. In den »synthetischen Gedanken und V6lkerpsychologie« (Bd. III. der Zeitschrift) werden diese Gedanken dahin ergdnzt, dafi sich der objektive Geist in funf verschiedenen Betatigungsarten offenbart. Das »Verhaltnis des Einzelnen zur Gesamtheit« hat L. noch gesondert in einer feinsinnigen Untersuchung behandelt, der man, wie alien Schriften von L. vorbehaltlos nachriihmen kann, sie sei im Stile edelster Popularitat geschrieben. Die Wissenschaft wahrhaft gefordert hat Steinthal, die Wissenschaft aber verbreitet und in weite Schichten getragen zu haben, ist das bleibende Verdienst von L.

Damit sind die ubrigen philosophischen Schriften von L. (Das Leben der Seele in Monographien iiber seine Erscheinungen und Gesetze, 1. Aufl. 1856, 3. Aufl. 3 Bde. 1883 1897; Ober den Ursprung der Sitten, i860; Ober die Ideen in der Geschichte, 1861; Zur Lehre von den Sinneserscheinungen, 1867; Ein psychologischer Blick in unsere Zeit, 1872; Ideale Fragen in Reden und Aufs&tzen, 1878; Erziehung und Geschichte, 1881; Ober die Reize des Spiels, 1883; Padagogische Berichte, herausgegeben von A. Leicht, 1903; Die Sprache, Schmidt's Encyklopadie) in der Hauptsache gekennzeichnet. Was L. einmal von der Legendendichtung sagt, sie »sei nicht architektonisch, sondern nur ornamental* (Ethik des Judentums I, 36) gilt von der philosophischen Per- sonlichkeit und der schriftstellerischen Eigenart von L. : das Ornamentale erdriickt das Architektonische. Unter dem bizarren Schndrkel des Rede-

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. Q

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schmucks und einer schwellenden Rhetorik, die uns heute sprachlich etwa anmutet wie Barock im Baulichen, entgleitet uns unversehens die gerade Linie im Gedanklichen, das Monumentale, die dialektische Gotik. Nichts welkt schneller, als ein uberladener Stil, der den Zeitgenossen vielleicht mqndet, der nachfolgenden Generation aber siifilich, schal und bitter schmeckt. Zur Erklarung und Rechtfertigung dieser L. eigentiimlichen Darstellungsart, von welcher der gelassene, gefeiltere, vbrnehm unparteiliche Stil seines Schwagers Steinthal so wohltuend absticht, soil hier darauf hingewiesen werden, dafi L. von Hause aus der geborene philosophische Essayist und Redner, nicht aber ein geduldiger Forscher und folgerichtiger Zuendedenker war. Keines seiner Werke zeigt Geschlossenheit der Konzeption. Selbst das »Leben der Seele*, nach Aufien hin sein Hauptwerk, stellt sich der nachpriifenden Forschung als ein Sammelwerk dar, dessen einzelne Bestandteile zu verschiedenen Zeiten und bei mannigfaltigen Anlassen erfaflt und vorgetragen haufig nur lose zusammengehalten werden durch die Gemeinsamkeit des Titels und die ein- heitliche PersSnlichkeit des Verfassers. Ein systemgerechter Denker im Stile seines erbitterten Gegenfufllers, Hermann Cohen, war L. niemals, am aller- wenigsten in seiner »Ethik des Judentums« (Bd. I, 1899), iiber welche sich Cohen in der Braun'schen »Monatsschrift« (Bd. 43, S. 385 ff.) so herb und schroff, so mafilos abweisend ausgelassen hat. Will man diese »Ethik« iiber- haupt noch zu L.s philosophischen Werken, und nicht zu seinen (sogleich zu besprechenden) jiidisch-apologetischen oder richtiger theologischen Werken zahlen, so gebietet uns das wissenschaftliche Gewissen, unbeschadet aller Piet&t und herzlichen Verehrung, die wir der Persdnlichkeit des Lehrers zollen, das Werk in Methode und Aufbau als einen philosophischen Mifigriff zu bezeichnen.

Wenn ich am Eingange dieser Darlegungen L. mit Mendelssohn einen judischen Philosophen, und nicht, wie Spinoza, einen philosophierenden Juden nannte, so wollte ich nicht bloB auf seine praktische Wirksamkeit, als PrSsidenten zweier jiidischer Synoden (in Leipzig und Augsburg), als Mit- begrunder und Kurator der Berliner »Hochschule fiir die Wissenschaft des Judentums«, als AufklSrer und Verklarer des Judentums in Wort und Schrift (Was heiflt national?; Unser Standpunkt; An die deutschen Juden; Auf Moses Mendelssohn; Auf Michael Sachs; Rede auf Auerbach; Der Prophet Jeremi as), sondern wesentlich und vorzuglich auf seine »Ethik des Judentums« hinweisen. Dem aufieren Aufbau nach gewinnt es zu Anfang den Anschein, als habe man es mit einem methodisch durchgebildeten religionsphilosophischen System zu tun. Aber sehr bald verliert sich das Architektonische, urn dem Ornamentalen Platz zu machen. Der Spieltrieb gewinnt die Oberhand der Bautrieb tritt ganz in den Hintergrund. Von wirklichen Religions- philosophen Saadia, Bachja ibn Pakuda, Juda Halevi, Salomon ibn Gabirol, Abraham ibn Daud, den beiden Ibn Esra, Maimonides, Gersonides, Chasdai Creskas, und Josef Albo ist so gut wie nichts zu verspiiren. Die Mehr* zahl der Genannten wird nicht einmal erw&hnt, dafur aber ein so unsicherer Kantonist im Religionsphilosophischen wie Fassel herausgestrichen.

Das judische Schrifttum der talmudischen Zeit, in welchem L. der Absicht, wenn auch nicht dem vollen Umfange und der tiefgehenden Wirkung nach vorzugsweise orientiert ist, kennt einen halachischen (gesetzgebenden)

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und aggadischen (auslegenden) Teil. Letzterer arbeitet vorwiegend mit Allegorien und Analogien, mit symbolischer Deutung und Exegese, mit Legende und Mythos. Diese Allegorese ist keine Sondererscheinung der judischen Literatur, sondern eine Teilerscheinung einer generell verbreiteten Literaturgattung, jener Allegorese namlich, aus welcher auf hellenischer Seite die kynischen Wanderredner und ersten christlichen Prediger hervorgegangen sind, wahrend auf der jiidischen die sogenannte »midraschische« Literatur von der streng halachischen sich abzweigte. So haben die Stoiker z. B. Alle- gorese getrieben, indem sie die Richtigkeit irgend einer ihrer paradoxen Be- hauptungen durch das Alter der Autoritaten decken wollten, auf die sie sich beriefen meist auf Homer, Hesiod und Pindar. Da die homerischen Zitate zu ihrem Paradaxon meist nicht buchstablich und restlos passen wollten, so wurden sie so lange gedrechselt und grammatisch verrenkt, bis sie annahernd jenen Sinn ergaben, den der sprachgewandte Stoiker zur BekrSftigung seiner These gerade brauchte. Die quaternio terminorum und alle Arten wie Abarten der Zirkel- und Fehlschliisse, der Fang- und Trugschliisse, wie sie in den Sophisten- schulen heimisch waren, gelangten in der stoischen Allegorese zu hohem Ansehen. Ein paralleler Vorgang spielte sich in der talmudischen und midraschi- schen Literatur ab. Unter Zugrundelegung irgend eines Bibeltextes, der noch grtfBere Autoritat fiir sich in Anspruch nehmen konnte, als etwa der Homertext in den Augen der Stoiker, wird eine landl&ufige Wahrheit ent- weder gewaltsam in diesen Text hineingelesen, oder noch gewaltsamer aus ihm herausgelesen. Legenden, Parabeln, Analogien, Tropen, Gleichnisse, Scherz- worte, figiirliche Ausschmiickungen, zuweilen direkte Wortspiele (Calem- bourgs) werden zur Bekraftigung des Thema probandum herangezogen, aber der Triumph ist erst dann vollkommen und abschliefiend, wenn der Nachweis gelingt, dafi jenes »quod erat demonstrandum* schon offenkundig oder andeutend *in der Bibel steht«. Je versteckter, gesuchter, gepreflter jene Bibelstelle erscheint, damit sie den gewollten Sinn und beabsichtigten Nachweis hergibt, desto grofler ist die Kunst des Auslegens (Maggid). Von dieser Literaturgattung der Allegorese zweigt sich auf jiidischer Seite die Homilie, die sabbatliche Auslegung des Wochenabschnittes der Bibel, auf der christlichen die Predigt ab, der in der Regel ein biblischer Text untergelegt wird, dessen figiirliche Ausdeutung und Anpassung auf den aktuellen Fall die Kunst des Kanzel- redners ausmacht.

In dieser Kunst war L. unbestrittener Meister. Von alien Kanzelrednern, die ich je gehdrt habe, verstand es keiner, die Bibeltexte so sinnvoll und feinfuhlig, so kunstgerecht und wirkungsvoll dem behandelten Stoffe scheinbar ungezwungen und absichtslos einzufiigen und anzugliedern, wie L., wie es denn iiberhaupt wenige zeitgen6ssische Redner gegeben haben mag, die so zundend und elektrisierend die H6rer im Banne zu halten ver- mochten. Die imposante Erscheinung, der schone Gesichtsausdruck, das weiche, lachelnde, grundgiitige Auge, die feierliche Haltung verbunden mit einer melodiosen, einschmeichelnden Stimme und einer sorglich gefeilten, bestechend durchsichtigen Sprache das alles pradestinierte ihn zum Kanzel- redner. So ist er denn auch ein »JellinekI) des Katheders« genannt worden.

«) Jellinek (Prediger in Wien) war der berUhratcste judische Kanxelredner seiner Zeit.

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Der hSchste Ruhmestitel auf der Kanzel kann indes ein VerhSngnis auf dem Katheder sein. L. wurde namlich, auf Betreiben des Philologen Ribbeck, urn Ostern i860 an die Universitat Bern berufen, wo ihm eine auflerordent- liche Professur fiir VSlkerpsychologie iibertragen wurde. Die Berner Tatigkeit bezeichnet in jeder Richtung den HGhepunkt in seinem Leben. Hier las er iiber alle Gebiete der Philosophic vor einem aus alien Fakultaten sich rekrutierenden Auditorium. Hier stieg er in iiberraschend kurzer Zeit zum Dekan und ein akademisches Unikum gleichzeitig zum Rektor auf, in welcher Eigenschaft er die Universitat Bern gelegentlich einer akademischen Feier in Wien in so glanzender Rede vertrat, dafl die Hdrer jener merk- wiirdigen Improvisation heute noch, nach einem Menschenalter, den Ein- druck festhalten. Auch die in Bern entstandenen Arbeiten sind freilich, wie fast alles, was L. schrieb, Reden; so die Antrittsrede iiber »den Ursprung der Sitten«, so die Rektoratsrede »iiber die Ideen in der Geschichte«; end- lich die wichtigen Arbeiten »Verdichtung des Denkens in der Geschichte* und die (schon erwahnten) »synthetischen Gedanken zur V6lkerpsychologie«. Uber diesen Arbeiten liegt Sonne. Die v6llig andersartige Umgebung, der vertraute Freundeskreis, den er hier gefunden und bis zu seinem Tode treu bewahrt hat, der Kollegien- und Examenzwang das alles hat wissenschaft- lich derartig auf ihn eingewirkt, dafi er sich die Kanzelberedsamkeit, die ihm im Blute steckte, abzugewShnen schien, um sich der gedrungeneren akademi- schen Vortragsweise immer entschlossener anzunahern. In diesem Milieu hatte er ohnehin fiir seinen Hang zur Allegorese wenig Resonanz gefunden,

Zu seinem Ungluck verliefi L., ohne triftigen Grund, das geliebte Bern. Der Mangel an Ausdauer, der sich an seinen philosophischen Schriften ge- racht hat, hatte wohl den verhangnisvollen Entschlufl, die Berner Professur er war inzwischen Ordinarius geworden ohne jedes Aquivalent auf- zugeben, zur Reife gebracht. Die Verwaltung eines seiner Frau zugefallenen Vermdgens (Grundbesitz in Leipzig) und der Wunsch, grofiere gesellige Kreise in seinem gastlichen Hause zu vereinigen, mochten die aufleren Beweggriinde gewesen sein. L. war in Bern auf dem besten Wege, sich innerlich zu sammeln, zu geschlossener Arbeitsweise durchzuringen, manche Kanten ab- zuschleifen und Schlacken seines Wesens zu iiberwinden. Da trieb es ihn hinaus in das larmende Gesumme der Grofistadt oder auf seinen in der Nahe Leipzigs belegenen schSnen Landsitz (Schonfeld). Im Dezember 1865 nahm er seinen Abschied, nicht ohne auf sein Professorengehalt zu verzichten und den falligen Anteil dem schon erwahnten Lazarus-Preise zuzufiihren. Zwei Jahre privatisierte L. Michaelis 1868 begann er die ihm ubertragenen Vorlesungen an der Berliner Kriegsakademie, wo der damalige Kronprinz und nachmalige Kaiser Friedrich sein Horer und aufrichtiger Bewunderer war. Versuche Ribbecks, L. fiir Kiel zu gewinnen, scheiterten am Wider- stande der Theologen. VSllig unmotiviert wurden im Herbst 1872 L. die Vorlesungen an der Kriegsakademie wieder entzogen, indem man das Lehr- fach, das sich nur zu grofier Erfolge riihmen durfte, plfitzlich ganz eingehen liefi und bis auf den heutigen Tag nicht wieder in den Lehrplan der Kriegs- akademie aufgenommen hat. Bald darauf, im Mai 1873, hatte L. die Genug- tuung zum ordentlichen Honorarprofessor der Berliner Universitat ernannt zu werden, und hier hat er ein Vierteljahrhundert etwa als vielbewunderter

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Lehrer gewirkt. Zur Feier seines siebzigsten Geburtstages gewahrte ihm Kaiser Wilhelm den Titel eines Geheimen Regierungsrates und die Juristenfakultat der Universitat Bern ernannte ihn zum Ehrendoktor der Jurisprudenz. Das ^Hebrew Union College* von Cincinnati erteilte ihm den Titel eines Doktors der Theologie. Doch diese Auflerlichkeiten vermochten L., der im Jahre 1895 eine zweite Ehe mit der Schriftstellerin Nahida Remy einging, dariiber nicht hinwegzutauschen, dafl Bern fiir ihn das »verlorene Paradies« war und blieb. L. stattete mit seiner zweiten Frau, gleich nach der Eingehung seiner zweiten Ehe, Bern einen Besuch ab, um fiir die Ernennung zum Ehrendoktor zu danken, und die ganze Universitat versammelte sich zu seinen Ehren. An diesem Tage wurden mir die Worte klar, die L. einst seinem Freunde Graffunder schrieb: »Karri6re habe ich, mit Ausnahme der in der Schweiz, nicht gemacht.* Er hatte von Hause aus das Talent zu einem ganzen Philosophen, aber im Gewiihl und Getriebe des gerauschvollen Alltags, der geselligen Verbindungen, die er suchte und fand, der politischen Kleinarbeit, der agitatorischen Tatigkeit in Vereinen, der Verwaltungsarbeit in der ajiidischen Gemeinde« Berlins und der »Hochschule fiir die Wissenschaft des Judentums* usw. war vieles verzettelt und in Kleinmiinze verausgabt. Die Tatigkeit in den jiidischen Synoden vollends weckte in ihm jene latent gewordene »aggadistische« Rhetorik, die als gehOrtes Wort hypnotisierend gewirkt haben mag, aber als gelesene Rede sich heute recht abgeblaflt ausnimmt. Leider hat L. diesen Kanzelton, den er in Bern ziemlich abgelegt hatte, wieder aufgenommen, seinen spateren Schriften, besonders den apologetischen und polemischen einverleibt und schliefllich in die »Ethik des Judentums* ver- pflanzt, wo alles gut Geschaute, klar Erfafite und treffsicher Gepackte iiber- wuchert wird von einer uberuppigen Allegorese, einem Rankenwerk glanzend gedeuteter Midraschim und geistreich paraphrasierter Bibelworte, die sich in einer Predigtsammlung ebenso vortrefflich ausnehmen wiirden, wie sie in einem streng wissenschaftlichen Werk durchaus verfehlt sind.

Uber L.s Bedeutung fiir das moderne Judentum, seine Mendelssohnrolle in der zweiten Halfte des neunzehnten Jahrhunderts steht es uns an dieser Stelle nicht an, ein Urteil abzugeben. Dafl er nur das Gute gewollt hat, werden nicht einmal seine erbittertsten Feinde bestreiten; dafl er es aber immer erreicht hat, wagen selbst seine feurigsten Fiirsprecher nicht zu be- haupten. Eine kraftigere Mischung mit den edlen, vornehm-selbstlosen Eigenschaften seines Schwagers Steinthal hatte ihm wie intellektuell, so auch charakterlich treffliche Dienste geleistet. Denn mag er auch der Beste seiner Art gewesen sein, die Art selbst wird nicht als die beste gelten diirfen. Er hatte auch dem modernen Judentum unvergleichlich mehr sein kOnnen, wenn er weniger hatte sein wollen.

Miide und resigniert ist L. in Meran, mitten in der vorbereitenden Arbeit fur den zweiten Band seiner »Ethik des Judentums«, sorgsam gepflegt von seiner tapferen Gattin, fiir immer entschlummert. Fern vom Gerausch der Grofistadt ruht das Grab eines Denkers, dem die GroBstadt selbst zum Grabe geworden war.

Literatur ttber Moritz Lazarus: E. Berliner, Prof. Lazarus und die offentliche Meinung 1877; Thomas Achelis, Moritz Lazarus (Sammlung der Vrortrage von Virchow und Holtzen- dortT, Heft 333); B. Mlinz, 1900; M. Brasch, Nord und Slid, Sept. 1894; J. Wohlgemuth,

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Lazarus. Cremer.

1903; A. Leicht, Lazarus, der Begriinder der Vtflkerpsychologie, 1904. Auf die wissen- schaftliche Bedeutung von Lazarus gehen cin; Th. Ribot, La psyckologie allemancU eon- tcmporaine ; Bougie, Les sciences societies en Allemagne% 1896 (sehr liebevoll, die beste WUrdigung von Lazarus) ; Robert Flint, History of the Philosophy of History in France and Germany (letztes Kapitel); Ch. Rappaport, Zur Charakteristik der Methode und Haupt- richtungen der Philosophic der Geschichte (1904 franzbsisch erschienen), in meinen »Beraer Studien* Bd. Ill ; L. Schweiger, Philosophic der Geschichte, Volkerpsychologie und Soziologie in ihren gegenseitigen Beziehungen, »Berner Studien« Bd. XVIII; J. Goldfriedrich, Die historische Ideenlehre in Deutschland, Kapitel 5; The Jewish Encyclopedia, Bd. VII, 1905, Artikel Lazarus, all wo hebraische und cnglische Nachrufe in gr&fierer Anzahl angefuhrt werden.

Bern. Ludwig Stein.

Cremer, Hermann, Z>. thiol, und Dr.jur^ Prof. derTheologie, Kon sis tori al rat, * 18. Oktober 1834 in Unna (Westfalen), f 4. Oktober 1903 in Greifswald. In Halle und Tubingen theologisch vorgebildet und darauf uber 10 Jahre (1859 70) im geistlichen Amt als Pfarrer von OstSnnen bei Soest praktisch und wissenschaftlich bewahrt, wurde C. 1870 als ordentlicher Professor nach Greifswald berufen und hat dort, seit 1886 auch dem pommerschen Konsistorium angehorend und wiederholt in Provinzial- und Generalsynode t£tig, eine iiber- aus lebhafte Wirksamkeit als theologischer Lehrer wie auf dem Boden des kirchlichen und kirchenpolitischen Lebens entwickelt. »Denn umfangreiches Wissen, Scharfe des Denkens und Klarheit des Ausdrucks verbanden sich bei ihm in einzigartiger Weise mit Interesse und Sinn fur praktische Fragen . . . Wenn die juristische Fakultat ihm im Hinblick darauf honoris causa die WQrde eines Doctor juris verlieh, so entsprach diese von ihm dankbar empfundene Anerkennung durchaus der Wirklichkeit« (V. Schultze in »Greifswalder Ztg.«, vgl. Evangel. Kirchenztg. Sp. 1006). Mit schriftstellerischer Arbeit hat er friih begonnen; in der Stille seines westf&lischen Landpfarrhauses entstanden bereits die Schriften: »Die eschatologische Rede Jesu, Matth. 24 u. 25« (i860); »Der biblische Begriff der Erbauung« (1863); »Die Wunder im Zusammenhang der gottlichen Offenbarung« (1865); »Biblisch-theologisches Worterbuch der neutestamentlichen Gracitat« (1867), letzteres ein Werk, das, bis 1900 in neun Auflagen verbreitet, den Ruhm seiner theologischen Gelehrsamkeit begriin- dete. Noch gehoren der Zeit vor seiner Berufung nach Greifswald an die Ab- handlungen uber den »Zustand nach dem Tode« (1868, 1901 in 6. Auflage er- schienen), und liber »Vernunft, Gewissen und Offenbarung« (1869). Das theologisch-praktische Gebiet betrat er mit Schriften uber »Die kirchliche Trauung« (1875), »Aufgabe und Bedeutung der Predigt« (1877, 2. Auflage 1892); »Befahigung zum geistlichen Amt« (1878, 2. Auflage 1900); »Unterweisung im Christentum« (1884, 2. Auflage 1899), denen sich spaterhin die Streitschriften »Zum Kampfe um das Apostolikum« (1892, 7. Auflage 1893), uber »Duell und Ehre* (1894, 3. Auflage 1896), uber »Das Wesen des Christentums« (1902, gegen Harnack) anschlossen. Speziell theologisch-wissenschaftlicher Natur ist seine »Theologische Prinzipienlehre« (1884, 2. Auflage 1889), die Festrede im Luther- jahre uber »Reformation und Wissenschaft« (1884), die apologetischen Unter- suchungen uber den »Einflufi des christlichen Prinzips der Liebe auf die Rechtsbildung und Gesetzgebung« (1889), uber »Die Fortdauer der Geistes- gaben^ (1890), uber »Die Gebetsverheiflungen« (1891, 2. Auflage 1899), uber

Cremer. K tilling. 13c

»Glaube, Schrift und heilige Geschichte« (1896), iiber »Die christliche Lehre von den Eigenschaften Gottes« (1897), iiber »Weissagung und Wunder« (1900), iiber »Die Bedeutung der Gottheit Christi fiir die Ethik« (1901). In dem von Zdckler herausgegebenen »Handbuch der theol. Wissenschaften« (3. Auflage 1889) hat C. die Dogmatik bearbeitet. Einen bedeutsamen Beitrag zur neu- testamentlichen Theologie bildet seine »Paulinische Rechtfertigungslehre im Zusammenhange ihrer geschichtlichen Voraussetzungen« (1899, 2. Auflage 1900). Seinen zahlreichen Schiilern, die besonders in seinem homiletischen Seminar von ihm vielseitige Fftrderung empfingen, sowie einer dankbaren Horergemeinde hat er mit seiner Predigtsammlung: »Das Wort vom Kreuz« (1891, 3. Auflage 1900) eine bleibende Gabe hinterlassen. So hat sein Tod nach langerem Unwohlsein durch plOtzlichen Gehirnschlag einem ungewohnlich wirkungs- reichen Leben das Ziel gesetzt.

Ernst Cremer, Mitteilungen aus dem Leben und Heimgang von H. C, »Gedenk- btetter« 1904. Kohlschmidt

KdUing, Wilhelm, £>. theol., Pfarrer und Superintendent in Plefi, * 11. Sep- tember 1836 in Pitschen (Oberschlesien), f 21. Februar 1903 in PleB. Nach Ruckkebr aus dem Hause des Groflvaters, wo er seine Kindheit und erste Jugend verlebte, ins v&terliche Pfarrhaus Roschkowitz, kam K. verhaltnismafiig spat, erst im Alter von i5x/i Jahren, durch seinen Vater vorbereitet, auf das Magdalenen- Gymnasium zu Breslau, wo er sich indes bald durch eminente Arbeitslust und grofle Begabung insbesondere fiir alte Sprachen und Geschichte vorwarts brachte, so dafi er mit 21 Jahren zur Universitat Breslau ubergehen konnte. Eine Predigt, die er im sechsten Semester fiir den ihm befreundeten Pastor Buschke in Prochlitz hielt, bestimmte den dortigen Kirchenpatron, Grafen Ritt- berg, ihn zum Nachfolger des inzwischen verstorbenen Freundes zu designieren. So kam K. am 1. Oktober 1861 zunachst als Pfarrvikar nach dem drei Ortschaften umfassenden, fast ganz polnischen Kirchspiel, und hat nach wohlbestandenem zweiten Examen hier seit Juni 1862 als Pfarrer noch 11 Jahre mit Erfolg ge- wirkt. 1873 berief ihn der Fiirst von Plefi in die deutsche Gemeinde seines Stammsitzes; im folgenden Jahre wurde K. mit Superintendentur und Kreis- schulinspektion betraut. Seit 1881 gehOrte er der schlesischen Provinzial- synode an, die ihn von 1884 an wegen seiner allseitig anerkannten theologischen Gelehrsamkeit in die Prufungskommission fiir Theologiestudierende deputierte und 10 Jahre spater auch zur preufiischen Generalsynode entsandte. In dem Lehrkursus fiir positive Theologen, den 1896 der damalige Superintendent von Weferlingen (jetzt zweiter s&chsischer Generalsuperintendent) D. Holtzheuer als Gegenstiick zu den Bonner Ferienkursen in seinem Pfarrhause eingerichtet hatte, hat K. im ersten wie in den beiden folgenden Jahren iiber Dogmatik vorgetragen, und zwar ganz im Geist seiner altlutherischen Vorbilder und Glaubenszeugen M. Chemnitz, Joh. Gerhard und Agidius Hunnius und durch- aus auf dem Grunde des Dogmas wortlichster Verbalinspiration der Bibel. Diesem Dogma gait auch das zweite seiner literarisch-theologischen Haupt- werke (das erste ist die »Geschichte der Arianischen Haresie« 2 Bde. 1874/83): >Theopneustie« (1890/01), dem er 1890 die »Prolegomena zur Lehre von der Theopneustie« hatte vorausgehen lassen; nach K.s Darstellung sind die bibli- schen Schriftsteller kaum etwas anderes als mechanische Werkzeuge des den

1 36 Railing. Nehmiz.

Bibelwortlaut ihnen diktierenden heiligen Geistes. Diese »Diktattheorie« hat in K. ihren konsequentesten Verfechter in der Gegenwart gehabt. Ein anderes Zentraldogma fiir K.s Gedankenkreis war die Lehre vom heiligen Geiste und der Wesenstrinit&t Gottes iiberhaupt, die er auch gerade mit Bezug auf die dritte Person in der Gottheit nicht zu einer blofien »Offenbarungstrinitat« verfliichtigen lassen wollte; ihr ist seine »Pneumatologie oder die Lehre von der Person des heiligen Geistes« (1894) gewidmet. Seine letzte grofie theolo- gische Schrift gait der »Lehre von der stellvertretenden Genugtuung«, der y>Saiisf actio vicaria* Christi (2 Bde. 1897/99), die ira forensischen Sinne als Forde- rung der Gerechtigkeit Gottes gegeniiber unserer Schuld ihm der wesentlichste Punkt in der Lehre von der Versdhnung und Rechtfertigung war. Im Somtner 1900 erlitt er, wohl infolge der Oberanstrengung bei einer Generalvisitation, einen Blutsturz. Noch raffte er sich auf zu einer letzten kleinen Schrift selbst- biographischer Art: »4o Jahre im Weinberge Christi, lose Blatter als Beitrage zur praktischen Theologie« 1901; und noch einmal war es ihm 1902 vergftnnt, an den Arbeiten der theologischen Prufungskommission in Breslau und an einer Tagung des Lutherischen Vereins sogar als Vorsitzendcr und Vortragender teilzunehmen, ja im Herbst beschaftigten ihn neue theologisch-wissenschaft- liche Plane. Doch im Angesicht des nahenden Friihlings ward er aus seinem arbeitsvollen Leben durch sanften Tod abgerufen.

>Evangel. Rirchenztg.« 1903 Nr. 10, 12, 13. Kohlschmidt.

Nehmiz, Hugo, Generalsuperintendent, * 6. November 1845 *n Sagan, f 28. August 1903 in Breslau. Nur 2lj% Jahre hat N. als erster Geistlicher an der Spitze der Kirche seiner Heimatprovinz gestanden, der er in seiner geistlichen Arbeit auch nur diese kurze letzte Zeit seines Lebens angehort hat Er war geboren als Sohn des Superintendenten Adolf N. in Sagan, erhielt aber seine Gymnasialbildung auf der Klosterschule zu Rofileben in der Provinz Sachsen und ging 1863 zum theologischen Studium nach Halle, spater nach Tubingen (wo er sich besonders Becks Fiihrung hingab) und kehrte 1866 nach Halle zuriick, wo er im Sommer 1867 die erste theologische Priifung bestand. Eine kurze Tatigkeit als Hauslehrer in Hamburg brachte ihn in Verbindung mit dem damals an der Anschar-KapeJle dort wirkenden (sp&teren rheinischen Generalsuperintendenten) Wilhelm Baur, dessen Gehilfe in der Stadtmission er ward. Zwei Jahre darauf, im Mai 1869, legte er in Magdeburg sein zweites Examen ab und trat bald darauf als Domhilfsprediger hier sein erstes geist- liches Amt an. 1873 wahlte ihn die dortige St. Ulrichsgemeinde zu ihrem zweiten Prediger. Doch schon 1876 schied er von hier, um die Stelle des leitenden Geistlichen am Diakonissenhause Bethanien in Berlin zu ubernehmen. Nach fast i7Jahriger Arbeit, 1893, rief ihn von da die Domgemeinde nach Magdeburg zuriick, indem er zugleich dem Koniglichen Konsistorium als Rat beitrat. Um Ostern 1901 folgte er dem ehrenvollen Rufe in die Generalsuper- intendentur Schlesiens, doch schon als leidender Mann. Einzelne schwierige Zwischenfalle kirchenregimentlicher Art (Streit im Samariterordensstift Krasch- nitz, Versagung der Bestatigung des als Pfarrer in Liegnitz gewahlten P. Dr. Franke) mogen seine Gesundheit weiter untergraben haben. Sein Begrabnis am 31. August bezeugtc aber weitgehende Liebe und Anerkennung, die er sich in kurzer Zeit erworben. Der plotzliche Tod des Prasidenten des Preulii-

Nehmiz. Schultz. Gitlbauer. 137

schen Oberkirchenrates D. Barkhausen wahrend der Trauerfeier im Hause hat dieselbe zu einer einzigartig erschutternden werden lassen.

Kohlschmidt.

Schultz, Heinrich Hermann, D. theoL, Dr.phiL, Prof, und Konsistorialrat, Abt von Bursfeldc, *3o. Dezember 1836 in Liichow (Hannover), f 15. Mai 1903 Gottingen. In Gottingen und Erlangen hat S. 1853 56 sein theologisches Studium absolviert, in Gottingen hat er von 1876 an fast drei Jahrzehnte als theologischer Lehrer gewirkt und seiner hannoverschen Heimat den Hauptteil seiner Lebensarbeit gewidmet. Nach kurzer Lehrtatigkeit in Hamburg (1857 bis 1859) trat er a's Repetent, 1861 als Privatdozent dem theologischen Lehr- korper seiner Heimatuniversitat bei. Bereits 1864 berief ihn Basel als ordent- lichen Professor fiir alttestamentliche Theologie; 1872 siedelte er als solcher an die neuerrichtete Straflburger Fakultat uber. Schon zwei Jahre spater folgte er einem Rufe nach Heidelberg, und wieder zwei Jahre darauf durfte er in Gottingen seinen Lehrstuhl dauernd aufschlagen. 1881 trat er hier ins Kon- sistorium ein und erhielt 1890 die Wiirde eines Abts von Bursfelde. Am be- kanntesten und einfluBreichsten unter seinen theologischen Werken ist das Lehrbuch der alttestamentlichen Theologie geworden, das von 1869 bis 1895 funf Auflagen erlebte, 1892 auch ins Knglische ubersetzt wurde und von Auflage zu Auflage mehr den Ergebnissen der historisch-kritischen Bibel-Wissenschaft Rechnung trug, so dafi es zu einem recht eigentlichen »Studentenbuch« wurde. Doch auch Fragen der Dogmatik, der Kirchengeschichte und der kirchlichen Praxis sind von ihm behandelt worden : so erftrterte seine Habilitationsschrift von 1 86 1 »Die Voraussetzungen der christlichen Lehre von der Unsterblich- keit«; 1869 nahm er »Zu den kirchlichen Fragen der Gegenwart« das Wort und behandelte »Die Stellung des Glaubens zur heiligen Schrift« (2. Auflage 1877). 1881 veroffentlichte er die drei kleinen Schriften: »Die Lehre von der Gottheit Christi% »Das katholische und das evangelische Lebensideal« und »Zur Lehre vom heiligen Abendmahl«, die beiden erstgenannten Themen spezifisch im Sinne der Ritschl'schen Schule. Sein »Grundrifl der evangelischen Dogmatik« von 1890 erschien nach zwei Jahren in 2. Auflage, zwischenein(i89i)ein »Grundrifi der evangelischen Ethik« (2. Auflage 1897) und bald (1894) der »Grundrifl der christlichen Apologetik«. So waren bei ihm vor den alttestamentlichen die systematischen Fragen in den Vordergrund getreten. Doch ergriff er auch 1892 noch einmal das Wort uber die 10 Jahre spater durch den Bibel-Babel-Streit so brennend gewordene Frage: »Das Alte Testament und die evangelische Gemeinde«. Erst nach langem und schwerem Leiden hat der Tod seiner riistigen Arbeitskraft das Ende gebracht. Kohlschmidt.

Gitlbauer, Michael, Dr. phiL, Professor der klassischen Philologie an der Wiener Universitat, * 3. September 1847 zu Leonding bei Linz in Obertister- reich, f 31. Mai 1903 zu Wien. Sohn eines armen Schmiedes, besuchte G. das Gymnasium zu Linz, trat 1865 in das Augustiner-Chorherren-Stift St. Florian bei Linz ein, wurde 1870 zum Priester geweiht, fungierte zwei Jahre als Hilfs- priester in Ried, dann als Kustos der ansehnlichen Munzensammlung des Stiftes, auch kurze Zeit als Professor der Moral am theologischen Hausstudium des Stifts. 1873 bezog er die Wiener Universitat auf drei Jahre zu philo-

1^8 Gitlbauer.

logischen Studien, die er ein weiteres Jahr an der Berliner Universitat fort- setzte, wo er auch in Mommsens Seminar arbeitete. 1876 erwarb er das Doktorat, 1877 habilitierte er sich in Wien mit einer Schrift tiber den Sltesten Wiener Livius-Kodex. 1879 wurde er zum auflerordentlichen Professor ernannt, 1900 erhielt er den Titel eines ordentlichen Professors. Er leitete das philo- logische Proseminar.

G. war ein Schiiler Wilhelms von Hartel. Er verliefi aber immer mehr jene Prinzipien der konservativen Kritik, die sich heute zum Vorteil einer gedeihlichen wissenschaftlichen Entwicklung durchgesetzt haben. Er suchte uberall Neues, Gewagtes, Kiihnes auf. Darin lag seine Bedeutung, aber auch seine Tragik. Denn wahrend er einerseits mit Recht auf die Unsicherheit aller unserer handschriftlichen t)berlieferung aufmerksam machte, vertraute er doch anderseits in einem bisher kaum erhorten Grade den Hilfsmitteln moderner Kritik und Methode. Er begniigte sich nicht mit vorsichtiger Skepsis und mit der Feststellung der grofieren oder geringeren Glaubwiirdig- keit der Uberlieferung; er versuchte oft in uberkiihner Weise das Urspriing- liche herzustellen. So war er der Uberzeugung, dafi unser jetziger Casartext ein Erzeugnis antiker Schulpedanterei sei. Casar selber habe in uniibertreff- licher Pragnanz einfach geschrieben: »Galliae partes tres.* Das sei in den Schulen mannigfach erlauternd ausgefiillt worden, bis der schwerfallige Satz unserer Vulgata entstand: *Gallia est omnis divisa in partes tres*. Er suchte diese Wandlung mit Scharfsinn und Griindlichkeit aus alien Varianten der Handschriften exakt zu erweisen. Ahnlich zeigte er, wie aus Ciceros ursprung- lichem echten Ausruf +Qiwusque tandeml* allmahlich der jetzige vollstSndigere, aber mattere Satz entstanden sei tQuousque tandem abutere, Catilina, patientta nostra!*

Die griechischen Tragodien waren ihm in ihrer jetzigen Textgestalt ahn- liche Aufschwellungen des urspriinglich viel knapperen Dialogs. Und zwar waren es schon die nachsten Erben der Tragiker oder die Dramaturgen der nachsten Generation gewesen, die solche erweiterte Ausgaben veranstaltet hatten. Der plausible Grund dazu ware darin gelegen, dafi die Dramen nur bei ihren Urauffiihrungen den Schmuck der musikalischen Chdre hatten. Als mit dem Ende des 5. Jahrhunderts der kostspielige Chor abkam, hatte man das Bediirfnis gefiihlt, den Abgang durch reichlicheren, rhetorischeren Dialog zu ersetzen.

In den griechischen Rednern suchte er den kunstvollsten Numerus nach- zuweisen, so dafi die also erhaltenen Gebilde sich fast den Gesetzen der Vers- und Strophenbildung zu unterwerfen schienen. t)berhaupt setzte er sowohl fur den prosaischen wie fur den poetischen Ausdruck der Griechen eine be- wufite Gesetzlichkeit voraus, wie sie bisher unerhort war.

Das weiteste Interesse erregte sein Versuch, nachzuweisen, dafi die Ger- mania des Tacitus ein Lehrgedicht, in jambischen Senaren abgefaflt, darstelle. Er bemiihte sich, durch die geringsten Veranderungen des Textes, meist durch blofies Umstellen der Worte die urspriinglichen Verse wiederherzustellen. Aber gerade der Unglaube und der Widerstand, den diese Aufstellung erfuhr, hat ihn immer mehr verbittert und wohl auch seine Krankheit und seinen Tod beschleunigt. Er hatte bereits eine kostspielige Ausgabe der Germania drucken lassen, die durch Anordnung der Lesarten in vier Farben eine un-

Gitlbauer.

139

mittelbare Anschauung des ursprunglichen und des jetzigen Verh&ltnisses des Textes geben sollte. Denn er meinte auch hier, dafi schon die antiken Hand- schriften zum Schulgebrauch eine Auflosung der poetischen in die prosaische Worrfolge begonnen hatten. So viel er gerade auf diese Entdeckung und auf die Methode ihrer kritischep Beweisfuhrung hielt, so hat er doch in letzter Stunde die Ausgabe des fertigen Druckwerks aufgegeben. Ich weifi nicht, ob er sie auf einen spateren giinstigeren Zeitpunkt verschieben wollte, wie er selber andeutete. In seinem Nachlafi haben sich einige vollstandig ge- druckte Exemplare vorgefunden.

G.s Hauptpublikation sind seine »Kritischen Streifziige«, eine Sammlung mannigfaltiger Aufsatze aus alien Gebieten der Philologie. (Freiburg im Breis- gau 1886, Herder. 8°, XI u. 481 S.)

Seine andern philologischen Schriften sind: +De Codice Liviano vetustissimo Vindoboncnsi.* Wien 1876, Gerold. 8°, IV u. 133 S. »Sophokleische Studien.« Sep.-A. a. d. Zschr. f. d. osterr. Gymn. XX VIII. 1877. »Verbesserungsvorschlage zu Ciceros Epp. ad fam.« Sep.-A. aus »Wiener Studien«. 1879. »Ein Wort uber Madvigs Emtndationes Livianae.* Zschr. f. d. osterr. Gymn. 1878. »Pa- laographische Nachlese.« Zschr. f. d. osterr. Gymn. 1878.

Textausgaben veranstaltete er von Horaz (Wien 1881, Gerold), von Babrius (Wien 1882, Gerold), von Cornelius Nepos (Freiburg i. Br. 1883, Herder; 4. Auf- lage 1893, dazu auch eine Ausgabe *with a Vocabulary in English*), von Casars gallischem Krieg (Freiburg i. Br. 1884 u. 1885, Herder), von Platons Laches (Freiburg i. Br. 1884, Herder), von Tacitus Annalen (Freiburg i. Br. 1887, Herder). Die Antigone des Sophokles hat er nach den bereits erwahnten kiirzenden Prinzipien und »nach eigener Sichtung des griechischen Textes« ubersetzt (Allg. Bucherei, Wien Nr. 6, Braumiiller; mit Vertonung der Gesangsteile durch Richard Kralik). Bedeutsam fiir seine Methode ist besonders: P. Terenti Adelplwe. Principia critica secutus ab usitatis diversa recensuit M. G. Cum specimine editionis quadricoloris (Wien 1896, Fr. Doll).

G. war aber vor allem Spezialist auf dem Gebiete der antiken Tachy- graphie. Hier hat sein Scharfsinn groflte Anerkennung errungen. Darauf beziehen sich folgende Veroffentlichungen: »Die Oberreste der griechischen Tachygraphie im Codex Vat. Gr.« Zwei Abteilungen. Denkschriften d. kais. Akad. d. W. Phil.-hist. Klasse, XXVIII 1878 u. XXXIV 1884 (auch Separatab- druck). Transskription und orientierende Bemerkungen zu den zwei tachy- graphischen Tafeln XXVI u. XXXI in »Schrifttafeln zur Gesch. d. griech. Schrift« von W'ilh. Wattenbach. 2. Heft. Berlin 1877. »Gardthausen und die griech. Tachygraphie«, Beilage zum Korrespondenzblatt des Kgl. stenogr. In- stituts zu Dresden, 1879 Nr. 5, S. 18 ff. »Die Stenographic der Griechen und R6mer« (Sep.-A. aus dem »Vaterland«). Wien 1894, Fr. Doll. Mit einer Beilage. »Die drei Systeme der griechischen Tachygraphie. « Mit 4 Tafeln. Denkschr. d. kais. Akad. d. W. Phil.-hist. Klasse XLIV, 1886, auch separat. »Zur altesten Tachygraphie der Griechen. « Festbuch zur hundertj. Jubelfeier der deutschen Kurzschrift. Herausgeg. v. Dr. Chr. Johnen. Berlin 1896. Verlag von Ferd. Schrey. »Studien zur griechischen Tachygraphie. « Archiv fiir Stenographic von Dr. Curt Dewischeit, Berlin. 53. Jahrg. 1901 u. 54. Jahrg. 1902.

G. hat auch gedichtet, lateinisch und deutsch. Hierher gehoren niehrere Novellen, unter dem Pseudonym Burgholz in Zeitschriften veroffentlicht, latei-

1^0 Gitlbauer. von Salmuth.

nische Gedichte an Papst Leo XIII. und andere Persbnlichkeiten, deutsche lyrische und scherzhafte Gedichte in Anthologien und in Gelegenheitsdrucken. Shakespeares »Sturm« hat er »nach eigener Sichtung des englischen Textes« iibersetzt fiir das 5. Heft der Allg. Biicherei (Wien, Braumiiller).

Als Mitredakteur des Wiener »Vaterlan<^« hat er vor allem zahlreiche Leitartikel iiber franzosische Verhaltnisse und Politik geschrieben. Eine »Rede am Stiftungsfest des katholischen Studentenvereins Austria«, die 1881 bei F. Eipeldauer, Wien, gedruckt wurde, hat viel Aufsehen und ihm manche Verdriefllichkeit erregt.

Sein handschriftlicher Nachlafi enthalt aufier seinen Kollegienheften eine Sammlung sorgfaltig ausgearbeiteter Predigten. Nur zwei davon sind gelegent- lich im Druck erschienen: »Maria, ein dreifaches Vorbild des Priesters.* Freiburgi.Br. 1884, Herder. »DasPriesteramt ein Engelamt.« Linzi89i,Sobotka.

Von eigenen Erlebnissen erzahlen lebendig die »Reisebilder aus Schwaben- land und der Schweiz.« Wien 1883, Kirsch.

Unvollendet geblieben ist die kritische Ausgabe der Psalmenkommentare des heil. Augustinus, die er fiir die Sammlung der lateinischen Kirchenvater im Auftrag der Wiener Akademie der Wissenschaften vorbereitete. Die Reisen, durch die er sich in den Besitz des handschriftlichen Apparats setzte, haben seine Lebenskraft, die schon durch Enttauschungen auf seiner wissenschaft- lichen Laufbahn im innersten angegriffen war, vollends erschSpft. Von Haus aus eine frohmiitige, naive, fast kindliche Natur, sanguinisch, liebenswiirdig, vertrauensvoll , freundschaftsbediirftig, unterlag er im Kampf fiir seine origi- nellen Anschauungen, die er bis in ihre letzten Konsequenzen zum Siege zu fuhren verzagen muflte. Seine geistvolle Arbeit wird nicht ganz vergebens sein. Manche seiner Grundsatze werden bei vorsichtigerer Behandlung einst noch der Philologie zum Nutzen oder zur Anregung gereichen kSnnen.

Richard v. Kralik.

Salmuth, Ludwig Frhr. von, General der Kavallerie, * 1. August 182 1 zu Ballenstedt a. H., f 19. Januar 1903 in Schoneberg b. Berlin. 1840 als Fusilier mit der Aussicht auf Beforderung in das 9. Infanterie-Regiment ein- getreten, riickte S. bereits in demselben Jahre zum Portepeefahnrich auf und liefi sich als solcher im Dezember zum 10. Husaren-Regiment versetzen, wo er kaum ein Jahr spater zum Sekondeleutnant avancierte. 1847 nahm er an dem franzosischen Feldzuge in Algier teil, wobei er leicht verwundet wurde. In die Heimat zuruckgekehrt, war S. 1848— 1849 zur Militar-Lehrschmiede, 1849 185 1 zur Militar-Reitschule kommandiert, wurde 1853 Adjutant der

7. Kavalleriebrigade, im April zum 8. Husaren-Regiment versetzt und im Fe- bruar 1854 Adjutant der 7. Division. Als solcher stieg er nach einigen Mo- naten zum Premierleutnant auf und erhielt im August 1857 seine Ernennung zum Rittmeister. In diesem Dienstgrade im Oktober in die Front zuriick- versetzt, erhielt S. zunachst die Fuhrung einer Schwadron des damaligen

8. Landwehr-Husarenregiments, wurde 1858 Eskadronschef und 1859 zum Garde-Kurassierregiment versetzt. Bei der Reorganisation der preufiischen Armee fiihrte S. zuerst eine Schwadron des kombinierten Garde-Dragoner- regiments, erhielt i860 eine solche als Chef in dem neuformierten 2. Garde- Dragonerregiment und im Juni 1864 das Kommando als Adjutant des

von Salmuth. von Schulenburg. ia\

Generalkommandos des Gardekorps. 1866 zum Major befordert, nahm er in dieser Stellung an dem Feldzuge von 1866 gegen Osterreich, und zwar an den Gefechten von Nachod, Soor und Koniginhof sowie an der Schlacht bei K5niggratz teil, wurde Ende Oktober von seinem Kommando enthoben, etats- mafiiger Stabsoffizier in seinem Regiment und 1868 Kommandeur derBliicher- husaren (Pommersches Husarenregiment Nr. 5) in Stolp. 1869 zum Oberst- leutnant aufgestiegen, fuhrte S. seinen Truppenteil 1870 in den Krieg gegen Frankreich und machte dort die Schlacht bei Sedan, die Einschlieflung von Paris, die Gefechte bei Petit Bic&tre, bei Marolles und Artenay, das Treffen bei Coulmiers, die Schlacht bei Orleans, das Gefecht bei Meung, die Schlacht bei Beaugency-Cravant usw. mit. Fur vor dem Feinde bewiesene Tapferkeit erhielt S. beide Klassen des Eisernen Kreuzes sowie verschiedene andere hohe Auszeichnungen. 187 1 zum Oberst befdrdert, bekam er das Kommando der 7. Kavalleriebrigade, wurde 1876 Generalmajor und als solcher 1881 mit der Fiihrung der 7. Division beauftragt, an deren Spitze er 1882 als General- leutnant trat. Als solcher leitete S. die Kavallerieiibung beim IV. Armee- korps und nahm 1887 den Abschied. 1895 erhielt er den Charakter als Ge- neral der Kavallerie.

Nach den Akten. Lorenzen.

Schulenburg, Werner von der, Generalleutnant, *3o. Januar 1836 zu Glogau, f 9. Oktober 1903 zu Potsdam. Aus dem Kadettenkorps als Portepee- f&hnrich dem Infanterie-Regiment Nr. 20 iiberwiesen, avancierte S. 1857 #zum Sekondeleutnant, war i860 zur Gewehr-Priifungs-Kommission in Spandau kommandiert, wurde darauf zum Infanterie-Regiment Nr. 60 versetzt und 186 1 beim Landwehr-Regiment Nr. 20 beschaftigt. Im Feldzuge von 1864 in Schleswig focht er mit seinem Truppenteil bei Windebye und Missunde gegen die Danen, nahm an der Belagerung und Erstiirmung der Duppeler Schanzen teil und zeichnete sich bei dem Obergang nach der Insel Alsen aus, so dafi er aufier einer Belobigung noch den Roten Adler-Orden IV. Kl. mit Schwertern erhielt. WShrend des Krieges wurde S. 1864 zum Premierleutnant befordert, war nach dem Frieden als Adjutant des 3. brandenburgischen Landwehr- regiments Nr. 20 kommandiert, machte 1866 im Feldzuge gegen Osterreich die Schlacht bei Koniggratz mit und fungierte von 1866 1868 als Regiments- adjutant, in welcher Stellung er drei Monate in Neu-Strelitz bei Einrichtung des neuen Landwehr-Bezirkskommandos tatig war. 1869 zum Hauptmann und Adjutanten der 11. Division ernannt, am folgenden 18. Juni unter Belassung in seinem Kommando zum westpreuflischen Fusilier-Regiment Nr. 37 versetzt, trat S. 1869 als Adjutant zum General-Kommando des III. Armeekorps iiber und machte bei diesem den deutsch-franzosischen Krieg von 1870/71 mit. Er nahm wfthrend desselben an den Schlachten bei Spicheren, Vionville und Gravelotte, der Einschlieflung von Metz, dem Gefechte bei Bellevue, der Schlacht bei Beaune la Rolande, dem Gefechte bei Bellegarde, der Schlacht bei Orleans, den Gefechten bei Gien, Coulommiers, Azai-Mazange, Epuisay, Montaill£ und Ardenay, sowie an der Schlacht bei Le Mans teil und wurde nach der Riickkehr in die Heimat 1873 als Kompagniechef in das 8. branden- burgische Infanterie-Regiment Nr. 64 versetzt. 1876 erfolgte mit der Beforde- rung zum Major S.s Versetzung in die Abteilung fur personliche Angelegen-

f a 2 von Schulenburg." von Gemmingen. von Hoffmann.

heiten im Kriegsministerium, welche Stellung er 1882 mit der eines Bataillons- kommandeurs im 3. thuringischen Infanterie-Regiment Nr. 71 vertauschte, bis er im Januar 1884 als Oberstleutnant und etatsmafiiger Stabsoffizier in das hohenzollernsche Fusilier-Regiment Nr. 40 kam. 1887 mit der Fiihrung des 6. brandenburgischen Infanterie- Regiments Nr. 52 beauftragt, erhielt er am 14. Mai jenes Jahres das Kommando dieses Truppenteils als Oberst, das er bis zum 24. Marz 1890 behielt, an welchem Tage er, zum General aufgeriickt, Kommandeur der 19. Infanterie-Brigade wurde. In dieser Stellung verblieb er bis zu seiner erbetenen Verabschiedung 1892.

Nach den Akten. Lorenzen.

Gemmingen, Julius Frhr. von, General der Infanterie, * 15. Juli 1844 zu Grunau in Westpreufien, f 23. Oktober 1903 zu Berlin. Nach beendigter Ausbildung im Kadettenkorps wurde G. 1862 als Sekondeleutnant in das Garde-Fusilier-Regiment eingereiht. 1866 wurde er dem Ersatzbataillon des Regiments zugeteilt, nach Beendigung des Feldzuges zum Adjutanten des 3. Bataillons ernannt und 1867 in das anhaltische Infanterie-Regiment Nr. 93 versetzt. Auch bei diesem Truppenteil fungierte G. zunachst als Adjutant des Zerbster Bataillons und darauf als Regimentsadjutant, als welcher er 1869 zum Premierleutnant aufriickte. Im Feldzuge von 1870/71 nahm er an der Unternehmung gegen die Festung Toul, an den Schlachten bei Beaumont und Sedan sowie an der Belagerung von Paris teil und wurde nach der Ruckkehr in die Garnison 1873 von der Stellung als Regimentsadjutant enthoben. In demselben Jahr zum Hauptmann und Kompagniechef befttrdert, trat G. 1877 in den Grofien Generalstab uber und wurde am 25. April 1878 in den General- stab der 21. Division in Frankfurt a. M. versetzt, wo er 1881 zum Major avan- cierte, in welchem Dienstgrade er 1882 zum Generalstabe des XI. Armeekorps in Kassel kam. 1884 unter Riickversetzung in den Grofien Generalstab zum Kriegs- ministerium kommandiert und im Juli desselben Jahres zum Allgemeinen Kriegs- departement versetzt, tat G. vom Juli 1867 ab beim 3. Garde-Regiment z. F. Dienst, wurde Bataillons-Kommandeur in diesem Regiment und kam 1888 als Oberstleutnant und etatsmafiiger Stabsoffizier in das 7. thiiringische Infanterie- Regiment Nr. 96. 1888 zum Chef des Generalstabes VII. Armeekorps ernannt, riickte G. 1890 zum Oberst auf, wurde 1892 Kommandeur des 4. Garde-Regi- ments z. F. und trat 1894 als Generalmajor zu den Offizieren von der Armee uber. Einige Zeit darauf zum Kriegsministerium kommandiert, ubernahm G. die Leitung des Militar-Okonomie-Departements, wurde 1897 Generalleutnant, 1898 Kommandeur der 8. Division, 1901 vielgeriihmter Pr&sident des neu- errichteten Reichs-Militargerichts. Seine Beforderung zum General der In- Infanterie erfolgte 1902.

Nach »Milit&r-Zeitung«. Lorenzen.

Hoffmann, Karl Ritter von, K6nigl. Bayerischer General der Infanterie, * 2. Dezember 1832 zu Regensburg, f 3. Februar 1903 zu Munchen. Nach Durchlaufen der unteren Dienstgrade wurde H. 1853 zum Leutnant, 1861 zum Oberleutnant, 1866 zum Hauptmann im Infanterie -Leib- Regiment befdrdert. Als solcher nahm er an dem Kriege gegen Preufien teil und zeichnete sich im Feldzuge von 1870/71 gegen Frankreich bei W5rth aus. Namentlich aber

von Hoffmann, von Bumke. J43

bewahrte er in dem blutigen Ringen urn Bazcilles in der Schlacht bei Sedan eine ganz bewundernswcrte Ruhe und Kaltbliitigkeit. Hier liefi er, als eine franzosische Kompagnie mit gefalltem Bajonett auf die seinige losstiirmte, Halt machen und nachdem der Feind auf etwa ioo Schritte herangekommen war, zur Salve anlegen. Als H. bemerkte, daB einige seiner Leute hierbei muckten, liefi er in aller Ruhe wieder absetzen und kein Mann feuerte trotz der Nahe der Gefahr, aber es muckte auch keiner als nun zum zweiten Male angelegt wurde, und auf das Kommando »Feuer« rollte die Salve dem Feinde auf 50 Schritt Entfernung entgegen. Der Sturm war abgeschlagen. H. behauptete dann noch einige Zeit hindurch seine Stellung, muflte sich endlich aber mit einem Verlust von 43 Toten, darunter 3 Offiziere, zuriickziehen. Auch im Ge- fecht bei Villepion tat H. sich ruhmvoll hervor, nahm in der Schlacht bei Loigny-Poupry ein bereits an die Franzosen verloren gegangenes Wald- stiick wieder und vertrieb bei Orleans den Feind zweimal mit dem Bajonett aus seinen Stellungen. In der Schlacht bei Beaugency-Cravant wurde er ver- wundet. Nach dem Feldzuge trat H. zum Generalstabe iiber, riickte 1873 zum Major und 1876 zum Oberstleutnant auf, als welcher er an die Spitze des 4. In- fanterie-Regiments Konig Karl von Wurttemberg trat. In dieser Stellung zum Oberst befordert, erhielt er unter Stellung a la suite der Armee 1885 das Patent als Generalmajor, wurde am 1. Dezember zum Kommandanten von Ulm, 1886 zum Kommandeur der 6. Infanterie-Brigade, und 1880 zum Generalleutnant er- nannt. Am 9. Mai jenes Jahres trat H. als Kommandeur an die Spitze der 3. Division und wurde am 23. Mai 1893 Chef des Generalstabes auch mit Wahr- nehmung der Geschafte als Inspekteur der Militar-Bildungsanstalten beauftragt. Mit dem Charakter als General der Infanterie erhielt er 1895 den nachge- gesuchten Abschied.

Nach »Militar-Zeitung«c. Lorenzen.

Bumke, Julius von, Generalleutnant, * 21. Mai 1832 zu Zehdenick im Kreise Templin, f3i. Januar 1903 zu Berlin. Nach vollendeter Erziehung auf der Ritterakademie in Brandenburg a. H. bezw. im Gymnasium zum grauen Kloster in Berlin, wurde B. 1849, a's Pionier auf Beforderung dienend, in die 5. Pionier-Abteilung eingestellt und ein Jahr spater zur 3. Pionier-Abteilung versetzt. Wahrend des Besuches der Vereinigten Artillerie- und Ingenieur- schule in Berlin 1850 1853 riickte er 1852 zum Sekondeleutnant auf und trat nach Verlassen der Schule zur 8. Pionier-Abteilung iiber. Drei Jahre spiter zum Adjutanten der 7. Pionier-Abteilung ernannt, kam B. 1859 zum Fortifikationsdienst nach Mainz, wo er zum Premierleutnant avancierte. 1862 der 2. Reserve-Pionier-Kompagnie iiberwiesen, besuchte er von 1861 1864 die Kriegsakademie in Berlin, war im Anschlufi hieran zur Ausbildung in der franzSsischen Sprache auf zwei Jahre nach Paris kommandiert, erhielt 1864 das Hauptmannspatent und fand nach seiner Ruckkehr Verwendung als Ad- jutant der 3. Ingenieur-Inspektion, in welcher Eigenschaft er bis zum Aus- bruche des Krieges von 1866 t&tig war. Den Feldzug machte er im Siid- westen von Deutschland mit, wurde 1866 dem Chef des Generalstabes der Armee zugewiesen, kam im Oktober zum Generalstabe des VIII. Armeekorps, machte im Jahre 1867 eine Erkundungsreise nach Frankreich und avancierte 1868 zum Major. 1869 hielt B. sich zu Erkundungszwecken abermals zwei

\aa von Bumke. Hochapfel.

Monate hindurch in Frankreich auf und zog bei Ausbruch des Krieges von 1870/71 im Generalstabe seines Armeekorps iiber die franzOsische Grenze, wo er an den Schlachten bei Spicheren, Vionville und Gravelotte, der Belagerung von Metz, an dem Gefecht bei Bertaucourt les Thennes, an der Schlacht bei Amiens, an dem Gefecht bei Buchy sowie an den Schlachten an der Hallue, bei Bapaume und St. Quentin teilnahm. Als General v. Goeben im Januar 1871 den Oberbefehl iiber die 1. Armee iibernahm wurde B. mit der Fiihrung der Geschafte als Ober-Quartiermeister beauftragt und vertrat sp&ter den Chef des Stabes der Armee. Fur seine Verdienste mit dem Eisernen Kreuz 2. und i. Klasse sowie mit dem Orden four It miritt ausgezeichnet, erhielt er im Marz das Kommando des I. Bataillons Infanterieregiments Nr. 74, avancierte 1873 zum Oberstleutnant und wurde 1874 mit Fiihrung der Geschafte als Chef des Stabes der General-Inspektion des Ingenieurkorps und der Festungen beauf- tragt. 1875 zum Chef des Stabes der genannten General-Inspektion, 1876 zum Oberst, 1882 zum Generalmajor, 1883 zum Inspekteur der 2. Ingenieur-Inspek- tion sowie zum Prases der Priifungs-Kommission des Ingenieurkorps und 1885 zum Inspekteur der 3. Ingenieur-Inspektion ernannt. 1887 wurde ihm der Charakter als Generalleutnant, 1896 der Adel verliehen.

Nach »Milit&r-Zeitungc Lorenzen.

Hochapfel, Helwig Reinhard, Maler, * 28. April 1823 zu Cassel, f 7. Juni 1903 daselbst. H. war ein Sohn des Hofschlossermeisters Heinrich H. zu Cassel. Seine kiinstlerische Ausbildung erhielt er auf der dortigen Kunst- akademie, wo Werner Henschel, Ruhl, L. Grimm u. a. seine Lehrer waren. Nach mehrjahrigem Aufenthalt in London und Miinchen liefi er sich 1849 als Dekorationsmaler in seiner Vaterstadt nieder. Seine dekorativen Arbeiten wurden sehr geschatzt. So malte er u. a. 1857 die Trinkhalle zu Bad Nauheim und das Innere des Casseler Hoftheaters. Die neun Musen an der Decke des Zuschauerraums schuf er nach Skizzen seines Schwagers, des Schlachten- malers Adolf Northen aus Hann.-Mlinden (f 1876), mit dessen Schwester Char- lotte er seit 1852 in glucklicher Ehe lebte. Auch im WilhelmshOher Schlofi hat er mancherlei kiinstlerische Arbeiten ausgefiihrt, den grofien Stammbaum des hessischen Fiirstenhauses im Kuppelsaal vollendet und den Rittersaal der L5wenburg ausgemalt. Die Innendekoration des Schlosses zu Friedelhausen (Rabenau) sowie die der neuen Casseler Gemaldegalerie ist gleichfalls zum groBen Teil unter seinen H&nden entstanden. H. machte zuerst seine Mit- biirger, die ihn seit 186 1 in den Biirgerausschufi bezw. Stadtrat gewahlt hatten, in der »Hessischen Morgenzeitung« auf die SchSnheiten des »malerischen Cassels« aufmerksam, deren er manche auf die Leinwand bannte. Seine alt- kasseler Straflenbilder fanden vielen Beifall und werden auf seinen Wunsch nach Fertigstellung des neuen Gebaudes der Casseler Murhardbibliothek in deren Besitz iibergehen. In seinen letzten Jahren beschaftigte sich H., der auch als ausgezeichneterRestaurator alter Olbilder gait, viel mit poetischen Versuchen, ohne jedoch die Kinder seiner Muse der Offentlichkeit zu iibergeben. Auch seine Geschichte des Casseler Weinbergs, auf dessen H6he er sich als einer der ersten Ansiedler ein idyllisches Heim errichtet, ist bis jetzt ungedruckt geblieben.

Hoflfmeister, Casseler Kinder in Piderits Gesch. v. Cassel, 2. Aufl., S. 473. Hessen- land 17, 166, Familiennachrichten. Ph. Losch.

Klingelh5fcr. Merkel. 1 4 5

KlingelhSfer, Fritz, Maler, *4. Mai 1832 zu Marburg i. H., f 9. November 1903 daselbst. Sein Vater war der Amtswundarzt Friedrich Jacob Theodor K. zu Marburg. Schon in seinem 16. Jahre kam er nach Cassel auf die dortige Kunstakademie, die er bald darauf mit der Dusseldorfer vertauschte. Aber lange hielt er es auch hier nicht aus. Als junger Mensch von 19 Jahren ging er uber den Ozean nach Nordamerika, wo er zwei Jahrzehnte verweilte und auch am Sklavenkrieg der Union gegen die Siidstaaten teilnahm. Von grOfiter Bedeutung fiir seine kunstlerische Entwickelung war seine Reise nach West- afrika, die er im Jahre 1872 in Begleitung eines Freundes unternahm. Hier an den Ufern des Kongo, des Kamerunflusses und im Nigerdelta bis herauf nach dem griinen Vorgebirge sammelte er nicht nur zahlreiche ethnographisch und naturgeschichtlich interessante Gegenstande, Waffen und Geratschaften, die z. T. spater in den Besitz des Berliner Museums fur Volkerkunde iiber- gegangen sind, sondern auch viele reizvolle Motive fiir seine Tropenland- schaften, die er spater nach der Ruckkehr in die Heimat ausgefuhrt hat. Zweimal war K. in Afrika, dann liefi er sich 1878 in seiner Vaterstadt Mar- burg nieder, der er seitdem treu geblieben ist. Hier hat er viel gemalt, ohne jedoch mit seinen Bildern in weiteren Kreisen bekannt zu werden, da er bei seinem ausgesprochenen Widerwillen gegen Kunstausstellungen es vermied, seine Bilder in der Welt herumzusenden. Eine Anzahl seiner Landschaften hat er indessen im Jahre 1894 in Marburg ausgestellt. K.s Eigenart war die Darstellung exotischer Landschaften, die teilweise von packender Wirkung sind. Seit der Ruckkehr in die alte Heimat malte er auch zahlreiche Land- schaften aus der Umgegend von Marburg, die wegen ihrer Naturwahrheit und Farbentechnik die Anerkennung nicht nur seiner Freunde, sondern namhafter Kunstgrdflen, wie Carl Bantzers und H. von Volkmanns fanden.

Nekrologe in »Oberhessische Zeitung« vom 11. November 1903, Hessenland 17, 306 u. 317, Ph. Losch.

Merkel, Walther Emil, Maler, * 12. Juli 1863 zu Cassel, f 7. Dezember 1903 zu Wehlheiden. M. besuchte die Casseler Kunstakademie, an der sein Vater Carl Gottlob M. (f 1897) seit 1854 ajs Lehrer der Zeichenkunst und architektonischen Ornamentik unterrichtete. Der talentvolle Sohn errang sich den Preis der Bose-Stiftung und konnte damit 1895 zu seiner weiteren Aus- bildung nach Munchen gehen. Spater kehrte er nochmals nach Oberbayern zuruck, um in Ailing und Wessling zu studieren, wo auch sein Freund und Landsmann, der im Jahre 1902 verstorbene Hans Fehrenberg sich manches schSne Motiv fiir seine Landschaften geholt hatte. Wie Fehrenberg, so war auch M. vorzugsweise Landschaftsmaler. Seine Studien aus der Umgegend von Cassel, besonders aus dem Habichtswalde und dem Druselthale sind fein erapfunden und gut ausgefuhrt. Aber auch im Portratfach hat M. Gutes ge- leistet und es fehlte ihm darin nicht an Auftragen. Besonders bekannt machte er sich durch sein Bildnis Landgraf Philipps des Grofimutigen, das er im Jahre 1891 nach einem Holzschnitt Brosamers fiir die neue Aula der Univer- sitat Marburg malte. Eine verkleinerte Ausfuhrung dieses Gem&ldes ist im Besitz e der Casseler Landesbibliothek. Im Friihjahr 1902 wurde M. krank. Ein Winteraufenthalt in Italien vermochte sein Brustleiden nicht zu lindern. Nur 40 Jahre alt, ist er in dem Casseler Vororte Wehlheiden gestorben.

Nach dem Xekrolog von W. Schafer im Hessenland 18, 15. Ph. Losch.

BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. IO

1^6 Bellingrath. Luntz.

Bellingrath, Ewald, Dr.-Ing., Generaldirektor der »Kette« (deutsche Elb- schiffahrtsgesellschaft), * 18. April 1838 in Barmen, f 22. August 1903 in Dresden. B. entstammte einer angesehenen, industriellen Familie Barmens; nach Absolvierung der polytechnischen Studien, dencn er in Luttich, Karls- ruhe und Zurich oblag, widmete er sich einige Jahre der damals machtig aufbluhenden Stahlindustrie. Im Jahre 1869 begriindete er die Gesellschaft »Kette« in Dresden, die zunachst die Elbe mit einer von Bohmen bis Magdeburg reichenden Kette belegte. Spater wurde unter seiner Leitung auch auf der Saale, auf dem Neckar, Main und auf der Moldau die Ketten- schleppschiffahrt eingefiihrt. Nachdem im Jahre 1874 die Kettenlegung auf der ganzen Elbe beendet war, wurden an Stelle der nur 100 bis isot Lade- fahigkeit besitzenden Frachtschiffe solche von 400 bis 700 t eingefuhrt. Hier- durch, sowie durch rationelle Frachttarifeinrichtungen vermehrte sich der Verkehr in 15 Jahren um etwa das Zehnfache.

B. verstand es, befahigt durch seine gediegenen wissenschaftlichen Kennt- nisse einerseits und durch den tiefen, verstandnisvollen Einblick in die Be- diirfnisse des industriellen Lebens anderseits, die Fortschritte der Wissenschaft fiir die Vervollkommnung der Binnenschiffahrt trefflich auszunutzen und auch die ersteren wesentlich zu fordern. Glanzende Beweise hierfiir sind seine »Studien iiber Bau und Betriebsweise eines deutschen Kanalnetzes« (1879) und die Schaffung einer mustergiiltig ausgestatteten Versuchsanstalt zur Bestimmung der Widerstande der Schiffskorper im Wasser. In Anerkennung seiner grofien Verdienste auf dem Gebiete der Technik wurde B. im Jahre 1901 von der Technischen Hochschule in Dresden zum »Ehrendoktor« ernannt.

B. war eine vornehme Natur; er verleugnete auch inmitten der regsten Erwerbstatigkeit niemals seinen idealen Sinn, bewahrte stets ein lebhaftes Interesse fiir Kunst und Wissenschaft und fflrderte in uneigenniitziger Weise den Ausbau der Technik.

Literatur: »Zentralblatt der Bauverwaltungoc 1901, S. 207 und 1903, S. 440; >Zcit- scbrift des osterreichischen Ingenieur- und Architektenvereins 1903, S. 576. A. Birk.

Luntz, Viktor, Professor an der Akademie der bildenden Kiinste in Wien, * 8. Marz 1840 in Ybbs a. d. Donau (N. 0.), f am 12. Oktober 1903 in Wien. L. hatte seine kiinstlerische Ausbildung an der Architekturschule der Akademie der bildenden Kiinste zu Wien unter van der Null, v. Siccardsburg und Schmidt (i860 1864) erhalten; dann trat er in Schmidts Atelier, wo er sich der mittelalterlichen Baukunst widmete. Seine Tatigkeit in diesem Atelier unterbrach eine zweijahrige Reise nach Italien, der Schweiz, nach Deutsch- land, Spanien, Portugal und Frankreich mit Hulfe des groflen Staats-Reise- stipendiums, das ihm die Akademie in Anerkennung seiner ohnehin schon durch den Gundel- und Fugerpreis ausgezeichneten Leistungen verlieh. Als Schmidts Mitarbeiter war L. beim Bau der St. Othmarkirche unter den Weifigarbern und beim Bau des Rathauses in Wien tatig. Gelegentlich der SchluBsteinlegung bei letzterem erhielt er das Ritterkreuz des Franz Josef- Ordens und das Biirgerrecht der Gemeinde Wien.

Im Jahre 1885 wurde L. als Nachfolger Ferstels an die Technische Hochschule und im Jahre 1891 als Nachfolger Schmidts an die Akademie der bildenden Kiinste berufen, wo er mit groflem Pflichteifer und inniger

Luntz. BischoflT v. Klammstein. 1 47

Freude die mittelalterliche Baukunst lehrte; ein jaher Tod machte seinem Wirken vorzeitig ein Ende.

Von den Werken dieses charaktervollen, einfachen und bescheidenen Mannes, dessen edles Denken und Handeln ihm treue Freunde erwarb, seien erwahnt: die Mausoleumsbauten in Gurkfeld und Warnsdorf, die Grabdenk- maler fur seine Eltern und seine Frau, der Jubilaumsbrunnen in Scheibbs, die Jubil£umskirche in Wien, die Restaurierung der »Spinnerin am Kreuz« und der Kirche »Maria am Gestade« in Wien. L. war Grunder und Ehren- mitglied bezw. Ehrenvorstand der » Wiener Bauhutte« und Mitglied der Zentralkommission fiir Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmaler.

Literatur: »Zeitschrift des osterrcichischen Ingenieur- und Architektenvereins« 1903, S. 635; mit Bild. A. Birk.

Bischoff v. Klammstein, Friedrich, k. k. Sektionschef im Eisenbahn- ministerium, * 14. November 1832 in Graz, f 26. Februar 1903 in Wien. Einer der alten Garde der Ingenieure, die beim Baue der Semmeringbahn ihre erste praktische Ausbildung erhielten, hat B. durch voile funfzig Jahre mit ungeschwachter geistiger Kraft in seinem Berufe gewirkt und an der Schaffung bedeutsamer Werke durch 26 Jahre in leitender Stellung teil- genommen. Eine wechselreiche, verschiedene Gebiete des Eisenbahnbaues und des Eisenbahnbetriebes umfassende Berufstatigkeit in dem jiingeren Lebensalter befahigte ihn ganz besonders zu der leitenden Tatigkeit, mit der er sein Schaffen und Wirken erfolgreich kronte und beschlofi.

Nach Vollendung der Semmeringbahn trat B. in die Dienste der Siid- bahngesellschaft, wo er u. a. auch die wichtigen Materialgeschafte fiihrte. Im Jahre 1869 iibernahm er die Stellvertretung des leitenden Oberingenieurs der Generalbauunternehmung fiir die ungarischen Staatsbahnlinien Hatvan Miskolcz und Zakany Agram, sowie der ungarischen Wrestbahn Raab Graz. Hier wurden ihm Aufgaben nicht nur bautechnischer, sondern auch wirtschaft- licher und finanzieller Natur, so dull er sich umfassende kaufmannische Kenntnisse erwarb, die ihn spater wie selten Einen geeignet erscheinen lieBen, die oft schwierigen und heiklen Kndaustragungen zwischen Bauherrn und Unternehmer in einer beide Teile zufriedenstellenden Weise zu losen.

Im Jahre 1875 nach Vollendung der genannten Bahnbauten in Ungarn trat B. in die Dienste der Kaiserin Elisabeth-Westbahngesellschaft, die ihn schon im nachsten Jahre mit der Leitung des gesamten Bahnerhaltungs- dienstes betraute, den er in mustergiiltiger Weise reorganisierte. Bei der Verstaatlichung der Westbahn (1882) wurde B. Abteilungsvorstand der k. k. Staatsbahnen, als welcher er zwei Jahre spater den Titel und Charakter eines Hofrats erhielt. Eine grofie Reihe von Neubauten, darunter den Um- bau des Untersteintunnels und die Vollendungsarbeiten an der Arlbergbahn und der galizischen Transversalbahn hat B. in dieser Stellung geleitet. Er verstand es, tiichtige Fachleute heranzuziehen und sie fiir seirie Anschauungen zu begeistern; er verstand es, die technischen Fortschritte zu verwerten, neue anzuregen und fiir die Durchfuhrung schwieriger Probleme die richtigen Pfade zu weisen, auf denen seine Mitarbeiter riistig vorwarts zu schreiten vermochten. In dieser Hinsicht mufi seine Tatigkeit in der eben gekenn- zeichneten Periode voll anerkannt und von diesem Standpunkte aus miissen

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I48 Bischoflf v. Klammstein. Borsdorf.

auch die ihm zuteil gewordenen Auszeichnungen, so die Erhebung in den Adelsstand, beurteilt werden. Diese hervorragenden Eigenschaften lieflen ihn auch als den rechten Mann fur die Leitung der im Jahre 1895 neu ge- schaffenen k. k. Baudirektion erscheinen, welcher u. a. der Bau der Wiener Stadtbahn ubertragen wurde. Im Jahre 1897 erhielt B. den Titel und Charakter eines Sektionschefs und am 1. Juli 1902 trat er nach Vollendung der Stadtbahn und Auflosung der Baudirektion fur dieselbe in den Ruhestand.

Grofie Verdienste hat B. um den Osterreichischen Ingenieur- und Archi- tektenverein sich erworben, in dessen verschiedenen Komitees er aufier- ordentlich eifrig wirkte. B. hat die Flu fieisenf rage aufgerollt und an der gedeihlichen Losung derselben hervorragenden Anteil genommen. In den Jahren 1887 und 1888 war er auch Vorsteher dieses Vereins. Als Mitglied der Prtifungskommission fiir die zweite Staatsprufung und fiir die Ingenieur- Diplomspriifung aus dem Ingenieurbaufache an der k. k. technischen Hoch- schule in Wien wird ihm ein wohlwollendes und mildes Urteil nachgeruhmt. B. bekleidete auch seit 1891 das Ehrenamt eines Vorsitzenden im Preisausschusse des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen.

Ein Herzschlag machte seinem Leben, das er nach seiner Pensionierung ausschliefllich seiner Familie widmete, ein jahes, aber glucklicherweise schmerzloses und sanftes Ende. Sein rauhes, mitunter barsches Wesen hat ihm nicht allenthalben Liebe gewonnen aber die ihn naher kannten, riihmten sein weiches Herz.

Literatur: »Zeitschrift des Osterreichischen Ingenieur- und Architektenvereinsc 1903, S. 235; mit Bild. A. Birk.

Borsdorf, Alfred Theodor Wilhelm, * 9. April 1865 zu Potsdam, f 10. Juni 1903 auf Capri. B. besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und stu- dierte seit 1882 in Berlin bei Tobler und Zupitza romanische und englische Philologie. Im Jahre 1885 wandte er sich nach Genf, verlebte den darauf- folgenden Winter in Italien, ging dann nach Paris zu Gaston Paris und kehrte nach Berlin zuriick, wo er am 11. Januar 1890 promovierte. Seine Disser- tation behandelt die Burg im »Claris und Laris« und im »Escanor«. Die kulturgeschichtlichen Ergebnisse waren um so reichhaltiger, da er neben dem Bau der Burg auch die Lebensutensilien und Lebensgewohnheiten der Burg- insassen in den Kreis seiner Betrachtung zog. Zudem ergab die Beschrankung des Themas auf zwei gleichaltrige Gedichte interessante Beitrage zur fran- zosischen Bedeutungslehre. Der Arbeit fehlte darum auch die Anerkennung der Fachkritik nicht, Ende 1892 wurde B. zum Professor der romanischen Sprachen und Dozenten der altdeutschen Philologie am University College zu Aberystwith, einer der drei konstituierenden Hochschulen der neugegriindeten Universitat in Wales, ernannt.

Im Umgang war B. von auflerster Liebenswiirdigkeit und ausgesuchter Hoflichkeit, fast mehr Franzose als Deutscher auch hatte er eine Fran- zosin zur Frau: gegen seine Lehrer zeigte er eine dankbare Anhanglichkeit. Er besafl ein unendlich reiches Wissen; sein langjahriges Lungenleiden aber, dem er allzufriih erlag, hinderte ihn an der Verwertung. Nur ein einziges Denkmal seiner literarischen Wirksamkeit zeugt von den bedeutsamen Ent- wiirfen, die er vorhatte. Es sind zwei kritische Essays iiber Taine und

Borsdorf. Werner. Przewloka. Bartsch. J40

Herbert Spencer. Der Schlufi lautet: We venture to hope that the foregoing considerations have proved that it is not possible to take Science of Literature in the sense in which Taine understood it, nor yet in that suggested by Spencer. It is clear that the attempt to introduce the methods of natural or mathematical science into criticism must be abandoned. Truth is elsewhere, and the task still remains of discovering the principles upon which a literary science may be founded. But before this neta work could be undertaken it was meet and necessary to discuss attempted solutions of the problem which, though defective, yet as the work of genius command attention and respect. In welcher Richtung er selbst die L6sung des Problems suchte, ist leider nicht ersichtlich.

Werke: Die Burg ira ^Claris und Larisc und im »Escanor«. Berlin 1890. (Vergl. daiu Vollmollers krit. Jahresbericht liber die Fortschritte der romanischen Philologie I, 423 und Romania, Paris 1890, p. 374.) Science of literature. On the literary theories of Taine and Herbert Spencer. Two lectures. London 1903.

Quellen: Die Vita der Dissertation. Briefliche Mitteilungen von Prof. Tobler in Berlin und Prof. Eth^ in Aberystwith. Der einzige Nekrolog findet sich in der akademischen Zeitschrift *The Dragon*, Aberystwith November 1903. Curt Michaelis.

Werner, Karl Friedrich Heinrich Eugen, Ministerialrat, * als Sohn eines Guter-Dirigenten der Berlin-Anhalter Eisenbahn am 8. April 1849 zu Berlin, f 10. Juni 1903 daselbst. W. studierte auf den Universitaten Berlin und Mar- burg, trat im Marz 1870 in den Justizdienst, wurde 1. Oktober 1879 Staats- anwalt, am 1. Oktober 1891 Oberlandesgerichtsrat in Celle, 17. September 1896 Geheimer Justiz- und vortragender Rat im Justizministerium, 3. Oktober 1899 Geheimer Ober-Justizrat , Dezernent fur Bau- und Gef&ngniswesen. Er erhielt verliehen das Eiserne Kreuz II. Kl., Ehrenkreuz des Lippeschen Hausordens, den Roten Adlerorden IV. Kl. (1898), III. Kl. (1901), auch das japanische Kommandeurkreuz des Ordens der »Aufgehenden Sonne« (1901).

Gefl. Mitteilung aus dem Kgl. Preufl. Justizministerium. ^Deutsche Juristen-Zeitung« *9°3 S. 313. A. Teichmann.

Przewloka, Thomas, Ju§tizministerialrat, * als Sohn eines Gutsbesitzers in Niederkunzendorf am 7. Dezember 1852, f am 26. September 1903 zu Berlin. P. studierte in Breslau und Berlin, trat im Juni 1877 in den Justizdienst, wurde 1. September 1882 Amtsrichter in Beuthen, 31. Marz 1893 Landrichter in Berlin, 16. April 1896 Landgerichtsrat, 25. Juni 1898 Kammergerichtsrat, 16. Jan. 1899 Geheimer Justiz- und vortragender Rat im Justizministerium, mit gesetzgebe- rischen Arbeiten bei Inkrafttreten des Burgerlichen Gesetzbuchs betraut, 22. Mai 1903 Geheimer Ober-Justizrat, Inhaber des Roten Adlerordens IV. Kl. 1901.

Gefl. Mitteilung aus dem Kgl. Preufl. Justizministerium. ^Deutsche Juristen-Zeitung«c 1903 S. 289, 468. A. Teichmann.

Bartsch, Max, Geheimer Ober-Justizrat, * 1833 zu Sprottau, f 20. August 1903 zu Breslau. B. trat 1854 in den Justizdienst, wurde 1859 Gerichts- assessor, 1862 Kreisrichter in Gleiwitz, 1873 Kreisgerichtsrat, 1877 Tribunalsrat in KOnigsberg i. Pr., 1879 Landgerichtsdirektor, 1887 Landgerichtsprasident in Bartenstein in Ostpreufien, 1895 nach Breslau versetzt, wo er die Leitung des Landgerichts und den Vorsitz in einer Zivilkammer ubernahm, 1898 Ge- heimer Ober-Justizrat mit dem Range der Rate zweiter Klasse.

»Breslauer Zeitung« 1903 Nr. 585 vom 21. August 1903. A. Teichmann.

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Goeckc. Groschuff.

Goecke, Franz Friedrich Wilhelm, Geheimer Justizrat, * 30. Januar 1824 als Sohn des Justiz-Hauptkassenrendanten G. in Paderborn, f am 31. Mai 1903 zu Koln. Nach beendeten Studien trat G. mit 20 Jahren als Auskultator beim Stadt- und Landgericht ein und liefl sich 1846 behufs Ausbildung als Notariatskandidat in den Bezirk des damaligen Rheinischen Appellations- gerichts versetzen, wurde 1849 Notar, zuerst in Viersen, dann 1857 in Lutze- rath, 1861 in Ottweiler, 1870 76 in Erkelenz, endlich in K6ln. Er war Mit- begriinder des Notariatsvereins fur Rheinpreuflen und entfaltete fur die Orga- nisation eines selbstandigen Notariats auf wissenschaftlicher Grundlage eine sehr segensreiche Wirksamkeit als Mann von strenger Gewissenhaftigkeit in der Amtswaltung, von groflem Patriotismus und persSnlicher Liebenswiirdig- keit, viel wirkend fur Aufbluhen und Gedeihen des Inselbades Norderney. 1894 wurde er durch eine kiinstlerisch ausgestattete Adresse der Kurgaste dieses Bades und am 9. November 1894 bei seinem 50-jahrigen Amtsjubilaum vielerseits geehrt. Er war Inhaber des Roten Adlerordens III. Kl. mit der Schleife und der Kriegsdenkmiinze von 1870/71 fur Nichtkombattanten, Vor- sitzender des deutschen Notarvereins.

»Kolnischc Zeitung* 1903 Nr. 472, 473. »Deutsche-Juristen Zeitung* 1903 S. 289.

A. Teichmann.

Groschuff, Albert, Geheimer Ober-Justizrat, * als Sohn des Rechtsanwalts und Notars, Justizrats Karl G. am 1. April 1835 zu Berlin, f am 26. Februar 1903 daselbst. Nach Besuch der Universitaten Erlangen und Berlin begann G. seine juristische Laufbahn als Staatsanwalt (187 1) beim Kammergericht in Berlin, wurde 1879 I. Staatsanwalt in Altona, dann 1888 1891 in gleicher Eigenschaft am Landgericht I. Berlin, in welcher Zeit er sich z. B. im Straf- verfahren gegen Heinrich Geffcken zu betatigen hatte, wodurch er natiirlich mit Fiirst Bismarck in Beriihrung kam. 1891 siedelte er an das Oberlandes- gericht in Celle iiber und wurde bald (1. Februar 1892) zum Vorsitzenden des Strafsenats des Kammergerichts ernannt, in welcher Stellung er eine un- gemein umfassende Tatigkeit entfaltete. Denn der Geschaftsbereich dieses einzigen Kammergerichtsstrafsenats ist nach $ 50 des preufiischen Ausfiihrungs- gesetzes vom 24. April 1878 ein hochst ausgedehnter. Im Besitze der fiir seine hohe Stellung erforderlichen Geistes- und Herzensgaben hatte er stets den Blick auf das Ganze gerichtet und verlor sich nie in kleinliche Dinge. Sehr grofie Verdienstc erwarb er sich u. a. dadurch, dafi er die zahllosen preufiischen Polizeiverordnungen der verschiedensten Bezirke, deren Rechts- giiltigkeit nach und nach zweifelhaft geworden war, sehr streng auf diesen Punkt hin priifte und damit viele als nicht mehr giiltig ausschied. Viele Arbeitslast wurde ihm auch durch den haufig eintretenden Wechsel der Mit- glieder dieses Gerichtshofes, was die ruhige und geordnete Geschaftsleitung sehr erschwerte. Zudem war er noch Mitglied des Disziplinarhofes fiir die nicht-richterlichen Beamten, auch des Disziplinarsenats und des grofien Diszi- plinarsenats, endlich Vorsitzender der Disziplinarkammer fiir die Schutzgebiete. Seine umsichtige Geschaftsfuhrung erfreute sich auf alien Seiten, bei den Parteien wie bei Staats- und Rechtsanwalten, gleich freudiger Anerkennung. Literarisch hatte er sich nur durch eine kurze Besprechung der »Verantwort- lichkcit des Redaktcurs periodischcr Druckschriften fiir die durch die Presse

Groschuff. PereTs. I c |

begangenen strafbaren Handlungen* im Archiv von Goltdammer und Hahn Bd. XXIII 27 ff. bekannt gemacht (1875), wurde dann aber vom Verlagsbuch- handler Otto Liebmann in Berlin bei Griindung der »Deutschen Juristen- Zeitung* als Mitarbeiter gewonnen. Seine Abhandlung »Die Sitzungspolizei- befugnisse des Vorsitzenden gegeniiber dem StaatsanwalU war der erste fur diese Zeitung gelieferte Beitrag, dem noch viele andere (z. B. 1896 Nr. 12 und 14; 1897 Nr. 4 und 14; 1900 Nr. 13 und 24; 1901 Nr. 12) und sehr gut redi- gierte Berichte uber die Rechtsprechung des Strafsenats des Kammergerichts folgten. Er liefi sich ferner zu der verdienstlichen Herausgabe »Die preufii- schen Strafgesetze« 1894 zusammen mit Senatsprasident beim Kammer- gericht G. Eichhorn und Landgerichtsrat Dr. Delius gewinnen, deren zweite Bearbeitung vor seinem Tode noch rechtzeitig im Manuskript fertig gestellt wurde. An Anerkennungen erfuhr er am 22. Marz 1897 anlafilich der Zentenar- feier die Verleihung der Erinnerungsmedaille, im Dezember 1897 des Titels ^Geheimer Ober-Justizrat« und am 18. Januar 1901 des Roten Adlerordens II. Kl. mit Eichenlaub.

Kammergerichts rat Dr. Kronecker in d. »Deutschcn Juristen-Zeitung« 1903, Nr. 6, S. 143. Otto Liebmann im »Gerichtssaal« Bd. 62, S. 307 314. Be it rage zur Erlauterung des Dcutschen Rechts Bd. 48, S. 187. Ztsch. f. Dcutschcs BUrgerliches Recht und franzosisches Zivilrccht Bd.XXXV, 317, 575. A. Teichmann.

Perels, Ferdinand, Wirklicher Geheimer Rat, Direktor im Reichsmarine- amt und Professor der Rechte an der Universitat Berlin, * zu Berlin am 30. Juni 1836, fam 24. Dezember 1903. P. besuchte 1849 54 das Friedrich- Werdersche Gymnasium zu Berlin und trat nach Absolvierung des juristischen Studiums am 29. Oktober 1857 als Auskultator im Appellationsbezirke Naum- burg in den Justizdienst ein, wurde 4. Juni 1859 Kammergerichtsreferendar, 20. April 1862 Gerichtsassessor. Nunmehr wandte er sich dem Militarjustiz- dienste zu, wurde 29. Oktober 1863 Garnisonsauditeur in Spandau, 1865 in Rendsburg, 1866 Divisionsauditeur in Neifie. Nach Cbertritt in die neu- geschaffene Bundeskriegsmarine war er vom 1. Februar 1867 bis 1877 Audi- teur der Marinestation der Ostsee in Kiel, seit Anfang der siebziger Jahre zugleich Lehrer fur VOlkerrecht, See- und Militarrecht an der Marineakademie. Am 21. August 1877 wurde er zum Wirklichen Admiralitatsrat, vortragenden Rat und Auditeur der Kais. Admiralitat in Berlin ernannt, 188 1 Geheimer Admiralitatsrat, 11. Januar 1892 Wirklicher Geheimer Admiralitatsrat, Direktor des Verwaltungsdepartements des Reichsmarineamts und stellvertretender Bevollm£chtigter zum Bundesrat fur das KOnigreich Preufien. Seine reichen Kenntnisse auf dem von ihm mit Vorliebe gepflegten Spezialgebiete konnte er auf das trefflichste verwerten, nachdem er fur Vorlesungen uber inter- national es und deutsches Seerecht im Jahre 1900 zum ordentlichen Honorar- professor an der Universitat Berlin ernannt worden war. Im Militarverhaltnis war er Major der Seewehr. Wenige Stunden vor seinem Hinscheiden erfuhr er noch seine Emennung zum Ehrendoktor der Greifswalder Juristenfakult&t. Der amtliche Nachruf des Staatssekretars des Reichsmarineamts von Tirpitz schildert ihn als einen Mann von hervorragenden Geistesgaben, von edlem und liebenswurdigem Charakter, als wohlwollenden Vorgesetzten seiner Unter- gebenen und als treue Stiitze seiner Vorgesetzten. Mit grofiter Sicherheit

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Perels. Schmidt

beherrschte er ein eng umschriebenes, doch tSglich an praktischer Wichtig- keit zunehmendes Rechtsgebiet, das Seerecht; er nahm emsigen Anteil am Ausbau der Flotte und ihrer Vervollkommnung, wie Verwendung im Dienste des Vaterlandes. Im Jahre 1879 in das Institut de droit international gewahlt (seit 1885 Mitglied), nahm er an mehreren Sitzungen desselben teil und lieferte u. a. das Referat liber die friedliche Blokade (vgl. Annuaire IX, 275 ff.) fur die Heidelberger Sitzung vom 7. September 1887, sowie Thesen betreffend die submarinen Kabel in Kriegszeit (ebd. XIX, 302). Kleinere wissenschaftliche Arbeiten veroffentlichte er in verschiedenen amtlichen Zeitschriften und Ver- ordnungsblattern, in den Annalen des Deutschen Reichs 1876, S. 1101 11 10 (»Reichs-Oberseebeh6rde und Untersuchungen von Seeunfallen«), im Archiv fur offentliches Recht I, 461 497, 677 704 (»Rechtsstellung der Kriegsschiffe in fremden Hoheitsgewassern«), in v. Stengels WOrterbuch des deutschen Verwaltungsrechts die Artikel »Blockade« (I, 223), »Durchsuchungsrecht« (I, 293), »Embargo« (I, 354), »Kaperei« (I, 703), »Kontrebande« (I, 840), > Kriegshafen« (I, 872), »Kriegsmarine« (II, 1010), »Prisenangelegenheiten« (II, 305). Hervorragende grOfiere Arbeiten sind »Das internationale dffentliche Seerecht der Gegenwart«, Berlin 1882 (franz. von L. Arndt 1884, auch russisch von Lilienfeld 1884), 2. Aufl. 1903; »Handbuch des allgemeinen dffentlichen See- rechts im Deutschen Reiche«, Berlin 1884 (mit Spilling); »Das Reichsbeamten- gesetz< t, Berlin 1890; »Das allgemeine ciffentliche Seerecht im Deutschen Reiche. Sammlung der Gesetze und Verordnungen«, Berlin 1901, mit Erganzungsband »Die Seemannsordnung vom 2. Juli 1902 und ihre Nebengesetze«, Berlin 1902. Auch riihrt von ihm der Entwurf einer Strandungsordnung (1873) her.

Felix Stoerk, Nekrolog in der »Zeitschr. f. intemat. Privat- und. Offentliches RechU, Bd. XIV (1904) S. 225/26. Gefftllige Mitteilungen des Sohnes, Privatdozenten Dr. jur. Kurt Perels in Kiel. Tableau general de V Institut de droit international 1873 92, Paris 1893, S. 325. »Annuaire de l' Institut* XVIII, 276; XIX, 388. »Jurist. Literaturblattc 1904, S. 47. Chronik der Kgl. Friedrich Wilhelms-Universitat Berlin f. d. Rechnungsjahr 1900 (Halle a. d. S,), S. 8. von Stengels Wtfrterbuch d. dtscb. Verwaltungsrechts, 3. Erganzungs- band 1897, S. 228, 256, 258. >Zeitschr. f. HandelsrechU LII, 368. Kirchenheims Zentralblatt I, 312; III, 463; XXIII, 88. >Zeitschr. f. intemat. Privat- und Strafrechtc XI, 543. » Revue de droit international* XIV, 340; XXXIV, 692. » Journal de Clunet* 1884, S. 680 Tables generates du Journal* III (1905), 718]. Felix Stoerk im Ann. de Vinst. de droit international XX ( 1 904) 264 2 66. A.Teichmann.

Schmidt, Karl Adolf, Geheimrat, Prof. Dr. jur. in Leipzig, * 4. November 1815 zu Allstedt (Sachsen-Weimar), f 24. Oktober 1903 zu Baden-Baden. Sein Vater Georg Friedrich August war zuletzt Superintendent und Kirchenrat, Jenenser Ehrendoktor der Philosophic (1847), gestorben 16. Januar 1858 in Ilmenau, so daB sich der Sohn ofters »Schmidt von Ilmenau« nannte, zur Unterscheidung z. B. von Karl Adolf Sch., Oberappellationsgerichtsrat in Celle, Verfasser der Werke »Der prinzipielle Unterschied zwischen dem rdmi- schen und germanischen Rechte« (Rostock und Schwerin 1853), und »Die Rezeption des r6mischen Rechts in Deutschland« (Rostock 1868). In seiner Jugend war er Spielkamerad der Enkel Goethes, als junger Mann sah er den Dichterfursten auf dem Totenbette. Er studierte die Rechtswissenschaften in Jena und wurde fiir gute L5sung der gestellten Preisfrage in der Arbeit •De suwessionc Jisci in bona vacantia ex jure romana*} Jena 1836, mit dem ersten Preise

Schmidt.

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belohnt, dessen er sich freilich nicht sehr erfreuen konnte, da Prof, von Schroter, Oberappellationsgerichtsrat in Parchim, zu gleicher Zeit eine zum selben Resultate gelangende Abhandlung in der »Zeitschr. f. Zivilrecht und Prozefl«, Bd. X, 89 ff. erscheinen liefi, was ihn veranlafite, diesen letzteren anzugreifen, wie uberhaupt dieses Thema damals von mehreren Schriftstellem unabhangig voneinander aufgegriffen wurde (vgl. Vangerow, Pandekten, 6. Aufl. 2. Abdr. II, 671). Zur Erlangung der Doktorwiirde verftffentlichte er »M. Tullii Ciceronis pro Roscio comoedo oratio illustrata, edita«, Jena 1839, und habilitierte sich 1840 in Jena fur romisches Recht, wurde 1843 aufierordentlicher Professor, ging 1849 als ordentlicher Professor nach Greifswald, 1850 nach Freiburg i. B., wo er sich sehr bald in sympathischer Umgebung wohl fiihlte und mannig- fache Ehrungen erfuhr; so vertrat er langere Zeit die Universitat in der I. badischen Kammer. Sein Lieblingsstudium war von Anfang an die Be- schaftigung mit dem rOmischen Recht, fur dessen Auslegung er durch griind- liche philologische Kenntnisse wohl vorbereitet war. Er war ausgezeichnet als Lehrer, seine ZuhSrer stets auf den Kern der Institute so eindringlich hinweisend, dafl seine Ausfiihrungen bei vielen zeitlebens wOrtlich haften blieben. Uberall durchdrungen von gesunder Auffassung cles Wertes prak- tischer Verwendung, war er einer unbedingten, blinden Verehrung des romi- schen Rechts vollig fremd. Im Friihjahr 1869 nach Bonn ubergesiedelt, ging er schon im Herbste dieses Jahres nach Leipzig, wo er ^ Jahre emsig wirkte. Seine wissenschaftlichen Arbeiten sind vielfach grundlegend gewesen und haben fiir die Folgezeit die Bahn gebrochen. Es gehftren hierhin »Zivilistische Abhandlungen«, Bd. I, Jena 1841; »Das Interdiktenverfahren der Romer. In geschichtlicher Entwicklung«, Leipzig 1853; »Das formelle Recht der Not- erben«, Leipzig 1862 und »Das Pflichtteilsrecht des patronus und des parens manumissor*, Heidelberg 1868. Kleinere Arbeiten sind »Kritische Bemerkungen zu T. Livii histor. lib. XLI, Kap. 8, 9 : D. Ulpiani fragm. tit. / S 1 2 ; f r. 1 §1 D. de inspkiendo ventre*, Freiburg 1856 und y>Commentatio de originibus legis cutionum*, Freiburg 1857 (Einladungsprogramm zur 4. Sakularfeier der Uni- versitat), sowie »Die Persflnlichkeit des Sklaven nach romischem Recht«, 1. Abt. (Programm z. Feier des Geburtsfestes des GroBherzogs, Freiburg 1868) Der Leipziger Zeit geh6ren an »Das Hauskind in mancipio. Eine rechtgeschicht- liche Abhandlung«, Leipzig 1879; J>Uber die legis actio per judkis postulationetw (Zeitschr. d. Savigny-Stiftung II, 145 164); »Zur Lehre vom internationalen Rechtsverkehr der R6mer« (ebd. IX, 122 143); »Ober die superficies* (ebd. XI, 121 164); »Die Anfenge der bonorum possession (ebd. XVII, 324 328). Bei Ubernahme des Rektorats behandelte er das deutsche Recht (Rektorats- reden v. 31. Okt. 1873, S. 26—45, Rede v. 31. Okt. 1874, S. 3—21). Die philosophische Fakultat der Universitat Leipzig ernannte ihn am Tage seiner vor 50 Jahren erfolgten Promotion zum Dr. juris (6. Februar 1889) zum Ehren- doktor, die Stadt Leipzig mit Ehrenburgerbrief vom 13. Dezember 1895 zu ihrem Ehrenbiirger. Bis in seine letzten Tage war er ein eifriges Mitglied der nationalliberalen Partei und auch in deren Vorstande in Leipzig. Am 1. Oktober 1901 schied er aus (Rektoratswechsel an der Univ. Leipzig am 31. Okt. 1902, S. 11) und siedelte nach Karlsruhe in Baden iibcr, durch seine zweite Ehe besonders mit diesem Lande verbunden. Krankheitshalber begab er sich 1903 nach Baden-Baden, wo er am 24. Oktober verschied.

I za Schmidt, von Weinrich. von Leipziger.

Josef Kohler im » Jurist. LiteraturblatU 1904, Nr. 155 vom 15. Mai, S. 97 98. Meyers Konvers.-Lexikon (5) 1897, Bd. 15, S. 556, Klirschners deutscher Literatur- kalender ftir 1902, S. 1252. Richters krit. Jahrbb. I, 309 flf. Krit. Vierteljahresschr. V, 135. Zarnckes Literar. Zentralblatt 1862, Sp. 1037; 1903, Sp. 1491. Biedennann, Goethes Gespriiche VIII, no. Gefl. Mitteilungen des Herrn Prof. Dr. Friedrich Schur, rus$. Staatsrat in Karlsruhe. A. Teichmann.

Weinrich, Karl von, Konigl. Bayerischer General der Kavallerie, * 22. Sep- tember 181 5 zu Aschaffenburg, f 19. Oktober 1903 zu Miinchen. W. trat 1834 als Junker in das bayerische 4. Chevaulegers- Regiment »K6nig« ein, riickte 1836 zum Unterleutnant und 1847 unter Versetzung in das 2. Chevau- legers-Regiment »Taxis« zum Oberleutnant auf. In diesem Dienstgrade war er kurze Zeit als Adjutant zur 2. Kavallerie-Brigade kommandiert, kam als- dann in das 4. Chevaulegers-Regiment zuruck und wurde 1848 zum Adjutanten bei der 2. Armeedivision ernannt. In dieser Stellung verblieb W. bis er 1849 in den Frontdienst seines Regiments zurucktrat, mit dem er im Juni genannten Jahres an die wurttembergische und im Herbste des folgenden Jahres an die sachsische Grenze marschierte. 1851 dem Kommandierenden General des II. bayerischen Armeekorps als Adjutant zugeteilt, wurde er bald darauf zum Rittmeister im 1. Chevaulegers-Regiment befordert, 1855 in gleicher Eigen- schaft zum 4. Chevaulegers-Regiment versetzt und i860 zum Major ernannt 1863 ging W. auf einige Zeit nach Osterreich, um sich iiber den Dienst bei den dortigen Ulanen-Regimentern zu unterrichten. Am Kriege von 1866 gegen Preufien nahm er als Oberstleutnant teil, machte die Gefechte bei Dermbach, Kissingen, Uettingen und Rofibrunn mit, wurde nach dem Friedensschlusse Kommandeur des 5. Chevaulegers-Regiment und im Mai 1867 zum Oberst befordert. Nach der Mobilmachung von 1870 fand W. Verwendung als Vor- postenkommandeur in der Pfalz zwischen Zweibriicken und dem linken Ufer des Rheins, wo ihm zu seinem Regiment noch ein Infanterie- und ein Jager- Bataillon zugewiesen waren, riickte darauf mit seinen Chevaulegers liber die franzosische Grenze und machte die Schlacht bei Worth, die Einschliefiung von Marsal, die Schlacht bei Sedan, das Gefecht bei Plessis Piquet und die Belagerung von Paris mit. Nach der Riickkehr in die heimische Garnison wurde er 1873 zum Generalmajor und Kommandeur der 2. Kavallerie-Brigade und 1878 zum Generalleutnant und Kommandeur der 3. Division befordert. Mit dem Charakter als General der Kavallerie erhielt W. 1884 den nachge- suchten Abschied.

Nach den Akten. Lorenzen.

Leipziger, Ernst von, General der Kavallerie, * 31. Januar 1837 zu Niemegk, Kreis Bitterfeld, f 21. November 1903 zu Berlin. Nachdem L. seine Er- ziehung im Domgymnasium zu Naumburg und an der Landesschule zu Pforta erhalten hatte, trat er als Avantageur beim 3. Ulanenregiment in den Koniglichen Dienst. Zum Sekondeleutnant aufgeriickt, fungierte er eine Reihe von Jahren als Adjutant dieses Regiments, wurde 1866 Premierleutnant und kommandierte im Kriege gegen Osterreich die 3. Schwadron seines Truppen- teils, mit der er bei Gitschin sowie in der Schlacht bei Koniggratz focht. Nach der Riickkehr in die Heimat mit der Fiihrung der 5. Schwadron be-

von Leipziger. von Kirchbach. Schmidt. i r e

auftragt, ruckte er 1867 zum Rittmeister und Eskadronschef auf, zog 1870 an der Spitze seiner Schwadron mit gegen Frankreich ins Feld, wo er sich das Eiserne Kreuz II. Klasse erwarb. Einige Jahre nach dem Friedensschlusse verblieb L. noch in der Front, wurde 1874 als Hauptmann in den Grofien Generalstab versetzt und, nachdem er 1875 zum Major aufgeriickt war, zum Generalstabe der Kavallerie-Di vision des XV. Armeekorps kommandiert. 1880 zum Grofien Generalstabe zuriickgetreten, erhielt er zunachst vertretungsweise die Fuhrung des 2. Hessischen Husarenregiments Nr. 14 in Kassel, ruckte im September 1881 zum Oberstleutnant auf und wurde 1882 endgiiltig als Komman- deur an die Spitze des Regiments gestellt. In dieser Stellung verblieb L., 1886 zum Oberst aufgestiegen, bis er 1887 behufs Ubernahme des Kommandos der 27. Kavallerie-Brigade (2. Konigl. Wurttembergischen) nach Wurttemberg kommandiert wurde. Ein Jahr spater als Kommandeur der 8. Kavallerie- Brigade nach Erfurt versetzt, ruckte L. 1889 zum Generalmajor auf, wurde 1891 zum Fiihrer der 9. Division ernannt, an deren Spitze er als Generalleutnant trat. 1893 zum Gouverneur von K6ln ernannt, erhielt L. 1896 den Charakter als General der Kavallerie und 1897 den erbetenen Abschied.

Nach den Aktcn. Lorenzen.

Kirchbach, Hans Adolf von, Konigl. Sachsischer Generalmajor, *26,Oktober 1834 zu Dresden, f 9. Februar 1903 ebenda. Nach dem Besuch des Kadetten- korps seiner Geburtsstadt in die Armee iibergetreten, erhielt K. im Jahre 1853 das Offizierspatent, wurde 1859 Oberleutnant und 1866 Hauptmann. Die Feldziige von 1866 bezw. von 1870/71 gegen Preufien und Frankreich machte er beim 4. Bataillon der Brigade Kronprinz mit Auszeichnung mit, namentlich tat er sich im letzteren Kriege hervor und wurde am Tage nach der Schlacht bei Sedan vom Prinzen Georg von Sachsen in Ansehung seines tapferen Ver- haltens mit Siegesdepeschen nach Dresden geschickt. Mit dem Eisernen Kreuz 2. Klasse und dem Ritterkreuz 1. Klasse des Sachsischen Verdienstordens mit der Kriegsdekoration geschmuckt, ruckte K. nach Beendigung des Feldzuges im Mai 1873 zum Major auf, wurde im Juni 1878 zum Oberstleutnant und 1881 als Bataillons-Kommandeur im Infanterieregiment Nr. 103 zum Oberst befordert. 1885 als Kommandeur an die Spitze des 9. Infanterieregiments Nr. 133 gestellt, schied K. 1887 als Generalmajor aus dem aktiven Dienst.

Nach »Militar-Zeitung«c. Lorenzen.

Schmidt, Otto, Generalleutnant, * 16. April 1845 zu Kassel, f 5- Februar 1903 ebenda. Aus dem Kadettenkorps seiner Vaterstadt trat S. am 31. Mai 1864 in das damalige 3. Kurhessische Infanterieregiment als Fahnrich iiber, kam am folgenden 11. September als Leutnant in das 1. Infanterieregiment, mit dem er gegen Preufien focht. Nach dem Frieden wurde S. in den Verband der preufiischen Armee aufgenommen und dem Infanterieregiment Nr. 81 iiberwiesen, mit dem er 1870/71 als Bataillonsadjutant ins Feld zog, an der Einschliessung von Metz, Diedenhofen, und Mezteres, in der Schlacht bei Noisseville, an den Gefechten bei Chieulles, Peltre sowie bei Bellevue teil- nehmend. Am 28. Oktober 1870 zum Premierleutnant befordert, wurde er nach der Riickkehr in die Heimat Regimentsadjutant, stieg am 21. November zum Hauptmann auf und erhielt im Februar 1877 eine Kompagnie. In den

[Cj6 Schmidt, von Estorff.

Jahren 1879 bis 1887 fungierte S. als Adjutant beim Generalkommando des XL Armeekorps, wurde am 18. April 1882 zum 4. Thiiringischen Infanterie- Regiment Nr. 72 versetzt, 1885 vorpatentiert und am 20. Februar 1886 zum Major befordert. In diesem Dienstgrade kam er am 16. Juli 1887 als Bataillons- Kommandeur in das 1. Schlesische Grenadierregiment und am 18. April 1891 als etatsmafliger Stabsoffizier in das 2. Groflherzoglich Hessische Infanterie- regiment Kaiser Wilhelm Nr. 116, avancierte im darauf folgenden Monat zum Oberstleutnant und erhielt am 14. Mai 1894 unter Befdrderung zum Oberst das 3. Rheinische Infanterieregiment Nr. 29. Im weiteren am 17. Juni 1897 mit der Fuhrung der 65. Infanterie-Brigade beauftragt, stieg S. am folgenden 2of Juli zum Generalmajor auf und trat an die Spitze der von ihm gefuhrten Brigade. Am 16. Juni 1900 erhielt er den nachgesuchten Abschied, wobei ihm der Charakter als Generalleutnant verliehen wurde.

Nach den Akten. Lorenzen.

Estorff, Eggert von, Generalmajor z. D., * 1. November 1831 zu Verden, f 10. Februar 1903 zu Eldingen bei Celle. Einer alten hannoverschen Offiziers- familie entstammend, trat E. nach vollendeter Erziehung auf der Ritterakademie in Luneburg und im vormaligen KOniglich Hannoverschen Kadettenkorps am 1. April 1850 als Kadett in das Hannoversche Garde-Jager-Bataillon ein, wurde am 1. Januar 1851 zum Leutnant und nach einem Kommando zur Artillerie am 1. Oktober 1856 zum Premierleutnant befdrdert. Von diesem Zeitpunkte an besuchte er bis 1. April 1857 die Militar-Akademie in Hannover, war wahrend der Okkupation von Holstein durch hannoversche und sSchsische Truppen 1863/64 Kommandant des Depots seines Bataillons und focht nach Ausbruch des Krieges von 1866 bei Langensalza gegen die Preufien. Nachdem die hannoverschen Offiziere von K6nig Georg V. ihres Eides entbunden worden waren und E. den nachgesuchten Abschied erhalten hatte, trat er in den Verband der preuflischen Armee uber, wurde am 1. M&rz 1867 mit seinem Dienstgrade beim 1. Thiiringischen Infanterie-Regiment Nr. 31 angestellt und bereits am folgenden 11. April zum Hauptmann und Kompagniechef befdrdert Als soldier riickte er 1870 gegen Frankreich ins Feld, focht am 20. August bei Beaumont und wurde am 26. September desselben Jahres in das 3. Magde- burgische Infanterie-Regiment Nr. 66 versetzt. Mit diesem nahm E. an der Einschliefiung von Paris teil und riickte mit dem Eisernen Kreuze 2. Klasse geschmuckt nach dem Frieden in die Garnison Magdeburg ein. Am 15. Marz 1875 zum Major, am 15. September 1882 zum Oberstleutnant befordert, wurde er am 15. Marz 1886 Kommandeur des 1. Schlesischen Grenadier- Regiments Nr. 10 und kurz darauf Oberst. Nach fast 23/4 jahriger Tatigkeit wurde E. am 13. Dezember 1888 in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition ge- stellt und am 1. Januar 1889 als Redakteur des Militar-Wochenblattes nach Berlin berufen. Langer als 10 Jahre hat er in dieser Stellung gewirkt. Alle, die mit ihm wahrend jener Zeit in Beriihrung gekommen sind, werden seine Punkt- lichkeit und Ordnungsliebe, sein Entgegenkommen und mafivolles Urteil, seine Sachlichkeit, ganz besonders aber seine Selbstlosigkeit zu wurdigen wissen. Als Verfasser selbstSndiger Schriften ist er zweimal an die Offentlichkeit getreten, und zwar auf sehr verschiedenen Gebieten. Einmal mit »Taktische Betrachtungen uber das Infanteriegefecht auf dem Schlachtfelde von Grave-

von Estorff. Kirchner.

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lotte-St. Privat« im Jahre 1888 und ferner 1899 mit »Laienbetrachtungen iiber die Kraft der Bibel im Wissen und Glauben«, welche die Ansichten eines glaubigen Lutheraners zum Ausdruck bringen. Von der Schriftleitung des Militar-Wochenblattes zuriickgetreten , zog E. sich in die engere Heimat, in die Luneburger Haide, nach dem in der Nahe von Celle belegenen Dorfe Eldingen zuriick. Hier gedachte der korperlich noch rustige General den Rest seiner Lebenstage fern vom Getriebe der Welt, in dessen Mitte er so lange gestanden, zu verbringen und seiner Lieblingsbeschaftigung, dem edlen Waidwerk, nachgehen zu konnen. Leider war es ihm nicht lange vergonnt dieser Neigung leben zu durfen. Ein sich einstellendes schweres Herzleiden und das Schwinden des Augenlichtes notigten ihn bald, der Jagd mehr und mehr zu entsagen. Ein sanfter Tod endete seine Leiden.

Nach »Militar-Wochenblatt«. Lorenzen.

Kirchner, Theodor, Komponist, * 10. Dezember 1823 in dem sachsischen Dorfe Neukirchen bei Chemnitz, f 18. September 1903 in Hamburg. Seine Kinderjahre verlebte K. in dem ostlich von seinem Geburtsort gelegenen Wittgensdorf, wohin sein Vater, der Lehrer war, bereits 1826 ubersiedelte. In der dortigen Dorfkirche erlernte der Knabe schon sehr friih unter vater- licher Anleitung das Orgelspiel, in welchem er es rasch zu einer groflen Fertigkeit brachte. Mit 12 Jahren wurde er in die Biirgerschule zu Chemnitz aufgenommen. Hier erhielt er dann auch den ersten methodischen Musik- unterricht und machte in kurzer Zeit so bewundernswerte Fortschritte, dafi sein Lehrer, der Musikdirektor Stahlknecht, erklarte, ihn nicht weiter f5rdern zu konnen. Der Vater beschlofi daher, sich nach Leipzig zu wenden, um dort die Frage zur Entscheidung zu bringen, ob sein Sohn die Musik als Lebensberuf ergreifen solle. So wurde K. 1838 im Alter von 14 Jahren Mendelssohn und dem Kantor der Thomasschule Christ. Theodor Weinlig vorgestellt und blieb dann auf beider dringendes Anraten in Leipzig. Von da ab gehOrte sein Leben ganz der Musik. Als Lehrer hatte Mendelssohn besonders den ausgezeichneten Organisten an der Nikolaikirche, Karl Fer- dinand Becker, empfohlen, bei dem K. sich im Orgelspiel und in den theo- retischen F'achern weiterbildete. Daneben trieb er sehr grundliche musikalische Privatstudien. Auch lernte er allmahlich verschiedene hervorragende Person- lichkeiten der Leipziger Musikwelt kennen, darunter vor allem Robert Schu- mann, zu dem er sich vom ersten Augenblick an mehr als zu jedem andern leidenschaftlich hingezogen fiihlte, und dessen Kunst fur die seinige von der allergrofiten Bedeutung wurde. In ihm fand K. eine gleichgestimmte, wahlverwandte Kunstlerseele. Schumanns aus unergriindlich tiefem Empfinden geborene Musik mit ihrer bliihenden, lebenswarmen Romantik ergriff ihn im innersten Wesenskern, und ihre Zaubertone, die wie »klingendes Licht« in sein Herz fielen, erhellten ihm mit einem Male in leuchtender Klarheit den Weg, den sein eigener Genius ihn fiihren wolke. So wurde er der unmittel- bare Nachfolger des Meisters und derjenige Vertreter der Schumannschen Schule, der ihren Charakter am treusten und reinsten gewahrt hat. Mit wie echtem Verstehen Schumann seinerseits das Streben des von ihm hochge- schatzten jiingeren Freundes begleitete, das lafit sich schon aus seiner Be- sprechung der Kirchnerschen Lieder op. 1 erkennen, die 1843 in der »Neuen

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Zeitschrift fur Musik« erschien und mit den Worten schlieBt: »man schreibe sich schon jetzt den Namen dieses talentvollen Musikers zu denen, die einen guten Klang in der Folge zu bekommen verheifien.« In demselben Sinne auflert sich Schumann verschiedentlich in seinen Briefen. »In Kirchner allein find* ich eine warme Musikseele«, schreibt er am 19. Juni 1843 an Verhulst, und an einer andern Stelle nennt er K. »das bedeutendste produktive Talent* unter alien Zoglingen des neugegrundeten Leipziger Konservatoriums. In dieses war K. besonders auf Mendelssohns Wunsch im Friihjahr 1843 als erster Schiiler eingetreten, nachdem er inzwischen ein Jahr in Dresden zuge- bracht und sich bei Joh. Schneider mit groflem Erfolge im Orgelspiel ver- vollkommnet hatte. Sein neuer Studienaufenthalt in Leipzig war indessen nur von kurzer Dauer, bereits im Herbst 1843 folgte er einem Ruf als Orga- nist nach Winterthur. Damit beginnt der zweite Abschnitt von K.s Kunstler- laufbahn, zugleich die glucklichste und sorgenfreiste Zeit seines ganzen Lebens. Fast dreifiig Jahre blieb er in der Schweiz, wo er sich von Anfang an vollig heimisch fiihlte. Hier fand er die treusten Freunde, denen er lebenslang eine riihrende Anh&nglichkeit bewahrte, hier schuf er, getragen von der Liebe und Verehrung aller, denen seine Kunst frohe, wahrhaft lebens- werte Feierstunden bereitete, eine Reihe seiner schonsten Werke. 1862 ging er nach Zurich, wo er die Stelle eines Dirigenten der dortigen Abonnements- konzerte und bald auch noch das Amt eines Organisten an St. Peter uber- nahm. Sein Nachfolger in Winterthur wurde Hermann Goetz. In Zurich lernte der Klinstler auch Richard Wagner kennen, doch eine Briicke wollte sich nicht zwischen ihnen schlagen. Sie lebten in verschiedenen Welten. Uberhaupt vermochte K. mit der von Berlioz, Liszt und Wagner ausgehenden neueren Richtung niemals innere Fiihlung zu gewinnen. Um so glucklicher gestaltete sich sein Verhaltnis zu Brahms, der ihm als die Vollendung der deutschen Musik gait Er traf ihn zum erstenmal im Sommer 1865 in Baden- Baden, und bald verband die beiden eine immer engere, festgegriindete Freundschaft. Mit der ganzen Wucht seiner musikalischen Pers6nlichkeit trat K. begeistert fiir die Schdpfungen des Freundes ein und war einer der ersten, die das gewaltige D-moll-Konzert offentlich zu Geh6r brachten. Sehr oft wirkte K. von Zurich aus auch in Baseler Konzerten mit, besonders gern ubertrug man ihm bei den groBen Auffiihrungen im Munster die Orgelpartie, und auch hier feierte seine abgeklSrte, durchgeistigte Kunst, so oft er kam, einen neuen Triumph. 1868 verheiratete er sich mit der ^ebenso schdnen wie liebenswiirdigen« Sangerin vom Ziiricher Stadttheater Maria Schmidt Vier frohe Jahre verlebte K. dann noch in der Schweiz. Im Spatsommer 1872 aber wandte er sich nach Deutschland zuriick, ohne jedoch in der alten Heimat das ersehnte Gliick zu finden. Im Gegenteil es begann jetzt fur ihn eine Zeit ruhelosen Wanderns und schwerer Sorgen und Kampfe um die Existenz. In Meiningen, wohin ihn der Herzog als Musiklehrer fiir die Prin- zessin Maria berufen hatte, war seines Bleibens nicht lange. Die Hofluft mit ihrem Etiquettenzwang sagte seiner nach ungebundener Freiheit diirstenden Seele nicht zu. Er suchte daher die l&stigen Fesseln sobald wie mGglich abzustreifen. Mit neuen Hoffnungen ging er 1873 als Direktor der neu ins Leben gerufenen Musikschule nach Wurzburg. Doch auch hier vermochte er sich den Verhaltnissen nicht anzupassen, zum Beamten war er ebensowenig

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geschaffen wie zum Hofmann. Kompromisse verstand er nicht zu schlieBen, und die Rucksichtslosigkeit seines Temperaments, liber die er nicht immer Herr blieb, bereitete ihm bei der Ausiibung seiner Pflichten manche Schwierig- keit. Er legte daher nach kaum zweijahriger Tatigkeit die Stelle in Wiirz- burg nieder und zog nach Leipzig, um hier als ganzlich unabhangiger Kiinstler von Privatstunden und dem Erwerb aus seinen Kompositionen zu leben. Im Gegensatz zu friiheren Jahren, in denen K. nur mit sehr wenigen Werken hervortrat 1870 stand er noch bei der Opuszahl 10 entfaltete er jetzt eine aufierordentliche Produktionskraft, und es zeigte sich, dafl die auflere Not die starken Schwingen seines Geistes nicht zu lahmen vermochte. Alle Kompositionen dieser Zeit sind reine, in sich vollendete Kunstwerke, nur an Einem fehlte es ihnen, sie eigneten sich nicht zur Marktware, mit der die Verleger ein Geschaft machen konnten. K. sah sich daher bald ge- zwungen, auch andere Wege zu gehen und sich mit Bearbeitungen aller Art, Transskriptionen von Liedern und dergl. zu befassen. Auch auf diesem Ge- biete hat er die musikalische Literatur um wirkliche Schatze bereichert, die alle das Geprage ernster Kiinstlerschaft tragen. Am bittersten mag er den harten Druck des Lebens empfunden haben, wenn er, was nicht selten vorkam, bestellte Arbeiten sozusagen handwerksmaflig liefern mufite. Ein Lichtblick in triiber Zeit war die im Friihling 1880 unternommene Reise in die Schweiz, wo der Klinstler zu den alten Freunden noch zahlreiche neue gewann. Die Riickkehr nach Leipzig aber brachte keine Besserung in seinen Verhaltnissen, er griff daher wieder zum Wanderstab und versuchte in Dresden festen Fufi zu fassen. Es gelang ihm auch, am Dresdener Konservatorium eine freilich sehr niafiig besoldete Stelle als Lehrer fiir Ensemble und Partiturspiel zu erhalten. Alle andern Erwartungen aber, mit denen er gekommen war, schlugen fehl, und Mitte der achtziger Jahre gestaltete sich seine auflere Lage so trostlos, dafl verschiedene seiner Freunde, darunter Brahms, Biilow, Grieg, Herzogenberg, Joachim und Konstantin Sander in Leipzig, gemeinsam einen Aufruf zur Bildung eines Ehrenfonds fiir K. erlieflen. Sie hatten einen so gunstigen Erfolg damit, daB binnen kurzem eine erhebliche Summe zur Ver- fiigung stand, durch welche der &ufiersten Not gewehrt und auch die Zukunft der Familie einigermaflen sicher gestellt werden konnte. K. selbst aber litt es nicht mehr lange in Dresden, 1890 trennte er sich von den Seinigen und liefl sich in Hamburg nieder, wo sich ihm endlich in seinem hohen Alter dank der treuen und liebevollen Fiirsorge einer hochherzigen Hamburger Familie nach langer Irrfahrt eine sichere Zuflucht bot. Es ist hier nicht der Ort, den inneren Griinden der tragischen Schicksale nachzuforschen, die K. in der zweiten Halfte seines Lebens so schwer bedr&ngten. Auch von ihm wird Theodor Storms ernstes Wort gelten: »Vom Ungliick erst zieh* ab die Schuld«. Seine Kunst aber und auf sie allein kommt es hier an hat er durch alle Stiirme und Wirrsale siegreich hindurch gerettet, und wer sich in sie versenkt, dem wird er immer als ein Geweihter, eine Lichtgestalt erscheinen.

Theodor Kirchners Musik »des Erdenlebens schweres Traumbild sinkt«, ein wundersamer Stimmungszauber nimmt uns gefangen, eine Welt voll Schdnheit, Geist und Anmut tut sich auf. Von Schumann ging K. aus, doch trotz der engsten Anlehnung an sein grofies Vorbild, ist er niemals

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sein bloBer Nachahmer gewesen, in allem was er schuf, zeigte er sich als eine durchaus selbstandige Kiinstlernatur. Man hat es K. zum Vorwurf ge- macht, dafi ihm nie ein Werk grofien Stiles gelungen sei. Allein er kannte die Grenzen seines KOnnens viel zu genau und iibte stets eine viel zu strenge Selbstkritik, als dafi er sich je hatte verleiten lassen sollen, Wege zu wandeln, fur die seine Kraft nicht ausreichte. Er war der Meister dcr musikalischen Kleinkunst, besonders auf dem Gebiet des kleinen Klavierstiicks steht er einzigartig und uniibertroffen da, hier liegt seine eigentliche Bedeutung. Genialer Erfindungsreichtum, lebendigste Frische, bestrickende Melodik zeichnen alle diese Kompositionen aus, welche die zartesten und leiden- schaftlichsten Empfindungen einer echten Kunstlerseele wiederspiegeln. Die Form erscheint immer streng durchgebildet und in sich geschlossen. Es ist durchaus nicht immer leicht, dem Kiinstler zu folgen, er erfordert oft reifes Verstandnis und intimes, eindringendes Studium. Allein, wer tief hinabtaucht in die kristallreine Flut seiner Tone, der findet die Perle am Grunde.

Eine gute, auf griindlicher Kenntnis beruhende Ubersicht und Analyse der Kirchnerschen Tondichtungen gibt Niggli in seinem unten erwahnten Essay. Hier sei nur fliichtig an die schdnsten seiner Werke erinnert, zu denen vor allem die »Klavierstiicke« op. 2, die allbekannten »Albumblatter« op. 7, sowie die Clara Schumann gewidmeten »Praludien« op. 9 gehdren. Der ganze Kirchner lebt auch in den »Nachtbildern« op. 25, und ebenso zahlen op. 56 »In stillen Stunden« und die »Romantischen Geschichten* op. 73 zu den kdstlichsten und poesievollsten Offenbarungen seines Geistes. Auch unter K.s Liedern finden sich Schatze von hinreifiender Kraft und SchOnheit, so das vielgesungene »Sie sagen, es wire die Liebe« aus op. 1, und das tief innige »Was gibt doch der Sonne den herrlichsten Glanz« (op. 6). Aus der spateren Zeit stehen die Lieder op. 40 und 50 obenan. Erstere gelten dem Andenken seines fruh verstorbenen Freundes Franz v. Holstein. Auflerst wirkungsvoll ist auch das herrliche »Liebeserwachen« (op. 67), eine der duftigsten Bliiten in dem reichen Kranze der Kirchnerschen Lieder. Unter seinen wenigen Kammermusikwerken diirfte das Klavierquartett op. 84 (C-moll) das bedeutendste sein. Das sch6ne Streichquartett G-dur op. 20 gehorte seinerzeit zu den von dem beriihmten Florentiner Quartett bevor- zugten Kompositionen. Voll entziickenden Humors sind die Novelletten op. 59 fur Klavier, Violine und Cello. Mit einem Wort mufi hier auch noch der ausgezeichneten Bearbeitungen K.s gedacht werden, auf die wir schon oben kurz hingewiesen haben, der gradezu meisterhaften Klavier-Arrangements einzelner Lieder von Brahms, Schumann und Franz, sowie um nur einiges noch zu nennen, der hervorragenden Transskription des Schumannschen »Faust€ und des Brahmsschen Requiems fur Klavier allein.

In alledem lebt der Herzschlag wahrer Kunst, jeder spurt ihn, so oft er Kirchnersche Weisen vernimmt. Allein den ganzen unsagbaren Zauber seiner Musik werden wir nie mehr empfinden. Der enthiillte sich in seiner vollen Tiefe nur dann, wenn der Meister selbst am Fliigel safi und seine eigenen Sachen oder Schumann und Chopin spielte, oder wenn er etwa vollendet, wie es kein anderer vermochte, seinen Freund Stockhausen zum Gesang be- glcitete. Wie seelenvolles Singen war sein Spiel, und die Macht seiner Tdne, in denen er das drangende Leben der eigenen Brust ausstrdmte, packte die

Kirchner. [gr

ZuhSrer mit Allgewalt. So schreibt Wilhelm Baumgartner einmal iiber ein Konzert, welches Clara Schumann und Stockhausen unter Mitwirkung von K. im Februar 1862 in Zurich gaben: »Die Krone des Abends war die Dichter- liebe, ein Liederkreis von Heine, komponiert von Schumann, vorgetragen von Stockhausen und begleitet von Kirchner. Das Ganze ein Gufi, voll Poesie, Stimmung und hdherer Auffassung. K. I6ste seine schwere Aufgabe als Kunstler, jeder Ton bewu6t mit Hingebung und vollster Beherrschung des Kunstwerkes, ganz in Schumann eingelebt und verwebt. Der Eindruck auf mich war grofi und unvergefilich«. Ahnliches bezeugen alle, denen es vergonnt war, K. am Klavier zu h6ren oder seinem wundervollen Orgelspiel zu lauschen. Wir werden es nimmer erleben. Er, der so Grofies iiber Menschenherzen vermochte, ruht »im Bann des ew'gen Schweigens«. Und doch, was er geschaffen, bleibt uns und denen, die nach uns kommen, un- verloren. Denn es ist echte Musik, die K. uns geschenkt hat, gesund und kerndeutsch. Wie sollte sie nicht leben!

Vgl. A. Niggli, Th. K. Ein biographisch-kritischer Essay. Leipzig und Zurich: Gebr. Hug (1888). (Sep.-Abdr. aus der »Schweizerischen Musikzeitungc, Jg. 27, 1887, Nr. 6 13.) Derselbe, Th. K. Ein Gedenkblatt (»Schweiz. Musikzeit.c, Jg. 44, 1904, Nr. 1 2). »Die Musik*, Jg. 3, 1903/04, Hft. 2, S. 115 117 (Nekrolog von J. Sittard mit vortrefFl. Bildnis). »Die Musikwoche«c, Jg. 1903, Nr. 37 (Portr.), Nr. 38 (Nekrolog von S. Karg-EIert). »Neue Musik-Zeitung« (Stuttgarter), Jg. 25, Nr. 1 v. 22. Okt. 1903 (\V. Wintzer, Personliches von Th. K.). »Der Klavier-Lehrer«, Jg. ?6, 1903, S. 312 315, 361 363 (Nekrolog von A. Morsch). »Neue musikalische Presses, Wien, Jg. 12, 1903, Nr. 19 (Nekrolog von A. Smolian). »The Monthly Musical Record*, Vol. 33, 1903, S. 204 205 (Nekrolog von Christina Struthcrs). >Neue Zttrcher Zeitung« v. 24. Sept.

1903. ^Hamburg. Correspondent*, Morg.-Ausg. v. 19. Sept. 1903. »Neue Zeitschrift fflr Musikc, Bd. 55, 1861, S. 153—156, 165—167 (Schumanniana Nr. 6. Die Schu- mann'sche Schule. II. Th. K. Als Geburtsjahr ist hier irrtUmlich 1824 angegeben). »Signale ftir die musikalische Welt«, Jg. 18, 1860, S. 27; Jg. 31, 1873, s- 337/38; Jg. 34, 1876, S. 65/66; Jg. 45, 1887, S. 1057/58; Jg. 61, 1903, S. 874. »Musikalisches Ontralblattc, Jg. 1, Leipzig 1881, Nr. 26. H. Riemann, Geschichte der Musik seit Beethoven, 1901, S. 613/14. Derselbe, Musik -Lexikon, 6. Aufl. 1905, S. 660/61 mit »einer fast vollstandigen Liste von K.s Originalkompositionen*. A. Ehrlich, Beriihmte Klavierspieler der Vergangenheit und Gegenwart, 2. Aufl., Leipzig 1898, S. 155/56.

C. F. Weitzmann, Geschichte des Klavierspiels und der Klavierliteratur, 2. Ausg. (1879), S. 176. R. Schumann, Gesammelte Schriften Uber Musik und Musiker. 4. Aufl. Neue Ausg. v. F. G. Jansen, Bd. 2, 1891, S. 427 428, 484. H. Erler, ^Robert Schumann's Leben«. >Aus seinen Briefen«. 1887. Bd. 1, S. 324/325; 2, S. 174, 195. R. Schu- manns Briefe. N. F. Hrsg. v. F. G. Jansen, 2. Aufl. 1904, S. 229, 230. J. V. Widmann, Johannes Brahms. Berlin 1898, S. 15. M. Kalbeck, Johannes Brahms. Bd. 1,

1904, S. 283/84. Musikerbriefe aus fUnf Jahrhunderten, hrsg. von La Mara. Bd. 2, S. 321 323 (Brief K.s an seinen Bruder Otto, Winterthur 10. Febr. 1854). Hans v. Bttlow, Briefe u. Schriften. Bd. 3, 1896, S. 86; vgl. S. 139, 286, 294, 418, 436. L. Nohl, Neues Skizzenbuch, 2. Ausg. Mlinchen 1876, S. 153 ff. L. Ehlert, Aus der Tonwelt Essays. Berlin 1877, S. 244. W. J. v. Wasielewski, Aus siebzig Jahren. LebeDserinnerungen. 1897, S. 35/36. (C. Widmer), Wilhelm Baumgartner. Zurich,

D. Bttrkli, 1868, S. 132/33. W. Kienzl, Miscellen. Leipzig 1886, S. 76/77. Person- liche Mitteilungen uber K. verdanke ich Frau Musikdirektor Kaslin in Aarau, die mir auch cine Rcihe von Briefen K.s freundlichst zur Verfligung stellte.

Job. Sass.

Biogr. Jahrbuch u. Dcutschcr Nekrolog*. 8. Bd. 1 1

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Steiner, Kilian, Dr., * 9. Oktober 1833 in Laupheim (Wurttemberg), f 25. September 1903 in Stuttgart. Der Unterzeichnete bringt hier auf Wunsch des Herausgebers die Worte zum Abdruck, welche er im Krema- torium in Heidelberg zum Gedachtniss des Freundes sprach, lafit aber einige Notizen iiber den Lebensgang vorangehen.

Kilian Steiner stammt aus jiidischen Kreisen Oberschwabens. Sein Vater hat erst 1828 mit zwei Briidern den Familiennamen Steiner angenommen, wie es iiberall die neuere Gesetzgebung verlangte. Er hiefi Victor, ist am 1. September 1790 geboren, am 14. Juli 1865 gestorben; die Mutter Sophie, geb. Reichenbach, war 1800 geboren, starb 14. Oktober 1866. Wesen, Charakter und aufiere Erscheinung soil Kilian wesentlich von ihr haben. Uber die beider- seitigen Grofieltern sind nur Namen, Geburts- und Sterbetage iiberliefert. Wesen und Erscheinung St.s waren in so vielfacher Beziehung iiberwiegend germanisch, oberschw&bisch, dafi man unwillkiirlich an eine vielleicht weit zuriickliegende Blutmischung zwischen judischer und germanischer Rasse denkt.

Die Eltern lebten in bescheidenen Verhaltnissen ; der Vater war Handels- mann, Landwirt und Brauer; er hatte, als die wurttembergische Regierung Schlofi und Gut Laupheim verkaufte, dieses erhebliche Anwesen mit Andern iibernommen. Er mufite sich schwer durchschlagen; hatte elf Kinder, welche von 1819 1840 geboren wurden. Kilian war das achte Kind, be- suchte die Volksschule in Laupheim und erhielt zugleich lateinischen Unter- richt beim katholischen Geistlichen; 1844 49 wurde er Schiller des Stuttgarter, 1849 51 des Ulmer Gymnasiums, wo der spatere Oberstudienrat Hassler, als Leiter der Anstalt, sich seiner sehr annahm. Von den fiinf SGhnen war Kilian der einzige, der eine hohere wissenschaftliche Ausbildung erhielt; die andern wurden Kaufleute und Brauer.

Von 185 1 58 studierte St. in Tubingen und Heidelberg, machte dann seine juristischen Staatsexamina, liefi sich 1859 *n Heilbronn als Advokat nieder und siedelte 1865 nach Stuttgart iiber, wesentlich auf Wunsch seiner politischen Freunde (der deutschen Partei) und in Zusammenhang mit den Pl&nen, eine grofie wurttembergische Bank zu grunden. Er war von Anfang an der Rechtsrat und geistige Leiter der 1869 gegriindeten Vereinsbank, deren Geschichte er 1894 schrieb: » Wurttembergische Vereinsbank, Rechenschafts- bericht iiber die ersten 25 Gesch&ftsjahre 1869 18930c. Dieser Bericht ist ein sehr wertvoller Beitrag zur deutschen Bankgeschichte.1)

Am 17. Oktober 1869 verheiratete sich St. mit Clotilde Goldschmidt, geb. Bacher, die ihm zwei Tdchter erster Ehe mitbrachte; er liebte sie wie seine eigenen und gab ihnen seinen Namen; aus seiner Ehe gingen drei Kinder hervor, Victor geb. 1870, jetzt Rechtsanwalt in Kolmar, Lisi geb. 1872, Mut geb. 1876. Alle drei sind verheiratet.

Uber die »zwei Seelen« in seiner Brust, von denen die eine ihn nur nach idealen Giitern streben, die andere ihn zu einem der ersten unserer grofien Unternehmer und Kartellgriinder werden liefi, sei es gestattet hier eine Brief- stelle von ihm anzufiihren (wohl an seine Mutter gerichtet, aus den fiinfziger Jahren): »Was die innere Geschichte meines hiesigen Lebens betrifft, so kann

«) Ich hoffe, ihn demnSchst in meinem Jahrbuch fttr Gesetzgebung des Deutschen Reiches (1905) zu vcrtfffentlichen.

Steiner. 1 63

ich hier freilich nur vom allgemeinsten sprechen. Ich wurde durch die Zeit, die ich daheim verlebte, von meinem sonstigen Streben weit abgezogen; es waren meist nur materielle Interessen, die ich urn mich sah und ich war geneigt, auch fur meinen Teil darnach zu streben, diesem Interesse zu genligen. Ich fiihlte aber bald, dafi es in meinem Herzen und in meinem Geiste leer und leerer wird und wie ich hieher kam, da erfiillte mich wieder die ganze Sehnsucht nach der fruheren Zeit, wo nicht das ganze Ziel meines Strebens auf Erlernung meines Handwerkes gerichtet war, sondern ich voll Eifer fur das Gute und Schone ein h6heres Ziel fur das Leben verfolgte. Leider ge- hort Bildung, die wahre und echte, immer mehr zu den seltenen Dingen; der materielle Erwerb erfiillt alle Kopfe und Herzen. Ich schlug von Anfang an einen anderen Weg ein und bin wieder auf ihn zuriickgekommen, um auf demselben zu verharren.«

Die Politik, die Wissenschaft, die Literatur, die Kunst waren es, welche ihn freundschaftliche Bande mit Wallesrode, Leuthold, Wilhelm Raabe, Moritz Hartmann, Wilhelm Jensen, Adolf Seeger, Pfizer, Freiherrn v. Stauffenberg, Berthold Auerbach, Paul Heyse, J. Viktor v. Scheffel, Herrn v. Putlitz (dem Karlsruher Intendanten), mit Bamberger, Lasker, Rickert kniipfen lieflen. Als Fiihrer der deutschen Partei stand er in enger Fuhlung mit dem preuflischen Gesandten von Rosenberg; Minister von Varnbiiler hatte dauernden Verkehr mit ihm, ebenso stand Finanzminister v. Riecke ihm nahe und der langjahrige ausgezeichnete stille Lenker der wurttembergischen Politik, der Geheime Kabinetschef v. Griesinger. Manche der Tubinger Professoren sahen ihn gerne und schatzten ihn hoch; es seien nur die beiden Kanzler Rumelin und Weizsacker genannt.

Teils als alte Freunde, teils als neue Geschaftsgenossen traten die fuhren- den Berliner und Wiener Finanzmanner in engere Beziehung zu ihm, vor allem Adalbert Delbriick, Werner und Georg v. Siemens, Steinthal (Deutsche Bank), Finanzminister Depretis.

In den achtziger und neunziger Jahren entstanden die Beziehungen zu Laistner, Bettelheim, Adolf Kroner, German v. Bohn, Gabillon, Sudermann, Lenbach, Erich Schmidt, Bernhard Suphan.

Eine vornehme und behagliche Gastfreundschaft fiihrte diese und zahl- reiche andere bedeutende Manner im Sommer immer wieder nach Niedernau und Laupheim. Er hatte 1877 das Sommerhaus des Klinikers Niemeyer in Niedernau erworben, schuf dort an sonnigem Waldabhang einen ganz eigen- artigen Waldpark, mit halbsudlichen Gartnereien verbunden. In spateren Jahren wohnte er im Sommer auf Schlofl Laupheim; er begriindete dort in kiirzester Zeit nicht bloB eine Musterlandwirtschaft ersten Ranges und eine technisch vollendete Brauerei, sondern auch wieder einen Ziergarten und einen Park, der anmutig das hochliegende alte Schlofigebaude umgibt. Immer mehr zog er sich von der geschaftlichen Tatigkeit zuriick, sammelte Bilder, Kunst- gegenst&nde, wertvolle literarische Manuskripte die Zukunft seiner Kinder ordnend, fertig mit dem irdischen Leben, ruhig und gelassen den Tod er- wartend.

Von den judischen und den christlichen Pfaffen wollte er nichts wissen. Mit hochstehenden protestantischen Geistlichen hat er gerne verkehrt, engste Beziehungen zu ihnen gehabt. Meine Gedachtnisrede auf ihn lautet:

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Werte Trauerversammlung! Wir haben uns vor dem Sarg unseres Freundes, des teuren Anverwandten, des Mitarbeiters und Chefs, des Dr. Kilian v. Steiner hier versammelt, urn ihm ein letztes Lebewohl zuzurufen, ehe seine irdische Hulle in Asche zerfallt, wie er es angeordnet hat. Ich schatze mich gliicklich, von der Familie berufen zu sein, als sein altester Freund hier den Gefuhlen Aus- druck zu geben, die uns alle beseelen. Es sind die bitteren Gefuhle des Schmerzes, dafi wir von dem unvergefilichen, seltenen Manne uns trennen sollen, der in der Tat in seiner Familie, in seinen Geschaftsbeziehungen, bei seinen Freunden eine unausfullbare Lucke hinterlaflt. Er war der beste Gatte, der treueste Vater, der Berater aller seiner Verwandten, der hingebendste Freund seiner Freunde, er war ein Geschaftsmann ganz grofien Stils, ein guter Jurist, derzum koniglichen Kaufmann geworden war; einer der fiihrenden Geister beim Ubergang der deutschen Volkswirtschaft aus der Enge klein- biirgerlicher Verhaltnisse zur Weltmacht, zur Groflindustrie, zur modernen Geld- und Kreditwirtschaft in den letzten vierzig Jahren.

Wie wurde ihm mflglich, so Grofles zu leisten? Er stammte aus be- scheidenen Verhaltnissen; doch konnten ihn seine trefflichen Eltern aufs Gymnasium nach Ulm und Stuttgart senden. Er entwickelte sich nicht rasch, einer seiner Lehrer soil dem Vater geraten haben, ihn ein Handwerk lenien zu lassen. Schon damals wird er den Zug bedachtiger Vorsicht und Umsicht gehabt haben, der langsam voranging, um erst wenn er ganz festen Boden unter den Fuflen hatte, zu urteilen und zu handeln. Er hat dann in den Fiinfzigerjahren in Tubingen und Heidelberg Jura, Geschichte, Philosophic und Literatur studiert und getrieben. Seine geistige Lebensluft blieb der humane Idealismus, der, aus unserer grofien Literaturperiode stammend, damals noch voll und ganz die besseren, hochstrebenden Geister beherrschte. Es ist bezeichnend, dafl er bis an sein Lebensende humanistisches Gymnasium und juristisches Studium auch fur die beste Vorschule des grofien Kaufmanns hielt und dafi er, den Schillerverein griindend und unterstiitzend, gleichsam seinen Jugendidealen Altare errichtete. Ich glaube, man wird sagen konnen, er wire nach seinen innersten Neigungen stets am liebsten der Literatur, der Kunst, der Wissenschaft treu geblieben. Fur UniversitStsprofessoren behielt er zeitlebens eine ich mochte fast sagen ubertriebene Schwache und Verehrung.

Ich hatte St. kennen gelernt, als ich am ersten Tag meines Tiibinger Aufenthalts in der »Traube<* einen Platz am studentischen Mittagstisch suchte und zufallig neben ihn kam. Aus dem gemeinsamen Essen erwuchs unsere Bekanntschaft, die bald zur Freundschaft und Gesinnungsgenossenschaft in philosophischen, ethischen, politischen, sozialen und anderen Idealen wurde. Schon damals hatte der Umgang mit ihm einen unwiderstehlichen Reiz. Als er nach einigen Semestern Tubingen verliefi, wurde ich der Erbe seines Zimmers im Ammermullerschen Hause. Er sollte nun bald sein Brot ver- dienen und wandte sich als unbekannter, junger Advokat nach Heilbronn, wo er aufier mir wohl nur Dr. Paul Buttersack sen. naher kannte. Nicht ganz leicht wurde es ihm, sich eine geachtete, lohnende Stellung zu erk&mpfen. Manche, die spater seine gehorsamen Diener waren, traten ihm zuerst un- freundlich entgegen. Er entwaffnete alle durch seine Ruhe und Liebens- wurdigkeit, durch seine juristischen und geschaftlichen Fahigkeiten. Ich war

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186 1 bis 1864 auch viel in Heilbronn; er war ein fast taglicher Cast in un- serem Hause. Neben der laufenden Advokatenarbeit ergriff ihn die Politik; ein begeisterter deutscher Patriot trat er fur Preuflens Fiihrung, fur die An- nahme des franzosischen Handelsvertrags und derartiges ein. Bald war man auch in Stuttgart auf ihn aufmerksam geworden. Gustav Miiller zog seine grofie, schriftstellerische und gesch&ftliche Kraft in den Dienst der Losung der wurttembergischen Bank- und Kreditfragen. Er iibersiedelte nach Stutt- gart und war von Anfang an die Seele der neuen, 1869 eroffneten Vereins- bank. Auch in Berlin bemerkte man seine Bedeutung. Dr. Delbriick, der fruhere Chef des grofien Bankhauses Delbriick, Leo und Co., erzahlte mir einmal, Ende der Sechzigerjahre habe er von dem ihm damals noch wenig bekannten Dr. Steiner eine kleine Denkschrift iiber eine wichtige volkswirt- schaftliche Frage (vielleicht iiber die Neugriindung der Berliner Banken

1868 bis 1 871) erhalten, die so prazis, so durchdacht, so grofl in ihren Kon- zeptionen gewesen sei, dafi er sofort begriffen habe, welchen Wert es hatte, ihn zu allem Moglichen heranzuziehen.

Daneben aber hielt ihn bis in die Siebzigerjahre die Politik gefangen. Er wurde in Wiirttemberg einer der Fiihrer der Deutschen Partei. Er hat vor allem in den grofien Entscheidungsjahren 1866 und 1870 eine bedeutsame Rolle in Stuttgart gespielt. Der leitende Minister v. Varnbiiler, der 1866 den PreuBen das vae victis zurief und auch 1870 nicht ganz sicher war, in welchem Lager Wurttembergs Vorteil und Zukunft liege, kannte und schatzte St. sehr hoch; er sprach ihn damals viel, er merkte, dafi dieser durch seine auswar- tigen Verbindungen doch oft viel besser unterrichtet sei als er; er fiihlte wohl auch die Wucht und Kraft des nationalen Gedankens, der ihm in St. so klug und gemafiigt, so iiberzeugend entgegentrat. Das einzelne aus diesen Be- ziehungen kann hier nicht besprochen werden.

So kam er auf die Mittagshohe seines Lebens 1870 bis 1890, nachdem er

1869 sich auch sein eigenes Heim gegriindet, seine Jugendliebe heimgefiihrt hatte; nicht lange nachher hat er in dem stillen Niedernau sich einen idyllischen Waldgarten mit Sommerhaus geschaffen. Er lebte nun mehr und mehr ganz den grofien Geschaften: Er nahm tatigen Anteil an der Geschaftsleitung der ersten deutschen Effekten-, namlich der »Deutschen Bank«, an der Begriindung und Ausfuhrung der Anatolischen Bahnen, er baute das wiirttembergische Bankwesen vollends aus; er wurde der finanzielle Berater und stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft, die das gr6flte deutsche Verlagsinstitut schuf, indem sie eine Anzahl groflerer Verlagsgeschafte zur »Union« zusammenfafite und damit die Cotta'sche Buchhandlung und den Verlag der Gartenlaube in Verbindung brachte; er war eine Hauptperson bei der Schaffung des Pulver- und Dynamitkartells, bei dem riesenhaften Aufschwung der Badischen Anilin- und Sodafabrik; er hat jahrelang daran gearbeitet, das ungesunde Monopol der Rothschilds und ihrer Klientel durch ebenbiirtige Fusionen zu brechen. Er hat mit das grofie Heilbronner Salzwerk geschaffen und sein Gedanke war es, soviel ich weifi, dafi dieses grofie Unternehmen einst der Stadtgemeinde anheimfallen sollte. Heute wiirde man das Munizipalsozialismus nennen. Bei St. war es das einfache Gefiihl der Gerechtigkeit, an derartigen aus der Ge- meindemarkung hervorgehenden Reichtumern in irgend einer Form die ganze Gemeinde teilnehmen zu lassen. Doch ich darf mich nicht in die Einzel-

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heiten verlieren, soviel noch zu erw&hnen ware. Ich bemerke nur noch, dafl seit den neunziger Jahren die ungeheuer werdende Geschaftslast und das herannahende Alter ihn veranlafiten, sich etwas von diesen grofien Unter- nehmungen zuriickzuziehen, und dafl er nun die freien Stunden seiner Sechziger- jahre ganz dem Plane widmete, in Laupheim, wo seine Eltern einst schon eine kleine Landwirtschaft und Brauerei betrieben hatten, eine grOflere Muster- wirtschaft zu errichten. Seine Kase- und Butterproduktion machte ihm hier nun so viel Freude, wie vorher die grofien Kartellgriindungen. Er brachte es in wenigen Jahren so weit, dafl angesehenste Landwirte aus nah und fern nach SchloB Laupheim wallfahrteten , urn die Geheimnisse dieses technisch vollendeten, trotz der landwirtschaftlichen Not lukrativen Betriebes zu er- griinden.

Ich frage noch einmal, wie kam dieser humane Idealist zu solchen prak- tischen Erfolgen? Was war psychologisch die Ursache derselben, was machte den Kern seines geistigen Wesens aus? Ich hOrte oft sagen: Ja, der St. hat eben eine gllickliche Hand. Aber die Hand und das Gliick machts nicht, sondern der Kopf, der Charakter, das Gemiit, die ganze Seele und alle ihre Krafte. Man hat ihn ein Geschaftsgenie genannt; ich mftchte sagen, er hatte grofle geniale Ziige, aber sie waren in erster Linie solche der Willensenergie, der Verstandesscharfe, der Herzensgiite und der Gemutswarme. Es will mir vorkommen, seine ganzen Geistes- und Gemiitskrafte seien, wie man es nur bei wenigen begnadigten Menschen trifft, von besonders starker Erregbarkeit und besonders grofier Feinheit gewesen; er beobachtete besser als andere, seine Fahigkeit, Menschen und Verhaltnisse zu durchschauen, in ihren Folgen zu schatzen, war grOfier; alle Eindriicke auf seine Seele waren starker, seine Anschauungsbilder von der Welt waren lebendiger, seine Fahigkeit, zu handeln, weitumspannende Verhaltnisse konzentriert als Einheit zu fassen, war grdfier als bei andern Menschen. Er hatte, was fur den handelnden Menschen das wichtigste ist, ein seltenes Augenmafi fur richtige und rasche Einschatzung der Krafte, der Menschen, der Verhaltnisse, die ihm gegeniiberstanden ; er sah stets das Grofie sofort grofi, das Kleine klein. Und deshalb stimmten auch seine Erwartungen mit den spatern Folgen. Nichts hat ihn gliicklicher gemacht, als wenn in seinen grofien Geschaftskombinationen nach Monaten und Jahren die Dinge sich so gestalteten, wie er vorausgesagt hatte. Nichts erhahte auch sein Ansehen in der grofien Geschaftswelt mehr, als diese Treff- sicherheit in der Voraussicht der privat- und volkswirtschaftlichen Entwick- lungsprozesse.

Aber wer so geartet ist, wer ein so viel feineres Instrument der Seele besitzt, der leidet auch darunter. Bis zum physischen Schmerz konnte jede wichtige politische, geschaftliche, Familiennachricht ihn erregen; er konnte dann wie abwesend erscheinen, sich in sich selbst verschliefien, um Herr zu werden iiber die Erregung; er war dann nicht fahig, dariiber zu reden, wie er iiberhaupt leicht als still, als verschlossen erschien, nur schwer sein Innerstes aufschlofi, auch nur selten den Vertrautesten sein Herz und seine letzten Ge- danken ganz eroffnete. Er sprach leicht stockend; er liebte es, oft nur in Andeutungen zu reden, auch wo er sich aufschlofi. Fernstehenden erschien er stets mehr als die Herrschernatur, die mit Sicherheit ihre Wege geht und gebietet. So hat ihn auch Lenbach in seinem Bilde erfafit. Auch in der

Stciner. 1 67

Familie erschien er als herrschender Patriarch; ich mufite, wenn ich ihn da lenken und bestimmen sah, oft an die Worte Ulpians denken : pater familias est, qui in domo dominium habet.

Er war daneben die Giite, die Leutseligkeit, die Liebenswiirdigkeit, die Weichheit selbst; er war ein unverbesserlic(ier Idealist und Optimist; er sah stets mehr das Gute in den Menschen als das Schlechte, weil er selbst inner- lich so gut war. Er war auch in den Geschaften Optimist, sonst hatte er nicht so Grofies geschaffen; der ganz groBe Unternehmer ist wie der groBe Staatsmann nicht moglich ohne eine groBe produktive, an den Fortschritt der Welt, an hohere, bessere Formen der Zukunft glaubende Phantasie. Aber dieser Optimismus verband sich bei St. mit scharfster Erfassung des Wirk- lichen und mit der hochsten Energie des Wollens; er setzte alles daran, das zu verwirklichen, was er hoffte und wiinschte. Und jeder grofle Wille zwingt das Schicksal bis auf einen gewissen Grad.

In diesen Eigenschaften liegen die Geheimnisse seiner grofien Erfolge, auch die Erklarung so vieler kleinen Ziige seines Wesens. Am meisten fiel auf, dafi er fast scheu, keusch sich stets in den Hintergrund druckte; er hatte eine formliche Angst, mehr zu scheinen als er sei, ja nur entfernt zu verraten, was er GroBes sei und leiste. In seinen Geschaftsberichten sprach er nie von sich, es hatte da stets den Anschein, als ob andere das Grofie gemacht. Er hat kaum je offentlich gesprochen, so viel er anderen mit seinen Gedanken und RatscKIagen unter die Arme gegriffen hat. Die Ursache lag eben in seiner Sensibilitat; er wurde nur im stillen Kammerlein Herr iiber seine Gedanken und Erregungen, im grofien Kreise fiirchtete er die Gewalt der letzteren.

Auch im kleineren Kreise seiner groBen Geschaftsfreunde liefi er, so wird mir erzahlt, gerne zunachst andere reden. Aber zuletzt, wenn alles durch- einander ging, kein rechter Ausweg denkbar schien, dann erhob er sich, trug klar und sicher seinen wohliiberlegten Plan vor; dann sanken die Nebel und alle fiihlten, daB St. der Meister war, dafi man ihm folgen und gehorchen musse. Mochten andere, wie sein Freund Georg von Siemens, oft genialer und kiihner sein, er war vorsichtiger, solider; von Siemens' Planen scheiterte auch mancher, von den seinigen kaum jemals einer.

Bequem war er auch seinen Freunden, seinen Kollegen und den Ver- waltungsraten, seinen Direktoren und Beamten nicht immer. Nicht blofi, dafi er viel forderte, weil er selbst viel leistete. Er hatte vor allem strenge Vorstellungen iiber Soliditat, Rechtlichkeit, erlaubte Geschaftsmaximen. Nicht bloB, weil er selbst innerlich eine so vornehme, idealistische Natur war, weil ihm die Sache stets iiber dem augenblicklichen Geldgewinn stand, sondern weil er auch mit weitem Horizont die Tragweite der ungeheuren Umwalzung unserer Betriebsformen iiberblickte, weil er die Gefahren einer ungesunden und die Bedingungen einer gesunden Entwicklung dieser neuen wirtschaft- lichen Welt erkannte.

Er sah, dafi wir nur mit diesen neuen Formen der Aktiengesellschaft, der Fusion, des Kartells und Trusts rasch vorankommen, den anderen Nationen die Stange halten konnen. Er war einer der ersten, der diese Formen praktisch anwandte, ihnen Gestaltung, rechtliche Form, wirtschaftliche Ausfuhrung gab. Aber er sah auch, dafi damit eine andere Welt wirtschaft-

1 68 Steiner.

licher Motive entstanden war, dafi nur Menschen mit viel hoherer Bildung und Schulung und mit ganz anderem Pflicht- und Verantwortlichkeitsgefuhl, mit ganz anderem sozialem Sinn diese grofleren Institute richtig und segens- reich leiten konnen. Ihn selbst charakterisierte ein seltenes und strenges Pflichtgefuhl. Der blofle Gelderwerb, der habsuchtige Egoismus der Geld- macher erschien ihm stets verachtlich. Er sah, dafi unsere Zeit an dem Laster der Habsucht der oberen Klassen scheitern kann, und dafi die Leitung der grofien Kombinationen von Geschaften nicht blofi die Eigenschaften des geriebenen Geschaftsmannes, sondern, wenn man so sagen darf, auch die des Staatsmannes erfordere, dafi diese Leitung nicht blofi auf den Gewinn der Aktionare, sondern ebenso auf das Gesamtwohl gerichtet sein musse. Als wir einmal von seinen Erfolgen und seinem Reichtum sprachen, sagte er: »Ja, ich bin reich geworden, aber ich habe es nie erstrebt; wenn ich es gemacht hatte, wie so manche in ahnlicher Stellung, ich hatte das Zwei- und Vier- und Mehrfache erwerben konnen. Aber ich wollte anderen stets ein gutes Beispiel geben.« Er fugte bei: »Ich sah es geradezu als meine wichtigste Aufgabe und Pflicht an, in den Aufsichtsraten, den Direktoren und Beamten der grofien Unternehmungen ein Geschlecht von Mannern zu erziehen, das nicht in erster Linie fur sich erwerben will; diese grofien Betriebe konnen nur mit einem kaufmannisch-technischen Beamtentum gefiihrt werden, das sich bewufit ist, fremde Gelder zu verwalten, im Dienste anderer und der Gesamtheit zu stehen.« Oft hat St., besonders in den letzten zehn Jahren, daruber geklagt, welchen Widerstand er in dieser Beziehung finde, welche Kampfe ihm durch seinen Standpunkt erwachsen. Die kurzsichtigen Geldmacher begriffen ihn nicht, wenn er es streng verpSnte, dafi die Aufsichtsrate einer Aktiengesell- schaft in Hausse und Baisse der eigenen Aktien spekulieren. Aber oft ruhmte es St. auch, dafi er da und dort unendlich viel Gutes mit diesen Prinzipien geschaffen, dafi die Bliite dieser und jener seiner Lieblings- schopfungen auf diesem Geiste beruhe. Ebenso erkannte St. aber, dafi die neuen Grofibetriebe nur mit einem geistig, technisch, politisch und moralisch sich hebenden Arbeiterstand auf die Dauer gedeihen konnen. Er konnte fur diesen Gedanken stets aufs neue sich erw&rmen und ereifern. Er furchtete sich nicht vor dem steigenden Selbstbewufitsein der Arbeiter, vor ihren politischen und beruflichen Organisationen. Er war der Antipode jener Scharfmacher unter den Groflunternehmern, die in jeder Lohnforderung eine Antastung ihres Herrenrechtes sehen. Ich glaube, dafi St. stets meine sozial- politischen Anschauungen, die er nicht blofi als Freund, sondern auch als Sozialpolitiker mit Teilnahme verfolgte, billigte.

Er hatte eben hier wie iiberall den grofien Blick fur die Zukunft und die letzten, inneren Zusammenhange neben der klaren und niichternen Er- fassung der Wirklichkeit. Er drang auch hier vor bis zu den obersten und ersten Ursachen des Menschenlebens, des menschlichen Handelns: Moralische und geistige Krafte erkannte er iiberall als die letzten Motoren. Er stand cbenbiirtig neben Richard Rosicke, den wir neulich in Berlin zu Grabe geleitet. Hoffen wir, dafi das Schicksal uns auch kiinftig immer wieder solche Manner gibt, dann steht es gut um unsere Zukunft.

Teurer Freund! Lebe wohl! Wir danken Dir fur alles, was Du uns, was Du Tausenden, was Du clem Vaterlande. warst. Verehrt, geliebt, bewundert

Steiner. Neckelmann. j fig

wie wenige scheidest Du aus dem Leben. Deine Werke folgen Dir nach. Den unendlichen Schmerz, den Dein Tod uns bereitet, hat jeder von uns fur sich je nach seinem religiOsen, seinem philosophischen Standpunkt im Innern durchzukampfen und abzumachen. Aber das Eine werden wir uns alle als Trost sagen kftnnen: Kein Mensch lebt umsonst auch fur den Zusammenhang unseres irdischen gesellschaftlichen Daseins. Und vollends der nicht, der so reich begabt, an solcher Stelle wie Du auf Tausende wirkte. Was ein Leben, wie das St.s an guten Ideen, Gefiihlen, Handlungen in sich barg, an neuen Einrichtungen erzeugte, das ist mit dem Tode nicht verloren. Es sind SamenkOrner, die tausendfache Frucht tragen, die in uns immer neue Auferstehung, Kraftigung und Ausbreitung erleben. Denn

»Wer den Besten seiner Zeit genug getan, Der hat gelebt fiir alle Zeiten!*

Gustav Schmoller.

Neckelmann, Skjold, Professor fiir Architektur an der Technischen Hoch- schule in Stuttgart, * 24. November 1854 in Hamburg als Sohn eines aus Danemark stammenden Kaufmanns, f 13. Mai 1903 in einer Nervenheilanstalt zu Neckargemund bei Heidelberg. Nach dem Besuch der Schleidenschen Schule in Hamburg erlernte N. von 1870— 1873 das Maurerhandwerk, wahrend or gleichzeitig in den Wintermonaten in der Hamburger Bauschule griind- liche Fachstudien trieb. Ostern 1873 trat er in das Bureau des Architekten Martin Haller ein, bezog jedoch schon im folgenden Jahre die Akademie der bildenden Kunste in Wien, wo er sich unter Theophil v. Hansen sechs Semester hindurch mit solchem Eifer dem Studium widmete, dafi man seinen Fleifi mit einem Stipendium belohnte, das ihm die erste Reise nach Italien ermdglichte. Konnte der Aufenthalt dort auch nur von kurzer Dauer sein, so wurde er doch von wesentlicher Bedeutung fiir N.s kiinstlerische Entwicke- lung. Die nachhaltigen Eindrucke, die er damals von den Werken der groflen Meister der Renaissance empfing, legten den Grund fiir seine ganze spatere Stilrichtung, die er selbst einmal als »italienische Renaissance mit leichten Ankl£ngen an die Antike« charakterisiert. Nach voriibergehender T&tigkeit in Wiesbaden und Berlin wandte er sich fiir ein Jahr nach Paris und beschlofi dann seine Lehr- und Wanderzeit durch eine zweite Reise nach Italien, dessen Wunderwelt sich ihm nun in fiinf gliicklichen Monaten in ihrer ganzen Fiille und Tiefe erschlofl. Nach Hamburg zuriickgekehrt verband N. sich zu ge- meinsamem Wirken mit dem ihm befreundeten Architekten Franz Schmidt. Die praktischen Aufgaben, vor die er sich gestellt sah, geniigten jedoch seinem hochstrebenden Geiste nicht; auch zahlreiche Wettbewerbe, an denen er sich beteiligte, fiihrten, obgleich sie seinen Arbeiten reiche Anerkennung brachten, doch nicht zu dem ersehnten Erfolg eines monumentalen Auftrags fur die Vaterstadt. N. beschlofi daher, Hamburg zu verlassen. Im Sommer 1885 ging er nach Leipzig, wo er sich an den urn zehn Jahre alteren August Hartel anschloB. Im Verein mit diesem Meister schritt er nun von Erfolg zu Erfolg und durfte es erleben, dafi sich die kiihnsten Traumc seiner Jugend glanzend verwirklichten. Die geniale Gestaltungskraft, die in N. rege war, erwachte jetzt zu vollem Leben und liefi ihn Werke schaffen, die hochste Anerkennung und Bewunderung fanden. Fur eine ganze Reihe von Entwiirfen wurden

1 70 Neckelmann, Souchay.

beiden Kunstlern hervorragende Auszeichnungen zuteil. Bei dem internatio- nalen Wettbewerb um Plane fiir die Fassade des Doms zu Mailand lieferten sie eine Arbeit, die unter den fiinfzehn besten ihren Platz erhielt und N. die Ernennung zum Mitglied der Mailander Akademie eintrug. Das Jahr 1888 brachte ihnen erste Preise fiir ihre Entwurfe fiir das Landesgewerbemuseum in Stuttgart und fiir das Landesausschufigebfiude in Straflburg i. E. Nachdem ihnen auch die Ausfiihrung des letzteren sowie der Landesbibliothek daselbst iibertragen war, verlegten sie 1889 ihren Wohnsitz nach Straflburg. Aber schon 1890 siedelte N. zur Ausfiihrung des Landesgewerbemuseums nach Stuttgart iiber. Kaum hatte er das Werk begonnen, als ihm infolge des Todes seines Freundes Hartel die iiberaus schwere Aufgabe zufiel, die gemeinsam ubernommenen Arbeiten nunmehr samtlich allein zu vollendcn. Dazu kam, dafi er, im Oktober 1892 als Nachfolger des Baudirektors C. v. Leins zum ordentlichen Professor fiir Architektur an der Technischen Hochschule in Stuttgart berufen, sich den Pflichten dieses neuen Amtes mit demselben Feuer- eifer hingab, der ihn bei allem Tun beseelte. Aber schliefllich iiberstieg das Obermafi der an ihn gestellten Anforderungen seine KrSfte und legte den Keim fiir die spatere schwere Erkrankung, die den zum Hochsten ringenden Kiinstler noch vor Vollendung des 50. Lebensjahres hinwegraffte. Das erhabenste Denk- mal seiner Kunst, das man mit Recht sein eigentliches Lebenswerk genannt hat, bleibt das Stuttgarter Landesgewerbemuseum, das im Grofiten wie im Kleinsten den ganzen Reichtum seines schopferischen Geistes offenbart. Als akademischer Lehrer erfreute sich N. eines ganz besonderen Rufes und einer von Jahr zu Jahr wachsenden Zahl von Schulern, die er wie kein anderer fiir den idealen Beruf der Baukunst zu begeistern wuflte. Als Mensch ge- wann er sich die Liebe und Zuneigung aller, denen er nahe trat; »in Stutt- gart sah er sich von der ganzen Gesellschaft geradezu auf HSnden getragen.« Viel zu friih ist er dahingegangen, aufs tiefste betrauert von alien, die ihn kannten und schatzten. Die Friichte seines Lebens aber dauern, und der Geist, der in den Werken seiner Kunst lebendig ist, wird immer fortwirken.

Ver b ffentlichungen: Ornamentale Phantasien. Berlin 1880. Dekorative Skizzen. Lfg. 1. 2. (Je 10 Tafeln.) Leipzig 1886 87. Denkmaler der Renaissance in Danemark mit beschreibendem Text von F. Meldahl. (47 Taf.) Berlin 1888. Zusammen mit A. Hartel: Aus unserer Mappe. Auswahl hervorragender Entwurfe. 1886 87. (36 Taf.) Leipzig 1888; Serie 2. (40 Taf.) Berlin 1889. Architektonische Studien. EntwUrfe von Studierenden der Kgl. Technischen Hochschule zu Stuttgart. Hrsg. unter Leitung von S. N. (25 Taf.) Stuttgart 1897. Das Koniglich Wiirttembergische Landes - Gewerbemuseum in Stuttgart. Berlin 1898.

Vgl. > Deutsche Bauzeitung«, Jg. 37, 1903, S. 266/67. »Zentralblatt der Bauver- waltung*, Jg. 23, 1903, S. 321/22 (Bildnis). »Hamb. Correspondentc, Ab.-Ausg. v. 25. Mai 1903. (Ein Hamburger Kiinstler v. J. Faulwasser.) »Gewerbeblatt aus WUrttembergc, Jg. 55, 1903, Nr. 20. »Schwiibische Chronik« (des Schwab. Merkurs 2. Abteilung) 1903, Nr. 219 v. 13., 225 v. 16. u. 226 v. 18. Mai. Das Koniglich Wtirttembergische Landes-Gewerbe- museum in Stuttgart. Festschrift zur Einweihung des neuen Museumsgebaudes. Stuttgart 1896, S. 75 ff. Joh. Sass.

Souchay, Konrad Theodor, Dichter, * 30. Dezember 1833 in Liibeck, f 26. Dezember 1903 in Cannstatt. S., der Sohn eines wohlhabenden Kauf- herrn die Familie stammte urspriinglich aus Frankreich verlebte seine

Souchay. Sittard. j j j

Jugend in seiner Vaterstadt, wo er bis zu seinem 13. Jahre das Katharineum besuchte. Seine weitere Ausbildung empfing er in der Benderschen Erzie- hungsanstalt in Weinheim bei Heidelberg und auf dem Stuttgarter Obergym- nasium, wo er sich ein Semester lang aufhielt. Entschlossen , Landwirt zu werden, machte er zunachst auf verschiedenen norddeutschen Giitern eine praktische Lehrzeit durch und bezog dann auf ein Jahr die landwirtschaft- liche Akademie in Hohenheim. Von hier aus verkehrte er haufig mit Stutt- garter Kiinstlern, und unter dem EinfluB dieser Kreise sowie seiner eigenen kiinstlerischen Neigungen, die ihn vor allem auch zur Musik hinzogen, kostete es ihn manchen Kampf, bei dem erwahlten Beruf auszuharren. Doch blieb er fest, kehrte nach Norddeutschland zuriick, praktizierte noch ein Jahr auf der Lubecker DomSne Behlendorf und ubernahm dann das in anmutigster Gegend an den Ufern des Wardersees gelegene Gut Margarethenhof in Holstein. Sp£ter jedoch in die Lage versetzt, unabhangig leben zu kdnnen, verkaufte er seinen Besitz und siedelte 1863 nach Stuttgart uber. Ende der sechziger Jahre zog er zu kurzerem Aufenthalt nach Heidelberg und liefi sich 187 1 dauernd in Cannstatt nieder.

S. war ein feinsinniger, formgewandter Lyriker, zugleich ein durch und durch musikalischer Dichter. Die Musik seiner Verse ist in mancher tief empfundenen Komposition lebendig geworden. Seinen ersten »Gedichten«, die er 1873 herausgab, folgten spater noch die drei Sammlungen »Frisch vom Herzen! Lieder und Dichtungen« (1886), »Lieder des Lebens. Neue lyrische und epische Dichtungen* (1899) und »Elegien« (1902). Daneben schuf er eine stattliche Anzahl von Texten fur Oratorien und Kantaten. Eng mit Suddeutschland verwachsen blieb S. doch der echte Niedersachse. »In sich geschlossen, unermiidlich an der eigenen Weiterbildung arbeitend, ein Feincl des Scheins und der Mode, allem Kliquenwesen abhold, freimiitig bis zur Derbheit, selbstSndig denkend, mit einem raschen, doch meistens treffenden Urteil iiber Menschen und Dinge, wies er energisch alles von sich ab, was seinem Geschmack und seinem Gewissen zu wider war, was seine Kreise storen konnte. Wen er in sein Herz blicken liefi, der erkannte, wie viel echtes Gold die oft rauhe Schale barg. Auch seine Gedichte zeugen davon, sie sind ein treuer Spiegel seines innersten Wesens, vor allem seiner hohen Liebe zu der ihm vorangegangenen Gattin einer Tochter des Tubinger Professors Knaus seiner warmen Begeisterung fur alles vaterlandische Grofie, seiner Versenkung in die Wunder der Natur und in die Reize der deutschen Erde. Ein Lobgesang z. B. wie »Gru8 dir, mein Cannstatt« ist dieser Stadt noch von keinem Dichter erklungen. Und doch hat sich S. sein Leben lang nach seiner nordischen Heimat und den Ufern der Trave zuriickgesehnt.«

Vgl. »Schwabische Chronikc (des »Schwab. Merkurs* 2. Abt.), Mittagsblatt v. 28. De- zember 1903. »Kieler Zcitung«, Morgenausgabe v. 1. Januar 1904. »Niedersachsen«c, Jg. 9, Nr. 8, S. 133. BrOrnmer, >Deutsches Dichter -Lexikon.« Nachtrag. Eichstatt imd Stuttgart 1877, S. 125/126. Derselbe, »Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des 19. Jahrh.c, 5. Ausg., Bd. 4. S. 103/104, 452. Kiirschners »Deutscher Lit.-Kal.« , 1903, Sp. 1306 (Verzeichnis der Werkc). >Niedersachsisches Dichterbuch« hrsg. v. R. Eckart. Bremen 1890, S. 327ff. Joh. Sass.

Sittard, Joseph, Professor, Musikschriftsteller und Kritiker, *4. Juni 1846 in Aachen, f 24. November 1903 in Hamburg. Korperliche Leiden und

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Gebrechen, mit denen S. von Jugend auf kSmpfen muflte, vermochten seine geistige Entwicklung nicht zu beeintrSchtigen. Mit eiserner Willensstiirke uberwand er immer wieder alle Hindernisse und durfte schliefilich einen vollen Lebenserfolg sein eigen nennen. Von 1868 1872 besuchte er das Stuttgarter Konservatorium, wo er besonders Orgelspiel, Gesang und Musikgeschichte studierte. Seine Leistungen in der Abgangspriifung waren derartig hervor- ragend, dafi er sofort als Lehrer fiir die genannten Facher angestellt wurde. Nebenher widmete er sich bald auch einer ausgebreiteten schriftstellerischen und kritischen Tatigkeit, schrieb wahrend mehrerer Jahre die Musikkritiken im »Staatsanzeiger fiir Wurttemberg« und trieb ausgedehnte archivalische Quellenstudien, als deren Frucht er spSter die zweibandige »Geschichte der Musik und des Theaters am Wurttembergischen Hofe« herausgab. Fiir dieses Werk verlieh ihm der KOnig von Wurttemberg die grofle goldene Medaille fiir Kunst und Wissenschaft. 1885 verliefi S. die schwabische Hauptstadt und ging nach Hamburg. Hier trat er als Nachfolger von Ludwig Meinardus in die Redaktion des »Hamburgischen Correspondenten« ein, dem er als Musik- kritiker, Feuilleton-Redakteur und Leiter der »Zeitung fiir Literatur, Kunst und Wissenschaft« 18 Jahre lang in unermiidlicher Arbeitsfreudigkeit gedient hat. »Eine heilige Pflicht war es ihm, den ihm anvertrauten Bezirk geistiger Tatigkeit rein und frei zu halten von allem Gemeinen.« Als Kritiker waltete er mit »tiefem Ernst der kiinstlerischen Forderungen und warmem Enthusias- mus fiir alles Sch6ne und Grofie in der Musik, mit umfassendem Wissen und scharfem asthetischen Urteil« seines Amtes. Wahrheit war ihm oberstes Ge- setz. So erwarb er sich sehr bald eine hochgeachtete und einfluflreiche Stellung im hamburgischen Musikleben, von dessen historischer Entwicklung er in seiner wertvollen »Geschichte des Musik- und Konzertwesens in Hamburg* ein anschauliches Bild entworfen hat.

Schriftenyerzeichnis : 1. Compendium der Geschichte der Kirchenmusik, mit bcsonderer Berticksichtigung des kirchlichen Gesanges. Von Ambrosius zur Neuzeit. Stuttgart 1881. 2. Felix Mendelssohn-Bartholdy. (Samml. musikal. Vortrage. Hrsg.: Paul Graf Waldersee. 33.) Leipzig 18S1. 3. Gioachimo Antonio Rossini. (Samml. musik. Vortr. 47. 48.) Leipzig 1882. 4. Zur EinfUhrung in die Aesthetik und Geschichte der Musik. Stuttgart 1885.

5. Das I Stuttgarter Musikfest am 17., 18. und 19. Juni 1885. Eine kritische Rlick- schau. Stuttgart 1885. 6. Die Musik-Instrumente auf der Hamburgischen Gewerbe- und Industrie-Ausstellung J889. Altona 1889. 7. Studien und Charakteristiken. I III. Ham- burg und Leipzig 1889. 8. Geschichte des Musik- und Konzertwesens in Hamburg vom 14. jahrhundert bis auf die Gegenwart. Altona 1890. 9. Zur Geschichte der Musik und des Theaters am Wurttembergischen Hofe. Nach Originalquellen. Bd. 1 2. Stuttgart 1890

1 89 1. 10. Kritische Briefe liber die Wiener internationale Musik- und Theater-Aus- stellung. Hamburg 1892. n. In der Sammlung >Der Musikfuhrer«, 1895: Erlauterungen zu Bach, H-moll Messe (Nr. 19, 20); Beethoven, C-dur Messe (Nr. 30), Missa solemnis (Nr. 47, 48), 9. Symphonie (Nr. 4); Brahms, Akadem. Kest-OuvertUre, Tragische Ouverttire (Nr. 25), Schicksalslied , Gesang der Parzen (Nr. 37); Handel, Messias (Nr. 42, 43). 12. Mitarb. an: Beethovens Symphonien erlaut. Stuttgart 1896, 2. Aufl., 1900; Brahms, Erliiut. seiner bedeutendsten Wcrke. Stuttgart 1897; Die beliebtesten Chorwerke erlaut. Stuttgart 1898. Vgl. »Hamb. Correspondent*, Abendausgabe v. 24. u. 26. November 1903.

Joh. Sass. Scherzer, Karl von, Forschungsreisender und Staatsmann, * 1. Mai 182 1 in Wien, f 19. Februar 1903 zu Gorz. Sch. entstammt einem drei Jahr- hunderte alten protestantischen Patriziergcschlechte der ehemaligen reichs-

von Scherzer.

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freien Stadt Eger, das gleich alien protestantischen Familien dieser Stadt unter dem Drucke der Gegenreformation zur Zeit des Kaisers Ferdinand II. zum Wanderstab greifen jnuflte. Sein Vater Johann Georg kam zu Anfang des 19. Jahrhunderts aus Zirndorf bei Niirnberg als armer Bauerssohn nach der Kaiserstadt und brachte es allmahlich zu Wohlhabenheit. Er erfreute sich als Besitzer des seinerzeit beriihmten Vergniigungslokals »zum Sperl« einer groflen Volkstiimlichkeit. Der Eltern innigster Wunsch war es, dafi Karl fur die Beamtenlaufbahn herangebildet werde. Eine an Widerwillen grenzende Abneigung gegen dieselbe und die Begeisterung flir die Technik veranlafiten ihn aber, ein Jiinger Gutenbergs zu werden. Er trat 1834 als Lehrling in die Hof- und Staatsdruckerei ein und wurde schon nach zwei Jahren freigesprochen. Sodann begannen die Wanderjahre, die ihn zu- erst nach Leipzig, wo er bei F. A. Brockhaus arbeitete, und hierauf nach Paris fiihrten, wo er in der damaligen Imprimeric royak tiichtige Fachstudien machte. Von Paris begab er sich nach London, wo er die beruhmtesten Druckereien besuchte und in der Bibliothek des Britischen Museums emsig linguistischen und geographischen Studien oblag. In der Vaterstadt gedachte er die auf der Wanderschaft gesammelten Erfahrungen zu verwerten, aber mit Riicksicht auf seine ausgesprochen freiheitliche Gesinnung wurde ihm vom Wiener Magistrat die Genehmigung zur Errichtung einer Buchdruckerei und Verlags- buchhandlung im grofien Stile versagt. Er zog sich nun fur einige Jahre in die Einsamkeit zuriick und lebte seinen Lieblingsstudien. Das ereignisreiche Jahr 1848 fand ihn jedoch auf seinem Posten. Enge Freundschaft verband ihn mit Fischhof, Brestel, Schuselka, Kudlich und anderen Fuhrern der Linken. Seiner unermiidlichen Tatigkeit verdanken die Buchdrucker Wiens die Regu- lierung des Lohntarifs und die Aufhebung der Sonn- und Feiertagsarbeit.

Fur seinen Lebensgang entscheidend war der Aufenthalt in Meran im Fruhling 185 1. Er lernte dort den Naturforscher Moriz Wagner aus Baireuth kennen, der damals von einer Forschungsreise aus dem Kaukasus zuriick- gekehrt wrar. Dieser gewann ihn fiir eine auf drei Jahre berechnete gemeinsame Reise nach Amerika. Am 13. Mai 1852 schifften sie sich nach New York ein. Sie bereisten ganz Kanada, sowie fast samtliche Staaten der Union; die ersten Grofien der Vereinigten Staaten wetteiferten darin, ihnen mit Rat und Tat beizustehen. So ward es ihnen moglich, eine seltene Sammlung urkund- licher, ganz neuer Materialien uber Land und Leute, iiberPolitik und Volks- wirtschaft zustande zu bringen. Sodann bereisten sie die damals wissenschaftlich noch ganz unbekannten fiinf Staaten Zentralamerikas. Sie besuchten unter den grofiten Gefahren Gegenden, die niemals vor ihnen ein Europaer betreten, sie bestiegen Vulkane, um Hohen und Vegetationsgrenzen kennen zu lernen, legten naturwissenschaftliche Sammlungen an, machten sich mit den Sitten und der Sprache halbwilder Stamme vertraut, suchten die Reste indianischer Denkmaler in den Wildnissen von Guatemala auf und beuteten wahrend der Regenzeit die Archive und Bibliotheken der Hauptstadt aus.

Die Jahre 1855 und 1856 widmete Sch. der Ausarbeitung des reichen Materials teils in selbstandigen Werken, teils in kleinen gediegenen Abhand- lungen, die in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften veroffentlicht wurden. Seine Publikationen erregten in den weitesten Kreisen berechtigtes Aufsehen. Ihnen hat er es zu danken, dafi er gewissermafien

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von Scherzer.

zum geistigen Fuhrer der von dem damaligen Marine-Oberkommandanten Erzherzog Ferdinand Max ausgeriisteten Novara-Expedition ausersehen wurde. Er arbeitete rastlos, urn sich fur sie gebiihrend vorzubereiten. Eine umfassende Korrespondenz mit hervorragenden Gelehrten wurde eingeleitet, um deren Wiinsche, Ratschlage und Winke kennen zu lernen und diese wahrend der Reise verwerten zu konnen. Dieses Vorgehen hatte zugleich den Vorteil, das Interesse der wissenschaftlichen Welt an der Expedition zu steigern, weil dadurch zahlreiche Gelehrte gleichsam zu Mitarbeitern an dem im Laufe der Expedition durchzufuhrenden wissenschaftlichen Programme wurden. Nament- lich in England bekundete sich eine grofie Teilnahme fiir das ftsterreichische Unternehmen. Manner wie Lyell, Huxley, Darwin, Gray, Robert, Owen, Carpenter, Hooker, Goodser u. a. gaben Sch. nicht allein wertvolle Winke, sondern unterstiitzten auch seine Bestrebungen durch Geleitbriefe an befreun- dete Fachgenossen in fernen Erdteilen. Selbst Empfehlungen der Londoner Bibelgesellschaft fehlten nicht, und Sch. hahm sie um so freudiger an, als ihm die wesentlichen Dienste in dankbarer Erinnerung waren, die ihm eng- lische MissionSre, welche vielfach zugleich Arzte und Sprachforscher sind, auf seinen friiheren Reisen leisteten. Eine Reise nach Deutschland sollte den brieflichen Verkehr und die mundliche Besprechung mit Gelehrten in der Heimat noch vervollstandigen. Sch. begab sich nach Munchen, wo er mit Liebig, Siebold, Bischoff, Peschel, Fallmerayer, Moriz Wagner u. a. die Auf- gaben der Expedition eingehend erftrterte. Noch lohnender war sein Auf- enthalt in Berlin, wo damals noch Alexander von Humboldt und Karl Ritter als Sterne erster Grolie am wissenschaftlichen Himmel leuchteten.

Die groflartigen Leistungen der ersten Gsterreichischen Weltumseglungs- expedition sind bekannt. Der von Sch. bearbeitete beschreibende Teil der Expedition hatte einen in der Geschichte des deutschen Buchhandels geradezu beispiellosen Erfolg, da an 29000 Exemplare verkauft wurden. Justus von Liebig bezeichnete das Werk »als eine Naturgeschichte der merkwurdigsten Art, als ein Monument fiir die Novara-Reise und fiir den deutschen Geist, denn nur ein Deutscher konnte es zustande bringen*. Eine ebenso glanzende Aufnahme fand der ebenfalls von Sch. bearbeitete statistisch-kommerzielle Teil. Ihm gebiihrt aber auch das Verdient, das gesammelte linguistische, ethnographische, anthropometrische und kraniologische Material, das von Fach- gelehrten bearbeitet wurde, gesichtet zu haben.

Als die Ssterreichische Regierung 1868 eine Expedition nach Ostasien sendete, um mit den Regierungen von Siam, China und Japan Handelsvertrage abzuschlieBen, begleitete sie Sch. als »erster Beamter des handelspolitischen und wissenschaftlichen Dienstes«. 1872 wurde er Generalkonsul in Smyrna, wo er eine Monographic iiber die geographischen, wirtschaftlichen und intel- lektuellen Verhaltnisse von Vorderkleinasien schrieb, welcher der bedeutende NationalSkonom Emile de Laveleye nachriihmte, »dafl man die ganze Erde wie sein eigenes Vaterland kennen wurde, wenn man iiber die verschiedenen Lander gleich vorziigliche Monographien besafie«. 1875 wurde Sch. General- konsul in London und 1878 wurde er in gleicher Eigenschaft nach Leipzig versetzt, wo er zugleich als diplomatischer Vertreter bei den fiinf sogenannten kleindeutschen Hofen wirkte. In diese Zeit f£llt das Erscheinen seines hoch- bedeutenden Werkes: »Das wirtschaftliche Leben der V6lker«, in dem das

von Scherzer. Bokelmann.

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universelle Arbeitsgebiet der Kulturvolker, die Weltarbeit, sozusagen in ihren wichtigsten Funktionen dargestellt und die hauptsachlichten Elemente und Faktoren, welche die wirtschaftliche Tatigkeit des Menschengeschlechtes be- einfluflen, in ihrer allmahlichen Entwicklung bis zum gegenwartigen Stand- punkte bei alien Handelsvolkern der Erde geschildert werden. Als er ein Exemplar dieses Werkes, dessen Erscheinen mit den Zeiturastanden, mit der von nationaler Begeisterung getragenen kolonialpolitischen Bewegung gliicklich zusammenfiel, dem Fursten Bismarck iiberreichte, dankte dieser nicht nur in einem aufierst schmeichelhaften Schreiben, sondern lenkte auch in einem besonderen Zirkular die Aufmerksamkeit aller Botschaften und Konsularamter des deutschen Reiches auf das Buch. Es ist dies um so bemerkenswerter, als der Reichs- kanzler vier Jahre vorher wegen der von Sch. an seiner Schutzzollpolitik ge- ubten Kritik sich bei der osterreichischen Regierung beschwert, in der »Nord- deutschen Allgemeinen Zeitung« einen fulminanten Artikel gegen den Kritiker veranlafit und in einer Weise, dafi es ihm zu Ohren kommen mufite, die AuBerung getan hatte: »Der osterreichische Generalkonsul in Leipzig tate besser, um die osterreichischen als um die deutschen Zollverhaltnisse sich zu kummern«.

Sch. schloli 1897 seine Laufbahn als Generalkonsul in Genua ^b. Seither lebte er bis zu seinem am 19. Februar 1903 erfolgten Tode in stiller Zuriick- gezogenheit in Gorz, mit der Ausarbeitung seiner fiinf Erdteile umfassenden Lebenserinnerungen beschaftigt.

Zahlreiche Ehrungen sind dem ehemaligen Setzerlehrling erwiesen worden: er war Ehrendoktor der philosophischen Fakultat der Universitat Giefien, Ehrenmitglied der Gesellschaft der Arzte in Wien, der geographischen, ethno- logischen und anthropologischen Gesellschaft in London und der Royal Asiatic Society in Bombay, auflerordentliches Mitglied der statistischen Zentralkom- mission in Wien, korrespondierendes Mitglied der Wiener und Munchner Aka- demie der Wissenschaften, der Societe dc Statistique in Paris und des Institut Internationale dc Statistique in Rom, Mitglied der Leopoldinisch-Carolinischen Akademie der Naturforscher, Meister des Freien Deutschen Hochstifts zu Frank- furt am Main, korrespondierendes Mitglied des Museums fur Kunst und In- dustrie, der geologischen Reichsanstalt und der Landwirtschaftsgesellschaft in Wien, der russischen Gesellschaft der Naturforscher in Moskau, der Gesell- schaft fur Erdkunde und der internationalen Vereinigung fiir vergleichende Rechtswissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Berlin, des Museums fiir Vftlker- kunde in Leipzig und vieler anderer gelehrter Gesellschaften.

Seine Werke: Republik Costa Rica. 1855. Reisen in Nordamerika. 1855. Wande- rungen durch Nicaragua, San Salvador und Honduras. 1856. Beschreibender Teil der Reise der Novara um die Erde. 2. Aufl. 1864. Aus dem Natur- und Volkerleben im tropischen Amerika. 1864. Statistisch-kommerzieller Teil der Novara -Expedition. 2. Aufl. 1867. Osterreichisch-ungariscbe Expedition nach Siam, China und Japan 1868/70. 1871. Smyrna. 1873. Weltindustrien. 1880. Wirtschaftliche Tatsachen zum Nachdenken (Kritik der Bis- marckschen Schutzzollpolitik). 1881. Das wirtschaftliche Leben der Volker. 1885. Der wirtschaftliche Verkehr der Gegenwart. 1891. Bemhard Mtinz.

Bokelmann, Wilhelm Hieronymus, Geheimer Regierungsrat, bis 1893 Direktor des Schleswig-holsteinischen landwirtschaftlichen General vereins, * 21. Mai 1822 als Sohn des Koniglich danischen Ministerresidenten Geheimen

1 76 Bokelmann.

Legationsrats W. Bokelmann in Hamburg, f 3. Dezember 1903 in Kiel. B. besuchte das Gymnasium in Altona, studierte in Kiel und Heidelberg die Rechte und bestand 1846 in Kiel mit glanzendem Erfolge das juristische Examen. In dem Erhebungskampf des Jahres 1848 schlofl er sich dem Rantzauschen Freikorps an. Nach Beendigung ues Feldzuges wurde er zum Senator in Altona ernannt, im Januar 1853 aber von der danischen Regierung seines Amtes enthoben. Die Altonaer Biirgerschaft wahlte ihn darauf sofort zum Stadtverordneten. Da die Zeiten jedoch einer wirklich fruchtbringenden often tlichen Tatigkeit wenig giinstig waren, beschlofi B. sich der Landwirt- schaft zu widmen. Er kaufte 1855 den Hof Rethwischhdhe bei Oldesloe, den er 18 Jahre lang bewirtschaftete, bis er 1873 seinen Wohnsitz in Kiel nahm. Sehr bald schon hatte er sich unter den Landwirten seiner Heimat ein hohes Vertrauen und Ansehen erworben. 1867 berief ihn der schleswig- holsteinische landwirtschaftliche Generalverein zum vorsitzenden Direktor. In dieser hochbedeutsamen, verantwortungsvollen Stellung, welche B. 26 Jahre hindurch in ununterbrochener Folge bis zu seinem freiwilligen Rucktritt im Jahre 1893 bekleidete, hat er sich um die Forderung der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft unvergangliche Verdienste erworben. Mit ganz besonderem Geschick wufite er ihre Interessen zu vertreten bei der durch die Ereignisse des Jahres 1864 bedingten Neugestaltung der Verhfiltnisse. Ebenso rastlos war er bestrebt, die mancherlei Aufgaben, vor die sich die Landwirtschaft bei fortschreitender Entwicklung gestellt sah, mit tatkraftiger Initiative einer gliicklichen L6sung entgegenzufiihren. Dahin gehOrt unter anderem die Be- grundung des Instituts der Wanderlehrer sowie die Errichtung eines agri- kulturchemischen Laboratoriums, das bald zu einer landwirtschaftlichen Versuchsstation erweitert wurde. Auch als Mitglied des preuflischen Landes- okonomiekollegiums, des deutschen Landwirtschaftsrats, des Bezirkseisenbahn- rats und der Zentralmoorkommission hatte B. kein anderes Ziel im Auge, als die Macht, das Gedeihen und den Einflufi der heimischen Landwirtschaft zu mehren und zu sichern. In nicht minder hervorragender Weise betatigte er sich als Volkswirt; sein weiter Blick und kluger Rat ist mancher Ein- richtung zum Besten der arbeitenden Klassen, deren Wohl ihm ganz besonders am Herzen lag, zugute gekommen. Einen Einblick in die verschiedenen Gebiete der Lebensarbeit des hochverdienten Mannes, die er alle von Grund aus beherrschte, gewahren die zahlreichen Abhandlungen und Aufsatze, in denen er seine Gedanken und Erfahrungen niedergelegt hat. Eine kurze Ubersicht uber die wichtigsten dieser wertvollen Arbeiten, die, in Zeitschriften zerstreut, sich der allgemeinen Kenntnis v6llig entziehen, moge dazu beitragen, sie auch fur die Folge nutzbar zu machen.

»Landwirtschafdiches Wochenblatt fUr Schleswig-Holstein«, 1872, Nr. 47— 49: Wie ist dem drohenden Arbeitermangel abzuhelfen? 1875, Nr. 5: Die Regelung des Kostenwesens in Auseinandersetzungssachen. 1882, Nr. 6: Versichening gegen Hagelschaden ; vgl. auch Xr. 9 und 10. 1883, Nr. 16: Maikafer; Nr. 17: Gritndung einer Arbeiterkolonie; Nr. 25 29: Die bauerlichen Verh&ltnisse der Provinz Schleswig-Holstein. 1885, Nr. 9 und 10: Einige Betrachtungen tiber Getreidezolle. 1886, Nr. 43 : Der Anschlufi des Ver- bandes der Viehzuchtvereine an den Generalverein. 1887, Nr. 17: Verhandlungen im deutschen Landwirtschaftsrat Uber die Kunstbutterfrage ; Nr. 39: Ansiedelung in der Pro- vinz Posen und Westpreufien ; Nr. 50: Cher die Aufhebung des Identitatsnachweises bei der Ausfuhr des Getreides. 1889, Nr. 6, 8, 15, 17: Cber Dienstboten und Arbeiter; Nr. 21 und

Bokelmann. Scheppig. Milchhoefer. \nj

22: Strikes. 1890, Nr. 31: Mitteilungen tiber eine Rundreise im Hochmoor. 1891, Nr. 14: Das Besteuerungsrecht der landwirtschaftlichen Vereine; Nr. 17: Der Bauernverein ; Nr. 44: Die Bekampfung der Tuberkulose; vgl. auch Nr. 11. 1893, Nr. 11 und 12: Doppel wanning; vgl. auch Nr. 22. 1894, Nr. 5 und 6: Die Landwirtschaftskammer. 1895, Nr- x : Vertretung der Kreise in den Landwirtschaftskammern ; Nr. 6 9: Der General- verein. 1897, Nr. 17: Was ist Politik? Man vgl. ferner: Schleswig-Holsteinische An- zeigen, 1895, S. I29ff. Schriften des deutschen Vereins ftir Armenpflege und Wohltatigkeit, Heft 24, 1896, S. 30. Protokolle der 25. und 26. Sitzung der Zentralmoorkommission,

1890, S. 78 84, Protokoll der 35. Sitzung, 1895, S. 162 ff. Mitteilungen des Vereins zur Forderung der Moorkultur im Deutschen Reiche, Jg. 11, 1893, S. 226ff. Verschiedene Referate in den VTerhandlungen des Kftnigl. Landesbkonomiekollegiums, Berlin 1879, 1882,

1 89 1. Diejenige Arbeit, auf die B. innerlich den grbfiten Wert legte, eine umfangreiche Studie iiber »Gewinnbeteiligung« ist ungedruckt geblieben. Das Manuskript befindet sich im Besitz des Herrn Rechtsanwalts B. in Kiel.

Vgl. Alberti, Schriftsteller-Lexikon, 1866—1882, Bd. 1, S. 57/58, 466. »Kieler Zeitungc, Morg.-u. Abd.-Ausg. v. 4. Dezember 1903. »Nord-Ostsee-Zeitung«, Mittags-Ausg. v. 4. Dezember 1903. »Landwirtschaftl. Wochenblatt ftir Schleswig-Holstein«, Jg. 42, Nr. 52 v. 23. Dezember 1892 (Biogr. Skizze v. Generalsekretar Boysen mit Bildnis), Jg. 53, Nr. 50 v. 11. Dezember 1903 (Nekrolog von H. Breyholz). J. H. Eckardt, Von Kieler Biirgern (»Nord-Ostsee-Zeitung«, Abd.-Ausg. v. 8. Dezember 1903). A. Emmcrling, Agri- kulturchemische Untersuchungen. Festschrift. Kiel 1895 (nicht im Buchhandel), S. 1 10.

FUr personliche Mitteilungen Uber B. sowie ftir die Zusammenstellung der von ihm ver- fafiten Aufsatze bin ich Herrn Geheimen Regierungsrat Prof. Dr. Emmerling in Kiel zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Joh. Sass.

Scheppig, Richard, Professor, Oberlehrer am Reform-Realgymnasium zu Kiel, * 17. November 1845 zu Sondershausen, f 24. Dezember 1903 in Kiel.

S. bezog 1864 die Universitat Heidelberg, studierte zwei Semester lang Jura, dann jedoch Geschichte und Philologie in Leipzig, Berlin und Halle, wo er 1869 zum Dt . phil. promovierte und im August 1870 auch das Staats- examen bestand. Nachdem er bis 187 1 als Lehrer an der Fellenbergschen Erziehungsanstalt in Hofwyl bei Bern tatig gewesen war, hielt er sich von 1872 1876 als Mitarbeiter an Herbert Spencers » Descriptive Sociology* in London auf. Ostern 1876 folgte er einem Ruf an die Kieler Realschule, seit 1888 war er zugleich Direktor des Museums fur Volkerkunde in Kiel. Die Schule hat mit dem Heimgegangenen einen ihrer treusten Diener, die Wissen- schaft einen iiberaus tatigen Forderer verloren. S. war ein Charakter von lauterster Reinheit, ein Mann von edler, vornehmer Denkweise und tiefer, wahrer Herzensfreundlichkeit. Das Sonnige, Warme, das in seinem Wesen lag, gestaltete den Verkehr mit ihm stets zu einem besonders begluckenden. Er bleibt unvergessen.

Vgl. Alberti, Schriftsteller-Lexikon, 1866 1882, Bd. 2, S. 212. »Kieler Zeitung«> Morg.-Ausg v. 25., Abd.-Ausg. v. 28., Morg.-Ausg. v. 30. Dezember 1903. S.s %Vita« am SchluB seiner Dissertation 9De Posidonio Apamcnsi rcrum gentium terrarum scrip/ore1. Halle 1869. Jahresbericht d. Reformrealgymnasiums, Kiel, Schuljahr 1903/04, S. 18. Herbert Spencer, An Autobiography. Vol. 2. London 1904, S. 266 f., 270, 349 f.

Joh. Sass.

Milchhoefer, Arthur, ordentlicher Professor der Archaologie an der Uni- versitat Kiel, * 21. Marz 1852 zu Schirwindt in Ostpreufien, f 7. Dezember 1903 in Kiel. M., der Sohn eines angesehenen Arztes, erhielt seine Vor-

Biojr. Jahrbuch u. DeuUcher NeVrolojj. 8. Bd. 12

1 78 Milchhoefer.

bildung auf dem Gymnasium in Tilsit. Seine akademischen Studien begann er in Berlin, wo er sich namentlich an Ernst Curtius anschlofi, und setzte sie spater in Munchen fort, nachdem er inzwischen als freiwilliger Kranken- pfleger am deutsch-franzdsischen Kriege teilgenommen hatte. 1873 promo- vierte er in Munchen mit der von Curtius angeregten Dissertation »t)ber den Attischen Apollon«. Das Staatsexamen bestand er in Kdnigsberg und war darauf vom Winter 1875/76 bis zum Herbst 1876 am Wilhelmsgymnasium in Berlin tatig. Noch in demselben Jahre ging M. als Stipendiat des archao- logischen Instituts zu langerem Aufenthalt nach Griechenland. Damit begann fur ihn ein iiberaus reicher und gliicklicher Lebensabschnitt. Sehr bald fiihlte er sich dort v6llig heimisch, der Zauber des attischen Bodens nahm ihn ganz gefangen und hat ihn dann nie mehr losgelassen. Von auBerordentlicher Bedeutung war es fur ihn, dafl er gerade damals nach Griechenland kam, als mit Schliemanns Ausgrabungen fur die Wissenschaft des griechischen Alter- tums und das Studium der alten Kunst eine neue grofle Zeit anbrach. Von Schliemanns PersOnlichkeit fiihlte sich M. von Anfang an machtig angezogen, und die Bekanntschaft beider Manner gestaltete sich bald zu dauemder Freundschaft. Welch ungeheures Erlebnis fur den jugendlichen Gelehrten, an der Seite eines solchen Meisters bei jenen ersten epochemachenden Ent- deckungen gegenwSrtig und an einigen sogar selbst beteiligt zu sein. Speziellere Forschungen widmete er besonders der Landschaft Attika, wo er mit seiner scharfen Beobachtungsgabe auf mannigfachen Kreuz- und Querzugen viele kostbare Schatze der Vergangenheit ans Licht gezogen hat. In Attika wurzeln die Keime aller Arbeiten seines spateren Lebens, die namentlich drei Ge- biete, die Topographie sowie die alteste Kunst und Religion behandeln. Den Sommer 1877 verlebte M. in Neapel, den folgenden Winter in Rom, der Friihling des nachsten Jahres aber sah ihn wieder in Athen. Nach Deutschland zuriickgekehrt, weilte er 1880 als Assistent von E. Curtius in Berlin, wo er mit Schliemann zusammen die trojanischen Altertiimer ordnete. 1882 habilitierte er sich als Privatdozent in Gottingen, ging aber schon 1883 als aufierordentlicher Professor nach Munster. In demselben Jahre erschien M.s erstes grdfieres Werk, »Die Anfange der Kunst in Griechenland«, worin er zum erstenmal auf Grund der neuen Funde in der sogenannten mykenischen Kultur neben den Einflussen des Ostens eine durchaus selbstandige Kunst auf hellenischem Boden nachweist. Als Mittelpunkt der mykenischen Kultur bezeichnete er die Insel Kreta. Seine scharfsinnige Hypothese, welche hier »den Ursprung der altesten mykenischen Kunstindustrie« suchte, ist durch die spateren Ausgrabungen auf Kreta vollauf bestatigt worden. 1886/87 unter- nahm er eine zweite Reise nach Athen, die hauptsachlich der Topographie von Attika gait. Hire Ergebnisse sind in der »t)bersicht der Schriftquellen zur Topographie von Athen« niedergelegt, die einen wichtigen Bestandteil der 1891 verttffentlichten »Stadtgeschichte von Athen« von E. Curtius bildet. Seit 1895 wirkte M. als ordentlicher Professor in Kiel. Aus einer an schOnen Erfolgen reichen Lehrtatigkeit heraus ist er abberufen worden, ehe es ihm vergonnt war, in einem letzten von ihm geplanten Werke, das tiefgreifende religionsgeschichtliche Untersuchungen grdflten Stils umfassen sollte, seine Lebensarbeit zum Abschlufi zu bringen.

Aufier den bereits im Text genannten veroffentlichte M. noch folgende selbstandige

Milchhoefer. Sartori.

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Schriften: Die Museen Athens. Athen 1881. Die Befreiung des Prometheus, ein Fund ' aus Pergamon. 42. Program m zum Winckelmannsfeste der archaol. Gesellschaft zu Berlin. Berlin 1882. Untersuchungen liber die Demenordnung des Kleisthenes. (Aus: Abhandl. d. Berl. Akad. d. Wiss.) Berlin 1892. Zusammen mit A, Furtwangler u. G. K&rte: Archaologische Studien, Heinr. Brunn zur Feier seines sojahr. Doktorjubilaums dargebracht. Berlin 1893. Das archaologische Skulpturenmuseum der Kieler Universitat Kiel 1896.

Rede zum Winckelmanntage am 9. Dezember 1895 (t)ber die Ausgrabungen in Mykena). Kiel 1896. Rede zum Winckelmanntage 1898 (Von der Akropolis Altathens). Kiel 1898.

Ober die alten Burgheiligtumer in Athen. Progr. Kiel 1899. Ober die Graberkunst der Hellenen. Rede. Kiel 1899. Die Tragodien des Aschylus auf der BUhne. Rede. Kiel 1900. Erlauternder Text zu Curtius und Kaupert, Karten von Attika. Heft 1 5, 7 9. 1 88 1 1900.

Vgl. S. Sudhaus, Gedachtnisrede auf A. M. gesprochen bei der akademischen Trauer- feier am 12. Dezember 1903 (Chronik der Universitat Kiel f. d. Jahr 1 903/1 904, S. 54 63).

»Archaologischer Anzeigerc, Beiblatt zum Jahrb. des Archaolog. Instituts, 1903, 4, S. 213.

R. Kukula, »Bibliograph. Jahrb. d. deutschen Hochschulen*, 2. Aufl. 1892, S. 621. »Kieler Zeitungc, Abd.-Ausg. v. 7., Morg.-Ausg. v. 8. u. 13. Dezember 1903. Ober M.s Beziehungen zu Schliemann vgl. seine beiden Aufsatze »Heinrich Schliemannc und »Erinnerungen an Heinrich Schliemann« (^Deutsche Rundschau*, Bd. 28, 1881, S. 392 416; Bd. 67, 1891, S. 278—289). Joh. Sass.

Sartori, August Anton Heinrich, Geheimer Kommerzienrat, Schiffsreeder und Kaufmann, * 16. Juni 1837 in Liibeck, f 15. Oktober 1903 in Kiel. S., dessen Vater dem Handwerkerstande angehOrte, machte, nachdem er mit 15 Jahren die Schule verlassen hatte, zunachst in Liibeck eine dreij&hrige Lehrzeit durch, war darauf bei einem Kieler Schiffsmakler tStig und begriindete am 1. Januar 1858 in Kiel die Schiffsmakler- und Speditionsfirma Sartori & Berger, die sich seit 1862 auch der Reederei zuwandte. Unter der genialen Leitung seines Begriinders wuchs das Geschaft im Lauf der Jahre aus kleinen Anfangen zu immer grofierer Bedeutung heran und steht heute bluhend und hochangesehen da. S. aber liefi sich daran nicht geniigen, sein starker Gemeinsinn trieb ihn von jeher, sein Leben in den Dienst der Offentlichkeit zu stellen und fur die Gesamtheit einzutreten. Vor allem lag ihm das Wohl und Wehe der Stadt Kiel am Herzen. Die grofiartige Entwicklung Kiels wahrend der letzten vierzig Jahre ist mit dem Namen S.s unauflOslich ver- bunden, ja man kann sagen, sie verkorpert sich geradezu in diesem Manne. Schon als junger Anfanger hatte er die Vorziige der gunstigen Lage des Ortes erkannt, und fest iiberzeugt von der Zukunft Kiels, setzte er begeistert alles daran, diese Zukunft lebendige Gegenwart werden zu lassen, und soviel in seiner Macht stand, dazu beizutragen, die Stadt zu einem Zentralpunkt ersten Ranges zu gestalten. In diesem Sinne waf er in erster Linie unablassig be- miiht, das Verkehrswesen Kiels auszubauen und der Stadt neue Verbindungs- wege zu Wasser und zu Lande zu erschlieflen. So ist z. B., um nur auf eins hinzuweisen, die wichtige deutsche Postdampferlinie Kiel KorsOr S.s eigenstes Werk. Auch als Mitglied des Stadtverordnetenkollegiums, dem er seit 1872 angehorte, sowie als Vorsitzender der Kieler Handelskammer und des Kieler Nautischen Vereins hat er in gliicklichster Weise an der Losung der groflen wirtschaftlichen Aufgaben Kiels mitgearbeitet. Damit aber ist die Wirksamkeit dieses aufierordentlichen Mannes nicht im entferntesten erschopft. Weit iiber die Grenzen Kiels hinaus suchte er deutschen Handel und Wandel zu fordern.

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j 80 Sartori. Grassauer.

Als Vorsitzender des Deutschen Nautischen Vereins hat er der gesamten deutschen Seeschiffahrt die hervorragendsten Dienste geleistet. Auch fur die Erweiterung der deutschen Wasserstrafien trat er stets aufs neue ein und brachte den Arbeiten des Zen tral vereins fur Hebung der deutschen Flufl- und Kanalschiffahrt die lebhafteste Anteilnahme entgegen. Auf diesem Gebiete hat er sich auch schriftstellerisch betatigt. (Vgl. »Kiel und der Nord-Ostsee- Kanal«, Berlin 1891; »Der Nord-Ostsee-Kanal und die deutschen Seeh&fens Berlin 1894; »Der Elbe-Kiel-Kanal«, Berlin 1898.)

S.s Name wird immer mit Ehren genannt werden. Ein besonders dank- bares Andenken aber wird die Stadt Kiel ihm bewahren, der sein Leben lang ihre Interessen zu den seinigen gemacht hat. Wohl dem Gemeinwesen, dem ein Mann geschenkt wird, der an der Schwelle einer neuen Zeit, wie sie in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts fur Kiel heraufzog, klaren Blicks das Richtige erkennt und mit zaher Energie die rechten Mittel findet und durchsetzt, die Stadt einer neuen Bliite entgegenzufiihren. Das hat S. fiir Kiel getan. Darin ruht seine Bedeutung.

Vgl. P. Chr. Hansen, August Sartori, ein Kieler Grofikaufmann. Vortrag, gehalten am 13. November 1904 in Kiel. (Mit Bildnis.) Kiel, Druck des Verlags der »Nord-Ostsee-Zeitung€ 1904. »Kieler Zeitungc, Abd.-Ausg. v. 16., Morg.-Ausg. v. 20. Oktober 1903, Morg.- Ausg. v. 15. November 1904. »Nord-Ostsee-Zeitung«c, Abd.-Ausg. v. 8. Dezember 1903. »Daheimc, Jg. 40, Nr. 6 v. 7. November 1903 (Nekrolog mit Portrat). »Deutsch- Nautischer Almanach«, Jg. 6, 1905, S. 6. J oh. Sass.

Grassauer, Ferdinand, Dr, phil., k. k. Hofrat, Geograph, Universitats- Bibliothekar und Vorstand der Wiener Universitats-Bibliothek, * 26. Juni 1840 in Sallingstadt in Nieder-Osterreich, Gerichtsbezirk Zwettl, f 25. Oktober 1903 in Klosterneuburg. Gr. hatte eine sehr harte Jugend durchzumachen. Im Alter von 6 Jahren verlor er seinen Vater, der Schullehrer in Sallingstadt und im Alter von 33 Jahren am Typhus gestorben war. Da die Mutter, eine energische und intelligente Frau, noch fiir drei Kinder zu sorgen hatte, kam er zu seinem vaterlichen Grofivater, der Kurschmied im Stifte Zwettl war, und besuchte nicht nur die dortige Volksschule, sondern wurde auch von ihm fiir den geistlichen Stand bestimmt. 185 1 53 machte er die zwei ersten Gym- nasialklassen an dem Privatgymnasium des Stiftes, setzte dann die Gymnasial- studien in Krems bis zum AbschluB fort, trat am 13. August 1859 als Novize in das Stift ein und studierte als Kleriker dieses Klosters zwei Jahre Theologie am geistlichen Institut in Heiligenkreuz. Immer mehr war er jedoch zur Uber- zeugung gelangt, dafl er sich im geistlichen Stande niemals zufrieden fiihlen werde, weshalb er um seine Entlassung aus dem Stifte bat. Obwohl er auch ferner in freundschaftlichen Beziehungen zum Stift blieb, war Gr. zeit- lebens erfullt von durchaus freisinnigen Anschauungen. Er begab sich hierauf nach Wien, und da seine Verhaltnisse ihn ntttigten, sich selbst zu erhalten, trat er nach einer unentgeltlichen Praxis bei der Tabak- und Stempelbuch- haltung in den Dienst der obersten Rechnungs-Kontrollbehorde (1862). Da jedoch eine Anstellung daselbst durch ein Staats-Priifungszeugnis liber Staats- Rechnungswissenschaft bedingt war, hSrte er diese an der juridischen Fakultat und legte die Priifung dariiber ab, worauf er als Akzessist definitiv angestellt wurde (1863); 1864 riickte er zum Rechnungs-Offizial III. Klasse vor. Wegen

Grassauer. X 8 1

Aufldsung der Hof- und Staatsbuchhaltungen traf ihn unerwartet und ohne Verschulden das Loos der Quieszierung, doch blieb er als Kalkulant beim Obersten Rechnungshof in Verwendung. Daneben horte er 1863 66 mit Er- laubnis seiner BehOrde an der philosophischen Fakultat historische und geographische Kollegien; er tat dies mit solchem Eifer, dafi er Mitglied des historischen Seminars wurde. 1866 erwarb er den Doktorgrad, 1867 legte er die Lehramtspriifung ab und erlangte fur Geschichte und Geographie ftir das ganze Gymnasium die Lehrbefahigung, die er als Probekandidat am akade- mischen Gymnasium und als Supplent am Real-Obergymnasium auf der Land- strafie in Wien ausubte; mehrere Jahre unterrichtete er auch an dem De- merghelschen Privat-Institut. In dem 1873 ausgestellten Verwendungszeugnis ruhmt der Direktor des Landstrafler Gymnasiums Dr. Gernerth, Gr. »habe die ihm iibertragenen Aufgaben zur vollen Zufriedenheit gelost und verdiene wegen der Gewissenhaftigkeit, mit welcher er den Unterricht leitete, wegen der sehr guten Erfolge, die er mit den Schulern erzielte, wegen der Sorgfalt, die er auf die Aufrechterhaltung der Diszipl in verwendet, wegen der sehr humanen Behandlung der Schiiler und der Urbanit&t im Verkehr mit den AngehSrigen der Schuler, und wegen seiner ruhigen, besonnenen und musterhaften Haltung aufs beste empfohlen zu werden«. Was hier dem Lehrer nachgeriihmt wird, gehSrt zum Grundzug seines Wesens und betatigte er auch in seinem spSteren amtlichen Wirkungskreis, der seine Lebensstellung werden sollte.

Gr. war namlich schon 1867 in den Bibliotheksdienst eingetreten. Um eine seinen wissenschaftlichen Studien entsprechende Stelle zu erhalten und sich dauernd aus der schwierigen Lage zu befreien, in die er durch die un- verschuldete Quieszierung geraten war, hatte er sich um eine Amanuensisstelle an der Wiener Universitats-Bibliothek beworben, die er auch erhielt. Rasch durchlief er die weiteren Stufen im Bibliotheksdienste ; 1868 wurde er bereits II., 1870 I. Skriptor, 1875 Kustos an derselben Bibliothek. Es kamen ihm aufler seinen literarischen, sprachlichen und fachwissenschaftlichen Kenntnissen als ehemaligem Buchhaltungsbeamten auch seine Vertrautheit im Rechenfache und im Verwaltungsdienste sehr zustatten; sie pradestinierten ihn auch fiir die leitende Stelle, die ihm in einem fiir die Bibliothek und ihren Leiter schwierigen und bedeutungsvollen Zeitabschnitt zufiel. Als namlich der Neu- bau der Wiener Universitat geplant wurde und beschlossen ward, auch die Universitats-Bibliothek in dem neuen, von Heinrich von Ferstel zu erbauenden Palast unterzubringen , sprach sich der damalige Bibliothekar Dr. Friedrich Lei the nicht nur dagegen aus er trat dafiir ein, dafl die Bibliothek in ihrem bisherigen Standort als allgemeine 5ffentliche Bibliothek verbleibe und in der neuen Universitat eine fiir die Studierenden und die Professoren be- stimmte Haus- und Fachbibliothek eingerichtet werde sondern er ging in seiner ablehnenden Haltung so weit, dafi er schliefilich jede Mitwirkung ver- sagte und erkl&rte, in die neue Bibliothek keinen Fufi setzen zu wollen. Gr. wurde als Vertreter der Bibliothek in die Kommission gewahlt, die den Plan fiir die Ubersiedlung und Einrichtung entwerfen sollte, und, obwohl auch er mit Einzelheiten des Plans, so namentlich was die Anlage eines grofien Lese- saales betrifft, mit Ferstel nicht iibereinstimmte Gr. trat in einer mit Sach- kenntnis gefiihrten Diskussion fiir die Schaffung mehrerer kleinerer Lesesale ein , suchte er doch, soweit ihm dies mOglich war, die Interessen der

1 82 Grassauer.

Bibliothek zu wahren. Als dann (1884) die Ubersiedlung der Bibliothek be- vorstand, trat Leithe einen langeren Urlaub an und Gr. wurde provisorisch mit der Leitung betraut. Als erste und schwierigste Aufgabe oblag ihm nun die Ubersiedlung der Bibliothek, eine Aufgabe, bei der praktischer Blick, besonnene Routine und organisatorisches Talent am meisten erforderlich sind. Nach einem von Gr. entworfenen Plan wurde der ganze damalige Bestand der Bibliothek von iiber 300000 Banden, zahlreichen Doubletten, ungebundenen Broschuren, Zeitungen, Kunstblattern in 12 Arbeitstagen im September 1884 aus der alten in die neue Bibliothek ubertragen und hier in den neuen Re- positorien so untergebracht, dafi die Benutzung der Bibliothek sofort moglich gewesen ware, wenn die baulichen Arbeiten und die inneren Einrichtungen nicht die Eroffnung der Bibliothek um einige Wochen hinausgeschoben hatten eine glanzende Leistung, die Gr. die wohlverdiente Anerkennung in Biblio- thekskreisen des In- und Auslandes eintrug. Es sei noch erwahnt, dafi ein erheblicher Teil der praliminierten Kosten erspart werden konnte, da die Ubersiedlung in 12 statt in 24 Tagen bewerkstelligt wurde.

Mit der Ubersiedlung der Bibliothek begann aber auch eine neue Ara

fur die Wiener Universi tats -Bibliothek, die fur alle Zeiten mit dem Namen

Gr.s verkniipft ist. Obwohl er auch ferner nur als erster Kustos mit der

Leitung der Bibliothek betraut blieb, mufite sofort den geanderten Verhalt-

nissen entsprechend eine ganzliche Umgestaltung, sowohl was die Fiihrung

der Bibliotheksagenden, als was die Aufstellung der Werke in der Bibliothek

betrifft, eintreten. Die neuen Raume boten namlich, wenn die in der alteu

Bibliothek durchgefiihrte Aufstellung nach Literaturfachern innerhalb der

Facher geschieden und besonders numeriert nach den Formaten bei-

behalten werden sollte, so wenig Stellraum, dafi sich sofort Platzmangel fuhlbar

gemacht hatte. Dieser &ufiere Grund war vornehmlich der zwingende fiir

die Anderung der Aufstellung, so dafi fortan alle Werke ohne Rucksicht auf

den Inhalt fortlaufend numeriert werden (numerus currcns) und nur das

durch die Hohe der Bande bestimmte Format bei der Aufstellung beruck-

sichtigt wird. Fur diese aus Raumriicksichten unerlafiliche fortlaufende Nume-

rierung machte Gr. auch eine Reihe innerer Griinde geltend. Auf das Fiir

und Wider dieser Aufstellungsart, fiir die iibrigens bereits auf das Beispiel

anderer Bibliotheken hingewiesen werden konnte, kann hier nicht eingegangen

werden; es sei nur erwahnt, dafi sie nach dem Vorgang der Wiener Universitats-

Bibliothek seither in vielen anderen, so auch an der Hofbibliothek, Eingang

gefunden hat. Vorerst wurde nur die Aufstellung nach dem numtrus currcns

fur den neuen Zuwachs genehmigt, dann aber als Konsequenz davon auch

die Ubernahme des ubersiedelten Bestandes in die neue Aufstellung. Aus

inneren Griinden mufite jedoch die ganze friihere Katalogisierung einer griind-

lichen Revision unterzogen werden, so dafi als Voraussetzung fiir die langst

notwendig gewordene Neuanlage des alphabetischen Haupt-Kataloges, der

ganze Bestand, der dadurch auch eine grofie Bereicherung erfuhr, eigentlich

neu katalogisiert wurde. Fiir die Beschreibung wurde unter Gr.s Leitung eine

eingehende Instruktion ausgearbeitet, ferner fiir den nach Vollendung des

alphabetischen Kataloges in Angriff zu nehmenden systematischen Katalog

ein Schema ausgearbeitet. Schon als Leiter der Bibliothek hat Gr. den inneren

Geschaftsgang umgestaltet, und eine Reihe von Einrichtungen getroffen, die

Grassauer. j8?

das Institut auf eine hohere wissenschaftliche Stufe zu heben und eine bessere Schulung des Beamtenkorpers anzubahnen geeignet waren. Dahin gehoren die Referatseinteilung, dafi nach Tunlichkeit die einzelnen Wissenschaftsgruppen von Fachmannern geleitet werden, die in den ihnen anvertrauten Fachern alle Agenden selbst zu fuhren haben, und die Einfuhrung von regelmafiigen Bibliothekssitzungen, an denen alle Beamte teilnehmen ; es werden die behord- lichen Verfiigungen mitgeteilt, allgemeine und besondere Fragen besprochen und die Literaturreferate vorgetragen.

August 1885 wurde Gr. zum Universitats-Bibliothekar und Vorstand der Bibliothek befordert, nachdem Leithe zum Bibliothekar der Wiener technischen Hochschule ernannt worden war. Wahrend der 18 Jahre seiner Vorstand- schaft war Gr. bestrebt die Wiener Universitats-Bibliothek weiter auszugestalten. Die erwahnte Neukatalogisierung wurde zu Ende gefuhrt und der neue alpha- betische Bandkatalog in Angriff genommen, die Bibliotheksdotation wurde unter ihm allmahlich von 15000 auf 30000 Gulden erhoht, wozu gelegentliche aufierordentliche Kredite fiir einzelne Zweige kamen; die Zahl der systemi- sierten Beamtenstellen von 10 auf 19 gebracht, wozu noch eine groflere Anzahl adjutierter und nichtadjutierter Praktikanten trat; auch die Zahl der Diener erfuhr eine erhebliche Vermehrung. Den gesteigerten Anforderungen wurde durch Vermehrung der Leseraume und der Bureaus, ferner der Lesestunden Rechnung getragen; der neue Katalog und die Ausgestaltung des biblio- graphischen Apparates bedingte ferner die Erweiterung des Katalogzimmers, deren Fertigstellung allerdings erst in die Zeit nach seinem Ausscheiden fallt. Durch liberale Handhabung der Ausleiheordnung wurde die Benutzung, soweit es innerhalb der bestehenden Vorschriften moglich war, erleichtert, der Du- blettenverkehr der osterreichischen Bibliotheken unter Mitwirkung Gr.s geregelt, endlich unter seiner Leitung der »Generalkatalog der laufenden periodischen Druckschriften« (Wien 1898) herausgegeben , in dem die Periodica und ihre Bestande in den einzelnen Universitats-, Studien- und technischen Bibliotheken Osterreichs (in einem Anhang die nur in der Hofbibliothek vorhandenen) verzeichnet werden. Damit wurde die Benutzung dieses wichtigen Literatur- zweiges bedeutend erleichtert.

Fiir die Beurteilung der Tatigkeit Gr.s als Universitatsbibliothekar und ihrer Erfolge muss man sich die Schwierigkeiten vor Augen halten, die er zu uberwinden hatte. Weniger als in anderen Staaten war fiir das Bibliotheks- wesen in Osterreich geschehen: es fehlte dafur das richtige Verstandnis und vielfach fehlt es ja heute noch, so sehr auch die Verhaltnisse sich gebessert haben m6gen. Bei der Bedeutung, die der Wiener Universitats-Bibliothek als groBter staatlicher Bibliothek Osterreichs zukommt, mufite ihre Entwicklung naturgemafi von groflem Einflufl auf das gesamte Bibliothekswesen sein. Tat- sachlich hat die Wiener Universitats-Bibliothek unter Gr. und durch ihn einen grofien Aufschwung genommen, der sie, soweit sie auch noch immer an Mitteln hinter den groBen weltberiihmten Bibliotheken des Auslandes zuruck- bleibt, was ihre Verwaltung und Benutzung betrifft, in die vorderste Reihe ruckte; noch grOfler war freilich dieser Fortschritt in relativer Hinsicht, wenn man n£mlich die Riickstandigkeit friiherer Zeiten ins Auge fafit. Es ist das urn so hoher anzuschlagen , als Gr. die Kenntnis der Einrichtungen fremder Bibliotheken aus eigener Anschauung fehlte; erst 1890 machte er im Auftrage

1 84 Grassauer.

des Unterrichtsministeriums eine Studienreise nach Deutschland, Frankreich, England und Holland, fiber die er dann einen ausftihrlichen Bericht erstattete. Die Durchsetzung der von Gr. angestrebten Ausgestaltungen war jedoch, ins- besondere soweit die Erhohung des sachlichen und persSnlichen Aufwands durch sie bedingt war, mit solchen Schwierigkeiten verbunden, die auch eine energischere Natur, als Gr. war, hatte erlahmen lassen. Sein Interesse fiir das Aufblfihen des Bibliothekswesens in Osterreich bekundete er auch durch den Eifer, mit dem er die Griindung und die TStigkeit des »Osterreichischen Vereins fur Bibliothekswesens forderte, der vom Unterzeichneten angeregt und vorbereitet worden war. In der konstituierenden Versammlung dieses Vereins hielt er einen weitausblickenden Vortrag fiber »Ziele und Aufgaben des modernen Bibliothekswesens«. In diesem Zusammenhange sei noch er- wahnt, dafi Gr. bereits 1883 ein sehr brauchbares »Handbuch ffir osterreichische Universitats- und Studien-Bibliotheken« (Wien, Graeser) veroffentlicht hat, das eine gute Anleitung ffir die Verwaltung kleinerer und grofier Bibliotheken und im Anhang eine Zusammenstellung aller einschlagigen behordlichen Ver- ffigungen, Erlasse und Verordnungen enthalt. Die Tatigkeit Gr.s fand darin ihre Anerkennung, dafi er 1893 den Titel eines Regierungsrates, gelegentlich seiner Pensionierung (1903) den eines Hof rates erhielt; der Ssterreichische Verein ffir Bibliothekswesen ernannte ihn, der seit der Grfidung dessen erster Obmann-Stellvertreter war, zu seinem Ehrenmitgliede.

Auch auf seinem engeren Fachgebiet, der Geographie und namentlich der 6sterreichischen Landeskunde, war Gr. erfolgreich literarisch tatig. Seine »Landeskunde von Osterreich- Ungam* (1875), die beiden in » Holders Geo- graphischer Jugend- und Volksbibliothek« 1879 erschienenen BSndchen: »Die Alpen« und »Die Donau« sowie der im selben Jahr in der Sammlung »Die Lander Osterreich -Ungams in Wort und Bild« erschienene Band »Das Erz- herzogtum Osterreich ob der Enns« erfreuten sich beifalliger Aufnahme; fiber die geographische und kartographische Literatur erschienen zahlreiche Rezen- sionen aus seiner Feder in der »Zeitschrift ffir die osterreichischen Gymnasien*. Seit Ende 1881 war er auch Mitarbeiter der »Allgemeinen Enzyklopadie«, hg. v. Ersch u. Gruber; 1887 wurde er von Kronprinz Rudolf in das Redaktions- komitee des Werkes «Die osterreichisch-ungarische Monarchic in Wort und Bild« als Referent ffir landschaftliche und topographische Schilderungen be- rufen. Mit emsigem Fleifi sammelte er das Material ffir ein grofi angelegtes »Repertorium der geographisch-statistischen Literatur Osterreich- Ungarnss das sein Lebenswerk werden sollte, das herauszugeben ihm jedoch nicht beschieden war. Auf dem Wiener internationalen Geographen-Kongrefi legte er eine Druckprob^ vor; der Beifall, den sie von fachmannischer Seite fand, veranlaflte wohl die Wiener geographische Gesellschaft sich daffir zu inter- essieren, doch blieb die notwendige materielle Unterstfitzung aus.

Gr. war von mittelgrofier Statur und erfreute sich stets ungestorter Ge- sundheit. In frfiheren Jahren oblag er gern dem Jagdvergnfigen als Gast der Stifte Zwettl und Klosterneuburg; spater mufite er wegen zunehmender Kurz- sichtigkeit ihm entsagen. Seit dem Jahre 1886 besafi er ein Haus samt Garten in Klosterneuburg; Gartenarbeiten und Baumkulturen boten ihm Erholung von literarischen und amtlichen Arbeiten. In den letzten Jahren war eine merkliche Mfidigkeit eingetreten; anfangs 1903 trat mit Heftigkeit ein Ubel

Grassauer. Zeller. Benfey(-Schuppe), 185

auf, das wohl schon lSngere Zeit ihm unbewufit das ZerstOrungswerk vollzogen hatte; Diabetes im Verein mit einer Nierenentzundung warfen ihn aufs Kranken- lager und nach voriibergehender kurzer Erholung starb er, wenige Monate nach seiner Pensionierung. An seiner Bahre trauerten seine Witwe (Lina geb. Weinberger, Tochter des Landgerichtsrates W. in Salzburg), mit der er in glucklicher Ehe seit 1876 lebte, und zwei T6chter. Am 27. Oktober wurde er unter grofler Teilnahme auf dem Friedhofe zu Klosterneuburg bestattet.

Literatur: Fur den vorstehenden Nekrolog konnten urkundliches Material, femer Mitteilungen der Witwe Gr.s und des mit Gr. befreundeten Archivars des Stiftes Zwettl, Dr. Benedikt Hamraerl, woftlr auch hier Dank gesagt wird, benutzt werden. Vergl. aufierdem: Haas >Die Cbersiedlung der k. k. Universitats-Bibliothek in Wien« (Zentralbl. f. Bibliotheks- wesen II 312 ff); Frankfurter »Die k. k. Universitats-Bibliothek in Wien« (Das Archiv II 34 iff., >Das Bibliothekswesen* (Kaiser Franz Joseph I. und seine Zeit I 124 flf), »Erneuerung des alpbabetischen Bandkataloges der Wiener Universitatsbibliothek* (Zentralbl. f. Bibliotheksw. XIX 175 ff); Meyer »Die alte und die neue Wiener Universitats-Bibliothek « (Mitt. d. osterr. Ver. f. Bibliothekswesen IV 56 ff); B(ohatta) »Dr. FerdinandGrassauer (ebenda VII 193, vgl. auch ebenda VI 155). Dr. S. Frankfurter.

Zeller, Eduard Maximilian, Jurist und Dichter, * 28. Marz 1822 in Stutt- gart, f daselbst 7. Septbr. 1903. Er war der Sohn eines Ober-Medizinal- rats, besuchte das Gymnasium seiner Vaterstadt und studierte dann in Tubingen und Zurich die Rechtswissenschaft. Nachdem er von 1843 a^ zwe* Jahre hindurch im wurttembergischen Staatsdienst beschaftigt gewesen, liefl er sich 1845 *n Calw als Advokat nieder, wurde 1849 in die aufst£ndische Bewegung Wurttembergs zur Herstellung der deutschen Einheit verwickelt und begab sich als politischer Fluchtling in die Schweiz und 1850 nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika, wo er erst in New-York und zuletzt in Michigan als Lehrer seinen Unterhalt fand. 1863 kehrte er nach erfolgter Begnadigung nach Europa zuriick und liefl sich in Stuttgart als Rechtsanwalt nieder. Neben seiner Praxis beteiligte er sich vielfach am offentlichen Leben; er wurde zum Obmann des Biirgerausschusses, in den Gemeinderat und in die evangelische Landessynode gewahlt. 1880 gab er seine Praxis und offentliche Tatigkeit auf und widmete sich hinfort literarischen Studien und seiner poetischen Neigung. Er veroffentlichte »Geistliche Lieder« (1882), »Geistliche Lieder zu den Evangelien. 1. Kirchenjahr« (1891) und »Vier Marchen in Versen« (1900).

Personliche Mitteilungen. Franz Brummer.

Benfey (-Schuppe), Anna, Musiklehrerin und Schriftstellerin, * zu Lan- deck in Schlesien, f am 27. Mai 1903 in Weimar. Ihr Geburtsjahr ist nicht bekannt geworden. Sie war die Tochter eines hSheren Justizbeamten, der spater nach Brieg, Groflglogau, Breslau und zuletzt als Obertribunalsrat nach Berlin versetzt wurde. Schon in friiher Jugend offenbarte sich bei der Tochter ein poetisches Talent, das indessen bald durch eine grofie Leidenschaft flir die Musik zuriickgedrangt wurde. Als zwanzigjahriges Madchen erhielt sie in Glogau durch Ludwig Meinardus Unterricht in der musikalischen Kom- position, worauf sie als Musiklehrerin in dem Ursulinerinnenstift daselbst angestellt wurde. In Breslau setzte sie ihre Studien unter dem Kirchen- komponisten Moritz Brosig fort, und in Berlin verdankte sie dem Komponisten

1 86 Benfey(-Schuppe). Berdrow. von Breidenbach.

Georg Vierling und dem Konzertmeister Hubert Riefi manche Forderung in der Komposition. Sie widmete sich nun ganz der Musik, erteilte Musik- unterricht und komponierte Chor- und Orchesterwerke, von denen besonders die Musik zu Shakespeares Romeo und Julia bekannt geworden ist und am Hoftheater in Gotha und am Stadttheater in Breslau zur Auffiihrung gelangte. Nachdem Anna Schuppe langere Zeit in Ungarn, Wien und Dresden als Musiklehrerin gewirkt, verheiratete sie sich, schon in alteren Jahren, 1879 mit dem Schriftsteller Rudolf Benfey, einem begeisterten Frobelianer. Sie hatte mit ihm lange iiber gemeinschaftliche geistige Interessen korrespondiert, und als der Gelehrte sterbenskrank bei den Barmherzigen Schwestern in Miinchen lag, wiinschte er sie noch einmal zu sehen. Als er genesen, schlofi er, der Jude, mit ihr, der Katholikin, den Bund zur gliicklichsten Ehe. Das Paar lebte dann in der Folge in Weimar, Graz, Wien, Dresden und Jena, wo 1891 der Gatte starb. Die Witwe verlegte danach ihren Wohnsitz erst nach Gorlitz und 1892 nach Weimar, und hier ist sie im Krankenhause gestorben. Erst nach ihrer Verheiratung, und nachdem sich eine zunehmende Schwer- horigkeit bei ihr eingestellt hatte, so dafi sie ihre musikalische Tatigkeit aufgeben mufite, begann sie sich als Schriftstellerin zu betatigen. In den ersten Jahren schrieb sie ausschliefilich Marchen und Erzahlungen fur Kinder, dann Erzahlungen fur junge Madchen und schliefilich auch griifiere Arbeiten, von denen besonders die Novelle »Fridolin, ein Jiinger Gutenbergs« (1895) und der Roman »Gliihendes Eisen« (1900) hervorzuheben sind.

Adolf Hinrichsen: »Das literarische Deutschlanck, 1891, S. 97. »Dichterstimmen der Gegenwaru, Jahrg. 1903, Heft 11. Franz Briimmer.

Berdrow, Otto, Schriftsteller und Dichter, * 26. Mai 1862 in Stralsund (Pommern), f daselbst 6. Februar 1903, Er war der Sohn eines Lehrers und bereitete sich gleichfalls auf den Beruf eines solchen vor. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt und das Lehrerseminar in Franzburg be- sucht hatte, wirkte er seit 1882 als Lehrer in Wangen bei Greifswald und in Richtenberg und seit 1886 in Giebichenstein bei Halle a. Saale. Hier be- nutzte er fleiflig die Gelegenheit, Vorlesungen an der Universitat zu horen, und es war besonders Rudolf Haym, der einen bestimmenden Einflufl auf sein literarisches Schaffen gewann. 1888 kehrte er in seine Vaterstadt zuriick, wo er zuletzt an einer Knaben-Mittelschule als Lehrer tatig war. Als Schrift- steller pflegte er zunachst das Gebiet der Literaturgeschichte und der Bio- graphie, wie seine »Frauenbilder aus der deutschen Literaturgeschichte « (1895, 2. Aufl. 1900), »Friedrich Perthes, ein deutscher Buchh&ndler« (1897), »Rahel Varnhagen, ein Lebensl. und Zeitbild« (1900, 2. Aufl. 1902) und »Pastor Hammer, ein Zeitbild« (Roman, unter dem Pseudonym Leopold Guthart, 1896) bezeugen. Seine Gedichte »Still und bewegt« (1903) berechtigten zu Hoff- nungen; da erlag der Dichter im besten Mannesalter einer tiickischen Lungen- entziindung.

Personliche Mitteilungen. »Preuflische Lehrerzeitung« vom 14. Febraar 1903.

Franz Briimmer.

Breidenbach, Emilie von, Schriftstellerin, * 7. Januar 1838 in Konstanz, f 16. April 1903 daselbst. B. war die Tochter eines Freiherrn von Eisen-

von Breidenbach. 1 87

decker unci seiner zweiten Gemahlin, einer Livlanderin, und kam, da ihre Mutter bei der Geburt starb, schon im ersten Lebensjahre nach Genf in Pflege, wo sie bis zum dritten Jahre verblieb. Ins Vaterhaus zuriickgekehrt, erhielt sie eine sorgfaltige Erziehung, die spater, in Erziehungsinstituten zu Genf und Dresden, ihren Abschlufi erhielt. Ihre Ausbildung, besonders in Sprachen, Musik und Zeichnen, war eine vorzugliche. Dazwischen fielen alljahrlich grofiere Reisen durch die Schweiz, nach Italien, Frankreich und England. Spater kamen traurige Zeiten fur die Schriftstellerin. Ihre Schwester, der sie besonders zugetan war, starb nach kurzer Ehe; der Vater, obwohl selbst kranklich, schlofi zum viertenmal eine Ehe und gab seiner Tochter eine Stiefmutter, die jener das Leben im Elternhause zur Qual machte, weshalb sich Emilie entschloB, ihrem verwitweten Schwager, dem hessischen Gesandten Freiherrn von Breidenbach in Stuttgart, die Hand zum Ehebunde zu reichen, um so dem Sohne ihrer verstorbenen Schwester die Mutter zu ersetzen (1863). Aber auch in den neuen Verhaltnissen blieb ihr der Kummer nicht erspart, und 1882 traf sie der schwerste Schlag: sie verlor den Gatten durch den Tod. Die Nervenerschutterung, welche dieser Verlust zur Folge hatte, machte einen Aufenthalt in Meran notig, und hier, unter dem segensvollen Einflufi der sie umgebenden Natur, versuchte sie, in geistiger Arbeit ihrem Leben einen neuen Anhalt zu geben. Die Frucht der ersten Aufierung ihrer Gefuhls- stimmung waren die »Natur- und Lebensbilder« (1885), deren Drucklegung kein Geringerer als Karl Gerok veranlaflte. Nach der Ruckkehr aus Meran siedelte sie sich versuchsweise auf dem Schlofi Louisenberg bei Mannenbach am Untersee im Kanton Thurgau an, das sie einige Jahre spater kauflich erwarb. Hier fand sie ihren inneren Frieden und die freudigste Schaffenslust. Werke des Wohltatigkeit und schriftstellerische Tatigkeit fullten fortan ihr Leben aus. Die freundschaftlichen Beziehungen zu den badischen, wurttem- bergischen und hohenzollernschen Hofen gewahrten ihr manche angenehme Abwechselung, und wahrend des Sommers bot ihr Schlofi gastlich mancher inter- essanten Pers5nlichkeit lieben Aufenthalt. Wahrend des Winters unternahm sie monatelange Reisen, besonders nach England, meist philanthropischen Werken gewidmet; das Wirken des ihr befreundeten Barnardo, des Retters unglucklicher Kinder, schildert sie in ihrer Erzahlung »Sibyllas Traum und anderes« (1887). Mit der ihr gleichfalls befreundeten Mifi Fanny Gumbleton, griindete sie 1885 in Torquay ein Heim fur arme heimatlose, der Schwindsucht verfallene Madchen, das sie auch in der Feme behiitete und unterstiitzte. Das Ent- stehen dieses Liebeswerkes schilderte sie in der Schrift »Drei Monate in England, ein philanthropischer Rundgang« (1890). Andere Schriften von ihr sind noch »Das Bargli Hus Vreneli« (1886), eine Erzahlung, in der die Sitten des Schweizervolkes trefflich gezeichnet sind, der Roman »Schatten und Licht« (1888), »Drei Novellen« (1889), die Episoden aus dem Leben der Dichterin schildern, die Erzahlungen »Bunte Ranken« (1895) und die Reiseskizzen »Erinnerungen aus alter und neuer Zeit« (1898). Seit dem Jahre 1899 lebte Frau v. Br. in Konstanz und dort ist sie auch, viel zu friih fur die Armen und Notleidenden, gestorben.

PersOnliche Mitteilungen. Sophie Patacky: »Lexikon deutscher Frauen der Federc, 1898. Bd. 1, S. 103. Lina Morgenstern: »Die Frauen des 19. Jahrhunderts« , 1891. Bd. 3, S. 302. Franz Brummer.

X88 von Larisch. von Trotha.

Larisch, Karl von, General der Kavallerie, * 2. August 1824 zu Kiimm- ritz, Kreis Luckau, f 3. Oktober 1903 zu Haus Boeckey bei Glasersdorf, Kreis Liiben in Schlesien. L. trat am 1. November 1841 als Avantageur in das 6. Kurassierregiment ein. 1843 Sekondeleutnant, bekleidete er 1847 1850 die Stellung als Regimentsadjutant, zu welchem Zeitpunkte er in das 5. Ku- rassierregiment versetzt wurde. Am 1. Juli 1859 wurde L. als Eskadronschef in das neugebildete posensche Ulanenregiment Nr. 10 versetzt. Bei diesem Truppenteil machte er die Besetzung der russischen Grenze in den Jahren 1863 und 1864 mit, 1866 wurde er zum Major befdrdert. Bei der bald dar- auf eintretenden Mobilmachung kam L. als Generalstabsoffizier zu der kom- binierten Land wehr-Kavallerie-Di vision des I. Reserve-Armeekorps, machte hier den Feldzug gegen Osterreich mit und trat nach dem Frieden als etats- mafiiger Stabsoffizier zum Dragonerregiment Nr. 15 iiber. 1869 erhielt er seine Ernennung zum Kommandeur des magdeburgischen Kurassierregiments Nr. 7 und riickte am 26. Juli 1870 zum Oberstleutnant auf. Leider war es L. im Feldzuge von 1870/71 gegen Frankreich nicht vergSnnt, mit seinem Regiment die beruhmte Attacke bei Vionville zu reiten, da er infolge eines am 1. August erlittenen Armbruches erst am 6. September zu seinem Truppen- teil zuriickkehren konnte. Im weiteren Verlauf des Krieges nahm L. mit seinem Truppenteil an der Belagerung von Paris, an den Gefechten bei Mantes, Evreux, der Schlacht von Le Mans und dem Gefecht bei Bernay teil, stieg am 18. Januar 1872 zum Oberst auf und erhielt am 15. Juni 1875 die 5. Kavalleriebrigade. 1876 zum Generalmajor befcirdert, trat L. am 11. No- vember als Kommandeur an die Spitze der 6. Division und am 15. Januar 1887 in den Ruhestand. 1890 erhielt er den Charakter als General der Kavallerie.

Nach den Akten. Lorenzen.

Trotha, Ernst von, Generalleutnant, * 24. Juni 1819 zu Neubeesen im Saal- kreise, f 29. Januar 1903 zu Skopau bei Merseburg. Als Avantageur im Januar 1837 in das Garde -Jagerbataillon eingetreten, erhielt T. 1838 das Patent als Sekondeleutnant, wurde auf seinen Wunsch 1841 zum 10. Husaren- regiment versetzt, riickte 1843 zum Premierleutnant auf und war von Oktober 1854 bis Marz 1859 a's Eskadronsfiihrer zum 10. Landwehr-Husarenregiment kommandiert, wahrend welcher Zeit er zum Rittmeister avancierte. Unterm 12. Marz 1859 dem Husarenregiment Nr. 8 als Eskadronschef (iberwiesen, trat er, nachdem er den Sommer hindurch eine Schwadron des mobilen 8. Land- wehr-Husarenregiments gefiihrt hatte, als Eskadronschef zu dem neuerrichteten rheinischen Dragonerregiment Nr. 5 iiber. 1863 wurde T. in das schlesische Ulanenregiment Nr. 2, 1864 unter gleichzeitiger Beforderung zum Major in das brandenburgische Dragonerregiment Nr. 2, 1866 als etatsmafliger Stabs- offizier in das 2. brandenburgische Ulanenregiment Nr. 11 versetzt, in welcher Stellung er den Feldzug von 1866 gegen Osterreich mitmachte, und in diesem an dem Gefecht bei Sichrow, sowie an der Attacke gegen osterreichische Kiirassiere in der Schlacht bei KGniggratz teilnahm. Nach dem Feldzuge trat T. 1867 als Kommandeur an die Spitze des oldenburgischen Dragoner- regiments Nr. 19, das er bereits seit Monaten gefiihrt hatte; wurde 1868 Oberstleutnant und bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich 1870 zum

von Trotha. von Gemmingen. Geibel. 180

Oberst ernannt. Im Feldzuge nahm er mit seinen Dragonern an der Schlacht bei Spicheren und Vionville, an der Belagerung von Paris, sowie an den Ge- fechten bei Ch£risy und Bu teil. Ganz besonders zeichnete T. sich mit seinem Regiment in der Schlacht von Vionville aus, wo er in dem Reiter- kampfe bei Ville sur Yron 9 Offiziere, 104 Unteroffiziere und Mannschaften, sowie 99 Pferde verlor. Das Regiment verblieb unter seinem Kommando, als zur Okkupationsarmee gehOrend, bis zum Juli 1873 in Frankreich. Nach der Riickkehr in die heimische Garnison erhielt T. das Kommando der 9. Ka- valleriebrigade, avancierte 1874 zum Generalmajor und trat 1875 zu den Offizieren von der Armee iiber. Am 1. November 1875 erhielt er den er- betenen Abschied, 1895 den Charakter als Generalleutnant.

Nach den Akten. Lorenzen.

Gemmingen, Wilhelm Frhr. von und zu, General der Kavallerie, * 17. April 1827 zu Gemmingen im Kreise Heidelberg, f 18. Oktober 1903 zu Karlsruhe in Baden. G. trat 1842 als Kanonier in die badische Artillerie ein, avancierte 1845 zum Portepeefahnrich, 1846 zum Leutnant. 1849 erhielt er das Kommando, das von den Insurgenten weggeschleppte Kriegsmaterial an der schweizerischen Grenze zu sammeln und zu ordnen, war 1852 dienst- lich nach Darmstadt, Koburg, Weimar und Dresden entsendet, ruckte 1852 zum Oberleutnant auf, wurde 1853 Brigadeadjutant und 1859 zum Haupt- mann und Batteriechef befordert, auch i860 zum Vorstand des 3. Remon- tierungsbezirks ernannt. Im Winter 1863 zu 1864 war er in dieser Stellung dienstlich in Ungarn beim Ankauf von Remonten tatig. 1867 wurde G. unter gleichzeitiger Ernennung zum Major und Ordonnanzoffizier des Grofiherzogs in das damalige 3. Dragonerregiment »Prinz Carl« versetzt, fungierte in den Jahren 1867 und 1868 abermals als Vorstand der Remonteankaufskommission im Auslande und trat 1868 in den Generalstab iiber. 1869 erhielt er das Kommando des 3. Dragonerregiments »Prinz Carl«, das er 1870 gegen Frank- reich ins Feld fiihrte, wobei er, mittlerweile zum Oberstleutnant aufgestiegen, die Belagerung von Strafiburg, die Gefechte bei Bruy6res und Dijon, sowie die Schlacht an der Lisaine mitmachte. Nach dem Kriege wurde G. als Oberstleutnant und Kommandeur des 3. badischen Dragonerregiments »Prinz CarW Nr. 22, bis dahin 3. Dragonerregiment »Prinz Carl« in den Verband der preufiischen Armee aufgenommen und ruckte 1873 zum Oberst auf. 1876 wurde er mit der Fuhrung der 21. Kavalleriebrigade beauftragt, an deren Spitze er im folgenden November endgiiltig trat. 1878 zum Generalmajor befdrdert, erhielt G. 1883 unter gleichzeitiger Ernennung zum Generalleutnant das Kommando der 14. Division, das er 1886 mit demjenigen der 21. Divi- sion vertauschte; 1888 trat er in den Ruhestand.

Nach den Akten. Lorenzen.

Geibel, Stephan, Buchhandler und Buchdrucker, * 15. Juli 1847 *n Buda- pest, f 6. Januar 1903 in Altenburg (S.-A.). Kommerzienrat Stephan G. war der Sohn des Budapester, sp&ter Leipziger Hofbuchhandlers Geibel, der am Aufschwung der ungarischen Literatur des vorigen Jahrhunderts einen wesent- lichen Anteil hatte. Nach sorgfaltiger Erziehung im Elternhause trat G. zur Erlernung der Buchdruckerkunst bei F. A. Brockhaus in Leipzig ein, ging

1 go Geibel. Hagemeister.

dann nach Gotha, urn sich danach ganz der buchhandlerischen Laufbahn zuzuwenden. In Leipzig, Genf und Bonn hatte er als Gehilfe gearbeitet, als ihm und drei Leipziger Firmen die Pierersche Hofbuchdruckerei in Altenburg zum Kauf angeboten wurde. Am 2. Januar 1872 ubernahm er als Leiter diese Druckerei, die er in mehr als dreifiigjahriger rastloser Arbeit mit zum ersten graphischen Institut Deutschlands emporbrachte. G. war es in erster Linie, der Anfang der siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts der sehr im Argen liegenden Buchdruckerkunst neues Leben einhauchte. Den Ruf seiner Firma als graphische Musteranstalt hat er dauernd erhdht.

Im Jahre 1888 begriindete G. einen eigenen Verlag, dessen Grundstock Erwerbungen aus dem Julius Niednerschen Verlage in Wiesbaden, darunter die bekannten Schriften des Volks- und Jugendschriftstellers Wilhelm Oertel von Horn, waren. Auch die Oertelsche »Spinnstube«, jenes ausgezeichnete Volksbuch, das zu vielen Tausenden alljahrlich als Kalender ins Volk ging, hat G. noch eine Reihe von Jahren, bis 1895, fortgefiihrt. Neben einer Reihe gern gelesener und weitverbreiteter Jugendschriften, so von Noeldechen, Schupp, Bomel u. a., verlegte G. auch die religiosen Schriften des Pastors Funcke in Bremen u. v. a.

Der grofien deutschen Buchdruckergilde hat G. durch seine langjahrige tatige Mitwirkung an deren Bestrebungen die wertvollsten Dienste geleistet.

Quell en: »Zeitschrift ftir Deutschlands Buchdruckerc, 1903 Nr. 3; Schmidt, ^Deutsche Buchhandler«, IV. Bd. Rudolf Schmidt.

Hagemeister, Johann Carl Paul Wilhelm, Jurist und Historiker, * 13. Juni 1826 in Stralsund, f 27. Marz 1903 in Greifswald. Sohn des Stralsunder Biirgermeisters Carl H., aus einer alten, im 13. Jahrhundert in Pommern eingewanderten niederdeutschen Familie, welche in der amtlichen Stellung eines Hagemeisters (Magister indaginis) das Dorf Helmshagen bei Greifswald begriindete, und von dort nach Greifswald, Grimmen und Stral- sund iibersiedelte, wo sich die amtliche Bezeichnung in den Familiennamen »Hagemeister« umwandelte. Seit 1357 in Greifswald und seit 1566 in Stral- sund durch zahlreiche Mitglieder im Rate vertreten, gehftrte die Familie zum Patriziat und fiihrte als Wappenemblem eine Rose im Schilde und auf dem Helme. Nach dem Muster dieser Vorfahren widmete sich H. gleichfalls der Rechtswissenschaft, studierte in Halle, Heidelberg und Berlin, wurde 1849 Auskultator, 185 1 Referendar, 1855 Assessor, 1858 Kreisrichter und 1868 Kreisgerichtsrat in Stralsund, legte dies Amt aber nieder, wirkte seit 187 1 dort als Rechtsanwalt mit dem Titel »Justizrat«, und seit 1876 als Land- syndikus, als Rechtsbeistand der neuvorpommerschen Stande, und starb am 27. Marz 1903 infolge eines Schlaganfalles. Neben dieser praktischen Amtstatigkeit widmete sich H. mit Vorliebe historischen und antiquarischen Forschungen, fiir welche ihm im Ratsarchiv und in den zahlreichen Denk- malern der Kirchen und Kloster seiner Vaterstadt ein reiches Material vorlag. Dieses verwertete er nach zwei Richtungen, einerseits durch Aufstellung sorg- faltiger, nach urkundlichen Belegen ausgefiihrter Genealogien alter Familien, von denen einige handschriftlich vorliegen, andere in der Zeitschrift des Vereins »Herold« erschienen sind; andererseits durch Nachweisung, Restau- ration und Beschreibung der Stralsunder Bau- und Kunstdenkmaler, welche

Hagemeister. Kiem. igi

Forschungen auch vom Baumeister v. Has el berg bei der Bearbeitung der »Baudenkmaler des Reg.-Bez. Stralsund« Heft 5, 1902 benutzt worden sind. Namentlich ist H.s Forderung der Erneuerung der alten Wandmalereien in der Nikolaikirche hervorzuheben, fur welche er auch die bewahrten Kunst- historiker Dr. Crull in Wismar und Prof. Knackfufi in Kassel zu interessieren wuflte, und welche auch fur den Chor derselben durch die Maler Grimmer und Winter ausgefuhrt wurde. Ebenso erhielt auf seine Veranlassung das Gebaude des Swarteschen Ganges, einer vom Ratsherrn Arndt Swarte im Jahre 1569 begriindeten Stiftung fur alte Dienstboten, welcher er als Patron vorstand, eine Restauration, bei welcher die Wappen der um dieselbe beson- ders verdienten Familien Wardenberg, Swarte und Hagemeister neben dem Eingange angebracht wurden. Auch gehorte er zu den Hauptf6rderern des dem Biirgermeister Lambert Steinwig (f 1629) auf dem Alten Markt vor dem Rathause im Jahre 1904 errichteten Denkmals, welches dessen ruhmvoller Tatigkeit bei der Belagerung Stralsunds durch Wallenstein gewidmet ist. Von H.s kunsthistorischen Forschungen, welche im Druck erschienen, sind zu erwahnen: Sammlung von Bildnissen der Stralsunder Ratsherren, 1889; Die alte Uhr in der Nikolaikirche, 1895; Der Schwarze Gang, 1896; Ein Gang durch die Nikolaikirche in Stralsund, in erster Bearbeitung 1890, in zweiter Bearbeitung 1900, mit der Beschreibung ihrer zahlreichen Kunstwerke, eine Reihe von Schriften, durch welche ihm, ebenso wie durch die Erhaltung der Denkmaler, ein bleibendes Andenken in seiner Vaterstadt gesichert ist. Quellen: Handschr. Selbstbiographie. Nekrolog »Strals. Zeitung*, 1903, Nr. 78. Perstfnliche Erinneningen. Pyl.

Kiem, Martin, O. S. B., Subprior in Gries, Historiker, * 8. Februar 1829 zu Algund in Tirol, f 13. Juni 1903 im Stift Gries bei Bozen. K. machte seine Gymnasialstudien am Benediktiner-Gymnasium zu Meran, trat dann 1847 im Stift Gries in den Orden, legte am 16. September 1849 Profefi ab, machte die philosophischen und theologischen Studien an der Hauslehranstalt und wurde am 15. Februar 1852 zum Priester geweiht. Hierauf wurde er nach Sarnen in der Schweiz (Obwalden) gesandt und wirkte 29 Jahre bis 1 88 1 als Gymnasialprofessor an der kantonalen Lehranstalt daselbst, zu deren Hebung er neben dem Rektor P. Augustin Griiniger hervorragend mitwirkte. Nach der Griindung des mit dem Gymnasium verbundenen Konvikts war er 1868 1872 Prafekt desselben. 1881 wurde er als Stiftsdekan in das Stift Gries zuruckberufen; 1894 legte er dieses Amt aus Gesundheitsrucksichten nieder und wurde Bibliothekar, seit 1897 zugleich Subprior. Wahrend der Jahre seiner Wirksamkeit in Sarnen beschaftigte sich K. eingehend mit der Geschichte von Obwalden. Eine Reihe von Abhandlungen und Publikationen von Urkunden-Regesten veroffentlichte er in der Zeitschrift »Der Geschichts- freund<' (Einsiedeln), Bd. 18 30, 1862 1872; grofiere Arbeiten sind darunter: »Die Alpenwirtschaft und Agrikultur in Obwalden seit den altesten Zeiten« (21. Bd. 1865 S. 144 231); »Die Entwicklungsgeschichte und die Landam- manner von Unterwalden ob dem Wald. 1304 1872« (28. Bd. 1873 S. 208 bis 277). In den 1864 1873 von *hm jahrlich verfafiten Programmabhand- lungen des Gymnasiums zu Sarnen gab er teils Beitrage zur Geschichte der Lehranstalt, teils behandelte er in einer Reihe von Programmen die

Ip2 Kiem. Eberle. Jakob.

Geschichte der Pfarrei Sarnen. Als selbst&ndige Schrift erschien: »Der selige Nikolaus von Flue* (nach dem gr6fieren Werk von Ming, Ingenbohl 1862; 2. Aufl. 1879); spater: »Der selige Nikolaus von Flue, ein Vorbild fur alle Christen « (Einsiedeln 1881). Nach der Ruckkehr K.s nach Gries erschien zuerst die Urkundenpublikation: »Das Kloster Muri im Kanton Aargau.

A. Acta Murcnsia oder Acta fundationis. B. Urkunden und Briefe. C. Necro- logium Hermetisvillanum* (in: Quellen der Schweizer Geschichte, Bd. Ill, Abteilung 3, Basel 1883). Auf die Abhandlung: »Inneres Leben und aufiere Tatigkeit der Muri-Konventualen aus dem Zeitraum von 1684 17760c (Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden, 6. Jahrg. 1885 Bd. I S. 392 bis 397; Bd. II S. 135 145, 342 348) folgte dann K.s Hauptwerk, die zwei- bandige »Geschichte der Benediktinerabtei Muri-Gries (ad S. Martinum ad

B. V. Afariam)* (Stans 1888, 1891). Kleinere Mitteilungen erschienen in der »Zeitschrift des Ferdinandeums fur Tirol und Vorarlberg« (3. Folge, 33., 36. und 37. Heft, 1889, 1892 und 1893). In den letzten Jahren folgten noch die Schriften: »Leben des hi. Martinus, nebst Erw&gungen und Gebetbuch* (Brixen 1898); »Augustin Vigil Nagele, letzter Pralat des Augustiner-Chor- herrenstiftes zu Gries bei Bozen (1790 181 5) und seine Zeit« (Innsbruck 1899).

Vgl. Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden, 24. Jahrg. 1903 S. 554 f. »Der Geschichtsfreund«, 58. Bd. 1903 S. XXXI— XXXIII. (Aus dem »Vaterland€.) Scriptorcs Ord. S. Benedict! qui iy jo 1880 futrunt in impcrio Austriaco-Hungarico {Vindobonat 1881) p. 231 s. F. Lauchert.

Eberle, Melchior, C. S. B., Subprior von St.Bonifaz in Munchen, * 27. Marz 1828 zu GroBkissendorf bei Giinzburg, f 10. Juli 1903. E. absolvierte das Gymnasium bei den Benediktinern zu St. Stephan in Augsburg, trat dann 1850 daselbst in das Noviziat, legte am 6. Januar 185 1 Profefi ab, studierte Theologie und Philologie an der Universitat Munchen und wurde am 4. Mai 1853 zum Priester geweiht. Er wirkte dann als Lehrer am Gymnasium zu St. Stephan, von 1859 1878 als Studienlehrer am Ludwigsgymnasium in Munchen, nachdem er 1859 in das Kloster St. Bonifaz in Munchen uber- getreten war; 1878 1884 war er Beichtvater in Frauenchiemsee, dann Seel- sorger an der Filialkirche St. Benedikt in Munchen; seit 1899 Subprior im Stift St.Bonifaz. Schriften: »Lourdes und seine Wunder« (Augsburg 1892); »Der hi. Bonifazius, Apostel von Deutschland« (ebd. 1893). Artikel »Frauen- chiemsee« in Seb. Brunners Benediktinerbuch (Wurzburg 1880).

Vgl. »Augsburger Postzeitung* 1903, Nr. 155 vom 15. Juli. Lindner, Die Schrift- steller des Benediktinerordens in Bayern, NachtrSge (Regensburg 1884), S. 78.

F. Lauchert.

Jakob, Georg, Domdekan in Regensburg, Kunsthistoriker, * 16. Januar 1825 zu Straubing, f 12. Juli 1903 zu Regensburg. J. absolvierte das Gymnasium in Straubing, studierte dann Theologie in Munchen und empfing am 9. Juli 1849 in Regensburg die Priesterweihe. Nachdem er zuerst einige Jahre in der Seelsorge gewirkt hatte, wurde er Prafekt im Klerikalseminar zu Regensburg, wo er insbesondere Vorlesungen uber kirchliche Kunst hielt. 1858 wurde er Spitalpfarrer in Straubing; 1862 Domvikar in Regensburg, zugleich provisorischer Regens des Priesterseminars; 1881 Domkapitular; am

Jakob. Brtill. 193

8. Mai 1897 Domdekan; Dr. theoL h.e. Hauptwerk: »Die Kunst im Dienste der Kirche. Ein Handbuch fur Freunde der kirchlichen KunsU (Landshut 1857; 5. Aufl. 1901). Ferner: »Die feierliche Einweihung der Kirchen* (1850; 2. Aufl. 1864); »Dr. Josef Amberger, Domkapitular in Regensburg« (Regens- burg 1890); gab heraus: +Beati Alberti Magni de sacrosancto corporis Domini sacramento strmones* (Regensburg 1893). Mehrere grOfiere Artikel zur christ- lichen Kunst in der zweiten Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer und Welte. J.s Bedeutung als Kunsthistoriker wiirdigt Domkapitular Schniitgen in der Zeitschrift ftir christliche Kunst (1903, Nr. 7, Sp. 224) folgendermafien: »Der kirchlichen Kunst mit Einschlufi der Musik hat er seit ihrem Wieder- aufleben, also iiber ein halbes Jahrhundert, in reinster Absicht, vollkommenster Hingabe, erfolgreichster Weise gedient, ernst und griindlich als Forscher, kenntnisreich und anregend als Lehrer, fruchtbar und zielbewuflt als Schrift- steller. Seinen strengen Grundsatzen, die nicht auf Vorurteil oder Eigensinn, sondern auf griindlichen Studien der Quellen, der Denkm£ler, der Literatur beruhten, ist er treu geblieben bis an sein Ende. Der tiefe Einblick in die Vorzuge der mittelalterlichen Kunst, die er in ihrem Zusammenhang mit Liturgie, Symbolik usw. mehr wie fast alle andern erfafit hatte, war ihm zugleich eine Schutzwehr gegen die nivellierenden und modernisierenden Bestrebungen, die den Zusammenhang mit der Vergangenheit auch auf dem von der Tradition besonders behiiteten kirchlichen Kunstgebiete abzuschwachen, wenn nicht gar aufzulSsen drohen.«

Vgl. >Augsburger Postzeitungc 1903, Nr. 155 vom 15. Juli; Jahrg. 1899, Nr. 153 vom 8. Juli. F. Lauchert.

Briill, Andreas, katholischer Pfarrer von Plittersdorf bei Godesberg, Pa- tristiker und Sozialpolitiker, * 5. Juni 1845 zu Boslar bei Jiilich, f 24. Juli 1903 zu Kissingen. B. besuchte das Kaiser Karls-Gymnasium in Aachen bis 1867, begann dann die philosophischen und theologischen Studien im Collegium Germanicum in Rom, setzte sie an der Universitat Bonn fort und empfing am 24. August 187 1 in Koln die Priesterweihe. Hierauf wirkte er sechzehn Jahre als Vikar und Lehrer an der h5heren Stadtschule zu Schleiden. 1874 promo- vierte er in Freiburg i. Br. zum Dr. theoL 1888 wurde er Pfarr-Rektor an der St. Albertuskirche in Munchen-Gladbach; 15. Mai 1894 Pfarrer von Plitters- dorf. — Die friiheren literarischen Arbeiten von B. bewegen sich auf dem Gebiete der Patristik und sind vorzugsweise den apostolischen Vatern ge- widmet: »Ursprung und Verfasser des Briefes des Clemens von Rom an die Korinther« (in der Tubinger Theologischen Quartalschrift 1876); »Das Zeugnis des Clemensbriefes iiber den Tod des Apostels Petrus in Rom« (Theolog. Quartalschrift 1877); ^Clemens von Rom und der Hirt des Hermas« (Theolog. Quartalschrift 1878); »Der Episkopat und die Ignatianischen Briefe« (Theolog. Quartalschrift 1879); »Zur altesten Geschichte des Primates in der Kirche« (Theolog. Quartalschrift 1880); »Ursprung des ersten Clemensbriefes und des Hirten des Hermas« (Theolog. Quartalschrift 1882); »Der Hirt des Hermas, nach Ursprung und Inhalt untersucht« (Freiburg i. Br. 1882); »Der erste Brief des Clemens von Rom an die Korinther und seine geschichtliche Bedeutung« (Freiburg i. Br. 1883); »Uber die Echtheit der Martyrakten des hi. Ignatius* (Theolog. Quartalschrift 1884); »Die Clemensromane und der Primat der

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog-. 8. Bd. 1 1

1 94 BrUll. Oswald.

romischen Kirche« (Theolog. Quartalschrift 1891). Ferner verfafite er eine in einer Reihe von Auflagen vorliegende »Bibelkunde fur hohere Lehranstalten und Lehrerseminare sowie zum Selbstunterrichte« (zuerst Freiburg i. Br. 1877 unter dem Titel »Bibelkunde fur Praparandenanstalten und Lehrerseminare*; 8. Aufl. 1902) und ein »Lehrbuch der heiligen Geschichte, zunachst fiir die oberen Klassen hoherer Lehranstalten« (Freiburg i. Br. 1884). Seit seiner Wirksamkeit in M.-Gladbach arbeitete er sich eifrig in das Studium der sozialen Frage ein und war auch literarisch auf diesem Gebiete tatig durch Artikel in Zeitschriften, sowie im Staatslexikon der Gorres-Gesellschaft und im Jenaer Handworterbuch der Staatswissenschaften. Den letzten Jahren gehoren einige Beitrage zur Erklarung der Leidensgeschichte Jesu Christi an: »Jesus vor Annas« (Katholik 1899, I); »Die sieben letzten Worte Jesu* (Katholik 1900, I); »Die Ergreifung und (Jberlieferung Jesu an Pilatus* (Theolog. Quartalschrift 1901). Aus seinem Nachlasse wurde das treffliche, die Grundgedanken der Apologetik der Kirche in gemeinverstandlicher Weise zusammenfassende Schriftchen veroffentlicht: »Die wahre Kirche Christie (Freiburg i. Br. 1903).

Vgl. »Kolnische Volkszeitung« 1903, Nr. 639 vom 31. Juli. »Echo der Gegenwartc (Aachen), Nr. 524 vom 26. Juli. »Literar. Handweiser« 1903, Nr. 779, Sp. ill f.

F. Lauchert.

Oswald, Heinrich, Professor der Theologie in Braunsberg, * 3. Juni 181 7 zu Dorsten in Westfalen, f 7. August 1903 zu Braunsberg. O. besuchte da* Progymnasium zu Dorsten, dann 1834 1836 das Gymnasium zu Miinster, studierte dann in Miinster Theologie und Philologie und wurde daselbst am 13. Juni 1840 zum Priester geweiht. Hierauf setzte er seine Studien noch an der Universitat Bonn fort, wurde am 15. Juli 1843 zu Miinster Lie. theoL und habilitierte sich 1845 als Privatdozent an der theologischen Fakultat in Miinster. 1846 wurde er Professor der Dogmatik an der philosophisch-theologischen Lehranstalt zu Paderborn; 1. Marz 1855 erteilte ihm die theologische Fakultat zu Miinster die theologische Doktorwurde; 1875 Professor der Dogmatik am Lyceum Hosianum in Braunsberg; papstlicher Hauspralat. O. war als Dogmatiker sehr bedeutend. Sein Lebenswerk liegt in einer Reihe von grdfieren Einzelwerken vor, in denen er im Laufe der Jahre fast die gesamte katholische Dogmatik behandelte: »Die dogmatische Lehre von den heiligen Sakramenten der katholischen Kirche« (2 Bde., Miinster 1856^; 5. Aufl. 1894); »Eschatologie, das ist die letzten Dinge dargestellt nach der Lehre der katho- lischen Kirche« (Paderborn 1868; 5. Aufl. 1893); »Die Lehre von der Heiligung, das ist Gnade, Rechtfertigung, Gnadenwahl im Sinne des katholischen Dogmas dargestellt« (Paderborn 1872; 3. Aufl. 1885); »Die Erlosung in Christo Jesu nach der Lehre der katholischen Kirche dargestellt« (2 Bde., Paderborn 1878; 2. Aufl. 1887); »Religiose Urgeschichte der Menschheit, das ist der Urstand des Menschen, der Siindenfall im Paradiese und die Erbsiinde, nach der Lehre der katholischen Kirche dargestellt« (Paderborn 1881; 2. Aufl. 1887); »Angelologie, das ist die Lehre von den guten und bosen Engeln« (Pader- born 1883; 2. Aufl. 1889); »Die Schopfungslehre im allgemeinen und in besonderer Beziehung auf den Menschen« (Paderborn 1885; 2. Aufl. 1893); »Die dogmatische Theologie, das ist die Lehre von Gott in seinem Sein und

Oswald. Gebele. Huhn.

195

Leben* (2 Bde. Paderborn 1887). Eine schon friiher erschienene »Dogmatische Mariologie« (Paderborn 1850) war wegen einiger dogmatisch unkorrekten Thesen 1856 auf den Index gekommen und vom Verfasser zuriickgezogen worden. Die friihesten Arbeiten O.s waren eine Reihe von grSfleren und kleineren exegetischen und dogmatischen Abhandlungen, die 1844 48 in dem »Katholischen Magazin fur Wissenschaft und Leben« (Miinster) erschienen. Ferner sind noch die akademischen Programme und Reden zu nennen: »De institutions theologicae via ac ration*. Oratio academka solemnise (Paderborn 1850); y>Orationes academicae tresf quibus doctrinae de S. Eucharistia aliquot loci illustrantur* (Paderborn 1855); »Das grammatische Geschlecht und seine sprachliche Bedeutung. Eine akademische GelegenheitsschrifU (Paderborn 1866); »Dt generis humani in Protoparente lapsi ad recuperandam in Christo salutem divimtus instituta praeparatione commentation (2 Teile, im Index Lectionum fiir Sommer 1876 und Winter 1882/83. Braunsberg 1876, 1882).

Vgl. E. Rafimann, Nachrichten von dem Leben und den Schriften Mtinsterl&ndischer Schriftsteller (MUnster 1866), S. 247 f.; NeueFolge (1881), S. i6of. »Literar. Handweiser« 1903, Nr. 779, Sp. 112. »Augsburger Postzeitung« 1903, Nr. 149 vom 8. Juli.

F. Lauchert.

Gebele, Eugen (Taufname Ernst), O.S.B.y Abtvon St. Stephan in Augsburg, * 10. April 1836 zu Osterbuch bei Wertingen, f 8. August 1903 zu Augsburg. G. besuchte die Gymnasien zu St. Stephan in Augsburg und zu Dillingen, absolvierte die philosophischen Studien am Lyzeum zu Augsburg, das Studium der Theologie an der Universitat Munchen und wurde am 21. Juli 1861 zum Pri ester geweiht. Hierauf wirkte er im Weltpriesterstande mehrere Jahre in der Seelsorge, zuerst als Kaplan in Langenreichen, 1862 63 in Oberdorf, seit 1863 als Stadtkaplan bei St. Max in Augsburg. 1868 trat er daselbst im Stift St. Stephan in den Benediktinerorden und legte am 6. Januar 1869 Profefi ab. 1870 promovierte er in Munchen zum Dr. phil. Von 1870 bis 1878 war er als Lehrer der Religion, Geschichte und Geographie, von 1878 bis 1889 als Professor der Geschichte und seit 1879 zugleich der Religion am Gymnasium zu St. Stephan t&tig; seit 1880 zugleich als Professor der Philosophic und Geschichte am Lyzeum. Am 11. Marz 1889 wurde er zum Abt des Stiftes gewahlt, am 28. April benediziert. Unter seiner Regierung erfolgte der An- schlufi des Klosters an die bayerische Benediktinerkongregation, deren Prases er zur Zeit seines Todes war. Schriften: »Das Leben und Wirken des Bischofs Hermann von Augsburg vom Jahre 1096 1133. Nach den Quellen bearbeitet« (Dissertation; Augsburg 1870); »Kriegfiihrung der franzdsischen Rhein- und Moselarmee in Schwaben und Bayern, zun&chst im ehemaligen Furstbistum Augsburg, im Jahre 1796* (2 Teile; Programme der kgl. kath. Studienanstalt zu St. Stephan in Augsburg fiir 1883/84 und 1885/86; Augsburg 1884 und 1886).

Vgl. »Augsburger Postzeitungc 1903, Nr. 177 vom 11. August Lindner, Die Schriftsteller des Benediktinerordens in Bayern, Bd. II (Regensburg 1880), S. 258.

F. Lauchert

Huhn, Georg Adalbert, Stadtpfarrer von hi. Geist in Munchen, * 19. April 1839 zu Orb in der DiSzese Wurzburg, f 11. August 1903 zu Aussee in Steiermark. H. absolvierte die Gymnasialstudien in Aschaffenburg, studierte dann Theologie in Wurzburg, wo er sich als Schuler von Hettinger, Hergen-

13*

I q6 Huhn. Grimmich.

rother und Denzinger ein gediegenes theologisches Wissen aneignete, und empfing am 23. April 1862 daselbst die Priesterweihe. Hierauf wirkte er zuerst zwei Jahre als Hilfspriester in Elsenfeld bei Aschaffenburg, im Sommer 1864 a's Kurprediger in Bad Kissingen, von November 1864 bis Ende 1870 als Stadtkaplan bei St. Agatha in Aschaffenburg. Am 1. Januar 187 1 wurde er Stadtpfarrprediger an der Maria-Hilf-Kirche in der Miinchener Vorstadt Au. In den Jahren 1875 188 1 gehorte er auch dem bayerischen Landtage an als Abgeordneter fur Munchen II. Am 29. Juli 1883 wurde er als Stadtpfarrer von hi. Geist in Munchen installiert; 1895 Prosynodalexaminator und erz- bischoflicher geistlicher Rat; 1899 papstlicher Hauspralat. In den ersten Jahren seiner Wirksamkeit als Pfarrer fiihrte H. die Erweiterung und Restau- rierung seiner Pfarrkirche durch; in seinen letzten Lebensjahren erfolgte unter seiner eifrigen Mitwirkung die im Interesse der Seelsorge notwendig gewordene Teilung der durch die Ausdehnung der Stadt immer mehr angewachsenen Pfarrei und der Bau der neuen Pfarrkirche St. Maximilian. H. war ein Mann von aufierordentlichen Rednergaben, einer der bedeutendsten und beliebtesten Prediger Miinchens und ein im ganzen katholischen Deutschland mit Ver- ehrung genannter Redner, der so oft nicht nur" in katholischen Vereinen und Versammlungen Miinchens und Bayerns, sondern auch auf einer Reihe der Generalversammlungen der Katholiken Deutschlands eine grofie Zuhorerschaft fur die hochsten Ideale begeisterte. Seine klar und logisch durchdachten Predigten und Reden wirkten nicht sowohl durch rhetorische Kunste, als durch ihren inneren Gehalt und durch die Macht der Uberzeugung. Unvergefi- liche Verdienste hat er sich insbesondere in den ersten siebziger Jahren urn die katholische Sache in Munchen erworben durch sein mannhaftes Auftreten in Wort und Schrift gegen die konzils- und kirchenfeindliche Bewegung. H.s literarisches Hauptwerk ist die »Geschichte des Spitales, der Kirche und der Pfarrei zum hi. Geist in Munchen « (2 Abteilungen, Munchen 189 1 93). Ferner ist zu nennen: »Robert Emmet. Eine Erzahlung aus der Geschichte Irlands« (Munchen 1874), und aus der Zahl seiner kleineren Gelegenheits- schriften und einzeln gedruckten Reden: »Eine Ministerantwort im Lichte der Wahrheit« (Freiburg i. Br. 1871); »D6llingers alte und neue Hoffnungen« (Munchen 1874); »Der Kampf in Spanien und seine Bedeutung« (Munchen 1875); »Die neuere Geschichte der Ehescheidung« (Munchen 1890); »Die St. Maxi- milianskirche in Munchen. Festschrift zur Feier der Einweihung dieser Kirche am 6. Oktober i90i« (Munchen 1901). Nach seinem Tode wurde heraus- gegeben: »Seele Christi heilige mich! 14 Predigten iiber das Gebet des hi. Ignatius« (Munchen 1904; 1. bis 3. Aufl.; mit Portrat). Wie man hort, wird die Herausgabe einer Auswahl von sonstigen Predigten und Reden H.s vorbereitet, ein Plan der freudig zu begrufien, und dessen baldige Verwirk- lichung dringfcnd zu wiinschen ist.

Vgl. P. Grafll, Pralat Adalbert Huhn, Stadtpfarrer von hi. Geist in Mttnchen (Munchen 1903; mit Portrat). »Augsburger Postzeitung« 1903, Feuilleton von Nr. 204, 205, 207 209.

F. Lauchert.

Grimmich, Virgil, O. S.B. Professor der Theologie an der deutschen Universitat in Prag, * 13. November 1861 zu Kaaden in Bohmen, f 14. August 1903 zu Prag. G. trat 1880 zu Kremsmiinster in den Benediktinerorden,

Grimmich. Schroder.

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studierte 1881 1885 Theologie an der Lehranstalt in St. Florian (Oberoster- reich) und wurde 1885 zum Priester geweiht. Nachdem er hierauf einige Zeit als Kooperator in Weifikirchen in der Seelsorge gewirkt hatte, ging er

1886 zum weiteren Studium der thomistischen Philosophic nach Rom, wo er am 13. April 1888 Dr. phiL wurde. 1888 1897 wirkte er als Professor fur christliche Philosophie und alttestamentliches Bibelstudium an der Lehranstalt in St. Florian; April 1897 wurde er aufierordentlicher Professor fur christliche Philosophie und Padagogik an der Universitat Wien; Januar 1901 ordentlicher Professor der Moral theologie an der deutschen Universitat in Prag; im Juni 1903 zum Rektor fiir das nachste Studienjahr gewahlt. Werke: »Lehrbuch der theoretischen Philosophie. Auf thomistischer Grundlage« (Freiburg i. Br. 1893); »Lehrbuch der allgemeinen Erziehungslehre. Zunachst zum Gebrauche fiir Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalten« (Wien 1898); »Der Religions- unterricht an unseren Gymnasien« (Wien und Leipzig 1903). Ferner bearbeitete G. die 10. 12. Auflage des »Handbuchs der Pastoraltheologie von Ignaz Schuch« (10. Aufl. Innsbruck 1896, n. Aufl. 1899, 12. Aufl. 1902). Erwahnt sei noch die Abhandlung: »Der Seelenbegriff in der neueren Philosophie« (in der Wiener Zeitschrift »Die Kultur«, 1. Jahrg., 1899/1900, S. 81 95, 178 201).

Vgl. »Kolnische Volkszeitung« 1903, Nr. 690 vom 17. August. Guppenberger, Bibliographic des Klerus der Dibzese Linz (Linz 1893), S. 67. >Literar. Handweiserc 1903, Nr. 780, Sp. 157. F. Lauchert.

Schrdder, (Peter) Joseph, Professor der Theologie in Miinster, * 26. April 1849 zu Beek, Pfarre Wiirm (Rheinland), f 5. September 1903 zu Elberfeld. Sch. besuchte das Gymnasium zu Neufi und studierte dann 1867 74 Philo- sophie und Theologie im Collegium Germankum zu Rom, wo er 1873 Dr.phil^ 1874 Dr. theoL wurde und am 18. Mai 1873 die Priesterweihe empfing. Da der Kulturkampf seine Anstellung in der Heimat zunachst verhinderte, iiber- nahm er die Stelle eines Professors der Philosophie am bischOflichen kleinen Seminar in St. Trond in Belgien, wo er langere Jahre tatig war; einige Zeit wirkte er dann auch als Professor am Priesterseminar in Liittich. Im Oktober

1887 wurde er Pfarrverwalter von St. Johann Baptist zu Koln, 1888 Professor an dem wiedereroffneten Priesterseminar daselbst. 1889 ging er nach Amerika als Professor der Dogmatik an der neu errichteten katholischen Universitat in Washington, in welcher Stellung er bis 1898 wirkte und sich auch um die Interessen der katholischen Deutschen daselbst sehr verdient machte. Ostern 1898 wurde er als Professor der Dogmatik an die Akademie Miinster i. W. berufen; bei deren Erhebung zur Universitat war er Rektor 1902/03. Er war auch papstlicher Hauspralat und Ehrendomherr von Liittich. Fiir Herbst 1903 hatte er einen Ruf an die neu errichtete katholisch-theologische Fakultat in Strafiburg als Professor der Pastoraltheologie angenommen, starb aber am 5. September an Lungenentziindung zu Elberfeld, wohin er sich vor der beabsichtigten tlbersiedelung zur Erholung begeben hatte. Grofiere Schriften: *Sur la tolirance de PEglise* (1879); »Der Liberalismus in der Theologie und Geschichte. Eine theologisch-historische Kritik der Kirchengeschichte des Professors Dr. F. X. Kraus« (Trier 1883); »Cfwrch and Republic* (1891).

VgL »K6lnische Volkszeitung* 1903, Nr. 749 vom 6. September. »Augsburger Postzeitung* 1903, Nr. 201 vom 10. September. >Literar. Handweiserc, Nr. 780, Sp. 157 f.

F. Lauchert.

198 von Secger.

Seeger, Hermann von, bedeutender Strafrechtslehrer, * zu Stuttgart am 18. August 1829, f zu Tubingen am 12. Juni 1903. S. stammte aus einer alten schw£bischen Familie. Sein Vater war Obertribunalprokurator in Stutt- gart, 1844 48Mitglied der wiirttembergischen Abgeordnetenkammer, 1848 52 Vorstand des VaterlSndischen Vereins, eines Vorlaufers der heutigen Deutschen Partei, ein in Rechtspflege und Politik wohlbekannter Mann. Der Sohn studierte 1847 51 in Tubingen und schlofi sich der Burschenschaft Germania an, an deren Spitze er eine Zeit lang trat und der er zeitlebens Anhanglich- keit bewahrte. 1852 machte er sein Staatsexamen als Jurist und war dann einige Jahre beim Stadtgericht und dem Kriminalamt in Stuttgart und beim Gerichtshof in Esslingen tatig. Er doktorierte in Tubingen 1854 mit der Arbeit »De rcpetitione ob turpem rem datorum cessante propter dantis turpi tudinem* , worauf er sich fur die strafrechtlichen F£cher habilitierte. 1858 wurde er aufierordentlicher, 1862 wirklicher aufierordentlicher Professor, nach dem Tode von Geib (1864) Mitglied der Juristenfakultat und ordentlicher Professor. Einen bald darauf erhaltenen Ruf nach Basel lehnte er ab. 1874/75 bekleidete er das Rektorat der Universitat und stellte sich begeistert in den Dienst der nationalen Sache wie der evangelischen Kirchengemeinde. 1875 in den Pfarr- gemeinderat gew&hlt, war er lange Zeit auch Mitglied des Didzesanausschusses und wahrend zweier Wahlperioden Stellvertreter des Abgeordneten zur Landes- synode. Solange die Tiibinger Fakultat noch Spruchkollegium war und Rechts- gutachten abzugeben hatte, konnte er als Referent auch sich praktisch juristisch bet&tigen, z. B. als Referent der Fakultat in ihrer Eigenschaft als Kassationshof fur die ehemalige freie Stadt Frankfurt am Main. Mit grofiem Eifer lag er seinen Vorlesungen ob und liebte den Verkehr mit seinen Schiilern, von denen er sehr verehrt wurde. Seine wissenschaftliche Tatigkeit war ziemlich aus- gedehnt. Es sind hier zu nennen seine Gedachtnisrede auf Prof. Dr. Anton Mayer, Tubingen 1857, seine »Abhandlungen aus dem Strafrechte«, Bd. I, Tubingen 1858 (seinem Vater Karl August Friedrich S. gewidmet), mit Er- orterungen iiber die Todesstrafe und die Notwehr, Bd. II, 1 »Cber die riick- wirkende Kraft neuer Strafgesetze«, ebd. 1862 (Karl Georg von Wachter ge- widmet); »Uber die Ausbildung der Lehre vom Versuch der Verbrechen in der Wissenschaft des Mittelalters« (Festschrift), Tubingen 1869, und »Cber das Ver- haltnis der Strafrechtspflege zum Gesetz im Zeitalter Ciceros«, ebd. 1869 (Fest- schrift fur von Wachter); »Ober den Versuch der Verbrechen nach romischem Recht«, ebd. 1879; »Die strafrechtlichen consilia Tubingensia von der Griindung der Universitat bis zum Jahre i6oo«, (aus »Beitrage zur Geschichte der Uni- versit&t Tubingen«, 1877); »Gutachten f. d. dtsch. Juristentag iiber den norddtsch. St.-G.-B.-Entwurf (in den Verhandl. IX 174 197) und Abhandlung in Golt- dammers Archiv XVIII 227 247; »Ober Zusammenflufl des einfachen und betniglichen Bankerottes« (ebd. XX 137 163); »Strafrechtspflege und Wissen- schaft in ihren wechselseitigen Beziehungen« (Gerichtssaal XXIV 107 127, 205 218); »Karl Georg von WSchter« (Unsere Zeit 1880 II, 732 740); »Die Befugnis des mit der Voruntersuchung beauftragten Amtsrichters zur Eroffnung derselben« (Gerichtssaal XXXIII 241 246); »t)ber Besteuerung der Konsutn- vereine« (Ztschr. f. freiwill. Gerichtsbarkeit und Gemeindeverwaltung XXIX); »Der Felonie-Prozefl gegen Herzog Ulrich von Wurttemberg* (in der Tiibinger Festgabe zum 25. Juni 1889); »Die Strafrechtstheorien Kants und seiner Nach-

von Seeger. Weiss. jqq

folger im Verhaltnis zu den allgemeinen GrundsStzen der kritischen Philo- sophie* (in der Festgabe fur A. F. Berner, Tubingen 1892). An der »Allg. Dtsch. Strafrechtszeitung« von v. Holtzendorff war er als Mitherausgeber be- teiligt gewesen. Geschwachte Gesundheit veranlaflte ihn, von seinem akade- mischen Lehramte zuriickzutreten (1. Oktober 1901), bei welchem AnlaQ ihm das Kommenthurkreuz II. Klasse des Friedrichsordens verliehen wurde. Nach schwerem Leiden verstarb er am 12. Juni 1903. Durch testamentarische Ver- ftigung ging seine Bibliothek in den Besitz des juristischen Seminars der Universitat Tubingen iiber. Die Ehe mit Emilie geb. Roman war kinderlos geblieben.

»Schwabischer Merkur« 1903, Nr. 268. ^Deutsche Juristen-Zeitungc 1903, S. 313. »Gerichtssaalc XXII 159, XXXIII 551. Ztschr. von v. liszt XI 216, XIII 553. KlUpfel, Lniversitat Tttbingen, 1877, S. 139. Kukula, »Allg. deutscher Hochschulen-Almanach«, Wien 1888, S. 803; Kukula >Bibliographisches Jahrbuch der deutschen Hochschulenc, Inns- bruck 1892, S. 854/855. A. Teichmann.

Weiss, Olga, Blumen- und Stillebenmalerin, * 18, September 1853 zu Miinchen, f 30. Juni 1903 ebendaselbst. Ihr Vater, Joseph Andreas W. (* 31- Juli 1 8 14 zu Freising, f 20. April 1887), war, als Landschafter und Archi- tekturmaler von 1839 52 bei Herzog Max Eugen von Leuchtenberg in Peters- burg tatig, mit dem Titel eines Hofmalers nach Miinchen zuriickgekehrt, wo er ein schflnes Haus erwarb, welches er mit kunstlerischer Laune zu einem wahren Atelierbijou ausstattete. Hier wurde die Tochter schon in fruhester Jugend mit Pinsel und Farbe so vertraut, dafi bei ihren glanzenden Anlagen kein Zweifel iiber ihren kiinftigen Beruf walten konnte. Sie ersetzte dem Vater reichlich den Verlust seines einzigen, zu den schOnsten Hoffnungen berechtigenden Sohnes, welcher im deutsch-franzOsischen Kriege 1870 auf dem Felde der Ehre blieb. Ausgestattet mit einer ungewOhnlichen Vor- bildung, besuchte Olga W. die damals begriindete Kunstgewerbeschule fur Madchen, widmete sich unter Prof. Theodor Spiess kunstgewerblichen Studien und ging dann auf Wunsch ihres Vaters bei Prof. Heinrich Stelzner zum Zeichnen nach der Antike und dem lebenden Modell, zur Stillebenmalerei in Aquarell, Tempera und 01 iiber. Infolge ihrer aufierordentlichen Fahigkeiten wurde ihr 1879 das Lehrfach fiir Blumenzeichnen und Malen an derselben Anstalt iibertragen, wobei sie ihr Talent und ihre reichen Kenntnisse zum Xutzen ihrer Schiilerinnen entfaltete, die sich in ihre Klasse drangten, welche in manchem Semester iiber 80 Elevinnen zahlte, und die sie ihrer ebenso liebens- wurdigen als auch energischen PersOnlichkeit wegen hoch verehrten und liebten. Dabei benutzte Olga W. eifrigst jeden freien Augenblick zur eigenen Forderung und Weiterbildung, zu originellen SchOpfungen von aufierst natiir- lich und geschmackvoll geordneten und virtuos, mit taufrischer Duftigkeit wiedergegebenen Blumenstiicken, insbesondere von Malven, Rosen und Trauben, welche anfangs noch in Aquarell, alsbald aber auch im Olbild zu einer Spezialitat der Kiinstlerin sich gestalteten. Dagegen ist sie mit den kostlichsten Pro- dukten ihres unversiegbaren Humors niemals, wenigstens nicht unter ihrem Namen, in die Offentlichkeit getreten. Sie liebte und handhabte die Kari- katur sowohl in einzelnen Bl&ttern wie in ganzen, von poetischen Texten begleiteten Episoden und Zyklen. Damit erfreute sie ihren intimsten Freundes-

200 Weiss, von Wahl.

kreis, immer aber in einer Weise, dafl auch der jeweilig von diesem Konfetti- regen Betroffene sicherlich zuerst in die herzlichste Heiterkeit versetzt wurde. Dieser Grundzug ihrer Kunst bildete den Hauptreiz ihres Privat- lebens und zugleich die Gegenwirkung zu einem schweren Leiden, welches anfanglich arglos, dann aber unverkennbar und von der Kiinstlerin vollstandig mit bewufiter Folgerung erkannt, die letzten zwanzig Jahre ihres Lebens immer drohender begleitete. Olga W. war eine seltene Natur: hochbegabt und bescheiden, often und wahr, von unermiidlichem Pflichteifer und goldener Freundestreue, eine echte Kiinstlerin, die verdientermafien von ihren Schiile- rinnen enthusiastische Verehrung genofi. Eine sch6ne Seele im reinsten Sinne des Wortes. Ihr zahlreicher artistischer Nachlafi fiillte mit 60 Bildern, Studien und Skizzen den grOfiten Saal des Kunstvereins, die an einem Tage verkauft waren. Die Exposition im Glaspalast 1903 zeigte nur ein Blatt mit etlichen Herbstzeitlosen, aber auch dieses voll Wahrheit und Eleganz. Darunter hing der wohlverdiente Lorbeerkranz.

Vgl. Kunstvereins-Bericht f. 1903 S. 73 ff. (C v. B.). Nr, 304 »Xeueste Nachrichtenc 3. Juli 1903. Hyac. Holland.

Wahl, Alexander von, Bildhauer und Maler, * 22. Dezember 1839 zu Affick in Livland, f 2. Dezember 1903 in Munchen. Nach Absolvierung des Gymnasiums ging W. an die Petersburger Akademie, um sich bei dem durch seinen »Pferdebandiger« an der Newabriicke und die Gruppen vor dem Ber- liner Schlofl bekannten Peter Clodt, Baron von Jiirgensburg (f 1867), zum Plastiker zu bilden. Nach griindlichen Vorstudien iibersiedelte W. nach Munchen zu Professor von Widnmann, wo er (1866) eine Statue des geblen- deten »Polyphem« modellierte, wie der wiitende Zyklop den gewaltigen Stein- wurf dem kiihnen Stadteverwuster Odysseus nachsendet. Auf diese mit der grofien silbemen Medaille gekrSnte Arbeit folgte 1866 die Grupppe eines gegen zwei heidnische Esten kampfenden Deutschherren-Ordensritters, eine charaktervolle, von grofier technischer Gewandtheit zeugende und deshalb gleichfalls pramiierte Leistung. Nach wiederholten Reisen in Deutschland, Italien und Griechenland liefl er sich bleibend in Munchen nieder, wo er die lebensgroflen Figuren eines tanzenden Faun und einer Bacchantin mo- dellierte und sein kiihnstes Werk vollendete: die von einem Tiger bedrohte Nomadenfamilie: Vergebens, dafl der alle Krafte anspannende Mann sein mutiges Weib und das zagende Kind zu verteidigen trachtet ihr Leben ist doch »Rettungslos verloren!« Der Aufbau der nach alien Seiten mit stupenden Studien durchgebildeten, mit packender Wahrheit in den feinsten Linien harmonisch gearbeiteten Gruppe ergab eine bewundernswerte SchOpfung, welche 1879 au* der internationalen Ausstellung ausgezeichnet, leider immer vergeblich einer Bestellung oder Ausfiihrung in Stein oder Bronzegufl harrte. Gleichzeitig entstanden mehrere exzellente Marmorbiisten , z. B. der kunst- sinnigen Baronin von Moltke (f 1878) und ihrer Schwester, der feinfuhligen Malerin Alexandra von Berckholtz (f 1899). Dann aber wendete W. sich zur Kabinetsplastik und schuf kleine, kaum 40 cm hohe Charaktertypen von est- landischen Bauern, oder lieber noch jene in ihrer feinen Detaildurchbildung an Horschelts Zeichnungen erinnernde Tscherkessenkrieger und -streiter, voll tiefer Empfindung, grofier Wahrheit und SchOnheit Diese lauernden Berg-

von Wahl. Budaker. 201

jager und zielsicheren Schiitzen, diese steinschleudemden Tartaren gelangen ihm mit virtuoser Treue. Auch modellierte W. eine ganze Reihe von ent- ziickenden kleinen Tierbildern: komische Katzen, Hasen und Affen, eine Entenfamilie, possierliche Eichkatzchen, dazwischen alle Rassen Pferde, B&ren und Eulen, aber auch estnische Bettler und Slovaken, Charaktertypen aus der franzosischen Revolution, Eber, Ziegen, Indianerjager und berittene Rot- haute, welche in Bronze und anderen Abgiissen weite Verbreitung fanden. PlGtzlich verliefi er die Plastik und warf sich ganz auf die Malerei, trat sogar bei W. von Diez in die Schule und erschien mit einem 6fter variierten, am Sterbebette der einzigen Tochter seine verborgenen Schatze jetzt nutzlos aus- kramenden »Geizhals« als gewiegter Genremaler. Ebenso griff er auf seine fruheren Tscherkessen, Kaukasier und Kosaken zuriick, mit ihren malerischen Trachten, k6stlichen Waffen und struppigen Rossen. Ein paar kleine emi- nente Olbilder dieser Art erwarb Prinzregent Luitpold. Auch an heiteres Genre wagte sich der immer ernsthafte Mann, z. B. mit einem »Unerwarteten Quartett«, bei welchem ein unmusikalischer Spitz pldtzlich in ein Dilettanten- Trio heulend einfallt. Endlich entsagte der durch Krankheit vielfach ver- hinderte und verstimmte Kunstler auch der Palette und genoB der wohlver- dienten Ruhe im Kreise seiner zahlreichen, hochbegabten Kinder.

Vgl. »Ober Land und Meer« 1885, 55. Bd. S. 104 (Im Griinen bei Tiflis); Nr. 2239 »Illustr. Ztg.c Leipzig, 29. Mai 1886 (Zu spat) und »Kun$t ftir Alle« 1887, II, 238 (Der Geizhals); »Cber Land und Meer« 1887, 58. Bd. S. 688 (Kosaken-KUnste) ; Fr. v. BOtticher, 1901, III, 966. Nekrolog in Nr. 336 »Allg. Ztg.c, 4. Dezember 1903.

Hyac. Holland.

Budaker, Georg Gottlieb, Schulmann und Pfarrer, *am 1. Mai 1825 in Bistritz in Siebenbiirgen, f ebenda am 21. Juni 1903. Friihzeitig verlor B. den Vater und wurde mit drei Schwestern von seiner umsichtigen Mutter erzogen. Nachdem er die vierte Klasse des evangelischen Gymnasiums seiner Vaterstadt absolviert hatte, kam er auf die Wiener-Neustadter Militar-Akademie (1839). Aber schon nach zwei Jahren verliefi er diese Anstalt, da er ihren militarischen Zwang nicht zu ertragen vermochte und kehrte in die Heimat zuriick. Hier besuchte er nun das Obergymnasium und legte 1844 die Maturitatsprufung ab. Zwei Monate darauf begab er sich an die Universitat nach Leipzig, um Theologie zu studieren, doch besuchte er auch mathema- tische und geschichtliche Vorlesungen. Aufierhalb der Universitat verkehrte er mit Robert Blum und dem Literaten Seibt, mit Zarncke und R. Heinze. Gegen seinen Wunsch mufite B. Leipzig schon nach zwei Semestern ver- lassen, da er an einer Demonstration der Protestanten und Liberalen gegen den damaligen Kronprinzen Johann, der zur Besichtigung der Kommunalgarde nach Leigzig gekommen war, tatigen Anteil genommen. Angezogen von der deutsch-katholischen Bewegung ging er hierauf nach Breslau und vollendete hier seine Hochschulstudien. Im Jahre 1847 kehrte er nach Bistritz zuriick und wurde fur kurze Zeit Lehrer an der dortigen M£dchenschule. Auch an der neuerrichteten Biirgerschule, an die B. iibersetzt wurde, war seine T&tig- keit nur von kurzer Dauer. Nachdem er vor dem Domestikalkonsistorium seine Dissertation iiber den Atheismus verteidigt hatte, wurde er an das Gym- nasium seiner Vaterstadt berufen. An den Sturmen des Jahres 1848/49 hat B. seinen selbstverstandlichen Anteil gehabt, indem er die Waffen fur den

202 Budaker.

Kaiser und sein eigenes Volkstum ergriff und als Hauptmann der zweiten Bistritzer Biirgerwehrkompagnie einen Teil des Burgerkrieges mitmachte. Der zuriickgekehrte Friede fand B. wieder als Lehrer am Gymnasium. Durch sein organisatorisches wie durch sein Lehrertalent lenkte er die Auf- merksamkeit der maflgebenden Kreise derart auf sich, dafl er, nur 28 Jahre alt, am 20. Juni 1853, mit der Leitung des Gymnasiums betraut wurde. Mehr als neun Jahre hat B. diese Stelle bekleidet. Es war eine schaffens- freudige Zeit, denn in ihr erfolgte auch in Bistritz die Einfiihrung des oster- reichischen Organisationsentwurfes fur die Gymnasien, der einen Markstein und zugleich grofien Fortschritt der s&chsischen Gymnasien in Siebenbiirgen bedeutet. B.s Verdienst ist es, wenn das Bistritzer Gymnasium bald mit den Schwesteranstalten der evangelischen Landeskirche Siebenbiirgens wetteifem durfte. An den Arbeiten seiner Kirche nahm B. schon seit dem Jahre i860 unmittelbaren Anteil. In diesem Jahre berief namlich die Regierung iiber Anregung des evangelischen Oberkonsistoriums auf den 1. August Vertrauens- manner nach Hermannstadt, darunter auch B., damit diese ihre persdnlichen Uberzeugungen und Ratschl&ge beziiglich der »Provisorischen Vorschrift fur Vertretung und Verwaltung der evangelischen Kirche in Siebenbiirgen* darlegten. Nach eingehenden Beratungen geschah dieses in einer Denkschrift, die die Grundlage fur die von der Regierung herausgegebenen »Provisorischen Bestim- mungen« abgegeben hat, auf Grund deren 1861 die Landeskirchenversammlung zusammentrat, um im autonomen Wirkungskreis der Kirche eine Verfassung zu geben. Von dieser Zeit an ist B. unermudlich im Dienste seiner Landes- kirche gestanden. Schon 1865 berief ihn die Landeskirchenversammlung in die oberste Kirchen- und Schulbehdrde, in das Landeskonsistorium, und er- neuerte diese Berufung immer wieder, so dafi B. bis an das Ende seines Lebens dieser Behorde, und zwar als geistliches Mitglied, angehort hat. Schon im Dezember 1862 namlich war B. als Pfarrer in den Dienst der evangelischen Gemeinde in Lechnitz getreten. Als solcher, wie spater (seit 1875) als Pfarrer von Bistritz, hat er sich mit seinen besten Kr£ften bemuht, das religidse Leben in den seiner seelsorgerischen Leitung anvertrauten Gemeinden zu hegen und zu pflegen, nicht allein nur aus dem Grunde, weil er dies zu tun fur seine Pflicht hielt, sondern auch deswegen, weil er die Uberzeugung hatte, dafl dem Verfalle des Volkslebens meistens der Verfall des religiSsen Lebens voraus- geht, dafl mit dem Abgang, mit dem Entschwinden der religiftsen Uber- zeugung das Leben selbst firmer, kalter und idealloser wird.

Geradezu zum lebendigen Mittelpunkte des kirchlichen Lebens im Nftsner- gau wurde B., als ihm im Jahre 1882 das Dechanat des Bistritzer Kirchen- bezirkes iibertragen wurde. Vierzehn Jahre hindurch hat er dieses ehrenvolle Amt bekleidet und es erst dann niedergelegt, als er es fur geboten hielt, sich wenigstens teilweise zu entlasten. Denn grofl war die Last, die auf B.s Schultern lag. Jahrzehnte hindurch ist er namlich auch der politische Fuhrer seiner engeren Volksgenossen gewesen. Schon 1863 war er vom Bistritzer Landwahlkreis als Abgeordneter in den Hermannstfidter Landtag entsendet worden, wo er sich als schlagfertiger Redner bewfihrte; 1870 wurde er von demselben Wahlkreis in die sachsische Universitat gewfihlt. Er hat bis zu seinem Tode dieser KOrperschaft als eines seiner bewahrtesten Mitglieder angehOrt.

Budaker. Neumann.

203

Doch auch damit war die Tatkraft B.s keineswegs erschopft. So ist er u. a. alien volkswirtschaftlichen Unternehmungen des sachsischen Volkes von jeher nahe gestanden. Noch als Stadtpfarrer von Bistritz iibentahm er die Mission durch eine gewerbliche Studienreise in die Bukowina und Moldau zur Hebung des Gewerbes und des Handels seiner Vaterstadt beizutragen. In seinem Berichte iiber diese Studienreise (Hermannstadt, in Kommission bei Franz Michaelis 1882) zeigt er sich als scharfer Beobachter und tiichtiger Kenner der Siebenburger Verhaltnisse. Literarisch ist B. ausser hier und der gelegentlichen Mitarbeit an der Tagespresse weniger hervorgetreten. Die be- deutendste Leistung B.s auf schriftstellerischem Gebiete ist die im Bistritzer Gymnasialprogramm im Jahre 1855 veroffentlichte historische Arbeit: Die Erbgrafschaft von Bistritz, die auch heute noch lesenswert ist. Ein giitiges Geschick hat es B. vergonnt bis zum letzten Tage seines Lebens fiir sein Volk zu wirken. Noch am Vortage seines Hinscheidens namlich hatte er als Schulinspektor an den offentlichen Priifungen des evangelischen Gymnasiums in Bistritz mit gewohnter Ausdauer teilgenommen. Am Morgen des zweiten Prufungstages traf ihn ein Schlagfluss, der schon abends seinen Tod zur Folge hatte.

Vgl. D. Fr. Teutsch, Denkrede auf Gottlieb Budaker und Heinrich Wittstock. »Archiv des Vereins flir SiebenbUrgische Landeskunde«. N. F. XXXII. Bd., 207 ff. Dr. Fr. Schuller, •Schriftstellerlexikon der SiebenbUrger Deutschen«. IV. Bd. Hermannstadt, Druck und Ver- lag von W.Krafft, 1902. F. Schuller.

Neumann, Friedrich Emil, Akademieprofessor und Landschaftsmaler, * 7. Juli 1842 zu Pojerstiten (Kr. Fischhausen), f 4. Januar 1903 zu Cassel. Einem kleinen Dftrfchen des ostpreufiischen Samlandes entstammend, kam N. friih nach Konigsberg, wo er das Seminar und die Malerakademie besuchte. Er bestand das Examen als Elementar- und Zeichenlehrer, sowie das all- gemeine Organistenexamen, worauf er 1865 eine Elementarlehrerstelle am Friedrichs-Kollegium zu Konigsberg erhielt. Wahrend dieser Zeit konnte er seine Studien an der dortigen Kunstakademie weiter fortsetzen, bis er 1867 als Zeichenlehrer an die hShere Biirgerschule zu Wriezen a. O. berufen wurde. Im Herbst 1870 vertauschte er diese Stelle mit einer gleichen an der hoheren Biirgerschule zu Cassel. Sein hervorragendes zeichnerisches Talent veranlaBte ihn nach neun Jahren seine bisherige Laufbahn aufzugeben und sich aus- schlieBlich der Kunst zu widmen. Er studierte weiter an der Casseler Kunst- akademie, bis er im Jahre 1884 als Lehrer der Landschaftsklasse desselben Instituts angestellt wurde. In dieser Stellung hat er iiber zwanzig Jahre bis zu seinem Tode gewirkt. 1890 erhielt er den Professortitel. N. war ein aufierordentlich fleifiiger Maler und Lehrer, der einen groflen Schiilerkreis um sich versammelte. Auf groflen Studienreisen nach Norwegen, Schottland und Korsika, die er teilweise in Gesellschaft des kunstsinnigen Kasseler In- tendanten Barons v. Gilsa unternahm, sammelte er das Material fiir seine Landschaften, die von dem kunstliebenden Publikum mehr und mehr geschatzt wurden. Besonders seine Marinestiicke, von denen eins von der Casseler Galerie erworben wurde, sowie seine Hochgebirgslandschaften fanden vielenBei- fall. Aber auch seine liebevoll und fein ausgefiihrten Darstellungen aus der land- schaftlich so reizvollen Umgegend Cassels, seine kleinen pittoresken hessischen

204 Neumann. Zottmayr. Mtthl.

Dorfbilder verdienen wegen der gliicklichen Wahl der Motive, der trefflichen Ausfiihrung und geschickten Farbengebung das Lob derer, die nicht allein auf die moderne Malweise sezessionistischer Landschaftler eingeschworen sind. N. war eine liebenswiirdige Pers6nlichkeit, die sich auch aufierhalb seines grofien Schulerkreises allgemeiner Beliebtheit erfreute. In den letzten Jahren seines Lebens fing er, der als leidenschaftlicher Naturfreund und Jagdlieb- haber sich bisher der besten Gesundheit erfreut hatte, an zu kr&nkeln und starb nach langem schweren Leiden an einem Gehirnschlag.

Vgl. >Das geistige Deutschland am Ende des 19. Jahrhundertsc I, 484. C Acker- mann, Statist. Riickschau auf 100 Semester der Realschule zu Cassel (1893) 22. CasseL Tageblatt und Anzeiger vom 5. Januar 1903. Familiennachricbten. Ph. Losch.

Zottmayr, Nina, geb. Hartmann, Opernsangerin, * 30. August 1836 zu Aachen, f 24. Februar 1903 zu Kassel (die Angabe in Eisenbergs Biihnen- Lexikon f 4. Okt. 1890 ist irrig). N. Z. war die Tochter des Musikdirektors Franz Hartmann, der sp&ter als Konzertmeister in C6ln wirkte. Am dortigen Konservatorium empfing sie ihren ersten Musikunterricht und war speziell die Schulerin des KammersSngers Ernst Koch. Sie begann ihre Biihnenlauf- bahn in Graz, wohin sie nach einem kurzen Engagement in Frankfurt spater noch einmal zuriickkehrte. Am 30. Juni 1861 wurde sie in Munchen die Gattin des Tenoristen Max Zottmayr, der seitdem Jahre 1868 als ungemein beliebter Heldentenor am Casseler Hoftheater tatig war. Ein Jahr sp&ter folgte sie ihrem Gatten an dieselbe Biihne, auf der sie am 6. Juni 1869 als »Fides« im Propheten zum ersten Male auftrat. Dem Casseler Hoftheater gehorte sie dann von 1869 bis 1882 ununterbrochen an als eins der hervorragendsten Mitglieder des dortigen Opernensembles. Die Z. war eine mit bedeutenden Stimmitteln begabte und kunstlerisch trefflich ausgebildete Altistin, die in ihre Rollen stets einen grofien Zug zu legen wufite. Ihre Hauptrollen waren die »Selica« in der Afrikanerin, »Amneris« in A'ida, »Orpheus«, »Ortrud« u. a. Als eine ihrer Glanzleistungen gait die »Fides« im Propheten, wobei ihr das treffliche Zusammenspiel mit ihrem Gatten, der den »Johann von Leyden« sang, zu statten kam. In voller Riistigkeit verliefi die S&ngerin im Jahre 1882 die Biihne, um sich von da an dem Gesangsunterricht zu widmen, in dem sie gleichfalls treffliche Erfolge aufzuweisen hatte. Zu ihren Schiilerinnen zahlt u. a. die bekannte Altistin Luise Geller-Wolter, auch der namentlich in Amerika so gefeierte Tenorist Andreas Dippel ist aus ihrer Schule hervor- gegangen.

Familiennachrichten. » Casseler Tageblatt* vom 25. Febraar 1903.

Ph. Losch.

MShl, Heinrich, Meteorologe und Geologe, * 31. Dezember 1832 zu Rauschenberg, + 14. Oktober 1903 zu Cassel. Von seinem Geburtsort, dem kleinen Stadtchen Rauschenberg in Oberhessen, wo sein Vater Ludwig M. als Lehrer und Kantor wirkte, kam M. schon in seiner Jugend nach Cassel auf die polytechnische Schule, die wegen ihrer vortrefflichen Lehrkr&fte einen weiten wohlverdienten Ruf besafi. Von 1851 53 besuchte er sodann die UniversitSt Marburg, um Mathematik und Naturwissenschaften zu studieren. Nachdem er sein Staatsexamen bestanden hatte, war er eine kurze Zeit als Hilfsgeologe an der kurhessischen geologischen Landesanstalt und dann 1854 als Prakti-

JVIdhl. von Petersdorff.

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kant an der Casseler Polytechnischen Schule t£tig, bis er im folgenden Jahre von der Regierung an die neubegrundete Realschule zu Hofgeismar versetzt wurde. Wahrend seiner dortigen Tatigkeit als erster Lehrer der Anstalt erteilte M. zugleich Unterricht an den Handwerksschulen zu Hofgeismar und Greben- stein, sowie an der Landwirtschaftsschule zu Beberbeck, wo er neben der Mathematik auch Vermessungskunde, Nivellieren und Bonitieren lehrte. 186 1 siedelte M. wieder nach Cassel iiber und wurde im folgenden Jahre zum beauftragten Lehrer der dortigen Realschule ernannt. Auf Vorschlag der philosophischen Fakult&t der Universitat Marburg, die ihn 1862 zum Dr.phil. promoviert hatte, wurde er im Sommer, 1865 an die Polytechnische Schule zu Cassel versetzt, deren Lehrkdrper er bis zu ihrer Aufhebung im Jahre 1888 angeh6rte. Seine Lehrfacher waren . besonders Technologie, Geognosie und Mathematik. M. war schon friih schriftstellerisch tatig. In seiner Hofgeis- marer Zeit hatte er ein Lehrbuch der Arithmetik verfaflt. Dann wandte er sich besonders der geognostischen Erforschung seines Heimatlandes zu, der er mehrere Monographien und zahlreiche kleinere AufsStze gewidmet hat. Wir nennen nur »Urgeschichte des kurhessischen Landes« (1863), »Kurhessens Boden und Bewohner« (1865), »Gesteine der Sababurg in Hessen« (1872), und »Entstehung und Formung der Casseler Gegend« (1878). Auch iiber die > Basal te und Phonolythe Sachsens« veroffentlichte er 1874 eine umfangreiche Arbeit. Auf Anregung H. W. Doves beschaftigte sich M. auch mit meteoro- logischen Untersuchungen. Er errichtete mehrere meteorologische Stationen in Kurhessen und berichtete seit 1863 regelm&fiig in der Landwirtschaftlichen Zeitung bezw. in den Jahresberichten des Vereins fur Naturkunde zu Cassel iiber die kurhessischen Witterungsverhaltnisse. Als Leiter der von ihm be- griindeten Casseler Beobachtungsstation, der er bis zu seinem Tode vorstand, war M. in Cassel eine populare Personlichkeit. Er war langere Zeit Vor- sitzender des Vereins fiir Naturkunde und des Gartenbauvereins und seine zahlreichen fiir ein grGfieres Publikum bestimmten wissenschaftlichen Vortrage, die er in diesen und anderen Vereinen hielt, erfreuten sich grofler Beliebtheit. M.s Schriften sind, abgesehen von den obenangefiihrten, zum grofien Teil in Zeitschriften zerstreut. Von seinen sonstigen Werken sei noch die »Wandkarte von Hessen« in neun Blattern (1867), ein »Topogr.-geognost. Plan von Cassel« (1878), sowie der »Illustr. Fiihrer durch Wilhelmshohe« (1883) erwahnt. Dafi der vielseitige Gelehrte auch ein gewandter Landschaftszeichner war, beweisen mehrere Ansichten von Beberbeck und Hofgeismar, die er in seinen Jugend- jahren in Lithographie veroffentlichte.

Vgl. Ackermann, Statist. RUckschau auf 100 Semester der Realschule zu Cassel (1893) S. 21. Poggendorff, Biogr.-lit. Handwttrterbuch 3, 923. Vortrag von Hessler im Verein ftir Erdkunde zu Cassel. »Cassel. Tagebl.« v. 24. Dezember 1903. »Hessenland« 17, 305.

Ph. Losch.

Petersdorff, Ernst von, Generalleutnant, * 22. August 1841 zu Friedeberg in der Neumark, f 25. Februar 1903 in Berlin. i860 trat P. als Sekonde- leutnant aus dem Kadettenkorps in das 1. Garderegiment zu Fufi iiber und nahm nach einem dreijahrigen Kommando an der Unteroffizierschule Potsdam von 1863 1866, in letzterem Jahre an dem Kriege gegen Osterreich teil. In der Schlacht bei K6niggratz schwer verwundet, riickte P. 1866 zum Premier-

2o6 von Petersdorff. Hasse.

leutnant auf, besuchte von 1867 bis Juli 1870 die Kriegsakademie und ver- blieb bei Ausbruch des deutsch-franzosischen Krieges zunachst beim Ersatz- bataillon seines Regiments. Im August zum Adjutanten beim Gouvernement der Festung Mainz und zum Hauptmann in diesem Verhaltnis befordert, trat er 187 1 zum Regiment zuriick und hatte als Chef der 6. Kompagnie die ehrenvolle Aufgabe, unseres jetzigen regierenden Kaisers Majestat in alien Zweigen des Dienstes zu unterweisen. 1878 zum Kommandeur der Unter- offizierschule Potsdam berufen, stieg P. in dieser Stellung am 18. Oktober 1879 zum Major auf, trat 1882 alsBataillonskommandeurzum Regiment zuriick, wurde 1884 Fliigeladjutant Kaiser Wilhelms des Grofien und 1885 zum Oberstleut- nant befordert. Als solcher erhielt er 1888 das Kommando der Schlofigarde- Kompagnie, wurde in demselben Jahre Mitglied der General-Ordenskommission, trat nach dem Ableben Kaiser Wilhelms I. als Fliigeladjutant zu Kaiser Fried- rich III. iiber und erhielt 1888 ein Kommando zur Dienstleistung beim 2. Garderegiment zu Fufi, dessen Fiihrung er nach einigen Wochen iibernahm, bis er am 9. Juli von dem Kommando zur General-Ordenskommission ent- hoben, am 4. August zum Oberst und Kommandeur jenes Truppenteils avan- cierte. Weiterhin wurde P. in der Rangliste als Fliigeladjutant weiland Kaiser Wilhelms I. weitergefiihrt und 1890 mit der Fiihrung der 9. Infanterie- brigade betraut, an deren Spitze er, zum Generalmajor aufgeriickt, endgiiltig am 15. Dezember gestellt wurde. 1894 erhielt P. unter Beforderung zum Generalleutnant die 1. Division, deren Kommando er 1895 mit demjenigen der 17. Division vertauschte, bis er 1897 den erbetenen Abschied erhielt. Nach den Akten. Lorenzen.

Hasse, Wilhelm, Oberst, * 12. Marz 1830 zu Minden in Westfalen, f 5. Februar 1903 zu Berlin. Von seinem Dienstantritt im Jahre 1847 bis zum 22. Juni 1878 stand H. fast ununterbrochen im jetzigen 1. westfalischen Feldartillerieregiment Nr. 7. Im Feldzuge von 1870/71 in Frankreich zeich- nete er sich in der Schlacht bei Gravelotte ganz besonders aus und hat sich und seiner Batterie einen unverganglichen Namen in der Geschichte der deutschen Artillerie erworben. Mit seiner Batterie in eine Stellung, die Front gegen die Ferine Moscou, vorgezogen, prasselte hier ein unaufhorliches Ge- wehr- und Mitrailleusenfeuer aus den von den Franzosen besetzten Schutzen- graben von Point du jour in die rechte Flanke der Batterie. Alle Offiziere verloren die Pferde unter dem Leibe; mit jedem Augenblick stiirzten Mann- schaften und Pferde zusammen. Zwei seiner Offiziere waren sogleich schwer verwundet; er selbst erhielt am rechten Unterarm einen Streifschufi, wodurch er gezwungen wurde, einen Augenblick das Kommando an den noch unver- wundeten Sekondeleutnant Hoeckner abzugeben. Doch gelang es der Batterie, das Feuer zu eroffnen, und offenbar war die Wirkung sehr gut. Mehrfach wurden die Versuche franzosischer Batterien, bei Moscou-Ferme Stellung zu nehmen, vereitelt. Der erste Zug der Batterie beschofl auf Befehl H.s die Schiitzengraben von Moscou auf 900 Schritt, der zweite und dritte Zug rich- teten ihr Feuer auf Moscou und Umgebung auf 11 00 Schritt. Hinter dem Gehofte standen dichte feindliche Kolonnen. Die Verluste der Batterie wuchsen von Minute zu Minute. Nach Ablauf von i'/i Stunden lag ein grofier Teil der Mannschaft teils tot, teils verwundet am Boden; die gefechts-

Hasse. von Heuser.

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fahigen Leute reichten nur noch zur Bedienung eines Geschiitzes aus. Auch die Munition ging zu Ende; Ersatz war nicht zur Hand, da die Munitions- wagen durch die auf der Strafle eingetretene Truppenansammlung aufgehalten waren.

In der Artillerielinie bei Gravelotte blieb die verzweifelte Lage der Batterie nicht unbemerkt. Der Kommandeur der Artillerie der I. Armee, Generalleutnant Schwarz, sandte ihr mehrmals Befehl, die gefahrvolle Stellung zu raumen. Allein schon war Hauptmann H. nicht mehr in der Lage, Be- wegungen vornehmen zu kSnnen, da 73 Pferde (einschl. 4 Offizierspferde) durch feindliche Geschosse getStet waren. Durchdrungen von der Wichtigkeit seiner Stellung fiir die Festhaltung des miihsam erk&mpften Bodens auf dem Ostrande des Mancetales erklarte zudem H., lieber sterben als zuriickgehen zu wollen. Das Feuer wurde fortgesetzt, bis die ganze Munition verschossen war. Da brachte der Abteilungskommandeur (Major Coester) persSnlich die zur Bespannung n6tigen Zugpferde heran und erteilte nochmals der Batterie den Befehl zum Zuriickgehen. Wahrend die Bespannung erganzt wurde, uberschiittete der Feind die nun g&nzlich wehrlose Truppe von neuem mit einem Kugelregen, in welchem vielfach die erst frisch eingestellten Pferde fielen. Endlich gelang es, die Geschutze bewegungsfahig zu machen. Im Schritt verliefl die heldenmiitige Batterie den ruhmvoll behaupteten Posten. Die von Kugeln durchlOcherten Protzen waren mit Schwerverwundeten be- laden ; Fahrer und Reiter waren abgesessen. Von dem Massenfeuer der Fran- zosen verfolgt, ging die Batterie auf der Chaussee nach Gravelotte zuriick. Mit schrecklich gelichteten Reihen, aber in ungebrochener moralischer Kraft erreichte die Batterie Gravelotte. Lauter Jubel empfing sie dort; bewegt kufite General Schwarz Hauptmann H. vor der Front. Der Riickzug der Batterie H. war im wahren Sinne des Wortes zu einem Triumphzug ge- worden.

Hauptmann H. riickte nach dem Feldzuge zum Major auf und wurde Abteilungskommandeur im Regiment. 1878 schied er aus dieser Stellung aus und iibernahm das Kommando des 8. Trainbataillons; 1882 trat er, in- zwischen zum Oberstleutnant bef6rdert, aus dem aktiven Dienst aus. Das Eiseme Kreuz 2. und 1. Klasse schmuckten seine Brust.

Nach den Aktcn und der Regimentsgeschichte. Lorenzen.

Heuser, Alexander von, Pascha, Kbniglich Preufiischer Major a. D. und Kaiserlich Ottomanischer Divisionsgeneral, * 12. August 1839 zu Schwedt a. O., t 11. November 1903 zu Konstantinopel. H. kam 1857 als charakterisierter Portepeefahnrich aus dem Kadettenkorps zum 6. Kiirassier- Regiment Kaiser NikolausL von Rufiland, wurde 1858 Sekondeleutnant und 1862 zum damaligen Militar-Reitinstitut in Schwedt a. O. kommandiert. 1864 im Feldzuge gegen D&nemark in Schleswig erhielt H. fiir die von ihm vor dem Feinde bewie- sene Tapferkeit den roten Adlerorden IV. Klasse mit Schwertern, zeichnete sich im Kriege gegen Osterreich in der Schlacht bei Koniggratz aus, wurde dem- n&chst zum Premierleutnant befordert und auf zwei Jahre zur Militir-Reit- schule in Hannover kommandiert. Den Feldzug von 1870/71 in Frankreich machte H. als Rittmeister und Chef der 4. Eskadron seines Regiments mit,

2q8 von Heuser. Goldschmidt von Lindhamer. Mootz.

stieg 1879, unter Beibehaltung der Eskadron, zum Major auf und nahm 1880 den Abschied, urn in tlirkische Dienste zu treten. Hier erklomm er rasch die Stufenleiter der militarischen Hierarchie bis zum Divisionsgeneral und erlag nach reger Tatigkeit einem langwierigen Leiden.

Nach »Milit&r-Zeitung«. Lorenzen.

Goldschmidt, Albert, KSniglich Preufiischer Musik-Direktor und Leutnant a. D., * 16. September 1823, fn. November 1903 zu Liegnitz. Bei einer Gesamtdienstzeit von iiber 55 Jahren, gehOrte G. 49 Jahre, und zwar von 1849 1896 dem Grenadier-Regiment K6nig Wilhelm I. (2. Westpreuflisches) Nr. 7 an, mit welchem Truppenteil er dieFeldziige von 1866 gegen Osterreich und 1870/71 gegen Frankreich in alien Ehren mitmachte. Seine Dienstzeit hatte G. 1843 beim Musikkorps des 31. Infanterie-Regiments begonnen und war 1848 in dasjenige des 26. Infanterie-Regiments iibergetreten ; 1849 kam er in das damalige 7. Infanterie-Regiment.

Nach »Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Lindhamer, Karl Ritter von, K6niglich Bayerischer Generalleutnant z. D., * 19. August 1828 zu Miinchen, f 21. Januar 1903 ebenda. 1848 zum Infanterie- leutnant befordert, diente er lange Jahre im 2. Regiment, wo er 1859 zum Oberleutnant und 1866 zum Hauptmann aufstieg. Als solcher nahm er an dem ungliicklichen Kriege gegen Preuflen teil und wurde nach dem Friedensschlufl in den General-Quartiermeisterstab berufen. Im Kriege von 1870/7 1 gegen Frankreich fand er Verwendung im Generalstabe des 2. bayerischen Armeekorps, in welcher Tatigkeit er sich das Eiserne Kreuz 2. Klasse und andere Dekorationen erwarb. Auch nach der Riickkehr in die Heimat blieb L. im Generalstabe, wo er 1872 zum Major aufriickte, erhielt dann die Fuhrung eines Bataillons des Infanterie-Leibregiments, avancierte zum Oberstleutnant und wurde bald darauf Chef des Generalstabes des 2. Armeekorps. 1878 er* hielt L. das Patent als Oberst, wurde 1881 Kommandeur des 18. Infanterie- Regiments und 1885 als Generalmajor an die Spitz der 5. Infanterie-Brigade gestellt. 1889 fur seine Person geadelt, trat L. im gleichen Jahre als General- leutnant in den Ruhestand.

Nach den Akten. Lorenzen.

Mootz, Johann Georg, Grofiherzoglich Hessischer Generalleutnant a la suite y ♦1807, fi5. Oktober 1903 zu Darmstadt. M. gehOrte von 1841 1845 der ehemaligen Grofiherzoglich Hessischen Pionierkompagnie, zurzeit 9. Kom- pagnie des Infanterie-Leibregiments Grofiherzogin (3. Grofiherzoglich Hessisches) Nr. 118 als Oberleutnant und vom 20. Marz 1847 bis zu seiner 1851 er- folgten Zuriickversetzung in den General-Quartiermeisterstab als Hauptmann an. Bei AuflOsung der Grofiherzoglich Hessischen Armee trat M. nicht mit in den Verband der Preuflischen Armee iiber, avancierte aber a la suite weiter bis zum Generalleutnant. Die Beforderung in diesen Dienstgrad erhielt M. 1896 fast 90 Jahre alt.

Nach >Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Reichmann. von Holstein.

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Reichmann, Theodor, Opemsanger (Bariton), * 18. Marz 1849 zu Rostock (Mecklenburg), f 22. Mai 1903, Marbach am Bodensee. Urspriinglich zum Handelsstande bestimmt, wendete sich R., einer leidenschaftlichen Neigung zur Musik folgend, dem Gesange zu. Er studierte bei Prof. Johann Refl, diesem bei mehrmaligen Ubersiedelungen von Stadt zu Stadt folgend. Spater bildete er sich noch wenn auch kurze Zeit bei Mantius und Lamperti (1873). In Magdeburg (Sept. 1869), Rotterdam (1870 71), Koln (1871—72) und Strafi- burg (1872 74) reift er zum Buhnensanger heran, durch sein machtiges, iiberaus wohllautendes Organ, seine vornehme, echte und innige Vortragsart und sein wohldurchdachtes Spiel immer weitere Kreise von Verehrern seiner Kunst gewinnend. Nach kurzem Engagement in Hamburg folgte er 1875 einem Rufe an das Hoftheater in Munchen, wo er unter Fuhrung Levis bald zu einem Sanger und Darsteller ersten Ranges sich entwickelte. Richard Wagner wurde auf ihn aufmerksam und zog ihn zu den Festspielen nach Bayreuth heran, wo er namentlich als erster Interpret des Amfortas Unvergefiliches bot (1882). Von Munchen aus an das Hofopern theater nach Wien berufen, trat er am 1. Juni 1883 in dieses Institut ein; in kiirzester Zeit z&hlte er zu den ausgesprochensten Lieblingen des Publikums. Daher wurde sein, durch eine Kollision mit den Theatergesetzen unvermeidlich gewordener Abgang von Wien (8. April 1889) allgemein schwer bedauert. Am schwersten aber wohl von R. selbst, .der mit der ganzen Warme seines Herzens an Wien, den Wienern, an seinem Wiener Wirkungskreis hing. Glanzend verlaufende Gast- spielreisen nach England, Amerika und Rufiland brachten ihm Ehren in Fulle, machten ihn zum reichen Mann; immer wieder aber tauchte er in Wien auf, in seinen Konzerten das Theater war ihm verschlossen von dem ihn leidenschaftlich verehrenden Publikum bejubelt. Endlich kam zwischen ihm und dem lange genug grollenden Direktor W. Jahn eine Versohnung zustande. Am 1. September 1893 trat R. wieder in den Verband der Hofoper und wurde zum k. k. KammersSnger ernannt. Zehn Jahre wirkte er nun mit ungeschwachter Kraft. Nach kurzem Kr£nkeln starb er. gelegentlich eines Erholungsaufent- haltes in Marbach am Bodensee. Am 1. Oktober 1904 wurde auf seinem Grab im Jerusalemer Friedhofe in Berlin ein von W. Sipperling entworfenes und ausgefiihrtes Denkmal enthiillt. R. war in Rollen, die Pathos, breiten Vor- trag, tiefe Innerlichkeit verlangten, von keinem der zeitgenSssischen Sanger ubertroffen, kaum erreicht. Vampyr, Heiling, fliegender Hollander waren seine Glanzpartien. Man glaubte ihm, wie keinem anderen, das Damonische. Nach langer Arbeit hatte er sich aber auch in den Hans Sachs R. Wagners eingelebt und gab damit eine wahrhaft riihrende Gestalt. Alles GraziGse, leichthin Liebenswiirdige lag ihm feme. Ebenso versagte im Konzert seine weniger auf das Musikalische als auf das Theatralische gestellte Kunst. R. war ein offener, ehrlicher Charakter, der in dem seltsamen Kampfe von Inter- essen und Instinkten, wie ihn das Theater mehr als irgend ein anderer Beruf mit sich bringt, stets unbenihrt, unbefleckt blieb.

Nach Riemanns Musiklexikon, Mitteilungen der Herren Graf u. Wogerer und eigenen Notizen. R. Heuberger.

Holstein, August von, Generalleutnant z. D., *3i. Mai 1847 zu Wismar, f 19. August 1903 zu Schwerin in Mecklenburg. Nach dem Austritt aus

Biogr. Jahrbuch u. Deutschcr Nckrolog. 8. Bd. j*

210 von Holstcin. von Schtinau-Wehr.

dem Schweriner Kadettenkorps kam H. 1864 als Unteroffizier in das Mecklen- burgische 2. Infanterie-Regiment, stieg dort noch im gleichen Jahre zum Portepeefahnrich auf und wurde 1865 als Sekondeleutnant zum Grenadier- Garde-BataillondesMecklenburgischen i.Infanterie-Regiments versetzt. 1867 trat er zum Groflherzoglich Mecklenburgischen Grenadier-Regiment Nr. 89 fiber und wurde mit diesem im Oktober 1869 in den Verband der preufiischen Armee aufgenommen. Zum Regimentsadjutanten ernannt, war H. im Feldzuge von 1870/71 in Frankreich t£tig, nahm an den Belagerungen von Metz und Toul, an der Einschlieflung von Paris, am Gefecht bei Dreux sowie am Loire- Feldzuge teil und riickte nach dem Frieden 1872 zum Premierleutnant auf. 1874 erhielt er zun&chst ein Kommando als Adjutant zur 10. Infanterie-Brigade und ein solches zum Grofien Generalstabe, bis er 1878, unter Befftrderung zum Hauptmann und Belassung beim Grofien Generalstabe, in den General stab der Armee versetzt wurde. 1879 kam H. zum Generalstabe des I. Armee- korps, 1882 zu demjenigen der 17. Division, wurde 1884 Kompagniechef im Infanterie-Regiment Nr. 85, 1885 wiederum in den Grofien Generalstab und einige Wochen darauf zum Generalstabe des VIII. Armeekorps versetzt. Nach seiner Befftrderung zum Major, die 1885 erfolgte, erhielt H. 1890 einBataillon des KSnigin Augusta Garde-Grenadier-Regiments Nr.4, riickte 1891 zum Oberst- leutnant auf, wurde im Juni desselben Jahres Chef des Generalstabes des VIII. Armeekorps und trat 1893 an die Spitze des Infanterie-Regiments Nr. 137. In dieser Stellung wurde H. 1894 Oberst, 1897 Generalmajor und Komman- deur der 34. Infanterie-Brigade und 1899 zur Disposition gestellt. 1902 wurde ihm der Charakter als Generalleutnant verliehen.

Nach den Akten. Lorenzen.

Schdnau-Wehr, Max Frhr. von, Generalleutnant und Kommandant von Karlsruhe, * 16. April 1847 zu Karlsruhe in Baden, f2i.M£rz 1903 ebenda.— Nach Besuch des badischen Kadettenkorps trat S. 1866 in das damalige badische Feldartillerie-Regiment iiber, avancierte am 20. Juni 1866 zum Offizier und nahm an dem Kriege jenes Jahres gegen Preufien teil. Nach dem Feld- zuge von 1870/71, in dem er sich das Eiserne Kreuz 2. Klasse sowie eine badische Kriegsdekoration erworben hatte, wurde S. im Juli 187 1 als Sekonde- leutnant in den Verband der preufiischen Armee aufgenommen und als solcher der 14. Artillerie-Brigade zugewiesen. Dort riickte S. zum Premier- leutnant auf und kam bei der Trennung der Feld- und Fufiartillerie 1872 in das badische Feldartillerie-Regiment Nr. 14, wurde 1873 Adjutant der 7. Feld- artillerie-Brigade und am 15. Juli, unter Entbindung von diesem Kommando, in das 1. Garde-Feldartillerie-Regiment versetzt. Weiterhin 1877 zum Haupt- mann aufgestiegen, wurde S. 1888, unter Befftrderung zum Major, Fliigeladjutant des Grofiherzogs von Baden, avancierte 1893 zum Oberstleutnant, erhielt darauf den Rang eines Regimentskommandeurs und 1896 das Patent als Oberst. Nachdem S. 1899 zum Generalmajor und unter Enthebung von der Stellung als Fliigeladjutant zum Kommandanten von Karlsruhe ernannt worden war, wurde ihm 1903 der Charakter als Generalleutnant verliehen. Nach den Akten.

Lorenzen.

von Hartlieb. von Hodenberg. 211

Hartlieb gen. Wallsporn, Maximilian von, KOniglich Bayerischer General- major z. D., * 9. Januar 1840 zu Zusmarshausen in Bayern, f am 18. M&rz 1903 in Munchen. H. wurde 1859 zum Unterleutnant im 1. Artillerie-Regiment ernannt und 1866 zum Oberleutnant befdrdert. Nach dem Kriege mit Preufien kam er 1868 in das 3. Artillerie-Regiment, wo er zuerst als Bataillonsadjutant und seit 1870 als Regimentsadjutant titig war, in welcher Stellung er im Feldzuge gegen Frankreich zunichst beim immobilen Regimentsstabe zuriick- blieb, bis er unter Versetzung zum 1. Artillerie-Regiment zum Hauptmann aufgeriickt, 1871 mit einer neuerrichteten Parkbatterie zum Belagerungskorps vor Belfort geschickt wurde. Im April kam er mit seiner Batterie nach Munchen zuriick, war bis 187 1 Mitglied der Eisenbahn-Linien-Kommission in Karlsruhe in Baden und 1872 Mitglied der Artillerie -Beratungs-Kom- mission in Miinchen, wurde bald darauf zur Preuflischen Artillerie-Priifungs- Kommission in Berlin berufen und a la suite des 1. Feldartillerie-Regiments gestellt. Von dieser Stellung enthoben, trat H. 1877 a^s Batteriechef zu letz- terem Regiment zuriick, avancierte 1880 zum Major, am 23. November zum etatsmSfiigen Stabsoffizier und bald darauf zum Abteilungskommandeur bis ihm 1886 die Leitung der Artillerie- und Ingenieurschule als Direktor iiber- tragen wurde. Als solcher riickte H. 1886 zum Oberstleutnant und 1888 zum Oberst auf, wurde 1889 mit Wahrnehmung der Geschafte des Direktors der Kriegsakademie beauftragt, erhielt 1893 das Patent als General major und trat 1895 in den erbetenen Ruhestand. Die Artillerie wird ihn nicht vergessen.

Nach »Milit&r-Zeitung«. Lorenzen.

Hodenberg, Gottlob Frhr. von, KOniglich Sachsischer General der In- fant erie z. D., * 11. Oktober 1838 zu Harburg im ehemaligen Kdnigreich Hannover, f am 1. April 1903 zu Klein-Zschocher bei Leipzig. Bei seinem Ausscheiden aus dem damaligen h anno verschen Kadettenkorps wurde H. 1856 der Artilleriebrigade als Portepeejunker uberwiesen, riickte im darauffolgenden November, unter Versetzung zum 3. Artilleriebataillon, zum Leutnant und 1859 zum Oberleutnant auf. 1861 als Generalstabsoffizier 2. Klasse zum General- stabe in Hannover kommandiert, fand er vielfach Verwendung bei topo- graphischen Aufnahmen, war in den Jahren 1863 und 1864 zur Dienstleistung dem hannoverschenCambridge-Dragonerregiment sowohl, als auch dem 1. JSger- bataillon zugeteilt und wurde 1866 Generalstabsoffizier 1. Klasse. Den Krieg gegen Preufien 1866 machte er im Generalstabe des kommandierenden Gene- rals der hannoverschen Armee mit und nahm in dieser Dienststellung an der Schlacht bei Langensalza teil. Nach dem Frieden trat H., da die ehemalige hannoversche Armee zu bestehen aufhOrte, zur sachsischen Armee iiber, wo er 1867 Anstellung fand und zum Hauptmann und Kompagniechef im 2. Gre- nadier-Regiment Nr. 102 ernannt wurde, aber bereits 1868 zur taktischen Abteilung des sachsischen Generalstabes kam. 1870 dem sachsischen Generalkommando als Generalstabsoffizier uberwiesen, machte er als solcher den Feldzug von 1870/71 in Frankreich mit, wo er sich in den Schlachten und Gefechten, die das sachsische Armeekorps zu bestehen hatte, so hervortat, daft ihm die 2. und 1. Klasse des Eisernen Kreuzes verliehen wurde. 187 1 wurde H. in den preuflischen Generalstab berufen, um an der von der kriegs- geschichtlichen Abteilung ubernommenen Abfassung des Generalstabswerkes

14*

212 von Hodenberg. von Bauer, von Marchtaler.

mitzuarbeiten, wobei man ihm insbesondere die Darstellung der Anteilnahme der sachsischen Truppen an den Kampfen bei St. Privat ubertrug. Wahrend dieses Zeitraumes 1873 zum Major beftJrdert, ging H. 1875 nach Dresden zuruck, wurde Generalstabsoffizier der 1. Infanterie-Division und 1878 als solcher dem Generalkommando zugewiesen. Kurz darauf zum Oberstleutnant befordert, erhielt er 1879 das Kommando des 1. Bataillons 1, (Leib-)Grenadier-Regiments Nr. 100 und im Jahre 1882 das Patent als Oberst. 1883 zum Kommandeur des 2. Grenadier-Regiments Nr. 101 ernannt, erhielt H. 1887 das Kommando der 6. Infanterie-Brigade Nr. 64, wurde 1888 zum Generalmajor und 1890 zum General a la suite des K6nigs Albert von Sachsen und im Januar 1892, unter gleichzeitigem Aufriicken zum Generalleutnant, zum diensttuenden General- adjutanten des Konigs ernannt. 1893 trat er an die Spitze der 2. Division Nr. 24, erhielt 1896 das Patent als General der Infanterie und 1897 den nach- gesuchten Abschied.

Nach »Militar-Zeitung«c. Lorenzen.

Bauer, Georg von, Generalmajor z. D., * 12. August 1823 zu Kassel, f 1. Januar 1903 ebenda. Nach Absolvierung des ehemaligen kurhessischen Kadettenkorps in seiner Vaterstadt, trat B. 1841 als Portepeefahnrich in das kurhessische Artillerie-Regiment iiber, erhielt am darauffolgenden 30. Juli das Sekondeleutnantspatent und machte 1849 den Feldzug gegen Danemark mit, erhielt die Premierleutnantssterne und war 1850 1852 zum Generalstabe, zum Kadettenkorps und zum Oberbefehlshaber der hessischen Truppen kommandiert, worauf er 1854 zum Hauptmann aufriickte, 1855 Batterie- chef und 1865 Major wurde. Am Feldzuge gegen Preufien nahm B. teil, nach dessen fur sein engeres Vaterland ungliicklichen Ausgang er als Major und Abteilungskommandeur im Festungs-Artillerieregiment Nr. 2 zur preu- flischen Armee ubertrat. 1869 zum Oberstleutnant befordert und gleich- zeitig in das Feldartillerie-Regiment Nr. 2 versetzt, kommandierte B. im deutsch- franzosischen Kriege die 3. Abteilung dieses Truppenteils, mit dem er sich in der Schlacht von Gravelotte, vor Metz und Paris, in der Schlacht bei Villiers sowie spater im Osten Frankreichs im Verbande der Sudarmee aus- zeichnete. 187 1 erhielt er den Charakter als Oberst und 1872, unter Ver- leihung des Patents als solcher, das Kommando des Feldartillerie-Regiments Nr. 10, das er 1874 mit dem der 8. Feldartillerie-Brigade vertauschte. 1876 zum Generalmajor befordert, trat B. 1879 *n den erbetenen Ruhestand und wurde 1891 wegen der im Kriege wie im Frieden geleisteten Dienste geadelt.

Nach »Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Marchtaler, Anton von, K6niglich Wurttembergischer Generalleutnant, * 21. April 1821, f 1 1. Juli 1903. M. trat bei der reitenden Artillerie ein, avancierte im Oktober 1839 zum Unterleutnant und fiihrte im Feldzuge des Jahres 1866 gegen Preufien, mittlerweile zum Hauptmann aufgeriickt, die 1. Batterie. Wegen der vor dem Feinde im Gefecht bei Tauberbischofsheim bewiesenen Bravour wurde ihm die wiirttembergische goldene Militar-Verdienst- medaille verliehen. 1867 zum Major und Kommandeur der 1. Abteilung des wurttembergischen Feldartillerieregiments befordert, zog er 1870 mit dieser gegen Frankreich ins Feld und hatte das Gliick, die kleine Festung Lichten-

von Marcbtaler. Saul.

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berg durch eine mehrstlindige Beschiefiung zur Obergabe zu zwingen. Fiir sein tapferes Verhalten vor Paris, am 30. November und 2. Dezember 1870 bei Villiers bezw. Champigny. erhielt er zu dem bereits verliehenen Eisernen Kreuz 2. Klasse auch noch das 1. Klasse. Bei der Neuordnung der wurttem- bergischen Wehrmacht im Jahre 1872 wurde M. Oberst und Kommandeur des Feldartillerieregiments Nr. 13 und bei der spateren Teilung des Truppenteils in zwei Regimenter Kommandeur des Feldartillerieregiments Nr. 29. 1875 mit dem Range als Brigade-Kommandeur zum Stabe der preufiischen 2. Feld- artilleriebrigade kommandiert, wurde M. im folgenden Jahre an die Spitze der wiirttembergischen 13. Feldartilleriebrigade gestellt, inzwischen zum General- major aufgestiegen, 1882 zum Generalleutnant befOrdert und 1883 auf sein Ansuchen verabschiedet.

Nach »Schw&bischer-Merkur«. Lorenzen.

Saul, Daniel Johannes, Journalist und Dichter, * 2. September 1854 zu Bal- horn, f 8, Oktober 1903 zu Jugenheim. Im alten Pfarrhause zuBalhorn inNieder- hessen stand S.s Wiege. Sein Vater war der PfarrefLudwigS., ein strengglaubiger frommer Mann, der in der hessischen Geistlichkeit auch als Herausgeber des vielgelesenen Sonntagsboten aus Kurhessen eine nicht unbedeutende Rolle spielte. Bis zum 15. Jahre genofi der Sohn den Unterricht des Vaters, der friiher selbst Lehrer an der Casseler Kadettenanstalt gewesen war, dann kam cr auf das Gymnasium zu Hersfeld, wo er im Jahre 1875 sein Abiturienten- cxamen bestand. Im Herbst desselben Jahres bezog er die Universitat Leipzig, um sieben Semester lang Philologie und Philosophic zu studieren. Inzwischen hatte sich in seinem elterlichen Hause zu Balhorn mancherlei ver£ndert, was nicht ohne Folge fiir die Zukunft des Sohnes sein sollte. Sein Vater, ein Freund und Anh&nger der Briider Vilmar, hatte sich dem Protest eines grofien Teils der hessischen Geistlichkeit gegen die unionistischen Mafiregeln des preufiischen Kirchenregiments angeschlossen, und gehorte zu den 43 hessischen Pfarrern, die dann infolge ihrer »Renitenz« gegen das von ihnen nicht anerkannte neue Konsistorium abgesetzt wurden. Der alte Pfarrer S. hatte zwar die Freude und Genugtuung, dafl der uberwiegendeTeil seiner Gemeinde ihm treu blieb und trotz aller Lockungen und Verfolgungen nicht zu dem »Staatspfarrer« in die Kirche ging, aber lange sollte er seine Absetzung, die er nie anerkannte, nicht iiber- leben. Nach dem Tode seines Vaters, der am 28. Juli 1877 erfolgte, war Daniel S. ganz auf sich selbst angewiesen. Zum Eintritt in den preufiischen Schuldienst zeigte er wenig Neigung, auch waren die Chancen in dieser Laufbahn fiir den Sohn des renitenten Pfarrers wohl nicht die giinstigsten gewesen. So entschlofi er sich denn, seine Universit&tsstudien abzubrechen und Journalist zu werden. Schon als Student hatte er Beziehungen zu der » Frankfurter Zeitung« angekniipft, die dazu fiihrten, dafi er 1879 in deren Redaktion eintrat. Da seine Existenz in dieser Stellung gesichert erschien, konnte S. nunmehr auch daran denken, einen eigenen Hausstand zu griinden. Im Jahre 1881 vermahlte er sich mit Elly Benn, die ihm eine sorgsame Gattin und treue Mitarbeiterin wurde. Zwftlf Jahre lang blieb S. in Frankfurt, dann siedelte er im Sommer 1891 als Korrespondent und Vertreter der 'Frankfurter Zeitung« fiir Wurttemberg nach Stuttgart iiber, von wo er aufier

214

Saul.

seinen regelmafiigen Berichten manches gediegene Feuilleton fur sein Blatt lieferte.

Nicht nur fiir die »Frankfurter Zeitung« war S. journalistisch tatig. Er beteiligte sich im Jahre 1886 an der Griindung der der Pflege hessischen Heimatsinnes gewidmeten Zeitschrift »Hessenland«, die manchen Beitrag aus seiner Feder erhielt. Als im Jahre 1894 der erste Redakteur des »Hessen- land«, Ferdinand Zwenger, plOtzlich starb, da ubernahm S. die Redaktion. Die Schwierigkeiten, die durch die weite Entfernung vom Erscheinungsort bedingt waren, veranlaflten ihn freilich nach Jahresfrist dies Amt wieder niederzulegen.

S.s Beitrage zum »Hessenland« waren vorzugsweise poetischer Natur. Schon friih hatte er neben seiner journalistischen Tatigkeit zu dichten begonnen. 1889 erschien sein Lustspiel »Die Stoiker«, das zuerst am Koniglichen Theater zu Cassel, dann auch in Frankfurt und an einigen anderen Biihnen aufgefiihrt wurde. Dann erschien 1894 eine kleine Sammlung seiner »Gedichte«, wahrend eine grofie Anzahl weiterer Gedichte und Erzahlungen im »Hessenland« und anderswo zerstreut erschienen sind. S. gehorte unstreitig zu den besten hessi- schen Lyrikern der neueren Zeit. Seine Gedichte sind keine Dutzendware, sondern zeichnen sich »durch eigenartige Empfindung, durch tadellose Form und einen gliicklichen, oft volksliedartigen knappen Ton« (Schoof) vorteil- haft vor vielen andern aus. Die weltschmerzliche Stimmung, die in einigen seiner Gedichte zum Ausdruck kommt, erscheint nicht als moderne Kunstelei, sondern als ein Ausflufi wahrer und echter Empfindung. Dabei fehlte es dem Dichter auch nicht an echtem Humor, wie u. a. einige in seiner heimatlichen Mundart gedichtete Strophen beweisen.

Dieser Mundart, die er trotz jahrzehntelanger Abwesenheit von der Hei- mat gut beherrschte, setzte S. noch ein besonderes Denkmal durch seinen 1901 erschienenen »Beitrag zum hessischen Idiotikon«, der eine allerdings nicht voll- standige Zusammenstellung charakteristischer Ausdriicke und Redewendungen aus seinem in sprachlicher Hinsicht interessanten Heimatsdorf Balhorn (das direkt an der niederdeutschen Sprachgrenze gelegen ist) darbietet; von weiteren wissenschaftlichen Arbeiten S.s ist noch zu nennen seine Schrift »Zur Begren- zung des Pyrrhonismus«, auf Grund derer er sich im Jahre 1892 die philo- sophische Doktorwiirde der Universitat Tubingen erwarb.

In Stuttgart nahm S. lebhaften Anteil am offentlichen und politischen Leben. Durch das Vertrauen seiner demokratischen Parteifreunde wurde er in den Landesausschufl der wiirttembergischen Volkspartei berufen. Ein schweres Lungenleiden, dessen Keime schon seit langerer Zeit vorhanden waren, machte indessen seiner Tatigkeit in der wiirttembergischen Hauptstadt ein vorzeitiges Ende. Sein leidender Zustand zwang ihn, seine Stelle bei der »Frankfurter Zeitung« aufzugeben. Im Jahre 1902 verlegte er seinen Wohnsitz nach Jugen- heim an der Bergstrafie, wo er unter der liebevollen Pflege seiner Gattin, mit der er in kinderloser Ehe lebte, Genesung zu finden hoffte. Seine Hoffnung war vergebens.

Vgl. Nekr. von W. Bennecke in »Hessenland« 17, 268. »Hessische Bliitterc 1903 Nr. 2998. Brtimmer, Lexikon der deutschen Dichter 3, 389. Schoof, Die deutsche Dichtung in Hessen 223 f.

Ph. Losch.

Klingelhoffer. 2 1 5

Klingelhdffer, Otto, Regierungsrat, * n. Januar 1812 zu Dorheim, f 1. Ja- nuar 1903 zu Darmstadt. Im kurhessischen Amtshause zu Dorheim bei Nauheim in der Wetterau erblickte K. das Licht der Welt. Er besuchte von seinem 14. Lebensjahre an das Gymnasium zu Hanau und bezog dann im Sommer 1831 die Universitat GieBen, wo er drei Semester hindurch Jura studierte und mit feuriger Begeisterung der Burschenschaft angehorte. Es war die Zeit der heftigsten Gahrung in der deutschen Studentenschaft. Die Bundes- beschliisse von 1832 fuhrten zu dem Sturm auf die Frankfurter Wachen, an dem die Burschenschafter von Giefien besonders beteiligt waren. K. war schon im Herbst 1832 nach Heidelberg ubergesiedelt und wenn er auch an dem Frank- furter Attentat nicht unmittelbaren Anteil nahm, so fand er doch in Heidel- berg mehrfach Gelegenheit, seine alten Giefiener Freunde, die wegen ihrer revolutionaren Umtriebe verfolgt wurden, bei der Flucht uber die franzosische und schweizer Grenze zu unterstiitzen. Nach Beendigung seiner Universitats- studien trat K. 1835 in den kurhessischen Staatsdienst, war als Referendar bez. Assessor in Kassel und Hanau beschaftigt und wurde dann Kreissekretar in Hersfeld und 1847 Landrat in Ziegenhain. Seine auf den Idealen seiner burschenschaftlichen Studienzeit basierende unverhohlene liberale Gesinnung hatte ihn also bisher in seiner Beamtenlaufbahn nicht gehemmt. Als aber nach den Stiirmen des Jahres 1848 die Hassenpflugsche Reaktion in Kur- hessen einsetzte, schlofi sich K. der bekannten Beamtenrevolution von 1850 gegen den verhaflten Minister an; die Folge war, dafl er zur Strafversetzung verurteilt und 1851 uberhaupt zur Disposition gestellt wurde. Diese Maflregel hat er der kurhessischen Regierung nie verziehen. War er schon vorher kein sonderlich begeisterter Hesse gewesen, so sah er von nun an sein Heil nur in PreuBen. Nach einem kurzen Aufenthalt in Eschwege, siedelte er im Spatherbst 185 1 nach der kurhessischen Stadt Bockenheim uber, die damals noch vor den Toren Frankfurts lag, um sich fortan nationalokonomischen und finanzwissen- schaftlichen Studien zu widmen. Hier gelang es ihm durch den Assessor Zitelmann Beziehungen zu dem neuernannten preufiischen Bundestagsgesandten Otto v. Bismarck anzuknupfen, der den gegen seine Regierung grollenden kur- hessischen Beamten mehrfach uber die kurhessischen Angelegenheiten zu Rate zog. In Bismarcks Auftrag arbeitete K. eine Denkschrift uber die kurhessische Verfassungsfrage aus und ruhmte sich spater, durch seine Darstellung eine Wandlung in Bismarcks Anschauungen liber das Verhaltnis PreuBens zu Osterreich veranlafit und seinen HaB gegen die alte Kaisermacht genahrt zu haben. K.s Beziehungen zur preuBischen Gesandtschaft dauerten bis zum Abgang Bismarcks nach Petersburg fort. Die Vermittelung ging durch die H&nde Zitelmanns, der nach Bismarcks Abgang gleichfalls Frankfurt verliefi. Im Einverstandnis mit dem preufiischen Gesandten verfafite K. damals ver- schiedene politische Flugschriften, wobei er namentlich in der anonymen Schrift »Die deutsche Einheit und die kurhessische Verfassung« (Frankfurt 1859) das Programm der Einigung Kleindeutschlands unter preufiischer Fiihrung im Sinne der Bismarckischen Politik entwickelte. Trotz seiner frondierenden Stellung wurde K. 1863 wieder in den kurhessischen Staatsdienst aufgenommen und war von da bis 1866 Regierungssekretar zu Marburg i. H. Im Juni 1866 erfullte sich sein sehnlicher Wunsch, der Sieg PreuBens uber den Bund und Osterreich. Als aktiver kurhessischer Regierungsbeamter konnte er es iiber

2l6 Klingelhoflfer. Daudert.

sich gewinnen wie er selbst erzahlt , den als Eroberer in Marburg einruckenden Preufien jubelnd entgegenzugehen und ein Hurrah auf sie aus- zubringen! Nach der Annexion Kurhessens wurde K. zum Mitglied der Eisenbahndirektion Cassel und 1867 zum Regierungsrat ernannt. Mit der Eisenbahndirektion siedelte er dann im Jahre 1872 nach Frankfurt a. M. bezw. Sachsenhausen iiber und wirkte dort bis 1882, wo er in den Ruhestand trat. Nach seiner Pensionierung zog er nach Darmstadt, wo er noch iiber 20 Jahre in geistiger Regsamkeit und Frische lebte. Seine schriftstellerische Tatigkeit setzte er bis in sein hohes Alter fort. Als ihm 1893 nach funfzigjahriger gluck- licher Ehe seine feinsinnige kiinstlerisch begabte Frau Anna geb. Eulner ge- storben war, da setzte er ihr ein Denkmal, indem er ihr franzosisch ge- schriebenes Tagebuch (sie war zu Briissel geboren) 1895 veroffentlichte. Ein Jahr spitter veroffentlichte er die Schrift »Das Reichswahlgesetz«, in der er fur Beschrankung des Wahlrechts eintrat. Seine letzte Schrift »Paradoxa, historisch-politische« (Giefien 1900) gleichsam sein politisches Glaubens- bekenntnis widmete er der deutschen Burschenschaft. Bezeichnend fur die Anschauungen des 88jahrigen Greises ist es, dafi er in dieser Schrift zur Er- richtung eines Denkmals fur die Urheber des Frankfurter Attentates aufforderte. So blieb er den Idealen seiner Jugend bis ins Alter treu. Hochbetagt, fast 91 Jahre alt, erlag er am 1. Januar 1903 einem Influenzaanfall.

Autobiographische Aufzeichnungen find en sich in den obenerwahnten »Paradoxac. Als Manuskript gedruckt. GieBen 1900. Vgl. ferner »Tagebuch einer Frau.« Leipzig 1895. Nekrolog von H. Haupt in Beil. 35 z. »Tagl. Rundschau* v. 1903. >Hcssen- land« 17, S. 43. Ph. Losch.

Daudert, Ernst Wilhelm, Dichter, * 10. Februar (22. Februar n. St.) 1829 in Riga, f 5. Januar 1903 in Freiburg (Baden). Er erhielt eine fur den Handelsstand bestimmte Ausbildung, zuletzt in der damaligen Handelsklasse der Rigaer Kreisschule, versah spater die Stelle eines Korrespondenten ver- schiedener Sprachen in mehreren angesehenen Handelshausern seiner Vater- stadt und griindete 1852 daselbst ein eigenes Handelshaus. Sein Beruf bot ihm vielfach Gelegenheit zu groflen Reisen durch Deutschland, Holland und Belgien, und bei seiner Vorliebe fur literarische Beschaftigung wurde er auch mit der franzosischen, englischen und danischen Sprache und deren Literatur vertraut. 1868 wurde er zum Ratsherrn erwahlt; als solcher war er 20 Jahre hindurch Mitglied und spater Prases des Komitees, dem die Verwaltung des Rigaischen Theaters anvertraut war. Fur dasselbe schrieb er auch das Fest- spiel »Schillers 46. Geburtstag«, das auch anderswo zur Auffiihrung geiangte. Nach Auflosung des Rigaischen Rats zog sich D. auch vom Geschaftsleben zuriick und siedelte 1891 mit seiner Familie nach Freiburg in Baden iiber, wo er ganz seinen literarischen Neigungen lebte. Aus seiner Rigaer Zeit stammen noch zwei Bandchen Poesien, von denen das erste, »Gedichte« (1876), unter dem Pseudonym Ernst Wildau erschien. Der zweiten Sammlung »Lebens- bliiten. Lieder« (1884) sollte eine Fortsetzung folgen; doch ist der Dichter nicht mehr zur Ausgabe derselben gekommen.

Personliche Mitteilungen. Adolf Hinrichsen : Das literarische Deutschland, 1887, S. 108.

Franz Brummer.

Dietlein. Engelien. 217

Dietlein, Hermann Rudolf, Schulmann, * $. M&rz 1823 in Delitz a. Berge (Provinz Sachsen), f 16. Juli 1903 in Halle a. S. D. war der Sohn eines Lehrers und verlebte seine Knabenjahre in Ldbnitz a. d. Mulde, wohin scin Vater versetzt worden war. Auf dem Seminar in Eilenburg bildete er sich 1838 42 zum Lehrer aus und wurde nach erlangter Befahigung Lehrer der Knaben der Offiziersfamilien des 3. Husarenregiments in Diiben. 1846 ging er an die Madchenbiirgerschule nach Halle a. S., 1849 als erster Lehrer nach Wartenburg a. d. Elbe und 1874 als Rektor nach Schafstadt. 1889 trat er in den Ruhestand und siedelte nach Halle a. S. iiber, wo er sich mit regem Interesse den offentlichen Angelegenheiten widmete, auch langere Zeit als Stadtverordneter und Mitglied der Schulkommission t&tig war. Er kampfte gegen die Reaktion auf schulpolitischem Gebiete durch Wort und Schrift fiir die Volksbildung und die Entwickelung des Schulwesens. Er war Mitbegriinder des Lehrer- und Pestalozzi-Vereins der Provinz Sachsen (1862), redigierte auch zwei Jahre lang das »Schulblatt der Provinz Sachsen«, Von seinen zahlreichen Schriften fur die Hand der Schiiler und Lehrer nennen wir nur »Der ver- einigte Anschauungs1, Sprach-, Schreibleseunterricht auf der Unterstufe« (1874) »Der Sprachschiiler« (5. Aufl. 1880) »Wegweiser fiir den Schreibunter- richt« (4. Aufl. 1895) »Anforderungen an den ersten Leseunterricht« (1894) und die gemeinschaftlich mit seinem Bruder verfafiten Biicher »Die deutsche Fibel nach der Normal w6rtermethode« (112. Aufl. 1898) »Deutsches Lese- buch fur mehrklassige Burger- und Volksschulen« (in vier verschiedenen Aus- gaben 1870 90) »Aus deutschen Lesebiichern. Dichtungen in Poesie und Prosa, erlautert fiir Schule und Haus« (III, 1880 ff.).

»Padagogische Zeitung*. Berlin. Jahrg. 1903, S. 562. H. Ktihn: Lehrer als Schrift- steller, 1888, S. 32. Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 274.

Franz Briimmer.

Engelien, A u gust Karl Hermann, padagogischer Schriftsteller, * 24. August 1832 zu Landsberg a. d. Warthe, f 21. Juni 1903 in Berlin. Er war der Sohn eines Schneidermeisters und erhielt seine Schulbildung in der hoheren Biirgerschule seiner Vaterstadt, die er 1849 absolvierte. Noch zu jung, um ins Lehrerseminar aufgenommen werden zu konnen, iibernahm er zunachst eine Hauslehrerstelle in der Familie des Gutsbesitzers Zastrow und trat dann Ostern 1850 in das Seminar fiir Stadtlehrer in Berlin ein. 1853 bis i860 unter- richtete er an verschiedenen hoheren Privatschulen Berlins und wurde dann Lehrer an einer stadtischen Gemeindeschule. Seit 1870 Leiter (von 1878 ab mit dem Titel Rektor) der 30. Gemeindeschule, verwaltete er dieses Amt bis zu seinem Cbertritt in den Ruhestand. Bei dieser Gelegenheit wurde ihm der Charakter als »Professor« verliehen, eine fiir einen preufiischen Volks- schullehrer seltene Auszeichnung. E. hat sich als Schriftsteller besonders auf dem Gebiete des deutschsprachlichen Unterrichts betatigt. Seine »Gammatik der neuhochdeutschen Sprache« (1867, 4. Aufl. 1891) hat in Lehrerkreisen viele Anerkennung und Verwertung gefunden. Dasselbe gilt von seiner »Schul- grammatik der neuhochdeutschen Sprache« (1872. 5. Aufl. 1884), von seinem »Leitfaden fur den deutschen Sprachunterricht« (II, 1862), der zum Teil in 100. Auflage erschienen ist, und von seinem »GrundriB der Geschichte der neuhochdeutschen Grammatik und der Methode des grammatischen Unter-

2l8 Engelien. Oppcl. von Levetzow.

richts in der Volksschule« (1885). Mit dem Seminar- Oberlehrer Professor H. Fechner in Berlin gab er heraus »Deutsches Lesebuch. Nach den Quellen bearbeitet* (in drei verschiedenen Ausgaben 1873 7<>), das noch heute zu den besten Buchern dieser Art gehftrt, und »t)bungsstoff fiir den Unterricht in der deutschen Rechtschreibung* (1881. 10. Aufl. 1902).

H. KUhn: Lehrer als Schriftsteller. Leipzig 1888, S. 40. Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 330. Franz Brummer.

Oppel, Karl, P&dagog und Schriftsteller, *g. August 1 816 in Frankfurt a. M., f daselbst 12. (n. a. 11.) Mai 1903. O. wurde von seinem Vater, einem ehr- samen Schneidermeister mit zahlreicher Familie, fur den Kaufmannsstand be- stimmt, obwohl der Sohn nicht die geringste Neigung dazu verspurte. Den Zwiespalt ldsten endlich die Lehrer des Knaben, welche diesen dem Lehrer- berufe zuflihrten und ihm durch unentgeltlichen Privatunterricht eine tuchtige Vorbildung gaben. Nachdem O. 1833 35 das Seminar in Esslingen besucht hatte, trat er als Lehrer an der Weififrauenschule in seiner Vaterstadt ins Amt. Energisch arbeitete er an seiner Fortbildung, so dafl er 1847 an die Muster- schule (Realschule 1. Ordnung) berufen ward und sich 1859 an der Universitat Giefien die WUrde eines Dr. phil. erwerben konnte. Im Jahre 1879 trat er in den Ruhestand. Aus Gesundheitsriicksichten siedelte er 1883 nach dem kleinen Schweinfurt iiber, wo er als Schriftsteller tatig war und zahlreiche popul&r- wissenschaftliche Vortrage hielt. Nach einem Jahrzehnt kehrte er in seine Vaterstadt zuriick. Als Schriftsteller trat er zuerst mit einer Broschttre >Pesta- lozzis Leben, Wollen und Wirken« (1845) auf. In dem »Buch der Eltern* (4. Aufl. 1896) bot er seine reichen Erfahrungen alien denen dar, die ein Interesse fiir die Heranbildung der kommenden Generation haben. In gleicher Richtung bewegen sich auch seine »Briefe uber Knabenerziehung« (1858). Ein Ergebnis seiner Sgyptologischen Studien sind seine Schriften »AlULgyptische Glaubenslehre« (1859), »Freimaurerei und agyptisches Priestertum« (i860) und »Das Wunderland der Pyramiden« (4. Aufl. 1881). Daran reihen sich zahl- reiche Jugendschriften und novellistische Arbeiten, darunter die St&dtege- schichten »Aus alien Gauen des Vaterlandes« (2. Aufl. 1896).

Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 1000. Frankfurter Tagesblatter. Franz Brummer.

Levetzow, Albert von, Wirklicher Geheimer Rat, Landrat und Landes- direktor a. D., ReichstagsprSsident, * 12. September 1828 auf Gossow bei Kftnigs- berg in der Neumark, f 12. August 1903. Sohn eines Rittergutsbesitzers besuchte L. das Marienstiftgymnasium in Stettin, wo er 1856 das Zeugnis der Reife erhielt. Er studierte Rechts- und Staatswissenschaft zuerst in Berlin, dann Heidelberg, wo er als Saxo-Borusse aktiv war und sich bis zum Herbst 1848 aufhielt und schliefllich in Halle. Nach bestandenem Auskultatorexamen trat er 1849 in den Staatsdienst, zunachst in Landsberg, wo er zugleich sein Jahr beim dortigen 2. Dragonerregiment abdiente, dem er spater als Reserve- offizier bis zum Major angeh6rt hat. 1855 wurde er Gerichtsassessor und zugleich Hilfsrichter in Frankfurt a. O. und K6nigsberg in der Neumark. 1857 arbeitete er, zum Regierungsassessor ernannt, als Hilfsarbeiter im Kultus- ministerium unter Raumer und Bethmann-Hollweg. 1859 traf ihn die teil-

von Lcvetxow. 2 19

weise Mobilmachung bei seinem Regiment, worauf er Anfang i860 das vSter- liche Gut Gossow unter Beurlaubung aus dem Staatsdienst iibernahm. Im Februar 1861 schied er endgiiltig aus dem Staatsdienst aus, urn sich zunachst offentlich im engeren Heimatdienst und in den Provinzial- und Volksver- tretungen zu betatigen. So wurde er 1863 zum Mitglied des brandenburgischen Provinziallandtages gew&hlt, k&mpfte in Osterreich mit und wurde 1861 von seinem Heimatskreise Kftnigsberg in der Neumark zum Landrat gewahlt und am 6. Januar folgenden Jahres mit der Verwesung vorlMufig betraut.

Der Norddeutsche Reichstag z&hlte ihn in seinen Reihen, doch liefi er sich in den Deutschen nicht w£hlen, sondern widmete sich ausschliefllich den Kreisgeschaf ten , die er erst nach seiner Erwahlung zum Landesdirektor der Provinz Brandenburg 1876 abgab. Da sein Amtssitz Berlin war, wurde er wieder Mitglied des Reichstags von 1877 1884 und sodann von 1887 1903. 1881 wurde er President der brandenburgischen Provinzialsynode und im November dieses Jahres zum Pr&sidenten des Reichstages erwahlt, in welcher Eigenschaft er auch amtlich bei der Eroffnung des Gotthardtunnels anwesend war. 1884 wurde er Ehrenkommendator und Schatzmeister des Johanniter- ordens und Mitglied des Preuflischen Staatsrats. 1886 brachte ihm den Kanzler des Johanniterordens und die kdnigliche Ernennung als Mitglied der General- synode. 1888 wurde er Kommendator der brandenburgischen Provinzial- genossenschaft des Johanniterordens und bei seiner Wiederwahl in den Reichs- tag dessen President. 1889 wurde ihm der Rang der Rate I. Kl. verliehen und im folgenden Jahre wurde er aus allerhOchstem Vertrauen ins Herrenhaus berufen. 1892 erhielt er das Pr&dikat »Exzellenz« als Wirklicher Geheimrat, wurde 1894 Domherr von Brandenburg, Dr. juris honoris causa der Universitat Halle und Ehrenbtirger in Friesack.

1895 legte er in der bekannten dramatischen Sitzung infolge der ver- weigerten Ehrung des Altreichskanzlers zu dessen 80. Geburtstage die Wurde des Pr&sidenten nieder und schied im folgenden Jahre aus seinem hohen Provinzialamt, nachdem er vorher zum Ehrenbiirger von Neudamm ernannt worden war. Die groflen Bander des Roten Adlerordens und Kronenordens schmuckten ihn, denen 1901 noch die Brillanten zum Roten Adlerorden I. Kl. folgten. In diesem Jahre legte er das Amt eines Kommendators des Johanniter- ordens nieder, w&hrend er erst im Todesjahr die Kanzlerwiirde in die H&nde des Herrenmeisters zuruckgab.

Er war mit Charlotte von Oertzen vermahlt, die ihm 1901 im Tode voran- ging. Ihn iiberlebt nur ein einziger Sohn als Erbe des vSterlichen Besitzes.

Dieser auflere Lebensgang bezeichnet zugleich seine politische Entwick- lung und die einzelnen Phasen seiner offentlichen Tatigkeit. Das Sturm jahr 1848 sah ihn in Heidelberg, wo freilich der MilitSLraufstand erst sp£ter los- brach. Vorl&ufig war der junge Student mehr Korpsbursche als Politiker und gewann der revolutionaren Bewegung und den Einheitsbestrebungen kein Interesse ab, obwohl ein preufiisches Kaisertum schon damals zu seinen Idealen zahlte. Erst als Landrat nahmen ihn die Offentlichen Angelegen- heiten in Anspruch*, aber seine Gewissenhaftigkeit kam schon damals zum Ausdruck, dafi er nur seinem Staatsamt, das ihn so eng mit der Heimat ver- band, seine ganzen Krafte widmete. Erst als er sich ausschliefllich der Be- wirtschaftung seiner Guter widmete und in der Winterszeit doch Mufie fur

220 von Levetzow.

eine weitere Besch&ftigung fand, stellte er seine Person fur die Reichstags- wahl zur Verfugung. Er bewahrte gleich bei seinem parlamentarischen Auf- treten ein diplomatisches Talent in der Versohnung der Gegensatze, wenn er audi bei seiner verhaltnismafiigen Jugend noch nicht zu einer auflerlich leitenden Stellung innerhalb der Frakrion gelangte und infolge des Reichstags- prasidiums erst nach Manteuffels Riicktritt 1896 den Vorsitz der Fraktion iibernahm. Nachdem er als erster Landesdirektor seiner Heimatprovinz und hervorragender Organisator der neuen Provinzialverwaltung ein berechtigtes Ansehen unter seinen Standes- und Parteigenossen gewonnen hatte, wurde er bei der Wiederwahl 1877 der parlamentarische Leiter der ganzen K&rperschaft. Freilich war er, urn seine Krafte nicht zu zersplittern, nicht zugleich der Vorsitzende im konservativen Elfer-Ausschufi, ein Amt, das einer jiingeren, aber nicht minder bew&hrten Kraft, seinem spateren Nachfolger im Provinzial- amt, Exzellenz von Manteuffel, bis zur Gegenwart iibertragen blieb. Als Parlamentarier wie als Mensch war er stets von gleich bleibender Liebens- wiirdigkeit unter verbindlichsten Formen, ohne jedoch jemals seiner festen Willensmeinung etwas zu vergeben. Er konnte sogar sehr bestimmt trotz aller persGnlichen Freundlichkeit auf seinem Willen beharren, wenn er seine Meinung fur die richtige hielt Den Reichstag hat er mit fester Hand regiert, ohne jemals zu starken Worten seine Hilfe zu nehmen. Freund und Feind gehorchten ihm willig, so dafi alte Parlamentarier die Ansicht vertreten, dafi er bisher der beste President des hohen Hauses gewesen ist. In seiner parla- mentarischen Tatigkeit offenbarte sich auch der Ernst seines Offentlichen Strebens und die Tiefe seiner Kenntnisse, sowie die Geschaftsgewandtheit des geschulten Beamten.

Trotz seiner hervorragenden parlamentarischen Stellung war er daher auch kein blotter Berufspolitiker, sondern widmete seine Hauptkraft seinem Amte. Die Stellung des Landesdirektors verbindet staatliche und kommunale Aufgaben in gliicklicher Weise mit einander und gestattet eine engere Fiihlung mit den Eingesessenen als sonstige Staatsamter. War L. auch nicht Schopfer der neuen Provinzialselbstverwaltung, so war er doch deren hervorragendster Vertreter. Die Einrichtung der Provinz Brandenburg war keineswegs leicht, da der voile Steuers&ckel der Hauptstadt der Provinz nicht untersteht, anderer- seits die Residenzen des Hofes in Berlin und Potsdam gewisse Anspriiche an die Provinzialverwaltung in der Wegehaltung stellen, die ein besonderes Ge- schick erfordern. Sein sicherlich sachverstandiger Amtsnachfolger, der oben erwahnte Frhr. v. Manteuffel, hat bestatigt, dafi der Geschaftsbereich seines Vorgangers so hervorragend ausgestaltet war, dafi er nur in einer Richtung an ihn die bessernde Hand anlegen mufite. Die Unterbringung der neuen und stetig wachsenden BehSrden war so wenig vollkommen, dafi sich eine wiirdigere Unterkunft erforderlich machte. Dem Neubau hatte L. tunlichst widerstanden, da ihm der Sinn fur eine selbst notwendige Aufierlichkeit vttllig abging. Er war eben ein vornehm bescheidener Mann, dessen edle Gesinnung im Amt und im Parlament auch allseitig anerkannt wurde.

Daher bet£tigte er sich auch mit hervorragendem Eifer auf dem Gebiete eines ritterlichen Liebeswerks, indem er als Wiirdentrager des Johanniterordens in den verschiedensten und wichtigsten Ehrenstellungen der ritterlichen Ver- einigung seine Dienste in aufopfernder Weise lieh. Gleich Bismarck pflegte

von LeveUow. Brugier. 221

er seine Reden mit einem lateinischen Spruche zu schmucken, eine Ange- wohnheit, die mit dem Schwinden der Oberschatzung humanistischer Bildung im Abnehmen begriffen ist. Doch zeigte diese fremdlandische Wiirze deutschen Wortes die Scharfe und Klarheit L.scher Gedanken. Seine Tatigkeit als Parlamentarier und Beamter hat gezeigt, dafl er bei aller Vertretung konser- vativer Parteiinteressen niemals die staatsmannische Vorurteilslosigkeit ver- gessen hat, die sich iiber die Parteien erhebt. Da aber die Politik nur im Rahmen der Fraktionen erfolgen kann, mit denen auch die Regierung zu rechnen hat, so glich er in hervorragender Weise allgemeine und partei- politische Interessen aus. Er gehorte.zu den wirksamen Forderern der kon- servativen Partei, die unter seinem Beistand erst die einflufireiche Stellung wieder erlangt hat, die ihr in der Jugend des Reichs durch die Bekampfung des leitenden Staatsmannes abhanden gekommen war. Bei allem PreuBentum des markischen Junkers wufite er, was er seinem grofien Vaterland schuldig war und leitete die konservative Reiohstagsfraktion in diesem Sinne, wie ja auch ihr Name den preufiischen Partikularismus abgestreift hat.

Den heroischen Augenblick in seinem offentlichen Wirken bildet die Niederlegung des Reichstagsprasidiums. Der Vorgang beruhte nicht auf einer gewissen Amtsmudigkeit, da er auch weiter dem Parlament angehorte und als Fraktionsvorsitzender tatig blieb, mag er auch, wie den ein Jahr spater folgenden Riicktritt von seiner Provinzialstellung, bei zunehmendem Alter die Aufgabe der Reichstagsleitung schon vorher erwogen haben. Ausschlaggebend war die ehrliche Entriistung iiber die Haltung des Zentrums, die er als eine Krankung fur die Volksvertretung mit Recht empfand. Als ihn der Kaiser durch einen beruhmten Parlamentarier und Jugendfreund iiber sein Verhalten bei der etwaigen Ablehnung der parlamentarischen Ehrung Bismarcks sondieren liefl, antwortete er dem Frager, dafl er dann sofort das Presidium niederlegen wiirde, wie ja auch die konservativen Parteien es ablehnten, einen Nachfolger aus ihren Reihen zu wahlen. Der patriotische Zorn iiber die Undankbarkeit der ausschlaggebenden Partei war also der Grund des dramatischen Auftritts im Reichstag, obwohl er aus wirtschaftlichen Riicksichten doch das gemauserte Zentrum nicht mehr als reichsfeindlich ansah.

Auch seine Tatigkeit auf den evangelischen Synoden nahm er ernst und gehort der strengsten Richtung an, wie er iiberhaupt eine tief religiose Natur war, ohne seinen Glauben anderen aufdrangen zu wollen.

Er war das Ideal eines wahrhaft vornehmen und daher bescheidenen Mannes, ein echter markischer Junker, dessen Zerrbild in gegnerischer Be- leuchtung die Welt sonst nur anerkennen will, ein Edelmann nach Geburt und Gesinnung. Kurd v. Strantz.

Brugier, Gustav, Miinsterpfarrer inKonstanz, Literarhistoriker, * 1 8. August 1829 zu Tauberbischofsheim, f 13. September 1903 zu Konstanz. B. studierte Theologie zu Freiburg i. Br. und wurde am 10. August 1852 zum Priester geweiht. 1852 60 war er Kaplan in Karlsruhe, 1860—74 Klosterpfarrer in Rastatt, zugleich Lehrer an der hdheren Tochterschule daselbst, seit 1874 Miinsterpfarrer in Konstanz, wo er unter zunachst sehr schwierigen Verhalt- nissen sehr segensreich wirkte; papstlicher Hauspralat, erzbischoflicher geist- Hcher Rat, Dr. tfuol. h. c. (von der Universitat Freiburg i. Br.). B. verfaflte

222 Brugier. Holzammer.

eine beliebte »Geschichte der deutschen Nationalliteratur. Fiir Schule und Selbstbelehrung* (Freiburg i. Br. 1865, 11. Aufl. 1904; seit der 4. Aufl. 1874 mit der Zugabe einer »Kurzgefafiten Poetik«, die 1888 auch fiir sich erschien), eine oft gedruckte »Kurze liturgische Erkl&rung der heiligen Messe* (Frei- burg i. Br. 1866, 17. Aufl. 1898) und die Festschrift: »Das goojahrige Jubilium des hi. Konrad, gefeiert zu Konstanz vom 25. November bis 3. Dezember 1876* (Freiburg i. Br. 1877).

Vgl. »K5lnische Volkszeitungc 1903, Nr. 773 vom 14. September. »Literarischer Handweiser« 1903, Nr. 780, Sp. 158. F. Lauchert.

Holzammer, Johann Baptist, Domkapitular und Regens des Priester- seminars in Mainz, * 1. Mai 1828 zu Mainz, f 24. September 1903 daselbst. H. absolvierte das Gymnasium in seiner Vaterstadt Mainz, studierte dann zwei Semester, 1848—49, in Gieflen und drei Semester, 1849—51, in Tubingen Theologie, vollendete seine Studien in dem wieder eroffneten Priesterseminar in Mainz, in das er im Sommer 1851 eintrat, und empfing am n. Juni 1852 die Priesterweihe. Wenige Tage darauf reiste er nach Mecklenburg ab, um das Amt eines Hausgeistlichen bei dem eben konvertierten Freiherrn von der Kettenburg zu Matgendorf anzunehmen; aber schon Anfang September wurde er, obwohl er seine Tatigkeit dort auf Abhaltung des Gottesdienstes fiir die katholischen Hausgenossen beschrankte, als Opfer der mecklenburgischen Intoleranz gegen die Katholiken von der Regierung ausgewiesen, nachdem die von dem Freiherrn unternommenen Schritte, sich sein Recht auf freie Religionsiibung zu wahren, erfolglos geblieben waren (vgl. Briick, Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im 19. Jahrh., Bd. Ill, S. 189 ff.). Nach Mainz zuriickgekehrt, wurde H. im Herbst 1854 Dozent am Priester- seminar fur alttestamentliche Exegese und biblische Einleitungswissenschaft; am 20. August 1857 wurde er zum Professor ernannt. 1865 verlieh ihm die theologische Fakultat der Universitat Wien die theologische Doktorwiirde honoris causa. Seit 1865 war er auch Vorsitzender des Diozesankomitees fiir den Verein vom heiligen Grabe und seit 1866 geistlicher Leiter der Kon- gregation der Englischen Fr&ulein fiir die DiSzese Mainz. Als nach den Kulturkampfsjahren der bischofliche Stuhl wieder besetzt war, ernannte ihn Bischof Haffner am 29. September 1886 zum Domkapitular und nach dem Tode Moufangs am 15. Marz 1890 zum Regens des bischGflichen Seminars. Seine wissenschaftlichen Hauptarbeiten sind die Ausgabe von »Guiliclmi Estii in omnes D. Pauli Epistolas, item in catholicas Commentarii* (3 Bde., Mainz 1858 f., als 2. Auflage nach der Ausgabe von Sausen), und die Neubearbeitung von J. Schusters »Handbuch zur biblischen Geschichte. Fiir den Unterricht in Kirche und Schule, sowie zur Selbstbelehrung«, das er von der 2. Auflage an herausgab (2. Aufl. Freiburg i. Br. 187 1 75, 2 Bde.; 5. Aufl. 1890 91), und das, schon in der 2. Auflage durchgreifend umgearbeitet, von der 3. Auflage (1877 f.) an vollstandig sein eigenes Werk geworden war, dem im den spateren Auflagen auch die auf einer Reise in das heilige Land 1881 gewonnene eigene Anschauung zugute kam. Kleinere Schriften: »Passions- biichlein. Betrachtungen iiber das Leiden des Herrn, nach dem heiligen Rhabanus Maurus« (Mainz 1865); »Der biblische Sch&pfungsbericht und die Ergebnisse der neueren Naturforschung« (Frankfurt a. M. 1867; Broschiiren-

Holz&mmer. Wicbner. 223

verein, 3. Jahrg. Nr. 4); »Der Mensch und seine Stellung unter den organischen Wesen* (Frankfurt a. M. 1867; Broschiirenverein, 3. Jahrg. Nr. 10); »DieBildung des Klerus in kirchlichen Seminarien oder an Staatsuniversit£ten« (Mainz 1900). Dazu kommen Aufs&tze im »Katholik« und in der Osterreichischen Viertel- jahresschrift fiir katholische Theologie, und eine Reihe von Beitnigen zu den fiinf ersten B£nden der 2. Auflage des Kirchenlexikons von Wetzer und Welte, aus dem Gebiete der biblischen Geschichte und Altertumskunde.

Vgl. Jak. Schafer, Dr. Joh. Holzamraer, Domkapitular und geistlicher Rat, Regens des bischttfl. Priesterseminars zu Mainz. Eine Lebensskizze (Mainz 1903, mit Portrat). Dasselbe aoch im »Katbolikc 1903, Bd. II. »Augs burger Postzeitungc 1903, Nr. 216 vom 27. Sep- tember. — F. Falk, Bibelstudien in Mainz (Mainz 1901), S. 309 f. F. Laucjiert.

Wichner, Jakob, O. S. B., Historiker, * 22. Juli 1825 zu Graz, f 21. Oktober 1903 im Stift Admont. W. absolvierte das Gymnasium und die philo- sophischen Studien in seiner Vaterstadt Graz und trat dann am 7. September 1846 im Stift Admont in den Benediktinerorden. Die theologischen Studien machte er im Stift, legte dann am 11. Juli 185 1 Profefi ab, wurde am 27. Juli 185 1 zum Priester geweiht und feierte am 10. August seine Primiz. Hierauf wirkte er bis 1870 in der Seelsorge, zuerst als Aushilfspriester im Stift, von Febniar 1852 bis 1854 als Kaplan in St. Michael ob Leoben, dann zehn Jahre als Kaplan in St. Lorenzen im Paltental; am 16. Juni 1864 wurde er Pfarrer in Kleinsdlk, von wo er auch die Pfarre GrofisOlk mitprovidierte, 1866 Pfarrer in Ardning. Im August 1870 kehrte er in das Stift zuriick, wo er das Amt des Archivars Ubernahm und die Neuordnung der dem Brande am 25. April 1865 entgangenen Reste des Archivs durchfiihrte. Seit 1878 bekleidete er auch das Amt des Bibliothekars und erwarb sich um die Ordnung und Katalogisierung der mehr als 80000 Bande zahlenden Stiftsbibliothek hervor- ragende Verdienste. Nach der Ruckkehr in das Stift beginnt auch seine ausgedehnte, auf archivalische Forschungen gestiitzte schriftstellerische Tatig- keit insbesondere zur Geschichte des Stiftes. Seit 1883 war W. auch Korre- spondent der k. k. Zentralkommission fiir Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen Denkmale, seit 1886 Ehrenmitglied des Museum Francisco-Carolinutn in Linz, seit 1900 Ehrenmitglied des historischen Vereins fur Steiermark (dessen Mitglied er seit 1858 war), seit '1901 Ehrenmitglied des Geschichtsvereins fiir Karnten in Klagenfurt. Am 8. Juli 1889 ernannte ihn die theologische Fakultat in Wurzburg zum Dr. theoL W.s Haupt- werk ist die vierbandige »Geschichte des Benediktinerstiftes Admont« . (Graz 1874 1880). Selbstandig in Buchform erschienen ferner die Schriften: »Die Stiftsbibliothek zu AdmonU (Graz 1881; 2. Aufl. Briinn 1897); »Kloster Admont in Steiermark und seine Beziehungen zur Kunst« (Wien 1888); •Geschichte des Clarissenklosters Paradeis zu Judenburg in Steiermark « (Wien 1888; als Separatausgabe aus dem Archiv fiir Gsterreichische Geschichte, 73. Bd. 1888); »Jagd und Fischerei des Stiftes Admont bis zur 2. Halfte des 18. Jahrhunderts« (Graz 1890); »Kloster Admont und seine Beziehungen zur Wissenschaft und zum Unterricht« (Graz 1892); »Die Propstei Elsendorf und die Beziehungen des Klosters Admont zu Bayern* (Miinchen 1899; Altbayerische Forschungen I); »Gebhard, Erzbischof von Salzburg« (Briinn 1900). Aufierdem verOffentlichte er in verschiedenen Zeitschriften, insbesondere in

224

Wichner. Franzius.

den Mitteilungen des historischen Vereins fur Steiermark 1873 1897, in den Beitr&gen zur Kunde steiermarkischer Geschichtsquellen 1874 1883, in den Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und dem Zisterzienserorden 1880 1894, und an anderen Orten, eine lange Reihe von historischen Studien hauptsachlich zur Geschichte des Stiftes Admont, auch uber dessen Bibliothek und Archiv, urkundliche Mitteilungen aus dem letzteren, dann auch verschiedene andere Beitriige zur steiermarkischen Geschichte und Kulturgeschichte. Davon seien nur einige grGflere Arbeiten hier genannt: In den Beitragen zur Kunde steiermarkischer Geschichtsquellen: »Ober einige Urbare aus dem 14. und 15. Jahrhundert im Admonter Archive^ (13. Bd. 1876, S. 33—109); »Materialien zur Geschichte verschiedener Pfarren und Kirchen in und auBer Steiermark* (18. Bd. 1882, S. 1 42). In den Mitteilungen des historischen Vereins fur Steiermark : »Beitr&ge zu einer Geschichte des Heilwesens, der Volksmedizin, der Bader und Heilquellen in Steiermark bis inkl. Jahr 1700* (^. Heft 1885, S. 3 123); »Zur Musikgeschichte Admonts* (40. Heft 1892, S. 3 57). In den Blattern des Vereins fur Landeskunde in Nieder6sterreich 1894: »DasBenediktiner- stift Admont in seinen Beziehungen zu Nieder6sterreich«. In den Mitteilungen der Gesellschaft fiir Salzburger Landeskunde: »Das Benediktinerstift Admont und seine Beziehungen zum Erzstifte und Lande Salzburg* (36. Vereinsjahr 1896, S. 133 251). Im 4. Beiheft zum Zentralblatt fiir Bibliothekswesen erschien: »Zwei Bucherverzeichnisse des 14. Jahrhunderts in der Admonter Siftsbibliothek« (Leipzig 1889). Fiir Sebastian Brunners »Benediktinerbuch« (Wiirzburg 1880) schrieb W. die historische Skizze: »Abtei Admont in Steier- mark* (S. 40 75).

Vgl. den Nekrolog von P. Florian Kinnast in den Studien und Mitteilungen aus dem Benediktinerorden, 25. Jahrg. 1904, S. 429 440 mit W.s Portrat. (Gibt ein vollstandiges Verzeichnis der in Zeitschriften erschienenen und der im Manuskript hinterlassenen Arbeiten.)

Scrip tores O.S.B. qui ifjo 1880 fuerunt in imperio Austriaco-Hungarico (Vindobonac 1 881), S. 510. Wurzbach, Biographisches Lexikon des Kaisertums Osterreich, 55. Teil (Wien 1889), S. 216-218. F. Lauchert

Franzius, Ludwig, Oberbaudirektor, * 1. Marz 1832 zu Wittmund in Han- nover, f 23. Juni 1903 in Bremen. Nach Absolvierung seiner Studien im Jahre 1858 zum Wasserbau-Kondukteur und 1864 zum Wasserbau-Inspektor in Hannover emannt, war F. in verschiedenen Stellungen tatig, unter denen besonders der Auftrag zum Bau der Papenburger Seeschleuse hervorgehoben zu werden verdient. Nach Einverleibung Hannovers in Preuflen erfolgte seine Berufung als Hilfsarbeiter in das Ministerium der offentlichen Arbeiten und als Lehrer an die Bauakademie nach Berlin. Im Jahre 1876 leistete F. der wiederholten Einladung Bremens Folge und ubernahm den neu geschaffenen Oberbaudirektorposten dieser Stadt. Nun beginnt fiir F. jene groBe, weit umfassende Tatigkeit, welche ihn von Erfolg zu Erfolg fuhrte und seinen Namen weit uber die Grenzen Deutschlands hinaustrug. »Der rechte Mann

sagte Sympher in seinem Nachrufe (s. u.) fand in Bremen den rechten Ort fiir seinen Schaffensdrang.« Hier loste er zunachst eine Reihe grofler wasserbautechnischer Fragen, wie die Umgestaltung Bremens zu einem See- hafen durch die Korrektion der Unterweser, die Schaffung neuer Hafenanlagen in Bremerhaven, die Sicherung der Stadt gegen die verheerenden Hochwasser

Franzius. Sitte.

225

der Weser usw. Auch das staatliche Hochbauwesen unterstand seiner Leitung; seine schopferisch tatige Kiinstlernatur iibte hierbei vielfach einen bestimmenden Einflufi aus. Zahlreich sind die Gutachten, die F. iiber Kanal- bauten, Hafenanlagen und dergleichen abzugeben hatte. F. war iiberdies auch schriftstellerisch t&tig; weit bekannt ist seine Mitarbeiterschaft am Hand- buch der Ingenieurwissenschaften.

Aber damit ist die umfangreiche Tatigkeit dieses nimmer rastenden Geistes nicht erschopft! Als Mitglied des Hochwasserausschusses, der Akademie des Bauwesens und des Reichsgesundheitsamtes stellte F. seine umfassenden Kenntnisse bereitwillig in den Dienst seines weiteren Vaterlandes; in den Wanderversammlungen des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur- Vereine, bei den internationalen Schiffahrtskongressen war er stets hervor- ragend beteiligt. An aufieren Ehren fehlte es ihm nicht; F. war Besitzer hoher Orden, der preufiischen grofien goldenen Medaille fiir Verdienste um das Bauwesen und der goldenen Pelford-Medaille der Institution of civil En- gineers in London; der Architektenverein zu Berlin und der Zentralverein fiir Hebung der deutschen Flufi- und Kanalschiffahrt ernannten ihn zu ihrem Ehrenmitgliede und die Technische Hochschule zu Berlin verlieh ihm die Wurde eines Ehren-Doktor-Ingenieurs.

Der tuchtige Fachmann war aber auch ein treuer Freund, ein heiterer Gesellschafter, ein wohlwollender freundlicher Chef, ein sorgender Vater und zartlicher Gatte; Milde und Ernst liegen in dem vornehmen Antlitz, das sein Bild zeigt und dessen hohe gefurchte Stirn und scharfblickende Augen den Denker und Forscher verkiinden.

Literatur: Sympher ira »Zentralblatt der Bauverwaltung* 1903, S. 318, mit Bild.

A. Birk.

Sitte, Camillo, Regierungsrat, Direktor der Staatsgewerbeschule in Wien, * 17. April 1843 in Wien, f 16. November 1903 ebenda. Eine eigenartige Personlichkeit, von machtigem Schonheitsgeflihl, von echt germanischem Geiste, voll Freude an allem Grofien und Erhabenen, reich an Idealen, dabei kampfes- froh und stets kampfbereit, voll glanzender Beredtsamkeit und nie versagender Schlagfertigkeit so fesselte S. auch jene, die seine Ideen nicht zu den ihrigen machen konnten oder denen seine Anschauungen nicht verstandlich erschienen. S., Sohn eines Wiener Architekten, hatte die Technische Hoch- schule in Wien besucht, Vorlesungen an der Universitat gehort und sich durch weite Reisen gebildet. Er war Direktor der Salzburger und spater der Wiener Staatsgewerbeschule; aufier dem Titel eines Regierungsrates war ihm auch der eiseme Kronenorden III. Klasse verliehen worden. Die Mechitharisten- kirche in Wien, die Pfarrkirche und das Rathaus in Privoz, das Jagdhaus in Zbirow, viele Zinshauser, Villen und Schulen, die Stadterweiterungsplane von Reichenberg, Olmutz und Privoz gehoren zu seinen bedeutendsten kunstle- rischen Leistungen. Seine Haupttatigkeit entfaltete er auf dem Gebiete des Stadtebaues; sein grofiartiges Werk iiber »den Stadtebau nach kiinstlerischen Grundsatzen« wurde ins Franzosische und Englische iibersetzt. Das Werk: *Der Stadtebau nach seinen wirtschaftlichen Grundsatzen« blieb leider un- vollendet. Die von ihm gegnindete Zeitschrift »Der Stadtebau« erschien erst nach seinem Tode. Von seinen anderen schriftstellerischen Arbeiten seien

BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd, j r

226 Sitte. Ktihler. Stambke.

genannt: » Richard Wagner und die deutsche Kunst«, »t)ber dsterreichische Bauernmajoliken« und »Neue kirchliche Architektur in Osterreich«. S. war ein begeisterter Verehrer Wagners und es war sein Lieblingsthema, die Ober- einstimmung zwischen Musik und Baukunst zu erl&utern. Ein Schlaganfall entrifl ihn unerwartet seiner vielseitigen schOpferischen T&tigkeit.

»Zeitschrift des Ostcrreichischen Ingenieur- und Architckten-Vcrcins* 1903, S. 671, mit Bild; Schweizerische Bauzeitung 1903, II, S. 249. A. Birk.

K5hler, Heinrich, Geh. Regierungsrat, Professor an der Technischen Hoch- schule in Hannover, * 12. Januar 1830 in Kassel, f 20. Februar 1903 in Han- nover. — K. hatte seine Ausbildung im Architekturfache auf der hSheren Gewerbeschule und auf der Kunstakademie seiner Vaterstadt erhalten und sich dann dem Eisenbahnbau zugewendet. Hier fand er natiirlich nicht die Befriedigung, die er suchte, weshalb er gleich vielen jungeren Architekten jener Zeit im Jahre 1856 nach Paris ging, welche Stadt damals durch ihre kunstlerische Entwicklung, ihre grofien Kunstschatze und durch den Umfang und die Bedeutung der in Ausfuhrung begriffenen architektonischen Bauten eine machtige Anziehungskraft ausiibte, und zwar um so mehr, als in Deutsch- land wenig Regsamkeit auf diesem Gebiete herrschte. K. war viele Jahre im Atelier des Architekten Hittorf tatig, der u. a. den ersten modernen Bahn- hofsbau die Empfangshalle des Nordbahnhofs in Paris ausfuhrte. Im Jahre 1863 folgte K. einem Ruf an die Technische Hochschule in Hannover, wo er iiber Antike und Renaissance zu lehren hatte. In dieser Stellung ver- blieb er bis zu seinem Tode. K.s Aufenthalt in Paris hat seine Kunstauf- fassung dauernd beeinflufit; sie hatte mehr oder weniger alles Nationale abgestreift und einen weiteren, internationalen Ausblick gewonnen. Gothik und deutsche Renaissance blieben ihm ein fremdes Gebiet, w&hrend die Antike, namentlich auch mit Berucksichtigung ihrer farbigen Erscheinung, und die italienische Renaissance in ihrer klassischen Fassung fur seine prak- tische und lehramtliche TStigkeit jederzeit mafigebend waren. K. fdrderte auch in erfolgreicher Weise das Kunstgewerbe und begriindete als Vorstands- mitglied des Gewerbevereins aus Vereinsmitteln die erste kunstgewerbliche Lehranstalt in Hannover. Die Heiterkeit und Giite seines Gemiites erwarben ihm zahlreiche Freunde und Verehrer. Veroffentlicht hat K. nur ein einziges grOfieres Werk: » Polychrome Meisterwerke der monumentalen Kunst in Italien* ; dasselbe ein Ergebnis seiner Studienreisen in Italien enth&lt prachtig ausgefiihrte farbige Darstellungen italienischer Innenraume.

Literatur: »Zentralblatt der Bauverwaltung« 1900, S. 36 und 1903, S. 112 mit Bild.

A. Birk.

Stambke, Moritz, Geheimer Oberbaurat, * 23. Februar 1830 zu Klein- Liibars, f 18. Februar 1903 zu Berlin. Auch einer der alten Eisenbahn- garde, der mit dem Eisenbahnwesen , das er kennen lernte, da es noch in der Kindheit sich befand, grofl geworden ist und sich entwickeln konnte einer von denen, die im Eisenbahnwesen lernten, schufen und lehrten. Fast 28 Jahre lang von 1853 bis 1881 wirkte St. als Maschinenmeister, Ober- maschinenmeister und Direktionsmitglied im Dienste der Bergisch-Markischen Eisenbahn; am 19. April 1881 wurde er als Hilfsarbeiter in das Ministerium

Stambke. Hoffmann. 227

der offentlichen Arbeiten berufen, wenige Monate sp&ter zum Geheimen Baurat und 1887 zum Geheimen Oberbaurat ernannt. So unterstand ihm seit 1881 die gesamte Eisenbahnmaschinentechnik in Preuflen, die unter seiner Leitung eine tiefgehende Ausgestaltung erfuhr; es sei an den Ausbau der Normalien fur Betriebsmittel, Wasserstationen, Drehscheiben und Schiebebiihnen erinnert.

Im Jahre 1895, bei der Neuorganisation des preufiischen Eisenbahnwesens, schied St. aus seiner Stellung im Ministerium; 1899 legte er auch sein Amt als Vorsitzender der technischen Priifungs- und Ober-Priifungskommission nieder. St. war auch Mitglied der Akademie des Bauwesens. Besondere Tatigkeit entfaltete er als Mitglied des Vereins deutscher Maschineningenieure.

Literatur: >Annalen filr Gewerbe und Bauwesenc 1903, 1, S. 105: mit Bild.

A. Birk

Hoffmann, Otto, Professor Dr., Schulmann und Herderforscher, * 9. Ok- tober 1839 in Berlin, f 21. Mai 1903 in Steglitz. H. besuchte das Gymnasium zum grauen Kloster, studierte dann in Berlin, unterrichtete einige Zeit am Gymnasium in Potsdam und ist dann von 1866 bis Ostern 1903, wo er in den Ruhestand trat, am Kollnischen Gymnasium in Berlin als Lehrer t&tig gewesen. Die in Berlin im Anfang der siebziger Jahre als Folge des plOtz- lichen und machtigen Aufschwunges eingetretene Wohnungsnot veranlaflte ihn 1873 s*ch *n dem nahen Steglitz niederzulassen , dessen damals noch ganz landliche Zustande durch den starken Zuflufi stadtischer Bevdlkerung rasch verandert wurden. H. hat der Ordnung dieser Verhaltnisse eine lebhafte Tatigkeit gewidmet, anfangs oft im Konflikt mit der noch uberwiegend bSuer- lichen Gemeindebehflrde, spater als angesehenes Mitglied derselben. Nament- lich sei hervorgehoben die Griindung eines Fortbildungsvereins, einer Fort- bildungsschule, einer volkstiimlichen Bibliothek und die Anregung zur Errichtung einer Realschule. Gegen Ende der achtziger Jahre n6tigte ihn Krankheit, seine kommunale und 6ffentliche Tatigkeit einzuschranken, er widmete nun seine Mussestunden mehr als bisher literarischen Studien. Er ver- tiefte sich in die Literatur des 18. Jahrhunderts und beschaftigte sich besonders eingehend mit Herder. Aus diesem Herderstudium sind folgende Schriften her- vorgegangen: Herders Briefwechsel mit Nicolai. 1887. Herder-Funde aus Nicolais allgemeiner deutscher Bibliothek. 1888. (Programm des Kollnischen Gymnasiums.) Herders Briefe an Johann Georg Hamann. 1889. Der Wortschatz des jungen Herder, ein lexikalischer Versuch. 1895. (Programm des Kollnischen Gymnasiums.) Ferner hat er den 14. und den 32. Band der Suphanschen Herderausgabe bearbeitet und war auch noch an dem jetzt im Erscheinen begriffenen 33. Schlufibande beteiligt, dessen Nachwort nach der Absicht des Herausgebers ein Ehrendenkmal fur seinen Freund und treuesten Heifer werden soil. H. hatte sich so vollstandig in Herders Wesen hinein- gedacht, dafi er die tiefste Wirkung hervorbrachte, als er bei einem Stiftungs- feste der Gesellschaft fur deutsche Literatur eine noch ungedruckte Kanzel- rede aus Herders rigischer Zeit nicht vorlas, sondern wirklich predigte, so wie ihr Stil und alles, was wir von Herders Art wissen, es fordern. Er gab den vollen Eindruck einer lebendigen Reproduktion ohne die geringste Schau- spielerei, aus den toten Lettern wehte der starke Odem des Sprechers, nicht Schreibers, des »Redners Gottes*. (Mitteilung von Professor Erich Schmidt.)

i5*

228 Hoffmann. Goose.

Auch bei scheinbarer Mikrologie seiner Studien blieb H. stets ein freier Geist, er betrachtete die Ergebnisse seiner Arbeit nur als kleine Bausteine und war gern bereit, damit die Arbeit anderer zu unterstiitzen. Aufier den vorstehend genannten Arbeiten hat H. noch zwei Schulbiicher verdffentlicht, die sich durch geschickte Auswahl des Stoffes und durch sachkundige Erkl&rung aus- zeichnen : Correspondence de Fridiric le Grand avee Volfaire und Taine, Origines de la France contemporaine. (Rengerscher Verlag in Leipzig, erste Auflagen 1889 u. 1891.)

Mehr noch als durch seine Schriften wirkte H. durch seine in hohem Grade liebenswerte, herzhafte PersSnlichkeit und durch den unversieglichen Humor, der ihn auch in den schwersten Priifungen und bei langer schmerz- hafter Krankheit nicht verliefl. H. war zugleich musikalisch und poetisch begabt. Was er dachte und fiihlte gestaltete sich ihm leicht zu dichterischer Form. Seine sangbaren Lieder und die zahlreichen Gedichte, die zum Teil scherzhafter Art waren, wlhrend sich in andern tiefes religiOses Gefiihl aus- sprach, hat er in bescheidener Auffassung ihres Wertes niemals verdffentlicht, sondern nur seinen Freunden zuganglich gemacht. Einige Lieder aus seiner Studentenzeit werden in der Landsmannschaft, welcher er damals angehorte, noch jetzt allj&hrlich bei grSfleren Festlichkeiten gesungen.

Paul Goldschmidt.

Goose, Sophus, Dr., Justizrat, * 30. Juni 1839 in dem oldenburgischen St&dtchen Neuenburg, f 14. Mai 1903 in Essen a. Ruhr. G. studierte zuerst in Berlin, dann ging er nach Heidelberg, wo er aufier juristischen auch ge- schichtliche Vorlesungen h5rte und sich an Ludwig Haeussers historischen Obungen beteiligte. Wahrend der Ferien trieb er in Munchen Kunstgeschichte mit Alfred Woltmann, der damals selbst noch Student war, bald aber als Kunstforscher und Kunsthistoriker sich einen grofien Namen erwarb. Nachher besch&ftigte sich G. in Leipzig und dann wieder in Berlin mit juristischen und volkwirtschaftlichen Studien.

Zwei wissenschaftliche Arbeiten seiner Jugendzeit fanden vielfachen Bei- fall. Seine Doktor- Dissertation liber die rechtlichen Wirkungen des Zufalls (De casu quaedam observations . Berlin 1866), wurde von ihm auf Iherings Wunsch etwas erweitert in deutscher Sprache ausgearbeitet und so in die Jahrbiicher fur Dogmatik des Rechts (Februar 1868) aufgenommen. Die zweite Schrift ging aus der Praxis des Vorbereitungsdienstes an einem oldenburgischen Ge- richtshofe hervor. G. hatte eine Sache zu bearbeiten, in welcher der Richter nach dem oldenburgischen Strafgesetz auf Landesverweisung erkennen wollte. G. machte indessen geltend, dafi dies nach der eben in Kraft getretenen Ver- fassung des norddeutschen Bundes gegen Angehftrige eines anderen Bundes- staates nicht zul£ssig sei. Seine Ansicht fand die Zustimmung des obersten Gerichtshofes und wurde dann, als G. sie auch in der Offentlichkeit vertrat (Holtzendorffs Allgemeine Deutsche Strafrechtszeitung, Juli 1868), von alien Seiten als zutreffend anerkannt. Hervorragende Fachm&nner rieten ihm, sich ganz der juristischen Wissenschaft zu widmen und sich an einer Universitat zu habilitieren. G. aber zog die Praxis vor. Er glaubte, eine mehr praktische als wissenschaftliche Begabung zu haben, wollte indessen nicht fur sich selbst als Kaufmann t&tig sein, sein Ideal war vielmehr als Beirat grofier kauf-

Goose.

229

minnischer Unternehmungen, gewissermafien, wie er sich ausdriickte, als ihr tjuristisches Gewissen* zu wirken.

Er wurde im Dezember 1868 Anwalt am Amtsgericht Oberstein im olden- burgischen Fiirstentum Birkenfeld, Ostern 1870 kehrte er nach Berlin zuruck als stellvertretender Direktor der von der New-Yorker Lebensversicherungs- Gesellschaft Germania neubegriindeten europaischen Abteilung. Zwei Jahre spiter, im April 1872, siedelte G. nach Essen uber, um in die »Prokura« der Firma Friedrich Krupp einzutreten. Herr Alfred Krupp wiinschte sich mit Rucksicht auf sein Alter und auf den wachsenden Umfang seiner Unter- nehmungen von der unmittelbaren Leitung des Geschaftes zuriickzuziehen und iibertrug diese einem aus Technikern, Kaufleuten undjuristen bestehenden Kollegium, das damals »Prokura«, spater zutreffender »Direktorium« genannt wurde. G. ist zehn Jahre lang ein bedeutendes Mitglied dieses Kollegiums gewesen. Zunachst handelte es sich um den Ausbau und die Durchfiihrung der neuen Einrichtung fiir die Verwaltung der Werke , uqi die Ausarbeitung der dazu erforderlichen organisatorischen Bestimmungen und Regulative. Seine Einwirkung beschrSnkte sich aber nicht auf das administrative und juristische Gebiet, auch an der kaufmannischen Leitung des Unternehmens ist er in hervorragender Weise beteiligt gewesen. Namentlich hat er die Verhand- lungen uber die Aufnahme einer Anleihe von 30 Millionen Mark, spater iiber die Umwandlung dieser Anleihe, ebenso wiederholt die wichtigsten Verhand- lungen mit den Regierungen auswartiger Staaten persdnlich gefiihrt. Zeit- weilig konnte er wohl als der Mittelpunkt der »Prokura«, als der eigentliche Leiter des Unternehmens angesehen werden. Auf Krupps Vorschlag wurde er 1877 vom Kaiser durch die Verleihung des Titels Justizrat ausgezeichnet. Spater stimmten seine Ansichten nicht ganz mit denen Krupps Uberein, er zog sich deshalb etwas zuruck und schied 1882 bei dem Ablauf seines zehn- jahrigen Kontraktes aus, um sich als Rechtsanwalt in Essen niederzulassen, blieb aber sowohl mit der Familie wie mit dem Geschafte Krupps in naher Verbindung. Noch 1890 wurde er von Herrn Krupp, der damals als einziger Wahler erster Klasse in seiner Abteilung drei Mitglieder der Stadtverordneten- Versammlung zu ernennen hatte, mit einem dieser Mandate betraut.

Auch als Rechtsanwalt fand G. sehr schnell ein ausgedehntes Arbeitsfeld, sein Rat wurde von vielen Seiten in Anspruch genommen, er wurde jetzt in der Tat, wie er in der Jugend gewunscht hatte, der Vertrauensmann zahl- reicher gewerblicfier Unternehmungen, der Syndikus grofier wirtschaftlicher Vereine.

Schon wahrend seiner Tatigkeit bei Krupp war G. Mitglied der Essener Handelskammer geworden und von dieser als ihr Vertreter zu den deutschen Handelstagen geschickt worden, war er in den Vorstand des Vereins der deutschen Eisen- und Stahlindustriellen, in den Ausschufl des Vereins zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen von Rheinland und Westfalen gewahlt worden. In diesen und vielen anderen wirtschaftlichen Vereinigungen hat er mitgewirkt an den Bemuhungen, die Regierung fiir den Cbergang zum Schutzzollsystem zu gewinnen und ist er mit Erfolg fiir eine sozialpolitische Gesetzgebung tatig gewesen.

Der gewinnende Eindruck seiner schlichten und liebenswiirdigen Persdn- lichkeit wurde verstarkt durch seine vielseitige fachmannische Erfahrung, durch

23O Goose. Wittstock.

rasche Auffassung sowohl kaufm&nnischer und juristischer als auch technischer Fragen, durch Klarheit im schriftlichen wie im miindlichen Ausdruck. Sein auf seelischer Harmonie beruhender gesunder Humor, die ihm eigene ruhige Sachlichkeit machten ihn ebenso zum gewandten Geschaftsmann wie auch zum guten Gesellsch after. Allerdings ist er in grdfieren Versammlungen niemals als Redner aufgetreten, seine Einwirkung machte sich vornehmlich geltend in den Beratungen der Ausschiisse, in der Formulierung von Antragen, in den Verhandlungen mit den leitenden M&nnern der einzelnen Parteien. Gerade im persfinlichen Verkehr war sie oft von entscheidender Bedeutung.

Paul Goldschmidt.

Wittstock, Albert, Pfidagog und Dichter, * 20. August 1837 in Wuster- hausen a. d. Dosse (Mark Brandenburg), f 16. Januar 1903 in Leipzig. Seinen Vater, einen Landwirt, verlor er schon im Alter von sechs Jahren. Zwei Jahre spater verkaufte dip Mutter ihr Besitztum, zog nach Neuruppin und wurde hier in zweiter Ehe die Gattin des Kaufmanns Wirth. Albert absolvierte das dortige Gymnasium und stand nun vor der Wahl eines Berufs, die um so schwerer war, da er inzwischen auch seine Mutter verloren hatte und die Vermdgenslage seines Stiefvaters in bedenkliche Schwankungen geraten war. Aber kurz entschlossen ging er nach Berlin, um sich an der dortigen Univer- sitat erst theologischen, dann aber vorwiegend philologischen Studien zu widmen. Als Frucht der ersteren kann seine grftfiere Dichtung »Golgatha« (1859) angesehen werden. Nachdem W. 1859 *n Berlin vor der Priifungs- kommission sein Examen als Lehrer an hdheren Schulen bestanden, folgte er i860 einem Rufe als Lehrer am deutsch - evangelischen Gymnasium nach Oedenburg in Ungarn, wo er ein Jahr blieb, ging dann als Hauslehrer nach Wien, wo er auch an Schuselkas »Reform« mitarbeitete und 1862 die »Jahr- biicher fur das evangelische Schulwesen in Osterreich« herausgab. Darauf kehrte er nach Deutschland zuriick, erwarb sich die Wurde eines Dr. pML wirkte zunachst als Gehilfe Gaspeys an dessen englischem Institut in Heidel- berg und seit 1865 als Lehrer an einer h5heren Burgerschule in Frankfurt a. M. Da zu jener Zeit die neuere Philologie an den deutschen Hochschulen nur sehr durftig vertreten war, so fafite W. den Entschlufl, sich hierin tiichtig auszubilden, um dann die akademische Laufbahn einzuschlagen. Er ging deshalb 1866 als Lehrer an die Institution Internationale in Genf, 1867 nach London und 1868 nach Paris, wo er an der Schule St, Thomas d'Aquin wirkte und an der Universit&t eingehende Studien der franzosischen Sprache betrieb. Bei Ausbruch des deutsch-franzdsischen Krieges kehrte er nach Deutschland zuriick, wurde 1870 Rektor in PSfineck inThiiringen und 1872 Schuldirektor in Reudnitz bei Leipzig. Trotz seiner groflen Arbeitslast er hatte mehrere Jahre hindurch eine Realschule, eine Volks- und Burgerschule und eine Fort- bildungsschule gleichzeitig zu leiten fand er doch Zeit, seine p&dagogischen Erfahrungen in einer Reihe wertvoller Werke und Schulschriften niederzulegen, unter denen hervorzuheben sind: »P£dagogische Wanderungen« (1879), »Ge- schichte der deutschen Padagogik« (2. Aufl. 1887), »Lessings Erziehung des Menschengeschlechts als p&dagogisches System« (1887), »Die Erziehung im Sprichwort« (1888), »Die grofie ethische Stromung in unseren Tagen« (1892), »Das asthetische Erziehungssystem« (1896), »Erziehungsaufgaben in unserer

Wittstock. Zastrow. 2 3 1

Zeit« (1899), »Franz6sische Sprachlehre fiir den formal bildenden UnterrichU (2. Aufl. 1883), »Einfuhrung in die englische Sprache« (1878)', » The Ancient Classics. Englisches Lesebuch« (1880) u. a. Nebenher gingen dann auch einige poetische Arbeiten, wie »Der Turm zu Babel « (Drama 1875), »Die Bine* (Idylle a. d. Mark Brandenburg, 1892) und »Reimspruchbuch der deut- schen Volksweisheit« (1899). Im Jahre 1888 war W. in den Ruhestand getreten and nach Leipzig iibergesiedelt. Der Herzog von Meiningen ehrte ihn 1901 durch Verleihung des Titels »Hofrat.« Zwei Jahre nach seinem Tode (1905) erschienen seine nachgelassenen Gedichte unter dem Titel »Das Hohelied der Natur«.

Personliche Mitteilungen. Unterhaltungsblatt zum »Kreisblatt ftir das Westhavellandc Tom 4. Januar 1885. Das literarische Leipzig 1897, S. 131.

Franz Briimmer.

Zastrow, Karl {rede Hermann), Jugendschriftsteller, * 11. April 1836 in Prenzlau, fg. Februar 1903 in Berlin. Sein Vater, aus dem Milit&rstande hervorgegangen, bekleidete spater ein kleines Amt bei der Post. Der talent- voile Knabe erhielt den ersten Unterricht in der Garnisonschule zu Prenzlau und trat nach seiner Konfirmation eine Beschaftigung in der dortigen Magistrats- kanzlei an, wo er sich der besonderen Gunst des bekannten Oberbiirger- meisters Grabow zu erfreuen hatte. 1854 trat er als Freiwilliger in das 2. Garderegiment zu FuB in Berlin ein, wurde nach zwei Jahren Unteroffizier und Bataillonsschreiber und arbeitete, um sich fiir die Zahlmeisterlaufbahn vorzubereiten, in seinen dienstfreien Stunden beim Rechnungsfiihrer oder er nahm Unterricht in den fremden Sprachen und der Mathematik. Infolge einiger Gelegenheitsgedichte erfreute er sich des besonderen Interesses der Offiziere seines Bataillons und erlangte durch ihre Vermittelung Zutritt in manchen gebildeten Kreis. Er horte Vorlesungen iiber Philosophic und Geschichte und benutzte auch die KOnigliche Bibliothek in Berlin. Nach Beendigung seiner Milit£rdienstzeit hatte er vor, sich dem Lehrfach zu widmen. Doch entschlofl sich Z. sp£ter, eine Stellung bei der Niederschlesisch-M&rkischen Eisenbahn anzunehmen. 1862 gab er unter dem Titel »Traum und Leben« seine Poesien heraus. Das darin enthaltene Marchen »Arthur« bewog einen angesehenen Buchhandler Berlins, Z. zur Abfassung eines Marchenbuchs fiir die Jugend aufzufordern. Bald erschienen denn auch »Aus der Marchenwelt« (1863) un^ »Ernst und Scherz fiirs Kinderherz« (1865), und damit war sein Beruf als Jugendschriftsteller entschieden. An 100 Biicher hat er seitdem fiir die Jugend geschrieben. Auflerdem auch Novellen (»Zwei Seelen«, 1868 »Nachtviole«, 1870 »Schneeglockchen«, 1869), Romane wie (»Mifiverstand- nisse«, II, 1873 "Die Klarinette als Talismann% II, 1874 »Im graflichen Hause«, 1878 »Leidenschaftliche Herzen«, 1870 »Ein Familiendrama«, 1879), Schwanke, Lustspiele und Humoresken flossen aus seiner Feder. In seinem Berufe, zuletzt als Eisenbahnbetriebssekretar, war Z. bis zu seinem Tode tStig.

Perstfnliche Mitteilungen. Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 1415. Wrede und Reinfels: Das geistige Berlin. Bd. I, 1897, S. 584.

Franz Briimmer.

232 Schneider.

Schneider, Wilhelm, Koniglich bayerischer Hofschauspieler und Regissear, * 19. September 1847 in St. Petersburg, f 17. Oktober 1903 auf Ludwigshohe bei Miinchen. Sch. war der Sohn eines deutschen Buchhandlers, der, wie nicht wenige seiner Berufsgenossen, nach Petersburg verschlagen worden war. Als der Vater friih gestorben, kehrte die Mutter in die schlesische Heimat, nach Neisse, zuriick. Der junge Sch. zeigte schon auf dem Gymnasium Biihnen- talent, noch mehr aber Begeisterung furs Theater und spielte als Gymnasiast dem gerade durchreisenden Dawison etwas vor. In Breslau, auf der Universitat, ist diese Neigung dann machtig gewachsen und hat endlich zur Entscheidung gefiihrt. An Alfred von Wolzogen, den damaligen Intendanten des Schweriner Hoftheaters empfohlen, erhielt Sch. dort sein erstes Engagement, nachdem er bei Emil Neumann, dem Dramaturgen des Friedrich Wilhelmstadtischen Theaters theoretische, auf einem Dilettantentheater Urania praktische Studien getrieben hatte, zwei Monate in Liebau (Kurland) gespielt und aus dem deutsch-franzftsischen Kriege heil in die Heimat zuriickgekehrt war. In Be- nedix' Aschenbrddel betrat er als jugendlicher Liebhaber zum erstenmal die Schweriner Hofbiihne. Die dort verlebten sieben Jahre zahlte er zeitlebens zu seinen gliicklichsten. Herr von Wolzogen ward ihm ein hochverehrter kiinstlerischer Erzieher und Gflnner. Er und sein Schiller muBten aber bald erkennen, dafl die imposante Erscheinung Sch.s ihn mehr zum Heldenvater geeignet erscheinen lasse, und so machte er denn sehr friih schon (als Leopold in Anna-Liese) den Cbergang in dieses Fach, dem er nun treu blieb. Vom August 187 1 bis zum 1. Mai 1878 war er in Schwerin glucklich, um dann nach einem erfolgreichen Gastspiel als Odoardo in Emilia Galotti und Alba (Egmont) nach Miinchen zu ziehen, das er nicht mehr verlassen sollte. Schon 1881 wurde Sch. zum Regisseur des Hofschauspiels ernannt. Am 20. Mai 1903 feierte er unter grofien Ehren das Fest seiner 25jahrigen ZugehOrigkeit zum Miinchener Hoftheater als schwerkranker Mann. Von diesem Tage an, der ihm viele Aufregungen, wenn auch der freudigsten Art, gebracht hatte, ging es schlechter. Ein langerer Urlaub konnte nichts mehr bessern. Am 28. August desselben Jahres spielte er zum letztenmal den Thoas, am 1. Sep- tember trat er ahnungslos zum letztenmal als Stiftsherr in Philippis »Groflem Licht« auf es war sein 4125. Abend und am 17. schlief er, nachdem die Arzte durch alle mSglichen Experimente seinem tiickischen Leiden bei- zukommen getrachtet hatten, mit den in Prosa iibersetzten Schluflworten seines Wallenstein: »Nun will ich noch ein bischen schlafen!« still und fiir immer ein. Seine Freunde hatten schon lange vorher mit Besorgnis den rapiden Verfall seiner stattlichen Gestalt, seine immer haufiger auftretenden Gedaditnisschwachen, die sich in oftmaligem Versprechen auflerten, mit angst- licher Sorge bemerkt. Sch. hatte schon in Schwerin die Schauspielerin Emilie Hennies geheiratet und sich spater in LudwigshGhe, einem Vorort Munchens, eine Villa gebaut, an der er mit verh&ngnisvoller Freude hing. In seiner Doppeleigenschaft als vielbeschaftigter Schauspieler und als Regisseur war er immer unterwegs und konnte sich wenig Ruhe gflnnen, und als nun gar seine Tochter Elisabeth, sein einziges Kind, zum Theater ging und er es glucklich durchgesetzt hatte, dafi sie nach einem Jahre schon von Schwerin, wo auch sie debiitiert hatte, ans Miinchener Hoftheater kam, gingen seine Sorgen nicht mehr aus: er hatte nun Ehrgeiz fiir zwei und litt unendlich

Schneider. Bausewein. 233

outer der natiirlich minder allgemeinen Anerkennung, welche die weit weniger begabte Anfangerin an der St&tte seiner T&tigkeit fand. Neben der grdfiten Freude, mit seiner Tochter zu spielen, standen hart diese Enttauschungen und nur seltene Ruhepausen in seinem geliebten Familienheim. Sch.war ein iiberaus intelligenter und fleifliger Schauspieler. Mit einer wahren Heldenfigur begabt, war er eine urdeutsche Erscheinung, eine Eiche, die alle uberragte und schon deshalb unwillkurlich imponierte. Mehr von norddeutscher Kiihle, ersetzte er, was ihm an fortreiBendem heifiem Kiinstlertemperament mangelte, durch uberzeugende Kraft und Bestimmtheit des Ausdrucks, der durch ein prachtiges sonores, kaum zu ermiidendes Organ getragen war. Er verdarb nie eine Rolle, erfreute selbst in humoristischen Chargen und ist stets eine wahre Stiitze des Repertoires gewesen. Seine besten Leistungen waren u. a. : Giitz, Wallenstein, Lear, Odoardo Galotti, Verrina, Meister Anton und besonders der ErbfSrster, als welcher er noch kurz vor seinem Tode die Freude hatte, sich mit seiner Tochter den Berlinern in einem Miinchener Ensemblegastspiel zeigen zu kdnnen.

Biographien Sch. sind in »Ludwig Eisenbergs Biographischem Lexikon der Deutschen Bfihnec und im » Theater- Aim an ach der Deutschen BtthnengenossenschafU (16. Jahrgang 1905) erschienen.

Miinchen. Alfred Frhr. v. Mensi.

Bausewein, Kaspar, Kflniglich bayerischer Hofopern- und KammersSnger, * 15. November 1838 zu Aub bei Ochsenfurt in Bayern, f 18. November 1903 in Miinchen. B. war der Sohn eines armen Schneiders in dem fr&nkischen Stadtchen Aub, und Schneider sollte auch der kleine Kaspar werden. Aber er wollte nicht. Er wollte hoch hinaus: er hatte studieren mogen. Schweren Herzens schickten ihn die Eltern nach Wiirzburg ins Lehrerseminar, wo er gar fleifiig studierte und die besten Anlagen zeigte. Seine musikalischen F&higkeiten zogen aber die Aufmerksamkeit des Schulrats Marschall auf ihn, und dieser veranlafite ihn, sich in Miinchen von Franz Lachner priifen zu lassen. Als mit der ersten Note absolvierter Seminarist, aber blutarmer Teufel ging B. zu Lachner, der von seiner Bafistimme so iiberrascht und entziickt war, dafi er ihn sofort dem Intendanten des Hof theaters empfahl. B. kam so in den Opernchor; er wollte aber Solosanger werden und so ging er zum beriihmten Tenor Dr. Hartinger, der sich von der Biihne zuriickgezogen hatte, aber als Gesanglehrer sehr gesucht war. Am 1. Oktober 1858 war B. fur die Miinchener Oper engagiert worden, und der Sarastro war seine erste Solo- rolle. Nun ging es rasch aufwarts. Musikalisch durch und durch, beherrschte B. das ganze seriflse und Buffoba&fach, war Meister im Contrapunkt, spielte Klavier, Harmonium, Orgel, Cello, Violine und Guitarre und blieb dabei als das niitzlichste Mitglied der Oper mit einer l&cherlich kleinen Gage der Miinchener Oper treu bis zum letzten Athemzuge: das Muster eines bescheidenen, selbstgeniigsamen und ehrlichen Kunstlers, der keinen Feind hatte und an innerem Wert die meisten seiner gefeierten und besser bezahlten Berufsge- nossen weit iibertraf. B. war der erste Pogner in den Meistersingern , der erste Fafner im Rheingold, der erste Hunding in der Walkiire. Die An- strengungen der groflen Wagnerauffiihrungen in den siebziger Jahren trugen ihm zwar Ruhm, aber auch eine Stimmbandererkrankung ein, an der er fast

234 Bausewcin. Stenglein.

zwei Jahre zu leiden hatte. Er ging nun langsam ins BaBbuffofach liber, in dem er bis zuletzt keinen Rivalen hatte und in dem er auch heute nocb unersetzt geblieben ist. Ein schOner Charakterkopf auf einer derben guten Figur, musterhafte Aussprache, grofies Spieltalent und ein kttstlicher, feiner Humor pridestinierten ihn ganz besonders fiir diesen Rollenkreis. B. sprang aber, stets hilfsbereit, immer noch in seri6sen Bafirollen ein fiir beurlaubte oder kranke Kollegen und begehrte fiir sich niemals einen besonderen Urlaub. Sein Biirgermeister in Zar und Zimmermann, sein Basilio im Barbier von Sevilla, sein Leporello, Rocco, Kaspar und Marcell waren bis zuletzt einzig. In Fra Diavolo nahm er es war ein trauriges Familienfest 1900 seinen Abschied von der Biihne nach allgemeinem Urteil viel zu friih. Aber er sah fast nichts mehr. Der bekannte Augenarzt Herzog Carl Theodor operierte ihn in Tegernsee gliicklich am Staar, und am Tegernsee hatte sich B. auch ein kleines LandhSuschen erbaut. Es war ihm nicht lange vergonnt, es im Kreise der Seinen zu geniefien: ein schweres Leberleiden rifl diesen Pracht- und Kemmenschen rasch auf die Bahre: am 18. November 1903 nahte ihm der Tod als Erlftser aus schweren Leiden. Er war lange vorher durch den Kammersangertitel und durch die Verleihung der Goldenen Medaille fur Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet worden.

Biographien: in »Ludwig Eisenbergs Biographischem Lexikon der Deutschen Btihnec, im 16. Jahrgang, 1905, des »Theater-Almanachs der Deutschen BUhnengenossenschaft« und im Almanach der KQnigl. Hoftheater in Mttnchen (1904 mit Bild).

Miinchen. Alfred Frhr. v. Mensi.

Stenglein, Melchior, Reichsgerichtsrat a. D., *4. Oktober 1825 zu Bam- berg, f8. Juli 1903 zu Tegernsee. In St. verlor die deutsche Strafrechts- wissenschaft einen ihrer tiichtigsten und freimiitigsten Vertreter, einen Mann von grofiem Scharfsinn nnd von Vielseitigkeit, von einer fast unbegrenzten Arbeitskraft und Arbeitsfreude. Sein Vater war der in der Verwaltungskarrtere schliefllich zum Regierungsprasident von Oberfranken in Bayreuth empor- gestiegene Staatsrat und Exzellenz St., seine Mutter (die er schon im Alter von zwei Jahren verlor) eine geb. von Kammerlohr, von der die einzige Schwester stammte, verheiratet mit dem Appellationsgerichtsrat von Enhuber. Nach zehnjahrigem Witwerstande heiratete der Vater in zweiter Ehe Frei- fr&ulein Marie von Egloffstein, die bis zu ihrem Tode im Alter von 92 Jahren einen grofien, wohltStigen Einflufl auf den sie kindlich verehrenden Stiefsohn ausubte. Der Vater starb 68 Jahre alt. Der Sohn studierte in Heidelberg und Wiirzburg die Rechtswissenschaft, trat 1. Mai 1849 in den bayerischen Justizdienst, wurde 1854 Staatsanwaltssubstitut, 1857 zweiter Staatsanwalt in Passau, 1864 erster in Miinchen, 1868 Appellationsgerichtsrat und vortragender Rat im Justizministerium, nahm 1872 seinen Abschied und amtierte bis 1879 als Rechtsanwalt in Miinchen. Von 1863 bis zum 30. September 1879 gehdrte er der bayerischen Abgeordnetenkammer an, und zwar bis 1869 als Mitglied der grofldeutschen liberalen Partei, von da an der vereinigten liberalen Partei. Er verfaflte den ersten Entwurf des Gesetzes vom 30. Januar 1868 iiber die Wehrverfassung, das in Bayern die allgemeine Wehrpflicht einfiihrte und war Berichterstatter des Ausschusses iiber das Militarstrafgesetzbuch und die Militarstrafgerichtsordnung. Auch war er 1873 bis 1876 Mitglied des Reichs-

Stenglein. 235

tags, in dem er der nationalliberalen Partei angeh6rte. Fur die von C. F. Doll- mann herausgegebene»Gesetzgebung des Kbnigreichs Bayern seit Maximilian II. « gab er in Teil III Bd. I Heft 3 das Gesetz vom 28. Marz 1852 betr. die gewerbs- mafligen Gutszertriimmerungen i860 heraus, sowie 1868 in Teil II Bd. V das Gesetz vom 30. Januar 1868 betr. die Wehrverfassung und 1870 in Teil I Bd. IV Heft 4 das Gesetz vom 23. Februar 1868 betr. die AblSsbarkeit der auf Grund und Boden haftenden oder mit einer Gewerbsrealitat verbundenen Ehe- haftsverh&ltnisse, sodann einen »Kommentar uber das Strafgesetzbuch fiir das Konigreich Bayern und das Gesetz uber die Einfiihrung des Strafgesetz- buches und des Polizeistrafgesetzbuches in 2 Teilen«, Munchen 1861 62, liefl auch von 1862 bis 1879 eine »Zeitschrift fiir die Gerichtspraxis und Rechts- wissenschaft in Bayern« erscheinen, um fiir die durch die neue Gesetzgebung uber Strafrecht und StrafprozeB hervorgerufenen Fragen einen Sprechsaal zu eroffnen. Vorangegangen war eine wertvolle »Sammlung der deutschen Straf- gesetzbiicher* in 13 Bandchen, Munchen 1857. Im Jahre 1855 heiratete er in Bayreuth Fraulein Emma von Regemann, Tochter des Rittergutsbesitzers und Kdniglich bayerischen Hauptmanns a. D. Herrn v. R. und seiner Ehefrau geb. Freifraulein Riihle von Lilienstern. Aus dieser sehr gliicklichen Ehe stammen zwei Sohne und eine Tochter Marie, seit 1881 verheiratet mit Prof. Dr. Edm. Leser in Halle. Vom 1. Oktober 1879 an war er bis Ende 1888 Reichsanwalt unter von Seckendorff und Dr. Hermann Tessendorff, dann wurde er 1. Januar 1889 Reichsgerichtsrat und amtierte bis Ende 1897, trat dann in den Ruhe- stand und verlegte seinen Wohnsitz nach Halle. Er iibernahm die Redaktion des »Gerichtssaales« von Bd. XLII an und fiihrte sie bis Bd. LXII; selbst schrieb er darin die meisten Kritiken mit lebendigster Feder und quellender Frische wesentlich vom Boden der sogenannten klassischen Schule aus, doch immerhin manchem Neuem grSfites Interesse und Verstandnis entgegen- bringend. Von seinen vielen wertvollen Beitr£gen fiir diese Zeitschrift (vgl. das Verzeichnis von Dr. jur. Georg Maas, Bibliothekar im Reichsmilit&rgericht S. 105 s. h. v.), sei nur der letzte grofle Beitrag genannt »Zur Reform der St. P. 0.« in Bd. LXII, 241 288, 321 361. Daneben war er vielfach tatig bei Heraus- gabe der »Deutschen Juristen-Zeitung«, die er mit Prof. Dr. Laband und Rechts- anwalt Dr. Staub 1896 gegriindet hatte, in Gutachten fiir die Verhandlungen des Deutschen Juristentages (vgl. IX, I 1 15, XIV, I2 89 98; XIX, II, 249 258; XXII, I, 108—122; XXIV, I, 90—106; XXVI, I, 56—62), bei der Zeitschr. f. d. ges. StRW. von v. Liszt (vgl. HI, in 143 Gliicksspiel und Wette, IV, 487 498 Begiinstigung und Beihilfe zur Selbstbefreiung). Nur seine fast unbegrenzte Arbeitskraft und seine grosse Arbeitsfreude machten es mciglich, dafl er eine Reihe grofier Arbeiten bald aufeinander veroffentlichen konnte, so »Die Straf- prozeB -Ordnung fiir das Deutsche Reich vom 1. Februar 1897 nebst dem Gerichtsverfassungs-Gesetz vom 27. Januar 1877 und den Einfuhrungsgesetzen zu beiden Gesetzen,« NOrdlingen 1885, 2. Aufl. 1889; »Lehrbuch des Deutschen Strafprozefirechtes«, Stuttgart 1887; Riidorffs Kommentar zum Strafgesetzbuch fur das Deutsche Reich, 3. Aufl. Berlin 1881, 4. Aufl. 1892, Nachtrag 1873; die grofle Arbeit »Die strafrechtlichen Nebengesetze des Deutschen Reichs« (mit Dr. H. Appelius und Dr. G. Kleinfeller) , Berlin 1893, 2. Aufl. von St. allein 1895 98, 3. Aufl. 1901 03; daraus besonders »Die Post-, Bahn- und Tele- graphengesetzgebung des Deutschen Reichs«, 2. Aufl. und »Die Reichsgesetze

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zum Schutz des geistigen und gewerblichen Eigentums«, 3. Aufl.; »Lexikon des Deutschen Strafrechts nach den Entscheidungen des Reichsgerichts* in 2 Banden, Berlin 1900, Nachtrag von Reichsgerichtsrat Galli 1904; »Kommentar zur Militarstrafgerichtsordnung vom 1. Dezember 1898 nebst dem Einfiihrungs- gesetz, den Nebengesetzen und den Ausfuhrungsvorschriften«, Berlin 1901. In juristischen Tagesfragen, die die offentliche Meinung erregten, nahm er frei- miitig das Wort und dies war oft recht scharf, so jugendfrisch, wie es bei alteren Leuten nicht haufig angetroffen wird. So konzentrierte sich sein In- grimm auf das Institut der Gerichtsherrn im Militarstrafprozefi, fiir ihn ein Uberbleibsel der mittelalterlichen Landsknechte; daher auch seine leiden- schaftliche Abneigung gegen die Hineinziehung militarischer Gesichtspunkte in die Fragen objektiver Gerechtigkeit in mehreren Aufsatzen zum Krosigk- prozefi gegen das Verhalten des Generalleutnants von Alten und den Geheimen Kriegsrat Cr. Romen, wahrend er dann einen Aufsatz von Dr. A. Briickmann ohne weiteres in den »Gerichtssaal« aufnahm und diesem allerdings eine lange Entgegnung beifiigte (Bd. 60 S. 13 iff.)- Fur eine weise Beschrankung der An- erkennung des Satzes ^ignorantia juris noceH trat er noch kurz vor seinem Tode (»Dtsch. Jur.-Ztg.« 1903 S. 330) ein. Neben der Jurisprudenz zog ihn die Ge- schichte der neueren Zeit und das Studium der Kunst am meisten an, wie er denn in Munchen viele Beziehungen zu befreundeten Kunstlern eifrig pflog. Mit dem russischen Hofmaler von Kotzebue war er besonders eng verbunden und konnte unter dessen Fiihrung tagelang sich an den Schatzen des Louvre ergotzen. Er war ein grofler Naturfreund und machte deshalb ofters Reisen in Gemeinschaft mit seiner Gattin, auf denen er von den Strapazen der Schreib- tischarbeit sich erholte. Er liefi sein Licht nicht gem vor den Leuten leuchten; im Stillen trat er fur die heiligsten Guter der Menschheit ein, wirkte an der Spitze eines Vereins zur Bekampfung der Unsittlichkeit; stets hilfsbereit, wuBte er doch Grenzen zu ziehen in seiner groflen Herzensgute, so dafi Unwiirdige nicht an ihn herankamen. Seine letzten Lebensjahre wurden getriibt durch die Fortschritte einer tiickischen Krankheit, der er in Tegernsee erlag. Seine Asche ruht in Jena. Seine Verdienste waren geehrt worden seitens der Juristenfakultat in Erlangen durch Verleihung des Ehrendoktorats 1893, das Comthurkreuz des K. sachs. Albrechtsordens 1892 und den Roten Adlerorden II. Kl. mit Eichenlaub 1897.

Nekrolog von Otto Liebmann (^Deutsche Juristen-Zeitung« 1903 Nr. 15. vom I.August mit Bild, auch vor Nr. 17/18). Gef. Mitteilungen der Witwe und des Herrn Prof. Dr. Edm. Leser in Halle. »Die ersten 25 Jahre des Reichsgerichts* (Sonderheft des Sachsischen Archivs fUr Deutsches BUrgerliches Recht). Leipzig 1904. S. 26, 42, 71, 109, 111, 137. A. Briick- mann in der Zeitung »Der Tag« vom 1. Juli 1903. >Leipziger Tageblatt« (dessen treuer Mitarbeiter St. lange Jahre hindurch war) vom 10. Juli 1903. Dr. Georg Maas, die Arbeit des Deutschen Juristentages an der Reform des Strafrechts sett dem Inkrafttreten des Reichsstrafgesetzbuchs (Verh. d. 27. J.-T. Ill, 1904, S. 210, 239, 241, 243). Thomsen, Gesamtbericht fUr i860 1885, Berlin 1885, S. 125, 129, 131, 157, 160, 162, 165, 166, 172, 178, 181, 184, 192. Krit. Vierteljahresschrift XLIV 226—232. Zarnckes Lit. Centralblatt 1902, Sp. 330, 438. Zeitschr. f. d. ges. Strafrechtswissenschaft XXII, 430. Ktlrschners Literatur-Kalender auf das Jahr 1902, S. 1395. Zeitschr. f. d. ges. Staats- wissenschaft L, 377 (Register fur Bd. 1— 60 1 Beilage zu Bd. 61, S. 60). Zeitschr. ftir Deutsches BUrgerliches Recht und franzosisches Zivilrecht XXXV 126.

A. Teichmann.

Starke, von Manteuffel.

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Starke, Wilhelm Gustav Karl, vortragender Rat im Justizministerium zu Berlin, * 26. Februar 1824 in Lauban i. Schl., f 10. Marz 1903 zu Berlin, Sohn des Geheimen Justiz- und vortragenden Rats St. im Justizministerium zu Berlin, besuchte die Universitaten Berlin und Heidelberg, um die Rechts- wissenschaften zu studieren, wurde am 21. Marz 1849 Assessor, 7. Marz 1851 Staatsanwalt in Lauban, 12. Januar 1870 Kammergerichtsrat, 6. Dezember 1873 Geheimer Justiz- und vortragender Rat im Justizministerium, 24. Dezember 1876 Geheimer Ober-Justizrat, 1883 juristischerEhrendoktor der Fakultat in G6ttingen, feierte 2. Oktober 1893 sein Jubilaum und wurde am 1. Oktober 1896 mit dem Charakter als Wirklicher Geheimer Ober-Justizrat, Rat I. Kl. pensioniert Er wurde geehrt durch Verleihung des belgischen Leopoldordens (Kommandeur- kreuz) 1877, des japanischen Ordens von der »Aufgehenden Sonne« II. Kl. 1882, des Komthurkreuzes mit dem Stern des Franz Josefsordens 1883, mehrerer preuflischer Orden, zuletzt des Sterns zum Roten Adlerorden II. Kl. mit Eichen- laub 1893 und des Kommandeurkreuzes II. Kl. mit Eichenlaub des Ordens vom Zah ringer Ldwen und des Sterns zu demselben Orden. Als Dezernent und aufieramtlich machte er sich verdient um die Besserungsfiirsorge fiir ent- lassene Strafgefangene und das Gefangniswesen. Wertvoll ist sein auf eigenen im Lande gemachten Studien beruhendes Werk »Das belgische Gefangnis- wesen. Ein Beitrag zu den Vorarbeiten fiir die Gefangnisreform in Preuflen,« Berlin 1877. Weniger befriedigt das spatere Werk »Verbrechen und Ver- brecher inPreuflen 1854 1878. Eine kulturgeschichtliche Studie,« Berlin 1884. Unter seiner Leitung nahm das Heimathaus fiir Tttchter hftherer Stande einen bedeutenden Aufschwung. Seine Vaterstadt hatte ihn zu ihrem Ehrenburger ernannt.

Gef. Mittcilung aus dem Kgl. PreuB. Justizministerium. »Norddeutsche Allgemeine Zcitung* 1903, Nr. 60 v. 12. Marz. Gerichtssaal XXX, 232 235, XXXVI 388 390. Zcitschr. von v. Liszt IV 323 24, 391 414. v. Holtzendorff und v. Jagemann, H&ndbuch des Gefangniswesens 171, 275; II 380. Souvenir du III. Congres peniientiaire international, Rome 1885 p. 34. A. Teichmann.

Manteuffel, Rudolf von, General leu tnant, * 4. Juni 181 7 zu Barwalde, Kreis Neustettin, f 27. Februar 1903 zu Charlottenburg. Nach dem Besuch des Kadettenkorps wurde M. 1834 dem 30. Infanterie- Regiment iiberwiesen, jedoch bereits am 10. Oktober 1836 zum 14. Infanterie-Regiment versetzt, wo er 1837 zum Sekondeleu tnant aufriickte. 1846 bis 1850 Adjutant und Rech- nungsfuhrer des 2. Bataillons (Bromberg) 14. Land wehr- Regiments wurde er 1851 Regimentsadjutant und 1852 zum Premierleutnant befSrdert. Zwei Jahre spater erhielt M. 1853 ein Kommando als Adjutant zur 8. Infanterie-Brigade, wurde 1855 Hauptmann und 1856 als Adjutant zum General -Kommando VI. Armeekorps kommandiert. In dieser Stellung wurde M. 1856 dem 22. In- fanterie-Regiment aggregiert und 1857 in dieses eingereiht, kam 1858 als Kompagniechef in das 10. Infanterie-Regiment und stieg 1859 zum Major auf. Bei der Reorganisation der Armee trat er zum 6. kombinierten Infanterie- Regiment, dem spateren 1. niederschlesischen Infanterie-Regiment Nr. 46 als Bataillonskornmandeur liber, stieg 1864 zum Oberstleutnant auf und ging als solcher 1866 gegen Osterreich, wo er an den Gefechten bei Nachod, Skalitz, Schweinschadel und Gradlitz sowie an der Schlacht bei KOniggratz teilnahm,

238 von Manteuffel. Senfft von Pilsacb.

bis er mit dem Kommando des zur Mainarmee gehttrenden 5. westfalischen Infanterie-Regiments Nr. 55 beauftragt wurde. Dieses konnte er noch im Gefechte bei Gerchsheim sowie bei der Beschieflung von Wiirzburg komman- dieren. 1866 wurde M. zum Oberst befOrdert, erhielt 1868 das Kommando des mecklenburgischen Fusilier- Regiments Nr. 90 und bei Ausbruch des Krieges gegen Frankreich im Juli 1870 dasjenige der mecklenburgischen 34. In- fanterie- Brigade, mit der er sich bei den Einschliefiungen von Metz, Toul und Paris, den Gefechten von Dreux, La Madeleine, Bouvet und Bellfime usw., in den Schlachten von Orleans, Beaugency und Le Mans vielfach auszeichnete. Am 18. Januar 187 1 zum Generalmajor aufgestiegen, mit dem Eisernen Kreuze 2. und 1. Klasse und vielen anderen Orden geschmiickt, trat M. 1876 zum Generalleutnant befflrdert, an die Spitze der 6. Division und wurde 1879 in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition gestellt.

Nach den Akten. Lorenzen.

Senfft von Pilsach, Hugo, K6niglich S&chsischer General der Kavallerie z. D., * 20. April 1821 zu Dresden, f27- Juni 1903 in Gttnsdorf. Nach be- endigter Erziehung im Dresdener Kadettenkorps wurde S. am 1. Januar 1839 dem damaligen 2. leichten Reiterregiment »Prinz Johann« zugeteilt, wo er noch im selben Jahre das Leutnantspatent erwarb. Von regstem Wissensdurst be- seelt, machte er in den Jahren 1846 und 1847 eine grdflere Reise durch das siidliche Europa und nach dem Orient, riickte 1849 zum Oberleutnant auf und nahm an den Straflenkampfen in seiner Vaterstadt teil. 1852 zum Ritt- meister befdrdert, wurde er zur Dienstleistung beim KOnig Johann von Sachsen kommandiert und kam i860 als Eskadronschef in das Garde -Reiterregiment. In dieser Dienststellung war S. unausgesetzt bemuht die Kavallerie aus den schwerfalligen Verhaltnissen des langen Friedensdienstes herauszubringen, frischen, frGhlichen Reitergeist zu fGrdern und nach alien Richtungen zu ver- treten. Bei der Entwickelung neuer Verhaltnisse wurde S. vielfach zu Rate gezogen, 1861 nach Bayern und Osterreich und 1862 nach Ungarn zum An- kauf von Remonten geschickt. Durch sein Beispiel reiterlicher Tuchtigkeit brachte er in der Tat auch frischeres Leben in die heimische Reiterei und konnte 1863, zum Major aufgeriickt, mit seinem Regiment nach Holstein zu den Exekutionstruppen kommandiert, die von ihm vertretene, auf rationeller Kampagnereiterei beruhende, kriegsmafiige Ausbildung in der Praxis erproben. 1865 zum Oberstleutnant ernannt, zog er 1866 als Oberst und Kommandeur des 2. Reiterregiments an der Seite der Osterreichischen Truppen gegen Preufien ins Feld und nahm an dem Gefechte bei Gitschin sowie an der Schlacht bei KOniggratz teil. Nach der Ruckkehr in die Heimat gnindete S. den Groflen- hainer Parforce-Jagdklub, wurde 1869 Kommandeur der 2. Kavallerie-Brigade Nr. 24 und im Januar 1870 Generalmajor. In dieser Stellung zog er 1870 mit seiner Brigade iiber die franzOsische Grenze und nahm an der Schlacht von Gravelotte - St. Privat , dem Reitergefecht bei Busancy, dem Gefecht von Nouart, den Schlachten bei Beaumont und Sedan, der Belagerung von Paris, an der Schlacht von St. Quentin und vielen Gefechten und Treffen riihm- lichsten Anteil. Mit dem Eisernen Kreuz 2. und 1. Klasse dekoriert, wurde S. drei Jahre nach der Ruckkehr aus dem Felde 1874 zum Generalleutnant und Kommandeur der s&chsischen Kavalleriedivision ernannt und 1887 in

Senfft von Pilsach. von Nostitz-Drzewiecki. Fuchs von Bimbach. 239

Genehmigung seines Abschiedsgesuches unter Beforderung zutn General der Kavallerie und Stellung a la suite des 2. Husaren-Regiments Kronprinz Friedrich Wilhelm desDeutschenReiches und von Preufien Nr. 19 zur Disposition gestellt. Nach >Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Nostitz-Drzewiecki, Hans Florian von, Koniglich Sachsischer General- leutnant, * 18. August 1837 zu Dippoldiswalde, f 7. Marz 1903 zu Mentone. 1854 als Fahnrich beim Garde- Reiterregiment eingetreten, riickte N. noch in demselben Jahre zura Leutnant auf, wurde 1862 zum Oberleutnant befordert und zum 3. Reiterregiment versetzt bezw. zum Generalstabe kommandiert. Im Feldzuge von 1866 focht er an der Seite der Gsterreichischen Truppen gegen Preufien und nahm mit Auszeichnung an dem Gefecht bei Gitschin sowie an der Schlacht bei Koniggratz teil. Bei der Neuordnung der sach- sischen Wehrmacht nach preufiischem Muster wurde N. zum Rittmeister und Eskadronschef befordert, focht im Feldzuge von 1870/71 in Frankreich mit seiner Truppe in den Schlachten bei Beaumont und Sedan und beteiligte sich an der Einschliefiung von Paris. In die heimische Garnison zuruck- gekehrt, wurde er 1872 Direktor der Militar-Reitanstalt und riickte 1873 zum Major auf. In diesem Dienstgrade wurde N. 1876 mit derFuhrung des Garde- Reiterregiments beauftragt, dessen Kommando er 1878 endgtiltig erhielt, in welchem Jahre ihm auch ein Patent als Oberstleutnant verliehen wurde. Weiterhin avancierte er am 1. April 1887 zum Generalmajor und Komman- deur der 2. Kavallerie-Brigade Nr. 24 und wurde 1890 als Generalleutnapt zur Disposition gestellt.

Nach den Akten. Lorenzen.

Fuchs von Bimbach und Dornheim, Reinhold Frhr., Koniglich Bayerischer Kammerer, Generalleutnant a la suite der Bayerischen Armee und Prases der Koniglich Preufiischen Artillerie-Priifungskommission, *2i. Mai 1845 zu Wiirz- burg, f 27. Juni 1903 zu Charlottenburg. Nach Besuch der Pagerie in Munchen trat F. in die bayerische Artillerie ein und wurde am 25. August 1863 zum Unterleutnant im 2. Artillerie-Regiment ernannt. In dieser Dienststellung zog er 1866 mit gegen Preufien ins Feld, erhielt 1868 die Oberleutnantssterne und nahm in diesem Dienstgrade am Feldzuge von 1870/71 in Frankreich teil, wo er sich das Eiserne Kreuz erwarb. Nach Beendigung des Krieges ver- blieb er bis 1877 bei seinem Truppenteil, in welchem Jahre F., zum Haupt- mann avanciert, in das 2. Fufiartillerie-Regiment kam. 1880 zum Referenten bei der Inspektion der Artillerie und des Trains ernannt, wurde er 188 1 zur preufiischen Artillerie-Priifungs-Kommission kommandiert und am 10. Juli 1885 zum Major befordert. 1886 wurde er unter Belassung in seinem Kommando nach Preufien etatsmafiiger Stabsoffizier im 1. Fufiartillerie-Regiment vacant Bothmer und 1887 a la suite dieses Regiments gestellt, 1888 zum Oberst- leutnant, auch 1889 mit dem Range eines Regiments-Kommandeurs bekleidet. 1891, erhielt F. das Oberstpatent, 1895 den Rang eines Brigadekommandeurs, wurde am darauffolgenden 1. April zum Prases der preufiischen Artillerie- Prufungs-Kommission ernannt, 1896 zum Generalmajor und 1899 zum General-

24O Fuchs von Bimbach. von Berenhorst.

leutnant befordert. F. war eine hochbedeutende Persflnlichkeit und auf dem Gebiete der artilleristischen Wissenschaft eine von alien Seiten rtickhaltlos anerkannte Autoritat, ein Mann der goldenen Praxis, der nie der grauen Theorie untertan wurde. Beide Waffen, mit denen er zu arbeiten hatte Feldartillerie und Fufiartillerie sind ihm zu grofiem Dank verpflichtet, denn ganz besonders fruchtbringend war seine jahrelange Mitarbeit bei den Ver- suchen der Artillerie-Prufungs-Kommission. Mit den grofien Fortschritten der artilleristischen Waffentechnik der Neuzeit wird sein Name dauernd verbunden sein. An der Neubewaffnung der Feldartillerie mit dem Geschiitz 96 sowie mit dem Feldhaubitzmaterial 98 war er hervorragend beteiligt, ebenso bei der Ausgestaltung der schweren Feldhaubitze fur die Fussartillerie, durch deren Einfiihrung die Verwendung der Fufiartillerie im Feldkriege einen mfichtigen Schritt vorwarts getan hat. Mit dem gleichen Verstandnis, welches F. den Aufgaben der Artillerie im Feldkriege entgegenbrachte, widmete er seine grofie Arbeitskraft der Ausgestaltung der Fufiartillerie fur den Belagerungs- und Festungskrieg. Ganz besonderes Interesse hatte der General auch fiir die Entwickelung der artilleristischen Sprengstoffe. Auf diesem Gebiet der artilleristischen Waffentechnick hat er bis zu seinem Tode mit ganz besonderer Hingabe mitgearbeitet F. war ein uberaus liebenswiirdiger, ritterlicher Mann von grofier Herzensglite, der mit strengstem Gerechtigkeitssinn das grftflte Wohlwollen fiir seine Untergebenen verband, ein geistvoller Redner, der mit wenig Worten stets den Nagel auf den Kopf traf. Sein Andenken wird in der deutschen Artillerie fortleben.

Nach »Militar-Wochenblatt«c. Lorenzen.

Berenhorst, Adolf von, Generalmajor a. D., herzoglich anhaltischer Ober- stallmeister und Kammerherr, *am 6. August 1820 zu Dessau, f am 18. April 1903 ebenda. Der Verewigte war ein Nachkomme des Fursten Leopold von Anhalt-Dessau und der Tochter des Schultheifien Soldner zu Elrich, spateren Ehefrau des fiirstlich anhalt-dessauischen Hof- und Amtsrats Rode. Sein Vater, Georg Hans v. B., war herzoglich anhalt-dessauischer Kammerherr und Kabinettsrat, sein Grofivater, Sohn des Fursten Leopold, Georg Heinrich v. B., herzoglich anhalt-dessauischer Hofmarschall, Schlofihauptmann und President der Rechnungskammer. B. trat im Jahre 1838 als Avantageur in das preufiische 12. Husarenregiment ein, avancierte hier bis zum Portepeefahnrich, worauf er 1840 seinen Abschied aus preufiischen Diensten erbat und im anhaltischen Bataillon in Dessau als Unterleutnant Dienste nahm. 1846 zum Oberleutnant, 1848 zum Hauptmann und Kompagniefuhrer und 1850, zunachst unter Bei- behaltung der Kompagnie, zum personlichen Adjutanten des Herzogs von Anhalt-Dessau-Kothen ernannt, wurde B. spater, unter Belassung in der Stellung als Adjutant, seinem Bataillon aggregiert und weiterhin zum Kommandeur der anhaltischen Jager-Brigade ernannt. i860 zum Major befordert und 1865 zum Oberstleutnant aufgestiegen, trat er 1867 in den Verband der preufiischen Armee iiber und wurde dem Herzog vonAnhaltals Fludeladjutant iiberwiesen. 1868 avancierte B. zum Oberst und nahm neun Jahre spater als Generalmajor seinen Abschied.

Nach »Militiir-Zeitung«. Lorenzen.

Kttbner.

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KSbner, Siegfried Ernst, Chefredakteur der Nationalzeitung. * 15. Juni 1844 in Breslau, f 6. April 1903 in Berlin. Uber den Lebensgang und die Lebensziele K.s gibt am besten der Selbstnekrolog Auskunft, den er in einem verschlossenen Brief e bei der Redaktion der » Nationalzeitung* hinterliefi, als er sich am 28. Marz 1903 verabschiedete unsicher, ob er seine Kollegen im Leben wiedersehen werde.

»Im Begriff, mich einer Operation zu unterziehen, die mOglicherweise meinen Tod herbeifuhren kann, mSchte ich ein paar Notizen iiber meinen Lebensgang niederschreiben. Der Anfang meiner publizistischen Tatigkeit liegt schon so weit zurtick, und ich habe es so wenig geliebt, von mir selbst zu sprechen, dafl diese Notizen vielleicht willkommen sein werden. Ich bin am 15. Juni 1844 in Breslau geboren. Ich verlor meine El tern, als ich kaum neun Jahre alt war, und bin in den beschranktesten Verhaltnissen aufge- wachsen. So muflte ich das Gymnasium verlassen, bevor ich es ganz durch- gemacht hatte, und wurde gegen meinen Willen zum Kaufmann bestimmt; aber ich war vom ersten Augenblick an entschlossen, es nicht zu bleiben. Die Breslauer Universitatsbibliothek hat damals wohl wenige so eifrige Be- nutzer gehabt wie mich. Jahrelang habe ich nur wenige Stunden in der Nacht geschlafen und den Rest derselben und jede freie Tagesstunde wissenschaft- lich gearbeitet. Ich hatte zuerst die Absicht, sobald ich mich aus dem auf- gedrungenen Stande wurde freimachen konnen, Geschichte zu studieren, und mein lebhaftes Interesse ist ihr immer zugewandt geblieben. Aber die gewal- tige politische Bewegung der ersten sechziger Jahre, der Verfassungsstreit und die nationale Frage zogen mich in ihren Bannkreis, und ich entschlofi mich, Journalist zu werden um politisch zu wirken.

Noch in Breslau, dann in Berlin, wohin ich 1865 gekommen" war, wandte ich mich neben geschichtlichen Studien staatsrechtlichen und volkswirtschaft- lichen zu. Ich hatte es im Besitz von lacherlich geringen Ersparnissen gewagt, eine fttr mein Alter gut besoldete kaufmannische Stellung aufzu- geben, um ganz diesen Studien leben zu konnen. Daneben hatte ich begon- nen, politische Artikel fur die damals in Stettin erscheinende »Oder-Zeitung« und fur die noch jetzt eine geachtete Stellung einnehmende »Hildesheimer Allgemeine Zeitung« zu schreiben. Dafi sie Anerkennung gefunden, ergab sich, als das Jahr 1866 die Annexion Hannovers gebracht hatte: die Besitzer des letztgenannten Blattes forderten mich auf, Redakteur desselben zu werden, und ich nahm, 22 Jahre alt, an. Hildesheim war der Sitz der scharfsten Opposition gegen das Welfenregiment gewesen. Ich kam in einen Kreis bedeutender, politisch auf das lebhafteste angeregter Manner. R6mer, das spitere Reichstags-, Gerstenberg und G6tting, spatere Landtagsmitglieder gehdrten dazu. Es war eine praktische Schule der Politik fur den jungen Publizisten. Aber ich kam bald in eine bedeutendere. Im Jahre 1868 wurde ich mit 24 Jahren Chefredakteur der »Zeitung fur Norddeutschland« in Han- nover. Sie war eines der angesehensten damaligen deutschen Blatter. Ben- nigsen hatte die nachsten Beziehungen zu ihr; mit ihm, Miquel und den anderen damaligen Fiihrern der friiheren hannoverschen Opposition, der nun- mehrigen nationalliberalen Partei, kniipften sich dauernde politische und persdnliche Bande. 1872 wurde die »Zeitung fiir Norddeutschland«, um ein grdfieres Blatt herzustellen, mit dem bis dahin weniger ausgepragt politischen

BiogT. Jahrbuch u. Deutschcr Nckrolog. 8. Bd. 1 6

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Kobner.

»Hannoverschen Courier* vereinigt, und ich blieb Chefredakteur. 1873 wurde in Breslau, wo damals der Nationalliberalismus weit iiberwog, aber kein eigenes Organ besafi, als solches die »Schlesische Presses begriindet. Mir wurde die Leitung angeboten. Ich darf sagen, dafi ich von 1868 bis 1872 in Hannover im Kampfe gegen das Welfentum mit in der ersten Reihe ge- standen habe, als dieser Kampf ein flir die nationale Sache bedeutsamer war. In der Presse war ich dort der hauptsachliche Vorkampfer PreuBens gegen eine gehassige Feindseligkeit, von der man sich heute keine Vorstellung machen kann, darum auch einer der von den Welfen bestgehafiten Manner. Diese Gegnerschaft konnte, als der Breslauer Ruf an mich erging, nach der Begriindung des Reiches zwar nicht als ausgetilgt sie besteht ja noch , aber als nicht mehr gefahrlich gelten, und so nahm ich in Breslau an: es hatte etwas Verlockendes fur mich, in meiner Vaterstadt politisch zu wirken. Indes die »Schlesische Presse« konnte gegen die alten Breslauer Blatter nicht aufkommen. Die Tatigkeit war deshalb unbefriedigend, und da man mich von Hannover her wiederholt aufforderte, dorthin zuriickzukehren, iibernahm ich 1876 (Alexander Meyer wurde in Breslau mein Nachfolger) wieder die Leitung des »Hannoverschen Couriers«, die ich bis 1878 dort, dann bis 1880 von Berlin aus, wohin es mich langst gezogen, fiihrte. Meinungsverschieden- heiten mit dem Verlag uber die zollpolitische Wendung von 1879 fiihrten zur Trennung. Am 1. April 1881 trat ich in die Redaktion der »National- zeitung« ein, deren Leitung in bezug auf die innere Politik mir allmahlich immer vollstandiger zufiel, schon bevor ich Chefredakteur wurde. Das geschah im Mai 1890.

Ob ich in dieser nun fast 37 jahrigen Tatigkeit etwas geleistet habe, mogen andefe beurteilen. Was ich wollte, war: durch die Presse politisch wirken. Ich habe in der grofien Zeit der nationalliberalen Partei publi- zistisch ihre Kampfe in der ersten Reihe der gemafiigt liberalen und natio- nalliberalen Presse mit durchgefochten. Die Ansichten, zu denen ich mich damals bekannte, sind bis heute in allem Wandel des Fraktipnswesens die meinigen geblieben. Ich wollte dafiir wirken, dafi der Liberalismus in Deutschland mafigebenden Anteil an der Gestaltung des Staatswesens habe. Als Mittel dazu habe ich immer die feste Vertretung gemafiigt liberaler Prinzipien und die positive Beteiligung des Liberalismus an der Losung aller neu auftauchenden Aufgaben (Sozial-, Kolonialpolitik), wie an der Befrie- digung aller Staatsnotwendigkeiten (Wehrfragen) betrachtet. Ich habe, als die nationalliberale Partei nach meiner Ansicht einen abwartsgehenden Ent- wicklungsgang einschlug, mich nicht gescheut, Widerstand zu leisten, wie oft ich dadurch auch den Zorn alter Gesinnungsgenossen erregte, so als ich auf dem Parteitage von 1896, die seitdem eingetretenen Zustande als Folge der damals eingeschlagenen Politik der Schwache vorhersagend, der Fuhrer einer kleinen Opposition war, so zuletzt bei dem Antrage Kardorff. Ich habe immer geglaubt, durch solche Haltung dem Liberalismus und dem Vater- lande zu dienen. Als Leiter der »Nationalzeitung« ist es aufierdem mein Bestreben gewesen, inmitten einer traurigen Entwickelung des Prefiwesens das Blatt als ein Muster ernster Auffassung der Aufgaben der Presse sowohl in politischer wie in allgemein kultureller Hinsicht aufrecht zu erhalten.«

Dieses »politische Testament^ ist nach K.s Tode durch die ^National-

Kttbner. 243

zeitung* verSffentlicht und von vielen Zeitungen abgedruckt worden; wir kSnnen zur Vervollst&ndigung seines Charakterbildes nur weniges hinzufiigen. Die Lebenst&tigkeit eines Journalisten und Redakteurs geht, auch bei der zielbewufitesten Wirksamkeit, £ufierlich naturgemafl so vdllig in der Arbeit fiir den einzelnen Tag auf, dafi es kaum mOglich ist, in einer kurzen Lebens- skizze einzelnes herauszuheben, um es fiir die Dauer festzuhalten. So ist Schillers Ausspruch iiber den Mimen, dem die Nachwelt keine KrSnze flicht, auch auf den politischen Tagesschriftsteller anwendbar: auch er mufi geizen mit der Gegenwart, den Augenblick, der sein ist, ganz erfiillen. Und w&hrend der Schauspieler wenigstens die Genugtuung hat, dafi seine Kunstleistungen in engster Verknupfung mit seiner PersOnlichkeit Tausenden offentlich ent- gegengebracht und von ihnen bejubelt werden, wird es nur wenigen bekannt, wem ein bestimmter politischer Artikel zu verdanken ist; und gar die auf- reibende Tatigkeit innerhalb der Redaktion, die Wahrnehmung der Bezie- hungen zur eigenen Partei, zu maflgebenden Staatsmannern und Parlamen- tariern sowie manches andere, das die Tatigkeit des Chefredakteurs einer grofien Zeitung in Anspruch nimmt, bleibt dem Publikum verborgen. K. hat dies freilich nie bedauert,. denn neben der Liebe zu den Seinen erfiillte ihn lediglich das Bedurfnis, seine Auffassung Sffentlicher Angelegenheiten schriftstellerisch zu betatigen und so dem Vaterlande nach bestem Wissen und K6nnen, aber ohne jedes Hervordrangen seiner Person, zu dienen. So kam es auch, dafi er seine gl£nzende oratorische Begabung nur selten zur Geltung brachte; seine poetische Veranlagung, die namentlich in seinen jungen Jahren schdne Fruchte zeitigte, haben wohl nur die ihm zunachst Stehenden gekannt.

Fiir seine eigene Person ohne Bediirfnisse, widmete er von friihester Jugend bis zu den letzten Lebenstagen seine ganze Zeit der Arbeit und dem Studium; Reisen an die See, ins Hochgebirge, nach dem Siiden gewahrten ihm die liebste Erholung. Im Friihjahr 1873 fiihrte ihn eine kurze Reise nach England, wo ihn Empfehlungen hervorragender deutscher Parlamentarier in die Kreise der leitenden Staatsmanner einfiihrten und er Gelegenheit zu mancherlei Einblicken in englische Verhaltnisse erhielt. Ein Aufsatz tiber Thomas Babington Macaulay, den er 1876 im Juliheft der »Preufiischen Jahr- bucher« veroffentlichte, zeigt, wie trefflich er, den das Studium der englischen Staatseinrichtungen immer besonders angezogen hatte, den kurzen Aufenthalt in England zu niitzen verstand. Sein Essay iiber Macaulay diirfte auch heute noch zu dem Besten gehGren, was in Deutschland iiber den grofien eng- lischen Staatsmann und Historiker geschrieben worden ist; Macaulays Be- handlung Offentlicher Angelegenheiten entsprach so sehr K.s eigener Art, dafi die Verbffentlichung dieser Studie ihm selbst zur grofiten Befriedigung gereichte. Es ist sehr bedauerlich, dafi die andauernde Inanspruchnahme fiir den publizistischen Tagesdienst ihm nicht die Zeit liefi, eine Reihe der- artiger groflerer Aufsatze zu verfassen.

Im Jahre 1873 in seine Vaterstadt Breslau zuriickgekehrt, vermahlte er sich 1874 mit einer Tochter Theodor Lobes, der damals als Direktor des Wiener Stadttheaters wirkte. Zu der Liebe zum Vaterlande gesellte sich von da an die aufopferndste Liebe zu Frau und Kindern.

Seit 1878 in Berlin wohnhaft, widmete er vom 1. April 1881 ab, also

16*

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Ktibner.

genau 22 Jahre lang, der »Nationalzeitung« seine Tatigkeit, und er hat es verstanden, den Einflufi dieser hochgeachteten Vertreterin der zugleich national und liberal Gesinnten zu wahren und zu mehren. Als die »National- zeitung* am 1. April 1898 ihr fiinfzigjahriges Jubilaum feiern konnte, gestal- teten sich die persOnlich und schriftlich dargebrachten Gratulationen gleich- zeitig zu einer lebhaften und herzlichen Anerkennung der politischen und journalistischen Leistungen ihres Chefredakteurs. Allseitig wurde die zugleich vornehme und entschiedene Haltung des Blattes gepriesen. Einer der ange- sehensten ehemaligen Mitbegriinder der Zeitung schrieb ihrem Leiter: »Ich bekenne mich durchaus zu dem gegenwartig von Ihnen eingenommenen Standpunkt und bin insbesondere fiir die freimiitige Entschiedenheit dank- bar, mit der Sie in den politischen und wirtschaftlichen Fragen das liberale Element zu stSrken, das nationale unbedingt festzuhalten bestrebt sind.« Ein anderer hochgeachteter Parteigenosse wies darauf hin, wieviel die » National- zeitung« mit dem Streben nach sachlicher Behandlung jeder Streitfrage und nach Ausscheidung aller persdnlichen Polemik fiir die Erhaltung und Krafti- gung nationaler und liberaler Anschauungen in unserem Vaterlande gewirkt habe.

Eine hervorragende, schon bei Beginn seiner journalistischen Laufbahn hervortretende Eigenschaft K.s war es, dafi er bei jedem neu auftauchenden politischen Problem mochte es die inneren oder die aufieren Angelegen- heiten, kirchliche, militarische oder wirtschaftliche Sachen betreffen sofort den Punkt erkannte und bezeichnete, auf den es ankam, die Frage heraus- schalte und scharf formulierte, deren Beantwortung entscheidend war. Die Schnelligkeit und Sicherheit, mit der er diese Aufgabe vor der Offentlichkeit loste, die Unbestechlichkeit und Tapferkeit, mit der er dabei den Finger auf die schlimme Stelle legte, war es auch, was ihm die Aufmerksamkeit und Achtung politischer Gegner und die Anerkennung in alien Kreisen der Regie- rung sicherte.

In den politischen VorgSngen des letzten Vierteljahrhunderts hat ihn nichts so betriibt, als die in der Sezession zum Ausdruck gekommene Spal- tung der nationalliberalen Partei, und bis zuletzt war sein unausge- setztes Bemuhen auf eine Verstandigung zwischen den Getrennten gerichtet. In diesem Sinne kampfte er gegen den immer zunehmenden Einflufi der wirtschaftlichen, materiellen Sonderinteressen auf unser politisches Leben. Seine scharfe Verurteilung der agrarischen und hochschutzzSllne- rischen Str5mung in der nationalliberalen Fraktion des Reichstags brachte ihn zwar eine Zeitlang in Konflikt mit der offiziellen Parteileitung, hat aber doch wesentlich dazu beigetragen, dafi die Partei vor einem gefahrlichen Abgleiten bewahrt wurde. Die Art aber, in der er fiir das kampfte, was er fiir recht und erstrebenswert erkannt hatte, kann wohl nicht besser und schdner geschildert werden, als durch Wiedergabe wenigstens eines Teiles der herr- lichen Ansprache, welche Staatsminister Hob recht an K.s Grab hielt: »Es ist eine weite Gemeinde, welche, durch die so rasche, unerwartete Trennung tief erschUttert, heute empfindet, wieviel sie verloren hat. Auch seine Gegner, mit denen er lange und oft gestritten, fuhlen heute mit uns. Denn er war ein KSmpfer, und der Beruf, dem er sich mit Hingabe aller seiner Kraite gewidmet hatte, schafft Gegner. Hier aber, an dieser heiligen Stelle ist aller

Kobner. Punkes. 245

Streit um zeitliche Dinge vergessen, hier bleibt fiirwahr das, was im Ange- sichte der Ewigkeit Wert hat: die Liebe zu seinen Mitmenschen und das Streben nach Wahrheit, und beides hatte der entschlafene Freund in reichem Mafle. Nicht nur seine Familie, nicht nur seine unmittelbaren Mitarbeiter und nachsten Freunde haben seine Liebe gefunden, nein, die vielen Tausende, welche die Frucht seiner unermiidlichen Arbeit taglich empfingen und hin- nahmen, sie muflten fiihlen und sie haben gefiihlt, dafi nur ernste, treue, feste Liebe zu unserem Vaterland, zu unserem Volk seine Feder leitete. Und auch da, wo sein Eifer fur etwas, was er einmal als richtig erkannt hatte, ihnen zu heftig erschienen sein sollte, auch da wirkte sie versohnlich. Sein Streben nach Wahrheit aber, verbunden mit dem reichen Wissen, das er sich friih schon in aufreibenden Entbehrungen und Anstrengungen erworben hat, das war es, was all seinen Betrachtungen, seinen Mahnungen, seinen Urteilen eine so weit iiber die Grenze, iiber den Kreis der ihm gleich Denkenden hinausreichende Wirkung gesichert hat.«

Am 30. Marz 1903 unterzog K. sich wegen eines alten Bruchleidens einer schweren Operation; er ging ihr mit aufierordentlicher Ruhe und Fassung entgegen, und kaum war sie glucklich uberstanden, so begannen seine Ge- danken und Traume sich wieder seinem Berufe und der Politik zuzuwenden. Aber es sollte ihm nicht mehr beschieden sein, seine Tatigkeit wieder auf- zunehmen: die Gesundung schien taglich fortzuschreiten, da setzte am Abend des 6, April ein plfltzlich eintretender Herzschlag seinem Leben ein allzu fruhes Ende. Am Karfreitag, den 10. April, wurde er auf dem alten Fried- hof der Zwolfapostelgemeinde unter Beteiligung zahlreicher politischer Freunde, hoher Staatsbeamten und hervorragender Schriftsteller beerdigt. In zahllosen Nachrufen und Zuschriften ruhmten seine Kollegen, Parteigenossen, die deut- sche Presse aller Schattierungen des Heimgegangenen Charakter, Fahigkeiten und Verdienste. Minister Mo Her schrieb: »Mit ihm ist einer unserer besten und vornehmsten Literaten dahingegangen, dessen geistvolle, auf tiefstem Wissen gegriindete Urteile iiber die brennenden Tagesfragen kennen zu lernen, mir zum Bediirfnis geworden war.« Auch der Reichskanzler Graf Biilow sandte der Gattin K.s von Italien aus ein tiefempfundenes Beileids- telegramm, das mit den Worten schlofi: »Dem zu friih Dahingeschiedenen, in dem die deutsche Publizistik eine hervorragende Kraft verliert, bewahre ich aus personlicher Erinnerung ein ehrendes Andenken.«

Literatur: Thomas Babington Macaulay. Abhandlung von S. E. Kobner in den »Preufii- scben Jahrbtichern*, 1876, Juliheft. Uber Kobner enthalten die Nummern 220 bis 231 der >Nationalzeitung« zahlreiche Nachrufe und Stimmen der Presse, sowie (in Nr. 227) den Wortlaut der bei seiner Beerdigung gehaltenen Ansprachen von Pastor Dross und Staats- minister Hobrecht. W. Kobner.

Punkes, Joseph, Professor der Theologie am Lyzeum zu Freising, * 16. Fe- bruar 1835 zu Eck bei Isen (Bayern), f 23. Oktober 1903 zu Freising. P. absolvierte die Gymnasialstudien zu Freising, die theologischen Studien zu Munchen und wurde am 29. Juni 1859 *n Freising zum Priester geweiht. Hierauf wirkte er zunachst mehrere Jahre, 1859—65, in der Seelsorge, als Hilfspriester in Wolf ratshausen , Schwabing und Velden. 1863 wurde er Dr. theol., 1865 Dozent am Klerikalseminar zu Freising, 1869 Subregens desselben,

246 Punkes. BrUck.

12. Oktober 1878 Professor der Moraltheologie am Lyzeum daselbst, als Nach- folger Jochams, erzbischftflicher geistlicher Rat; im Herbst 1903, nicht lange vor seinem Tode, war er auf sein Ansuchen wegen Krankheit in Ruhestand versetzt worden. Schriften: »Papst Vigilius und der Dreikapitelstreit* (als Inauguralschrift, Munchen 1864; im Buchhandel Miinchen 1865); »Freisings h6here Lehranstalten zur Heranbildung von Geistlichen in der nachtridentini- schen ZeiU (Programm, Freising 1885); »Die Studien-Genossen des k. Ly- zeums in Freising von 1834 1884, Mit Angabe ihres spateren Lebensberufes alphabetisch zusammengestellt« (Munchen 1887). In 2. Auflage gab P. heraus: Wilh. Karl Reischl, »Missale, d. i. Mefibuch fur das katholische Kirchenjahr. Aus dem romisch-katholischen Missale iibersetzt und herausgegeben. 2. Aufl., umgearbeitet und mit den neueren Festen versehen von Jos. Punkes« (Munchen 1888).

Vgl. »Augsburger Postzeitungc, 1903, Nr. 240 vom 25. Okt F. Lauchert.

Briick, Heinrich, Bischof von Mainz, Kirchenhistoriker, *25- Oktober 1831 zu Bingen, f in der Nacht vom 4./$. November 1903 kurz nach Mitternacht zu Mainz. Zuerst zum Kuferhandwerk bestimmt, das er im Gesch&ft seines Vaters erlernte, erwarb sich B. die ganze Gymnasialbildung durch Privat- studium unter der Leitung des damaligen Kaplans, spateren Mainzer Pro- fessors Dr. Joseph Hirschel und bestand im Friihjahr 185 1 vor der Priifungs- kommission in Darmstadt das Maturitatsexamen. Er studierte hierauf 1851 bis 1855 im Priesterseminar zu Mainz Theologie und empfing, da Bischof von Ketteler zur Zeit durch langeren Aufenthalt in Rom verhindert war, mit seinen Mitalumnen in Speyer durch Bischof Weis am 30. M£rz 1855 die Priesterweihe. Hierauf war er zunachst in der Seelsorge tatig als Kaplan in Nieder-Olm. Fur das Lehramt in Aussicht genommen, wurde er zu weiteren Studien fur das Wintersemester 1856/57 an die Universitat Munchen gesandt, brachte dann einen Teil des Jahres 1857 in Rom zu und wurde im Herbst 1857 Dozent der Kirchengeschichte am Priesterseminar in Mainz. Am 22. Juli 1 86 1 wurde er zum Professor der Kirchengeschichte ernannt; 1865 Dr. theoL Nach der unfreiwilligen Pause in der Ausiibung des Lehramtes in den Jahren 1878 87, in denen das Seminar geschlossen war, ubernahm er, als dasselbe im Herbst 1887 wieder erOffnet wurde, neben der Kirchengeschichte auch die Vorlesungen iiber das Kirchenrecht bis 1894. Am 12. September 1888 wurde er Geistlicher Rat, am 2. Dezember 1889 Domkapitular. Am 2i..Dezember 1899 zum Bischof von Mainz gewahlt, wurde er durch papstliches Breve vom 30. M&rz 1900 best&tigt, im Konsistorium vom 19. April 1900 prakonisiert, am 20. Mai 1900 durch Erzbischof Norber von Freiburg im Mainzer Dome kon- sekriert. Briicks Hauptwerke sind: „Die oberrheinische Kirchenprovinz von ihrer Griindung bis zur Gegenwart, mit besonderer Benicksichtigung des Ver- haltnisses der Kirche zur Staatsgewalt« (Mainz 1868); das beliebte, in acht Auflagen verbreitete »Lehrbuch der Kirchengeschichte fur akademische Vor- lesungen und zum Selbststudium« (Mainz 1874; 8. Aufl. Minister 1902; auch ins Franzosische, Englische und Italienische iibersetzt), und sein grofl ange- legtes Lebenswerk, die »Geschichte der katholischen Kirche in Deutschland im neunzehnten JahrhunderU (bis jetzt Bd. I IV erschienen, Mainz 1887 1901 ;

Brttck. 247

Bd. I— III in 2. Aufl. 1902/05; Bd. I geht vom Beginn des 19. Jahrh. bis zu den Konkordatsverhandlungen; Bd. II vom Abschlufi der Konkordate bis zur Bischofsversammlung in Wurzburg 1848; Bd. Ill von da bis 1870; Bd. IV behandelt das Vatikanische Konzil und den sog. Kulturkampf in Preuflen bis zur Anknupfung von Verhandlungen mit Rom; "die Verttffentlichung des V., bis zur Gegenwart gehenden Schluflbandes, den B. zum grofien Teil noch druckfertig hinterliefi, steht bevor; als Sonderausgabe aus dem IV. Bd. er- schien: »Die Kulturkampfbewegung in Deutschland, historisch dargestellt*, Munster 190 1); ein auf den grundlichsten Quellenstudien aufgebautes Werk, das neben den auBeren Ereignissen und den kirchenpolitischen Verhaltnissen auch die Geschichte der katholischen Wissenschaft auf theologischem und philosophischem Gebiete und des religiosen Lebens eingehend darstellt. Nach dem urspriinglichen Plane des Verfassers sollte das grofie Werk nur einen Bestandteil einer in gleicher Weise ausgefiihrten umfassenden »Geschichte der katholischen Kirche im 19. Jahrhundert« bilden, wie der alien Banden vor- gesetzte zweite Titel noch andeutet. Wertvolle Friichte seiner Quellen- forschungen zur neueren Kirchengeschichte liegen auch noch in einer Reihe von kleineren Arbeiten vor: »Die rarionalistischen Bestrebungen im katho- lischen Deutschland, besonders in den drei rheinischen Erzbistumern in der zweiten Halfte des achtzehnten Jahrhunderts« (Mainz 1865); »Die Erzbischofs- wahl in Freiburg und die badische Regierung« (Mainz 1869; auch im Katho- lik 1869, I, S. 179 218); »Der religiose Jugendunterricht in Deutschland in der zweiten Halfte des funfzehnten Jahrhunderts (Katholik 1876, I, S. 225 bis 246, 364 382); »Das irische Veto« (Mainz 1879); »Studien iiber die Ka- tholiken-Emanzipation in Groflbritannien, besonders iiber das sog. irische Veto* (Katholik 1879, n> S. 1—36, 113— l3S> 259—280, 337—366); »Die ge- heimen Gesellschaften in Spanien und ihre Stellung zu Kirche und Staat von ihrem Eindringen in das K6nigreich bis zum Tode Ferdinands VII.« (Mainz 1881). Gehaltreich und fiir die Zeitgeschichte wie fur die Geschichte der katholischen Wissenschaft wertvoll sind ferner die Lebensbilder, die er seinen ihm im Tode vorangegangenen Lehrern und spatern Kollegen und Freunden aus der Zahl der hervorragenden Mainzer Theologen pietatvoll gewidmet hat, in erster Reihe das Buch iiber die bedeutende PersOnlichkeit des Domdekans Lennig (f 1866), dessen Hausgenosse er als junger Professor jahrelang ge- wesen war: »Adam Franz Lennig, Generalvikar und Domdekan von Mainz, in seinem Leben und Wirken* (Mainz 1870; vorher eine kiirzere Lebensskizze desselben im Katholik 1867, I, S. 257 302); ferner die Lebenskizzen: » Jo- hannes Joseph Hirschel« (Katholik 1885, II, S. 528 547); »Dr. Christoph Moufang, PSpstl. Hauspr&lat, Domkapitular und Regens des bischOfl. Seminars zu Mainz« (Katholik 1890, I, S. 481—493; II, S. 1 25); »Dr. J. B. Heinrich, Papstl. Hauspralat, Domdekan, Generalvikar der Diozese Mainz und Professor der Theologie am bischdfl. Seminar« (Katholik 1891, 1, S. 289 307, 403 425). Von den zahlreichen kirchengeschichtlichen und biographischen Artikeln, die B. fiir die 2. Auflage des Kirchen-Lexikons von Wetzer und Welte lieferte, seien als groflere Arbeiten hervorgehoben : »Aufklarung« (I, 1605 161 5); »Bund, Deutscher« (II, 1496 1504); »Emser Kongrefi« (IV, 484—496); >Englische FrSulein* (IV, 572 580); »Gallikanische Freiheiten« (V, 66—72); »Inquisition« (VI, 765—783); »Leo X. bis Leo XIII.«, Papste (VII, 1795— 1807); »Pistoja,

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Synode von« (X, 32 41). Unter seinen bischOflichen Hirtenbriefen fand eine grofle Verbreitung auch durch den Buchhandel der zur Abwehr einer ge- wissen kirchenfeindlichen Schmutzliteratur erlassene: »Die systematische Ver- unglimpfung der Sittenlehre des heiligen Alphons von Liguori und des Bufi- sakramentes der katholischeft Kirche. Ein Mahn- und HirtenworU (Mainz 1901).

VgL J. Schafer, Dr. Heinrich Brtick, Bischof von Mainz. Eine Skizze seines Lebens und literarischen SchafTens (Mainz 1904, mit Portrat; auch im »Katholik« 1903, II). Dr. Heinrich Brtick, Bischof von Mainz (1831 1903); eine Gedenkschrift (Mainz 1903).

F. Lauchert.

Samson, Heinrich, Vikar in Darfeld (Westfalen), Hagiolog und Liturgiker, * 1. September 1844 zu Beckum in Westfalen, f 18. November 1903 zu Dar- feld. — S. absolvierte 1861 das Gymnasium zu Warendorf, studierte Herbst 1861 1862 Philosophic in Minister, dann 1862 1865 Theologie und Rechts- wissenschaft in Bonn und ein Semester in Miinchen; im Herbst 1865 ging er zu weiteren juristischen Studien nach Berlin und wurde daselbst am 21. August 1866 zum Dr. Jur. utr. promoviert. Hierauf kehrte er zum Abschlufi seiner theologischen Studien nach Miinster zuriick, wo er am 10. Oktober 1868 die Priesterweihe empfing. Er iibernahm dann die Stelle eines Erziehers im Hause des Geheimrats v. Savigny in Berlin. Am 26. November 1886 wurde er Schlofivikar in Darfeld, welche Stelle er bis zu seinem Tode bekleidete. Seine juristische Dissertation: +De personarum et judkiorum ordine ex spcculo Saxonico cum eo, qui saeculo XI I L per Guestphaliam vigebat, comparando* (Berlin 1866). SpSter arbeitete er mit groflem Fleifi und reicher Detailkenntnifl auf dem Gebiete der Hagiologie und Liturgik. Seine Hauptwerke sind hier: »Die Schutzheiligen. Ein Beitrag zur Heiligenlegende und zur Kultur- und Kunstgeschichte« (Paderborn 1889); »Die Heiligen als Kirchenpatrone und ihre Auswahl fur die Erzdiozese K6ln und fiir die Bistiimer Miinster, Pader- born, Trier, Hildesheim und Osnabriick« (Paderborn 1892); »Die Allerheiligen- Litanei, geschichtlich, liturgisch und asketisch erklart« (Paderborn 1894). Als Bestandteile der »Frankfurter zeitgemafien Broschiiren* erschienen die Schriften : »Die Weihnachtszeit und ihre Feier im Christenvolk« (N. F. IX, 3; Frank- furt a. M. 1887); »Die Aposteltage und ihre Feier im christlichen Volke« (N.F. XV, 3; Frankfurt a. M. 1894); »Zur Geschichte und Symbolik derGlocken« (N. F. XVIII, 11; Frankfurt a. M. 1897). Ferner schrieb S. seit 1889 eine grofle Menge von Beitragen zu verschiedenen Zeitschriften (Katholik; Historisch- politische Blatter; Der katholische Seelsorger; Pastor bonus \ Theologisch- praktische Monatsschrift [Passau]; Theologisch-praktische Quartalschrift [Linz] u. a.), von denen als groflere Arbeiten genannt seien: »Allerheiligen und Aller- seelen« (Katholik 1889,11, S. 337 372); »Die heil. Karwoche und ihre Feier im christlichen Volke« (Katholik 1890, I, S. 209 243); »Das heilige Oster- fest» (Katholik 1890, I, S. 289 320); »Die Bedeutung des Sachsenspiegels zur Losung kirchlicher und kulturgeschichtlicher Fragen« (Historisch-politische Blatter, 112. Bd. 1893, S. 305 323). Dazu kommen noch mehrere Andachts- biicher: »Die Armen-Seelen-Andacht« (Dulmen 1895); »Fastenzeit und Kar- woche« (Steyl 1898); »St. Ludgerus-Buchlein« (Kevelaer 1899); »Heilig-Kreuz- Buchleinft (Dulmen 1900); »St. Michaels-Biichlein« (Dulmen 1901); »Christ

Samson. Rollett.

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ist erstanden!« (Dulmen 1902); »Schutzengel-Biichlein« (Paderborn 1902); »Fronleichnams-Buchlein« (Innsbruck 1903).

Vgl. cLiterar. Handweiserc, 1903, Nr. 788, Sp. 572. E. Rafimann, Nachrichten von dcm Lcben und den Schriften Mttnsterlandischer Schriftsteller, Neue Foige (MUnster 1881), S. 182. F. Lauchert.

Rollett, Alexander, Dr., Professor der Physiologie und Histologic an der Universitat Graz, * 14. Juli 1834 zu Baden bei Wien, f 1. Oktober 1903 in Graz. R. entstammt einer alten, bekannten, seit dem Beginne des 17. Jahr- hunderts in Baden ans&ssigen Burgerfamilie, deren Stammvater aus Savoyen eingewandert war. Groflvater und Vater waren Arzte und in deren Traditionen wuchs R. auf. An der Wiener Universitat und am Josefinum h6rte er die Vorlesungen von Briicke, Ludwig, Rokitansky, Skoda, Schrotter u. a., war einige Zeit engerer Schuler Ungers und arbeitete bereits als Student im La- boratorium Briickes, dessen Assistent er im Jahre 1857 wurde. Im darauf- folgenden Jahre erwarb er den Doktorsgrad. In dem Kreise, der sich um Briicke und Ludwig scharte, und dem unter anderen Cyon, Setschenow, Becker, Kuhne, Preyer, Czermak angehorten, stets von neuem angeregt und eifrig tatig wirkte R. als Briickes Assistent bis in den Sommer 1863. In diesem Jahre wurde er, eben 29 Jahre alt, auf die ausgezeichneten Empfehlungen Briickes und Ludwigs hin unmittelbar zum ordentlichen Professor der Physiologie und Histologie an der Grazer Universitat ernannt, die in diesem Jahre durch die Errichtung der medizinischen Fakultat vervollstSndigt wurde. Schon ein Jahr nach seiner Berufung nach Graz wurde R. zum korrespondierenden und im Jahre 187 1 zum wirklichen Mitgliede der kaiserlichen Akademie der Wissen- schaften in Wien ernannt. Im darauffolgenden Jahre wurde er zum ersten- male zum Rektor der Grazer Universitat gewahlt und bezog das neue, auf Grund seiner Plane und VorschlSge erbaute physiologische Institut. Durch eine entsprechend hohe Dotation ward es mtfglich, dieses recht vollkommen einzurichten und auch weiterhin den mit reichen Hilfsmitteln erbauten und eingerichteten Schwesteranstalten einigermafien ebenbiirtig zu erhalten. Im Jahre 1875 hatte R. an der glanzenden Veranstaltung der 48. Naturforscher- versammlung in Graz als erster Geschaftsfiihrer derselben einen Hauptanteil. 1876 vermahlte er sich; der Ehe entsprossen sechs Kinder, von denen sich ein Sohn und eine Tochter dem Studium der Medizin widmeten. Im Jahre 1882 ernannte die Societas Medkorum Svecana in Stockholm R. zum korrespon- dierenden Mitgliede. Wahrend des zweiten Rektorates im Jahre 1883 84 trat R. gegen die geplante Wiedererrichtung der Chinirgenschulen und in schwerem Kampfe fur die ungeteilte Erhaltung des chemischen Universitatslaboratoriums und gegen den abenteuerlichen Plan einer raumlichen Vereinigung von Universitat und Technik ein, was die endliche Inangriffnahme und Vollendung der Neubauten beider Grazer Hochschulen zur Folge hatte. Ende 1889 er- krankte R. schwer an einer Nierenentzundung, die ihn dem Tode nahe brachte. Seine kraftige Natur uberwand jedoch den schweren Insult und im Sommer- semester 1890 konnte er seine Vorlesungen wieder aufnehmen. 1892 wurde er zum korrespondierenden Mitgliede der koniglichen bayrischen Akademie der Wissenschaften in Miinchen ernannt. Zur Feier seines dreifiigjahrigen Wirkens in Graz bereitete ihm die Universitat eine grofie Ehrung und fiir

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Rollett.

das Jahr 1894 95, in welchem die feierliche Eroffnung des Hauptbaues der neuen Universitat stattfand, wurde R., der »Vater der Universit&t«, wiederum zum Rektor gewahlt. In dieselbe Zeit fallt auch seine Berufung nach Prag an Herings Stelle. Schon 187 1 war R. von Helmholtz als Nachfolger in Heidelberg in Aussicht genommen gewesen; als es sich urn die Nachfolger- schaft Briickes in Wien handelte, war er auff&lligerweise ubergangen worden. Auch die Verhandlungen wegen Prag zerschlugen sich und so blieb R. der Grazer medizinischen Fakultat zu ihrer grofien Genugtuung erhalten. Im April 1 90 1 nahm er als einer der Vertreter der Wiener Akademie der Wissenschaften an der ersten Versammlung der internationalen Assoziation der Akademien zu Paris teil und, nachdem er schon zuvor fur Mareys Idee der Vereinheit- lichung der physiologischen Mefi- und Registrierapparate lebhaft eingetreten war, setzte er sich auch dort in der Kommissionssitzung warm dafiir ein. Im Jahre 1902 wurde R. zum vierten Male zum Rektor gewahlt. Die bevor- stehende Feier seines 70. Geburtstages sollte er nicht mehr erleben. Nach kurzer, nicht ganz aufgeklarter Krankheit starb er am Morgen des 1. Oktobers 1903 an einer hinzugekommenen Lungenentziindung.

R.s hervorragender wissenschaftlicher Ruf ist hauptsachlich auf seinen zahlreichen Arbeiten zur Physiologie und Histologic des Blutes und der Muskeln begriindet. Dazu kommen noch eine Reihe von Arbeiten zur Sinnesphysiologie, im besonderen zur physiologischen Optik, die grundlegenden histologischen Untersuchungen iiber die Struktur und die Entwicklung des fibrill£ren Binde- gewebes und des Hornhautgewebes, die Labdnisen und die Magenschleimhaut, die Nervenenden in den Sehnen, die chemischen Arbeiten liber die Eiweifi- korper des Bindegewebes und das Kalialbuminat u. a. Ausgezeichnete Be- obachtungsgabe, durch Fleifi und Ausdauer erworbene Geschicklichkeit, voile Beherrschung der physikalischen und chemischen Utitersuchungsmethoden und zielbewuflte experimentelle Technik auf,der einen, klare Fragestellung, strengste Selbstkritik und streng logische Schlufifolgerung auf der anderen Seite machten R.s wissenschaftliche Arbeiten zu dem, als was sie von Klemensiewicz einmal treffend gekennzeichnet worden sind: »Festungen von bombensicherem Ge- fiige, aufgerichtet fiir kommende Zeiten als Stutzpunkte fiir die Wissenschaft.«

Die Arbeiten iiber das Blut fallen gr5fitenteils in die Zeit von 1861 1881, Sie erstrecken sich hauptsachlich auf die Untersuchung der Struktur und Zu- sammensetzung der roten Blutkorperchen und den Blutfarbstoff. Von be- sonderer Bedeutung sind die Arbeiten iiber die Wirkungen von Kondensatorent- ladungen auf das Blut geworden, auf welche R. in einer ausgedehnten , fiir die Auffassung der komplizierten und vielfach noch der Aufklarung bediirftigen Struktur der roten Blutkorperchen wichtigen Untersuchung, in seiner letzten Publikation (1900) noch einmal zuriickkam. Am bekanntesten in weiten, auch auflerphysiologischen Kreisen ist R. durch seine beiden monographischen Arbeiten iiber das Blut, in Hermanns Handbuch der Physiologie und in Strickers Gewebelehre, geworden.

Vierundzwanzig Jahre, 1874 bis 1898 hielten R. fast ausschliefilich seine aus- gedehnten Arbeiten zur Histologic und Physiologie der quergestreiften Muskeln, besonders der Insektenmuskeln, gefangen. Die histologischen Muskelarbeiten, wohl die wertvollste Errungenschaft seiner Forschung, im besonderen die drei grundlegenden Veroffentlichungen in den Denkschriften der Wiener Akademie,

Rollett.

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kdnnen in ihrer ganzen Bedeutung wohl nicht besser gekennzeichnet werden, als durch die Worte von G. E. Miiller: »Wir k6nnen uns der Einsicht nicht verschlieflen , dafi eine Theorie der Muskelkontraktion, welche sich auf halt- bare Anschauungen hinsichtlich der Struktur der Muskelfasern stutzen und womdglich sogar neue Gesichtspunkte geben will, sich nicht in Widerspruch zu den Resultaten und Anschauungen setzen darf, zu denen R. bei seinen Untersuchungen iiber den Bau der quergestreiften Muskelfasern gelangt ist.« R.s Erklarung und Nomenklatur des feineren Baues der quergestreiften Muskel- faser hat heute bereits in alien bekannteren Lehr- und Schulbuchern der Histo- logie Platz gegriffen und die hervorragendsten Histologen, an deren Spitze Kolliker und Retzius, haben sich seinen Anschauungen in alien wesentlichen Punkten vollinhaltlich angeschlossen. Das Gegenstiick zu den histologischen Muskelarbeiten bilden die physiologischen Untersuchungen R.s an den Muskeln, in erster Linie an Kafermuskeln, die Feststellung des Vorkommens von »flinken« und von >triigen« Muskeln bei verschiedenen Kaferarten und die genaue Untersuchung der Eigenschaften derselben. Die zweitgrSfite unter R.s physio- logischen Muskelarbeiten stammt aus dem Jahre 1896. Sie behandelt die Veranderlichkeit des Zuckungsverlaufes quergestreifter Muskeln bei fortgesetzter periodischer Erregung und fiihrt die Begriffe der anpassenden und nicht an- passenden Erholung ein. In einer weiteren Untersuchung aus dem Jahre 1898 werden dann ahnliche Versuche auch an Muskeln von Warmbliitern und vom Menschen mitgeteilt. Die wichtigsten Ergebnisse von R.s Muskelarbeiten sind von ihm selbst in den beiden mustergliltigen Artikeln »Muskel (physio- logisch und histologisch)« in Eulenburgs Realenzyklopadie zusammengestellt.

Nicht unerwahnt diirfen endlich R.s zahlreiche formvollendete und gehalt- reiche Reden und Vortrage bleiben, welche in der Wiener Akademie, in ge- lehrten Gesellschaften, als Rektoratsreden und populare Vorlesungen gehalten wurden und zum grofien Teile im Druck erschienen sind.

Aus R.s Schule ist eine Reihe von Forschern hervorgegangen , wie die mehr als 200 Arbeiten bezeugen, die in seinem Institute entstanden sind, teils von seinen Assistenten und unmittelbaren Schiilern, wie Maly, Ebner, Klemensiewicz, Drasch, Heider, Kutschin, Boldyrew, Glax, Laker, H. F. Miiller, Srareker, Pregl, Zoth, teils von Arbeitern im Institute, namentlich Russen, herriihrend, von denen seinerzeit eine ganze kleine Physiologen-Kolonie in Graz lebte. Ein besonderes Merkmal der Schule R.s war die voile Wahrung der IndividualitSt jedes einzelnen; R. wirkte durch sein Beispiel anregend, befruchtend und belehrend, ohne je einen Schiiler gewaltsam in die Zwangs- jacke einer besonderen, nicht von diesem selbst gewahlten Richtung zu stecken. So kam es, dafi wir unter R.s Schiilern solche finden, die Histologen ge- worden sind, solche die Physiologen, physiologische Chemiker, Zoologen oder Pathologen geworden sind. Der weitere Kreis von R.s Schiilern zahlt etwa 3000 Namen, die in den 80 Semestern seiner Lehrtatigkeit seine Vor- lesungen und praktischen Kurse mitmachten und nun als praktische Arzte hauptsachlich in Steiermark, dann in Siebenbiirgen, Istrien, Dalmatien, Serbien, Montenegro, Ungarn usw. tatig sind.

Ein eifriger Forscher, ein aufopfernder Lehrer, widmete R. sein Konnen aber auch in hervorragendem Mafie der Allgemeinheit, seinem Volke. Wo es sich um grofiere, der Allgemeinheit dienende Unternehmungen im Lande,

252 Rollett.

urn schwierigere, namentlich organisatorische Tfttigkeit handelte, ward viel- fach R. entweder in die Leitung berufen oder unmittelbar an die Spitze ge- stellt. Auch am politischen Leben nahm er in friiheren Jahren, als es sich in Oesterreich noch auf einer hdheren Stufe befand, regen Anteil. Vor all em ist sein Wirken im steiermarkischen Landtage, im Grazer Gemeinderate , im steiermarkischen Volksbildungsvereine und besonders bei der Organisation der Arztekammern hervorzuheben. Die wichtigsten der R. im Laufe seines tatenreichen Lebens zuteil gewordenen Ehrungen sind schon erwfihnt worden; von der Osterreichischen Regierung erhielt er im Jahre 1882 den Titel eines Regierungsrates und im Jahre 1894 den Titel eines Hofrates.

Klugheit und Milde, inniges Gefiihl und Herzensgiite machten R. zum sorgsamsten Familienoberhaupte, zum besten Vorgesetzten, zum giitigen Vater fiir alle, die unter seiner Obhut standen; und als Vater verehren ihn seine Studenten noch heute. Mut und Entschlossenheit, Tatkraft und Ausdauer, Gemeinsinn und Opferwilligkeit, Unbeugsamkeit und Edelsinn bezeugen alle- zeit, dafi R. nicht nur ein deutscher Gelehrter, sondern auch ein ganzer, freier deutscher Mann gewesen ist.

Verzeichnis1) von Alexander Rollett* wissenschaftlichen Arbeiten, Rektoratsreden, Berichten und Vortragen in wissenschaftlichen und anderen Vereinen. (In chronologischer Reihenfolge.) 1856. Cber freie Enden quergestreifter Muskelfaden im Innern der Muskeln, Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 21. Bd., S. 176. 1857. Unter- suchungen zur naheren Kenntnis des Baues der quergestreiften Muskelfaser. Ebenda, 24. B<L, S. 291. 1858. Untersuchungen Uber die Struktur des Bindegewebes. Ebenda, 30. Bd. 1859. Cber das GefUge der Substantia propria corneae. Ebenda, 33. Bd., S. 516. i860. Ober die Eiweiflktfrper des Bindegewebes. Ebenda, 39. Bd., S. 308. i860. Cber Lttsungs- gemenge aus Kalialbuminat. Ebenda, 39. Bd., S. 547. 1 861. Physiologische Versuche liber binokulares Sehen, angestellt mit Hilfe planparalleler Glasplatten. Ebenda, 42. B<L, S. 488. 1 86 1. (Otto Becker und Alexander Rollett) Beitrage zur Lehre vom Sehen der dritten Dimension. Ebenda, 43. Bd., S. 667. 1861. Ein „unanfechtbarertt Beweis gegen die identischen Netzhautstellen. »Wiener med. Wochenschriftc, Nr. 37. 1861. Zur Kenntnis der Verbreitung des Hamatins, Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften. 44. Bd. 1862. Versuche und Beobachtungen am Blute, nebst kristallographischen und optischen Mitteilungen Uber die Blutkristalle von Dr. V. v. Lang. Ebenda, 46. Bd., S. 92. 1862. Cber den Pleochroismus der Haminkristalle, nebst einer kurzen Anleitung zur Unter- suchung desselben. » Wiener med. Wochenschriftc. 1862. Die Arbeit durch Muskelkraft in ihrer Entstehung. Verein zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse in Wlen. 1862. Physiologic, zusammenfassender Bericht. >Wiener med. JahrbUcherc, 1862. S. 130 bis 151. 1863. Cber die Wirkung des Entladungsstromes auf das Blut. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 47. Bd., S. 356. 1863. Kurze Mitteilung einiger Resultate Uber die FarbstofTkristalle, welche sich unter dem Einflusse von Sauren aus dem Blute abscheiden. Ebenda, 47. Bd., S. 223. 1863. Die Zellenlehre und ihre Reform. Verein zur Verbreitung naturwissenschafdicher Kenntnisse. Wien, 26. Janner 1863. 1864. Cber die sukzessiven Veranderungen , welche elektrische Schlage an roten Blut- korperchen hervorbringen. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 50 Bd., S. 178. 1865. Cber die Veranderungen, welche nach einseitiger Durchschneidung des Ncrvus trigeminus in der Mundhahle auftreten. Ebenda, 51. Bd. 1865. Versuche fiber tatsachliche und vermeintliche Beziehungen des BlutsauerstofTes. Ebenda, 52. Bd., S. 246. 1866. Cber die Anderung der Farben durch den Kontrast. Ebenda, 55. Bd. 1866. Zur Lehre von den Kontrastfarben und dem Abklingen der Farben. Ebenda, 55. Bd. 1866.

') Nach der Zusammenstellung von Klemensiewicz.

Rollett.

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Zur Physiologie der Kontrastfarben. Ebcnda, 55. Bd. 1869. (Alexander Iwanoff und Alexander Rollett) Bemerkungen zur Anatomie der Irisanheftung und des Anulus ciliaris. Archiv fttr Ophthalmologic 15, I. 1870. Cber Zersetzungsbilder der roten Blutkorper. Untersuchungen aus dem Institut ftir Physiologie und Histologic in Graz. (Leipzig, Engel- mann, Heft 1.) 1870. Cber die blinddarmfttrmigen Drlisen des Magens. *Zentralblatt fttr die med. Wissenschaft.«, Nr. 21 u. 22. 1871. Von den Bindesubstanzen. Kapitel II in Snickers » Handbuch der Lehre von den Geweben des Menschen und der Tierec (erschien als i. Heft, 1868.) 1871. Vom Blut, Kapitel 13. Ebenda (erschien als 2. Heft, 1869.) 1871. Cber Elementarteile und Gewebe und deren Unterscheidung. Untersuchungen aus dem Institut far Physiologie und Histologic in Graz. Heft 2. 187 1. Bemerkungen zur Kenntnis der Labdrilsen und der Magenschleimhaut Ebenda, Heft 2. 187 1. Ein kompendioser Batterie-Umschalter. Ebenda, Heft 2. 187 1. Cber die Kontraktilitat der Hornhaut- kftrperchen und die Hornhauthohlen. »Zentralblatt fUr die med. Wissenschaft.*, Nr. 13. 1871. Cber die Verschiedenheit der menschlichen Augen in Bezug auf Einstellung und An- passungsvermtigen fttr verschieden weit entfernte Gegenstande. Mitteil. d. Naturwissen- schaftlichen Vereins fttr Steiermark, 2. Bd., 3. Heft, pag. CLXXXII. 1872. Cber die Horn- haut, Strickers Handbuch (wie oben) Kapitel 34, 7. Abschnitt. 1872. Cber die Erschei- nungsformen des Lebens und den beharrlichen Zeugen ihres Zusammenhanges. Feierliche Sitzung der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien, 15. Juni 1872. 1872. Cber die Bedeutung des Baues des menschlichen Korpers. Naturwissenschaftlicher Verein fttr Steier- mark. — 1872. Cber elektrische Fische. Ebenda. 1872. Cber Entzttndung. Sitzungs- berichte des Vereines der Arzte in Steiermark. 1872. Cber den Einflufi der Natuxwissen- schaften auf andere Wissenschaften. Rektoratsrede, 15. November 1872. 1873. Uber die Entwicklung des fibrillaren Bindegewebes. Untersuchungen aus dem Institut fttr Physiologie and Histologic in Graz, 3. Heft. 1873. Cber eine neue Einrichtung der konstanten Zink- Kupferkette. Ebenda. 1873 74. Drei Vortrage im Verein der Arzte in Steiermark: Cber physiologische Regeneration der Epithelien. Cber Fleischbrtihe und Fleischextrakt. Cber den Shock. 1874. Cber die verschiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener Xervmuskel-Apparate. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 70. Bd. 1874. Cber leuchtende Tiere. Vortrag. Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines ffir Steiermark. 11. Bd., pag. LVII. 1875. Cber Puis- und Atembewegungen. Ebenda, 12. Bd., pag. XLIX. 1875. ^D€r die verschiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener Xervmuskel-Apparate. »Zentralbl. fttr die mediz. Wissenschaft.«c, Nr. 22. 1875. ^Der die verschiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener Nervmuskel-Apparate. 2, Teil. Sitzungs- berichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 71. Bd. 1875. ^Der die verschiedene Erregbarkeit funktionell verschiedener Nervmuskel-Apparate. 3. Teil. Ebenda, 72. Bd. 1875. Zur Geschichte des wissenschaftlichen Lebens in Graz. Rede zur Er5ffnung der 48. Ver- sammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Graz, am 18. September 1875. 1876. Geschichte der Entdeckung der von den Muskeln und Nerven abzuleitenden elektrischen Strome. »Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines fttr Steiermark*, pag. LIX. 1876. Bemerkungen ttber das Rheochord als Nebenschliefiung. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 73. Bd. 1876. Cber einen Nervenplexus und Nerven- cndigungen in einer Sehne. Ebenda, 73. Bd. 1876. Cber das Verhalten des Blutes zum Kaliumhydroxyd mit Rttcksicht auf die forensische Untersuchung von Blutflecken, »Mit- teilungen des Vereines der Arzte in Steiermark*. 1877. Cber die Bedeutung von Newtons Konstruktion der Farbenordnungen dttnner Blattchen fttr die Spektraluntersuchung der Inter- ferenzfarben. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 75. Bd. 1878. Cber die Farben, welche in den Newtonschen Ringsystemen aufeinander folgen. Ebenda, 77. Bd. 1880. Physiologie des Blutes und der Blutbewegung. Hermanns Handbuch d. Physiologie, 4. Bd. 188 1. Cber die Wirkung, welche Salze und Zucker auf die roten Blutkorperchen ausliben. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 84. Bd. 1881. Cber ein Polarispektromikroskop , mit Bemerkungen ttber das Spektrumokular. »Zeit- schrift fttr Instrumentenkunde«. 1881. Cber die als Azidalbumine uud Alkalialbuminate

254

Rollctt

bezeichneten Eiweiflderivate. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 84. Bd.

1882. Aus dem Zeitalter der Phrenologie, mit besonderen Beziehungen auf Goethes Verkehr mit dem Phrenologen Gall. Fleischers ^Deutsche Revue*, 7. Jahrgang, 2. Bd. 1883. Lebensfragen. Rektoratsrede. Graz. (Leuschner und Lubensky.) 1884. Zur Kenntnis des Zuckungsverlaufes quergestreifter Muskeln. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissen- schaften, 89. Bd. 1885. Untersuchungen tiber den Bau der quergestreiften Muskelfasem.

1. Teil. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, 49. Bd. 1885. Dasselbe,

2. Teil. Ebenda, 51. Bd. 1885. Physiol ogische Bemerkungen tiber den Gedankenleser Cumberland. >Mitteilungen des Vereines der Arzte in Steiermarke, 22. Jahrgang. 1887. Beitrage zur Pbysiologie der Muskeln. Denkschrift. der Wiener Akademie der Wissenschaften, 53. Bd. 1887. Cber neuere Ergebnisse der Muskelphysiologie. »Mitteilungen des Vereines der Arzte in Steiermark*, 24. Jahrgang. 1888. Muskel (Histologisch und physiologisch). Eulenburgs »Realenzyklopadie der gesamten Heilkundec, 2. Aufl. 1888. Ober die Flossea* muskeln des Seepferdchens (Hippocampus antiquorum) und liber Muskelstruktur im allge- meinen. »Archiv fUr mikroskopische Anatomiee, 32. Bd. 1889. Anatomische und physio- logische Bemerkungen Uber die Muskeln der Fledermause. Sitzungsberichte der Wiener Akademie der Wissenschaften, 98. Bd. 1889. Quantitative Betrachtungen Uber Blut, Kreis- lauf und Atmung. »Mitteilungen des Vereines der Arzte in Steiermark«, 26. Jahrgang. 1891. Zur Lehre von der Blutbildung. Ebenda, 28. Jahrgang. 1891. Versuche uber subjektive Farben. »Pfltigers Archive, 49. Bd. 1891. Untersuchungen Uber Kontraktjon und Doppelbrechung der quergestreiften Muskelfasem. Denkschriften der Wiener Akademie der Wissenschaften, 58. Bd. 1891. Uber Wellenbewegung in den Muskeln. »Biologisches ZentralblatU, 11. Bd., Nr. 5, 6. 1891. Ober den Streifen N (Nebenscheiben), das Sarko- plasma und die Kontraktion der quergestreiften Muskelfasem. »Archiv flir mikroskopische Anatomiec, 37. Bd. 1892. Cber die Kontraktionswellen und ihre Beziehung zu der Einzel- zuckung bei den quergestreiften Muskelfasem. >Pfltigers Archive, 52. Bd. 1893. Cber die Grenzen des Hdrens, in RUcksicht auf die httchsten und tiefsten httrbaren T8ne. >Mit- teilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines fUr Steiermark*. 1894, Physiologisches und Geographisches tiber das Blut. Ebenda. 1894. Betrachtungen tiber die Mauserung des Blutes. »Mitteilungen des Vereines der Arzte in Steiermark*. 1894. Cber das Blut »Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines ftir Steiermark*. 1895. Ober das Leuchten der Augen. Ebenda (1895 1896). 1895. Ober Zweck und Freiheit des akademischen Lebens. Rektoratsrede. 1895. Amtlicher Bericht tiber die akademische Feier aus Anlafl der feierlichen Schluflsteinlegung und ErofFnung des neuen Hauptgebaudes der k. k. Karl Franzens-Universitat in Graz am 4. Juni 1895. (Graz, Leuschner und Lubensky, 1895, im Verlage des Rektorats.) 1896. Cber die Veranderlichkeit des Zuckungsverlaufes quergestreifter Muskeln bei fortgesetzter periodischer Erregung und bei der Erholung nach derselben. >Pfltigers Archiv«, 64. Bd. 1896. Demonstration Rtintgenscher Schattenbilder und Erlauterung des Verfahrens. Verein der Arzte in Steiermark. 1897. Cber Geruch und Geschmack. j»Mitteilungen des Naturwissenschaftlichen Vereines ftir Steiermark*. 1898. Muskel (histologisch). Eulenburgs »Realenzyklopadie der gesamten Heilkunde*, 16. Bd. 1898. Erinnerung an H. F. Mtiller. Verein der Arzte in Steiermark. 1898. Muskel (physiologisch). Eulenburgs »Realenzyklopadie« , 3. Aufl., 8. Bd. 1898. Zur Kenntnis der physiologischen Verschiedenheit der quergestreiften Muskeln der Kalt- und Warmbltiter. >Pfltigers Archive, 71. Bd. 1899. Beitrage zur Physiologie des Geruches, des Geschmackes, der Hautsinne und der Sinne im allgemeinen. »Pfltigers Archive, 74 Bd.

1899. Neue Anschauungen auf dem Gebiete der Sinnesphysiologie. Verein der Arzte in Steiermark. 1899. Cber Ermtidung und Erholung. Volksttimlicher Vortrag in Voitsberg.

1900. Die Lokalisation psychischer Vorgange im Gehim (einige historisch-kritische Be- merkungen. »Pfltigers Archive, 79. Bd. 1900. Cber eine Abwehr, die keine ist. Ebenda, 80. Bd. 1900. Weitere Bemerkungen Uber die physiologische Verschiedenheit der Muskeln der Kalt- und Warmbltiter. »Zentralblatt ftir Physiologie*. 1900. Zur Erinnerung an Franz Unger. Gedachtnisrede bei der Unger-Feier des Naturwissenschaftlichen Vereines ftir

Rollett. Scheibert von Sch8nberg« 255

Steiermark am 29. November 1900. 1900, Elektrische und thermische Einwirkungen auf das Blut und die Struktur der roten Blutkbrperchen. , »Pfliigers Archive, 82. Bd. 1901. Uber die Mittel, welche zur Erkennung von Blut dienen. »Mitteilungen des Naturwissen- schaftlichen Vereines flir Steiermark«c. 1901. Die Physiologic. Artikel in: »Das goldene Buch des deutschen Volkes an der Jahrhundertwende*, S. 87 und 88. 1901. Hermann v. Helmholtz. Aufsatz in der Grazer »Tagespost«, I. November. 1901. Entwicklungs- lehre und spezifische Sinnes-Energie. Verein der Arzte in Steiermark. 1902. Die wissen- schaftliche Medizin und ihre Widersacher von heute. Rektoratsrede, 4. November.

R. Klemensiewicz, Der Physiologe Alexander Rollett, Festrede 1893. Graz, Leykam.

R. Klemensiewicz, Alexander Rollett, Gedachtnisrede , gehalten in der Aula bei der Rollett-Trauerfeier am 17. Oktober 1903. Mitteil. d. Ver. d. Arzte in Steiermark, 1904, Nr. 1 (Separatabdruck im Verlage des Verfassers). Mit Portrat. R. Klemensiewicz, Nachruf fUr Alexander Rollett Mit Portrat. 1904. Graz, Verlag des Naturwissenschaftlichen Vereines. Y. v. Ebner, Alexander Rollett. 1903. » Wiener klinische WochenschrifU, Nr. 48. O. Zoth, Zur Erinnerung an Alexander Rollett. »Pflugers Archiv ftir Physiologiec , Bd. 101, 1904. Bonn, M. Hager. Mit Portrat.

Graz. O. Zoth.

Scheibert, Justus, Major z. D., * 16. Mai 1831 zu Stettin, f 4. Juli 1903 zu Grofl-Lichterfelde bei Berlin. Nach bestandener Reifeprlifung an der Friedrich Wilhelms-Schule seiner Vaterstadt trat S. 1849 als Einjfihrig-Frei- williger bei den Pionieren ein, machte hier, da er aktiver Offizier werden wollte, seine Fahnrichspriifung und wurde zur Artillerie- und Ingenieurschule kommandiert, nach deren Verlassen er, inzwischen zum Sekondeleutnant be- fordert, der 5. Pionierabteilung in Glogau zugeteilt wurde. Nachdem Sch. bei dieser Truppe als Adjutant fungiert hatte, kam er 1858 nach Magdeburg, i860 nach Silberberg, 1861 nach Neisse und 1862 wiederum nach Glogau zum dort stehenden Pionierbataillon. Im Jahre 1863 ging er nach den Ver- einigten Staaten, um als Zuschauer im Hauptquartier des Generals Lee den Sezessionskrieg mitzumachen, war wahrend des Feldzugs von 1864 gegen Danemark im Stabe des Generals von Wrangel tatig, zog 1866 gegen Oster- reich und 1870 gegen Frankreich ins Feld. In diesem Kriege wurde S. in der Schlacht bei Worth sehr schwer am Unterschenkel verwundet, so dafl er erst 1872 wieder in den praktischen Dienst treten konnte. Er kam zunachst nach Posen, darauf nach Minden, war wahrend der Jahre 1876 und 1877 In- genieur vom Platz in Kiistrin und trat darauf in den Ruhestand. Einen ein- gehenden Bericht uber seinen Lebenslauf enthalt das 1902 von ihm heraus- gegebene Buch »MitSchwert undFeder«, das Beifall gefunden hat. Nach seiner Verabschiedung widmete Sch. sich ganz der Schriftstellerei und gehorte als glaubiger Christ und warmer Patriot die letzten achtzehn Jahre seines Lebens der Redaktion der Berliner Neuen Preufiischen Kreuzzeitung als Mitglied an. Daneben fand er noch Zeit, zahlreiche wertvolle Artikel fur andere Zeitschriften, namentlich militarischer Richtung, zu verfassen.

Nach >Militar-Zeitung«c. Lorenzen.

SchSnberg, Caspar Friedrich von, Koniglich sachsischer Generalleutnant, * 27. April 1826 zu Nieder-Reinsberg in Sachsen, f 13. Marz 1903 zu Dresden.

Nach Austritt aus dem sachsischen Kadettenhause in Dresden wurde Sch. 1845 Leutnant, nahm an den StraBenkampfen von 1849 ^n der Hauptstadt

256 von SchCnberg. von Blumenthal. von Oidtman.

Sachsens teil, wurde 1853 als Oberleutnant in das 3. Reiterregiment versetzt und am 31. Januar 1855 zum Adjutanten bei dem Kommando der Kavallerie ernannt. Hier avancierte Sch. i860 zum Rittmeister, iibernahm 1861 die 4. Eskadron des Garde-Reiterregiments und zog mit dieser 1866 gegen Preufien ins Feld. Bei Umformung der sachsischen Truppen kam Sch. 1867 als Es- kadronschef in das Uianenregiment Nr. 17 und wurde 1868 unter BefSrderung zum Major in das 2. Reiterregiment versetzt. Als solcher machte er den deutsch-franz6sischen Krieg von 1870/71, und in diesem namentlich die Schlachten bei Beaumont und Sedan, die Einschliefiung von Paris, sowie die Kampfe bei Villers mit. Nach dem Feldzuge trat er im Jahre 1872 an die Spitze des Ulanenregiments Nr. 18, wurde 1874 zum Obersten ernannt und 1880 mit der Fuhrung der 1. Kavalleriebrigade Nr. 23 beauftragt, deren Kommando ihm im folgenden September endgultig iibertragen wurde. 1881 zum General- major aufgeriickt, trat Sch. 1883 in den Ruhestand; 1902 erhielt er den Cha- rakter als Generalleutnant.

Nach den Akten. Lorenzen.

Blumenthal, Louis von, Generalmajor z. D., * 1. August 181 1 zu Gatz im Kreise Stolp, f 25. Mai 1903 in Potsdam. B., ein jiingerer Bruder des Feldmarschalls Grafen v. Blumenthal, wurde nach dem Tode seines 1813 an den bei Dennewitz erhaltenen Wunden verstorbenen Vaters zunachst von seiner Mutter, und alsdann im Kadettenkorps erzogen, aus dem er 1829 als Sekondeleutnant in das jetzige Garde -Fiisilierregiment eingestellt wurde. 1832 1835 besuchte er die damalige Allgemeine Kriegsschule, jetzige Kriegs- akademie, war 1837 1842 als Bataillonsadjutant beim 1. Garde-Landwehr- regiment tatig und 1843 1846 zur topographischen Abteilung des Grofien Generalstabes kommandiert, in welcher Zeit er auch voriibergehend bei der 8. Pionierabteilung Dienst tat. 1846 riickte B. zum Premierleutnant auf, fuhrte wahrend der Jahre 1849 und 1850 eine Kompagnie der Schulabteilung in Potsdam, bis er im Juni letzteren Jahres das Hauptmannspatent, und 1857 als Major das Kommando des 2. Bataillons (Diisseldorf) des 17. Landwehr- regiments erhielt. Unterm 1. Juli i860 erfolgte B.s Versetzung als Bataillons- kommandeur zum spateren 8. westfalischen Infanterieregiment Nr. 57 und 1861 seine Beforderung zum Oberstleutnant. 1864 an die Spitze des 6. branden- burgischen Infanterieregiments Nr. 52 gestellt, avancierte er am folgenden 25. Juni zum Obersten. Im Feldzuge von 1866 zog B. mit seinem Regiment nach Bohmen, wo er sich insbesondere in den Gefechten bei Nachod, Ska- litz und Schweinschadel auszeichnete, wofiir ihm der Kronenorden 2. Klasse mit Schwertern verliehen wurde. 1867 zu den Offizieren von der Armee versetzt, erhielt B. am 10. August jenes Jahres das Kommando der 26. In- fanteriebrigade, wurde 1868 zum Generalmajor befOrdert und im Juni 1869 zur Disposition gestellt.

Nach den Akten. Lorenzen.

Oidtman, Hugo von, General der Infanterie, * 20. August 1835 zu Trier, f 22. Marz 1903 zu Sondershausen. O. trat 1853 in den K6niglichen Dienst, und zwar als Avantageur in das 7. Jager-Bataillon ein, avancierte 1854 zum Portepeefahnrich und wurde am 10. Marz 1855 Sekondeleutnant Nach dem

von Oidtman. Mtiiler.

257

Besuch der damaligen Allgemeinen Kriegsschule, jetzigen Kriegsakademie, in den Jahren 1858 1861 erhielt er 1863 die Premierleutnantssterne. Nach einem Kommando beim Infanterie-Regiment Nr. 30 in demselben Jahre, nahm er 1864 an dem Feldzuge gegen Danemark in Schleswig mit seinem Jager- bataillon teil, sich insbesondere bei Missunde, der Erkundung von Sandberg sowie bei der Erstiirmung der Diippeler Schanzen auszeichnend. 1865 aber- raals zum 30. Infanterie-Regiment kommandiert, blieb er bei Ausbruch des Krieges von 1866 zun&chst als Kommandeur der Ersatzkompagnie seines Bataillons zuriick, wurde aber bereits am 21. Juni als Kompagniefiihrer in das an jenem Tage neuerrichtete 9. Jagerbataillon versetzt, mit dem er noch am Mainfeldzuge teilnahm. O.s BefSrderung zum Hauptmann und Kompagnie- chef erfolgte am 30. August 1866. Im Feldzuge gegen Frankreich 1870/71 wurde er in der Schlacht bei Gravelotte schwer verwundet, konnte jedoch wieder an der Einschliefiung von Metz, den Schlachten von Orleans, Beau- gency und Le Mans teilnehmen, wo er sich so auszeichnete, dafl ihm beide Klassen des Eisernen Kreuzes verliehen wurden. Im weiteren fuhrte O. vom 18. Januar bis 27. Februar 187 1 ein Bataillon des Infanterie-Regiments Nr. 85, verblieb dann nach Beendigung des Krieges noch bis 1875 beim Bataillon, zu welchem Zeitpunkt er unter Beforderung zum Major zum Oldenburgischen 2. Infanterie-Regiment Nr. 91 kam. 1880 trat O. als Kommandeur an die Spitze des Ostpreuflischen Jagerbataillons Nr. 1, erhielt 1882 das Patent als Oberstleutnant und wurde 1884 zumMitglied derGewehr-Priifungs-Kommission in Spandau ernannt, zu deren Prases er 1885 unter BefSrderung zum Obersten aufriickte. 1889 wurde O. Generalmajor und am darauffolgenden 17. Juni Kommandeur der n. Infanterie-Brigade, jedoch bereits 1890 zum Inspekteur der Jager und Schiitzen ernannt sowie mit Fiihrung der Geschafte des Kom- mandeurs des reitenden Feldjagerkorps beauftragt. 1892 zum Generalleutnant und Kommandeur der 8. Division befordert, wurde O. 1895 zur Disposition gestellt; 1898 wurde ihm der Charakter als General der Infanterie verliehen. Nach den Akten. Lorenzen.

Muller, Carl Friedrich Wilhelm, * 22. Februar 1830 in Magdeburg, t 1. Juni 1903. M., promoviert 1854 in KOnigsberg, im selben Jahr Probe- kandidat in Magdeburg, 1855 Hilfslehrer in Stendal, 1856 ordentlicher Lehrer in Konigsberg, 1863 in Landsberg a. W., seit 1864 Professor am Joachirns- thalschen Gymnasium in Berlin, von 1872 1897 Direktor des Johannes- gymnasiums in Breslau, 1896 ordentlicher Honorarprofessor fur klassische Philologie ebenda, f 1. Juni 1903. Wer diese trockene Reihe von Daten liest, mag denken, dafl es sich um das Leben eines Durchschnittsschulmanns handelt, dem, als er alt wird, Freunde an der Universitat das Vergnugen machen ihn mit einem ziemlich bedeutungslosen Titel zu iiberraschen. In Wirklichkeit stellen unsere Daten ein Stuck Geschichte der klassischen Philologie dar und kein erfreuliches das schwere Ringen eines hervorragenden Gelehrten um eine seinen Leistungen entsprechende Stellung und die endlich in spaten Jahren erfolgende Anerkennung. M., an der Konigsberger Universitat durch Lobeck und Lehrs vorgebildet, hat in friiher Jiinglingszeit schon die Erforschung der lateinischen Sprache sich zum Ziel gesetzt, und ehe er dreifiig war, wufiten die ihn kannten, dafl er mit seinen Kenntnissen auf diesem Gebiete jedem

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolog-. 8. Bd. I j

258 Mttllcr.

andern ebenbiirtig sei. Die Kftnigsberger Fakultat, der das durch Lehrs am genauesten bekannt war, schlug ihn schon 1862, dann wieder 1864, als noch kein umf&nglicheres Werk von ihm vorlag, fiir eine Professur vor. Aber die Hoffnung, ihn so von dem Joch der Arbeit fiir die Schule zu befreien, schlug fehl. Zu M.s geistigen Zugen gehOrte aufier eisernem FleiB und durchdringen- dem Scharfsinn auch eine unbedingte Offenheit und ein UnabhSngigkeits- gefiihl, die fiir ihn jedes Paktieren mit gegnerischen Ansichten unmdglich machten und ihn zu mancher Schroffheit verleiteten. So ist es leicht be- greiflich, dafi er nicht zu den Giinstlingen des damals sehr einflufireichen Moritz Haupt zahlte, begreiflicher aber noch, dafi er Zeit seines Lebens ein entschiedener Anh&nger der Fortschrittspartei dem Ministerium nicht genehm war, mit dessen K6nigsberger Organen er politische Konflikte ohne Riicksicht auf die Person durchgefochten hatte.

Die Aussicht auf die akademische Laufbahn verschlechterte sich nur, als 1869 M.s erstes Hauptwerk, die bahnbrechende »Plautinische Prosodie* er- schien. Wer auch nur den Umfang dieses mit den 1870 erschienenen Nach- tragen 1000 Sei ten umfassenden Werkes ansieht, wird iiber die geistige Kraft des mit seiner Schultatigkeit allein fast vollbeladenen Mannes staunen. Die wissenschaftliche Bedeutung des Buches aber sichert an sich schon M. fur immer einen Platz unter den hervorragenden Latinisten. Zum erstenmal sind hier die Geheimnisse der plautinischen Versmessung erschlossen, an denen die namhaftesten Philologen bis dahin ihre Krafte vergeblich versucht hatten. Und wenn wir heute in Plautus Komddien nicht blofi ein an sich hdchst merkwurdiges Literaturdenkmal und eine der wichtigsten Quellen des mo- dernen Lustspiels erblicken, sondern gleichzeitig ein Meisterwerk der Vers- kunst, so gebiihrt der Dank dafur C F. W. Miiller in erster Reihe. Leider ist diese Erkenntnis erst spSt durchgedrungen; anfangs war die sachliche Wiirdigung dadurch erschwert, ja unmdglich gemacht, dafi die Annahme der M.schen Funde der Todesstofl fiir die Lieblingsideen des damals allmachtigen Leipziger Philologen Ritschl gewesen ware. Selbst Haupt, der jetzt, da er in M. einen Bundesgenossen gegen Ritschl zu erkennen glaubte, sich ihm freundlich zuwandte, konnte ihm bei dieser Sachlage durch seine Empfehlung (1874) zu einer Universitatsprofessur nicht verhelfen, und M. mufite froh sein, inzwischen (1872) in dem Direktorat des neugegriindeten Breslauer Johannes- gymnasiums eine immerhin seiner wiirdigere Stellung zu finden. Diese hat er 25 Jahre innegehabt und fiir seine Tatigkeit reichsten Dank seiner Schuler, auf die seine menschliche und wissenschaftliche Personlichkeit ihren starken Eindruck nicht verfehlte, und w&rmste Anerkennung der Behorden geerntet. Auch ihm selbst war diese Stellung von alien, die er an Schulen innegehabt hat, zweifellos die genehmste, und nur gegen das Ende hin, als die Schul- reform ihren Druck auf die Anstalt und ihre Leistungen ausiibte und das Aktenwesen iiberhand zu nehmen anfing, empfand er die Unannehmlichkeiten des Schulamts fiir einen wissenschaftlich Arbeitenden wieder sehr lebhaft So nahm er 1897 nach dem Jubilaum der Anstalt, das ja auch das seines Direktorates war, um so lieber seinen Abschied, als ein Jahr vorher ihm endlich zuteil geworden war, was ihm ein langes Leben hindurch als Ziel vorge- schwebt hatte: der akademische Lehrstuhl. Seit 1890 etwa konnte der Erfolg der »plautinischen Prosodie« als entschieden gelten, und schon seit 1876

Mttller. Rimpau. 259

hatte das zweite Hauptwerk M.s, das sich von vornherein allseitiger Aner- kennung erfreuen durfte, zu erscheinen begonnen: eine Gesamtausgabe Ciceros nebst Kommentaren zu einzelnen Schriften {Laelius 1876, de officii* 1882, die Gesamtausgabe in acht Binden von 1880 bis 1898), M.s Textgestaltung ist nicht nur heute die maflgebende, sondern wird es im ganzen auch auf lange hinaus bleiben; was er dem Text an sprachlichen Bemerkungen bei- gegeben hat, zeigt ebensoviel Kenntnis der lateinischen Sprachdenkmaler aller Zeiten und aller Schichten wie F&higkeit dem fremden Idiom auch seine feinsten Nuancen nachzufuhlen. Die entsprechende Anerkennung war die ordentliche Honorarprofessur in der philosophischen Fakultat der Universitat Breslau, die M. noch sieben Jahr bekleiden konnte. Eine besonders um- fassende Lehrtatigkeit war durch die gerade um 1896 herum auflerst geringe Zahl philologischer Studierender ausgeschlossen. Dagegen hat auch die Epoche der neuen Wirksamkeit aufler einer Reihe von Aufsatzen iiber Kritik lateinischer Schriftsteller und lateinischen Sprachgebrauch noch zwei grofle Arbeiten heranreifen sehen, eine Ausgabe der Brief e des jiingeren Plinius (1903) und die Syntax des Nominativs und Akkusativs. Letztere hat M. nicht mehr selbst zum Druck bringen konnen, ja sie ist insofern ein Fragment, als M.s seit Dezennien gehegter Plan die gesammte Kasussyntax umfafite. Aber die nun bald zu erhoffende VerOffentlichung wird doch die lateinische Philologie mit einem Werke beschenken, das in der Vollstindigkeit des Materials und seiner scharfen Durchdringung nicht seinesgleichen hat und schwerlich je seinesgleichen bekommen wird. Tragisch, dafl den bis zur Vollendung dieses Stuckes geistig und korperlich durchaus riistigen Gelehrten eine unerwartet rasch verlaufende Krankheit am vollen Abschlufi seines letzten grofien Werkes hindern mufite tragisch besonders, wenn man bedenkt, dafl friihere Be- freiung aus dem Schuiamt genugt hatte, um auch diesem, dem vielleicht wichtigsten Werke M.s, die Vollendung zu sichern.

Wir mussen zufrieden sein mit dem, was ihm das Schicksal fertigzustellen erlaubte. Reichlich genug ist es, um seinem Namen in unserer Wissenschaft Fortdauer unter den besten zu sichern. Wer aber M. persdnlich gekannt hat, tragt ihn nicht nur als Gelehrten von einziger Art, sondern auch als einen Menschen im Gedachtnis, wie man ihn nicht zweimal im Leben findet: es war etwas Eisernes an ihm, eisern sein Fleifi, eisern seine Konsequenz, eisern die Mannhaftigkeit, die das als wahr erkannte jederzeit und gegen jedermann vertrat. Aber wer ihm Freund werden durfte, der wuflte, welch warmes Herz unter der bisweilen vielleicht rauhen Hulle schlug: unverbnichlich war auch die Treue, die ihn seinen Freunden verband und die jeder, dem sie zuteil wurde, als ein Kostlichstes in seinem Leben schatzte. Skutsch.

Rimpau, Wilhelm, Dr., Amtsrat, * 29. August 1842 zu Schlanstedt in der Provinz Sachsen, f 20. Mai 1903 ebendaselbst. Als Sohn des Geheimen Regierungsrates A. W. Rimpau, eines hervorragenden Landwirtes, wandte sich R. nach Beendigung seiner Schulausbildung auf dem Gymnasium zu Braun- schweig dem vaterlichen Berufe zu und machte zu dem Behufe zunachst eine zweij&hrige praktische Lehrzeit in der Wirtschaft des Amtsrats v. Hoppenstedt zu Liebenberg am Harz durch. Dann bezog er die landwirtschaftliche Aka- demie zu Poppelsdorf bei Bonn, wo besonders die Vorlesungen des benihmten

17*

26O Rimpau.

Pflanzenphysiologen Sachs auf die spatere praktisch - wissenschaftliche Tfttigkeit R.s von grftfitem Einflufl waren. Nachdem R. im Herbst 1863 das landwirtschaftliche Abschluflexamen der Akademie mit Auszeichnung ab- gelegt hatte, bezog er noch ein Semester die UniversitSt Berlin und machte dann verschiedene grflflere Studienreisen, die ihn auch nach England fuhrten, wo er die damals berii hmtesten Landgiiter zu seiner Information besuchte. 1865 trat er dann in die vaterliche Wirtschaft auf der Dom&ne Schlanstedt als Mitarbeiter ein, 1868 wurde er Mitpachter und 1877 beim Tode seines Vaters alleiniger PSchter. Gleichzeitig iibernahm er das bis dahin seinem Vater gehftrende Gut Langenstein bei Halberstadt.

Die wichtigste und bahnbrechendste Tatigkeit R.s liegt auf dem Gebiete der Pflanzenziichtung, der er auf der Dom£ne Schlanstedt seine Hauptlebens- arbeit gewidmet hat. Als R. in Schlanstedt die Wirtschaftsleitung iibernahm, begann in vielen Gegenden Deutschlands mit schwerem Boden und ganz besonders in der Provinz Sachsen infolge des zunehmenden Riibenbaues die Bewirtschaftung des Ackers gegeniiber den vorhergehenden Dezennien einen erheblich intensiveren Character anzunehmen, da die Zuckerriibe eine sorg- faltige tiefe Bearbeitung des Bodens und eine starke Dungung fiir ein be- friedigendes Gedeihen verlangt. Die alten zu der Zeit angebauten Landsorten des Getreides vermochten die intensivere Kultur des Bodens durch ent* sprechende gesteigerte Ertrage nicht auszunutzen, und so trat damals das Bestreben hervor, Getreidesorten zu ziichten, die zwar hohe Anforderungen an die Kultur des Bodens stellten, andrerseits aber die gesteigerten Auf- wendungen durch entsprechende Ertrage lohnten. Auflerdem bemuhte man sich, Riibensorten mit hSherem Zuckergehalt als bisher zu ziichten, da in- folge der Steuerverhaltnisse die Fabrikation der zuckerreichen Riiben von der Steuer weniger empfindlich getroffen wurde als die Zuckerfabrikation mit geringwertigerem Rohmaterial. Ausgeriistet mit seinen pflanzenphysiologi- schen und biologischen Kenntnissen, zu denen er auf der Hochschule den Grund gelegt hatte und die er spater durch eigene Erfahrungen vertiefte, ist es R. vergonnt gewesen, auf dem Gebiete der Hochziichtung landwirtschaft- licher Kulturpflanzen bahnbrechend vorzugehen, und Schlanstedt nimmt noch heute, nachdem inzwischen in Deutschland eine grofie Zahl hervorragender Saatgutwirtschaften entstanden ist, unter diesen einen hervorragenden Rang ein. Die grofien Mengen von Saatgut der hochgeziichteten, ertragreichen land- wirtschaftlichen Kulturpflanzen, welche Jahr fiir Jahr aus Schlanstedt in alle Teile Deutschlands gewandert sind, haben wesentlich dazu beigetragen, die Produktivitat des deutschen Ackerbaues und dadurch seine Rente zu erhdhen, ein Fortschritt, um den R. sich ein hohes Verdienst erworben hat.

Trotzdem die Bewirtschaftung von Schlanstedt und Langenstein, wozu noch eine Reihe von Jahren infolge Testaments die Leitung der beriihmten bis dahin von seinem verstorbenen Onkel geleiteten Sand- und Moorwirtschaft Kunrau kam, an R.s Krafte die hochsten Anforderungen stellte, hat er noch Zeit gefunden, literarisch tatig zu sein. Eine lange Reihe groBerer und kleinerer wissenschaftlicher Abhandlungen, deren Inhalt stets Neues und Interessantes brachte, sind aus der Feder R.s in der Zeit von 1875 bis 1903 hervorgegangen. Diese literarischen Arbeiten R.s, es sind deren im ganzen 78 von Ministerialdirektor Thiel in einem Nachruf fiir R. aufgefuhrt, erstrecken

Rimpau. Karrer. 26 1

sich naturgem&fl in erster Linie auf das Gebiet der landwirtschaftlichen Pflanzenproduktion, aber auch Abhandlungen uber die sonstigen Zweige des Landwirtschaf tsbetriebes , f erner solche sozialpolitischen , kulturhistorischen und asthetischen Inhalts weist das stattliche Schriftenverzeichnis R.s auf. Welch hohe Anerkennung die wissenschaftliche T&tigkeit R.s fand, geht dar- aus hervor, dafi ihm die philosophische FakultSt der University Halle die hochste von ihr zu vergebende Ehrung zuteil werden liefl, indem sie ihm den Doktortitel honoris causa verlieh.

Auch im dffentlichen Leben, besonders im landwirtschaftlichen Vereins- wesen, hat R. stets eine hervorragende Rolle gespielt; so gehOrt besonders er zu den Griindern der heute weltberiihmten »Deutschen Landwirtschafts-Gesell- schaft«, und in verschiedenen Sonderausschussen derselben ist er ein unermiid- licher, treuer Mitarbeiter gewesen, bis eine im Laufe der Jahre zunehmende Schwerhdrigkeit ihn zwang, sich hiervon mehr zuriickzuziehen. Um so mehr wandte er sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu, bis ihn im 61. Lebens- jahre eine infolge von Furunkulose entstandene Blutvergiftung dahinraffte.

Literatur: >Deutsche landwirtschaftliche Pressec Jahrgang 1903. »IUustrierte land- wirtschaftliche Zeitungc Jahrgang 1903. Dr. Quante.

Karrer, Felix, * 11. MSrz 1825 in Venedig, f 19. April 1903 in Wien. K.s Vater stand 1825 als Beamter in Osterreichischen Diensten. Derselbe starb jedoch bereits vier Jahre nach der Geburt des Knaben und die hinter- bliebene Witwe iibersiedelte mit diesem nach Wien, wo sie Verwandte besafl.

K. besuchte hier das Gymnasium, absolvierte den juridischen Kurs an der University und trat sodann im Jahre 1847 als Konzeptspraktikant in das k. k. Kriegsministerium ein.

Der einffirmige Bureaudienst sagte ihm jedoch auf die Lange nicht zu, und da seine Mutter ein kleines VermOgen besafl, er auch ihr einziges Kind war, so verliefi er seine Beamtenstelle, um als freier Privatgelehrter Natur- wissenschaften zu treiben, fiir die er von Jugend auf eine besondere Vor- liebe gehegt hatte.

Durch E. Suess, der damals Kustos am k. k. Hof-Mineralienkabinett war and eben um diese Zeit seine Lehrtatigkeit an der University begann, wurde er der Geologie zugefiihrt, deren Betrieb von nun an sein ganzes Leben erfullte.

Durch Vermittlung seines Lehrers wurde ihm am Hof-Mineralienkabinett ein eigener Arbeitsplatz eingerSumt und er gehdrte von nun an zu den eifrigsten Arbeitern dieses Instituts.

Seine Spezialitat war das Studium der Foraminiferen, in welchem Fache er in kurzer Zeit eine anerkannte Autoritat wurde. Er ver6ffentlichte eine Reihe wertvoller Arbeiten, stand mit fast alien Fachkollegen des In- und Auslandes in regem Verkehr und erwarb sich auch um die Foraminiferen- sammlung des Mineralienkabinetts das grOfite Verdienst, ja man kann wohl sagen, dafi diese erst durch ihn geschaffen wurde.

Nebenbei beschaftigte er sich auch mit geologischen Studien im Terti&r- becken von Wien, namentlich mit den Aufschltissen, welche durch die Ar- beiten an der Wiener Wasserleitung hergestellt wurden, und veroffentlichte

262 Karrer.

tiber dieselben im Jahre 1877 ein umfangreiches Werk unter dem Titel: Geologie der Kaiser Franz Joseph-Hochquellenwasserleitung, gewidmet Seiner Kaiserlichen Hoheit Kronprinz Rudolph*.

Diese Arbeit, die einen selbstandigen Band der Denkschriften der Geologischen Reichsanstalt bildet, kann wohl als sein bedeutendstes Werk bezeichnet werden, fur dessen wtirdige Ausstattung er auch pekuniare Opfer brachte.

Durch die Studien an der Wasserleitung war er vielfach mit den tech- nischen Kreisen in Beriihrung gekommen und wurde dadurch veranlaflt, sich mehr der praktischen Richtung zu widmen, indem er eine Sammlung von Baugesteinen anlegte.

Diese Sammlung nahm durch seine unermiidliche Tatigkeit im Verlaufe weniger Jahre einen solchen Umfang an, dafi ihr bei der Obersiedelung der naturhistorischen Hofsammlungen in das neue Musealgebaude daselbst ein eigener Saal eingeraumt werden muflte.

Neben dieser der Wissenschaft und dem Museum gewidmeten T&tigkeit bekleidete K. auch noch die Stelle eines Generalsekret&rs des Wissenschaft- lichen Klubs, und auch in dieser Sph&re entwickelte er eine so vielseitige, gerauschlose, aber nachdriickliche T&tigkeit, dafl er in kurzer Zeit der wahre Mittelpunkt, der spiritus rector des Vereins wurde und es auch, vom allge- meinen Vertrauen getragen, bis zu seinem Tode blieb.

K. hatte im Jahre 1874 eine Erbschaft gemacht, durch welche seine bis dahin ziemlich bescheidenen Verhaltnisse sehr gehoben wurden. Er kaufte sich in DSbling ein ansehnliches Haus mit grofiem Garten und pflegte von da ab auch fast jahrlich eine groflere Reise ins Ausland zu unternehmen.

K. war zweimal verheiratet. Seine erste Ehe blieb kinderlos, aus der zweiten stammten drei Kinder, zwei TOchter und ein Sohn.

K. erfreute sich durch sein ganzes Leben einer wie es schien unverwust- lichen Gesundheit. Er war niemals krank und besafi noch im vorgeschrittenen Alter eine fast jugendliche Gelenkigkeit.

Im Sommer 1902 zeigten sich bei ihm jedoch wahrend seines Aufent- haltes in St. Wolfgang Schwachezustande, die sich zunachst in chronischen Verdauungsst6rungen &ufierten. Im Verlaufe des Winters nahm die Schwache immer mehr zu, er verfiel zusehends, muflte sich zu Bett legen, es trat voll- kommene Teilnahmlosigkeit ein und am 19. April 1903 verschied er schmerzlos und sanft. Er hatte ein Alter von 78 Jahren erreicht.

K. erhielt fiir seine vielseitigen Verdienste vielfache Ehrungen.

Er war kdniglich ungarischer Rat, Ritter des Ordens der Eisernen Krone und des Franz Josephs-Ordens, Besitzer der Goldenen Medaille fiir Kunst und Wissenschaft, Mitglied der Geological Society of London, wirkliches Mit- glied der Russischen) Mineralogischen Gesellschaft, Korrespondent der k. k. Geologischen Reichsanstalt etc.

Naheres ttber Karrer siehe: Th. Fuchs, Nachruf an Felix Karrer. (Monatsblatter des Wissensch. Klub in Wien, 1903, Nr. 9.) F. v. Lemonnier: Felix Karrer (Monatsbl. d. Wiss. Klub. Wien 1903.) F. Berwerth: Zur Erinnerung an Felix Karrer. (Annalen dc$ k. k. Naturhistor. Hofmuseums 1903.) Enthalt ein vollstandiges Verzeichnis seiner Publi- kationen.

Th. Fuchs.

Meding. 263

Meding, Johann Ferdinand Martin Oskar, Romanschriftsteller, * 11. April 1829 in KOnigsberg i. Pr., f 11. Juli 1903 in Charlottenburg. *— Er war der Sohn des Chefprasidenten der ostpreufiischen Regierung, erhielt die Grund- lage seiner Erziehung im elterlichen Hause unter der Einwirkung Herbarts and Dinters, der Freunde des Vaters, besuchte dann die Gymnasien in Marien- werder und K6slin und studierte von 1848 bis 1851 Jura und Kameralia in KSnigsberg, Heidelberg und Berlin. In Heidelberg, wo er dem Korps der Saxoborussia angehtirte, trat zum erstenmale die politische Bewegung der Zeit an ihn heran, indem er dort die badische Revolution von 1849 erlebte, zu der er allerdings mit den Genossen seines Korps unter der Studentenschaft in schroffem Gegensatz stand. Er hat spater diese Zeit in seinem Roman »Die Saxoborussen« (1885) geschildert, der dann unmittelbar darauf von dem pseudonymen Schriftsteller S. Gregorow in dem Roman »Die Saxo-Saxonen« (1886, 25. Aufl. 1900) in trefflicher Weise parodiert wurde. Im Jahre 1851 wurde M. Auskultator bei dem Appellationsgericht in Marienwerder, trat spater bei der Regierung zu Minden in den Verwaltungsdienst und arbeitete nach- mals bei den Regierungen in Liegnitz, Potsdam und Diisseldorf, wurde aber zwischendurch auch von dem Ministerprasidenten von Manteuffel in Prefi- angelegenheiten beschaftigt. In Diisseldorf war er besonders bei der Grundung des Handels- und Gewerbevereins fiir Rheinland und Westfalen tatig und schrieb fiir diesen Verein mehrere Denkschriften iiber damals vorliegende gewerbliche Fragen. Da er sich nach Manteuffels Riicktritt vom Minister- posten, unter dem Ministerium Auerswald vielleicht mit Unrecht fiir zuruckgesetzt hielt, verliefi er Ende 1859 den preufiischen Staatsdienst und trat in die Dienste des K6nigs von Hannover. Er arbeitete zunachst als Assessor bei der Landdrostei in Hannover, wurde aber bald mehrfach in be- sonderen Auftragen von dem Minister Grafen von Borries und dem KOnige selbst beschaftigt, der ihn durch besonderes Vertrauen auszeichnete. Unter dem Ministerium Windthorst-Hammerstein wurde M. 1863 Regierungsrat und Referent im Gesamtministerium mit persflnlichem Vortrage beim Kbnige, und in dieser schwierigen Stellung eroffnete sich ihm ein weites Feld politischer Erfahrungen, da er die verschiedensten und heterogensten GegenstSnde zu bearbeiten hatte und zur Teilnahme an den Konseilsitzungen berufen wurde. Er arbeitete besonders an der Herstellung einer Regierungspresse und war noch im Jahre 1865 unter dem Ministerium Bacmeister im Verein mit Miquel und Albrecht an der neuen Gewerbeordnung tatig, welche den bis dahin geltenden Zunftzwang beseitigte. Stets bemuht, die Unabhangigkeit und Selbstandigkeit Hannovers und gleichzeitig ein freundliches Verhaltnis zu Preufien zu erhalten, ging er noch unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges

1866 in einer Mission vonseiten des K6nigs zum Kurfiirsten von Hessen, urn denselben zur gemeinsamen Annahme der von Preufien gewiinschten Neutralitat zu bestimmen. Als die schnell und verhangnisvoll hereinbrechenden Ereignisse jede Vermittelung unmoglich gemacht hatten, begleitete M. im Jani 1866 den Kdnig zur Armee und spater nach Wien, wo er bis zum April

1867 blieb. Dann ging er in Vertretung der Interessen des Konigs nach Paris und suchte dort besonders die Stellung der hannoverschen Emigranten, der sogenannten Welfenlegion, zu erleichtern und mit den v&lkerrechtlichen Beziehungen in Einklang zu bringen. Wahrend seines dreijahrigen Aufent-

264 Meding. Wittmann.

halts in der franzosischen Hauptstadt hatte er hinreichend Gelegenheit, jene an Intrigen aller Art so reiche Zeit genau zu beobachten und zu studieren, was schliefilich zu einer grQndlichen Anderung seiner politischen Anschau- ungen ftihren muflte. Er verliefl daher im Februar 1870 den Dienst des Konigs von Hannover und begab sich zun&chst nach der Schweiz, eilte dann aber bei Ausbruch des Krieges nach Berlin, um seinen vollstandigen Frieden mit der preufiischen Regierung zu machen, und gleichzeitig mit Erfolg fur die in so mifilicher Lage befindlichen hannOverschen Soldaten und Offiziere zu wirken. Nunmehr jeder aufreibenden politischen T&tigkeit enthoben, suchte M. Erholung in literarischer Arbeit. Er begann eine Darstellung der welthistorischen Zeit auszuarbeiten, welche er durchlebt hatte, und gab der- selben die Form des Romans, um eine freiere Bewegung zu gewinnen und dasjenige verschweigen zu kOnnen, was nach irgend einer Seite hatte ver- letzen und seine Arbeit zu einem sogenannten Sensationswerk stempeln kdnnen. Vorbilder waren ihm fur die Form Walter Scott und Alexander Dumas. So entstand zunachst sein sogenannter »Zeitroman« »Um Szepter und Kronen* (III, 1872), den er in den Wintermonaten 1871 72 in der stillen Ruhe des Bades Oynhausen schrieb, und den er dann unter dem Pseudonym Gregor Samarow herausgab. Vier Fortsetzungen folgten ihm, »Europ&ische Minen und Gegenminen« (IV, 1873 75) 1 »Zwei Kaiserkronen« (IV, 1875), »Kreuz und Schwert» (IV, 1875 76) und »Held und Kaiser* (IV, 1876). Diese Zeit- romane fanden uberall Anerkennung; selbst Fiirst Bismarck und Kaiser Wil- helm I. versagten ihnen dieselbe nicht, ja der letztere erwies dem Verfasser die hohe Ehre, bei der Niederschrift der Biographie: »9i Jahre in Glaube, Kampf und Sieg. Ein Menschen- und Heldenbild unseres unvergefllichen Kaisers Wilhelm (1888), seine personliche Mitwirkung zu gewahren. Der erste Erfolg ermutigte den Verfasser zu weiteren ahnlichen Arbeiten, und so tragen denn die folgenden Romane mehr oder weniger einen historischen Charakter. Leider verfiel er je langer je mehr in den Fehler der Vielschreiberei, so dafl er es fiir angezeigt hielt, sich andere Decknamen beizulegen, wie Detlev von Geyern, Leo Warren, Walter Morgan, Kurt von Walfeld und als Zeitungsplauderer Paul von Weilen. Auf diese Weise brachte er es bis auf 66 Romane, welche 142 Bande fullten. Nachdem M. kurze Zeit in der Schweiz, in Stuttgart, Cannstadt und seit 1873 in Berlin gelebt hatte, verlegte er 1879 seinen Wohnsitz nach Schlofi Wohldenberg, dem Sitz einer alten hannoverschen Landdrostei, wo er bis 1900 blieb. Die letzten Jahre seines Lebens weilte er in Charlottenburg.

Perstinliche Mitteilungen. ^Deutsche Romanbibliothekc, 23. Jahrg. 1894 95, S. 571. >Cber Land und Meer«, 46. Band, S. 967. Franz Briimmer.

Wittmann, Karl Friedrich, Schauspieler und dramatischer Dichter, * 24. Marz 1839 *n Koburg, f 17. (n. a. 18.) Marz 1903 in Berlin. Nach Be- such der lateinischen Schule seiner Vaterstadt trat er, 17 Jahre alt, in den Verband des Hoftheaters in Koburg ein, wo er unter Max von Wangenheims Intendanz eine strenge theatralische Erziehung erhielt. Sein Talent entwickelte sich so schnell, dafi er schon i860 das Fach des ersten Helden und Lieb- habers am Stadttheater in Konigsberg i. Pr. ausfiillen konnte. Im folgenden Jahre ging er an das Hof theater in Hannover und 1862 als erster Bonvivant

Wittmann. Bellermann. 265

und jugendlicher Held an das Hoftheater in Darmstadt, wo er sieben Jahre blieb und sich Pensionsrechte erwarb. Von hier aus unternahm er auch in der Ferienzeit seine unter der Bezeichnung »Hoftheater-Ensemble« bekannten Gesamtgastspiele, wodurch er der Schftpfer der Gesamtgastspielbewegung der Gegenwart wurde. Seit 1869 wirkte W. am Hoftheater in Oldenburg. Im Jahre 1870 betraute ihn der Furst Heinrich XIV. von Reufl mit der Reorgani- sation seines Hoftheaters in Gera, ernannte ihn zum »Chef des Hof theaters und der Hofmusik« und bei seinem Austritt aus dieser Stellung zum Ehren- mitglied der Geraer Hofbuhne. W. liefi sich nun (1872) in Koburg nieder und leitete von hier aus 1876 92 das einst kSnigliche, sp&ter landschaftlich subventionierte deutsche Theater auf Helgoland. Seit 1884 war er auch Re- dakteur und Herausgeber des dramatischen Teils von Philipp Reclams Universal- Bibliothek (Leipzig); er hat fur dieselbe eine grofie Zahl von dramaturgischen Arbeiten und Buhneneinrichtungen dramatischer Stiicke geliefert. Von Erfolg begleitet waren seine Sammlungen von Vortragen und Spielen fur Familien- feste, z. B. fur »Polterabend« (4 Bdchn., 1880—93), fiir »Hochzeit« (2 Bdchn., 189 1 96), fiir »Silberhochzeit« (1894), fiir »Goldhochzeit« (1896); ferner seine »Festspiele« (6 Bdchn., 1890 98), seine »Solospiele« (8 Bdchn., 1889 1905) und seine »Dramatischen Zwiegesprache* (5 Bdchn. 1892 1900). 1887 hatte W, seinen Wohnsitz nach Berlin verlegt und dort ist er auch bis zu seinem Tode geblieben.

Perstfnliche Mitteilungen. »G8rlitzer Anzeiger« 1882. O. Fltiggen: »Biographisches Bahnen-Lexikonc, 1892, S. 332. Franz Briimmer.

Bellermann, Joh. Gottfried Heinrich, Professor der Musikwissenschaft an der Universitat und Gesanglehrer am grauen Kloster zu Berlin; seit 10. Mai 1875 Mitglied der Kdniglichen Akademie der Kiinste, * 10. Marz 1832 in Berlin, f 10. April 1903. Die musikalischen Anlagen des Vaters Friedrich Bellermann, der sich als Praktiker durch Komposition einer Reihe von Lie- dern sowie durch seine eifrige Pflege und Forderung des Schulgesanges und als Theoretiker durch seine Forschungen iiber die griechische Musik einen Namen gemacht hat, verpflanzten sich auf den Sohn und bestimmten ihn, sich dem Musikerberufe zu widmen. Fiir seine Richtung vornehmlich aus- schJaggebend war der Unterricht bei August Eduard Grell, dessen Kampf gegen die Vorherrschaft der Instrumentalmusik gegeniiber der Vokalmusik er fortsetzte. Auf die Pflege des Gesanges sollte das Schwergewicht der musikalischen Erziehung gelegt werden. Dieses Prinzip vertrat Heinrich B. sein Leben Iang mit aller Sch&rfe. Reiche Gelegenheit, seine Kunstanschau- ungen in die Praxis iiberzufuhren, bot ihm sein Amt als Gesanglehrer des grauen Klosters, das er seit 1853 innehatte. In der musikalischen Erziehung der Schuljugend erblickte er selbst seine Haupttatigkeit. Fiir sie schuf er die grdflte Zahl seiner Kompositionen, aus denen neben Choralges&ngen, Motetten und frOhlichen Liedern zu Sangerfahrten besonders seine Kompo- sitionen griechischer Tragddien hervorzuheben sind. Die Anregung zu ihrer Abfassung verdankte er seinem Vater, in dem die Mendelssohn'sche Musik zu Sophokles' Antigone den Wunsch nach Vertonung der griechischen Dramen in der Originalsprache rege gemacht hatte. 1855 56 kam seine Komposition des Ajax von Sophokles zur Auffuhrung, 1858 folgte K6nig Odipus. Durch

266 Bellermann.

seine Ch6re, wie durch seine ein- und mehrstimmigen Lieder geht ein schlichter Zug. GroBe Momente wird man bei ihm vergeblich suchen. Oberstes Gesetz ist ihm die gesangliche Fiihrung der einzelnen Stimmen und die Schonheit des Gesamtklanges. Besonders wertvoll sind seine Manner- chore, die durch ihre kontrapunktische Faktur und ihren tieferen musikalischen Gehalt aus der Mannergesangs-Literatur hervorragen.

Bedeutendes leistete B. als Theoretiker. Seine Lehrtatigkeit nahm einen nicht unbedeutenden Umfang an, seitdem er auf warme Befurwortung Fried- rich Chrysanders am n. September 1866 als Nachfolger Adolf Bernhard Marx' zum aufierordentlichen Professor der Musikwissenschaft an die Uni- versity Berlin berufen worden war. Wenige Monate nach seinem Amtsan- tritt, am 15. Dezember 1866, wurde ihm die philosophische Doktorwiirde honoris causa verliehen.

An der Universitat lag ihm der Unterricht in Musiktheorie und Musik- geschichte, sowie die Leitung der Festmusiken ob. Seinen Ruf als Theore- tiker hatte seine Schrift »Kontrapunkt oder Anleitung zur Stimmfuhrung in der musikalischen Komposition* begriindet, ein Werk, welches 1862 erschien und bis 1901 vier Auflagen erlebte. Herausgewachsen aus dem Gradus ad Parnassum des Joseph Fux (Wien 1725) stellt es einen leicht fafl lichen Lehr- gang der Kontrapunktik strengen Stils dar. Es blieb nicht unwidersprochen, hat sich aber auch im Laufe der Zeit sehr viele Freunde erworben und gehGrt mit seiner klaren Gruppierung des Stoffes und seiner feinen Schulung an Meisterwerken des 16. Jahrhunderts zu den besten Kontrapunktlehren.

In der ziemlich umfangreichen Einleitung des »Kontrapunkts«, welche einen Abrifl der Notation gibt, lernen wir B. als Musikhistoriker kennen, als welcher er sich schon 1858 durch seine »Mensuralnoten und Taktzeichen des XV. und XVI. Jahrhunderts« bewahrt hatte. Aus ihrer Zeit heraus beurteilt, sind beide Arbeiten ganz vortrefflich. Die letztangefiihrte Schrift hat sich, wenn auch nicht fur alle Falle ausreichend, bis auf unsere Zeit unentbehr- lich gemacht und ist der Schliissel gewesen, mit Hilfe dessen ein grofier Teil der auf uns gekommenen Musikliteratur des 16. Jahrhunderts erst er- schlossen und nutzbar gemacht werden konnte. Es ist keine Entwicklungs- geschichte, sondern ein Schulbuch. Das padagogische Talent B.s zeigt sich wieder in der klaren Gruppierung des Stoffes und der Scheidung des Wesent- lichen vom Unwesentlichen.

Weniger von Erfolg gekrdnt war B.s Lehrtatigkeit auf dem Gebiete der Musikgeschichte. So emsig er sich in den ersten Jahren an dem Aufbau der Musikwissenschaft beteiligt und so kraftig er hierin Friedrich Chrysander und Philipp Spitta unterstiitzt hatte, so wenig kiimmerte er sich spater um die weitere Entwicklung. Seine Vorlesungen, ohne Frage bei ihrer Abfassung auf der H5he, hielten mit dem Emporbliihen der jungen Wissenschaft nicht Schritt Alle neue Forschung liefi B. nahezu unberucksichtigt. Ein Grund fur das abnehmende musikwissenschaftliche Interesse ist wohl einmal in dem Ubergewicht seiner praktischen Tatigkeit, andererseits in seinem nervdsen Gicht- leiden zu suchen, das sich schon friih geltend machte. Wie frisch neben dem stagnierenden Kolleg nahmen sich seine ersten Abhandlungen und seine Kritiken in Chrysanders Jahrbiichern aus. Hier war B. durch und durch Forscher und scharfsichtiger Kritiker. Erw&hnt sei nur die mit philolo-

Bellermann. Braun. Horten. EJenz. 267

gischer Akribie besorgte Neuausgabe von Johannis Tinctoris Terminorum Musicae Diffinitorium und vom 11. Kapitel der Ars cantus mensurabilis des Franco oder die Uberarbeitung der Arnoldschen Studie liber das Lochamer Liederbuch und das Fundamentutn organisandi des Conrad Paumann, beriihrt nur die voll und ganz berechtigte vernichtende Kritik der Reifimannschen Musikgeschichte. Gerade diese Arbeiten lassen es bedauern, dafl B. der Musikforschung nicht weiter gedient hat. Seine Grofitaten sind und bleiben sein »Kontrapunkt« und seine »Mensuralnoten und Taktzeichen«, Schriften, die ihn in die erste Reihe der alteren Musikforscher stellen.

Eine nahezu vollstandige Aufzahlung der Werke Heinrich Bellermanns gibt Otto Schneider in der Gedachtnisrede, die unter dem Titel »Heinrich Bellermann* 1903 bei Julius Springer in Berlin erschien. Von selbstandigen Schriften seien hier nur genannt: 1858 Mensuralnoten und Taktzeichen des XV. und XVI. Jahrhunderts. Berlin, Georg Reimer.

1862. Der Kontrapunkt. Berlin, Julius Springer. 4. Aufl. 1901. 1873. Die Grofle der musikalischen Intervalle als Grundlage der Harmonic Berlin. 1874. Friedrich Bellermann. Seine Wirksamkeit auf dem Gebiete der Musik. Leipzig und Winterthur. 1876. Anfangsgriinde der Musik ftlr den ersten Singunterricht auf Gymnasien und Realschulen. Berlin, 7. Aufl. 1887. Aufsatze und Gutachten ttber Musik von Friedrich Grell, Berlin. 1893. Hilfsbtlchlein beim Gesangunterricht. Berlin, 14. Aufl. 1899. August Eduard Grell. Berlin. Eine eingehende Wurdigung erfuhr das VVirken B.s von Hugo Riemann in Max Hesses Deutschem Musiker-Kalender 1904,

Berlin. Johannes Wolf.

Braun, Karl Ludwig August, Reichsgerichtsrat, * 26. Marz 1832 zu Orb (damals bayerisch), f 29. Oktober 1903 zu Leipzig. B. trat am 23. Oktober 1854 in den Justizdienst, wurde 1864 II. Staatsanwalt, 1870 Rat am Bezirks- gericht, 1874 I. Staatsanwalt, 1879 Oberlandesgerichtsrat, 1. Januar 1892 Reichsgerichtsrat.

Die ersten 25 Jahre des Reichsgerichts (Sachs. Arch., Beilageheft zu Bd. 14) S. 73.

^Deutsche Juristen-Zeitung« 1903 S. 516. A. Teichmann.

Horten, Anton Hubert, Reichsgerichtsrat, * 5. Marz 1838 zu Kempen (Reg.-Bez. Diisseldorf), f 23. Oktober 1903 zu Leipzig. H. trat am 30. Sep- tember 1859 *n den Justizdienst, wurde 1870 Staatsprokurator, 1879 Land- gerichtsrat, 1882 Oberlandesgerichtsrat, 1. Januar 1891 Reichsgerichtsrat.

Die ersten 25 Jahre des Reichsgerichts, Leipzig 1904 (Sachs. Arch., Beilageheft zu Bd. 14) S. 72. ^Deutsche Juristen-Zeitung« 1903 S. 493. A. Teichmann.

Elenz, Ferdinand, Senatsprasident in Koln, * 16. Marz 1844 in Wiesbaden als Sohn des 1847 verstorbenen herzoglich nassauischen Amtsassessors Elenz, t 1. Februar 1903 in KSln. E. trat am 4. Marz 1867 im Bezirke des Appellationsgerichts Wiesbaden in den Justizdienst, wurde 187 1 Assessor und am 20. Juli 1872 in den Bezirk des Rheinischen Appellationsgerichtshofes zu Kdln versetzt. Er wurde Friedensrichter in Simmern, dann Landgerichts- assessor in Koblenz, am 1. Oktober 1879 Landrichter, im November 1885 Hilfsrichter beim Oberlandesgericht in K6ln, 1891 Oberlandesgerichtsrat. Auf Grund seiner ausgezeichneten Leistungen wurde er am 23. September 1895 als Geheimer Justizrat und vortragender Rat in das Justizministerium

268 Elenx. Peterssen. Rocholl.

nach Berlin berufen, wo er vorzugsweise die rheinischen Sachen und Perso- nalien bearbeitete, demnachst Geheimer Ober-Justizrat und Mitglied der Imme- diatkommission fur die grofle juristische Staatspriifung. Sein starkes Interesse an der Rechtsprechung und vielleicht auch das Gefiihl, dafl seine tibergrofle Bescheidenheit ihn in Verwaltungssachen an der Durchsetzung seiner An- sichten hindere, liefien ihn zur richterlichen TStigkeit zuruckkehren. Auf seinen Wunsch trat er am i. Oktober 1899 als Senatspr&sident wieder in das Kollegium des KOlner Oberlandesgerichts, das den liebenswiirdigen und tiichtigen Kollegen auf das herzlichste willkommen hiefl. Hier heiratete er die Tochter des in Wiesbaden verstorbenen Oberregierungsrates Mollier ein aus beiderseitiger inniger Neigung geschlossener Bund, der ihm den Lebensabend zu einem uberaus gllicklichen gestaltete. Seiner hervorragend tiichtigen Wirksamkeit machte der Tod ein friihes Ende. Die Leiche wurde nach Wiesbaden Uberfiihrt

»Kttlniscbe Zeitungc 1903 Nr. 98. Gtttige Mitteilung des Henm Oberlandesgericbts- pr&sidenten Dr. Haram in K5ln ^Deutsche Juristen-Zeitung« 1903 S. 96.

A. Teichmann.

Peterssen, George Rudolf, Dr.y Wirklicher Geheimer Rat, Exzellenz, * 25. M&rz 1826 zu Osnabriick, f 27. Februar 1903 zu Leipzig. P. trat am 22. Februar 1850 als Amtsauditor bei dem Magistrate Osnabriick ein, wurde im Mai 1853 Gerichtsassessor, im Oktober 1854 Hilfsarbeiter im hannover- schen Justizministerium, im April i860 Obergerichtsassessor in Verden, 1862 Sekret&r bei der Deutschen Zivilprozefikommission in Hannover, 1863 an das Obergericht berufen, 1865 Obergerichtsrat und Vertreter Hannovers bei der Deutschen Zivilprozefikommission, im Mai 1868 Oberappellationsgerichtsrat in Berlin, 1873 ^79 Mitglied der KOnigl. Preufl. Justizpriifungskommission, 1874 Obertribunalsrat in Berlin, am 1. Oktober 1879 Reichsgerichtsrat in Leipzig, am 1. Januar 1891 Senatsprasident, am 1. Oktober 1895 Ehrendoktor der Universitat Leipzig, 1900 Kaiserlicher Wirklicher Geheimer Rat mit dem PrSdikat Exzellenz, trat am 1. Juli 1902 in den Ruhestand. Als Arbeiten sind zu nennen »Polizeistrafgesetz fur Hannover« 1859, 2- Aufl. 1865; »Das eheliche Giiterrecht in den Stadten und Flecken des Furstentums Osnabriick* 1863; (mit J. Struckmann) »Entwurf einer allgemeinen deutschen Zivilprozefi- ordnung nach den Beschliissen der 1. Kommission«, Hannover 1864.

Die ersten 25 Jabre des Reichsgerichts (Sacbsiscbes Arcbiv ftir Deutscbes Bttrger- licbes Recbt, Beilageheft zu Band 14) Leipzig 1904 S. 59, 62. Gef. Mitteilungen des Herrn Prof. Dr. Hans Stobbe in Leipzig. Arch. Civ. Prax. LXI,95.

A. Teichmann.

Rocholl, Carl, Wirklicher Geheimer Ober-Justizrat, * 2. Juni 1824 als Sohn des Generalarztes Dr. Rocholl in Erfurt, f 14. Januar 1903 zu Naum- burg a. S. R. besuchte das Gymnasium in Soest und trat nach Studium der Rechte auf den Universitaten in Bonn und Berlin 1846 in den Justiz- dienst, wurde am 6. September 1851 Assessor, am 31. Dezember 1853 Staats- anwaltsgehilfe in Duisburg, am 1. Oktober 1855 nach Soest versetzt, wo er die Nebenimter als Polizeianwalt und als Justitiarius des Westfalischen Land- armenverbandes versah, am 28. Dezember 1857 zum Staatsanwalt emannt,

Rocholl. von Hefner- Alteneck. 260

am i. April 1864 Justizrat und Notar beim Appellationsgericht in Hamm, 1873 Appellationsgerichtsrat in Breslau, auch Mitglied der juristischen Prti- fungskommission, am 1. Oktober 1879 Senatspr&sident in Posen, 1882 wieder in Breslau, Vorsitzender der Priifungskommission, 1890 Geheimer Ober-Justiz- rat, vom 1. Januar 1892 in Naumburg a. d. S., beging am 30. Mai 1896 das 50 jahrige Dienstjubilaum, von der University Halle zum Dr. jur. h. c. er- nannt, nahm am 1. Juli 1897 seinen Abschied. Er wurde mehrfach durch Verleihung preuBischer Orden ausgezeichnet, erhielt auch den Dessauer Baren-Orden und das Schwarzburg-Sondershausener Ehrenkreuz I. Kl. Er verfafite: » System d. preufl. Armenpflegerechts«, Hamm 1864; ^System d. deut- schen Armenpflegerechts«, Berlin 1873; »Reform des Armenwesens«, Breslau 1880; »Rechtsfalle aus der Praxis des Reichsgerichts«, 2 Bde. ebd. 1883 90; (mit Niedner) »Vorschlage zur Ab&nderung des Entwurfes eines BGB. in Form eines Gegen-Entwurfes«, Breslau 1890 91; »Das Eherecht des BGB. nebst d. preufi. Ausfiihrungsgesetze v. 20. IX. 1899*, Berlin 1900.

Nach gef. Mitteilungen der Witwe Marie Rocholl, geb. Grasshof. » Deutsche Juristen- Zeitungc 1903 S. 74. Gruchots Beitrage XXVI, 750; XXX, 473; XXXV, 107; XLV, 147. Kirchenheims Centralblatt X, 170 172. Zamckes Lit. Centralblatt 1900, Sp. 1205.

A. Teichmann.

Hefner* Alteneck, Jakob Heinrich von, Dr., Direktor des Nationalmuseums in Miinchen, Altertumsforscher, * 20. Mai 181 1 in Aschaffenburg, f 19. Mai 1903 zu Miinchen. H. stammte aus einer alten, im Rheingau vielverzweigten und begiiterten Familie, welche dem kurmainzischen Staate manche Dienste erwiesen hatte. Sein mit Margaretha Gftbhardt (der letzten Erbin jener ehe- dem beriihmten gleichnamigen Buch- und Kunsthandlung zu Bamberg und Wurzburg) verheirateter Vater Franz Ignaz von H., welcher erst in grofiher- zoglich frankfurtischen, dann als Staatsrat in kgl. bayerischen Diensten stand, war 18 14 in den erblichen Adel erhoben. Leichtbeweglich und geschafts- gewandt, verfugte derselbe tiber eine Fiille von Kenntnissen und Fahigkeiten, die sich auf seinen Sohn vererbten, der nach damaligem Deutschgebrauch kurzweg »Schackeri« (Jacques Henri) gerufen wurde. Zu dessen altesten Ein- dnicken gehdrte der Kanonendonner der Schlacht von Hanau (30. Oktober 1813) wovon Verwundete in das vaterliche Haus gebracht wurden, der nacht- durchleuchtende Brand eines nahen Klosters und der befremdliche Anblick von Kosaken und Baschkiren. Ein ungliicklicher Ritt auf einem sonst lamm- frommen Pferde, welches, pldtzlich erschreckt, den unkundigen Reiter abwarf, endete mit einer Handverletzung, welche, mifiachtet, die Amputation des halben rechten Armes zur Folge hatte. In der Freude der Genesung wagte der kaum sechsjahrige Knabe ungewohnliche Leistungen: grofie Lasten zu heben, zu balancieren, zu klettern und mit Kugeln zu jonglieren; er gewann eine unglaubliche Behendigkeit, vorerst im Schreiben und Zeichnen, welche ihm den Mangel der Rechten oft vollig vergessen liefi. Der Vater hatte ehedem bei Andreas Appiani gezeichnet und schulte den Sohn, welcher in dieser Kunst grlindlichen Unterricht mit den alteren Schwestern erhielt, die sich auflerdem mit Shawl tanzen a la Friederich Horschelt (1793, t x876), mit Tamburin und Castagnetten und bei der spater als dramatische Dichterin viel gefeierten Charlotte Pfeiffer (Birch-Pfeiffer), die damals im Aschaffen-

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burger Theater figurierte, in Deklamation ubten. »Schackeri« stolzierte in dem seit den Befreiungskriegen iiblichen »altdeutschen« R6cklein, trug Feder- barett und langes Haar, kam, siebenjahrig, schon ins Theater und schw&rmte fur »Ritterstiicke« und anderweitige Zugehorigkeiten. In der schweren »teueren Zeit« war es ihm hohe Freude, Brot verteilen zu durfen. Gute Lehrer, darunter der nachmalige Rektor Hochedet (f 3. Mai 1844 in Miinchen), fdrderten im Privat- unterricht die klassische Bildung des Jungen, welcher leicht zu den Sammlungen und Kunstschatzen des Furst-Primas von Dalberg Zutritt erhielt und nach Tobias Stimmer, Georg Pencz und Virgilius Solis nicht nur zu kopieren, sondern auch alle erreichbaren Blatter, Werke und Biicher als Vorbilder zu sammeln begann, wobei die Kollektionen des Freiherrn von Mergenbaum auf seinem Gute in Nilkeim und der Besuch des Bamberger Domes immer neuen Zuwachs boten. Kein Wunder, dafi ihn, wie H. selbst sagt, platzlich das »Altertums- fieber« befiel und zeitlebens nimmer verliefi. Vielfache Reisen mit dem Vater an den Rhein und nach Diisseldorf, nach Niirnberg, Regensburg, Augsburg, Miinchen und Wien mit den Galerien, der Besuch der Ambraser Sammlung und der dortigen Waffenkammer, Abstecher nach K6ln, Klosterneuburg, Baden, Gutenstein machten unvergefilichen Eindruck und bereiteten das schon ahnungsreich vorliegende Programm seiner kommenden Lebensfahrt. Cberall zeichnend, suchend, forschend, in unersattlicher Freude alle Erscheinungen in sich aufnehmend, wurde er eine Art »Wilhelm Meister« im Bereiche der Baukunst, Plastik, Malerei und der schon ahnungsvoll aufdammernden kunst- gewerblichen Richtung. Eine weitere Reise brachte ihn 1832 ttber Darmstadt, Freiburg und Straflburg, wo die Bilderhandschrift der Herrad von Landsperg den Jiingling entziickte. Der Vater ubernahm um diese Zeit eine Porzellanfabrik bei Aschaffenburg, um eine Berufstatigkeit fiir den Sohn zu schaffen, welcher nebenbei (1833) den Zeichnungsunterricht an der Landwirtschafts- und Gewerbe- schule und zwar ohne Entgelt, nach eigener Lehrmethode erteilte, die sich alsbald der besonderen Anerkennung des Ministers von Wallerstein und einer dringlichen Empfehlung als mustergiiltiges Vorbild erfreute, um so mehr, da der junge feurige H. auch die Hebung des Kunsthandwerks ins Auge fafite. Als besondere Anerkennung erfolgte 1836 der Ehrentitel eines Professors, worauf H. mit einem offiziellen Programm als »Beitrag zur Geschichte der deutschen Goldschmiedekunst, besonders des XVI. Jahrhunderts« (Aschaifen- burg 1838, mit 4 Tafelabbildungen) den ersten Schritt in die Offentlichkeit wagte. Die Folge davon war nicht nur ein Doktordiplom aus Giefien (1840), sondern durch J. M. von Radowitz die Anregung, aus gleichzeitigen Denk- malen verschiedene andere kulturhistorische Vorbilder zusammenzustellen. Dadurch gestaltete sich fiir H. vorlaufig die ziindende Idee, die »Trachten des Mittelalters« in einem ausfuhrlichen, mit mftglichst diplomatischen Kopien ausgestatteten Prachtwerke vor Augen zu fuhren, ein durch die Schwierig- keiten der Reproduktion weitlaufiges, miihseliges und kostbares Unternehraen, zu welchem sich Heinrich Hoff in Mannheim als Verleger bereitwillig erbot Die erste Lieferung erschien noch 1840 und brach sich langsam aber sicher Bahn und zwar in ebendemselben Verhaltnis, wie die anfangs bereitwilligen Mitarbeiter von weiteren Beitragen zur grofiartigen Verwunderung H.s, der hierbei ahnungslos den meisten Anlafi bot, sich zuriickzogen. Darunter1 der edelmutige Graf Pocci (* 1807, f 1876), Ph. Veit, Eduard Steinle,

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Fr. Hoffstadt (* 1802, f 1846), der strengste Kenner des Spitzbogenstils, der vielseitige, stets stilgerechte Karl Ballenberger (* 1801, f i860) und Krieg von Hochfelden. H. schied, um vOHig unbeengt seinen weitverstreuten Stoff auf steten Reisen durch sichere Autopsie zusammenzutragen, aus der Fabrik und seiner freiwilligen Stellung; er entwickelte auf unausgesetzten Studien- fahrten immerdar sammelnd, zeichnend und Aufnahmen machend, eine Fiille von Zeit, Muhe und Studium, bald in Konstanz und Freiburg, bei dem edlen Freiherrn von Lassberg auf der »Meersburg«, dann wieder in Aachen (bei Fr. von Quast) und Zwirner in Koln in unermQdlicher TStigkeit und wahrem BienenfleiBe das kOstlichste Material einheimsend und gegebenenfalls auch aus eigenen Mitteln erwerbend und aufhSufend, wozu ihm der gluckhafte Zufall oft entgegenkommend die HSnde bot. Freundliche Stimmen bahnten dem damals noch unerhftrten Unternehmen den Weg, so Franz Kugler durch einen wohlberedten Artikel im Stuttgarter Kunstblatt (1843), welchem in iiber- raschender Anerkennung » The Archaeological Journal* (London 1845) beistimmte. NaturgemSB wurden nachst den Trachten zur weiteren Erganzung auch die »Kunstwerke und Ger&tschaften des Mittelalters und der Renaissance« in Ver- bindung mit C. Becker (1847) in Angriff genommen, zwei gleich originelle Sammlungen, welchen freilich das tolle Jahr 1848 gefahrlich zu werden drohte, da der in die folgenden Ereignisse verwickelte Mannheimer Verleger Heinrich Hoff nach Amerika verduftete, wofiir der gentile H. Keller zu Frankfurt a. M. einsprang, welcher fast alle folgenden Publikationen H.s verlegte. In dieser Zeit entstand das (handschriftliche) »Geschlechtsbuch der Freiherren von Fechenbach-Laudenbach« (500 Tafeln in Aquarell) und der Bericht iiber die Ausgrabungen der »Burg Tannenberg«, welche, seit 1399 zerstSrt, im Auftrage des Groflherzogs von Hessen 1849 wieder erforscht wurde, wozu der Germanist Dr. J. W. Wolf in Jugenheim (* 1817, f 1855, vgl. Liliencrons »Allg. Deutsche Biographie« 1898, 43, 765 77) den historischen Teil und H. die Beschreibung der zahlreichen Fundstiicke lieferte (Frankfurt 1850). Unter den von H. ge- zeichneten Tafeln befindet sich auch in sehr instruktiver Cbersicht eine Ge- schichte des ritterlichen Helms von 1100 1650 zusammengestellt. Als erste Dekoration wurde ihm das Ritterkreuz I. Klasse vom Hausorden Philipp des GroBmiitigen; andere solcher Ehrenzeichen jeglichen Kalibers folgten. Nach- dem H. in mehrfache Beziehungen zu der in Aschaffenburg zeitweilig domi- zilierenden kOniglichen Familie (darunter auch KGnig Otto von Griechenland) gekommen war und unser Forscher die Grabsteine der Grafen von Hanau in der Kirche zu Babenhausen (zwischen Aschaffenburg und Darmstadt) erhoben und gezeichnet hatte (dabei auch ein buchstablich als Gansetrog verwen- deter alter Taufstein), begann H. im Herbst 1850 eine langere Tourn^e, um neuen Stoff zu sammeln, seinen Werken frische Freunde zu erwerben und etwa gelegentlich weitere Umschau nach einem kunftigen festen Wohnsitz zu hal ten, da seit dem 1846 erfolgten Ableben des neunzigjahrigen Vaters und bei der steten Ausdehnung seiner Forschungen die stille Heimat zu geringe Ressourcen bot. Der Weg fiihrte iiber Marburg an den grofiherzog- lichen Hof von Weimar, wo eine huldvolle Aufnahme und die Bekanntschaft mit Preller und Suchardt erfolgte, dann iiber Eisenach und die Wartburg nach Erfurt und Berlin, wo er dem Konig zu Charlottenburg vorgestellt, zur Tafel und einem Hofball befohlen wurde, nachdem H. neue Zeichnungen

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zum Kostiim der Herolde bei den bevorstehenden Ordensfesten entworfen hatte, wofiir er »ein rotes Vogelein am weifien und orangegelben Bande* bekam. Vielfach sah1 sich H. gehoben durch die Bekanntschaft mit einfluft- reichen PersOnlichkeiten , darunter der Generaldirektor sSmtlicher Museen Preuflens und weitblickende, geniale Schftpfer des Neuen Museums Exzellenz Ignaz von Olfers, aus dessen Vorbilde H. so gliickliche Nutzanwendung zog, dann der nachmalige Oberzeremonienmeister Ignaz Rudolf Freiherr von Still- fried und Graf von Alcdntara, ferner der Fiirst Karl Anton von Hohenzollern und andere Koryphaen der Kunst und Wissenschaft wie A. von Humboldt, W. von Waagen, Schorn, Adolf Menzel, Chr. Fr. Tieck, Chr. Rauch, Fr. von Raumer, Karl Ritter und voraus Peter Cornelius dazu beitrugen, H.s Berliner Aufenthalt m&glichst anregend, nachwirkend und unvergefilich zu gestalten. Der Riickweg fiihrte mit gleich erfreulichen Erfahrungen iiber Dresden, Leipzig und Kassel. Noch im Herbste desselben Jahres (185 1) ging H. iiber Nurnberg (dort wollten ihn Frhr. von AufseB und Heideloff um jeden Preis fesseln) auf weitere Rekognition nach Munchen, wo ihm das Terrain so gunstig schien, dafl H. nach dem Verkaufe seines Besitzes im Mai 1852 mit seiner Familie ubersiedelte. Der allzeit grundgiitige und aufrichtige Graf Pocci erwies ihm, ein untriiglicher Mentor, wahre Freundschaft durch Aufhellung der ganzen damaligen Situation und treue Orientierung iiber die betreffenden Personlich- keiten. K6nig Max II. trug sich mit grofiartigen Strafienanlagen und Bau- projekten, mit neuen Aufgaben fur Maler und Bildner, mit der iiberraschenden Ftirderung schCngeistiger und wissenschaftlicher Forschungen, wobei natiirlich auch ein wohlberechtigtes mediceisch-dynastisches Interesse hervortrat. H., welcher das unter Friedrich Wilhelm IV. 'hochgehende geistige Leben an der frisch pulsierenden Quelle studiert hatte, proponierte nach naheliegenden Vorbildern den Plan eines Museums, welches alle in Bayern vorhandenen, auf die Geschichte des Herrscherhauses und des Landes beziiglichen Kunst- schatze und Altertiimer vereinigen sollte. Der Kdnig ging mit Eifer auf diesen Gedanken ein und ubertrug die Realisierung den zwei sich wechselseitig er- ganzenden, zwar von gleichem Ehrgeiz ergltihenden, in ihren Anlagen aber weit voneinander getrennten Kraften: dem strikten Historiker Karl M. Frei- herrn von Aretin (vgl. »Allgem. Deutsche Biographie« 1875, I, 519 ft.) und dem streng urkundlicher Forschung fernstehenden , dafiir aber an kiinstlerischer Gediegenheit seinen Kollegen weit iiberragenden intellektuellen Urheber dieser, in ihren Radien noch ganz unubersehbaren Aufgabe. H. erhielt 1852 die seither durch Heinrich von Hefi besetzte Stelle eines Konservators der sog. »Vereinigten Sammlungen«, um fur die Fortsetzung seiner bisherigen Arbeiten und neuen Obliegenheiten freie Hand zu erhalten, wahrend Aretin, reichlich mit Mitteln und Vollmachten ausgestattet, seine ihm teilweise ganz fremd- artige Tatigkeit begann. In unglaublich kurzer Zeit hatte Aretin auf unaus- gesetzten, teilweise mit H. oder Graf Pocci und anderen unternommenen Reisen, dann durch die Zufuhr von Handlern und Antiquaren welchen eine eigene Bliitezeit und ein bisher unerhdrter Handel und Wandel erwuchs den ansehnlichen Grund zu der mit Recht so hoch bewunderten Sammlung gelegt. Obwohl in Kunstsachen kurz vorher noch ein vdlliger Laie, entwickelte Aretin einen verbluffenden Spiirsinn und eine Treffsicherheit, wobei ihm zu statten kam, dafl er beim Entheben und Einheimsen der Gegenstande nicht immer

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sehr bedenklich war. Eine Menge von Kostbarkeiten flogen ihm aus offenen Handen oder zu unvergleichlich billigen Preisen zu. Mit den von ihm ver- schm&hten Objekten bereicherten sich viele Andere; der Altertumerhandel kam in vordem unerhdrte Bliite. Seine eigenen Sammlungen gab Aretin un- eigennutzig in das Museum und schofi, wenn die kdniglichen Quellen ver- sagten, seine Mittel vorlaufig vor, um Preiswertes im Lande festzuhalten. Ihm erwuchs eine dilettantische Sachkunde, die sich nicht im Werte, nur in der Periodentaxierung um etliche Saecula bisweilen irrte; daraus reifte eine ganz unermudlich vorschreitende Einsicht. Der naheliegende Wunsch des konig- lichen Maecen, historische Kostbarkeiten, in Auswahl reproduziert, in muster- giil tiger Sammlung herauszugeben und popular zu machen, fuhrte zu der von 1855 bis 68 in 8 Heften edierten Prachtausgabe der »Altertiimer und Denk- male des bayrischen Herrscherhauses«, wobei H. die artistische und Aretin die geschichtliche Exegese zu leisten hatten. Aber schon iiber der ersten Lieferung verfeindeten sich abermals die beiden, so dafi H. sich fur alle Folge feierlich von diesem Werke lossagte, worauf der gewissenhafte Zeichner und artistische Typograph Fr. Wolf (* 1826, f 1870) die Liicke fiillte und die ge- diegene Ausstattung besorgte. Da die mit Kostbarkeiten aller Art alsbald planlos iiberfiillten provisorischen Raume der »Herzog-Max-Burg« nicht mehr ausreichten, wurde ein eigenes Museum nStig, welches Hofbaurat Eduard von Riedel (* 18 13, f 1885) an der Stelle eines rasch begonnenen und noch schneller wieder beseitigten, fur die Zwecke einer Taubstummenanstalt durch- aus unpassenden Baues mit grofier Hast in Angriff nahm. Der zum Nachteil seiner Solidit&t in kiirzester BYist aufgefiihrte Neubau wurde nachdem Hin- gang des edlen Stifters bezogen und am 12. Oktober 1867 eroffnet Gleich nach seinor Ankunft in Munchen war H. Ehrenmitglied des »Historischen Vereins* geworden, in dessen Monatssitzungen er regelmaflig erschien und belehrende Vortrage hielt. Ebenso hatte die Akademie der Wissenschaften ihn als auflerordentliches und seit 1858 als ordentliches Mitglied aufgenommen, wo er mehr in aphoristischen Miszellen, selten mit grofieren ausgearbeiteten Vortr&gen (iiber Melchior Lorch, 1876, oder Jobst Amman, 1878) hervortrat. In gleicher Weise betatigte sich H. in der Gesellschaft der »Zwanglosen« mehr als kulturhistorischer Plauderer, denn mit eigenen Elaboraten. Seit 1854 erhielt H., um sich vor vielfachen, ubrigens teilweise sogar iiber das Grab noch fortgesetzten Verwechslungen mit einer gleichnamigen anderen Gelehrtenfamilie zu schutzen, den Beinamen von Alteneck, einer ehedem seinen Vorfahren eigenen Besitzung.

Inzwischen hatte H. sein dreibandiges Trachtenbuch 1854 zum Abschlufl gebracht, die Waffenabteilung der »Vereinigten Sammlungen « wissenschaftlich geordnet und durch einen handlichen Katalog 1856 zuganglich gemacht, auf vielen Reisen, z. B. 1854 nach Brugge und 1861 nach Koln, Antwerpen, Gent und Paris, neues Material eingeheimst und zu kiinftigen Publikationen vorbe- reitet. Grofle Dienste erwies er i860 dem neuen Museum durch die billige Erwerbung der reichhaltigen Sammlungen des seltsamen Bambergers Martin von Reider (* 30. August 1793, f 5. Februar 1862), welcher gegen eine hochst geringfiigige Leibrente, die er obendrein nur 16 Monate genofl, alle seine heute wohl drei Millionen werten Kostbarkeiten darunter ein geradezu unschatzbares Elfenbeinkastchen aus der Karolingerzeit an den Staat ab-

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolog. 8. Bd. I g

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trat. Unzahlige Unika, wie Grabsteine, Biicher usw., rettete H. vor unwieder- bringlicher Verschleuderung und brachte sie aus unwiirdiger Verborgenheit zu gebiihrlichen Ehren. Seit 1861 Kustos des Kupferstich- und Handzeich- nungskabinetts, erhob H. zahlreiche, vordem ungeahnte Schatze aus dem ver- gessenen » Depot « dieser Anstalt, darunter die erste Zeichnung Holbeins zu dessen Bildnissen Konig Heinrichs VIII. von England (leider gewann H. nie die leiseste Ahnung, auf welchem einfachen Wege dieses eminente Blatt nach Miinchen gelangte!) und die »Originalzeichnungen deutscher Meister zu Pracht- rustungen franzosischer K6nige«, die H. nach den meist von Hofmalern der Herzoge Wilhelm IV. und Albrecht V. stammenden Originalentwiirfen Hans Mielichs u. a. zuerst 1865 und 1889 in zweiter, vermehrter Prachtausgabe (Frankfurt, bei H. Keller) der erstaunten Welt vorfuhrte. Die meisten trugen die gekrftnten Initialen des koniglichen Namens nebst dem Symbol des Sala- manders oder die Signatur Heinrichs II. und der Diana von Poitiers (vgl. Liibke in Beilage 200 »Allgem. Ztg.« vom 26. Juli 1864). Konig Ludwig II. ehrte H.s Verdienste durch Ernennung zum Generalkonservator der Kunstdenkmale Bayerns und nach Aretins Ableben (29. April 1868 in Berlin) zu dessen Nach- folger als Direktor des bayerischen Nationalmuseums. Hiermit trat nun H., welcher sich in Wien und Berlin neuerdings umgetan hatte, als bahnbrechender Organisator auf, endlich imstande, seine langst gehegten Plane durchgreifend zur Ausfuhrung zu bringen. Die vorgefundenen Verhaltnisse und die nach- folgenden Ereignisse forderten wirklich seine voile Energie heraus, die teils mit »baulichen und menschlichen Erbarmlichkeiten« (woruber H. seinen »Lebenserinnerungen« einen langen Abschnitt einfugt) zu kampfen hatte. Der Baumeister des Museums verschuldete bei der drangenden Eile viele unerhorte Fehler, die sich nur zu bald durch Unsicherheit der Boden und Feuergefahr- lichkeit drohend bekundeten. Auch iiberkam H. von seinem Amtsvorganger einen oder den anderen Beamten, der durch eigenwilliges, unqualifizierbares Treiben dem dagegen vergebens ankampfenden Direktor viele bose Tage bereitete. Andererseits litt H. an einer angstlichen Begabung, welche nur zu leicht Widersacher und Gegner witterte. Ebenso wie ehedem der hoch- verdiente, leicht verletzbare und argwohnende Bibliothekar Bernhard Jos. Docen (* 1782, f 1828; »Allg. Dtsch. Biogr.« 1877, V, 278 ff.) von wirklichen und imaginaren Antagonisten sich bedraut wahnte, immer besorgt, dafi ihm eine Entdeckung, ein glucklicher Fund vorweggenommen werden konnte, ver- schanzte sich H. in eine lauernde Gereiztheit, die dem unbefangensten Mit- arbeiter jede teilnehmende Forderung der gemeinsamen Sache erschwerte. Wahrend er sich verwundert iiber die geringe Zahl der bei seinen Werken Mitwirkenden beklagte, wehrte er jede unbefangen angebotene Beihilfe gleich einem gefahrlichen Eindringling ab, zumal wenn der andere auf einem fur H. fremden, beispielsweise historischen, Gebiet zur weiteren Erklarung der Lebenserscheinungen beitragen wollte. Fiir seine Vorarbeiter und Bahnbrecher hatte er nie ein anerkennendes oder dankbares Wort. Dazu zahlten beispiels- weise der edle, selbstlose Friedrich Hoffstadt, der neben seiner juristischen Laufbahn die Gesetze des Spitzbogenstiles, gleichzeitig mit dem Englander Pugin, erforschte und sein sch5pferisches Genie in strengkomponierten Neujahrs- blattern betatigte fiir die von 1831 bis 1838 florierende »Gesellschaft zu den drei Schilden«, die gerade wegen ihrer universellen, nachmals doch durch-

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schlagenden Tendenzen immer noch einer griindlichen Schilderung wert ware. Hoffstadt starb leider schon 1846 zu Aschaffenburg, wo er auf den jiingeren H. einfluflreich wirkte und fiir dessen Trachtenwerk das Titelblatt zeichnete. Dazu gehorte der als Maler und Bildhauer in alien Satteln gerechte Karl Ballenberger (1801 1860), welcher mit Hoffstadt die Glasmalerei kultivierte, die im Schlosse zu Leutstetten befindlichen »altdeutschen Kasten« schnitzte und Fliigelaltare baute und mit Tafelgemalden schmiickte, die noch vor zwanzig Jahren als die Arbeiten eines »bisher vollig unbekannten, dem XV. Jahrhundert angehorigen Meisters« in einer Augsburger Kunstauktion offiziell ausgeboten wurden! Daran reihte sich Ferdinand Fellner (1799— 1859), der, anfanglich Rechtsanwalt und Doctor Juris, zur Kunst uberging, im Frankfurter Romer mit Ballenberger u. a. die Kaisergestalten malte und im Gebiete der Kostumkunde einen solchen Schatz von Kenntnissen und Vorbildern sammelte, dafi Fellner wahrend seines Miinchener Aufenthaltes von alien Historienmalern, darunter Cornelius, Schnorr und Schwind (welcher iiberhaupt zeitlebens mit Fellner in personlichem und brieflichem Verkehr blieb) in Kostum- und Trachtenangelegenheiten eifrigst konsultiert wurde. Gleichzeitig mit Schnorrs Fresken arbeitete Fellner selbstandig an einer ganzen Serie von Kompositionen zum Nibelungenlied und lieferte, abwechselnd mit Schwind, Illustrationen zu Spindlers ErzShlungen in dessen Taschenbuch »Vergiflmeinnicht« (Stutt- gart 1833, bei Hallberger). Fellner war es auch, der die Miniaturen der Weingartner Liederhandschrift in mustergiiltiger Weise fiir Franz Pfeiffers Ausgabe reproduzierte. Auch hatte lange vor H. der bisher vdllig vergessene (noch 1851 in Naglers Lexikon XXI, 60 nur mit zehn Zeilen bedachte) Maler G. A. Heinrich Wagner mit einem von ihm selbst nach gleichzeitigen Denk- malern auf Stein gezeichneten »Trachtenbuch des Mittelalters« (Miinchen 1830 32, in 6 Lieferungen) begonnen, worin Kostiime, Waffen, Geratschaften u. dergl. in treuen Kopien abgebildet waren, darunter viele von H. nachmals wieder entdeckte Grabsteine, Gefafie und Miniaturen. H. hatte den Vorteil, dafl durch solche Vorganger die Aufmerksamkeit auf alle diese bisher ver- schollenen Dinge gerichtet war und dafi er dieselben nun mit groflter Treue und vordem unerhftrter Ausstattung in kolorierten Stichen, in wahren Pracht- werken durch einen Verleger reproduzierte, der mit groflter Umsicht und Opfer- willigkeit die fftrdernde Hand bot. Dazu gehOrten n&chst den vorgenannten Werken die Editionen: »Hans Burgkmaiers Turnierbuch« (aus dem Besitze des Fiirsten von Hohenzollern-Sigmaringen) mit den vom alten und jiingeren Burgkmaier gemachten Zeichnungen des ritterlichen Speerbrechens , welches bei Vermahlung des Grafen Jakob Mundtfortt (Montfort) mit Katharina Fuggerin 1553 zu Augsburg stattfand, in 35 trefflich von Regnier gestochenen und kolorierten Tafeln (Frankfurt 1853, bei H. Keller) mit der Dedikation des Herausgebers an Kaiser Franz Joseph »in Erinnerung an dessen Ahnherrn Maximilian L«. Daran reihten sich die Schatze aus der »Kunstkammer des Fiirsten Karl Anton von Hohenzollern-Sigmaringen« (Miinchen 1867, bei Bruckmann, mit 60 kolorierten Stichen von H. Petersen, gr. Fol.) und 42 Seiten Text, worin der Herausgeber u. a. lakonisch sein Programm entwickelte: »Wir werden uns bemiihen, unserem alten Grundsatze getreu, keine Kunstredens- arten und keine Gelehrsamkeit da anzubringen, wo die Kunst selbst spricht, und unser Verdienst nur in dem Streben suchen, das vorurteilsfrei Erkannte

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und Gefuhlte treu und wahr durch Bild und Wort wiederzugeben*. Im Jahre 1877 erschien die »Sammlung der Eisenwerke« und die bunte Auswahl »Kunst- schatze aus dem bayrischen Nationalmuseum«, 1881 die kftstlichen »Ornamente der Holzskulptur von 1450 bis i82o« (in Lichtdrucken von Obernetter), 1890 die Zusammenstellung der »Goldschmiedwerke«, worauf in neuer Ordnung und Auswahl seiner samtlichen Publikationen die in 10 BSnden mit 720 Tafeln ausgestatteten »Trachten, Kunstwerke und GerStschaften vom fruhen Mittel- alter bis Ende des XVIIL Jahrhunderts« (1879 89) den reichen Abschlufi seines aufierordentlichen Sammeleifers bildeten. H. war »im kleinen grofl*, in allem aber, was er reproduzierte, im hochsten Grade diplomatisch zuver- lassig und treu.

Wie der beriihmte einarmige Klaviervirtuose Graf Zichy mit fiinf Fingern die Tasten meisterte, dafi man ein vierh&ndiges Konzert zu hOren w&hnte, so entwickelte H. mit seiner Linken eine iiberraschende Behendigkeit, nicht allein beim Essen und Ankleiden, sondern im Malen und Zeichnen. Immer mit Skizzenbuch und Faberstift ausgeriistet, welchen er blitzschnell zu spitzen verstand, beniitzte er insbesondere auf Reisen jeden Augenblick, urn inter- essante Objekte festzuhalten. Bei mafiiger Kurzsichtigkeit auf ein etwaiges Monokel, auf Zwicker oder Brille verzichtend, bediente er sich interimistisch eines vom Halse herabhangenden, obendrein noch abbiegbaren Lorgnons, womit er den betreffenden Gegenstand scharf ins Auge faBte; das Glas sinken lassend, packte er dann mit der Linken das in den rechten Armstumpf gesteckte Skizzenbuch, welches bei stehender Stellung bisweilen durch das eine aufge- zogene Knie gestiitzt wurde, machte die charakteristischen Striche aus seinem geradezu photographisch treuen Ged&chtnisse , bis er nach blitzschnellem Wechsel von Glas und Stift das Pensum zuverlassig zu Papier brachte. So skizzierte er bei einem Ausfluge des historischen Vereins nach der Lands- huter Trausnitz ein fruher nicht bemerktes, an einem Brunnen befindliches Eisenschmiedewerk in sturmischer Eile ganz genau zum Staunen seiner Be- gleiter. Mit dieser immer stilgerechten Wiedergabe eines kunstlerischen Gegen- standes stand im schroffen Gegensatze, wenn H. zur Feder griff, um seine Ideen in Schrift zu bringen. Wie er, selbst nach pr&ziser Vorbereitung, mit grofier Kunstlosigkeit sprach, dazu noch mit seinem heimischen Aschaffen- burger Idiom woriiber ihn sein WTidersacher und Namensvetter, der Genealog und Heraldiker Dr. Otto Titan von Hefner (in seinem »Denkwurdigen und niitzlichen bayerischen Antiquarius« 1867, II, 386) mit h&mischem Spott karikierte , so schrieb er auch mit unglaublicher Sorglosigkeit des Aus- drucks. Dafl ihm seine hochgebildete Gattin nach MGglichkeit glattende Beihilfe geleistet habe, ist ziemlich glaubhaft. Wo solche fehlte, z. B. in dem Berichte iiber »Entstehung, Zweck und Einrichtung des Bayerischen National- museums« (Bamberg 1890, im 11. Bandchen der durch Professor von Rein- hardstottner und Karl Trautmann herausgegebenen und leider viel zu fruh wieder verschwundenen »Bayrischen Bibliothek«) geberdete sich H. mit riihrender Hilflosigkeit. Hingegen soil ihm bei Redaktion seiner »Hundert Denkspriiche« (Miinchen, im Verlag der Gesellschaft fiir christliche Kunst) und bei Abfassung der nur als Manuskript fiir Familie und Freunde bestimmten »Lebenserinnerungen« (Miinchen 1899, bei Kastner) Frau Louise von Kobell (die iibrigens mit bettinenhafter Kindlichkeit Entgleisungen machte, selbst

von Hefner- Altcneck. 277

wenn sie sich mit ihres Gatten Namen deckte) assistiert haben. H. war Autodidakt im eigentlichen Sinne. Er hatte nie eine wissenschaftliche Schulung durchgemacht, kein Gymnasium, keine Universitat bleibend besucht und ab- solviert. Aufler seiner Kunst blieb sein ganzes Wissen dilettantisch. Da er mit Ausnahme einiger Titelblatter keine eigenen Schopfungen in die Offent- lichkeit brachte, betrachteten ihn die ausiibenden Kunstler nicht als Kollegen, obwohl ihm gerade die Historienmaler zu hochstem Danke verpflirhtet ge- wesen waren. Auch die kunstgewerblichen Meister waren ihm nicht immer wohlgesinnt, da er nur die alten Vorbilder betonte; die jungsten Pfleger und Trager derselben mit ihren unrationellen, willkiirlichen Erzeugnissen kannten sein Streben nicht oder wendeten ihm gar den Riicken. Indessen erkannte eine grofie Anzahl seiner Zeitgenossen H.s wirkliche Verdienste und erwiesen ihm aus Anlafl seines 80. und 90. Geburtstages wohlverdiente Zeichen der Anerkennung und Verehrung.

Dafi iiber die sonnigsten Wege auch viele Schatten der bittersten Erfah- rungen laufen, mufite H. in seinem Leben und Wirken sattsam erfahren. Nach- dem er schon fruher um den schwer verdienten Ruhestand gebeten hatte, wurde derselbe erst 1885 *m 75- I-ebens- und 33. Dienstjahre, huldvollst und unter ehrendster Anerkennung und Titelverleihung gewahrt. Zwei Jahre darauf folgte das Ableben seiner treuverbundenen Frau. Die Gatten mufiten zweien vielversprechenden Sohnen ins Grab sehen. Keiner derselben hatte, vielleicht nach Willen und Wunsch des Vaters, eine artistische Tatigkeit erwahlt: Emil von Hefner-Alteneck trat in die militarische Laufbahn, bestand als Ober- leutnant bei der 8. Batterie des 2. Artillerieregiments »von Brodesser« die Strapazen des Feldzugs 1870/71, starb aber infolge derselben, nachdem er noch auf dem Krankenlager das Eiserne Kreuz zweiter Klasse erhalten hatte, am 11. August 1871. Ihm folgte, gleichfalls unvermahlt, der alteste Bruder Franz von Hefner-Alteneck, als Landgerichtsassessor zu Aibling, am 14. April 1874. Der dritte Sohn Friedrich von Hefner-Alteneck (geb. 27. April 1845 zu Aschaffenburg) widmete sich der Elektrotechnik und starb, mit einer Tochter des Akademiedirektors und Historienmalers von Piloty vermahlt, kurze Zeit nach dem Vater, als Oberingenier an der Konstruktionsabteilung der Firma Siemens & Halske und seit iqoi Mitglied der preufi. Akademie zu Berlin, am 7. Januar 1904.

H. wurde mit etlichen anderen Zeitgenossen der Schopfer einer neuen Wissenschaft, der Kostiimkunde, eines machtigen, wohlberedten und unent- behrlichen Mithelfers und Abzweiges der Kulturgeschichte; ebenso arbeitete er Epoche und Schule machend mit an der vollig neuen Disziplin der Museumskunde. Seine reichen, wohldurchdachten Erfahrungen und praktischen Einrichtungen wurden allgemein adoptiert und vielfach nachgeahmt. Mit Recht sagte Julien Solvay, der 1878 vom belgischen Ministerium als Experte nach Deutschland und Osterreich zum Studium der Museumseinrichtungen gesendet wurde uber das Munchner Nationalmuseum : «Cest un ttwdelc dordre, d organisation, d installation, de richesse, et il ne s'en trouw nulle part, qui soit aussi complete Da6 seitdem die unausgesetzte Forschung neue Fortschritte machte, aber immer noch in den seitherigen Bahnen, liegt in der Natur jeder Disziplin und Wissenschaft.

Da H. schon friihzeitig bestrebt war, die vom vaterlichen Besitz stam-

278 von Hefner- Alteneck, von Lossberg.

menden, damals leicht zu erwerbenden Kuriositaten und Kunstschatze aller Art zu vermehren, wozu Tausch, Geschenke und Kauf beitrugen, brachte er eine weit iiber den sonst iiblichen Privatbesitz reichende Kollektion von Waffen, Skulpturen, Bildern, Schmuck, Stoffen und Gewandern, Handzeichnungen, Stichen, Holzschnitten und Kostbarkeiten zusammen, in deren unentbehrlicher Mitte H. sich wohl befand. Alle Angebote wies er mit berechnender Klug- heit ab, wohl wissend, da8 der Wert solcher Schatze von Tag zu Tag wachse. Die im Juni 1904 durch Hugo Helbing in zwei Abteilungen erfolgte viertagige Auktion ergab auch ein, wenigstens in Munchen vordem nicht erreichtes, ganz aufierordentlich iiberraschendes Resultat, da Liebhaber, Kenner, Fachmanner und Museumsvorstande sich beteiligten und uberboten. Der dariiber edierte, reich illustrierte Katalog bildet selbst wieder ein bleibendes Prachtwerk.

Vgl. Regnet in Nr. 43 »t)ber Land und Meer«, 1879, 42. Bd. S. 846. W. Lttbke Bd. 3 »Allg. Ztg«, 1880. Beil. 103 u. 113 »Allg. Ztg.«, 1901. Louise Kobell »M0nchner Portrats«c, 1897, S. 32— 63 usw. Hyac. Holland.

Lossberg, Viktor von, Generalmajor z. D., * 18. Januar 1835 zu Kassel, f 24. Mai 1903 ebenda. L. trat nach Beendigung seiner Erziehung beim damaligen kurhessischen Leib-Garde-Regiment in den aktiven Dienst, wurde 1853 Portepeefahnrich und Sekondeleutnant. 1854 zum kurhessischen 2. In- fanterie-Regiment versetzt, riickte er, nachdem er als Adjutant des 2. Bataillons fungiert hatte, 1859 zum Premierleutnant auf , wurde darauf 1865 Regiments- adjutant und zog im folgenden Jahre mit seinem Regiment gegen Preufien ins Feld. Nach dem ungliicklichen Kriege wurde L. bereits Oktober 1866 mit seinem Dienstgrade in den Verband der preufiischen Armee aufgenommen und dem Infanterie-Regiment Nr. 82 zugeteilt. Seine Beforderung zum Hauptmann und Kompagniechef erfolgte 1869. L. nahm mit seiner Kompagnie an dem Feldzuge von 1870/71 in Frankreich und in diesem an dem Treffen bei Weiflen- burg, der Schlacht bei Worth, der Beschiefiung von Pfalzburg und der Schlacht bei Sedan teil. Ganz besonders tat er sich in der Schlacht bei Wdrth hervor, als sich in dieser infolge des morderischen Feuers der auf den Hohen bei Froschweiler stehenden Franzosen fiihrerlose Leute der verschiedensten Regi- menter (etwa 500 Mann) in ein Waldstuck zuruckzogen und des Fiihrers harrten, der sie wieder gegen den Feind fuhren sollte. L. ergriff die schon von zwei Kugeln durchbohrte Fahne seines Bataillons, sammelte die Leute unter Mithilfe einiger Offiziere zu einer geschlossenen Abteilung, ging mit dieser in fester Ordnung mit schlagenden Tambours wieder aus dem Walde heraus und den nun weichenden feindlichen Schiitzen entgegen. Nach dem Feldzuge im September 1874 in das schlesische Fusilier-Regiment Nr. 38 ver- setzt und 1875 zum Major befdrdert, kam L. 1878 in das 2. Garde-Regiment z. F., iibernahm 1879 das Kommando des 1. Bataillons und avancierte am 13. Sep- tember 1882 zum Oberstleutnant. 1883 wurde er etatsm&fiiger Stabsoffizier, 1886 mit der Ftihrung und am 18. September gleichen Jahres unter Befdrde- rung zum Obersten mit dem Kommando des 3. Garde-Regiments z. F., 1889 mit der Fuhrung und dem Kommando der 36. Infanterie-Brigade betraut. 1890 erhielt L. den erbetenen Abschied.

Nach »Militar-Zeitungc. Lorenzen.

von Carlowitz. von Graevenitz.

279

Carlowitz, Oscar von, Koniglich Sachsischer General der Kavallerie z. D., und Generalad jutant Sr. Maj. des KOnigs von Sachsen, * 20. Januar 1825 zu Falkenhain bei Wurzen, f 24. April 1903 zu Dresden. C. kam aus dem Kadettenkorps in Dresden 1842 als Portepeejunker in das Garde-Reiter-Regi- inent, wo er nach einem Jahre die Leutnantepaulettes erhielt. 1848 und 1849 war er zunachst mit dem s&chsischen Kontingent bei der Unterdriickung der Unruhen in Thiiringen und Sachsen-Altenburg tatig und zog alsdann gegen Danemark ins Feld, wo er an dem Gefechte bei Aarhus teilnahm. Am 1. Fe- bruar wurde C. als Oberleutnant in das 3. Reiter-Regiment versetzt und be- kleidete in diesem die Regiments-Adjutantenstelle bis er 1855 zur Dienstleistung zum Generalstabe kommandiert, im Februar gleichen Jahres wieder in das Garde-Reiter-Regiment kam. Im selben Jahr zum Generalstab versetzt, wo er im Dezember das Rittmeisterpatent erhielt, unternahm er 1856 eine Reise in den Orient, wurde i860 als Eskadronsfiihrer zum 2. Reiter-Regiment komman- diert und 186 1 in diesen Truppenteil versetzt. 1862 zum personlichen Ad- jutanten des Kronprinzen Albert von Sachsen ernannt, avancierte C. 1866 zum Major und etatsmafiigen Stabsoffizier im 1. Reiter-Regiment, mit dem er im Feldzuge von 1866 gegen Preufien an den Gefechten bei Miinchengratz, Gitschin und an der Schlacht bei Koniggratz sowie am Renkontre bei Szenitz teilnahm, bei welcher Gelegenheit er einen Lanzenstich in die rechte Hand davontrug. Nach dem Frieden riickte C. zum Oberstleutnant auf, wurde 1867 Chef des Generalstabes, 1868 Oberst und 1869 Kommandeur des Garde-Reiter-Regiments. Mit diesem zog er 1870 uber die franzosische Grenze, focht an dessen Spitze in der Schlacht bei Gravelotte-St. Privat und wurde am 20. August zum Chef des Stabes des sachsischen (XII.) Armeekorps ernannt. Nach der Teilnahme an dem Gefechte bei Nouart, den Schlachten bei Beaumont und Sedan er- krankte C. vor Paris schwer am Typhus. 187 1 libernahm er wieder das Kom- mando seines alten Regiments, mit dem er bei St. Quentin focht. Dekoriert mit beiden Klassen des Eisernen Kreuzes wurde er nach dem Kriege 1872 Kommandeur der 1. Kavallerie- Brigade Nr. 23, Generalifiajor, 1880 General- leutnant und Generaladjutant des Konigs Albert von Sachsen, 1889 General der Kavallerie und erhielt 1890 unter Belassung in dem Verhaltnis als General- adjutant den nachgesuchten Abschied.

Nach »Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Graevenitz, Karl von, Koniglich Wurttembergischer General der Infanterie, *8. Juni 1830 zu Ludwigsburg, f 13. Marz 1903 in Miinchen. G. wurden 1848 die Leutnantsepauletten verliehen, in welchem Dienstgrade er an dem Feldzuge in Baden teilnahm. 1854 zum Oberleutnant und 1864 zum Haupt- mann befordert, kommandierte er 1866 im Feldzuge gegen Preufien die 3. Kom- pagnie des 3. Jagerbataillons im Gefecht bei Tauberbischofsheim. Im deutsch- franzosischen Kriege befehligte er als Major das 2. Bataillon des 2. Wurttem- bergischen Infanterie -Regiments, wo er sich insbesondere vor der Festung Lichtenberg, bei der Belagerung von Paris, dem Gefecht am Mont Mesly, in der Schlacht von Villiers sowie im Gefecht bei Le Plant auszeichnete. Bei der Beschieflung der kleinen Festung Lichtenberg, kletterte G. mit den vordersten Schiitzen der 7. und 8. Kompagnie seines Bataillons im heftigsten Feuer der franzosischen Besatzung den steilen Felsabhang hinauf bis an die

280 von Graevenitz. Haberland. StUrzinger.

Pallisaden der Festung, erhielt dann aber, da die v6llig sturmfreie Festung nicht sogleich ubergeben wurde, den Befehl sich mit seiner Kompagnie zuriick- zuziehen, was er unter dem heftigsten feindlichen Feuer auch ausfuhrte. Nach der Riickkehr in die Heimat wurde G. in das 6. Infanterie- Regiment Konig Wilhelm Nr. 24 versetzt, 1874 zum Oberstleutnant ernannt, 1875 a^s solcher patentiert, und mit der Fuhrung des Infanterie -Regiments Kaiser Wilhelm, Konig von Preuflen Nr. 120 beauftragt, an dessen Spitze er 1876 endgultig trat. 1878 zum Obersten ernannt, erfolgte seine Beforderung zum Generalmajor und Kommandeur der 53. Infanterie-Brigade (3. KOniglich Wurttembergischen) 1884. In dieser Stellung verblieb G. bis zum November 1888, zu welcher Zeit er, am 18. August des gleichen Jahres, zum Generalleutnant aufgeriickt, an die Spitze der preuflischen 12. Division in Neisse gestellt wurde. 1890 trat G. in den erbetenen Ruhestand und erhielt 1895 den Charakter als General der Infanterie.

Nach »Militar-Zeitung«. Lorenzen.

Haberland, Hermann, Koniglich Sachsischer Generalleutnant, *3i. Juli 1837 zu Naundorf bei Grofienhain, f 21. Februar 1903. Nach zweijahrigem Be- such der Artillerieschule trat H. 1855 als Portepeefahnrich in das Koniglich Sachsische Fufiartillerie-Regiment ein und erhielt im Jahre 1856 das Offiziers- patent. Unter Beforderung zum Oberleutnant 1865 zur 9. Batterie (Feldartillerie) versetzt, nahm er, inzwischen zur 4. Batterie kommandiert, 1866 auf oster- reichischer Seite am Kriege gegen Preuflen bei der Division Stieglitz teil, sich im Gefecht bei Gitschin und in der Schlacht bei Koniggratz auszeichnend. Bei der Neuordnung der sachsischen Armee nach preufiischem Muster kam H. wieder ins Fufiartillerie-Regiment, wurde Adjutant und trat 1868, zum Hauptmann befordert, abermals zur Feldartillerie iiber. Nach erfolgter Mobil- machung im Jahre 1870 erhielt er die 1. schwere Batterie, mit der er bei der Belagerung von Strafiburg Verwendung fand. In die Heimat zuruckgekehrt, zum 12. Feldartillerie-Regiment versetzt und 1876 zum Major aufgestiegen, kam er kurz darauf in das 2. Feldartillerie-Regiment Nr. 28, riickte 1882 zum Oberst- leutnant auf und wurde 1887 mit der Fuhrung des 1. Feldartillerie-Regiments Nr. 12 beauftragt. Seine Beforderung zum Obersten und Regimentskomman- deur erfolgte noch in demselben Jahre. 1890 trat H. als Generalmajor an die Spitze der 12. Feldartillerie -Brigade, ein Kommando, das er 1893 krank- heitshalber niederlegen mufite, um in den erbetenen Ruhestand zu treten. Bei der Verabschiedung erhielt er den Charakter als Generalleutnant.

Nach den Akten. Lorenzen.

Stiirzinger, Johannes Jakob, Universitatsprofessor der romanischen Philologie, * am 6. Dezember 1855 in Wylen Stammheim in der Schweiz, f am 12. Juli 1903 in Wurzburg. St. studierte in Marburg und Leipzig deutsche Philologie, in Paris zwei Jahre romanische Philologie; er promovierte in Zurich 1879 und habilitierte sich nicht lange darauf in Bonn fur romanische Philolqgie; 1885 folgte er einem Rufe nach Bryn Maur College in Pennsyl- vanien, kehrte aber, da ihm die vorwiegend praktische Tatigkeit in Amerika nicht zusagte, 1890 nach Europa zurlick. Er habilitierte sich wieder in

Stiirzinger. 28 1

Munchen, folgte 1892 einem Rufe als Extraordinarius nach Tubingen, wo er das Sommersemester iiber dozierte, und wurde im Herbst desselben Jahres als Ordinarius fur neuere Philologie, also auch mit der Verpflichtung, englisch zu lesen, nach Wurzburg berufen. Bereits 1897 wurde er aber von einer qualvollen Geisteskrankheit befallen und starb nach unsaglichem Leiden am 12. Juni 1903. Eine eigentlimliche Tragik durchzieht St.s ganzes Leben. Er war von Haus aus eine stille Gelehrtennatur; seine grofite Freude ware es gewesen, stets in seiner Bibliothek, hinter seinen geliebten Biichern und Handschriften dem Wesen der Sprache, wie sie sich im Laufe der Jahr- hunderte entwickelte, als Privatgelehrter nachzuspiiren. In seiner riihrenden Bescheidenheit h&tte er es nicht gewagt, die Universitatskarriere einzuschlagen, wenn nicht der Bonner Romanist Wendelin Foerster, der gelegentlich eines Besuches, den ihm St. abstattete, sein gewaltiges Wissen, das er stille in sich verschlofi, gleichsam entdeckte, ihn nicht geradezu aufgefordert hatte, sich bei ihm zu habilitieren. Das Schicksal gonnte ihm aber nicht lange die Mufie, die er fur seine wissenschaftlichen Plane so dringend brauchte; es verschlug ihn von der Bonner Hochschule, wo er mehrere gluckliche Jahre nur der Wissenschaft gelebt hatte, an feme Gestade, nach Amerika, in ein Damencollege, wo er in ein Milieu geriet, das von deutscher Wissenschaft nichts verstand und nichts wissen wollte, und wo es vor alien Dingen auf den praktischen Unterricht in den neueren Sprachen ankam. Lieber als dort zu verkumtaern zog er es vor, nach Deutschland zuriickzukehren und in der Heimat nochmals von vorne anzufangen. Ein seltener Mut, als vermogens- loser, verheirateter Mann und Familienvater die sichere Stellung aufzugeben und sich einer unbekannten Zukunft in die Arme zu werfen.

Wenn St. dann auch verhaltnismafiig schnell Professor wurde, so gab ihm die so mutig erkampfte Stellung doch nicht das, was er von ihr erhofft hatte. Auch in Wurzburg wurde er in Verhaltnisse hineingestellt, die es ihm so wenig wie moglich gestatteten, sich seinen Studien hinzugeben. Wahrend sonst an den meisten deutschen Hochschulen romanische und englische Philologie getrennt war, mufite er in Wurzburg noch jahrelang unter der Last dieser unnaturlichen Verbindung seufzen. Und noch mehr. Obgleich gerade in Bayern die Priifungsordnung von den Kandidaten eine besonders grofie Summe praktischer Kenntnisse verlangt, wurde ihm weder fiir Fran- zGsisch noch fiir Englisch ein Lektor beigegeben erst zuletzt erhielt er eine Hilfskraft und mufite er, der durch und durch Gelehrter war, auch als Sprachmeister t&tig sein. Das waren auf die Dauer unhaltbare Zustande. 1

Man vergegenwartige sich nur, dafi er, um den Bediirfnissen der Studenten ]

nur einigermafien zu geniigen, Semester fiir Semester ein neues Kolleg aus- arbeiten mufite nur historische Grammatik wiederholte er einmal und j

dabei stets mehrstundige neufranzosische und neuenglische Cbungen abhalten J

mufite. St. versuchte sein Moglichstes, um in diesen Verhaltnissen Wandel zu schaffen. Mit seiner gewohnten Energie machte er sich ans Werk, um |

Landtag und Ministerium zu tiberzeugen, dafi eine Trennung der beiden ]

Facher fiir die gedeihliche Entwicklung der neusprachlichen Studien durchaus j

erforderlich war. Und es gelang ihm auch die Trennung durchzusetzen. Aber er konnte die Friichte seines Schaffens und Strebens nicht pfliicken. Kaum war die Trennung beschlossen, kaum durfte er hoffen, sich nunmehr

282 StUrzinger.

ganz auf das Romanische beschrSnken zu kormen, da brach er unter der Last, die so lange auf ihn gedriickt, zusammen.

St.s Arbeitsfeld liegt auf grammatischem und textkritischem Gebiet. Er begann mit einer Arbeit »uber die Konjugation im Ratoromanischen«, die als Ziiricher Dissertation 1879 in Winterthur erschien. Auch spater fuhr er fort, sich mit der romanischen Sprache der Alpentaler zu beschaf tigen ; so gab er 1881 in der Romania X S. 246 ff. wertvolle Erganzungen und Be- richtigungen zu dem von Ulrich, Romania VIII herausgegebenen engadinischen Mysterium uber Abrahams Opfer. In seiner *Orthographia gallica*, dem achten Band der von Wendelin Foerster herausgegebenen Altfranzftsischen Bibliothek 1884, wandte sich St. dem Altfranzosischen zu. Auf Grund von vier Hand- schriften eine fiinfte in Dublin befindliche hatte er leider libersehen gab der Gelehrte einen bis dahin nur sehr unvollkommen bekannten anglo- normannischen Traktat uber die franzosische Orthographic und Aussprache heraus. In einer sehr interessanten Einleitung. gab er eine Obersicht aller im mittelalterlichen England dem Unterricht im Franzdsischen gewidmeten Schriften und zog aus dem von ihm herausgegebenen Text alle zu ziehenden Konsequenzen. Die Kritik {Romania XIII 1884 S. 488 G. Paris, Rtvue Critique 1884, 18 annie II S. 1 56 ff. Darmesteter, Gott. gelehrte Anzeigen 1885 470/2 G. Willenberg) lobte durchweg die gewissenhafte, verstandige und sorgfaltige Arbeit. In verschiedenen Zeitschriften beschaftigte sich ferner St. mit dem wallonischen Dialekt, so in seinen Remarks on the wallonian Conjugation, Transactiotis of the Modern Language Association^ Baltimore t. I 204 215, wo er namentlich auf Grund des Patois von Malm6dy den Untergang der^starken Flexion und die ganz bedeutende VereinfachungderKonjugationen undTempora im Wallonischen nachweist, in der Zs. f. rom. Phil. 1882 S. 511 -513, mit der wallonisch-lothringischen Prasensendung a. Andere kleinere Artikel iiber- gehen wir. St.s Lebenswerk sollte aber seine kritische Ausgabe der Werke des Guillaume de Digulleville sein, des hervorragendsten Vertreters der religios allegorischen Romandichtung im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts in Frank- reich. Es war eine gewaltige Arbeit, die er auf sich nahm, als er den Entschlufi fafite, die Dichtungen dieses Mannes, sein Pelerinage de vie humaine (13540 v.) sein Pileritiage de tame (n 161 v.) und Pelerinage de Jesus Christ (11 416 v.), welche den Wandel des Menschen im Diesseits und Jenseits sowie Christi Lehre zu belehrenden und erbauenden Zwecken beschreiben, kritisch herauszu- geben. Gewaltig war die Arbeit, sowohl wegen der Lange derselben (im ganzen 36 117 Verse) wie auch wegen der ungemein grofien Anzahl von Hand- schriften. 1893— 1897 erschien das Werk in drei grofien Banden als Publi- kation des Roxburgh Club\ die Einleitung aber, die liber das Verhaltnis der einzelnen Handschriften hatte Klarheit bringen sollen und jcdem ermdglicht hatte, die kolossale Arbeit, die in seinem Werke verborgen war, zu verstehen, konnte er nicht mehr schreiben. So hat er uns denn einen grofiartigen Torso hinterlassen, den wir wohl bewundern und anstaunen, dessen Bedeutung und Wesen aber nur der ganz begreifen konnte, der die riesenhafte Arbeit selbst wieder in Angriff nahme. Die jahrelange Beschaftigung mit den Werken Digullevilles hatte St. eine so grofle Liebe zu seinen mit wunderbaren Miniaturen geschmiickten Handschriften eingeflofit, dafi ihm keine Ausstattung prachtig genug erschien fur seine Ausgabe. So bot er denn sein Werk einer

Stttrzinger. von Anzer. 283

englischen Gesellschaft, dem Roxburgh Club, der es mit den Bildern auf feinem Papier und in grofler Schrift in drei prachtigen Quartbanden heraus- gab. Dadurch war aber das Werk fur das grofle Gelehrtenpublikum verloren. Die Gesellschaft druckte es nur in 75 Exemplaren fiir ihre Mitglieder ab. Nur wenige Bibliotheken und einige Gelehrte erhielten es als Geschenk. In den Buchhandel kam es nicht. So erklart es sich denn auch, dafi keine Zeitschrift aufier der Romania XXIV, XXVI, XXXII in kurzen lobenden Notizen ■- das Werk besprechen konnte. Auch hier wiederum diese eigen- tiimliche Tragik in St.s Leben.

Wenn St. auch vor allem Gelehrter war, so hat er sich doch auch als Lehrer sehr tatig erwiesen. In Miinchen las er namentlich iiber Spanisch, in Tubingen brachte er das bis dahin vernachlassigte Studium der romanischen Philologie, in dem kurzen Semester, wo er dort wirkte, wieder zu Ehren, und las iiber Franzosisch und Spanisch; in Wurzburg entfaltete er eine sehr rege Tatigkeit, las iiber Geschichte der neueren und altfranzosischen Literatur, iiber Metrik, Syntax, Phonetik, Aussprache, ebenso iiber Provemjalisch. Er hatte ferner das besondere Verdienst, das romanisch-englische Seminar ins Leben zu rufen und den Grundstock zu dessen Bibliothek zu legen.

Der Grundzug von St.s Wesen war bescheidene Anspruchslosigkeit, bis zur Peinlichkeit genaue Gewissenhaftigkeit und Treue, energische Ausdauer. Er war ein Gelehrter alten Schlages, wie sie heutzutage immer seltener werden.

Wurzburg. Heinrich Schneegan's.

Anzer, Johann Baptist von, Bischof, Apostolischer Vikar von Siid- Schantung, * 16. Mai 1851 zu Weinrieth beiPleystein (Oberpfalz), f 24. November 1903 zu Rom. A. machte seine Gymnasialstudien im Gymnasium der Bene- diktiner zu Metten und studierte dann 1872—75 Theologie im Priesterseminar zu Regensburg. Im Herbst 1875 trat er, um sich auf den Beruf eines Missionars vorzubereiten, in das neugegriindete Missionshaus zu Steyl ein. Am 5. August 1876 empfing er zu Utrecht die Priesterweihe und wirkte hierauf zunachst als Lehrer im Missionshaus, bis er 1879 nach China abreiste. Im Jahre 1880 verhandelte er mit dem apostolischen Vikar Cosi iiber die Abtretung Siid- Schantungs als Missionsgebiet an die Gesellschaft des gottlichen Wortes zu Steyl und wurde dadurch der Griinder der deutschen Mission daselbst, die er aus kleinen Anfangen in wenigen Jahren iiber das ganze Gebiet ausbreitete. Im Jahre 1882 wurde er zum Provikar dieses Missionsgebietes, 1886 zum apostolischen Vikar und zum Bischof von Telepte /. p. i. ernannt und am 18. Januar 1886 von Erzbischof Krementz von Koln im Missionshause zu Steyl zum Bischof konsekriert. Der ruhige Fortgang des Missionswerkes wurde oft durch Verfolgungen gestort; schon 1883 erlitt A. auf einer Missionsreise beinahe den Martyrertod. Von weittragender Bedeutung fiir die Mission wie auch fiir die deutschen Interessen in China war es, dafi seine Mission im Jahre 1890 auf seinen Wrunsch dem franzosischen Protektorat entzogen und unter den Schutz des Deutschen Reiches gestellt wurde. Eine Erweiterung seines Missions- gebietes erfolgte 1897 durch dieBesetzung von Kiautschou seitens des Deutschen Reiches; die darauf folgenden chinesischen Aufstande brachten aber auch neue gefahrliche Verfolgungen und Schadigungen iiber die Mission, bis zur erfolgten Wiederherstellung friedlicher Verhaltnisse. Bischof A. war eine bedeutende

284 von Anzer. Birck. FranU.

Personlichkeit von grosser Energie und opferwilligem Arbeitseifer; seine Ver- dienste um die deutschen Interessen in China haben auch an den maflgebenden politischen Stellen voile Anerkennung gefunden; in der Geschichte der christ- lichen Missionsarbeit in China wird sein Name unvergefilich bleiben.

Vgl. »Kolnische Volkszeitung* 1903, Nr. 988 vom 25. November; Nr. 997 B vom 28. Nov. »Augsburger Postzeitung* 1903, Nr. 268 vom 27. Nov. >Illustrierte Ztg.« 1903, Nr. 3153, 3. Dezeraber. F. La U chert.

Birck, Maximilian, Kanonikus in Aachen, * 6. Februar 1841 zu Koln, f 25. November 1903 zu Aachen. B. erhielt seine humanistische Bildung am Marzellengymnasium in Koln, studierte dann Theologie in Bonn und Miinchen, trat 1862 in das Priesterseminar in Koln ein und empfing am

2. September 1863 die Priesterweihe. Hierauf ging er zur Fortsetzung seiner theologischen Studien noch zwei Jahre nach Rom und wurde daselbst Dr. theol. Im Herbst 1865 wurde er Religionslehrer an der hoheren Schule, jetzt Realgymnasium, zu Mulheim a. Rh. und erhielt als solcher spater den Titel Professor; 1902 Kanonikus am Kollegiatstift der Munsterkirchc in Aachen, 5. Mai 1903 als solcher eingefiihrt. Schriften: »Georg Cassanders Ideen iiber die Wiedervereinigung der christlichen Konfessionen in Deutschland. Fine Studie« (Koln 1876); »Der Kolner Erzbischof Dietrich Graf von M6rs und Papst Eugen IV. Mit Benutzung archivalischer Akten« (Bonn 1889); »Nikolaus von Cusa auf dem Konzil zu Basel « (Historisches Jahrbuch, 13. Bd. 1892, S. 770 782); »Zu Nikolaus von Cues Auftreten auf dem Basler Konzil « (Theol. Quartalschrift 1891); »Nikolaus von Cues iiber den Primat* (Theol. Quartalschrift 1892); »Enea Silvio deTiccolomini als Geschicht- schreiber des Basler Konzils« (Theol. Quartalschrift 1894).

Vgl. »Echo der Gegenwart* (Aachen) 1903, Nr. 318 vom 6. Mai; Nr. 849 vom 26. Nov.

F. Lauchert.

Frantz, Erich, Professor an der katholisch-theologischen Fakultat in Breslau, Kunsthistoriker, * 19. Juli 1842 zu Liegnitz, f 27. Dezember 1903 zu Pasing bei Miinchen. F. widmete sich zuerst der Malerei, machte dann seine philosophischen und theologischen Studien an der Universitat Breslau und wurde am 28. Juni 1871 in Breslau zum Priester geweiht. Nach drei- jahrigem Studienaufenthalt in Italien wurde er am 26. April 1879 an der theologischen Fakultat zu Freiburg i. Br. zum Dr. theol. promoviert. Am

3. Februar 1887 wurde er zum ordentlichen Honorarprofessor fur christliche Arch&ologie und Kunstgeschichte an der Akademie Munster ernannt, am 24. Marz 1888 auf seinen Wunsch in gleicher Eigenschaft in die katholisch- theologische Fakultat der Universitat Breslau versetzt. Seit 1899 wegen Krankheit beurlaubt, lebte er seitdem in Pasing. Schriften: »Fra Barto- lommeo della Porta. Studie iiber die Renaissance« (Regensburg 1879); Sixtus IV. und die Republik Florenz<v (Regensburg 1880); »Das heilige Abendmahl des Leonardo da Vinci« (Freiburg i. Br. 1885); »Geschichte der christlichen Malerei« (2 Bde; dazu 2 Teile »Bilder zur Geschichte der christ- lichen Malerei«; Freiburg i. Br. 1887 1894); »Handbuch der Kunstgeschichte*

Frantz. Gapp. Nagel. 285

(Freiburg i. Br. 1900); »Die Kunst im neuen Jahrhundert« (Hamm i. W. 1902, Frankfurter zeitgemafie Broschuren, 22. Bd., 3. Heft).

Vgl. Ntirnberger in der Chronik der Universitat Breslau ftir das Jahr 1903/4. Vgl. auch »Hochland«, 1. Jahrg. 1903/4, Bd. I, S. 632 f. F. La u chert.

Gapp, Julius, Stadtpfarrer in Hagenau und Ehrendomherr, * 28. April 1845 zu Straflburg, f 31. Dezember 1903 zu Hagenau. G. wurde 1867 zum Priester geweiht, wirkte in der Seelsorge in Tiirkheim, Strafiburg, Osthausen, St. Pilt, seit 1894 als Stadtpfarrer zu St. Georg in Hagenau; Ehrendomherr von Strafiburg; Dr. theol. Von seinen Schriften seien als die wichtigsten genannt: »Die Kirche Jesu« (Rixheim 1873; 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1874; neue Ausgabe 1894 unter dem Titel: »Die katholische Kirche, die wahre Kirche Jesu Christi«); »VolIstandige Katechesen fur die Oberklassen der Volksschulen unter besonderer Beriicksichtigung des Straflburger Diozesan- katechismus« (3 Bandchen, Kempten 1892 93); »Das Leben unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, genau nach dem Wortlaut der heiligen Evan- gelien dem christlichen Volk erzahlt. 4. Bandchen: Das Leiden, der Tod, die Auferstehung und die Himmelfahrt des Herrn« (Limburg 1899; 1 3 sollten spater erscheinen). In der Zeitschrift fur katholische Theologie veroffentlichte G. die grofieren wissenschaftlichen Abhandlungen : »Bossuet und die papst- liche Unfehlbarkeit« (2. Jahrg. 1878, S. 609 632); »Die Lehre der franzo- sischen Kirche iiber die papstliche Autoritat« (4. Jahrg. 1880, S. 280 333). Ferner verfafite G. einige Gebetbiicher, darunter ein sehr verbreitetes Mefi- biichlein fiir Kinder, und religiose Dramen. Journalistisch tatig war er durch Herausgabe des »St. Odilienblattes« 1878 84 (1884 durch den Statthalter von Manteuffel unterdriickt) und in den letzten Jahren durch das »St. Arbo- gastusblatt«, das er 1898 in Hagenau griindete.

Vgl. » Deutsche Reichszeitung« 1904, Nr. 10 vom 8. Januar. aAugsburger Post- zeitung« 1904, Nr. 3 vom 5. Januar. F. Lauchert.

Nagel, Christian August, Geheimer Regierungsrat, Prof., Geodat, * 17. Mai 1821 in Griinberg bei Radeberg in Sachsen, f 23. Oktober 1903 in Dresden. N. war das sechste und jiingste Kind seiner in bescheidenen Verhaltnissen lebenden Eltern. Der Vater, von Haus aus Stellmacher, fertigte mit Vorliebe Uhren, Spritzen und landwirtschaftliche Maschinen; auch baute er einen Mefitisch mit Diopterlineal. Die Mutter, eine Tochter des Gutsbesitzers Kotte in Hermsdorf, war eine einfache, aber kluge Frau, die auf die geistige Entwickelung ihrer Kinder sehr giinstig einwirkte. Vom vollendeten fiinften Jahre an besuchte N. die Dorfschule. Der Rechenunterricht war dort ver- haltnismafiig gut; freilich fehlte die Dezimalbruchrechnung. In der Geschichte und den Sprachen unterwies den Knaben Pastor Bluher. Der Plan, ihn auf das Bautzener Gymnasium zu bringen, mifilang, da er wegen der Mittel- losigkeit seiner Eltern nur als Alumne diese Schule hatte besuchen konnen, aber als solcher nicht aufgenommen wurde. Schon hatte er sich entschlossen, Tischler zu werden und war bereits bei einem Meister angemeldet, da nahm ihn der Geodat Wild bei der sachsischen Landesvermessung als Mefigehilfen an. Bald danach meldete er sich zur Aufnahme in die Geodatenschule zu

286 Nagel.

Hubertusburg. Im Spatherbst 1836 bestand er die Aufnahmepriifung und im Juni 1837 die Geodatenpriifung. Bis 1841 war er als Geodat praktisch tatig. Hierauf studierte er an der damaligen Technischen Bildungsanstalt (jetzigen Technischen Hochschule) in Dresden, unterstutzt durch seinen Bruder, der Kanzlist an der dortigen Konigl. Gffentlichen Bibliothek war. Michaelis 1843 bestand N. die Prufung der Feldmesser erster Klasse mit der Zensur »ausge- zeichnet«. Alsdann nahm er bis 1844 Unterricht im Strafienbau. Am 1. April 1844 erhielt er Anstellung als Hilfsingenieur und am 1. September desselben Jahres als Ingenieur-Assistent bei dem Bau der sachsisch-schlesischen Eisen- bahn. Vom 1. Januar 1846 an war er Sektionsingenieur beim Bau der Lobau- Zittauer Eisenbahn und 1848 Vermessungsingenieur bei der Grenzregulierung zwischen Sachsen und BGhmen. Am 1. Mai 1849 trat er seine Stellung als Assistent fur Geodasie bei Prof. Schubert an der Technischen Bildungsanstalt in Dresden an. Am 1. April 1852 wurde er daselbst ordentlicher Lehrer der Geodasie und 1858 Professor und Mitglied des Senats. In diesem Amte ent- faltete er lange Jahre hindurch eine reiche Tatigkeit. Dabei wurden ihm von den vorgesetzten Behorden auch verschiedene wichtige Nebenamter iiber- tragen. 1858 1863 fiihrte N. ein trigonometrisches Netz iiber das Erzge- birgische Kohlenbassin mit einer Ubersichtskarte aus. Daneben war er Vor- sitzender der Konigl. SSchsischen Normal-Aichungskommission. Besonders wichtig aber ist die von ihm als Kommissar fur die mitteleuropaische Grad- messung (internationale Erdmessung) mit vorziiglicher Genauigkeit ausgefiihrte Bearbeitung des trigonometrischen Netzes erster Ordnung fur das Konigreich Sachsen. Danach vollendete N. das Landesnivellement und die Basismessung bei Groflenhain. Am 30. Mai 1874 wurde ihm der Titel eines Regierungs- rats, am 30. Januar 1884 der eines Geheimen Regierungsrats verliehen. Am 1. November 1888 erfolgte seine Ernennung zum Direktor des Koniglichen Mathematischen Salons. Wegen Erkrankung am grauen Star legte er 1893 dieses Amt und nach und nach seine Nebenamter nieder. Durch Ordensver- leihungen, durch die Behorden und durch seine ihm dankbar anh&ngenden Schiiler wurden N. vielfache Ehrungen bereitet. So vor allem bei der Feier seines 80, Geburtstags, wo man auch eine »Nagel-Stiftung« fur Studierende der Technischen Hochschule begrundete. N. hinterliefl eine grofiere Reihe von wissenschaftlichen Abhandlungen, wie das Programm »Die Messung der Basis fur die Triangulierung des Erzgebirgischen Kohlenbassins, Dresden (i86i)«, »Die Vermessungen im KOnigreich Sachsen, Dresden i876« und viele Aufsatze in verschiedenen Zeitschriften, besonders im »Civil-Ingenieur«. Vor allem aber sind zu nennen die »Astronomisch-geod£tischen Arbeiten fur die europaische Gradmessung im Konigreich Sachsen, Abt. 1 4, 1882 1890*. Hiervon bearbeitete N. die erste, zweite und vierte Abteilung ganz oder zum Teil; zu der dritten schrieb er das Vorwort. Von N. ist auch seit 1891 der astronomische Kalender im »Kalender und Statistischen Jahrbuch fur das KOnigreich Sachsen« bearbeitet.

Vgl. »Bericht tiber die am 17. Mai 1901 stattgefundene Feier des 80. Geburtsfestes des Geheimen Regierungsrats A. Nagel . . von R. Gerke; Sonderabzug der Zeitschrift fttr Vermessungswesen, Heft 22, Bd. 30 . . 1901* mit N.s eigener Lebensskizze. »Dresdner Anzeiger« 1903, No. 296 S. 2 ff. »Dresdner Journal* 1903, No. 248 S. 1949.

A. Reichardt.

von Biedermann.

287

Biedermann, Gustav Woldemar Freiherr v., Geheimer Rat Dr. phil., Staatsbeamter, hervorragender Goethe-Forscher, * 5. Marz 181 7 zu Marienberg in Sachsen, f 6. Februar 1903 in Dresden. v, B. entstammte einer alten sachsischen Familie. Sein Vater, Gustav Heinrich v. B., war Amtshauptmann und Besitzer des Ritterguts Niederforchheim, seine Mutter, eine Tochter des Marienberger Madchenschullehrers Tofl, eine beriihmte Schonheit. Bis 1830 wurde der Knabe auf dem vaterlichen Gute von Hauslehrern unterrichtet. Hierauf besuchte er anderthalb Jahre lang das Freiberger Gymnasium. Aber- mals durch einen Hauslehrer auf die Maturit&tsprufung vorbereitet, bezog v. B. 1835 die Universitat Leipzig, urn die Rechte und Kameralwissenschaften zu studieren. 1836 ging er nach Heidelberg, wo er Thibaut, ZachariS und Mittermaier mit grofiem Interesse hOrte. Anfang 1838 kehrte er nach Leipzig zuriick. Nachdem er 1840 die juristischen Priifungen glanzend bestanden, machte er 1841 zusammen mit dem nachmaligen Oberlandesgerichtsprasidenten v. Weber eine grdfiere Reise nach Italien. Im folgenden Jahre liefi er sich als Advokat in Dresden nieder, trat aber am 7. Januar 1845 als Referendar in den Staatsdienst. 1849 wurde er Regierungskommissar im Direktorium der Chemnitz-RiesaerEisenbahngesellschaft, 1858 stellvertretender Vorsitzender bei der Direktion der westlichen Staatseisenbahnen Sachsens in Leipzig, 1. Juli 1869 Geheimer Finanzrat und Vorstand der technischen Abteilung der General- direktion der sachsischen Staatseisenbahnen. Von da an hatte er seinen Wohnsitz in Dresden. Ober 36 Jahre war v. B. im Dienste des sachsischen Staatseisenbahnwesens mit grofier Pflichttreue unermudlich tatig und erwarb sich hohe Verdienste um die Entwicklung des sachsischen Verkehrswesens, Auf dem Gebiete der Expropriation gait er als Autoritat. Seiner Ehe mit Antonie von Triitzschler entsprossen zahlreiche Kinder; iiberhaupt war sein Familienleben ein gliickliches. Als Geheimer Rat trat er am 1. April 1887 in den Ruhestand. In seinen letzten Lebensjahren mufite er viel mit Krank- heit kampfen; die Gefahr einer Erblindung konnte durch Operation noch beseitigt werden. Von Jugend an zeigte v. B. ein uberaus reges Interesse fur die Kunst. Seine Sprachstudien waren sehr weitgehende, mit erstaun- licher Leichtigkeit erfafite er die Grammatik und lautliche Eigenart jeder Sprache. Dazu versuchte er sich vielfach als Dichter. Von ihm erschien 1847 unter dem Pseudonym Ottomar Fohrau die Dichtung »Eine Sanger- jugend« und 1864 unter dem Pseudonym »Einem« das Schauspiel »Dr. Goethe in Weimar*. Haupts&chlich aber ubersetzte er fremde Lyrik. Seine letzte grSfiere poetische Arbeit ist die 1900 erschienene Ausfiihrung des Goethe- schen »Elpenor« (3. bis 5. Aufzug). Grdfiere literarische Abhandlungen ver- 6ffentlichte er erst seit den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, nam- lich: »Goethes Beziehungen zum sachsischen Erzgebirge und zu Erzgebirgem« (1862); »Goethe und Leipzig« (1865); »Zu Goethes Gedichten« (1870); >Goethe und Dresden* (1875); »Goethe und das sachsische Erzgebirge« (1877); »Goethe-Forschungen« (3 Sammlungen, 1879, I886, 1899); »Erlaute- rungen zu den Tag- und Jahresheften von Goethe« (1894). Herausgegeben sind von ihm: »Goethes Briefe an Eichstadt« (1872); »Goethes Brief wechsel mit Friedrich Rochlitz« (1887); Teile der Hempelschen Goethe- Ausgaben und der Weimarer Ausgabe. 1889 bis 1898 erschien sein Hauptwerk, »Goethes Gespr£che«, in zehn Banden. Aufierdem riihren viele AufsStze im »Goethe-

288 von Biedermann. Knothc.

Jahrbuch« von B. her. Der Goethe-Gesellschaft gehorte er seit ihrer Griindung an; 1894 wurde er einer ihrer beiden Vizeprasidenten. Auch war er Ehren- prasident des Dresdener Goethe-Vereins und Vorsitzender der Dresdener Serreschen Zweig-Schillerstiftung.

Vgl. Adolf Stern im »Goethe-Jahrbuch«r , Bd. 24 S. 289 ff. und im »Dresdner Journal* 1903, No. 31 S. 243 f. »Dresdner Journal* ebenda S. 247. »Dresdner Anzeiger« 1903, No. 38 S. 5. A. Reichardt.

Knothe, Hermann Friedrich, Geheimer Hofrat Professor Dr., Historiker, * 9. Oktober 1821 in Hirschfelde bei Zittau, f 8. Februar 1903 in Dresden. K.s Vater, Karl Friedrich K., war Diakonus und seit 1836 Pastor in Hirsch- felde, seine Mutter, Julie Karoline, eine Tochter des damaligen Diakonus Leonhard in Lauban. Den ersten Unterricht erhielt K. fast in alien Fachern durch seinen Vater. Seine Spielkameraden waren die Kinder armer Leine- weber. Zehn Jahre alt wurde er in die Quarta des Zittauer Gymnasiums aufgenommen. Ostern 1840 bezog er die Universitat Leipzig. Sein Wunsch war, Jura oder Philologie und Philosophie zu studieren. Aber seinen Eltern zuliebe wandte er sich dem theologischen Studium zu. Der Lausitzer Predigergesellschaft gehorte er bis 1843 a's Mitglied an; 1844 wurde er ihr Ehrenmitglied. Nachdem er 1843 das erste theologische Examen bestanden, hielt er sich noch bis Ostern 1844 in Leipzig auf. Anfang des nachsten Jahres wurde er Hauslehrer und war nacheinander in vier Familien tatig. Spater lieO er sich als Privatlehrer in Dresden nieder. Schon damals litt er viel an katarrhalischen Beschwerden. 1851 promovierte er in Jena. Zu seiner Freude erhielt er Ostern 1855 Anstellung als Oberlehrer an der vereinigten Real- und Gymnasialanstalt in Zittau. Um diese Zeit starb sein Vater. Er nahm nun seine Mutter zu sich bis zu ihrem Tode. Dies war wohl der Hauptgrund dafiir, dafi er unverheiratet geblieben ist. 1861 wurde K. nach Dresden berufen als Zivillehrer beim Konigl. Kadettenkorps mit dem Titel Professor. Hier wirkte er beinahe 20 Jahre lang als Lehrer der Geschichte, Geographic und deutschen Sprache. Wahrend der fiir ihn recht schmerz- lichen Ereignisse des Krieges von 1866 reiste er mit den nicht der aktiven Armee uberwiesenen Kadetten nach Prag, Wien und Liebenau bei Graz. Seine Erlebnisse beschrieb er in den »Kriegserlebnissen eines Soldatenschul- meisters aus dem Jahre i866« (in den »Bautzener Nachrichten«). Als die Verlegung des Kadettenkorps nach Dresden-Albertstadt ihm seine Lehrtatig- keit sehr erschwerte, bat er um seine Entlassung. Sie wurde verwreigert. Aber als ihn 1880 eine Lungenentziindung befiel, fand sein erneutes Ent- lassungsgesuch Genehmigung. Er erhielt damals das Ritterkreuz 1. Klasse vom Zivilverdienstorden. Die ihm 1882 angebotene Stelle eines Direktors des koniglich sachsischen Hauptstaatsarchivs lehnte er ab, weil er seine Ge- sundheit sehr schonen mufite und seine Freiheit nicht hingeben wollte. Dank seiner geregelten Lebensweise blieb er korperlich und geistig frisch bis ins hohe Alter. 1898 erlitt er durch Cberfahrenwerden einen schweren Bein- bruch; dadurch blieb seine Bewegungsfreiheit stark beeintrachtigt. An seinem 80. Geburtstage wurde K. zum Geh. Hofrat ernannt. Danach ging es mit seinen Kraften bergab. Ein Influenzaanfall fiihrte in wenigen Tagen sein Ende herbei. K. war Ehrenmitglied der Oberlausitzischen Gesellschaft der

Knothe. Diestel.

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Wissenschaften (seit 1879) un<3 des NordbOhmischen Exkursionsklubs (seit 1887), korrespondierendes Mitglied des Kdniglich Sachsischen Vereins ftir Erforschung der vaterlandischen Altertumer (seit 1859), der Schlesischen Gesellschaft fiir vaterlandische Kultur (seit 1878), des Vereins fur Ge- schichte Brandenburgs (seit 1886) und des Vereins fur Geschichte und Altertum Schlesiens (seit 1898). Auch wurde er 1898 zum Mitglied der Kdniglich sachsischen Kommission fiir Geschichte ernannt, ohne jedoch an deren Arbeiten teilnehmen zu k6nnen. K. war eine geborene Forschernatur. Er wurde von Karl Lamprecht unter den sachsischen Historikern am hdchsten gewurdigt. K.s Studien bewegten sich freilich in engen Grenzen, fast nur auf dem Gebiete der oberlausitzer Geschichte. Aber in solcher Beschran- kung leistete er Vorziigliches. Angeregt wurde er zu geschichtlicher For- schung schon als Gymnasiast, als sein Geburtsort gegen die Stadt Zittau einen Rechtsstreit fiihrte. Aber nicht nur ein ausgezeichneter Gelehrter war K., sondern auch ein trefflicher Mensch, von grofler Bescheidenheit und Wahr- heitsliebe und, wie besonders sein Nachlafi erkennen liefi, allezeit hilfsbereit. K. veroffentlichte ca. 145 Bucher und Aufsatze. Zu nennen sind: »Ge- schichte des Fleckens Hirschfelde in der kdniglich sachsischen Oberlausitz« (1851); ^Geschichte der Ddrfer Rohnau, Rosenthal und Scharre in der kSnig- lich sachsischen Oberlausitz* (1857); »Geschichte der Dorfer Burkersdorf und Schlegel in der konigl. sachsischen Oberlausitz* (1862); »Geschichte des so- genannten Eigenschen Kreises in der kOnigl. sachsischen Oberlausitz; Preis- schrift« (1870); »Urkundliche Geschichte des Jungfrauenklosters Marienstern . (1871); »Urkundliche Grundlagen zu einer Rechtsgeschichte der Oberlausitz; Preisschrifu (1877); * Geschichte des oberlausitzer Adels und seiner Guter . . I. II« (1879, l887); »Der Anteil der Oberlausitz an den Anfangen des dreifiig- jahrigen Krieges, 1618 1623; Preisschrift« (1880); »Geschichte des Tuch- macherhandwerks in der Oberlausitz . (1882); »Urkundenbuch der Stadte Kamenz und L6bau {Codex diplom. Saxoniae regiae II 7)« (1883); »Die Stel- lung der Gutsuntertanen in der Oberlausitz zu ihren Gutsherrschaften« (1885); »Die aitesten Siegel des oberlausitzischen Adels« (1891); »Karl Friedrich Kretschmann (Der Barde Rhingulf)« (1858). Die allermeisten Arbeiten K.s sind in Zeitschriften erschienen, besonders im »Neuen Lausitzischen Magazin«, im »Archiv fur die sachsische Geschichte« und »Neuen Archiv fiir sachsische Geschichte*, in den »Beitragen zur sachsischen Kirchengeschichte« und den »Mitteilungen des NordbOhmischen Exkursionsklubs«.

Vgl. Hubert Ennisch im »Neucn Archiv fUr sachsische Geschichte* Bd. 24, 1903, S. 155 ff. Woldemar Lippert in den »Dresdner Geschichtsblattem Bd. S. 150 ff. >Dresdner Anzeiger« 1903, No. 92 S. 3 ff. und No. 41 S. 5 f . »Amtskalender fiir evan- gelisch-lutheriscbe Geistliche im Konigreich Sachsen auf das Jahr 1904* S. 207. »Jahres- bericht der Lausitzer Prediger-Gesellschaft zu Leipzig*, 28. Mitteilung, 1902/03 S. 40. >Haan, Sachsisches Schriftsteller-Lexikon, Leipzig 1875* S. 166 f. A. Reichardt.

Diestel, Gustav, Konrektor Prof. Dr., Historiker, * 7. Marz 1830 zu KOnigs- berg in Preufien, f 8. November 1903 in Dresden. D. besuchte bis Michaelis 1849 das K6nigsberger Friedrichs-Kollegium. Darauf studierte er in seiner Vaterstadt anfangs Philologie, spater aber allein Geschichte, Geogra- phic, deutsche Literatur und Philosophic Im Dezember 1853 promovierte

BiogT. Jahrbuch u. Dcutscher Nckrolog. 8. Bd. IO,

2 go Diestel, Seyffarth.

er. Bereits vorher war er zum Gouverneur in dem v. d. GrObenschen Stipendien- hause berufen worden. In dieser Stellung blieb er bis i860. Nach bestan- dener Oberlehrerpriifung wurde er wissenschaftlicher Hilfslehrer und Ostern 1859 ordentlicher Lehrer am Kneiphafischen Stadtgymnasium zu Kdnigsberg. Ostern 1868 an das Vitzthumsche Gymnasium in Dresden berufen, wirkte er fortan hier als Lehrer der Geschichte und deutschen Sprache mit groflem Erfolg. Von 1889 an war er Konrektor. Ostern 1895 trat er in den Ruhe- stand. Zeitweilig war er Vorsitzender des Dresdener Litterarischen Vereins und des Historischen Vereins. Er besafi ein reiches Wissen und eine her- vorragende Unterrichtsgabe. Von D. ist eine Programmabhandlung »Bau- steine zur Geschichte der deutschen Fabel, Dresden 1871*. Auch iibernahm er die Neubearbeitung des zweiten Teils der »Illustrierten Geschichte des Mittelalters von O. Kaemmel«.

Vgl. »Programm des Vitzthumschen Gymnasiums . . Dresden 18694c, S. 115 f. »Jahresbericht des Vitzthumschen Gymnasiums . . Dresden 19041c, S. 12. »Dresdner Anzeiger«c 1903, No. 311 S. 6. »Dresdner Journal « 1903, No. 261 S. 2071.

A. Reichardt.

Seyffarth, Ludwig Wilhelm, Padagog und Schriftsteller, *2i.Januar 1829 in Naumburg a. S., f 26- Oktober 1903 in Liegnitz. Er entstammte einfachen Verhaltnissen ; sein Vater war Nadlermeister und spaterhin Gerichtsschreiber. Nachdem er das Gymnasium seiner Vaterstadt absolviert, bezog er 1850 die Universitat Halle, an der er unter Jul. Muller, Tholuck, Thilo und Hupfeld Theologie und unter Erdmann Philosophic studierte. Unterbrochen wurde sein Studium auf kurze Zeit durch seine Einberufung zum Ersatzbataillon in Erfurt, da ein Krieg mit Osterreich auszubrechen drohte. 1853 nahm S. eine Hauslehrerstelle im Anhaltischen , nach Erstehung des ersten theologischen Examens eine solche in Oberschlesien an, ging dann zur Leitung eines Privat- instituts nach Frankenstein und wurde, nachdem er in Munsterberg die Priifung pro rectoratu abgelegt hatte, 1856 Rektor in dem Stadtchen Kemberg (Provinz Sachsen), von wo er 1863 in gleicher Eigenschaft nach Luckenwalde ging. Ein bequemes Predigtamt in Delitzsch hatte er ausgeschlagen, da seine per- sonliche Neigung ihn zur Schule und ihren Lehrern zog. Trotz der grofien Arbeitslast, die in Luckenwalde auf seinen Schultern ruhte er hatte aufier Erteilung seiner Unterrichtsstunden fiinf Schulen und eine von ihm erst ge- griindete Fortbildungsschule zu leiten und das Amt eines Hilfspredigers zu versehen fand er doch noch Mufle, sich als Schriftsteller zu betatigen. Zu jener Zeit* lasteten die Raumerschen »Regulative« (v. J. 1854) mit schwerem Druck auf der Volksschule, und die Erfahrungen, die S. mit ihrer Anwendung in seinen Schulen machte, trieben ihn an, offentlich gegen jene Bestimmungen aufzutreten. So erschienen denn seine organisatorischen Schriften »Die Stadt- schulen« (1867), »Die Dorfschulen« (1868), »Die Seminare der Volksschul- lehrer« (1869) und die Kampfschrift »Zur Vorlage des (Muhlerschen) Unter- richts- und Dotationsgesetzes« (1868). Sie sind mit einem fur jene Zeit unerhorten Freimut geschrieben und fanden auch spater (unter dem Minister Falk) die gebuhrende Wurdigung vonseiten der Staatsbehorde. Wichtiger noch ist S.s Herausgabe der »Samtlichen Werke Pestalozzis* (XVIII Bde., 1869—73). Die Universitat Zurich verlieh S. gelegentlich seines 70. Geburts-

Seyffarth. Schmidt-Cabanis. 29 1

tages in Anerkennung dieses Verdienstes die Wiirde eines Ehrendoktors der Philosophic (1899). In engster Verbindung mit S.s literarischer T&tigkeit stand seine VereinstStigkeit. Er war Mitbegriinder des Brandenburgischen Provinzial- Lehrerverbandes, in dem er 187 1 75 den Vorsitz fiihrte, sowie auch des Landesvereins preufiischer Volksschullehrer, dessen Organ, die »Preuflische Schulzeitung* er von 187 1 bis zu seinem Tode redigierte. 1875 ging S. als Diakonus an der Kirche »Unserer lieben Frauen« nach Liegnitz und riickte nach wenigen Jahren zum Pastor primarius an derselben auf, ein Beweis der Zuneigung, die er sich in seiner Gemeinde erworben hatte. Aber auch daruber hinaus fand er in der neuen Provinz Anerkennung, die sich besonders darin kundgab, dafi er in den Kreisen Liegnitz-Goldberg 1879 zum Landtagsabge- ordneten gewahlt wurde. Er hat dem Landtage als Mitglied der national- liberalen Partei bis 1887 angehftrt; dann zwang ihn eine schleichende Krank- heit, eine Wiederwahl abzulehnen. Seine Mufie widmete er nun dem weiteren Ausbau der »Samtlichen Werke Pestalozzis«, und er hatte noch die Freude, die neue Ausgabe derselben (XII, 1899 1902), vollendet zu sehen. Gegen Ende des Jahres 1902 trat S. in den Ruhestand, den er indessen nicht lange geniefien sollte.

»Preu8ische Lehrer-Zeitung* vom 22, Januar 1899. »Der deutsche Schulmannc vom 15. Januar 1899. »Schulblatt der Provinz Sachsenc vom 20. Januar 1904 u. a. padagogische Blatter. Franz Brum men

Schmidt-Cabanis, Otto Richard, Dichter, * 22. Juni 1838 in Berlin, 1 12. November 1903 daselbst; Er entstammte mutterlicherseits der durch Wilibald Alexis beriihmt gewordenen franz6sischen Familie Cabanis, welchen Namen er spater dem seinigen hinzufiigte. Sein Vater war Kanzleirat in Berlin. Nachdem er die Konigliche Realschule und das Friedrich Wilhelms-Gymnasium seiner Vaterstadt und spater das Gymnasium in Dessau besucht hatte, trat er mit 16 Jahren als Lehrling in eine Berliner Sortimentsbuchhandlung ein, ubernahm aber schon im Oktober 1855 eine Stelle als Volont&r in einem grofien Berliner Bankgeschaft, die ihm Mufie genug liefi, Thalien und Mel- pomenen zu huldigen, und setzte es endlich bei seinem Vater durch, sich unter der Leitung des Hofschauspielers Berndal fiir die Buhnenlaufbahn vorbereiten zu diirfen. i860 trat er sein erstes Engagement am Stadttheater in K6ln an, war dann bis 1862 an verschiedenen Biihnen (u. a. am Rostocker Stadttheater) tatig, kehrte aber darauf zu dem Berufe eines Buchhindlers zuruck, um durch ihn schneller zum Ziele eines geordneten eigenen Hausstandes zu gelangen, und legte bereits im November 1862 in Berlin das damals noch vorgeschriebene Buchhandlerexamen ab. Aber schon 1864 trieb es ihn wieder zur Biihne zu- ruck. Da warf ihn 1865 ein schwerer Gelenkrheumatismus fast dreiviertel Jahr aufs Krankenlager, und da er an der rechten Hand vOllig gelahmt war, begann er nun mit der linken seine Tatigkeit als humoristischer Schriftsteller durch Beitrage fiir die »Fliegenden Blatter* und die Glaflbrennersche »Ber- liner Montags-Zeitung«. 1866 ging Sch. an das Rostocker Stadttheater zuruck, wurde im Oktober nach Stralsund engagiert und empfing dort im Dezember einen Engagementskontrakt an das Meininger Hoftheater. Bereits im Februar 1867 erkrankte er in Meiningen an seinem alten Leiden, er muflte um seine Entlassung einkommen und auf Anraten der Arzte nunmehr der Biihnenlauf-

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Schmidt-Cabanis. Searle.

bahn ganzlich entsagen, Nach Berlin zuriickgekehrt, war er hier erst als Gehilfe in einer Buchhandlung, seit dem Marz 1868 als Mitredakteur der Damenzeitung »Viktoria« tatig und trat Ende 1869 in die Redaktion der Glafibrennerschen »Montagszeitung« ein, die er als Chefredakteur auch nach Glaflbrenners Tode (1876) im Interesse seiner Witwe noch neun Jahre leitete. Nach Verschmelzung des Blattes mit dem »Deutschen Montagsblatt« (1884) beschrankte sich Sch. auf seine Mitarbeit an dem »Ulk«, dem humoristischen Beiblatt zum ^Berliner Tageblatt«, doch iibernahm er nach Sigmund Habers Tode (1895) auch die Chefredaktion desselben und fiihrte sie bis zu seinem Tode. Sch. ist vorwiegend humoristischer Dichter und Novellist; er zeichnet sich durch die Feinheit und Liebenswiirdigkeit seines Witzes aus; selbst seine rein politischen Gedichte entbehren fast niemals der diesem Autor eigenen Grazie. Von seinen Werken seien hier erw&hnt: »Verstimmte Akkorde« (Komische Gedichte 1868), »Was die Spottdrossel pfiff* (Politisch-satirische Zeitgedichte, 1874), »Zoolyrische Ergusse« (Komische Gedichte, 1876), *Auf der Bazillenschau (Satiren, 1885), »Brummstimmen der Zeit« (Humor. Gedichte, 1886), »Pessimistbeetbliiten jungstdeutscher Lyrik« (1887), »Lachende Bilder (Neue Dichtungen, 1892), »Geheimrats-Jettes Poesie-Album« (Sammlung humoristischer Dichtungen aus dem »Ulk«, 1896), »Humoristisch-satirischer Krimskrams aus dem Bazar der Kunst und der Marktbude des Lebens« (1896), »Stechpalmenzweige« (Bewaffnete Friedens- Dichtungen, 1899), »Wechselnde Lichter« (Gesammelte unpolitische Gedichte, 1881), ferner die Humoresken und komischen Novellen »Allerlei Humore« (4 Bdchn., 1872, 3. Aufl. 1890), »Veilchen und Meerrettich« (1875), »Buntes Nichts« (1875), "Die Jungfern- rede« (1883), »Die Frau von Mehreren« (1889), »Nerv6se Humoresken « (1889) und die Lustspiele »Nur aus Liebe« (1870) und »Irren ist menschlich« (1876). PersCnliche Mitteilungen. Adolf Hinrichsen: Das literarische Deutschland, 1891, S. 1 1 73. Wrede und Reinfels: Das geistige Berlin, 1898, S. 473. »Allgemeine Buch- handler-Zeitung«, Jahrg. 1895, S. 260 u. 376. O. G. Flllggen: » Bio graph isches Lexikon der Deutschen BUhne«, 1892, S. 273. Franz Briimmer.

Searle, Richard, Schauspieler, * 1. Dezember i860 in Dresden, + 29. Marz 1903 in D6sen bei Leipzig. S. gehorte eine Reihe von Jahren dem Resi- denztheater in Dresden an und trat am 1. Mai 1890 in den Verband des Leipziger Stadttheaters, wo er viele Jahre hindurch eine der festesten Stutzen des Operetten- Ensembles war und mit Anton Franck und Oskar Bauberger jenes beruhmte Komikertrio bildete, das der Buhne auf diesem Gebiete hohen Ruf verschaffte. Wahrend seiner zehnjahrigen Tatigkeit daselbst ge- lang es ihm, sich als ausgezeichneter Charakterkomiker zu einem der be- liebtesten und popularsten Darsteller emporzuschwingen. Searle verstand es auch aus der unbedeutendsten Rolle noch etwas zu machen und selbst die armseligsten Theaterfiguren mit Leben zu durchdringen, sodafi er iiber die inneren Schwachen manches Stiickes hinwegtauschte. Seine Tatigkeit er- streckte sich nicht nur auf das Gebiet der Operetten, sondern auch des Lust- spiels und der Posse. Besonders wurden seine Moltereschen Figuren als wahr- haft klassische Muster des Stils der franzosischen Komodie genihmt. Seine kunstlerische Tatigkeit wie die zahlreichen gesellschaftlichen Anforderungen, denen er nur zu willig nachgab, zehrten an seinen geistigen und korper-

Searle. Blichel.

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lichen Kraften und eine schwere Erkrankung nervosen Ursprungs rifi ihn mitten aus seinem Wirken. Am 29. April 1900 trat Searle zum letzten Male als Schwefelmann in Kyritz-Pyritz auf ; ein unheilbares Nervenleiden zwang den Kiinstler, seine Biihnentatigkeit einzustellen. In geistiger Umnachtung ver- schied er in einem Alter von kaum 40 Jahren in einer Heilanstalt.

tg\. »Ncuer Theateralmanach*. Berlin 1904. Herausgegeben von der Genossenschaft deutscher Biihnenangehoriger. 15. Jahrg. S. 144/45. »Sachsische Wochenc Zwickau. 1. Jahrg. Nr. 10, 4. April 1903, S. 5 und 2. Jahrg. Nr. io, 11. April 1903, S. 9. >Dresdener Nachrichten«. 4. April 1903. Nr. 94. S. 4. Richard Stiller.

Biichel, Karl Eduard, Kupferstecher, * 22. April 1835 in Eisenberg im Her- zogtum Sachsen-Altenburg, f 25. August 1903 in Dresden. Schon infriihester Jugend fand B. in der Werkstatt seines Vaters, der ein Geschaft fur Bronze- und Neusilberarbeiten betrieb, Gelegenheit, den Stichel und die Nadel bei der Ornamentierung einzelner Arbeiten zu handhaben. Im Jahre 185 1 bezog er die Kunstakademie in Dresden und kam nach Absolvierung des Klassen- unterrichts im Jahre 1854 als Schiiler in das Atelier Moritz Steinlas. Ein Stich nach Schnorrs v. Carolsfeld Christus mit der Samariterin am Baum er- wies zuerst seine Begabung fiir den besonders das Zeichnerische betonenden Kartonstich. Die in dieser Manier ausgefuhrte Gruppe der »Musik« nach dem Gemalde Ed. Bendemanns im kgl. Schlofi in Dresden, ein Blatt vom Jahre 1855, zeigte dagegen schon eine Zunahme der Ausdrucksmittel. Nach Steinlas Tode 1858 erbte er dessen kiinstlerischen Nachlafl und widmete sich dem auf der Tradition des 18. Jahrhunderts bauenden Linienstich, in dem er mit wachsender Sicherheit in der Beherrschung des Grabstichels immer mehr sein Talent im getreuen Nachschaffen entfaltete und in der trefflichen Modellierung der Gestalten, in meisterhafter Wiedergabe des Ausdrucks, be- sonders aber in der Farbigkeit und malerischen Wirkung wenige seinesgleichen hatte. Seine ersten selbstandigen Blatter waren die Briider nach Chr. Seb. Vogel und Murillos heiliger Rodriguez in der Dresdener Gemaldegalerie. Es folgten Tizians »Madonna mit der ein Opfer bringenden Venetianerin« und Franceschinis »Magdalena von Frauen umgeben» ebendaselbst, sowie Heinrich Hoffmanns »Othello und Desdemona« (in MUnchener Privatbesitz). Nach mehreren Jahren, in denen er sich mit Zeichnen und Malen in Ol- und Wasserfarben beschaftigte, griff er von 1874 75 wieder zum Stichel um Boltraffinos Madonna in der Nationalgalerie in Pest fur die Gesellschaft fiir vervielfaltigende Kunst auszufuhren und unterzog in den folgenden Jahren Steinlas Stich der Sixtinischen Madonna vom Jahre 1848, um die abgenutzte alte Platte wieder brauchbar zu machen, einer durchgreifenden und vorziig- lich gelungenen Uberarbeitung. Nach einem kurzen Aufenthalt in I tali en erhielt er von der genannten Wiener Gesellschaft den Auftrag, Hans Holbeins Bildnis der Lady Seymour in der kaiserlichen Galerie in Wien zu reprodu- zieren, in dem er sich dem Geschmack Holbeins willig unterordnete ohne andrerseits in sklavischer Nachahmung aufzugehen. Es wurde eins seiner besten Blatter. Von anderen Arbeiten sind zu nennen das »Madchen in altdeutscher Tracht« nach Fr. A. Kaulbach, »Ein Grufi aus der Welt« nach G. A. Kuntz, »Christus im Tempel« nach Hofmann, das Mignonk5pfchen nach P. Kiefiling, das brieflesende Madchen nach K. Bantzer (Radierung fiir

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Btichel. Loose.

die Dresdner Kunstvereinsmappe) und die Madonna nach Anselm Feuerbach (in der Dresdner Galerie). »B.s Zeichnung ist im hftchsten Mafle sorgfaltig und gewissenhaft, ohne £ngstlich zu sein, und seine Stichmanier zeichnet sich gleichermaflen durch grofie Kraft in den Tiefen wie durch Zartheit in den Lichtern aus. Wie er das Fleisch charaktervoll zu modellieren weifi, so steht

ihm fur die Bezeichnung der Stoffe und Farbe eine nicht gew6hnliche

Vielseitigkeit in der Behandlung dqr Taillen (Lagen) zu Gebote.« (»Kupfer- stiche nach Werken neuerer Meister in der kgl. GemSldegalerie zu Dresden.* Bibgraphischer Text von Wilhelm Roflmann. Erste Lieferung S. 20.) B. war eine vornehme, bescheidene und liebenswiirdige Kiinstlematur und erkannte bereitwillig die Verdienste anderer Kiinstler an, mochten sie in ihrer Weise auch noch so sehr von seiner alteren Manier abweichen. Seine Blatter fanden den Beifall des Publikums und verbreiteten seinen kiinstlerischen Ruf in den Kreisen der Fachgenossen. Als Professor und Ehrenmitglied der Akademie der bildenden Kunste verschied er pl6tzlich am Herzschlag im 69. Lebens- jahre.

Vgl. H. A. Mtiller, »Allgem. Kunstlerlexikon* hgg. von Singer. »Kunstchronik.« Leipzig 1902/1903. Neue Folge. XIV. Jahrg. Nr. 33. S. 538. »Die Kunste Mttnchen 1903. V. Jahrg. Heft 1. S. 26. »Jahrbuch der bildenden Kunst.c Dtisseldorf 1904. 3. Jahrg. S. 100. Nekrolog. >Die Dresdner Gesellschaft« I. Jahrg. 30. December 1903 Nr. 15 S. 6f. »Dresdner Rundschau. c VI. Jahrg. 27. Marz 1897. ^r« *3 S. 1 u. 2. »Dresdner Anzeiger.« 173. Jahrg. Nr. 237. 27. Aug. 1903. Richard Stiller.

Loose, Karl Wilhelm, Direktor der Realschule und des Progymnasiums zu Meissen, Geschichtsforscher, * am 14. Oktober 1839 in Chemnitz, f am 29. April 1903 in Meifien. L. wurde als Sohn eines strebsamen Schmiedemeisters, der sich aus kleinen Verhaltnissen zu einem gewissen Wohlstand emporzuarbeiten verstand, in Chemnitz geboren. Nachdem er die Volks- und Biirgerschule seiner Vaterstadt besucht hatte, bezog er zu Mi- chaelis 1854 das Gymnasium zu Freiberg i. S., an dem er zu Michaelis i860 die Reifepriifung bestand. Hierauf wandte er sich nach Leipzig, um Theo- logie zu studieren. Indessen hatte er nur wenig Neigung fur den geistlichen Beruf. Ihn zog es mit Macht zu der Beschaftigung mit der Geschichte, in welcher Neigung er durch die Vorlesungen des jugendlichen Treitschke noch mehr bestarkt wurde. Am Schlufl des Sommersemesters 1864 legte er das erste theologische Examen ab und iibernahm dann eine Hauslehrerstelle in der Familie des Salineninspektors Glenck in Schweizerhalle bei Basel. Die Verhaltnisse, in die er eintrat, waren die angenehmsten. Er hatte anregenden Verkehr und fand Gelegenheit, verschiedene Reisen in die Schweiz zu machen. Noch ehe er sein zweites theologisches Examen in Leipzig bestanden hatte, erhielt er im Jahre 1867 eine Lehrerstelle an dem Privatinstitut des Doktor Pietzsch in Blasewitz bei Dresden. Er gab nunmehr den Gedanken, Geist- licher zu werden, ganz auf und trat im Jahre 1868 in das Institut des Direktor B6hme ein, dessen wissenschaftliche Leitung ihm nach einiger Zeit iibertragen wurde. Zu Michaelis 1874 wurde er von dem sachsischen Kultus- ministerium an das Gymnasium zu Zittau berufen. Zu seinem Bedauern war seines Bleibens in dem ihm rasch lieb gewordenen Zittau nicht lange. Er wurde schon zu Ostern 1876 an das Realgymnasium zu DObeln versetzt, wo

Loose. Bernstein.

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er nicht recht heimisch zu werden vermochte. Mit um so grofieren Genug- tuungen begriifit er seine Beforderung zum Direktor der Realschule und des Progymnasiums in Meissen, wohin er im Friihjahre 1879 iibersiedelte. Es war ihm beschieden, zwanzig Jahre lang die ihm anvertraute Anstalt zu leiten, bis ihn ein unheilbares Blasenleiden zu Anfang des Jahres 1902 zwang, am seine Pensionierung einzukommen. Er erhielt bei seinem Rucktritt das Ritterkreuz 1. Klasse des Albrechtsordens. Bald darauf starb er am 29. April 1903. Mehr wie der Lehrerberuf zogen L. die historischen Studien an, fur die er sich schon seit seiner Freiberger Zeit auf das lebhafteste inter- essierte. Hand in Hand mit ihnen gingen die germanistischen Studien, unter denen die zu Hans Sachs am eifrigsten getrieben wurden.

Durch seine Doktorarbeit, welche das Leben der Abtissin Charitas Pirk- heimer behandelte, war L. namlich in Beziehung zu Niirnberg getreten und interessierte sich nun fur alles, was mit der Geschichte und dem Geistes- leben dieser alten Reichsstadt zusammenhing. Dazu kam die enge Freund- schaft, die ihn mit dem Nurnberger Studienrektor und Stadtarchivar Georg Wolfgang Lochner verband, und die bis zu dem Tode dieses hervorragenden Nurnberger Lokalhistorikers wahrte. L. kam damals jedes Jahr nach Niirn- berg und wurde durch seine eigenen Arbeiten immer vertrauter mit dortigen Verhaltnissen. Auch .brachte er eine nicht unbedeutende Sammlung von Norica zusammen, die er testamentarisch der konigl. offentlichen Bibliothek in Dresden vermachte. Seit seiner Ubersiedelung nach Meifien widmete er sich mehr und mehr ausschliefilich der dortigen Lokalgeschichte. Er ordnete das Meiflner Stadtarchiv und begriindete den »Verein fiir Geschichte der Stadt Meifien«, dessen wissenschaftlich auf hoher Stufe stehende »Mitteilungen« er redigierte. Dem im Friihjahr 1896 begriindeten Meifiener Dombauverein trat er von vornherein als Vorstandsmitglied bei. Seiner Initiative verdanken die Meifiener ferner die Erneuerung der Kreuzgange im Franziskanerkloster und die einleitenden Schritte zur Begriindung eines stadtischen Museums, dessen ErGffnung im Oktober 1901 er krankheitshalber nicht mehr beiwohnen konnte. Ein Verzeichnis seiner 77 Nummern umfassenden Schriften ver- Sffentlichte Alfred Leicht in seinem Nekrolog L.s.

Alfred Leicht in den »Mitteilungen des Verein ftir Geschichte der Stadt Meifien*. Meifien. 1903. 8°. Bd. VI, S. 324 348. A. Pandler in den »Mitteilungen des Nord- bohmischen Exkursionsklub«. 26. Jahrg. Leipa 1903. S. 278, 280. P. Markus im •Neuen Archiv fUr Sachsische Geschichts- und Altertumskunde*. Dresden 1903. Bd. 24, S. 3*4— 3*7- H. A. Lier.

Bernstein, Hugo, Buchdrucker und Verlagsbuchhandler, * 13. Dezember 1857 in Berlin, f 2. Juni 1903 ebenda. B.s Vater war einst als ein- facher Buchdruckergehilfe in Berlin eingewandert, hatte aber durch Fleifi und Strebsamkeit ein im kleinsten begonnenes Geschaft zur Blute gebracht. Hugo B. erlernte die Kunst Gutenbergs im vSterlichen Geschaft und ging dann auf die Wanderschaft nach in- und ausl&ndischen Druckereien. 1878 trat er als Prokurist (bald nachher als Teilhaber, und nach des Vaters Tode, 1887, a's alleiniger Besitzer) in das Geschaft ein, das er ganz nach neuzeitlichen Prinzipien umgestaltete.

2o6 Bernstein. Ackermann.

Dem Buchhandel trat B. durch Ankauf der 1808 zu Berlin begriindeten Ferd. Diimmlerschen Verlagsbuchhandlung, sowie durch den Erwerb der seit 1846 bestehenden Firma Gustav Hempel welche beiden Geschafte er ver- einigte naher. Hier betatigte sich B. nach den verschiedensten Rich- tungen; seiner besonderen Neigung folgend, pflegte er aber vor allem den Verlag von Werken zur Forderung der ethischen Kulturbewegung, und ebenso fand die Frauenfrage in ihm einen eifrigen FOrderer. So rief B. 1900 das bekannte Sammelorgan »Die Frauenbewegung« (redig. von Dr. Anita Augs- purg) ins Leben. Bei der Firma Diimmler wurden Philologie und Natur- wissenschaften nach wie vor nicht vernachlassigt.

Neben dieser umfangreichen geschaftlichen Tatigkeit war es B. ein Lebensbedurfnis, an alien Bestrebungen zur L6sung der sozialen und wirt- schaftlichen Aufgaben, insbesondere im Buchdruckgewerbe, sich zu beteiligen. In ganz hervorragender Weise und mit seltener Liebe zur Sache hat er teil- genommen an der Errichtung der Buchdrucker-Tariforganisation, an der Bearbeitung des Tarifs und an der Durchfiihrung desselben. Daneben hat er eine umfassende Wirksamkeit entfaltet im Deutschen Buchdrucker-Verein, der Deutschen Buchdrucker-Berufsgenossenschait und im Bunde der Berliner Buchdruckereibesitzer. Auch als Handel srichter war B. lange Jahre tatig.

Quellen: Schmidt, Deutsche Buchh&ndler, III. Band; Korporationsbericht der Berliner Buchhandler pro 1903; Zeitschrift fUr Deutschlands Buchdmcker 1903 Nr. 23.

Rudolf Schmidt.

Ackermann, Friedr. Adolf, Kunstverleger, * 1833 in Schwerin, f 5. Sep- tember 1903 in Miinchen. A. genofi eine humanistische Schulbildung, die er jedoch sehr friihzeitig unterbrach, um den Buchhandel zu erlernen. Nach seiner in Celle verbrachten Lehrzeit ging er als Gehilfe nach Neubranden- burg, wo er in Beziehungen zu Fritz Reuter trat. Langere Jahre in Wien und Berlin tatig, trat A. 1862 als Geschaftsfiihrer in die 1806 gegriindete Miinchener Buchhandlung von E. A. Fleischmann und erwarb das Geschaft zehn Jahre spater als alleiniges Eigentum, von nun ab unter eigenem Namen Adolf A. firmierend. Seit 1874 widmete sich A. aufs eifrigste dem Kunst- verlage, den er namentlich auf dem Gebiete der Prachtwerkliteratur in neue Bahnen gelenkt hat. In grofierem Umfange fiihrte er zum erstenmal den Mattlichtdruck ein, was auf die Preisstellung nicht ohne Einflufi blieb. Eigen- artigkeit und Billigkeit seiner Prachtwerke, von denen wohl die Bildmappe Hofmanns »Gedenke mein« iiber 25 starke Auflagen erlebt hat, sicherten seinem Unternehmen eine kaum geahnte Verbreitung. Mehr als 700 Einzel- nummern wertvoller Kupferdrucke umfaflt sein Verlag. Selbst ein Kunstver- standiger und scharfer Kunstkritiker, hatte er im Laufe der Jahre eine mafl- gebende Stellung im Kunstleben der bayerischen Hauptstadt erlangt. Nach seinen eigenen Angaben hat er an i1/* Millionen Mark unter die Kiinstler gebracht und in seinen Kunstsalon, der stets mit wertvollen Originalen beschickt war, einen kiinstlerischen Mittelpunkt zu stempeln gewuflt.

Eine vdllige Neuheit auf dem Kunstmarkt war sein Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts begriindetes Postkartenhaus, durch das er mehrere tausend Nummern von Reproduktionen beriihmter Gemilde in

Ackermann, RUckauf. 2Q7

feinstem Kupfer-, Licht- und Aquarelldruck mit bedeutendem Erfolg auf den Markt brachte*

A. hat sich audi als Schriftsteller mit Erfolg versucht. Neben seiner ausgezeichneten Monographic liber den Kunsthandel hat A. cine Reihe von Novellen und Erz&hlungen aus dem Kiinstlerleben verfaBt.

Oberdies ist A. als der bedeutendste Vorkampfer flir die zwischen dem Deutschen Reich and der nordamerikanischen Union abgeschlossene Literar- konvention zu nennen und ihm ist auch der Anstofi zu dem 1S91 in New York begriindeten buchhandlcrischen Zentralbureau zuzuschreiben*

QuelleiK Schmidt, Deutsche Buchhandler, I. Band, Rudolf Schmidt.

Ruckauf, Anton, Komponist, * 13. Marz 1855 zu Prag, f 19, September 1903 auf Schlofl Erlaa bei Atzgersdorf (Niederosterreich). Schon in fruher Jugend wandte sich R. der Musik zu. Mit zwOlf jalircn begann er die ent- sprerhenden Studiun; lemte Klavier im Institute des beruhmten Padagogen Proksch in Prag, speziell bei dessen Tochter Marie. An der Orgelschule, miter Skuhersky und Blazek, bildete er sich in den theoretischen Fachern und im Orgelspiel, Bald zeigten sich Fruchte seines Talentes, seines FleiOes. Lieder, Klavierstiicke entstanden, auch eine Cellosonate, die in Prag zur Auf* fuhrung gelangte. 1875 verlor R. seine Mutter 1878 ubersiedelte er nach Wien, wo c*r seines vortrefflichen Klavierspiels wegen bald gesucht wurde. Auch kam er in die adligen Kreise der Auersperg, FUrstenberg, Kinsky, Schwarzenberg, Waldstein, zu denen er als Lehrer bereits in Prag in Be- ziehungen getreten war. Auf Brahms Rat studiertc er in Wien griindlich Kontrapunkt bei Nottebohin und Dr. Navratil, Klavier bei Leschetitzky (1885). Sehr bald nach seiner Obersiedelung nach Wien war er mit Gustav Walter, dem beruhmten Tenoristen, bekannt geworden, der sich ihn als Begleiter er- wahlte. 18S2 1884 machten die beiden langere Kunstreisen nach Deutsch- land. Diese Reisen, bei denen Walter mit Vorliebe Lieder seines Akkom- pagnatcurs sang, mogen auch die Wirkung gehabt haben, dafl deutsche Verleger auf den jungen Komponisten aufmerksam wurden. Von 1883 an erschienen alle Werke R,s in Deutschland.

Urn sich in Wien einmal in aller Form der Offentlichkeit vorzustellen, gab R. am 2. April 1883 ein Konipositionskonzert, mit welchem er entschie- denen Erfolg hatte*

Von da an bekam R,s Tatigkeit eine ganz bestimmte Richtung. Durch Walter zur Liedcrkomposition angeregt, verlegte er sich mit Gliick auf die Lyrik, in der praktischen Musikubung namentlich auf das Akkompagnement hervorragender Gesangskunsder in ihren Konzerten+ Nebenbei gab er Lek- tinnen, in seinen letzteren Lebensjahren namentlich im Gesang, Reiche Er- fahrung und feinster Geschmack befahigten ihn, gerade auf diesem von zahl- losen Halb- und Nichtswissern so schlecht bestelken Boden sehr giinstige Resultate zu erzielen,

Hatte er sich als Schaffender in erster Linie als lyrischer Meister betatigt, so pflegte er wiewoh) in zweiter Linie auch die Kom position von Chorwerken {deren eines, das 1890 in Wien aufgefiihrtc slavtsche Liederspiel, ganz entzuckende Stucke enthaft), von Kammermusikstucken, vemichte sich

298 ROckauf. Giese.

in den Jahren 1888 und 1889 an zwei unseres Wissens unvollendet geblie- benen Symphonien und trat einmal auch mit einer Oper seinem Schmerzens- kinde hervor. Dies Werk, »Die Rosentalerin«, wurde unter des genialen Dirigenten v. Schuchs Leitung erstmalig auf der Buhne der Dresdener k6nig- lichen Oper am 8. Mai 1897 und am 12. Januar 1899 in Straflburg aufgefuhrt, Weitere Verbreitung war der Oper nicht beschieden. Das Fehlschlagen aller auf den Erfolg der Oper gegriindeten Hoffnungen liefl eine tiefe Verstimmung in dem madchenhaft sensiblen R. zuriick, die ihn wohl bis an sein allzu friihes Grab begleitete. Zwei Jahre schweren Leidens erschopften vollends seine Kraft. Auf dem Schlosse Erlaa des Herzogs Elimar v. Oldenburg schloB er die Augen, bis zu seinem Tode treu behutet von seinen ihn verehrenden Freunden, Schiilern und Schiilerinnen.

Eine offentliche Stellung hat R. nur einmal bekleidet. Er war vom 5. Oktober 1899 bis etwa zwei Jahre vor seinem Tode Dirigent des »Evan- gelischen Singvereins« in Wien, in welcher Eigenschaft er sich als tempera- mentvoller, geschickter Kapellmeister erwies und den Verein ungemein forderte. Die grofien Wiener Institute haben ihn aber weder als Dirigenten noch als Lehrer zu finden gewufit.

In seinen Liedern, die R. weithin bekannt machten, verbindet sich sch5ne Begabung mit eminenter Technik. In die Tiefen gewaltiger Leidenschaft steigt er eben so selten hinab, wie er sich zu echter Heiterkeit erhebt. t)berall aber erfreut sein inniges, poetisches Wesen, seine vornehme, allem Gewohn- lichen abgewandte Natur. Genaueste Kenntnis der Gesangskunst ermdglichte ihm sanglich zu schreiben, seine Meisterschaft auf dem Klaviere bef£higte ihn, auch den Begleitungspart interessant und charakteristisch zu gestalten. R. ist daher ein vielgesungener, beliebter Komponist geworden. Seine person- liche Ehrenhaftigkeit und Noblesse sichern ihm die Verehrung aller, die ihn kannten.

VVerke: Lieder u. Gesange op. 1, 2, 3, 6, 9, 12, 14, 15, 16, 17, 18, 21, 22, 23, 24, 25, 26, 27. Duette op. 11, »Russ. Volkspoesienc f. gem. Ch. op. 8. Lieder f. gem. Ch. op. 19. Pralud. f. Klav. op. 4, 6 StUcke f. Kl. op. 6, »Tanzweisen« flir Klav. vierhandig, Sonate f. VI. u. Kl. op. 7, Klavier-Quintett op. 13. (Nach Mitteilungen Frl. Anna Pessiaks, Frau Anna Praschs und eigenen Notizen.) R. Heuberger.

Giese, Ernst Friedrich, Architekt, * 16. April 1832 in Bautzen, f 12. Okto- ber 1903 in Charlottenburg. Er erhielt seine Schulbildung auf dem Gym- nasium seiner Vaterstadt und besuchte darauf die damalige Polytechnische Schule in Dresden, die er mit der Auszeichnung der silbernen Medaille ver- liefi, sodann von 1851 bis 1855 die Konigliche Akademie der bildenden Kiinste in Dresden, wo er Schiiler Nikolais war. 1855 erhielt er das grofie Reisestipendium. Nach seiner Riickkehr aus Italien im Jahre 1858 verband er sich mit dem Architekten Bernhard Schreiber. Bei dem Preisausschreiben zurFesthalle des ersten deutschen Sangerbundesfestes in Dresden im Jahre 1865 erhielt G.s Entwurf infolge seiner kiinstlerischen, dekorativen Form, der des Baumeisters Eduard Muller um seiner konstruktiven Vorzuge willen den ersten Preis. Nach erneuter Bearbeitung beider Plane, die gemeinsam zur Anwen- dung kommen sollten, erhielt G. die auflere und innere Ausschmuckung der Festhalle, fur die Muller eine ganz neue Konstruktion erfunden hatte, iiber-

Giese. Friedlaender.

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tragen. Die schwungvolle Belebung der starren Masse eines iiber 80 Ellen weit gespannten Mittelschiffes fand damals die hSchste Anerkennung. Im Jahre 1866 wurde er als Professor der Architektur an die Akademie in Diissel- dorf berufen. Zwei Jahre spater erhielt er einen Ruf an die Akademie in Wien, den er aber ablehnte. Im Jahre 1872 kehrte er nach Dresden zuriick und entfaltete hier mit dem Architekten Friedrich Hartmann eine lebhafte Bautatigkeit. 1874 trat Baurat Paul Weidner in die Baufirma ein, die von da an die Namen E. Giese u. Paul Weidner fiihrte. Ihre T&tigkeit war sehr fruchtbar und hatte sich grofier Erfolge und Ehren bei vielen bedeutenden Wettbewerben, bei denen sie oft den Sieg errangen, zu erfreuen. Sie bauten das Rathaus in Hamburg 1876, das Reichstagshaus in Berlin 1882, das Reichs- gericht in Leipzig 1885, das Ausstellungsgeb&ude in Dresden 1888. Im Jahre 1888 erhielten Giese und Weidner den ersten Preis bei dem Wettbewerb urn den Hauptbahnhof in Dresden und damit zugleich den Auftrag der Aus- fuhrung. G. baute ferner das Stadttheater (1873) unc* die Kunsthalle (1878) in Dusseldorf, mit Weidner zusammen die Martin Lutherkirche (1882) in Dresden, das Gewandhaus in Bautzen und ein Bankhaus in Zittau nebst vielen Wohnhausern und Villen. Die technische Hochschule in Dresden berief G. im Jahre 1878 als Professor der Architektur, in welcher Stellung er bis 1901 verblieb. 1892 wurde er zum ordentlichen Mitgliede der Akademie des Bauwesens in Berlin ernannt. Inzwischen I6ste sich die Firma Giese und Weidner am 1. Januar 1891 auf und Ernst Giese griindete mit seinem Sohne Fritz Giese eine neue Firma E. Giese und Sohn. Auch diese hat zahlreiche wichtige Bauten ausgefuhrt, wie die Lukaskirche und die Pfarrkirche in Chemnitz, die Kirche in Quaditz, sechs grofie Zigarrettenfabriken in Dresden. Indessen mufite G. noch in hohem Alter die Harte des Schicksals erfahren. Infolge schwerer geschaftlicher Verluste, hauptsachlich hervorgerufen durch seine Beteiligung an verschiedenen grofien Bau- und Immobilienbanken als Aufsichtsrat und durch den Zusammenbruch des Etablissements Krystallpalast, erkrankte G. Er liefi sich am 1. Juli 1901 pensionieren und zog nach Charlottenburg, wo er 1903 starb. G. geh5rte jener Richtung an, die mit Ferstel in Wien begann, auf die Renaissance, auf Brunellesco und Bramante zuriickgeht. Er war ein hervorragender Vertreter des Dresdner Renaissancestils, wie er durch Semper und Nikolai dort heimisch geworden war.

Vgl. H. A. Mtiller, »Allgem. Ktinstlerlexikon«, hgg. von Singer. »Das geistige Deutscbland am Ende des XIX. Jahrhunderts.«c Leipzig-Berlin 1898. 1. Bd. Die bildenden Ktinstler. »Jahrbuch der bildenden Kunst« DUsseldorf 1904. 3. Jahrg. S. 101. Nekrolog. »Dresdner Anzeiger.« 174. Jabrg. Nr. 285. 14. Oktober 1903. S. 7 u. 29. >Sachsens tecbnische Hochschule in Dresden.* Siebzig Jahre ibrer Entwicklung (1. Mai 1828 bis i.Mai 1898) auf Grund bandschriftlicher und gedruckter amtlicber Quellen. Dargestellt von Wilhelm Scbeffler. Zweite (durcbgesehene), im Bildwerk veimebrte (Buch-)Ausgabe. Dresden 1899. »IUustrierte Zeitung.« Leipzig, 22. Juli 1865. XLV. Bd. Nr. 1151. S. 58 und 69. Richard Stiller.

Friedlaender, Ernst, * 28. August 1841 zu Berlin, f 1. Januar 1903 ebenda, entstammte einer Familie, die, seitdem der noch heute bekannte Berliner Stadtrat und Freund von Moses Mendelssohn, David Friedlaender, in der Stadt- wie in der Staatsverwaltung Einflufl gewonnen hatte, eine angesehene Stellung

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Friedlaender.

in der Berliner Gesellschaft einnahm. F. hat die Traditionen seiner Familie stets hochgehalten, besonders aber waren es die fur den Vater Gottlieb (siehe Allg. Deutsch. Biogr. Bd. 48) charakteristischen Ziige einer ausgepr&gt christ- lichen und politisch konservativen Gesinnung, sowie einer antiquarisch-histo- rischen Neigung, die fur das Leben des Sohnes maflgebend wurden. Seine Vorbildung erhielt er auf dem Franz&sischen Gymnasium in Berlin und studierte in Heidelberg und Berlin Jurisprudenz, womit er indessen von Anfang an historische Studien bei Haeufier, Ranke, Droysen und Wattenbach verband. Namentlich Wattenbachs palSographische Ubungen, fiir die er auch als Zeichner Sinn hatte, zogen ihn an. Noch vor dem eigentlichen Abschlufi der Univer- sitatsstudien trat er auf Veranlassung und nach dem Beispiel des Vaters in den preufiischen Archivdienst und wurde seit dem Januar 1866 als Archiv- assistent in Munster beschaftigt. Hier hat R. Wilmans auf ihn nachdem er als Landwehrleutnant im 1. Westfalischen Infanterieregiment Nr. 13 den Mainfeldzug mitgemacht hatte sowohl in archivalisch-technischer wie in wissenschaftlicher Hinsicht einen gewissen Einflufi gewonnen. In selbstloser innerlicher Bescheidenheit sowie in unbefangener Wiirdigung der ihm eigen- tiimlichen Begabung strebte er nicht nach dem Ruhm des darstellenden Schriftstellers und suchte er seine Tatigkeit nicht auf dem eigentlichen Ge- biete der Historie, zumal nicht auf dem Gebiet der politischen Historie, sondern beschaftigte sich mit Vorliebe mit den historischen Hilfswissen- schaften, der Diplomatik, Heraldik und Sphragistik, fiir die ihn auch sein kiinstlerisch geschultes Auge befahigte. Er suchte namentlich aber durch Herausgabe derjenigen schriftlichen Denkmale der Vergangenheit der Wissen- schaft zu dienen, von denen er teils durch seine amtliche Tatigkeit, teils durch andere aufiere Umst&nde Kenntnis erhielt, und von denen er nach seinen ausgebreiteten literarischen Kenntnissen annehmen durfte, dafl weitere Bearbeitungen ihnen trotz seiner meist nur kurzen einleitenden Bemerkungen den Platz anweisen wurden, an dem sie als Bausteine dem Ganzen dienen kdnnten. Dies geschah auch bei einem sehr grofien Teil seiner Ver5ffent- lichungen, und damit war die Richtigkeit seines Urteils iiber ihren Wert bestatigt. Zu diesen Verftffentlichungen aber war er durch die ihm eigene Sicherheit im Entziffern alter Handschriften , seine guten Sprachkenntnisse, sowie durch die unbedingte Zuverl&ssigkeit, die gewissenhafte Genauigkeit und treue Sorgfalt, mit der er jedem sachlichen und sprachlichen Zweifel unermudlich bis zur LOsung nachging, ungewdhnlich befShigt. Diese Grund- ziige seines Charakters traten wie im Leben iiberhaupt so auch im Geistigen, in seiner wissenschaftlichen wie amtlichen Tatigkeit leuchtend hervor. Seine vielseitigen, immer mehr antiquarischen als historischen, sowie seine amtlichen Interessen brachten es dabei ohne besondere Absicht mit sich, dafl seine Arbeiten die verschiedenartigsten Gebiete betrafen, die mittelalterliche deutsche Rechtsgeschichte, Kirchengeschichte, Kunst- insbesondere Musikgeschichte, westfalische und rheinische Geschichte, ostfriesische, allgemeine preuflische Geschichte, und ein Gebiet auf dem er vornehmlich zu Hause war die Topographic Schon die erste Schrift tiber das Einlager, mit der er imjahre 1868 zu Rostock promoviert wurde, zeigt F.s Eigenart sowohl in der Wahl des Stoffes wie in der Behandlung. Mit glucklichem Griff hatte er ein Gebiet bearbeitet, das damals noch etwas abseits vom Wege lag und hatte dafur

Friedlaender.

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ein erstaunlich grofies gedrucktes wie ungedrucktes Material aus alien Landern deutscher wie auch etlicher franzosischer Zunge zusammengebracht und zum grofien Teile abgedruckt, das der Schrift auch heute noch ihre Bedeutung sichert. Nach mehr als einer Richtung hin entsprach es seinen Neigungen, daB er der Erstlingsschrift schon 1870 die Herausgabe der von R. Wilmans aufgefundenen Kirchenordnung der Graischaft Tecklenburg von 1543 folgen lassen durfte. Doch wurde die Vorbereitung weiterer Arbeiten zunachst durch den Feldzug von 1870/71 unterbrochen, bei dem er das Ungluck hatte, wegen eines hartnackigen Fufliibels zum Adjutantendienst bei der Etappe Trier kommandiert zu werden. Ein anstrengender Bureaudienst, spSter beim Ersatzbataillon in Wesel, entschadigte den pflichteifrigen preuflischen Offizier nicht fur den Kummer, die Gefahren der Kameraden nicht teilen zu durfen. Heimgekehrt widmete er sich der von ihm schon in die Wege ge- leiteten weiteren Arbeit und gab dem Wilmansschen Plan einer vollst&ndigen Herausgabe aller Traditionsguter und Heberegister der Provinz Westfalen die erste Gestaltung durch Herausgabe des Heberegisters des Klosters Frecken- horst nebst Stiftungsurkunde, Pfriindeordnung und Hofrecht (1872). Die mittelalterliche Geographic eines groflen Teils von Westfalen erhielt dadurch ihr Fundament und der Forschung fur die gesellschaftlichen Zustande und die landliche Bewirtschaftung jener Zeit und Gegend wurde reiches und wichtiges Material zugefiihrt. Ebenfalls schon vor dem Kriege hatte er begonnen, Haus- marken zu sammeln, er konnte auf besondere Anregung Homey ers noch im Herbst 1871 eine Sammlung von 600 westfalischen (»Zeitschr. f. vaterl. Gesch. Westfalens*, Bd. 30) und schon im Jahre darauf eine solche von 1600 ost- friesischen Hausmarken (»Jb. d. Ges. f. bild. Kunst zu Emden«, Heft 2) heraus- geben. Das war ganz eine Arbeit nach seinem Sinn, es war aber zugleich ein »bemerkenswertes Zeichen geschickten und sachkundigen Sammeleifers«, das den Boden der Forschung erheblich erweiterte. Daneben fand er noch Zeit, sich mit einem, seinem Arbeitsgebiet fern liegenden Gegenstand zu be- schaftigen und in der »Zeitschr. f. preufi. Geschichte« (jahrg. 12) eine akten- maflige Darstellung der Geschichte derjenigen Trappisten zu ver6ffentlichen, die nach der Vertreibung aus Frankreich durch die Revolution erst nach der Schweiz gefliichtet waren und dann im Miinsterlande ein Asyl gefunden hat ten, aber auch aus diesem durch Jer6me vertrieben waren, deren Reste indessen noch bis zum Jahre 1824 der preuflischen Regierung manche Schwierigkeiten machten.

Seit dem 1. April 1872 als erster preuflischer Archivbeamter, und zwar als kommissarischer Vorstand, an das in Aurich neu errichtete Staatsarchiv versetzt, begaim er eine neue Periode seiner archivalischen Amts- und seiner Editionstatigkeit. Die Hauptbestandteile des Archivs brachte er erst zusammen und ordnete sie, so daB er als der eigentliche Griinder des Archivs in Aurich betrachtet wird. Neben einer sehr groflen Zahl kleinerer Aufsatze meist kultur- geschichtlichen Inhalts im »Ostfriesischen Monatsblatt« und in der »Zeitschr. f. Kulturgesch.« veroffentlichte er aus den Best&nden des Auricher Archivs Briefe des Aggaeus de Albada aus den Jahren 157Q 1584 (Leeuwarden 187 1), eines schw&rmerischen Anhangers Schwenkfelds, der auf dem, fur die Trennung der evangelischen von den katholischen Provinzen der Niederlande bedeutungs- vollen Kolner Pazifikationskongrefi von 1579 als Wortfuhrer der staatischen

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Friedlaender.

Gesandten die Hauptrolle spielte. Die Bedeutung und den historischen Zu- sammenhang dieser Briefe hat Max Lossen naher (Theol. Litbl. 1875 und Raumers Taschenb. 1876) erlSutert. Vor allem aber begann er hier die umfassende Publikation des Ostfriesischen Urkundenbuchs, in dem er von 1874 1887 in zwei Banden mehr als 1800 Urkunden aus der Zeit von 787 bis 1500 verdffentlichte, durch die er eine wissenschaftliche Bearbeitung der ebenso reichen wie eigentiimlichen mittelalterlichen Geschichte Ostfrieslands uberhaupt erst ermoglichte und sich dadurch ein hohes bleibendes Verdienst erwarb, das friesische Geschichtsvereine in Deutschland und Holland durch Verleihung der Ehrenmitgliedschaft gebiihrend anerkannten.

Diesem ihn nach jeder Richtung hin voll befriedigenden und gliicklichen Leben wurde er schon im Oktober 1874 durch seine Berufung an das Ge- heime Staatsarchiv in Berlin entzogen. Hier aber fand er nun den Ort, wo er durch seine allmalig erworbene genaue und grundliche Kenntnis der Archivalien bei der immer zunehmenden Zahl der Benutzer jene unbegrenzte und unermudliche liebenswiirdige Dienstbereitschaft und Gefalligkeit ausuben konnte, die dem ihm als Grundsatz fiir den Beruf des Archivars geltenden Wort Aliis inservimdo consumor entsprach, die aber ihreh Ursprung recht eigentlich in seinem, auch hierin religifts empfindenden Herzen hatte. Durch sie erwarb er sich den Anspruch auf Dankbarkeit der weitesten Kreise, von den Koryphaen der Wissenschaft und des Generalstabes bis zu dem jungen Studenten, der Material fiir seine Dissertation suchte. Den friiher bearbeiteten Gebieten wurde er zwar keineswegs fremd, vielmehr fand er neben der um- fassenden Tatigkeit fiir das Ostfriesische Urkundenbuch noch Zeit namentlich mehrfach urkundliche Beitrage zur Geschichte Rheinlands und Westfalens (Picks, »Monatsschriftf. rhein. und westf. Gesch.«I, II,VII,»Zeitschr.d.Bergischen Gesch.-Ver.« Jahrg. 32) herauszugeben. Doch dehnte er jetzt in naturlichem Anschlufi an die Berliner Archivalien sein Arbeitsgebiet auch aus auf neuere preufiische Geschichte, fiir die er friiher nur mehr gelegentlich (Berliner Gar- nison-Chronik fiir die Jahre 1727 39, Heft 9 der »Schriften des Berl. Gesch.-Ver.« 1873) hatte tatig sein k5nnen. Indessen nennen wir hier nur das »Protokoll iiber die Kontributionen und Kriegskosten des Oberbarnimschen Kreises aus den Jahren 1630 1634« (Mark. Forsch., Bd. 17) und namentlich Konig Friedrich Wilhelms I. Entwurf zu der »Instruktion fiir das Generaldirektorium und Konig Friedrichs II Anmerkungen dazu«, deren Abdruck in der »Zeitschr. f. preufi. Gesch.« 1880 auf lange Jahre hinaus und bis zum Neudruck in den Acta Borussica von der grofiten Bedeutung fiir die Forschung wurde. Von seinem Interesse fiir die historisohen Hilfswissenschaften zeugt ein Aufsatz iiber die Entstehung des Wappens der Stadt Prenzlau (Mark. Forsch., Bd. 20). Dafiir wird auch, was besonders hervorzuheben ist, fiir lange Zeit die durch ihn mit grofier Neigung ausgefiihrte Pflege der sphragistischen Sammlung des Geheimen Staatsarchivs zeugen.

Anfang der achtziger Jahre erhielt F. von der Berliner Akademie den Auftrag, fiir die Savigny-Stiftung mit dem Bologneser Archivdirektor Mai ago la die Acta nationis Germanicae un'wersitatis Bononicnsis herauszugeben. Schon im Jahre 1887 (Berlin, Reimer) erschien dieser stattliche Urkundenband, und war damit »mit seltener Ausdauer, entsagungsvollem Fleifi und grofier Gelehrsam- keit« ein Werk geschaffen, das hauptsachlich in dem fast 21/* Jahrhunderte

Friedlaender. 303

fortlaufenden Verzeichnis der Mitglieder der Natio germanka an der Universitat Bologna der Forschung auf rechts-, kultur-, kirchen- und familiengeschicht- lichem Gebiet eine breite Grundlage gab und den Einflufl der italienischen Bildung auf die deutsche zumal in der Renaissancezeit zeigte. In nicht weniger ais neunjahriger Arbeit hat G. C. Knod (1899) durch einen 795 Seiten starken erlauternden biograpbischen Index, den Mommsen vermifite, naher erwiesen, welche Bedeutung in der Ausgabe steckt und dam it zugleich gezeigt, dafl es eine zu weit gehende Forderung war, auch diese Leistung von dem ersten Herausgeber erfiillt zu sehen. t)brigens untersch&tzte nach Luschin von Eben- greuths Urteil, dem wir hier folgen, auch Knod die Ausgabe sehr, obwohl beispielsweise der von F. angelegte ausfiihrliche (75 dreispaltige Seiten um- fassende) Index auch nach der Arbeit Knods dem Leser nicht uberfliissig sei. Hatte aber F. schon 1875 durch Arbeiten iiber die Rheinlinder und Westfalen auf der Universitat Prag (Picks »Monatsschrift« I) und iiber ost- friesische Studenten in Prag und Wittenberg (»Ostfries. Monatsblatt« 1875) sein Interesse fiir dies Gebiet gezeigt, so sollten ihn ahnliche Publikationen noch eine Reihe von Jahren beschaftigen. Es sind dies die Matrikeln der Univer- sitaten Frankfurt a. O. und Greifswald, die er unter Mitwirkung von Liebe, Theuner, Granier und v. Petersdorff von 1887 bis 1895 in fiinf umfangreichen Banden mit den muhseligsten Registern in den » Publikationen aus den Koniglich preufiischen Staatsarchiven* herausgab. Auch sie wurden alsbald von der Lokalgeschichtsforschung zum Nachweise des Bildungsstandes in der Mark und in Pommern, sowie der wissenschaftlichen Beziehungen dieser Lander zu anderen Landschaften , der Familiengeschichte u. a. reichlich ausgenutzt, sie hatten aber vom Herausgeber eine so ungewShnliche Entsagung er- fordert, wie sie auf die Dauer einzusetzen eigentlich nur F. mit seiner An- schauung von der Aufgabe des Archivars, fur andere zu arbeiten, f&hig war. Er hatte sich ihr ebenso bereitwillig unterzogen, wie er fiir die »Allgemeine deutsche Biographie« eine sehr grofie Zahl und zwar hauptsachlich gerade die Artikel schrieb, die andere nicht iibernehmen mochten. Eine grofie Freude war es fur ihn, als eine weitere grSfiere Publikation es sollte seine letzte sein ^Berliner geschriebene Zeitungen a. d. Jahren 1715 1717* (Heft 38 der »Schriften d. Ver. f. Berl. Gesch.« 1902. 172 S.), allseitig gleich giinstig und anerkennend begriifit wurde. Entsprach sie doch ebenso, seiner Neigung fiir Kdnig Friedrich Wilhelm I. wie seiner Liebe zu seinen Ostfriesen, da die Nachrichten iiber den Berliner Hof handelten und an den Fursten von Ost- friesland gerichtet waren. Obwohl er die westfalischen und ostfriesischen Arbeiten auch jetzt noch nicht aus den Augen liefi, sogar fiir das Ost- friesische Urkundenbuch einen Erganzungsband plante, hatte er inzwischen iiberdies noch eine Anzahl kleinerer Arbeiten zur preufiischen Geschichte verdffentlicht, von denen hier nur genannt sein mOgen »Bliichers Austritt aus dem Heere« (Brandenburgisch-preufiische Forschungen XII) und nament- lich die »BeitrSge zur Geschichte der Landesaufnahme in Brandenburg- Preufien unter dem Grofien Kurfiirsten« im Hohenzollern-Jahrbuch 1900, bei deren Bearbeitung er seinen alten topographischen Neigungen erfolgreich nachgehen konnte. Dem Hohenzollern-Jahrbuch war er iiberhaupt und von Anfang an, wie der Herausgeber ihm nachriihmt, ein warmer Freund und For- derer, da die hier vorliegende Verbindung exakter Forschung brandenburgisch-

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preuflischer Geschichte mit meisterhaft geiibter Kunst seinem eigenen Wesen voll entsprach. Denn er, der sich begnugte mit der oft trockenen Editions- arbeit und es neidlos anderen uberliefi, aus ihnen das wissenschaftliche Ergebnis zu ziehen, war zugleich ein feinsinniger und wohlgeschulter Kunstkenner. Nach der Tradition seiner Familie Sammler mit ebensoviel Eifer wie Verstandnis, der rasch sah und kaum etwas iibersah, zumal auf dem Gebiete des Kupfer- stichs, war er zugleich musikalisch hoch gebildet, besuchte viele Jahre hin- durch die Konzerte der Berliner Singakademie, spielte mit sicherem Takt fur die Intentionen des Tondichters und jede Freiheit der Interpretation ab- lehnend vornehmlich Mozart, Bach und H&ndel, verttffentlichte auch mehrere Beitrage fur die Geschichte Mozarts, Handels und Zelters (»Mitt. f. d. Mozart- Gemeinde« 1897 u. 1902, »Voss. Ztg.« 1893 Sonntags-Beil. 26/28, »Monatsschrift f. Musikgesch.« 1874), ebenso aber auch fur die Durers (»Jb. d. preufi. Kunst- samml.« XII), Cranachs, (»Im neuen Reich« 1873), Leygebes (»Ztschrift fur Numismatik« XIV). In allem zeichnete ihn der Vorzug der Einfachheit aus. Verheiratet mit Sophie geb. v. Baurmeister seit dem 13. Februar 1870, offnete er sein Haus gern fur eine edle, harmonisch abgetonte Geselligkeit. Voll zarter Schonung gegen Andersdenkende war er von reiner, echter, auch durch triibe Lebenserfahrungen unerschiitterter christlicher FrSmmigkeit, und kirch- lich rechtglaubig, sowie ein regelmafiiger Gast im Gotteshause stellte er seine ganze Lebensfiihrung unter die Vorschriften des Evangeliums, leistete aber auch der Kirche nicht nur durch eine im Stillen geubte ausgedehnte Wohl- tatigkeit, sondern auch durch zeitraubende Tfitigkeit im Vorstande christ- licher Vereine und als Mitglied des Gemeinderats der Kirche, in deren Sprengel er wohnte, wesentliche Dienste. Mehrere Jahre am Herzen leidend, wufite er, dafl er einem hoffnungsvollen Sohn, den er in der Bliite der Jahre dahinsterben sah, bald folgen werde. Am Neujahrsmorgen 1903 ist er zu Berlin verschieden.

Nach Mitteilungen der Familie und von Alfred Dove, sowie nach Rezensionen und personlicher Kenntnis. Ernst Berne r.

Straufl, Emil, Verlagsbuchhandler, * 18. August 1845 *n Koln, f 31. August 1903 in Bonn. Im Gymnasium gebildet, begann St. seine buchh&ndlerische Lehrzeit in der Buchhandlung von Adolf Marcus in Bonn, war spater in Frankfurt a. M. und Berlin tatig, kehrte aber am 1. Juli 1870 nach Bonn zuriick, um das 1818 begrundete Sortimentsgeschaft seines friiheren Lehrherrn unter der Firma Marcussche Sortimentsbuchhandlung zu ubernehmen. 1873 begann er durch die t)bernahme der Werke seines geistesgewaltigen Verwandten David Friedrich Straufl seine verlegerische Selbstandigkeit Dazu kamen im Laufe der Jahre, wie das die Verhaltnisse der Universitatsstadt mit sich brachten, fachwissenschaftliche Werke aus alien Disziplinen. Auch die gelehrte Zeitschriftenliteratur wurde von St. begiinstigt, wie das »Archiv fiir gesamte Physiologie« und das »Zentralblatt f. allgemeineGesundheitspflege« u, a. beweisen. 1886 ging der ganze landwirtschaftliche Verlag an Gebriider Haering in Braunschweig iiber. Die Sortimentsabteilung erwarben 189 1 R5hr- scheid und Ebbecke, und 1892 trat St. seine 1889 errichtete Zweigstelle in Godesberg an den Buchhandler Passarge ab.

Straufi. Rrause.

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Seitdem erweiterte St. planmafiig seinen Verlag und verband damit 1894 ein wissenschaftliches Antiquariat, fiir das er eine Auslieferungszweigstelle in Leipzig errichtete. Den Begriff des sogenannten modernen Groflantiquariats hat St. in den Buchhandel eingefuhrt; auch gab er die Anregung zu der (Jamais bald allgemein werdenden Einfiihrung der verlegerischen Selbstanzeigen in Tagesbl&ttern und Zeitschriften. In der letzten Zeit seiner Verlagstatigkeit wandte er sein Interesse besonders dem landschaftlichen Kunstverlag zu, welches ihn u. a. die prachtigen Radierungen Mannfelds auf den Markt bringen liefi.

In buchhandlerischen Kreis- und Ortsvereinen, sowie im B6rsenverein der deutschen BuchhSndler und dessen Ausschiissen war St. lange Jahre als Vorstandsmitglied tatig. Auch im ttffentlichen Leben Bonns nahm er eine hervorragende Stellung ein. Die Bonner Bucher- und Lesehalle in der Quantiusstrafle ist sein Werk; daneben war er unermudlich tatig im Aufsichts- rat der »Bonner Zeitung«, die er gelegentlich auch durch schriftstellerische Erzeugnisse, wie z. B. seine packenden Alpenschilderungen, unterstiitzte.

Nach seinem Tode ging der Verlag an Alfred Kroner in Stuttgart iiber.

Rudolf Schmidt.

Krause, Ernst Ludwig, naturwissenschaftlicher und kulturgeschichtlicher Schriftsteller, weiteren Kreisen unter dem Pseudonym Carus Sterne bekannt, * 22. November 1839 zu Zielenzig, f 24. August 1903 in Eberswalde. Nachdem K. die Schule seiner Vaterstadt durchlaufen hatte, bereitete er sich fur den Apothekerberuf vor. Die Beschaftigung mit der Chemie und Botanik erweckte sein lebhaftes Interesse, so dafi er beschlofl, sich ganz dem Studium der Naturwissenschaften zu widmen. Als fleifiiger Autodidakt benutzte er jede freie Stunde, um die Werke der grofien Naturforscher aller Zeiten zu lesen, Unterstiitzt durch ein ausgezeichnetes Ged&chtnis, eignete er sich im Laufe der Jahre eine sehr vielseitige, wenn auch nicht iiberall tief eindringende Bildung an. Nachdem er die staatliche Apothekerpriifung bestanden hatte, hdrte er an der Berliner Universitat allerlei naturwissenschaftliche Vor- lesungen. Wertvolle Anregungen empfing er namentlich, wenn auch nur sehr kurze Zeit, durch den grofien Physiologen Johannes Miiller, dem er stets ein dankbares Andenken bewahrte. Gegen Ende der flinfziger Jahre geriet er in die Kreise der Spiritisten, die damals auch in Deutschland durch verbliiffende Experimente viele Anhanger gewannen. Er vermochte sich indessen mit ihrer Lehre nicht zu befreunden, sondern war bemuht, die von ihnen gezeigten an- geblich wunderbaren Erscheinungen, besonders das Tischrucken, auf natur- lichem Wege zu erklSren. Dieses Bestreben fiihrte ihn zur Veroffentlichung seines ersten grftfieren Werkes: »Die Wahrsagung aus den Bewegungen leb- loser Kftrper unter dem Einflufi der menschlichen Hand (Daktylomantie). Ein kulturgeschichtlicher Versuch* (Weimar 1862). Dasselbe erregte viel Aufsehen, so dafi er bald darauf ein neues Buch ahnlichen Inhalts herausgab : »Die Naturgeschichte der Gespenster. Physikalisch-physiologisch-psychologische Studien« (Weimar 1863). In den nSchsten Jahren beschaftigte er sich, ange- regt durch die Schriften des grofien Forschers Matthias Jakob Schleiden, vorzugsweise mit botanischen Untersuchungen. Als deren reifste Frucht er- schien eine umfangliche Arbeit iiber »Die botanische Systematik in ihrem

Biogr. Jahrbuch u. Dcutichcr Nekrolog. 8. 8d. 20

306 Krause.

Verhaltnis zur Morphologic Kritische Vergleichung der wichtigsten alteren Pflanzensysteme nebst Vorschlagen zu einem naturlichen Pflanzensystem nach morphologischen Grundsatzen« (Weimar 1866). Kurz nach der Vollendung dieses Werkes siedelte er nach Berlin tiber, urn die groflartigen wissenschaft- lichen Hilfsmittel der Reichshauptstadt bequem zur Hand zu haben. Nun verfolgte er systematisch alle wichtigen literarischen Erscheinungen aus dem Gesamtgebiete der Naturwissenschaften. Was Botaniker und Zoologen, Mineralogen und Geologen, Physiker und Chemiker, Physiologen und Mediziner, Biologen, Geographen, Astronomen und Gelehrte aus den ver- wandten Wissensgebieten als Ergebnisse ihrer Forschungen veroffentlichten, suchte er in sich aufzunehmen und fiir weitere Kreise der Gebildeten in gemeinverstandlicher Form zu behandeln, teils in unzahligen kleinen Auf- s&tzen fiir populare Zeitschriften und Tagesblatter, teils in umfangreichen Biichern. Das bekannteste unter diesen, das er selbst als ein Volksbuch bezeichnete, fiihrt den Titel »Werden und Vergehen. Eine Entwicklungs- geschichte des Naturganzen in gemeinverstandlicher Fassung« (Berlin 1876; 6. Auflage, neu bearbeitet und herausgegeben von Wilhelm Bftlsche, ebenda 1904). Das anregend geschriebene und durch viele Abbildungen erl£uterte, wenn auch hier und da an der Oberflache haftende Werk, das er seinem Freunde Ernst Hackel widmete, fand weite Verbreitung und hat wesentlich dazu beigetragen, den Darwinismus und die monistische Weltanschauung in Kreise zu tragen, die sonst kaum etwas naheres dariiber erfahren haben wiirden. Von den Theologen aller Bekenntnisse wurde es stark angefeindet, dagegen fand es den Beifall vieler Sachkundigen, namentlich auch Charles Darwins. Mit dessen Lehren hatte sich K. schon seit dem Erscheinen des grundlegenden Buches iiber den Ursprung der Arten 1859 eingehend be- schaftigt. Bald wurde er ein eifriger Anhanger der neuen einheitlichen Welt- anschauung, und er suchte sie in den weitesten Kreisen zu verbreiten, vor allem durch die Zeitschrift Kosmos, die er von 1877 bis 1883 gemeinsam mit Hackel herausgab. Auch auf die Verdienste von Darwins Grofivater Erasmus um die Entwicklungslehre wies er hin durch die Schrift ^Erasmus Darwin und seine Stellung in der Geschichte der Deszendenz-Theorie. Mit seinem Lebens- und Charakterbilde von Charles Darwin (Leipzig 1880, neue Ausgabe ebenda 1888, auch ins Englische iibersetzt: Life of Erasmus Darwin with a preliminary notke of Charles Darwin, London 1882). Spaterhin war er noch vielfach fiir die Verbreitung des Darwinismus tatig, namentlich durch seine Abhandlung »Charles Darwin und sein Verhaltnis zu Deutschland* (Leipzig 1885) und durch eine Obersetzung der in Deutschland wenig be- kannten kleineren Schriften Ch. Darwins (2 Bande, Leipzig 1885 1886, neue Ausgabe ebenda 1888 1889). Die Theorie des groflen englischen Natur- forschers iiber die Abstammung des Menschen vertrat er in den Werken »Die Krone der Schopfung. Essays uber die Stellung des Menschen in der Nature (Teschen 1884), »Statistischer Beitrag zur Erblichkeitsfrage bei Geisteskrank- heiten« (Jena 1885) und »Plaudereien aus dem Paradiese. Der Naturzustand der Menschen in Wahrheit und Dichtung« (Teschen 1886). Auch fiir seine botanischen Studien empfing er durch die Werke des Meisters iiber insekten- fressende Gewachse, iiber die Kreuz- und Selbstbefruchtung und iiber das Bewegungsvermogen der Pflanzen neue Anregungen, die er dann in zwei mit

Krause. Frankel.

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schonen Farbendrucktafeln geschmiickten Buchern iiber »Sommerblumen« (Prag und Leipzig 1883 1884) und »Herbst- und Winterblumen« (ebenda 1884 1885) verwertete. Die Folgerungen, welche sich aus dem Darwinismus ftir die allgemeine Geisteskultur der Menschheit und insbesondere fur die Kunst ergaben, suchte er gleichfalls in zwei umfanglichen Werken darzu- legen: »Die alte und die neue Weltanschauung. Studien iiber die Ratsel der Welt und des Lebens* (Stuttgart 1887 1889) und »Natur und Kunst. Studien zur Entwicklungslehre der Kunst« (Berlin 1891). Minder erfolgreich waren seine Bemuhungen, auch historische und volkskundliche Probleme im Lichte der Entwicklungsgeschichte zu behandeln. Er begab sich hier auf ein Gebiet, das er nicht als Fachmann beherrschte. Deshalb wurde sein phantastisches Werk »Tuisko-Land, der arischen Stamme und Gotter Ur- heimat, Erlauterungen zum Sagenschatze der Veden, Edda, Ilias und Odyssee« (Glogau 1891), in dem er den Beweis erbringen wollte, dafl die nordischen Sagen und Sagenformen viel alter und urspriinglicher sind als die indischen, griechischen und rOmischen, von der Kritik fast einstimmig abgelehnt. Er liefi sich indessen nicht abschrecken, sondern veroffentlichte zwei weitere Schriften ahnlichen Inhalts: »Die Trojaburgen Nordeuropas, ihr Zusammen- hang mit der indogermanischen Trojasage von der entfiihrten und gefangenen Sonnenfrau, den Trojaspielen, Schwert- und Labyrinthtanzen zur Feier ihrer Lenzbefreiung. Nebst einem Vorwort iiber den deutschen Gelehrtendiinkel« (Glogau 1893) und »Die nordische Herkunft der Trojasage, bezeugt durch den Krug von Tragliatella* (ebenda 1893), in denen er seine Gegner in wenig gliicklicher und darum auch wirkungsloser Weise bek£mpfte und zu widerlegen suchte. Da er sich indessen bald iiberzeugte, dafl er auf diesem Gebiete zu keinen gesicherten Ergebnissen gelangen wurde, wendete er sich wieder ganz den Naturwissenschaften zu, denen auch sein letztes Werk »Geschichte der biologischen Wissenschaften im 19. Jahrhundert« (Berlin 1901, Band 12 der von Georg Stockhausen herausgegebenen Sammlung: Das deutsche Jahrhundert in Einzelschriften) angehOrt. Neben diesen selbstSndigen Schriften hat er eine uniibersehbare Zahl von kleinen Aufs&tzen und Plaudereien mannigfachsten Inhalts in verschiedenen Zeitschriften und Tagesblattern, namentlich in der Gartenlaube, dem Prometheus und der Taglichen Rund- schau veroffentlicht. Auch viele Artikel in Meyers Konversationslexikon ruhren von ihm her. Wenn er auch auf keinem Gebiete selbstandige Forschungen von dauerndem Werte hinterliefl, so diirfen doch seine Ver- dienste um die Popularisierung der Wissenschaft und damit um die Ver- breitung der Volksbildung und Aufklarung nicht gering geschatzt werden. Auch war er einer der ersten, der die universelle Bedeutung der Entwicklungs- lehre und ihre Anwendbarkeit auf alle Wissensgebiete erkannte.

Untcrhaltungsbeilage zur Taglichen Rundschau Nr. 200 vom 27. August 1903, S. 799. Iilustrierte Zeitung Nr. 3140 vom 3. September 1903, S. 335—337 (mit Bildnis).

Viktor Hantzsch.

Fr&nkel, Max, Doktor, Professor, * am n. Marz 1846 zu Landsberg an der Warte, f am 10. Juni 1903 in Beilin. Vorgebildet in seiner Vaterstadt, war es ihm nur gegonnt, das dortige Realgymnasium bis zur Prima zu be- suchen; 1862 wurde er nach Berlin geschickt, um im Buchhandel ausgebildet

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zu werden. Die Liebe zur Kunst und der Trieb nach Bildung aber bewogen ihn, jede freie Stunde zum Studium zu benutzen; er vervollstandigte seine Kenntnisse in der lateinischen Sprache und lernte die griechische Sprache ohne Lehrer. Sechs Jahre schwerer Arbeit, die er in seiner Vita mit Recht annos, hercle, haud beatos nennt, verbrachte er in Berlin, bis er im Jahre 1868 ins Vaterhaus zuriickkehren durfte, um sich fur das Abiturienten-Examen vor- zubereiten. Nachdem er dies am n. September 1869 bestanden, bezog er die Universitat Berlin, wo er sieben Semester Vorlesungen horte und sich besonders an Ernst Curtius und Kirchhoff anschlofi. Diesen widmete er seine Doktor-Dissertation : De verbis potioribus, quibus opera statuaria Graect no tab ant y auf Grund deren er am 2. Juli 1873 das Doktorat erhielt. Am 1. April 1875 wurde er provisorisch, mit 1. April 1876 definitiv bei der Bibliothek der kdniglichen Museen angestellt und blieb in dieser Stellung bis zu seiner am 1. Oktober 1890 erfolgten Pensionierung; durch Zuckerkrankheit war er ge- zwungen, seine Stelle als Bibiiothekar niederzulegen. Vom Jahre 1876 bis 1885 war er als Redakteur der Archaologischen Zeitung tatig und leitete auch die Herausgabe der beiden ersten Bande des Jahrbuchs des kaiserlich deutschen Archaologischen Instituts, das an die Stelle der Archaologischen Zeitung getreten war. Trotz seiner Krankheit widmete er sich der wissen- schaftlichen Arbeit und ubernahm 1895 die Aufgabe, die Inschriften des Peloponnes fur das Carpus inscriptionum Graecarum herauszugeben ; er bereiste 1896 zweimal den Peloponnes und sammelte trotz der ungunstigen Witterung reiches Material, von dem er nur einen Teil verarbeiten konnte, der 1902 als Band I der Inscriptions Graecae Peloponnesi etc., nach der neuen Bezeich- nung IGIV, erschien. t)ber den Vorarbeiten zum 2. Bande raffte ihn der Tod dahin. Dafl er trotz der qu&lenden Krankheit viele Jahre der Arbeit widmen konnte, hatte er der liebenden Fursorge seiner Gattin und Kinder zu danken: eine Tochter bildete sich in der klassischen Philologie aus, die jiingste begleitete ihn in den letzten Jahren auf seinen Reisen und folgte ihm drei Monate spater ins Grab.

Dies Lebensbild bietet uns eine ErklSrung fur manche Ziige, die sich in Fr.s Schriften finden oder wenigstens nach Anschauung mancher Kritiker finden sollen. Vor allem anzuerkennen ist der Fleifi und die feste Willenskraft, die es ihm ermGglichte, die Hindernisse zu iiberwinden, die seiner Ausbildung entgegenstanden : erst als 23Jahriger Mann konnte er das Abiturienten-Examen ablegen; das erscheint unserer jungen Generation, die sich in dem gleichen Alter oft schon in Amt und Wiirde befindet, unverst&ndlich. Was Fr. mit solcher Miihe erreicht, darauf konnte er wahrhaft stolz sein und sich hdhere Ziele stecken, denn ihm erschienen sie erreichbar. Warum sollte ein solcher Mann nicht selbstbewuflt sein? Unsere heutigen jungen Gelehrten sind es nicht minder, ohne gleichen Fleifi und gleiches zu zeigen. Fr. selbst gftnnte sich keine Schonung; seine Genauigkeit und Gewissenhaftigkeit werden all- gemein anerkannt. Wenn er vielfach verkannt wurde, mufite es ihn verbittern. Er selbst erkannte neidlos fremdes Verdienst an und schatzte seine Mit- arbeiter. Als Redakteur glaubte er in seiner Gewissenhaftigkeit fiir alles einstehen zu miissen, wodurch gewifi manche Reibung entstand. Seine Tatigkeit beschrankte sich nicht auf ein enges Gebiet: Archfiologie, Epi- graphik und griechische Staatsaltertumer waren sein weites Arbeitsfeld, auf

Frankel. Hartwig. ^qq

dem er Tiichtiges leistete. Der Schedenapparat der Tituli Asiae minoris ist ihm besonders dankbar fur die Sammlung der Inschriften von Pergamon. Anerkannt wird Fr.s Akribie auch in der Kleinarbeit, ohne die gerade auf seinem Arbeitsgebiete nichts geleistet werden kann. Schon seine oben genannte Doktor-Dissertation gibt Zeugnis davon. Im Jahre 1877 erschien: »Die attischen Geschworenengerichte. Ein Beitrag zum attischen Staatsrecht.« Darin wird das Wesen und die Bedeutung der Heliaia klar gelegt. 1886 er- schien die Neubearbeitung des Boeckhschen Staatshaushaltes, in der Fr. einen Beweis von Selbstverleugnung gibt: Schreiber dieser Zeilen halt es fiir die undankbarste Aufgabe, eine sogenannte Neubearbeitung eines altbewahrten Buches vorzunehmen. Dafl Fr. sich dieser Aufgabe mit aller Gewissenhaftigkeit unterzog, dafiir verdient er den Dank und die Anerkennung aller Fachgenossen. Viele Jahre beschaftigte ihn die Herausgabe der Inschriften von Pergamon, von denen Band I 1890, Band II 1895 erschien. Fr.s Verdienst beruht im Kommentar, der iiberall gewissenhafte, sachkundige Krw&gung, reiches Wissen und bis auf das Kleinste ausgedehnte Sorgfalt zeigt. Vollig unverdient sind die Vorwiirfe Kaibels, Deutsche Literaturz. 1891, 1703!, wie Usener, Rhein. Mus. XLVII 154 f. bemerkt; vgl Literar. Centralbl. 1891, 1400 und 1896, 624. Die Reise im Peloponnes 1896 hatte zwei Publikationen zur Folge, ehe noch der Band der Inschriften selbst erschien: »Eine Inschrift aus Argos« in den Sitzungsberichten der Berliner Akademitf 1898, 635 f. und »Epigraphisches aus Aegina« Abhandl. der Berl. Akad. 1897 (Anhang) 38 S.: in beiden zeigt der Verfasser sich als tiichtigen Epigraphiker. Das gleiche Urteil laflt sich iiber den I. Band der peloponnesischen Inschriften sagen. AuBer diesen Haupt- werken hat Fr. eine lange Reihe von Aufsatzen veroffentlicht, die nicht alle aufgefiihrt werden kOnnen: das Register der Archaologischen Zeitung weist im Autorenverzeichnis 20 Aufs£tze Fr.s (6 epigraphische, 14 archaologische) in den Banden 31 43 auf; auch im Jahrbuche des Instituts erschienen Aufsatze von ihm, unter denen der im VI. Band 49 f.: »Gemaldesammlung und Gemalde- forschung in Pergamon« erwahnt sei. Ebenso finden wir Beitrage Fr.s in der Numismatischen Zeitschrift, in den Athenischen Mitteilungen, im Rheinischen Museum und in anderen Zeitschriften.

Zum Schlusse sei das Urteil angefiihrt, das Kirchhoff freundlichst mir mitteilte: »er habe Friinkel als Menschen stets geschatzt und seine wissen- schaftlichen Arbeiten iiber griechische Epigraphik fiir wertvoll und aner- kennenswert erachtet.«

Ein Nachruf erschien von F. Liebermann »Max Frankel 1846 1903*, fUr dessen Zusendung sowie fUr briefliche Mitteilung ich der Witwe, Frau Professor Johanna Frankel, zum Danke verpflichtet bin. Dr. Johann Oehler.

Hartwig9 Otto, Direktor der kOniglichen Universitatsbibliothek zu Halle, * 16. November 1830 zu Wichmannshausen in Niederhessen, f 22. Dezember 1903 zu Marburg. H. war der Sohn eines reformierten Pfarrers, eines frommen, strengglaubigen, aber toleranten Mannes, von dem er stets mit der grofiten Verehrung sprach. »Ich habe«, sagt er von ihm, »keinen Menschen gekannt, bei dem alles Handeln so sittlich-religios normiert war wie bei ihm.« Durch Privatunterricht vorbereitet, kam er 1842 auf das Progymnasiujn zu Eschwege, 1844 auf das Gymnasium zu Hersfeld. »Die Gymnasiastenjahre in

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Hersfeld sind fiir mein ganzes Leben von Bedeutung geworden, indem sie mir neben meinem Vater einen anderen ausgezeichneten Mann (den Direktor Wilhelm Munscher) nahebrachten, der die besten Ideale der Jugend, den Glauben an die Wahrheit und die Gerechtigkeit der Macht, welche die Ge- schicke der Welt schliefllich doch regiert, die Liebe zum Vaterlande und ehrliche Frommigkeit in uns nahrte.« Nach bestandenem Maturitatsexamen bezog er Ostern 1850 die Universitat Marburg, wo ihm sein Vater eine Stelle in der Stipendiatenanstalt erwirkt hatte, um Theologie und Philologie zu studieren. Dem Studium der Theologie widmete er sich eigentlich mehr auf Wunsch seines Vaters als aus eigener Neigung. Was alle Theologen damals auf das lebhafteste erregte, war der Streit zwischen der Tiibinger Schule und der Orthodoxie; diesem Gegensatze, der in Marburg durch zwei so ausge- zeichnete Manner wie Kd. Zeller und H. J. Thiersch vertreten wurde, wandte auch der junge Student sogleich sein ganzes Interesse zu und suchte sich ein selbstandiges Urteil iiber die strittigen Fragen zu erringen. »Ich studierte eben Theologie, nicht um Geistlicher zu werden, sondern um mich mit der religiosen Frage auseinanderzusetzen« ; und zwar wurde er in diesen Gegen- satzen starker, als er urspriinglich gedacht hatte, auf der positiven Seite fest- gehalten, was er selbst der Macht des vaterlichen Vorbildes, aufierdem aber auch personlichen Erfahrungen zuschreibt. 1852 siedelte er auf die Univer- sitat Halle iiber, wo er Tholuck, Jul. Miiller, Hupfeld, J. Ed. Erdmann und H. Leo horte, kehrte aber schon im folgenden Jahre nach Marburg zuriick. Nachdem er im Fruhjahr 1855 das theologische Examen bestanden hatte, ging er zunachst nach Gottingen, um eine Dissertation auszuarbeiten, auf Grund deren er im Marz 1857 in Marburg zum Dr. phiL promoviert wurde; die Arbeit erschien in erweiterter Form auch im Buchhandel unter dem Titel: y>ffenricus de Ijmgenstein dktus de ffassia. Zwei Untersuchungen iiber das Leben und die Schriften Heinrichs von Langenstein« (Marburg 1857). Da im Kirchenregiment zu Kassel die Vilmarianer herrschten, die ihm seiner freieren Richtung wegen nicht gewogen waren, verspiirte er wenig Neigung, in den praktischen Kirchendienst einzutreten, und nahm daher mit Freuden im April 1857 eine ihm angebotene Repetentenstelle an der Stipendiaten- anstalt in Marburg an, wo er den Stipendiaten Repetitorien in alt- und neu- testamentlicher Kxegcse sowie in der Kirchengeschichte zu erteilen hatte. Zu den Obliegenheiten der Repetenten gehorte es auch, taglich zwei Stunden auf der Universitatsbibliothek zu arbeiten, und hier wurde er dann durch die Bibliothekare Henke und Gildemeister in diejenige Tatigkeit eingefiihrt, die spater sein Lebensberuf werden sollte. Die Jahre als Repetent waren fiir H. eine Zeit heiteren Verkehrs und behaglichen Arbeitens, die er, von Pflichten nicht stark in Anspruch genommcn, ganz nach eigenem Geschmack seiner wissenschaftlichen Ausbildung widmen konnte. Er beschaftigte sich damal> viel mit der deutschen Geschichte des Mittelalters, besonders mit den Anfangen des deutschen Stadtewesens und der Entstehungsgeschichte der Gilden; ein Stiick dieser Forschungen ist in den Untersuchungen iiber die ersten Anfange des Gildenwesens niedergelegt, die im ersten Hefte der von G. Waitz heraus- gegebenen »Forschungen zur deutschen Geschichte« abgedruckt sind.

Aus diesen wissenschaftlichen Arbeiten wurde H. im Fruhjahr i860 durch eine Berufung gerissen, die eine totale Wendung in seinem Leben herbeifuhrte,

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eine Berufung als Prediger der deutsch-evangelischen Gemeinde in Messina. Er nahm diese unter giinstigen Bedingungen erfolgte Berufung um so lieber an, da sein ererbtes vaterliches Vermogen allmahlich auf die Neige ging. Am 22. Mai i860 landete er in Messina, das nun fur fiinf Jahre seine Heimat werden sollte. Es waren aufgercgte, darum aber um so interessantere Ver- haltnisse, die er dort vorfand: Sizilien war damals im Aufstand gegen das bourbonische Konigtum begriffen und Garibaldi mit seinen Truppen kurz zuvor dort gelandet. Wahrend die Stadt Messina in den Handen der Gari- baldianer war, hielten die Neapolitaner die Citadelle besetzt; »wir lebten«, erzahlt er, »mehrere Monate lang in einer Art von effektivem Belagerungs- zustand«. Dazu kamen die mannigfaltigen Eindriicke des neuen Amtes und die neuen Pflichten. Und er nahm dieses Amt nicht leicht; »auf meine Predigten habe ich mich schr gewissenhaft vorbereitet und nie etwas gesagt, von dessen Wahrheit ich nicht selbst uberzeugt gewesen ware.« Diese Wahr- haftigkeit gegen sich selbst war es wohl auch hauptsachlich, die in Messina allmahlich den Entschlufi in ihm reifen lieB, in der Heimat kein geistliches Amt mehr anzunehmen; als er 1865 seine Abschiedspredigt gehalten hatte, war er entschlossen, keine Kanzel mehr zu besteigen. Wahrend seines fiinf- jahrigen Aufenthaltes in Sizilien hatten zudem auch seine wissenschaftlichen Neigungen eine andere Richtung genommen: die groflartige Natur wie die zahlreichen Denkmaler der Vergangenheit, die ihn umgaben, weckten in ihm das Interesse fiir die Geschichte des Landes, in die er sich mehr und mehr vertiefte. Er fing an, an Ort und Stelle Biicher liber Sizilien zu sammeln, und brachte im Laufe der Jahre eine Bibliothcca Sicula zusammen, wie in Deutschland damals keine zweite bestand; erst geraume Zeit nach seiner Riickkehr, als er den Plan, eine Geschichte des mittelalterlichen Unteritaliens zu schreiben, seiner schwachen Augen wegen hatte aufgeben mussen, trennte er sich wieder von dieser Biichersammlung, indem er einige Seltenheiten nach Rom und Berlin, das meiste aber an die Bibliothek in Strafiburg abgab. Die (lurch zahlreiche Reisen in Sizilien gewonnene Kenntnis des Landes und seiner Verhaltnisse verwertete er in politischen Korrespondenzen und Auf- satzen, die in deutschen Zeitungen, namentlich auch in den PreuBischen Jahrbiichern erschienen, sowie in einem Reisehandbuch fiir Sizilien, das er im Sommer 1865 fur die bekannte Badekersche Sammlung verfafite.

Am 28. August 1865 verliefi H. Sizilien, um in die Heimat zuruckzukehren. Nach einem liingeren Aufenthalte in Rom und Miinchen traf er am 1. De- zember in Witzenhausen ein, wo er bei seiner verheirateten Schwester den Winter verbrachte, mit der Sammlung und Erganzung seiner Aufsatze iiber Sizilien beschaftigt. Inzwischen hatte er sich um eine Stelle am Kasseler Staatsarchiv beworben. Wahrend er noch auf einen Bescheid wartete, brach 1866 der Krieg aus, der das Ende Kurhessens als eines selbstandigen Staates herbeifiihrte. So nahe ihm, dem Stockhessen, der verschuldete Zusammen- bruch seines alten Staatswesens ging, als deutscher Patriot fand er sich damit ab, weil durch PreuBens Sieg eben Deutschland gewann. Die Anderung der politischen Verhaltnisse fiihrte bald auch eine Wendung in H.s personlichen Geschicken herbei; die gewiinschte Stelle am Staatsarchiv erhielt er zwar nicht, statt dessen aber die eines Hilfslehrers am Gymnasium in Rinteln, die er am 1. August 1866 antrat. Wahrend der zehn Klonate, die er hier unter-

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richtete, war er audi literarisch nicht unt&tig: er schrieb Artikel fiir die Weserzeitung, verSffentlichte in den Preuflischen Jahrbuchern Briefe Wilhelm von Humboldts, die er in einem Privatarchiv gefunden hatte, und gab als erstes Heft eines » Codex juris municipals Siciliac* das alteste Stadtrecht von Messina heraus (Kassel und Gottingen 1867). Der Codex wurde von H. nicht fortgesetzt; das von ihm gesammelte Material uberliefl er spater dem Rechts- historiker W. von Briinneck, der es in seinem Werke »SiziIiens mittelalterliche Stadtrechte« (Halle 1881) verwertete. Schon 1867 trat abermals eine Wendung in H.s Leben ein: er wurde als Sekretar an die Marburger Universitatsbibliothek berufen und damit dauernd dem bibliothekarischen Berufe zugefiihrt. Da er jetzt eine feste Position hatte, konnte er auch an die Griindung eines Haus- standes denken und verheiratete sich bald darauf mit Marie Mtiller, der Tochter eines in Marburg verstorbenen Obergerichtsdirektors.

Neun Jahre gehdrte H., zunachst unter Henke, dann unter Caesar der Marburger Bibliothek (seit 1874 als Unterbibliothekar) an, bis er im April 1876 als Leiter an die Universitatsbibliothek in Halle berufen wurde, der er als Bibliothekar, Oberbibliothekar, Direktor, 1889 durch den Titel Geheimer Regierungsrat ausgezeichnet, 22 Jahre hindurch vorstand. Die bibliothekarische Schulung, die er in Marburg erhalten hatte, sowie sein hervorragendes Organisationstalent fanden in Halle reichliche Gelegenheit zur Betatigung und fiihrten in den Verhaltnissen der dortigen Bibliothek griindliche Verbesserungen herbei. Zwei Dinge sind es besonders, die als hervorragende Resultate seiner Verwaltung bleibende Bedeutung fiir die Bibliothek besitzen: ihr Neubau und ihre Neukatalogisierung. Zwar war ein Neubau schon vor H.s Berufung ge- plant, aber seinem energischen Betreiben ist die rasche Forderung der An- gelegenheit, seiner sachkundigen Unterstiitzung des Architekten die praktische Gestaltung des Werkes zu verdanken. 1878 wurde der Bau begonnen und im Herbste 1880 bezogen. Wenn auch die Hallische Bibliothek jetzt durch neuere Bibliotheksbauten iiberholt ist, so war sie doch als die erste in Deutschland, bei der das Magazinsystem in Anwendung kam, fiir derartige Bauten langere Zeit vorbildlich. Die Neukatalogisierung der Bibliothek begann H., da die vorhandenen Kataloge ganz veraltet waren, bereits im ersten Jahre seiner Verwaltung, nachdem ihm die Regierung die zur Anwerbung von Hilfs- kraften erforderlichen Mittel gern bewilligt hatte. Fast zwei Jahrzehnte haben die Beamten der Bibliothek nebst einem Stabe von Hilfsarbeitern unter H.s Leitung an dem Werke gearbeitet, das dann in einem doppelten alphabetic schen Zettelkatalog und in einem systematischen Katalog in Bandform den ganzen Bucherbestand umfafite. Mit welcher Umsicht und Sachkunde der neue Realkatalog ausgearbeitet ist, dariiber kOnnen auch weitere Kreise sich ein Urteil verschaffen, da das Schema dieses Kataloges von H. als drittes Beiheft des Zentralblatts fiir Bibliothekswesen (Leipzig 1888) verGffentlicht worden ist; es hat inzwischen mancher anderen Bibliothek bei Aus^rbeitung von Katalogen zum Muster gedient. In der Verwaltung der Bibliothek betatigte H. durchaus liberale Grundsatze: er suchte die Benutzung moglichst zu er- leichtern und stellte jedem, der seinen bibliothekarischen Rat nachsuchte, sein grofles, durch ein hervorragendes Gedachtnis unterstiitztes Wissen stets gerne zur Verfiigung.

Neben seiner umfangfeichen amtlichen Tatigkeit war H. bestandig auch

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mit wissenschaftlichen Arbeiten beschaftigt und hat w£hrend seiner Marburger und Hallischen Zeit eine grofie Reihe gediegener Biicher und Aufs&tze ver- dffentlicht. Die Geschichte Siziliens und Italiens iiberhaupt war das mit Vorliebe gepflegte Gebiet seiner Forschung. Neben den schon oben er- wahnten Arbeiten seien unter Obergehung der zahlreichen Zeitschriften- aufsatze hier genannt: »Aus Sizilien. Kultur- und Geschichtsbilder.« Bd. i, 2 (Kassel u. Gottingen 1867 69). »Sizilianische Marchen. Aus dem Volks- mund gesammelt von Laura Gonzenbach. Mit Anmerkungen Reinhold Koh- lers und einer Einleitung herausgegeben von O. H.«, Teil 1, 2 (Leipzig 1870). Die Sammlung ist auf H.s Anregung entstanden und ihm von der ihm be- freundeten Sammlerin zur VerOffentlichung iiberlassen. Ferner: »Die t)ber- setzungsliteratur Unteritaliens in der normannisch-staufischen Epoche« (Leipzig 1886); und zur Geschichte von Florenz: »Quellen und Forschungen zur alte- sten Geschichte der Stadt Florenz«, Teil 1, 2 (Marburg u. Halle 1875 80); »Eine Chronik von Florenz zu den Jahren 1300 i3i3« (Halle 1880); »Ein Menschenalter Florentinischer Geschichte 1250 1293^ (Freiburg 1889 91). Auch auf biographischem Gebiete liegen mehrere Arbeiten von H. vor. So gab er nach dem Tode von Reinhold Pauli dessen »Aufsatze zur englischen Geschichte*, Neue Folge, heraus (Leipzig 1883), denen er eine ausfUhrliche Abhandlung: »Zur Erinnerung an Reinhold Pauli « voranschickte. Mit Auguste Piderit zusammen gab er heraus: »Charlotte Diede, die Freundin von W. von Humboldt. Lebensbeschreibung und Briefer (Halle 1884); seinem Freunde, dem Politiker Bamberger, setzte er ein Denkmal in der Schrift: »Ludwig Bamberger. Eine biographische Skizze« (Marburg 1900). Auch der Aufsatz: •Zur Erinnerung an Louise von Frangois« in der Deutschen Rundschau vom Dezember 1893 geh5rt hierher. Ferner seien noch zwei Schriften erwahnt, bei denen sich H. als Herausgeber betatigte: »Die Zukunft. Ein bisher un- gedrucktes Gedicht des Grafen Friedrich Leopold zu Stolberg aus den Jahren 1779 17820c (Leipzig 1885); und die » Festschrift zum funfhundertjahrigen Ge- burtstage von Johann Guttenberg«, die als 23. Beiheft zum Zentralblatt fiir Bibliothekswesen (Leipzig 1900) auf H.s Anregung erschien und durch eine ausfiihrliche Abhandlung iiber Guttenbergs Leben von ihm eingeleitet wird. Auf dem Gebiete der Bibliothekswissenschaft hat sich H. dadurch ein hervor- ragendes Verdienst erworben, dafi er 1884 das »Zentralblatt fiir Bibliotheks- wesen« begriindete, das er die ersten zwei Jahre zusammen mit Karl Schulz, dann bis kurz vor seinem Tode allein herausgab. »Alle bibliothekswissen- schaftlichen wie technischen und organisatorischen Fragen einer allseitigen, sachlichen und vorurteilsfreien Priifung und Darstellung zu unterziehen, wird die wichtigste Aufgabe unseres Zentralblattes sein . . . Dasselbe will sich jedoch nicht auf das Bibliothekswesen im engeren Sinne allein beschranken, sondern sich auch der Fdrderung der Bibliographie und Literaturwissenschaft widmen«, so charakterisiert er im ersten Heft die Ziele des neuen Unter- nehmens. Indem er selbst viele Artikel fur das Zentralblatt verfafite und zahlreiche Mitarbeiter zu gewinnen wufite, machte er es bald zum Mittelpunkt der bibliothekswissenschaftlichen Bestrebungen in Deutschland und verschaffte ihm auch im Auslande das hochste Ansehen; zu den groflen Fortschritten, die das deutsche Bibliothekswesen in den letzten zwei Jahrzehnten gemacht hat, hat das Zentralblatt nicht wenig beigetragen,

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und in der Geschichte dieses Bibliothekswesens wird H.s Name unvergessen bleiben.

Ein Augenleiden, das ihm schon lange das Arbeiten erschwerte, veran- laflte H. 1898 in den Ruhestand zu treten. Er siedelte aus AnhangHchkeit an seine hessische Heimat nach Marburg iiber, wo er die Redaktion des Zentralblattes beibehielt und seine Mufle u. a. dazu benutzte, seine Selbst- biographie zu schreiben, von der ein Teil die Zeit bis zu seiner Anstellung in Marburg enthaltend unter dem Titel »Lehr- und Wanderjahre eines alten deutschen Bibliothekars« (Halle 1900) als Manuskript fur seine Freunde gedruckt ist; eine Fortsetzung, die leider die Hallische Zeit nicht mehr urn- fafit, fand sich in seinem Nachlasse vor und soil von der Familie heraus- gegeben werden. Am Schlusse des 20. Bandes, im Dezemberheft 1903 nahm H. in wehmutigen Worten Abschied von den Mitarbeitern und Lesern des Zentralblattes, dessen Redaktion er mit diesem Bande abgab, und schon wenige Tage darauf, am 22. Dezember machte ein Gehirnschlag seinem Leben unerwartet ein Ende.

H. war eine scharf ausgepragte Persbnlichkeit, energisch und tempera- mentvoll, nicht ohne harte Ecken und Kanten, die im Verkehr, zumal bei nur oberflachlicher Bekanntschaft, leicht anstiefien und verletzten. Er war nicht das, was man eine liebenswiirdige Natur zu nennen pflegt: dazu besafi er zu wenig Schmiegsamkeit und zu viel Wahrhaftigkeit. Seinem etwas sproden, zunachst zuriickhaltenden Wesen war ein hoher Grad von Kritik beigemischt; sein scharfer Verstand und sein immenses Wissen entdeckte bei anderen schnell die vorhandenen Bloflen, und es war seine Art, diese dann auch riickhaltlos und schonungslos aufzudecken, iiberhaupt das, was er fur wahr hielt, ohne Furcht auch auszusprechen. Aber gerade diese Offenheit unci Wahrhaftigkeit machte ihn seinen Freunden lieb. Wer ihn naher kannte, der wuBte, dafl hinter der rauhen Schale ein edler Kern war, ein warmes, liebevolles Herz, das sich denen, die sein Vertrauen besafien, ganz hingab und unerschiitterlich an ihnen festhielt. Mit Recht wurde von den beiden Rednern, die an seinem Grabe sprachen, Pfarrer Scheffer und Professor Varren- trapp, hervorgehoben , dafi Treue der hervorstechende Charakterzug seines ganzen Wesens war: »Treu war er seinen Pflichten, treu seiner Weltanschau- ung und seinem Gottesglauben, treu den Menschen, an denen sein Herz hing, bis iiber das Grab hinaus.« l)

Literatur: O. Hartwig, Lehr- und Wanderjahre cines alten deutschen Bibliothckars. Halle 1900. Zur Erinnerung an Otto Hartwig. Marburg 1904 (enthalt die zwei an seinem Grabe gehaltencn Reden). Nekrologe von A. Graesel im Zentralblatt ftir Bibliothekswesen 1904, Heft 3, S. 97 103; von A. Hortzscbansky in Blatter flir Volksbibliotheken und Leso hallen 1904, S. 33 36; von F. Eichler in den Mitteilungen des Osterreich. Vereins ftir Bibliothekswescn, Jahrg. 8 (1904) S. 48 51 ; von F. Neumann in The Library Journal 1904, *>• 57—59.

Halle a. S. K. Gerhard.

*) Unser »Biographischos Jahrbuch« und insbesondere der ^Deutsche Nekrologe bleibt Otto Hartwig dauernd vcrpflichtet fiir die spontane Forderung, die er dem Unternchmen durch fachkundige Wlirdigungen im >Zentralblatt fiir Bibliothekswesenc und in der > Deutschen Rundschau* angedeihen liefl. A. d. H.

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Ktthler, Ulrich Leopold, Professor der alten Geschichte an der Uni- versitat Berlin, * 5. November 1838, f 21. Oktober 1903. Der Vater C. G. W. Kdhler, war Pfarrer zu Klein-Neuhausen in Sachsen-Weimar, seit 1853 zu Orleshausen, wo er bereits 1855 gestorben ist; er besafi philologische Kenntnisse, die weit iiber das Mafl eines Geistlichen hinausgingen, und seinen Sohnen in den jiingeren Jahren, wo er sie in seinem Pfarrhause zu unterrichten hatte, sehr zustatten gekommen sind; aus der zahlreichen Kinder- schar hatte er drei seiner Sdhne fur den Gelehrtenberuf bestimmt. Ulrich war der alteste unter ihnen, sein Bruder Franz wurde Direktor am ritter- schaftlichen Domgymnasium in Reval, und lebt, seit die deutschen Schulen dort aufgehoben sind, in Wolfenbuttel, Walther (f 1904) wurde Professor am Gymnasium zu Weimar. Ulrich besuchte das Weimarer Gymnasium und war dort schon einer der Lieblingsschiiler Herm. Sauppes, der bis 1856 als Direktor der Schule vorstand. Ostern 1857 wurde er zur University ent- lassen, um sich dem Studium der klassischen Philologie zu widmen. Die beiden ersten Semester verbrachte er auf der heimatlichen Universitat Jena, und wandte sich dann, seinem Lehrer Sauppe folgend, nach G6ttingen. Dieser ist es denn auch gewesen, der auf seinen Studiengang, soweit auf eine selbstandig angelegte Natur wie K. es war, ein Einflufi moglich ist, am meisten eingewirkt hat, und dem er als dankbarer Schiiler zeitlebens die Freundschaft bewahrt hat. Neben ihm gehorten auch E. Curtius, E. v. Leutsch und H. Lotze zu K.s Lehrern. Seine ersten wissenschaftlichen Versuche waren den romischen Historikern gewidmet. Qua ration* Titi Livii Annalibus usi sint historici Latini atque Graeci lautet der Titel der von Leutsch gestellten Preisarbeit, die K. im Sommer i860 der Gottinger philosophischen Fakultat einreichen konnte, und mit der er dann auch zum Doktor promoviert wurde.

Unmittelbar nach Beendigung der Universitatsstudien im Dezember i860 begab er sich nach Italien, um in Pisa bei einem gricchischen Bankier Tossitza, an den ihn v. Leutsch empfohlen hatte, eine Hauslehrerstelle anzunehmen. Seinen Zogling begleitete er auch auf einer Reise nach Frankreich und England. Es folgte ein mehrjahriger Aufenthalt in Rom (seit Spatherbst 1862), w&hrend (lessen er mit Arbeiten am Archaologischen Institut und auf der Vaticana ein sehr bescheidenes Auskommen hatte; zeitweise war er auch auf Reisen, die er fiir das um jene Zeit in Ausarbeitung begriffene Baedekersche Reisehandbuch in Mittel- und Oberitalien zu untemehmen hatte. Von beiden Sekretaren des Institutes, W. Henzen und H. Brunn, wurde er sehr geschatzt. Sie betrauten ihn 1863 mit der Veroffentlichung der neu gefundenen Statue des Augustus von Prima Porta und der alteren Faustina in der Villa Negroni {Annali delF Inst, di corr. ardteoL XXXV; Mon. fnrd. VI, VII t. 84). Diese und verwandte Arbeiten aus dem Gebiet der romischen Religionsgeschichte, zu denen ihn L. Preller angeregt hatte, lagen ihm im Sinn, wenn er in seiner Antritts- rede vor der PreuBjschen Akademie der Wissenschaften von sich sagen muflte: *Nicht allein die Biicher haben ihre Fata, nicht Jedem ist es vergonnt seinen wissenschaftlichen Neigungen bis zu Ende zu folgen.« K. ist in spateren Jahren immer verschlossener geworden, damals in Rom war er noch zu haben fiir geselligen Verkehr. Heinr. Hirzel (aus Leipzig), sein Studien- freund von Gottingen, starb nach kurzem Aufenthalt in Rom. A. Michaelis und A. Conze hatten ihn in Pisa kennen gelernt; in Rom stand er im Verkehr

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mit O. Benndorf, R. Kekute, R. SchSne, hier fand er zuerst A. Wilmanns, der spater in der Berliner Zeit ihm am nachsten getreten ist. Henzen, dem K.s Wesen wShrend seines riimischen Aufenthalts offenbar besonders zusagte, schilderte ihn damals als »eine emste, sinnige, sehr ideal angelegte Natur«. Es waren die Eigenschaften des Junglings, die in dem Manne spater sich fortentwickelt haben.

Entscheidend fiir den ganzen weiteren Lebensgang K.s wurde seine Be- rufung als Secretaire interprite an die Preufiische Gesandtschaft in Athen. Wahrend in Rom bereits seit 1829 das von E. Gerhard begriindete Archao- logische Institut bestand, hatte man fiir Athen, wie es scheint auf Anregung von E. Curtius, die Einrichtung getroffen, der dortigen Gesandtschaft einen jungen Gelehrten beizugeben, der neben seiner amtlichen Beschaftigung die vorkommenden Funde der Altertumswissenschaft verfolgen sollte. A. von Velsen war der erste, der in solcher Stellung nach Athen geschickt wurde; nach seinem friihzeitigen Tode trat fur ein Jahr C. Wachsmuth ein (1861). Sein Nachfolger wurde K. im Fruhjahr 1865.

In Griechenland war die danische Dynastie damals noch sehr neu. Die Hauptstadt hatte noch das Aussehen, wie unter Konig Otto. Um die Alter- tiimer Athens hatte einst unser Landsmann L. Ross sich hoch verdient gemacht, dann hatte mehr als zwei Jahrzehnte Pittakis dariiber geschaltet; nun erst vermochte die jiingere Schule der griechischen Gelehrten, A. R. Ran- gab£, St. Kumanidis, A. Rhusopulos, sich Geltung zu verschaffen, P. Evstra- tiadis wurde Generalephoros der Altertumer, A. Postolakka Direktor des Miinzkabinetts; die alteren unter diesen waren einst noch Schiiler von L. Ross und N. Ulrichs gewesen. Vorsitzender der Griechischen Archaologischen Gesellschaft war Philippos Joannu, ein tiichtiger Philologe, der im Verlauf der sechziger Jahre es allmahlig dahin gebracht hat, dafl die Gesellschaft an groflere Ausgrabungsarbeiten sich gewagt hat. Klein war die Zahl der in Athen wohnhaften fremden Gelehrten. An die Ecole franfaise it Athenes kamen zeitweise tiichtige junge Manner, doch scheint K. mit ihnen nicht in Be- ziehung gekommen zu sein. Von deutschen Gelehrten war um jene Zeit in Athen bereits ansafiig der Botaniker Theod. v. Heldreich, in dessen Hause so viele unserer Landsleute Wohnung genommen haben. An der von Baron Sina erbauten Sternwarte war Julius Schmidt, ein Mann von ungemein viel- seitigen Kenntnissen im Gebiete der Naturwissenschaften. Karl Wilberg, der sp&tere deutsche Konsul in Athen, hatte bereits seine Buchhandlung, ihm und seinem Hause ist K. stets befreundet geblieben.

Athen lag damals abseits vom Weltverkehr, die grofien Dampferlinien fuhren meist iiber Syra nach Konstantinopel, den Verkehr nach dem Piraeus den Nebenlinien iiberlassend. Klein war die Zahl der Gelehrten, die zu vor- ubergehendem Aufenthalt dorthin kamen; bieten heute stattliche Museen eine Anziehung fthr jeden Archaologen, so waren damals kaum Anfange dafiir vor- handen, die grofie Masse der Antiken zerstreut im Privatbesitz, dem Kunst- handel zug£nglich, dem die Gesetzgebung zu wehren suchte. Auf der Burg standen und lagen Skulpturen und Inschriften umher, andere waren einge- mauert in grofien Holztafeln aufgestellt. Fiir einen jungen Gelehrten, der wenig Neigung hatte zu geselligem Verkehr, aber ganz in seinen Studien auf- gehen wollte, soweit ihn nicht sein Amt bei der Gesandtschaft in Anspruch

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nahm, war hier der geeignete Boden, und K. hat sich nach seiner Weise hier bald heimisch gemacht.

Bei einem der ersten Besuche der Akropolis fiel K. ein Fragment der Quotenlisten aus der Zeit des ersten attischen Seebundes ins Auge, das erst ein Jahr zuvor ausgegraben worden war; es sind 14 Zeilen einer einfachen Marmorplatte, nur oben und rechts unverletzt, aber so klein das Bruchstiick ist, es enthalt den Schlussel zum Verstindnis der langen Reihe der attischen Bundesinschriften. Was uns erhalten ist an Steinurkunden tiber die attische Seeherrschaft des 5. Jahrhunderts, enthalt nicht etwa die Rechnungslegung fiber die von den Bundesst&dten beim Vorort eingegangenen Geldleistungen, sondern lediglich die Verzeichnisse des aus diesen Leistungen an den Tempel- schatz der Athene Parthenos abgelieferten Anteils. Wie dieser letztere berechnet ist, war steitig geblieben; nun ergab sich aus dem von K. gefundenen Stein, dafl die StadtgOttin eine Mine vom Talent, also ein Sechzigstel der Tribut- gelder erhielt. Damit war denn zugleich die H6he der eingegangenen Tribut- summen urkundlich sicher gestellt. Zugleich war aber auch der Unsicherheit fiber die Zeitbestimmung dieser Urkunden ein Ende gemacht, denn hier war die 34. Jahresrechnung datiert nach dem eponymen Archon des Jahres 421 (Ol. 89, 4); sie hatten mithin 454 begonnen, und damit war fiir die Kenntnis der Machtstellung Athens im 5. Jahrhundert einer der wichtigsten Marksteine gewonnen. Denn die Einfuhrung der Quotenangabe an den Schatz der Athene Parthenos steht im Zusammenhang mit der Uberffihrung des Bundes- schatzes von Delos nach Athen. Kaum zwei Monate nach seiner Ankunft in Athen konnte K. von seinem Funde A. Kirchhoff Mitteilung machen, der ihn der Preufiischen Akademie der Wissenschaften vorlegte (Sitzungsberichte der Preuflischen Akademie der Wissenschaften 1865 S. 209ft.)- Was A. Rangabi und A. B6ckh versucht hatten, die auf den Seebund beztiglichen Inschriften historisch zu verwerten, konnte jetzt auf gesicherter Grundlage unternommen werden. Am 25. Oktober 1869 konnte Kirchhoff der Akademie die von K. bearbeiteten »Urkunden und Untersuchungen zur Geschichte des delisch- attischen Bundes* vorlegen (Abhandlungen der Preufiischen Akademie der Wissenschaftee 1869). Es war die reife Frucht funfjahriger Arbeit, mit der er sich als Meister der griechischen Epigraphik eingefuhrt hat. Die Schrift war entstanden in stetem Verkehr mit dem hier behandelten urkundlichen Material, befinden sich doch die Tributlisten alle in Athen. Seine epigraphische Methode, in der er von nun an stets gearbeitet hat, erscheint hier schon voll ausgebildet: vor dem Stein mufl das Verstandnis des Textes gewonnen werden, mufl sich das Urteil bilden fiber ZusammengehOrigkeit der heute in Fragmenten vorliegenden Urkunden. Die den Inschriften beigegebenen Unter- suchungen enthalten eine Darstellung der Geschichte des attischen Seebunds von seiner Entstehung bis zu seinem Untergang. Hier werden die aus den Inschriften gewonnenen neuen Ergebnisse verwertet unter Heranziehung der Uberlieferung bei den Histdrikern, mit stetem Eingehen auf die innere Ge- schichte Athens. Fiir den hier behandelten Zeitraum haben inzwischen die Inschriftfunde wenig, die Papynisfunde etwas mehr Aufschlufi gegeben. Die daran anschliefiende Forschung wfirde gut getan haben, an K.'s Aufstellungen festzuhalten, statt ihre eigenen Wege zu gehen.

Bereits im Jahre 1866 hatte die Preuflische Akademie K. den Auftrag

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erteilt, fiir die in Aussicht genommene Neubearbeitung des Corpus Inscrtp- tionum Graecarum den Bestand der in Athen bezw. in Attika befindlichen Inschriften zu revidieren oder neu abzuschreiben. Sein Vorganger im Sekre- tariat bei der Gesandtschaft, v. Velsen, hatte hier fleifiig vorgearbeitet, aber K. hat seinerseits noch einmal alles, was er an Inschriften in Athen zu sehen bekam, neu abgeschrieben, nur ein kleiner Teil in die Kaiserzeit gehGriger Inschriften war, als er 1872 Athen verliefi, noch nicht kopiert. Diese ge- waltige Arbeit, die er in verhaltnism&Big kurzer Zeit bewaltigt hat, ist es gewesen, die ihm seine erstaunliche Obung und Sicherheit in der Lesung griechischer Inschriften verschafft hat. Was in den sechs Foliob&nden des Corpus Inscriptionum Atticarum (Berlin 1873 1895) erschienen ist, beruht zum allergrdfiten Teil auf Abschriften, die K. von den Originalen in Athen an- gefertigt hat. In die Ausgabe hatten sich drei Epigraphiker geteilt: A. Kirch- hoff hatte die Inschriften der alteren Zeit vor Einfiihrung des gemeingriechi- schen Alphabets unter Archon Eukleides iibernommen, K. die Inschriften bis auf die Zeit des Augustus, W. Dittenberger die der Kaiserzeit Damit war ihm das umfanglichste Pensum zugefallen, und diese Arbeit hat denn auch seinen Forschungen fortan die Richtung gewiesen.

Sieben Jahre lang hat K. das Amt des Secretaire interprite bei der Gesandt- schaft in Athen bekleidet, seit 1867 hatte er, wenn der Gesandte v. Wagner auf Urlaub ging, diesen zu vertreten, da Bismarck einen diplomatischen Ver- treter zu senden nicht fiir notig fand. Fur die preufiische Politik hatte der Gesandtschaftsposten in Athen nur sehr untergeordnete Bedeutung; nachdem die danische Dynastie einmal gefestigt war, gait es dort nur das R&nkespiel der andern Grofimachte zu beobachten, das zeitweise im kleinen wiedergab, was sich unter grdfieren Verhaltnissen am Goldenen Horn vollzog. Uber- raschend schnell hat K. sich in das Parteigetriebe der griechischen Kararaer eingelebt, wie schon Berichte erkennen lassen, die er 1865 im Sommer an v. Wagner schickte, der mit den iibrigen Diplomaten dem K6nig Georg nach seinem Sommersitz Korfu gefolgt war. Als der preufiische Kronprinz im Herbst 1869 zur Erftffnung des Suezkanals nach dem Orient reiste, war K. ihm nach Kalanaki entgegen gesandt worden, um dann auch wahrend seines Aufenthalts in Athen bei der Besichtigung der Altertiimer ihm als Fiihrer zu dienen. Dafl K.s Wesen Eindruck machte auf den Kronprinzen, ergibt sich aus einem Brief des letzteren an Bismarck (2. Dezember 1869), worin er ihn schildert als »einen gelehrten Mann und Altertumsforscher, ungemein zuruck- haltend mit seinen Kenntnissen und Urteilen, aber auflerordentlich pr&zise in seinen Gedanken und klar in der Auffassung der dortigen Verhaltnisse*. War Wagner auf Urlaub, so hatte K. den politischen Bericht an den Minister- prasidenten in Berlin einzusenden. Handelt es sich hier um Vorgange des Tages, die von verschiedenen Seiten verschieden wiedergegeben werden, so unterscheidet er scharf die vorliegenden Nachrichten, stets sie abw&gend auf ihre Zuverl&fiigkeit und auf die Motive, die die Gegner geleitet haben. Bismarck ist die eigenartige Besonnenheit, die der Secretaire interprite in Athen zeigte, nicht entgangen; er hat an ihn das Anerbieten richten lassen, ganz in den diplomatischen Dienst iiberzutreten. Das Anerbieten war ehrenvoll; K. hat sich fiir die Gelehrtenlaufbahn entschieden.

Als im wiedergewonnenen Strafiburg die Universit&t neugestaltet werden

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mufite, berief ihn Herr v. Roggenbach zur Ubernahme des Lehrstuhls eines ordentlichen Professors fiir alte Geschichte und Altertumskunde; eine Berufung nach Gfittingen zwei Jahre zuvor hatte er ausgeschlagen. Im Februar 1872 verlieB er Athen, urn nach elfjahrigem Aufenthalt im Siiden in die deutsche Heimat zuriickzukehren. Der Ubergang aus dem Bureau der Gesandtschaft und der stillen Gelehrtenstube zu Athen in die akademische Tatigkeit ist K. nicht leicht geworden. Aber der frisch aufstrebende Geist, der damals das neue Deutsche Reich durchdrang und der auch in der verjiingten Hochschule Strafi burgs seinen Ausdruck gefunden hatte, hat auf ihn gewirkt. In dem Kreise der jungen dorthin gezogenen Dozenten fand er auch einige seiner rdmischen Bekannten, andere wurden neu gewonnen. So kam es, dafi, als im Juni 1874 die Zentraldirektion des Archaologischen Instituts ihn einmiitig zum SekretSr fur das zu griindende Institut in Athen vorgeschlagen hatte, er ablehnte. Erst als sich ergeben hatte, dafl fur das inzwischen eroffnete Institut eine andere zu dessen Leitung geeignete Personlichkeit nicht vorhanden war, hat er sich im Juli 1875 entschlossen, wiederum nach Athen zu gehen.

Mit der Begrundung der Zweiganstalt des Archaologischen Instituts in Athen war ein Lieblingswunsch von E. Curtius in Erfullung gegangen, der seit Jahren dahin gestrebt hatte, der archaologischen Forschung in Athen einen Sammelpunkt zu schaffen, von dem aus verfolgt werden kdnne, was an Denkmalerfunden auf dem Boden Griechenlands und Kleinasiens zum Vor- schein komme, wie es von Rom aus fur Italien und Sizilien geschehen war. Da K., wie kein anderer unter den deutschen Gelehrten damals, mit den Verhaltnissen in Griechenland vertraut war, hatte man, als die Vorarbeiten zur Begrundung der Anstalt im gang waren, auch von ihm ein Gutachten eingefordert; es stammt schon aus der Zeit, da fv mit seiner Ubersiedelung nach Strafiburg umging. Er verlangt fiir die Leitung des Instituts »einen deutschen Gelehrten von Ruf, dessen Studien sich auf der breitesten Basis historischer Forschung bewegten, und der im Stande ware, die Anstalt auch

nach aufien wtirdig zu vertreten Der Posten des Institutsleiters wird

seiner Natur nach ein Vertrauensposten sein, wie mehr oder weniger die- jenigen aller im Ausland jesidierenden selbstandigen Beamten«. Nun hatte er selber die Leitung des Instituts zu ubernehmen.

In den ersten Tagen des November 1875 traf er wieder in Athen ein. Nahe der Universitat, an der Akademiestrafie, in einem neuen, dem Bankier Kordellas geh&rigen Hause, dem Lykabettos gegeniiber war der Sitz des Instituts; hier war die Wohnung des Sekret&rs, Raume fiir die abzuhaltenden wissenschaftlichen Versammlungen und die Bibliothek, sowie ein paar Zimmer fiir Stipendiaten. Am Winckelmannstage (9. Dezember) hielt K. die erste Versammlung im Institut ab; »Uber Unionsversuche in der griechischen Ge- schichte* handelte sein (ungedruckt gebliebener) ErOffnungsvortrag. Mit den von einheimischen wie fremden Gelehrten stets stark besuchten Sitzungen des Archaologischen Instituts in Rom verglichen, war die Zahl derer, die gewohn- Hch in Athen an den Sitzungen teil nahmen, klein; aber K. hat es verstanden, aus den in Athen dauernd oder voriibergehend anwesenden deutschen und aufierdeutschen Gelehrten einen Kreis heranzuziehen, dem auch stets einige der griechischen Archaologen angehort haben. Im Sommer 1876 konnte das neu geschaffene Organ, die »Mitteilungen des Archaologischen Instituts

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in Athen« zu erscheinen beginnen; bei dem damaligen Zustand der dortigen Druckereien keine leichte Aufgabe, mufiten doch die Typen erst aus Paris kommen, die zu ver6ffentlichenden Tafeln grofienteils in Deutschland ange- fertigt werden. Durch seine persOnlichen Beziehungen wufite K. in den ersten Jahren eine Anzahl der namhaftesten deutschen Archaologen, wie O. Benndorf, E. Curtius, R. Kekul6, A. Michaelis als Mitarbeiter zu gewinnen. Jiingere nach Athen kommende Archaologen betraute er zunachst damit, einzelne Teile des griechischen KOnigreichs auf ihren Denkmalervorrat genauer zu untersuchen, so bereiste R. Weil die Kykladen und Kythera, A. Milchhofer und H. Drusel Lakonien, G. Kdrte B5otien, um zugleich auch den Bestand der neu geschaffenen Lokalmuseen aufzunehmen. Ein weiterer von Milchhofer erstatteter Antikenbericht liber Arkadien hat zur Grabung am Athene-Tempel von Tegea gefuhrt, der ersten derartigen Untersuchung von seiten des Instituts, auf welche dann die von Lolling geleitete Ausgrabung des Kuppelgrabes von Menidi (1880) gefolgt ist. A. Furtwangler und G. Lbschcke hatten die Vasen- funde aus Schliemanns Mykenischen Ausgrabungen untersucht, und als 1879 das ROmische Arch£ologische Institut sein funfzigjahriges Bestehen feierte, konnte ihm eine stattliche Publikation »Mykenische Thongef&fle« als Festgabe dargereicht werden. Wie zu den Ausgrabungen in Olympia (1875 1881) wiederholt Mitglieder des Instituts mit herangezogen wurden, so seit 1879 zu denjenigen in Pergamon. Von nun an griffen die Arbeiten des Instituts auch hiniiber nach Kleinasien. R. Koldewey konnte 1880 mit Ausgrabungen auf Lesbos beginnen, E. Fabricius in Samos die Wasserleitung des Eupalinos untersuchen, und brachte dann aus Kreta 1884 den Text des Gesetzeskodex von Gortyn mit. E. Diimmler wurde nach Kypros gesandt, die dortigen GrSberfunde zu untersuchen. Von Jahr zu Jahr wuchs das Arbeitsgebiet des Instituts, die reichen Ergebnisse der Reisen kamen der Institutszeitschrift zugute. Aber die besten und gediegensten Beitrage fiir dieselbe riihren von K. selbst her. »Die griechische Politik Dionysios des Alteren* behandelt der Aufsatz, mit dem er den ersten Band der Athenischen »Mitteilungen« erOffnet hat. Dieser und noch eine stattliche Reihe Shnlicher Arbeiten entstanden, w&hrend er mit dem Corpus Inscripfumum Atticarum besch&ftigt war. Vor allem an den athenischen Volksbeschliissen hat er gezeigt, wie sie als historisches Urkunden- material zu verwenden sind, um die literarische Oberlieferung zu erganzen. Die Jahre, die er als Secritaire interprlte an der Gesandtschaft verlebt hatte, waren fiir ihn eine gute Schulung gewesen zur Behandlung historischer Fragen. Findet sich doch in so manchem seiner politischen Berichte, die er damals nach Berlin zu senden hatte, auf Vorgange der jlingsten Tagesereignisse an- gewendet genau dieselbe Methode, die wir ihn anwenden sehen, wenn er Ereignisse der Pentekontagtie oder des 4. Jahrhunderts an der Hand lite- rarischer oder epigraphischer Oberlieferung zu behandeln hat.

Seit 1879 fugte er den »Mitteilungen« auch kleinere numismatische Arbeiten ein; er hat es spSter bedauert, die antiken Miinzen nicht zeitiger in seinen Studienkreis gezogen zu haben. Was er danach in Athen, und sp&ter in Berlin aus diesem Gebiete verOffentlicht hat, beruht im wesent- lichen auf seiner eigenen damals angelegten Sammlung, die vorzugsweise den Miinzen Athens sich zuwendete. Auf diesem Spezialgebiet hatte er, ob- wohl er nur bescheidene Mittel aufgewendet hat, Seltenheiten erworben, um

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die ihn manch reicher Sammler beneidet hatte. Er hat als Gelehrter ge- sammelt; oft von scheinbar geringfiigigen Tatsachen ausgehend, zeigt er auch in seinen numismatischen Arbeiten den weiten historischen Blick, der nie hangen geb'lieben ist bei der Einzelerscheinung. Fur die griechische Munz- geschichte von besonderem Interesse geworden ist seine Entdeckung des alten peloponnesischen Eisengeldes (Athen. Mitt. 1882 S. 1). K. war in erster Linie Epigraphiker, die antiken Munzen hat er zur Erganzung seiner epi- graphischen Studien herangezogen. Wohl verstandlich ist es daher, dafl im Angesicht der Schliemannschen Funde von Troja und von Mykene, ihm die Aufierung entfallen konnte: »Das wird uns keine Geschichte liefern konnen fur die Zeit, da es noch keine Schrift gab«. Aber beim Anblick der Kuppelgr&ber von Spata und Menidi hat er seine Anschauung geandert, und bereits beim Winckelmannsfest 1879 hat er den Versuch gemacht, den merk- wurdigen Grabbauten, wie sie urn jene Zeit aus dem ganzen Sstlichen Griechenland bekannt wurden, ihre universalgeschichtliche Stellung anzu- weisen. Schon sehr friihe hat er auf Kreta als den Ausgangspunkt fiir jene friibgeschichtliche Kultur hingewiesen, an die Mitwirkung der Karier bei der alten Inselkultur immer von neuem erinnert. Als spater die von A. Evans entdeckten »Pictographs« in der Archftologischen Gesellschaft zu Berlin vorgelegt wurden, hat er sich auch einmal entschlossen zur Sitzung zu kommen.

Der lange Aufenthalt in Athen hat ihn dazu gefuhrt, seine Lebensgewohn- heiten dem Klima anzupassen. Hatte er im Sommer auf der Akropolis oder in Museen Inschriften zu kopieren, so war er der Erste, der im Institut auf- brach. Oft genug hat er die alten Invaliden auf der Burg in der Friihe aus dem Schlafe geweckt, um dann gegen 8 Uhr nach vollendeter Arbeit wieder nach seiner Wohnung zu kommen. Es war das nur die Fortsetzung der Arbeitsweise, die er bereits an der Gesandtschaft geiibt hatte. Sein Sommer- urlaub hat ihn stets nach Deutschland gefuhrt, und niemals sind dann seine AngehGrigen in der Thiiringer Heimat ubergangen worden.

Schon in den ersten Jahren seiner Amtsfiihrung am Institut hat sich fiir K. das Bedurfnis herausgestellt, einen wissenschaftlichen Hilfsarbeiter bei sich zu haben; F. v. Duhn, G, KOrte, A. Milchhofer hat er der Reihe nach herangezogen, zuletzt den als Kenner der griechischen Landeskunde wie als Epigraphiker von ihm gleichgeschatzten H. G. Lolling. Diesen dem Institut zu erhalten, hat er sich allerdings vergeblich bemiiht. Ihm hatte er die Aufgabe zugedacht, der er selbst, so lange er in Athen gewesen ist, mit stets gleich unermudlichem Eifer sich gewidmet hat, fortdauernd zu iiber- wachen, was an inschriftlichen Funden vor allem in Athen zutage komme, ahnlich wie in Rom dem einen Sekretar des Instituts wesentlich die Epigra- phik zugewiesen ist. Der Entwicklungsgang des Instituts ist dann ein anderer geworden. W. Dftrpfeld, der nach dem Abschlufl der Ausgrabungen von Olympia dem Institut beigegeben worden ist, seit 1883 als zweiter Sekretar neben K. in Athen, hat, als er K.s Nachfolger wurde, den Verh&ltnissen Rechnung tragend, die Arbeiten des Instituts nach anderen Seiten geleitet.

Im Sommer 1886 scheidet K. von Athen. J. G. Droysen war in Berlin gestorben, er sollte als Lehper der alten Geschichte sein Nachfolger an der dortigen Hochschule werden. Zu Beginn des Wintersemesters 1886 hat er

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die akademische Lehrtatigkeit wieder aufgenommen. Er las Geschichte der orientalischen Volker und, auf drei Semester verteilt, Geschichte Griechenlands bis in die Zeit der hellenistischen Reiche; der Abschnitt uber die Pente- kontaetie fand am meisten Beifall bei der studierenden Jugend. Seine Vor- lesung (vierstiindig) hielt er friih von 8 9, um den Tag zu eigener Arbeit zu behalten. Am meisten zur Geltung gekommen ist seine Gabe als Lehrer in den Ubungen im Institut fur Altertumskunde, wo er seine Schiller in eine methodische Behandlung der Geschichtsquellen, der literarischen wie der epigraphischen, einzufiihren gewufit hat. Schule zu machen, war bei K.s in sich gekehrtem, verschlossenem Wesen nicht moglich; aber es haben sich jeder- zeit gerade aus der Zahl der tuchtigsten jungen Leute solche gefunden, die dankbar zu schatzen gewufit haben, was hier ihnen geboten wurde.

Als die Arbeit am Corpus Inscripttanum Atticarum ihrem Ende entgegen ging, sehen wir K. an einer andern Aufgabe wieder einsetzen, die ihn schon in Straflburg beschaftigt hatte, an einer Geschichte Makedoniens und der makedonischen Reiche. Zeitweise hat er auch einmal eine Reise nach Makedonien geplant, sie ist so wenig zur Ausfuhrung gekommen, wie die andern vielen Reiseplane, die er im Laufe seines zweiten Aufenthalts in Athen und spater in Berlin gefafit hatte. Was er bei einer Geschichte Make- doniens zur Darstellung bringen wollte, zeigt der Aufsatz uber Konig Archelaos (Sitzungsberichte der Preufiischen Akademie 1893 S. 487 ft.) und uber »Das asiatische Reich des Antigonos* (ebenda 1898 S. 824 ff.) am deutlichsten. So hat nach Droysen kein anderer die verworrenen Zeitverhaltnisse der hellenistischen Reiche durchgearbeitet, und sie aufzuhellen verstanden. Seine Vorlagen fiir die Sitzungen der Akademie, der er seit 1870 als korrespondierendes, seit 1888 als ordentliches Mitglied angehdrt hat, sind zum grfifiten Teil seinen Forschungen uber makedonische Geschichte entnommen. Auf E. Curtius hat er in der Akademie am 1. Juli 1897 die Gedfichtnisrede ge- halten, die dem Verewigten voile Gerechtigkeit widerfahren l&Bt; aber seine eigene Auffassung der griechischen Geschichte war eine andere, die ihn von selbst auf G. Grote und J. G. Droysen hingefiihrt hat. Sein feines Verst&nd- nis fiir die Behandlung politischer Fragen ist es, was seinen historischen Forschungen ihren bleibenden Wert verleiht, was ihn auch bei triimmerhafter Uberlieferung befahigt in verfassungsgeschichtlichen Untersuchungen zu greif- baren Resultaten zu gelangen. Blendend ist seine Arbeitsweise nicht, die Ergebnisse aber sind um so wertvoller.

In seine Wirksamkeit in Berlin hat ein Vorgang tief eingegriffen, der sich in der Akademie abgespielt hat. Wahrend er an dem von ihm iiber- nommenen Teil der attischen Inschriften drucken liefi, hatten die grofien, von der Griechischen Archaologischen Gesellschaft unternommenen Ausgrabungen auf der Akropolis, in Eleusis und anderwSrts eine solche Fulle wichtiger In- schriften zutage gef6rdert, wie nie zuvor, so dafi es als ein vollauf berechtigter Wunsch K.s erscheinen mufite, wenn er nun nicht mehr Supplcmcnta und Addenda drucken lassen wollte, sondern sich zu einer zweiten Bearbeitung erbot. Betrachtete er doch das Inschriftenwerk als seine Lebensaufgabe, einmal abgeschlossen, sollte es Generationen hindurch dienen. Dafl ihm die Neubearbeitung, die in absehbarer Zeit gar nicht zu umgehen sein wird, versagt worden ist, hat seinen berechtigten Gelehrtenstolz schwer verlettt

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und ihn dem damaligen verdienten Leiter des Inschriftenwerks in der Akademie fur immer entfremdet. Einem alten Bekannten, der sich mit einer Auskunft uber Inschriften damals an ihn wandte, schrieb er, dafl ihm epigraphische Dinge jetzt fern lagen. Das oben zitierte Wort aus seiner in der Akademie gehaltenen Antrittsrede hat sich nochmals, aber in ganz anderer Weise als dereinst in Athen, an ihm erfullen sollen. In den letzten Jahren hat er sich vom geselligen Verkehr immer mehr abgeschlossen, kaum dafl er bei seinem nachsten Freunde noch in den Ferien sich sehen liefl. Am iy.Oktober 1901 las er zum letzten mal in der Akademie »t)ber die Korrespondenz zwischen dem asiatischen Herrscher Antigonos und der Stadtgemeinde der Skepsier*, die in einer neugefundenen Inschrift zum Vorschein gekommen war (Sitzungs- berichte 1901 S. 1057 ff.). An der Universit&t hatte er sich fur das Winter- semester beurlauben lassen; er hat das Katheder nie wieder betreten. Die gesuchte Erholung blieb aus; ein Gehirnleiden hat allmahlich zu geistiger Umnachtung gefiihrt. Einsam, wie er gelebt, ist er auch dahingegangen. Am 24. Oktober 1903 hat ihn ein kleiner Kreis von Freunden auf dem Luisen- kirchhof in Charlottenburg zur letzten Ruhe geleitet.

Literatur: Ktihlers umfangreichere Publikationcn sind im Obigen bereits genannt; seine wissenschaftliche Arbeit ist aber zum grofien Teil in Zeitschriftaufsatzen nieder- gelegt. Hier kann darum nur das Wichtigste daraus aufgez&hlt werden. Base esistente ntlla Villa Patnfili-Doria: Annali d. Inst. archcoL 1863 S. 195; Monuments VI, VII, t. 76. Statua di Cesar e Augusto: Annali 1863 S. 432; Mon. ifi. 84. Statua di Faustina: Annali 1863 S. 459; Mon. id. Statua di Ercole in oronzo del pal. Righetti: Bullet/. 1864 S. 227. Vaso di Altamura con rapprtscntaxionc in/ernale: Annali 1864 S. 283; Monum. VIII, t. 9. AntichUa delta Greciax Bullett. 1865 S. 134. 1866 S. 104. Frammento dun rendiconto Attic o sopra I'erexione di due statue: Annali 1865 S. 315. Cber ein neu entdecktes Fragment der sog. Tributlisten : Sitzungsberichte der Preufiischen Akademie 1865, 209. Ober zwei neu entdeckte Bruchsttlcke von Poletenurkunden, ebenda 541. Ober die Zeit der Archaresien, ebenda 1866, 343. Vorlaufiger Bericht Uber eine neue Bearbeitung der attischen Tributlisten, ebenda 1869, 149. Ober zwei Inschriften aus dem aufieren Kerameikos von Athen: 1870, 272. Ein neues Aktensttick aus der Finanz- verwaltung des Lykurg: »Hermes«, Zeitschr. f. klass. Phil. 1 (1866), 312. Attische Inschriften, 2, 16. Cber die Praeskripte einiger attischer Psephismen, 2, 321, 5, 1. 5, 328. 7, 159. Studien zu den attischen Psephismen, 3, 456. Aus der Finanzverwaltung Lykurgs, 5, 223. Der Areopag zu Athen. Ein Beitrag zur To po graph ie und Stadtgeschichte, 6, 92. Ein Verschollener, 7, 1. Die griechische Politik Dionysios des Alteren: Mitteilungen des Deutschen Archaologischen Instituts in Athen 1 (1876), 1. Bronzestatuette aus Chalkis, 1, 97. Ein griechisches Gesetz liber Todtenbestattung (Keos), i, 139. Ober zwei athenische Ver- tragsurkunden, 1, 184. Ober den auswartigen Besitzstand Athens im zweiten Jahrhundert, i, 257. Zur Geschichte des Nikiasfriedens, 1, 171. Torso eines Apoxyomenos, 2, 57. Attische Psephismen aus der ersten Halfte des 4. Jahrh., 2, 138. Der Sttdabhang der Akropolis zu Athen nach den Ausgrabungen der Archaologischen Gesellschaft, 2, 171. Drei Hypothekensteine aus Spata 2, 277. Ober die Zeit und den Ursprung der Grab- anlagen in Mykene und Spata, 3, I. Mauerbauinschriften aus dem Piraeus und Athen, 3, 49. Dokumente zur Geschichte des athenischen Theaters, 3, 104. Die Lage des Thesmothesion in Athen, 3, 144. Hallenanlage am SUdfuO der Akropolis, 3, 147. 4>iccXat iJe>.£u9epixot(, 3, 172. Epigraphische Mitteilungen, 4, 30. Eine attische Marineurkunde, 4i 79* Attische Prytanen- urkunden, 4, 97. Die Mlinzen von Salamis, Eleusis und Oropos, 4, 250. Attische Ephebenstele, 4, 324. Gefafie aus Aegina, 4, 366. Beitrage zur Periegese der Akropolis, 5, 89. Attische Schatzurkunde aus dem Ende des 4. Jahrh., 5, 268. Die von R. Bohn auf der Akropolis ge- fundenen Inschriften, 5, 317. Torso aus Athen, 5, 368. Aus den attischen Seeurkunden, 6, 21.

21*

^ 24 Ktthler. Gegenbaur.

Die Mttnzen der Kleruchen auf Delos, 6, 238. Der Plutos des Kephisodot, 6, 363. Zur Ge- schichte des griechischen Mlinzwesens, 7, 1. Aus den attischen Inschriften, 7, 96. Zu den Mtinzen von Imbros, 7, 149. Mykenische Schwerter, 7, 241. Das Zwanzigstel des Thrasybul,

7, 313. Inschrift der Kleruchen auf Samos, 7, 367. Peloponnesisches Eisengeld, 7, 377. Mykenische Silbergefafle, 8, 1. Choregeninschrift aus A then, 8, 31. Inschriften der Ergastinen,

8, 57. Aus den attischen Marineinschriften, 8, 181. Attische Psephismen aus den Jahren der Teuerung, 8, 211. Bruchstticke eines alten Lehrbuchs der Grammatik (Inschr.) 8, 359. Eine Illustration zu Theognis, 9, 1. Inschrift des Glaukon, 9, 49. Praxiteles der Altere,

9, 78. Attischer Volksbeschlufi aus dem 6. Jahrh., 9, 117. Prahistorisches von den griechi- schen Inseln, 9, 156. Proxenenliste von Keos, 9, 271. Die Genossenschaft der Dionysisten im Piraeus, 9, 288. Numismatische Beitrage, 9, 354; 10, 151. Inschrift aus Samos, io, 32. Potanos, ein Beitrag zur Topographie der attischen Deinen, 10, 105. Die choregische In- schrift des Nikias, 10, 231. Die attischen Grabsteine des 5. Jahrh., 10, 359. Ober die Archaologie des Thukydides: Comment. pkiloL u h. Th. Mommscni. Berol. 1877. Die Grundung des Konigreichs Pergamon: Sybels >Hist. Zeitschr.« 47, 1. Numismatische Bei- trage: »Zeitschr. f. Numismatik* 12 (1885), 103. Cber die attische Goldpragung, 21, i. Hermokopideninschriften : »Hennes« 23 (1888), 392. Die Grabstatte bei der Hagia Trias, ebenda 474. Beitrage zur Geschichte der Pentekontaetie, 24, 85. Zur Geschichte des amphilochischen Krieges, 26, 43. Herakleides der Klazomenier, 27, 68, Attische Inschriften des 5. Jahrh. 31, 137. Cber die auf das Bild der Parthenos beziiglichen Rechnungs- urkunden: Sitzungsberichte der Preufiischen Akademie der Wissenschaften 1889, 223- Cber die Diadochengeschichte Arrians, 1890, 557. Cber einige Fragmente zur Diadochen- geschichte, 1891, 207. Philipp II. und die chalkidischen Stadte, ebenda 473. Die Zeit der Rede des Hypereides gegen Philippides, ebenda 931. Die Zeit der Herrschaft des Peisistratos in der 7toXrce(a 'AS^vafav, 1892, 339. Cber das Verhaltnis Alexanders des Grofien zu seinem Vater Philipp, 1892, 497. Makedonien unter Konig Archelaos, 1893, 4&9- Cber eine neue Quelle zur Geschichte des dritten syrischen Krieges, 1894, 445. Die athenische Oligarchic des Jahres 411 v. Chr., 1895, 451* Zur Geschichte Ptolemaios II. Philadelphos, ebenda 965. Cber die IIoXiTefa AaxeSatfjLOvfov Xenophons, 1896, 361. Zur Geschichte des athenischen Mtinzwesens, ebenda 1089. Cber Probleme der griechischen Vorzeit, 1897, 258. Die Eroberung Asiens durch Alexander d. Gr. und der korinthische Bund, 1898, 120. Das asiatische Reich des Antigonos, ebenda 824. Der thukydideische Bericht fiber die oligarchische Umwalzung in Athen im Jahre 411, 1900, 803. Cber die Korrespondenz zwischen dem asiatischen Herrscher Antigonos und der Stadtgemeinde der Skepsier aus dem Jahre 311 v. Chr., 1901, 1057. Gedachtnisrede auf Ernst Curtius: Abhandlungen der Preufiischen Akademie, 1897.

Nekrolog: Mitteilungen des ArchaoL Inst, in Athen Bd. 24. Aufier den Akten des Archaologischen Instituts konnten im obigen auch die auf K. beziiglichen Akten des Auswartigen Amts benutzt werdcn, die der Reichskanzler Ftirst v. BUlow mir zur Verfflgung zu stellen die Freundlichkeit gehabt hat. R. Weil.

Gegenbaur, Karl, vergleichender Anatom, Professor in Heidelberg, * am 21. August 1826 zu Wurzburg, f 14. Juni 1903 zu Heidelberg. Uber G.s Kindheit sind wir durch die ersten Abschnitte seiner Selbstbiographie unter- richtet und k6nnen die bezeichnendsten Ziige seines Wesens bis zu ihren Wurzeln verfolgen (Erlebtes und Erstrebtes, Leipzig 1901).

Von vaterlicher und mutterlicher Seite stammte G. von Familien ab, in denen geistige Interessen die Herrschaft fiihrten und ein tatkraftiges Wesen sich von Geschlecht auf Geschlecht vererbte. Des Lebens ernstes Fuhren war Familienart, die auch auf G. uberging. Im besonderen war aber offen- bar der EinfluB der Mutter mitbestimmend fur die Richtung, die seine Ent- wicklung nahm. So verdankte er der Mutter die erste Anregung zur Be-

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sch&ftigung mit naturwissenschaftlichen Dingen, namentlich mit der heimischen Pflanzenwelt. Wahrend der ganzen Schulzeit fiillten dann auch botanische und zoologische Bestrebungen seine ganze freie Zeit aus, und friihzeitig wurde die Beobachtungsgabe geubt und der Blick gescharft. Auf weiten Streifziigen durch Feld und Wald sammelte er die Gegenstande seines Interesses und erwarb sich gleichzeitig in der lieblichen Umgebung der Orte, in denen er seine Kinderjahre verlebte, auch ein tiefes Verstandnis fur die SchSnheiten der Natur.

Die historischen Erinnerungen seiner frankischen Heimat weckten friih den Sinn fur die Geschichte des Vaterlandes und bereiteten den Boden fur den warmen echten Patriotismus des Mannes, der mit Begeisterung dem grofien Schflpfer des Reiches anhing. Das 1845 in Wiirzburg abgehaltene erste deutsche Sangerfest hatte schon dem Jiingling die geistige Zusammen- geharigkeit aller deutschen Stamme vor die Seele gefuhrt.

Aus der Jugend brachte G. als einen Schatz fur das ganze Leben eine tiefgehende klassische Bildung mit, so viel auch an dem Wiirzburger Gym- nasium, das er nach der Lateinschule in Weifienburg in Mittelfranken be- suchte, auszusetzen war. Er blieb ein warmer Freund der humanistischen Bildung. »Die klassische Literatur blieb mir eine treue Freundin, die in alien Lebenslagen mir nahe stand* sagt er selbst in seinen Jugenderinnerungen. Der Verfasser wird nie vergessen, welche Verklarung sich nach einer Auf- fiihrung des Oedipus Rex in Heidelberg auf dem Antlitz G.s auspragte.

Ungewollterweise fdrderte aber andererseits das ultramontan geleitete Wiirzburger Gymnasium die scharfste Abneigung gegen jeden geistigen Zwang und jede geistige Bevormundung auch kirchlicher Art.

Im Jahre 1845, m^ x9 Jahren, bezog G. die Universitat seiner Heimat- stadt, um zunachst das alien Studierenden vorgeschriebene sogenannte Biennium philosophiatm zu erledigen, das bei semesterweisen Priifungen den Studenten eine allgemeine Grundlage in Philosophic und Geschichte geben sollte. Die Studenten wurden bestimmten Dozenten zugewiesen, von Horfreiheit war keine Rede und G. hatte alien Grund, mit den Lehrern, deren Vorlesungen er horen muflte, unzufrieden zu sein. Mit Freuden begriifite er den Abschlufi dieser Zeit. Sein eigentliches Ziel war ihm langst klar, ihn fesselten die Naturwissenschaften. Wenn er sich als Mediziner immatrikulieren lieB, so war es die Absicht, Naturforscher zu werden, die ihm iiber das Fachstudium hinaus vorschwebte. Mit Widerstreben gab der Vater seine Einwilligung. Er hatte es lieber gesehen, wenn sein Sohn in die in seiner Familie herkomm- liche Beamtenlaufbahn eingetreten ware. Die Mutter erwirkte in vollem Ver- standnis des Wesens ihres Sohnes die Zustimmung des Vaters.

Wenn G. durch seine naturwissenschaftlichen Neigungen in die medi- zinische Fakultat gefuhrt wurde, so ist dies verstandlich durch die glanzende Vertretung, besonders der anatomischen Facher. Es war die Zeit, in der Albert KOlliker, von Zurich berufen, in Wiirzburg soeben seine ausgedehnte Lehr- und Forschertatigkeit begonnen hatte, die ihn zu einer Hauptzierde der Universitat machen sollte. Dort wirkte als Vertreter der mikroskopischen Anatomie der spater auf seinem Gebiet so beriihmt gewordene Franz Leydig, auch als Charakter von G. hoch geschatzt und mit ihm bald innig befreundet, ferner Heinrich Miiller, der, wie G. hervorhebt, sich durch seine Unter-

j 26 Gegenbaur. (

suchungen iiber die Netzhaut ein bleibendes Denkmal geschaffen hat. Von besonderer Bedeutung fur Wiirzburg und den jungen G. war endlich die Berufung Rudolf Virchows von Berlin, des bahnbrechenden Begriinders der neueren pathologischen Anatomie und FOrderers des Gesamtgebietes der Ana- tomic Auf anatomisch-zoologischem Gebiet also ein frisches jugendliches Streben. Uberall Fortschritt Die Lehrer selbst noch in der Entwicklung be- griffen und dadurch dem strebenden Sinn des Schtilers verwandt. Vor allem von Virchow betont G., dafl man von Semester zu Semester das Fortschreiten seiner Erkenntnis in der Vorlesung beobachten konnte. Gewifi nicht ohne fflrdernden Einflufl war auch die Teilnahme an den Sitzungen der physi- kalisch-medizinischen Gesellschaft, in denen auch die bedeutendsten seiner Lehrer iiber ihre Forschungsergebnisse vortrugen. So war es also wohl be rechtigt, dafi G. wahrend seiner ganzen Studienzeit Wiirzburg treu blieb.

Die Sturme der Revolutionszeit gingen fast spurlos an der Universitat voriiber. Im Verkehr mit einer Anzahl naherer Freunde, von denen Nicolaus Friedreich aus Weiflenburg, der spStere beriihmte Heidelberger Kliniker, besonders hervorzuheben ist, hielt G. sich auch von dem iiblichen studenti- schen Treiben fern.

Auf Friedreichs Anregung hin trat G. gegen Ende seiner Studienzeit in das Juliusspital als Assistent ein, wo er auf verschiedenen Abteilungen ein- gehender mit medizinischen Disziplinen vertraut wurde und Erfahrungen sammelte, die auch dem kunftigen Lehrer der Anatomie dereinst von Wert sein mufiten.

Sein Herz gehOrte aber den Naturwissenschaften, denen er jetzt nur die Abend- und Nachtstunden widmen konnte. Als er am 15. April 185 1 zur Promotion zugelassen wurde, sehen wir auch, dafl er bei der Qucustio promovmdi, einem Vortrag, den der Examinand aufler der Verteidigung seiner Thesen zu halten hatte, ein botanisches Problem erwShlte, die Ver&nderungen der Pflanzenwelt. In diesem fur die Gedankenrichtung G.s aufierordentlich wichtigen Vortrag, ging er aus von der Variability der Pflanzenarten und die hierauf beruhende Unbest£ndigkeit der Art. Aus ihr ergabe sich die MOglichkeit einer Entwicklung des Pflanzenreiches. Der Entwicklungsgedanke gelte auch fur die Tiere, auf welche sich der Promovend jedoch, wie er sagte, nicht einlassen wollte, da seine Kenntnisse ihm hierzu nicht auszu- reichen schienen.

Der genetische Zusammenhang der Organismen kommt also hier in diesen Darlegungen G.s, mehrere Jahre vor dem Auftreten Darwins, klar zum Ausdruck. Gleichzeitig zeigte sich jetzt schon gl&nzend die Fahigkeit, die Ergebnisse der unmittelbaren Beobachtung geistig zu durchdringen und zu allgemeinen Schluflfolgerungen zu verwerten. Seine Dissertation handelte: De limacis evolution.

Den jungen Doktor hielt es nun nicht mehr langer in Wiirzburg, er nahm Urlaub vom Juliusspital, um Norddeutschland zu durchwandern. Das, was ihn dorthin trieb, war nicht nur der Wunsch, seine Kenntnis des Vater- landes zu erweitern. Vor allem zog ihn die Person des Physiologen und Anatomen Johannes Miiller, des bedeutendsten Vertreters seiner Wissenschaft, nach Berlin. Hier fand er freundlichstes Entgegenkommen und Anteilnahme an seinem Streben. Auf Anregung Johannes Miillers ging er nach Helgoland,

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urn sich durch eigene Anschauung mit der Fauna des Meeres vertraut zu machen. Es war eine Rekognoszierung in einem groflen, an neuem iiber- reichen Gebiet. Sie hinterliefi in G. die Oberzeugung, dafl das Studium der marinen Organismen fiir seine zoologische Fortbildung eine Notwendigkeit war und dafl hier noch die wichtigsten Fragen ihrer Ldsung harrten.

Der Wunsch, seine Studien am Meere fortsetzen zu konnen, sollte G. bald in Erfiillung gehen. Nach der Riickkehr in die Heimat waren die zwei Jahre, fur welche er sich dem Juliusspital verpflichtet hatte, voriiber, er war frei und konnte nun, dem Rat Kdllikers folgend, ans Mittelmeer ziehen, nach Messina, wohin Kolliker und H. Miiller ihm vorangingen (1852). Es gab keinen geeigneteren Platz fiir seine Zwecke. Ein ungeheurer Reichtum an Formen trat ihm hier entgegen, die jeden, der zum erstenmal als Zoologe an jene Orte kommt, mit staunender Bewunderung erfullt. Gewifl fand er in Kftlliker einen kundigen Berater, bemerkenswert bleibt es doch, wie schnell er sich mit dem gewaltigen Stoff vertraut machte und mit sicherem Blick eigene Forschungsziele fand.

Die ganze nachste Zeit seines Lebens ist wissenschaftlich befruchtet durch die mit grOfiter Anspannung betriebenen Studien w&hrend jenes gliicklichen Jahres im Siiden. Wenn G. auch friihzeitig, schon als Student zum Teil gemeinsam mit seinem Freunde Friedreich Untersuchungen auf dem Gebiete der Wirbeltieranatomie (Der Schadel des Axolotl, beschrieben und abgebildet [mit N. Friedreich), Bericht der KSnigl. Zoologischen Anstalt, Wiirzburg 1849; Untersuchungen iiber die Tasthaare einiger S£ugetiere, Zeitschrift fiir wissen- schaftliche Zoologie, III. 1851) vorgenommen hatte, so beherrschen doch bis etwa zum Jahre 1858 die Wirbellosen sein Interesse. Durch eine grofie Reihe von Arbeiten fdrderte er die Kenntnis des Baues und der Entwicklungs- geschichte aller Abteilungen der Evertebraten. Wie es die Zusammensetzung der Fauna von Messina mit sich brachte, waren es hauptsachlich die schwimmenden Formen, die er untersuchte. Einen besonders groflen Raum nehmen unter den Verdffentlichungen jener Jahre die Untersuchungen iiber Coelenteraten ein, aber auch iiber Protozoen, Wiirmer, Arthropolen, Echino- dermen, Mollusken erschienen Untersuchungen. Ganz besonders sei hier auch das im Jahre 1855 erschienene grofie Werk iiber die Heteropoden und Pteropoden hervorgehoben, das als ein Muster zootomischer Forschung gelten mufl, und noch heute jedem, der sich mit jener wundervollen Tiergruppe besch&ftigt, eine unentbehrliche Grundlage ist (Untersuchungen iiber Ptero- poden und Heteropoden. Ein Beitrag zur Anatomie und Entwicklungs- geschichte dieser Tiere. Leipzig 1855). Bedeutsam miissen auch seine Unter- suchungen iiber die Tunicaten genannt werden, nicht nur wegen ihrer unmittelbaren Ergebnisse, sondern auch mit Hinblick auf die zweite Epoche seines wissenschaftlichen Lebens, in deren Mittelpunkt die Wirbeltiere stehen. Handelt es sich doch hier um Formen, die als nahe Verwandte der Vertebraten zu betrachten sind.

Die Ergebnissse der an den Aufenthalt in Messina sich anschliefienden Jahre, die G. in die Reihe der ersten Zoologen jener Zeit stellten, erscheinen uns, die wir sein ganzes Leben iiberblicken, doch nur als Vorarbeiten fiir sein eigentliches Lebenswerk, das in der vergleichenden Anatomie der Wirbel- tiere gipfelt. Die tiefgriindige Kenntnis der tierischen Organisation von

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den einfachsten Anfangen an, machte ihn wie keinen anderen fahig, auch den Organismus der Wirbeltiere geistig zu durchdringen.

Damit sind wir aber der chronologischen Darstellung der Lebensschicksale G.s weit vorausgeeilt und miissen wieder zum Jahre 1852 zuriickkehren. Bei der Besprechung seiner Tatigkeit in Messina diirfen wir nicht iibergehen, dafi G. mit offenen Augen alles aufnahm, was sich ihm SchSnes in Kunst und Natur, Interessantes in historischer und kultureller Beziehung in Sizilien und auf seiner Hin- und Riickreise durch Italien bot. Eingehende Kenntnisse der Geo- logie und der Botanik boten ihm dabei vielseitigste Anregung und GenuB.

Nach mehr als einjahriger Abwesenheit kehrte G. in das Elternhaus zuriick und stand nunmehr vor der definitiven Entscheidung iiber sein Leben. Ihm war, wie wir seinen Jugenderinnerungen entnehmen, klar bewufit, dafi ihm die wissenschaftliche Laufbahn beschieden, dafi das Lehrfach die einzige ihn fesselnde und mit Freuden ausgeiibte Tatigkeit sei. Sein nachstes Ziel war die Habilitation, die Ende des Wintersemesters 1853/54 erreicht wurde. Zur Habilitationsschrift nahm er eine Untersuchung: Zur Lehre vom Gene- rationswechsel und der Fortpflanzung bei Medusen und Polypen (Verhand- lungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Wiirzburg IV, 1854). In den drei Semestern, in denen er als Dozent dem Wiirzburger Lehrkorper angehorte, las er ein Kolleg iiber Zoologie, einmal auch eine populare Vor- lesung iiber Anatomie und Physiologie fur Juristen auf vielfachen Wunsch, »denn das neue Gerichtsverfahren mit Offentlichkeit und Miindlichkeit machte auch medizinische Kenntnisse wiinschenswert.«

Einen Fortschritt in seiner aufieren Stellung versprach das Freiwerden der zootomischen Prosectur, aus der Franz Leydig schied. Seine Bewerbung, die mit einem bei Kolliker abzulegenden Examen verkniipft war, wurde je- doch gegenstandslos, da inzwischen, Sommer 1855, seine Berufung als ao. Professor fur Zoologie nach Jena erfolgte. Er entschlofi sich dem Ruf zu folgen, so schwer ihm auch der Abschied vom Elternhaus wurde. Es war wenig Platz fur ihn in Wiirzburg, dazu schien es ihm vortheilhaft in jungen Jahren den Ort zu wechseln, so lange noch neue Eindriicke zur eigenen Entwicklung fruchtbar werden konnten. In dieser Hinsicht war seine Berufung gerade nach Jena ein besonders gluckliches Ereignis. Wir werden sehen, wie G., von der geistigen Atmosphare Jenas umweht, bald die Hohe seiner wissenschaftlichen Bedeutung erstieg.

G. wurde in Jena der Nachfolger Oskar Schmidts und ubernahm den Unterricht auf zoologischem, vergleichend-anatomischem, histologischem und entwicklungsgeschichtlichem Gebiet. Schon 1858 trat aber ein neuer Wechsel seiner Stellung ein. Emil Huschke, der in seiner Hand Anatomie und Physiologie vereinigte, starb, und G. wurde in erster Linie zur Nachfolge in Aussicht genommen. Er lehnte die Obernahme auch der Physiologie ab, in klarer Erkenntnis, dafi nur die Anatomie sein eigenstes Gebiet sei, wahrend ihm die Physiologie ferner lag. Dies fiihrte in Jena, als einer der ersten Uni- versitaten Deutschlands, zur Trennung der beiden, bisher durch Personalunion vereinigten Facher, G. wurde Professor der Anatomie und Leiter des ana- tomischen Instituts, wahrend die Physiologie A. v. Bezold iibertragen wurde. »Ich konnte mit aller Ruhe der Anatomie mich widmen, deren Ausbildung mir am Herzen lag«, sagt er in seinen Lebenserinnerungen.

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Die neue Stellung brachte G. eine ausgedehnte Lehrtatigkeit im Gesamt- gebiete der Anatomie. Ruhte doch fast der ganze Unterricht allein auf seinen Schultern. Dazu kam ein erstaunlich fruchtbares literarisches Schaffen, auf das wir spater noch genauer zu sprechen kommen miissen. Der Gegenstand seines wissenschaftlichen Strebens wurde nun aber immer ausschliefilicher die Morphologie der Wirbeltiere.

G. fand 1855 bei seiner Ubersiedelung nach Jena daselbst ein geistiges Leben, wie es wohl an keiner anderen deutschen Universitat sich regen konnte. Noch lag auf der Stadt der Glanz aus der groflen Zeit unserer Literatur. Noch lebten manche, die Schiller gekannt hatten. Die Erinne- rungen an Goethe waren vor allem noch lebendig. Auch sein Wirken auf naturwissenschaftlichem Gebiet ubte seinen Einflufl. Ein guter Geist be- herrschte die Universitat und schuf eine Freiheit, die G. in Wiirzburg, wie er schreibt, vermifit hatte. Ein anregender Verkehr brachte die Vertreter der verschiedensten Facher, altere und junge Dozenten miteinander in Ver- bindung. Von den damaligen Lehrern der Hochschule nennt G. besonders Dietrich Kieser, der als innerer Kliniker und Psychiater wirkte, der sich aber auch auf naturwissenschaftlichem Gebiet einen Namen gemacht hatte, ferner den Philologen Gottling, den Theologen Carl Hase, Matthias Schleiden, den Botaniker, den Chirurgen Ried, endlich den Anatomen und Physiologen Huschke, von dem G. mit besonderer Verehrung spricht. Nur wenig spater traf Kuno Fischer in Jena ein und trat zu G. in ein Freundschaftsverhaltnis, das erst der Tod G.s gelost hat. Mit Dankbarkeit und Verehrung spricht G. von dem Freunde, von dem geistvollen Mann, mit welchem die Gemein- samkeit vieler Anschauungen iiber die Dinge ihn verband. Auch K. Fischer hat oft seine hohe Einschatzung der wissenschaftlichen Bedeutung G.s 5ffent- lich bekannt. Noch bei der Zentenarfeier der Ruperto Carola im Jahre 1903 nannte Kuno Fischer in einer Ansprache unter den GrSfien der Universitat auch den »groflen vergleichenden Anatomen Karl Gegenbaur.

In Jena wurde aber auch die Freundschaft zwischen Ernst Haeckel und G. begriindet. Beide waren schon 1853 in Wiirzburg mit einander bekannt geworden. Gleiche Empfanglichkeit fiir den Naturgenufi, gleiche Begeisterung fur die Naturwissenschaft, gleiche Liebe fiir die Naturwahrheit hatten die innigen Beziehungen zwischen ihnen vorbereitet, die beide verknupften, nach- dem Haeckel auf G.s Rat sich in Jena 1861 habilitiert hatte, wo er 1862 Extraordinarius, 1865 Ordinarius fiir Zoologie geworden war. Ihre Vereinigung in Jena fiel in die Zeit des grofiartigen Aufschwungs der biologischen Wissen- schaften, die sich an das Auftreten Darwins knupfte. In regem gemeinsamem Verkehr tauschten beide ihre reichen Gedanken aus. Einen Einblick in dieses ideale Freundschaftsband gew&hrt die Vorrede zu dem Hauptwerke Haeckels, zu seiner Generellen Morphologie der Organismen (1866), ein Vorwort, das ein Ehrendenkmal auch fiir seinen Verfasser bedeutet. Haeckel schreibt hier: »Wie wir in dem harten Kampfe des Lebens Gliick und Ungliick bruderlich miteinander geteilt, so haben sich auch unsere wissenschaftlichen Bestrebungen in so inniger und bestandiger Wechselwirkung entwickelt und befestigt, in t£glicher Mitteilung und Besprechung so gegenseitig durchdrungen und gel&utert, dafi es uns wohl beiden unmoglich sein wurde, den speziellen Anteil eines jeden an unserer geistigen Giitergemeinschaft zu bestimmen.

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Nur im allgemeinen kann ich sagen, dafl das Wenige, was meine rasche und rastlose Jugend hie und da Dir bieten konnte, nicht im Verhaltnis steht zu dem Vielen, was ich von Dir, dem acht Jahre alteren, erfahrneren und reiferen Manne empfangen habe. So ist denn Vieles, was in dem vorliegenden Werke als meine Leistung erscheint, von Dir geweckt und genahrt. Vieles, von dem ich FSrderung unserer Wissenschaft hoffe, ist die gemeinsame Frucht des Ideenaustausches, der uns ebenso daheim in unserer stillen Werkstatte erfreute, wie er uns draufien auf unseren erfrischenden Wanderungen durch die felsigen Schluchten und iiber die waldigen Hdhen des reizenden Saale- tales begleitete*.

Wenn noch im spSten Alter G. auf den Freund seiner Jugend zu sprechen kam, so merkte der H6rer den Ton einer warmen, fast vaterlichen Liebe heraus, mochten auch die sp&teren popularen Darstellungen Haeckels, seine Weltratsel, nicht mehr die Billigung G.s linden.

Aus der Jenenser Zeit stammten auch die freundschaftlichen Beziehungen zu dem spateren bedeutenden Kliniker Karl Gerhardt, einem Mann, der gewisse verwandtschaftliche Ziige im Wesen und Charakter mit G. erkennen liefi. Von seinen Kollegen und Freunden, die mit der Zeit in die medizinische Fakultat der Universit&t eintraten und an ihrer Bliite beteiligt waren, seien noch der Gyn£kologe Bernhard Sigismund Schultze und der pathologische Anatom Wilhelm Miiller genannt.

In Jena grundete 1863 G. sein eigenes Heim, dessen Hausfrau Anna Margarete Emma geb. Streng wurde. Aber schon im folgenden Jahre verlor er seine junge Gattin nach der Geburt eines TSchterchens. Lange dauerte es, bis G. den Schmerz um die Entschlafene so weit verwunden hatte, dafi in ihm der Gedanke einer neuen VermShlung Platz greifen konnte. Erst das Jahr 1869 brachte ihm das Gliick einer zweiten Ehe mit Ida Arnold, der Tochter des Heidelberger Anatomen Friedrich Arnold. Sie nahm sich in treuester Liebe seines jungen TOchterchens aus der ersten Ehe, Emma, an und wurde selbst die Mutter eines Geschwisterpaares Else und Friedrich.

Bald nach dem Tode seiner ersten Frau traf G. noch ein zweiter Schlag, der Tod seiner Mutter. Wir wissen, wie innig das Verhaltnis zwischen beiden war und verstehen die Schwere des Verlustes. Noch bis zum Jahre 1872 hatte er aber das Gliick seinen Vater am Leben zu sehen.

Nachdem ein Ruf nach Strafiburg (1872) abgelehnt worden war, endete ein Ruf nach Heidelberg im Jahre 1873 die Jenenser Zeit, deren Bedeutung G. selbst mit folgenden Worten zum Ausdruck bringt: »Jena war fur mich in jeder Hinsicht eine hohe Schule, aus der ich vielfach belehrt hervorging, und alles, was ich in spaterer Zeit geleistet, hat dort seine Quelle und gibt mir Ursache zu dauerndem Dank. Ich betrachte es als ein grofles Gliick, lange in Jena gewesen zu sein, in jungen Jahren, welche die Eindriicke tiefer aufnehmen und griindlicher in Vorstellungen umsetzen. Zur Beobachtung geneigt, fand ich dort in jeder Hinsicht ein reiches Feld der Erfahrung, welches ein Leben zu fullen vermag. Ich habe sie zu benutzen versucht, wie und wo ich vermochte, und das ist mein Gewinn«.

Im Herbst 1873 trat G. seine neue Stellung als Ordinarius fur Anatomie und Direktor der anatomischen Anstalt in Heidelberg an. Er wurde der Nach- folger Friedrich Arnolds, den er als Mensch und Gelehrten besonders hoch

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schatzte, er kam in ein Land, das ihn doch heimatlicher anmutete als Mittel- deutschland und dessen SchGnheit ihm eine Quelle steten Genusses wurde, und fand eine seinen Neigungen entsprechende amtliche Betatigung im Ausbau des anatomischen Unterrichts, dabei aber Zeit zur F6rderung seiner wissenschaftlichen Probleme durch eigene Arbeit und Anregung jiingerer Krafte.

In Jena hatte ihn die Universitat, eine namentlich unter seinem Einflufi begriindete naturwissenschaftlich-medizinische Gesellschaft sowie die Redaktion der von ihr herausgegebenen Zeitschrift vielfach in Anspruch genommen. Nunmehr verwertete er seine ungeheure Arbeitskraft ganz auf seinem eigensten Gebiet. Er schuf sich und seiner Schule, sowie gleichstrebenden Forschern eine besondere Zeitschrift, das Morphologische Jahrbuch, dessen Hauptzierden seine eigenen Ver6ffentlichungen wurden. Daneben erschien selbstandig eine Reihe von Untersuchungen. Durch Herausgabe eines Lehrbuchs der Anatomie des Menschen erwarb er sich die groBten Verdienste um den Unterricht. Endlich legte er die ganze Summe seiner Kenntnisse und Anschauungen in einem grofien Werke nieder: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere mit Beriicksichtigung der Wirbellosen betitelt. Wir werden auf seine wissen- schaftlichen Leistungen noch naher einzugehen haben.

Bedenkt man, dafi zu alledem die Lehrtatigkeit, die Geschafte des Direktors einer sich fortgesetzt vergroBernden Anstalt hinzukamen, so be- wundert man auf das Hochste die Arbeitsleistung eines Mannes, der doch niemals uberhastet oder iiberarbeitet schien, der stets Zeit fur seine Familie und fur seine Schiiler fand. Moglich war eine derartige Tatigkeit aber audi bei einem Manne wie G. nur durch die Konzentrierung aller Krafte auf das, was ihm im Leben bedeutungsvoll war. Er fiihrte ein auflerst regelmafiiges, ruhiges Leben und pflegte nur mit wenigen Freunden naheren Verkehr. Zu ihnen gehorten sein Schwiegervater und Vorganger Friedrich Arnold, sein Schwager, der Professor der pathologischen Anatomie Julius Arnold, sein Jugendfreund Friedreich und vor alien Kuno Fischer, der ihm nach Heidelberg vorangegangen war. In gastlichster Weise offnete er aber sein Haus seinen jiingeren Arbeitsgefahrten und Schiilern.

Die Stellung, die sich G. in der anatomischen Wissenschaft im Laufe der Jahre erobert hatte, fand ihren klarsten Ausdruck bei der Feier seines siebzigsten Geburtstages im Jahre 1896. Jeder aufleren Ehrung hatte sich der Jubilar durch Abreise von Heidelberg entzogen. Die Huldigung seiner Schiiler und Freunde fand ihren Ausdruck in der Widmung einer aus drei Banden bestehenden Festschrift, in der G. gar manches von ihm gepflanzte Samenkorn zur Bliite entfaltet fand.

Wer ihn damals erblickte, in sein so auflerordentlich kluges und leb- haftes Auge schaute, oder die hohe imponierende Erscheinung straff auf- gerichtet den Lieblingsweg zum Heidelberger Schlofi empor steigen sah, der konnte nicht ahnen, dafi sobald schon nach jenem Festtage sich Er- scheinungen schwerer Erkrankung einstellen wurden, die ihn zwangen, seine Tatigkeit einzustellen und im Jahre 1901 seinen Abschied zu nehmen. Er hatte die Freude, noch seinen treuesten Schiiler Max Fiirbringer, der bereits in Jena den Lehrstuhl G.s innegehabt hatte, als Nachfolger in Heidelberg zu sehen.

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Nach langem, heklenhaft ertragenem Leiden, in dem er von seiner Frau und seiner zweiten Tochter aufopfernde Pflege fand, starb er am 14. Juni 1903.

Die Beschr£nkung des Raumes l&flt uns davon absehen auf das reiche Mali aufierer Ehren, das G. zuteil wurde, hier einzugehen. Wir handeln damit sicher nur im Sinne des Entschlafenen. Dagegen miissen wir auf seine wissenschaftlichen Leistungen seit seiner Obersiedelung nach Jena noch aus- fiihrlich zu sprechen kommen.

Wir unterschieden eine bis etwa zum Jahre 1858 reichende Periode seiner Forschertatigkeit, in der wir ihn, von den Fruchten seines Aufenthalts in Messina zehrend, iiberwiegend mit zootomischen und entwicklungsgeschicht- lichen Arbeiten iiber Wirbellose beschaftigt fanden. Mit dem Jahre 1858, etwa gleichzeitig mit der t)bernahme des Lehrstuhls der Anatomie, beginnt eine zweite Periode, in der die Wirbeltiere im Vordergrund seines Interesses stehen. Der Charakter seiner wissenschaftlichen PersSnlichkeit ist in erster Linie durch die Arbeiten dieser zweiten Epoche gegeben, mit der wir uns nun vertraut zu machen haben.

Es ist gewifi statthaft, auch bei einem Manne von der Originalitat G.s, sich zu fragen, welche Einfliisse auf den noch jugendlichen Forscher gewirkt haben konnen. Sicher ist, dafi Johannes Miiller einen tiefen Eindruck auf ihn machte. Von KGlliker empfing er, wie er dankbar anerkannte, reiche Anregung im Unterricht und im persOnlichen Verkehr, doch wurde niemand aus seinen wissenschaftlichen Arbeiten, namentlich jener zweiten und grdOten Periode seines Lebens, schliefien konnen, dafi er Kollikers Schiiler gewesen. Von einem Lehrer, dessen Spuren er folgte, kann man bei ihm nicht sprechen. Wohl aber sieht man, wie seine Gedankengange denen verwandt sind, welche Goethes morphologische Studien durchdringen und die in allerdings phan- tastischen Formen in den naturphilosophischen Spekulationen Okens (1779 bis 1 851) auslaufen. Die Beurteilung, die beide in seinem Vorwort zur zweiten Auflage der »Grundziige der vergleichenden Anatomie« (1870) erfahren, weist darauf hin. In einem besonderen Fall wird uns sogleich ein bestimmtes Bei- spiel entgegentreten. Aber diese Vorstellungen sind erleuchtet und geklart durch den Entwicklungsgedanken, die sichere Uberzeugung von der stammes- geschichtlichen Einheit des Tierreiches. Schon zur Zeit seiner Promotion zurn Doctor medicinae beschaftigten ihn, wie wir sahen, jene Grundanschauungen, die nun seit dem Jahre 1859 mit Darwins Auftreten sofort bei ihm Ver- wertung fanden.

Was seit jener Zeit die Wissenschaft G. zu danken hat, kann hier auf engem Raum auch nur einigermafien erschopfend nicht dargestellt werden. Wir miissen auf die ausfiihrliche Wiirdigung seiner Lebensarbeit in der von M. Fiirb ringer Karl Gegenbaur* in: Heidelberger Professoren aus dem ig.Jahr- hundert. Festschrift der Universitat zur Zentenarfeier ihrer Erneuerung durch Karl Friedrich, 2 Bd. 1903) verfafiten Biographie verweisen und uns mit einer Skizze begntigen. Einen Begriff von seiner Arbeitsweise m5ge zun&chst der Versuch geben, seine LOsung des »Kopfproblems« darzustellen (K. Gegenbaur, Untersuchungen zur vergleichenden Anatomie der Wirbeltiere, III. Das Kopf- skelett der Selachier, ein Beitrag zur Erkenntnis der Genese des Kopfskeletts der Wirbeltiere, Leipzig 1872).

Ein Problem, dessen Gegenstand der Kopf oder besser gesagt der Sch&del

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bildete, bestand, seitdem Goethe und unabhangig von ihm Oken durch zu- fallige Beobachtungen zu der Vorstellung gefiihrt wurden, dafi die Ver- schiedenheit zwischen dem Kopfskelett und der Wirbelsaule keine typische sei, sondern dafi der knocherne Schadel sich aus Wirbeln aufbaue. So ent- stand, von Goethe im allgemeinen erfafit, von Oken im einzelnen durchgefiihrt, die alteste Form der »Wirbeltheorie des Schadels*, deren Vertreter nur in der Vorstellung uber die Zahl der Wirbel, die in den Schadel eingegangen sind, differierten. Diese Theorie fand aber keineswegs allgemeine Annahme. Die erste Halfte des 19. Jahrhunderts brachte sogar Ergebnisse, die ihr den Boden zu entziehen schienen. Es stellte sich bei embryologischen Unter- suchungen heraus, dafi uberall einem knGchernen Kopfskelett ein knorpeliger Zustand vorausging, wie er zeitlebens bei niederen Tieren bestehen bleibt. Dieses primitive Kopfskelett, das Primordialcranium, schien nun aber keinerlei Ubereinstimmung mit der Wirbelsaule zu besitzen. Auch wenn es an ihm zu Knochenbildungen kam, zeigten diese tatsSchlich typische Verschieden- heiten gegenuber den knftchernen Teilen der Wirbelsaule. Die alte Wirbel- theorie des Schadels wurde zu Grabe getragen. Hier setzte nun G. ein. Er sah, dafi die Kenntnis des Primordialskeletts des Kopfes der niederen Wirbel- tiere keineswegs geniigte und erkannte in den Haien (Selachiern) die Tier- gruppe, in welcher die Untersuchung auf Erfolg zu rechnen hatte. Die Selachier stellte er in den Mittelpunkt der Diskussion und wies damit auf die aufierordentliche Bedeutung gerade dieser Formen fur morphologische Fragen hin. Er untersuchte zunachst an einer mdglichst grofien Anzahl von Arten mit peinlichster Genauigkeit den Teil des Kopfskeletts, der als Hiille fiir das Gehirn und die Hauptsinnesorgane des Kopfes dient, das Cranium, dann den Teil, der, unterhalb des ersteren gelegen, in Form einzelner Bogen die *von den Kiemenspalten durchbrochene Wand des vorderen Darm- abschnittes stiitzen, das sog. Visceralskelett. Es ergab sich ihm hierbei, dafi die untereinander auflerst verschiedenen Visceralbogen urspriinglich gleich- artig gewesen sein mussen und ferner dafi ihre Verschiedenheit sich als Folge verschiedenartiger Funktion eingestellt hat. Er bewies, dafi die Visceral- bogen urspriinglich in inniger Beziehung zum Cranium gestanden haben mussen, aus dessen Bereich sie zum Teil in der Richtung nach dem Schwanz hin verlagert worden sind und zeigte damit, dafi ein wichtiger Teil des Kopfskeletts eine Gliederung aufweist, wie sie auch im Bereich der Wirbel- saule durch die Anhange derselben, die Rippen, manifest wird, eine Metamerie. Indem G. nun auch die Weichteile des Kopfes prtifte, fand er aber auch im Bereich des Cranium die Spuren einer metameren Gliederung, erkennbar an dem Verhalten der Kopfnerven, und diese Metamerie stimmte mit der Metamerie im Bereich des Visceralskeletts iiberein. Sie betraf jedoch nur den hinteren Teil des Kopfes, soweit derselbe an seiner Basis von der Ruckensaite {Chorda dorsalis) durchzogen wird, einem primitiven Stutzgebilde, das in gleicher Weise auch die Wirbelsaule durchsetzt. Nur dieser »chordale« Teil des Schadels ergab Vergleichspunkte mit der metamer gegliederten Wirbelsaule. Solche fehlten dagegen vSllig im vorderen, das Auge und Geruchsorgan umschliefienden Teil des Schadels.

So schlofi G., dafi der ganze hintere (caudale) Teil des Schadels als das Produkt einer Verschmelzung einer grttfieren Reihe wirbelartiger Segmente

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aufzufassen sei und urspriinglich Gleichheit zwischen ihm und dem primitiven Zustand des iibrigen Achsenskeletts bestand, wShrend der vordere prachordale Teil eine Bildung eigener Art darstellt, entstanden zum Schutze wichtiger Sinnesorgane. Der Schwund der Gliederung des chordalen Sch&delteils ist zu verstehen durch seine Bedeutung als schutzende Hiille fiir das Gehirn und durch die Beziehungen zu den machtigen, vorn entspringenden, die Wirbel- saule beherrschenden Muskelmassen, die einer festen UrsprungsflSche bedurften.

Damit schuf G. eine moderne Wirbeltheorie des Schadels oder besser die moderne Auffassung von der Gliederung des ganzen Kopfes mit Ein- schlufi aller Weichteile und lieferte die sichere Basis, auf der nun eine aufier- ordentlich grofie Zahl von Forschern weiter bauen konnten.

Die Schadelarbeit ist aber auch deswegen fiir uns von grofiem Interesse, weil sich an sie nach alien Richtungen neue Gedanken und Fragestellungen anschlossen. Mit ihr stehen u. a. in innigem Zusammenhang G.s Darstellungen der Kopfnerven.

Mit besonderer Vorliebe hat G. auch andere Teile des Skeletts bearbeitet, so die Wirbelsiule von Amphibien und Reptilien, von Lepidosteus, nament- lich aber das Gliedmafien (Floflen-) skelett. Von den 23 hierhergeh5rigen Abhandlungen erwahne ich vor alien aus seinen Untersuchungen zur ver- gleichenden Anatomie der Wirbeltiere: »Carpus und Tarsus« (Leipzig 1864) und »Brustflosse der Fische« (Leipzig 1865) sowie den im Jahre 1894 im Morphologischen Jahrbuch erschienenen zusammenfassenden Aufsatz: Das Flossenskelett der Crossopterygier und das Archipterygium der Fische. Er zeigte, dafi die so unendlich mannigfachen Zustande des Skeletts der paarigen Flossen der Fische samtlich auf einen Ausgangspunkt zuriickzufuhren und von ihm aus zu verstehen sind, einer Urflofie, dem Archipterygium. Es gelang ihm aber auch das Gliedmafienskelett der landlebenden Wirbeltiere (1865) von den primitiven Zustanden des Flofienskeletts abzuleiten. Auf diesem Punkt blieb er jedoch nicht stehen, sondern fragte weiter nach der Herkunft des Flossenskeletts selbst und hier verhalfen ihm seine Untersuchungen uber das Kopfskelett zu einer bestimmten Vorstellung. Er stellte die Hypothese auf, da6 das Skelett der vorderen wie hinteren Gliedmafien nicht in loco entstanden ist, sondern unter weitgehenden Verlagerungen, die als mSglich erwiesen werden konnten, vom Kiemenskelett abstammt, aus Kiemenbogen entstanden ist. Diese Kiemenbogenhypothese ist der Gegenstand heftigster Angriffe geworden. Nachdem nun aber unsere Kenntnisse nach alien Richtungen erheblich erweitert und vertieft worden sind, stelit sie sich immer mehr als die allein lebensfahige Auffassung der Genese des Extremitaten- skeletts heraus.

Eine weitere Gruppe von Arbeiten behandelt das Eingeweidesystem. An erster Stelle, was Reichtum an Gedanken und Vollendung der Methodik an- langt, steht die in die Entstehungsgeschichte des Kehlkopfs eindringende Arbeit: »Die Epiglottis. Vergleichend-anatomische Studie (Leipzig 1892). Albert KOlliker zum 70. Geburtstag gewidmet« Auch hier sind die Spuren des Hauptgedankens auf G.s Beschaftigung mit dem Kopfproblem zuriick- zuverfolgen. Die Ableitung der wichtigsten Knorpel des Kehlkopfes von dem visceralen Bogensystem am Kopf fischartiger Organismen ist das Grund- thema, von dem nach verschiedensten Richtungen hin Fragen angeschnitten

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werden, die selbst wieder grOBere Forschungsgebiete erdffneten und zur Be- arbeitung reizen muBten. Mustergiiltig ist iiberall die Verwertung der Funktion zur Aufklarung des Baues und die eingehendste Berucksichtigung der Beziehungen des den Mittelpunkt der Darstellung bildenden Organs zu seiner Nachbarschaft.

Hervorzuheben sind ferner Untersuchungen iiber die Zunge. Wenn eine muskul6se Zunge nur den hSheren Tieren zukommt, bei den Fischen die Zunge dagegen einer Muskulatur ganzlich entbehrt, so ergab sich fur G. daraus die Frage nach den Umstanden, welche die »Muskularisierung« der Zunge aller hOherer Formen bedingten (Zur Phylogenese der Zunge. Morpho- logisches Jahrbuch Bd. 21. 1894). Nach seinen Grundanschauungen konnte ein Eindringen von Muskelfasern in einen urspriinglich muskelfreien Zungen- wulst im Laufe der Phylogenese nur dann stattfinden, wenn schon der geringste Anfang eines solchen Prozesses von funktioneller Bedeutung war. Seine Untersuchung brachte das Ergebnis, daB die ersten Muskelfasern der Zunge im Dienst von Driisen standen, deren Entleerung durch sie befordert wurde. Nachdem die Fasern in dieser funktionellen Beziehung verst&rkt und vermehrt waren, konnten sie auf die Bewegungen der ganzen Zunge Einflufl gewinnen und in dieser neuen Leistung eine immer weitergehende Ausbildung erfahren. Ein friiher muskelfreier Wulst wurde auf diesem Wege zu dem Sufierst beweglichen Organ, wie wir es bei den Saugetieren kennen.

Auch auf die Untersuchungen iiber die Unterzunge sei besonders hin- gewiesen. (Uber die Unterzunge des Menschen und der Saugetiere. Morph. Jahrb. Bd. 9, 1884. Beitrage zur Morphologie der Zunge. Ibid. Bd. 11, 1886.)

Im Gebiet des Hautsystems betreffen die wichtigsten Arbeiten die Morphologie der Mammarorgane und damit fiir die vergleichende Anatomie der Saugetiere besonders wichtig* Teile. Beachtenswert ist ferner seine Untersuchung iiber die NSgel (Zur Morphologie des Nagels. Ibid. Bd. 10, 1885).

Die Kenntnis des Gef£fisystems wurde bereichert durch Untersuchungen iiber das Herz von Fischen (Uber den Conus arteriosus der Fische. Ibid. Bd. 17, 1891), Krokodilen, Vogeln, Ornithorhynchus (Zur vergleichenden Anatomie der Herzen. Jen. Zeitschrift f. Naturw. u. Med. Bd. 2, 1866). Auf dem Gebiet der Sinnesorgane beschaftigte sich G. speziell mit dem Geruchs- organ (Uber die Nasenmuscheln der V6gel. Ibid. Bd. 7, 1873). Aus der kleinen Anzahl von das Muskelsystem betreffenden Arbeiten seien die Mit- teilungen iiber den Musculus amohyoideus und iiber die Systematik der Riickenmuskeln besonders hervorgehoben. (Morphol. Jahrb. Bd. 1, 1875. Ibid. Bd. 24, 1896.)

In einem Auszug aus den G.schen Arbeiten miissen aber auch seine grundlegenden Forschungen, iiber die Entstehung des Knochengewebes einen Ehrenplatz erhalten, Forschungen die einer richtigen Beurteilung des ge- samten kndchernen Skeletts die Grundlagen schufen. Er stellte fest, dafl das Knochengewebe das Produkt bestimmter Zellen ist, die er Osteoblasten nannte, und dafi alle Knochenzellen in jiingeren Stadien des betreffenden Organismus einmal Osteoblasten waren, die ihre abscheidende Tatigkeit eingestellt hatten und dadurch passiv von dem Abscheidungsprodukt der Nachbarzellen umschlossen worden waren. (Uber die Bildung des Knochen- gewebes. Jen. Zeitschrift f. Naturw. u. Med. Bd. 1, 1864.)

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AuBer den nur zum Teil soeben erw&hnten Spezialuntersuchungen, zu denen noch eine groBe Zahl von Kritiken und Referaten kommt, verftffent- lichte G. zusammenfassende Darstellungen des gesamten Wissensgebietes der vergleichenden Anatomie, die auf dem Wege seiner geistigen Entwicklung wichtige Marksteine bilden, aber auch in eindringlichster Weise vor Augen fiihren, welche doch zum grOfiten Teil ihm oder seiner Anregung zu dankenden Fortschritte die Morphologie gemacht hat.

Im Jahre 1859 erschienen seine »Grundzuge der vergleichenden Anatomie*, eine knappe Darstellung, welche Wirbellose und Wirbeltiere umfaflt. Der Stoff ist in Kapitel verteilt, die den einzelnen Typen tierischer Organisation entsprechen. Protozoen, Coelenteraten, Echinodermen, Vermes, Arthropoden, Mollusken, Vertetraten werden nacheinander besprochen. Das Ziel war eine Darstellung der Wandelungen der Organe und Organsysteme, wie sie vom jeweiligen Typus beherrscht wird. Aber schon erschienen G. diese Typen nicht in dem alten Cuvierschen Sinne voneinander streng geschieden. »Es bestehen Zwischenglieder, die sich wie Briicken uber die Kluft der Grund- typen hinuber bauen und fiir die im Tierreiche waltende Einheitsidee Zeugnifi ablegen.« Der hierin enthaltene, aber noch verschleierte Deszendenzgedanke gelangt zur vollen Durchfiihrung in der im Jahre 1870 erschienenen zweiten Auflage der »Grundziige«, die auch in grdflerem Umfang dem Wachsen der Erkenntnis Rechnung trug. In der Einleitung, die einen ungemein interessanten, historischen Abrifl enthalt, bekennt er sich often zur Des- zendenzlehre. Das Werk durchzieht als Grundgedanke, daB die »Verwandt- schaft« der Organismen ihre bildliche Bedeutung verloren hat, daB nunmehr die Aufgabe der vergleichenden Anatomie darin zu suchen ist, die mannig- fachen, aus der Anpassung erworbenen Umwandlungen der Organe Schritt fiir Schritt zu verfolgen. Das Ziel der vergleichenden Anatomie ist also die Geschichte des Organismus und seiner Teile.

Schon bei seiner Ubersiedelung nach Heidelberg trug sich G. mit dem Plane einer Darstellung der vergleichenden Anatomie grOBeren Umfangs und lieB daher, als neue Auflagen seines Buches notwendig wurden, vorerst eine ktirzer gefaflte Umarbeitung der »Grundzuge« in dem »Grundrifi der vergleichen- den Anatomie* 1874 und 1878 erscheinen. Das geplante groflere Werk stand nun im Hintergrund seiner Arbeit wahrend der ganzen Heidelberger Jahre. Verz5gert wurde sein Erscheinen durch die Herausgabe des Lehrbuches der Anatomie des Menschen und ihrer zahlreichen Auflagen. So ist es als ein grofies Gliick zu betrachten, dafi es G. noch vergonnt war, im Jahre 1898 und 1901 in zwei Banden: Vergleichende Anatomie der Wirbeltiere, mit Berucksichtigung der Wirbellosen, die Ergebnisse und Erfahrungen seiner Lebensarbeit und der Arbeiten aus seiner Schule darzustellen. Die Wirbel- tiere bilden den Kern des Werkes, die Organisationsverhaltnisse der Wirbel- losen werden aber noch iiberall zur Beleuchtung der Zusammenhange und Beziehungen herangeholt. Es liegt hier ein Werk vor, das ganz den Stempel G.scher Eigenart tragt und gerade auch dadurch von hbchstem Wert ist. Die ganze GrOfie seiner Auffassung, gegriindet auf umfassendster Sachkenntnis und eine seltene Fahigkeit das Wesentliche zu erkennen und herauszuheben, tritt uns iiberall entgegen und jeder, der fiir morphologische Fragen Interesse und Verstandnis besitzt, wird auf das starkste gefesselt

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werden. Die Darstellung ist durchaus subjektiv, die einzelnen Teile sehr verschieden eingehend behandelt, manches mag beim Fortschreiten der Kenntnisse sich als nicht haltbar erweisen, die Art der Beurteilung ist aber iiberall meisterhaft und durchaus vorbildlich. Der stetige Hinweis auf neue Fragen ist ein weiteres Moment, das die Bedeutung des Werkes fur die Weiter- entwicklung der vergleichenden Anatomie noch steigert.

So hat G. die Wissenschaft mit einer ungeheuren Menge neuer Er- fahrungen und Gedanken beschenkt, und es diirfte sich wohl verlohnen, noch kurz das, was fur seine Arbeitsweise charakteristisch war, darzulegen.

Wenn G. ein bestimmtes Arbeitsgebiet in Angriff nahm, so geschah es nicht, um blofl Liicken unseres positiven Wissens auszufiillen, sondern um ein scharf formuliertes Problem zu losen, und seine Probleme betrafen in erster Linie die stammesgeschichtliche Entwicklung des Organismus. Er ging also von bestimmten Fragestellungen aus. Wenn er den Schadel der Selachier untersuchte, so forschte er hier nach Instanzen zur Losung des Kopfproblems. Er ging an die Untersuchung der Zunge heran, um die Frage zu beantworten, wie die Entwicklung einer muskulosen Zunge aus einem muskelfreien Wulst moglich war usw. Eine genaue Kenntnis der Tier- formen und ihrer Stellung zueinander, setzte ihn instand bei denjenigen Arten die Antwort auf seine Frage zu suchen, die sie ihm geben konnten. Eine auflerordentlich genaue Untersuchung bot ihm das Material, auf dem er seine Schliisse in scharfsinnigster Weise klar und logisch aufbaute.

Als eine besonders wichtige Instanz zur Beurteilung der Organisation benutzte er stets die Entwicklungsgeschichte. Niemand war mehr von ihrer Bedeutung fur die Beurteilung aller Organisation durchdrungen wie er. Sie mufi auch bei alien die Phylogenese betreffenden Fragen zu Rate gezogen werden. Die Ergebnisse der ontogenetischen Forschung mufiten aber mit Vorsicht Verwertung finden, weil iiberall mit der Moglichkeit zu rechnen ist, dafi die Ontogenese Abweichungen von der Phylogenese zeigt, wenn sie sie auch in den Hauptpunkten wiederholt. Als solche Abweichungen (Kanogenie im Gegensatz zur Palingenie) mufiten alle Vorkommnisse gelten, welche als Besitz ausgebildeter Tiere nicht gedacht werden konnten. Die zweite Instanz bildete die vergleichende Erforschung der fertigen Formen. Sie ist der Ontogenese insofern iibergeordnet, als sie die Organe in ihrer Bedeutung fur den Korper, in voller Funktion erkennen lafit, die Beziehungen zwischen Leistung und Bau enthullt. Je ausgiebiger das Material fiir die Vergleichung herangezogen wird, desto klarer wird sich Wesentliches und Unwesentliches trennen lassen. Das G. ganz besonderen Wert auf die vergleichende Be- rucksichtigung des fertigen Korpers legte, entspringt seiner Uberzeugung von einer direkten Bedeutung der Funktion fiir die Struktur. Die Funktions- fahigkeit ist daher das erste Postulat, das G. an einen Zustand stellte, der als phylogenetischer Vorlaufer eines anderen angesehen werden sollte.

G. war in den Schliissen, die er aus seinen weitumfassenden Unter- suchungen zog, stets von grGfiter Vorsicht, und gar manches, was ein anderer als bestimmtes Ergebnis angesehen hatte, wird von ihm nur als Problem aufgestellt.

So sind die G.schen Werke auch nach ihrer wissenschaftlichen Methodik von grdfltem Interesse, ebenso vorbildlich ist aber auch seine Art der Frage-

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolog-. 8. Bd. 22

338 Gegenbaur.

stellung. Durch sie hat er seiner Wissenschaft fiir, lange hinaus die Pfade gewiesen.

Eine andere noch zu beriihrende Seite der Lebensarbeit G.s bildet seine Tatigkeit als akademischer Lehrer. Er war kein Lehrerf der durch gl&nzen- den Vortrag seine H6rer fesselte, und so ging ein Teil der Studierenden ohne richtiges Verstandnis an den Schatzen vorbei, die ihnen in den Stunden G.scher Vorlesungen geboten wurden. Er wirkte nicht auf die Masse, um so tiefer aber auf diejenigen, die Form und Inhalt zu trennen verstanden. Es fand sich stets unter den Studierenden jeden Semesters eine »Gegenbaur Gemeinde« zusammen.

Was sein Unterricht bedeutete, ergibt aber auf das klarste die Betrach- tung seines Lehrbuches der Anatomie des Menschen, das im Jahre 1883 zuerst erschien und bereits im Jahre 1898 in siebenter Auflage herausgegeben wurde. Wiederum ist dieser Erfolg nicht an die Form gebunden. Die Sprache ist aufierordentlich konzentriert, die Darstellung stark komprimiert und dadurch dem Anfanger nicht ohne angespannte Aufmerksamkeit verstandlich. Inhalt- lich bedeutet das Buch aber eine vollige Reformation des anatomischen Unterrichts. Nichts kann hier lehrreicher sein, als eine Vergleichung mit den alteren Lehrbiichern. In friiherer Zeit fand die Darstellung der Anatomie fast allein durch physiologische Betrachtungen Belebung. Die Funktion der zu beschreibenden Organe ward fast stets vorangestellt und stand auch fur die Darstellung der Bauverhaltnisse im Mittelpunkt des Interesses. Nur in ge- ringem Mafie wurde, etwa zur Erklarung von Varietaten, die Entwicklungs- geschichte herangezogen. Didaktische Grtinde fiihrten auch zu wissenschaft- lich nicht begriindbaren Anordnungen des Stoffes. Demgegeniiber bildet den Mittelpunkt der G.schen Darstellung der Anatomie des Menschen der Satz, dafi der Organismus des Menschen nicht isoliert in der Natur dasteht, sondern »nur ein Glied einer unendlichen Reihe bildet, in welcher durch die Er- kenntnis des Zusammenhangs auch das einzelne erleuchtet wird«. Die Er- kenntnis des Zusammenhangs brachte aber die Entwicklungsgeschichte und die vergleichende Anatomie. »Der Physiologie ihre wohlerworbenen Rechte lassend« stellte G. an den Anfang jeden Kapitels eine kurze Darstellung der Entwicklung des betreffenden Organsystems und beleuchtete in knapper Form die Stellung, welche der in Frage stehende Organisationsteil in der stammes- geschichtlichen Reihe einnimmt. In doppeltem Sinne ftihrte er so die gene- tische Methode durch. Lehren heifit entwickeln, sagte er in dem Vorwort zur vierten Auflage. Gerade die Einleitungen der grOQeren Kapitel seiner Lehrbucher bilden den Glanzpunkt des Werkes und zeigen den grofien Meister. Der Erfolg des Lehrbuches aufierte sich aber nicht nur in der raschen Auf- einanderfolge der Auflagen, sondern auch in der Tatsache, dafi die genetische Methode allgemein in den spater erscheinenden Werken anderer Autoren Eingang gefunden hat.

Eine beachtenswerte Bereicherung gab G. der vierten Auflage seines Lehr- buches mit, eine ausgezeichnete, auf eigenstem Quellenstudium beruhende Darstellung der Geschichte seiner Wissenschaft. Er sagt hierzu: »Es erschien mir als Pflicht, den Studierenden auch auf die Vergangenheit der Anatomie einen Blick zu erOffnen, durch die das Interesse an einer Disziplin nur ge- winnen kann, welche die Spuren einer langen Geschichte allenthalben an sich

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tragt. Die Wandlungen, die sie erfahren, erwecken Teilnahme und flofien Achtung vor dem allm&hlig Gewordenen ein, und, indem sich der historischen Betrachtung auch die Gegenwart nur als eine Phase des grofien Entwicklungs- ganges darstellt, bildet sich fiir das Atte ein billiges Urteil, und das Neue bleibt vor Uberschatzung bewahrt.« Diese Pietat fiir das historisch Gewordene, eine Pietat, die in den Erfahrungen seiner friihesten Jugend wurzelt, hinderte ihn auch der Beseitigung der Namen bedeutender Entdecker aus den Be- zeichnungen der anatomischen Wissenschaft, wie sie die neue Nomenklatur verschl&gt, zuzustimmen.

Mit dem, was wir bisher berichteten, haben wir aber noch nicht das ganze Mafi der Bedeutung seiner Persdnlichkeit erschftpft. Wir diirfen nicht vergessen, welcher Strom von Anregungen von ihm selbst und von seinen Werken ausging. Allein schon die Zahl seiner speziellen Schiiler ist eine grofle. Bestimmte Themata hat er ihnen selten gestellt. Anregungen mehr allgemeiner Natur fiihrten wenigstens die meisten unter ihnen auf ergebnis- reiche Wege. Selbstandigkeit des Denkens war das, was er an dem Schiiler am hfichsten schatzte, nicht das jurare in verba magistri. So haben sich die- jenigen, die sich dankbar als seine Schiiler bekennen, in verschiedenster Weise entwickelt. Was sie verbindet, ist die Verwandtschaft der Probleme, nicht bestimmte Dogmen. In diesem Sinne spricht man von einer G.schen Schule, sie umfafit keineswegs nur diejenigen, welche unter seiner persttn- lichen Leitung gestanden.

So wird sein Lebenswerk und werden seine Gedanken fiir lange seinen Tod uberdauern. Jeder aber, der in ihm den Lehrer und Freund fand, wird im Gedenken an ihn sich die Worte in Eckermanns Gespr&chen mit Goethe zu eigen machen: »Ich weifl in meiner tiefsten Seele das Gliick zu erkennen, was es sagen will, wenn man einmal mit einem rechten Meister zusammen- trifft.« Er war ein rechter Meister in Wissenschaft und Leben.

E. Gflp pert-Heidelberg.

Zeller-Werdmuller, Heinrich, Historiker, * 2. April 1844 in Ziirich, f 27. Februar 1903 ebendaselbst Media vita in marte sumus! Wieder einmal mit ganzer Herbe hat sich diese Mahnung erfullt. Voller Plane und schein- bar voller Kraft hat uns der Freund verlassen, auf der Hohe des Tagewerkes ist seine Arbeit stille gestanden. Als ob er sie wieder suchte oder in raschem Tempo, leicht hiipfend und etwas vorgebeugt, den Heimweg machte, so zeichnet die Erinnerung sein leiblichcs Bild, den stattlichen Fiinfziger mit dem voll-ovalen Gesichte, dem der starke, graue Schnurrbart etwas Marti a- lisches verlieh, mit oftmals zerstreuter Miene, die den mit Arbeitsgedanken und Planen Beschaftigten verriet. Er wollte angerufen sein, um mit freund- lichem Blick und einem »Ah«, das wie erwachend klang, des Begegnenden gewahr zu werden. Dann hat es selten an einem Geleite gefehlt, bei dem er stets etwas Neues und Anregendes zur Sprache brachte.

Z. ist am 2. April 1844, von vier Kindern das alteste, geboren. Sein Vater Johann Heinrich war Inhaber der »Walke«, einer Rotfarberei, die auf der Stelle des jetzigen Schlachthauses an der Limmat lag. Als eifriger Militar war er bis zum Range eines Oberstleutnants der Artillerie vorgeriickt,

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derb geartet, aber wohlwollenden, geraden Sinnes, gegen die Seinen liebevoll und den Freunden mit Treue zugetan.

Dem Vater war die Gattin im Tode vorausgegangen, Rosalie, geborene Meyer, eine feinsinnige, geistvolle Frau, von der die Familie anmutige Ge- dichte bewahrt. Auch im Zeichnen und Malen war sie geiibt. Von ihr hat sich die Begabung, Gesehenes rasch und sicher wiederzugeben, auf den Sohn vererbt.

Nachdem der Funfzehnjahrige auch den Vater verloren hatte, wurde er dem Heifer zu St. Peter, Heinrich Hirzel, in Obhut und Pflege gegeben. Schon damals kiindigten sich die besonderen Neigungen und Fahigkeiten an in Richtungen, die freilich ofters zu Konflikten mit dem Schulplane fiihrten und die den manchmal Zerstreuten in die hinteren Reihen verwiesen. So kam es, dafi er das Gymnasium in den untersten Klassen quittierte. Es war der Wille seiner Beschiitzer, dem er folgte, und damaliger Anschauung ent- sprach das weitere, dafi, wer in den Humaniora nicht prosperierte, eben nur gut genug zum kiinftigen Kaufmanne sei. Als Lehrling wurde Z. in ein zurcherisches Rohseidengeschaft getan, worauf er sich zur weiteren Ausbildung nach Mailand begab. Den Forderungen des Berufes hat er sich tapfer gefugt und dabei den Grund zu Kenntnissen, Erfahrungen und einer Piinktlichkeit gelegt, die nicht zum mindesten seinen spateren Rang bestimmten. Daneben gingen archaologische und geschichtliche Studien einher. Bei einer Begeg- nung in Mailand, die in den Sommer 1867 fiel, wies er sich iiber Kenntnisse aus, die ich eben nur dem Fachmann zugetraut haben wurde. Endlich nach kurzem Aufenthalte in England fand 1869 die Riickkehr in die Heimat statt, wo Z. zunachst bei dem ergriffenen Berufe verblieb, aber ebenso standhaft auch weitere Interessen vertrat.

Von dem Vater hatte er den Zug zum Militarwesen geerbt. Es gingen aus diesen Neigungen die Arbeiten hervor, die er in den Neujahrsblattern der Ziircherischen Feuerwerker-Gesellschaft veroffentlichte, iiber Burgen- bau und Waffenkunde des Mittelalters, deren Kenntnisse ihn zur Autoritat erhoben.

Der vollen Hingabe an die Wissenschaft stand nun freilich noch immer der Geschaftsmann entgegen. Was jener diente, mufite an Feierabenden und in sonntaglichen Nachmittagsstunden verrichtet werden, und doch hat schon damaligen Arbeiten die Anerkennung auch in fachmannischen Kreisen des Auslandes gegolten. Ein deutscher Universitatsprofessor der Geschichte, den Z. 1886 auf die Habsburg fiihrte, war dermafien erstaunt iiber die Fulle und Sicherheit seines Wissens, dafi er sich erkundigte, wer denn dieser »Kollege« gewesen sei. Ein Professor? »Nein, wurde er belehrt das ist Z. nicht, sondern ein Geschaftsmann und Papierfabrikant,« worauf jener meinte: »Nun, wenn Sie noch mehr solcher Kaufleute haben, dann darf ich den Zurchern schon dazu gratulieren.«

Endlich, 1896, war Z. ein freier Mann geworden und nun folgten Werk auf Werk, zunachst in den »Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zurich«. Jedes Heft es sind aufler solchen, an denen er sich als Mit- arbeiter betatigte, deren sieben bot Neues dar, auf selbstandiger Auffassung mit grundlichster Kenntnis gebaut. Erweiterte Beobachtungen, Schliisse und Fundberichte legte er im »Anzeiger fur Schweizerische Altertumskunde«, im

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»ZurcherTaschenbuch« und im »Jahrbuch fur Schweizerische Geschichte* nieder, das zwei seiner bedeutendsten Arbeiten enthalt, die Geschichte der Herrschaft Griefienberg im Thurgau (1881) und die Studie iiber Johann Philipp von Hohensax (1878), die grundlegend fur die Forschungen iiber die Geschichte der Manesseschen Liederhandschrift geworden ist. Im Jahr 1888 sodann hatte die Herausgabe des Urkundenbuches der Stadt und Landschaft Zurich begonnen, an der er bis ans Lebensende als Berater und Mitarbeiter einen gewichtigen Anteil nahm, und allein hat er die musterhafte Kommentierung der »Zurcher Stadtbiicher« besorgt. Seinen grundsatzlichen Standpunkt zu der seit Hottinger und Bluntschli gangbaren Auffassung von der ziircherischen Geschichte hatte er schon 1890 in einem Beitrag zum zweiten Bande von Vogelins »Altem Zurich« dargelegt; dann folgten die Abhandlungen iiber »Uetliburg und die Freien von Regensberg«, »die ziircherische Verfassungs- anderung von i336« und noch ein Weiteres, die Grundzuge einer Darstellung der ziircherischen Politik waren in einem Vortrag gezeichnet, den er 1901 in der Antiquarischen Gesellschaft gehalten hatte. Aber den Ausbau fort- zufuhren und mit dem Meisterschlage zu vollenden, war ihm nicht mehr verg6nnt.

In Kunstgeschichte hat Z. sich ostentativ als »Laie« erklart und doch ist in baugeschichtlichen Fragen sein Urteil so oft ein ausschlaggebendes gewesen; er war auch stilkritisch geschult, und was er, lag es ihm nur ein- mal daran, zu geben vermochte, hat in der »Festgabe auf die Eroffnung des Schweizerischen Landmuseums« seine Abhandlung iiber die Geschichte des Ziircher Goldschmiedehandwerkes gezeigt. Andere Beitrage sind hier nur zu streifen: fur die »Zwingliana«, die »Deutsche Biographie«, die »Neue Ziircher Zeitung« die »Historische Zeitschrift« von Sybel, den »Anzeiger fur Schweize- rische Geschichte*, wo er neben Besprechungen hervorragender Erscheinungen auf dem Gebiete der historischen Literatur mit grimmigem Hohn die An- spriiche zerpfliickte, die Dilettantismus und pseudowissenschaftlicher Hochmut stellten. Seine Darlegungen endlich, die einem hamischen Angriff galten, haben den Nachweis erbracht, dafi gerade ein halbes Jahrhundert vor dem in der Griindungslegende angegebenen Zeitpunkt schon eine » Gesellschaft der Schildner auf dem Schneggen« in Zurich bestand.

Aber doch nur einen Teil seiner unermudlichen Betriebsamkeit machte diese Betatigung auf dem literarischen Gebiete aus. Fast ihm allein kam die Leitung der Ausgrabungen zu, die auf Kosten der Antiquarischen Gesell- schaft in Zurich und der Schweizerischen Gesellschaft fur Erhaltung histo- rischer Kunstdenkmaler unternommen wurden, die der Moosburg, Schnabel- burg, der Schloflruinen von Alt-Wadenswil, Fridberg bei Meilen, Hohen- lagern usw. In andern Fallen nahm er als Mitarbeiter teil, im Kastell von Irgenhausen, bei der Wiederauffindung der Fraumiinster-Krypta in Zurich und zuletzt noch, als die Trummer einer romischen Anlage im wel- schen Dorfli in Chur zum Vorschein gekommen waren. Bei solchen Ar- beiten hat sich in gleichem Mafie wie der Spiirsinn und ein erfahrenes Wissen sein klar und ruhig iiberlegendes Wesen bewahrt. Wie oft es schien, dafl seine Schliisse getroffen seien, er riickte erst heraus, wenn der endgiiltige Befund sie bestatigt hatte. Zwei Entdeckungen sind von besonderer Be- deutung geworden, die der ausgedehnten, schon im zehnten Jahrhundert

2J.2 Zeller -WerdmUller.

zerstorten Burg bei Stammheim, cler Aufschliisse wegen, die sich hierbei iiber die Struktur der altesten Wehrbauten ergaben, und der Nachweis einer »Pfahlburg«, der Schiterburg im Sagentobel bei Zurich. Gern kam Z. auf die Moosburg zu sprechen. Dort hatten die Grabungen lange gewahrt, viel Geld und Mlihe gekostet und doch aufler dem Nachweis des Planes nichts von Belang erbracht. Endlich in letzter Stunde ward noch der Sodbrunnen gefunden. Das hob den Mut; denn Z. wufite, wie oft solche Schachte Wich- tiges bergen. Und wirklich aus dem Grunde kam es herauf, es sei ein Kessel da. Das war nun ein Fund, aber wichtiger, als ihn der Mann ge- meldet hatte, namlich der eines Eisenhutes, den jetzt das Landesmuseum als eines der seltensten Stiicke seiner Waffensammlung bewahrt.

Den Sitzungen der Antiquarischen Gesellschaft, der er schon seit 1862 angehorte, hat Z. nicht regelmafiig, aber wenn es geschah, mit aktiver Teil- nahme beigewohnt. Oft, wenn nach beendigtem Vortrag »ein Engel durchs Zimmer ging« und kein Votant sich stellen wollte, da wandten sich des Prasidenten und vieler Blicke auf ihn, der immer etwas zu sagen und auch an Entlegenes anzuknupfen wufite. Wie er schrieb, ohne Phrasen, schlicht und klar, so trat er nach solchen Winken als Redner auf, sicher, blindig und laut; man merkte den soldatisch Gerichteten heraus.

Der »Schweizerischen Gesellschaft fur Erhaltung historischer Kunstdenk- maler« trat er bei ihrer Gnindung bei. Eine Menge von Expertenberichten, die er iiber Ausgrabungen, den Befund von Denkmalern und ihre Wieder- herstellung verfafite, belegen die Hingebung, die er auch diesen Bestrebungen widmete. Das Amt des Quastors, das er zuletzt noch fiihrte, bot ihm die Gelegenheit, seine Erfahrungen und das Gewicht seiner Personlichkeit in den verschiedensten Richtungen geltend zu machen, in den verwickeltsten Situa- tionen zuweilen, die er mit ruhiger Ubersichtlichkeit beherrschte und durch sein Votum kl£rte. Die gleiche Besonnenheit hat sich gegeniiber zu weitgehenden Anspriichen in Subventionsfragen bewahrt. Da blieb er dann fest, ohne Riicksicht und Menschenfurcht, und wieder so, wenn kritiklos oder voreilig restauriert werden wollte. Zumal in den letzten Jahren ist er oft und scharf ins Treffen geraten, mit zuviel Stofikraft vielleicht; aber den Nagel hat er doch meistens auf den Kopf getroffen. Niemand ist von Schwachen frei, die Zellers sind seine explosiven Tendenzen und ein Hang zu Verstarkungen gewesen, der sich in gewissen Sachen bis zum Unfaflbaren steifte. Seine Wallungen waren leicht zu beschwichtigen, in seinen Antipathien und ein- mal vorgefaflten Meinungen dagegen blieb er intransigent, so dafi er oft, wie man sagt, das Kind mit dem Bade ausgeschiittet hat. »Ich verstehe nichts von Kunst«, war ein gefliigeltes Wort, und ebenso wies er jede Affinitat mit akademischem Wesen zuriick. Als ihn die »Gelehrte Gesellschaft* in Zurich zu ihrem Mitglied ernannte, da weigerte er rundweg die Annahme der Wahl; erst als sie nach Jahren zum zweitenmal erfolgte, mochte er fiihlen, dafi so aufrichtige Anerkennung auch Riicksicht erheische. Er hat sich noch kurz vor seinem Ableben der Gesellschaft zur Herausgabe eines Neujahrsblattes verpflichtet, ihren Sitzungen aber meines Wissens nie bei- gewohnt. Als einer der Wiirdigsten durfte er die Auszeichnung empfangen, die ihm Ende 1892 die philosophische Fakultat der Hochschule Zurich durch die Ernennung zum Doctor honoris causa verlieh. Er hat sie geziemend ver-

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dankt unci auch sicher im innersten Grunde sich dariiber gefreut; aber sein Name ist nie anders als »Hch. Zeller-Werdmuller« von ihm geschrieben worden. Nie war es ihm uberhaupt urn aufiern Erfolg zu tun; nur der Wissenschaft wollte er dienen, und dafur war ihm kein Opfer zu grofi. Wie er den Vereinen, denen er angehorte, seine Zeit und seine Kenntnisse schenkte, so diensrfertig stand er dem einzelnen bereit. Freilich war auch nur er imstande, in solchem Mafie zu schenken. Schon die Art der Arbeit brachte es mit, ob er in der Studierstube schrieb, in Bibliotheken oder Ar- chiven forschte oder im Getriebe einer Fundstatte notierte, gleich ruhig und fliissig ging alles von statten. Und sodann war ihm ein Gedachtnis eigen, das, was er einmal gesehen, gelesen oder vernommen hatte, ihm bleibend zu eigen machte. Es war ein phanomenales Wissen, uber das er verfugte, in manchen Richtungen uber den Bereich seines Faches hinaus und mit einer Sicherheit, die niemals fehlte. Es kamen die Jahre, wo jeder Tag ihm An- liegen und Fragen brachte; denn ein Fund, eine Aufstellung konnten nur dann als gehoben und sicher gelten, wenn Z. gepriift und seine Meinung abgegeben hatte. Im Staatsarchiv, in der Stadtbibliothek und dem Landes- museum war er im hintersten Winkel daheim und dadurch imstande, jeden Fragenden auf eine sichere Fahrte zu leiten. Fiihrten uns Studien- oder Er- holungsreisen uber Land, er war das lebendige Lexikon, das uber jede Stadt, jedes Stift, jede Burg Auskunft erteilte.

Neben den vielen Obliegenheiten, die ihn aufier den Fachstudien be- schaftigten, hat er seine Wirksamkeit wahrend der letzten Lebensjahre vor- nehmlich dem Schweizerischen Landesmuseum gewidmet. Schon bei den Installationsarbeiten erwies sich, welche Kraft dem Institut gewonnen war. In kritiklosester Ordnung war die Waffensammlung aus dem kantonalen Zeug- hause iibernommen worden. Z., ohne von Hause aus ein Waffenkenner zu sein, iibernahm es, den Transport, die Katalogisierung und Aufstellung zu leiten, wobei er mit Hiilfe einschlagiger Studien und vergleichender Um- schau in anderen Sammlungen zu einem Systeme gelangte, dem das ungeteilte Lob der Fachmanner gait. In gleicher Weise reiften andere Kenntnisse sich aus, in der Numismatik, auf die ihn die Katalogisierung der Munzsammlung fiihrte, und die der prahistorischen Altertumer. Da war ein Gebiet, das er ganz als ein Neuling betreten hatte, aber bald in einem Umfange beherrschte, dafl er auch hier die Sicherheit eines mafigebenden Urteils gewann. Dazu trugen einmal die Erfahrungen bei, die er bei der Ausbeutung der tessinischen Graberfelder gesammelt hatte, und sodann haben sich eben in dem Ver- haltnisse zu der prahistorischen Forschung aufs bestimmteste die Bedingungen seiner Kraft bewahrt: die klare Besonnenheit, weiter Blick und ein metho- disches Wissen, das ihn befahigte, die grofien Ziige zu uberschauen und die Faden klarzulegen, die Geschehnisse und Sachen verbinden.

Wie er im Dienste dieser Forschungen keine Anstrengung und Unbill kannte und unter alien Bedingungen auf den ersten Apell sich auf die Fund- statten verfugte, so willig fand er sich zu andern Expeditionen bereit. Er hat im Friihling 1894 den Direktor des Landesmuseums nach Groditzberg begleitet und mit ihm Martin Usteris kostliche Sammlung von Glasgemalden zuriickgebracht und bald darauf in Gesellschaft desselben Freundes eine be- schwerliche Winterreise nach Leipzig gemacht. In Frankreich, am Rhein

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und iiberall in der Schweiz ist er herumgereist, und noch wenige Wochen vor dem Hinschied hat er, seine Abneigung gegen Paris iiberwindend, sich dazu bereden lassen, daselbst eine Sammlung schweizerischer Glasgemalde zu katalogisieren.

Personlich ist Z. kein Sammler gewesen. Wie er an das Leben die be- scheidensten Anspruche stellte, so liefi er sich fur Studienzwecke an dem geniigen, was zu dem unerlafilichen Bedarf gehorte. Entbehrliches von Blattern und Buchern wies er der Stadtbibliothek oder dem Landesmuseum zu, und das letztere hat er auch sonst noch mit reichen Spenden bedacht.

Alles Oberschwengliche und Sentimentale war Z. zuwider und fremd. Er selber beherrschte die Gefuhle und kehrte, wenn sie sich regen wollten, eine uberlegene und trockene Ruhe heraus. Das hinderte ihn aber nicht, ein inneres Leben zu fiihren und, wie wenig er davon sprach, mit Warme und Festigkeit dafiir einzustehen. Den Seinen ist er ein liebender Vater, ein sicherer Berater und wohlwollender Fiihrer gewesen: seine ganze Hin- gebung hat der Familie gegolten. Fast nur auf die engere Verwandtschaft blieb sein geselliger Verkehr beschrankt, und bei solchen Familienanlassen schlofi sich dann auch der erstaunliche Reichtum der Erinnerungen auf, in Trinkspriichen, die sich an die Entwicklung der weitlaufigsten und kompli- ziertesten Verwandtschaftsverhaltnisse kniipften und in Erzahlungen, die alle Geschichtchen und Beziehungen aus dem alten Zurich benihrten.

Hart war er nur gegen sich selber. In spateren Jahren hat er sich keine Ferien, nicht einmal eine kurze Ausspannung gegftnnt. Er brauche das nicht, pflegte er lachelnd zu erwidern, wenn die Seinen und Freunde ihn dazu mahnten. Erst in vorgeriickter Jahreszeit gab er die taglichen Bader im Ziirichsee auf, und wenn er sich nicht unwohl fuhlte, vermochten nur grimmi- ger Nordwind oder eisige Kalte ihn zum Gebrauche des Uberrocks zu bewegen. Dafi innere Leiden schon weit entwickelt waren, ahnte er nicht und bestritt es, dafi die Pariser Reise ihn ersch6pft haben mOchte. Die Gange ins Landesmuseum setzte er taglich fort, und dort hat er am Abend des 24. Fe- bruar zum letzten Mai sein Arbeitszimmer geschlossen. »So, jetzt habe ich das Inhaltsregister zu den Stadtbiichern geschrieben; ich mufi ja immer be- sorgen, was andere ungern machen,« aufierte er sich dem befreundeten Vizedirektor Dr. Lehmann gegeniiber. Dann haben die beiden ihren gewohn- ten Abendspaziergang gemacht, worauf Z., kaum heimgekommen, zwei rasch aufeinanderfolgen.de Schlaganfalle erlitt Nach dreitagigem Ringen, in dem nur seltene Zeichen ein dammerndes Bewufitsein verrieten, ist er am 27., nachmittags, verschieden.

Es heifit wohl, dafi keines Menschen Verlust ein unersetzlicher sei. Das mag die Regel sein; aber eine Ausnahme, die sie bestatigt, stellt der unseres Freundes dar; denn wer vermochte es, fur ihn einzustehen und Ersatz zu bieten fiir den Ausfall von so viel Hingebung und Kraft? J. R. Rahn.

Mtihlbacher, Engelbert, Professor der Geschichte an der Universitat Wien, * 24. Oktober 1843 zu Gresten in Niederosterreich, f 17. Juli 1903 in Wien. M. geh6rt zu den vielen Osterreichern, welche, aus niedrigen Ver- haltnissen sich emporarbeitend, lediglich der eigenen Kraft und Tuchtigkeit eine hervorragende Stellung verdanken. Er wurde als Sohn eines Schmiedes

Mlihlbacher.

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geboren, welcher aus Oberosterreich iibersiedelt war. Fiir Land und Leute ob der Enns bewahrte der Sohn jederzeit das lebhafteste Heimatsgefiihl, er verriet sich seinen Landsleuten auch am Dialektklang der Sprache. Friih hervortretende Begabung eroffnete ihm trotz der Mittellosigkeit seiner Familie den Besuch des Gymnasiums in Linz (1854 bis 1862). In klerus- und kloster- reichen Gegenden erschien damals noch viel mehr als heute als das natiir- liche Ziel des »armen« Studenten, den geistlichen Stand zu ergreifen; namentlich war das der sehnlichste, immer wieder ausgesprochene Wunsch der Mutter, welche M. bis an sein Lebensende zartlich verehrte. So trat er denn nach Ablegung der Maturitatspriifung 1862 in das Chorherrenstift S. Florian bei Enns; wie man aus seinen spateren Auflerungen abnehmen mufl, ohne einen nachhaltigen Drang zu fuhlen.

Unter den grofien osterreichischen Klostern, welche mit ausgedehntem herrschaftlichem Besitz auch vornehme, tolerante Gesinnung und feinen Ton festhielten, war S. Florian wohl damals dasjenige, welches die meiste geistige Regsamkeit insbesondere auf dem Boden der Geschichtschreibung aufwies: dem Geschichtschreiber der osterreichischen Herzoge, Kurz, reihten sich der Vizedirektor des Staatsarchivs, Chmel, und der damalige Probst Jodok Stiilz als namhafte Historiker an. Durch letzteren wurde M. auf solche Studien gelenkt. Von umfanglicher Lektiire, welche die in historicis reich ausgestattete Klosterbibliothek ermoglichte, ging M., nachdem er 1867 zum Priester geweiht war, bald auch zu produktiver Tatigkeit iiber. Er versucht sich zuna£hst mit Beitragen zur altesten Kirchengeschichte Osterreichs und mit der Kritik der Acta s. Flortani, seines Klosterpatrons (Theologische praktische Quartalschrift, Linz 1868), dann beschaftigte er sich gleich seinem Pralaten mit den Schriften des oberosterreichischen Probstes Gerhoch von Reichersberg und gibt dessen Brief an die Kardinale im Archiv f. osterr. Geschichte (47. Bd.) heraus. An Gerhoch reihen sich iiber das landschaftliche Interesse hinaus viel grofiere Probleme an: die kirchlichen Stromungen des 12. Jahrhunderts; das Selbstandige, Grundehrliche, zum Teil gegen die herrschende kuriale Richtung Oppositionelle in Gerhoch machte ihn zum dauernden Liebling M.s. In der Zeit, in welcher die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit alle geistlichen Kreise tief erregte, befafite sich M. mit Studien iiber Abalard und Arnold von Brescia, die aber liegen blieben, dann geriet er auf die skandalose Doppel- wahl von Anaklet und Innocenz II. In innerem Kampf und Drang hatte sich fiir M. ein selbstandiges wissenschaftliches Arbeitsgebiet ergeben, nicht ohne Zusammenhang mit seinen kirchlichen Anschauungen, welche ihn in ent- schiedene Opposition gegen die Konzilsbeschliisse brachten, wenn er auch den Beitritt zu den Altkatholiken ablehnte. Er suchte die Freiheit sich methodisch fiir die Geschichtswissenschaft ausbilden, sich ihr ganz widmen zu diirfen. Nach mehrjahrigem Harren erzwang er sich im Herbst 1872 die Erlaubnis, die Universitat Innsbruck zu besuchen. Es war Ficker, der ihn dahin zog; er hatte mit ihm schon von S. Florian aus Beziehungen ange- kniipft und fand in ihm den Fiihrer, wie er ihn suchte. In der scharfen kritischen Ader, in der Abneigung gegen Schein und Phrase, wie in Auf- richtigkeit und in Unbeugsamkeit des Charakters und in Selbstlosigkeit stimmten sie iiberein, also wissenschaftlich wie personlich, und so erwuchs aus dem engen Schiilerverhaltnis eine ungetrubte Freundschaft fur das ganze Leben.

346 Mtihlbacher.

M. kam als gereifter Mann auf die Hochschule; festen Auges steuerte er auf sein Ziel zu. Wahrend seiner zweijahrigen Universitatsstudien arbeitete er »Die streitige Papstwahl des Jahres ii3o« (Innsbruck 1876) aus, welche er Julius Ficker widmete. Ihre starke Seite ist die mustergiltige Quellen- analyse, welche dauernden Wert behalten hat und gleich der Klarheit und Knappheit in Sprache und Darlegung schon die charakteristischen Vorziige von M.s Forschung aufweist. Als M. diesem Thema bereits naher getreten war, erschien 1872 Zopffels Buch liber die Papstwahlen, welches dieser Doppelwahl gleichfalls einen ausgedehnten Exkurs widmete. Da M. die kritischen Schwachen seines Gegners mit jugendlicher Scharfe angriff, wurde er mit ihm in eine peinliche Polemik verwickelt, in welcher er sogar ganz grundlose Angriffe auf seine persflnliche Ehre abzuweisen hatte.

Neben dieser Hauptarbeit nahm M. 1872 eine Literaturgeschichte seines Stiftes von dessen erster wissenschaftlicher Betatigung bis auf die bedeutenden Mitglieder des 19. Jahrhunderts in Angriff und vermochte auf Grund der reichen Briefschaften des Archivs insbesondere von den Historikern Kurz, Chmel und Stlilz interessante Bilder zu entwerfen. Obwohl der Druck schon 1876 begann, konnte sie doch erst nach seinem Tode (Die literarischen Leistungen des Stifts S. Florian, Innsbruck 1904) und ohne ganz vollendet zu werden, erscheinen. Sie war gleichsam der Dank, welchen er dem Kloster abstattete. Denn die Wege und Anschauungen teilten sich. Ohne formlich mit seinem Stifte zu brechen, kehrte er doch nicht mehr dauernd nach S. Florian zurlick, die Starke seiner personlichen Uberzeugung und die stets nach oben gerichtete Unbeugsamkeit seines Charakters stimmten liberhaupt nicht zu solchem Berufe.

Im Juli 1874 erlangte M. den philosophischen Doktorgrad und warf die Wurfel seines Lebens. Er entschlofi sich selbstandig und in den Bahnen der Wissenschaft seinen Weg zu suchen. Ficker hatte die Bedeutung dieses seines Schulers alsbald erkannt und griff entscheidend ein. Er ubertrug ihm eine Abteilung der von ihm geleiteten Neubearbeitung von Bohmers Rcge$ta imperii und ermbglichte es damit dem bedurfnislosen Wesen M.s in seiner Unabhangigkeit bis zur Gewinnung einer entsprechenden Stellung auszuharren. Noch bedeutsamer war, dafi er ihn zur weiteren Ausbildung gerade fur die Regestenarbeit an den grofien Meister der historischen Hilfswissenschaften, Sickel, nach Wien wies. M. war 1874 bis 1876 aufierordentliches Mitglied des Instituts fur osterreichische Geschichtsforschung und wurde alsbald das Mittelglied, welches die Schulen und Schuler der beiden grGfiten oster- reichischen Geschichtsforscher verband. Da Sickel sich entschlofi, seine Ausgabe der Kaiserurkunden in den Monumenta Germaniae mit dem zehnten Jahrhundert zu beginnen, setzte M. im Einvernehmen mit seinen beiden Lehrern mit den Regesten der Karolinger ein. Trotz der klassischen Vor- arbeiten Sickels war diese Abteilung der Rcgesta imperii mit Rucksicht auf die zeitliche Ausdehnung, die Verstreutheit des Materials auch liber ganz Frankreich und halb Spanien, die gewaltige Masse der einschlagigen Literatur und endlich auf die Unzahl der Falschungen eine der schwierigsten, so recht geeignet, ein Vorbild der Regestentechnik auch fur die folgenden Abteilungen zu liefern, eine Aufgabe, welche M. glanzend gelost hat. Nachdem sein akademischer Aufsatz liber die Urkunden Karls III. (Wien 1879) zum ersten

Miihlbacher.

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Male die durch Fickers Beitrage zur Urkundenlehre gegebenen Gesichtspunkte und Anregungen mit der Methode Sickels harmonisch verbunden hatte, er- schien 1880 bis 1889 lieferungsweise der erste Band der Regesten, welcher erschopfende Ausziige von den Urkunden der alteren Karolinger bis auf Ludwig den Frommen, dann von jenen des lothringischen und deutschen Zweiges bis zu deren Erloschen enthalt. Damit sind alle chronologisch genau festlegbaren Nachrichten der gleichzeitigen Schriftsteller iiber Regierungs- handlungen dieser Konige verbunden, es ist also das voile quellenmafiige Gerippe der Konigsgeschichte gegeben. Diese Regesten erweisen M.s eminente kritische Begabung auf einem weiten Felde, sie ist vereint mit selten ver- sagender Zuverlassigkeit und bewunderungswerter Beherrschung des viel- gestaltigen Stoffes; das Werk ist fur die politische Geschichte, die Urkunden- lehre und die Rechtsgeschichte der Karolingerzeit grundlegend, zu einem unentbehrlichen Fuhrer geworden. Wenige Ehrungen freuten denn auch den Verfasser so sehr, als dafi ihn die juridische Fakultat in Bern ob dieser Leistung 1903 zum Ehrendoktor promovierte. Und nicht weniger bezeichnend ist, dafi der Band schon nach drei Jahren vergriffen war. Im Jahre 1899 erschien der erste Teil der zweiten Auflage; die Fertigstellung des Manuskriptes fur den Schlufi beschaftigte ihn mit Obereifer in den letzten Wochen seines Lebens, als hatte er sein baldiges Ende geahnt! Da ihm in der Zwischen- zeit bei der Herausgabe der Karolingerdiplome die Originale und die ganze handschriftliche Uberlieferung bis auf Ludwig den Frommen, teilweise auch fur die spateren Karolinger bekannt geworden war, so bedeutet die neue Auflage auch einen unleugbaren Fortschritt in der Urkundenkritik; nament- lich hatte er noch tiefer in die Werkstatten der Falscher schauen, ihre Fabrikmarken noch scharfer von den Formlosigkeiten nicht streng geregelten Kanzleibrauches scheiden gelernt. Auch fur die franzosischen und italie- nischen Karolinger hatte M. das Material gesammelt, aber Verwertung fand es nur mehr im ersten Band; die Ausarbeitung des zweiten unterblieb, seitdem sich die Aussicht eroffnete, dafi die Franzosen und Italiener diese Vorarbeiten fiir ihre Lander selbst leisten wiirden und wichtigere Aufgaben an ihn her- antraten.

Als die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae historica im Jahre 1892 die Herausgabe der karolingischen Konigsurkunden beschlofi, war M. der berufenste Mann hierfiir und es war ihm dies Anerbieten hochwillkommen sowohl fiir seine unmittelbaren literarischen Arbeiten, fiir welche sie die Erweiterung und Kronung bildete, als in seiner Eigenschaft als Professor der historischen Hilfswissenschaften. Das letzte Jahrzehnt seines Lebens war vornehmlich diesem monumentalen Werke gewidmet. Ein grofier Teil der Vorstudien und Vorarbeiten war bereits in seinen Regesten geleistet, mit auserlesenen Mitarbeitern sammelte er die durch ganz Europa zerstreuten Originale; an der kritischen Bearbeitung legte er vor allem selber Hand an, so dafi, wie seine Genossen Tangl und Lechner in ihren Nachrufen &ufierten, kaum ein Stuck war, bei welchem nicht Regest, Erlauterung und Textge- staltung den Stempel seines Geistes und umfassenden Wissens triige. Den in jeder Hinsicht schwierigsten ersten Band bis zum Tode Karls des Grofien hat er noch im wesentlichen fertigstellen konnen, hoffentlich wird das posthume Werk in den nachsten Tagen erscheinen konnen.

348 Mtthlbachcr.

Vor allem Geschichtsforscher, hat er sich doch auch als Geschicht- schreiber bewahrt. Er, der wohl als der intimste Kenner der Karolinger- zeit angesprochen werden durfte, liefi sich gewinnen, fur v. Zwiedinecks Bibliothek deutscher Geschichte die » Deutsche Geschichte unter den Karo- lingern« zu schreiben (Stuttgart 1896). Vollste Beherrschung der Quellen ermoglicht ihm souveranes Schalten mit seinem Stoff, der Gesamtverteilung wie den Einzelheiten, und gieflt iiber die plastische Darstellung einen eigen- artigen Reiz, welcher durch die kornige, individuelle Sprache noch wesentlich gehoben wird. Die Arbeit erwuchs aus den Regesten und verleugnet diesen Ursprung nicht. Die Staatsgeschichte und hier wieder jene des Konigtums, ja der Kdnige steht im Mittelpunkt. Von den Gestalten der Herrscher aus, deren Charakteristiken zu den Glanzpunkten des Werkes zahlen, werden die grofien Einrichtungen Karls und der Verfall unter seinen Sohnen projiziert. Auch in der politischen Geschichte bleibt er bei dem quellenmafiig Sicheren stehen; wie er das »Geschichtemachen« im Vorfiihren grofier, aber nicht voll- beweisbarer Zusammenhange bei andern tadelte, so widerstand er solcher Versuchung bei sich selbst. Neben hohem Lob hat seine Karolinger- geschichte als Auslaufer einer alteren Richtung auch Tadel empfangen. Beriicksichtigt er Faktoren, welche wie die Wirtschaftsgeschichte heute im Vordergrund der Betrachtung stehen, nur wenig, so mufi doch auch betont werden, dafl diese Darstellung in ihrer Selbstbeschrankung ein durchaus zuverlassiges, gesichertes, historisches Bild gibt, welches dem Wechsel der wissenschaftlichen Stromungen entriickt ist.

Die Karolingerzeit ist M.s gelehrtes Lebenswerk geworden; in seiner literarischen Produktion ist er iiber sie nur selten mehr hinausgegangen. Doch sei auf den allseitig mit Beifall begniOten Aufsatz in der Festschrift fiir Ficker (im IV. Erganzungsband der Mitteilungen des Inst. f. ost. Geschichts- forschung) »Kaiserurkunde und Papsturkunde« hingewiesen, in welchem er den Einflufi, welchen zuerst die Kaiserurkunde auf die Papsturkunde und dann umgekehrt die Papsturkunde iibte, sowie die Einwirkung beider auf die Furstenurkunde parallel mit der gesamten politischen Entwicklung allerdings nur skizziert, aber mit einer Flille zutreffender fruchtbarer Ausblicke aus- stattet. Dieser Aufsatz entstand aus seiner Lehrtatigkeit. M. erlangte im Jahre 1878 an der philos. Fakultat zu Innsbruck die venia fiir historische Hilfswissenschaften, 1880 auch fiir Geschichte des Mittelalters ; im Jahre 1881 wurde er iiber einstimmigen Vorschlag der Wiener Fakultat zum aufieror- dentlichen Professor dieser Facher an der ersten Hochschule des Reiches mit speziellem Lehrauftrag in dem Institut fiir osterreichische Geschichts- forschung ernannt und trug hier namentlich Palaographie und Urkunden- lehre zuerst neben Sickel, dann an dessen Stelle vor. An glanzendem Vortrag hinderte ihn aufier dem Organ auch sein Hang, sich formlos gehen zu lassen und seine Abneigung gegen alle Pose; seine lebhafte Einwirkung beruhte auf Klarheit, Schlichtheit, Griindlichkeit und indem er wie in die Schriften, so auch in die Vorlesungen seine originelle Individuality mit all ihren Ecken hineinlegte. Diese Eigenschaften kamen starker im seminaristischen Betrieb und in der Besprechung unter vier Augen zur Geltung, fiir welche er seinen Horern den ganzen Tag in seinem Institutszimmer zuganglich war, er nahm sich ihres wissenschaftlichen,

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aber nicht weniger ihres materiellen Fortkommens mit vaterlicher Fiir- sorge an.

Seine Stellung im Institut f. Gsterr. Geschichtsforschung besafi aufier der Lehrtatigkeit noch eine zweite kraftige Wurzel. Als die alten Mitglieder dieser Anstalt im Jahre 1878 ein eigenes Fachorgan, die »Mitteilungen des Institutes« zu schaffen beschlossen, libernahm M. die Leitung und hat in 24Jahriger Arbeit diese erste streng wissenschaftliche historische Zeitschrift, welche sich in Osterreich dauernd hielt, zu hoher Bliite gebracht. Neigung zu journalistischer Tatigkeit, welcher er als junger Geistlicher in Agitation fiir Begrundung von Feuerwehren naher getreten war, selbstlose Begeisterung fur das Unternehmen, die ihm eigne zahe Ausdauer und gewaltige Arbeits- kraft, nicht am wenigsten das Vertrauen, welches er durch seine Zuverlassig- keit iiberall erwarb, lieflen ihn alle Hindernisse iiberwinden. Das ausfiihrliche Redaktionsjournal, welches er anfangs fuhrte, wird einmal einen sehr merk- wiirdigen Beitrag zur Geschichte des gelehrten Wesens in Osterreich bilden, aber auch prachtige und zum Teil belustigende Beispiele von M.s Meister- schaft im Briefstil gewahren.

- Als Gelehrter, Lehrer und Redakteur der Mitteilungen schuf sich M. eine uberaus geachtete Stellung. 1885 wahlte ihn die kaiserl. Akademie der Wissenschaften zum korrespondierenden, 1891 zum wirklichen Mitglied und entsendete ihn in die Zentraldirektion der Monumenta Germaniae, 1895 uber- trug ihm Ficker die Oberleitung der Regesta imperii, 1896 wurde er korre- spondierendes Mitglied der bayerischen Akademie. Aber durch ein fatales Zusammentreffen von personlichen Verhaltnissen und von ZeitstrOmungen wurde er trotz wiederholten Vorschlages der Fakultat erst im Jahre 1896 zum ordentlichen Professor ernannt. Noch im gleichen Jahr trat er als Nach folger Zeifibergs an die Spitze des Instituts fiir osterreichische Geschichts- forschung, dessen belebender Mittelpunkt er schon seit Sickels Rucktritt 1 89 1 gewesen war. Das lange Harren auf das Ordinariat und andere schwere \Viderw£rtigkeiten, welche iiber ihn gekommen waren, hatten ihn tief verbittert; die Schroffheit, mit welcher er schon friiher sein warmfuhlendes Herz zu decken liebte, steigerte sich und auch seine Arbeitskraft drohte zu erlahmen. Die Erreichung des wohlverdienten Zieles verjiingte ihn, mit gewaltigem Schwunge forderte er seine gelehrten Arbeiten, fruchtbringend erweiterte er auf den von Sickel meisterhaft gelegten Grundlagen die Wirksamkeit des Institutes, das er mit der Neuordnung des staatlichen Archivwesens und mit der Kommission fiir neuere Geschichte Osterreichs verband. Da er auch bei den historiographischen Arbeiten der Akademie der Wissenschaften eine fiihrende Rolle spielte, so liefen die meisten Faden im Betrieb der mittel- alterlichen Geschichte auf dem Boden Osterreichs in seiner Hand zusammen. Mitten in diesem Wirken brach er jah zusammen. Ein heftiges Unwohlsein glaubte er im Vertrauen auf seine zahe Natur mit eisernem Willen nieder- kampfen zu konnen; in Fieberschauern fuhrte er noch die Staatspriifungen in seiner Anstalt durch. Als ihn seine Freunde endlich bewogen, arztliche Hilfe zu suchen, war es zu spat, am 17. Juli 1903 machte eine Lungen- entziindung seinem Leben ein Ende. Freund und Gegner sprachen von der gefallenen knorrigen Eiche.

E. v. Ottenthal.

35o Wolf.

Wolf, Hugo, Tondichter, * am 13. MSrz i860 zu Windischgraz, f am 22. Februar 1903 zu Wien. Am 13. Mirz i860 wurde in dem steirischen St&dtchen Windischgraz dem Sattlermeister Philipp Wolf und seiner Gattin Katharina, geb. Nufibaumer, als viertes Kind ein Sohn geboren, der den Namen Hugo erhielt. Philipp Wolf, der, seinem Handwerk innerlich fremd, von seinem Vater gezwungen worden war, das Gesch&ft zu ubernehmen, pflegte in seinen MuBestunden mit leidenschaftlicher Liebe die Musik, und der kleine Hugo wurde bald ein geschatztes Mitglied des Hausorchesters, das der Vater mit Unterstiitzung einiger Freunde gegriindet hatte. Das frtih hervortretende, auBer- gewfthnliche Talent des Knaben verblendete den Vater durchaus nicht, der wollte, dafi seine Sohne eine ordentliche Schulbildung erhalten und womdglich studieren sollten. Hier aber machte Hugo dem Vater sehr bald einen Strich durch die Rechnung. Zwar die ersten Jahre auf der Volksschule in Windisch- graz lieflen gutes hoffen; aber auf dem Gymnasium, zuerst in Graz, dann bei den Benediktinern in St. Paul, zuletzt in Marburg a. d. Drau, versagte Hugo vollstandig. Er hat mir gegeniiber spater geauflert, er habe kein Talent fur fremde Sprachen; ich meine aber, sein Mifierfolg auf der Schule lag in seiner Natur begriindet. Unsere Schulen mit ihrem glattenden, nivellierenden Wesen sind nicht der richtige Boden fur Naturen von so ausgesprochener Eigenart. Seine ungewohnlich hohe allgemeine Bildung hat W. sich selber zu verdanken gehabt, ebenso wie seine musikalische Erziehung. Und er hatte seinen besten Erzieher an sich selbst, dem jede Halbheit, jede Luge, jede Selbstgeniigsam- keit gegen die innerste Natur ging. Und so kam es, daB er im Jahre 1875 dem Vater erklarte, er wolle Musiker werden. Dieser hatte an sich selber erfahren, was es heifit, gegen die eigene Neigung zu einem fremden Berufe gezwungen zu werden; daher setzte er dem Sohne keinen grdfieren Wider- stand entgegen, als ihm seine Sorge fiir die Zukunft gebot. Aber W. hatte jeden Widerstand iiberwunden er hat stets im Leben durchgesetzt was er wollte , denn hier lag keine freie Wahl, sondern ein innerer Zwang vor.

Er hatte die Musik w&hrend der ganzen Gymnasiastenjahre eif rig gepflegt : nun aber hiefl es, »der Regeln Gebot« zu lernen. Er kam an das Konser- vatorium nach Wien, um bei dem alten Krenn Harmonielehre und bei Wilhelm Schenner, einer feinen Kunstlematur, Klavier zu studieren; aber auch hier gab es ein Ende mit Schrecken. Nach zwei Jahren wurde er wegen eines Disziplinarvergehens entlassen. Und nun stand der i7J&hrige auf der Strafie, mittellos, denn von Hause konnte er bei der zahlreichen Familie des Vaters, dessen Wohlstand seit einem Brande im Jahre 1867 zuruckgegangen war, auf Unterstiitzung nur wenig rechnen, und sein ungewOhnlich reizbarer Stolz verbot ihm, Hilfe da anzunehmen, wo er seine kunstlerische Daseinsberechtigung noch nicht erwiesen hatte.

So lag eine Zeit schwerer Entbehrungen vor ihm, in der es oft sogar am ndtigsten Handwerksmaterial fehlte. Als ich in Wien bei einem Besuche im Jahre 1897 einen ganz auseinanderfallenden Band Beethovenscher Sonaten aus dem Schrank nahm, erz$hlte er mir, er habe, in einer Dachkammer wohnend, wo er kein Klavier zur Verfugung hatte, die einzelnen Sonaten aus dem Bande genommen, um sie im Prater zu studieren. Denn, nachdem er von der Zunft weggewiesen war, da ging er in die Schule, die ihm die ndtige Achtung abzwang und die nur den zuriickweist, der ihr als ein Unwurdiger

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naht: er ging bei unsern grofien Meistern in die Lehre. W. war eine durch- aus ebrfiirchtige Natur, aber der Meister mufite danach sein. Beethoven und Wagner waren die Leitsterne in jenen fiir seine kiinstlerische Entwicklung entscheidenden Jahren.

Von den kiinstlerischen Erzeugnissen jener Jahre hat W. nur wenige Stiicke selber veroffentlicht in den beiden Liederheften, die er 1887 herausgab. Ober den Nachlafi jener ersten Jahre vgl. Decsey, Hugo W., Bd. 1 S. 68 ff. Er- wahnen will ich nur die sechs geistlichen Lieder fiir gemischten a capella-Choi nach Gedichten von Eichendorff.

Aufierlich ging es \V. herzlich schlecht. Seinen Unterhalt mufite er sich durch Stundengeben verdienen: und wie sollte man von dieser vulkanischen Natur erwarten, dafi sie es ertrug, unbegabten Schiilern das ABC des Klavier- oder Violinspiels beizubringen. Ein humoristisches Aquarell, das ich in seiner Wohnung sah, stellte W.s Unterrichtsmethode dar: an einem Fliigel sitzt ein kleines Madchen, daneben der Lehrer, der zum Schlage ausholt; unter dem Instrument ein Knabe, der schon das Opfer der radikalen Lehrmethode ge- worden ist. Wie oft mag sich W. da gesagt haben : lieber hungern als solche Martern ausstehen. Und er hat oft genug gehungert im ganz gemeinen Sinne des Wortes. Ich glaube nicht zu irren, wenn ich den friihen Zusammenbruch seiner Krafte zum grofien Teil zuriickfuhre auf die Entbehrungen jener Ent- wicklungsjahre. Freilich, ware W. eine weniger schwerlebige Natur gewesen, er hatte es besser haben konnen. Aber der blofie Gedanke, von der Wohl- tatigkeit anderer, selbst der besten Freunde zu leben, vermochte ihn aus Hausern zu vertreiben, wo man ihm herzlich wohlwollte.

Im Jahre 1881 trat voriibergehend eine Anderung seiner Lage ein. W. kam im November als zweiter Kapellmeister an das Stadttheater nach Salz- burg. Aber auch damit war es nichts. Es fehlte ihm an der notigen Routine; seinem kiinstlerischen Wesen konnte es keine Befriedigung gewahren, mit den Choristen Suppesche Operetten zu studieren, und zu Anfang 1882 finden wir ihn wieder in Wien. Im Sommer dieses Jahres pilgert er mit Mottl nach Bayreuth und hort dort »mit grenzenloser Begeisterung« den Parsifal. An Liedern entstehen 1882 das geniale »Mausfallenspriichlein« und die beiden Wiegenlieder von Rob. Reinick, 1883 das herrliche »Zur Ruh« nach J. Kerner. Aber grofiere Plane reiften damals in der Brust des werdenden Meisters. Zwar eine dichterische Schopfung, der Text zu einer komischen Oper, blieb unvollendet liegen, aber ein grofies Orchesterwerk wurde zum vorlaufigen Abschlufi gebracht: die symphonische Dichtung Penthesilea, nach dem Drama Heinrichs von Kleist. Dieses Gedicht, als Kraftprobe eine der starksten Leistungen der ganzen Weltliteratur, hatte es W. vollig angetan, bis in die Tage der geistigen Umnachtung hinein hat ihn der Gedanke an eine Umar- beitung und Erweiterung seiner Symphonie beschaftigt. Wenn man bedenkt, mit welcher inbriinstigen Hingabe W. dieses Werk geschaffen hatte, so wird man die namenlose Wut erklarlich finden, in die er geriet, als Hans Richter in einer Probe der Philharmoniker das Werk herunterfiedeln liefi, um daran eine wegwerfende Bemerkung zu kniipfen iiber den Mann, der »so« iiber Meister Brahms zu schreiben wagte. (Vgl. Decsey 1, 140 f.)

Denn W. war unter die Rezensenten gegangen. In den Jahren 1884 bis 1887 war er musikalischer Berichterstatter des Wiener Salonblatts. Die Proben

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dieser kritischen Tatigkeit, die Decsey in seinem Buche gibt (Band i, 78 f.), erwecken den Wunsch, dafl das Ganze gesammelt werden moge. Denn hier handelt es sich nicht nur um inhaltlich wertvolle Besprechungen, sondern um wahrhafte Herzensergiefiungen eines Kunstjungers, der auch als Schriftsteller ein Kunstler ist. Mit jugendlicher Leidenschaftlichkeit, die aus seiner tiefen Verehrung fur die groflen Meister hervorging, besprach er die Auffuhrungen in der Oper und im Konzertsaal, nur auf die Sache bedacht und ohne die geringste Rucksicht auf wohlakkreditierte Musikleiter und herkommlichen Biihnenschlendrian. Brachte er so manche einflufireiche Personlichkeit gegen sich auf, so verdarb er es vollends mit einer ganzen Richtung durch sein Auftreten gegen Brahms. Ich teile W.s Stellungnahme diesem Meister gegen- iiber ganz und gar nicht, aber man darf nicht vergessen, das die Art, wie Brahms von seiner Gemeinde auf eine HOhe neben Bach und Beethoven hin- aufgeschraubt, wie er als Gegenkonig gegen Richard Wagner austrompetet wurde, den Widerspruch herausfordern mufite. Dafi ein leidenschaftlicher Jungling dabei oft das Mafi von Achtung vermissen liefi, dafi er selbst einem ihm wesensfremden Meister schuldig war, ist zu bedauern, aber schliefilich begreiflich. W. aber verdarb es dadurch nicht nur mit einflufireichen, weil seichten Feuilletonisten von dem Schlage eines Eduard Hanslick, sondern auch mit ernst zu nehmenden Mannern, wie Hans Richter und Hans von Bulow. Er hatte damals noch nicht den Berechtigungsnachweis gefuhrt, selber mit- reden zu durfen. Das Schlimme war, dafi die Antipathie, die er durch seine Kritiken hervorgerufen hatte, die genannten Manner hinderte, seine Schdpfungen mit ungetriibtem Auge zu betrachten. (Vgl. H. v. Billows Brief an Detlev v. Liliencron bei Decsey 1, 95.)

Ein aufieres Ereignis machte W.s Tatigkeit als Kritiker im Friihjahr 1887 ein Ende: der Tod seines inniggeliebten Vaters. Seinem Andenken ist das eine der beiden 1887 erschienenen Liederhefte gewidmet, das andere, die Lieder fur eine Frauenstimme enthaltende, der Mutter. Diese beiden Hefte enthalten das, was W. aus seiner Entwicklungszeit der Veroffentlichung wiirdig erachtete, eine Auswahl, die beweist, dafi er gegen sich selber nicht weniger streng war als gegen andere. Nur etwas mehr als die Halfte dieser Lieder gehoren der Entwicklungszeit an, die anderen (Wachterlied auf der Wartburg, der Konig bei der KrSnung, Biterolf im Lager vor Accon, Beherzigung) zeigen den reifen Kunstler. Die letztgenannten Stucke gehOren den Jahren 1886 und 1887 an und bilden mit einigen Gesangen nach Eichendorff, unter denen der zweite »Soldat« als eine der starksten Offenbarungen seines Genius hervor- gehoben sei, die Vorboten des Liederfriihlings, der nun triumphierend seinen Einzug hielt. Das herrliche Friihlingslied M5rikes »Er ists« spiegelt mit seinen von leiser Ahnung bis zum brausenden Sturm anschwellenden Jubelklangen das selige Gefiihl wieder, das unseren Tondichter begluckte, als der Strom in seinem Herzen die Schleusen brach.

Eduard Morike, der innerlichste unter den Dichtern der schwabischen Schule, war seit Jahren W.s Lieblingspoet, den er uberall mit sich herum- schleppte, vorlas und am liebsten von Anfang bis zu Ende komponiert hatte. Das ging nun freilich nicht, aber es ist nicht zuviel gesagt, dafi er diesen Dichter dem deutschen Volk zum zweitenmal geschenkt hat. Etwa den vierten Teil von seinen Gedichten hat W. vertont; am 16. Februar beginnt

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er mit dem Tambour, bis zum 18. Mai, also in einem Vierteljahr, sind 43 Gedichte beendet, dann kommt eine Pause bis zum Oktober, dann neun Stucke in der Zeit vom 4. bis 10. Oktober, und endlich als Nachziigler schlieflt am 26. November die zweite Christblume den Band ab. Eine geistige Kraftprobe, die an Mozart gemahnt Haberlandt hat in seinem Biichlein »Erinnerungen und Gedanken* Proben aus W.s Briefen jener Zeit veroffentlicht, die geradezu erschfltternd W.s Seelenzustand in jener Bliitezeit wiederspiegeln; erschutternd, denn man fragt sich bange : wie soil ein Mensch, der kein Riese ist, diesem Anstunn widerstehen? Eine Frage, auf die die Zukunft eine furchtbare Antwort gab, denn in eben solcher Lage, als er an seinem »Manuel Venega« arbeitete, brach W. zusammen.

Diesmal aber rauschte der Born der Erfindung schier unerschOpflich weiter. Schon in friiheren Jahren (1880, 1886, 1887) hatte W. einige Gedichte von Eichendorff in Musik gesetzt; jetzt in der Sommerpause, die die beiden Morike-Abteilungen trennt, entstehen in der Zeit vom 31. August bis 29. Sep- tember 13 Gesange nach Eichendorff, die mit den sieben friiher komponierten zusammen als Band erschienen.

Und kaum ist die zweite Abteilung der MOrike-Gedichte abgeschlossen, so stiirzt sich W. auf Goethe; am 27. Oktober beginnt er mit dem ersten Gesange des Harfenspielers; am 12. Februar 1889 sind mit der »Bekehrten« 50 Stucke geschaffen; und auch hier ein Nachziigler, »Die Spr6de«, vom 21. Oktober 1889.

In gleichem Tempo folgen dann im Winter 1889 auf 1890 die 44 Ges&nge des spanischen Liederbuchs nach Geibel und Heyse, vom 28. Oktober 1889 bis zum 27. April 1890; vom 25. Mai bis 16. Juni entstehen die alten Weisen nach Gottfried Keller; und zum Schlufi der erste Band des italienischen Liederbuchs, von dem sieben Nummern noch in das Jahr 1890 fallen; der Rest gehftrt dem Ende des Jahres 1891 an.

Diese Daten geben eine Vorstellung von der unglaublichen Schaffens- kraft, die W. in jenen Jahren entwickelt hat, und die um so erstaunlicher ist, als wir hier, um F. Hauseggers Bezeichnung zu gebrauchen, uberall Musik als »Ausdruck« und zwar intensivsten Ausdruck vor uns haben. Etwas weniger r^tselhaft wird uns diese Sch5pferkraft erscheinen, wenn wir bedenken, dafi W. seine Lieblingsdichter seit Jahren innerlich so verarbeitet hatte, dafi er nur zu schutteln brauchte, um die reifen Friichte sich in den Schofi fallen zu lassen. W.s erste Niederschriften machen den Eindruck sorgfaltiger Rein- schriften. HOchst selten eine Korrektur, keine Spuren von Stockungen, keine aufieren Anzeichen der tiefen Erregung geistiger Empfangnis. Er setzte sich nicht hin, um zu komponieren, das Werk war fertig, wenn er es aufschrieb. So sind diese SchOpfungen der Jahre 1888 bis 1891 der Niederschlag zehn- jahriger Entwicklung zu tiefstem Erfassen kongenialer Naturen und zu unfehl- barer Treffsicherheit in der Neuschaffung dichterischer Schopfungen aus dem Geiste der Musik.

Und nun die Aufnahme bei der Kritik, den Sangern und dem Publikum? Die Wiener Kritiker (sie waren doch die n^chsten dazu), »angefuhrt vom flachen Hanslick«, schwiegen oder gaben Besprechungen, in denen Borniert- heit der Anschauung und Brutalitat der Form sich innig vermahlten (Proben bei Decsey, dem fur diese Festnagelungen aufrichtiger Dank gebiihrt); die Sanger, denen freilich dieser Komponist nicht die Turen einlief, kiimmerten

BiogT. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 23

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sich um »die Sachen« nicht, mit denen nichts »zu machen* war; das Hebe Publikum, ja wo hatte denn das je so etwas wie Initiative gezeigt? Dazu kam, dafi W.s erste Verleger nichts taten fur eine weitere Verbreitung der Lieder, die sie ja nur in Kommission hatten; ehe Schott in Mainz den Ver- lag der W.schen Werke ubernahm, war es ein aussichtsloses Bemuhen fiir einen Reichsdeutschen, etwas davon zu Gesicht zu bekommen. Ein erstes Asyl fanden W.s Gesange im Wiener akademischen Richard Wagner -Verein, wo Josef Schalk, der zu friih Geschiedene, mit Wort und Tat fiir W. eintrat Schalks Aufsatze iiber W. gehoren zu dem Feinsten, was iiber ihn geschrieben worden ist. Neben ihm ist als Sanger Ferdinand Jager zu nennen, der grofle Wagnerdarsteller, der, eine echte Siegfriedsnatur, dem Lindwurm schlafsiich- tigen, besitzestragen Philisteriums kraftig auf den Leib riickte. Aber der Erfolg war, auflerlich betrachtet, doch beschrankt; ja im Wagner-Verein selbst kam es zu Reibereien, wodurch W. veranlafit wurde, die Statte seiner ersten Er- folge langere Zeit zu meiden.

So sehen wir ihn denn in den nachsten Jahren auf der Wanderschaft, neue Freunde zu gewinnen. Das sogenannte Publikum war ihm »Hekuba«, aber im traulichen Zimmer mit zwei, drei Menschen, aus deren Augen ihm echtes Mitempfinden entgegenleuchtete, da taute sein Herz auf, da gab er mit vollen Handen. Und hier hat er auch Freundschaften furs Leben geschlossen. Seine Reisen in diesen Jahren fiihrten ihn nach Munchen, Tubingen, Stutt- gart, Mannheim, Mainz, Koln, Frankfurt a. M. ; 1891 nach Bayreuth, 1892 nach Berlin. Oberall findet er alte und gewinnt neue Freunde, in Munchen M. G. Conrad und Detlev v. Liliencron, in Tubingen Emil Kauffmann, in Mann- heim Weingartner und Dr. O. Grohe, in Koln Arnold Mendelssohn und Emil Wette, in Frankfurt Engelbert Humperdinck. Ganz besonders hat es W. das Schwabenland angetan, die Heimat seines heifigeliebten Eduard Morike, und konnte er nun gar in Kauffmanns Hause, dessen Vater mit Morike eng be- freundet gewesen war, aus alten Papieren den Geist seines Lieblings herauf- beschworen, so schwelgte er noch lange nachher in der Einnerung an diese kostlichen Stunden. In Schwaben ist W. zuerst popular geworden, und er nannte es gern seine zweite Heimat. Von Auffiihrungen jener Zeit ist besonders die der »Christnacht« (Gedicht von Platen) fur Chor, Soli und Orchester zu erwahnen, die Weingartner in Mannheim am 9. April 1891 auf- fiihrte. Das Jahr 1892 fuhrte W. nach Berlin. Das Konzert, das er am 5. Marz dort gab, hatte trotz der Unzulanglichkeit der mitwirkenden Sanger einen groflen kunstlerischen Erfolg; was aber das Wichtigere war, W. gewann auch hier neue Freunde, die fiir seine Sache wirkten. In erster Linie ist hier die Freifrau Frieda von Lipperheide zu nennen, die geniale, rastlose Begrunderin der Berliner Modenzeitung, mit der W. bis zu ihrem fruhen Tode (1896) in herzlicher Freundschaft verbunden geblieben ist. Sie ist eine der wenigen Personlichkeiten, die W. einer Widmung gewiirdigt hat; das Elfenlied aus Shakespeares Sommernachtstraum, fiir Solo, Chor und Orchester, das damals erschien, tragt ihren Namen. Auf der Besitzung ihres Gemahls, des Freiherm Franz von Lipperheide, Schlofi Matzen bei Brixlegg in Tirol, hat W. einen grofien Teil seiner Oper »Der Corregidor« geschaffen. Auch die spatere Griindung des Berliner Hugo Wolf-Vereins (1895) ist auf die Wirkung jener Tage zuriickzufiihren.

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Aber so viel ihm herzlich Wohltuendes W. damals erlebte, innerlich war er nicht befriedigt. Fur ihn war Leben Schaffen, und in jener Zeit trat bei ihm ein Stillstand in der Produktion ein, der ihn oft zur hellen Verzweiflung brachte. Das Jahr 1891 hatte freilich noch die Musik zu Ibsens »Fest auf Solhaug* entstehen sehen, die einzige Arbeit, die W. auf Bestellung geliefert hat, und die zweite H&lfte des ersten italienischen Liederbuches ; dann aber kommt eine lange Zeit fast vdlliger Unfruchtbarkeit. Der W., der vorher in einem Vierteljahr einen ganzen Liederband geschaffen hat, der nachher in derselben Spanne Zeit den Corregidor schrieb, kam in mehreren Jahren nicht fiber einen Orchestersatz, den ersten Teil einer italienischen Serenade und fiber die Bearbeitung des Feuerreiters als Chorballade hinaus. Der Grund lag in W.s Sehnsucht nach der Oper. Seit Jahren lebte der Wunsch in ihm, seine Kr&fte an der gr&fiten musikalischen Form, dem Drama, zu erproben. Aber fur den Mann, dem nur M6rike, Goethe, Keller und solche Dichter den Mund Offneten, fur ihn einen Opernstoff und einen wurdigen Text zu finden, das war keine Kleinigkeit. Und so sucht er denn wie ein Verzweifelter jahrelang. Liliencron, Wette, Hauptmann, Ernst Rosmer, Scribe, Grillparzer, Otto Ludwig, sollen heran, aber nirgends ein Ergebnis. Eine zeitlang fesselt ihn Alarcons Manuel Venegas, aber immer scheitert er am Stoff oder an der Behandlung. Endlich hat er seinen Stoff und die Bearbeitung gefunden. Alarcons Novelle »Der Dreispitz*, von W.s Freundin Rosa Mayreder zum Operntext umgestaltet, nimmt ihn pldtzlich gefangen, nach- dem er dasselbe Buch friiher abgelehnt hatte, und nun ist alle Seelennot ver- gessen. Mit dem alten unheimlichen Feuereifer fallt er am 1. April iiber seinen Text her und am 9. Juli ist der Klavierauszug, am 18. Dezember die Partitur des Corregidor vollendet. Das Mannheimer Theater nahm das Werk an, im Mai 1896 sollte die Auffiihrung stattfinden. Und jetzt, wo die Sehn- sucht nach dem Drama gestillt war, kehrte auch die Freude an der Lieder- komposition wieder. In der unglaublich kurzen Zeit von vier Wochen ent- stehen im April 1896 die 24 GesSnge des zweiten Italienischen Liederbandes, Dann ging es nach Mannheim. Hier gab es freilich neue N6te. Die Orchester- stimmen des »Corregidor« waren durchaus nicht fehlerfrei; die Sanger hatten ihre Partien aus den ausgeschriebenen Rollen lernen miissen, denn der Klavier- auszug war noch nicht erschienen; Geduld war nie W.s starke Seite gewesen; kurz, das Verhaltnis war nicht erfreulich. Nach mehrfachem Verschieben fand die erste Auffiihrung am 7. Juni 1896 statt, kurz vor Schlufi der Saison. W. war nicht zu bewegen gewesen, an der Seite des Intendanten der Auffiihrung beizuwohnen; in seinem hellgrauen Anzug saB er irgendwo versteckt und h&rte, im Innersten erschiittert, sein Werk. Mit grdfiter Miihe wurde er nach dem dritten Akt vor den Vorhang gebracht. Die Auffiihrung war nicht glan- zend, aber anst£ndig. Von dem Erfolge liefi sich ungefahr dasselbe sagen. Von alien Seiten waren W.s Freunde herbeigestrOmt, die ja fur ihn das Publikum bildeten. Was gingen ihn die andern an? Einige Tage darauf wurde die Oper noch einmal aufgefiihrt, dann war die Saison zu Ende. Kapell- meister R6hr ging nach Miinchen, einige Sanger verlieBen das Theater der »Corregidor« verschwand vom Repertoire. Seitdem ist der »Corregidor« fiber die Buhnen von Stuttgart, StraOburg, Miinchen, Wien, Prag, Graz gegangen. Das Berliner Hoftheater, die riickstandigste aller grofien Opern-

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buhnen, hat es bis jetzt nicht fur nOtig gehalten, diese Ehrenpflicht zu erfiillen.

Der Sommer fiihrte W. in die Alpen. Als er zum Herbst nach Wien zuriickkehrte, trat in seinem auBeren Leben eine wichtige Anderang ein. W. hatte zum erstenmal er war jetzt 36 Jahre alt eine ganz richtige eigene Wohnung : Schwindgasse 3, 3 Treppen hoch, eine sogenannte Garten- wohnung, kein Mieter iiber ihm, das Haus vornehm und ruhig. Seine Freunde hatten, jeder nach seiner Art, dazu beigetragen, sein Heim zu schmucken. W. war gliickselig. Wie wollte er hier schaffen und geniefien, Freunde empfangen, mit dem Bewufltsein, wirklich Herr im Hause zu sein. Der Schreiber dieser Zeilen hat zu Ostern 1897 W.s Gastfreundschaft genossen: unvergefiliche Tage. Als er spater in seiner Krankheit w&hnte, ein reicher Mann zu sein er wurde es erst nach seinem Tode , da war ein Lieb- lingsgedanke von ihm, den Seinen, besonders seiner Mutter, ein sorgenfreies Dasein in seinem Hause zu schaffen.

Der Winter der letzte, den er in Gesundheit verleben sollte brachte mannigfache Arbeit. ZunSchst sollten im »Corregidor« im dritten und vierten Akt Anderungen im dramatischen Interesse vorgenommen werden ; dann mufiten Partituren fertiggestellt werden zur Verschickung an die Buhnen; ein Lieder- abend in Wien war in Aussicht genommep, und endlich sollten einige Hefte Lieder herausgegeben werden. Zu Anfang 1897 erschienen die drei Gedichte von Robert Reinick, von denen das mittlere, »Morgenstimmung«, im Oktober

1896 entstanden war, ferner die drei GesSnge aus dem »Fest auf Solhaug«, gegen Ostern kam ein Heft heraus, das von alteren Stiicken Heines wunder- bares »Wo?« und das »Lied des transferierten Zettels« aus dem Sommer- nachtstraum enthielt; neu waren die zwei Gedichte von Byron, »Sonne der Schlummerlosen« und »Keine gleicht von alien Schonen«. In das Fnihjahr

1897 gehdrt schlieBlich W.s letztes Liederheft, die drei Gesange Michel Angelos fiir Bafi (Ubersetzung von Walter Roberttorriow), die aber erst im Herbst 1898 erschienen: das letzte Werk, das W. zu verOffentlichen ver- gdnnt war.

Die letzte kurze Spanne Zeit seines kiinstlerischen Lebens wurde ausge- fiillt durch den Plan, Alarcons gewaltige ErzShlung »Manuel Venegas*, fur die er seit Jahren begeistert war, als tragische Oper zu komponieren. Eine erste Bearbeitung des Stoffes durch die Dichterin des Textbuches zum »Cor- regidor« sagte ihm nicht zu; dagegen erfullte ihn die dramatische Gestalt, die M. Hoernes dem Stoffe gab, mit hOchster Schaffenslust; fruher als sonst ging er im Spatsommer nach Wien; in 14 Tagen waren die ersten 50 Seiten des Klavierauszuges, die schon das ganze motivische Material des Werkes enthalten, niedergeschrieben ; da mitten in der grofien Erzahlung des Manuel, mitten im Satz bricht das Fragment ab; das Furchtbare war geschehen; der Wahnsinn trat hinter seinen Stuhl und schlug ihm die Feder aus der Hand. Wohl hat der Arme noch einmal, was man so seinen Ver- stand nennt, wiedererlangt ; seine SchOpferkraft war fiir immer dahin. Nicht eine Spur von Ermattung zeigte das Fragment des Manuel Venegas; im Gegen- teil, hochste kiinstlerische Reife, wahrhaft klassische, monumentale Einfachheit und dabei tiefste Innerlichkeit kennzeichnen diese letzte Sch6pfung W.s. In voller Kraft ist der Kiinstler Hugo W. von uns gegangen.

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In einer Gesellschaft, wo er den Manuel Venegas vorspielte, erkannten die Anwesenden mit Entsetzen, wie es urn ihn stand; sein Freund Michael Haberlandt muBte ihm den traurigen Liebesdienst erweisen, ihn unter dem Vorwande einer Vorstellung beim Hofintendanten W. bildete sich ein, zum Hofkapellmeister ernannt zu sein in die Anstalt des Dr. Svetlin in Wien zu bringen. Seine Krankheit wurde als progressive Paralyse erkannt. Bis zum 24. Januar 1898 blieb W. hier; dann trat die voriibergehende Besse- rung ein, die fiir diese furchtbare Krankheit charakteristisch ist; aus der Anstalt entlassen, reiste er uber den Semmering nach Graz, Triest und Lussin- piccolo im adriatischen Meer. Anfang Marz war er wieder in Wien. Ende Mai ging er nach Traunkirchen, wo ihm von der Familie Kochert, die seit langer als einem Jahrzehnt ihm in treuer Fursorge beigestanden hatte, ein Bauernhauschen in der Nahe ihrer Besitzung gemietet worden war. Hier blieb er den Sommer uber; er trug sich mit Gedanken an kunstlerische Schopfungen; so wollte er Nietzsches Gedicht »An den Mistral « fiir Chor und Orchester komponieren. Das Einzige, was er in jener Zeit wirklich leistete, war die Drucklegung der drei Gesange nach Michelangelo, die im September 1898 erschienen. Kurze Zeit darauf, Anfang Oktober, brach die Krankheit von neuem aus. Nach einem vergeblichen Selbstmordversuch wurde W. auf seinen eigenen Wunsch in die Landesirrenanstalt in Wien iiber- fuhrt, wo er nach unsaglichen, seelischen noch mehr als kGrperlichen Leiden am 22. Februar 1903 durch den Tod erlost wurde.

W.s Personlichkeit spiegelt sich am klarsten in seinen Briefen wieder, von denen eine grofie Anzahl (er war ein fleifiiger Briefschreiber) erhalten und zum Teil erschienen ist. Von Anfang an treten uns zwei Ziige entgegen: eine eiserne Willenskraft, die auf dem unbeirrbaren Gefuhl beruht, dafl er zu etwas Grofiem berufen ist und ein heifies Verlangen, das Grofie zu lieben und seine Verehrung zu betatigen. Alle seine Liederbande und Hefte sind Huldi- gungen, den Meistern dargebracht, die er verehrte. Und hat er eine Person- lichkeit gefunden, die er so lieben kann, so sollen auch andere diese Ver- ehrung mit ihm teilen: er tragt seinen Morike, seinen Kleist in der Tasche mit sich herum, er liest seinen Freunden die Penthesilea vor und wenn sp&ter bei seinen eigenen Schopfungen einem unter ihnen das Wasser in die Augen kommt, so ist er durch solch ein wortloses Zeichen fiir immer gewonnen. Wo ihm aber die Luge als Konvention, als banale Phrase entgegentritt, da balk er sich zum Igel zusammen und der andere mag seine Finger hiiten; denn W. war eine durchaus wahrhafte Natur, die zwar ungerecht werden konnte, da, wo ihr der Schliissel zur fremden Wesenheit fehlte, die aber in jedem Augenblick wirklich empfand, was sie aussprach. In ihm war nichts von jener Weltklugheit, die mit Rechenpfennigen zahlt; er gab immer das echte Gold seines Innern; aber wie oft empfing er dagegen das Blech der Phrase. Und eine vornehme, mit dem starksten Gefuhl fiir physische wie sittliche Reinlichkeit ausgestattete Natur, widert ihn der Kulturpobel an; er mochte seine Lieblinge wie seine Geisteskinder vor den entweihenden Blicken der stumpfen Menge, vor dem hamischen Grinsen kraftloser, selbstgefalliger Afterweisheit schutzen, und was im Grunde genommen kunstlerische Keusch- heit ist, das erscheint nach aufien als Anmafiung und Selbstiiberschatzung. Es soil gar nicht geleugnet werden, daB in jiingeren Jahren auch sein Most

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sich zuweilen absurd gebardete; wer aber auf das Wesen, auf die Gesinnung sieht, der mufi fiihlen, dafl auch alle Absonderlichkeiten, alle Ungerechtig- keiten auf edelstem Fruchtboden gewachsen sind. Und schliefilich: »An ihren Friichten sollt ihr sie erkennen.«

Es ist eine ebenso haufige wie verkehrte, wo nicht niedertr&chtige Manier der Beweisfiihrung, die aus dem Zusammenbruch einer physischen zuriick- schliefien will auf Ungesundheit der geistigen Natur. Wenn ein brausender Strom die Damme durchbricht, so wird man die Damme dafiir verantwortlich machen. Und dies ist der Fall bei W. Nicht geistige Krankhaftigkeit hat den Kdrper zerstSrt, sondern der Korper vermochte den Anforderungen des Geistes nicht standzuhalten. W.s letzte SchOpfungen, die Gesange nach Michel Angelo und das Fragment des Manuel Venegas, zeigen ihn auf der H6he ausgereifter, abgeklarter, klassischer Kunst; nicht nur die schopferische Potenz erscheint in voller Kraft, sondern das kunstlerische Ebenmafi, das instinktive zugleich und doch erst durch strengste Kunstiibung erreichte Ver- haltnis zwischen Ausdruck und Ausgedrucktem, das, was der Antike, was Mozart und Goethe, was Nietzsche und Maupassant die Dauer gewahrleistet, das erscheint in W.s letzten Werken als das Ergebnis einer stetigen Ent- wicklung. Und dariiber sind wir doch wohl einig: nicht das Talent ent- scheidet, sondern das, was einer aus seinem Talent zu machen weifl; was freilich auch wieder ein »Talent« ist. Was einer aus seinem Talent zu machen weifl! Freilich mufi ihm die Zeit gelassen werden und W. war es nicht vergGnnt, als Dramatiker die entscheidende Probe abzulegen. Denn bei aller Genialitat der musikalischen Erfindung halte ich die Probe, die er im Korregidor abgelegt hat, fur nicht gelungen. Natiirlich, wenn man, wie man ihm das schuldig ist, den hochsten Mafistab anlegt. Die Schuld lag am Stoff, oder, wenn man will, an W.s Neigung, in die Tiefe zu gehen. Hatte er sich entschliefien konnen, die Figur des Korregidor als rein komische zu gestalten, so wiirden wir nicht durch den Widerspruch gepeinigt, der zwischen dem obwaltet, was wir mit Augen sehen und dem, was uns der Komponist zu empfinden zumutet. Ebenso empfinden wir Tio Lukas* Eifersucht als eine Torheit und so herrlich sein Monolog im dritten Akt ist, wir werden das Gefiihl des: tant de bruit pour une omelette nicht los.

Ganz anders beim Manuel Venegas. Dies Fragment gehort zu denen, die, wie Schillers Demetrius oder Kleists Guiskard, uns jedesmal mit neuer Trauer dariiber erfiillen, dafi sie nicht vollendet worden sind. Ganz wunder- voll, wie W. hier den Ton getroffen hat. Vor allem die Charakteristik Manuels in ihrer schlichten Grofie, ihrer selbstsicheren und doch wieder ver- haltenen Kraft, die tiefe, innige und so gar nicht rhetorische Empfindung all das ist so grofi und neu, dafi man sagen kann: hier hat W. einen neuen Typus geschaffen, der sich einem Don Juan, einer Carmen, einem Hans Sachs ebenbiirtig anreiht. Und dies Werk hat er nicht vollenden durfen! Er ist nicht iiber die Exposition hinausgekommen ; wenn man aber das motivische Material betrachtet, das er in diesen 50 Seiten des ersten Auszugs angehauft hat, so ahnt, wer W.s Gestaltungskraft aus anderen Werken kennt, was er daraus gemacht hatte. Wir begreifen, dafi er gerade bei diesem Werke zusammenbrach; denn dagegen gehalten, erscheint die Erschutterung bei der Schaffung der ersten Oper gering.

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\V. als Dramatiker steht fiir uns da, wie Beethoven als Symphoniker dastehen wiirde, wenn wir von der Eroica nur Skizzen hatten.

W.s andere SchSpfungen, abgesehen von seinen Liedern, sind Talent- proben; Ansatze, die keine Fortsetzung erlebt haben, Werke, die er selbst nicht fiir abgeschlossen angesehen hat, die als Material fiir die Beurteilung seiner kiinstlerischen Persdnlichkeit wichtig, aber fiir seine Stellung in der Geschichte der Musik untergeordnete Bedeutung haben.

Hugo W.s Lieder und Gesange sind Neuschftpfungen der Gedichte aus dem Geiste der Musik. Die beiden Eigenschaiten des Menschen W., die ich oben erwahnte, das Bediirfnis zu verehren und die eiserne Willenskraft, die sich als kiinstlerisch schaffende Potenz kundgibt, ini Vereine, haben ihn zum SchSpfer des neuen deutschen Liedes gemacht. Was es mit der Verehrung auf sich hat, mttchte ich an einem Beispiel erl&utern. Jedermann kennt Schuberts ErlkSnig. Ein wundervolles Stuck, als Kraftprobe betrachtet, iiber- reich an Erfindung und fortreiflend in seinem Dahinstiirmen, aber eine verfehlte Wiedergabe des Goetheschen Gedichtes. Die ratternde Triolen- begleitung, die an einen iiber Steinpflaster dahinfahrenden Kohlenwagen gemahnt, aber keineswegs die Vorstellung eines in weichem Sande gallop- pierenden Pferdes erweckt, die italienische, sonnenbeschienene Kantilene des Erlkdnigs, die auch so gar nichts Unheimliches hat, bei der man nicht be- greift, warum das Kind sich davor fiirchtet, dies sind VerstOfie gegen die Seele des Gedichtes. Nun vergleiche man damit die Komposition Karl Loewes. Ich weifl nicht, ob Loewe Schuberts ErlkSnig gekannt hat, als er den seinen komponierte; jedenfalls wirkt er wie ein Protest. Betrachtet man den Loeweschen ErlkSnig rein als Musikstiick, so erscheint er Suflerlich arm, oder sagen wir lieber sparsam in der Erfindung gegen Schubert; aber gerade das, was bei Schubert gegen den Geist der Dichtung verstofit, das ist bei Loewe aufs feinste dem Gedichte nachgefiihlt. Die flimmernde, unbestimmte Beleuchtung (Tremolo im g-moll-Dreiklang auf d-cis), das Galloppieren des Pferdes, die konturenlose Weise des ErlkOnigs (g-dur-Dreiklang, nur durch den Wechsel von moll in dur von den andern Partien abgehoben), das ist aus der Stimmung des Gedichtes herausgeschaffen.

Das verstehe ich unter Ehrfurcht gegen den Dichter und die besafl W. im hochsten Grade. Als er seinen Morikeband 1888 komponierte, war ihm der Dichter seit Jahren in Fleisch und Blut iibergegangen. Damals fuhr er nur eine Ernte in die Scheuern, die lange in seinem Innern gediehen war. Ich m6chte sagen, er schliirft dem Gedichte die Seele aus, er destilliert sie zum musikalischen Motiv. Auf dies Motiv kommt alles an. Wie der fran- zosische Dichter Flaubert die Uberzeugung hatte, dafl alles, was man als Kiinstler auszusprechen habe, nur auf eine Art auszusprechen sei und dafl man eben diese eine Art finden miisse und dafl sie sich, wenn sie gefunden, durch ihre Selbstverstandlichkeit legitimiere, so war fiir W. das Motiv das Kriterium jeder musikalischen SchSpfung. Und der Wert des Motivs zeigt sich in seiner Fruchtbarkeit. Es gibt eine ganze Anzahl W.scher Gesange, in denen ein einziges Motiv das musikalische Material bildet. Und viele der stSrksten. Gerade in der, dem unbefangenen H6rer gar nicht zum Bewufitsein kommenden Ausnutzung des Motivs liegt die unwiderstehliche suggestive Kraft dieser Stiicke. Seine Sparsamkeit ist die eines Mozart oder Beethoven.

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Ich erinnere an Stticke wie »In der Friihe«, »Auf ein altes Bild«, »So lang' man niichtern ist«, »Wie soil ich heiter bleiben«, »Erstes Liebeslied eines Madchens«, »Lebe wohl«. Wie nun ein solches Motiv melodisch, rhythmisch und harmonisch ausgebeutet wird, dies mag der Leser an dem zuletzt ge- nannten Liede als einem klassischen Beispiele studieren. Die Oberschrift »Lebe wohl« gibt hier das Motiv ab, das das ganze Stuck durchtrankt, das von schmerzlicher Resignation bis zu verzweifeltem Aufschrei sich dem Hdrer unvergefilich einbohrt. Alles, was da im Liede gesagt wird, es ist ja doch nur eine Umschreibung dieser ein en Empfindung. Und diese Empfindung schlieflt auch das Ganze als das Wesentliche musikalisch ab.

Diese Behandlung des Motivs hat W. von Wagner gelernt. Ich erinnere nur an das zweitftnige Motiv im »Ring des Nibelungen«, das, im Halb- oder Ganzton fortschreitend, fiir den Bau des ganzen Werkes von grundlegender Bedeutung ist. Wenn man aber von einigen Ankl&ngen absieht, die als be- wufite Reminiszenzen (Gesellenlied), ja fast als Zitate wirken (Grenzen der Menschheit), so mufl W. vOllige Urspriinglichkeit zugestanden werden. Erstens ist die breite Pinselfiihrung des Dramatikers fiir den Lyriker nur in seltenen Fallen, eben da, wo er sich dem dramatischen Stil nahert, an- wendbar. Dann aber liegt die Empfindungswelt z. B. der Divanlieder Goethes oder des italienischen Liederbuches so unendlich von der Wagners ab, dafi eine Anlehnung wie sie z. B. Jensen oft recht gliicklich in seinen Gaudeamus- liedern an die Meistersinger zeigt, eine Stilwidrigkeit schlimmster Art ware. Hier zeigt W. seine unendliche Uberlegenheit Epigonen wie Jensen gegen- iiber. Ich glaube, wenn Fr. Nietzsche W.s Divanlieder kennen gelernt hatte, er wiirde darin das gef unden haben, was er an Wagner vermifite : den leicht- beschwingten Tanz, die Kiihle und Diinnigkeit der Luft, den hohen Barometer- stand, der ihm Bediirfnis war. Diese Musik »schwitzt« nicht; hier hat W. wirklich jene *gaya scienza*, die Nietzsche bei den Deutschen vermiflte. Hier hat er die Grenzpfahle des musikalischen Ausdrucks weit hinausgenickt. Aber nicht nur hier. Jeder neue Band, jedes neue Heft war eine Eroberung. Wo vorher sind denn T6ne erklungen, wie die der geistlichen Ges£nge aus dem spanischen Liederbuch? Ist nicht in einem Stuckchen wie: »Geselle, wolln wir uns in Kutten kleiden* der Geist Boccaccios wieder auferstanden? So ein einziges Stuck ist doch mehr wert als das ganze Lebenswerk mancher »ge- schatzten« Komponisten. Oder erscheinen nicht alle Kompositionen, in denen die Nichtigkeit des Lebens dargestellt wird, harmlos gegen W.s » Alles endet was entstehet«. Man h6rt jetzt 6fter davon reden, W. werde iiberschStzt, er sei nun »durchgedrungen« und was weifl ich? Da erlaube ich mir die Frage : wie viel Menschen gibt es denn, die solchen Stucken wie den genannten auf den Grund kommen? Selten ist mir die Oberflachlichkeit des Kunstpdbels widerw£rtiger erschienen, als in diesem: »W., den haben wir nun in/us y jetzt was Neues, z. B. «, doch ich kehre zur Sache zuriick.

Das Motiv wird, wie gesagt, bei W. aus der Seele des Gedichtes heraus- geschaffen. Und das Gedicht bestimmt die musikalische Form iiberhaupt Es bestimmt das Verh&ltnis der Singstimme zum Klavierpart. Dieser tritt auf als einfache Begleitung (Verborgenheit, Anakreons Grab); er ubernimmt die Rolle der Harfe, die die Gottin schlagt (Weylas Gesang) oder der Aolsharfe oder der Querpfeife des Rattenfangers, er stellt das Weben der Natur, das Rauschen

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der Quellen (Nachtzauber), das Schlagen des Herzens dar (Alle gingen, Herz, zur Ruh); er wirkt form- und stimmunggebend in den so mannigfaltig gestalteten Wanderliedem (Fufireise, Auf einer Wanderung, die beiden »Heim- weh«, Sie blasen zum Abmarsch, die beiden Soldaten Eichendorffs, Epi- phanias usw.) er wird endlich zum dramatischen Faktor (z. B. die geniale Darstellung der Migrane, in Preziosas »Spriichlein«), in Eichendorffs Standchen, in der Storchenbotschaft und ganz besonders im »Prometheus«, wo das Klavier (hier ein unvollkommener Vertreter des Orchesters) die Rolle des donnernden Zeus ubernimmt. Nie aber sinkt der Klavierpart zur blofien Illustration herab. Darin beweist W., dafl er echter Musiker ist.

Ebenso richtet sich die Behandlung der Singstimme nach dem Pulsschlag des Gedichtes. Melos und Rhythmus stehen ganz im Dienste des Ausdrucks. Und wie beherrscht er auch hier die ganze Skala der Empfindungen: wie versteht er zu jubeln, zu klagen, zu beten, zu trosten, zu drohen, zu fluchen, zu segnen, zu necken, zu kosen, zu lachen und zu schluchzen. Ein aussichts- loses Bemuhen, dies auf engem Raume weiter auszufiihren. Fur jede, fiir die feinste seelische Regung findet er mit einer Sicherheit ohne gleichen den erschopfenden Ausdruck.

Und so hat er uns die herrlichsten Schopfungen lyrischer Dichtung zum zweitenmal geschenkt, hat sie uns gedeutet wie keiner vor ihm. Gleich grofi im Schaffen wie im Verehren, hat er nicht blofi die Grenzen seiner Kunst erweitert, sondern er ist seinem Volke ein Erzieher geworden, ein Fiihrer zu den Hohen menschlicher Bildung. MOgen sich die Deutschen eines solchen Fuhrers wiirdig erweisen!

Literatur: Hugo Wolf, Briefe an Emil KaufTmann, Berlin 1903; an Hugo Faisst, Stutt- gart 1904; an Paul Mttller, Leipzig 1905; an Oscar Grohe, Berlin 1905. Decsey, Hugo Wolf, 4 Bande, 1903 1905. Hugo Wolf-Heft der »Musikc. Haberlandt, Erinnerungen und Gedanken, Leipzig 1903. Aufsiitze liber Hugo Wolf, 3 Hefte, Berlin. P. MUller, Hugo Wolf, Berlin 1904. G. KUhl, Hugo Wolf, Zukunft 12. September 1903. H. Welti, Hugo Wolf, in Graf Hoensbrochs Zeitschrift »Deutschland«c 1904.

Paul Muller.

Erganzungen und Nachtrage.

Stern, Margarethe, Pianistin, * 25. November 1855 zu Dresden, f 4- Oc- tober 1899 ebenda. St. wurde als die zweite Tochter des K. S. Kammer- musikus und ausgezeichneten Fagottisten Ernst Herr zu Dresden geboren. Schon als siebenjahriges M&dchen durch eine hOchste Feinheit des musika- lischen GehSrs und eine nicht zu stillende Lust an der Musik ihre Gaben verratend, aber vor der bedenklichen Dressur als Wunderkind bewahrt, durch den friihen Tod ihres Vaters (1863) ihres ersten musikalischen Fuhrers beraubt, empfing sie nacheinander von Musikern wie Adolf Reichel (der 1868 nach Bern ubersiedelte) und dem s&chsischen Hofpianisten Karl Kragen, einem Freunde Robert Schumanns und altem Genossen der »Davidsbundler«, Klavierunter- richt, sowie bedeutende kiinstlerische Anregungen in dem kunstsinnigen Hause des ehemaligen hannOverschen Gesandten in Paris und Wien, Freiherrn von Stockhausen. Ihr pianistisches Talent wurde in diesem Hause und in anderen musikalischen Kreisen Dresdens erkannt und hinreichend gewurdigt, um ihr weitere FGrderung zu sichern. Im Jahre 1875 trat sie in den Schiilerkreis Franz Liszts in Weimar ein, in den sie auch im Sommer 1877 zuriickkehrte, 1876 erfreute sie sich des Unterrichts Clara Schumanns, die damals in Berlin lebte. Nachdem sie im Oktober 1875 ihr erstes grftBeres selbstandiges Kon- zert in Dresden mit bestem Erfolge gegeben hatte und im Herbst 1877 von dem zweiten Aufenthalt bei Liszt heimgekehrt war, sah sie sich den harten Priifungen junger kiinstlerischer Talente: dem verzehrenden Warten auf Ge- legenheit zu Sffentlichem Auftreten, den leeren Versprechungen, den zahllosen vergeblichen Bemiihungen preisgegeben und mufite die ganze Elastizitat ihres Wesens aufbieten, um im Kampf mit der Gleichgiltigkeit, die eine natiirliche Folge der geistigen Uberproduktion ist, nicht zu erlahmen. Sie war bald in ihrer Vaterstadt eine geschatzte Lehrerin ihrer Kunst, erhielt auch gelegent- lich Einladungen zu kleinen Konzerten, fuhlte aber, dafi sie in Gefahr stehe, in enge Verh£ltnisse und einen vorzeitigen Verzicht auf Entfaltung ihres Talents und ihrer leidenschaftlichen Sehnsucht nach kiinstlerischer Vollendung hineingedrSngt zu werden. So entschloB sie sich zu einem entscheidenden Schritt und ging Anfang 1879 nach London, wohin sie auch, nach kurzem Winteraufenthalt in der Heimat, im Friihling 1880 zum zweitentnal kam. Die Schwierigkeiten, die sich dem noch so vielverheiflenden, aber namenlosen Talent in der Weltstadt entgegenstellten, iiberwand sie siegreich, eroberte sich Beziehungen in mafigebenden Kreisen, Unterrichtsstunden in aristokra- tischen Hausern, trat in einer Anzahl von Konzerten mit immer wachsendem

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Beifall auf und hatte auf eine gliickliche Fortsetzung dieses verheifienden Begin ns um so sicherer zahlen k6nnen, als im Herbst und Winter von 1880 bis 1 88 1 eine erfolgreiche Konzertreise in den baltischen Ostseeprovinzen und ihr erstes Auftreten in mehreren grofien deutschen Konzerrinstituten die Wechselwirkung verstarkte, die zwischen den englischen und den deutschen Anfangen ernsterer Teilnahme und verdienter Geltung stattfand. Allein Mai 1 88 1 verlobte und 5. September des gleichen Jahres verheiratete sich Marga- rete Herr mit dem Dichter und Literarhistoriker Adolf Stern in Dresden, der damals schon eine Reihe von Jahren als Professor an der Technischen Hochschule und vieltatiger Schriftsteller wirkte. Die MOglichkeit, aus dem dffentlichen vSllig ins Privatleben zuriickzutreten, war gegeben. Aber weder wiinschte der Gatte der jungen Kunstlerin, noch dachte diese selbst daran, sie ihrer Kunst zu entziehen. In den Jahren von 1881— 1885 begann sich der Ruf Margarete Sterns einigermafien zu mehren, ihre Mitwirkung bei mehreren Musikfesten des »Allgemeinen Deutschen Musikvereins« lenkte die Aufmerksamkeit der Kiinstler und des ernsteren musikalischen Publikums auf sie. Aber erst seit sie im Herbst 1885 erfolgreich in Kopenhagen kon- zertierte und sich im Januar 1886 in Berlin, im ersten Konzert Marcella Sembrichs in der Singakademie, neben der gefeierten Sangerin einen glanzen- den Erfolg bei der gesamten Berlifier musikalischen Kritik eroberte, wurde sie in weiteren Kreisen bekannt. Eine durch und durch poetische und fein musikalische Natur blieb sie, obschon ihre »Technik« der virtuosesten vOllig gleichkam, doch der 6den VirtuositSt im engeren und schlimmeren Wort- sinne vSllig fremd. Ihre Interpretationen musikalischer Werke galten fast ausschliefilich nur den wertvollsten Schftpfungen der Klavierliteratur und der Kammermusik, von Chopin und R. Schumann gelangte sie, in wachsender Vertiefung, zu Beethoven und J. Brahms, ihre Spielprogramme verdienten mustergultig geheiflen zu werden und zeugten von der unablassigen musika- lischen Arbeit, mit der St. den Kreis der von ihr gespielten Werke erweiterte. Zwischen 1886 und 1898 spielte sie in fast alien grttfleren Konzertinstituten und Konzertvereinen Deutschlands, Danemarks, Schwedens, feierte mehr als einmal wirkliche Triumphe und erwarb, was ihr h6her stand, den bleiben- den Anteil mehr als eines Publikums, die ernste Anerkennung gerade der strengsten und HOchstes fordemden musikalischen Kritik. In ihrer schlicht liebenswlirdigen Natur freute sie sich ihrer Erfolge, ohne je von der nervOsen Ruhmsucht und dem neidischen Erfolghunger des modernen Virtuosentums beriihrt zu werden. Die £ufieren Auszeichnungen, die ihr zuteil wurden der Kdnig von Schweden verlieh ihr die grofle goldene Medaille fiir Wissen- schaft und Kunst, Kdnig Albert von Sachsen ernannte sie zur kflniglichen Kammervirtuosin und so weiter galten ihr durchaus nur als Begleiterschei- nungen, nicht als Preise kiinstlerischer Leistungen. Diese Leistungen selbst immer hdher zu steigern, blieb ihr einziger Ehrgeiz und obschon sie bis an ihr Lebensende fortfuhr in grofien Orchesterkonzerten mitzuwirken sie spielte u. a. die drei letzten Beethovenschen Klavierkonzerte, das Schumannsche Klavierkonzert in A-moll, das grofle Brahmssche B-dur Konzert, Konzerte von Saint-Safins, Grieg, Bronsart, Draseke, die Chopinschen beiden Konzerte so bevorzugte sie im letzten Jahrzehnt ihres Lebens die Kammermusik. 1890 begriindete sie im Verein mit Henri Petri, dem ausgezeichneten Geiger,

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eine Kammennusikvereinigung, deren vier bis sechs Abende in jedem Winter die Elite des Dresdener musikalischen Publikums vereinigten und deren Pro- gramme den klassischen Kammermusikwerken wie den neueren Schopfungen dieses Produktionsgebietes mit lebendigem Gefiihl fur alles Wert\rolle gleich gerecht wurden. In sorgfaltiger Vorbereitung und Ausgestaltung dieser Abende wetteiferten der Primgeiger und die Pianistin, die Dresdener musi- kalische Kritik gab den meisterhaften Darbietungen der Stern-Petrischen Kammermusikabende anerkennenden Nachhall und der Ruf der Vereinigung drang auch nach auswarts. Mit immer neuer Hingebung und Spielfreudig- keit widmete sich St. den Aufgaben, die ihr hieraus erwuchsen und den Kreis ihres Wirkens bestandig erweiterten. Erholung von den Anstrengungen ihres Berufs fand sie auf den groflen Ferienreisen, die sie mit ihrem Gatten all- jahrlich unternahm. Sie nahm die Naturwunder und Schonheiten der Alpen, Italiens und Skandinaviens mit kindlichem Entziicken in eine schSnheits- durstige Seele auf, in der sie sich geheimnisvoll mit den tiefsten Gemtits- regungen und ihren musikalischen Traumen verwoben. Unter alien sie be- glvickenden StUtten gab sie dem Giefibach iiber Brienz im Berner Oberlande den Vorzug, fast jedes Jahr kehrte sie auf Wochen dort wieder; an einer Lieblingsstelle dieses schonen Stiicks Erde haben ihr zwei Freunde nach ihrem Tode einen schlichten Denkstein mit einem Portratrelief errichtet. Die Jahre 1890 1898 wurden die bewegtesten ihres Lebens, insofern sich die Aufforderungen und Anlasse zum dffentlichen Auftreten als Klavier- spielerin unabl&ssig mehrten. Auch die Anspriiche an die ausgezeichnete Lehrerin wuchsen und da sie iiber ihre eigene Kunst hinaus den lebendigsten Anteil an aller Kunst, den treuesten und verstandnisvollsten an den litera- rischen und poetischen Bestrebungen ihres Gatten nahm, so lebte sie recht eigentlich ein voiles reiches Dasein, dem, bei schlichter Bescheidung in iufleren Dingen, kein wertvoller Eindruck gebrach und das unter dem be- gluckenden Bann eines grofien Zieles stand. Die Kunstlerin wufite gut genug, dafi die Meisterschaft in jeder ausiibenden Kunst an den rastlosesten Fleifi gebunden ist und widmete mit einer Art Unerbittlichkeit, wenige Ferien- wochen ausgenommen, den grofiten Teil des Tages ihrem Studium. Und doch unterlag es keinem Zweifel, dafi der eigentliche sichtbare und von Jahr zu Jahr sieghaftere Fortschritt in ihrem Spiel einem von ihrem Fleifi unab- hangigen Schdnheitsleben im Innersten ihrer Natur entstammte, das immer freier hervortrat. Erst in ihrem letzten Jahrzehnt machte sich das undefinir- bare Etwas geltend, das der einsichtigeren Kritik Anlafi gab, sie als die poetischste der deutschen Klavierspielerinnen ihrer Tage zu bezeichnen. Und es war sicher nicht zufallig, dafi sich dies Etwas, der beseligende Einklang von Phantasie und musikalischem Ausdruck, vor allem bei ihrer Wiedergabe der Schopfungen von Beethoven und Brahms entfaltete.

Eine solche Natur und eine solche Leistungskraft waren es wert gewesen, noch eine Reihe von Jahren und Jahrzehnten dem Leben und der Kunst an- zugehOren. Im Jahre 1897 und im Winter von 1897 zu 1898 trat die Kiinst- lerin mit immer gleichem Erfolg noch in einer Reihe von Orchesterkonzerten und Kammermusikabenden auf, feierte ein letztesmal Triumphe in Stadten, wo sie seit Jahren willkommen war: in Kopenhagen, Kassel, Leipzig, Frank- furt a. M., Baden-Baden, spielte zuerst auch in Mannheim, Darmstadt, Wien,

Stern. Htibner. 2 65

Miinchen. Gegen den Herbst 1898 begann ein tiickisches Obel, dem sie um- sonst die freudigste Lebenskraft und den entschlossensten Willen zum Wirken entgegensetzte, ihre Gesundheit zu untergraben, sie mufite im Winter von 1898 zu 1899 alle Konzerteinladungen ablehnen und rang der Krankheit nur ihre Dresdener Kammermusikabende ab. Am 27. Februar 1899 spiel te sie zum letztenmal (tffentlich, der Vortrag von Beethovens grofiem Trio Op. 97 war ihr Schwanengesang. Eine Fruhjahrskur in Bozen konnte ihr keine Ge- nesung bringen. Nach einem schweren leidvollen Sommer schied sie aus dem Leben, ihre Bestattung gab Zeugnis, welcher Liebe, welcher Bewunde- rung sie sich in alien musikliebenden Kreisen ihrer Vaterstadt erfreut hatte. Unter den zahlreichen Nachrufen und literarischen Zeugnissen fiir ihre Kunst zeichnete sich namentlich das Gedenkblatt Hans Poppes (Westermanns Illu- strierte Deutsche Monatshefte, Mai 1900; Separatdruck, Giefibach 1902) aus. Der Gatte setzte ihr ein literarisches Denkmal: »Margarete Stern, ein Kunst- lerinnenleben« (Dresden 1902), das jede Erinnerung an die Anmut ihrer Er- scheinung und die Eigenart ihrer Kiinstlerschaft, wie an den Kampf eines hochstrebenden Talents mit den Kunstzustanden der Zeit lebendig zu er- halten sucht. Zwei Bildnisse der Kunstlerin finden sich in diesem Buche.

Adolf Stern.

Hiibner, Emil,1) Universitatsprofessor der klassischen Philologie, * 7. Juli 1834 in Dusseldorf, f 21. Februar 1901 in Berlin. Sohn des Historienmalers Julius Htibner, erhielt er seine erste Erziehung in Dresden, wo sein Vater seit 1 841 als Professor an der Akademie der Kunste wirkte. Ostern 185 1 verliefl er das Vitzthumsche Gymnasium mit dem Zeugnis der Reife und studierte zunachst ein Semester in Berlin, wo er hauptsachlich geschichtliche Kollegien bei Boeckh, Curtius, Lepsius, Ranke h6rte. Doch schon im Herbste desselben Jahres vertauschte er die Berliner Hochschule mit der Bonner, um sich dort ganz der Philologie zu widmen. Besonders Welcker und Ritschl gewannen dorfeinen entscheidenden Einflufl auf seine Studien: dafl ihm schon damals neben der Sprach- auch die Sachphilologie nahe trat, verdankte er zum Teile Otto Jahn. Er promovierte am 4. August 1854 mit einer Dissertation y>quatstiones onomatologicae latinae* : die Anregung zu derselben war von Welcker ausgegangen, mancherlei Material dazu hatte er, durch Jahns Vermittelung, von Theodor Mommsen erhalten.

Anregungen aus dem kiinstlerischen Elternhause wie von seiten seiner akademischen Lehrer wiesen den jungen Philologen darauf hin, die klassischen Lander des Sudens bald aus eigener Anschauung kennen zu lernen. Im Herbste 1855 iiberschritt der Einundzwanzigjahrige zum ersten Male die Alpen und kam Ende November nach Rom. Hier fand er Forderung vor allem in An- schlufi an das archaologische Institut, besonders bei dem damaligen zweiten Sekre- tar desselben, Wilhelm Henzen. Henzen, zu dem H. auch bald in ein n&heres persdnliches Verhaltnis trat, gewann ihn ganz fiir die rdmische Epigraphik, fiir welche er bereits in Bonn einen guten Grund gelegt hatte. Es war damals die Zeit, in welcher unter Leitung des Triumvirats Mommsen-Henzen-de Rossi die Vorarbeiten fiir das grofle Werk der lateinischen Inschriftensammlung

») Totenliste 1901 Band VI 50*.

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mit Energie betrieben wurden. Einen wichtigen Teil dieser Vorarbeiten bildete die Ausnutzung und kritische Behandlung der handschriftlichen In- schriftensammlungen des 15. 17. Jahrhunderts ; Henzen erkannte in dem wohlgeschulten jungen Bonner Philologen eine hervorragend geeignete Kraft fiir derartige Arbeiten, und iibertrug ihm eine Reihe einschlagiger Aufgaben zunftchst auf der Bibliothek zu Neapel, welche H. im Sommer 1856 trotz mancher Schwierigkeiten, die die illiberale bourbonische Verwaltung dem Werke entgegenstellte, gliicklich zu Ende fiihrte. Daneben gab er eine tiichtige Probe seiner Begabung auch fiir die mehr praktische Seite der Epi- graphik durch Veroffentlichung einer grdfieren Arbeit iiber die Inschriften auf den Sitzstufen antiker Theater und Amphitheater, welche in den Artnali detf htituto von 1856 erschien. Nachdem er dann im Herbste 1856 weiter siidlich bis nach Sizilien gegangen war, kehrte er im Anfange des folgenden Jahres iiber Florenz in die Heimat zuriick.

Unter den fiir das grofie Inschriftenwerk der Berliner Akademie zu be- arbeitenden Gebieten bot Spanien besondere Schwierigkeiten, welche die Bereisung des Landes durch einen eigenen Bearbeiter unerla&lich machten. Den geeigneten Mann fiir diese schwierige Spezialaufgabe erkannten die Leiter des akademischen Untemehmens in H., der seit Anfang 1858 mit den in Berlin zu machenden literarischen Vorarbeiten betraut wurde. Nach- dem sich H. Ende des Jahres 1859 m^ einer Abhandlung de senatus populiqut Romani cutis als Privatdozent an der Berliner Universitat habilitiert hatte, trat er im Februar i860 seine Reise nach Spanien an. Sein Weg fiihrte ihn iiber Paris, wo er in mehrwftchentlichem Aufenthalt noch mancherlei epigraphische Arbeiten erledigte und persdnliche Beziehungen zu Noel des Vergers, Renier und anderen franzdsischen Gelehrten ankniipfte. Mitte Marz 1861 betrat er zum ersten Male Spanien und durchforschte im Laufe der folgenden zwei Jahre die ganze Halbinsel. Seine Reise, iiber deren wissenschaftliche Ertrage er mehrmals in den Monatsberichten der Berliner Akademie und den Schriften des archaologischen Instituts berichtet hat, wurde nicht nur fiir das Corpus und die lateinische Epigraphik, sondern auch fiir die archaologischen Studien in Spanien uberhaupt von einschneidender Wichtigkeit. Wie einerseits die Akademie und das Institut durch H.s Vermittelung zahlreiche Korrespon- denten erhielten, so kamen die spanischen Lokalgelehrten durch H. in leben- digere Beziehung zur wissenschaftlichen Forschung des ubrigen Europas und namentlich Deutschlands. H.s persdnliches Auftreten »die offene und freie Art, mit der er seine bedeutenden Kenntnisse, ohne damit zu prunken, voll grftfiter Natiirlichkeit und Liebenswiirdigkeit mitteilte* (wie ihm Berlanga in seiner biographischen Skizze nachriihmt) erwarben ihm aller Orten Achtung und Sympathie. Als er im September 1861 von der Halbinsel schied, hinter- liefi er in fast alien wichtigen Stadten wissenschaftliche Ankniipfungen, in nicht wenigen Bewunderer und Freunde, unter denen M. R. de Berlanga in Malaga durch mehr als vierzig Jahre ihm und seinen Arbeiten treu verbunden geblieben ist.

Nach Berlin zuriickgekehrt, widmete er sich mit Eifer der Bearbeitung der auf seiner Reise gewonnenen Materialien. Aufler den epigraphischen Sammlungen brachte er den Stoff mit fur ein archaologisches Werk: »Die antiken Bildwerke in Madrid, nebst einem Anhange, enthaltend die ubrigen

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antiken Bildwerke in Spanien und Portugal* (Berlin 1862); audi zwei grOflere Aufsatze in den Annali dell Istituto von 1863 (iiber an tike Denkmaler in Barcelona und iiber die Rdmerbriicke von Alcantara) waren Frucht seiner spanischen Reise. Daneben nahm er seine akademische Tatigkeit wieder auf, im Jahre 1863 wurde er zum auflerordentlichen Professor an der Berliner Universitat befOrdert. In demselben Jahre verlobte er sich mit der Tochter des Historikers J. G. Droysen, mit der er in langjahriger gliicklicher Ehe gelebt hat.

Zu seinen Arbeiten tiber die spanischen Inschriften fiel ihm im nachsten Jahre eine andere Aufgabe zu: er hatte in Mommsens Abwesenheit die Druck- legung der zweiten Halfte des ersten Bandes des Corpus Inscriptionum (Inscriptionts C. Catsaris morte antiquiores) sowie die Ausarbeitung der umfang- reichen Indices zu dem ganzen Bande zu leiten. Als dann im Jahre 1866 Mommsen im Verein mit Moritz Haupt eine neue philologisch-historische Zeitschrift, den Hermes, begriindete, wurden die Redaktionsgeschafte zum gr5flten Teile H. iibertragen: er hat sie sechzehn Jahre lang zum Gedeihen des Unternehmens gefuhrt. Eifrig beteiligte er sich ferner an den Sitzungen der Berliner Arch&ologischen Gesellschaft, fiir welche er damals zwei Winckel- mannsprogramme (Grabstein eines rSmischen Kriegers, 1866, und Statue des Augustus, 1868) verfaflte. Auch iibernahm er im Jahre 1868 die durch Ed. Gerhards Tod verwaiste Redaktion der Arch&ologischen Zeitung. Die Aka- demie aber betraute ihn, noch vor Abschlufl seines spanischen Inschriften- werkes, mit einer zweiten Shnlichen, wenn auch minder umfangreichen Auf- gabe, der Sammlung der romischen Inschriften Britanniens. Eine langere Reise nach England im Winter 1866/67 gab ihm Gelegenheit nicht nur die romischen Inschriften und Baudenkmaler, sondern auch die Kunstschatze des Britischen Museum und privater Kunstsammlungen genauer kennen zu lernen: er hat dariiber zweimal in den Schriften der Akademie Bericht erstattet.

Es war bei dieser vielfachen wissenschaftlichen und amtlichen TStigkeit (seit 1868 war H. auch Mitglied der wissenschaftlichen Priifungskommission) eine bedeutende Leistung, dafl im Sommer 1869 der Band der Inscriptionts Hispaniae zur Ausgabe fertig wurde ; ein stattlicher Foliant von fast 900 Seiten mit zwei von Kieperts Meisterhand gezeichneten Karten. Das grofle Unter- nehmen der Berliner Akademte, 1863 durch den Band der antiquissimae glanzend begonnen, wurde durch diesen wiirdig fortgefiihrt. Und doch lagen die Vorziige des zweiten Bandes auf einer ganz anderen Seite als die des ersten. Wihrend an der Sammlung der antiquissimae das Philologisch-Histo- rische, die Zusammenstellung einer groflen Reihe sprachlich und inhaltlich hochbedeutender Urkunden und deren Interpretation, namentlich Mommsens Kommentare zu den groflen Gesetzen und Kalendern, imponiert hatten, repr£- sentierte der spanische Band zum ersten Male die neue Technik der Inschriften- Edition, zu der Mommsens Inscriptionts Neapolitans den Weg gewiesen, und die nun, in immer weiterer Vervollkommnung, fiir das akademische Corpus maflgebend geblieben ist. Bei den spanischen Inschriften war ein seit Jahrhunderten im Argen liegendes, durch grobe und feine F&lschungen g£nzlich in Miflkredit gekommenes Gebiet kritisch durchforscht und systema- tisch dargestellt, so dafl die weitere Untersuchung ein gesichertes Fundament hatte. Hier war zu gleicher Zeit in glanzender Weise der Beweis gefuhrt,

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Httbner.

dafi fur die Herstellung des Corpus der von Mommsen angegebene Weg Reisen und Bibliotheksforschungen im Lande selbst der einzig richtige sei. Die Anerkennung fur H.s Werk blieb auch nicht aus, indem er im Jahre 1870 zum ordentlichen Professor an der Berliner Universitat ernannt wurde.

Schon wShrend seiner Beschaftigung mit den spanischen Inschriften aus der klassischen Periode hatte H. sein Augenmerk auch auf die christlichen Inschriften gerichtet, welche die dem Corpus gesteckte untere Zeitgrenze zweite Halfte des sechsten Jahrhunderts iiberschritten. AIs Erg&nzung zu dem groflen akademischen Werke liefl er 1871 seine Inscriptions Hispaniae christianae erscheinen. Er hat in diesem Bande 288 echte Inschriften des sechsten und siebenten Jahrhunderts, soweit als mOglich in sorgfaltigen Faksi- miles herausgegeben, denen sich charakteristischerweise 101 falsche zur Seite stellen. Die formelle und palaographische Seite der Epigraphik wurde iiber- haupt von H. mit besonderer Sorgfalt beriicksichtigt, er hatte von seiner spanischen Reise dafiir ein wertvolles Material an Papierabdriicken gesammelt. Die Technik des Papierabklatsches anzuwenden und zu lehren hatte er sich bei seinen vielfachen Reisen im Lande stets angelegen sein lassen; eine praktische Anleitung dazu verttffentlichte er 1870 im 49. Hefte der Bonner Jahrbiicher, und in erweiterter Gestalt elf Jahre spater als selbstandige Bro- schiire (Uber mechanische Kopien von Inschriften, Berlin 1881). Auf Grund der von ihm selbst, teils auf seine Veranlassung gefertigten Abdriicke begann H. um diese Zeit ein grofies Werk uber die Palaographie der lateinischen Inschriften der Kaiserzeit, welches gewissermafien eine Fortsetzung zu Ritschls Priscae Latinitatis Monumenta epigraphica bilden sollte. Eine im Jahre 1875 fur dieses Werk unternommene Reise fiihrte ihn nach Oberitalien und Rom, wo er von Henzen, mit dem er dauernd in freundschaftli chert Beziehungen geblieben war, mancherlei Unterstiitzung fur seinen Plan erhielt.

Bereits im Jahre 1873 konnte H. den Band der Inscriptions Britannia* latinae als siebenten Band des Corpus Inscriptionum verOffentlichen; stand die Sammlung an Umfang auch bedeutend unter derjenigen der spanischen, so hatte sie doch ihre eigentiimlichen Schwierigkeiten, namentlich durch das massenhafte »klein-epigraphische« Material (Vaseninschriften u. dgl.) gehabt. Wie bei Spanien, so sammelte H. auch fur flfritannien die der nachromischen Zeit resp. dem friihen Mittelalter angehorigen Inschriften in einem besonderen Werke: Inscriptions Britanniac christianae (1876). Eine Frucht seiner archSo- logischen Studien in England war das Winckelmannsprogramm der Berliner Archaologischen Gesellschaft fur 1873 (Bildnis einer RSmerin die soge- nannte Clytia , Marmorbiiste des British Museum).

Die akademische Tatigkeit, welche H. in dieser Zeit entfaltete, war aus- gedehnt und vielseitig. Im Vordergrunde standen natiirlich die lateinischen Gebiete: exegetische Kollegien iiber rOmische Schriftsteller, andere iiber Ge- schichte der lateinischen Literatur, lateinische Grammatik und Epigraphik, Aber auch griechische Grammatik und EnzyklopSdie der klassischen Philo- logie nahm er in den Kreis seiner Vorlesungen auf. Zu mehreren dieser Vorlesungen hat er »Grundrisse« erscheinen lassen, welche sich durch klare Disposition und reiche Literaturangaben auszeichnen. (EnzyklopSdie der klassischen Philologie 1876, 2. Aufl. 1884; ROmische Literaturgeschichte,

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4. Aufl. 1878; Lateinische Grammatik 1876; Griechische Syntax 1883). ^n seinen philologischen Ubungen behandelte er abwechselnd griechische und lateinische Schriftsteller, die er meist in elegantem und flussigem Latein inter- pretierte.

Als im Jahre 1872 die Ephemeris epigraphica als periodisches Supplement zum Corpus Inscriptionum gegriindet wurde, war H. sofort einer ihrer eifrigsten Mitarbeiter: die quaes tumes onomatologicae latinae, welche im ersten Bande stehen, setzten seine 18 Jahre friiher erschienene Dissertation mit sehr ver- mehrtem und kritisch gesichtetem Material fort. Fur die Ephemeris konnte er auch, dank seiner zahlreichen Verbindungen in Spanien und Portugal, mehrmals umfangreiche Supplemente zum zweiten Bande des Corpus liefern. Auch den rdmischen Altertiimern auf deutschem Boden wandte er dauernd seine Aufmerksamkeit zu, wovon zahlreiche gr5fiere und kleinere Aufsatze in der Archaologischen Zeitung und dem Jahrbuche des Vereins von Altertums- freunden im Rheinlande Zeugnis ablegen. Namentlich die ausfuhrliche Mono- graphic uber den romischen Grenzwall in Deutschland (Bonner Jahrbiicher LXHI. LXIV) war eine wichtige Vorarbeit fur die im folgenden Dezennium mit soviel Eifer und Erfolg aufgenommene Limes-Forschung.

Als sich zu Th. Mommsens 60. Geburtstag(i877) seine zahlreichen Freunde und Arbeitsgenossen vereinigten, um ihm mit dem gewichtigen Sammelbande der Commentafwnes Mommsenianae zu gratulieren, stand H. mit in erster Reihe unter den Veranstaltern : die Leitung des Druckes des umfangreichen Bandes fiel hauptsachlich ihm zu, auch steuerte er selbst einen Beitrag »Zu Propertius« bei. In den folgenden Jahren trat leider eine Trubung des Verhaltnisses zwischen beiden Forschern ein, welches auch dazu fuhrte, dafl H. im Jahre 1 88 1 die Redaktion des Hermes niederlegte.

Fur Erganzung der spanischen Inschriftensammlung durch eine zweite methodische Bereisung des Landes zu sorgen, erwies sich schon jetzt, zwftlf Jahre nach der Publikation des Bandes als notwendig; im Herbste 1881 trat H. seine zweite Reise nach der Halbinsel an. Seit dem Erscheinen seiner Inscriptwrus Htspaniae als einer der berufensten Vertreter deutscher Wissen- schaft fur Spanien betrachtet, wurde er uberall mit grofiter Zuvorkommenheit aufgenommen und brachte reiche Ausbeute heim, deren Bearbeitung ihn in den folgenden Jahren beschaftigte. Auflerdem vollendete er nunmehr das grofie Werk zur inschriftlichen Palaographie der Kaiserzeit, welches 1885 unter dem Titel: Exempla scripturae epigraphicae (LXXXIV und 458 S. fol.) erschien. Auch bearbeitete er fur das von Iwan Miiller begriindete Hand- buch der Altertumswissenschaft einen Grundrifi der lateinischen Epigraphik, an dem die freilich im Verhaltnis zum Ganzen etwas ausgedehnten Abschnitte iiber Geschichte der Inschriftenforschung und iiber romisches Namenwesen besonders inhaltreich sind.

Eine dritte Reise nach Spanien, 1890, vervoll standi gte das Material fur den Supplementband zum C/L. II, der im Jahre 1892 ans Licht trat, an Umfang der urspriinglichen Sammlung fast gleichkommend, reich an neuen Funden ersten Ranges, unter denen die von H. schon friiher in der Ephemeris epigraphtca veroffentlichten Lex coloniae Iuliae Genettvae und die Lex metalli Vipascensis besonders hervorragen. Wie sehr sich unsere Kenntnis des r6mi- schen Hispaniens namentlich auch dank der epigraphischen Forschung in den

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 24

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verflossenen zwei Dezennien gemehrt hatte, zeigen augenfallig die neuen Karten, mit denen Kiepert auch diesmal den Band geschmuckt hatte.

Von diesen Fortschritten hat H. auch weitern Kreisen Mitteilung gemacht, namentlich durch Aufsatze in der »Deutschen Rundschau«. Eine Reihe sol- cher Aufsatze iiber romische Monumente auf spanischem, englischem und deutschem Boden liefi er gesammelt 1890 unter dem Titel » Romische Herr- schaft in Westeuropa« erscheinen. Durch zahlreiche Besprechungen und An- zeigen spanischer Publikationen, die er besonders fiir die ^Deutsche Litera- turzeitung« lieferte, suchte er dem deutschen Publikum die Kenntnis der wichtigsten wissenschaftlichen nicht ausschliefilich archaologischen Erscheinungen der spanischen und portugiesischen Literatur zu vermitteln.

Seit seiner ersten Reise hatte H. sich eingehend mit den ratselhaften Denkmalern der vorromischen Bewohner Spaniens beschaftigt, Ein zusammen- fassendes Werk dariiber *Monumcnta linguae Ibericac* publizierte er im Jahre 1893. In demselben wird das gesamte Material, nicht nur das literarisch und inschriftlich iiberlieferte, sondern namentlich auch das wichtige numis- matische, zusammengestellt und kritisch gesichtet, so dafl das Buch noch auf lange hinaus die Grundlage weiterer Forschung bilden wird. Spanien gait auch die letzte groflere Arbeit H.s, das im Jahre 1900 erschienene Supplement zu den Inscrtptlones Hispaniae christianae. Am Anfang des folgenden Jahres verschied er nach kurzem Leiden.

H. war einer der ersten und ausdauerndsten Mitarbeiter an dem grofien Inschriftenwerke Mommsens, daneben vielseitig und mit Erfolg auch auf archaologischem Gebiete tatig. Als akademischer Lehrer hat er zahlreiche Arbeiten seiner Schiiler gefordert, die ihm ein dankbares Andenken bewahren. Namentlich aber seine Tatigkeit in und fiir Spanien, wo er langer als ein Menschenalter in glucklicher und geschickter Weise die deutsche Forschung vertreten hat, sichern ihm in der Geschichte seiner Wissenschaft einen ehren- vollen Platz.

Rom. Ch. Hulsen.

Widerhofer, Hermann Freiherr von,1) Hofrat, Professor, Mitglied des osterreichischen Herrenhauses, * 24. Marz 1832 zu Weyer in Oberosterreich, f 28. Juli 1901 zu Ischl. W. war der Sohn eines Landarztes. Die schone Singstimme des Knaben veranlafite den Pralaten von Seitenstetten denselben unter die Sangerknaben des Stiftes aufzunehmen, wofiir ihm ganzliche Ver- pflegung und Ausbildung verbiirgt wurde. Dann ging der unbemittelte Jiingling nach Wien, um Medizin zu studieren. Die Mittel dazu verschaffte er sich durch Unterrichtsstunden ; im Jahre 1856 promovierte W. an der Wiener Universitat.

Er widmete sich der Kinderheilkunde, welche sich damals gerade als selbstandige Wissenschaft zu entwickeln begann, und wirkte 1856— 1859 als Sekundararzt an der Wiener Findelanstalt. Franz Mayr, Professor der Kinder- heilkunde an der Wiener Universitat, berief ihn zu seinem Assistenten und fiihrte ihn auch in seine den hochsten Kreisen angehorige Privatpraxis ein. Nach dem friihen Tode seines Lehrers (1863) wurde er sein Nachfolger,

x) Totenliste 1901 Band VI 116*.

von Widerhofer. Hansen. 371

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sowohl in der Leitung des Spitales, als auf dem klinischen Lehrstuhle. Im Jahre 1884 wurde er zum ordentlichen Professor der Kinderheilkunde und 187 1 zum Hofrat ernannt. Er verblieb in dieser Stellung durch fast 40 Jahre, bis er, 69 Jahre alt, in seinem Landhause bei Ischl der Wiederholung eines Schlaganfalles erlag.

W. war durch seine fast ein Menschenalter wahrende Amtsfiihrung, durch seine markante, bei hoch und nieder beliebte und verehrte Pers6nlichkeit sowie seine Beziehungen zu den maflgebenden Kreisen von bestimmendem Einflufl auf die Entwicklung der Kinderheilkunde, die in Osterreich sehr viel rascher als an den reichsdeutschen Universitaten Anerkennung und Berucksichtigung im Lehr- plane gefunden hat. Seine wissenschaftliche Tatigkeit fallt in die glanzvolle Zeit der groflen Wiener Schule und empfing wie diese ihre Anregung von der durch Rokitansky neu belebten pathologischen Anatomie und von dem groflen nach Wien zusammenstrOmenden Krankenmaterial, das man erst in dieser Zeit mit dem Auge und den Methoden des Naturforschers beachten lernte. W. war begabt mit einem seltenen Auffassungs- und ErinnerungsvermOgen ; er las in der Natur wie in einem offenen Buche und seinem fein beobachten- den Auge entging auch nicht die kleinste Nuance. Daher seine intuitive Art der Diagnose, die sich mehr auf ein kunstlerisches Erfassen stiitzte, als auf die Anwendung aufgestapelter Biicherweisheit. Er war ein uberaus ge- wissenhafter, teilnehmender Arzt, ein trefflicher Lehrer und verstand es die Symptome in ungekiinstelter, plastischer Darstellung zu charakteristischen, natiirlichen Krankheitsbildern zusammenzufassen, die alien Wechsel der theo- retischen Anschauungen uberdauerten. Es gilt dies insbesondere von seinem Hauptwerk, der Bearbeitung der Magen-Darmkrankheiten im Gerhardtschen Handbuche. Seit 1863 war er Redakteur des angesehensten deutschen Fach- blattes, des Jahrbuches fur Kinderheilkunde.

Seine Publikationen sind ausschliefilich klinischen Inhaltes und stammen aus den friiheren Jahren, da er sp&ter durch seine Stellung als Arzt der Kaiserlichen Familie und Leibarzt des Kaisers, der ihn auch (1890) in den erblichen Adelstand erhob, sehr in Anspruch genommen war. Erst die Ent- deckung der Serumbehandlung bei Diphtheritis und die Einfuhrung der Intu- bation, fur die er mit jugendlichem Eifer eintrat, veranlafiten ihn noch einmal zu literarischer Tatigkeit. Dem St. Anna-Kinderhospitale konnte er im Jahre 1892 einen neuen, mit den modernsten Einrichtungen versehenen Pavilion fur Diphtherie, einige Jahre spater einen solchen fur Scharlach anfiigen.

Seine hauptsachlichsten Publikationen sind: Die Krankheiten am Nabel der Neu- geborenen. Cber Syphilis hereditaria (zusammen mit Map). Beides im »Jahrbuch fllr Kinderheilkunde. « Alte Reihe. Krankheiten der Bronchi aldriisen. Krankheiten des Magens and Darmes, in Gerhardts »Handbuch der Kind erkrankhei ten* 1880. O'Dwyers Intubation und die Tracheotomie bei der diphtherischen Larynxstenose. 1890. 100 mit Behrings Heil- serum behandelte Falle von Diphtherie. 1895. Escherich.

Hansen, Georg Thomas,1) Dr. phiL, Kgl. bayer. Reichsarchivrat, National- Ckonom, Statistiker und Historiker, * 21. Februar 1852 zu Husum in Schleswig, f 6. Mai 1901 in Munchen. H. war der Sohn des Stadtrates Christian Hansen. Seine Mutter verlor er im zartesten Kindesalter. Nach dem

*) Totenliste 1901 Band VI 39 «

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Besuche verschiedener Privatschulen, sowie der Volksschule bezog er 1864 die neubegriindete Gelehrtenschule in seiner Vaterstadt und zwar zunachst die Realklassen des kombinierten Realgymnasiums. Aber der Drang nach huma- nistischer Bildung wurde immer lebhafter, und so entschlofi er sich im Jahre 1869 zum Ubertritt in das humanistische Gymnasium, welches er Ostern 1874 absolvierte. Hierauf begab er sich an die Universitat Jena, um sich dem Studium der Philologie zu widmen. Doch schon im folgenden Jahre wurden seine Studien durch den Tod seines Vaters unterbrochen. Vom 1. Oktober 1875 bis dahin 1876 geniigte er der Milit£rpflicht als Einjahrig-Freiwilliger im holsteinischen Feldartillerieregiment Nr. 24 zu M6lln in Lauenburg. Mit der Qualifikation zum Reserveoffizier entlassen, wandte er sich von jetzt ab ausschliefilich der Historik zu und zwar zun&chst im Wintersemester 1876/77 in Berlin bei Droysen und Nitzsch, dann wahrend zweier Semester in Bonn bei Maurenbrecher, Ritter und Menzel, schliefilich seit Herbst 1878 in Miinchen bei Cornelius, Giesebrecht, L6her und Rockinger. Hier begann er bald nach seiner Ankunft die von der philosophischen Fakultat gestellte Preisaufgabe »Darlegung des Anteils Augsburgs an der evangelischen Bewegung bis zum Schlusse des Jahres 1527* zu bearbeiten, wurde Ende Juni 1880 mit demPreise gekrOnt und am 29. Juli 1881 zum Doctor philosophiae promoviert. Noch im selben Jahre, am 2. September trat er als Hilfsarbfeiter in das Kgl. bayer. Allgemeine Reichsarchiv ein, wurde am 1. August 1885 zum Sekretar am Munchener Kreis- archiv ernannt und am 23. September 1889 zum Vorstande des Kgl. Kreisarchives Neuburg a. D. bef&rdert. In der zweiten Halfte des Jahres 1893 siedelte er wieder nach Miinchen als Reichsarchivassessor iiber, stieg unterm 7. Juli 1900 noch zum Reichsarchivrat auf, starb aber schon im nachsten Jahre an einem ererbten Lungenleiden.

Der ganze Studiengang wie die Berufswahl lieflen eigentlich erwarten, dafl H. als Geschichtsforscher sich einen Namen machen werde, denn iiber seine aufierordentliche Befahigung hierzu hegte kein Kenner Zweifel. Um so grofier war die Oberraschung, als er im Jahre 1889 auf ganz anderem Gebiete schopferisch hervortrat mit dem Werke »Die drei Bevolkerungsstufen. Ein Versuch, die Ursachen fur das Bliihen und Altern der VOlker nachzuweisen*. Hier wird eine neue, durchaus eigenartjge Bev6lkerungstheorie geboten. Aus den drei Einkommenszweigen : den freiwirkenden Kraften der Natur, der in- dividuellen geistigen und der lediglich quantitativ zu bewertenden kSrperlichen Arbeit, leiten sich als verschiedene Entwicklungsstufen der Bevftlkerung eines Landes die Klassen der Grundbesitzer, Bauernstand und Grundadel um- fassend, des Mittelstandes mit den Vertretern der biirgerlichen Gewerbe, den Beamten und Gelehrten, endlich des Standes der besitzlosen Arbeiter und Proletarier her. Dauernd ist allein der Stand der Grundbesitzer, wahrend im stadtischen Mittelstande eine fortwahrende Erneuerung und Er- setzung aus dem Uberschusse der landlichen Bevolkerung stattfindet und die im Wettbewerbe erlegenen Glieder der Mittelstufe in den Arbeiterstand hin- iibergedrangt werden. Auf der ungestdrten Wirksamkeit eines solchen Be- vftlkerungsstromes beruht die Gesundheit des ganzen Volkes. Diese zugrunde gelegte These wird nun in glanzenden, ebenso geistvollen wie kenntnisreichen ErOrterungen iiber die Entstehung der einzelnen BevSlkerungsklassen, iiber ihre jeweiligen Ubergange und ihre sozialen Funktionen, iiber ihre gegen-

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seitigen Kajnpfe und namentlich die Tendenz der. stadtiscben BevOlkerung, den Mutterboden, die erste Stufe, aufzulOsen und dadurch den Zerfall des Ganzen herbeizufiihren, iiber die mannigfachen Erscheinungsformen dieser Kampfe bei den einzelnen KulturvSlkern, endlich iiber die aus solchem Sach- verhalte sich ergebenden regulierenden Aufgaben der Staatsgewalt allseitig abgewandelt. Das Buch erregte durch seine urwiichsige Gedankenfiihrung und die naturfrische reizvolle Darstellung bald allgemeines Aufsehen und weckte in den damaligen sozialpolitischen Kampfen lauten Wiederhall. Wurde auch von der Kritik die statistische Grundlegung da und dort zu leicht be- funden und die allzu schematische Durchfiihrung des Themas in einigen Punkten bemSngelt, so hat sich der Grundgedanke doch wohl im Ganzen siegreich behauptet, jedenfalls aber aufierordentlich anregend und befruchtend gewirkt. Schon vermGge seiner Form wird das Werk immerdar zu den Schatz- stiicken der deutschen Literatur gerechnet werden.

In diesem einzigen Buche spiegelt sich das ganze geistige Gehaben des Verfassers in merkwiirdiger Treue wieder. Geniale Urspriinglichkeit, ein durch- dringend scharfer Verstand, blitzartig-intuitives Erfassen des Kernes der urn- gebenden Menschen und Dinge, damit zusammenh£ngend Befahigung und Neigung zur Satire, eine unbeugsame Selbst£ndigkeit und Eigenrichtigkeit waren die Hauptziige, welche ihm liberal], wo er auftrat, Beachtung erzwangen und den Verkehr mit ihm stets, auch wo er irrte, zu einem ungemein anziehen- den und anregenden gestalteten. Ruhig und gemessen ging er seinen Weg, kiihl und stille um sich blickend, abhold allem Scheinwesen, wenigen sich ganz erschliefiend. Aufierlich herb, ja schroff erscheinend, barg dieser reiche Geist innen feinstes, sinniges Naturempfinden , verstandnisvolle Liebe zu den Werken klassischer Kunst; und gegen seine Mitmenschen war er, der arge SpStter, da, wo es ihm angezeigt erschien, hilfreich in groflem Mafistabe bis zur v6lligen ErschOpfung seines nicht unbetrachtlichen VermSgens.

In seinen letzten Lebensjahren zog sich H. mehr und mehr zuriick, ver- senkte sich immer tiefer in das Studium altgriechischer Literatur, sammelte fortgesetzt Material fur den Ausbau seiner Theorie auf der Grundlage der Geschichte des Altertumes und bildete sich daneben als vortrefflicher Beobachter auf seinen weitausgedehnten Spaziergangen auch noch zu einem der besten Kenner der Flora in Munchens Umgebung. Zu fertigen Leistungen aber ist er wegen zunehmender Kr£nklichkeit nicht mehr gelangt. So starb er, zuletzt fast ganz vereinsamt, in den wenigen, welchen es vergdnnt war, ihm n&her zu treten, das unverl6schbare Bild eines hohen Genius, eines starken Charakters und eines edlen, liebenswerten Menschen hinterlassend. J. Petz.

Kttsthardt, Erwin,1) Maler, * 23. Januar 1867, f 6. Juli 1901. K. war als der vierte Sohn des ausgezeichneten Professors Fr. Kiisthardt zu Hildesheim geboren, in dessen Atelier schon der Knabe seine ersten kunstlerischen Ein- driicke erhielt und die Kunst liebgewann, als er unter Leitung seines Vaters die ersten kindlichen Studien begann, zeichnete und modellierte. So im friihesten Knabenalter schon hingewiesen auf SchSnheiten der Natur und Kunst, ange- halten zum friihen Studium der reichen Kunstsammlungen des Vaters, waren

«) Totenliste 1901 Band VI 60*.

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es vor allem die Werke Meister Schwinds, Carstens', Cornelius', Prellers und Richters, die das reiche Gemiit des Knaben empf&nglich machten und dem SchOnen erschlossen. Nach Absolvierung des Gymnasiums seiner Vater- stadt ging K. nach Diisseldorf zum Besuch der dortigen Kunstakademie, wo zuerst die Professoren Lauenstein und Schill seine Lehrer wurden. Spater, als er nach rasch vollendetem Studium des Pensums der Elementarfacher in die Meisterklasse eintrat, wurde er Schiiler des bedeutenden Historienmalers Professor Janssen, der, dem jungen K. auch als Mensch nahestehend, wohl mit den meisten Einflufi auf die weitere Entwicklung und die kiinstlerische Richtung seines spSteren Schaffens ausiibte. 1890/91 konnte K., wenn auch nur als reproduzierender Kunstler, in die Offentlichkeit treten, indem er nach den Entwiirfen Professor Prells die westliche Fensterwand des Hildesheimer Rathauses malte. Schon das n&chste Jahr brachte K. eine Zeit freudigen Schaffens, als ihm der Marschendichter Hermann Allmers, der dem Kunstler in herzlicher Freundschait zugetan war, den Auftrag gab, den Marschensaal in seinem Wohnhause in Rechtenfleth bei Bremen, fur welchen schon Fitger, Knille und von Dttrnberg Werke geschaffen, mit anderen Bildern, eigenen Kompositionen, zu schmiicken, die die Marchenstoffe Aschenbrodel und Dorn- roschen zum Vorwurf hatten, und denen spater ein Bild Faust und Gretchen, weiter eine Kopie des Knilleschen Bildes Tannhauser und Venus folgten.

Aus der Zeit 1892/93, die K. seines leidenden Zustandes wegen im Elternhause zubrachte, datieren viele vortreffliche Portraits, auch sehr reiz- volle Aquarelle, Zeichnungen und Olstudien entstanden hier, zu denen die landschaftlichen SchSnheiten seiner Vaterstadt interessante und willkommene Motive boten. Zahllose Skizzenbiicher des verschiedensten Inhalts geben Zeugnis von dem rastlosen Eifer, den der Kunstler entfaltet, um vollendetes KSnnen auf jedem Gebiet seiner Kunst anzustreben. Sicher gezeichnete Akte, Tierstudien, landschaftliche und architektonische Skizzen und Entwiirfe ent- stehen, nichts erscheint ihm zu niichtern, das scheinbar geringste wird mit dem Stifte in Suflerst charakteristischen Linien festgehalten , wobei eine gl&nzende Beobachtungsgabe den Kunstler unterstiitzt und gerade die tech- nische Seite seiner Begabung und Ausbildung ist es, was wir bei K. in her- vorragendem Mafle bewundern miissen; er kann seine Bilder nicht nur dichten, sondern auch malen.

Exaktes Zeichnen, sowie fleiflige architektonische Studien kamen K. zu- statten, als ihm von der Stadt Hildesheim der Auftrag wurde, fiir die Welt- ausstellung in Chicago ein grofies Aquarell des Hildesheimer Rathaussaales zu malen, das in malerischer wie perspektivischer Durcharbeitung eine prachtige Leistung darstellt.

Nach Dusseldorf zuriickgekehrt, schuf K. einen Konkurrenzentwurf fiir die Ausmalung des Rathauses in Bochum, der mit dem II. Preise gekrOnt wurde. Das Bild zeigt uns eine friihmittelalterliche Gerichtssitzung des Gau- grafen unter freiem Himmel. Entstanden ist das Bild unter dem sichtbaren Einflufi des greisen Dichters Hermann Allmers.

Gelegentliche Mitwirkung in der »Matthaus-Passion« hinterlaflt in der regen Phantasie K.s einen derart tiefen Eindruck, dafl er in der Leidens- geschichte Christi reichen Stoff zu zahlreichen Entwiirfen findet und in rascher Folge, ohne sich Zeit zum Essen und Schlafen zu gonnen, entwirft er einen

Kttsthardt

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Zyklus von Bildern, in denen er mit iiberzeugender Kraft das Leben und Leiden Christi zum Ausdruck bringt. Dieser Stoff beherrscht des Kiinstlers ganzes religiOses Empfinden und Denken, und sich mehr und mehr in die Gestalt des ErlOsers vertiefend, wendet der Achtundzwanzigjahrige sich in dieser Epoche der biblischen Malerei zu, ohne darin, wie das leider un- vollendet gebliebene, in spateren Jahren begonnene Bild »Urteil des Paris« zeigt, ein Ziel zu erblicken. Wie er selbst seine Kunst im reinsten Sinne priesterlich auffa&te, so enreicht er gerade in seinen Bildern aus der Leidens- geschichte Christi seine tiefsten und ergreifendsten Wirkungen. Sein erhabenes religioses Denken, seine wahrhaft hohe Auffassung von Gott und Gottesdienst, wie sie in von ihm hinterlassenen Brief en zum Ausdruck kommt, lassen seine Bibelgestalten zum religios menschlichen Empfinden aller Konfessionen eine ergreifende, zu Herzen gehende Sprache reden.

1895 vollendet K. eine Pieti (»Ausgerungen«) und bald danach erringt er den grofien Staatspreis mit dem fur die Kirche in Eikel (Westfalen) bestimmten Altarbild »Friede sei mit euch«, das, noch einmal gemalt, vom ROmermuseum in Hildesheim gekauft wurde.

Es sei hier gestattet, die Worte anzufuhren, mit denen Professor Dr. Vogeler bei der ersten Ausstellung das Bild »Ausgerungen« schildert: »Auf mit schwachem Grtin uberwachsener Halde, die links von machtigen, dunklen Felsen eingeschlossen ist, liegt vorn der Leichnam Christi, von einem letzten Strahl des den Hintergrund ausfiillenden Abendhimmels beleuchtet. Vor ihm sitzt, wundervoll gegen den weiten Himmel sich abhebend, die gebeugte Gestalt einer friih gealterten Frau mit zartem Gesicht und zarten KOrperformen und iiber sie hingegossen, sie leidenschaftlich umklammernd, das Antlitz in ihrem SchoB liegend, der geschmeidige Korper eines jungen Weibes: Es ist Maria Magdalena vor der Leiche des Herrn. Es gibt einen Grad des Schmerzes, der an Wahnsinn grenzt, wo die Tr&ne versiegt, der Wille die Herrschaft iiber die Gedanken verliert, wo der Mensch so namen- los elend ist, dafi sein Verstandnis fiir das Geschehene aufhttrt. Er klagt nicht mehr, er denkt nicht mehr, er stiert nur noch wie abwesend auf die Ursache seines Ungliicks, wie auf etwas Unfaflbares hin. In diesem Zustande ist Maria auf unserem Bilde dargestellt. Nicht als wiirdige Matrone hat sie der Kiinstler aufgefaflt, sondera als Frau in mittleren Jahren, in deren feinem durchgeistigtem Gesicht man den Ausdruck entsagender, hilfloser Mutterliebe ausgepr&gt findet. Jetzt ist sie am Ende, vorniibergebeugt sitzt sie da, die Glieder h&ngen schlaff herab, selbst die heftige Umarmung der Magdalena erwidert sie nicht mehr. Und iiber sie hingegossen, uns nur die Ruckseite des Hauptes mit dem herabhSngenden Haare zukehrend , das junge leiden- schaftliche Weib, das sich ganz dem wilden Schmerz iiberl&flt, welch ein Kontrast.«

Immer lebhafter wird der Wunsch in K., Italien, das Land der Kunst und der SchSnheit, zu sehen, und im Friihjahr 1897 wird ihm mit Hilfe der »Aders-Stiftung« Erfiillung seines Begehrens. Eine dreimonatige Reise, die ihn nach Rom, Neapel, Florenz und Venedig fiihrt, bringt ihm neue, mannig- fache Anregung, nicht sowohl die Kunstschatze des Landes wie das Land selbst in seiner Schdnheit, die Natur ist es, die ihn begeistert und ihm dauernden Aufenthalt dort als lockendes Ziel erscheinen lafit.

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Nach seiner Riickkehr beginnt er die Studien zu einem grofien Gemalde fiir die Aula des Gymnasiums zu Erfurt, »Bismarck, dem aus Ems heimge- kehrten K6nig Wilhelm im Beisein der Generate und Hofchargen die Kriegs- erklarung vorlesend«, ein Gegenstand, der dem vom Schonheitssinn erfiillten Kunstler fernlag. Nur zSgernd war K. an die grofie Aufgabe herangetreten, ein anderes Sujet hatte ihn Grofieres, Bedeutenderes schaffen lassen.

1899 lafit er sich, dem langst gehegten Wunsch folgend, dauernd in Rom nieder. Hier gibt es gliickliche, sonnige Tage fiir ihn, als er die Mappe, das Malgerat unter dem Arm, die Campagna, das Albaner Gebirge durch- streift, als er das malen kann, was sein schonheitstrunkenes Auge nun in greifbarer Wirklichkeit vor sich sieht und nicht das malen m u fi , was ver- langt wird.

In zahllosen Skizzen, Olstudien und Bildern sehen wir die hiigelige, weit gedehnte Campagna, prachtige Motive aus der Villa D'Este naturwahr und stimmungsvoll wiedergegeben

Ein neues religiSses Bild, »Lasset die Kindlein zu mir kommen*, ent- steht in dieser Periode und geht in Privatbesitz iiber. Unter den grdfieren landschaftlichen Gemalden aus dieser Zeit linden wir hervorragend Schones, ein Waldtal bei der Villa Doria Pamfili, ein »Liebesmorgen« betiteltes Bild.

Unter dem Zauber siidlicher Farbenpracht beginnt K. das bereits oben genannte grofie Bild »Das Urteil des Paris«, um hier sein Ideal weiblicher SchOnheit zu verkorpern.

Der Schmerz iiber den Tod des von ihm iiber alles geliebten Vaters, ja vielleicht ein Ahnen eigenen friihzeitigen Todes ist es, was den Maler zwingt, sein begonnenes Werk zu verlassen und ihn sein ganzes tiefes Gefiihlsleben in dem Bilde Gethsemane verkorpern laflt.

Trotz der Bitten Bekannter, trotz des ernstlich wohlwollenden Rates des Bildhauers Professor Gerhard t, sich zu schonen, war K. im Hochsommer 1901 in der heifien Fieberluft Roms geblieben. Er will sein Werk vollenden. Und so finden ihn jiingere Freunde, die in ihm nicht nur den gereiften, hochbegabten Kunstler verehren, sondern auch dem klugen, liebenswurdigen Menschen treu ergeben sind, und denen seine Zuriickgezogenheit, sein welt- entrucktes Wesen auffallt, bewufitlos in seinem Atelier vor dem vollendeten Bilde.

Welche Pein, welches tiefe seelische Leid der Todkranke empfunden haben mag, als sich in seiner Einsamkeit schon die Schatten des Todes auf ihn herabsenkten, das zeigen die Zuge dieses betenden, ringenden, zum Tode erschopften Christus, ein ergreifender Ausdruck tiefster, eigenster Seelenqual, ein selbst vollbrachtes Gethsemane.

Selbst treueste Pflege und alle Kunst des Arztes vermag das fliehende Leben nicht zu halten, eine rapid auftretende Gehirnentziindung macht dem jungen, noch so viel versprechenden Leben ein rasches Ende und der jiingere, aus Deutschland herbeigeeilte Bruder vermag nur noch von dem in der Bahre ruhenden geliebten Toten schmerzlichen Abschied zu nehmen.

Nun ruht der Entschlafene auf dem Campo santo testaccio in Rom, einem herrlichen, Ruhe und Frieden atmenden Fleck dieser Erde, unter rauschenden Pinien und leis fliisternden Zypressen. Ein in schttnen Linien gehaltenes Denkmal mit dem Portrait des Verstorbenen schmiickt sein Grab.

Ktisthardt. Grofl. Lersch.

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Auch Hildesheim ehrt das Andenken seines friih verstorbenen Sohnes, zwei Sale im Romermuseum hat man den von der Stadt und von Freunden erworbenen Werken K.s gewidmet. F. u. H. Ktisthardt

Grofi, Jakob Hubert, Pfarrer, * 6. September 1840 zu Aachen, f 23. Juni 1902 in Thenhoven bei Worringen. Nach erfolgreichem Besuche des Gym- nasiums seiner Vaterstadt bezog G. 1858 die Universitat Bonn, um sich dem Studium der Theologie zu widmen und entsprechend der schon friih in ihm erwachten Neigung philologische und historische Vorlesungen zu horen. 1862 trat er in das Erzbischofliche Priesterseminar in Koln ein, wo er im folgen- den Jahre die Priesterweihe empfing. Seine erste Anstellung erhielt er 1863 als Vikar und Rektor der haheren Schule zu Eitorf an der Sieg. 1868 wurde er als Pfarrvikar nach Laurensberg bei Richterich berufen, wo er dann 18 Jahre als eifriger Seelsorger wirkte.

Die Mufie, die seine seelsorgerische Tatigkeit ihm bot, benutzte er, um sich in das Studium des klassischen Altertums und der Dramen Shakespeares zu vertiefen. Die vollkommenste dichterische Offenbarung der Menschenseele aber fand er wie iiberhaupt in Goethes Schopfungen, namentlich im »Faust«.

Mit ganzer Kraft vaterstadtischer Begeisterung widmete er sich der Er- forschung der Geschichte Aachens im weiteren und im engeren Sinne. Wie er sich uberall, wo er wirkte und lebte, mit rastlosem Eifer fur die Lok^l- geschichte begeisterte, so schrieb er wahrend seines Aufenthalts in Laurens- berg handschriftlich erhaltene »Beitrage zur Geschichte der alten Pfarre Lau- rensberg bei Aachen von der altesten Zeit bis zu ihrer Zersplitterung im Jahre i8o4« und als deren Fortsetzung die »Chronik der Pfarre Laurensberg bei Aachen yom Jahre 1804 an. Nach mundlichen und schriftlichen Quellen, auch eigenen Erlebnissen«. Als 1879 der Aachener Geschichtsverein gegriindet wurde, beteiligte er sich sofort lebhaft an den Bestrebungen desselben.

Auch bei der Grundung des jungeren »Vereins fur Kunde der Aachener Vorzeit« war er mit regem Eifer tatig.

Als G. 1896 als Pfarrer nach Kalk und im Marz 1891 nach Osterath versetzt wurde, gewann er auch an diesen Orten besonderes Interesse fur deren Lokalgeschichte.

Auszug aus dem Lebensbild G.s von Dr. H. Savelsberg in der Zeitschr. Aus Aachens Vorzeit. Aachen 1902.

Lersch, Bernhard Maximilian,1) Dr. med., Badeinspektor, * 15. Oktober 1817 zu Aachen, f 22. Februar 1902 ebenda. L. absolvierte das Gymnasium seiner Vaterstadt und widmete sich 4 Jahre in Bonn, 1 XU Jahr in Berlin und 8 Monate in Paris dem Studium der Medizin. Nachdem er 1838 die grofie Preisaufgabe der Bonner medizinischen Fakultat gelost hatte, promovierte er am 25. Marz 1840 mit einem Teile dieser Preisschrift : »t)ber den mikrosko- pischen Bau der Netzhaut des Auges« zum Doktor der Medizin. 1841 zur Ausiibung arztlicher Tatigkeit zugelassen, liefi er sich in seiner Vaterstadt Aachen als Arzt nieder. Neben ausgedehnter arztlicher Tatigkeit wufite er noch Zeit fur schriftstellerische Arbeiten zu finden.

«) Totenliste 1902 Band VII 70*.

278 Lersch.

Nachdem er 1849 im »Neuen Nekrolog der Deutschen« seinem alteren Bruder, dem Bonner Philologen und ArchSologen, Professor Laurenz Lersch, einen ausfiihrlichen Nachruf gewidmet hatte, schrieb er 185 1 seine »Beitrage zur Arzneiverordnungslehre und chemischen Nomenklatura 1862 folgte seine Monographie »Uber die Burtscheider Thermen bei Aachen«. In den folgen- den Jahren erschienen seine »Geschichte der Balneologies sowie zahlreiche kleinere Schriften balneologischen Inhaltes. 1868 ubernahm er das Amt eines Badeinspektors von Aachen und Burtscheid, das er bis zum 5. Mai 1892 be- kleidete. Auf einen kleineren Aufsatz in GOschens medizinischer Zeitschrift ^Deutsche Klinik« liber die Thermalkur zu Aachen und Burtscheid folgte dann 1870 seine »Geschichte des Bades Aachen«, in der er mit grofiem Fleifl alle die zerstreuten Nachrichten sammelte, die man bis dahin iiber die Aachener Badfer iiberhaupt kannte. 1873 gab er den »Neuesten Fiihrer in und um Aachen fiir Kurgaste und Touristen« heraus.

Aufmerksamkeit verdient ferner seine Schrift »Die Ruinen des Romer- bades zu Aachen «. Als im Jahre 1877 das Eckhaus von Biichel und Edel- strafle abgerissen wurde, um einem Nebenbau zu dem in der Edelstrafie ge- legenen Bade »Zur KOnigin von Ungarn* Platz zu machen, grub man auf den Antrag des Museumsvereins in betrachtlicher Tiefe nach einer Fortsetzung der in den sechziger Jahren beim Bau des genannten Badehauses gefundenen Rttmermauern und fand dann auch bald eine ausgedehnte rdmische Bade- anlage mit einer Piszine, einem grofien, gemeinsamen Bad, und einem teil- weise noch gut erhaltenem Hypokaustum, einem kleineren Badegemach mit Hohlboden. L. fiel die Aufgabe zu, in einer auf Kosten des Aachener Museumsvereins herausgegebenen Abhandlung jene wichtigen Rflmerfunde wissenschaftlich darzustellen.

Leider war es ihm nicht vergOnnt, sein bedeutendstes Werk, seine »Chronik der Erdbeben«, woran er jahrelang mit emsigem Fleifi gearbeitet hatte, herauszugeben. Dieser nur handschriftlich vorliegende Erdbebenkatalog, welcher den Zeitraum von mehreren Jahrhunderten vor Christi Geburt bis in die neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein umfaflt, ist, wie es in Nr. 147 des »Echo der Gegenwart« (27. Februar 1901, 2. Blatt) heifit, das hervorragendste von alien Werken des Verewigten, was wohl am besten daj- aus hervorgehen diirfte, dafl die im April 1901 auf Veranlassung des Reichs- amtes des Innern zu Straflburg abgehaltene Internationale Seismologische Konferenz, an der die berufensten Fachgelehrten der ganzen zivilisierten Welt teilnahmen, L. ihre Bewunderung fiir dieses Werk schriftlich ausdriickten.

Lange Jahre war L. Mitglied des Schulvorstandes und President der Ge- meindevertretung in der Peterspfarre, lange Jahre auch Mitglied der stadti- schen Ausschiisse fiir Kur- und Badewesen, sowie fiir Archiv- und Bibliothek- angelegenheiten. Als Badeinspektor widmete er sich stets mit lebhaftem Eifer den Bestrebungen des Vereins zur Unterstutzung auswartiger unbe- mittelter Brunnenbadekurbediirftiger. 1870 187 1 verdiente er sich durch Lazarettpflege die Kriegsdenkmiinze fiir Nichtkombattanten. L. war ein musterhafter Burger, ein tiichtiger Arzt, ein ausgezeichneter, iiberzeugungs- treuer Katholik und ein hervorragender Gelehrter.

Auszug aus dem Lebensbild L.s von Dr. H. Savelsberg in der Zeitschr. >Aus Aachcns Vorzeit*. Aachen 1902. Ebendort Schriften verzeichnis S. 6.

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Arendt, Rudolf Friedrich Eugen,1) Prof. Dr., Redakteur am »Che- mischen Zentralblatt« und Lehrer fiir Naturwissenschaften, Technologic und Warenkunde an der Offentlichen Handelslehranstalt zu Leipzig, * i. April 1828 in Frankfurt a. O., f 15. Mai 1902 in Leipzig. Bei Beginn des vorigen Jahrhunderts war es in Deutschland urn den Chemieunterricht selbst auf den Universitaten noch recht schlecht bestellt Dank Justus von Liebig eroberte die Chemie allmahlich ihre Gleichberechtigung an den Universitaten und ihre Aner- kennung als Wissenschaft. Im Schulunterricht war aber und blieb sie noch das Stiefkind. Man behauptete, ihre Erscheinungen und Gesetze uberschreiten das Fassungsvermogen des jugendlichen Geistes, war sich aber nicht bewufit, dafi es nur an der Art des chemischen Unterrichtens, an dem Mangel einer Methodik liege, wenn sich die Chemie dem Lehrplan, selbst der hoheren Lehranstalten, nicht so recht einfugen lassen wollte. Hier setzte A. ein. In seinen vor- trefflichen padagogischen Schriften legte er dar, dafi die Chemie sich aller- dings in einem gewissen Nachteil gegeniiber alien anderen Schuldisziplinen befinde. Die chemischen Vorgange, die sich am Stoff selbst vollziehen, ent- behren der direkten Anschaulichkeit. An einer brennenden Stearinkerze erkennt der naive Beobachter nur das Leuchten und die erzeugte Warme; aber iiber die eigentlichen chemischen Vorg&nge, was aus dem Material des Lichts wird, woher die Flamme entsteht, wo der Docht hinkommt, kann man nicht durch die einfache Beobachtung erfahren. Die Anschauung lehrt meist nur physikalische Veranderungen, die auch dem Kinde bereits zum Bewufit- sein kommen. Die Chemie kann an keine derartigen, wenn auch nur un- bewufit schlummernden Vorstellungen ankniipfen; gerade darum mufi der Chemieunterricht auch von Anfang an methodisch und systematisch erteilt werden, um etwas leisten zu konnen. Diese Methodik und rationelle Grund- lage eines elementaren Chemieunterrichts hat A. geschaffen. In seinen Lehr- buchern, die noch nach seinem Tode in Neuauflagen und neuer Bearbeitung erscheinen und weite Verbreitung auch im Ausland gefunden, hat A. muster- giiltige Werke geschaffen, die mit dazu beigetragen haben, chemische Kennt- nisse zu verbreiten und zu verallgemeinern. Aus eigener Erfahrung wufite A. den Wert eines methodischen und systematischen Lehrganges zu schatzen, den er selbst hatte entbehren mussen. Friihzeitig, kaum drei Jahre alt, hatte A. seinen Vater, einen Buchbindermeister, verloren. Zwar liefien ihn Ver- wandte eine hOhere Schule besuchen, er trat auch in eine Apotheke als Lehrling ein, mit dem Wunsche, sich mit Chemie und Naturwissenschaften naher beschaftigen zu kbnnen. Aber die Notwendigkeit, mSglichst schnell vorwarts zu kommen, liefi ihn in die Buchbinderei seines Onkels Schroder in Leipzig eintreten. Die neu aufkommende Stenographic bot A. einen Nebenerwerb und gestattete ihm schliefilich, die Buchbinderei aufzugeben. Er wollte jetzt seinen Neigungen folgen, Naturwissenschaften zu studieren, bestand 1853 das Rektoratsexamen, wodurch ihm erlaubt wurde, sine maturitate Vorlesungen an der Universitat zu hSren. Das Jahr darauf machte A. schon das Maturitatsexamen und erlangte so die Rechte eines ordentlichen H6rers. Diese Energie, mit der A. alien widrigen Verhaltnissen zum Trotz er hatte nicht nur fiir sich, sondern auch fiir seine Mutter und seinen jiingeren Bruder

«) Totenliste 1902 Band VII 7*.

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zu sorgen seine Ziele verfolgte, wurde jetzt bald von Erfolg gekrSnt. A. wurde Assistent zunachst am chemischen Universitatslaboratorium von Prof. Otto Linn6 Erdmann, sodann zwei Jahre spater, 1856, an der land- wirtschaftlichen Versuchsstation Mockern bei Leipzig. Die Leitung dieser Anstalt ging bald darauf an den Privatdozenten Dr. Wilhelm Knop, Lehrer der Naturwissenschaften an der Offentlichen Handelslehranstalt Leipzig und Redakteur des »Chemischen Zentralblattes«, iiber. In Knop fand A. einen Freund, Berater und FSrderer, der ihn an seinen hervorragenden agrikultur- chemischen Untersuchungen teilnehmen liefl. 1859 promovierte A. in Leipzig mit einer Arbeit »Das Wachstum der Haferpflanze. Pflanzenphysiologische Untersuchungen iiber Aufnahme, Verteilung und Wanderung der Nahrungs- stoffe«, in der er zeigte, wie die der Pflanze notwendigen Nahrungsstoffe an ihrem Aufbau und ihrer Entwicklung teilnehmen, und wie z. B. die Phosphor- saure zunachst in die jungen Triebe, dann in den Stengel, die Blatter und Bliiten wandert und sich schliefilich in den Samen ablagert A. trat 1861 als Lehrer fur Naturwissenschaften, Technologie und Warenkunde bei der Offentlichen Handelslehranstalt zu Leipzig ein und entfaltete hier 36 Jahre lang eine Lehrt&tigkeit, die ganz seiner Neigung entsprach und in der er auch sein grofies padagogisches Geschick zur Geltung bringen konnte. 1862 iibergab Knop, der inzwischen zum Professor der landwirtschaftlichen Chemie an der UniversitSt Leipzig eraannt war, A. die Redaktion des »Chemischen Zentralblattes*, das damals 31 Jahre bestand, ohne indes eine grOfiere Bedeutung in der chemischen Literatur zu besitzen. Aus diesem »Bl£ttchen« schuf A. mit bewundernswertem Organisationstalent eine iiber die ganze Erde verbreitete Zeitschrift, wie sie keine andere naturwissenschaft- liche Disziplin aufzuweisen hat. Das »Chemische Zentralblatt« stellt es sich zur Aufgabe, iiber alle Arbeiten chemischen Inhalts, die in Deutschland und den andern HauptkulturlUndern in Zeitschriften veroffentlicht werden, sofort nach ihrem Erscheinen ausfiihrlich in objektiver Weise zu referieren, so dafl die gerade fur die Chemie so unentbehrliche Ubersicht iiber die Neuer- scheinungen in der Literatur jedermann ermOglicht wird. Mit Geschick ver- stand A., wenn er einen neuen Mitarbeiter fiir sein Journal gewonnen, das Gebiet herauszufinden, was dem Neuling am besten lag, und ihn allnahlich an eine regelmaflige Tatigkeit heranzuziehen. So konnte A. im Gesprache zu dem Verfasser dieser Zeilen voll berechtigten Stolzes &uflern, »dafl jeder Mitarbeiter gern und freudig fiir das Chemische Zentralblatt tatig sei, und dafl mancher unter ihnen aus dieser Tatigkeit oft Anregung und entscheidenden Ein- fluB auf seine spatere wissenschaftliche Richtung gewonnen habe, und dafl die vielfachen Zuschriften an die Redaktion ihm den Beweis lieferten, dafl wohl fast jeder Autor das Referat iiber seine Arbeit im Zentralblatt lese«. A. liefl sich auch keine Miihe verdriefien, durch Rundschreiben an die Mitarbeiter das letzte vom Jahre 1900 umfafite iiber 200 Paragraphen den Referaten eine ein- heitliche Pragung zu geben und vor allem fiir Raschheit und schnelles Er- scheinen zu sorgen, damit jede irgendwo veroffentlichte chemiSfche Arbeit auch etwa vier bis fiinf Wochen spater durch das allwGchentlich erscheinende Chemische Zentralblatt bekannt werde. 1897 iibernahm die Deutsche Che- mische Gesellschaft aus Privathanden die Herausgabe des Zentralblattes, iiberliefl aber die Redaktion natiirlich A., der mit Freude sah, dafl dadurch

Arendt von LGhner. 38 1

das wissenschaftliche Ansehen des Zentralblattes und seine Verbreitung stieg. Betrug der Umfang des ersten von A. bearbeiteten Jahrgangs des Chemischen Zentralblatts 1862 etwa 1000 Seiten, so war der Jahrgang 1902, der von A. begonnen und von seinem Nachfolger in seinem Sinne fortgefuhrt wurde, auf fast das Doppelte gestiegen, trotzdem die Einzelreferate weit knapper als friiher gehalten waren. Bis kurz vor seinem Tode war A. fur das Zentralblatt mit gewohntem Eifer tatig, trotz eines Herzleidens, d&s ihm viele Beschwerden in der letzten Zeit bereitete. A. war eine einfach-vornehme, gesellige Natur, eine Personlichkeit, die auch durch ihre aufiere Erscheinung sich Achtung und Sympathie erwarb. Nur mit zielbewuflter Energie und in ernster und miihsamer Arbeit hat A. die hohe* angesehene Stellung sich errungen, die ihm Anerkennung der Regierungen und Auszeichnungen gelehrter Gesellschaften brachte. Mit seiner Gattin Henriette geb. Hentschel verknupften ihn zartliche Bande derLiebe; elf Jahre hatten sie treu aufeinander gewartet, bis sie 1861 einen eigenen Herd griinden konnten. Fast 40 Jahre waren sie gliicklich vereint, bis im Juni 1900 der Tod sie ihm entrifl. Zwei Jahre spater folgte ihr A., betrauert von seinem Sohne und seiner Tochter, von Schulern, Freunden und Kollegen. Werke Arendts: Das Wachstum der Haferpflanze. Leipzig 1859. Uber den natur- wissenschaftlichen Unterricht an niederen und hoheren Schulen. Leipzig 1862. Uber den Unterricht in der Chemie an hoheren und niederen Schulen; in »Padagogische Vortrage und Abhandlungen«y herausgegeben von Wilhelm Werner, 1. Band, S. 205 254. Leipzig 1868. Organisation, Technik und Apparat des Unterrichts in der Chemie. Leipzig 1868. Der Anschauungsunterricht in der Naturlehre. Leipzig 1868. Materialien ftir den An- schauungsunterricht in der Naturlehre. Leipzig 1868. 4. Aufl. 1885. Lehrbuch der anorganischen Chemie. Leipzig 1868. 3. Aufl. 1875. Grundrifl der anorganischen Chemie. Leipzig 1876. 2. Aufl. 1881. Technik der Experimentalchemie, Anleitung zur AusfUhrung chemischer Experimente beim Unterricht. 2 Bande. Leipzig 1881. 2. Aufl. 1892. 3. Aufl. 1900. Bildungselemente und erziehlicher Wert des Unterrichts in der Chemie, zuerst (1881) als Einleitung zu ^Technik der Experimentalchemie* und spater (1894) als besonderer Abdruck daraus erschienen. GrundzUge der Chemie. Leipzig 1884. 6. Aufl. 1897. Leitfaden ftir den Unterricht in der Chemie. Leipzig 1884. 6. Aufl. 1897. Methodischer Lehrgang der Chemie. Durch eine Reihe zusammenhangender Lehrproben dargestellt ftir angehende Lehrer und Lehramtskandidaten. Halle 1887. Didaktik und Methodik des Chemieunterrichts. Sonderausgabe aus Dr. A. Baumeisters »Handbuch der Erziehungs- und Unterrichtslehre ftir hbhere Schulen*. Miinchen 1895. Biographie: Fr. Etzold, Rudolf Arendt, Berichte der Deutschen Chemischen Gesellschaft Bd. 35 S. 4542 4549 (1902) mit Bildnis. Walter Roth.

Ldhner, Hermann von,1) * 27. April 1842 in Wien, f 19. Mai 1902 ebenda. In der Sitzung vom 23. Mai 1902 hat im Gemeinderat der Stadt Modena der Goldoniforscher Spinelli den Manen Hermann von Lohners ein ehrendes Denkzeichen errichtet, indem er die Verdienste L.s um ganz Italien durch dessen Dante-Studien und im besonderen um die Stadt Modena durch die Goldoni-Kommentierung hervorhob. Diese dem Auslander gezollte Anerkennung wird dadurch noch bedeutsamer, dafi L. seine Forschungen in Italien als Privatmann betrieben und Privatmann bis zu seinem Tode geblieben ist.

Als Sohn des beriihmten Reichstagsabgeordneten Med. Dr. Ludwig von Ldhner in Wien geboren, wandte sich L. nach Absolvierung des juristischen Quadrienniums, eines Studiums, das er wider seine Neigung ergriffen hatte,

*) Totenliste 1902 Band VII 73*.

382

von Ltfhner.

nach Deutschland, in der Absicht sich da dauernd niederzulassen. Damit beginnt eine 14 Jahre wahrende Periode mannigfaltig bewegter Tatigkeit in den verschiedensten Berufskreisen. Zuerst als Journalist bei der »Siiddeutschen Zeitung« in Frankfurt a. M., dann in einer Berliner Buchhandlung tatig, Iiber- nimmt L. nach schwerer Krankheit in die Vaterstadt zuriickgekehrt zuerst eine Stelle als SekretSr der Unionbank, spater bei der Agentur und Kreditbank in Wien an. Nachdem er endlich unter Laube die Sekret&rstelle an dem Wiener Stadttheater einige Zeit innegehabt, geht er 1876 wieder als Journalist nach Miinchen (»Siiddeutsche Presse«). Aber schon im folgenden Jahre finden wir ihn wieder in Wien als Korrespondenten der Berliner »National- zeitung* tatig. Ende des Jahres 1878 tritt endlich eine entscheidende Wendung in L.s Bestrebungen ein. In Venedig, wohin er sich zun&chst nur in der Absicht eine Kraftigung seiner geschwachten Nerven zu finden, begibt, findet er ein ihm zusagendes Arbeitsfeld. Die venetianische Geschichte des 18. Jahr- hunderts ist es, auf die er seinen Forschereifer konzentriert. Nachdem diese auf ganz Oberitalien ausgedehnten Studien in der Herausgabe der Memoiren Goldonis mit fortlaufenden historischen Anmerkungen einen gewissen AbschluB gefunden, kehrt L. 1884 nach Wien zuruck, urn seiner Vaterstadt dauernd nicht mehr den Rucken zu kehren. Bis 1889 groflenteils mit Obersetzungen und Buhnenbearbeitungen franzOsischer Schauspielebeschaftigt, hat L. den Rest seines Lebens, d. i. voile 12 Jahre, dem eindringenden Studium von Dantes Divina Com- media und ihrer Ubersetzung gewidmet. Leider ist seine metrische Obertragung der »Holle« ein Torso geblieben, da ihn der Tod mitten in seiner Arbeit ereilte.

Von L.s literarischen Leistungen miigen die folgenden hervorgehoben werden: Aufier zahlreichen dichterischen Produkten, insbesondere Lustspielen und Schw&nken, wie »Ein Fruhstiick bei Klytemnestra« von C. F. Scherz, 1873 in Wien (Residenztheater), »Alte Liebe rostet nicht* in Bern (1882) und Mannheim (1883), »Das Recht des Kunstlers« und »Das Maskenfest*, beide in Ischl (1894) aufgefiihrt, die Herausgabe des schon genannten Goldoni- Kommentars (Memoiren Goldonis 1883, 1. Band), welchem eine Reihe von Arbeiten im »Venetian. Archiv« voraufging. Ferner die meisterhaften t)ber- setzungswerke : V. Hugo, »K5nigslaune« (Le rot s amuse) und »Ruy Blas«, Leipzig 1881, Molidre, »Le Tartuffe* 1882 fur das Wiener Burgtheater uber- setzt, ebenso wie Feuillet, »Voyageur« 1884, Sardou ^Theodora* 1885 und y>Gcorgette« 1886 (1893 in Reclams Universal -Bibliothek erschienen). End- lich Musset, »Mariannens Launen«, »Kastanien aus dem Feuer«, »Spielt nicht mit der Liebe« und »Eine venetianische Nacht«, s£mtlich Ende der achtziger Jahre iibersetzt. Die letzten zwei mit einer kleinen Biographie Mussets in der Hendel'schen Bibliothek der Gesamtliteratur des In- und Auslandes erschienen. Erst nach L.s Tod wurde seine metrische Ubertragung der ersten 25 Ges&nge der Divina Commedia mit einem biographischen Nachwort herausgegeben. (Wien, C. Gerold 1903.)

Zum Schlusse verdient noch erwahnt zu werden, dafl L. als erster Ibsens »Jugendbund« ins Deutsche ubertragen hat, wie ein h5chst schmeichelhaftes Anerkennungsschreiben des grofien nordischen Dramatikers vom 21. November 187 1 bezeugt. Ein Verzug in der Veroffentlichung hatte es aber erm6glicht, dafi unterdessen eine andere Obersetzung des gleichen Stuckes im Buchhandel erschien, worauf L. seine Arbeit unveroffentlicht liefl. C. Siegel.

Kuflmaul.

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Kuflmaul, Adolf,1) * 22. Februar 1822 in Graben bei Karlsruhe, f 28. Mai 1902 in Heidelberg. K. entschlief am friihen Morgen des 28. Mai 1902 in seiner Behausung zu'Heidelberg nach kurzem Todeskampf an Verkalkung der Schlagadern und des Herzens. Obgleich er sich bis zum letzten Abend der vollen Geistesfrische erfreuen durfte, machte sich doch die Last seiner achtzig Jahre in mehrfacher Weise fuhlbar und seinen Wunsch verstandlich, es mSge ein sanfter Tod ihn vor langem Siechtum bewahren.

Der Heimgegangene wurde zu Graben, einem badischen Marktflecken geboren, wo sein Vater als Assistenzarzt mit dem Titel eines groflherzoglichen Stabsarztes wohnte. Die Mutter war Luise, geborene Behringer. Da K.s Vater 1823 als Amtschirurg nach Emendingen bei Freiburg und 1829 als Physikus (Bezirksarzt) nach Boxberg im Taubergrund und 1834 in gleicher Eigenschaft nach Wiesloch bei Heidelberg versetzt wurde, empfing sein Sohn Adolf seinen ersten Unterricht in der Volksschule zu Emmendingen und Box- berg und wurde neun Jahre alt einem wiirdigen Pfarrer namens Gans in Buch am Ahorn zur Erziehung iibergeben. Der verstSndigen Fiihrung dieses Mannes verdankt K., wie er selbst stets mit aller Verehrung versicherte, einen sein ganzes Leben entscheidenden, segensreichen Einflufi. Im Jahre 1833 trat K. in das Gymnasium zu Wertheim, 1834 in das zu Mannheim und 1838 in das zu Heidelberg. Es ist bezeichnend fur den elfj&hrigen Jungen wie fur den spateren Mann, dafl Adolf, als er am Main zu Wertheim einen Knaben vom Ertrinken gerettet hatte, nur schwer dazu zu bringen war, seinem Lehrer uber den Vorfall Rechenschaft zu geben. Er zahlte an diesen Anstalten zu den besten Schiilern und zeichnete sich friih durch einen festen Charakter aus. Wenn er auch beim Lesen der lateinischen und griechischen Klassiker von der Grammatik weniger angezogen wurde, so war ihm doch das Ubersetzen eine Leichtigkeit und im geistigen Erfassen des Inhaltes war er geradezu hervor- ragend. Unter den Realien war von friihe her Botanik seine Lieblingswissen- schaft, und diese Zuneigung hat ihn durch sein ganzes Leben begleitet. Wir lesen mit wahrem Genufl, wie K. in seinen »Jugenderinnerungen eines alten Arztes« seine Lehrer im Gymnasium zu Mannheim und Heidelberg mit warmer Pietat, aber auch mit kdstlichem Humor gezeichnet hat.

Im Oktober 1840 bezog er die Universitat Heidelberg. Mit grofiem Eifer verlegte er sich auf sein Studium, schlofi sich unbeschadet seiner Studien noch vor Ende des Jahres 1840 dem Schwabenkorps an, unter dessen Angeh6rigen er sich bald durch sein geistiges Talent, biederen Charakter, ritterlichen Sinn und siegreiche Bestehung so manchen Ehren- handels grofies Ansehen erwarb, und leitete schliefllich dies Korps als Senior. Vieler seiner Korpsbriider und sonstiger Studenten von Heidelberg aus seiner Zeit gedenkt K. mit Warme in seinen Erinnerungen. Wir wollen nicht unerwahnt lassen, dafi er in seinen letzten Semestern bei kiihlerer und kritischerer Beurteilung des Korpswesens sich ihm gegeniiber etwas ablehnend verhalten und sich unter dem Einflufi der damaligen politischen Verh&ltnisse in Deutsch- land wie in dem iibrigen Europa, aufgemuntert durch gleichgesinnte, ehren- werte Freunde (unter diesen auch mehrere fnihere Korpsbruder) einem

*) Totcnliste 1902 Band VI 66*.

584 Kufimaul.

Reformprogramm anschlofl und mit noch vier anderen Genossen eine Reform- verbindung, Alemannia, griindete, die sich die Ausarbeitung einer Verfassung der allgemeinen Studentenschaft zur Aufgabe gestellt hat. Hier trat K. mit V. v. Scheffel in nahe Beziehung. Hat sich K. auch der liberalen Opposition angeschlossen, so blieb er doch jetzt und immer jedem Radikalismus fern, und war er jedem Fanatismus fremd, so waren ihm die Fanatiker des Atheis- mus, die damals auch in Heidelberg eine eigene Verbindung gebildet, die Widerwartigsten.

Bei seinen akademischen Studien war er aus dem anatomischen Praparier- saal in die klinischen Sale zum Auskultanten und Praktikanten und schliefilich zum Assistenten vorgeriickt. Im Jahre 1843/4 beteiligte er sich an der Losung der Preisfrage, welche von der medizinischen Fakult&t gestellt war; die Auf- gabe war der Augenheilkunde entnommen und verlangte »eine anatomisch- physiologische und pathologische Untersuchung der verschiedenen Farben, die unabh&ngig von den durchsichtigen Medien im Grunde des Auges er- scheinen.« Chelius hatte dieses Thema ausgewahlt und ermunterte unseren Freund, dasselbe zu bearbeiten. K. hatte in den Ferien das Handbuch der Augenheilkunde von Chelius gut einstudiert und sah sich veranlaflt, in der Klinik weitere Forschungen anzustellen, und hat dabei Fehler im Auge festgestellt, die bisher nicht beobachtet worden waren. Auf die Anfrage bei Chelius, worauf es eigentlich die Preisfrage absehe, bemerkte dieser, dafi eine kritische Zu- sammenstellung der zahlreichen bestehenden Theorien iiber das Wesen des Glaukoms gewunscht werde. K. bearbeitete das Thema und die Fakultat erteilte ihm mit einer sehr ehrenden Begriindung den Preis. Man erkannte an, dafi die Frage mit solchem Aufwande von Gelehrsamkeit, Scharfsinn und Versuchen bearbeitet sei, dafi fast jeder Punkt erschopfend behandelt worden. K. sagte sich jedoch selbst, dafi er gerade am Angelpunkt gescheitert sei; der Schlussel des Geheimnisses steckte in der Optik, in der seine Kenntnisse nicht ausreichten. Er fragte sich, warum ist die Pupille schwarz? und war iiber- rascht, dafi diese Frage bisher noch nirgends aufgestellt worden ist. Ein Augen- spiegel schien ihm ein Hauptbedurfnis zu sein; er suchte einen solchen zu konstruieren und war sehr nahe daran, das richtige Problem zu losen, wenn ihm nicht das eigentliche Punctwn salicns entgangen ware, das Loch in der Mitte des Spiegels. Er beriet sich mit dem Physiker Jolly; dieser fragte, ob denn die Sache so wichtig sei? worauf K. meinte: »So wichtig, dafi die Erfindung des Instruments, das mich besch&ftigt, eine neue Augenheilkunde schaffen wird.« Die Geschichte des Augenspiegels bis zum Jahr 1854, welche von Tright, unter Donders Leitung verfaflt wurde, erkennt K. ein doppeltes Verdienst zu; einmal habe dieser als der erste die Frage aufgeworfen, warum das innere Auge dunkel erscheine; sodann hat er sich zuerst bemuht, aus Marys Versuchen Nutzen fur die Praxis zu ziehen. K. hat in der Tat den ersten Versuch gemacht, einen Augenspiegel zu konstruieren, aber wie eben schon angedeutet, ohne den erwiinschten Erfolg. Vor seinem Abgang von der Universitat gab K. seine Abhandlung heraus unter dem Titel: »Die Farbenerscheinungen im Grunde des menschlichen Auges* (Heidelberg, Karl Groos, 1845). Darin ist der von ihm konstruierte Augenspiegel beschrieben mit Voraussetzung des Xutzens, den es haben mtisse, wenn es gel£nge, den Augengrund sichtbar zu machen.

Kufiraaul. 385

Im Jahre 1846 erwarb sich K. nach einer sehr gut bestandenen Priifung Vor der Priifungskommission in Karlsruhe den arztlichen Lizenzschein ; in demselben Jahre verlobte er sich mit seiner nachmaligen Gattin, Luise Wolf, der Tochter des von Gemmingenschen Hauptrendanten Wolf in Treschklingen, einem badischen Dorfe im Amt Sinsheim. Im folgenden Jahre machte K. mit seinem Freunde Bronner eine Reise iiber Munchen, Tegernsee und den Schandl, durch Tirol, das Salzkammergut, nach.Wien und Prag, wo sich die beiden Freunde besonders in den Krankenhausern eingehend umsahen, und fleiflig Rokitansky, Semmelweis und Oppolzer frequentiert haben. Die Heim- kehr erfolgte im Marz 1848, einer auch in Baden politisch sehr aufgeregten Zeit. Auf besonderen Wunsch seines Vaters folgte K. einer Aufforderung des badischen Kriegsministerium an die Arzte des Landes zum Eintritt ins Heer und verzichtete auf den Plan, sich in Heidelberg niederzulassen. Er wurde nach einigen Wochen einberufen, hatte sich in Rastatt zu melden und machte dann mit einem Bataillon des ersten Infanterieregiments einige Ziige durch Baden, ohne jedoch mit den Aufstandischen in Beruhrung zu kommen.

Im Sommer 1848 wurde der deutschen Armee, die unter General von Wrangel in Schleswig-Holstein stand, eine aus Abteilungen des achten Bundes- armeekorps zusammengesetzte Division unter dem Befehl des wiirttembergi- schen Generalleutnants von Miller zugewiesen, darunter von der badischen Abteilung funf Bataillone, wobei auch das Bataillon Holz, dem K. angehGrte. Aus den getraumten Lorbeeren in den meerumschlungenen Herzogtiimern ist nichts geworden; die Brigade bekam keinen einzigen »Danske Landsoldaten« zu Gesicht; doch hatte sie den groflten Teil des holsteinschen Landes durch- zogen. Im Monat September kam Befehl, nach Baden heimzumarschieren ; nur ein Bataillon mufite zunickbleiben, dessen Arzt gerne heimgezogen ware; K. bot diesem an mit ihm zu tauschen, muflte aber, ehe von Karlsruhe dazu Genehmigung eintraf, abziehen und hatte bei diesem Feldzuge im wesent- lichen nur mit Brechruhr und Cholera zu kampfen. Im Oktober 1848 wurde K. vom Feldarzt zum Oberarzt befordert; er war damals mit seinem Bataillon nach dem badischen Oberland kommandiert, wo er durch den ganzen Winter bis Mitte April hauptsachlich in L8rrach und Kandern einquartiert war. Am 14. April 1849 erhielt er Befehl, sofort nach Schleswig aufzubrechen, um den Oberarzt, mit dem er seiner Zeit zu tauschen bereit war, zu ersetzen. Er brach alsbald auf und erreichte sein Bataillon bei Eckernfdrde, wo er zum erstenmal den Anblick des Meeres hatte; am 5. April hatte das bekannte Seegefecht stattgefunden. Von dem Bataillonskommandierenden erhielt er den Auftrag, die Feldspitaler in Rendsburg, Schleswig, Flensburg und Eckern- fOrde zu besuchen, und sich nach den badischen kranken und verwundeten Soldaten umzusehen, und iiber das Ergebnis einen Bericht fur das Kriegs- ministerium zu erstatten. K. hebt die grofien Verdienste von Langenbeck und Stromeyer um den Sanitatsdienst in den Herzogtiimern 1848 und 1849 und um die Kriegschirurgie riihmend hervor.

Zu jener Zeit war in Baden die Revolution 1849 ausgebrochen, der durch die Niederlage der Aufstandischen bei Waghausel, 21. Juni, und die Uber- gabe der Festung Rastatt an die Preuflen, 25. Juli, ein Ende bereitet worden ist. Ein Dr. Welker, den K. wohl von den Kliniken in Heidelberg kannte, der ihm jedoch nie naher stand, war in der aufstandischen Armee Generalstabs-

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nckrolog. 8. Bd. 25

386 Kuflmaul.

arzt geworden, hatte ohne alles Vorwissen unseres Freundes fur K. ein Patent als Regimentsarzt ausfertigen lassen und dies an das Kommando des Bataillons in Schleswig amtlich abgeschickt. All das erfuhr K. erst sp&ter, als er beim Dienst in Rastatt mit dem kriegsgefangenen, obengenannten Dr. Welker zu- sammentraf. Einstweilen aber bekam er eine kalte Zuriickhaltung der Offiziere seines Bataillons zu kosten, und als das Bataillon heimkehrte und in Preufiisch- Minden angelangt war, trafen Befehle des Kriegsministers ein und unter diesen auch der, dafi sich K. unverziiglich nach Hause zu begeben und bei dem Kriegsministerium zu melden habe. Beim Minister erfuhr K., dafi jener entschlossen gewesen sei, ihm den Abschied zu geben, habe aber Erkundigungen eingezogen, die alle zu des Doktors Gunsten lauteten, so dafi er seinen Ent- schlufi geandert hatte und K. im Dienste belasse. Nicht ohne Mitgefiihl fur die Gefangenen diente K. in der Festung Rastatt unter vielen Widerw&rtigkeiten und manchen Gefahren; er suchte um seinen Abschied nach, der ihm am 27. De- zember gewahrt worden ist, nachdem er am 16. Dezember die Groflherzog- lich Badische Felddienstmedaille fur treuen Dienst im Kriege erhalten hatte.

Der Aufenthalt in Kandern (Marz und April 1849) hatte auf K. s. Zt. einen dauernden Eindruck gemacht; er war besonders von dem Landschafts- bild angezogen, und so entschlofl er sich im MSLrz 1850, sich hier als prak- tischer Arzt niederzulassen. Er gedachte nun sofort einen eigenen Herd zu griinden; doch der plotzliche Tod seines Vaters notigte ihn, die Hochzeit zu verschieben, und so konnte er erst im Herbste 1850 seine Braut als Gattin heimfuhren. So folgte fur den treuen Mann auf seine bisherigen unruhigen Fahrten ein friedliches Idyll h&uslichen Gliicks. Die arztliche Tatigkeit ge- wahrte ihm voile Befriedigung und ausreichendes Einkommen. Es wurden ihm hier zwei Tochter geboren, Helene, jetzt Witwe des Oberstleutnants Oster in Berlin, und Luise, die Gemahlin Sr. Exzellenz des Geheimrats Professor Dr. Czerny in Heidelberg. Eine dritte Tochter Ida, in Freiburg geboren, ist die Gattin des Majors Use, z. Zt. in Koblenz. Ein Tdchterchen von 12 Jahren ist zu Strafiburg gestorben und ein Sohn, Student der Technischen Hochschule, ist auf dem Rhein bei Maxau verunglvickt

Hier in Kandern lernte K. die Bedeutung und die groflen Schwierigkeiten des Berufs eines Landarztes im Gebirge reichlich kennen. Diesen Erfahrungen ist es wohl auch zu danken, dafi er spfiter als akademischer Lehrer diesen Beruf so hoch in Ehren hielt, das auch je und je seinen Schiilern zu erkennen gab und sie begeisterte, sich auch auf dem Lande in den Dienst der leidenden Menschen zu stellen, in einen Dienst, der allerdings ein ganz besonderes Mafl von Selbstandigkeit, Sicherheit und Entschlossenheit verlangt. Hier war es auch, wo ihn die Vorsehung vor eine ernste, fur seinen ganzen kiinftigen Lebensgang so einflufireiche Entscheidung gestellt hat. Nach besonders an- strengenden Tagen im Februar 1853 wurde K. von einer Meningitis lusnbaris rheumatischen Ursprungs befallen; die Beine waren taub; es stellten sich Wadenkrampfe und ganzliche Lahmung der Blase ein. Die Entziindung der Riickenmarkshaute im untersten Teile des Wirbelkanals breitete sich gliick- licherweise nicht weiter aus. Nach seiner Genesung war es K. klar, dafi sein KOrper den Strapazen einer Landpraxis nicht gewachsen sei; er fafite den schweren Entschlufi, noch einmal Schuler zu werden, um sich noch weiter auf die akademische Laufbahn vorzubereiten.

Kuflmaul. 387

Wie Billroth s. Zt. und Czerny heute noch neben ihrer ernsten Arbeit in Blut und Eisen in der Kenntnis und Pflege der edlen Musica Erfrischung und Erquickung gefunden, so diirfen wir nicht unerwahnt lassen, dafl dem trefflichen Manne bei seiner miihevollen Gebirgspraxis neben den reichen Gaben des Geistes und Herzens auch eine besondere Himmelstochter an die Seite gestellt war, die Poesie. Seine poetische Ader ist hauptsachlich in Kandern geflossen und die Sch6pfungen auf diesem Gebiete, durchweht von hohem Ernst, meist aber von grofiartigem Humor, meist lyrisch, teilweise in Balladenform, wie der verlorene Sohn (»In dem Land Mesopotamien, frucht- bar durch des Euphrats Schlamien«)f sind von hier aus in die Welt gegangen; ihrer viele sind Eigentum des deutschen Volks, doch vorzugsweise der aka- demischen Jugend geworden. Als K. w&hrend seines Aufenthaltes in Kandern die Sammlung der Gedichte des Volksschullehrers Sauter von Zaisenhausen zufallig in die Hande gekommen war und er sich an der kOstlichen, gemiit- lichen Naivitat dieser Verse ergotzt hatte, fafite er alsbald den Plan, in Geist und Manier dieser Gedichte eine Gestalt zu schaffen, die bisher dem deutschen Dichterwalde gefehlt hatte; er schuf diese Gestalt und liefi dieselbe unter dem Namen »Biedermaier« in die Welt hinausgehen zur grofien Freude aller, die fur frOhlichen, harmlosen Humor Sinn und Verstandnis hatten.

Um seine Genesung zu f5rdern, besuchte K. ein Seebad an der Nordkiiste Frankreichs und bezog dann im Herbste 1853 die University Wurzburg, wo er, nochmals immatrikuliert, zwei Semester verblieb, Vorlesungen und Kurse bei Virchow, KOlliker und Scherer horte und im Winter taglich mehrere Stunden im Pr&pariersaal und im Sommer im chemischen Laboratorium arbeitete. Gegen Ende des Sommersemesters 1854 hat er promoviert. Seine Dissertation behandelte den Einflufi, welchen die BlutstrSmung auf die Be- wegungen der Iris und anderer Teile des Kopfes ausiibt (Band 6, Seite 1 42 der Verhandlungen der physikalisch-medizinischen Gesellschaft in Wurzburg).

Um eine schmerzlich empfundene Liicke seines arztlichen Wissens aus- zufiillen, ging er im Herbst 1854 von Wurzburg nach der Badischen Landes- irrenheilanstalt Illenau, wo er den grOfiten Teil des Herbstes unter Direktor Roller und den Arzten Horst und Fischer und dem Hilfsarzt Gudden mit psychiatrischen Studien verbrachte. Zu Beginn des Winters siedelte K. mit seiner Familie nach Heidelberg fiber, wo er sich im folgenden Jahre habi- litierte. Das Wagnis, bei noch siechem Korper und beschrankten auflern Mitteln die akademische Laufbahn einzuschlagen, ist iiber Erwarten gelungen.

Bei seiner Habilitierung zu Heidelberg war mit dem Wiirzburger Doktor- diplom, das mit summa cum laude zensiert war, von dem Heidelberger Kollegium die erste Bedingung erfullt; da aber K. seine Doktorpriifung nicht in Heidel- berg bestanden hatte, mufite er sich einem Kolloquium unterziehen, das bestens ausgefallen ist. Eine besondere Habilitationsschrift wurde ihm im Hinblick darauf erlassen, dafi er s. Zt., 1844, die Preisfrage iiber die Farben- erscheinungen im Grunde des menschlichen Auges gelSst und im Druck herausgegeben hatte. Ebenso bestand er die Probevorlesung und die Dis- putation.

Schon als praktischer Arzt 1847 hatte K. einen Fall von spontanen, an- haltenden Hamorrhagien in dem Brustfellsack mit Bildung von Geschwiilsten literarisch behandelt; »Zeitschr. fur rationelle Med.« Band 6 S. 92 101.

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388 Kufimaul.

Ferner: Zur pathologischen Anatomie des Rkcumatismus ac. articulorum ; »Arch. far physiolog. Heilkundec Band 11 und zwei Falle von Polyostitis bei Knaben (wohl die erste Beschreibung der akuten Osteomyelitis). 1852. Ferner 1853: Belage zur Kontagiositat der Ruhr nebst einigen Bemerkungen Uber ihre Therapie. »Mitteilungen des Bad. arztl. Vereins* Jahrg. 7, Nr. 2. 1853. Fromatitis stptica, ebenda Nr. 8. '853. Erfahrungen ttber den Abdominaltyphus in der Umgebung von Kan d em, ebenda Nr. 13. 1854. Bemerkungen Uber die Bedeutung des Nasenblutens, besonders im Typhus, ebenda Jahrg. 8 Nr. 23.

K. hatte nun in Heidelberg gerne uber Anatomie gelesen, mufite jedoch bei der damaligen Besetzung der Lehrf&cher darauf verzichten. Chelius net ihm, uber Heilmittellehre zu lesen, fiir welches Fach es an einer tuchtigen Kraft fehle. Da zu jener Zeit gerade die Stelle eines Assistenzarztes erledigt worden war, bewarb sich K. um diese und erhielt solche am 30. April 1855.

Seine erste Vorlesung hielt er im Wintersemester 1856/57 vor gut besetzten Banken iiber Arzneimittellehre; in den folgenden Semestern las er aufier Heilmittellehre noch Toxikologie, Psychiatrie, gerichtliche Medizin fiir Me- diziner und Juristen, sowie Anthropologic, auch ein gut besuchtes Publikum iiber die Hauptfragen der Biologic Fiir Ubung im freien Vortrag hat sich K., der sich urspriinglich keiner gewandten Suada zu erfreuen hatte, energisch und systematisch in Selbstzucht genommen, und erreichte so in seinem Vor- trag eine Klarheit, die ihresgleichen suchte. Nach seiner eigenen AuBerung hat er es nicht, wie andere gliicklicher,angelegte Kollegen, zu einem Impro- visator auf dem Katheder gebracht. So lange er lehrte, fast 42 Jahre, hat er sich auf jede Vorlesung vorbereitet. Neben seinen Vorlesungen hat er fleiflig im chemischen Laboratorium gearbeitet und auf dem Gebiete der Physiologie und Anatomie Untersuchungen angestellt, deren Ergebnisse er in literarischen Arbeiten niedergelegt hat.

1856. Cber die Totenstarre und die ihr nahe verwandten Zustande von Muskelstarre mit besonderer Riicksicht auf die Staatsarzneikunde. »Prager Vierteljahrsschr.« Bd. 13 S. 2. 1857. Ober den Einflufl der Blutstromung in den grofien Gefaflen des Halses, des Ohrs beim Kaninchen und ihr Verhaltnis zu den Warmeveranderungen, welche durch Lahmung und Reizung des Sympathikus bedingt werden. »Moleschotts Untersuchungen zur Naturlehre des Menschen und der Tiere«, Bd. 1 S. 90. 1857. Untersuchungen tiber Ursprung und Wesen der fallsuchtartigen Zuckungen bei der Verblutung. Ebenda Bd. 3 S. 1. 1857. Ein Fall von wahrscheinlicher Morphiumvergiftung. ^Deutsche Zeitschr. fiir Staatsarznei- kunde« Bd. 9 S. 2. 1857. Cber einige Bestandteile des Fliegenschwamms. »VerhandL des naturhistorisch-medizinischen Vereins in Heidelberg* Bd. 1 S. 18. 1858. Ober die Zerreifiung der inneren Haute der Halsarterien bei Erhangten. >Virchows Archiv* Bd. 13 S. 60. 1858. Cber die ErtGtung der GliedmaBen durch Einspritzung von Chloroform in die Schlagadern. Ebenda Bd. 13 S. 289. 1859. Von dem Mangel, der Verkiimrnerung und Verdoppelung der Gebarmutter, von der Nachempfangnis und der Cberwanderung des Eis. Wtirzburg, Stahel 8°, VIII und 384 S. 1859. Untersuchungen Uber das Seelenleben des neugeborenen Menschen. Winter, Heidelberg. 1859. Zwei Falle von Paraplegic mit todlichem Ausgange ohne anatomisch nachweisbare oder toxische Ursache. »Prograram zum Ein- tritt in die medizinische Fakultat der Universitat Erlangen.« Heidelberg, Druck G, ReicharcL

Auf der Naturforscherversammlung in Bonn 1857 erregte K. durch seine wohlgelungenen Experimente in der Sektion fiir Anatomie und Physiologie bei Unterbindung der Hauptschlagadern am Halse des Kaninchens bei dem Anatomen Gerlach aus Erlangen lebhaftes Interesse. Auch der persdnliche Umgang mag mit beigetragen haben, dafi K. durch Gerlachs Einflufi bald darauf an die innere Klinik zu Erlangen berufen worden ist als Nachfolger Dittrichs.

Kuflmaul. 389

Von da an nahm K.s Lebensgang einen ruhigeren Lauf mit weniger Sorgen und Erlebnissen, aber immer reich an innerer Arbeit und Merksteinen seiner wissenschaftlichen Tatigkeit. Die Arbeiter der Further Spiegelfabrik haben ihm in der Erlanger Klinik wohl Anlafi gegeben zu den »Unter- suchungen iiber den konstitutionellen Merkurialismus und sein VerMltnis zu konstitutioneller Syphilis. 186 1. WUrzburg, Stahel. S. 434. Von hier aus weitere Arbeiten:

1862. Ober geschlechtliche Frtihreife. WUrzburg, »Medizinische Zeitschr.« Bd. 3 S. 321. 1863. Beitrage zur Anatomie und Pathologie des Harnapparates : 1. t)ber die Diagnose der Phthisis tuberculosa der Harawege; 2. Markschwamm der linken Niere bei einem Knaben von yj% Jahren; 3. Hydronephrosis durch Kreuzung des rechten Urether mit einer Uberzahligen Nierenarterie ; 4. Pyonephrosis mit grofler Ausdehnung der Niere; 5. Morbus Brightti mit zehnjahriger Dauer; 6. Zur Lehre von der Paraplegia urinaria; 7. Zellen mit kernahnlichen und scbleimktfrperahnlichen Gebilden in ihrem Innem bei Blasenkatarrh einer Ikterischen. Gallenfarbstoffkrystalle in diesen Zellen und den Schleim- korperchen des Sediments. Anhang Morbus Addisonii. WUrzburg, »Mediz. Zeitschr.« Bd. 4 S. 44 ff. 1862. Rheumatismus articular is mit Tuberculosis miliar is. Ebenda Bd. 5 S. 61.

Schon 1863 wurde K. von Erlangen in sein badisches Heimatland zuriick- berufen und zwar an die Universitat Freiburg, wo er im Friihjahre 1863 die Ubernahme des Lehrstuhls fiir innere Medizin und der Klinik durch eine akademische Antrittsrede einweihte iiber: »die Entwicklungsphasen der exakten Medizin« (1866 bei Wagner in Freiburg im Druck erschienen); gleichsam als »Einleitung fiir die ruhmreichen klinischen, diagnostischen und therapeutischen Arbeiten K.s aus der Freiburger Zeit«.

Neben seinen Vorlesungen und literarischen Arbeiten wurde K. hier mehr und mehr durch Konsultationspraxis in Anspruch genommen; es war besonders das badische Markgrafler Land mit seiner wohlhabenden Bevolkerung, das ihn urn Rat und Hilfe anging; mehr und immer reicher entwickelte sich K. als der so geistreiche Arzt, so gediegene Forscher und vortreffliche klinische Lehrer.

Seine erste Publikation zu Freiburg 1864 erschien in der »Wiirzburger Medizinischen Zeitschriftc Bd. 5 S. 310: Zur Diagnose der Embolie der ArUriae mesenlcricae. 1865. Cber den Schnupfen der Sauglinge. »Zeitschr. fiir ration. Med.«c, von Henle und Pfeufer, Bd. 23 S. 225. 1865. Cber angeborene Enge und Verschlufl der Lungenarterienbahn. Ebenda Bd. 26 S. 99 179. z866. Cber eine bisher nicht beschriebene eigentumliche Arterien- erkrankung (Periarteritis nodosa) die mit Morbus brightti und rapid fortschreitender, allge- zneiner Muskellahraung einhergeht. »Deutsches Archiv f. klin. Medizin* Bd. z H. 5 S. 448 und ff. 1867. Ungewohnlich grofle vereiterte Echinokokken-Geschwulst der Leber durch Punktion geheilt mit Zurucklassung einer Fistel. »Berl. klin. Wochenschr. Nr. 52 S. 543. 1868. Zwei seltene Beobachtungen von todlich verlaufenen Leberabszessen. Ebenda Nr. 12 S. 129. 1868. Eitrige Blenorrhoe mit sackiger Erweiterung der Zellengange der Leber zu zahllosen Hohlraumen, hervorgerufen durch ein Konkrement im Ductus hepaticus. >Klin. Wochenschr.« Nr. 20 S. 213. 1868. Sechzehn Beobachtungen von Thoracocentesis bei Pleuritis Empyem und Pneumothorax. »Deutsches Archiv fUr klin. Med.« Bd. 4 H. 1 S. 1 und 173. 1868. Epidemie durch' Vergiftung mit Schwartenmagen in Lahr und Umgebung. Ebenda H. 5 und 6 S. 455. 1868. 21. Juli Vortrag in der naturforschenden Gesellschaft zu Freiburg »Uber Magenspiegelung«. 1869. Cber die Behand lung der Magenerweiterung durch eine neue Methode mittelst der Magenpumpe. Freiburger Prorektoratsprogramm zur Geburtstagsfeier des Groflherzogs Friedrich von Baden. Im wesentlichen bereits vorge- tragen auf der Versammlung deutscher Naturforscher und Arzte in Frankfurt a. M. 1867. »Arch. f. klin. Med,« Bd. 6 S. 455 ff. 1870. Zwanzig Briefe iiber Menschenpocken- und

3S>o

KuBmaul.

Kuhpockenimpfung. Gemeinverstandliche Darstellung der Impffrage. Freiburg i. B., Wagner. VIII und 117 S. 1 87 1. Ober rheumatischen Tetanus und rheumatische Krampfe, welche mit Albuminuric verlaufen. »Berl. klin. Wochenschr.« S. 485, 497, 513 und 525. 1872. Zur Lehre von der Tetanie. Ebenda S. 441. 1872. Zwei Falle von spontaner all man - licher Verschliefiung grofier Halsarterienstamme. ^Deutsche Klinikc Nr. 50, 51. 1872. Zur pathologischen Anatomie des chronischen Saturnismus. »Deutsch. Arch. f. klin. Med.« Bd. 9 S. 283. 1873. Uber fortschreitende Buibarparalyse und ihr Verhaltnis zur pro- gressiven Muskelatrophie »Volkmanns Sammlung klinischer Vortrage, innere Med.c Nr. 20. 1873. Uber schwielige Mediastion-Perikarditis und den paradoxen Puis. »Berl. klinische \Vochenschr.« S. 433, 445, 461. 1873. Uber eine abortive Form des Tetanus. »Deutsch. Arch. f. klin. Med. «c Bd. 11 S. 1. 1874. Zur Lehre vom Diabetes mellitus. Cber eine eigentttmliche Todesart bei Diabetischen. t)ber Acetonamie. Uber Glyzerinbehandlung des Diabetes und Einspritzungen von Diastase ins Blut bei dieser Krankheit. »Deutsch. Arch. fUr klin. Med.« Bd. 14 S. 1 und AT. 1877. Die Stbrungen der Sprache. Versuch einer Pathologie der Sprache. Anhang Bd. 12, »Handbuch der speziellen Pathologie von Ziemssenc 1885 S. 299.

Mit alien Kenntnissen des medizinischen Wissens, der Gesundheitspflege wie der Heilkunde auf ihren samtlichen Gebieten ausgeriistet, hat sich K. mehr und mehr mit inneren Krankheiten befafit, dabei jedoch alle neuen Ergeb- nisse der Forschung mit dem grofiten Interesse verfolgt. Von alten bewahrten Heilmitteln hat er sich nicht vornehm abgewendet, ist aber durchaus modern geblieben und war vGllig auf dem laufenden. Als Arzt am Krankenbette war er an Griindlichkeit und Gewissenhaftigkeit ein vollendetes Muster fur seine Schiiler.

K. kannte keine Grenze zwischen innerer Medizin und Chirurgie; beide sollen nicht neben-, sondern miteinander wirken ; und so hat er stets mit den Chirurgen an den Hochschulen das schSnste Verhaltnis gesucht, gepflegt und aufrecht erhalten, so in Freiburg mit Czerny, der in diesen Jahren dorthin berufen worden war, und in Strafiburg mit Liicke. Mit Czerny wurde und blieb er noch dadurch aufs innigste verbunden, dad Czerny in Freiburg K.s zweite Tochter als Gattin heimgefuhrt hat. Wenn ein klinischer Lehrer immer ein Forscher sein soil, so ist K. dieser Anforderung in vollem Sinne gerecht geworden; dabei war er ein guter Beobachter der Natur, wobei er ohne vor- gefafite Meinung die Erscheinungen der Aufienwelt sorgfaltig prvifte. Bei seiner grofien Sicherheit in der Diagnose und Prognose, sowie bei seinem sorgfaltigen therapeutischen Verfahren unterstutzte ihn sein gesunder Optimis- mus. Im Jahre 1878 folgte K. einem Ruf an die Universitat Strafiburg an Leydens Stelle. Auch hier entfaltete er eine reiche Wirksamkeit und hat bei seinen Kollegen wie bei seinen Schiilern in hohem Ansehen gestanden. Wohl selten ist ein Lehrer von seinen Schiilern so dankbar verehrt worden, wie K.; eine grofie Anzahl von Arzten und Lehrern an Hochschulen gedenken fort und fort mit besonderer Liebe ihres beruhmten, treuen Lehrers. Als Vorsitzender des Verwaltungsrats des sehr reichen Spitalfonds, als Lehrer und Forscher war K. auch hier eine gewaltige Arbeitslast auf die Schultem gelegt. Zudem hatte sich bei Zunahme seines Rufs auch die konsultative Praxis sehr ausgedehnt; nicht nur, dafi sein Rat in Strafiburg viel aufgesucht wurde; er sah sich zu vielen Reisen nach alien Teilen Deutschlands, nach Frankreich, der Schweiz, Oberitalien veranlafit und wurde viel von Russen und Ameri- kanern konsultiert. Von hier aus ist er auch dem Grofiherzog Friedrich von

Kufimaul.

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Baden und ebenso dem Erbgrofiherzog in schwerer Erkrankung hilfreich beige- standen, von wo K. als besonderes Zeichen der Anerkennung einen hohen Orden und denTitel »Geheimrat« erhielt. Auch vom Fiirsten von Montenegro ist er in Heidelberg mit dem hdchsten dortigen Orden ausgezeichnet worden, nachdem er die Furstin in Heidelberg behandelt hatte und diese nach einer von Czerny ausgefiihrten Gallensteinoperation gliicklich genesen war. Aus der Straflburger Zeit datieren die Publikationen :

1878. Ober direkte Faradisierung des Magens. »Arch. f. Psychiatrie und Nerven- krankheiten« Bd. 8 S. 205. 1879. Anfallsweise auftretende Speichelgeschwulst infolge von chronischer eitrig-fibrinGser EntzUndung des Stenonschen Gangs. »Berl. klin. Wochen- schrift* S. 209. 1879. Dr. Benedikt Stilling, Gedachtnisrede, gehalten zu Baden-Baden, 18. September 1879. K. J. Trtibner, Strafiburg. 1880. Ein Fall von multiplen Gliomen in der Cerebrospinalachse unterhalb der Grofistirnschenkel. »Archiv f. Psychiatries Bd. 11 S. 261. 1880. Diaparistalltische Unruhe des Magens, nebst Bemerkungen tiber Tiefstand und Erweiterung desselben, Klatschgerausch und Galle 1m Magen. »Volkmanns Sammlung klin. Vortrage* Nr. 181 S. 1637 J^74» 1882. Ober die Regulierung der Lautsprache duxch den Tastsinn. »Arch. f. Psychiatries Bd. 13 S. 712. 1883. Erinnerungen an Nikol. Friedreich, f 6. Juli 1882. >Deutsch. Arch. f. klin. Med.« Bd. 32 S. 191. 1887. Auf der Wanderversammlung der Neurologen in Strafiburg. Demonstration von Nervenkranken. Angeborene Athetose bei einem zehnjahrigen Madchen. Kontraktur und Atrophie b eider Unterschenkel nach Typhus. »Arch. f. Psychiatries Bd. 12 S. 289.

Das fortschreitende Leiden seiner Frau, wohl auch das Bedurfnis nach etwas Ruhe hat K. veranlafit, seine Zuruhesetzung nachzusuchen , die ihm auf Ostern 1888 gewahrt worden ist. Eine alte Anhanglichkeit an diese Stadt, sowie der Umstand, dafi inzwischen sein Schwiegersohn Czerny an die Uni- versity* Heidelberg berufen worden war, zog ihn nach Heidelberg, wo er sich schon zuvor das Haus von Kuno Fischer gekauft hatte. Er hatte das Haus herrichten und durch Anbau bedeutend erweitern lassen; und das war nun seine Heimat fur seine letzten vierzehn Lebensjahre; er ftihlte sich in der schonen Wohnung recht behaglich. Der Blick in seinen schonen Garten und nach dem nahe gegenuberliegenden waldigen Geisberg gew£hrte ihm den vollen Genufl des ewig jungen Wechsels der Jahreszeiten. Der Besuch alter Freunde und dankbarer Schuler schenkte ihm so manche gliickliche Stunde. Der beriihmte Arzt wurde auch hier von Leidenden aller HerrenlSnder auf- gesucht und zu haufigen Reisen veranlafit. In den letzten Jahren freilich konnte er sich wegen eines Leidens auf keine Reisen mehr einlassen, die ihn gendtigt hatten, mehr als einen halben Tag vom eigenen Hause fern zu sein. 1890 machte er mit seinem Freund Hammacher eine Vergniigungsreise nach Athen und Konstantinopel ; wenige Jahre sp£ter lernte er Agypten kennen. Kaum in Alexandria angekommen, ist er zum Kriegsminister und in den Palast des Khedive zu Kairo beschieden worden. Die Reise zu Schiff den Nil hinauf bis zu den Katarakten hat K. aufierordentlich interessiert.

Der Grofiherzog von Baden war kaum je einmal in Heidelberg, ohne K. einen Besuch zu machen; er ernannte ihn auch anfangs der goer Jahre zum Geheimrat erster Klasse, Exzellenz, und hat ihm das Grofikreuz des Ordens vom Zahringer Lowen verliehen.

Unser Freund ist, von einem lastigen, im Alter haufig vorkommenden Leiden abgesehen, k6rperlich kaum, geistig und gemiitlich gar nicht alt geworden; sein Auge blickte so lebendig und klar wie in der Jugend, der

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KuBmauJ.

Humor war kein seltener Gast und sein Gedachtnis fur friihere Jahre wie fiir Dinge der Neuzeit ist ungeschwacht geblieben. Seine Schiller, deren er auch in Heidelberg nachzog, waren jeweils voll Bewunderung, wie er sich bei jedem Falle, um den es sich eben handelte, aller ahnlichen F&lle erinnerte, die ihm je vorgekommen waren. Wir fuhren hier an, dafl K. langere Jahre Patienten, die ihn hier aufsuchten, in einer Privatklinik unterbrachte und solche unter der Assistenz jiingerer Arzte behandelte.

Als Professor emerit. in Heidelberg veroffentlichte K. 1897 t)ber den kommissarischen Entwurf zur Revision der deutschen medizinischen Priifungs- ' ordnung (K. Winter, Heidelberg); 1900 Uber lange fortgesetzte Anwendung kleiner Digitalisdosen. (Therapie der Gegenwart.) Zwei Abhandlungen von Prof. Fleiner sind Kurmethoden gewidmet, die K. in firajci in Anwendung brachte und zu deren genauerer physiologischer Begriindung und Veroffent- lichung er Fleiner aufforderte: 1893 Ober die Behandlung der Konstipation und einer Dickdarmaffektion; 1893 Ober Behandlung des Ulcus ventriculi mit groflen Wifimutdosen.

Es sei noch erwahnt, dafi 96 Abhandlungen in Zeitschriften und Inaugural- dissertationen auf K.s Anregung und unter seiner Mitbeteiligung von seinen Assistenzarzten und Schulern geschrieben worden sind.

Nicht nur die Wissenschaft, das ganze Kulturleben hat er mit Aufmerk-

samkeit verfolgt, auch in den Erscheinungen der sogenannten »schonen

Literatur« hat er sich vollig auf dem laufenden erhalten Ja seine alte

Liebe zur Poesie ist bei ihm in seinen letzten Lebensjahren wieder schopferisch

erwacht. &prechendes Zeugnis hierfiir sind seine »Jugenderinnerungen eines

alten Arztes« (Stuttgart, Bonz u. Komp.), die von 1899 bis 1902 fiinf Auflagen

erlebt haben, ein Buch von 496 Seiten, das sich viele aufrichtige Freunde

gewonnen hat. Eine Fortsetzung dieses Werks, »Aus meiner Dozentenzeit*,

hat 1903 Czerny herausgegeben (Bonz u. Komp., Stuttgart). Am 25. Januar

1898 ist K.s Gattin von ihrem langen Leiden erlost worden. K. hat diese

treue Lebensgefahrtin, diese in gliicklichen Tagen so frohliche, in sorgen-

vollen Zeiten so entschlossene, mutige Frau durch das ganze Leben dankbar

verehrt und in ihren Leidensjahren mit einer wahrhaft grofiartigen Sorgfalt

gepflegt. Der Gedanke an das Leiden und den Heimgang seiner guten Frau,

wohl auch an die eine und andere Sorge, hatte in den letzten Jahren eine

gewisse Wehmut in ihm wachgerufen, neben der jedoch immer auch eine

wohltuende, abgeklarte Heiterkeit zu wohnen vermochte. In dieser Stimmung

hat er wohl seinen Jugenderinnerungen als Motto die Worte an die Stirne

geschrieben :

>Muflt du Gram im Herzen tragen

Und des Alters schwere Last,

Lade dir aus alten Tagen

Die Erinnerung zu Gast.«

Alle, die K. kennen zu lernen das Gliick gehabt, stimmen in voller Uberzeugung darin iiberein: Klarheit des Geistes, Energie des Willens, Giite, Treue und Warme des Herzens, Noblesse der Gesinnung, biedere Wahr- haftigkeit, selbstlose Bescheidenheit, dazu rastlose Arbeit, unermiidlicher Fleifi und unvergleichliche Gewissenhaftigkeit sind die Signatur seines ganzen Lebens gewesen. H. Striibe.

Hasenclever.

393

Hasenclever, Robert, Dr. ing. honoris causa, Kgl. preuflischer Kommerzien- rat, Generaldirektor der Chemischen Fabrik »Rhenania«, Aktiengesellschaft, ♦28. Mai 1841 zu Burtscheid bei Aachen, f 23. Juni 1902 in Aachen. An dem gewaltigen Aufschwung, den Deutschlands chemische Industrie in dem vergangenen Jahrhundert genommen, hat H. ganz hervorragenden Anteil. Gait H.s Leben und Wirken vor allem der von ihm geleiteten Fabrik, so ist doch seine Tatigkeit auch der Allgemeinheit zugute gekommen und hat dazu beigetragen, Deutschlands Grofiindustrie vom Ausland unabh&ngig zu machen. Als Mitbegriinder und laYigjahriges Vorstandsmitglied des »Vereins zur Wah- rung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands« hat H. an den Verhandlungen desselben stets lebhaften Anteil genommen und seine Sach- kenntnis, besonders in Patent- und Zollfragen, in den Dienst der Allgemein- heit gestellt. In der Vereinszeitschrift »Die chemische Industrie« verOffent- lichte H. regelmafiige Berichte und Ruckblicke iiber einzelne Zweige der chemischen Grofiindustrie, die die grofie Erfahrung und den praktischen Sinn ihres Verfassers verrieten. H. hatte seine wissenschaftliche Ausbildung an der Technischen Hochschule Karlsruhe, seine praktische in verschiedenen chemischen Fabriken und Hiittenwerken empfangen. Bereits 1864 trat H. als Betriebsleiter in die chemische Fabrik »Rhenania«, Aktien-Gesellschaft, ein, die von seinem Vater, dem Apotheker Dr. Friedrich Wilhelm Hasenclever 1852 unter der Firma Hasenclever u. Komp. gegriindet und vier Jahre darauf in eine Aktiengesellschaft verwandelt worden war. Nach dem Tode seines Vaters ubernahm H. Dezember 1874 die Generaldirektion der »Rhenania«, die sich unter seiner Leitung alsbald zu einem Groflbetriebe ersten Ranges entwickelte. Die Fabrik war urspriinglich als Sodafabrik nach dem Leblancschen Verfahren angelegt und gewann auch als solche einen fur die damalige Zeit ganz be- deutenden Umfang (HQchstproduktion 1888 : 10000 t Leblancsoda) ; infolge der zunehmenden Konkurrenz der Ammoniaksodafabrikation in Deutschland legte die Fabrik aber bald den Hauptnachdruck auf die von ihr zuerst unter- nommene Gewinnung von Schwefelsaure als Nebenprodukt beim Rosten von Zinkblenden. Dieses Problem, den Schwefel der Zinkblenden in nutzbringender Weise als Schwefelsaure zu verwerten, ist erst durch H. in der »Rhenania« dadurch gelost worden, da0 die Apparatur bis ins einzelne vervollkommnet wurde. Uberhaupt kann die »Rhenania« das Verdienst fiir sich in Anspruch nehmen, unter H. und seinen Mitarbeitern eine Reihe von chemischen Fabrikations- prozessen, die in Deutschland nicht lohnend schienen, wie der Hargreaves- prozeB zur Gewinnung von Sulfat, der mechanische englische Drehofen und das Deacon-Chlorverfahren, in groflem Maflstabe durchgefiihrt und rentabel gestaltet zu haben. In Wurdigung dieser hervorragenden Verdienste um Deutschlands chemische Industrie wurde H. 1895 vom »Verein zur Befdrde- rung des Gewerbefleifies« die Delbriick-Medaille verliehen, als dieselbe zum ersten Male einem Vertreter der Chemie zuerkannt werden sollte. Beim Uber- reichen der Medaille hob der Staatsminister Delbruck vor allem anerkennend hervor, dafi H. sich stets bemiiht habe, Konflikte zwischen der Technik und dem Leben zu heilen und durch seine Untersuchungen und Veroffentlichungen iiber »Beschadigung der Vegetation durch saure Gase«, »Rauchschaden« etc, dazu beigetragen hat, widerstrebende Interessen miteinander auszusohnen. 1902 erhielt H. von franzosischen Chemikern die Berthelot-Medaille, doch

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Hasenclever. Dtimmler.

schatzte H. von all den vielen Ehrenbezeugungen , die ihm zuteil geworden, am hOchsten seine Ernennung zum Dr. ing. honoris causa durch die Karls- ruher Hochschule, bei der er seine wissenschaftliche Ausbildung einst er- halten hatte. Seit Ende der achtziger Jahre las H. an der Technischen Hoch- schule zu Aachen »Ober kaufmanniche Buchfiihrung fur Techniker«; seine VerOffentlichungen in Dinglers »Polytechnischem Journals, in »Die chemische Industrie*, »Zeitschrift Deutscher Ingenieure« und anderen Fachjournalen, beziehen sich zumeist auf rein technische Fragen, Verbesserungen an Rostofen, Eindampfpfannen, Vergasungsapparaten, Salpetersiuredfen usw. ; in andern Ab- handlungen besch&ftigte sich H. mit der Ausbildung der Chemiker, mit kauf- mannischen und zollpolitischen Fragen, mit Rauchschaden, den Gefahren fur Arbeiter und dergleichen. H. war pers6nlich eine liebenswiirdige, ange- nehme Persftnlichkeit; Industrie und Vereine suchten und fanden in H. einen hftchst geeigneten, gewichtigen Vertreter ihrer Interessen bei Konferenzen und Kongressen. Ein Herzleiden zwang H. in der letzten Zeit manchmal zur Ausspannung, bis ihn ein plbtzlicher Tod mitten aus wieder aufge- nommener Arbeit seinem grofien Wirkungskreis entrifl.

BiogTaphien: »Die chemische Industriec 1902, Nr. 25, S. 341 342 und »Zeitschrift fttr angewandte Chemiec 1902, S. 797 801, von F. Quincke (mit Portrat). W. Roth.

Dtimmler, Ernst Ludwig,1) Vorsitzender der Zentraldirektion der Monu- mcnta Germaniae historica in Berlin (seit 1888), Geheimer Oberregierungsrat II. Klasse (1898), Inhaber des Roten Adlerordens IV. Klasse (1879), III. Klasse (1887), des koniglich preuflischen Kronen-Ordens II. Klasse (1901), des koniglich bayerischen Verdienstordens des heiligen Michael II. Klasse (1902); Ehrendoktor der Rechte in Wiirzburg (1882), der Philosophic in Krakau (1900); Mitglied der historischen Kommission bei der Koniglich bayerischen Akademie der Wissenschaften in Miinchen (aufierordentliches 1863, ordent- liches 1871), des Verwaltungsrates fur das Germanische Museum in Niirnberg (1875); Ehrenmitglied der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in Wien (1902, korrespondierendes 1875); Mitglied der Kttniglichen Gesellschaft der Wissenschaften in GOttingen (1867), der Kttniglich bayerischen Akademie der Wissenschaften (187 1), derK5niglich preuflischen Akademie der Wissenschaften in Berlin (korrespondierendes 1882, wirkliches 1889), der Acaditme RoyaU dts Sciences, des Lettres et des Beaux Arts de Belgique (1891), der Accademia dei Lituei in Rom (1896), Correspondent de Vlnstitut de France (1900); Mitglied (oder Ehrenmitglied): des Vereins fur siidslavische Geschichte und Altertiimer in Agram (1855), des thiiringisch-sachsischen Geschichts- und Altertumsvereins (1856, Ehrenmitglied seit 1888), des Kiinstlervereins fur Bremische Geschichte (1867), des historischen Vereins fur St. Gallen (1868), des Harzvereins fur Ge- schichts- und Altertumskunde in Wernigerode (1868), des Vereins fur Geschichts- und Altertumskunde Erfurts (1875), des historischen Vereins fur Steiermark (1876), der allgemeinen geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz(i875), des K5niglich sachsischen Altertumsvereins (1885), der Gesellschaft fur lothrin- gische Geschichte (1895), des Vereins fur siebenbiirgische Landeskunde (1898); * am 2. Januar 1830 in Berlin, f am 11. September 1902 in Friedrichroda.

x) Totenliste 1902 Band VII 25*.

Dlimmler.

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D.s Vater, Ferdinand, der Besitzer der nach ihm benannten Berliner Buch- handlung, stammte aus Battgendorf bei Kolleda in Thuringen, die Mutter, Karoline Friederike, war die Tochter des Pastors Reinhardt in Krakau bei Magdeburg, die Schwester der Gemahlin Georg Andreas Reimers. Dem Vater war es gelungen, sich zu angesehener Stellung und festbegriindetem Wohl- stande emporzuarbeiten. In eng geschlossenem Familienkreise wuchs der etwas schwachliche Knabe heran, zuerst von den alteren Geschwistern, spater von einem Privatlehrer unterrichtet. Nach dem Beispiele der Mutter las er viel und ohne Wahl, wodurch er allerdings den ihm innewohnenden Hang zu Traumereien und romantischen Phantasien nahrte, aber auch das stets lebendig erhaltene Gefiihl fiir alles Gute und Schone erweckte. Auf der von F. Zinnow geleiteten Stadtschule, die er von seinem elften Jahre an besuchte, fesselte den Knaben namentlich der von dem Vorsteher selbst erteilte Unter- richt in Religion und Mathematik, ferner der in der Geschichte, endlich er- warb er sich schon in dieser Zeit die Herrschaft uber den schriftlichen Aus- druck in der Muttersprache. Wie diese Anfange zeigen, wurde D. keineswegs fiir den Gelehrtenstand vorbereitet, fiir den er auch keine besondere Neigung bekundete; nur dem Zufalle, daB er an der Gewerbeschule, die er zunachst besuchen sollte, keinen Platz fand, war es zuzuschreiben, dafi er in die Ober- tertia des unter Bonnells Leitung stehenden Friedrichs-Werderschen Gymna- siums eintrat. Mit rastlosem Eifer holte er nach, was ihm an Vorkenntnissen fehlte, bei allem Fleifle aber stand er dem, was er aufzunehmen hatte, mit voller Selbstandigkeit gegeniiber; namentlich suchte er, ein wohlerwogenes Urteil iiber die klassischen Autoren zu gewinnen, weder an Casar noch an Livius, eher an Ovid, vor allem aber an Xenophon fand er Geschmack. Der Ernst seines Wesens wurde durch das hausliche Ungluck, das er in diesen Jahren zu ertragen hatte, verstarkt. Vier seiner Geschwister waren gestorben, zwei andere hatten schwere Krankheiten zu iiberstehen gehabt, am 30. Dezember 1845 schied die ihm besonders teure Mutter, am 15. Marz des folgenden Jahres der Vater aus dem Leben. Nach dessen Tode fand D. Aufnahme bei den Verwandten der Mutter in Krakau und von hier aus besuchte er das Magdeburger Domgymnasium, das ihn durch den fast ausschliefilichen Betrieb der klassischen Sprachen abschreckte und wegen der Ruckschritte, die er in den anderen Gegenstanden, namentlich im Franzosischen zu machen glaubte, besorgt machte, ihm aber doch zu einer besseren Wurdigung Vergils und Homers verhalf. So fiihlte er sich wieder wohler und freier, als er, an die Berliner Anstalt zuriickgekehrt, bei gleichmafiigerer Beriicksichtigung aller Wissensfacher die Friichte des Magdeburger Humanistenfleifies verwerten konnte. Bei allem Ernste, mit dem er das Wesen der antiken Schriftsteller zu erfassen suchte, wandte er die grofite Sorgfalt, eine fast leidenschaftliche Liebe der deutschen Sprache zu, die wie einst die griechische, die Grofie und Macht des eigenen Volkes zu verbiirgen schien, strenge war er darauf bedacht, sich keine latinisierenden Wendungen anzugewohnen, und unab- lassig bemiiht, zu erreichen, was ihm als das hochste gait, gut deutsch zu schreiben, wobei er sich als Muster die Sprache Goethes vor Augen hielt. Mit warmem Dankgefiihl hebt er die nachhaltige Forderung hervor, welche ihm durch den Unterricht in der Philosophic zuteil wurde, die er allerdings nicht so sehr von der historischen oder technischen als vielmehr von der

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ethischen Seite erfafite, als die Fahigkeit von dem Wechsel der Dinge unab- hangig zu werden, die Leidenschaften zu iiberwinden, sich zu jener auf wissenschaftlicher Erkenntnis des Allgemeinen gegriindeten Seelenruhe empor- zuringen, die ihm mehr Bewunderung zu verdienen schien als der kiihn zu- greifende Mut grofier Helden. Diese Auffassung, aus einer Vereinigung antiker und Goethescher Ideen entstanden, bestimmte auch sein Verhaltnis zur Religion, das jedoch trotz seiner Neigung zur Selbstbetrachtung und Griibelei nicht so sehr einen mystischen als vielmehr einen stark rationalistischen Ein- schlag erhielt. Den Gefahren, die in der rein vernunftmafiigen Beurteilung der Religion lagen und die ihm keineswegs entgangen waren, suchte er, hierin vielleicht doch von Platon, der im iibrigen keine Saite seines inneren Wesens erklingen liefi, beeinflufit, durch das Bestreben zu begegnen, mit alien Kraft en der Allgemeinheit zu nutzen. Aufiert sich in der unablSssigen, geistigen Selbstzucht ernste mSnnliche Kraft, so auch darin, dafl der Jungling seinen schwachlichen, zarten KSrper durch Leibesiibungen, geregelte Lebensweise und Abhartung zu stahlen verstand. Am 21. Marz 1849 erhielt er das Zeug- nis der Reife, das, ungleich verstandiger angelegt und viel aufschluflreicher als die mechanischen, nichtssagenden Klassenlisten unserer Zeit, durchaus den Richtungen entspricht, in denen sich sein Geistesleben bewegte, und die er mit klarer Objektivitat in einem damals abgefafiten, aber erst nach dem Jahre 1888 neuerdings niedergeschriebenen und mit Zusatzen versehenen Lebenslauf umrissen hat. Am 27. April wurde er in Bonn immatrikuliert, noch im selben Jahre starb sein letzter Bruder in Berlin an der Cholera, so dafl er jetzt ganz allein stand. Nach Bonn war D. allerdings mit dem Vor- haben, Philosophie und Geschichte zu studieren, gegangen, aber tatsachlich schien er sich noch kein bestimmtes Ziel gesteckt zu haben, da er vorerst Jura, philologische und historische Studien betrieb. Erst an der Berliner Universitat, die er im Winterhalbjahr 1850 bezog, kam die bisher verhullte Neigung zur Geschichte zum Durchbruch und von da an richtete er dement- sprechend seinen Studiengang ein. Im ersten Halbjahre wog noch die Rich- tung auf das Allgemeine vor, er horte Vorlesungen bei Curtius, C. Ritter, Homeyer, aber auch bei Ranke, vom zweiten Halbjahre an beschrankte er sich mehr auf die historischen Studien. Namentlich an Wilhelm Wattenbach, der im Jahre 185 1 seine Lehrtatigkeit an der Berliner Universitat eroffnete, schlofi er sich eng an; neben dessen Vorlesungen hatte er auch die Trende- lenburgs, B6ckhs und Rankes belegt, sich an des letzteren Ubungen beteiligt Schon in dieser Zeit hat D. sich das wissenschaftliche Ziel gesetzt, dem er fortan seine ganze Kraft widmete, die Erforschung des karolingischen Zeit- alters. Von vornherein kam es ihm auf moglichste Sicherheit der wissen- schaftlichen Erkenntnis, die allseitige Durchforschung des gew&hlten Gebietes, die besondere Beachtung der geistigen Kultur an. Ein starkes, gelautertes, bei aller Selbstbescheidung stolzes Nationalgefuhl, verbunden mit einem scharfen Blicke fur die Ertragfahigkeit des zu bearbeitenden Gebietes, veran- lafite ihn, sich zuerst den deutschen Karolingern zuzuwenden. Mit einer gewohnliche Dissertationen weit iiberragenden Arbeit, der Ranke gewidmeten Commentatio historka de Amulfo, Francorum rege, in der er namentlich auch den Wert der Urkunden fur die Erganzung und Sicherung der erzahlenden Berichte betonte, erwarb er im Jahre 1852 den Doktorgrad. Sein Vorhaben,

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durch sorgsamste Feststellung der Einzelheiten, durch Zuruckgehen auf die beste Cberlieferung urkundlicher und erzahlender Quellen die unerlafiliche Grundlage fur die geschichtliche Darstellung zu gewinnen, fiihrte ihn eigentlich gegen seine innere Neigung denn doch zu vorwiegend philologischer Arbeit und sollte gleich anfangs seinen Lebensgang ganz unerwartet beeinflussen. Auf einer Reise nach Rom, die ihm neue Quellen erschliefien sollte, nahm er in Wien Aufenthalt und hier lernte er im Hause des Vizeprasidenten der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Theodor von Karajan, Emilie Gruber, die" in Gmunden geborene Nichte der Frau Karajans, kennen. Die beiden fanden sich rasch, der ganz unabhangig gestellte junge Doktor gab die Romfahrt auf, schon im Jahre 1853 fand die Hochzeit statt. Und noch in anderem Betracht wurde der Wiener Aufenthalt fur ihn folgenreich. Durch die personliche Verbindung mit dem Ssterreichischen Boden und den Rat Wattenbachs angeregt, widmete sich D. der Geschichte der osterreichi- schen Landschaften in der Zeit der Karolinger und wurde im Verein mit dem Lehrer und Freunde einer der Begrunder wissenschaftlicher Erforschung der alteren osterreichischen Geschichte. Aus der Reihe der Studien, die diesem Gegenstande gewidmet sind, ragt das Buch iiber Piligrim v. Passau hervor, in dem er als einer der ersten eine Gruppe inhaltreicher Falschungen aufdeckte, ein Muster fur die Behandlung derartiger Fragen aufstellte und die wichtigsten Aufschliisse iiber das Verhalten des deutschen Reiches und der deutschen Kirche gegeniiber dem neu entstehenden ungarischen Staats- wesen darbot. Die an W. Wattenbach gerichtete Widmung ist bedeutungs- voll durch die scharfe Hervorhebung des Gegensatzes zwischen der an die Cberlieferung im allgemeinen sich haltenden Richtung und dem kritischen Gefuhle, »welches derjenige sich wohl zutrauen mag, der mit unbefangenem Sinne nach Wahrheit forscht und die echte Cberlieferung herzustellen sucht«, sowie durch den darin ausgesprochenen Wunsch, dafi die Miinze, in der er und Wattenbach Osterreich ihren Dank entrichten, auch dort als »giiltig und vollgewichtig in Umlauf komme«. Auf Grund einer Darstellung der Geschichte Bohmens im karolingischen Zeitalter habilitierte er sich am 18. Dezember 1854 in Halle. Von nun an verbindet sich mit der unablassig gefGrderten wissenschaftlichen Arbeit eine wohliiberlegte, sehr erspriefiliche Lehrtatigkeit. Als er im Jahre 1857 den Vorschlag Sybels, im Auftrage der historischen Kommission bei der Koniglich bayerischen Akademie die Herausgabe der Reichstagsakten zu .ubernehmen, wobei ihm eine Honorarprofessur an der Munchener Universitat zugesichert wurde, ablehnte, wurde er im folgenden Jahre zum aufierordentlichen Professor ernannt. Zugleich iibertrug Ranke dem ihm in treuer Verehrung ergebenen Schiiler die Bearbeitung der Ge- schichte der deutschen Karolinger fur die Jahrbiicher deutscher Geschichte, welchem Auftrage D. in glanzender Weise durch die Geschichte des ostfran- kischen Reiches entsprach, deren zwei Bande in den Jahren 1862 und 1865 erschienen. Meisterhaft hat D. es verstanden, in diesem Werke, fiir das es vielfach an entsprechenden Vorarbeiten fehlte, zu zeigen, was er wollte und konnte, wie viel neue Aufklarung und gesicherte Ergebnisse auf dem von ihm eingeschlagenen Wege zu erreichen seien. Mit Recht wurde die Geschichte des ostfrankischen Reiches, die Ranke als eines von den Buchern riihmt, »aus welchen man in der Tat etwas lernt; durchaus griindlich, dem Stoff an-

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gemessen geschrieben, eine wahre Bereicherung unserer Literatur«, am 14. Marz 1866 durch den Wedekindschen Preis fiir Deutsche Geschichte, am 27. Januar 1870 durch den Verdunpreis ausgezeichnet, der Verfasser im Jahre 1866 durch die Ernennung zum ordentlichen Professor geehrt.

Mit diesem Werke war die Grundlage geschaffen, von der aus D. seine Studien fortsetzte und erweiterte, jetzt treten mit aller Deutlichkeit die Rich- tungen hervor, in denen sich fortan seine wissenschaftliche Tatigkeit bewe- gen sollte. Vor allem war sein Absehen auf die zerstreuten, in ihrer Bedeu- tung fur die Personengeschichte und die Geschichte des geistigen Lebens zu wenig gewurdigten Schriftstiicke, Briefe, Gedichte, Formelsammlungen, Toten- biicher und kirchlich-politischen Streitschriften gerichtet. Es entsprach seiner gewissenhaften Art, dafl er tastend und versuchend von kleinen Anfangen zu grofieren Aufgaben vordrang. Wie sehr sich die muhsame, entsagungsvolle Arbeit lohnen konne, hat er in dem Buche uber Auxilius und Vulgarius (1866), in dem er den Streit uber die Rechtmafiigkeit des Papstes Formosus und der von ihm erteilten Weihen mit Zuhilfenahme neuer Quellen beleuch- tete und den die wissenschaftliche Erkenntnis verhiillenden Versuchen ultra- montaner Apologetik entgegentrat, in der Ausgabe der Gesta Berengarii im- peratoris (1871), endlich in der fiir die Geschichte des Betriebes klassischer Studien und des geistigen Lebens zu Anfang des elften Jahrhunderts belang- reichen Schrift iiberAnselm den Peripatetiker (1872) gezeigt. Mit Wattenbach zusammen besorgte er die von Jaffe vorbereitete Ausgabe der Afonumcnta Alcuiniana (1873) und mit gleich opferwilliger Bereitschaft vollendete er die von R. Kopke begonnenen Jahrbucher Ottos des Groflen (1876).

Nachdem Theodor Sickel sich dem Rufe an die in Berlin neu zu errich- tende Lehrkanzel fiir mittelalterliche Geschichte und historische Hilfswissen- schaften versagt hatte, war der mit ihm vorgeschlagene D. Ende des Jahres 1872 ernstlich in Aussicht genommen worden, doch lehnte auch er ab und empfahl Wattenbach als den hierfiir geeignetsten Mann. Schon bei diesem Anlasse hatten sich in Halle die Gefiihle treuer Anhanglichkeit an ihn geltend gemacht; als er aber im Fruhjahr 1875 als Nachfolger des zum Leiter der Manumenta Germaniae historua erwahlten Georg Waitz nach Gottingen berufen wurde, wandten sich die Kollegen, denen sein Abgang als ein unersetzlicher Verlust erschien, in einem Schreiben voll herzlicher Anerkennung an ihn und D. gab dieser freundschaftlichen Vorstellung Geh5r. Durch die Wahl zum Rektor fiir das Jahr 1876/77 brachte die Universitat ihren Dank zum Aus- druck. Wenn er auch in Halle verblieb, sollte doch seine wissenschaftliche Kraft durch die im Jahre 1875 erfolgte Berufung in die neu eingerichtete Zentraldirektion der Monumtnta Germaniae historka und die Ubernahme der Abteilung Antiquitates dem nationalen Unternehmen dienstbar gemacht wer- den. Dadurch war ihm Gelegenheit geboten, seit langem Begonnenes und Vorbereitetes in grofiem MaBstabe zur Ausflihrung zu bringen. Mit regstem Eifer, dessen erste Friichte eine Anzahl kleinerer Mitteilungen und die grund- legende Abhandlung uber die handschriftliche Oberlieferung der lateinischen Dichtungen aus der Zeit der Karolinger (1879) waren, widmete er sich der Ausgabe der Poetae latini aevi Caro/ini, deren erste Bande in den Jahren 188 1 und 1884 erschienen. Daran schlofi sich die Neubearbeitung der Geschichte des ostfrankischen Reiches. Es war fiir ihn eine freudige Genugtuung, dafi

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dies Buch eine zweite Auflage eilebte, und dafl er fiir diese trotz der in- zwischen nachhaltig gefdrderten Einzelforschung die hauptsachlichen Ergeb- nisse der ersten beibehalten k6nnte.

Neben der wissenschaftlichen und akademischen TStigkeit hatte D. Zeit gefunden, in volkstiimlichen Vortr&gen weitere Kreise iiber geschichtliche Fragen aufzuklaren und sich den Angelegenheiten des thiiringisch-sachsischen Geschichtsvereins zu widmen, dessen Geschafte er seit dem Jahre i860 als Vizeprasident und Schriftfiihrer, dann als Vorsitzender leitete. Im Verein mit Opel und Zacher gelang es ihm, den Verein auf neue Grundlagen zu stellen, ihn in jene Bahnen zu lenken, in denen er sich bis zur Gegenwart mit riihm- lichem Erfolge entwickelt hat. Auch auf dem Gebiete landeskundlicher Forschung konnte D. zu hOheren Aufgaben fortschreiten, als er den Vorsitz der im Jahre 1876 errichteten historischen Kommission far die Provinz Sachsen ubernahm. Diese Arbeiten und die Vorlesungen, die sich iiber alte, mittlere und neuere Geschichte ausdehnten, boten den besten Schutz gegen die Gefahr, die in der Beschr&nkung der Haupttatigkeit auf einen verhaltnis- maflig kurzen Zeitabschnitt liegen konnte.

Die nach freier Wahl gestaltete wissenschaftliche Tatigkeit, ein gliick- liches Familienleben, der feste Zusammenhang mit einem gewahlten Kreise treuer Freunde, das auf der sichersten Grundlage, der Arbeit, ruhende und sich stetig mehrende Ansehen, all das machte den Aufenthalt in Halle fiir D. zum denkbar angenehmsten, und mit Recht sah er sich vor eine schwere Entscheidung gestellt, als an ihn die Aufforderung herantrat, die Leitung der Monumenta Germaniae zu iibernehmen, womit die Ubersiedelung nach Berlin verbunden war.

Am 25. Mai 1886 war Georg Waitz gestorben, am 18. Juni zunachst Wattenbach, den D. schon im Jahre 1863 neben jenem zum Leiter der Monumenta vorgeschlagen hatte, mit dem zeitweiligen Vorsitz in der Zentral- direktion beauftragt worden. Diese vorlaufige Einrichtung liefl sich aber, trotzdem D. sich eifrig in diesem Sinne bemiihte, nicht in eine dauernde umwandeln; nachdem am 14. November 1887 die Verfassung der Zentral- direktion dahin umgeandert worden war, dafl der Vorsitzende nicht mehr von ihr gewahlt, sondern nach Presentation auf Vorschlag des Bundesrates vom Kaiser ernannt werden solle, wurde am 9. Mai 1888 D. zum Vor- sitzenden emannt. Mit dieser Wiirde ubernahm D. auch die von Watten- bach aufgegebene Leitung der Abteilung Epistolac.

In der Antrittsrede, die er in der Berliner Akademie, zu deren wirk- lichem Mitgliede er im Jahre 1888 erw&hlt worden war, hielt, hat D. sich fiber die Schwere seines Entschlusses, iiber die Bedenken, die er zu fiber- winden hatte, ausgesprochen. Mochte es ihm zur Freude und zum Stolze gereichen, in die gelehrte Gemeinschaft einzutreten, zu der schon sein Vater wenigstens in geschaftlicher Beziehung gestanden hat, und in der er von seinen Lehrern Ranke, Wattenbach und Curtius wiederfand, das eine hat er doch aufs tiefste gefiihlt und mit schlichten, ergreifenden Worten geauflert, dafl er jetzt endgiiltig dem idealen Ziele seiner Jugend, das er noch nicht erreicht zu haben glaubte, entsagen musse. Wir erinnern uns, welche hohe Anschauung von dem Werte deutscher Sprache der junge Student gehegt hat, ihr ist er stets treu geblieben und bei der Bearbeitung der zweiten Auflage

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der Geschichte des ostfrankischen Reiches hatte er sich bemuht, den Stil »von alien entbehrlichen Fremdwortern moglichst zu reinigen, wie es die Pflicht jedes vaterlandsliebenden Schriftstellers erheischt«. Und jetzt hob er neuerdings hervor, dafl ihm als hochste Aufgabe vorschwebte, deutsch zu schreiben, deutsche Geschichte in deutscher Sprache darzustellen, nicht blofl Forscher, sondern auch Schriftsteller zu sein. Diesem Wunsche gegeniiber bedeutete es eine schwere Entsagung, sich dauernd philologischer Arbeit zuzuwenden, was ihm nur als Vorarbeit gait, ein fur allemal zur Hauptsache zu machen. Aber iiber diese Erwagung siegte das Pflichtgefiihl des Gelehr- ten, der sich seines Wertes wohl bewufit der Erkenntnis nicht verschlofl, dafl an der Spitze der Monutnenta ein mit dem ihnen zugewiesenen Gebiete durch eigene Arbeit innig vertrauter Historiker von anerkanntem Rufe stehen mlisse. Und das Opfer war nicht umsonst gebracht, voll ging der Wunsch in Erfiil- lung, den ihm Theodor Mommsen mit auf den Weg gab, dafl ihm »fiir die Fortfuhrung und fur die Reorganisation des groflen Unternehmens der gute Geist unseres Volkes und die voile Kraft wissenschaftlichen Strebens zur Seite stehen moge«.

Mit strenger Gewissenhaftigkeit, aber auch mit steter Rucksichtnahme auf fremde Eigenart, die er ebenso zu achten, wie die eigene zu wahren verstand, hat D. die vielverzweigten Geschafte der immer weiteren Umfang gewinnenden Monutnenta gefiihrt und die Gefahren vermieden, die selbstherr- liche Leitung nicht weniger als zu leichte Handhabung der Oberaufsicht heraufbeschworen konnten. Die Sachlichkeit seines Wesens, die Verehrung, die ihm niemand weigern konnte, halfen iiber manche Schwierigkeiten hin- weg. Von groflem Werte war es, dafl fur sein eigenes Arbeitsgebiet an seiner Hand jiingere Gelehrte von hervorragender Bedeutung heranwuchsen, die Monumenta (iberhaupt eine Schule kritischer Forschung blieben, der gelehrte und nationale Charakter dieses kostbaren Vermachtnisses unserer Vorfahren gewahrt wurde.

Vieles wurde unter seiner Leitung vollendet, neues begonnen. Die Folio- reihe der Scriptoresy die Auctores antiquissimiy die Sammlung der Streitschriften iiber den Investiturstreit wurden dem Abschlusse entgegengefiihrt, die deut- schen Chroniken durch wichtige Veroffentlichungen bereichert, die Abtei- lungen der Leges und der Dip/omata, die fur die Quellenbeniitzung in weiteren Kreisen so forderlichen Handausgaben riistig vorwarts gebracht. Mit nicht geringem Erfolge war D. auch bemuht, die innere Einrichtung und Verfassung der Monutnenta auszubauen. Schon im Jahre 1889 war durch die Schaffung einer zweiten etatsmafligen Stelle fur die Festhaltung der t)ber- lieferung vorgesorgt worden, zwei Jahre spater erfolgte eine ausgiebige Er- hohung der Geldmittel, die eine wesentliche Erweiterung und raschere For- derung der Arbeiten ermOglichte, unter einem wurde die Verbindung mit der Wiener Akademie, die Beteiligung osterreichischer Forscher auf die Dauer gesichert. Im Jahre 1894 erhielt die Zentraldirektion eigene Raumlichkeiten in dem Gebaude eines Reichsamtes.

Unermiidlich hat D. nicht allein die Arbeiten der Monumenta geleitet, sondern auch selbst sich an ihnen beteiligt. Zu den Antiquitates, innerhalb deren er die Poetae fortfiihrte und ein verheifiungsvoller Anfang mit der Bearbeitung der Nekrologien und Verbriiderungsbucher gemacht wurde, und

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den Epistolae iibernahm er die Leitung der Quartreihe der Scriptores. Zu dem ersten Bande der Epistolae aevi Karolini (1892) hatte er die Ausgabe der Bonifatiusbriefe beigetragen, den zweiten (1895), der als Hauptsache die Brief e Alcuins enthalt, hat er vollstandig bearbeitet, fur den dritten (1899) wichtiges beigesteuert. Neben diesen grofien Veroffentlichungen lief die ununterbrochene Reihe kleinerer Abhandlungen und Mitteilungen, in denen er jetzt wiederum das geistige Leben und die kirchlichen Verhaltnisse, zu deren Betrachtung ihn die Arbeit fiir die Libdli de lite von neuem angeregt hatte, mit Vorliebe behandelte.

In den letzten Jahren seines Lebens mufite ihm die Arbeit nicht allein zur Befriedigung des gelehrten Triebes, sondern auch als Spenderin edelsten Trostes dienen. Die Wahrheit der Worte, die er einst Ranke zugerufen hatte: »Viele Menschen uberlebet, wem zu leben lang beschieden, doch wen Schaffensdrang umwebet, gehet einsam nie hinieden«, sollte er jetzt an sich selbst erproben. Einer der alten Freunde und Genossen nach dem andern war aus dem Leben geschieden, am nachsten war ihm wohl der Tod Watten- bachs gegangen, mit dem ihn, nachdem anfangliche Verstimmung beseitigt worden war, wieder die alte Treue verband. Wie er dem Lehrer und Freunde beim Eintritte in die Akademie feinfiihligen Dank abgestattet hatte, so sicherte er sein Gedachtnis durch einen Nachruf, und mit einer bei seinem hohen Alter doppelt riihmlichen Opferwilligkeit iibernahm er es, das Haupt- werk des Verstorbenen, die Geschichtsquellen, fiir die siebente Auflage vor- zubereiten. Schmerzlicher noch als der Hingang der Freunde muflten ihn die Todesfalle beruhren, die mit grausamer Harte den Kreis seiner nachsten AngehSrigen lichteten. Schon im Jahre 1893 war der jungere Sohn zu Halle im Alter von 31 Jahren gestorben, am 15. November 1896 entrifi der Tod den alteren, Ferdinand, ganz unerwartet einer fruchtbaren, vielversprechenden Tatigkeit, 15 Tage spater starb nach langem Siechtum die geliebte Gattin. All den Schmerz, der einst des Junglings Seele vor der Zeit gereift hatte, mufite der Greis in verstarktem Mafie uber sich ergehen lassen. In der Not dieser Jahre konnte nur die Herrschaft, die er iiber sich gewonnen hatte, festen Halt gewahren, mehr als friiher kam jetzt die innere Milde seines Wesens zum Ausdruck. Es war kein Ersatz fiir das Verlorene, dafi in die Einsamkeit seines Alters, die nur durch die innigen Beziehungen zu seinen beiden TOchtern, die allein ihm geblieben waren, erhellt wurde, Zeichen aufierer Anerkennung in rasch sich mehrender Fulle eindrangen. Als aber bei der Feier seines funfzigjahrigen Doktorjubilaums am 5. August 1902 von alien Seiten her sich die Aufierungen herzlichster Verehrung kundgaben, hat er das aufs dankbarste empfunden. Sie trafen ihn zu einer Zeit, da der Tod schon seine Hand auf ihn gelegt hatte. Noch hatte D. im Jahre 1902 die von ihm bearbeitete Abteilung des vierten Bandes der Epistolae aevi Karolini ausgegeben, die Arbeiten fiir die neue Auflage des ersten Bandes von Watten- bachs Geschichtsquellen zum Abschlufi gebracht und am 3. Juli in der Aka- demie die Gedachtnisrede auf Paul Scheffer-Boichorst gehalten, von dem er als erstes riihmte, dafi seine warmsten Empfindungen der Vaterlandsliebe gehorten. Endlich zwang ihn seine erschiitterte Gesundheit, sich von der Arbeit zu trennen und in Kissingen Erholung zu suchen. Nachdem er die Gluckwiinsche zu seinem Doktorjubilaum empfangen hatte, ging er am

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25. August nach Friedrichroda und hier erlag er, geistig frisch und angeregt wie in seinen besten Zeiten, dem todbringenden Leiden, das, ohne dafi er sich dessen bewufit geworden war, seit Monaten seinen Kdrper verheert hatte, am Morgen des 11. September, seines funfzigsten Hochzeitstages.

Ein Leben voll Arbeit war zu Ende gegangen. Blendende, mit einem Schlag ins Weite dringende Erfolge zu erreichen, hat die vom Kleinen zum Grflfleren sich durchringende Art seines Wesens ausgeschlossen. Aber indem er die induktive Anlage seiner Personlichkeit erkannte und ausbildete, ist er ein Huter jener gelehrten Uberlieferung, auf die nicht zum geringsten Grofie und Erfolg deutscher Wissenschaft sich griindet, wie wenig andere ein Lehrer und Vorbild fiir die wissenschaftliche Welt geworden, nicht allein durch den Scharfsinn, die Unbestechlichkeitund Richtigkeit seines Denkens, sondern vor allem auch durch den sittlichen Ernst, das Bewufitsein hoher Verantwort- lichkeit, die aus jeder seiner Schriften sprechen. In der durch rastlose Arbeit erworbenen und gefestigten Vereinigung dieser Eigenschaften liegt die weit iiber die deutsche Gelehrtenwelt hinausreichende Bedeutung seines Wirkens.

Verzeichnis der Schriften Dtimmlers nach der Folge ihres Erscheinens. (Unbedingte Vollstandigkeit zu erreichen, war nicht mSglich, doch dtlrfte Wichtigeres nicht Ubersehen sein.) Abkiirzungen : Abh. = Abhandlungen ; Af5G. = Archiv ftir Kunde Ssterr. Geschichts- quellen (fiir bsterr. Geschichte), herausgegeben von der Kais. Akademie der Wissenschaften in Wien ; BA. = Kbnigl. Akademie der Wiss. in Berlin ; Forsch. = Forschungen zur deut- schen Geschichte; MG. = Monumenta Gcrmanicu historical NA. = Neues Archiv der Ge- sellschaft ftir altere deutsche Geschichtskunde; SB. = Sitzungsberichte ; WA. = Kais. Aka- demie der Wissenschaften in Wien ; ZfdA. = Zeitschrift ftir deutsches Altertum.

De Arnulfo Francorum rege commentate historica. Berolini 1852. Cber die stid- tfstlichen Marken des frankischen Reiches unter den Karolingern (795 907), 1853 (AfoG. X). Piligrim v. Passau und das Erzbistum Lorch, Leipzig 1854. De Bo hernial conditioner Carolis imperantibus (j88 928), dissert hist. Lipsiae 1854. Cber die alteste Geschichte der Slawen in Dalmatien (549—928), 1856 (WA. SB. XX). Ein Brief des k6l- nischen Priesters Winand tiber den Kreuzzug gegen Lissabon i. J. 1147, Wien o. J. St. Gallische Denkmale, Mitt, der antiqu. Gesellsch. in Zurich XII (1858— 1864). Beitr&ge zur Geschichte des Erzb. Salzburg im IX.— XII. Jh., 1859 (AfoG. XXII). Geschichte des ostfrankiscben Reiches, 2 Bde., Leipzig 1862, 1865. Magdeburger Totenbuch, Neue Mit- teilungen aus dem Gebiete hist-antiqu. Forsch. X (1864), 259 265. Reformation und Gegenreformation in Augsburg, Vortrag, geh. am 29. Januar 1864. Gedichte aus dem Hof- kreise Karls des Gr. ZfdA. XII (1865), 44*> 460; XIV, 73. Versus in Aquisgrani palatio, ebenda 461 470. Ober eine verschollene fuldische Briefsammlung des IX. Jh., Forsch. V. (1865), 371 395; XXIV, 421 425. Karolingische Miscellen, ebenda VI, 361 389; IX, 651. Auxilius und Vulgarius, Quellen und Forsch. zur Gesch. des Papsttums im Anfange des X. Jh. Leipzig 1866. Merseburger Totenbuch, Neue Mitteil. XI (1867), 223 264, Opusculum Hcrimanni diver so metro conpositum, ZfdA. XIII (1867), 385 434. Die Wittenberger Universitats- und Fakultats-Statuten (mit Theodor Muther), Halle 1867. Zwei Briefe zur Geschichte des XI. und XII. Jh. (mit W. Studemund), Forsch. VIII (1868), 387 bis 394; IX, 651. Zur WUrdigung des Benzo (von Alba), Forsch. IX (1869), 37s 38*- St. Galler Totenbuch und Verbrtiderungsbuch (mit H. Wartmann), St. Gallen 1869 (MitteiL zur vaterland. Geschichte XI). Ekkehart IV. v. St Gallen, ZfdA. XIV (1869), 1—73. Kolner und Wtirzburger Glossen, ebenda 189. Gedichte aus Ivrea, ebenda 245 264* Herzog Ernst, ebenda 265 271, 559. Die Legende vom hi. Cyrillus (mit Miklosich), Wien 1870 (Denkschr. der WA. Phil.-hist. Klasse XIX). Urkunden der ital. und burg. KOnige aus den Jahren 888—947, Forsch. X (1870), 275 324. Radegunde von Thtiringen, Vortrag, Im Neuen Reich 1871, II, 641 656. Gesta Berengarii imperatoris. Beitrage zur

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Gesch. Italiens im Anfange des X. Jh,, Halle 1871. Zu Ruotgers Leben Brunos, Forsch. XII (1872), 445. De procinctu Romane militie, ZfdA. XV (1872), 443 451. Zum Sacerdos et lupus, ebenda 452. Anselm, dcr Peripatetiker. Nebst anderen Beitr&gen zur Literaturgesch. Italiens im XI. Jb. Halle 1872. Monumenta Alcuiniana a Philippo Jaffco prat par ata ediderunt Wattenbach et Dutnmler, Berolini 1873 (Bibliotheca rerum Gcrmani- carum iomus VT). Ermenrici Elwangensis epistola ad Grimoldum abbatem ex codice 5. Galli edita. Programm der Universit&t Halle, 1873. Grabschrift aus dem VIII. Jh., ZfdA. XVI (1873), 279, 436. Zur Tierfabel, ebenda 480. Zu den Gesta Berengarti imp., Forsch. XIII (1873), 415 507. Cber Ermenrich von Ellwangen und seine Schriften, ebenda 475 485; XIV, 403. Handschriftliches (Metzer Totenbuch), Forsch. XIII, 596 bis 602. Gedichte vom Hofe Karls des Gr., ZfdA. XVII (1874), 141 146. Gedichte des Naso, ZfdA. XVIII (1875), 58—70, 280. Grabschrift des Grafen Senebald, ebenda 306 bis 308. Freisinger Totenbuch, Forsch. XV (1875), x^2 *66. Italienische Konigsurkunden des X. Jahr., ebenda 363 370. Kaiser Otto der Grofie. Begonnen von Rudolf Kbpke, vollendet von E. D. Leipzig 1876 (JahrbUcher der deutschen Geschichte). Cber die Ent- stehung der Monumenta Ger maniac y Im Neuen Reich 1876. Die Gegenreformation in Oberbsterreich, ebenda 1876, I, 386—406. Grabschrift des Abtes Walahfrid, ZfdA. XIX (1876), 113. Weiflenburger Gedichte, ebenda 115 118. Zu der Schrift von der Herkunft derSchwaben, ebenda 130 132. Gedichte auf Ge wander, ebenda 1 46. San gall er Ratsel gedicht, ebenda 386. Versus Ratbodi, ebenda 388. Gedicht Walahfrids an Kaiser Lothar, ebenda 462 465. Kolner BUcherkatalog, ebenda 466. Glossen zu Walahfrids Gedichten, ZfdA. XX (1876), 114; XXII, 256. Altdeutsche Namen, ZfdA. XX, 115. Zur Tierfabel, ebenda 213. Aus einer Fuldischen Hds. (Fuldaer Totenbuch), Forsch. XVI (1876), 168 177. Gedichte aus dem XII. Jh., ebenda 576; XVII, 639. Gedichte aus dem XI. Jh., NA. I, (1876), 175 185; III, 659. Aus Handschriften, NA. I, 584 586; III, 187— 191, 405 bis 411, 660; IV, 176—183, 397—400; V, 427—437, 621—636; X, 610; XI, 404—412, 455 466. Gesta Apollonii, regis Tyrii, Berolini 1877. Gedichte Alcuins an Karl den Gr. ZfdA. XXI (1877), 68 71. Gedichte an Prudentius, ebenda 77—84. Gedichte des Paulus Diaconus, ebenda 470 473. Gedichte aus Frankreich, NA. II (1877), 222 230. Unge- druckte Grabschrift, ebenda 601 604. Zur Sittengeschichte des MA., ZfdA. XXII (1878), 256. Lorscher Ratsel, ebenda 258. Lateinische Ratsel, ebenda 421. Lateinische Sprichwbrter, ebenda 422. Gedicht fiber die sechs Weltalter, ebenda 423. Das Reich der Schatten. Ein Uberblick der antiken Vorstellungen des Jenseits. Deutschevangel. Blatter IV (1879). Cber die Gedichte De cuculo, ZfdA. XXIII (1879), 67—70. Rythmen aus der karoling. Zeit, ebenda 261. Der Dichter Theodofridus, ebenda 280. Die handschrifdiche Cberlieferung der lateinischen Dichtungen aus der Zeit der Karolinger, NA. IV (1879), 87 bis 159, 239 322, 511—582, 632, 633. Weitere karolingische Rythmen, ZfdA. XXIV (1880), 151 156. Ein Schreiben Meinzos von Konstanz an Hermann den Lahmen, NA. V (1880), 202-^206. Rythmorum ecclesiasticorum aevi Car o lint specimen, Berolini 1881. Poeiae latini aevi Carolini (MG.) I (1881), II (1884). Mittelalterliches Ruderlied, NA. VI (1881), 190. Verse des XI. Jh., ebenda 443 446. Walahfrid Strabus liber deutsche Sprachc, ZfdA. XXV (1881), 99. Karl d. Gr., Allgem. d. Biographie XV (1882), 127 bis 152. Ungedruckte Briefe, NA. VII (1882), 191 194. Zu den karoling. Formelsammlungen, ebenda 401 403. Gedichte aus MUnchener Hds., ebenda 605 613. Ludwig d. Fromme, Zts. fUr allgem. Gesch. 1884. Nochmals die Grabschrift des Erzb. Lul, Forsch. XXV (1885), 177. Das Marty rologium Notkers, ebenda 195 220. Zum Paulus Diaconus, NA. X (1885), 165. Lateinische Gedichte des IX. XI. Jh., ebenda 331 357, 610. Gedicht an Leopold v. Ranke (Th. Tbche, Leopold v. Ranke an seinem 90. Geburtstage, S. 35). Nasos (Modoins) Gedichte an Karl den Gr., NA. XI (1886), 75—91. Zur Geschichte des In- vestiturstreites im Bistume Lttttich, ebenda 175 194. Ein Nachtrag zu Einhards Werken ebenda 231 238. Geschichte des ostfrankischen Reiches, 2. AufL, 3 Bde., Leipzig 1887, 1888. Ermahnungsschreiben an einen Karolinger, NA. XIII (1888), 191— 196. Briefe und Verse des DC. Jh., ebenda 343, 363, 648; XV, 627. Tragische Motnente in der deutschen

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DUmmler.

Geschichte. Vortrag, geh. am 8. Marz 1888 in Halle (Deutschevangel. Blatter XIII). An- trittsrede in der Berliner Akademie mit Antwort Mommsens (BA. SB. 1889). Libelli de lite imperatorum et ponli/Scum, torn. I III, 1891 1897 (MG.). Legenden vom h. Nicolaus, ZfdA. XXXV (1891), 401 406. Epistolae Merowingici et Karolini aevi, torn. I, 1892 (MG.). Zu den Mirakeln des hi. Nicolaus, ebenda XXXVI (1892), 238. Zu den Ge- dichten des Paulus Diaconus, NA. XVII (1892), 397 401. Aus dem Reisetagebuche eines jungen Ztirichers (Job. Heinricb Landolt) in den Jabren 1782 1784, Neujahrsblatt, brsgg. von der hist. Komm. der Provinz Sacbsen, Heft 16, 1892. Aus dem Briefwecbsel Wilbelm Wattenbacbs, o. O. u. J. Zur Lebensgescbicbte Alcbuins, NA. XVIII (1893), 51 bis 70. Sigeberts von Gembloux Passio s. Luciae virginis, Berlin 1893 (BA. Abb.). Zur Abstammung Heinricb I. von den Karolingern, Deutsche Zts. fllr Gescbichtsw. IX (1893), 319 321. Zu Udalricb v. Babenberg, NA. XIX (1894), 222 227, 720. Waitz und Pertz, NA. XIX, 269 282. Ober Leben und Schriften des Mttnches Theoderich v. Amorbach, Berlin 1894 (BA. Abh.). Eine Schilderung Kaiser Joseph II. und seines Hofes (von J. H. Landolt), Deutsche Zts. fur Geschichtswissensch. XI (1894), '65 l7&- Epistolac Karolini aevi, torn. II, 1895 (MG.). Zu Petms v. Riga, NA. XX (1895), 231. Cber den Mttncb Otlob v. S. Emmeram, Berlin 1895 (BA. SB.). Ober Leben und Lebren des Bischofs Claudius von Turin, Berlin 1895 (BA. SB.). Versus de Jacob ct Joseph, ZfdA, XL (1896), 375; XLII, 121. Zu den formulae Augienses, NA. XXI (1896), 301. Eine Aufzeichnung aus Lorsch, NA. XXII (1897), 289. Cber den Furor Teutonicus, Berlin 1897 (BA. SB.). Verse und Satire auf Rom, NA. XXIII (1898), 204. Ober die Entstebung der Lorcher Falschungen, Berlin 1898 (BA. SB.). Gedachtnisrede auf W. Wattenbach, Berlin 1898 (BA. Abh.). Hrabanstudien, Berlin 1898 (BA. SB.). Cber eine Synodal rede des Papstes Hadrian II, Berlin 1899 (BA. SB.). Epistolae Karolini aevi, torn. Ill, 1899 (MG.). Theodor Sickel, Ducatus Burgundiac, quo modo et quo jure dclatus est ad gen tern Valesiam? Dissert, zum 16. August 1900, hrsg. von E. D. Berlin 1900. Brief e aus der Zeit Karls des Kahlen, NA. XXV (1900), 189. Ein Brief an Ktmig Heinrich IV., ebenda 205. Gcdicht auf die Simonie, ebenda 820. Zum ersten Bekanntwerden Otfrids, ZfdA. XLIV (1900), 316. Radberts Epttaphium Arsenii, Berlin 1900 (BA. Abh.). Ober den Dialog De statu s. ecclesiae, Berlin 1901 (BA. SB.). Zu Remigius von Auxerre, NA. XXVI (1901), 565. Zu Heriger von Lobbes, ebenda 755. Das Glaubensbekenntnis des Schulmeisters Rihkarius, NA. XXVII (1902), 503. Eine Streitschrift fttr die Priesterehe, Berlin 1902 (BA. SB.). Epistolae Karoltni aevi, tomi IV. pars prior, 1902 (MG.). Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter bis zur Mitte des XIII. Jh. von W. Wattenbach, I. Bd., siebente von E. D. umgearbeitete Auflage. Stuttgart u. Berlin 1904.

Quellen: Zur eigenen Lebensgeschichte, von Leopold v. Ranke, hrsg. von Alfred Dove, Leipzig 1890 (Werke 53. u. 54. Bd., 424, 437, 594). Angelo de Gubcrnatis, Die* tionnairc international des ccrivains du jour I (1888), 870. Hinrichsen, Das literarische Deutscbland, 2. Aufl. (1891), 297. Herrn Ernst DUmmler zum funfzigjahrigen Doktorjubi- laura am 5. August 1902. Die k. preuB. Akademie der YViss. Festschrift des thiiring.- sachs. Geschichtsvereins . . . Ernst Dummler dargebracht zu der Feier seines funfzigjahrigen Doktorjubilaums, Halle a. S. 1902. Rodenberg in der Hist. Vierteljahrsschrift (1902), 587. H. Brefilau im Neuen Archiv XXVIII (1903), 521. Redlich im Almanach der kais. Aka- demie der Wiss. LIII (1903), 315. J. Friedrich in den SB. der k. bayx. Akademie der Wiss. Phil. hist. Kl. 1903, 252. J. P. in der Leipziger Ulustr. Zeitung 1902, Nr. 3091 (Bd. CIX, 472), mit Bild. Ober seinen Vater Allg. d. Biogr. V, 460 und die Artikel in Brockhaus und in Meyers Groflem Konversationslexikon ; tiber den Sohn Ferdinand Stud- niczka in der Ailg. d. Biogr., XLVIII, 163 und Karl Joel in der Sonntagsbeilage Nr. ^ der Allg. Schweizerzeitung in Basel vom 20. Dezember 1896. Die »Mitteilungen aus dem Literarurarchive in Berlin 1904, Historikerbriefec waren mir nicht zuganglich. Mit besonderem Dank babe ich der UntersttLtzung zu gedenken, die mir die Tochter Dtimmlers. Frau Professor Hildegard Behrend in Kiel, und sein Schwiegersohn, Heir Hofrat Dr. Adolf v. Liebenberg de Zsittin in Wien, zuteil werden lieflen. Karl Uhlirz.

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Byr, Robert,1) Schriftstellername fur von Bayer, Karl Robert Emanuel, k. k. Rittmeister und Schriftsteller, * 15. April 1835 in Bregenz, f 30. Juni 1902 in Baden bei Wien. B. war der Sohn eines deutschbOhmischen Feldarztes und der Deutschungarin Elisabeth Neupauer aus Raab. Die Kindheit ver- brachte er grOfltenteils (1836 1845) in Odenburg, besuchte dann durch sieben Jahre die Milit&rakademie in Wiener Neustadt, in der er sich stets als einer der besten Zdglinge bew&hrte, und trat 1852 als Leutnant in das Regiment der Radetzky-Husaren. Dieses lag damals in Mailand und wurde 1853 in der gegen Tessin aufgestellten Postenkette verwendet. Im folgenden Jahre kam es nach Wien, 1855 1857 nach Salzburg und Ober&sterreich und hier- auf nach Prag. 1859 riickte B., der vier Jahre vorher Oberleutnant geworden war, zum Rittmeister vor und wurde dem Generalstab des Reitereikorps zu- geteilt, welches an den Rhein bestimmt war. Der rasch geschlossene Friede verhinderte eine Betatigung in dieser Stellung. 1862 wurde das Regiment nach Ungarn versetzt, B. aber trat damals in den Ruhestand und wahlte seinen Geburtsort als Aufenthalt, dem er bis zu seinem Tode treu blieb. Er vermahlte sich dort im November 1862 mit Antonie Begg von Albansberg, der Tochter eines ftsterreichischen Majors, welche am 31. Januar 1898 starb.

B.s Neigung zur Dichtkunst entfaltete sich schon friih und er versuchte sich spatestens seit 1852 in zahlreichen Gedichten. Heine scheint auf ihn machtig eingewirkt zu haben, wenigstens hatte er »das Buch der Lieder mit heiBer Gier verschlungen*. In die Offentlichkeit trat er 1858 in der Prager Zeitschrift »Erinnerungen« mit den Erzahlungen: »Der Raritatensammler« und »Tschau«, denen bald andere folgten. Die frische und anspruchslose , mit reichlichem Humor gewvirzte Bearbeitung der Stoffe, welche der Verfasser aus Erlebnissen sch6pfte, lieB von ihm urspriingliche Leistungen erwarten, wenn auch Hackl£nder, Winterfeld und selbst Ebersberg ihn einigermafien beeinflufiten. Ein Pseudonym wahlte der junge Schriftsteller, weil die Ar- beiten der Offiziere vor der Drucklegung einer Zensur unterlagen; den einmal gewahlten Namen setzte er aber auch spater seinen Werken vor. Das erste, welches ihn in weiteren Kreisen bekannt machte, waren die »Kantonierungs- bilder* (i860), ein Milit£rroman, der das osterreichische Soldatenleben, zumal das der Offiziere, keck und richtig zeichnete und zugleich eine gute Schule fur den Stil des Verfassers bildete. B. stand in Prag auch in Beziehungen zum Theater. Im Februar 1861 wurde dort mit giinstigem Erfolg sein kleines Lustspiel aufgefiihrt, das den seltsamen Titel: x=a* + logb trug. Der hiibsche Gedanke des Stiickes, nach welchem ein Student, der die Ferien im elterlichen Hause verbringt, sich so lebhaft mit der Ldsung der obigen alge- braischen Aufgabe besch&ftigt, dafl er durch sein nachdenkliches Wesen in den Verdacht der Verliebtheit gerat und seine AngehGrigen sich teils fur, teils gegen seine Verbindung mit dem nur vermuteten Gegenstande seiner Neigung erkl&ren, bis endlich das Mifiverst£ndnis sich aufhellt, war zwar etwas zu weit ausgesponnen ; dagegen riihmte man die scharfe Charakteristik der Personen und den glatten Flufl des Dialogs, der mit Schlag- und Witz- worten aus dem neuesten politischen Leben gewiirzt war. B. hatte aber auch schon ein funfaktiges Drama: »Herzog Adelgar von Bayern« vollendet, mit

») Totenliste 1902 Band VII 10*.

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dem er sich, wie es scheint, 1868 nochmals beschaftigte. Er verfaflte auch den Prolog, welcher am 6. April 1861 vor der Festvorstellung zur Feier der Er6ffnung des wiedererweckten bShmischen Landtags im stSndischen Theater gesprochen wurde. Damals hoffte man noch, dafl das freie Manneswort nicht trennen, sondern einigen und versohnen werde. Endlich sei noch das i860 erschienene Gedicht »Alpr6slein« erwahnt, eigentlich eine Anzahl von Romanzen, welche die Liebe einer hubschen Forsterstochter zu einem braven Burschen schildern; dieser wird in der Waldschanke zu Trunk, Spiel und Wildschutzenleben verfiihrt und endet auf der Flucht vor den Jagern durch einen Sturz vom Felsen. Den Hohepunkt bildet der Todeslauf des Schutzen. Es findet sich aber auch viel Siifiliches in den Versen. Die Sprache leidet stellenweise an Harten und unstatthafter Abwerfung von Biegungsendungen. Fassen wir das Ergebnis dieser Prager Periode zusammen, so sehen wir in ihr Vorl&ufer der Schopfungen B.s auf alien Gebieten der Dichtkunst, auf denen er sich spater betatigte: des Romans, der Novelle, der dramatischen und lyrischen Poesie.

Die Ubersiedelung nach Bregenz hatte fur B. ihre Licht- und ihre Schattenseite. Die kleine Stadt bot wenig Anregung und noch weniger Ge- legenheit zu Zerstreuung; um so leichter konnte sich B. mit grOfltem Eifer der Schriftstellerei' widmen. Im Winter war er gewifi der fleifligste Mann im Stadtchen; da spann er sich formlich ein in die Welt seiner Romane, formte deren Gestalten und webte den bunten Teppich ihrer meist vielverschlungenen Handlungen. Ein trautes Heim in der stattlichen alten Rentei mit ihren ritterlich geschmuckten Vorhallen und schOnen Gemachern gew&hrte einen weiten Blick auf den herrlichen See und die stolzen Berge und umhegte ein stilles Familiengliick. Unter solchen Umstanden flofi die rauhe Jahreszeit meist rasch voriiber, und im Sommer bietet Bregenz ja so viele landschaft- liche Reize. Eifrig verfolgte B. die Weiterentwicklung der sch&nen Literatur und studierte philosophische, geschichtliche und naturwissenschaftliche Werke. Auch entbehrte er nicht anregenden Verkehrs. Sein Schwager Alfred Meiflner lebte durch Jahre mit ihm unter einem Dache, und Karl Gutzkow hielt sich langere Zeit in Bregenz auf, so dafl man mit Recht von einem »Poetenwinkel am schwSbischen Meere« sprach; am haufigsten aber wanderte B. zu A. W. Grube, dem bekannten P&dagogen und Jugendschriftsteller. Das waren freilich insgesamt »Fremde« ; doch auch unter der Biirgerschaft und den Beamten gab es gebildete und strebsame Manner, mit denen er gerne allerlei besprach. Allein es drangte ihn zeitweilig hinaus in die weite Welt. Die Osterreichi- schen Alpenlander, B6hmen und Ungarn, hatte er zum Teil schon friiher kennen gelernt, ebenso die Lombardei; allmahlich fiihrten ihn seine Reisen nun nach Deutschland und der Schweiz, nach Siebenburgen, Rum£nien, Serbien, Italien bis in den Siiden, nach England, Schweden und Norwegen und zweimal nach Paris. Nach Wien kam er jahrlich und in den spateren Jahren gebrauchte er regelmaflig eine Kur in Baden in Nieder6sterreich. Er war ein scharfer Beobachter der Natur und der Menschen, der Trachten und Sitten, ein Freund der Kunst und der Geschichte, ein sorgf&l tiger Erwager der sozialen Verhaltnisse und politischen Schwankungen. Was er in den verschiedenen Landern sah und lernte, wuflte er in seinen Romanen wohl zu verwerten. Er schrieb auch Reisebilder und Schilderungen. Wir erw&hnen

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nur das Biichlein: »Paris al fresco«, eines der Ergebnisse der Reise zurWelt- ausstellung von 1867. Es erlebte alsbald eine zweite Auflage, verkundete mit kiihner Sicherheit den Sturz des Kaisertums und schilderte die Ausartungen der Weltstadt Bezeichnend fur B.s Ansichten ist derSatz: »Wo der Grund- stein der Gesellschaft, die Familie, in Schlamm versinkt und der ZerstOrung preisgegeben ist, dort weichen mit ihr auch die Anregungen und Prinzipien, welche die Interessenverbindung einer ganzen Nation, eines Staates veran- lassen, konsolidieren und heiligen. Wer nicht fur die Familie, die er hat oder grunden will, arbeitet, der arbeitet schlecht oder gar nicht. « B.s Reisen verfolgten auch den Zweck, Verbindungen mit hervorragenden Schriftstellern anzukniipfen oder zu erneuern. Von Osterreichern, die ihm nahe standen, nennen wir Jos. Bayer, Franzos, Grasberger, Kiirnberger, Ed. Mauthner, Saar, Silberstein und Josef Weilen; in der benachbarten Schweiz und am Bodensee verkehrte er mit J. J. Honegger, Johannes Scherr, Lingg und Scheffel; andere Siiddeutsche, die er zumeist in Miinchen kennen lernte, waren Auerbach, Greif, Heigel, Hopfen, Hermann von Schmid und Steub; unter den Nord- deutschen seien Frenzel, Jensen, Kaden, Laube, Rodenberg, Spielhagen und Wilbrandt genannt.

B. trat auch in Beziehung zu wichtigen Zeitschriften und Zeitungen in Deutschland und Osterreich, und sie dffneten gerne ihre Spalten seinen Reise- bildern, Kritiken, Skizzen, Romanen und Novellen. Denn auch die gr6fieren Arbeiten erschienen vor der Buchausgabe zumeist in Zeitschriften, so beson- ders in der »Deutschen Romanzeitung«, in der »Gartenlaube«, in »Vom Fels zum Meer«, in der »Illustrierten Welt«, in »Uber Land und Meer« usw. und fanden lebhaften Beifall. Schon aus diesem Umstande allein kOnnte man schliefien, dafi B. die Technik des Romans vollkommen beherrschte und dafl er fesselnd und spannend zu erzahlen verstand. Allein mit einem solchen Urteile kann B. nicht abgetan werden. Man mufl vielmehr zugestehen, daB er einen hochgebildeten Geist besafi, der mit scharfem Blicke die mannig- faltigen Richtungen seiner Zeit, die leidenschaftlichen K£mpfe auf den Ge- bieten des religiftsen, staatlichen und gesellschaftlichen Lebens, die m£chtigen Fortschritte der Wissenschaft und die durch diese bedingte Fbrderung des Verkehrs und der Industrie beobachtete; dafi es ihm aber auch gelang, lebens- wahre Ges taken zu schaffen, in weichen sich gleichsam die leitenden Gedanken der Gegenwart verk6rperten. So hielt er seiner Zeit einen Spiegel vor, der ihr weder schmeichelte, noch ihre Zuge verzerrte. Er zeigt die guten und schlimmen Folgen der verschiedenen Stromungen ohne vordringliche Lehr- haftigkeit, aber klar und anschaulich. Uber die Stellung des Dichters zu den brennenden Fragen bleiben jedoch die Leser nicht im Zweifel; dariiber unterrichtet sie der Gang der Handlung, die Charakteristik der Personen, der Gedankengehalt der Gesprache und Witz und Satire, die in der Darstellung nicht selten hervorbrechen. Es ist kein Zweifel. dafi Spielhagen einen grofien Einflufi auf B. ausubte. Hermann Eth6 nennt ihn geradezu einen »osterreichi- schen Spielhagen« und verteidigt diese Bezeichnung, wenn auch im einzelnen sich vieles dagegen einwenden lasse, im grofien und ganzen als zutreffend, »da beide Autoren Streiter fur dieselben Prinzipien, ebenbiirtige Ringer nach demselben kunstlerischen Ziel und gleich epochemachende Vertreter einer neuen, sich mehr und mehr bahnbrechenden Richtung in der deutschen

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Romanliteratur sind«. Erreicht er auch sein Vorbild nicht ganz in der zaube- rischen Schonheit der Sprache und in der vollen Gewalt epischer Schilderung, »so ist er ihm doch vollig ebenbiirtig in Gedankenreichtum und Tiefe der Charakteristik«. Auch Gottschall nennt ihn einen geistreichen Autor, der vielen Lieblingen des Tages durch kunstlerische Gliederung seiner Werke uberlegen sei. B. hat jedoch durch seine auflerordentliche Fruchtbarkeit seinem Ruhm geschadet; denn es ist selbstverstandlich, dafi von ungefahr 40 Romanen nicht alle auf gleicher H6he stehen, nicht alle ausgereift sein konnen; die schwacheren Schopfungen aber warfen einen Schatten auf die besseren und gewahrten den nachriickenden stiirmischen Neuerern die MOglich- lichkeit, den Dichter durch Stillschweigen zur Seite zu driicken, oder ihn zu verkleinern und lediglich unter die »Unterhaltungsschriftsteller« zu reihen.

Wir miissen uns darauf beschranken, aus der Menge der Werke B.s nur einige hervorzuheben. Der erste Roman, in dem sich Spielhagens Einflufi gel tend macht, sind die »Osterreichischen Garnisonen« (1863), ein buntes Gemalde des Lebens der kaiserlichen Offiziere zu Beginn der zweiten Halfte des vorigen Jahrhunderts. Dieser Roman und »Ein deutsches Grafenhaus* (1866) fallen in die Obergangsperiode zwischen den friiher erwahnten eigent- lichen Jugendwerken und denen der Zeit der Reife.

An der Spitze dieser Schfcpfungen steht »Mit eherner Stirn« (1868). Sie entnimmt ihren Stoff der adeligen Gesellschaft. Die Moral des Werkes liefie sich etwa in den Worten wiedergeben: Das in seinem innersten Wesen An- gefaulte ist der Vernichtung preisgegeben und kann selbst durch die Anwen- dung der starksten und ruchlosesten Mittel nicht erhalten werden; aber auch die Keime frischen Lebens konnen nur gedeihen durch kr&ftigen und fort- gesetzten Kampf um das Dasein. »Der Kampf urns Dasein« (1869) heiflt denn auch B.s nachster, umfangreichster und geistig gehaltvollster Roman. Er fand viele Anerkennung sowohl bei der Kritik als beim Lesepublikum. Johannes Scherr behauptete in einer Besprechung, dafi von alien den fur »klassisch« ausgeschrienen Romanen der Modenovellisten kein einziger auch nur entfernt mit diesem sich messen k5nne. Gleichwohl wuchern in ihm eine Menge Gesprache iiber die verschiedensten Lebensf ragen , welche wohl besser gekiirzt und teilweise ganz beseitigt worden waren; dadurch hatte der Verfasser einen rascheren Gang der Handlung und eine groflere Wirkung der geistreich aufgestellten Gegensatze erzielt. Es hat in dieser Hinsicht vielleicht Gutzkow mit seinen neunbandigen Romanen einen ungiinstigen Einflufi auf unsern Dichter geiibt. Jedenfalls stehen vom kunstlerischen Standpunkte aus betrachtet einige spatere Werke B.s unbedingt hoher. Auber Forestier (Mifi Woodward) liefi dem Roman eine Obersetzung oder vielmehr eine gekiirzte Bearbeitung in englischer Sprache angedeihen, wie sie das auch mit »Sphinx« (1870) tat. Dieser Roman ist kein philosophischer, sondern gehftrt zu den psychologischen, in denen uns alle die Empfindungen der Seele und ihre oft ratselhaften Entwicklungen und Wandlungen dargestellt werden. Aber freilich lafit sich auch ein philosophischer Roman nicht ohne psychologischen Einschlag denken, und B. liebt selbst in den Erzahlungen, in denen die psychologische Fuhrung die Hauptsache ist, die Hereinziehung der groflen Fragen des Lebens. Das beweist z. B. »Gita« (1877). Von seiner »hoheren Warte« aus betrachtet hier der Dichter das bunte Getriebe der Welt, das

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Gewoge der mannigfaltigen Lebenskreise, den Wettstreit der selbstsiichtigen Interessen, die Offenbarung ewiger Gesetze im Zufall der Erscheinungen, alle die Schattierungen des menschlichen Empfindens und Wollens. Die Haupt- handlung ist verflochten mit einer Kette von Nebenaktionen und uberdies fehlt es nicht an Episoden, die manchmal scheinbar etwas fernab liegen, dann aber doch ihre treibende Kraft offenbaren. Der Meister der Technik zeigt sich in der Sicherheit, mit der er den Stoff gruppiert. Gleichwohl packt uns noch mehr die Vertiefung der Charaktere, die Welt der Innerlichkeit, die bestimmend auf die aufieren Ereignisse einwirkt und wieder von diesen beeinflufit wird. Der Wechsel der Szene wird iibertroffen durch die Mannig- faltigkeit der PersSnlichkeiten, doch fehlt es auch keineswegs an stimmungs- vollen Landschaftsbildern.

Auch unter den spateren Romanen finden wir solche, die den friiheren gewifi nicht nachstehen. Wir nennen »Dora« (1886), »Rutschepeter« (1892) und »Sternschnuppen« (1897). Ein sehr hiibsches Buch ist: »Ein Reiter- schwert« (1894), ein vortrefflicher geschichtlicher Roman. Er erzahlt die Geschichte eines pflichttreuen , ruhmvollen Soldaten, des spateren Freiherrn von Pforzheim, der es im Regimente de Ligne (spater Latour, jetzt Windisch- gratz-Dragoner) vom jungen Volontar bis zum Major und nach Unterbrechung der Dienstzeit bis zum Obersten brachte und als solcher in der Schlacht an der Roer (1. Marz 1793) den Heldentod fand. Der Aufstand Belgiens gegen Josef II. und der Kampf gegen Frankreich ziehen hier an uns voriiber, wahrend die bewunderungswurdigenTaten des Regiments imsiebenjahrigenKriege, zumal seine entscheidendeLeistung in derSchlacht vonKollin, uns nur inderErinnerung des Helden, aber deshalb nicht minder anschaulich vorgefiihrt werden. Die leb- hafte Schilderung der Kampfe, das farbenreiche Bild soldatischen Lebens, die treffliche Zeichnung der militarischen Tugenden, die vaterlandische Gesinnung, die ohne Vordringlichkeit und deshalb eben um so wirksamer aus jeder Seite des Buches spricht, reifien den Leser hin. Das alles ist kiinstlerisch ver- flochten mit der Liebesgeschichte Justinens, der Nichte Pforzheims und des Barons La Marche, eines Anhangers der Revolutionspartei, dem es gelang, bei dem schonen Madchen dem bescheidenen, edeln und tapferen Offizier Mesemacre den Rang abzulaufen, Pforzheim, Mesemacre und seine Mutter sind denn auch die anziehendsten und mit Meisterschaft gezeichneten Cha- raktere der Dichtung. Diese verdiente ein Volksbuch zu werden; es sollten nur die franzSsischen Stellen des Textes das Regiment war ja ein wal- lonisches verdeutscht werden.

Unter den Novellen B.s finden sich die besten in den Sammlungen: »Quatuor« (1875) und » Aquarelle* (1892). In jene sind der »Rodenhof« und »Unter der Asche« aufgenommen, die schon bei ihrem ersten Erscheinen vielen Beifall fanden, in dieser scheinen uns »Vertrackte Leute« und die »Spat- lauber« am bedeutendsten. Beide sind von durchaus origineller Erfindung und die »Spatlauber« zugleich voll des gesundesten Humors.

Von dramatischen Dichtungen B.s erlebte das Trauerspiel »Lady Gloster« (1869) im Burgtheater vier, das Schauspiel »Der wunde Fleck« (1872) ebendort fiinf Auffuhrungen ; beide erschienen im Buchhandel (1872 und 1885). Es fehlte ihnen nicht an schSnen Szenen, aber im ganzen erwiesen sie sich auf der Biihne nicht wirksam. Andere Versuche auf diesem Gebiete blieben Manuskripte.

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Um sein Heimatland Vorarlberg hat sich B. noch besondere Verdienste erworben. Kaum hatte er sich in Bregenz niedergelassen, so studierte er eifrig die Geschichte des Landes und schon 1865 verOffentlichte er als ein sehr erfreuliches Ergebnis seiner Forschungen das wertvolle Buch: »Anno Neun und Dreizehn«. Es behandelt in der Form des historischen Romans die Kampfe der Vorarlberger im Jahre Neun unter besonderer Hervorhebung der Ver- dienste des klugen standischen Generalkommissars und tapferen Oberbefehls- habers Dr. Anton Schneider und seiner Schicksale bis zu seinem 1820 erfolgten Tode. Alle irgendwie bedeutenden Vorgange und alle angefiihrten Schrift- stiicke sind den verl&filichsten Quellen entnommen. Dieses »biographische Gedenkblatt aus den deutschen Freiheitsk&mpfen« vertritt denn auch bis heute in Vorarlberg die Stelle eines annoch fehlenden geschichtlichen Buches fiber das Jahr Neun und das an Wechselfallen so reiche Leben Dr. Schneiders. Die Charakteristik der Hauptpersonen : des Helden, seiner Frau, der Majore Nachbauer, Miiller u. a. ist vortrefflich gelungen, die Gefechte sind klar, anschaulich und sachgemfifl dargestellt, die Gefangenschaft Schneiders auf dem Hohen Asperg, in Lindau und auf dem Spielberg wird ergreifend geschildert Das Buch hatte in alle D6rfer, ja in alle HSuser des Landes dringen sollen. Es fand jedoch bei weitem nicht die verdiente Wiirdigung. Aber wenigstens der Landtag von Vorarlberg erklarte in der Sitzung vom 25. November 1865 durch Erhebung der Mitglieder von ihren Sitzen, dafl er dem Verfasser »fiir dieses Zeichen vaterlandischer Gesinnung zu groflem Danke verpflichtet bleibe«.

B. wandte seine Aufmerksamkeit auch den nicht minder ruhmvollen K&mpfen der Vorarlberger in den Jahren 1796 1800 zu und wahlte den merkwurdigsten Mann des Landes in jener Epoche, Joh. Jos. Batlogg, der in noch hdherem Grade ein Martyrer seiner Vaterlandsliebe wurde als Schneider, zum Helden der Erzahlung: »Der Landammann von Montavon* (Ulustrierte Welt, 1874). Obwohl Batlogg und seine Frau ebenso treu und trefflich gezeichnet sind als Dr. Schneider und seine Marie und das Haupt- geruste der Handlung gleichfalls nach verl&filichen Angaben gezimmert ist, so war der Verfasser doch in diesem Falle, namentlich betreffs der Ermor- dung des Kreishauptmanns Indermauer, nicht so gut unterrichtet als in den Ereignissen von 1809; besonders verfehlte er die Charakteristik des Kreis- hauptmannes und des Hauptanstifters des Mordes, welchen er in einer Weise idealisierte, deren er durchaus nicht wiirdig ist. B. gab deshalb diese Er- zahlung, als ihm sein Irrtum bekannt wurde, nicht mehr gesondert heraus, war aber zu einer Umarbeitung nicht zu bewegen.

B. war stets ein eifriges Mitglied des Vorarlberger Museumsvereines und des »Vereines fur Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung*. In den Schriften des letzteren verOffentlichte er »Die Einnahme der Stadt, des Passes und Schlosses Bregenz durch die Schweden im Jahre 1647^ (1873) und »Hexen- prozesse in Bregenz« (1887). Die Jahresberichte des ersteren brachten von ihm: »Die Berennung von Bregenz im Jahre i744« (1896), »Die St Martins- kapelle in der Oberstadt Bregenz« (1895) und die Beschreibung der Lebens- laufe August Wilhelm Grubes (1884) und Dr. Samuel Jennys (1900). Es sind dies historische Studien, die alien Anspriichen geniigen. Schon in den sieb- ziger Jahren hatte B. die Ordnung der Bucherei des Museums durchgefuhrt

Byr. 41 1

und einen Katalog derselben angelegt. Fur seine vielen Verdienste urn den Verein ernannte ihn dieser 1898 zu seinem Ehrenmitgliede,

Oberhaupt hegte B. lebhafte Teilnahme fur alle geistigen Regungen in seinem Heimatlande und stand mit den meisten Schriftstellern desselben in Verkehr, Diese widmeten ihm zu seinem 60. Geburtstage die »Dichterstimmen aus Vorarl- berg«, wie er dem Lande einige seiner besten lyrischen Gedichte geweiht hatte.

B. war sehr grofi und kraftig gebaut; er besafi einen interessanten Kopf mit dunkeln geistvollen Augen und behielt seine aufrechte militarische Hal- tung und seinen geraden Gang auch in den vierzig Jahren seines »Ruhe- standes« bei. Gerade und aufrecht schritt er auch in anderem Sinne durch das Leben und gewann durch seine vornehme Gesinnung die Achtung aller, die ihn naher kannten.

WerkeB.s: Kantonierungsbilder, 2 Bande (Prag, Bellmann, i860); Alprftslein, Gedicht (ebenda i860); Osterreichische Garnisonen, 4 Bande (Hamburg, Hoffmann und Campe, 1863); Anno Neun und Dreizehn (Innsbruck, Wagner, 1865); Auf der Station, Skizzen und No- vellen aus dem Soldatenleben , 2 Biindchen (Berlin, Gerschel, 1865 und 1866); Ein deut- sches Grafenhaus, 3 Bande (Berlin, Janke, 1866); Mit eherner Stirn, 4 Bande (ebenda, 1868); Schlachten und Kampfe (VVien, »Kamerad«, 1868); Paris al fresco, 2. Aufl. (Berlin, Janke, 1868); Les amours de Paris (ebenda, 1868); Der Kampf ums Dasein, 5 Bande (Jena, Costenoble, 1869); Sphinx, 3 Bande (Berlin, Janke, 1870); Zwischen zwei Nationen, 3 Bande (ebenda, 1871); Nomaden, 5 Bande (Leipzig, Gunther, 1871); Auf abschilssiger Bahn, 4 Bande (Berlin, Griitz, 1872); Lady Gloster, Trauerspiel (Leipzig, Reclam, 1872); Wrack, Zwei Erzahlungen (Trtimmer, Der Tuwan von Panawang), 4 Bande (Leipzig, Gunther, 1873); Der Landammann von Montavon (»Illustrierte Welt«, Stuttgart, Hallberger, 1874); Nachruhm, 2 Bande (Berlin, Wedekind und Schwieger, 1875); Quatuor, Novellen, 4 Bande (Leipzig, GUnther, 1875); Larven, 4 Bande (ebenda, 1876); Gita, 4 Bande (ebenda, 1877); Eine geheime Depesche, 4 Bande (Jena, Costenoble, 1880); Am Wendepunkt des Lebens, 3 Bande (ebenda, 1881); Der Weg zum Herzen (Leipzig, Reiflner, 1881); Sesam, 3 Bande (Stutt- gart, Hallberger, 1881); Unversohnlich, 3 Bande (Jena, Costenoble, 1882); Andor, 3 Bande (ebenda, 1883); Lydia (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1883); Der heimliche Gast (Stutt- gart, Spemann, 1883); Soil ich? 2 Bande (Jena, Costenoble, 1884); Der wunde Fleck, Schauspiel (1885); Castell Ursani, 3 Bande (Jena, Costenoble, 1885); Dora, 2 Bande, (ebenda. 1886); Villa Mirafior (ebenda, 1886); Irrwische, 2 Bande (ebenda, 1887); Ed- wiesen, 2 Bande (Stuttgart, Hallberger, 1887); Wie es weiter noch kam (Jena, Costenoble, 1888); Waldidyll (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1889); Die Antwort Alfred Meifiners (Mlinchen, Franz, 1889); Der Weg zum Gltick, 3 Bande (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1890); 24 Stunden Hausarrest (Berlin, Eckstein, Humorist. Bibliothek Nr. 39, 1890); Wozu? 2 Bande (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1891); Ein stolzes Herz (Jena, Costenoble, 1891); Waisenmadchenhaar, 2 Bande (Berlin, Dominik, 1891); Aquarelle, Novellen, 2 Bande (Jena, Costenoble, 1892); Rutschepeter, 2 Bande (Stuttgart, Deutsche Verlagsanstalt, 1892); Der Eisenwurm, 2 Bande (ebenda, 1894); Ein Reiterschwert (Jena, Costenoble, 1894); Stern- schnuppen, 2 Bande (ebenda, 1897).

Als Quellen zur Biographie fiihren wir an: Robert Byr. Von Hermann Ethe, in »Illustr. Frauen-Zeitung*, VII. Jahrgang (1880) Nr. 6, zweites Blatt, S. 11 if. Mit dem Bildnisse des Dichters (Berlin, Lipperheide). Dr. Schmid, Karl v. Bayer. Ein Nachruf. Im 3*41. Jahres- bericht des Vorarlberger Museum -Vereins liber das Jahr 1 902/3* , S. 5 9 (Bregenz, Selbst- verlag). Dr. Schmid-Bregenz, Karl v. Bayer. In den »Schriften des Vereins fUr Geschichte des Bodensees«, 32. Heft, S. V VII. Mit dem Bildnisse des Dichters (Lindau i. B., Kom- missionsverlag von Joh. Thorn. Stettner). Gottschall, Die deutsche Nationalliteratur des neunzehnten Jahrhunderts, 7. Aufl., 4. Band, S. 249 252, 315.

Innsbruck. Hermann Sander.

A 12 von Kanitz. v. Landsberg-Velen.

Kanitz, Rudolf Graf von,1) Generalleutnant a la suite der Armee, * 14. August 1822 zu Stettin, f 25. Dezember 1902 auf Schmuggerow ini Kreise Anklam. 1840 als Avantageur in das 1. Garderegiment zu Fufi eingetreten, wurde K. August 1841 Sekondeleutnant und nach vielfachen Abkommandierungen in Adjutantenstellen 1853 zum Premierleutnant befordert. 1856 zum Haupt- mann aufgeriickt und im Oktober 1857 zum Kompagniechef ernannt, nahm er i860 mit mehreren Offizieren unter Fuhrung des damaligen Oberst von Goeben an dem Kriege zwischen Spanien und Marokko, namentlich an der Schlacht bei Wad el Ras teil, wurde nach seiner Riickkehr Kompagniefuhrer im 1. kombinierten Garde-Infanterieregiment. i860 zur Dienstleistung beim Konig Friedrich Wilhelm IV. kommandiert und zum Fliigeladjutanten des Konigs ernannt, nahm K. wiederum am spanisch-marokkanischen Krieg teil, avancierte i860 unter Belassung in der Stellung als Flugeladjutant zum Major und 1864 zum Oberstleutnant, in welchem Dienstgrade er den Krieg von 1866 im K6nig- lichen Hauptquartier mitmachte. 1866 trat er an die Spitze des 2. Garde- regiments zu Fufi, erhielt am Jahresschlufi ein Patent als Oberst und fuhrte 1870 sein Regiment nach Frankreich. Er wurde indes bereits in der Schlacht bei St. Privat durch einen Schufi in die rechte Seite des Halses schwer verwundet, nachdem unmittelbar vorher sein Pferd von einem Granatsplitter getroffen war. Mit dem eisernen Kreuz 2. Klasse und dem mecklenburgischen Militar- verdienstorden 2. Klasse dekoriert, wurde ihm nach seiner Wiederherstellung 187 1 die Fuhrung der 3. Garde-Infanterie-Brigade iibertragen. In dieser Stellung nahm er an der ersten Erstiirmung von Le Bourget sowie an dem Gefecht bei Le Bourget am 21. Dezember teil und wurde fur seine Verdienste bei ersterer mit dem eisernen Kreuz 1. Klasse, dem mecklenburgischen Milit&rverdienst- kreuz 1. Klasse sowie dem Komturkreuz 1. Klasse des sachsischen Albrechts- ordens mit der Kriegsdekoration geschmuckt.

Nach dem Kriege 187 1 zum Fuhrer und Kommandeur der 1. Garde-In- fanteriebrigade ernannt sowie gleichzeitig mit Wahrnehmung der Geschafte als Kommandant von Potsdam beauftragt, erhielt K. 187 1 unter Entbindung von seiner Stellung als Koniglicher Flugeladjutant das Patent als Generalmajor. 1874 wurde er in Genehmigung seines Abschiedsgesuches zur Disposition ge- stellt, mit der Bestimmung, dafi er fortan a la suite der Armee zu fiihren sei. 1875 erhielt er den Charakter als Generalleutnant, 1895 die Erlaubnis zum Tragen der Uniform des 2. Garderegiments zu Fufi.

Nach den Akten. Lorenzen.

Landsberg-Velen, Graf Maximilian Franz v.,2) Dr. jur.f * 17. Januar 1847 zu Schlofi Velen in Westfalen, f 31- Dezember 1902 ebendaselbst. Nachdem L. das Gymnasium zu Miinster absolviert hatte, bezog er von Ostern 1866 ab die Universitaten Bonn und Heidelberg, um sich dem juristischen Studium zu widmen, welches er mit der Doktorpromotion abschlofi. Dem Universitats- studium folgten eine Ausbildungszeit fur den staatlichen Verwaltungsdienst auf dem Landratsamt in Borken und dann langere Reisen im Ausland. Aus dem Kriege 1870/71 zuriickgekehrt, den er als Delegierter des Maltheserordens

x) Totenliste 1902 Band VII 10*. *) Totenliste 1902 Band VII 68*.

v. Landsberg-Velen. v. Mcndel-Steinfels. 413

mitgemacht hatte, wurde er 1872 als Abgeordneter fiir den Wahlkreis Borken in den Reichstag gewahlt Dort schlofl er sich der Zentrumspartei an, ist aber nie als Redner bervorgetreten.

Nach seiner im Jahre 1874 erfolgten Vermahlung mit Maria Reichsfreiin v. Vittinghoff-Schell bezog v. L. dauernd das Schlofl Velen. 1887 wurde er in den Provinziallandtag und 1890 in den Provinzialausschufi gew&hlt, und in dieser seiner Eigenschaft hat er eifrig fur das Wohl der Provinz Westfalen und besonders deren landlichen Bev6lkerung gewirkt. Als im Jahre 1895 der Grander und Vorsitzende des »Westf£lischen Bauernvereins« v. Schorlemer gestorben war, wurde v. L., welcher sich das Vertrauen der b&uerlichen Be- vdlkerung, speziell des Regierungsbezirks Miinster, in hohem Mafle erworben hatte, an die leitende Stelle des genannten Vereins berufen, und er hat dieses Amt mit Hingabe und Geschick bekleidet. Beim Tode seines Vaters im Jahre 1898 ging dessen Grafentitel und der umfangreiche Fideikommiflbesitz, zu dem eine grofle Anzahl von Giitern gehort, auf v. L. iiber. Auch als praktischer Landwirt ist v. L. stets bemiiht gewesen, bahnbrechend und vor- bildlich zu wirken, indem er sein besonderes Augenmerk auf die Urbarmachung der im Regierungsbezirk Munster noch vielfach als Odland daliegenden weiten Moor- und HeideflSchen richtete. Auf seinen Giitern hat er viele derartigen bis dahin unbenutzt daliegende Landereien zu urbarem, der Landwirtschaft dienlichem Acker-, Wiesen- und Weideland umgewandelt.

Aus seinem arbeitsamen, erfolgreichen Leben wurde v. L. im Alter von 55 Jahren unerwartet durch einen Herzschlag dahingerafft.

Literatim ^Deutsche landwirtschaftliche Presse«, Jahrgang 1903. Dr. Quante.

Mendel -Steinf els, Heinrich v.,1) LandesGkonomierat, * 1. Januar 1849, f 25. August 1902 zu Griesbach in Niederbayern. Nach Beendigung seines Schulbesuches wandte sich v. M. an der Universitat Miinchen dem Studium der Nationalokonomie und Naturwissenschaften zu und spater auf der Akademie Weihenstephan dem Studium der Landwirtschaft. Darauf war v. M. einige Jahre als praktischer Landwirt tatig, um dann nach Amerika iiberzusiedeln, wo er sich in erster Linie mit der Erforschung der Verh&lt- nisse des Ackerbaues und der Viehzucht im Westen beschaftigte. Von Amerika zuriickgekehrt wurde er 1880 zum Generalsekretar der Oldenburgischen Land- wirtschaftsgesellschaft ernannt, und nachdem er 7 Jahre lang dieses Amt mit Geschick und Erfolg bekleidet hatte, erhielt er 1887 einen Ruf nach Halle als Generalsekretar des landwirtschaftlichen Zentralvereins der Provinz Sachsen. Als im Jahre 1896 der landwirtschaftliche Zentralverein aufgelSst wurde und die Landwirtschaftskammer an seine Stelle trat, wurde v. M. zum Vorstands- mitglied und geschaftsfuhrenden Direktor der Kammer gewahlt, in welcher Stellung er bis zu seinem Tode verblieb. Infolge seines hervorragenden organisatorischen Talents verbunden mit einer glSnzenden Rednergabe ist es v. M. gelungen, das landwirtschaftliche Vereinswesen der Provinz Sachsen zu hochster Blute zu bringen und dadurch fiir die gesamte sachsische Land- wirtschaft viel Segen zu stiften.

Von dem richtigen Gesichtspunkte geleitet, dafl fiir den gedeihlichen Fortschritt im landwirtschaftlichen Gewerbe besonders der Zusammenschlufi

*) Totenliste 1902 Band VII 78*.

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Mendel-Steinfels. Wislicenus.

der Landwirte aus bauerlichen Kreisen erforderlich sei, suchte er zunachst diese fiir das landwirtschaftliche Korporationswesen zu gewinnen. Der Erfolg blieb nicht aus, denn wahrend seiner Tatigkeit in Halle stieg die Zahl der landwirtschaftlichen Vereine von ioo auf 225, wahrend sich die Zahl der Mitglieder von 10000 auf 30000 erhtthte. Trotzdem ihm beim Antritt seines Amtes der Zentralverein nur geringe pekuniare Mittel zur Verfiigung stellen konnte, hat er damit eine Menge wichtiger Einrichtungen geschaffen, die sich auf alle Gebiete des landwirtschaftlichen Betriebes erstrecken. So schuf er Organisationen fiir Ackerbau, Viehzucht und Buchfuhrung und veranlaflte die Anstellung von Wanderlehrern. Aber erst mit der Errichtung der Kammer war es v. M. vergonnt, im groflen Maflstabe gemeinnutzige Unternehmungen fiir die Landwirtschaft ins Leben zu rufen, da nun durch die Beitragspflicht s&mtlicher Landwirte der Provinz grbfiere Summen aufgebracht wurden.

Trotz der grofien Arbeitslast, welche ihm sein Posten als Direktor der Kammer auferlegte, war v. M. noch in verschiedenen anderen Amtern tatig, so unter anderem als Lektor fiir Handel swissenschaf ten an der UniversitSt Halle und als Mitglied des deutschen Landwirtschaftsrats und des Landes- Skonomiekollegiums. Ganz besonders ist aber hier noch seiner Tatigkeit als Verbandsdirektor der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Provinz Sachsen Erwahnung zu tun, da er in dieser seiner Eigenschaft vielleicht gerade die grflBten und dauerndsten Erfolge seiner Lebensarbeit aufzuweisen hat. Schliefilich gehdrte er seit 1893 demPreuflischen Abgeordnetenhause als Vertreter des Kreises Salzwedel-Gardelegen an, und mit Energie und Sch&fre hat er als Abgeordneter die Interessen der Landwirte vertreten, wobei er oft in Gegensatz zu den damaligen wirtschaftspolitischen Anschauungen der Regierung trat.

Dafl die erfolgreiche Tatigkeit v, M.s nicht nur in den Kreisen der Land- wirte hohe Anerkennung fand, sondern auch an mafigebender Stelle gebiihrend gewiirdigt wurde, zeigte sich in den vielseitigen &u8eren Ehrungen, welche dem tiichtigen VorkSmpfer der deutschen landwirtschaftlichen Interessen zuteil wurden; er war Inhaber einer grofieren Anzahl von Orden verschiedener deutscher Bundesstaaten, und im Jahre 1893 wurde ihm der Titel eines preufli- schen Landes6konomierates verliehen.

Nachdem v. M. auf diese Weise eine Reihe von Jahren im Dienste der Landwirtschaft unermiidlich gewirkt hatte, wurde er Ende der neunziger Jahre leidend, ohne sich dadurch von der Erfiillung seiner Berufspflichten abhalten zu lassen. Nachdem er sich im Sommer 1902 zur Wiederherstellung seiner Gesundheit nach Griesbach in Niederbayern begeben hatte, starb er daselbst plOtzlich infolge eines Schlaganfalles.

Literatur: ^Deutsche landwirtschaftliche Presse«c, Jahrgang 1902. Dr. Quante.

Wislicenus, Johannes,1) Prof. Dr., * 24. Juni 1835 in Klein-Eichstedt bei Querfurt, f 5. Dezember 1902 in Leipzig. W. genofl seine Schulbildung in Halle und begann auch dort seine Universitatsstudien, die ihn in n&here Beziehungen zu dem Professor der Chemie W. Heintz (18 17— 1880) brachten. Aber bald muflte er seine Studien unterbrechen. Sein Vater hatte bereits 1846 wegen seiner freisinnigen Gesinnung sein Pfarramt an der Neumarkt

») Totenliste 1902 Band VII 126*.

Wislicenus.

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kirche in Halle aufgeben mtissen, ernahrte sich und seine Familie mtihselig durch literarische Arbeiten; sein Buch »Die Bibel im Lichte der Bildung unserer Zeit« (1853) erregte aber derart Anstofl, dafi er zu zwei Jahren Gefangnis verurteilt wurde. Er entzog sich der drohenden Kerkerhaft durch schleunige Flucht nach Amerika und dem jungen W. fiel die nicht leichte Aufgabe zu, die Familie dem Vater nachzubringen. In Amerika nahm W. seine Studien wieder auf, trat als Assistent bei Professor Horsford in Cam- bridge bei Boston ein und errichtete sich dann, um zur Unterhaltung seiner Angehftrigen besser beitragen zu konnen, ein eigenes Handelslaboratorium in New York. Als aber sein Vater 1856 nach Europa zuriickkehrte, folgte ihm auch der junge W. zunachst nach Zurich, ging aber bald zu seinem fruheren Lehrer Heintz nach Halle, dessen Privatassistent er wurde (1856 1859). Er nahm an dessen experimentellen Arbeiten bald lebhaften Anteil; als er aber sich an der Universitat Halle habilitieren wollte, sollte er sich verpflichten, sich jeder politischen Qffentlichen Tatigkeit zu enthalten. W. konnte sich einem solchen Zwange nicht unterwerfen; er habilitierte sich i860 fur Chemie an der Universitat Zurich, iibernahm das Jahr darauf auch den Chemieunterricht an der kantonalen Industrieschule, ward 1864 aufierordentlicher, 1867 ordentlicher Professor an der Universitat und drei Jahre spater auch am eidgenossischen Polytechnikum, zu dessen Direktor er 187 1 ernannt wurde. Im Herbst 1872 berief ihn die Universitat Wurzburg auf den durch Streckers Tod erledigten Lehrstuhl der Chemie und von dort ging W. 1885 als Nachfolger Kolbes an die Universitat Leipzig. So kehrte W. schliefilich wieder in seine engere, ihm so teure Heimat zuriick, in die Nahe der Statte, wo er einst seine akademische Laufbahn beginnen wollte. Die Griin- dung des Deutschen Reiches hatte ihn, wie so viele andere, mit den Krankungen, die er und die Seinen frtiher erlitten, ausgesfihnt; W. nahm an den politischen Ereignissen stets lebhaften Anteil, war ein begeisterter Verehrer Bismarcks und Mitgriinder des Alldeutschen Verbandes. Ein ihm von der national- liberalen Partei angebotenes Reichstagsmandat schlug er aber aus, da er sich seinen Pflichten als Leiter eines groflen Universitatsinstituts nicht regelmafiig auf langere Zeit entziehen mochte. W.s Bedeutung liegt vor allem in seiner Forscher- und Lehrtatigkeit. Als er seine wissenschaftlichen Arbeiten begann, war die organische Chemie, d. h. die Lehre von den Verbindungen des Ele- mentes »Kohlenstoff«, eben erst als eigene Wissenschaft durch die Liebigsche Schule begriindet worden. Noch gingen die Anschauungen weit auseinander, wie man die so mannigfachen organischen Verbindungen mit den Gesetzen und Tatsachen der weit einfacheren anorganischen Verbindungen in Einklang bringen kOnne. Die altere Anschauung nahm »Radikale« in den organischen Verbindungen an, Radikale, die den Atomen bezw. Atomgruppen in den anorganischen KOrpern entsprechen sollten, die neuere Auffassung stellte ein- fache »Typen« auf, denen auch die organischen Verbindungen sich unter- ordnen liefien. In diesen Kampf griff nun W. mit seiner Schrift iiber die »Theorie der gemischten Typen« (Berlin 1859) ein und trug dazu bei, dafi die Zusammensetzung und die Eigenschaften der orgamschen Verbindungen einzig und allein durch die in ihnen enthaltenen Elementaratome und ihre Verkettung erklart wurde. Aber alle die bislang aufgestellten chemischen Formeln und Symbole reichten nicht aus, die immer haufiger werdenden Falle zu verstehen, in denen Korper von ganz gleicher chemischer

a 1 6 Wislicenus.

Zusammensetzung, »Isomere« genannt, verschiedene Eigenschaften zeigten. Da sprach W. als erster 1873 den fur die chemische Forschung so wertvoll gewordenen Gedanken aus, diese Verschiedenheit beruhe auf der verschieden- artigen Lagerung der Atome im Raume. Als dieser Gedanke dann spater von Le Bel und mit noch grSfierem Nachdruck, vollig unabhangig, von van't Hoff ausgesprochen wurde, trat W. sogleich fur diese Theorie, »Stereo- isomerie« (Raumchemie) genannt, mit allem Nachdruck ein, vertiefte und ver- vollkommnete sie und zog sie besonders zur Erkl&rung ungesattigter chemi- scher Verbindungen (»geometrische Isomerie«) heran. Die diesbeziiglichen Untersuchungsergebnisse, Ansichten und Theorien hat W. dann 1887 in seiner beriihmt gewordenen Abhandlung »Uber die raumliche Anordnung der Atome in organischen Molekulen und ihre Bestimmung in geometrisch-isomeren ungesattigten Verbindungen* zusammengefafit. Zahlreiche Experimental unter- suchungen, besonders liber die Milchsauren, gaben die Grundlage zu diesen theoretischen Anschauungen, w&hrend Arbeiten besonders liber den Acet- essigester iiberaus wichtige Beitrage zum Ausbau der synthetischen Chemie, zu Darstellungen kohlenstoffreicherer aus kohlenstoffarmeren Verbindungen lieferten. (Ein Verzeichnis dieser, zum Teil gemeinsam mit Schiilern aus- geflihrten Untersuchungen findet sich in Poggendorffs biographisch-literari- sches Handworterbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften Bd. II, III und IV, in dem auch die Gelegenheitsreden und -schriften von W. ange- geben sind, sowie in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft 1904, 37, 4928 4946). W. war eine ungewShnlich stattliche Erscheinung, seine Gestalt ist von Professor Schilling am Niederwalddenkmal in dem deutschen Mann verewigt worden, der seinen Sohn segnend in den Krieg entlafit W. war ein gewandter Redner und durch seine nie versagende Ruhe und Geistes- gegenwart wie geboren zur Leitung grftflerer Vereinigungen. So zeigte er sein grofies Geschick, als ihn im Jubilaumsjahr 1882 die Universit&t Wiirzburg bereits zum zweiten Male zu ihrem Rektor wahlte. Diese Wurde bekleidete er auch in Leipzig; 1893 1901 war W. I. SekretSr in der naturwissenschaft- lich-mathematischen Klasse der k6niglich sachsischen Gesellschaft der Wissen- schaften und trat als solcher eifrig fur die Griindung der Assoziation der Akademien ein. W. wirkte mit an der festeren Organisation der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Arzte, deren Versammlung er 1895 in Liibeck leitete; war Mitgrunder und spheres Ehrenmitglied desVereins Deutscher Chemi- ker, Vorstandsmitglied der Deutschen Chemischen Gesellschaft und andererGesell- schaften und Vereine. »Suchen wir schliefilich die Summe zu ziehen, so werden wir in W. einen der begnadeten Manner erkennen, deren Wesen seinen Schwer- punkt in der unmittelbaren Wirkung der PersOnlichkeit hat. Nicht die Bildung und Durchfuhrung abstrakter Gedanken, sondern die Betatigung von Mensch zu Mensch ist auch in der Wissenschaft seine Gabe und seine GrOfle gewesen.«

\V. gab noch eine Neubearbeitung des »Regnault-Streckerschen Lehibuchs der Chemie* 1876 1 881 heraus. AusfUhrlichere Biographieen finden sich tlber W. in »Zeitschrift far angewandte Chemie« 1902, S. 1281 (mit Portrat) und 1903, S. 1 4 von Prof. Dr. B. Rassow- Leipzig, in den Berichten der kflniglich sachsischen Gesellschaft der Wissenschaften, mathem.-physik. Klasse, 1903, S. 409 420 von Prof. Dr. \V. Ostwald-Leipzig und in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft 1904, 37, S. 4861 4946 (mit Portrat) von Prof. Dr. E. Beckraann-Leipzig. W. Roth.

Rossbach.

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Rossbach, Arwed,1) Architekt, * 24. November 1844 in Plauen im Voigt- land. f 31. Dezember 1902 in Leipzig. R.s Vater war Direktor der Bau- schule in Plauen und der Sohn kam daher von fruh auf mit der Kunst in nahe Verbindung, zu der ihm sein bedeutendes Zeichentalent den Weg wies. Nach dem Besuch des Gymnasiums seiner Vaterstadt arbeitete er zunachst ein halbes Jahr praktisch im Bauhandwerke und ging darauf auf die Dresdner Akademie, um sich unter Nikolai zum Architekten auszubilden. Nach Be- endigung seiner Studien begann R. in Berlin unter Langhans seine erste TStigkeit als Architekt und war als zweiter Baufiihrer bei der Erbauung des neuen Leipziger Stadttheaters mittatig. Im Jahre 1870 siedelte er dann ganz nach Leipzig iiber und liefi sich dort als selbstandiger Architekt nieder. Schon bei seinen ersten Bauauftragen verstand er es, seine kiinstlerische An- schauung voll zur Geltung zu bringen und unter Beobachtung des Zweckes des jeweiligen Bauwerks dieses zugleich den oft schwierigen raumlichen Ver- haltnissen und der Eigentiimlichkeit des Ortes geschickt anzupassen. So entstanden Bauten in den verschiedensten Stilarten, bei deren Verwendung er indes seinen persOnlichen Geschmack und seine gestaltende Phantasie betatigte. Eine Reihe Privatbauten machten den Anfang. Genannt seien das Hotel Stadt London in Leipzig, die Villen Hiersche (187 1), von Holstein, Holsteinstift (1879), Seyffarth, Davignon, Gruner, Wendt, Rehwold, Gebhardt, das Geschaftshaus Pohlich, zwei Villen in Jena und zwei in Eisenberg, das SchloB Katteritzsch. In seinem eigenen Landhaus »Sonnenkopfel« auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden hat sich R. ein modern anmutendes und doch durchaus der Gegend angepafites Berghaus errichtet. Der Fliichtigkeit schnell voruberrauschender Festfreuden hatte seine Kiinstlerphantasie im Jahre 1884 zum achten deutschen Bundesschiefien in Leipzig die Anlage des Fest- platzes und verschiedene Bauten, vor allem einen machtigen Triumphbogen geschaffen. Im Jahre 1886/87 fiihrte er die Alberthalle, einen groflartigen Er- weiterungsbau des groBten Vergnugungsetablissements von Leipzig, des Krystall- palastes, aus. Der Zirkus allein erhielt eine lichte Weite von 41 Metern und Raum fiir 3000 Sitz- und Stehplatze. Ein Jahr zuvor, 1885, war das Klub- haus der Harmoniegesellschaft entstanden, dessen Bau 400000 Mark kostete. Es folgte der Umbau des koniglichen Schlosses in Leipzig, der auch als gegluckt gelten darf. Und der Stadt Leipzig sollte ferner seine Kiinstlertatigkeit in noch erhOhtem Mafie dienen. Der Bau, der besonders seinen Namen bekannt machte, war der Umbau und teilweise Neubau der Leipziger Universitat mit den dazu gehdrigen Gebauden. Der Neubau der Universitatsbibliothek nach seinem Entwurf, der im Wettbewerb 1885 den ersten Preis erhalten hatte, nahm die Jahre 1887 bis 1891 in Anspruch und konnte 1891 bezogen werden. Die Gr6fie des Bucherspeichers ist auf eine Bibliothek von 800000 Banden berechnet, kann aber durch Anbauten vermehrt werden. 1888 war der Bau des Kinderkrankenhauses begonnen worden, 1889 bis 189 1 folgte der Bau der Universitats-Frauenklinik, ein Ziegelbau auf einem Untergeschofi aus Rochlitzer Porphyr, von 1891 bis 1892 die Neuauffiihrung des sogenannten »roten Kolle- gium«, bei dem er den alten gotischen Bau vom Jahre 1503 in gotischen Formen wiederherstellte. Den Neubau der gesamten Universitat fuhrte er den Jahren

») Totenliste 1902 Band VII 96*. Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolog. 8. Bd. 27

a 1 8 Rossbach. Kiihne.

iSgibis 1897 durch. DiereichgegliederteFassadedesHauptbauesdesAugusteums zeigt in Sandsteinverblendung ein niedriges Erdgeschofi undzwei Obergeschosse. Uber Erwarten gut gelang es ihm, den alten Hauptbau mit dem neuen Gebaude- komplex zu verbinden. Riihmenswert ist sein kiinstlerischer Geschmack in den architektonischen Formen, in der monumentalen Ausbildung der Fassade, in den Innendekorationen und der wirkungsvollen Anordnung der Raume zu einander. Von 1898 bis 1899 baute er dann die alte gotische Paulinerkirche in voller Wahrung ihres Stilcharakters urn. Indessen entstanden in diesen arbeitsvollen Jahren noch andere Bauten, wie die Deutsche Bank in Leipzig von 1898 bis 1901 auf Grund gewonnener Konkurrenz, das Amtsgericht in Dresden von 1890 bis 1892, »das vermflge seiner schonen Treppenanlage und seiner vornehmen Aufienseite zu den gelungensten neueren offentlichen Bau- werken Dresdens gehort« (O. Richter in seiner > Geschichte der Stadt Dresden in den Jahren 1871 i902«, Dresden 1903 S. 202), ferner das Rathaus in Crimmitschau 1891 bis 1892, die Volkslesehalle in Jena 1898 bis 1902, das Theater in Plauen 1898 bis 1899, das Museum in Freiberg 1902. Aus einer Reihe von Preisbewerbungen ging er als Sieger, aus anderen mit zweiten Preisen hervor. So gehorte er auch zu den Bewerbern um den Bau des Dresdner Hauptbahnhofs. Auch sein Entwurf war, wie der der Firma Giese und Weidner, mit dem ersten Preise gekrdnt worden, indessen erhielt die Dresdner Baufirma die Ausfuhrung. Viele Jahre war R. Mitglied des Stadt- verordnetenkollegiums von Leipzig; 1891 wurde er zum kgl. sachsischen Bau- rat ernannt und im gleichen Jahre Stadtrat. Bei der Einweihung der neuen Universitat verlieh ihm die philosophische Fakultat der Universitat Leipzig den Doktortitel honoris causa. Nicht lange konnte er sich der Friichte seines arbeitsreichen Lebens erfreuen. Er starb nach langerem Leiden in der Silvesternacht 1902.

Vgl. »Arwed Rossbach und seine Bauten. « Text von Dr. Robert Bruck. Berlin \V. 1904. alllustrierte Zeitung.« Leipzig und Berlin. 16. Miirz 1895. Nr. 2698. 104. Bd. S. 286 und 17. Juni 1897. Nr. 2816. 108. Bd. S. 781. »I)resdner Anzeiger.« 173. Jahrg. Nr. 3. 3. Januar. S. 5. »Illustriertes Universum-Jahrbuch. Leipzig 1903. S. 12.

Richard Stiller.

Kiihne, Willy,1) Physiolog, * 28. Marz 1837 in Hamburg, f 10. Juni 1900 zu Heidelberg. Friedrich Wilhelm Kiihne wurde als das fiinfte von sieben Geschwistern geboren. Seine Eltern nannten ihn mit Vorliebe Willy und so er auch sich selbst, sogar in seinen wissenschaftlichen Werken. Sein Vater war ein wohlhabender Kaufmann, seine Mutter, Tochter eines englischen Reeders (Blocker) und einer Hamburgerin. K. war ein schwSchliches Kind und wurde deshalb in seinem zehnten Jahre nach Kirchwarder, einem Dorfe in den Vier- landen geschickt, wo er in der Familie des Pastor Liiders vortrefflich gedieh.

Als kraftiger Jungling siedelte er in seinem 14. Jahre nach Luneburg uber, weil das dortige Gymnasium bessere Bildungsmittel bot als das Ham- burger und Herr Pastor Liiders der Familie des Rechtsanwalts Dr. Heitmann befreundet war. Dieser und dessen geistig hochstehende Gattin Tochter des Gottinger Juristen Miihlenbruch weckten und entwickelten in dem

») Totenliste 1900 Band V 102*,

Klihne.

419

lebhaften Geiste den Sinn fiir Kunst und schOne Literatur. Wenig inter- essierten ihn dagegen die haupts&chlichsten Unterrichtsgegenstande in der Untersekunda des dortigen Gymnasiums, so dafi ihn sein pedantischer Klassen- lehrer erst nach zwei Jahren, nur mit Vorbehalt, in die Obersekunda entliefi.

Der Vater riet seinem Sohne Maschinenbauer zu werden. Willy aber widersetzte sich energisch. Sein Sinnen und Streben war, wie mir sein alterer Bruder Herr Julius Kiihne mitzuteilen die Giite hatte, fast ausschliefl- lich auf die Chemie gerichtet. Schon als Knabe hftrte er wahrend der Ferien die Experimentalvorlesungen des Optikers Christeinecke in Hamburg. In seinem 17. Jahre wanderte er kurz entschlossen nach G6ttingen zu dem beriihmten Chemiker WOhler.

Woehler hatte im Jahre 1828 den Hamstoff aus cyansaurem Ammonium dargestellt und damit zum ersten Male gezeigt, daB organische KOrper deren Bildung man spezifischen Kraften des Lebens zuschrieb, auch auflerhalb des Organismus dargestellt werden kdnnen.

Diese epochemachende Entdeckung brachte die Chemie und Physiologie in engen Kontakt und es ist verstandlich, dafi der junge Chemiker sogleich fiir die Lebensvorgange Interesse gewann.

Der igj&hrige Doktor trat als Asssistent von Rudolph Wagner in dessen physiologisches Institut

Als Lehmann, der sich ebenfalls mit dem Studium der Zuckerharnruhr beschaftigte 1857 von Leipzig nach Jena berufen worden war, zog K. dahin, suchte aber schon nach einem Semester in Berlin seine Erfahrungen zu erweitern.

Dort war E. du Bois-Reymond mit Untersuchungen iiber die Reaktion des Muskelfleisches beschaftigt. K. wies schon 1858 nach, dafi die durch ZuckerlGsung blutleer gemachten lebenden Froschmuskeln beim Auspressen einen neutral reagierenden Saft geben, die totenstarren einen sauren. Durch diese Untersuchungen gewann er Interesse an der Muskelphysiologie und auf du Bois* Rat experimentierte er mit dem Sartorius (Schneidermuskel) des Frosches. Dieser Muskel samt seinen Nerven wurde durch ihn ein klassisches Praparat, mit dessen Hilfe er die wichtigsten Entdeckungen machte.

Er sah, wenn er einen Zipfel des gespaltenen Sartoriusendes reizte, in welchem sich Nerven verzweigten, dafi der ganze Muskel sich zusammen- zog. Hiermit war das »doppelsinnige Leitungsverm5gen« der Nerven ein- wandfrei bewiesen. Natiirlich priifte er auch mit chemischen Reizmethoden Nerven und Muskeln und fand, dafi z. B. Glyzerin nur erstere, Ammoniak nur letztere erregen.

Sein Wunsch, zu erforschen, wie weit sich die Nerven in dem Sartorius- rauskel erstrecken, fiihrte ihn zu mikroskopischen Untersuchungen iiber die letzten Nervenendigungen, wobei er in vielen Muskeln eigentiimliche »End- platten« entdeckte.

Im Jahre 1858 siedelte er nach Paris iiber, wo Claude Bernard, der geniale Experimentalphysiologe einige Jahre zuvor die Entdeckung gemacht hatte, dafi Kaninchen, denen eine Hirnstelle gestochen worden zuckerhaltigen Harn absondern.

In Paris vollendete er (1859) se*n erstes Buch »Myologische Unter- suchungen*, das er seinem »hochverehrten Lehrer« F. Woehler widmet, in

*1*

420

Ktihne.

dessen Vorwort er »den beiden ausgezeichneten Mannern, welche er seine Lehrer nennen darf«, »Herm Claude Bernard in Paris und Herrn E. du Bois- Reymond in Berlin, aufrichtigsten Dank« ausspricht.

Es gelang ihm nachzuweisen, dafl auch der lebende Muskel, welcher so fest erscheint in seinen Hiillen einen dickflussigen Brei enthalt.

»In dem Streben, die bisher an den Muskeln der Wirbeltiere beobachtete Bewegung auch bei solchen Organismen kennen zu lernen, welche eigener muskuloser Apparate entbehren, richtete er seine Aufmerksamkeit sogleich auf den kleinen Organismus, den man sich gewohnt hat als eine der niedrigsten Stufen tierischer Organisation anzusehen. Er untersuchte die Amoben, jene mikroskopisch kleinen Gallertkltimpchen, deren ganze Korpermasse scheinbar aus einem alien notwendigen Verrichtungen dienenden Brei besteht.« (Unter- suchungen iiber das Protoplasma, Leipzig 1864, S. 28.)

Mit genialer Kiihnheit wies er nach, dafl die niedrigsten Protoplasma- arten, die Plasmodien der Schleimpilze, reizbar sind gleich Muskeln.

Es gelang ihm sogar zu zeigen, dafi die fixen Zellen der Hornhaut vom Froschauge ihre Gestalt verandern, wenn man die Hornhautnerven reizt.

Vorwiegend aber blieb stets sein Interesse an den chemischen Vorgangen im Tierkorper. Als er das Myosin untersuchte, verfolgte er die Zerfallpro- dukte desselben. Liebig hatte durch verdunnte Salzsaure den grofiten Teil der Eiweifikorper aus dem Fleische ausziehen konnen. Wenn er die Saure durch Sodalosung band, fiel ein weifies Pulver. Dieses nannte er Syntonin, d. h. den Zusammenziehungsstoff, weil er meinte, dafi er den Muskel befahige, sich zu verkiirzen. K. fand aber den gleichen Stoff in verdauten Eiweifi- losungen und wandte sich den Verdauungsvorgangen zu.

Er unterwarf hierzu die Eiweifikorper der Verdauung und entdeckte eine ganze Reihe von wohlcharakterisierten Zwischenstufen bis zur Bildung des Pepton.

Man nahm an, dafi der Magen darum sich nicht selbst verdaue, weil das alkalische Blut in den Wandungen dieses Organs das Ferment unwirksam mache. K. zeigte, dafi die Driisen sich nicht selbst verdauen, weil in den Zellen nicht die Fermente (Enzyme), sondern nur deren Vorstufen (Zymogene) lagern und diese erst aufierhalb der Driisen in den Losungen wirksam werden. Das starke Ferment des Pankreas, »Trypsin«, vermoge nicht nur Pepton zu bilden, sondern einfachere sogenannte Amidokorper. Seinem Scharfblicke entging es auch nicht, dafi einzelne Lappchen der Pankreasdruse keine Blut- gefafie besitzen, also, wie dies C. Ludwig an der Speicheldriise gezeigt, durch eigne Drusenenergie sezernieren.

Er vermochte, nach Heidenhains Vorgang mikroskopische Veranderungen sogar an den lebenden Zellen des Pankreas von Kaninchen nachzuweisen. Die Fermente dienten ihm auch dazu, die Strukturverhaltnisse der Nerven aufzuklaren. Er entdeckte mit Chittenden ein Geriist von Hornstoff (Neuro- keratin), das die davon eingehullten Nervenachsenzylinder vor Druck schutzt.

Im Jahre 1876 wurde er von der Entdeckung Franz Bolls begeistert (W. K.s Untersuchungen Bd. I, Heidelberg 1878, S. 1. Zur Photochemie der Netzhaut.), »dafi die Stabchenschicht der Retina aller Geschopfe im lebenden Zustande nicht farblos sei, wie man bisher meinte, sondern purpurrot. Im Leben,« sagt Boll, > werde die Eigenfarbe der Netzhaut bestandig durch das

KUhne.

421

ins Auge fallende Licht verzehrt, in der Dunkelheit wieder hergestellt und im Tode halte sie sich nur einige Augenblicke.«

Auch friihere Forscher hatten schon den rdtlichen Schimmer von Netz- hauten verschiedener Tiere beschrieben und, wie Boll, den frischen Zustand der Netzhaut hierfiir wesentlich gehalten.

K. schreibt begeistert: »Was friiher ubersehen worden, diirfte nichts Geringeres als den Schliissel zum Geheimnis der Nervenerregung durch Licht enthalten, oder die erste Tatsache, welche in der Retina photochemische Prozesse aufdeckt.«

Mit Feuereifer verfolgt er die Farbenverfinderungen in der Retina und fand zunachst, dafl der Sehpurpur ganz unabhangig vom physiologisch frischen Zustande der Netzhaut besteht und auch nach dem Tode nur durch Licht gebleicht wird.

Er fand die Netzhaute der Augen von Menschen, die im Dunkeln ge- storben und gehalten waren, noch tagelang purpurfarben. Im Lichte wurden sie zu blassem Chamois gebleicht.

Im Scheine den Natronflamme halt sich der Farbstoff tagelang. Das Retinaepithel vermag im Dunkeln den Farbstoff zu regenerieren.

Bald aber verSffentlichte er eine Abhandlung mit dem Titel »Das Sehen ohne Sehpurpur«. Er beginnt dieselbe mit folgenden Satzen: »Die purpur- freien Netzhaute vieler V5gel und Reptilien bezeugen die M6glichkeit des Sehens ohne Sehpurpur, und dafi Teile der Netzhaut ohne Purpur sehen, beweist das SehvermOgen der Zapfen, welche nirgends purpurhaltig sind. Dafl wir auflerdem alles Sichtbare ohne Beteiligung unseres Netzhautpurpurs sehen kOnnen und gewohnt sind zu sehen, beweist die ganzliche Abwesenheit des Purpurs in der Fovea centralis und in deren nachster Umgebung im gelben Flecke des menschlichen Auges, und da wir diese Teile zum Fixieren gebrauchen, wobei bekanntlich nicht nur Lichtintensitaten fein unterschieden und in der Empfindung lokalisiert werden, sondem auch in samtlichen Farben mit Einschlufi von Schwarz und Weifi zur Wahrnehmung kommen, so wissen wir, dafl alien Anforderungen, welche wir an ein Sehorgan stellen kdnnen, geniigt wird ohne Purpura

Er kommt zu dem Schlusse, dafl der »Zapfenerregung die Vermittlung sSmtlicher Empfindungsqualit&ten, der Erregung der Stabchen durch irgend welche objektive Reize, nur die des Hell und Dunkel« zukomme (S. 137).

Unersch6pflich ist der Reichtum von Beobachtungen K.s und seiner Schiiler viber die Eigenschaften der Netzhaut, Er sah das Wandern der Pigmentschichte unter dem Einflusse des Lichtes, iibersah aber merkwurdiger- weise die von Engelmann und van Genderen-Stort entdeckte Zusammenziehung belichteter Retinazapfen.

Mit Steiner untersuchte er die elektrischen Strome welche vom Seh- nerven und der Retina bei Licht und Farbenwechsel erzeugt werden und erkennt sie »als physikalisches Zeichen jenes Zustandes der Erregung, welcher der unmittelbare Vorlaufer der Erregung in der zugehorigen Nervenfaser ist«. (Untersuchungen aus dem physiol. Inst, zu Heidelberg, 1881, S. 105.)

Der grofie Biologe wendet sich am Ende seines fruchtbaren Lebens wieder dem Gegenstande seiner ersten physiologischen Neigung zu.

Im Jahre 1858 begann er seine Untersuchungen iiber Bewegungen und

422 Ktthne.

Ver&nderungen der kontraktilen Substanzen (Reicherts und du Bois-Reymonds Arch. 1859, S. 564), im Jahre 1898 veroffentlichte er seine letzte Arbeit »Uber die Bedeutung des Sauerstoffes fiir die vitale Bewegung Verhalten des Proto- plasmas in Gegenwart von Chlorophyll«.

Die Abhandlung erschien in der Zeitschrift fiir Biologie, welche er seit 1883 mit Karl Voigt herausgegeben hatte.

K.s biologisches Genie forderte auch die Medizin. Dies erkannte schon 1862 die Universitat Jena an, indem sie ihm die medizinische Doktorwiirde honoris causa verlieh.

Obwohl er nicht praktischer Arzt war, hat er den Kliniken der Charity in Berlin als Assistent des chemischen Laboratorium in Virchows patholo- gischem Institute wertvolle Dienste geleistet. Wahrend der Choleraepidemie des Jahres 1866 zeigte er, dafi die Stuhlentleerungen von Cholerakranken, in den Darm von Affen gebracht, diese nicht infizieren.

Zugleich untersuchte er wirksame Desinfektionssubstanzen und wurde wahrend des preufiisch-osterreichischen Krieges auf die Etappenstationen nach B5hmen und Mahren geschickt, urn die Spitalcr und Feldlazarette mit den erforderlichen Vorraten von Eisenchamaeleon zu versehen.

Nach seiner Heimkehr begann er in Berlin sein Lehrbuch der physio- logischen Chemie zu verfassen. Dies beruhmte Werk wurde im Jahre 1868 herausgegeben, war um seines originellen Inhaltes und seiner klaren Dar- stellung willen in kurzer Zeit vergriffen. Zu einer neuen Auflage aber konnte sich K. nicht entschliefien.

In seinem Berliner Freundeskreise entstand 1863 das Zentralblatt fur die medizinischen Wissenschaften, unter Mitwirkung von W. Kiihne, Ph. Munk und F. v. Recklinghausen, redigiert von L. Hermann. Die ersten Referenten waren Klebs, Rosenthal, Kiihne, Liicke, v. Recklinghausen, Leyden, Westphal, Gusserow, Hermann, Ph. Munk: Namen, deren Trager damals noch wenig bekannt, dann beriihmt wurden.

Im Jahce 1868 folgte er einem Rufe als Professor der Physiologie an der Universitat Amsterdam. Gustav Schwalbe zog als Astistent fiir Histologic mit ihm in das alte auf eine Gracht schauende Gebaude, worin das physio- logische Institut provisorisch eingerichtet wurde. Der liebenswiirdige Kliniker Stokvis erleichterte K. das Einleben in die sehr gemessenen Formen des hollandischen Lebens.

Nachdem Helmholtz im Jahre 187 1 als Physiker nach Berlin gezogen war, wurde K. als sein Nachfolger nach Heidelberg berufen, wo er bis an sein Lebensende wirkte.

An der ehrwiirdigen Ruperto-Carolina, im bliihenden Neckartale schuf er der Wissenschaft des Lebens ein trefflich originell eingerichtetes Institut, in welchem er eine Reihe ausgezeichneter Physiologen heranbildete.

Dort gewann er die Tochter des Heidelberger Mineralogen, Helene Blum, zu seiner Lebensgefahrtin, die ihm sein Leben verschdnte und eine Tochter schenkte, welche der ausgezeichnete Pharmakologe Rudolf Gottlieb heiratete. Zwei Enkelsohne vervollstandigten sein Familiengliick.

Nach E. du Bois-Reymonds Tode wurde ihm der Lehrstuhl fiir Physiologie in Berlin angeboten. Er lehnte ab.

KUhne. ZusStze und Berichtigungen. \2\

Seine Briefe sind reiche Fundgruben von hohen Ideen, treffenden Urteilen und tiefen edlen Empfindungen. Als vorurteilsfreier Burger suchte er seine Freunde nicht unter den einflufireichen Mannern an mafigebenden Stellen.

Nicht wiirdiger wiifite ich die Bedeutung K.s am Orte seiner letzten Wirk- samkeit zu kennzeichnen, als durch ein Zitat aus der herrlichen Rede, welche am 13. Juni 1900 der damalige Prorektor der Universitat Heidelberg, der beriihmte Geologe Rosenbusch, am Sarge K.s gehalten hat:

». . . Willy K. war ein Giinstling des Schicksals: eine wissenschaftliche Laufbahn voll seltener Erfolge und reicher Anerkennung, ein gesundes und schaffensfreudiges Leben im gliicklichsten Familienkreise, die herzlichste Nei-. gung aufrichtiger Freunde und dankbarer Schuler, hohe Daseinsfreudigkeit, Entschiedenheit im Wollen, Klarheit im Denken waren ihm beschieden bis ans Ende. Aber wo hatte je ein Sterblicher gelebt, dem nicht auch die Ungliicksmachte des Lebens ein Los wiirfen? Willy K. hat mit offenem Auge und mutigem Herzen den bitteren Kelch getrunken und ist wie ein Held den schmerzensreichen letzten Abschnitt seines Lebensweges gewandelt. Nun aber ruht er in Frieden, und im Namen der Universitat, die ihn mit Stolz den Ihren nannte und nennen wird, lege ich, in dankbarer Erinnerung dessen, was er uns alien war, diesen Kranz am FuBe seines Sarges nieder.«

Bern. Hugo Kronecker.

Bruns, Ivo, (BJ VI 76 77) vgl. noch: Vortrage und Aufsatze von Ivo Bruns. (Hrsg. von Theodor Birt.) Mtinchen 1905. Im Vorwort S. Ill XX von der Hand des Heraus- gebcrs eine ausftihrliche Biographic und ein 61 Nummern umfassendes Verzeichnis der Schriften von Bruns. J oh. Sass.

Ficker, Julius v., (VII 299) wurde nicht 30. August, sondern 30. April 1826 gc- boren; in der Totenliste VII 29* ist dieses (auch in Professor v. Voltelinis Manuskript richtig eingesetzte) Geburtsdatum angegeben; im Druck des Biographischen Jahrbuches wurde das Versehen bei der Korrektur nicht rechtzeitig bemerkt.

Knuth, Paul, (VI 500 u. 501) der Band IV 250 von J oh. Sass behandelt worden war, erscheint nochmals von M. Rikli, dem weitere Quellen zu Gebote standen, gewiirdigt; dabei gab Rikli (wie die »Berichte der deutschen botanischen Gesellschaft« Bd. 18, 162 ff.) als Todesjahr 1900 an; Knuth starb jedoch, wie Sass und unsere Totenliste 1899, Bd. IV 154* richtig feststellten, 1899.

Hinschius, Paul, (III 52) hinzuzusetzen: U. Stutz in der ADB. Bd. 50 (Sonder- abdruck, Leipzig 1905) und U. Stutz, Die kirchliche Rechtsgeschiqhte, Stuttgart 1905 S. 5—13-

Martens, Wilhclm, (VII S. 134) zu berichtigen: Nach gefl. Mitteilung des Herrn Prof. Dr. Meyer von Knonau (Zurich) war M. nicht Seelsorgegeistlicher in Kloster- wald, lebte vielmehr dort der YVissenschaft als ganz unabhiingiger Mann. Vgl. dessen Jahrbttcher des Deutschen Reichs unter Heinrich IV und Heinrich V. Band IV, 539.

Maurer, Konrad, (VII S. 141) hinzuzusetzen: G. Blondel in der Nouv. Rtv. hist. XXVI (1902) 762 764; Charpenticr in der Tidskrift af jurid. f owning, i Finland XL, Heft 4, 1904.

I. Alphabetisches Namenverzeichnis

zum

Deutschen Nekrolog vom i. Januar bis 31. Dezember 1903.

Name

Verfasser

S e i t e

Ackeren, Joseph van

F. Lauchcrt

84

Ackermann, Adolf

Rudolf Schmidt

296

Albu, Is id or

Paget

60

Anzer, Jobann Baptist v.

F. Lauchcrt

283

ABmann, Jobann Baptist

F. Lauchcrt

84

Bartsch, Max

A. Teichmann

>49

Bauer, Georg v.

Lorcnzcn

212

Bausewein, Kaspar

Alfred Freihcrr v. Metis i

233

Bellermann, Heinrich

Joh.Wolf

265

Bellingrath, Ewald

A. Birk

I46

Benfey-Scbuppe, Anna

F. Brummcr

185

Berdrow, Otto

F. Brummcr

186

Berenborst, Adolf v.

Lorenzcn

240

Bernstein, Hugo

Rudolf Schmidt

295

Bctz, Pbilipp Friedricb

Paget

6l

Beyschlag, Robert

If. Holland

74

Biedermann, Gustav VVoldemar Freih. v.

A. Reichardt

287

Birck, Maximilian

F. Lauchcrt

2S4

BischofT v. Klammstein, Friedrich

A. Birk

147

Blumenthal, Louis v.

Lorenzcn

256

Boeddinghaus, Carl

F. Lauchcrt

83

Bokclmann, Wilbelm

Joh. Sass

175

Borsdorf, Wilbelm

Curt Michael is

148

Braun, Karl Ludwig August

A. Teichmann

267

Brcidenbacb, Eniilic v.

F. Brummcr

186

Brilck, Heinricb

F. Lauchcrt

246

Brugier, Gustav

F. Lauchcrt

221

BrUll, Andreas

F. Lauchcrt

*93

Btlcbel, Karl Eduard

R. Stiller

293

Namenverzeichnis.

425

Name Budaker, Gottlieb Bumke, Julius v. Buram, Anton Bttrgel, Hugo

Verfasser F. SchulUr Lorenzen Pagcl H. Holland

Seite 201

M3 62

75

Calandrelli, Alexander

Carlo witz, Oskar (vielmehr: Oswald) v.

Cornelius, Carl

Cramer, Wilhelm

Cremer, Hermann

Curtze, Maximilian

Hugo Sckmcrbcr Lorenzen Moritz Ritter F. Lau chert Kohl schmidt Moritz Cantor

85 279

15

69

*34 90

Daudert, Ernst Wilhelm Dennerlein, Thomas Diestel, Gustav Dietlein, Rudolf Diffene\ Philipp Duboc, Julius

F. Brummcr //. Holland A. Reichardt F, Brummcr v. Wecch Joh. Sass

216

76

289

217

50

63

Eberle, Melchior Eberle, Syrius Eggers, Heinrich Eisenhut, Ferencz Elenz, Ferdinand Engelien, August Estorff, Eggert v.

F. Lauchcrt , //. Holland Joh. Sass If. Holland A. Tcichmann F. Brummcr Lorenzen

192 76

63

78

267

217

156

Frankel, Max Frantz, Erich Fran zi us, Ludwig Fried lander, Ernst Fuchs, Siegmund

Fuchs von Bimbach und Dornheim, Reinhold Freih. v.

Dr. Johann Oehlcr F. Lauchcrt A. Birk E. Bcrner Pagcl

Lorenzen

307 285 224 299 80

239

Gaedertz, Theodor Gapp, Julius Gebele, Eugen Gebhard, Karl Gegenbaur, Karl Geibel, Stephan Gemmingen, Julius Freih. v. Gemrningen, Wilhelm Freih. v. Gessner, Adolf Giese, Ernst Friedrich Gitlbauer, Michael Goecke, Franz Friedrich

K. Th. Gaedertz

F. Lauchcrt

F. Lauchcrt

Bagel

E. Goppcrt

Rudolf Schmidt

Lorenzen

Lorenzen

Pagcl

R. Stiller

R. v. Kralik

A. Tcichmann

27 285

195 80

324 189 142 189

79 298

137 150

426

Namenverzeichnis.

Name Goldschmidt, Albert (vielmehr: Albert) Goll, Friedrich Goose, Sophus Grassauer, Ferdinand Graevenitz, Karl v. Grimmich, Virgil GroschufF, Albert Gussenbauer, Karl

Verfasser Lorenzcn Paget

Paul Goldschmidt S. Frankfurter Lorenzcn F. Lauchert A. Tcichmann O. v. Frisch

Seite 208 80 228 180 279 196 150 8

Haberland, Hermann

Hadra, Sally

Hagemeister, Wilhelm

Hartlieb (Wallsporn) Maximilian v.

Hartwig, Otto

Hasse, Wilhelm

Hautmann, Johann

Hefner-Alteneck, Jakob v.

Heuser, Alexander v.

Hirschfelder, Salomon

Hochapfel, Reinhard

Hodenberg, Gottlob Freih. v.

Hofelich, Ludwig

Hoffmann, Karl Ritter v.

Hoffmann, Otto

Holstein, August v.

Holzammer, Joh. Bapt.

Horten, Anton Hubert

Huhn, Adalbert

Lorenzcn

Paget

Pyl

Lorenzcn

K. Gerhard

Lorenzcn

H. Holland

H. Holland

Lorenzcn

H. Holland

Ph. Losch

Lorenzcn

//. Holland

Lorenzcn

Paul Goldschmidt

Lorenzcn

F. Lauchert

A. Tcichmann

F. Lauchert

280

80

190

211

3<>9 206

94 269 207

95 144 211

96 142 227 209 222 267 195

Jakob, Georg jQrgens, Rudolf

F. Lauchert Paget

192 81

Kahlden, Clemens v. Karrer, Felix Kast, Alfred Kaulbach, Friedrich Kiem, Martin Kirchbach, Hans Adolf v. Kirchner, Theodor Klingelhoefer, Fritz Klingelh6ffer, Otto Klopp, Onno

Knothe, Hermann Friedrich Koebner, Ernst Koehler, Heinrich Kohler, Ulrich Leopold

Paget

Th. Fuchs

Paget

Hugo Schmerber

F. Lauchert

Lorenzcn

Joh. Sass

Ph. Losch

Ph. Losch

W. Klopp

A. Rcichardt

W. Koebner

A. Birk

R. Weil

83 261 102

86 191 155 *57 145 2*5 "7 288 241 226 315

Namenverzeichnis.

427

Name Rolling, Wilhelm Kop£, Joseph v. Kttppen, Theodor Krause, Ernst Ludwig

Laib, Friedrich

Larisch, Karl v.

Lazarus, Moritz

Leipziger, Ernst v.

Leopoldine FUrstin zu Hohenlohe-Langenburg

Levetzow, Albert v.

Liebert, Narcissus

Liebig, Georg Freih. v.

Lindhamer, Karl Ritter v.

Loose, Karl Wilhelm

Lossbeig, Viktor

Luntz, Viktor

Verfasser Kohlschmidt Hugo Schmcrber H. Holland Viktor Hantzsch

F. Lauchcrt Lorenzcn L. Stein Lorcnzcn F. v. IVcech K, v. Strantz A Lauchcrt Pagcl Lorenzcn H. A. LUr Lorcnzcn A. Birk

Seite *35

*7

97 30S

68 188 124 154

49 218

7o

103 208 294 278 146

Manteuffel, Rudolf v.

Marchtaler, Anton v.

Mayer, Friedrich Karl

Me ding, Oskar (Gregor Samarow)

Meinecke, Gustav

Merkel, Walter

Milchhoefer, Arthur

Mitterrutzner, Joh. Chrysostomus

Mohl, Heinrich

Mootz, Johann Georg

Milhlbacher, Engelbert

Mttller, Wilhelm

Munk, Immanuel

Nagel, Christ. August

Nasse, Otto

Neckelmann, Skjold

Nehmiz, Hugo

Neumann, Friedrich Emil

Nokk, Wilhelm

Nostiz-Drzewiecki, Hans Florian v.

Lorcnzcn Lorcnzcn H. Holland F. Brummcr V. Hantzsch Ph. Losch yoh. Sass F. Lauchcrt Ph. Losch Lorcnzcn

E. v. Ottcnthal Skutsch Pagcl

A. Rcichardt Pagcl Joh. Sass Kohlschmidt Ph. Losch

F. v. Wecch Lorenun

237 212

97 263

28 M5 177

71 204

208

344

^57 82

285

$2 169 136 203

3 *39

Oidtman, Hugo v. Oppel, Karl Oswald, Heinrich

Lorcnzcn F. Brummcr F. Lauchcrt

218 *94

Passini, Ludwig Pecht, Friedrich Pcrels, Ferdinand

Hugo Schmerbcr H. Holland A. Tcichmann

*5

151

428

Namenverzeichnis.

Name Petersdorff, Ernst v. Peterssen, George Rudolf Pfitzner, Wilhelra Pflttger, Ernst Przewloka, Thomas Punkes, Joseph

Radde, Gustav Reichmann, Theodor Rimpau, Wilhelm Rocholl, Carl Rollett, Alexander Roesicke, Richard Rtickauf, Anton Ruge* Sophus

Salmuth, Ludwig Freih. v.

Samson, Heinrich

Saenger, Max

Sartori, August

Saul, Daniel

Sch&ffle, Albert E.

Scheibert, Justus

Scheppig, Richard

Scherzer, Karl v.

Schmid, Theodor

Schmid-Monnard, Karl Alexander

Schmidt, Adolf

Schmidt, Otto

Schmidt-Cabanis, Richard

Schneider, Oskar

Schneider, Wilhelm

SchSnau-Wehr, Max Freih. v.

SchSnberg, Caspar Friedrich v.

Schrtfder, Joseph

Schulenburg, Werner v. d.

Schultz, Hermann

Schurtz, Heinrich

Searle, Richard

Seeger, Hermann v.

Senflft v. Pilsach, Hugo

SeyfFarth, Ludwig Wilhelm

Sittard, Joseph

Sitte, Camillo

Souchay, Theodor

Stambke, Moritz

Starke, Wilhelm

Verfasser Lorenzen A. Teichmann Pagel Pagel

A. Teichmann F. Lau chert

V, Hantzsch K. Heuberger Quante

A. Teichmann 0. Zoth

Th. Barth R. Ifeuberger V. Hantzsch

Lorenzen F. Lauchert Pagel Joh. Sass Ph. Losch W. Lang Lorenzen Joh. Sass

B. Munz

F. Lauchert

Pagel

A. Teichmann

Lorenzen

F. Brummer

V. Hantzsch

A. Frh. v. Mensi

Lorenzen

Lorenzen

F. Lauchert

Lorenzen

Kohls chmidt

V. Hantzsch

P. Stiller

A. Teichmann

Lorenzen

F. Brummer

Joh* Sass

A. Birk

Joh. Sass

A. Birk

A, Teichmann

Seite 205 268 82 104 149 245

39 209 259 268

249

6

297

34

140 248 104 179 213 106

255 *77 172

7i 105 152

155 291

45 232 210

255 197 i4i

>37

30

292

198

238 290

171 225

170 226 237

Namenverzeichnis.

429

Name Steiner, Kilian Stenglein, Melchior Steub, Fritz Steudel, Wilhelm Stiegele, Paul Straufi, Emil StUrzinger, Jakob

Verfasser G. Schmollcr A. Teichmann II. Holland Pagel

F. Lauchcrt Rudolf Schmidt H. Schneegans

Seitc

162

234

99

106

69 304 280

Trotha, Ernst v.

Lorenzen

188

Wahl, Alexander v. Weinrich, Karl v. Weiss, Olga Wittmann, Karl Werner, Karl Wetzel, Franz Xaver Wichner, Jakob Wittstock, Albert Wolf, Hugo

H. Holland Lorenzen H. Holland F. Brummcr A. Teichmann F. Lauchcrt F. Lauclurt F. Brummcr Paul Midler

200

'54 199 264 149 84

223 230

350

Zastrow, Karl Zellcr, Eduard Zeller-Werdmllller, Heinrich Zottmayr, Nina Zumpe, Hermann

F. Brummcr F. Brummcr y. R. Rahn Ph. Losch M. Schillings

231 185 339 204

14

II. Alphabetisches Namenverzeichnis

zu den

Nachtragen und Erganzungen.

Name

Verfasser

Arendt, Rudolf

Walter Roth

Byr, Robert

Hermann Sander

Dilmmler, Ernst

Karl Uhlirz

Gross, Jakob Hubert

Hansen, Georg

?. Pets

Hasenclever, Robert

fV. Roth

HUbner, Emil

Ch. Ifulsen

Kanitz, Rudolf Graf von

Lorenzen

Klihne, Willy

Hugo Kronecker

Ktisthardt, Erwin

F. u. H. Ki'tsthardt

Kuflmaul, Adolf

H Strubc

Landsberg-Velen, Graf Maximilian Franz v.

Dr. Quante

Lersch, Bemhard Maximilian

Lohner, Hermann von

C. Siegel

Mendel-Steinfels, Heinrich v.

Dr. Quante

Rossbach, Arwed

Richard Stiller

Stern, Margarethe

Adolf Stern

Widerhofer, Hermann Frhr. v.

Escherich

Wislicenus, Johannes

IK Roth

Seite 379

405

394

377

37' 393 365

412

418 373 383

412 377 38'

413

4«7

362

370

414

TOTENLISTE

1903

BiogT. Jahrbuch u. Deuttcher Nckrolog. 8. Bd.

Ein Stern (*) vor dem Nam en beseichnet, daj? das Biographiscke Jahrbuck detn Toten einen eigenen Nekrolog gcwidmet hat, auf den mit BJ unter Angabe von Band- und Seitenzahl verwiesen ist; die am Schlusse jedcs Artikels angefuhrtc Liter atur verzcichnet die Qucllen dcs Bear betters und gibt auch welter e, zum Teil aus sweiter Hand geschopfte Hinweise, aber nur soweit sie nicht bereits die Verfasser der Nekrologe selbst gebracht hat ten; L deutet dabei an, daft an der sitierten Stclle sich weitere Literatur uber den Verstorbenen findet, W, daJ3 dart ein Verzeichnis seiner Werkc, P, daj? ein Portrdt beigegeben 1st. Bei der Sam vi lung des Materials unter stutzte den Unterzeichneten- fur dieses Jahr Herr Kurt Michael is in Miinchen.

Ein Verzeichnis der Abkursungen findet sich in By III, i6j* ff.\ von den besonders haufig gebrauchten seien hier wiederholt:

Briimmer = F. Briimmer, Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten des neunzehnten Jahrhunderts BZ = Dietrich, Bibliographic der Zeitschriftenliteratur KL = Ktirschner, Literaturkalender Pagel = J. Pagel, Biographisches Lexikon hervorragender Arzte des neunzehnten Jahrhunderts Poggendorff = J. C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Hand wort erbuch zur Geschichte der exakten Wissenschaften Riemann = H. Rie inarm, Musiklexikon.

Miinchen. Dr. Georg Wolff.

Achenbach, Adolf, k. preufi. Wirkl. Geheimer Rat, Berghauptmann a. D., bis 1899 Direktor d. OberbeigamtsKlaustal; f Klaustal 13. VI., 78 Jahrc alt. Illustr. Ztg. 120, 972 ; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

♦Ackeren, Josef van, Ehrendomkapitular u. Dechant in Kevelacr; * Niitterden b. Cranen- burg (Niederrhein) 4. VII. 1830; fKevelaer

2. V. BJ VIII, 84 (F. Lauchert). *Ackermann, Friedrich Adolf, Verlags- u.

Kunstbuchh&ndler in MUnchcn, auch Kunst- schriftsteller u. Dichter; * Schwerin 1833; f MUnchen 5. IX. BJ VIII, 296 (R. Schmidt); Bftrsenblatt f. d. Deutschen Buch- handel 70, 6850. Ackermann, Karl, Dr. phil., emeritierter Direktor der Oberrealschule in Kassel, Mathematiker, Naturforscher und Lokal- historiker; * Fulda 2. III. 1841; f Kassel

23. IV. KL 24, 5. 26, 37*; Poggendorff

3, 8. 4, 7 (mit W) ; Hinrichsen, D. literar. Deutschland* 3 (mitW); BZ 13,56 (Ztschr. f. d. mathemat. u. naturwissenschaftl. Untcr- richt 24, 521 : L. Fennel; Hessenland 1903, 200: E. Bank; Ztschr. d. Vcreins f. hess. Gesch. und Landeskunde N. F. 27,279: Knabe).

Ackermann-Teubner, Albin, Seniorchef d. Verlagsbuchhandlung u. Buchdruckerei B. G. Teubner in Leipzig; * Elsterberg (Vogtl.) 14. II. 1826; f Leipzig 23. III. Btfrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 70,2396. 2498. 2530. 2636.

Adelon, Heinrich, Geheimer Hofrat, Inten- dant a. D. des Konigl. Theaters in Wies- baden; * Hahn 14. XII. 1822; f Wiesbaden

24. VII. Monatshefte f. Musikgeschichte 36,125 (LUstner); Neuer Theateralmanach

15- 153-

Adorjan, Eugen, Violinvirtuos, Schiller Jo- achims, Konzertmeister d. stadt. Orchesters in Dttsseldorf; * Nagy Kdroly (Ungarn) 1873; f Godollfl 18. IX. Illustr. Ztg. 121, 486; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 125 (LUstner, mit L).

Aistermann, J. Heinrich, Rektor der stadt. Rektoratschule in Calcar (Rheinl.), padagog. Schriftsteller; *Verl(Westfalen)27.X. 1846; f Coin 13. V. KL 26, 9. 27, 39*; Keiter-

J8rg, Kathol. Literaturkalender 5, 3. 6, 3

(mit W). Albert, Paul, Ingenieur, Amateurfahrer im

Automobil; f Wiesbaden 15. V. Woche

5i 920. Albes, Luise, geb. Volkmer, Schauspielerin

und Sangerin, Mitglied der Fercnczyschen

Operettengesellschaft am Zentraltheater

in Berlin; * Charlottenbrunn 7. X. 1864;

f Berlin 1 1. VIII. Neuer Theateralmanach

15. 154.

Albin, J. M„ Besitzer einer Buchhandlung gleichcn Namens in Luzern; f daselbst, 55 Jahre alt, 4. XII. Bflrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 70, 10436.

Albrecht, Carl Friedrich Hermann, Dr.phiL, Professor, Gymnasialoberlehrer in Colmar, Historiker; * LUbeck 3. I. 1846; f 17. XII. Hinrichsen, D. literar. Deutschland * 1 5 (mit W); KL 25, 11 (W). 26, 37*; Ztschr. f. d. Geschichte des Oberrheins 58, 570 (Kaiser, L: Deutsche Geschichtsbl&tter 4,* 319: Sorgenfrey).

*AIbu, Isidor, Dr. mcd.t Sanit&tsrat, frtthcr Professor an d. Medizin. Landesschule in Teheran, deutscher Gesandtschaftsarzt da- selbst und Leibarzt des Schah v. Persien, zuletzt Augenarzt in Berlin; * Fichtwerder (nicht Fichtberger) b. Landsberg a. d. W. 20. I. 1837; f Grofl-Lichterfelde b. Berlin 5. I. BJVIII, 60 (Pagel); Biograph. Lexikon der hervorragenden Arzte 1, 96 (mit W) ; Virchows Jahresberichte 38, 1, 409 (Pagel, mit L); Verzeichnis der Berliner Universitats-Schriften 18 10— 1885 (Berlin 1899) Nr. 5818; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. Nr. 6.

Allescher, Andreas, Hauptlehrer a. D., Bo- tanikcr; * Mlinchen 1828; f ebenda 10. IV. Leopoldina 39, 84; Berichte d. bayr. botan. Gesellschaft 9, 1 5 (G. Schnabl, mit P, W u. L).

Amberger, Hermann, Buchhandler, frUher Inhaber der Schweighauserschen Buch- handlung in Basel, 1884 89 Direktor des » Frankfurter Journals «, spater in Zurich lebend, Achtundvierziger; * Solingen 1823 (?); f Zurich, 80 Jahre alt, 31. 1. BSrsen- blatt f. d. deutschen Buchhandel 70, 5240.

Totenliste 1903: Amelang Bade.

8*

Amelang, Franz, Violoncellist d. Groflherzogl. Hof kapelle in Karlsruhe ; f daselbst, 61 Jahre alt, 2.VI1I. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 125 (Lttstner, mit L).

Ammon, Siegfried von, Geheimer Oberberg- rat, k. preufl. Berghauptmann u. Direktor des Oberbergamts in Bonn, vortragender Rat im Handelsministerium ; f Bonn, 68 Jahre alt, 13, XII. Illustr. Ztg. 121, 1014; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608; BZ 13, 61 (Glttck- auf 1903 Nr. 51).

Andrae -Roman, A., Rittergutsbesitzer in Roman (Hinterpommern) ; f 13. III. Die Reformation 1903 Nr. 323 (Trommers- hausen); Andrae-Roman, Aus langst ver- gangenen Tagen. Erinnerungen eines alten Mannes. Bielefeld 1899.

Andre, Wilhelm, Dr., k. sachs. Geheimer Regierungsrat, 1874 9^ Oberbtlrgermeister v. Chemnitz ; * Quakenbrttck 1827 ; f Chem- nitz 12. VI. Illustr. Ztg. 120,972.

Antonius (Pseudon.), Schriftsteller : s. Pauly, Tony.

•Anzer, Johann Baptist v., apostolischer Vikar ftir Sttdschantung in China und Titular- bischof v. Telepte, Missionar; * Weinrieth b. Pleystein (bayr. Oberpfalz) 16. V. 1851; t Rom 24. XI. BJ VIII, 283 (F. Lauchert) ; Illustr. Ztg. 121,841 (R. Schoner, mitP); Woche 5, 2135 (P); Geographen-Kalender 2, 181; BZ 13,63. 14, 58 (L); Theolog. Jahresbericht 23, 1194 (Nestle, mit L).

Arndt, Johann Adolf, Dr. phil.9 Professor, Oberlehrer am KSnigl. Friedrichs-Gymna- sium zu Frankfurt a. O., klass. Philolog u. Germanist; * Hammelstall bei Friedeberg (Neumark) 11. VII. 1839; f Berlin 24. II. Jahresbericht tiber das K. Friedrichs- Gymnasiums zu Frankfurt a. O. 1903, 25 und 26.

Arnim, Georg Karl Albrecht Graf v., Herr auf Mellenau, Arnimshain u. Biesterfelde, k. preufl. Major a. D., Ehrenritter des Jo- hanniterordens , Stiftshauptmann v. Zeh- denick, Mitglied d. preufl. Herrenhauses ; 17. I. 1841; f Berlin 3. XII. Illustr. Ztg. 121,913; Woche S, 2228 (P); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser

78, 35- Arnim, Friedrich Ernst Abraham Heinrich Karl Oskar v., Stifter und erster Fidei- kommiflherr auf Krtfchlendorff (Ucker- mark), k. preufl. Geheimer Regierungsrat, Landrat a. D., Kammerherr, Mitglied des preufl. Herrenhauses, frtther d. Deutschen Reichstags (Reichspartei) ; * Berlin 16. VI. 1 8 13; f daselbst 18. XII. Illustr. Ztg. 121, 1014; SchoenfeldsNotizbuch f.Reichs- tagswahlerS 46; Goth. Genealog. Taschen- buch d. Adeligen Hauser 6, 42.

Arnsburg, Marie, geb. Fichtner, ehemalige Schauspielerin am Burgth eater in Wien (junge Madchen) ; f Wien, im 74. J., 25. IX, Eisenberg, Grofles Biograph. Lexikon d. Deutschen BUhne 35 ; Fltiggen, Biograph. BUhnenlexikon 1,83; Neuer Theateralma- nach 15, 157.

Arnstedt, Arthur v., Oberst u. Kommandeur der 1. preufl. Kavalleriebrigade , vorher Kommandeur d. Ostasiat. Reiterregiments; f Ktfnigsberg i. Pr., 51 Jahre alt, 15. X. Illustr. Ztg. 121, 607; Woche 5, 191 6; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Ascher, Minna, geb. Zechbauer, ehemalige Schauspielerin u. Theaterdirektorin ; f Erfurt 26. XI. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Aselmeyer, Julius, Groflindustrieller in Ne- apel, Senior der deutschen Kolonie und deutscher General konsul daselbst; f ebenda, 80 Jahre alt, im Juli (?). Woche 5, 1544 (mit P); BZ 13, 69 (Tagliche Rundschau 1903 Juli 7).

Askenasy, Eugen, Dr. phil., Honorarprofessor f. Botanik an d. Universitat Heidelberg;

5. V. 1845; f Sulden 27. VIII. Illustr. Ztg. 121,334; Ascherson, Univ.-Kalender 63, 143; Kukula, Bibliograph. Jahrbuch d. Deutschen Hochschulen1 12. Erganzungs- heft 1, 6 (W); BZ 14, 63 (Berichte der deutschen botan. Gesellschaft 1904, 47: M. Moebius).

*Afimann, J o h a n n B a p t i s t Maria, Dr. theoL, kathol. Feldpropst d. preufl. Armee, Titular- bischof von Philadelphia in Kleinasien;

* Branitz (Schlesien) 26. VIII. 1833 ; f Ahr- weiler 27. V. BJ VIII, 84 (F. Lauchert); Woche 5, 964(F); BZ i2,7o(Milit&rwochen- blatt 1903, 1387; Germania 1903 Mai 28).

Asten, Anna Schultzenv., Konzertsangerin : s. Schultzen v. Asten.

Augustus (Pseudonym), Schriftsteller: s. Pohler, Armand.

Bachler, Otto, Dr. phiL, Chefredakteur der »Staatsbttrgerztg.c in Berlin; 9. IX. 1845; f Berlin 3. VII. Woche 1903, 1236; KI.25,34. 26,38*.

Bachmann, Friedrich, Dr. phil., Direktor der k. Elisabethschule in Berlin, verdientcr Schulmann; * Berlin 5. IV. 1839; f Hampel- baude (Riesengebirge) 2. V. Woche 5, 828; Voss. Ztg. 1904 Nr. 5; Verzeichnis der Berliner Univ.-Schriften 1810—1885 (Berlin 1899) Nr. 8770.

Backers, Anna, Schauspielerin, friiher am Adolph Ernst-llieater in Berlin; f, 44 Jahre alt, 15. I. Voss. Zig. 1904 Nr. 13.

Bade, Wilhelm, Kapitan a. D., Nordpolfahrer; f Rostock 27. VII. Geograph. Jahrbuch 26, 424 (mit L); Geographen Kalender 2, 181; Illustr. Ztg. 121, 245.

Totenliste 1903: Baden Beck.

10*

Baden, Leopoldine Prinzes sin v., FUrstin zu Hobenlohe-Langenburg: s. Leopoldine.

Baudelow, Carl, k. prcufl. Rittmeister a. D., Landwirt, Mitglied d. preufi. Abgeordneten- hauses; * Tressow (MecklenbuTg-Schwerin) 31. VIII. 1834; t Berlin 26- IL VVoche 5, 418; Kurschner, Preufl. Abgeordneten- haus 1894, 156 (mit P).

Banze, Karl, k. k. Oberstabsarzt in Wien, ehemal. Kassierer am Militar-Witwen- und Waiseninstitut der k. k. Feldarzte, Mitglied d. Kuratoriums d. Vereins zur Errichtung v. Seehospizen; f, 71 Jahre alt, 27. IX. Vircbows Jahresberichte 38, 1, 410 (Pagel, mit L).

Barkhausen, Friedrich Wilhclm, Dr. thtol. tt pkii., k. preuB. Wirkl. Geheimer Rat, President des Oberkirchenrats in Berlin, Kurator des Klosters Loccum; * Misburg b. Hannover 24. IV. 183 1 ; f Breslau 31. VI 1 1.

111. Ztg. 121, 334; Woche 5, 1607 (P); Theolog. Jahrcsbericht 23, 1 194 (Nestle, mit L); BZ 13, 75 (Kirchl. Monatsscbrift f. evangel. Christen 1903 Nr. 37).

Baerlochcr, Kantonsgerichtsprasident v. St. Gallen; f daselbst 12. I. Woche 5,98.

Barsis, Albrecht, Dr. med., Arzt, frtther Re- dakteur der » Wiener Medizin. Pressec; t Meran. 38 Jahre alt, 29. X. Virchows Jahresberichte 38, I, 410 (Pagel, mit L).

Barthel, Oskar, ehemalig. Schauspieler am Ktfnigl. Theater in Hannover; * Braun- schweig 11. II. 1845; f Lauterberg (Harz) 12. IV. Neuer Thcateralmanach 15, 146; Fltiggen, Biograph. Btihncnlexikon 1, 13.

♦Bartsch, Max, Geheimer Oberjustizrat, Land- gerichtsprasident in Breslau; * Sprottau 1833; f Breslau 20. VIII. BJ VIII, 149 (A. Teichmann).

Baste, Friedrich Wilhelm v. (B e s t e n b o s t e I), Schauspieler; * Hamburg 25. III. 1843; t Celle 20. XI. Neuer Thcateralmanach 16, 172.

Bastineller, Rudolf v., k. preufl. General- major a. D. ; f , 80 Jahre alt, Anfang Mai.

Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Bauer, Adolf, ehemal. Chorsanger; * Hohen- Neuendorf 12. XII. 1830; f Berlin 1. X. Neuer Theateralmanach 16, 167.

Bauer, Bernhard (Marie -Bernard), ehemal. Abbe u. papstl. Protonotar, auch Beicht- vater d. Kaiserin Eugenie v. Frankreich, Konvertit, mehrfach politisch tatig, Publi- zist; * Budapest 1829; f Paris 14. V. Woche 5, 920; Vapereau, Dictionnaire unrvcrsd des contemporains 5 148; De Gu- bernatis, Dictionnaire international des ecrivains du jour 201; Neue freie Presse 1903 Mai 24.

Bauer, Caroline, geb. Sack, frtther Opern-

sangcrin, zuletzt Gesanglehrerin in Wicn; f daselbst im Mai. Neuer Theater- almanach 15, 150; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 126 (Lttstner, mit L).

Bauer, Ferdinand, Komponist in Berlin; f da- selbst, 67 Jahre alt, 28. II. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 126 (LUstner, mit L).

Bauer, Franz, Dr. phil., Privatdozent fUr Geologie und Palaontologie in der Chem. Abteilung d.Techn. Hochschule in Mlinchen ;

Dollnstein (Mittelfranken) 28. IV. 1870; f durch Absturz auf dem Risserkogcl bci Tegernsee 21. VI. Leopoldina 39, 100; Allgemeinc Ztg. 1903 Beil. 139; Bericht iib. d. K. Techn. Hochsch. zu Mlinchen 1902/3 Nekrologe S. 6 (M. Weber, mit W).

♦Bauer, Georg v., k. preuB. Generalmajor z. D.; *Kassel 12. VIII. 1823; f daselbst

I. I. BJ VIII, 212 (Lorenzen). Baumgartner, Adolf, chemals Direktor der

Landes-Ackerbauschule Grottenhof b. Graz und frttherer Sckretar der Obertfsterreich. Landwirtschaftsgesellschaft; f Nculengbach (Niederosterreich), 77 Jahre alt, 22. V. Illustr. Ztg. 120, 858. Bauque, Am and Louis, Architekt in Wien;

* Paris 5. XI. 185 1 ; f Wien 7. 1. Woche 5, 98; Rheinhardt, Biographien d. Wiener Ktinstler u. Schriftsteller 1, 2.

Baureis, Jean, deutsch-amerikan. Schauspieler u. Theaterdirektor; * Mannheim 10. X. 1849; f Buffalo im November. Neuer Theater- almanach 16, 173; Fltiggen, Biograph. Biihnenlexikon 1, 16.

♦Bausewein, Kaspar, k. bayer. Kammer- sanger, Mitglied der k. Hofoper in Mlinchen (Baritonist); * Aub b. Ochsenfurt 15. XL 1838; f Mlinchen 18. XL BJ VIII, 233 (A. Frcih. v. Mensi) ; Kisenberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen BUhnc 64; Neuer Thcateralmanach 16, 172 u. lllustra- tionsbogen (P); Woche 5, 2138 (P); Mo- natshefte f. Musikgesch. 36, 126 (Lttstner); A. Hagen, Almanach d. k. Hoftheater u. d. Prinzregcntentheaters in MUnchen 1903, 59 (mit P).

Bayern, Irmengard Prinzcssin v.; s. Irmen- gard.

Beau, Josef, ehemal. Mimiker u. Tanzer am Hofopcrntheatcr in Wien, altestes Mitglied desselben; f Linz, im 84. Jahre, 1. II. Woche 5, 282; Neuer Theateralmanach *S> Mo.

Beck, Joseph, frtther Mitglied d. k. Oper in Berlin, zuletzt am Metropolitantheater in Newyork, Baritonist; * Mainz (Budapest?)

II. VII. 1850 (1848?); f PreBburg 15. II. Eiscnberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen Btthne 69; Flttggcn, Biograph. Biihnenlexikon 1, 18; Illustr. Ztg. 120,310;

IV

Totcnliste 1903: Beck Bergen.

I2<

Monatshefte fttr Musikgeschichte 36, 126 (LUstner, mit L).

Beck, Martin Eugen, Paramentiker; * Herrn- hut 24. XL 1833; f daselbst 6. VI. UrsprUnglich Ttfpfer xind etwa seit d. Jahre 1865 aus eigenem Antrieb u. unter dem EinfluO Meurers und Andreas protestant. Paramentiker. Klcine Chronik d. evang.- luthcr. Diakonissenanstalt zu Dresden 29 (1904), 1. Vierteljahr, S. 3—5, 3. Viertel- jahr, S. 1, 3 6. 4. Vierteljahr, S. 3 5; Dresdner Anzciger 1903 Juni 10 Nr. 159, S. 29. Mitteilung des Prof. Dr. H. A. Licr in Dresden.

Becker, Ernst, k. preufl. Generalmajor z. D., zuletzt Kommandeur des Landwehrbezirks Frankfurt a. M.; f, 58 Jahre alt, 8. IV. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Becker, Fritz, irtihcr Hofkapcllmeister am Grofiherzoglichen Hoftheater in Schwerin; * Hamburg; f Schwerin 12. I. Neuer Theateralmanach 15, 138; BZ 12,80 ([Ham- burger] Fremdenblatt 1903 Nr. 1 4 : E.Krause).

Beckh-Widmanstetter, Leopold v., k. u. k. Hauptmann a. D., Archivar d. Deutschen Rittcrordens in Wien, Kulturhistoriker; ♦Graz 15. XL 1841; f 5. III. KL 25, 68 (W). 26,38*; Hinrichsen,D.literar.Deutsch- land* 84 (mit W); P. G. Rheinhardt, Bio- graphien der Wiener KUnstlcr u. Schrift- steller 1, 230.

Beetz, Felix, Dr. mcd., Hofrat, prakt. Arzt in MUnchen; * Berlin 2. II. 1849; f Mtin- chen 11, IV. Virchows Jahresberichte

38, I, 410 (Pagel, mit L); Leopoldina

39, 100.

Behrens, Wilhelm Julius, Dr. phi/.f Bo- taniker u. Mikroskopiker, Herausgeber d. Ztschr. f. wissenschaftl. Mikroskopie und mikroskopische Technik; * Braunschweig; f Gottingen 24. XII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 296; BZ 14, 71 (Ztschr. f. wissenschaftl. Mikroskopie 20, 273 und Natur u. Schule 1902, 209: E. Oppermann; Ztschr. f. Schulgeographie 25, 193).

♦Bellermann, Johann Gottfried Heinrich, Dr. phil. honoris causa, auBerordentlicher Professor f. Musikwissenschaft an d. Uni- versitat Berlin, Mitglied der Akademie d. Kiinste daselbst, Musiker u. Musikschrift- steller; * Berlin 10. III. 1832; f Potsdam 10. IV. BJ VIII, 265 (J. Wolf); Rie- mann 5 98 (mit W) ; Mendel - Reiflmann, Musikal. Konversationslexikon 1, 532; KL 25» 74 (W)i Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 126 (LUstner, mit L); Chronik der k. Friedr.-Wilh.-Univ. zu Berlin 17, 1903, 8.

♦Bellingrath, Ewald, Dr.-Ing.% Ftfrderer d. Binnenschiflfabrt; * Barmen 18. IVr. 1838; f Dresden 22. VIII. BJ VIII, 146 (A.Birk).

Below, Werner Friedrich Louis Gustav v.f k. preufl. Generalmajor z. D., bis 1901 Kommandeur v. KUstrin; * Astra wischken

1. III. 1841; t Swinemtinde 6. IV. Illustr. Ztg. 120, 586; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3 ; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 6, 72.

Belrupt-Tissac, Karl Graf, k. u. k. Kammer- herr u. Geheiraer Rat, Mitglied d. Herren- hauses d. tfsterreich. Reichsrats auf Lebens- zeit, President d. Landwirtschaftsgesellschaft in Vorarlberg, frtlher Landeshauptmann von Vorarlberg; * Pleternica (Slavonien) 14. XII. 1826; f Bregenz 31. V. Illustr. Ztg. 120,897; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 77, 76.

Bendel, Josef, Schauspieler am Kolosseum- theater in Mannheim ; f daselbst 1 7. V. Neuer Theateralmanach 15, 150.

*Benfey, Anna, geb. Schuppe (auch Benfey-Schuppe), Musikschriftstellerin und Tonkiinstlerin ; * Landeck (Schlesien) etwa 1830; f Weimar 27. V. BJ VIII, 185 (F. BrUmmer); KL 25, 77 (W); Hinrichsen, D. literar.Deutschland *97 (Autobiographic) ; Monatshefte ftir Musikgeschichte 36, 126 (LUstner, mit L).

Benger, Gottlieb, k. wilrttemberg. Kommer- zienrat, ruman. General konsul, Besitzer d. Fabrik Jagerscher Wollwaren in Stuttgart, auch ethnograph. Schriftsteller; f Ublbach bei Cannstatt, 52 Jahre alt, 19. VIII. Illustr. Ztg. 121,301; Geographenkalender

2, 182; BZ 13,78 (Schwab. Merkur 1903 August 27).

Benzinger, k. wUrttemberg. Kommerzienrat, Direktor der Wilrttemberg. Vereinsbank; f Stuttgart, im 64. Jahre, 20. VIII. Woche 5, 1554.

•Berdrow, Otto, Lehrer in Stralsund, lyr. Dichter, Romanschriftsteller und Litcrar- historiker; * Stralsund 26. V. 1862; f da- selbst 6. II. BJ VIII, 186 (F. BrUmmer); KL25,8i (W).

Berendt, Martin, Dr. phil., philosoph. und nationalokonom. Schriftsteller in Berlin ; * Gnoien 30. VIII. 1849; t Berlin 31. 1. Illustr. Ztg. 120, 237; KL 25, 81 (W). 26, 38*.

♦Berenhorst, Adolf v., k. preufl. General- major a. D., herzogl. anhaltin. Oberstall- meister und Kammerherr, ein Enkel des alten Dessauer; * Dessau 6. VIII. 1820; f daselbst 18. IV. BJ VIII, 240 (La- renzen).

Berg, Salomon, Buchhandler in BUtzow (Mecklenburg); f daselbst, im 86. Jahre, 6. III. Borsenblatt f. d. Deutschen Buch- handel 70, 1959. 7636.

Bergen, Eugen, kaiserl. russ. Staatsrat in

13'

Totenliste 1903: Berger Blasi.

H'

St. Petersburg, Ordinator emerit. d. Marine- hospitals in Wladi wostok ; * Fellin (Lxv- land) ; f, 65 Jahre alt, 26. I. Virchows Jahresberichte 38, I, 410 (Pagcl, mit L).

Berger, Nationalist, ehemaL schweizer. Staats- schreiber ; f Langnau, 76 Jahre alt, 3. VII, Woche 5, 1236.

Bernhard, Prinz zu Schaumburg-Lippe, Sohn des Prinzen Maximilian aus der Ehe mit Olga Herzogin v. Wtlrttemberg; * Lud- wigsburg 18. XII. 1902; f daselbst 24. VI. Goth. Genealogischer Hofkalender 141, 86.

Bernhard, L. (Pseudonym), Schriftsteller: s. Thiele, Luise.

Bernstein! Bruno, Btthncnverleger; f Berlin 25. III. Neuer Theateralmanach 15,

144.

♦Bernstein, Hugo, Buchdrucker u. Verleger in Berlin; * daselbst 13.XII. 1857; febenda 2. VI. BJ VIII, 295 (R. Schmidt); Btfrsen- blatt f. d. Deutschen Buchhandcl 79,4514. 4576. 4672. 9743.

Bertram, Heinrich, Hofopernsanger a. D. und Professor d. Gesangskunst am K. Konser- vatorium d. Musik in Stuttgart, Baritonist;

* Braunschweig 14. III. 1825; f Stuttgart 1 5. XI. Illustr. Ztg. I2i, 795; Eisenberg, GroBes biograph. Lexikon der Deutschen BUhne 88; FlUggen, Biograph. BUhnen- lexikon i, 25; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 126 (Ltistner, mit L).

Besserer von Thalrlngen, Maximilian Joseph Alois Freih. v., k. bayr. Kammcrer u. Generalmajor a. D.; * Oettingen 3. IX. 1820; f MUnchen 10. II. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrlichcn Hauser 1 904,

23. Bestenbostel (Pseudon.), Schauspieler: s.

Baste, Friedrich Wilhelm v. Bettelheim-Gabillon, Heinrich; * Wien

5. VII. 1887; f 24. VI. Zur Er-

innerung an H. B.-G. Von seiner Mutter.

Als Handschrift fUr Freunde gedruckt.

(Wien 1905.) ♦Betz, Philipp Friedrich, Dr.med., k. wUrttem-

berg. Sanitatsrat, prakt. Arzt in Heilbronn,

medizin. Schriftsteller, auch Politiker;

* Weinsberg 15. II. 1819; f Heilbronn 24. IX. BJ VIII, 61 (Pagel).

Beyer, Karl, ehemaL Hoftheatermaler in Darmstadt; * 21. IV. 1826; f Darmstadt 18. VII. Neuer Theateralmanach 15,

153- *Beyschlag> Julius Robert, Genremaler;

* Nordlingen 1. VII. 1838; f Mtinchcn 5. XII. BJ VIII, 74 (Hyazinth Hoi- land); MUller-Singer, AUgemeines Ktinstler- lexikon3 i, 122; Jahrbuch der bildenden Kunst i, III, 61.

Bickel, Theodor, Erfinder der Tttllspitze; f Bozen, im 65. Jahre, 5. IV. Illustr. Ztg. 120, 586.

Biedermann, Albert, Mitglied des Stadt- theaterorchesters in Hamburg; Rotha 18. XI. 185 1 ; f November. Neuer Theater- almanach 16, 173.

'Biedermann, Gustav Woldemar Freih. v., Dr. phil. honoris causa, k. sachs. Geheimer Rat, bis 1887 Vorstand d. techn. Abteilung d. Generaldirektion d. sachs. Staatseisen- bahnen, Goetheforscher; * Maricnberg (Erz- gebirge) 5. III. 1837; f Dresden 6. II. BJ VIII, 287 (A. Reichardt); Goth. Geneal. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 55, 54; Woche 5, 288 (P); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 31; Illustr. Ztg, 120, 237.

Bienemann, Friedrich Gustav, Dr. phiL, Honorarprofessor flir Geschichte an der Universitat Freiburg i. B., Historiker und Publizist; *Riga 19. (7. alten Stils) II. 1838; f Freiburg i. B. 22. IX. KL 25, 104 (W). 26,38*; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 216; Illustr. Ztg. 121,486.

Bienert, Hermann, Stadtmusikdirektor in Bernburg; f daselbst, 46 Jahre alt, 10. III.

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 126 (Ltistner, mit L).

♦Birck, Maximilian, Dr. thtoL, Kanonikus in Aachen, Kirchenhistoriker; * Coin 6. II. 1 841; f Aachen 25. XI. BJ VIII, 284 (F. Lauchert).

Birrenkoven, Anna, geb. Slach, Gattin d. Heldentenors Wilhelm B., ehemal. Opern- sangerin; f Hamburg 12. (oder 20.?) IV.

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 127 (Ltistner, mit L); Eisenberg, Grofles bio- graph. Lexikon d. Deutschen Btihne 100; Neuer Theateralmanach 15, 146.

♦Bischoff von Klammstein, Friedrich, k. k. Sektionschef im Eisenbahnministerium, Erbauer d. Wiener Stadtbahn; * Graz 14. XI. 1832; f Wien 26. II. BJ VIII, 147 (A. Birk).

Bittner, Georg, Schauspieler am bohm. Landcstheater in Prag; f daselbst 7. V. Neuer Theateralmanach 15, 147.

Bittrich, Kommerzienrat, Seniorchef d. Kolo- nial-Groflhandlung J. C. Bittrich & Sohne in K5nigsberg i. Pr. ; f daselbst 24. X. Illustr. Ztg. 121, 648.

Blanc, Louis v., Admiral z. D. d. Deutschen Flotte, zuletzt bis 1889 Chef d. Marine- station an d. Ostsee; f Weimar, 70 Jahre alt, 9. (oder 1 1 . ?) I. Voss. Ztg. 1 904 Nr. 3 ; Woche 5, 98.

Blasi, Mitglied und Ofters Vorsitzender des Schweizer. Bundcsgerichts zu Lausanne ; f daselbst, 70 Jahre alt, 24. XI. Illustr. Ztg. 121, 841.

15"

Totenlistc 1903: Blech Breidenbach.

16*

Blech, Charles, 1826 1903. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58,721 (Kaiser, L : Le Messager des Vosgcs illustrc 1 , 113).

Bliicher, Karl Louis Franz Amalrich Ulrich v., k. preuO. Generalmajor z. D.; *Falken- berg 17. III. 1816; f Berlin 28. VI. Illustr. Ztg. 121, 67; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 5, 99.

Blum, Alcuin, Opern- und Oratoriensanger (Baritonist), zuletzt Leiter deutscher Gesang- vercine in Newyork; * Salmiinster 1846; fNewyork 17. III. VVoche 5, 556; Mo- natshefte flir Musikgeschichte 36, 127 (Lustner, mit L) ; Flilggen , Biographisches Blihnenlexikon 1, 28; Neuer Theateralma- nach 15, 142.

Blum, J., Zoologe; f Frankfurt a. M. 24. IV. Leopoldina 39, 100; BZ 14, 84 (Der zoolog. Garten 44, 334: A. Knoblauch; Bericht d. Senckenberg. Gesellschaft in Frankfurt a. M. 1903, 160*: H. Reichen- bach).

Blumauer, Karl, Landschaftsmaler in Linz; f daselbst, 77 Jahre alt, 26. XII. Voss. Ztg. 1903 Nr. 11.

*Blumenthal, Ludwig v., k. preuO. General- major z. D.; *Gatz (Kreis Stolp) 1. VIII. 1811; f Potsdam 25. V. BJ VIII, 256 (Lorenzen).

Bock, Waldemar v., ehemal. Vizeprasident d. livland. Hofgerichts, auch literarisch tatig; f Bamberg, 86 Jahre alt, 1. II. Voss. Ztg. 1903 Nr. 9.

Bockel, frtiher Blirgermeister d. Badcs Pyr- mont; f daselbst, im 68. Jahre, 15. I. Woche 5, 144.

*Boeddinghaus , Karl, Kaplan, Publizist, frliher Verleger und Leiter d. »Westfal. Merkur« ;• Camen b. Dortmund 25. X. 1835; f 17. IV. BJ VIII, S3 (F. Lauchert).

Bohl, Eduard, Dr. theol. et phil., k. k. Hofrat, emerit. ordentl. Professor d. alttestamentl. Theologie an d. Evangel.-theolog. Fakultiit in Wien; Hamburg 18. XI. 1836; f Wien 24. I. KL 25, 128 (W). 26, 3?*; SchafT and Jackson, Encyclopedia of living divines 21 (mit W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 22 ; Theolog. Jahresbericht 23, 11 94 (Nestle, mit L).

Bohncke, Franz Hermann, Superintendent in Lotzen; * Goldap 25. I. 1837; f Lotzen 2. Ill, Rindfleisch, Altpreufl. Bibliogr. f. d. J. 1903, 43 (L: Evangel. Gemeinde- blatt 58, 78 [Trinker]).

*Bokelmann , Wilhelm Hieronymus, Ge- heimer Regierungsrat, Land- u, Volkswirt; * Hamburg 21. V. 1822; f Kiel 3. XII. BJ VIII, 175 (Job. Sass).

Bolley, Wilhelm, ehemal. Mitgl. d. Hof- orchesters in Stuttgart; * 8. XII. 1849;

f Stuttgart im zweiten Viertel d. Jahres.

Neuer Theateralraanach 16, 166. Bornet zu Meautry, Franz Karl August,

k. bayer. Generalmajor z. D.; * Kreuth

3. VI. 1846; f Staudach 10. XII. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 55, 69; Woche 5,2272.

Boretius, Oskar Eduard Armin Bogislav, Dr. Med., k. preufi. Generalstabsarzt a. D. in Danzig, verdient um freiwillige Armen- pflege u. Samariterwesen ; Rauschnick b. Konigsberg i. Pr. 26. 1. 1830; f Danzig im Juni. Virchows Jahrcsberichte 38, 1, 410 (Pagel); Illustr. Ztg. 120, 972; Vita in B.s Dissertation: De indole c hem tea salivae. Berolini 1832.

♦Borsdorf, Alfred Theodor Wilhelm (Willy), Dr. pAH., Professor d. roman. Sprachen und Dozent ftir altdeutsche Philologie an University College zu Aberystwith ; * Pots- dam 9. IV. 186s; f CaPri IO- VI- BJ VIII, 148 (C. Michaelis).

Borsmann, Martin, Maler und ehemal. Re- dakteur; * Elfershude 1851; f Hannover 21. II. Mllustr. Ztg. 120, 347; BZ 12, 89 (Hanno versche Geschichtsblatter 1 903 , 24 1 ).

Bosenberg, Friedrich Wilhelm, Archaolog; f Stuttgart, 62 Jahre alt, 2. II. Leo- poldina 39, 84.

Bottstein, Wilhelmine, geb. Schradieck, ehemal. Schauspielerin; * Hamburg 27. III. 1 83 1 ; f daselbst 29. XI. Neuer Theater- almanach 16, 173.

Brackel, Engelbert Wilhelm Otto Joseph Freih. v., friiher Major in d. papstl. Garde, dann mexikan.Oberstleutnant, zuletzt Schrift- steller in Kassel; * WTelda bei Warburg (Westfalen) 16. VI. 1830; f Kassel 23. XI.

Goth. Genealog. Taschenbuch d. Frei- herrl. Hauser 54,70. 55,936-

Braun, Karl, Mitgl ied d. Hofopernorchesters in Wien; f daselbst, 58 Jahre alt, 19. IV. Monatshefte fur Musikgeschichte 36, 127 (LUstner, mit L).

*Braun, Karl Ludwig August, Reich sgerichts- rat in Leipzig; *Orb 26. III. 1832; f Leipzig 29. X. BJ VIII, 267 (A. Teichmann).

Braune, Geheimer Oberpostrat, Oberpost- direktor a. D.; f Halle 8. X. Illustr. Ztg. I2Ii 753; Voss. Ztg. 1903 Nr. 108.

Braune, Franz, techn. Direktor der Stumm- schen Werke in Neunkirchen ; f daselbst

4. IV. BZ 13, 90 (Ztschr. d. Vereins deut- scher Ingenieure 47 Nr. 19, mit P).

Breden, Adalmar, k. k. Rittmeister a. D.,

Militarschriftsteller; f Wien 10. 1. Illustr.

Ztg. 120, 166. ♦Breidenbach, Emilie v., geb. Frciin von

Eisendecker, Dichterin u. Schriftstellerin ;

* Konstanz 7. I. 1838; f daselbst 16. IV.

17*

Totcnliste 1903: Breithaupt v. Btilow.

18*

BJ VIII, 186 (F. Briiinmer); BrttmmerS 1. 177. 495 (mit W); KL 25, 163 (W).

Breithaupt, Dr., Wirkl. Gehciraer Rat, Ober- landesgerichtsprasident a. D., frtiherMitglied d. prcufi. Abgeordnetenhauses; f Naumburg 15. IV. Ulustr. Ztg. 120,623; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3,

Bretzl, Josef (Pseudon.: J. Reginus), lyr. Dichtcr zu Strafiburg i. E. ; Regen (Bayr. Wald) 29. VIII. 1845; t »5- H. KL 25» 169 (W). 26, 39«.

Brill, Wilhelra, Dr. Pied., Kreisarzt u. Medi- zinalrat in Eschwege ; * Bergen 1 835 ; f Esch- wege 28. VIII. Virchows Jahresberichte 38, 1, 410 (Pagel, mit L); BZ 13, 88 (Corrc- spondenzblatt d. Arzte d. Prov. Nassau 1903, 409: Harttnann).

Brinkmann, Erich, kgl. sachs. Generalmajor a. D., friiher in kgl. hannoverschen Diensten, zuletzt bis 1877 Kommandeur d. kgl. sachs. 102. Infanterieregiments; f, 80 Jahre alt, 27. VII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

♦Briick, Heinrich, Dr. thcoL, Bischof v. Mainz, Kirchenhistoriker und Kanonist; Bingen 15. X. 1831; f Mainz 5. XL BJ VIII, 246 (F. Lauchert); Theolog. Jahresbericht *3, 1195 (Nestle) u. BZ 14,89 (L); Woche 5, 2052 (P).

Bruckner, Karl, Vize-Hof kapellmeister an d. Hofoper u. Dom-Subkantor an St. Stephan in Wien, auch Dichter; * daselbst 13. X. 1848; f Mddling 7. X. Neuer Theater- almanach 16, 167; Monatshefte f. Musik- gesch. 36, 127 (Ltistner, mit L); BrlimmerS 1, 186 (mit W).

Bruckner, Joseph v., kgl. bayer. Generalmajor a. D., zuletzt bis 1899 Kommandeur der 3. Infanterie- Brigade; f Arco 10. IV. Illustr. Ztg. 120, 623.

Bruggen, Ernst Freih. von der, Publizist u. Historiker; f Riga 20. XII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9,

•Brugier, Gustav, Dr. theol. honoris causa, papstl. Pralat, erzbischofl. Geistlicher Rat, Munsterp fairer in Konstanz,Literarhistoriker ; •Tauberbischofsheim 18. VIII. 1829; | Kon- stanz 13. IX. BJ VIII, 221 (F. Lauchert) ; Illustr. Ztg. 121, 486; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 208; Keiter-Jorg, Kathol. Literatur- kalender 6, 34 (W); Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 542 (Frankhauser, L: Oberrhein. Pastoralblatt 5, 337).

Brfthl, Gustav (Gustavus, Pseudon.: Kara G i o rg), Dr. mcd.f prakt. Arzt in Cincinnati, Schriftsteller, Publizist u. Dichter; * Herdorf (Rheinpreuflen) 31. V. 1826; f Cincinnati Anfang d. Jahres. Geogr. Jahrbuch 26, 425 (Wolkenhauer, mit W u. L); BrlimmerS 1, 188. 500 (mit W); Appleton, Cyclopaedia of American Biography 1, 419 (mit W).

♦Brull, Andreas, Dr. theol., kathol. Pfarrer zu Plittersdorf b, Godesberg (RheinpreuBen), Patristiker u. Sozialpolitiker ; * Boslar b. Jtilich 5. VI. 1845; t Kissingen 24. VII.

BJ VIII, 193 (F. Lauchert). Briining, Ida, geb. Wohlbrtick, Opernsan-

gerin: s. Schuselka-Brdning, Ida. Brunings, Theodor, Oberlandesgerichsrat

a. D., Landtagsabgeordneter; f Herrenalb

8. III. Woche 5, 1464. Britain, J. v. (Pseudonym), Dichterin: s.

Pozorny, Tony. Brunner, Eduard, Komponist u. Regens chart

zu Bruck a. d. Mur; f daselbst 15. II.

Monatshefte ftlr Musikgeschichte 36, 127

(Lttstner, mit L); BZ 12, 92 (Gregorian ische

Rundschau 1903, 45). Brunner, Robert, Oberst im Eidgendss.

Generalstab, Chef d. Eisenbahnsektion d.

Militardepartements; f Bern; im 43. Jahre,

24. II. Illustr. Ztg. 120, 347; BZ 13, 92 (Ncue Ztircher Ztg. 1903 Nr. 56).

*Buchel, Karl Eduard, Professor, Ehren- mitglied der Kunstakademie in Dresden, Kupferstecher ; * Eisenberg (Sachs.-Alten- burg) 22. IV. 1835; f Dresden 25. VIII.

BJ VIII, 293 (R. Stieler). Buchheister, Max Jttrgen, Wasserbaudirektor

in Hamburg; * daselbst 2. VI. 1842; fNervi im Marz. Woche 5,817 (mit P); BZ '3» 93 (Hamburger Korrespondent 1903 Marz 29). Buchner, Otto, Dr. phil.% Assistent d. Kunst- gewerbl. Ausstellung in Erfurt, Kunst- historiker; *Krefeld 25. VIII. 1869; f Erfurt

25. VIII. Illustr. Ztg. 121, 334; Lebens- lauf in B.s Dissertation: D. mittelalterl. Grabplastik in Nordthilringen, Strafiburg 1902.

Buck, Forstmeister. Ztschr. f. d. Geschichte

d. Oberrheins 58, 542 (Frankhauser, L: Der

Schwarzwald 15 Nr. 21). ♦Budaker, Gcorg Gottlieb, Schulmann u.

Pfarrer in Bistritz (SiebenbUrgen) ; * daselbst " 1. V. 1825; f ebenda 21. VI. BJ VIII,

201 (F. Schuller). Bfihrig, Heinrich Johann Julius, Dr.med.,

Geheimer Sanitatsrat, prakt. Arzt in Berlin;

•daselbst 17. VII. 1823; f ebenda 19. VIII.

Virchows Jahresberichte 38, I, 411 (Pagel); Voss. Ztg. 1904 Nr. 7; Verzeichnis d. Berliner Univ.-Schriften 1810—85 (Berlin 1899) Nr. 3931.

Billow, Luise v., Tochter des Grafen von Bttlow-Dennewitz, Gemahlin d.Dichters Karl Eduard v. B.t Stiefmutter des Kom- ponisten Hans v. B.; * Berlin 27. X. 181 3; f Homburg 27. V. Illustr. Ztg. 120, 858; Allgemeine Deutsche Biographic 3, 517.

i9'

Totenliste 1903: v. Bumke v. Charpentier.

20*

*Bumke, Julius v., kgl. preufi. Generalleutnant z. D., Ingenieuroffizier; Zehdenick (Kxeis Templin) 21. V. 1832; f Berlin 31. I. BJ VIII, 143 (Lorenzen); Illustr. Ztg. 120, 237; Woche 5, 366 (P).

*Bumm, A n t o n Rupprecht,Z>r.w*/.,kgl.bayer. Medizinalrat, ordentl. Professor f. Psychiatric u. Direktor d. Psychiatr. Klinik an d. Uni- versitat MUnchen; * Wtirzburg 27. III. 1849; f MUnchen 13. IV. BJ VIII, 62 (Pagel); Virchows Jahresbericht 38, I, 411 (Pagel, mit L); Allgemeinc Ztg. 1903 Beil. 83; Leopoldina 39, 84; BZ 13,91 (Allgemeine Ztschr. f. Psychiatric und psych.-gerichtl. Medizin 60,790 : Vocke ; Psychiatr. -neurolog. Wochenschrift 1903, 153: Neupert).

Bunsen, Ernst v., kgl. preuB. Hauptmann a. D. u. Kammerherr, Schriftstellcr auf bibl. u. religiosem Gebiete; * 18 19; f Regents Park b. London 14. V. Illustr. Ztg. 120, 765; Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

*Biirgel, Hugo, Landschaftsmaler in MUnchen, Mitbegrtinder d. Luitpoldgruppe daselbst; * Landshut 14. IV. 1853; f MUnchen 3. VII.

BJVIII, 75 (H. Holland); BZ 12,94 (Kunst f. Alle 18, 211).

Burger, Leopold, Sitten- u. Dekorationsmaler in Wien; daselbst 9. X. 1861; f Brixen.

Illustr. Ztg. i2i, 795 ; D. geistige Deutsch- land 1, 98; MUller-Singer3 1, 200.

Burkel,Ludwigv.,kgl.bayer.Ministerialdirekt. a. D., frUher Vorstand d. Hofkasse Konig Lucfwigs II., Musikfreund ; * MUnchen 8. V. 1 841; t daselbst 9. VII. Augsburger Abendztg. 1903 Nr. 188; BZ 13, 91 (Bay- reuther Blatter 1903, 302; MUnchner All- gemeine Ztg. 1903 Juli 24).

Burkhardt, Arthur G u i d o , Missionsdirektor a. D., Redakteur d. »Mitteilungen an d. BrUdergemeindec ; * Niesky 14. I. 1832.

KL 25, 194. 26,39*; BZ 12,94 (Mit- teilungen aus d. Brtidergemeinde 1903, 222: P. Marx).

Burkhardt, Gustav Erail, Dr., Superintendent a. D., Herausgeber d. »Kleinen Missions- bibliothekc; * Merseburg 20. VI. 1820; f Halle 1. XII. Theolog. Jahresbericht 23. "95 (Nestle, mit L).

Busch, Walther, Gymnasialoberlehrer in Steg- litz b. Berlin; verunglUckt 19. I. Jahres- bericht d. Gymn. Steglitz 17 (1902/3), 18 (mit L).

Buttner, Karl Julius, Dr. mcd., Ophthal- roolog, Senior d. Arzte in Libau; * Bautzen etwa 1833; f Libau 25. VIII. Virchows Jahresberichte 38, I, 411 (Pagel, mit L); C. J. BUttner, De ossium sclopctis vulncra- torum laesionibus. Diss. Lipsiac f$JS»

Buz, Karl August,kgl.bayer.Kommerzienrat, Generaldirektor d. Aktiengesellschaft Union

(ZUndhttlzer) in Augsburg; * daselbst 13. XI. 1 841; f ebenda 15. X. Illustr. Ztg. 121, 607; BZ 13, 91 (D. chem. Industrie 1903 Nr. 21). ♦Calandrelli, Alexander, Professor, Bildhauer in Berlin; * daselbst 9. V. 1834; f ebenda 26. V. BJ VIII, 85 (H. Schmerbcr); Illustr, Ztg. 120, 899 (L. P. mit P); D. geistige Deutschland 1, 102; Woche 5,

964 (P). ♦Carlowitz, Owald [nicht Oskar] Rudolf v., kgl. sachs. General der Kavallerie z. D., General adjutant des Konigs von Sachsen; ♦Falkenhain b.Wurzen 20. 1. 1825 ; f Dresden 24. IV. BJVIII, 279 (Lorenzen); Illustr. Ztg. 120, 659; Woche 5, 782 (P); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser

s> 179.

Carus, Julius Viktor, Dr. mcd.y phil. ct Jur.$ auBerordentl. Professor in der medizin. Fakultat d. Univ. Leipzig, Zoolog u. Zootom ;

* Leipzig 25. VIII. 1823; f daselbst 10. III.

KL 24, 209. 26, 39* ; Leopoldina 39, 50 (O. Taschenberg, mit W); Woche 5, 512 (P); Allgemeinc Ztg. 1903 Beil. 57; Hin- richsen* 220 (mit W); D. literar. Leipzig 214 (mitW); Haan, Sachs. Schriftstellcr- lexikon 37 (mit W); Geographen-Kalendcr 2, 183; Virchows Jahresberichte 38, I, 411 (Pagel, L); BZ 12,95. *3, 9*- »4» 85 (In- sektenb5rse 1903,97, mit P; Zoolog. An- zeiger 1903, 473: O. Taschenberg; Natur- wissenschaftl. Rundschau 1903, 245: P. v. Hanstein; Anatom. Anzeiger 1903, in: K. v. Bardeleben; Berichte tib. d. V'er- handlungen d. kgl. sachs. Gesellschaft d. Wissenschaften,Math.-Phys. Klasse, 55,421 : C. Chun ; Almanach d. kaiserl. Akademie d. Wissenschaft. in Wien 1903, 281 : Grobben).

Castell-Riidenhausen, Siegfried Friedrich Kasimir Adolf Kuno Erbgraf zu, Kaiserl. deutscher Legationsrat, auOerordentl. Ge- sandter und bevollmachtigter Minister d. Deutschen Reichs bei d. Republik Chile;

* RUdenhausen (Kreis Unterfranken, Bayern) 17. III. i860; f Chile 2. II. Goth. Genealog. Hofkalender 141, 114; Woche 5, 288 (P).

Castor (Pseudonym), Reiseschriftsteller : s.

Degenmann, P. Alex. Chandon, Joseph, ehemal. Operns&nger

(Bassist); * St. Ingbert 1838; f Coin 15. VII.

Neuer Theateralmanach 15, 153; Mo- natshefte fur Musikgeschichte 36, 127 (LUstner, mit L).

Charpentier, K. R. T. v., kgl. sachs. Wirklicher Geheimer Rat, bis 1897 Abteilungsdirektor im sachs. Ministerium d. Innern; f Dresden, 80 Jahre alt, 15. XII. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

21*

Totenliste 1903: dc la Chevallerie Dalmer.

22*

Chevallerie, Auguste de la, geb. v. Rttmer, Schriftstellerin und Dichterin; * Rittergut VVirchwitz b. Zeitz (Prov. Sachsen) 22. II. *835; t Naunhof b. Leipzig im September (?). lllustr. Ztg. 121,411; Pataky, Deutsche Frauen d. Feder 1, 126, 2, 201 (mit W); D. literar. Leipzig 116 (mit P); BrttmmerS 1, 217 (mit W).

Cohn, Moses, Nestor d. dcutschen Veterinare ; * Schwerin 1806; f Parcbim im Oktober. Virchows Jahresberichte 38, 1,41 1 (Pagel).

Cohn-Antenorid, W., Sinologe u. Kultur- historikcr in Berlin -Schtfneberg; * 3. VI. 1867. KL 25, 215. 26,39*.

Cohn-Oppenheim, Julie Freifrau v., Men- schenfreundin ; f Berlin 5. I. lllustr. Ztg. 120, 132 (mit P); BZ 12, 99 (Unser Anhaltland 1903, 49; Anhalt. Staatsanzeiger 1903 Nr. 6).

Conrady, Wilhelm, Kreisrichter a. D., Limes- forscher; f Miltenberg, 74jahrealt, i.XIL Leopoldina 40, 35; AUgemeine Ztg. 1903 Beil. 279.

•Cornelius, Karl Adolf Wenzeslaus v., Dr. pkil., kgl. bayer. Geheimcr Rat, ordentl. Professor d. Geschichte an d. Universitat MUnchen, 1848/49 Mitglied d. National- versammlung in Frankfurt a. M. ; * Wttrz- burg 12. III. 1819; f MUnchen 10. II. BJ VIII, 15 (M. Ritter); Chronik d.Ludwig- Maximilians-Uni versit.it MUnchen 1902/03, 12—14; Woche 5, 334 (P); Almanach d. kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien 1903, 320 (Redlich);

Cortese, Minnie (eigentlich Hermine K r a e f f t), ehemal. Opernsangerin ; * Chicago ca. 1 862 ; f Wien 7. VII. Neuer Theateralmanach

15> 152.

Cramer, Friedrich, Dr. mcd.t Sanitatsrat und Chirurg in Wiesbaden; * daselbst 19. X. 1847; f ebenda 20. II. Virchows Jahres- berichte 38,1,412 (Pagel. mitL); BZ 12, 100 (Berliner klinische Wochenschrift 1903, 208: B. Laquer; Deutsche Medizin. Wochenschrift 1903, 184).

♦Cramer, Wilhelm, Dr., papstl. Hauspralat und Thronassistent, Bischof v. Lykopolis i. p. /., Domdechant u. Weihbischof von Mlinster i. VV., Erbauungs- und Volks- schriftsteller; * Oelde (Westfalen) 3. III. 1815; fMUnsteri.W. 15. III. BJ VIII, 69 (F.Lauchert); Keiter-Jtfrg, Kathol. Literatur- kalender 6, 41 (W); BZ 12, 100 (German i a, Berlin, 1903 Nr. 62).

Crayenberg, Marie Luise Elisabeth (Elly) Grafin v., verwitw. Marchesa Lucchesini, geb. Brockmttller, seit 1900 Gattin d. Prinzen Bernhard v. Sachsen-Weimar (seit 1 90 1 : Graf v. Crayenberg); * Ltibeck 6. V. 1863; f Hannover 11. III. lllustr. Ztg.

120, 413; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Gran*. Hauser 1905, 186.

♦Cremer, August Hermann, Dr. theol. ct jur. utr. honoris causa, Konsistorialrat, ordentl. Professor f. Theologie an d. Uni- versitat Greifswald, Dirigent d. theol.-prakt. Instituts an derselben, stellvertretender Vor- sitzender des Pro vinzial-Sy nodal vorstandes v. Pommern; * Unna (Westfalen) 18. X. 1834; t Greifswald 4. X. BJ VIII, 134 (Kohlschmidt); KL 25, 222 (W); Chronik d. UnivcrsitatGreifswald 18 (i9<>3/o4),6 (V. Schultze); BZ 13, 97. 14, 89 (Die Reforma- tion 1903 Nr. 48—50: M. Kahler; Reich Christi 1903, 475: D. Ltttgert; Akadem. Blatter 18, 237: W. Zctzsche; Neue Prcufli- sche [Krcuz-]Ztg. 1903 Oktober 17: Oettli; Zukunft 1904 Januar 23; W. Hellpach); Theolog. Jahresbericht 23, 1 195 (Nestle, L).

Croy, Eleonore Prinzessin v., verehel. Fiirstin zu Salm-Salm: s. Sal m -Sal m, Eleonore FUrstin zu.

*Curtze, Ernst Ludwig Wilhelm Maximilian, Professor, Gymnasial-Oberlehrer a. D. in Thorn, Mathcmatiker ; * Ballenstedt 4. VIII. 1837; f Thoni 3. I. BJ VIII, 90 (M. Cantor); KL 25, 227 (W); Leopoldina 39, 39; Poggendorff 3, 317. 4,288 (W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 5; BZ 12, 100. 14, 98 (Altpreufi. Monatsschrift 40, 304 u. Wei tall 3, 100: M. Jacobi; Bibliothcca matfumaUca UI.FolgeBd.4,65: S.GUnther; Jahresbericht d. Mathematiker-Vereinigung 12. 357: M. Cantor); Rindfleisch, Altpreufi. Bibliographie f. d. J. 1903, 43 (L); Oriental. Bibliographic 17, 14 (Scherman, L).

Cyrillus (Pseudon.), Schriftsteller: s. Pauly, Tony.

Czirn, Hans (Pseudonym), Schriftsteller: s. Pauly, Tony.

Dacheux9 Leo,Titulardomkapitular d.MUnsters zu StraSburg i. E., Historiker; * Strafiburg i. E. 1. III. 1835; f ebenda 7. III. KL 23, 231 (W). 26, 39*; Ztschr. f. d. Ge- schichte d. Oberrheins 58,722 (Kaiser, L: D. Goldschmidt in Chroniqut a" Alsace- Lorraine 1903, 38).

Dallmer, Louis, Theatermeister u. Maschinen- Inspektor am herzogl. Hoftheater in Alten- burg; * Danzig 4. VI. 184 1; f Altenburg (Sachs.-Altenb.) 12. II. Neuer Theater- almanach 15, 140.

Dalmer, Johannes, Lie. tkcol., Pastor in Gudersleben bei Ellrich (Prov. Sachsen), ehemal. Professor f.neutestamentl. Theologie an d. Univ. Greifswald; * Brandshagen 20. X. 1861 ; f Gudersleben im Mai. KL 25,281 (W). 26,39*; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 118; Theolog. Jahresbericht *3> "95 (Nestle, L).

23'

Totenliste 1903: Danert Dicckerhoff.

24"

Danert, Wilhclm, Inhaber d. Buch- u. Kunst- handlung Bock & Cie. in Braunschweig;

* 30. VIII. 1854; f Braunschweig 6. IV. Bbrsenblatt ftir den Deutschen Buchhandel i903t 2944. 3<>79 (B. Goeritz).

Dapprich, Emil, Direktor d. deutschamerikan. Lehrerseminars in Milwaukee; f daselbst, 61 Jahrealt, 25. XI. Illustr.Ztg. 121,956.

Daettwyler, Fritz, Dr. wed., Inselarzt;

* Chaux de Fonds 8. XI. 1848; f 30. VI. Virchows Jahresberichte 38, I, 412 (Pagel, mit L); BZ 13, 100 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 1903, 667: Dubois).

*Daudert, Ernst Wil helm (Pseudon.: Ernst Wildau), friiher Handels- u. Ratshcrr in Riga, lyr. Dichter; * Riga 22. (a. St. 10.) II. 1829; f Freiburg i. B. 5. 1. BJ VIII, 216 (F. Brttmmer); Brttmmer5 1, 242; KL *5» 235 (W). 26, 39*.

David, Ludwig, Dr. med.f Geheimer Sanitats- rat, prakt. Arzt in Berlin, Mitglied der Arztekammer, ehemal. Arzt an d. jtidischen Versorgungsanstalt daselbst; * Neuenburg an d< Weichsel 11. III. 1836^ Berlin 1. VII. Virchows Jahresberichte 38, 1,412 (Pagel, mit L); Vita in D.s Dissertation: De chi~ rurgiac plastic at mcthodis. Bcrolini 1859.

Decarli, Eduard (eigentlich Eduard Johann Schmidt), Opernsanger u. Bassist an d. Dresdner Hofoper; * Olmtttz 9, I. 1846; f Radebeul b. Dresden 23. X. A. Kohut, D. Dresdner Hoftheater in d. Gegenwart (Dresden 1888), 285 f.; Dresdener Rund- schau 3 (1894) Nr. 52. 12 (1903) Nr. 46; Tagebuch d. kgl. sachs. Hoftheater 87 (1903), 107; Dresdener Nachrichten 1903 November 24; Eisenberg, Grofles Biograph. Lexikon d. Deutschen BUhne 179; Neuer Theater- almanach 16, 169; Fltiggen, Biograph. Biihnenlexikon 1, 54; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 128 (Ltistner, mit L). Mit Beitragen v. Prof. H. A. Lier in Dresden.

Decher, Otto, Dr. phil., Professor f. Topo- graphic u. Geodasie am Eidgenoss. Poly- technikum in Zurich; * 1845; f Zurich 19. IX. Geographenkalender 2, 184; Illustr. Ztg. 121, 486; BZ 14, 92 (Verhand- lungen d. schweizer. naturforsch. Gesell- schaft 86, XV: F. Becker).

Degenmann, P. Alex. (Pseudon.: Castor), Bibliothekar im ruman. Ministerium des Aufiern, Herausgeber der vBibliografia romana*, auch Reiseschriftsteller; •Baden- Baden 27. XII. 1843; t 25- IL K^ 25» 239 (W). 26, 39*.

Deichmiiller, Friedrich, Dr. phil.t aufler- ordentl. Professor an d. Universitat Bonn und Observator an d. Sternwarte daselbst, Astronom; * Stadtilm (Schwarzburg-Rudol- stadt) 25. II. 1855; f Bonn 6. V. Leo-

poldina 39, 84; Poggendorff 3, 342. 4, 308 (W); Chronik d. Univ. Bonn 29 (1903), 5—7; BZ 12, 103. 13, 100 (Astronom. Nachrichten 1903 Nr. 3869 70: F. KUstner; Vierteljahrsschrift d. Astronom. Gesellschaft 38, 172 : H. Seeliger; Weltall 3, 280 mit P).

Dekret, Rudolf Edler v., Dr., President d. Wiener Handclsgerichts i. R. ; fWidh 14.VII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 161 ; Woche 5, 1328.

Delbruck, Martin Friedrich Rudolf v.T Dr.jur. honoris causa, Staatsminister a. D.f frtthcr Mitglied d. preufi. Abgeordneten- hauses u. Deutschen Reichstags, deutscher Staatsmann; * Berlin 16. IV. 181 7; f <*a- selbst I. II. Illustr. Ztg. 120, 199 (J. P., mit P); BZ 13, 103. 14, 100 (L); R. Del- brUck, Lebenserinnerungen. 1. 2. Leipzig 1905.

Delia Monti, Konzertsangerin in Hannover; f Leipzig 8. II. Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 134 (Ltistner, mit L).

Denck, Gottlieb Hermann, Hofbuchbinde1" u. Verlagsbuchhandler, Mitinhaber d. kgl- bayer. Hof buchbinderei Htibel & Denck in Leipzig, eines der grofiten Buchbinderei- betriebe Deutschlands ; f Wttrzburg, 54 J ah re alt, 16. II. Borsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 1454.

♦Dennerlein, Thomas, Bildhauer in MUnchen ; ♦Mitterteich (Oberpfalz) 1847; t Mttnchcn 24. I. BJ VIII, 76 (H. Holland).

Deter, August, Zigarrenfabrikant, Altester d. Kaufmannschaft in Berlin; f Neubabelsberg 13. VIII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Deutsch, Joseph, Herausgeber d. »Arztl. Zentralztg.« in Wien ; * daselbst 2. IX. 1 854 ; f im Marz. Virchows Jahresberichte 38, 1, 412 (Pagel); Rheinhardt, Biograph icn d. Wiener KUnstler u. Schriftsteller 1, 259.

Deym: Franz de Paula Severin Wenzel Maria Philipp Benitius Graf v. St rite i, Herr auf Arnau usw., k. u. k, Kammerer, Geheimer Rat u. auBerordentlicher bevoll- machtigter Botschafter am k. grofibritann. Hof, lebenslangl. Mitglied d. Herrenhauses d. ostenreich. Reichsrats und Mitglied d. Abgeordnetenhauses; * NeuschloO (Bezirks- hauptmannschaft Hohenelbe, Bfthmen) 23. VIII. 1838; f Eckersdorf (Grafschaft Glatz) 3. IX. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 78, 211 ; S. Hahn, Reichs- rats-Almanach 1891/92, 30.

Dieckerhoff, VVilhelm, Dr. phil., kgl. preufi. Geheimer Regierungsrat, Professor an d. Tierarztl. Hochschule in Berlin ; * Lichten- dorf b. Horde 18. X. 1835; f Berlin 14. XII. Virchows Jahresberichte 38,1,412 (Pagel) ; BZ 13, 103. 14, 95 (Berliner tierarztl. VVochen- schrift 1903,283: Schmaltz, mit P; Deutsche

25*

Totenliste 1 903: Dieckmann Drude.

26*

landwirtschaftl. Presse 1903 Nr. 102 ; Ztschr. f. Veterinarkunde 16,37: Peters; Archiv f. wissenschaftl. und prakt. Tierheilkunde 30, 1: J. Schtttz; Schweizer. Archiv f. Tier- heilkunde 46, 50: Zschokke; Deutsche tier- iirztl. Wochenschrift 12, 1 : Malkmus, rait P). Dieckmann, Wilhelm, Superintendent, erster Geistlicher am Dora in Verden, lange Zeit Herausgeber des »Stader Sonntagsblatt« ;

* Oenel (Herzogt. Bremen -Verden) 1828; f 4. XII. Theolog. Jahresbericht 23, 1 195 (Nestle, mit L).

Diedicke, Ferdinand, Geheimer Intendanzrat d. herzogl. Hoftheaters in Dessau ; * daselbst 30. VIII. 1836; f ebenda 17. XI. Neuer Theateralmanach 16, 171 ; BZ 13, 103 (Unser Anhaltland 1903, 552: E. Reubke); Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 128 (Lttstner, mit L).

Diehl, Emil, kaiserl. deutscher Bezirksrichtcr zu Dualla in Kamerun, auch Alpinist; f an Bord auf der H5he v. Lagos 22. DC. Leopoldina 40, 35.

Diehl, Peter, Lehrer a. D. in Frankfurt a. M.f Jugendschriftsteller; * Medenbachb.Dillen- burg 3. X. 1831; f im Sommer. KL 25, 253 (mit W). 26, 39*.

Diepolder, Johann Michael,/)/-, jur. , kg] .bay er. Ministerialrat a. D., frdher vortragender Rat im Ministerium d. Innern, Abteilung ftir Handel u. tifTentl. Arbeiten, auch Mitglied d. bayer. Landtags (Patriotenpartei) u. d. deutschen Zollparlaments in Regensburg;

Lachen b. Memmingen 1820; f Regens- burg 7. V. Augsburgcr Abendztg. 1903 Nr. 126 S. 15. Nr. 128 S. 5.

♦Diestel, Gustav, Dr. phii., Professor, Kon- rektor in Dresden, Historiker; *Kttnigsberg i. Pr. 7. III. 1830; f Dresden 8. XL BJ VIII, 289 (A. Reichardt).

Dieterichs, Georg, Dr. jur.t Geheimer Re- gierungsrat, 1865 66 letzter Finanzminister d. Kgr. Hannover, dann preufi. Landrat; f Gttttingen 26. V. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608; Illustr. Ztg. 120, 858.

Dieterici, Friedrich Heinrich, Dr. phil., Geheimer Regierungsrat, ordentl. Honorar- professor in der philosoph. Fakultat der Universitat Berlin, Arabist; * Berlin 6. VII. 1821 ; fCharlottenburg 18. VIII. Chronik der Univ. Berlin 17 (1903), 8.

♦Dietlein, Hermann Rudolf, Rektor a. D. in Halle a. S., Schulschriftsteller ; *Delitz am Berge (Prov. Sachsen) 3. III. 1823; f Halle a. S. 16. VII. BJ VIII, 217 (Brttmmer) ; BZ 1 3, 103 (AllgemeineDeutsche Lehrerztg. 1903 Nr. 50: Schmeel); KL 25, 256 (W).

Dietrich, Edmund Gustav, Archidiakonus in Altenburg (Sachs. - Altenb.), Freimaurer ;

* Altenburg 20. VII. 1844; f 30. IX. KL 25, 256 (W). 26, 39*.

Dietzsch, Otto, kgl. s&chs. Rechnungsrat, ehe- mal. Ren dan t am Hofth eater in Dresden;

* Zerbst 30. I. 1840; f Ktttzschenbroda b. Dresden 19. VII. Neuer Theateralmanach

*5> 153.

*Diffene, Philipp, Geheimer Kommerzienrat, Vizeprasident d. bad. Kammer, President d. Handelskammer in Mannheim, 1 887 90 auch Mitglied des Deutschen Reichstags (nationalliberal); * Mannheim 27. XI. 1833; f daselbst 4. I. BJ VIII, 50 (v. Weech).

Dilger, Ludwig, ehemal. Chors&nger; * 30. XL 1827; f Wiesbaden im ersten Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Dimmler, Hermann, Musikdirektor u. Klavier- virtuose zu Freiburg i. Br.; * 1844; f Frei- burg i. Br. 18. IV. Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 128 (Lttstner, mit L).

Dinklage, Ludwig Eduard, Vorstand der I. Abteilung der Seewarte in Hamburg, Meteorolog; Ostemburg (Oldenburg) 26. IV. 1837; f Hamburg 24. III. Pog- gendorff 3, 364. 4, 331. 1705 (W).

Disselhof, August, evangel. Geistlicher, frtlher Prediger an d. St. Jakobikirche in Berlin, auch lyr. Dichter ; f Allstedt (Sachsen- Weiraar), 73 Jahre alt, 9. III. Illustr. Ztg. 120,413; Theolog. Jahresbericht 23, 1 195 (Nestle),

Dittmar, Gustav, kgl. preufi. Geheimer Ober- regierungsrat a. D., frtther Vorsitzender d. Eisenbahnkommissariate in Koblenz und Breslau; f, 84 Jahre alt, 20. I. ' Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Draenert, Friedrich, Direktor d. Ackerbau- schule in Campinas (Brasilien). Illustr.* Ztg. 121, 411.

Drefiler, Adolf, Opernsanger (Bassist); f Rcichenberg (Btfhmen), 42 Jahre alt, 1. X. Neuer Theateralmanach 16, 1 67 ; Flttggen, Biograph. Btthnenlexikon 1, 65; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 128 (Lttstner, mit L).

Dronke, F., Dr. phil., Pharmakolog in Cain; f daselbst 5. IV. Virchows Jahresberichte

38, I, 413 (Pagel, mit L).

Droflbach, Georg, Paul, Dr. phil., Che- miker; * Friedland (Mahren) 27. II. 1866; f Freiberg (Sachsen) 18. VII. Leopoldina

39, 129; BZ 14, 855 (Ztschr. f. angewandte Chemie 16, 855: O. Brunck); Lebenslauf in D.s Dissertation: Ober d. Einwirkung v. Dinitrobrombenzol auf d. Natriumver- bindungen d. Malonsaureesters etc. Bres- lau 1889.

Drude, Maximilian Karl Friedrich, Hof- schauspieler (Charakterdarsteller) in Schwa- nn; * Bunzlau (Schlesien) 3. IV. 1845;

27

Totcnliste 1903: Dubler Eisendecker.

28*

f Gries b. Bozen 27. IV. Neuer Theater- almanach 15, 146 (W. Schneider); Eisen- berg, GroSes biograph. Lexikon d. Deutschen BUhne 214; FlUggen, Biograph. Btihnen- lexikon 1, 66.

Dubler, Albert, Dr. med., ehemal. aufier- ordentl. Professor f. patholog. Histologic u. Bakteriologie an d. Universitat Basel; * Wohles (Aargau) 3. 1. 1857; f Paris 21. V. Virchows Jahresberichte 38, 1, 41 3 (Pagel, mit L); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 117; BZ 14, 106 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 1903, 582: M. Roth).

*Duboc, Karl Julius, Dr. phil., Philosoph und Asthetiker; * Hamburg xo. X. 1829; f Dresden u. VI. BJ VIII, 63 (J. Sass).

Dubois de Luchet, Karl, ehemal. Opern- sanger; f Kassel 23. VIII. Neuer Theater- almanach 15, 154.

Durlacher, Hermann, k. bayer. Generalmajor z. D., zuletzt Kommandeur d. 4. Infanterie- brigade in Ingolstadt; * 1839; f Mttnchen 19. VI. Augsburger Abendztg. 1903 Nr. 169 S. 15. Nr. 170 S. 6.

Duttenhofer, M. v., Geheimer Kommerzien- rat, Grofiindustrieller; f Tubingen, im 61. Jahre, 14. VIII. Woche 5, 1510; BZ 13, 107 (Die chem. Industrie 26 Nr. 17. 18; Ztschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1903, 1437 mit P; Schwab. Merkur 1903 August 18).

Duysen, Jes Leve, Kommerzienrat u. Piano- fortefabrikant in Berlin ; * Flensburg 1 . VIII. 1820; f Berlin 30. VIII. Illustr. Ztg. 12 ir 388; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 128 (Lttstner, mit L); BZ 13, 107 (Ztschr. f. Instrumentenkunde 1903, 969; Der Tag 1903 Sept. 31 : C. Krebs; Reichs- bote 1903 Sept. 5: Th. Krause).

Dziatzko, Karl, Dr. phil.t k. preufl. Geheimer Regierungsrat, Direktor der Universit&ts- bibliothek u. ordentl. Professor f. Bibliotheks- wissenschaften an der Universitat in Got- tingen; * Neustadt (Schlesien) 27. 1. 1842; fGottingen 13. 1. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 11; Zentralblatt f. Bibliothekswesen I9°3» *33 (P- Schwenke); Ztschr. f. BUcher- freunde 6, 498 (H. Berger) ; Mitteilungen d. ttsterreich. Vereins f. Bibliothekswesen 1903, 42 (F. Eichler); R. Pietschmann, Karl Dziatzko (auch englisch v. L. Nachmann libers, in: Library Journal 29 Nr. 12 S.87); BZ 13, no (Grenzboten 1903 Nr. 5); KL 25, 285 (W); Btfrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 470. 5041.

Ebeling, Hermann, Schauspieler : s. Rhode - Ebeling, Hermann.

Eberl, Therese, ehemal. Chorsangerin ; * Prag 3. II. 1826; f Dresden n. V. Neuer Theateralmanach 15, 148.

•Eberlc, Melchior, Benediktiner, Subprior v. St. Bonifaz in Mtlnchen; GroBkissen- dorf b. Gttnzburg 27. III. 1828; f Mttnchen 10. VII. BJ VIII, 192 (F. Lauchert).

•Eberle, Syrius, k. bayr. Professor, Bildhauer, Lehrer an der Akademie der bildenden Klinste in Mttnchen; Pfronten (Allgau) 9. XII. 1844; f Bozen 12. IV. BJ VIII, 76 (H. Holland),

Ebersold, Elise, schweizer. Schriftstellerin ; *Nieder5sch b. Bern 12. VII. 1837; f B6- zingen b. Biel 6. IX. Illustr. Ztg. 121, 411.

Eble, Michael, Reallehrer a. D. in Ellwangen, Astronom; Weil (Wttrttemberg) 30. IX. 1 8 10; f Ellwangen 5. V. Poggendorff 3, 397. 4. 1706 (W).

Ebner^ Ludwig, Komponist und Chorregent in Degendorf; f daselbst, 43 Jahre alt, 25. VIII. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Lttstner, mit L).

Eckart, J. F. H., Geheimer Oberpostrat in Konstanz. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 542 (Frankhauser, L: Karls- ruher Ztg. 1903 Nr. 71).

Eggers, Ernst, Professor an d. Staatsuniver- sitat in Columbus (Ohio, Vereinigte Staaten v. Nordamerika) ; * 1855. Woche 5,874; H. K. Eggers, Stammtafeln d. Eggersschen Familienstiftung (Lttbeck 1904), 10.

♦Eggers, H e i n r i c h Franz Alexander Freih. r ., k. danischer Kapitan a. D., Botaniker; * Schleswig 4. XII. 1844; t Leipzig *4« v- BJ VIII, 63 (J. Sass).

Eggers, Marie, geb. Kestner, Gemahlin des k. preufi. Amtshauptmanns Konrad Eggers, Enkelin v. Werthers Lotte; 23. V. 1826; f 28. IX. Illustr. Ztg. 121, 641 (mitP); H. K. Eggers, Stammtafeln d. Eggersschen Familienstiftung 10. 18 (mit P).

Ehrenthal, Mathilde v., geb. L&ffler, Opera- s&ngerin: s. Lttffler, Mathilde.

Ehrlich, Leopold, Besitzer d. Buchhandlung u. Buchdruckerei Jonas Alexanders Witwe in Rogasen (Posen); f daselbst io. III. Bttrsenblatt f. den Deutschen Buchhandel 1903. 2396.

Eichberg, Leonie, Schauspielerin: s. Reuter- Eichberg.

Eichheim, Walburga (Wally), ehemal. Hof- opernsangerin in Mttnchen; * daselbst 30. I. 1835; f ebenda 12. XI. Neuer Theater- almanach 1 6, 170; FlUggen, Biograph. Btthnenlexikon 1 , 69 ; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 129 (Lttstner, mit L).

Eichler, Hanns, Inhaber der A. Kunzschen Buchhandlung in Brux; f daselbst, im 51. Jahre, 18. V. B5rsenblatt ftir den Deutschen Buchhandel 1903, 5522.

Eisen decker, Emilie Freiin v., verehel. v.

29

Totenliste 1903: Eisenhut Faber.

30*

Breidenbach, Schriftstellerin: s. B re id en - bach, Emilie v.

*Eisenhut, Franz, Genremaler in Mtinchen; * Deutsch-Palanka 26. L 1857; f MUnchen 2. VI. BJ VIII, 78 (H. Holland); Jahr- buch d. bildenden Kunst 3, 100; BZ 13, 1 1 5 (Pester Lloyd 1903 Juni 9; A. Roessler).

Elbers, Eduard, Kommerzienrat, Kassierer des Vereins Deutscher Eisenhttttenleute ; f Hagen i. W., 73 Jahre alt, 5. II. Illustr. Ztg. 120, 238; BZ 13, 115 (Stahl u. Eisen

1903, 234)-

*Elenz> Ferdinand, Jurist, Senatsprasident in K«n; ♦Wiesbaden 16. III. 1844; f K6ln 1. II. BJ VIII, 267 (A. Teichmann).

Eleonore Prinzessin Reufl j. L., geb. Grafin zu Stolberg-Wcrnigerode, Witwe d. Prinzen Heinrich LXX1V., Dichterin und Schriftstellerin; * Gedern im Vogelsberge 20. II. 1835; f Ilsenburg am Harz 18. IX. Goth. Hofkalendcr 141, 71. 213; Illustr. Ztg. 121, 500 (rait P); Woche 5, 1818 (P); KL25,3<>5(W). 26, 39*;Brummer5 1,317 (mit W). 538; BZ 14, 255 (Monatischrift f. Stadt u.Land 1903, 1096: M. v. Nathusius).

Elern, Julius v., k. preufl. Generalmajor z. D. ;

* Stade 18. IV. 1824; f Lubeck 30. VI. Illustr. Ztg. 121, 67.

Elisabeth Marie Alice Viktoria Prinzessin von He s sen und bei Rhein, Tochter des Grofiherzogs Ernst Ludwig und seiner ersten (jetzt gcschiedenen) Gemahlin Alice geb. Prinzessin v. GroBbritannien u. Irland ;

Darmstadt 11. III. 1895 ; f Skiemiewicze 16. XI. Illustr. Ztg. 121,795 (J.P.,mitP); Woche 5, 1875. J92i. 2095 (P); Goth.Hof- kalender 142, 29; BZ 13, 159. 160 (L).

Elisabeth Franziska Maria Erzherzogin von Osterreich, Tochter d. Erzherzogs Joseph (1776 1847) aus seiner Ehe mit Marie Herzogin von Wiirttemberg (1797— 1855), in erster Ehe vermahlt mit Ferdinand Erz- herzog v. Osterreich-Este-Modena (f 1849), in zweiter Ehe mit Karl Ferdinand, Kaiserl. Prinzen u. Erzherzog v. Osterreich (f 1874);

Ofen 17. 1. 1831 ; f Wien 14- II. Goth. Hofkalender 141, 56.

Eisner, Wilhelm, Opernsanger (Tenorist) am Deutschen Landestheater in Prag; * Brtinn

10. XI. 1869; t Pre* *6- VIIL Ncucr Theateralmanach 15, 1 54 ; Eisenberg,GroBes biograph. Buhnenlexikon 23 1 ; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Liistner, mitL). Emmert, Karl Friedrich, Dr. med., ordentJ. Professor der Staatsarzneikunde in der medizin. Fakultat der Universitat Bern;

* daselbst 18. IV. 1813; f ebenda 23. XII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 293; Vir- chows Jahresberichte 38, I, 413 (Pagel, mit L).

Engel Edler v. Jdnosi, Adolf, Grofiindu- strieller, BegrUnder d. gleichnamigen Firma in Fttnfkirchen; f Dbbling b. Wien 10. I., im 83. Jahre. Illustr. Ztg. 120, 166.

*Engelien, August Karl Hermann, Rektor in Berlin, Schulmann u. padagog. Schrift- steller; * Landsberg a. W. 24. VIII. 1832; t Berlin 2 1. VI. BJ VIII, 217 (F.Brttmmer); KL 25, 312 (W). 36,39*; BZ 14, 115 (Padagog.Blatterf.Lehrerbildung 1903,392).

Enke, k. preuB. Geheimer Oberfinanzrati vortragender Rat in der III. Abteilung d. preufi.Finanzministeriums; f Berlin, 44 Jahre alt, 2. IV. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Enzensperger, Joseph. Dr. phil., Meteorolog und Alpinist, Leiter der von der Deutschen Sttdpolarexpedition errichteten Kerguelen- station; * Rosenheim 8. II. 1873; t Kei> guelenland 2. II. Geographen-Kalender 2, 186; Geographisches Jahrbuch 26,428 (Wolkcnhauer, mit L u. W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 86; Woche 5, 744 (P); BZ 12, 119 (Bayerland 14 Nr. 34; Mit- teilungen des Deutschen und Osterreich. Alpenvereins 1903, 98: M. Madlener; Deutsche Alpenztg. 1903, 76, mit P; Augs- burger Abendztg. 1903 Sammler Nr. 47: K. Cucumus); J. Enzensperger, ein Berg- steigerleben. Hrsg. v. Akad. Alpenverein Mttnchen. Mtinchen 1905.

Erdmann, Eduard, ehemal. Orchestermitglied ;

22. IV. 1841 ; f Hamburg im ersten Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Erdmann, Paul, Baurat, Stadtbauinspektor a. D. in Westend b. Berlin; f daselbst, 72 Jahre alt, 15. XI. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

♦Estorff, Eggert v., k. preufi. Generalmajor

a. D.; * Verden 1. XI. 1831; f Eldingen

b. Celle 10. II. BJ VIII, 156 (Lorenzen); BZ 13, 122 (Militarwochenblatt 1903 Nr. 14).

Ewald, Albert Ludwig, Dr. phil., auBer- ordentl. Professor d. Geschichte u. Staats- wissenschaften an d. Universitat Halle a. S. ;

Oppeln 6. VIII. 1832 ; f Halle a. S. 2. XII.

Chronik d. Univ. Halle -Wittenberg f. 1903/4, 12 (Perlbach u. Brode).

Eyb, Hans Ludwig Heinrich Gustav Freih. v., Fideikommifiherr auf Dorzbach, Dr. Jur.f kaiserl. Legationssekretar bei d. deutschen Gesandtschaft in Bern; * Stuttgart 4. VIII. 1869; f Nizza 8. II. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 184.

Faber, Friederike Albertine Sophie Ottilie Freifrau v., geb. Richter, Besitzerin der Faberschen Bleistiftfabrik in Stein b. Ntirn- berg, Witwe Lothars Freiherrn v. Faber;

DinkelsbUhl 14. 1. 1831; f Stein 27- L

Illustr. Ztg. 120, 199; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 178.

3i'

Totenliste 1903: Falb Franzius.

32

Falb, Rudolf, Professor, Meteorolog und Seismolog, auch Linguist; * Obdach (Steier- mark) 13. IV. 1838; f Berlin-Schbneberg 29. IX. KL 25, 329 (W). 26, 39* ; Illustr. Ztg. lai, 534 (A. O. KlauBmann, mit P); Geograph. Jahrbuch 26, 428 (Wolkenhauer, mit L u. W); Leopoldina 39, 129; Allge- meine Ztg. 1903 Beil. 222; Woche 5, 1832 (P); BZ 14, 120. 15, in (L) ; Poggendorff 3, 426. 4, 403 (W).

Fanta, Franz, Dr. phii., Herausgeber des > Romanleser « und des »Prager Bbrsen- Courierc in Prag; f 18. VII. KL 25, 332. 26, 39*.

Faust, Johannes, Entomologe ; * Stettin etwa 1832; f Pirna 18. I. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 21; BZ 13, 125. 14, 121 (Insektenbtfrse 1903, 49 mit P; Deutsche entomolog. Ztschr. 1903, 435: K. M. Heller, mit P).

Fehling, Wilhelm, ehemal. preuB. Konsul in Lubeck; f daselbst 24. III. Woche

5, 556.

Fehr, Friedrich Eugen, Buchhandler (Fehrsche Buchhandlung, vormals Huber & Cie.) in St. Gallen; * daselbst 1. X. 1842; f ebenda 17. VI. BcSrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 4903. 4906. 5655 (A. Francke).

Feindt, Otto, bis 1899 GeschiiftsfUhrer der Bestellanstalt f. d. Berliner Buchhandler; •f* Rheinsberg (Mark), 59 Jahre alt, 21. I. Bbrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 7i6. 9743.

Fell, Michael, Sekretar an d. kgl. Univer- sitatsbibliothek in Wtirzburg; * Stadt- schwarzach (Unterfranken) 26. III. 1859; f Redwitz an d. Rodach 17. III. All- gemeine Ztg. 1903 Beil. 66; Jahrbuch d. Deutschen Bibliotheken 1, 76. 2, 109.

Fellinger, Richard, Dr., k. k. Baurat, Direktor und Generalreprasentant d. Wiener Hauses der Firm a Siemens & Halske; * Elberfeld 11. III. 1848; f Wien 13. X. Illustr. Ztg. 121, 607.

Ferenczy, Lucie, geb. Verdi er, ehemal. Operettensangerin, Gattin d. Direktors d. Berliner Zentraltheaters; *Elz 22. XII. 1862; f Berlin 11. V. Illustr. Ztg. 120, 765; Neuer Theateralmanach 15, 148; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Lllstner, mit L).

Fichtner, Marie, verehel. Arnsburg, Schau- spielerin: s. Arnsburg, Marie.

Fiedler, Julius August, kgl. sachs. General- major z. D., bis 1896 Vorstand d. Genie- direktion u. Direktor d. Topograph. Bureaus; f Chemnitz, im 62. Jahre, 10. IV. Illustr. Ztg. 120, 623.

Fierz, Theodor, Oberst d. eidgenbss. Armee.

BZ 13, 123 (Neue Zlircher Ztg. 1903,

123). Fischer, Ernst, ehemal. Professor f. Linear-, Situations- und topographisches Zeichnen an der Techn. Hochschule in Mttnchen ; •Berlin 23. I. 1839; f MUnchen 17. VII.

Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 160; Geo- graphen-Kalender 2, 188; Bericht der kgl. Techn. Hochschule MUnchen 1902/03, Nekrologe (Loewe).

Fischer, Leopold, Dr. wed., Medizinalrat, Privatdozent ftir Psychiatrie und gerichtl. Medizin an der Universitat Heidelberg, Ftthrer der Zentrumspartei in Heidelberg; * Karlsruhe 24. V. 1831; f Heidelberg 30. VII. Leopoldina 39, 101; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 172; Virchows Jahres- berichte 38,1,413 (Pagel); Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 542 (Frank- hauser, L: Bad. Beobachter 1903 Nr. 176 bis 178).

Flickel, Paul Franz, Professor u. Mitglied d. Akademie d. Ktinste in Berlin, Land- schaftsmaler daselbst; * ebenda 8. IV. 1852; f Nervi 18. III. Jahrbuch d. bildenden Kunst 3, 101 ; Muller-Singer, Allgemeines Ktinstlerlexikon 3 1, 452; Illustr. Ztg. 120, 465; Woche 5, 563 (P); BZ 13, 129 (Voss. Ztg. 1903 Marz 21).

Florschutz, Albert, kgl. preufl. Geheimer Regierungs- u. Schulrat a. D., frtiher Mit- glied d.preufi.Abgeordnetenhauses; *i8i9; f KOln 27. X. Illustr. Ztg. 121, 710.

Frank, Johann, President des Vereins Wiener Zahnarzte, Vizeprasident der Federation Dcntaire Internationale*, f 3. X., 59 Jahre alt. Virchows Jahresberichte 38, I, 413 (Pagel, mit L); BZ 13, 127 (Osterreich. Ztschr. f. Stomatologic 1903, 385).

•Frankel, Max, Dr.phiL, Professor, Philolog und Archaolog, frtiher Bibliothekar am Konigl. Museum in Berlin ; * Landsberg a. W. 11. III. 1846; f Berlin 10. VI. BJ VIII, 307 (Oehler); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 130; KL 25, 365 (W). 26, 39*.

•Frantz, Erich, Dr. thtol., ordentl. Honorar- professor f. christl. Archaologie u. Kunst- geschichte an der Universitat Breslau ; •Liegnitz 19. VI 1. 1842; f Pasing b. MUnchen 27. XI L BJ VIII, 285 (F. Lauchert).

♦Franzius, Ludwig, Dr.-Ing., Wasserbau- ingenieur, Wasserbaudirektor u. Leiter d. gesamten Staatsbauwesens in Bremen, aufier- ordentl. Mitglied d. Akademie d. Ktinste in Berlin, Mitglied d. preuB. Immediat- kommission z. Abwendung d. Hochwasser- gefahren, auch literarisch tatig; * Wittmund (Hannover) 1. III. 1832; f Bremen 23. VI.

BJ VIII, 224 (A. Birk); Illustr. Ztg. 121, 26 (mit P); Woche 5, 1144 (P); Geo-

33*

Totenliste 1903: Frese Fiihrer.

34*

graph. Jahrbuch 26, 429 (Wolkenhauer, mitL); BZ 12, 131. 13, 128 (Ztschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1903, 1061 mit P; Ztschr. f. Architektur- u. Ingenieur- wesen 1903, 561: Launhardt; Techn. Ge- meindeblatt 1903, 93: R. Krliger, P etc.).

Frese, Karl, ehemal. Kapellmeister im Garde- fiisilierregiment in Berlin; f Friedenau b. Berlin 6. X.f 77 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Lttstner, mitL).

Fresenius, Hermann J ulius Richard, Marine- und Landschaftsmaler, Mitglied der Cron- berger Ktlnstlerkolonie (im Taunus) ; ♦Frank- furt a. M. 18. VI. 1844, t Montecarlo 12. I. Illustr. Ztg. 120, 166; Miiller-Singer, Allgemeines Kiinstlerlexikon 3 1, 477; D. geistige Deutschland 1, 195 (Autobiogra- phic).

Frey, Otto, groBherzogl. bad. Geheimer Ober- regiemngsrat a. D. Ztschr. f. d. Geschichte des Oberrheins 58, 542 (Frankhauser, L: Karlsruher Ztg. 1903 Nr. 45).

Freyn, Josef F., Baurat in Smichow b. Prag, Botaniker. Leopoldina 39,85; BZ 12,134. *3» l3° (Osterreich. botan. Ztschr. 1903,99: £. Haeckel; Deutsche botan. Monatsschrift

I9<>3, 44)-

Fricke, Richard, herzogl. anhaltin. Ballet- meister a. D.; * Leipzig 10. III. 1818; f Dessau 29. III. Neuer Theateralmanach 15, 145; Monatshefte fiir Musikgeschichte 36, 129 (Ltistner, mit L); BZ 12, 134 (Unser Anhaltland 1903, 225).

Friedberger, Franz, Dr. med. honoris causa, fruher ordentl. Professor an der Tierarztl. Hochschule zu Mlinchen; * daselbst 2. II. 1839; f ebendai7.XII. 1902. BZ 12, 134 (Monatshefte f.prakt.Tierheilkunde 14,290: Th. Kitt, mit P; Ztschr. f. Tiermedizin 7, 155: Stofl, mitP; Ztschr. f. Veterinar- wesen 1903, 85: Grammlich; Archiv fiir wissenschaftl. u. prakt. Tierheilkunde 29, 1 : Albrecht; Medizin. Rundschau 1903, 40: Gmeiner; Berliner tierarztl. VVochenschrift '9°3» 3°: Schwarzmaier; Deutsche tier- arztliche VVochenschrift 1903, 29: Albrecht, mit P); KL 25, 380 (W).

•Friedlander, Ernst, Dr. j'ur., kgl. preuC. Geheimer Archivrat und Geheimer Staats- archivar; * Berlin 28. VIII. 184 1 ; f ebenda 1. I. BJ VIII, 299 (E. Berner).

Friedlander, Ernst Heinrich, Dr. phiL, Direktor d. Leibnizgymnasiums in Berlin, klass. Philolog u. Schulmann; * Elberfeld 4. III. 1837; f 13. XI. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5 ; Verzeichnis d. Berlin. Univ.-Schriften 1810—85 Nr- 8705.

Fritz, Otto, Genremaler; \ Gieflen 16. V., im 38. Jahre. Woche 5, 920.

Fromberg, Konrad, Direktor, Geschaftsinhab.

Biogr. Jahrbuch v. Deutscher Nekrolog. 8. Bd.

d. Schles. Bankvereins> Verwaltungsrats- mitglied der Deutschen Bank; f Breslau 13. VIII., 52 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Fuchs, Karl, Dr. theol., bis 1897 General- superintendent f. d. unierte Kirchengemein- schaft bei dcm Konsistorium in Kassel ; f Fulda 8. XII., 76 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

*Fuchs, Siegmund, Dr. med., ordentl. Pro- fessor f. Anatomie u. Physiologie d. Haus- tiere u. Vorstand d. Tierphysiolog. Instituts an d. Hochschule f. Bodenkultur in Wien, Privatdozent an der Universitat daselbst;

* Neusiedl am See (Ungarn) 9. VIII. 1859; f Vorderbrtihl bei Middling 30. VII. BJ VIII, 80 (Pagel); Leopoldina 39, 101; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 171 ; BZ 13, 131 (Ztschr. f. d. landwirtschaftl. Versuchswesen in Osterreich 6, 783 : L. Adametz; ZentraJ- blatt f. Physiologie 1903, 250: Exner).

Fuchs, Wilhelm, Schauspieler (Helden und Vater), Regisseur am Stadttheater zu Konigs- bergi.Pr.; * Bremen 25. IV. 1846; fKbnigs- berg i. Pr. 27. I. Neuer Theateralmanach 15, 139; Fluggen, Biographisches Biihncn- lexikon 1, 95.

♦Fuchs von Bimbach und Dornheim, Otto Re in old Michael Dietrich Freih., kgl. bayer. Kammerer u. Generalleutnant, Prases d. kgl. preufl. Artillerieprufungskommission;

* Wlirzburg 21. V. 1845; f Charlottenburg 27. VII. (nicht VI.). BJ VIII, 239 (Lo- renzen); Woche 5, 141 8; Goth. Gencalog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 212; BZ 13, 131 (Militarwochenblatt 1903 Au- gust 11).

Fugger-Babenhausen, Anna Marie Leo- poldine FUrstin, Witwe d. Fiirsten Leopold (1827 1885), geb. Grafinv. Gatterburg, Ehrendame d. souveranen Malteserordens u. d. kgl. bayer. Theresienordens, Stern- kreuzordensdame ; *Retz 30. 1. i838;f Kalks- burg bei Wien 14. VII. Goth. Hof- kalender 1904, 126; Goth. Genealogisches Taschenbuch d. Graft. Hauser 1904, 291.

Fugger von Glott, Joseph Max Karl Christian Maria, kaiserl. deutscher Ober- leutnant in d. Schutztruppe f. Karoerun;

* Blumenthal 30. X. 1869; f (gefallen) Marrua (Kamerun) 5. II. Goth. Hof- kalender 1904, 125; Illustr. Ztg. 120, 507.

Fiihrer, Joseph, Dr. phil.} auGerordentlicher Professor am Lyzeum in Bamberg, christl. Archaolog u. Katakombenforscher; *Miin- chen 20. I. 1858; f Bamberg 8. II. KL 25. 392 (w)« 26, 39*; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 33 ; Blatter f. d. Gymnasialschulwesen '903> 365: Ortner; BZ 12, 135 (Christl. Kunstblatt 1903, 81 : Viktor Schultze) ;

35'

Totenliste 1903: v. Fttrstenberg-Eggeringhausen Geistinger.

36*

Keiter-Jtfrg, Katholischer LiteraturkaJender 6, 80 (W).

FUrstenberg-Eggeringhausen, Lothar Freih. v., kgl. preufi. Generalleutnant z. D.; *2i. VI. 1840; fKassel 8. IX. lllustr. Ztg. 121, 411; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 216.

♦Gaedertz, Thcodor, Dr. j'ur., emer. erster Oberbeamter des Stadt- u. Landamtes in Ltibeck, Direktor d. Kunstvereins daselbst, Mitbegrtlndcr des Norddeutschen Gesamt- kunstvereins,Kunstforscher; *Lttbeck 6. XII. 1815; f daselbst 22. XI. BJ VIII, 27 (K.Th. Gaedertz); KL 25, 398 (W). 26, 39*; Woche 5, 2138 (P); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 267 ; Btfrsenblatt f. d. Deutschen Buch- handel 1903, 9688.

*Gapp, Julius, Dr. theoL, kathol. Stadtpfarrer und Ehrendomherr in Hagenau im ElsaB, theolog. Schriftsteller u. Publizist; * Strafl- burg i. E. 28. IV. 1845; f Hagenau 31. XII.

BJ VIII, 285 (F. Lauchert); KL 25, 402 (W); Keiter-Jttrg, Kathol. Literaturkalender 6, 82 (W); BrttmmerS 1, 567 (rait W).

Gassert, Adolf, ehemal. Chorsanger; * Berlin 10. IV. 1823; f Oels im September. Neuer Theateralroanach 15, 157.

Gatterburg, Lcopoldine Grafin v., verwitw. Fttrstin Fugger-Babenhausen : s. Fugger- Babenhausen, Leopoldine Fttrstin.

♦Gebele, Eugen (Taufname: Ernst), Dr.phil., Benediktiner, Abt v. St. Stephan in Augs- burg, Prases der bayer. Benediktiner- kongregation, auch literarisch auf d. Ge- biete d. Geschichte tatig; * Osterbuch b. Wertingen 10. 1 V. 1 836 ; f Augsburg 8. VIII.

BJ VIII, 195 (F. Lauchert). Gebeschus, Ida Maria, Kunst- u. Musik-

schriftstellerin; PQlitz (Pommern) 9. X. 1848; f Weimar 9. V. KL 25, 406 (W). 26, 39*; lllustr. Ztg. 120, 859 (H. Haupt, mit P) ; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 1, 246 (mit W); Monatshefte fttr Musikgeschichte 36, 129 (Ltistner, mit L).

*Gebhard, Karl, Dr. mcd.t Professor der Gynakologie u. Geburtshilfe an d. Univer- sity Berlin, Frauenarzt daselbst; * Karls- ruhe 26. X. 1861; f Berlin 27. XII. BJ VIII, 80 (Pagel); Leopoldina 40, 35.

Geeks , Leonhard, Buchhandler (Firma: Feller & Geeks) in Wiesbaden; f daselbst 26. I. Borsenblatt fttr den Deutschen Buchhandel 1903, 806. 1556 (M. Abend- roth).

Gegenbauer, Leopold, Dr. phil. honoris causa, ordentl. Professor der Mathematik u. Direktor d. Proseminars u. d. Seminars fttr Mathematik an der Universitat Wien, korrespond. Mitglied der k. k. Akademie der Wissenschaften, Mitglied des Ver-

sicherungsbeirates im Ministerium d. Innern und des niedertisterreich. Landesschulrats ; * Asperhofen (NiederBsterreich) 2. II. 1849; t Hinterbrtihl b. M5dling 3. VI. Poggen- dorff 4, 485 (mit W) ; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 125; lllustr. Ztg. 120,897; Leopoldina 39, 85; BZ 14, 126 (Monatshefte f. Mathe- matik u. Physik 1903,3. 129: E. Kobald. J. Gmeiner, O. Stolz).

♦Gegenbaur, Karl, Dr. med., Geheimer Rat, ordentl. Professor d. Anatomie u. Direktor d. Anatom. Instituts in Heidelberg; *\Vtirz- burg 21. VIII. 1826; f Heidelberg 14. VI. BJ VIII, 324 (E. Goppcrt); Leopoldina 39, 78; Pagel 588 (mit P u. L); Bio- graph. Lexikon der hervorragenden Ante 2, 515; Allgemeine Zeitg. 1903 Beil. 133; lllustr. Ztg. 120, 971 (mit P); Virchows Jahresberichte 38, I, 414 (Pagel, mit L); BZ 12, 140. 13, 136 und Frankhauser in Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 542 (L: Medizin. Woche 1903, 280; Heidel- bergerProfessoren aus dem I9.jahrhundert: Flirb ringer; Naturwissenschaftl. W'ochen- schrift 1903, 103: Derselbe; Naturwissen- schaftl. Rundschau 1903,478. 490: R. Han- stein; Anatom. Anzeiger 23, 589, mit P; Das rote Kreuz 1903, 435, mit P; Deutsche Medizin. Presse 1903, 103; Deutsche Me- dizin. Wochenschrift 1903, 525 : O.Hertwig, mit P; Berliner Tageblatt 1903 Zeitgeist Nr. 32: W. Bamberger; Frankfurter Ztg. 1903 Nr. 171 Morgenblatt: M. Flesch; Akadem. Mitteilungen fttr die Universitat Heidelberg, Sommerhalbjahr 1903 Nr. 10).

*Geibel, Stephan, Verlagsbuchhandler, leiten- der Mitbesitzer der Piererschen Hofbuch- druckerei u. Besitzer d. Verlagsbuchhand- lung St. G. zu Altcnburg (S.-A.) ; Buda- pest 15. VII. 1847; f Altenburg 6. I. BJ VIII, 189 (R. Schmidt); Borsenblatt fttr d. Deutschen Buchhandel 1903, 226.

Geist (eigentlich Heiliggeist), Karl v., ehemal. Opernsanger (Tenorist); *Franken- berg 25. XII. 1835; f Dresden 28. VI. Neuer Theater almanach 15, 152; Flttggen, Biograph. Btthnenlexikon 1, 100; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Lttstner, mit L).

Geistinger, Marie, ehemal. Opernsoubrette u. Schauspielerin (Heroine) ; * Graz 26. VII. 1828; f Klagenfurt 28. IX, Flttggen, Biograph. Btthnenlexikon 1,100; Ei sen berg, Grofies biograph. Lexikon d. Deutschen BUhne 312; lllustr. Ztg. 121,532 (B. S., mit P); Woche 5, 1780 (J. Lorm, mit P); Neuer Theateralmanach 15, 157 (mit P); Monatshefte fttr Musikgeschichte 36, 129 (LUstner, mit L); BZ 13, 138 (Die Musik 1903 November S. 201: M. Steuer; Btthne

37"

Totcnliste 1903: Gelbke Gleiflenberg.

38*

und Welt 1903,911: J. Horovitz-Barnay ; Tagliche Rundschau 1903 Oktober 5: M. Martersteig; Neue Freie Presse 1903 Sept. 30; Mttnchner Neueste Nachrichten 1903 Oktober 2: Fr. J. Brakl; Zeit [VVien] 1903 November 1 ; Wiener Abendpost 1903 September 30: Friedmann).

Gelbke, Johannes, Komponist von Miinner- choren; * Radeberg (Kgr. Sachsen) 19. VII. 1845; f Buffalo 1. III. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 129 (Ltistner, mit L); Jllustr. Ztg. 120, 465.

•Gemmingen, Julius Freih. v., kgl. preufl. General d. Infanterie u. President d. Reichs- militargerichts, Bevollmachtigter 2. Bundes- rat; * Grunau (WestpreuBen) 15. (nach Freiherrl. Taschenbuch) VII. 1843 ; f Berlin 23.X. BJVIII, 142 (Lorenzen); Woche 5, 1962 (P); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 231.

♦Gemmingen, Wilhelm Dietrich Freih. von u. zu der, kgl. preufl. General d. Kavallerie z. D.; * Gemmingen (Baden) 17. IV. 1827; f Karlsruhe 18. X. BJ VIII, 189 (Lo- renzen); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 233. 896.

Gemmingen, Wilhelm Ludwig Pleikardt Freih. von u. zu, Grundherr v. Gemmingen und Ittlingen, grofiherzogl. bad. Oberst- kammerherr,Exzellenz ; 20.V.1823 ; f Karls- ruhe 29. VII. Goth. Genealog. Taschen- buch d. Freiherrl. Hauser 1904, 232.

Gemfi, Wilhelm Gustav, Dr. phil.y Pro- fessor, Oberlehrer am kgl. Luisengymnasium in Berlin, klass. Philolog u. Schulmann; Glogau 20. VIII. 1846; f Berlin 1. III. Jahresbericht des Luisengymnas. in Berlin 1903, 24; Vita in G.s Dissertation: De hymno in Ccrerem homerico. Berol. 1872.

Gene 1 in, Placidus, Dr. phil.y Professor an d. Oberrealschule u. Lektor f. franzSsische Sprache an der Universitat in Innsbruck, Literarhistoriker u. Neuphilolog; *Disentis 15. V. 185 1 ; f Innsbruck im Mai. All- gemeine Ztg. 1903 Beil. 119; KL25,4i2 (W). 26,39*; Keiter-Jbrg, Kathol. Literatur- kalender 6, 84 (W).

Georg, William, Mitinhaber u. Leiter d. Buch- u. Kunsthandlung Georg & Cie. in Basel; f daselbst, 47 Jahre alt, 2. XL Borsen- blatt f.d.Deutschen Buchhandel 1903,8860.

Georgi, Laura, ehemal. Theaterdirektorin ; f Schweidnitz, 72 Jahre alt, 18. V. Neuer Theateralmanach 15, 150.

Gerhard, Similde (Pseudon.: S. J. Milde), Schriftstellerin, Mitbegrtinderin d. Albert- vereins in Sachsen; * Leipzig 9. VII. 1830; f daselbst 15. III. Ulustr. Ztg. 120, 465; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d, Feder 1, 2^3. 2,47 (W).

Gesenius, Franz, kgl. preufl. Geheimer Re- gierungsrat und Stadtaltester in Berlin, Direktor des Bediner Pfandbriefamtes ; f Berlin 2. III., 80 Jahre alt. Woche 5, 418.

*Gefiner, Adolf, Dr. med., ordentl. Professor f. Geburtshilfe u. Gynakologie u. Direktor d. Frauenklinik an d. Universitat Erlaiigen;

* Friedberg (Oberhessen) 4. II. 1864; fEr- langen 24. I. BJ VIII, 79 (Pagel) ; BZ 12, 146 (Monatsschrift f. Geburtshilfe u. Gynakologie 1903, 374: C. Gebhard).

Giehlen, Alfred, Superintendent a. D., lang- jahr. erster Pfarrer an d. St. Johanniskirche zu Moabit in Berlin; f daselbst 16. V., 61 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

Gienanth, Max Karl Freiherr v., kgl. preufl. Kommerzienrat, Eisenhtittenwerkbesitzer u. Gutsherr zu Hochstein in d. Pfalz; * Lud- wigshafen 29.XI. 1849; t Hochstein 15. XII. Illustr. Ztg. 121, 1 014; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 190$, 238.

Giert August. BZ 13, 144 (Bauztg. 1903 Nr. 92: J. Bousset).

•Giese, Ernst Friedrich, kgl. sachs. Geheimer Hofrat, frtther ordentl. Professor u. Leiter d. Ateliers f. Baukunst an d. Technischen Hochschule zu Dresden, seit 1901 in Char- lottenburg lebend; * Bautzen 16. IV. 1832; f Charlottenburg 12. X. BJ VIII, 298 (Stiller).

Gisevius, Heinrich, kgl. preufl. Generalmajor z. D., zuletzt bis 1897 Inspekteur d. Techn, Instituts in Berlin; f daselbst 9. L, 58 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

*Gitlbauer, Michael, Dr.phil., Chorherr d. Stiftes St. Florian, auflerordentl. Professor f. klass. Philologie u. Leiter d. philolog. Proseminars an der Universitat Wien ;

* Leonding b. Linz 31. X. 1847; f Wien 31. V. BJ VIII, 137 (R. v. Kralik); KL 25, 426 (W). 26, 39*; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 125; BZ 14, 133 (Korrespondenzblatt. Amtl. Ztschr. d. kgl. stenograph. Instituts zu Dresden 1904, 170: A. Mentz).

Glaser, Theodor Edler v., Impresario; f Paris 19. II., 45 Jahre alt. Neuer Theater- almanach 15, 140.

Glebocki, Joseph v., Gutsbesitzer zu Czerlejno (Kreis Schroda), Mitglied des Deutschen Reichstags (Pole); * Barskin (Posen) 19. III. 1856; f Posen 27. XI. Illustr. Ztg. 121, 841; Kllrschners Reichstag 1898 1903. 77 (mit P).

Gleifienberg, Karl, pension. Verwaltungs- direktor d.Genossenschaft deutscher Btihnen- angehoriger, vordem Schauspieler ; * Crossen 2. X. 1830; f Berlin 17. XII. Neuer Theateralmanach 16, 174 (mit P auf dem lllustrationsbogen).

b*

39*

Totenliste 1903: Glofi Goetz.

40*

Glofi, Ludwig, Bildhauer u. Maler in Wien ;

* Wiener Neustadt 20. I. 1851 ; f Modling b. Wien 23. II. Ulustr. Ztg. 120, 347; MUller-Singer, Allgemein. KUnstlerlexikon 3 2,63; D. geistige Deutschland 1, 233.

Gmelin, Max, Dr. phi/, (in Erlangen 1894), Assistent am stadt. chem. Laboratorium in Stuttgart, Chemiker; f zu Gaildorf, seinem Geburtsort, 36 Jahre alt. Leopoldina 39, 102.

G5bel, Otto Julius, Landschaftsmaler, frtiher in TGlz (Oberbayern) ; f Sonnenstein bei Pirna 26. II. Woche 5, 418; Jahrbuch d. bildenden Kunst 1, 100.

*Goecke, Franz Friedrich Wilbelm, kgl. preufi. Geheimer Justizrat, Notar in C5ln, Vorsitzender des deutschen Notarvereins;

* Paderborn 30. I. 1824; f Coin 31. V. BJ VIII, 150 (A. Teichmann); BZ 13, 145 (Ztschr. d. deutschen Notarvereins 1903,

335). Goldbaum, Heinrich, Dr. med.t prakt. Arzt

in Wien; * Lcmberg 23. IV. 1846; f 2. V.

Kl.25,437. 26, 39*. Goldlin von Tiefenau, Robert, Oberst der

schweizer. Armee u. Instruktor d. Sanitats-

offiziere im eidgenttss. Heer; * Luzern 10.

X. 1832; f Basel 28. X. Illustr. Ztg.

121, 681; Voss. Ztg. 38, I, 414 (Pagel,

mit L). Goldmann, Julius, kgl. preufl. Wirkl. Geheimer

Kriegsrat, bis 1895 Intendant d. VIII. Armee*

korps; f Koblenz 3. IV., 72 Jahre alt.

Voss. Ztg. 1903 Nr. 608. Goldschmidt, Emil, Verlagsbuchbandler in

Berlin; * daselbst 23. V. 1843; t ebenda

3. II. Borsenblatt f. d. Deutschen Buch-

handel 1903, 1034. 9742. •Goldschmidt, Georg (so stets, nicht Albert

wie oben S. 208), kgl. preufi. Musikdirektor

u. Leutnant a. D., friiher Kapellmeister d.

7. Infanterieregiments ; * Hermschwenda

(Kreis Weiflensee) 16. IX. 1823; f Liegnitz

1 1. XI. BJ VIII, 208 (Lorenzen); Illustr. Ztg. 121, 753 u. Nr. 2601 (v. 6. Mai 1893, mit P); Monatshefte fiir Musikgeschichte 36, 130 (Ltistner, mit L).

Goldstein, Irma, verehel. Golz, Opernsangerin : s. Golz, Irma.

•Goll, Friedrich, Dr. med.f ehemal. ordentl. Professor d. Pharmakologie an d. Univer- sitat Zurich; * daselbst x. III. 1829; febenda

12. XI. BJ VIII, 80 (Pagel); Biograph. Lexikon d. hervorragenden Arzte 2, 595 ; Leopoldina 40, 36; BZ 14, 134 (Viertel- jahrsschrift d. naturforsch. Gesellschaft in Zurich 48, 481 : Rheiner; Deutsche Medizin. Wochenschrift 1 904, 7 1 : Eichhorst ; Ver- handlungen d. schweizer. naturforsch. Ge- sellschaft, 86. Versammlung XCV: P.Rodau).

Golz, Irma, geb. Goldstein, ehemal. Opern- sangerin; f Wien 5. VI., 29 Jahre alt Neuer Theateralmanach 15, 151; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 130 (Ltistner, mit L).

♦Goose, Sophus, Dr./ur., Justizrat, Mitglied d. Direktoriums d. Firma Friedrich Knipp in Essen; * Neuenburg in Oldenburg 30. I. 1839; f Essen f4. V. BJ VIII, 228 (P. Goldschmidt).

Goering, Philipp Jakob Ritter v., Ober- regierungsrat , kgl. bayer. Landestierarzt a. D., Fachschriftsteller; * Wtirth am Rhein 15. III. 1832; f Seefeld 4. IX. BZ 13, 145 (Ztschr. f. Veterinarkunde 15, 459: . Grammlich ; Berliner tierarztl . Wochenschrift 1903 Nr. 35. 36; Attinger; Deutsche tier- arztl. Wochenschrift 1903, 367: Gobel); Wochenschrift f. Tierheilkunde u. Viehzucht 47, 413. 426 (Albrecht, mit P).

Gosch, August, Professor, Lehrer an d. kgl. Kunstschule in Berlin, Portratmaler; f Grofl- Lichterfelde 8. IV., im 82. Jahr. Illustr. Ztg. 120, 623.

Gossinger, Franz v., fxiiherRegierungsdirektor u. Direktor d. protestant. Konsistoriums in Bayreuth; f MUnchen 24. XI. Augs- burger Abendztg. 1903 Nr. 325 S. 15. Nr. 327 S. 7.

Gdtsch, Paul, Dr. mcd.y kgl. preufi. Geheimer Sanitatsrat, Tuberkuloseforschcr; *Colberg 21. IX. 1838; f Slawentzitz 25. IX. Leopoldina 39, 129; Woche 5, 1906 (P); Virchows Jahresberichte 38, I, 414 (Pagel); Vita in G.s Dissertation: Symbolat ad rcscctionts in manu ct ptde facicndas. Berolini 1S61.

Gottburg, Landgerichtsrat in Flensburg, FOrderer d. Deutschtums in Schleswig; f Flensburg 26. VIII. Woche 5, 160a.

Gottheil, Gustav, Dr. phil., Rabbiner am Tempi* Emanuel in Newyork, Vork&mpfer d. Reformjudentums, frUher Assistent am Reformtempel in Berlin; f Anfang Mai. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5; Leonard, Who's who in America 1901/02, 447.

Gottschald, Julius Otto, Kunstsammler, Be- sitzer einer Gemaldesammlung holland. u. vlamischer Meister des 17. Jahrhunderts, die er durch letztwillige VerfUgung dem Museum f. bild. Kttnste in Leipzig ver- machte; f daselbst 27. III. Kunstchronik, Neue Folge 14, 338; U. Thieme, Sara m lung J. O. Gottschald. Leipzig 1901. Mit- teilung von Prof. Dr. Lier in Dresden.

Gottschalk, Ottilie, Schauspielerin : s. La ng - hoff-Schaeffer, Ottilie.

Goetz, Johann Karl Leopold, Pfarrer am Kranken- u. Diakonissenmutterhause der Barmherzigkeit zu KOnigsberg i. Pr. ; * da-

41'

Totenliste 1903: Graeb Grttbner.

42*

selbst 26. VIII. 1833; f ebenda 10. I. Rindfleisch, Altpreufl. Bibliographic f. d. J- >903 (L: Pfarrer Goetz f. E. Erinnerungs* blatt. Konigsbcrg i. Pr. 1903; Evangel. Gemeindeblatt 58, 13).

Graeb, Adolf, ehemal. kgl. Tanzcr am Hof- thealer in Berlin; * daselbst 10. IX. 1847; f ebenda 16. VI. Neuer Thcateralma- nach 15, 152.

Graf, Theodor, Importeur u. Exporteur nach dem Orient, Erwerber agypt. AltertUmer (u. a. des Papyrus Rainer) ; f Rodaun (Nicder- tfsterreich) 25. XL, im 64. Jahre. All- gemeine Ztg. 1903 Beil. 274; Illustr. Ztg. 121, 841.

Grahl, Hugo, friiher Opernsanger (Tenor- buffo) am GroBbgl. Hof- u. Nationaltheater in Mannheim; * Potsdam 18. XI. 1845; f Mannheim 1. XII. Neuer Theater- almanach 16, 173; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, i3o(Lustner,mitL);FlUggen, Biograph. Btthnenlexikon i, 110.

Grand-Ry, Andreas v., Rittergutsbesitzer in Bonn, Mitglied des Deutschen Reichstags u. preufl. Abgeordnetenhauses (Zentrum), sowie d. Kreistags u. Provinziallandtags der Rheinprovinz; * Eupen 4. V. 1837; f Kettenis b. Eupen 25. IX. Illustr. Ztg. 121, 486; Kurschners Deutscher Reichstag 1898 1903,224 (mitP); Kurschners Preufl. Abgeordnetenhaus 1894,429 (mitP); Hirth, Deutscher Parlamentsalmanach 12 (1877),

159. Granitsch, Georg, Dr. jur., Advokat und Publizist, Schopfer d. Landeshypotheken- bank in VVien u. Organisator d. Raifteisen- kassen in Niedertfsterreich, Mitgl. d. Hauses d. Abgeordneten d. tfsterreich. Reichsrats u. d. niedertteterreich. Landtags ; f Haders- dorf b. Weidlingen 18. IX., im 71. Jahre.

Illustr. Ztg. 121, 486. Grasberger, Jx>renz (Laurentius), Dr. phi/.,

kgl. bayer. Geheimer Rat, ordentl. Professor f. klass. Philologie u. Padagogik an d. Universitat WUrzburg; * Hartpenning (Ober- bayern) 9. VIII. 1830; f VVUrzburg 22. 1.

KL 25, 450. 26, 39*; Allgemeinc Ztg. 1903 BeiL 18; BZ 12, 152 (Kttrperu. Geist. Ztschr. f. Turnen u. Jagdsport 12, 389: Goebel).

Graser, Hermann, frllher Verlagsbuchhandler (G. Schtfnfelds Buchhandlung) in Anna- berg i. S., Ftfrderer d. Touristenverkehrs im Erzgebirge; f Berlin 5. II. Bflrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 1104. 1 166. 1320. 7388; R. Brauninger, Lebens- abriB des f Buchhandlers H. G. in Anna- berg (Zwickau, Gebr. Thost, 1903, mit P, aus: Mitteilungen aus d. Buchhandlerver- band f. d. Kgr. Sachsen I Nr. 2).

•Grassauer, Ferdinand, Dr. phi/., k. k. Hof-

rat, Bibliothekar, ehemal. Vorstand d. Uni-

versitatsbibliothek in Wien, Geograph;

* Sallingstadt (Niederttsterreich) 26. VI.

1840; f Klosterneuburg 25. X. BJ VIII,

180 (S. Frankfurter). Gratzer, Johann Hugo (alias Treu), Schau-

spieler: s. Treu, Johann Hugo. •Graevenitz, Karl v., k. wUrttemberg. General

d. Infanterie z, D.; *Ludwigsburg 8. 1. 1830;

fMUnchen 13. III. BJ VIII, 279 (Lo-

renzen). Gregor, Konrad, Dr. med., erster Assistcnt

an d. Universitatsklinik u. Poliklinik f.

kranke Kinder in Breslau; * Freiburg

(Schlesien) 5. XII. 1870; f Breslau 1. VIII.

Leopoldina 39, 102; Virchows Jahres- berichte 38, I, 415 (Pagel, mit L); BZ 13, 147 (Archiv f. Kinderheilkunde 37, 491 : Baginsky); Lebenslauf in G.s Dissertation: Untersuchungen Uber Verdauungsleukocyten b. magendarmkranken Sauglingen. Breslau 1897; Leopoldina 39, 102.

Greiner, Frau Emeline, Roman- u. Novellen- schriftstellerin in Rudolstadt; * daselbst 5.V.i837;t*o.XI. -KL 25,454. 26,39*; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 1, 281.

Grimm, Julius Otto, Dr. phil. honoris causa, Professor, akad. Musikdirektor an d. Aka- demie in Miinstcr i. W., Direktor d. Cacilien- vereins daselbst, Komponist; * Pernau (Livland)6.III. 1827; fMtinsteri.W. 7. XII.

RaBmann, Nachrichten v. d. Leben u. d. Schriften MUnsterland. Schriftsteller. N. F. 80; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 130 (Ltlstner, mit L); BZ 14, 136 (Mo- natsschrift f. Gottesdienst u. kirchl. Kunst 1904, 79: J. Smend).

* Grimmich, Virgil, Benediktiner, Dr. phil., ordentl. Professor f. Moraltheologie an d. deutschen Universitat Prag; * Kaaden (BShmen) 13. XI. 1861; f Prag 14. VIII.

BJ VIII, 196 (F. Lauchert).

GrSbli, Walter, Dr. phil., Professor, Lehrer d. Mathematik am Gymnasium in Zurich; * Oberutzwil (St. Gallen) ca. 1853; f »m Piz Bias durch Unglttcksfall 27. VI., 50 Jahre alt. Woche 5, 1190 (P); BZ 13, 148. 14, 137 (Schweizer Lehrerztg. 1903 Nr. 34; Alpina 1903, 8. 9: Ltining und Nr. 12; Neue Zilrcher Ztg. 1903 Juli 16; Viertel- jahrsschrift der naturforsch. Gesellschaft in Zurich 48, 478; Verhandlungen der schweizcrerischen naturforschenden Gesell- schaft, Versammlung 86, XXIII: A. LU- ning).

Gr5bner, Johann, Chorsanger am k. k. Hof- operntheater in VVien; f daselbst 24. V.

Neuer Theateralmanach 15, 151.

43'

Totenliste 1903: Gronau v. Hackelberg-Landau.

44*

Gronau, Wilhelm, Verlagsbuchhandler in Berlin, Vorstand d. UnterstUtzungsvereins Deutscher Buchhandler u. Buchhandlungs- gehilfen ; "f- 17. XII., im 40 Jahre. Bttrsen- blatt fUr den Deutschen Buchhandel 1903, 10617.

Gr5ning, Albert Wilhelra von, Dr. jur., Rechtsanwalt, zweiter Bttrgermeister von Bremen; daselbst 26. I. 1839; f ebenda 23. VI. Illustr. Ztg. 121, 25; G.s Disser- tation: De ficUicommissis familiae neglect is. Gotting. i860; BZ 12, 153 (Weserztg. 1903 Juni 24).

•Groschuff, Albert, kgl. preufl. Geheimer Oberjustizrat, Vorsitzender des Strafsenats am Kamraergericht in Berlin; * daselbst 1. IV. 1835; f ebenda 26. II. BJ VIII, 150 (A. Teichmann).

Grube, August Wilhelm (oder Julius?), Hofschauspieler (Helden und Bonvivants), Direktor d. Belle-Alliance-Theaters in Berlin ; * daselbst 17. IX.' 1845; t ebenda 12. XII.

Neuer Theateralmanach 16, 174; Illustr. Ztg. 121, 1014; Eisenberg, Grofies bio- graph. Lexikon d. Deutschen Btthne 358; FlUggen, Biograph. BUhnenlexikon I, 115.

Griitzmacher, Friedrich Wilhelm Ludwig, kgl. sachs. Hofrat u. Professor, Konzert- meister und Kammer virtuose in Dresden, Cellist; * Dessau 1. III. 1832; f Dresden 22. (oder 23?) II. B. Wildberg, D. Dresdner Hoftheater in der Gegenwart. Dresden u, Leipzig 1902. S. 238—243; A. Kohut, D. Dresdner Hoftheater d. Gegen- wart. Ebenda 1888. S. 417 425;Tage- buch d. kgl. sachs. Hoftheater 1903, 97 99; Neuer Theateralmanach 15,140; Dresdener Rundschau 9 Nr. 25. 12 Nr. 10; Illustr. Ztg. 120, 310; Monatsheftc f. Musikgesch. 36, 130 (Lttstner, mit L); BZ 12, 154 (Musikwoche 1903 Nr. 10: H. Platzbecker).

Mit bibliograph. Beitragen v. Professor H. A. Lier in Dresden.

Gude, Hans Fredrik, Professor, Landschafts- maler, Leiter eines Meisterateliers an der Akademie d. Kttnste in Berlin ; Christiania 13. III. 1825; f Berlin 18. VIII. Jahr- buch d. bildenden Kunst 3, 101 ; Illustr. Ztg. 121, 301; Woche 5, 1 5 14 (P); Muller- Singer, Allgemeines Kttnstlerlexikon 3 2,99; Das geistige Berlin 1, 155; Das geistigc Deutschland I, 253 (Autobiographic); BZ *3> 148 (Voss. Ztg. 1903 Aug. 26).

Gueita, v., Geheimer Kommerzienrat, President der Frankfurter Handelskammer, Mitglied des preufi. Herrenhauses ; f Cronberg (Taunus) 12. XII. Illustr. Ztg. 121, 1014.

Gumpl, Robert, k. k. Hofrat, Direktor des Hauptpunzicramtes in VVien; f daselbst

12. X., 63 Jahre alt Allgemeine Ztg. 1903 Beil, 234.

Gurau, Sophie, geb. Schlofi, Konzertsangerin : s. Schlofi, Sophie.

'Gussenbauer, Karl, Dr. med.% k. k. Hofrat, ordentl. Professor f. Chirurgie an <L Uni- versitat Wien, Leiter d. zweiten chirurg. Klinik im Allgemeinen Krankenhause da- selbst; • Obervellach (Karnten) 30. X. 1 842 ; f Wien 19. VI. BJ VIII, 8 (O. v. Frisch); Leopoldina 39, 102 ; Biograph. Lexikon d. hervorragenden Arzte 2t 705 (mit W); Pagel 659 (mit P); Illustr. Ztg. 121 , 28 (mit P); Woche 5, 1148 (mit P); Allge- meine Ztg. 1903 Beil. 136; Virchows Jahresberichte 38, I, 415 (Pagel, mit L); BZ 1 2 , 1 54. 1 3, 1 49 (Deutsche Medizinalztg. 1903, 579; Prager Medizin. Wochenschrift 1903, 321 : K. Bayer, u. 363: A. Wtflfler; Wiener klin. Wochenschrift 1903, 757: A. Fraenkel, u. 903. 930: A. v. Eiselsberg; Allg. Wiener Medizin. Ztg. 1903, 285; D. medizin. Woche 1903, 296; Monats- schrift fttr Geburtshilfe und Gynakologie 1903, 96: A. Rosthorn; Deutsche Ztschr. f. Chirurgie 69, I: D. Pupovac, mit P; Deutsche medizin. Presse 1903, 103; Blum- berg; Carinthia 1903, 184: L. Wenger; Zentralblatt f. Chirurgie 1903, 777: G*r- sung; Berliner klin. Wochenschrift 1903, 677: A. v. Winiwarter; Deutsche Medizin. W'ochenschrift 1903, 526, mit P).

Guthery senior, John Robert, ehemal. Schauspieler (Komiker); * Hamburg 6. II. 1824; f Berlin 5. III. Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen Btihnc 373 ; Neuer Theateralmanach 15, 141.

Gutschow, Hermann, Dr. med.y General - stabsarzt d. deutschen Marine, Chef d. Sanitatskorps d. Marine u. Vorstand d. Medizinalabteilung d. Reichsmarineamtes ;

* Brandenburg a. H. 20. VIII. 1843; f Berlin 23. IV. Illustr. Ztg. 1 20, 741 (F. H.f mit P); Woche 5, 785 (P); Virchows Jahres- berichte 38, I, 415 (Pagel, mit L).

Haacke, Heinrich (Henry), Schulmann und Journalist in Cincinnati, Herausgeber des »Volksfreund« daselbst, auch Dichter;

* Hagenow (Mecklenburg) 22. X. 1832; f 26. XII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9; Leo- nard, Who's who in America igoiJ2t 474.

Haas, Emanuel, Komponist u. Musikprofessor in Oedenburg; f daselbst im August, 64 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgeschichtc 36, 130 (Lttstner, mit L).

*Haberland, Hermann, k. sachs. General- leutnant; * Naundorf b. Grofienbain 31. VII. 1837; f 21. II. BJ VIII, 280 (Lorenxen).

Hackelberg-Landau, Rudolf Adam Freih. v., k. u. k. Karamerer, Besitzer d. Gutes Prag-

45*

Totenliste 1903: Hadra Hart].

46*

wald b. Cilli (Untersteiermark), Mitglied d. Abgeordnetenhauses d.dsterreich. Reichs- rats sowie d. steir. Landtages (Vertreter d. steir. Grofigrundbesitzes) ; * 8. IX. 1827; t St. Peter 2. VI. Illustr. Ztg. 120, 897; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 275; S. Hahn, Reichsrats- Almanach 189 1/2, 172. *Hadra, Sally, Dr. med., Chirurg in Berlin;

* daselbst 24. II. 1856; f ebenda 20. V.

BJ VIII, 80 (Pagel).

Haefeli, Erail, Dr. med., arztl. Dircktor d. Heilstatte in Davos-Dorf; * 8. XI. 1868; f Luiern 4. VI. Virchows Jahresberichte 38, I, 415 (Pagel, mit L); BZ 13...149 (Korrespondenzblatt ftir Schweizer Arzte 1903, 522 : Trechsel).

Hafiher, Traugott, Stadtschultheifl von Mar- bach a. N., Schttpfer d. Schillermuseums daselbst, Vorstand d. Marbacher u. Schrift- ftihrer des Schwabischen Schillervereins ; f Marbach 24. VI., 50 Jahre alt Illustr. Ztg. 121,25; BZ I2> *55 (Schwab. Merkur 1903 Juni 27).

Hagemann, Georg, Dr. ph$i., ordentl. Pro- fessor d. Philosophic an d. Akademie zu Mtlnster i. W.; * Beckum (Westfalen) 17. XL 1832; fMunsteri. W. 6. XII.

*Hagemeister, Johann Carl Paul Wilhelm, kg], preufi. Justizrat, Rechtsanwalt u. Land- syndikus in Stralsund, Jurist u. Historiker; ♦Straisund 13.VI. 1826; fGreifswald 27. III.

BJ VIII, 190 (Pyl).

Hahn, Georg Ludwig, Dr. theol. et phi/., ordentl. Professor f. neutestamentl.Theologie in d. evang. - theolog. Fakultat d. Univer- sitat Breslau u. Senior derselben ; * Konigs- berg i. Pr. 26. IV. 1823; f Breslau 14. VII.

AUgemeine Ztg. 1903 Beil. 159; Chronik d. Univ. Breslau 18 (1903/4), 156—164 (Juncker); Theolog. Jahresbericht 23, 1196 (Nestle, mit L).

Haimasy, Johannes Evangel ista, Professor, Chorregent a.D. inGraz, Musikschriftsteller;

* Judenburg io. X. 1847; fGraz 1. V. Monatshefte fur Musikgeschichte 36, 130 (Ltistner, mit L); BZ 12, 156 (Gregorian. Rundschau 1903, 93).

Hallwachs, Ludwig, Dr. theol. honoris causa, WirkL Geheimrat in Darmstadt, Begriinder d. evangel. Kirchengcsangvereins f. Deutsch- land; f 9. I. Theolog. Jahresbericht 23, 1 196 (Nestle, mit L); BZ 12, 156 (Monatsschrift fttr Gottesdienst und kirchl. Kunst 1903,43: K.Sell; Korrespondenzblatt d. evangel.Kirchengesangvereins 1903 Nr.2).

Halter, Nikolaus, schweizer. Alt-Regierungs- rat. Woche 5, 874.

Hamburger, Meyer, Dr. phil., Professor, aufieretatsmaftiger Dozent ftir Analysis,

Algebra, Potent ialtheorie, Variationsrech- nung u. Funktionentheorie an d. Techn. Hochschule in Charlottenburg ; * Posen 5. IV. 1838; f Berlin 9, VI. AUgemeine Ztg. 1903 Beil. 130; Lcopoldina 39, 78; Poggendorff 4, 575 (mit W). 1710; BZ 14, 140 (Verhandlungen d. Gesellschaft deut- scher Naturforscher und Arzte 75, II, 5: E. Lampe; Jahresbericht der deutschen Mathematiker-Vereinigung 13, 40).

Handler, Paul, Professor, Historienraaler ; * Altenweddingen b. Magdeburg 16. III. 1833; f Bethel b. Bielefeld 15. VIII. Illustr. Ztg. 121, 335.

Haenschke, Ernst, Bildhauer in Berlin; f 1. VIII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Hanel, Joseph, Dr., Dompropst in OlmUtz; f daselbst 16. IV., 80 Jahre alt. Woche 5> 736.

Hansel, Heinricb, Theatermeister d. Alten Theaters zu Leipzig; * Grafenhain 27. 1. 1855; f Leipzig 12. VII. Neuer Theater- almanach 15, 152.

Hansemann, Adolf v., Geheimer Kommer- zienrat, Bankier in Berlin; * Aachen 27. VII. 1826; f Berlin 9. XII. Illustr. Ztg. 121, 956 (J. P., mit P); Woche 5, 2226 (P); BZ 14, 141 (Grofibetrieb. Jahrg. 3. Berlin 1904. S. 147, mit P).

Hantke, Ernst, Dr., Begriinder u. Direktor d. Brauschule in Milwaukee, Herausgeber der » Letters on brewing «; f, 40 Jahre alt.

Illustr. Ztg. 121, 486; BZ 13, 152 (Ztsclir. f. angewandte Chemie 16, 1095).

Hardeland, Julius, Dr. theol., langjahriger Dircktor d. evangel. Mission in Leipzig, dann Superintendent v. Doberan; * Han- nover 7. 1. 1828; f daselbst 11. X. Theolog. Jahresbericht 23, 1196 (Nestle, mit L): Perthes' Handlexikon f. evangel. Theologen 2, 19.

Harpke, Anton Edler v., eheroal. President d. niederGsterreich. Gewerbevereins ; fWien 16. IV., 63 Jahre alt. Woche 5, 736; BZ 12, 159 (Mitteilungen d. k. k. techn. Gewerbemuseums in Wien 1903, 131).

Haerter, Gustav Wilhelm, Pfarrer im ElsaB.

Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 724 (Kaiser, L: Elsass. Evangel. Sonn- tagsblatt 40, 296. 302 v. F. D.[ietzJ; Zum Andenken an Pfarrer G. W. H. Strafiburg

1903).

Hartig, Franz Gabriel Graf, Herr auf Niemes mit Wartenberg in Bohmen, k. und k. Kammerer, Mitglied d. Abgeordnetenhauses d. osterreich. Reichsrats; * Wien 15. VIII. 1859; f Niemes 21. VIII. Goth. Genea- log. Taschenbuch d. Graft. Hauser 1905,343.

Hartl, Heinrich Joseph Franz, Dr. phil. honoris causa, ordentl. Professor d. Geo-

47'

Totenliste 1903: Hartleben-Sarkhaza Heereman van Zuydwyk.

48*

dasie an d. University Wien, Kartograph, friiher Oberst; * Brttnn 23. 1. 1840; f Wien 4. IV. Leopoldina 39, 102; Poggendorff 3,591 (W). 4,589 (W). 1 710; Geographen- Kalender 2, 190 (L); Geograph. Jahrbuch 26, 43 l (Wolkenbauer, mitL); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 77? BZ 12, 159. 13, 153 (Ztscbr. f. Vermessungswesen 1903, 337: Truck; Zeit 1903 Juli 10: A. Penck).

Hartleben-Sarkhaza, Franz Adolf v., Mit- bcsitzer d. Verlagsbuchhandlung A. Hart- leben in Wien u. Leipzig; * Neu-Gradiska (Ungarn) 1 5. XII. 1 835 ; f Blasewitz b. Dres- den 18. XL Btfrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 10078. 10374. 10525.

*Hartlieb genannt Wallsporn, Maximilian v., kgl. bayer. Generalmajor z. D. ; Zus- marshausen (Bayern) 9. 1. 1840; f MUnchen 18. III. BJ VIII, 211 (Lorenzen).

Hartmann, Nina, verehel. Zottmayr, Opern- sangerin: s. Zottmayr, Nina.

•Hart wig, Otto, Dr. phil., kgl. preuB. Ge- heimer Regie run gsrat, Bibliotheksdirektor a. D., aucb literarisch auf d. Gebiete d. Geschichte u. Bibliotbekswissenschaft tatig ; * Wicbmannshausen (Niederhessen) 16. XL 1830; f Marburg i. H. 22. XIL BJ VIII, 309 (K. Gerhard); iCL 25, 511 (W). 26, 40*; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 294; O. Hartwig, Stammbaum der niederhess. Familie Hartwig 1902.

•Hasse, Wilhelm, kgl. preuB. Oberst, aus- gezeichneter Ftthrer in der Schlacht bei Gravelotte; * Minden (Westfalen) 12. III. 1830; f Berlin 5. II. BJ VIII, 206 (Lo- renzen); BZ 12, 160 (Schweizer. militar. Blatter 1903, 112).

Hasselbach, Friedrich Oskar v., kgl. preuB. Landrat im Kreise Wolmirstedt (Reg.-Bez. Magdeburg), ehemal. Mitglied d. Deutschen Reichstags u. preuB. Abgeordnetenhauses ; •Minden (Westfalen) 3. IV. 1846; f Wol- mirstedt 8. I. Schoenfelds Notizbuch fttr Reichstagswahler 5, 131; Kllrschners PreuB. Abgeordnetenhaus 1894, 22$ (mit P).

Haupt, kgl. sachs. Geheimer Finanz rat, Reich s- bevollmachtigter ftir Zblle und Steuern in Breslau; f daselbst 30. XL Illustr. Ztg. X2lt 913; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Hauptmann, Lina, Sangerin am Grofiherzogl. Hoftheater in Neustrelitz; * Karlsruhe 15. VII. 1862; f Neustrelitz 26. XII. Neuer Theateralmanach 16, 176.

Hausdorf, Gabriele, Sangerin am Stadttheater zu Breslau; * Leipzig 10. XL 1862; f Bres- lau 29. III. Neuer Theateralmanach

15, H5. Hauser, Joseph Paul, groBherzogl. bad. Kammersanger, Ehrenmitglied des Hof-

theaters in Karlsruhe, Professor f. Gesangs- kunst am Konservatorium daselbst, frtther Opernsanger (Bariton); Frankfurt a. M. 29. IX. 1828; f Karlsruhe 2. V. Eisen- berg, Grofies biographXexikon d. Deutschen Btthne 403; FlUggen, Biograph. Buhnen- lexikon 1, 131; Neuer Theateralmanach

15, 147; Monatshefte fttr Musikgeschichte 36, 130 (Lttstner, mit L).

Hausmann, Adolf, kgl. preuB. Geheimer Kommissionsrat, Druckereibesitzer in Berlin, Menschenfreund; f Berlin 10. I., 62 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Haufiknecht, Karl, Hofrat, Professor in Weimar, Vorsitzender d. Thttring. botaru Vereins, Botaniker und Orientreisender;

Bennungen bei RoBla 30. XL 1838; f Weimar 7. VII. Leopoldina 39, 102; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 153; Geograph. Jahrbuch 26, 432 (Wolkenhauer, mit L).

Haufimann, David, Dr. med., Gynakolog in Berlin; Ratibor 22. VIL 1839; f Berlin 26. V. Pagel 697 (mit W); Biograph. Lexikon der hervorragenden Arzte 3, 86 (mit W); D. geistige Berlin 3, 75 (mit W); Virchows Jahresberichte 38, I, 415 (Pagel, mit L).

•Hautmann, Johann, Bildhauer in MUnchen ;

daselbst 21. IV. 1820; f ebenda 30. I. BJ VIII, 94 (H. Holland); Augsburger Abendztg. 1903 Sammler 21.

Hawelka, Karl, Dr. med., k. k. osterreich.- ungar.Generalstabsarzt; f Dobling, 77 Jahre alt. Woche 5, 1784.

Hedemann, Wilhelm v.,Mikrolepidopterologe in Oberltfflnitz b. Dresden. Leopoldina 39, 102.

Heerdt, August, Rendant d. vereinigten Stadt- theater in Frankfurt a. M.; f daselbst 15. XL, 49 Jahre alt. Neuer Theateralmanach

16, 171.

Heereman van Zuydwyk, Kl em ens August Antonius Freih., Dr. jur.% kgl. preufl. Regierungsrat a. D., Rittergutsbesitzer, Par- lamentarier, Mitglied d. Deutschen Reichs- tags,. 1. Vizeprasident d. preufl. Abgeord- netenhauses (Zentrum), auch Kunstschrift- steller; Surenburg b. Riesenbeck (West- falen) 16. VIII. 1832; f Berlin 23. III. Illustr. Ztg. 120, 496 (P. Eisner, mit P); Woche 5,560 (P); KL 25,525 (W). 26,40*; Keiter-Jbrg, Kathol. Literaturkalender 6, 1 1 1 (W); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 295; Kttrschners PreuB. Abgeordnetenhaus 1894, 3x6 (mit P) ; Kttrschners Deutscher Reichstag 1898 bis *903> I7I (mit P); BZ 12, 161 (Alte und neue Welt 37, 567: K. Hochwart; Akadem. Monatsblatter 1903, 143: K. Hocber; Ger- mania 1903 Nr. 68).

AST

Totcnlistc 1903: v. Hefner- Alteneck Herrich-Schaffer.

50-

♦Hefner- Alteneck, Jacob He in rich v., Dr. phil., frtther Generalkonservator d. Kunst- denkmale Bayerns u. Direktor d. bayer. National museums in Miinchen, Kultur- u. Kunsthistoriker ; * AschafTcnburg 20.V. 1 8 1 1 ; f Mtincben 19. V. BJ VIII, 269 (H. Holland); Illustr. Ztg. 120,847 (Th.Hampe, mit P); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 112; BZ 12, 163. 13, 156. 14, 145 (Frankfurter Ztg. 1903 Mai 21; Berliner Neueste Nach- richten 1903 Juni 7; Ztschr. f. historische Wappenkunde 3,57: H. Koctschau; Ztschr. d. Munchener Altertumsvereins 14/15, 36: J. Bauer).

Heigl, Ferdinand, frtther Rechtsanwalt und Magistratsrat in Bamberg, zuletzt in Miinchen lebend, ein Flihrer d. deutschen Volkspartci in Bayern, Schriftsteller auf jurist, u. soziat- polit. Gebiet, auch Popularphilosoph und lyr. Dichter; * Regensburg 13. XII. 1839; f Munchen 9. IX. KL 25, 529 (W). 26,40*; Illustr. Ztg. 121,411; BrtimmerS 2, 118. 498; BZ 13, 156 (Das freie Wort

1903, 594).

Heiliggeist (genannt Geist), Karl v., Opern- sanger: s. Geist, Karl v.

Hein, Wilhelm, Dr. phil., Kustos-Adjunkt am Naturhistor. Hofmuseum in Wien, Privat- dozent f. allgemeine Ethnographic an d, Univcrsitat u. 1. Sekretar d. Anthropolog. Gesellschaft daselbst, Mitherausgeber d. > Intern at ionalen Archivs ftir Ethnographic*, Ethnograph u. Orientalist; * Wien 7. 1. 186 1 ; f daselbst 19. XI. KL 25, 532 (W). 26, 40*; Leopoldina 40, 36; Geograph. Jahrbuch 26, 432 (W. Wolkenhauer, mit L); Geographen-Kalender 2, 191 (mit L); BZ 14, 145 (Deutsche Rundschau f. Geographic und Statistik 1903, 182: Sieger, mit P); Oriental. Bibliographic 17, 15 (Scherman, L).

Heinrich, Clara, Chorsangerin am kgl. Hof- theater zu Dresden; daselbst 25. X. 1863; f Radebeul 28. VIII. Neuer Theater- almanach 15, 155.

Heinrich, Johanna, verw. Sttilzel, geb. von der See, ehemalige Theaterdirektorin;

Memel 5. IX. 1825; f Berlin 8. X. Neuer Thcateralmanach 16, 167.

Heinrich, Lud wig, ehemal. Orchesterraitglied;

* 26. V. 1839; t Berlin im letzten Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Heinzel, Karl, Augenarzt in Triest. Virchows Jahresberichte 38, I, 415 (Pagel, mit L).

Held, Leo, Komponist u. Theaterkapellmeister in Wien; f daselbst 16. V., 36 Jahre alt. Illustr. Ztg. 120, 805; Neuer Theater- almanach 15, 148; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 130 (Lustner, mit L).

Heller, kgl. preufi. Wirklicher Geheimer Finanzrat, vortragender Rat in d. Etats- abteilung d. preufl. Finanzministeriums, Mitglied der Hauptverwaltung der Staats- schulden; f Berlin 3. III., 55 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Hellmann, Marie, Gattin des Bankier H. in Paris, Wagncrsangerin ; f Paris 17. IX., 50 Jahre alt. Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 130.

Helmerding, Anna, Witwe des Berliner Komikers Karl H.; f Berlin 29. V., 72 Jahre alt. Woche 5, 1010.

Hempel, Karl Otto Fricdrich, Dr. phil., Gymnasialdirektor in Grofl-Lichterfelde, klass. Philolog u. Schulmann; * Wittstock (Priegnitz) 16. IX. 1858; f 25. I. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5; Vita in H. Dissertation: Qucustiotus Theocriteae. Kiliat 1881.

Henning, Theodor, Musikdirektor d. Stadt- kapelle in Nordhausen, Dirigent, Violin- virtuos u. Komponist; * Langensalza 11. X. 1837 ; f Nordhausen im Juli. P. Frank, TaschenbUcblein des Musikers 2 9, 102; Monatshefte far Musikgeschichtc 36, 130 (LUstner, mit L).

Henrion, Marie, verehel. Schweitzer, Souf- fleuse: s. Schweitzer, Marie.

Hensel, Julius, Privatgelehrter in Hermsdorf u. Kynast, Naturforscher; * KUstrin 11. VII. 1833; f Hermsdorf 12. VI. KL 24, 562. 26, 40*.

Henze, Max (von Starorypinski), Schau- spieler am Schillertheater in Berlin; *Mos- gau (Westpreuflen) 26. I. 1871 ; •{■ Berlin 25. XI. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Hergenhahn, August (?) von, ehemal. Polizei- prasident von Frankfurt a. M.; f daselbst 8. VII., im 74. Jahre. Woche 5, 1282.

Hermann, Karl August Freih. v., kg), wurttemberg. Kammerherr u. Hofkammer- prasident a. DM Herr auf Schorn (Bezirks- amt Neuburg a. d. D. in Bayern); * Lud- wigsburg 6. X. 1842; f Assuan in Agypten 1. III. Freiherrl. Taschenbuch 1905, 308.

Herr, Arthur, Geheimer Regierungsrat, vor- tragender Rat im preufi. Ministerium d. offentl. Arbeiten; f Berlin 20. VII., 50 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Herr, Georg, Inspizient d. vereinigten Stadt- theater in Kdln; * Wtirzburg 1. XII. 1839; f Koln 12. IX. Neuer Theateralmanach

15> 157. Herrich-Schaffer, Gustav Adolf, Dr. med.% kgl. bayer. Hofrat, prakt. Arzt in Regens- burg, Botaniker; daselbst 24. VIII. 1836 ; f ebenda 21. I. Leopoldina 39, 85; Berichte d. naturwissenschaftl. Vereins zu Regensburg 9,129 (H. Ftirnrohr, mit P); BZ 14, 147 (Denkschrift d. kgl. botan.

51'

Totenliste 1903: Hcnrlich Htffgen.

&

Gescllschaft zu Regensburg 8, XL: Fttrn- rohr). Herrlich, Karl, Geheimer Hofrat, Bureau- vorsteher d. kgl. preufi. Johanniterordens, Scbriftsteller; f Berlin 18. VM 82 Jahre alt.

Illustr. Ztg. 120, 805.

Herzer, August, Buchhandler in Wtirzburg, friiher Inhaber d. B. Schmidschen Buch- handlung in Augsburg; f Wtirzburg 3. II., im 51. Jahre. Borsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 1004. 5626.

Herzmansky, Theodor, k. k. Baurat, Arcbitekt (Arbeiterwohnungswesen) ; f Wien 5. XII., 53 Jahre alt. Woche 5, 2226.

Hess, Adolph Edmund, Dr. fhil., ordentl. Professor d. Mathematik u. Mitdirektor d. mathemat. Seminars an der Universitat Marburg; * Marburg 17. II. 1843; f da- selbst 24. XII. Chronik d. Universitat Marburg 17 (1903/04), 3— 5 (mit W); Poggcndorff 3.624. 41^30. 1710 (W); Leopoldina 39, 134.

Hess, Johann Gottfried, Inspektor der Ab- teilung f. Rechnungswesen u. Statistik beim eidgenossischen Eisenbahndepartement ; * Trachselwald 1845; t Bcrn 14- XI. Illustr. Ztg. 121, 841.

Hess, Sigmund, Teilhaber der Buch- und Antiquariatshandlung j. Hess in Ellwangen; f daselbst 27. II., 78 Jahre alt. Borsen- blatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 1776.

Hessen und bei Rhein, Elisabeth Prinzessin v.: s. Elisabeth.

♦Heuser-Pascha, Alexander v., kaiserl. otto- man. Divisionsgeneral, kgl. preuO. Major a. D.; * Schwedt a. O. 12. VIII. 1839; f Konstantinopel 11. XI. BJ VIII, 207 (Lorenzen).

Heusinger, Rechnungsrat, Vorsteher d. Ver- sendungsabteilung d. Postzeitungsamtes in Berlin; f daselbst 20. IV., im 67. Jahre.

Illustr. Ztg. 120, 659.

Hey, Johann Friedrich Ernst, Musikdirektor in Gotha; f daselbst 11. III., 71 Jahre alt.

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 130 (Llistner, mil L).

Hilleprand von Prandau, Paula Freifrau, geb. Bedttcs v. Tarodfa u. Telekes, Witwe d. Freiherrn Rudolf, Sternkreuzordensdame ; f Wien 6. VII., 54 Jahre alt. Woche 5, 1282; Goth. Gcnealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 897. 1905, 32o.

Hirsch, Marie, verehei. RoBmann, ehemal. Possensoubrette am Mttnchner Volkstheater ; f Leitmeritz 7. III., 45 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 15, 142.

Hirschfeld, Paul v., Oberhofmarschall am Hofe in Mecklenburg-Schwerin ; f Schwerin 6.X. Wroche 5, 1828,

♦Hirschfelder, Salomon, Genremaler in

Mttnchen; * Dettensee b. Horb 16. V. 1832 ;

fMttnchenio.V.— BJ VI 1 1, 95 (H.Holland.) ♦Hochapfel, Helwig Reinhard, Maler;

* Kassel 28. IV. 1823; f daselbst 7. VI.

BJ VIII, 144 (Ph. Losch). Hocke, Luise, ehemal. Schau spiel erin; *Zeitx

14. VII. 1823; f Hamburg 16. VI. Never Theateralmanach 15, 152.

♦Hodenberg, Georg Friedrich Gottlob Hodo Freih. v., kgl. sachs. General der Infanterie z. D.\ * Harburg (Hannover) 11. X. 1838; f Klein-Zschocher b. Leipzig 1. IV. BJ VIII, 211 (Lorenzen); Goth. Gcnealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser

1904, 3*4-

♦Hofelich, Ludwig, Xylograph und Land* schaftsroaler ; * Leipzig 30. X. 1 842 ; t Mttn- chen 12. I. BJ VI II. 96 (H. Holland).

Hofer, Karoline geb. Edle v., Enkelin Andreas Hofers: s. Sey fried, Karoline Edle v.

Hoeffel, Pfarrer im ElsaO. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 725 (Kaiser, L: Evangel.-luth. Friedensbote aus Elsafi- Lothringen 33, 447).

Hoffmann, Karl A 1 f r e d , Dr. med., Kantonal- arzt zu Wasselnheim im ElsaB. Ztschr, f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 725 (Kaiser, L: Archiv f. offend. Gesundheits- pflege in ElsaB-Lothringen 22, 258: Martin).

Hoffmann, Ferdinand, ehemal. Theater- direktor; f Wilhelmsburg 14. VI., 71 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 15, 152.

Hoffmann, Hans, MusikkrirJker, Referent d. Banner Ztg.; f Barmen 12. IV., im 58. Jahre. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Lttstner, mit L).

'Hoffmann, Karl Ritter v., Dr. phil. honoris causa, kgl. bayer. General d. Infanterie z. D., Chef d. Generalstabs d. bayer. Armee u. Inspekteur d. Militarbildungsanstalten ; ♦Regensburg 2. XII. 1832; f Mttnchen 3. II. BJ VIII, 142 (Lorenzen).

Hoffmann, Ludwig Gottfried Hermann, Schauspieler (Bonvivants, Helden) u. dram. Dichter, Direktor d. Stadttheaters in Nord- hausen; * daselbst 3. VII. 1865; t ebenda 18. 1. Flttggen, Biograph. BUhncnlexikon 1, 147 (mit W); Neuer Theateralmanach

15, 138; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Lttstner, mit L).

♦Hoffmann, Otto, Dr. phil.f Gymnasial- professor in Berlin, Schulmann u. Literar- historiker, insbes. Herderforscher ; Berlin 9. X. 1839; f Steglitz b. Berlin 21. V. BJ VIII, 227 (P. Goldschmidt); KL 25,589 (W). 26, 40*.

H5fgen, Christoph {alias Tillmann), Schau- spieler: s. Tillmann, Christoph.

53'

Totenliste 1903: Hofmann Huot.

54'

Hofmann, Franz Hermann Theodor, Zi- garrenfabrikant in Chemnitz, Politiker, Mitglied des Deutschen Reichstags (Sozial- demokrat); * Sttftteritz b. Leipzig 26. II. 1852; f Chemnitz 4. XI. Ulustr. Ztg. 121, 710; KUrschners Deutschcr Reichstag 1898—1903, 306 (mit P).

Hofmann von Donnersberg, k. k. Feld- marschalleutnant; f Kreras 17. IX., im 56. Jahre. Woche 5, 1738.

Hohenlohe-Langenburg, Leopoldine FUrstin zu, geb. Prinzessin von Baden: s. Leo- poldine.

*Holstein, August Georg Ulrich Emil v., kgl. preufi. Generalleutnant z. D,; * Wis- mar 31. V. 1847; f Ostorf b. Schwerin 19. VIII. BJ VIII, 209 (Lorenzen); Illustr. Ztg. i2i, 335; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1904,

375- Holtzstamm, Auguste Sabine, geb. Schulz (oder Scholz?), ehemal. Opernsangerin; Berlin 9. V. 1826; f Neustrelitz 24. V. Monatshefte f. Musikgeschichte 36,131 (LUstner, mit L) ; Flttggen, Biograph. Blihnen- lexikon 1, 150; Neuer Theateralmanach

*Holzammer, Johann Baptist, Dr. thtol. honoris causa, Professor, Domkapitular u. Regens d. Priesterserainars in Mainz, theolog. Schriftstellcr; * Mainz 1. V. 1828; f da- selbst 24. IX. BJ VIII, 222 (F. Lauchert) ; KL 25, 598 (W); Keiter-Jttrg, Kathol. Literaturkalender 6, 128 (W).

Holzmann, Adolph, Lehrer am Konser- vatorium d. Musik in Genf, Cellist; f Genf 22. I., 50 Jahre alt. Monatshefte fUr Musikgeschichte 36, 131 (LUstner, mit L).

Homeyer, Alexander v., kgl. preufi. Major

a. D., Ornitholog u. Lepidopterolog, Mit- glied d. internationalen permanenten orni- tholog. Komitees; * Vorland b. Grimmen (Neuvorpommern) 19. I. 1834; f Greifswald 14. VII. Ulustr. Ztg. 121, 139; Allge- meine Ztg. 1903 Beil. 159; Geograph. Jahrbuch 26, 433 (VV. Wolkenhauer, mit L) ; BZ 13, 162. 14, 150 (Ornitholog. Monats- berichte 11, 144; Ornitholog. Monatsschrift 28, 404 u. Ztschr. f. Ornithologie 1904, 1 : R. Blasius; Aquila 10, 305: O. Hermann).

H5ne, Samuel, kgl. preufi. Kammerrnusiker a.D., Fagottist; * Birnbaum 1 869 ; f Schlachtensee

b. Berlin 1. IV. Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 131 (Liistner, mit L).

Horn, Wilhelm, ehemal. Chorsanger; * Stutt- gart 13. VI. 1833; f Esslingen 19. XII. Neuer Theateralmanach 16, 175.

Horner, Johann, Mitbegriinder u. langjahr. Zentralvorsteher d. Mozartcums in Salzburg; f daselbst 18. I. Monatshefte f. Musik-

geschichte 36, 131 (LUstner, mitL); Illustr. Ztg. 120, 166.

♦Horten, Anton Hubert, Reichsgerichsrat in Leipzig; * Kempen am Rhein 5. III. 1838; f Leipzig 23. X. BJ VIII, 267 (A. Teich- mann).

Horwitz, Willibald, ehemal. Sanger (Bari- tonist) an d. Hofoper in Wien ; * Teplitz 24. XI. 1843; f Inzersdorf 9. XI. Neuer Theateralmanach 16, 170; Monatshefte ftir Musikgeschichte 36, 131 (LUstner, mit L) ; Eisenberg, Grofies biograph. Lexikon d. Deutschen BUhne 454.

H30, Max Ritter v., kgl. bayer. GeheimerRat, Vorstand der kgl. Rechnungskammer und Regie rungsdirektor a. D.; * 24. I. 1822; f MUnchen 12. IV. Augsburger Abend- ztg. 1903 Nr. 104.

Hoyos-Sprinzenstein, Ernst Karl Graf, Fideikommiflherr, erbl, Mitglied u. Vize- prasident d. Herrenhauses d. osterreich. Reichsrats, k. u. k. Kammerer u. Wirklicher Geheimer Rat, Vizeprasident d. tfsterreich. Gesellschaft vom Roten Kreuz; * Wien 18. VI. 1830; f Stixenstein 21. VIII. Illustr. Ztg. 121, 301; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 371.

Hiibbenet, Adolph v., Opernsangcr (Tenorist) ; f Koblenz 7. II., 44 Jahre alt. Flttggen, Biograph. Buhnenlexikon 1, 152; Neuer Theateralmanach 15, 140; Monatshefte fUr Musikgeschichte 36, 131 (LUstner, mit L).

Huber, Anton, Musiker u. Musikschriftsteller, Inhaber einer Musiklehranstalt in Wien; * daselbst 9. XII. 1845; f ebenda 14. IV. KL 25, 604 (W). 26, 40*; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (LUstner, mit L) ; Rheinhardt, Biographien d. Wiener Ktinstler u. Schriftstellcr 1, 553,

Hubert, Konrad. Ztschr. f. d. Gcschichte d. Oberrheins 58, 725 (Kaiser, L; Evangel.- protest. Kirchenblatt fUr Elsafi-Lothringen 32, 350: A. Ernst); BZ 13, 163 (Monats- schrift fttr Gottesdienst und kirchl. Kunst »9<>3» 232. 261. 301. 358: F. Spitta).

Hiicking, Werner, Geheimer Oberjustizrat, bis 1902 Landgerichtsprasident in Koblenz; f 30. V. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

*Huhn, Georg Adalbert, papstl. Hauspralat, Geistlicher Rat, Stadtpfarrer v. hi. Geist in MUnchen, frtther auch Mitglied d. bayer. Landtags, Kanzelredner u. theolog. Schrift- steller; * Orb (Unterfranken) 19. IV. 1839; f Aussee (Steiermark) 11. VIII. BJ VIII, 195 (F. Lauchert); Woche 5, 1514 (P); Keiter-Jdrg, Kathol. Literaturkalender 6, 132 (mit W).

Huot, Paul, Dr., Direktor d. Viktoriaschule in Berlin; f 13. III., 65 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

55*

Totenliste 1903: Huyflen Julius Prinz zu Schleswig usw.

56*

Huyflen, August, Dr. phil., kgl. preufi. Wirklicher Geh. Rat, Oberberghauptmann a. D., Ministerialdirektor im preuB. Mini- sterium d. tfffentl. Arbeiten a. D. ; f Bonn 2. XII., 79 Jahre alt. Illustr. Ztg. 121, 913; BZ 13, 164. 14, 151 (GlUckauf 1903 Nr. 50; Ztschr. d. deutschen geolog. Gesell- schaft 55 Monatsbcrichte I: Branco).

Jacob, Eugen, Dr. mcd., kgl. bayer. Hofrat, prakt. u. Spitalarzt in Kaiserslautern ; * da- selbst 13. VIII. 1847; febenda 16. XI. Virchows Jahresberichte 38, I, 416 (Pagel, mit L); BZ 13, 165 (Mtinchner Medizin. Wochenschrift 1903, 2264: Demuth; Ver- einsblatt d. pfalz. Arzte 1903, 282).

Jacobi, Karl, kgl. preufl. Generalmajor z. D., zuletzt bis 1901 Inspekteur d. Train-Depot- Inspcktion: f 19. II., 63 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Jacobi, Karl Rudolf v., Dr., Wirkl. Geheimcr Rat, 1886— 1888 Staatssekretar d. Reichs- schatzarats, Mitglied des Kolonialrats u. d. Beirats f. Aus wanderer wesen, vorher Presi- dent der Zentralbodenkreditgesellschaft ; # 8. IX. 1828; f Zinnowitz 24. VII. Voss.Ztg. 1 903 Nr. 608 ; Illustr. Ztg. 121,245.

Jager, Albert, Vorsitzender d. Handelskammer in Nordhausen, 1874— 1877 u. 1878 1881 Mitglied des Deutschen Reichstags (national- liberal) f. Nordhausen; * Hanau 5. 1. 1834; f Nordhausen 6. X/— Illustr. Ztg. 151,571; Schoenfeld, Notizbuch f. Reichstags wahler

♦Jakob, Georg, Dr. thtol., bischofl. geist- licherRat, Domdekan in Regensburg, Lehrer an d. Kirchenmusikschule daselbst, Kunst- und Kirchenhistoriker : * Straubing 16. I. 1825; f Regensburg 12. VII. BJ VIII, 192 (Lauchert); Keiter-Jorg, Kathol. Lite- raturkalender 6, 136 (W); Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Liistner, mit L).

J&necke, Georg, Geheimer Kommerzienrat, Seniorchef d. Hofbuchdruckerei Gebriidcr Janecke und der Farbenfabrik janecke & Schneemann in Hannover, Verleger des »Hannoverschen Courier*; * Hannover 10. IX. 1827; f daselbst 20. XII. Illustr. Ztg. 121, 1014; Bttrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 10648 (nach »HannoY. Courier*).

Janicke, Karl, Dr., Zweiter Bttrgermeister d. Stadt Breslau, dram. Dichter u. Roman- schriftsteller; * Kopojno in Ruflland 13. XT. 1849; f Breslau 10. X. KL 24, 640 (W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 235; Nord u. Sttd 108, 101 (O. Wilda); Woche 5, 148 (P); Brlimmer5 2, 225 (mit W).

Janicke, Karl, ehemal. Opernsanger; * 31. V. 1834; t Berlin 9- IV- Neucr Theater- almanach 16, 166.

Janosi, Adolf Engel Edler v.: s. En geh Jastrow, Markus M., Dr., Talmudist; f Ger-

mantown b. Philadelphia 10. (oder 14?) X.,

74 Jahre alt. Illustr. Ztg. 121, 648;

Thcolog. Jahresbericht 23, 11 96 (Nestle). Jaworski, Ritter v., k. u. k. Oberst, Kom-

mandant d. Militarheilanstalt in Karlsbad;

f 26. II. Illustr. Ztg. 120, 383. I bach, Richard Paul, Inhaber der Firma

Richard I bach, Orgelbauanstalt u. Piano-

fortehandlung in Barmen; f daselbst 1 1. IV.

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Ltistncr, mit L); Riemann6 598.

Ihssen, Henriette, ehemal. Scbauspielerin ; * Straflburg 23. I. 1827; f Dessau 2. IX.

Neuer Thcateralmanach 15, 155. Illing, Vilma, Scbauspielerin am Stadttheater

in Breslau; * Villach 25. VI. 1871 ; f Breslau 21. I. Neuer Thcateralmanach 15, 138; Eisenberg, Grofies biograph. Lexikon d. Deutschen Btthne 464; BZ 12, 172 (Btthne u. Welt 5, 41 1 : E. Freund, mit P); Woche 5. 190 (P).

Ingenheim, Julius Ferdinand Maria Lauren- tius Graf v., Enkel Friedrich Wilhelms II., Konigs v. Preufien, kgl. preufi. Oberleutnant a. D., Ehrenritter d. souveranen Malteser- ordens; * 10. VIII. 1827; f Wiesbaden 28. III. Woche 5, 648; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 381.

Johannes, Alexander, kgl. preufi. General- leutnant z. D., zuletzt bis 1891 Kommandeur d. 24. Infanteriebrigade; f Berlin 27. XII., 69 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3; Illustr. Ztg. 122, 23.

Johnson, Eduard, Dr., Professor, fiiiher Chcfrcdakteur d. »Vogtland. Anzeigers*; f Plauen (Vogtl.) 7. IX., 63 Jahre alt. Illustr. Ztg. 121, 411.

Jordan, Wilhelm, Wirkl. Geheimer Rat, bis i897deutscherGeneralkonsu! in London, vorher Direktor im Auswartigen Amt in Berlin ; f Baden-Baden Ende Januar, 75 Jahre alt. Woche 5, 236; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Ipscher, Georg, Dr. mcd., Sanitatsrat, Arzt in Wusterhausen; * Berlin 26. XL 1833; I 8. 1. Virchows Jahresberichte 38, 1,416 (Pagel, mit L).

Irmengard, Marie Therese Jose Cacilie Adel- heid Miguela Antonie Adelgunde, Prinzessin v. Bayern, Tochter d. Prinzen Rupprecht; ♦Bad Kreuth 21. IX. 1902; f Tegernsec 21. IV. Goth. Hofkalender 1904, 7.

Juda, Albin, Generalmajor, k. k. Befestigungs- baudirektor v. Tirol, Lehrer d. Fortifikation ; f Innsbruck 7. VI., 55 Jahre alt. Illustr. Ztg. 120, 972.

Julius Prinz zu Schleswig-Holstein- Sonderburg-GlUcksburg, kgl. dan.

57'

Totenliste 1903: Jungclaus Kaufmann.

58*

Generalmajor a la suite d. Armee, Bruder des Ktfnigs Christian IX. von Danemark;

Gottorp 14. X. 1824; f Itzeboe 1. VI. Illustr. Ztg. 120, 858; Woche 5, ioio (P); Goth. Genealog. Hofkalender 1901, 34.

Jungclaus, kgl. preufl. Navigationsschul- direktor f. d. Provinz Hannover u. Leiter der Navigationsschule in Geesteratinde ; f daselbst 8. IX., 66 Jahre alt. Illustr. Ztg. 121, 411.

Jungermann, Friedrich Albert, Bildhauer in Berlin; f daselbst 4. VII., 75 Jahre alt. Woche 5, 1236; Jahrbuch der bildenden Kunst 3, 10 1.

Jiingling, Friedrich, Opernsanger; * Klinger 21. II. 1846; f Gottingen 14. XL Neuer Theateralmanach 16, 171.

Jungmann, A., Organist an St. Martin in Kassel ; f daselbst im Mai. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Lilstner, mit L).

Jungk, O., Professor, Leiter d. herzogl. Taub- stummenanstalt inKoburg; f Berlin 10. X., 87 Jahre alt, Illustr. Ztg. 121, 607.

•Juxgens, Rudolf, Dr. nted., Professor, Privat- dozent in d. medizin. Fakultat u. Kustos am Patholog. Institut d. Universitat Berlin ;

* Tengshausen b. Jeverland (Oldenburg) 19. I. 1843; f Hollander b. Berlin-Hoppe- garten 1 1. VI. BJ VIII, 81 (Pagel) ; Leo- poldina 39, 103; Chronik d. Universitat Berlin 17 (1903), 8.

Kage, Karl, Chorsanger am Hoftheater zu Berlin; Wolgast etwa 1847; f Berlin 4. XII. Neuer Theateralmanach 16, 173.

*Kahlden, Clemens v., Dr. mtd., aufier- ordentl. Professor d. patholog. Anatomie an der Universitat Freiburg f. B. ; * Coblenz 29. V. 1859; f Freiburg i. B. 23. (nicht 13.) III. BJ VIII, 83 (Pagel); Leopoldina 39, 86; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 68; BZ 12, 178 (Beitrage z. patholog. Anatomie 33, Heft 3: E. Ziegler; Zentralblatt f. all- gemeine Pathologie u. patholog. Anatomie 1903, 209).

Kalckstein, Walter v., kgl. preufl. General- major z. D.y zuletzt bis 1895 Kommandeur d. Truppenttbungsplatzes Loburg; f Kttnigs- berg i. Pr. 4. XII., im 63. Jahre. Woche 5, 2226; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Handler, Daniel, Instrumentenmacher, ehemal. Trompeter beim Theater in d. Josephstadt in Wien; f Wien 25. VI., 81 Jahre alt. Monatshefte fur Musikgeschichte 36, 131 (Ltistner, mit L).

Kanzki, Albert, kgl. preufl. Geheimer Hofrat u. Hofstaatssekretar a. D„ frUher Militar- instruktor in Agypten, Leiter der Reisen Kaiser Wilhelms I. von Deutschland ; * 1823 ; f Berlin 22. VI. Illustr. Ztg. 121, 25.

Karcher, Emil, Domkustos. Ztschr. f. d.

Geschichte d. Oberrheins 58, 543 (Frank- hauser, L: Freiburger Bote 1903 Nr. 231; Bad. Beobachter 1903 Nr. 233).

Kaerger, Karl, Dr., Privatdozent an d. Land- wirtschaftl. Hochschule in Berlin, land- wirtschaftl. Sachverstandiger im Dienste d. Auswartigen Amtes d. Deutschen Reiches, Fachschriftsteller; * Breslau 2. X. 1858; f Schoneberg bei Berlin (oder Breslau?) 30. X. Geograph. Jahrbuch 26, 434 (Wolkenhauer, mit W u. L); Illustr. Ztg. 1 2 1 , 523 ; BZ 1 3, 1 74 (Deutsche Kolonialztg. 1903 Nr. 42: M. Sering).

Karichs, Therese, ehemal. Schauspielerin u. Theaterdirektorin; f Hain b. Zittau 24. XL, 77 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Karolus, Julius, k. u. k. Hofmusikalienhandler in Wien; f daselbst 21. IX., 69 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 131 (Ltistner mit L) ; BOrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 7428. 8175.

•Karrer, Felix, k. ungar. Rat, General sekretar d. Wissenschaftl. Clubs in Wien, Volontar am k. k. Naturhistor. Hofmuseums daselbst, Geolog; * Venedig 11. III. 1825; f Wien 19. IV. BJ VIII, 261 (Th. Fuchs); Geo- graphen-Kalender 2, 192 (mit L); Leo- poldina 39, 86.

Kaschka, Johann Baptist, ehemal. Schau- spieler in Wien, Zeitgenosse v. Raimund u. Nestroy ; f Wien im Dezember, 82 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 16, 176.

♦Kast, Alfred, Dr. nud.f k. preufl. Geheimer Medizinalrat, ordentl. Professor f. innere Medizin u. Direktor der medizin. Klinik an d. Universitat Breslau; * Illenau bei Achern (Baden) 25. VII. 1856; f Nizza 6. 1, (nicht 7. I.). BJ VIII, 102 (Pagel); Chronik d. Universitat Breslau 17 (1902/3), 154 (W. Filehne); Woche 5, 98 (mit P); BZ 12, 182 (Mtinchner Medizin. Wochen- schrift 1903, 383: Weigel).

Katscher, Berta (Pseudon.: Ludwig Ungar, Albert Kellner, Ludwig Koelle, Lud- milla Koelle), Gemahlin d. Schriftstellers Leopold Katscher, Romanschriftstellerin ; * Trenczin (Oberungarn) 12. IV. i860; t Budapest 17. IX. KL 25, 683 (mit W). 26, 40*; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 1, 412 (mit W); BrummerS 2, 262. 544 (mit W).

Katzer, Friedrich Xavcr, deutscher Erz- bischof V.Milwaukee, auch dramat. Dichter; ♦Ebensee (Oberosterreich) 7. II. 1844; f Milwaukee 21. VII. Woche 5, 1328; BrUmmerS 2, 263. 544 (mit W); Keiter- Jorg, Kathol. Literaturkalender 6, 144.

Kaufmann, Alfred, Dr. phil., Erforscher d. Ostracoden fauna d. Schweiz; * St. Gallen

59"

Totenliste 1903: Kaulbach Kirchner.

6o»

1857; f Basel im Marz. Leopoldina 39, 103; BZ 14, 164 (Verhandlungen d. schweizerischen naturforsch. Gesellschaft, Versammlung 85, XXXI: F. Kaufmann, J. Dierauer).

* Kaulbach, Friedrich, Professor an d. Techn. Hochschule in Hannover, Mitglied der Akademie der Ktinste in Berlin, Portrat- maler; * Arolsen 8. VII. 1822; f Hannover 5. IX, BJ VIII, 86 (H. Schmerber); Woche 5, 1649 (P); BZ 13, 176 (Hannover. Courier 1903 Sept. 9: A. Haupt).

Keilmann, Philipp, Dr. med., kaiserl. russ. Staatsrat, Arzt in Riga; f daselbst 18. IV., 74 Jahre alt Virchows Jahresberichte 38, I, 416 (Pagel, mit L).

Keller, Eduard Graf v., kaiserl. russ. Kammer- berr, Geheimer Rat u. Senator; 23. 1. 1819; f Wiesbaden 25. IX. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 400; Woche 5, 1784.

Keller, Johann Jakob, schweizer. Altnational- rat, Schtfpfer d. Ztlrcher Kantonalbank; f zu Gibswil Mitte des Jahres. Woche 5, 1 190; BZ 13, 177 (Neue ZUrcher Ztg. 1903 Juli 7).

Keller, Philipp, Dr. phil.9 ordentl. Honorar- professor der Physik an der Pharmaceut. Schule in Rom; Nttrnberg 27. I. 1830; t Rom 21. V. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 116; Poggendorff 4, 737 (W); BZ *3» J77 (Frankischer Courier 1903 Unter- haltungsbeil. Nr. 65: S. Gtinther); Leo- poldina 39, 103; Geographer* -Kalen der 2, 192 (mit L).

Kellner, Albert (Pseudon.), Schriftsteller; s. Katscher, Berta.

Kerkhoff, Fritz van den, Musikdirektor in Eisenach; f daselbst 22. XII. Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Lttstner, mit L).

Kern, Leopold, Dr., Mitglied d. Abgeord- netenhauses d. tfsterr. Reichsrats; f Linz- Aigen 8. IX. Woche 5, 1690.

Kefiler, Heinrich, Spielleiter u. Schauspieler ; * Weimar 4. V. 1839; f Freyburg a. d. Unstrut 4. II. Neuer Theateralmanach

*5> HO. Keudell, Felix Max Leopold Robert v., Herr auf Bonslack (Kreis Wehlau) u. Hohen- LUbbichow (Kreis Kttnigsberg, Neumark), k. preufi. Wirkl. Geheimer Rat, vormals kaiserl. deutscher Botschafter am italien. Hofe, frtther Mitglied d. Deutschen Reichs- tags u. preufi. Abgeordnetenhauses (Reichs- partei); Kttnigsbcrg i. Pr. 28. II. 1824; f Hohen-LUbbichow 26. IV. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 5, 444; Woche 5, 785 (P); Schonfeld, Notizbuch f. Reichstagswahler 5, 55. 75; BZ 12, 184

(Burschenschaftl. Blatter 1903, 101: A. Langguth; Der Tag 1903 Mai 29: Becher; Pester Lloyd 1903 Mai 19: A. Kohut; Neue Freie Presse 1903 Mai 2). Kewitsch, Theodor, k. preufi. Seminarober- lehrer a. D., Komponist u. Musikschrift- steller, Redakteur d. »Deutschen Militar- Musiker-Ztg.« ; * Posilge (Kreis Stuhm, Westpreufien) 3. II. 1834; t Bcrlin ,8- VI1-

Riemann6 652; KL 25, 703; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Lttstner, mit L); BJ 13, 178 (Kathol. Schulztg. f. Norddeutschland 1903 Nr. 33); D. geistige Berlin 1, 239 (Autobiographic).

Keyserlingk, Hugo Otto Julius, Herr auf Poniewez (russ. Gouvernement Kowno), kaiserl. russ. Kammerherr, Hofmeister u. Wirkl. Staatsrat, Landesbevollmachtigter v. Kurland; * 20. IX. 1833; f Mitau 28. III. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1904, 406.

Kiehaupt, Heinrich, erster Kapellmeister d. Stadttheaters zu Danzig; f daselbst 21. IV., 63 Jahre alt. Neuer Theateralmanach

15, 152; Monatshefte ftir Musikgeschichte 36, 132 (Lttstner, mit L).

Kiel, Fritz, Trompeten virtuose in Weimar; f daselbst im Februar, 70 Jahre alt Monatshefte f. Musikgeschichte 13, 132 (Lttstner).

*Kiem, Martin, Benediktiner, Subprior und Bibliothekar in Muri-Gries bei Bozen, Historiker; * Algund (Tirol) 8. II. 1829; f Griesi3. VI. BJ VIII, 191 (F. Lau- chert).

Kiesel, Karl, Dr. phiL, k. preufi. Geheimer Regierungsrat, Gymnasialdirektor a. D., Historiker u. Schulschriftsteller ; * Coblenz 28. X. 1 812; f Dttsseldorf 2. (oder 3.?) IX.

KL 25, 706 (W). 26. 40*; Illustr. Ztg. 121, 710; Keiter-Jttrg, Kathol. Literatur- kalender 6, 151 (W).

Kieweg, Anselm, Benediktiner in Michelbeuren (Salzburg), Reiseschriftsteller; f 26. VIII.

KL 25, 707 (W). 26, 40*; Keiter-Jdrg, Kathol. Literaturkalender 6, 152.

Kilian, Ernst Heinrich, Dr., deutsch-ungar.

Publizist; f Budapest 23. IV., 89 Jahre

alt. Woche 5, 782. Kink, Jacob, Rendant d. vereinigten Theater

in Graz; * daselbst 1. V. 1853; f ebenda

16. VI. Neuer Theateralmanach 15, 152. 'Kirchbach, Hans Adolf v., k.sachs. General- major; * Dresden 26. X. 1834; f daselbst 9. II. BJ VIII, 155 (Lorenzcn).

♦Kirchner, Theodor, Komponist; Neu- kirchen b. Chemnitz 10. XII. 1823; f Ham- burg 18. IX. BJ VIII, 157 (J. Sass); Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Lttstner, mit L).

6i<

Totenlistc 1903: Kiss de Alfula Koffel.

62*

Kiss de Alfula, Joseph, ehemal. Leiter der Kupferstichabteilung d. k. k. Militargeo- graphischen Instituts in Wien; f Dornbach b. Wien 2. VI., 87 Jahre alt Geograph. Jahrbuch 26, 435; BZ 14, 168 (D. litterar. Echo 6, 1549: E. Kovais).

Klammstein, Friedrich Bischoff Edler v.: s. Bischoff.

Klatscher, Alfred, Schauspieler (Komiker) am Theater an der Wien in Wien; * da- selbst 19. VIII. 1858; f ebenda 11. VI. Neuer Theateralmanach 15, 145; Flttggen, Biograph. BUhnenlexikon 1, 198.

Klinckowstrdm, Karl Ludwig Friedrich Graf v., k. preufi. Generalmajor z. D.;

* 4. III. 1848; f Berlin 20. XI. Woche 5, 2136; Illustr. Ztg. 121. 795; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 421. 1905, 432.

♦Klingelhttfer, Fritz, Maler; * Marburg i. H. 4. V. 1832; f daselbst 9. XI. BJ VIII, 145 (Ph. Losch).

♦Klingelhoffer, Otto, k. preufi. Regierungs- rat, Publizist; * Dorhein b. Nauheim (Wetterau) 1 1. 1. 1812 ; f Darmstadt 1. 1. BJ VIII, 215 (Ph. Losch).

Klingen, Carola, ehemal. Schauspielerin, Gattin d. Schauspielers Hubert Diet zsch in Freiburg i. B.; f daselbst 29. 1., 24 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 15, 139.

Klobuschitzky, Johann Nepomuk, Schau- spieler u. Sanger; f Baden b. Wien 7. IV.

Neuer Theateralmanach 15, 145. Klockmann, Ernst, k. preufi. Generalmajor

z. D., zuletzt bis 1900 Kommandeur der 10. Infanteriebrigade; f 25. V., 57 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3. Kldpfer, Christian, Chorsanger in Stuttgart;

Denkendorf 22. V. 1842; f Stuttgart 15. XI. Neuer Theateralmanach 16, 171.

•Klopp, Onno, Dr. phiL, k. hannoverscher Hofrat, Historiker und Publizist; * Leer (Ostfriesland) 9. X. 1822; f Wien 9. VIII.

BJ VIII, 117 (W. Klopp); BZ 13, 181 (K5ln.Volksztg. 1903 August 11 ; Germania 1903 August ix).

Klothilde Maria Philomena Raineria Amalia Erzherzogin v. Osterreich, Tochter d. Erz- herzogs Josef; * Fiume 9. V. 1884; f Alc- suth (Ungarn) 14. XII. Goth. Hof- kalender 1905, 57; Illustr. Ztg. 121, 956.

Kluge, Johann, Grofiindustrieller in Prag, Hauptbefttrderer der protestant. Bewegung in BiShmen; f 4. VIII., 70 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Klutschak, Robert, Professor, Naturhistoriker, Kenner d. btthm. Mittelgebirges ; f Leit- meritz 31. VI. (oder VII.?). Geographen- Kalender 2, 193; Leopoldina 39, 129.

Kmentt, Beatrix, geborene Kratochwill

(Theatername : T h a 1 b o r n), Schauspielerin ; f Maiernig 27. VII. Neuer Theater- almanach 15, 153.

Knobelsdorflf- Brenkenhoflf, August Aurel Gustav Louis Kunibert Franz v., k. preufi. Major, aggregiert d. bad. Infanterieregiment Nr. 1 13 zu Freiburg i. B., Gemahl d. Schrift- stellerin Nataly v. Eschstruth; * Nakel 1. IX. 1857; f Freiburg i. B. 27. VI. Illustr. Ztg. 121, 67; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1905, 374.

Kndrcke, Gustav, emeritierter protest. Pre- diger, Standesbeamter in Berlin, frilher Mitglied d. Deutschen Reichstags u. preufi. Abgeordnetenhauses (deutschfreisinnig), Autoritat auf d. Gebiete d. Volksschul- wesens ; * Hohen-Lttbbichow (Kreis Kttnigs- berg, Neumark) 28. VII. 1836; f Zehlen- dorf b. Berlin 31. III. Illustr. Ztg. 120, 536; Woche 5, 602 (P); Ktirschners Preufi. Abgeordnetenhaus 1894, 61 (mit P); BZ 12, 189 (P&dagog. Ztg. 1903 Nr. 15).

♦Knothe, Hermann Friedrich, Dr. phil., k. sacbs. Geheimer Hofrat, Professor a. D., Historiker; * Hirschfelde b. Zittau 9. X. 1821; f Dresden 8. II. BJ VIII, 288 (A. Reichardt); BZ 12, 189. 13, 182 (Korre- spondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Altertumsvereine 1903, 93 und Deutsche Geschichtsblatter 4, 150: W. Lippert; Neues Lausitz. Magazin 79, 161: R, Jecht, mit P); KL 25, 733 (W).

Kniipffer, Wilhelm, Dr. mtd.9 Gyn&kolog in Reval; * in Esthland; f Reval 3. X. 40 Jahre alt. Virchows Jahresberichte 38, I, 417 (Pagel, mit L); W. Knupffer, Ob. d. Ursache d. Geburtseintrittes. Diss. Dorpat 1892.

Kobel, Albert, Schauspieler; f Berlin 22. VIII., 47 Jahre alt. Neuer Theateralmanach

15, 154.

Kobler, Franz, Balletmeister a. D. ; f Buda- pest 20. IX., im 78 Jahre. Neuer Theateralmanach 15, 157.

*K5bner, Siegfried Ernst, Publizist, Chef- redakteur d. »Nationalztg.c in Berlin; Breslau 15. VI. 1844; f Berlin 6- IV- BJ VIII, 241 (W. K5bner); BZ 12, 189 (Echo 1903 Nr, 16).

Koch, Philipp, k. preufi. Regierungsprasident a. D», zuletzt Vizeprasident in Schleswig; f 17. VIIL, 89 Jahre alt Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Kochhann, Heinrich, Stadtaltester v. Berlin, 1884 91 daselbst Stadtrat; f ebenda 31. III., 72 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 1.

Koffel, Ludwig, k. k. Staatsrealschulprofessor, Lektor f. franz. Sprache an der Deutschen Techn. Hochschule in Prag; f daselbst 22. 1.,

63*

Totenliste 1903: Ktthler Kraufier.

64*

im 63. Jahre. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 21. Kdhler, Johann August Ernst, Dr. phil.% Seminaroberlehrer a. D., Schriftsteller auf dem Gebicte d. Volkskunde u. Naturwissen- schaften, Begrtinder d. Erzgebirgsvereins ;

* Bautzen 5. VII. 1829; f Schneeberg- Neustadtel (Ktfnigr. Sachsen) 19. XII. Illustr. Ztg. i2i, 1014; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 291 ; BZ 13, 183. 14, i7o(Chem- nitzer Tageblatt 1903 Dezember 22; Unsere Heiroat. Monatsschrift f. Erzgebirge u. Um- gebung 3, 105); KL 42, 738 (W).

♦Kdhler, Heinrich, k. preuB. Geheiraer Re- gierungsrat, Professor f. Architektur (Antike u. Renaissance) an d. Techn. Hochschule in Hannover, Arcbitekt ; * Kassel 1 2. 1. 1 830 ; f Hannover 20. II. BJ VIII, 226 (A.Birk) ; BZ 12, 190 (Ztscbr. f. Architektur- und Ingenieurwesen 1903, 185).

♦Kohler, Ulrich Leopold, Dr. phil., Pro- fessor d. alten Gescbichte an d. Universitat Berlin ; *Klein-Neuhausen(Sachsen- Weimar) 5. XI. 1838; f Berlin 21. X. BJ VIII, 315 (R. Weil); BZ 14, 170 (Ztschr. f. Numismatik 24, 377: (R.Weil).

Koelle, Ludmilla, auch Ludwig (Pseudon.), Schriftstellerin: s. Katscber, Berta.

*K511ing, Wilhelm, Dr. tluol., Superintendent zu Plefl (Oberschlesien), Kirchenbistoriker, Dogmatiker u. Homilet; * Pitschen (Ober- schlesien) 11. IX. 1836; f Plefl 21. II. BJ VIII, 135 (Kohlschmidt); Theolog. Jahresbericht 23, n 96 (Nestle).

Kollmann, kgl. wtirttemberg. Oberkirch en- rat, altester kathol. Dekan WUrttembergs ;

Walchesreute b. Tettnang 16. II. 1820; f Unterkochen 23, 1196 (Nestle).

•Kopf, Josef von, Bildhauer; Unlingen (Wtirttemberg) 10. III. 1827; f Rom 2. II. BJ VIII, 87 (H. Schmerber); Illustr, Ztg. 12, 263 (R. Schbner, mit P); BZ 12, 192 (Neue frcie Presse 1903 April 25 : S. Mtinz; Hamburger Nachrichten 1903 Nr. 61; Munchner Allgemeine Ztg. 1903 Febr. 6; Berliner Tageblatt 1903 Nr. 83 u. 135: H. Barth; Neues Tagblatt [Stuttgart] 1903 Nr. 27; Norddeutsche Allgemeine Ztg. 1903 Febr. 5 Beil.).

K8pp, Gustav Adolf, Dr. phil.t Hofrat, Di- rektor d. Realgymnasiums in Eisenach, Mathematiker, Vorkampfer d. Realschul- bildung; * Braunschweig 7. II. 18 19; f Eisenach 15.x. Illustr. Ztg. 121, 648; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 237; Poggen- dorflf 1, 1296.

*K5ppen, Theodor, Historienmaler ; * Brake

a. d. Weser 27. VII. 1828; f Nymphenburg

b. MUnchen 3. III. BJ VIII, 97 (H. Holland),

Korff, Emanuel Karl Heinrich Freiherr v., k. preufl. Generalroajor z. D.; * Schoen- bruch 31. V. 1826; f Rtinnebeck 5. II. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 390.

Koser, Heinrich, kaiserl. deutscher General- konsul a. D., Chef d. Zentralauskunftsstelle f. Auswanderungswesen in Berlin, frtther Konsul in Porto Alegre; f Berlin 8. V. Illustr. Ztg. 120, 725; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Kotzebue, Charlotte v.f Witwe d. russ. Hof- malers Alexander v. Kotzebue; f Traun- stein 12. II. Woche 5, 374.

Krafft, Kommerzienrat, President d. Handels- kammer v. L5rrach in Baden ; f 20. X. Woche 5, i960.

Kr&fft, Hermine, Opern- u. Konzertsangerin : s. Cortese, Mimmy.

Kraft, Josef, Schauspieler am Stadttheater in Danzig; f daselbst 24. VII. Neuer Theateralmanach 15, 153.

Kratochwill, Beatrix, Schauspielerin : s. Kmentt, Beatrix.

Kraus, Hans, Dr., Berichterstatter d. >Voss. Ztg.« und anderer Zeitungen in Bukarest, frtther Redakteur d. Wiener »Deut*cben Ztg.c; f 26. I. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

+Krause> Ernst Ludwig (Pseudon. : Car us Sterne), Naturforscher und Folklorist; * Zielenzig 22. XI. 1839; f Eberswalde 24. VIII. BJ VIII, 305 (V. Hantzsch); Woche 5, 1607 (P); KL 25, 767 (W); Leopoldina 39, 129.

Krause, Robert, Portr&t- u. Historienmaler (besonders bibl. Gegenstande) ; f Leipzig 8. XL, 69 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. n.

Kraufi, Gabriele, k. k. Kammersangerin, i860 1867 Mitglied d. Hofoperntheaters in Wien, bis 1887 Primadonna d. Grofien Oper in Paris; * Wien 24. III. 1842; f Paris im September. Eisenberg, Grofies biograph. Lexikon d. Deutschen Buhne 545 ; Neuer Theateralmanach 15, 159; Flttggen, Biograph. Btthnenlexikon 1, 179; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Lttstner, mit L).

Kraufier, Georg, Dr., Obermedizinalrat, vortragender Rat u. Referent f. Fragen d. Pharmazie in der Ministerialabteilung fttr ttffentl. Gesundheitspflege im grofiherzogl. hess. Ministerium d. Inn em, auflerordentL Lehrer d. Pharmakognosie an d. techn. Hochschule in Darmstadt; * Bttdingen 2. II. 1849; f Darmstadt 28. IV. Leo- poldina 39, 86; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 99; Virchows Jahresberichte 78, 1, 41 7 (Pagel, mit L); BZ 12, 194 (Apothekerztg. 1903, 294).

65*

Totenliste 1903: Krauflnick Latour von Thurmburg.

66*

Krauflnick, Hermann, ehemal. TenorbufTo am Stadttheater in Erfurt; f daselbst 30. VIII. Neuer Theateralmanach 15,155; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132 (LUstner, mit L).

Krayatsch, Joseph, Dr. nud., k. k. Regie- rungsrat, Direktor der niederosterreich. Landesirrenheil- u. Pflegeanstalt in Mauer- Ohling b. Amstetten; * Iglau 1849; f Mauer-Ohling 22. III. Illustr. Ztg. 120, 507 ; Virchows Jahresberichte 38, 1, 41 7 (Pagel, mit L); BZ 12, 194 (Psychiatr.- neurolog. Wochenschrift 1903, 569).

Kretzschmar, Klara, geb. Meller, Gattin d.Musikschriftstellers Professor Hermann K., Pianistin; * Bristol 3. II. 1855; f Jena 6. V. Riemann6 712; Monatshefte fur Musikgeschichte 36, 132 (Ltistner, mit L).

Kriegsmann, Kaspar Rudolph, Musiklehrer in Sidney; * Hannover 1830; f Sidney im Mai. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Llistner, mit L).

Kriete, Fritz, Hilferegisseur u. Buhnen-In- spektor am Lessingtheater in Berlin; * Nie- mes 29. XL 1844; f Warmbrunn 2. VII. Neuer Theateralmanach 15, 152.

Kronenberg, Eugen, Opernsanger (Tenorist) am Stadttheater in Elberfeld; * Bonn 1854; f Elberfeld 30. VIII. Neuer Theater- almanach 15, 155; Fltlggen, Biograph. Buhnenlexikon 1, 181; Monatshefte fiir Musikgeschichte 36, 132 (Llistner, mit L).

Krosch, Gustav, Schauspieler; * Reichen- berg (B6hmen) 3. VI. 1868; f Kempen (Posen) 28. X. Neuer Theateralmanach 16, 170.

Krug, Hermann, Hofopernsanger (Helden- tenor) in Mannheim ; * VVindehausen (Reg.- Bez. Merseburg) 11. VIII. 1866 (nach anderen: Bindfelde b. Magdeburg 11. VIII. 1868); f Mannheim 8. III. Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen Bilhne 556; Neuer Theateralmanach 15, 142 ; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Llistner, mit L).

Kuhn, Ernst, Kommerzienrat, Chef d. Ma- schinenfabrik G. Kuhn in Stuttgart-Berg, frtiher Vorstand d. deutschen Ingenieur- vereins; f Winnenden 23. X., 50 Jahre alt. Illustr. Ztg. 121, 648; BZ 13, 1725 (Ztschr. d. Vereins deutscher Ingenieure

1903, 1725). Kunert, Herraine, geb. Liebhardt, Opern-

sangerin; * Przemysl 28. X. 1868; f Wien

7. II. Neuer Theateralmanach 15. 140;

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132

(Llistner, mit L). Kunzel, Friedrich, Hofopernsanger (Tenorist

a. D. in Darmstadt; * Selbitz (Oberfranken)

13. V. 1825; f Darmstadt 19. VII. Neuer

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher NekroTog. 8. Bd.

Theateralmanach 15, 153; Monatshefte f.

Musikgeschichte 36, 132 (Ltistner mit L),

Woche 5, 1328. Kupelwieser, Franz, k. k. Hofrat, frtiher

Professor an d. Bergakademie in Leoben;

f Pbrtschach 5. VIII. Woche 5, 1464. Kurz, August, frtiher Regisseur u. Theater-

direktor; * Oschatz 4. III. 1828, f MUnchen

20. XII. Neuer Theateralmanach 16,

175; FlUggen, Biograph. Buhnenlexikon 1,

185.

Labhart-Hildebrandt, Jakob H., Altstaats- archivar in Zurich; * 1823; f Zurich 13. 1. Allgemeine Ztg. 1903, Beil. 15; BZ 12, 199. 13, 193 (Schweizer. Ztschr. f. Gemcin- ntitzigkeit 1903, 81 ; Neue ZUrcher Ztg. 1903 August 21).

Labitzky, August, Komponist, Dirigent d. Kurkapelle in Karlsbad; * Petschau 22. X. 1832; f Reichenhall 29. VIII. Riemann6 727; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132 (Ltistner mit L); 111. Ztg. 121, 335.

*Laib, Friedrich, kathol. Pfarrer a. D., Kunst- historiker ; * Oberndorf a. N. 21. IX. 18 19; f Rottenburg 20. I. BJ VIII, 68 (F. Lauchert).

Lamezan-Salins, Eduard Graf v., k. k. Se- natsprasident u. ersterLandgerichtsprasident a. D. in Wien, Begrunder d. Freiwilligen Rettungsgescllschaft ; * Lemberg 28. VIII. 1835; f Wien 15. III. Illustr. Ztg. 120, 465; Goth. Genealog. Taschcnbuch d. Grafl. Hauser 1905, 470.

Landau, Richard, Dr. med.t Schularzt in NUrnberg, Schriftsteller auf d. Gebiete d. Schulhygiene u. d. Geschichtc d. Medizin, auch lyr. u. dramat. Dichter; * Dresden 4. VII. 1864; f NUrnberg 20. IX. Virchows Jahresberichte 38, 1,417 (Pagel, mit L); KL 25, 802 (W). 26,40*; Leo- poldina 39, 130; BrUmmer5 2, 369. 576; BZ 13, 193 (Ztschr. f.SchuIgesundheitspflege 1903. 712).

Langhoff-SchaefTer, Ottilie, geb. Gott- schalk, ehemal. Schauspielerin u. Theater- direktorin; f Ltibeck 24. V. Neuer Theateralmanach 15, 151.

Lany, Karl Eduard, protestant. Pfarrer in Cernilow, Superintendent d. ostl. Diozese Bohmens; * Ratibor 1838, f 8. II. Theolog. Jahresbericht 23, 1196 (Nestle).

•Larisch, Karl v., k. preufi. General d. Ka- vallerie z. D.; *Ktimmritz (Kreis Luckau) 2. VIII. 1824; f Haus Boeckey b, Glasers- dorf (Kreis LUben, Schlesien) 3. X. BJ VIII, 188 (Lorenzen); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1903, 486.

Latour von Thurmburg, Joseph, k. k. Feld- marschalleutn. u. Geheimrat, Mitglied d. Herrenhauses d. Ssterreich. Reichsrats, einst

67*

Totenliste 1 903 : Laudien Lieben

68*

Erzieher d. Kronprinzen Rudolf; * Wien 2. X. 1820; f daselbst 28. XII. 111. Ztg. 122, 23; S. Hahn, Reichsrats-Almanach 1891/92, 65; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich. 14, 183.

Laudien, Minna, Malerin und Schriftstellerin ; * Gumbinnen 25. II. 1840; f Ende des Jahres. Woche 5, 2272; Mtiller-Singer3 2, 455; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 1, 480 (W). 2, 526.

Laufer, Ernst, ehemal. Direktor d. St. Gallen- schen Heil- und Pflegeanstalt St. Pirmins- berg, Psychiater; * Kloten (Zurich) 28. VI. 1 85 1 ; f 24. III. Virchows Jahresberichte 38, I, 417 (Pagel, mit L); BZ 13, 195 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 1 903, 547; Ztschr. f. Ohrenheilkunde 1903, 665: Schiller).

*Lazarus, Moritz, Dr. theol., jur. et phil. k. preufl. Geheimer Regierungsrat, ordentl. Honorarprofessor d. Philosophic an d. Uni- versitat Berlin; * Filehne (Prov. Posen) 15. IX. 1824; f Meran 13. IV. BJ VIII, 124 (L. Stein).

Lechler, Karl Johann Friedrich v., Dr. phil., Dr. theol. honoris causa, Pralat, k. wtirttem- berg. Generalsuperintendent a.D., theolog. Schriftsteller, auch dram at. Dichter; * Grofl- bottwar 28. VI. 1820: fLudwigsburg 25. V. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 119; Theol. Jahresbericht23(i903), 1 196 (Nestle, rnitL); BZ 12, 203 (Schwab. Merkur 1903 Mai 26).

Lecreux, Franz, kgl. Tanzer am Hoftheater zu Berlin; * daselbst 21. I. 1852; f Safl- nitz auf Rtigen 26. VIII. Neuer Theater- almanach 15, 155.

Leddihn, Adolf Ritter v., k. k. Feldmarschall- leutnant i. R.; * Wien 20. XII. 1830; f da- selbst 25. IV. 111. Ztg. 120, 725.

Ledebur-Wicheln, Johann Graf v., Herr auf Kostenblat, Krzemusch u. Mieleschau mit NedwiediC (Bohmen), k. u. k. K&mmerer u. Geheimer Rat, unter Badeni Ackerbau- minister, Mitglied d. Herrenhauses d. osterr. Reichsrats; * Prag 30. V, 1842; f daselbst 14.V. 111. Ztg. 120,764; Goth.Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 473; S. Hahn, Reichsrats-Almanach 1891/92, 66.

Lederer, Alexander Ritter v., President der ungarisch. Schiffahrtsgesellschaft »Adria«c ; f Aussee 22. VI., 60 Jahre alt. 111. Ztg. I2i, 25.

Lein, Johannette, Volksdichterin ; * Gieflen 11. VI. 1819; f daselbst im April? Woche 5, 692 ; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 2, 527; BrUmraerS 2, 586.

♦Leipziger, Wilhelm Ernst v., k. preufl. General d. Kavallerie; * Niemegk (Kreis Bitterfeld, Prov* Sachsen) 31. I. 1837; f Berlin 21. XI. BJ VIII, 1 54 (Lorenzen) ;

111. Ztg. 121,841; Goth.Genealog. Taschen- buch d. Adeligen Hauser 1905, 418.

Leland, Charles Godfrey (Pseudon.: Hans Breitmann), deutsch-amerikan. Dichter u.Gelehrter,Keltist; * Philadelphia 15. VIII. 1834; f Florenz im April. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 83 (Ad. Albrecht); Leonard, Who's who in America 1901/02, 674; BZ 12, 205 (Nationalztg. 1903 Mai 14 : E. En gel).

Le Maistre, Rudolf, Wirkl. Geheimer Rat, frtiher kaiserl. deutscher Gesandter in Rio de Janeiro u. in Athen, bis 1869 in kgl. sachs. Diensten; f Dresden 1. IV., 68 Jahre alt.

111. Ztg. 120, 536; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Lemaitre, Gustav, Schauspieler u. Regisseur;

* 12. XII. 1839; f Dresden 25. X. Neuer Theateralmanach 16, 170.

Leo, Hermann, Stadtpfarrer in Renchen. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 543 (Frankhauser, L: Oberrhein. Pastoral- blatt 5, 385).

*Leopoldine Wilhelmine Pauline A malic Maximiliane FUrstin zuHohenlohe-Lan- genburg, geb. Prinzcssin Baden, Ge- mahlin d* Fttrsten Hermann, Statthalters v.

. Elsafi-Lothringen; * Karlsruhe 22. II. 1837; f Straflburg i. E. 23. XII. BJ VIII, 49 (v. Weech); Goth. Hofkalender 1905, 6. 135; Woche 6, 1 4 (P) ; Ztschr. f. d.Geschichte des Oberrheins 58, 542 (Frankhauser, L: Karlsruher Ztg. 1903 Nr. 355. 357).

Leuenberger, Adolf, Musikdirektor in Rhein- felden (Schweiz); * Wiedlisbach (Kanton Bern) 6. V. 1872; f Rheinfelden 13. VIII.

Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 132. (Lttstner, mit L).

♦Levetzow, Albert Erdmann Karl Gerhard v., Dr. jur. honoris causa, kgl. preufl. Wirkl. Geheimer Rat, Mitglied d. Deutschen Reichs- tags (Gfters dessen crster President), d. preufl. Herrenhauses u. d. Provinzialsynode d. Prov. Brandenburg, Lan des direktor dieser Provinz ;

* Gossow (Neumark) 12. IX. 1828; f da- selbst 12. VIII.— BJ VIII, 2 18 (K> v. Strantz) ; 111. Ztg. 121, 273 (J. P. mit P); Woche 5, 1463. 1511 (P); Goth* Genealog. Taschen- buch d. Adeligen Hauser 1905, 435; BZ 13, 198 (Evangel. Kirchenztg. 1903 Nr. 84: Wolff; T&gl. Rundschau 1903 Aug. 13; Neue Preufl. Ztg. 1903 Aug. 13; Das rote Kreuz 1903, 451).

Lieber, Johann Karl Otto, Dr. mcd.t kgl. preufl. Generalarzt a, D., Generalsekretftr d. preufl. Landesvereine vom Roten Kreuz;

* ZUllichau 11. V. 1839; f Neubabelsberg 15. III. Virchows Jahresberichte 38, I, 418 (Pagel); Verzeichnis d. Berliner Unw versitatsschriften 1810—85 Nr. 5979; BZ 12, 206 (Archiv f. Offend. Gesundheitspflege

6p*

Totenliste 1903: Liebert Loftier.

70*

in Elsafl-Lothringen 1903, 354: Weigand; Das Rote Kreuz 1903, 161, mit P); VVoche 5, 512 (P).

•Liebert, Narcissus, Benediktiner, Dr. phil., kgl. bayer. Lyzeal- u. Gymnasialrektor zu St. Stephan in Augsburg, klass. Philolog, Patristiker u. Kirchenhistoriker, auch Steno- graph; * Augsburg 18. III. 1844, t daselbst 25. III. BJ VIII, 70 (F. Lauchert).

Liebhardt, Hermine, verehel. Kunert, Opern- sangerin: s. Kunert, Hermine.

*Liebig, Georg Freiherr v., Dr. mcd.t kgl. bayer. u. groBherzogl. hess. Hofrat, Privat- dozent f. Klimatologie u. Balneologie an d. Universitat MUnchen; * Gieflen 17. II. 1827; f MUnchen 31. XII. BJ VIII, 103 (Pagel); Chronik d. Universitat MUncben 1903/04; Leopoldina 40, 37; Goth. Genealogisch. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 447.

Liederwald, k. preuB. Oberstz. D.t 1864 aus d. Unteroffizierstand f. hervorrag. Tapferkeit zum Offizier befftrdert, zuletzt bis 1889 Bc- zirkskornmandeur v. Braunsberg ; f daselbst 17. XI. 111. Ztg. 121, 795; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Liedtke, Johann Adolf, erster Prediger der evangel. - deutschreformierten Burgkirchen- gemeinde zu Konigsberg i. Pr.; * Mtthl- hausen (Ostpreufien) 27. XI. 1838 ; f Konigs- berg 30. VII. Theol. Jahresbericht 23, 1 197 (Nestle, mitL); Rindfleisch, Altpreufi. Bibliographic f. 1903 (L: Evang. Gcmeinde- blatt 58, 187).

Linde, Pastor, Senior d. Geistlichkeit Schles- wig-Holsteins ; f Borby 1. IV., 98 Jahre alt.

VVoche 5, 648.

Linden, Franz Joseph Heinrich Eberhard . Graf v., k. wlirttemberg. Kammerherr, Ge- heimer Legationsrat u. Gesandter a. D., 1884 91 wtirttemberg. Gesandter in Peters- burg; * Berlin 13. II. 1836; f Nizza 6. XI.

lllustr. Ztg. 121, 753; Voss. Ztg. 1903 Nr. 608 ; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1905, 499.

Lindequist, Olaf v., k. preufi. Generalmajor

z. D., zuletzt bis 1895 Kommandeur d.

Infanterieregiments Nr. 83 ; f Kassel 28. XI.,

58 Jahre alt. VVoche 5, 2180; Voss. Ztg.

1904 Nr. 3. ♦Lindhamer, Karl Ritter v., k. bayer. Gene-

ralleutnant z. D.; * Mttnchen 19. VIII. 1828;

f daselbst 21. 1. BJ VIII, 208 (Lorenzen). Lindner, bis 1899 Landgerichtsprasident in

Halberstadt; f Erfurt 6. II. Voss. Ztg.

1904 Nr. 5. Lingg, Seraphine v., Gattin d. Dichters

Hermann L; f Mttnchen 3. II. , im 86. Jahre.

111. Ztg. 120, 238.

Link, Georg, Mitglied d. k. Schauspielhauses in Berlin (humor, u. ernste Charakterrollen) ;

Nttmberg 25. IX. 1843; f Berlin 9. V. 111. Ztg. 120,765; Eisenberg, Grofies bio- graphisches Lexikon d. Deutschen BUhne 612; Neuer Theateralmanach 15, 147; Flttggen, Biograph. BUhenlcxikon 1, 200.

Linnartz, W., Direktor d. Provinzial-Taub- stummenanstalt zu Aachen; f daselbst 23. VIII. 111. Ztg. 121, 335.

Lipp, Alban, Chordirektor in Kolbermoor (Bayern), Lehrer und Gesangskomponist;

Freising 9. VIII. 1 866 ; f Bad Aibling 6. IX. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 132 (Liistner, mit L); BZ 13, 200 (Padagog. Blatter 1903, 717).

Lippmann, Friedrich, Direktor d. k. Kupfer- stichkabinetts in Berlin; * Prag 6. III. 1838; f Berlin 2. X. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 224; 111. Ztg. 121, 523; VVoche 5, 393 (P); BZ 13, 200, 14, 186 (Kunst- chronik N. F. 15, 81: VV. Bode; Kunst u. Kttnstler 2, 57: J. Springer; Jahrbuch d. preufl. Kunstsammlg. 1904, III: R. Schtfne; Nationalztg. 1903 Okt. 2).

Lipschitz, Rudolph Otto Sigmund, Dr. phiL, k. preufi. Geheimer Regierungsrat, ordentl. Professor d. Mathematik an der Universitat Bonn; * Ktfnigsberg i. Pr. 14. V. 1832; f Bonn 7. X. Leopoldina 39, 130; Chronik d. Universitat Bonn 29 (1903), 7; Poggendorff 1, 1475. 3, 820. 4, 897 (W).

Lobkowitz, Moritz Aloys Joseph Marcelli- nus Fiirst v., Herzog zu Raudnitz (Bohmen), gefttrsteter Graf zu Sternstein, erbl. Mitglied d. Herrenhauses d. tfsterreicb. Reichsrats (konscrvativ), k.u.k. Kammerer u. Geheimer Rat; * Inzersdorf b. Wien 2. VI. 1831; f Raudnitz 4. II. Goth. Hofkalender 1903, 154. 1904, 155; 111. Ztg. 120, 238; VVoche 5, 288 (P); S. Hahn, Reichsrats-Almanach 1891/92, 71.

Lftffler, JohannHeinrich, Stadtkirchenorganist u. Lehrer zu Poflnek (Sachsen-Meiningen), Komponist u. Musikkritiker, auch Roman- dichter u. thiiringisch. Volksschriftsteller;

Oberwind (Sachsen-Meiningen) 1. III. 1833; t PSflnek 15. IV. Brttmmer5 2, 597 (mit W); KL 25, 862; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 133 (Lttstner, mit L); BZ 13, 200. 14, 187 (Bayreuther Blatter 1903, 222; D. literar. Echo 5, 1557 und Magdeburger Ztg. 1903 Juli 23: Danneil; Tagl. Rundschau 1903 Juli 31; Thttringer Warte 1904, 1051 W. Greiner).

L5ffler, Mathilde, verehel. v. Ehrenthal, frtiher Opernsangerin an den Hoftheatern in Wien u.Dresden; * Darmstadt 12. IV. 1847 (nach Eisenberg 1852); f Heidelberg 1 5. VIII. Neuer Theateralmanach 15,154; Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon d.

7i*

Totenlistc 1903: Lohmeyer Mann.

72*

DeutschenBtihne 615; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 133 (LUstner, mit L).

Lohmeyer, Julius, Dr. phiL, Dichter und Schriftsteller; * Neifle 6. X. 1835; t Char~ lottenburg 24. V. KL 25, 870 (W). 26, 40*; 111. Ztg. 120, 857 (P. Dehn,mit P); Woche 5, 968 (P); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 117; Hinrichsen, D. literar. Deutsch- land* 835; BrUmmerS 2, 437. 597 (mit W); BZ 12, 208. 13, 200. 14, 187 (D. literar. Echo 5, 1297: J. Trojan; Tagl. Rundschau 1903 Mai 28 : O. v. Leixner; Deutsche Ztg. 1903 Beil. Deutsche Welt Nr. 36: F. Lien- hard; Deutsche Tagesztg. 1903 Mai. 2$; Heimat 1903 Heft 42: H. v. Blomberg; Monatsblatter f. deutsche Literatur 7, 384: Tristan, mit P; Deutsche Monatsschrift f. d. gesamte Leben der Gegenwart 2, 505: V. BJtithgen).

♦Loose, Karl Wilhelm, Dr. phil., Direktor d. Realschule u. d. Progymnasiums in Meifien, Geschichtsforscher ; * Chemnitz 14. X. 1839; f Meiflen 29. IV. BJ VIII, 294 (H. A. Lier).

Loper, Ludwig v., bis 1901 kaiserl. deutscher Generalkonsul in Valparaiso; f Anfang April, 45 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

♦Lofiberg, Viktor v., k. preufi. General- major z. D,; * Kassel 18. I. 1835; t da" selbst 24. V. BJ VIII, 278 (Lorenzen).

Lftwenbach, Georg, Dr. med.t erster Assis- tent an d. Klinik f. Syphilis u. Dermatologie inWien; * daselbst 27. IX. 1872; f ebenda 22. XI. Virchows Jahresberichte 38, I, 418 (Pagel, mit L); BZ. 13, 201 (Wiener medizinische Blatter 1903, 813: Porias).

Lbwengard, Adolf, friiherer Theaterdirektor; f Hamburg im August, 56 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 15, 153.

L5 wens tarn m, Franz Josef, Komponist, frtiher Kapellmeister, zuletzt Gesangsprofessor in Wien; Budapest 18. VIII. 1843; f Wien 31, VII. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 133 (LUstner); Rheinhardt, Biographien d. Wiener KUnstler u. Schriftsteller 1, 563.

L5wer, Emil Leopold, Dr.med.t\i. preufi. General- u. Korpsarzt a. D. ; * Halberstadt 2. II. 1832; f Eberswalde im Marz. 111. Ztg. 120,507; Virchows Jahresberichte 38, I, 418 (Pagel); Verzeichnis d. Berliner Universitatsschriften 1810—85 ^r« 5°45*

Lube, Max, Schauspieler (Komiker) an d. deutsch-amerikan. Btthne in New- York; * Berlin 9. XI. 1843; f New- York 16. XL

Neuer Theateralmanach 16, 171 ; FlUggen, Biograph. Btihnenlexikon 1, 205.

Lucius, Eugen, Dr. phiL, Mitbesitzer d. Htfchster Farbwerke ; f Frankfurt a. M. 14. V.

Woche 3, 920 (P); BZ 12, 209. 13, 201

(Chemikerztg. 1093, 495; Ztschr. ffor an- gewandte Chemie 16, 687 mit P; Ztschr. f. Farben- u. Textilchemie 1903, 289 mit P).

Lilders, Gustav £., ehemal. Orchestermitglied d. Stadttheaters in Riga; * Pernau 10. X. 1828; f Majorenhof b. Riga im Juli. Neuer Theateralmanach 15, 152.

Ludwig, Emilie, Witwe des Dichters Otto L. ; f Dresden 10. II. 111. Ztg. 120, 310.

Liihrsen, Johannes, Dr., kaiserl. deutscher Gesandter bei d. Republik Kolumbien; f Terlan 3. XL, 65 Jahre alt Voss. Ztg. 1903 Nr. 608; 111. Ztg. 121, 710.

♦Luntz, Viktor, k. k. Baurat, Professor an d. Akademie d. bildenden Ktinste in Wien, Architekt; * Ybbs a. d. Donau (Nieder- ttsterreich) 8. III. 1840; f Wien 12. X. BJ VIII, 146 (A. Birk); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 234; 111. Ztg. 121, 607; Rhein- hardt, Biographien d. Wiener Ktinstler u. Schriftsteller 1, 19.

Liipke, Robert Theodor WUhelm, Dr. phil., Oberlehrer am Dorotheenstadt. Rcalgym- nasium in Berlin u. Dozent an d. kaiserl. Post- u. Telegraph ens chule daselbst, Elektro- chemiker; * Aschersleben 17. XI. 1857; f Berlin 10. IV. Leopoldina 39, 103; Poggendorff 4, 922 (mitW); BZ 12, 212 (Ztschr. f. Elektrochemie 1903, 378).

Luethi, A., Glasmaler, Direktor d. Kunst- gewerbeschule in Zurich; f Frankfurt a, ML 13. XII. Woche 5, 2272.

Lutz-Meyer, Wilhelm, Komponist u. Kapell- meister am Gaiety -Theatre in London;

* MUnnerstadt (Unterfranken) 1830; f Lon- don 31. I. Woche 5, 236; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 133 (LUstner, mit L); 111. Ztg. 120, 238.

Maag, Johann Jakob, Dr. med., Bezirksarzt u. Kinderarzt in Rosengarten b. Lichtensteig ;

* Feuerthalen b/Schaffhausen 1826; f 9- XI. Virchows Jahresberichte 38, 1,418 (Pagel, mit L); BZ 14, 191 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 74, 179).

Machts, Karl, Musikdirektor d. Kurorchesters in Bad Nauheim; * Weimar 16. VL 1846; f Hannover im Februar. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 133 (LUstner, mit L).

Mahr, Josefine, ehemalige Schauspielerin ;

* Teschen 6. VI. 1834; f Wien 20. XL Neuer Theateralmanach 16, 172.

Malachowski, v., Oberstleutnant a. D., Mit- arbeiter an den »Mttnchner Neuesten Nachrichtenc ; f Konstanz 25. XII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

Mally, Janez, Zwergkomiker; f Urach 18. V., im 45. Jahre. Neuer Theateralmanach

15, 150. Mann, Karl Ritter v., k. bayer. Hofrat, rechts- kundiger BUrgermeister d. Stadt Hof i. B.;

73*

Totenlistc 1903: v. Manteuffel Meifiner.

74*

f daselbst 31. XII. AugsburgerAbendztg. 1904 Nr. 2 S. 11.

♦Manteuffel, Karl Rudolf Heinrich Engelhard Emil Theodor v., k. preufi. Gcnerallcutnant z.D.; Barwalde (Kreis Neustettin) 4. VI. 1 817; f Charlottenburg 27. II. BJ VIII, 237 (Lorenzen); Goth. Genealog. Taschen- buch d. Adeligen Hauser 1905, 487.

March, Paul, frtther Chef d. Thonwarenfabrik Ernst March Sohne; f Charlottenburg 20. VII., 73 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Marchand, Ludwig Leopold, P fairer in See- burg; * Wischwill (Kreis Ragnit) 16. IV. 1839; f Zoppot 27. VIII. Rindfleisch, Altpreufi. Monatsschrift f. 1903, 50 (L: Evangel. Gemeindeblatt 58, 245).

♦Marchtaler, Anton v., k. wtlrttemberg. Gc- neralleutnant z. D. ; * 2 1. IV. 182 1 ; f Stutt- gart 12. VII. BJ VIII, 212 (Lorenzen); BZ 13, 208 (Schwabischer Merkus 1903 Juli 13).

Marcus, Emanuel, Dr. med.9 k. preuO. Sani- tatsrat, Arzt in Frankfurt a. M., Mitglied d. Stadtverordnetenversammlung daselbst, Re- dakteur d. Korrespondenzblatt d. Arzte d. Prov. Nassau; * Ortenberg (Hessen) 1834; f Frankfurt a. M. 12. XII. Virchows Jahresberichte 38, I, 419 (Paget, mit L); BZ 13, 208 (Korrespondenzblatt d. Arzte d. Prov. Nassau 1903, 411: Htlbner).

Marschalk von Ostheim, Emil Freih. v., Altertums- u. Geschichtsforscher u. Sammler in Bamberg; Wien 16. IV. 1841 ; f Bam- berg 7. VII. Illustr. Ztg. 121, 90; 62. Be- richt ttb. d. Bestand u. Wirken d. histor. Vereins zu Bamberg f. d. J. 1903.

Marstrand, Wilhelmine, Pianisrin u. Lehrerin am Konservatorium d. Musik in Hamburg; * Donaueschingen 6. (nachRiemann4.) VIII. 1843; t Spiez am Thuner See 16. VIII. Riemann6 818; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 133 (Ltistner mit L).

Martin, Ch. A., Ssterreich.-imgar. Konsul in Baltimore; f daselbst 28. 1 1. Woche5,4i8.

Martini, Karl, Dr. med.9 k. preufi. Gehcimer Sanitatsrat in Breslau ; f daselbst 17. X. Virchows Jahresberichte 38, I, 419 (Pagel, mit L).

Martins, Heinrich, Oberbtirgermeister a. D. von Glogau, k. preufi. GeheimerRegierungs- rat, Mitglied d. preufi. Herrcnhauses, d. Provinzialrats u. Provinzialausschusses v. Schlesien; f Glogau 21. VI., 74 Jahre alt 111. Ztg. 121, 25.

Matthias, Karl, Dichter u. Schriftsteller, frtther Opernsanger u. Schauspieler; * Danzig 18. IV. 1838; f Leipzig 23. II. KL 25, 910 (W). 26, 40*; Neuer Theateralmanach 15, 141 ; FlUggen, Biograph. Btihnenlexikon 1, 211.

♦Mayer, Friedrich Karl, groflherzogl. weimar. Hofrat, Professor an d. Kunstgewerbeschule in NUrnberg, Architekturmaler; * Tolz 3. I. 1824; f Mtinchen 24. I. BJ VIII, 97 (H. Holland).

Mayer, Gustav, k. preufi. Geheimer Ober- baurat, vortragendcr Rat im preufi. Ministc- rium d. ofientiich. Arbeiten, bis 1901 in grofiherzogl. hess. Diensten; f 17. II., 51 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Mayer, M. L., deutscher Theaterunternehmer in London; f daselbst 4. VIII., '71 Jahre alt. Monatshefte fUr Musikgesch. 36, 133 (LUstner, mit L).

Mayers, Karl, Redaktionsmitglied d. Wiener >Neucn freien Presses, ursprtinglich Gene- ralstabsoffizicr, seit 1876 Kriegs-, Manuver- u. Sportbcrichtcrstatter ; f Abbazia 19. IV., 61 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

Mayr, Josef, Holzschnitzer, BUrgermeister v. Oberammergau in Oberbayern, Christus- darsteller in den Passionsspielen v. 1870/71. 1880 u. 1890; * Oberammergau 25. III. 1843; f MUnchen 1. XII. Augsburger Abendztg. 1903 Nr. 332 S. 2; MUnchener Neueste Nachrichten 1903 Dez. 4 (H.Roth); H. Diemer, Oberammergau u. s. Passions- spiele, MUnchen 1900.

♦Meding, Oskar (Pseudon. : Gregor S a m a r o w, Detlev v. Gey em, Leo War en, Walter Morgan, Kurt v. Waif eld), k. hannov. Regierungsrat, Romanschriftsteller; * Ko- nigsberg i. Pr. 11. IV. 1829; f Charlotten- burg 1 1. VII. BJ VIII 263 (F.Briimmer); 111. Ztg. 121, 132 (mit P); Woche 2, 1405 (P); KL 25, 919 (W); BrummerS 3, 41. 478 (mit W).

Meffert, Robert, fruher Opernsanger (Helden- tenor) am Hoftheater in Dresden ; f Coblenz 16. III., 54 Jahre alt. Neuer Theater- almanach 15, 142; FlUggen, Biographisches Btihnenlexikon 1,213; Monatshefte f.Musik- geschichte 36, 134 (LUstner, mit L).

•Meinecke, Gustav Hermann, Kolonialpoli- tiker und Kolonial schriftsteller; * Stendal 15. II. 1854; f Berlin 11. IV. BJ VIII. 28 ( V. Hantzsch) ; Geographen-Kalender 2, 194 (mit W); KL 25, 922 (W); Woche 5, 820 (P) ; Geographisches Jahrbuch 26, 436 (W. Wolkenhauer, mit W u. L); BOrsenblatt ftir d. deutschen Buchhandel 1903, 3 118.

Meinke, Karl, ehemal. Opernsanger; 26. X. 1836; im letzten Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Meifiner, August, Kapellmeister in Stockholm ; * Grabow (Mecklenburg) 1833; t Stock- holm 13. IX. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 133 (LUstner, mit L); Illustr. Ztg. 121, 533.

Meifiner, Bernhard, ehemal. Souffleur u. Schau-

/5

Totenliste 1903: MeiBner Mitterrutzner.

76*

spieler; * Dresden 9. XII. 1823; f daselbst

21. II. Neuer Theateralmanach 15, 140.

Meifiner, Henriette, frahere Schauspielerin;

Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

* 25.X. 1824; f Hamburg imzweit.Vierteld. Meller, Klara, geb. Kretzschmar, Pianistin:

s. Kretzschmar, Klara.

Mendel, Heinrich, Buchhandler, Mitinhaber d. Firma Modes & Mendel in Rom ; f da- selbst 31. I. BftrsenblattfUrd.deutschen Buchhandel 1903, 1068.

♦Merkel, Walther Emil, Maler; Kassel 12. VII. 1863; f VVehlheiden 7. XII. BJ VIII, 145 (Ph. Losch).

Merrettig, Karl, Maschinenmeister d. grofihzgl. Hoftheaters in Oldenburg; f daselbst 24. VII.

Neuer Theateralmanach 15, 153. Merz, Heinrich, Dr. tried., prakt. Arzt in

Menzikon (schweiz. Kanton Aargau) ; * da- selbst 17. V. 1824; f ebenda 16. II. Virchows Jahresberichte 38, I, 419 (Pagel, mitL); BZ 14, 198 (Korrespondenzblatt f. Schweizer Arzte 34, 137: Eichenberger).

Messerschmidt, Georg, Geheimer Baurat u. Elbstrombaudirektor in Magdeburg ; f da- selbst 29. IV., 50 Jahre alt. Woche 5, 828; Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Merzbacher, Eugen, Dr. pAi/.t Numismatiker u. Bibliophile, frliher Verlagsbuchhandler;

* Mtinchen 4. XII. 1845; t daselbst 18. IX.

Woche 5, 1738; Bbrsenblatt ftir d. deut- schen Buchhandel 1903, 3918. 4334. 8552; Verzeichnis d. Berliner Universitatsschriften 1 8 10 85 Nr. 9034.

Mey, Karl Ernst, Seniorchef u. Mitbegriinder des Versandhauses u. d. Papierwaschefabrik Mey & Edlich inPlagwitz-Leipzig; * Nieder- schmiedeberg(Sachs.Erzgebirge)5.IX.i844; f Leipzig-Plagwitz 30. I. 111. Ztg. 120, 197 (V. Muller, mit P).

Meyer, Ernst, Dr., Besitzer d. »OsnabrUcker Ztg.«; f 10. I. Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

Meyer, Konrad (Pseudon. : Julius F r e i m u n d), Inspektor d. Schweizer Mobiliar-Assekuranz in Zurich, schweizer. Dichter und Schrift- steller; * VVinkel b. Bttlach (Kant. Zurich) 3. IX. 1824; f Zurich 31. III. KL 25, 942 (W); 26,41*; BrUmmer5 63; BZ 12, 222 (Neue ZUrcher Ztg. 1903 April 7).

Meyer, Raimund, kaiserl. deutscher Geheimer Admiralitatsrat, Intendant d. Marinestation Nordsee; f Wilhelmshaven 19. X. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Meyer - Brenner , Emma , Schriftstelierin ; f Basel 20. IX., 56 Jahre alt. 111. Ztg.

121,523. Meysenbug, Malvida v., Freundin der acht- undvierziger Bewegung, Schriftstelierin u. Dichterin; * Cassel 28. X. 1816; f Rom 26. IV. KL 24, 946 (W). 26, 41*;

BrtimmerS 2, 485 (mit W); 111. Ztg. 120, 700 (R.Schoner, mitP) ; Woche 5, 782 (P); Allgem.Ztg. 1903 BeiL 94. 96 (R. v.Scala); Monatshefte f. Musikgesch. 36, 134 (Ltistner, mit L); BZ 12, 222. 13, 214 (Nation 20 Nr. 32, Wissen f. Alle 1903 Nr. 24, Neue Freie Presse 1903 Nr. 24, Der Bund 1903 Mai 16 u. 17: S. Mtinz; Westermanns Illustr. Deutsche Monatshefte 1903 Marz 794 u. Frauenrundschau 1903 485: A. Brunne- mann; Hamburger Correspondent 1903 Mai 3: C. Milhling; Frankfurter Ztg. 1903 Mai 16: M. Herzfeld; Kttlnische Ztg. 1903 Juni 7 : H. Stacker; Nationalztg. 1903 Mai 1 7 ; Wiener Frerndenblatt 1903 April 30: A. v. Falke; Zeit 1903 Mai 6: F. Birkenrieth; Ebenda Juni 27: G. Monov; Magazin f. Literatur 1903 Mai 74 : M. G. Conrad; Neue Musikztg. 1903 173: S. Reis; Zukunft 43, 223: J.Duboc; Die Frau 10, 516: H. Wid- mann; Tagl. Rundschau 1903 Beil. v. 13. u. 14. Mai: P. Wiegler; Lehrerin in Schule u. Haus 1903 Nr. 36: M. I^oeper-Housselle ; Bayreuther Blatter 1903, 220; Neue Bahnen 1903 Nr. 16: M. Hecht; Voss. Ztg. 1903 Aug. 12; Basler Nachrichten 1903 Juli 6).

Michaelis-Nimbs, Eugenie, frUhere Opem- sangerin am Hoftheater in Darmstadt ; f da- selbst 1 1. V., 70 Jahre alt Neuer Theater- almanach 15, 148; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 134 (LUstner, mitL); BZ 13, 214 (Leipziger Tageblatt 1903 Dez. 14: W. Henzen).

*Milchhoefer, Arthur, Dr. phil., ordentl. Professor der Archaologie an d. Universitat Kiel; * Schirwindt (Ostpreuflen) 21. III. 1852; f Kiel 7. XII. BJ VIII, 177 (Joh. Sass).

Milde, S.J. (Pseudonym), Schriftstelierin: s. Gerhard, Similde.

Mises, Felix Edler v., Dr. mcd., Arzt in Wien, Schriftsteller; f daselbst im Juli, 56 Jahre alt. Virchows Jahresberichte ^St I, 419 (LUstner, mit L).

Misteli, Franz, Dr. phil., frUher ordentl. Professor f. vergleichende Sprachwissen- schaft an d. Universitat Basel; * Solothurn 11. III. 1841; f Fallenbach b. Brunnen (Schweiz) 6. X. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 230; 111. Ztg. 121, 607; BZ 13, 217 (Neue ZUrcher Ztg, 1903 Oktober 24 u. 25 : M. Niederroann; Basler Nachrichten 1903 Oktober 12); Gubernatis, Dictionnaire dcs icrivains du jour 1 490.

♦Mitterrutzner, Johannes Cbrysostomus , Augustinerchorherr, Gymnasialdirektora. D., Sprachenkenner, Sprachforscher, Kirchen- historiker u. Hagiograph ; aufd.Hdllerhofe zu Tils b. Brixen; f im Stift Neustift b. Brixen. BJ VIII, 71 (F. Lauchert).

77*

Totenliste 1903: Modersohn Miiller.

78*

Modersohn, Heinrich, Bildnis-u.Genrcmaler; * Lippstadt 26. XII. 1885; f Hohenhonnef 31. VIII. VVoche 5, 1644; Muller-Singer3 3, 218.

*Moehl, Heinrich, Dr.phiL, Professor, Ober- lehrer an d. Gewerbe- u. hob. Handelsschule in Kassel, Leiter der metcorolog. Station daselbst; * Rauschenberg 31. XII. 1832; f Kassel 14. X. BJ VIII, 204 (Ph.Losch).

Mohr, Theodor, erster Chordirektor des Pforzheimer Gesangvereins, Bundeschor- meister d. Badischen Sangerbundes ; f Karls- ruhe 12. X., 77 Jahre alt. Monatsbefte f. Musikgesch. 36, 134 (Ltistner, mit L).

Mdllendorf, Otto v., Dr., Dozent f. Handels- geographie, Warenkunde u. Konsularwesen an d. Akademic f. Sozial- u. Handelswissen- schaften in Frankfurt a. M. ; f daselbst

17. VIII., 55 Jahre alt. Geographen- Kalender 2, 195; HI. Ztg. 121, 335.

Moller, Arthur, Kapellmeister d. Kurorchesters in Baden b. Zurich; f daselbst 9. XII. Mo natsheftef. Musikgesch. 36, 134 (Ltistner, mit L).

Moller, Wilhelm, Direktor d. Stadttheaters in Lahr; * Lubeck 30. VIII. 1843; f Lahr

18. III. Ncuer Theateralmanach 15, 144. Mommsen, Theodor, Dr.jur. *•/ /A//., ordentl.

Professor in d. philosoph. Fakulttit d. Uni- versity Berlin, ordentl. Mitglied d. preufl. Akademie d. Wissenschaften in Berlin, Vize- kanzler d. preufl. Ordens pottr U mcriie f. Wisscnschaft u. Kunst, Ehrenbtirger d. Stadt Rom usw., Jurist u. Historiker, Politiker u. deutscher Dichter; * Garding (Schleswig- Holstein) 30. XI. 181 7; f Cbarlottenburg 1. XI. Chronik d. Universitat Berlin 17

(1903), 7.

Monti, Delia, Konzertsangerin : s. Delia Monti.

*Mootz, Johann Georg, grofiherzogl. hess. Generalleutnant a la suite \ * 1807; f Darm- stadt 15. X. BJ VIII, 208 (Lorenzen).

Morgan, Walter (Pseudon.), Schriftsteller : s. Meding, Oskar.

Moerike, Klara, Schwester des Dichters Eduard M.; * Ludwigsburg 10. XN. 1816; f Neuenstadt am .Kocher 10. VIII. All- gemeine Ztg. 1903 Nr. 175; 111. Ztg. 121. 245; BZ 13, 219 (Tagl. Rundschau 1903 August 28; Nationalztg. 1903 Sonntagsbeil. 34—37 : Mayne).

Moerike, Margareta, geb. v. Speth, Witwe des Dichters Eduard M.; * 10. VI. 18 18; f Neu-Ulm 8. I. Woche 5, 98. 226 (P); BZ 13, 219. 14, 204 (Hochland 1903 Okt. Nov. u. 1904 Juni: E. Eggert; Allgemeine Ztg. 1904 Beil. 79: F. Walther).

Moritzfeld. BZ 13, 219 (Ztschr. f. Forst- und Jagdwesen 1903, 497: W. Boden).

Moser, Gustav v., herzogl. sachsen-koburg. Hofrat, Lustspieldichter; * Spandau 11.V. 1825; f Gorlitz 23. X. KL 25,9230V).

26, 41*; Neuer Theateralmanach 16, 169 (mit P auf lllustrationsbogen) ; 111. Ztg. 121, 643 (L. S„ mit P); Woche 5, 1956 (Th. v. Trotha, mit P); BrtiramerS 97. 491 (W); BZ 13, 220 (Universum 1903, Weltrundschau S. 505; Neue Freie Presse 1903 Okt. 26: R. Misch; Ebenda Okt. 29: P. Lindau; Der Tag 1903 Okt. 25: L. SchSnhoflF; Augsburger Abdztg. 1903 Sammler Nr. 128. 129; Berliner Tageblatt 1903 Okt. 26: A. Ilahn; MUnchner Neueste Nachrichten 1903 Nov. 4: Klara Ziegler).

Moser, Julius Leopold, Cellist am kaiserl. Hoforchester in Wien; f daselbst 15. III., 50 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 134 (Ltistner, mit L).

Mosse, Salomon, Groflkaufmann u. Handels- richter in Berlin, Inhaber d. Waschefabrik S. Mosse, Vorstandsmitglied der Textil- berufsgenossenschaft; t Kissingen 18.' VI., 66 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Mothes, Oskar, Dr. philn k. sachs. Baurat, Architekt und Kunsthistoriker ; * Leipzig

27. XII. 1828; f Dresden 4. X. III. Ztg. 121,571; KL 24, 969. 26,41*; Mttller- Singcr, Allgemeines KUnstlerlexikon 3 3, 256; D. geistige Deutschland 1, 474.

*Miihlbacher, Engelbert, Dr. phU.f ordentl. Professor d. Geschi elite an d. Universitat Wien u. Mitglied d. Akademic d. Wissen- schaften daselbst, Redakteurd. »Mitteilungen des Instituts fllr osterreich. Geschichts- forschung«c; * Gresten 4. X. 1843; t Wien 17. VII. BJ VIII, 344 (F. v. Ottenthal); BZ 13, 220. 14, 205 (Neues Archiv d. Gesellschaft f. altere deutsche Geschichts- kunde 29, 266: M. Tangl; Monatsblatter d. Vereins f. Landeskunde v. Niederosterreich *9°3» 231; Mitteilungen d. Instituts f. osterreich. Geschichtsforschung 25, 201: O. Redlich; Histor. Vierteljahrsschrift 1904, 133: J. Lechner; Wiener Abendpost 1903 Okt. 29 : A. Dopsch).

Miihldorfer, Julius, groflhzgl. hcss.Hoftheater- maler; * Gorlitz 1859; f Bremen 26. X. Neuer Theateralmanach, 16, 170.

Miiller, Karl Konrad, Dr.pAil., groflherzogl. siichsisch. Hofrat, Direktor d. Universitiits- bibliothek in Jena, auch Forscher auf d. Gebiete d. klass. u. deutschen Philologie; * Wlirzburg 7, VII. 1854; f Jena 15. VI. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 33; KL 25, 936 (W); ZentTalblatt f. Bibliothekswesen 2°y 3 $6; Jahrbuch der Deutschen Biblio- theken 1, 94. 2, no.

Miiller, Karl Hermann, Buchdrucker u. Ver- lagsbuchhandler in Berlin; * Niederwerbig

79*

Totenliste 1903: MUller Naumann.

80*

b. Treuenbrietzen 2 i.V. 1824. Bttrsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 9743.

Mliller, Minna, verehel. Wollrabe, Schau- spielerin: s. Wollrabe, Minna.

Muller, Otto, Dr.phil., Professor, Oberlehrer a. D. d. Louisenstadt Gymnasiums in Berlin ; f Freiburg i. Br. 18. II., 69 Jahre alt. Jahresbericht d. Louisenstadt Gymnasiums in Berlin 38 (1903), 18.

Miiller, Therese, Opernsangerin ; * Oravitza (Ungarn) 27. IX. 1833; f Brandenburg a. H. 11. IV. Neuer Theateralmanacb 15, 146.

♦Miiller, Karl Friedrich W i 1 h el m , Dr. phil., ordentl. Honorarprofessor f. klass. Philologie an d. Universitat Breslau, frtther Gymnasial- direktor,Latinist; * Magdeburg 22. II. 1830; f Breslau 1. VI. BJ VIII, 257 (Skutsch).

Muller-Hartung, Walter, Opernsanger in Halle a. S.; f Baden-Baden 6. X. Mo- natshefte f. Musikgesch. 36, 134 (LUstner, mit L).

Miiller-Rentz, Friedrich August, Schriftsteller in Frankfurt a. M.; 2. XI. 1830; f Frank- furt a. M. 3. XL 111. Ztg. 121, 710.

Muiler-Simonis, Paul, Dr. theoL, Domherr in Strafiburg i. E., Reiseschriftsteller und Geograph; Mtihlbach (Unter-Elsafl) 9. VII. 1862; f n. II. KL 25, 939 (W). 26, 41 •; Keiter-Jorg, Kathol. Literaturkalender 6, 212 (W).

Munch, Friedrich Wilhelm, k. preufl. Musik- direktor, frUher Kapellmeister d. 80. In- fanterieregiments ; f Wiesbaden 1. X., 66 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 134 (LUstner).

Munckel, Karl August, k. preuB. Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar in Berlin, Mitglied d. Deutschen Reichstags u. preuB. Abgeord- netenhauses (Freisinn. Volkspartei), ferner Mitglied d. brandenburg. Provinziallandtags u. 1882 95 Vorstand d. Stadtverordneten- kollegiums in Charlottenburg; * Pyritz (Pommern) 23. I. 1837; f Berlin 10. IV. 111. Ztg. 120, 586; Woche 5, 698 (P); Ktirschners Preufl. Abgeordnetenhaus 1894, 63 (mit P); KUrschncrsDeutscher Reichstag 1898— 1903, in, (mit P); BZ 12, 228 (Voss. Ztg. 1903 April 17: E. Sello.)

*Munk, Immanue], Dr. med., aufierordentl. Professor d. Physiologie u. Vorstcher d, speziell-physiolog. Abteilung im Physiolog. Institut an d. Universitat Berlin; * Posen 30. V. 1852; f Berlin 1. VIII. BJ VIII, 82 (Pagel); Leopoldina 39, 103; BZ 13, 221 (Zentralblatt f. Physiologie 1903, 251 : P. Schultz; Deutsche Medizinalztg. 1903, 702: Grosser; Berliner klin. Wochenschrift 1903, 770: R. du Bois-Reymond; Deutsche Medizin. Wochenschrift 1903, 616: H. Bo- ruttau, mit P).

Monster, Theodor, Dr.phil., Stadtbibliothekar in Stettin; Plau (Mecklenburg) i. VI. i860; f Stettin 21. I. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 21; Zentralblatt f. Bibltotheks- wesen 20, 160; Jahrbuch d. Deutschen Bibliotheken i, 95. 2, no.

Musiol, Robert Paul Johann (Pseudon.: M. L o u i s), Musikschriftsteller u. Komponist, frtther Kantor in Rtthrsdorf b. Fraustadt (Posen); * Breslau 14. I. 1846; f RBh»- dorf 19. X. KL 25, 943 (W). 26, 4i#5 Keiter-Jtfrg, Kathol. Literaturkalender 6, 213 (W); Riemann* 902; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 134 (Ltistner, mit L) ; BZ 13, 222 (Kathol. Schulztg. f. Norddeutsch- land 1903 Nr. 46).

♦Nagel, Christian August, k. sachs. Gcheimer Regierungsrat, frtiher Professor d. Geod&sie an d. Techn. Hochschule u. Direktor d. Mathemat.-Physikal. Salons in Dresden; * Grttnberg b. Radeberg (Kgr. Sachsen) 17. V. 1 821 ; f Dresden 23. X. BJ VIII, 285 (A. Reichardt); Leopoldina 39, 131; Geograph. Jahrbuch 26, 437 (W. Wolken- hauer, mit L).

Nagel, Leopold (eigentl.: Martin) Theater* meister am Stadttheater in Bremen; Bruch- sal 31. VII 1841; f Bremen 19. III. Neuer Theateralmanach 15, 144.

Nanitz, Minna, frtiher Hofoperns&ngerin in Dresden ; * Seehausen(Altmark) 8. X. 1842; t Karlsbad 19. VII. Neuer Theater- almanach 15, 153; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 135 (Ltistner, mitL); Tage- buch d. k. sachs. Hoftheaters 87 (1903), 105. Mit bibliograph. Beitrag von Prof. H. A. Lier.

*Nasse, Otto Johann Friedrich, Dr. ntcd., frtther ordentl. Professor f. Pharmakologie und physiolog. Chemie an der Universitat Rostock; * Marburg 2. X. 1839; f Freiburg i. B. 26. X. BJ VIII, 82 (Pagel); Leo- poldina 39, 131; Poggendorff 3, 957. 4, 1055 (W); BZ 13, 225. 14, 209 (Ztschr. f. Krankenpflege 1903, 504: Kobert; Arcbiv f. d. gesamte Physiologie 101, 1 : O.Langen- dorff).

Nassen, Josef, Gymnasialoberlehrer in Jttlich, Philosoph und Literarhistoriker (Heine- forscher); Waldbreitbach (Rheinlande) 29. XII. 1861 ; f JttHch 20. XL KL 25. 947 (W). 26, 41 •; IH. Ztg. i2i, 9U; Keiter-Jtfrg, Kathol. Literaturkalender 6, 213 (W).

Natter, Dagobert, Sanger u. Komponist, Begrtinder der Sangergesellschaft »Die Vogelweiderc in Bozen; f daselbst 8. V., 55 Jahre alt. Monatshefte fttr Musik- geschichte 36, 135 (Ltistner).

Naumann, Bruno, k. sachs. Geheimer Kom-

8i*

Totenliste 1 903 : Neckelmann Oheimb.

82*

merzienrat, Grofiindustrieller (FahrrSder, Nahmaschinen) in Dresden; * daselbst 10. X. 1844; f ebenda 23. I. 111, Ztg. 120, 196 (M. Dittrich, mit P). 'Neckelmann, Skjold, ordentl. Professor f. Bauentwttrfe in d. Abteilung f. Architektur an d. Techn. Hochschule in Stuttgart;

* Hamburg 24. XI. 1854; f Neckargemtlnd b. Heidelberg 13, V. BJ VIII, 169

0. Sass).

Negendank, Otto, ehemal. Schauspieler;

* Brandenburg a. H. 31. X. 1835 ; f Belgard (Pommern) 7. 1. Neuer Theateralmanach *5> !3^ (F. v. Schonthan).

•Nehmiz, Hugo, protest. Geistlicher, General- superintendent in Breslau; * Sagan (Schle- sien) 6. XI, 1845; t Breslau 28. VIII. BJ VIII, 136 (Kohlscbmidt); BZ 13, 226 (Reichsbote 1903, Sept. 15); Theolog. Jahresbericbt 23 (1903), 1197 (Nestle).

Nentwich, Josef, Dichter u. Komponist in Wien, auch Numismatiker ; daselbst 4. II. 185 1 ; f ebenda 4. II. Rheinhardt, Biographien Wiener Ktinstler u. Schriftsteller

1, 398; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 135 (Liistner, mit L).

Neumann, kaiserl. deutscher Konsul in Lttttich; f daselbst 7. VIII. Woche 5, 1464.

Neumann, Karl, ftirstl. Kammervirtuos a. D. in Sondershausen ; * Pest 16. II. 1839; f Sondershausen 12. IX. Neuer Theater- almanach 15, 157; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 135 (Lustner, mit L).

•Neumann, Emil, Professor an d. k. Kunst- akademie in Kassel, Landschafts- u.Marine- maler; Pojerstiten (Kreis Fischhausen, Ostpreuflen) 7. VIL 1842; f Kassel 4. I.

BJ VIII, 203 (Ph. Losch). Nieriker, Josef, Kunstzeichner; f Baden

(Schweiz) 21. IV., 75 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 725. Nikolaus Herzog v. WUrttemberg, k. u. k. Feldzeugmeister u. k. wUrttemberg. Gene- ral d. Infanterie a la suite d. Inf.-Regim. Alt- WUrttemberg Nr. 121; * Karlsruh (Schlesien) 1. III. 1833; t daselbst 22. II.

Goth. Hofkalender 1904, 99; 111. Ztg. 120, 310 (vgl. Nr. 2791 vom 26. Dez. 1896 mit P); Woche 5, 377 (P).

Niquet, J. P., deutsch-luther. Geistlicher in Adelaide (Austral ien) ; * Berlin; f Adelaide 30. III., 91 Jahre alt Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

Nitsche, Eduard v., k. preuO. Generalleut- nant z. D., zuletzt bis 1880 Kommandant d. 19. Infant.-Brigade ; f 26. XII., 78 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

•Nokk, Wrilhelm, groflherzogl. bad. Wirkl. Geheimer Rat und Staatsminister a. D.;

* Bruchsal 30. XI. 1832; f Karlsruhe 13. II. BJ VIII, 3 (v. Weech); Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 540. 543 (Frankhauser, L: Karlsruher Ztg. 1903 Nr. 360: v. Wreech; Bad. Presse 1903 Nr. 38; Bad. Landesztg. 1903 Nr. 73; Deutsche Schulwelt d. 19. Jahrhdts., hrsg. v. O. W. Beyer [Leipz. u. Wien 1903], S. 218).

NS11, Ferdinand, k. preufi. Wirkl. Geheimer Oberregiemngsrat, bis 1898 vortrag. Rat im Mini steri urn des Innern, Mitglied d. Prtifungskommission f. habere Verwaltungs- beamte u. stellvertretender Prasident d. Kuratorium d. preufi. Rentenversicherungs- anstalt, auch juristischer Schriftsteller; f 27. VII., 73 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Nolopp, Werner, Volksschullehrer u. Kantor (zuletzt in Aken a. E.) a. D., Mannergesangs- komponist in Magdeburg; * Stendal 5. VI. 1835; f Magdeburg 12. VIII. Riemann6 929; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 135 (LUstner, mit L).

Nordenflycht, Gust a v Adolf Freiherr v., grofihzgl. mecklenb.-strelitz. Obcrlandforst- meister, 2. Kammerprasident; * Minden 27. VIII. 1825; f Neustrelitz 2. IX. Woche 5, 1644; Goth. Genealog. Taschen- buch d. Freiherrl. Hauser 1905, 541.

Norneck, Marie, Witwe des 1897 f k. k. Finanzrats Dr.jur. JosefRonneck,frtlhere Schauspielerin (Anstandsdame) am Hof- burgtheater in Wien; f daselbst 20. II., 63 Jahre alt. Fliiggen,Biograph.Blihnen- lexikon 1, 232; Neuer Theateralmanach 15, 140.

•Nostiz-Drzewiecki, Hans Florian v., k. sachs. Generalleutnant z. D.; * Dippoldis- walde 18. VIII. 1837; t Mentone 17. III. BJ VIII, 239 (Lorenzen); Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1905, 560; BZ12, 238 (Leipziger Neueste Nach- richten 1903 Beiblatt Nr. 11).

Oberdick, Johann, Dr.phil. honoris causa, Gymnasialdirektor a. D. in Breslau, klass. Philolog u.Historiker; * Herdringen 27. VI. 1835; t 26. VIII. - KL 25, 975 (W). 26,41*.

Ochs, Friedrich, Bildhauer in Berlin; f 1 1. I., 77 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Ockler, Alfred, Dr. phil%% Bibliothekar an d. Universitatsbibliothek in Halle a. S., Natur- forscher; * 21. III. i860; f Halle 29. XII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 296; KL 25, 977 (W). 26, 41 •.

Oheimb, Alexander Wilhelm Heinrich August, Herr auf Holzhausen b. Hausberge, Mitbesitzer von Stadthagen (Fttrstentum Schaumburg-Lippe), k. preufi. Wirklicher

83*

Totenliste 1903: v. Oidtman Pagenstecher.

84*

Geheimer Rat u. Land rat a. D., ftirstlich lippcscherKabinettsministera.D., Vorsitzen- der d. Provinziallandtags d. Pro v. Westfalen, 1 87 1 74 u. 1 88 1 —84 Mitglied d.Deutschen Reichstags f. Minden-Ltibbecke (konserv.), Ehrenbtirgcr d. Stadt Minden; * Enzen (Schaumburg-Lippe) 19. I. 1820; f Holz- hausen 8. VIII. Illustr. Ztg. 121, 279; Schoenfeld, Notizbuch f. Reichstagswahler .5, 1 80; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hiiuser 1904, 569.

♦Oidtman, Hugo v., k. preufl. General d. Infanterie z. D.; * Trier 20. VIII. 1835; t Sondershausen 22. III. BJ VIII, 256 (Lorenzen).

Olbrich, Irmgard, Schauspielerin ara Residenz- theater in Dresden; f Dresden 5. IX. FlUggen, Biograph. BUhnenlexikon 1, 233; Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen Bllhne 737; Neuer Theater- almanach 15, 156.

Oldenbourg, Rudolf, VerlagsbuchMndler in Mtinchen; * Leipzig 15. XII. 181 1 ; f Mttn- chen 10. X. 111. Ztg. 121, 607; Wochc 5, 1924 (P); Borsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 8086. 8174. 8208; BZ 1 3, 232 (Deutsche Buchhandelsblatter 4, 23).

Oelhafen, Karl v., k. bayer. Generalraajor z. I).; f Hammelburg 17. XI., 58 Jahre alt. 111. Ztg. 121, 841; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Oemisch, Walter, lyr.Dichter u.Schriftsteller; * Halle a.S. 10. VI. 1878; f daselbst im Januar. KL 25, 979 (W). 26, 41*.

*Oppel, Karl, Dr. phiL> Piidagog u. Frei- maurer, auch Novcllendichter; * Frankfurt a.M. 9. VIII. 1816; f daselbst 12. V. BJ VIII, 218 (BrUmraer); KL25, 987 (W); BrUmmer5 170.

Oppen, Hans Alexander Konstantin v., k. preuB. Generalmajor z. D. ; * Kieckbusch 17. VI. 1838; f Schoneberg b. Berlin 7. VI. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3; Goth. Genealog. Taschenbuchd. Adeligen Hiiuser 1905, 594.

Oppenheim, Amalie Aurelie Freifrau v., Gemahlin d. Bankiers u. Rennstallbesitzers Eduard Freiherrn v. O., k. u. k. General- konsuls a. D. in Kbln; * 29. V. 1835; f Kissingen 5. VI. Woche 5, 1054; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hiiuser 1905, 550.

Oppenheimer, Ludwig, Musikschriftsteller in Wien; f daselbst 24. I., 75 Jahre alt. Monatsheftef.Musikgesch. 36, 1 35 (LUstner).

Orny, T. (Pseudonym), Dichterin: s. Po- zorny, Tony.

Orth, Philipp, Lehrer in Darmstadt, Lieder- komponist; f Darmstadt 30. Xll. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 135 (LUstner, mit L).

Oertzen, Otto, Dr.ftAi/., Gymnasialoberlehrer in Schwerin, Numisraatiker; * daselbst 9. II. i855; t 5. VIII. KL 25, 981 (W). 26, 41*.

Oschmann, Adolf, Geistlicher. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 729 (Kaiser, L: Evang.-luther. Friedensbote v. Elsafi- Lothringen 33, 367).

Osterloh, G.Ed., k. sachs. General major z. D., zuletzt Kommandeur d. Fuflartillerie-Reg. Nr. 12; f 10. V1IL, 61 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Ostermayer, Eugen, Dr. phil.t Chemiker, Entdecker d. Sozojodols, Jodopyrins u. a.; f Erfurt 7. III., 53 Jahre alt. Leo- poldina 39, 86.

Oesterreich: Elisabeth Erzherzogin v., s. Elisabeth.

Klothilde Maria Erzherzogin v., s. Klo- thilde Maria.

Ostheim, Emil Freih. Marschalk v., Alter* tumsforscher: s. Marschalk v. Ostheim, Emil Freih.

•Oswald, Heinrich, Dr. thcoL, ptipstl. Haus- pralat, ordentl. Professor f. Dogmatik am Lyceum Ilosianum in Braunsberg; * Dorsten (Westfalen) 3. VI. 1817; f Braunsberg 7. VIII. BJ VIII, 194 (F. Lauchert); Keiter-J6rg, Kathol. Literaturkalender 6, 225 (W) ; Theolog. Jahresbericht 23 (1903), 1 197 (Nestle, mit L).

Ott, Karl, Sanger u. Schauspieler am Stadt- theater in Briinn ; * PreBburg 1843; t BrUnn 30. VIII. FlUggen, Biograph. BUhnen- lexikon 1,234; Neuer Theateralmanach 15,

155.

Ott Edler von Ottenkampf, Thcodor, k. k. Feldmarschalleutnant; f Wien 1. L, im 72. Jahre. Woche 3, 54.

Otto, Anton, Hof buchhandler in Neustadt a. H.t Musikfreund; f daselbst 3. XII. BOrsen- blatt f. d. Deutsch. Buchhandel 1903, 10346.

Oven, v., Dr., Senator, ehemal. 1. BUrger- meister von Frankfurt a. M.; f davselbst 27. XI., 87 Jahre alt Wochc 5, 2180.

Paalzow, Felix v., Dr. mcd.f Sanitatsrat, Mitglied d. Direktoriums d. Versicherungs- kamtner f. d. Arzte Deutschlands; Plaue 15. V. 1844; f Berlin 5. IV. Lcopol- dina 39, 103; Vita in P.s Dissertation: Ober d. EinfluB d. Hautreize auf d. Stoff- wcchsel. Bonn 1871.

Paar, Alfons Graf, k. u. k. Kammerer; * Kardac ReCiC 14. V. 1868; f Laibach 22. IX. Goth. Hofkalender 1904, 386.

Pagenstecher, Rudolf, k. preufl. General* major z. D., zuletzt bis 1892 Inspektor d. 3. Festungs-Inspektion; * 8. VII. 1838; f Wiesbaden 23. VII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3; 111. Ztg. 121, 245.

85*

Totcnliste 1903: Pankow Pctsch.

86*

Pankow, Marie, Souffleuse ; f Hamburg 5.VIII. ^— Neuer Theateralmanach 15, 154.

Papperitz, Robert Benjamin, Dr. phil.t Professor, Organist an d. Nikolaikirche zu Leipzig u. Lehrer f. Harmonie u. Kontra- punkt am k. Konservatorium d. Musik da- selbst, Komponist; * Pirna 4. XII. 1826; t Leipzig 29. IX. - Riemann6 975; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 135 (Lllstner, mit L).

Paravicini, Emil, Besitzer d. Kaltwasserbeil- anstalt Albisbrunn (Kanton Zurich, Ge- meinde Hausen); * Ennenda (Schweiz, Kanton Glarus) 1840; f im Januar. Vircbows Jabresbericbte 38, 1, 421 (Ltistner, mit L); BZ 12, 285 (Korrespondenzblatt f. Scbweizer Arzte 1 903, 394 : Walter).

Pasqualati von Osterberg, Amalia Freiin v., geb, v. Vogl, verdient urn d. Dilettanten- schauspiel in Wien, spater auch Leiterin d. Harmonietheaters daselbst; * 19. V. 1823; f Wien 21. III. Neuer Theateralmanach 15, 144; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1897, 722; Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisert. Osterreich

21, 3«9-

*Passini, Ludwig, Professor u. ordentl. Mit- glied d. Akademie d. KUnste in Berlin, Aquarellmaler ; * Wien 9. VII. 1832 ; f Vene- dig 6. XI. BJVIII, 25 (H. Schmerber); Das geistige Deutschland 1, 510; BZ 13, 237 (Voss. Ztg. 1903 Nov. 7; Berliner Neueste Nachrichten 1903 Nov. 7: G. Bufl).

Paster, Clemens, Dr. med.% prakt. Arzt in Mtinchen, frliher in den Tropen tatig u. Kenner ihrer Medizin; f Mtinchen im Fe- bruar. Mtinchner Mediz. Wrochenschrift

1903, 3^°- Pauling, Adolf, ehemal. Orchestermitglied ;

* 14. IV. 1835; t Oldenburg im erst. Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Pauly, Frau Tony (Pseudon.: Antoinette, Cyrillus, Antonius, Hans Czirn), Dichterin u. Jugendschriftstellerin in Berlin;

* Liebemiihl (Ostpreufl.) 13. IV. 1842; f 8. VII. Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 1, 119. 2, 152 (mit W); KL 25, 1005 (W). 26, 41*.

*Pecht, Friedrich, Maler u. Kunstschriftsteller ;

* Konstanz 2. X. 18 14; f MUnchen 24. IV. BJ VIII, 51 (H. Holland); 111. Ztg. 120, 660 (H. Steinbach, mit P); Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 543 (Frank- hauser) u. BZ 12, 247. 13, 238 (Kunst f. Alle 18, 369; Kunstchronik 1903 Nr. 26 u. Zeit 1903 Nr. 449: F. v. Reber; Mttnchn. Allgemeine Ztg. 1903 Nr. 114 Abendblatt: K. Voll; ebenda Nr. 117 Abendblatt: O. Moralt; Bad. Landesztg. 1903 Nr. 190;

Frankfurter Zg. 1903 Nr. 121 Morgenblatt: G. Habich ; Neue Zttrcher Ztg. 1903 Mai 1 1 ; Hannov, Courier 1903 April 28; Berliner Tageblatt 1903 April 27 ; Augsburger Abendztg. 1903 Sammler Nr. 53).

Peiser, Karl, Musikalien- u. Instrumented handler (Gebrtider Hug & Cie.) in Leipzig, auch Musikhistoriker; f Leipzig 18. IV. KL 25, 1007 (W); Bbrsenblatt ftir d, Deutschen Buchhandel 1903, 3118. 3210; Monatshefte f, Musikgesch. 36, 136 (Ltist- ner, mit L).

♦Perels, Ferdinand, k. preufl. Wirkl. Geheimer Rat, Direktor d. Verwaltungsdepartemcnts der Reichsmarineamts u. stellvertretendcr Bevollmachtigter zum Bundesrat, ordentl. Honorarprofessor d. Rcchte an d. Universitat Berlin; * 30. VI. 1836; f ebenda 24. XII.

BJ VIII, 151 (A. Teichmann). Persius, Konrad, Prediger an d. Heiligengeist-

kirche in Potsdam, ehemal. Hausgeistlicher Kaiser Friedrichs III.; f Potsdam 23. VII., 66 Jahre alt. Woche 5, 1372 ; Voss. Ztg. 1904 Nr. 5. Peschka, Gustav Adolf v., Dr. phtl., k. k. Hofrat, ordentl. Professor an d. Techn. Hochschule in Wien, Mitglied d. Akademie d. Wissenschaften daselbst; * Joachimstal (Btthmen) 30. VIII. 1830; f Wien 29. VIII.

Leopoldina 39, 132; KL25, 1012 (W); Poggendorff 3, 1024. 4, 1043.

Peters, Pieter Francis, Landschaftsmaler; * Nijmwegen 1818; f Stuttgart 23. II. Muller-Singer, AUgemeines Ktinstlerlexikon3 3, 414; HI. Ztg. 120, 347,

Peters, Wilhelm, Historienmaler in Berlin; f 14. XL, 85 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 1 1 .

•Petersdorff, Ernst v., k. preufl. General- leutnant z. D. ; * Friedeberg (Neumark) 22. VIII. 1841; f Berlin 25. II. BJVIII, 205 (Lorenzen).

♦Peterssen, George Rudolf, Dr. fur. honoris causa, kaiserl. deutscher Wirkl. Geheimer Rat, Senatsprasident am Reichsgericht in Leipzig; * Osnabrtick 25. III. 1826; f Leip- zig 27.II. BJ VIII, 268 (A. Teichmann).

Petrenz, Rudolf, Verlagsbuchhandler in Neu- ruppin; f daselbst 24. I., 74 Jahre alt. Borsenblatt f.d.Deutschen Buchhandel 1903, 776.

Petri, Theodor Hermann, langjahr. Btirger- meister v. Detmold; f daselbst 13. I., im 55. Jahre. Voss. Ztg. 1904 Nr. 1 ; Woche 5, 144 (mit P).

Petry, Charlotte, verehel. Wilhelmy, Pianistin u. Sangerin: s. Wilhelmy, Charlotte.

Petsch, Franz, Marine-Oberbaurat a. D., zu- letztMaschinenbetriebsdirektorinWilhelms- haven; f Charlottenburg 8. XII., 59 Jahre

87*

Totenliste 1903: Petsch v. Preysing-Lichtenegg-Moos.

88*

alt. 111. Ztg. 121, 753; Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Petsch, Walter, 1879—92 Rat am Reichs- gericht in Leipzig; f 22. VIII., 77 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 5.

Peucer, Karoline, gcb. Wi eland, letzte Enkelin d. Dichters; f Weimar 6. XII., 84 Jahre alt. 111. Ztg. 121, 956.

Pfaft, Albert, Kommerzienrat, Chef d. grofien MtfbeJfirma J. C PfafT in Berlin; f *4- I., 61 Jahre alt Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

•Pfltzner, Wilhelm, Dr. tried., aufierordentl. Professor f. topograph. Anatomie u. Prosektor an d. Universit&t Straflburg i. E.; * Olden- burg (Holstein) 22. VIII. 1853; f Straflburg 1. I, BJ VIII, 82 (Pagel); Leopoldina 39, 44; Ztschr. f. d. Geschichte d. Ober- rheins 58, 729 (Kaiser, L) u. BZ 12, 249 (Archiv f. offend. Gesundheitspflege inElsafi- Lothringen 22, 256: H. Freund; Ztschr. f. Morphologie und Anthropologic 5, V: G. Schwalbe).

•Pfliiger, Emst, Dr. med., ordentl. Professor d. Augenheilkun4& an <*. Universit&t Bern ; * BUren a. d. Aare 1. VII, 1846; f Bern 30. IX. BJ VIII, 104 (Pagel); BZ 13, 242 (Klin. Monatsblatter f. Augenheilkunde !9<>3i S49: A. Siegrist; Deutsche Medizin. Wochenschrift 1903, 839; F. Stoeger, mit P; DerBund 1903 Oktober 5 u. 6 : Valentin).

Philippovich von Philippsberg, Franz Freih. v., k. k. Wirkl. Geheimer Rat u. Feldzcug- meister i. R.; * Gospte (Kroatien) 12. X. 1820: f Wien 7. VI. 111. Ztg. 120, 925; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 582; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 22, 208.

Platte, August, Generaldirektionsrat d. oster- reich. Staatsbahnen, Fachschriftsteller, auch Schachspieler; f Wien 4. X., 73 Jahre alt. 111. Ztg. 121, 571.

Pochmann, Eduard, Regisseur am Thalia- theater in Hamburg; * Dresden 17. XI. 1839; t Hamburg 20. XI. NeuerTheater- almanach 16, 172; Eisenberg, Grofies bio- graph. Lexikon d. Deutschen BUhne 775.

Pohler, Armand (Pseudon,: Augustus), Regisseur des Kaiser-JubiHlumstheater in Wien, auch Dichter u. Schriftsteller; * Wien 24. I. 1852; f im Dezember. KL 24, 1094 (W). 26, 41*; BZ 13, 246 (Ostdeutschc Rundschau 1903 Dezember 12).

Pohlschrftder, Philipp, Organist u. Musik- lehrer in Ahaus (Westfalen) ; f daselbst 3. XI., 82 Jahre alt. Monatshefte ftir Musikgesch. 36, 136 (Ltistner, mit L).

Polenz, Wilhelm v., Rittergutsbesitzer auf Schlofl Ober-Cunewalde (Kftnigr. Sachsen), Dichter; * Ober-Cunewalde 14. I. 1861; f Dresden 13. XI. 111. Ztg. 121, 800

(M.Wallberg, mit P); BZ 13, 246. 14, 228 (Gegenwart 1903 Nr. 48 u. 1904 Nr. 26: H. Ilgenstein; Neue preufl. Ztg. 1903 Dezem- ber 10: Derselbe; Das Land 12, 69 u. Rhcin.-westfcl. Ztg. 1903 Dezember 6: E. Kalkschmidt; Zeit 1903 Nr. 477: M. G. Conrad; Leipziger Ztg. 1903 Wissen- schaftliche Beilage Nr. 139; Ernstes Wollcn 15,257: H. Driesmans; Frankfurter Ztg.

1903 Nr. 18: J.Ettlinger; Leipziger Neucste Nachrichten 1903 Beil. Nr. 29; DerKunst- wart 1904 Heft 7, 444; Deutsche Rundschau

1904 Februar S. 303: O. Frommel); Brtim- mer5 3, 237. 527 (mit W); KL 25, 1041 (W).

Pollhammer, Josef, Dr.jur., Notar inKrems, Obmann d. Allgemeinen NicderCsterrcich. Volksbildungsvereins, Dichter; * Aussce (Steiermark) 20. II. 1832 ; f Krems 2. X. 111. Ztg. 121,571 ;KL25, 1043 (W).26,4i*; BrUmmerS 3, 239. 527 (mitW): Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 23, 86 (mit L); BZ 13, 246 (Volksbildungs- blatter 1903, 162).

Pommer-Esche, Albert v., k. preufi. Wirkl. Geheimer Rat, 1890 97 Obcrprasident d. Prov. Sachsen; * Berlin 14. VI. 1836; f Berlin 6. XII. III. Ztg. 121, 956.

Pott, Paul v., k. k. Kontreadmiral, Komman- dant d. Seearsenals in Pola; f daselbst 14. I. Woche 5, 144.

Pott, Hermann, Richard, Dr. med., Professor f. Kinderheilkunde an d. Universit&t Halle a. S., Direktor d. Kinderheil- u. Pflegestatte d. Vaterland. Frauenvereins; Halle a. S. 22. X. 1840; f Wernigerode 26. IX. Virchows Jahresberichte 38, I, 421 (Pagel, L); Pagel 13 19; Lexikon d. hervorragend. Arzte 4, 6x8; BZ 13,247 (Archiv f. Kinder- heilkunde 37, 491 : Baginsky; Jahrbuch f. Kinderheilkunde 58, 860: O. Heubner).

Pozorny, Tony (Pseudon.: T. Orny, J. v. B r Q n n), Dichterin u. Jugendschriftstellerin ; Brtlnn 8. II. 1841; f l6- IX- KL 25, 1049 (W). 26, 41*; Pataky, Lexikon Dcutscher Frauen d. Feder 2, 151 (mitW).

Prenzlau, K. v. (Pseudonym), Schriftsteller: s. Zastrow, Karl.

Preufi, Georg, Oberlehrer f. Griechisch u. Latein am k. Gymnasium u. Realschule in Thorn; Schroop (Kreis Stuhm) 13. VII. i860; f Thorn 29. I. Jahresbericht d. Gymnas. in Thorn 1902/03, 33 (H.Kanter).

Preysing-Lichtenegg-Moos, Johann Kon- rad Friedrich Franz Leopold Konstantin Heribert Graf v., Fideikommiflherr auf Moos (Oberbayern) u. erbl. Reichsrat d. Krone Bayern, fc. bayer. Kammerer, Kapitular- Groflkomtur u. Groflkanzler des k. bayer. St. Georg-Ordens, mehrmals Mitglied des

89*

Totenliste 1903: Priebatsch Rechtern.

90*

Deutschen Reichstags (Zentrum); * Zeil (WUrttemberg) 16. III. 1843; f Mttnchen 6. VI. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Grafl. Hauser 1904, 656; Woche 5, 1054 (P); BZ 12, 257. 13, 248 (Histor.-polit. Blatter 131, 926; Germania 1903 Juni 9; Augsburger Abendztg. 1903 Juni 7 u. 9; Bayerland 14, Nr. 47; Deutscher Haus- schatz 29 Nr. 41); (F. X. Haiti) Zum Ge- dachtnis d. Graf en J. K. F. v. P.-L.-M. Mttnchen, Oldenbourg, 1905 (mit P). Priebatsch, Leopold, Mitinhaber der von ihm 1861 in Breslau begrUndeten Kunst- u. Landkartenhandlung; f daselbst 5. XI.

Borsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel

1903, 9063-

Primbs, Karl Johann Nepomuk, k. bayr. t Reichsarchivrat in Mttnchen, Historiker u. Heraldiker; * Passau 25. III. 1826; f Mttn- chen 19. XI. Archival. Ztg. N. F. 11, 303 (O. Rieder, mit W); Verhandlungen d. histor. Vereins d. Oberpfalz 55, 295 (H.[ugo] G.[raf] W.[alderdorff.]).

Prott, Hans Theodor Anton v., Dr. phil., Mitglied d. Deutschen Archaolog. Instituts in Athen, Archaolog; * Hannover 4. VIII. 1869; f Athen 14. IX. Allgeroeine Ztg. 1903 Beil. 214; Vita P.s in seiner Dissertation: Fasti Grace orum sacri. Lips. 1893; 111. Ztg. I2i, 523.

•Przewloka, Thomas, Geheimer Oberjustiz- rat u. vortrag. Rat im preufi. Justizministe- rium; * Niederkunzendorf 7. XII. 1852; f Berlin 26. IX. BJ VIII, 149 (A.Teich- mann).

Puchta, Anton, Dr. phil., ordentl. Professor d. Mathematik an d. Universit&t Czerno- witz; * Altsattl b. Haid 4. III. 1851; f Czernowitz 18. II. Leopoldina 39, 48; Poggendorff 4, 11 99 (W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 45.

Puckler und Limpurg, Eduard Karl Kurt Graf, kaiserl. deutscher Stationschef in Kamerun; * Mttnchen 28. X. 1875; t Basso (Kamerun). Goth. Genealog. Taschen- buch d. Grafl. Hauser 1904, 173; 111. Ztg. 122, 218.

♦Punkes, Josef, Dr. theol., Geistlicher Rat,

4 Professor d. Theologie am Lyzeum in

Freising; * Eckb. Isen (Oberbayern) 16. II.

1835; f Freising 23. X. BJ VIII, 245

(F. Lauchert).

Putzger, Emil, ehemal. Orchestermitglied ; Naumburg 10. IV. 1838 ; f Lttbeck 29. XII.

Neuer Theateralmanach 16, 176. Raab, Franz, Dr. phil., Gymnasialprofessor

in Wien, lyr. u. dramat. Dichter u. philosoph. Schriftsteller; Ried 10. X. 1836; f 4. V.

KL 24, 1 1 16 (W). 26, 41*-

Raab von Rabenau, Karl, Chefredakteur

d. »Tagespost« inGraz; *Nassenfufl 25. IX. 1849; f Graz 28. I. KL 25, 1062. 26, 41*; BZ 12, 260 (Padagog. Ztschr. 1903 Nr. 4: M. Camuzzi).

Radcliffe-Grote, August, Professor, Entomo- log; f Hildesheim 12. IX., im 63 Jahre. Woche 5, 1690; BZ 13, 251 (Insekten- bttrse 1903, 305 mit P).

*Radde, Gustav Ferdinand Richard, Dr. phil., kaiserl. russ. Wirkl. Staatsrat, Direktor d. Kaukas. Museums in Tiflis, Reisendcr u. Naturforscher; * Danzig 27. XI. 1831; f Tiflis 15./16. III. BJ VIII, 39 (V. Hantzsch); Leopoldina 39, 121. 135 (O. Drude u. O. Taschenberg, mit W); BZ 12, 260. 13, 251. 14, 232 (Gaea 1903, 197: Btfttger; Ornitholog. Monatsschrift 1903, 61; Naturwissenschaftl. Rundschau IO<>3> 309: A. Jacobi; Ztschr. f.Ornithologie l9°3» 49; Nationaktg. 1903 Marz 20: E. Zabel; Schles. Ztg. 1903 Nr. 202; Inter- nationales Archiv f. Ethnographie 16, 78; Ornitholog. Monatsschrift 28, 399 u. Journal f. Ornithologie 1904, 1 : R. Blasius, mit P); Aquila 1903, 308: O.Herman; Ztschr. fttr Ornithologie 28, 18).

Rapp, Adam, Dr. med.9 Hofrat, Arzt in Reichenhall, bezirksarztl. Stellvertreter, Vor- sitzender d. arztl. Bezirks vereins Traunstein- Reichenhall, Delegierter d. oberbayer. Arzte- kammer fttr den Obermedizinalausschuft; 29. XI. 1843; t ".VII. Virchows Jahresberichte 38, I, 421 (Pagel, mit L).

Rappoldi, Eduard, k. sachs. Hofrat, k. preufl. Professor, Konzertmeister bei d. k. Kapelle u. erster Lehrer d. Violinspiels a. D. am k. Konservatorium der Musik in Dresden, Violinist; Wien 22. II, 1839; t Dresden 16. V. Riemann6 1067; Dresdener Kunst 3 (1898), 1027; Dresdener Rundschau 3 (1894) Nr. 29. 7^898) Nr. 51; Tagebuch d. k. sachs. Hoftheater 87 (1903), 100: A. Kohut: D. Dresdener Hoftheater (Leipzig 1888) S. 410; Neuer Theateralmanach 15, 14^; 111. Ztg. 120, 858; Woche 5, 920 (P); Monatshefte f. Musikgesch. 36, 136 (Liist- ner, mit L). Mit bibliograph. Beitragen y. Professor H. A, Lier.

Rathenau, Erich, Direktor d. Kabelwerke d. Allgemeinen Elektrizitatsgesellschaft, her- vorragender Elektrotechniker ; f in Agypten 19. I. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Rechberg und Rothenlowen zu Hohen- rechberg, Walpurga Marie Julie, Witwe d. Grafen Albert (1803— 1885); * Mttnchen 16. 1. 1809; f Donzdorf(Wttrttemb.,Donau- kreis) 6. IV. Goth. Hofkalender 1904, 176.

Rechtern, Emil, kaiserl. deutscher Geheimer Admiralitfttsrat u. vortrag. Rat im Reichs-

9i'

Totenliste 1903: Reginus Richter.

92*

marineamt; f Grofl - Lichterfelde 3. V,, 64 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 725.

Reginus, J. (Pseudon.), Dichter: s. Bretzl, Jos.

Reichenheim, Georg, Dr., Mitinhabcr der Firma N. Reichenheim & Sohne, Kunst- sammler 2. XII., 61 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Reich, Rudolf, Inhaber d. Verlags- u. Sorti- mentsbuchhandlung C. Detloff in Basel; * Offenbach a,M. 30. IX. 1849; t Hamburg 2. J. Bbrsenblatt f. d. Deutschen Buch- handel 1903, 112. 2063. 5239. 5626.

Reichl, Eduard, Dr.j'ur., Justizrat, Landes- advokat in Eger, Lokalhistoriker ; * Amons- grUn 18. I. 1840; f Eger 19. IX. 111. Ztg. 121, 523; KL 25, 1079 (W). 26, 41*.

*Reichmann, Theodor, k. k. Kammersanger (Baritonist) in Wien; * Rostock 18. III. 1849; t Marbach am Bodensee 22. V. BJ VIII, 209 (R. Heuberger); Riemann6 107S ; Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon der Deutschen Biihne 810; 111. Ztg. 120, 858 (u. Nr.3029 vom 18. Juli 1901, mitP); Woche 5, 968 (P); Neuer Theateralmanach

15, 58 (rnitP); FlUggen, Biograph. BUhnen- lcxikon 1, 252; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 136 (Liistner, mit L); BZ 12, 263. 13, 254 (Tagl. Rundschau 1903 Mai 26; Ham- burger Nachrichten 1903 Mai 26: M. Graf; AugsburgerAbendztg. 1903 SammlerNr.66; Bayreuther Blatter 1903,224; BUhneu.Welt

5r 923.

Reifenkugel,Karl, Dr.phiL, k. k. Regierungs- rat u. Bibliothekar, Vorstand d. Universitats- bibliothek in Czernowitz; *Lemberg 31. XII. 1846; f Czernowitz 20. X. 111. Ztg. 121, 681; Allgemcine Ztg. 1903 Beil. 243.

Reiflmann, August, Dr. phil.% Musikschrift- steller u. Komponist in Berlin; * Franken- stein (Schlesien) 14.XI. 1825; f Wiesbaden 1. XII. Riemann* 1083 (mit W); KL 25, 1068 (W). 26, 41*; Neuer Theateralmanach

16, 173; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 136 (Liistner, mit L).

Reitz, Alfred, Inhaber d. Sortiments- u. Ver- lagsbuchhandlung Reitz & Kohler in Frank- furt a.M. ; * Landsberg(Ostpreuflen) ; f Frank- furt a. M. 27. 1. Borsenblatt f. d. deutschen Buchhandel 1903, 906.

Renner, Ludwig, Dr. theoL <t phil., Ober- konsistorialrat u. Hofprediger in Hasserode b. Wernigerode, Superintendent u. erstes geistl. Mitglied d. ftirstl. Stolbergischen Konsistoriums; * 10. IV. 1834; f Wernige- rode 29. XI. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5; Theolog. Jahresbericht 1903, 11 97 (Nestle, mit L).

Resch, Eduard, Dr. wed., Kantonalarzt in Saarunion, Begrtinder d. Deutschen Hebam-

menvereins ; * Durstel (Elsafi) 1 858 ; f 20. IV.

Virchows Jahresberichte 38, I, 421 (Pagel, mit L) ; BZ 1 2, 265 (Archiv f. tfffentl. Gesundheitspflege in Elsafl-Lothringen 22, 380: Kbster; AUgemeine deutsche He bam - menztg. 1903, 203: Ch. Hamm).

Reufi jiingere Linie, El eon ore Prinzessin, geb. Grafin zu Stolberg- Wernigerode, Schriftstellerin : s. El eon ore.

, Marie Prinzessin, verw. Grafin zu Stol- berg-Wernigerode: s. Stolberg-AVerni- gerode, Marie Grafin zu.

Reuter, Elisabeth, Landschaftsmalerin in LUbeck; * daselbst 21. IX. 1853; f Heidel- berg urn die Mitte des J ah res. 111. Ztg. 120, 725; Mtiller-Singer, Allgem. Ktinstler- lexikon3 4, 47; Das geistige Deutschland

1, 558. Reuter, Karl, ehemal. Schauspieler; f Berlin

im Februar, ttber 80 Jahre alt. Neuer

Theateralmanach 15. 140. Reuter - Eichberg, Leonie, Schauspielerin;

* 2. XI. 1885; ertrunken im Bodensee 18. V.

Neuer Theateralmanach 15, 150. Reyher, Gustav, Dr. wed., kaiserl.russ. Staats-

rat, frtiher Dozent f. klinische Medizin an der Universitat Dorpat; * Riga um 1831; f Dorpat 3 1 . X. Virchows Jahresberichte 38, I, 421 (Pagel, mit L); AUgemeine Ztg. 1903 Beil. 294.

Reinhardt, Karl, Dr., kaiserlich deutscher Konsul in Buschir (Persien); hervorragen- der Sammler; f Mtinchen 25. XI. Vfoss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Reitz, Martin, Beamter d. Vereinigten Stadt- theater zu Frankfurt a.M.; * daselbst 3. VIII. 1827; f ebenda 19. XII. Neuer Theater- almanach 16, 172.

Rheinau, Eugen, bad. Oberst. Ztschr. f. d. Geschichte d. Oberrheins 58, 543 (Frank- hauser, L: A. Dammert im Bad. Militar- vereinskalender 1904, 80 SS).

Rheinfelder, Friedrich, Tier- u. Genreroaler, vormals Mitglied d. tisterr. Gesandtschaft in Hannover; * Wien 19. IV. 1838; f Gore 21. VIII. 111. Ztg. 121, 175.

Rhode-Ebeling, Hermann, Schauspieler u. Oberregisseur am Luisentheater in Berlin;

* Hamburg 30. VIII. 1843; t Berlin 30. 1.

FlUggen, Biograph. Biihnenlexikon it 255; Neuer Theateralmanach 15, 139.

Richter, Ferdinand, Dr.} emeritierterPrediger, Mitglied des preufi. Abgeordnetenhauses ;

* 25.H. 1822; f Mariendorf b. Berlin 12.X.

111. Ztg. 121, 607; Theolog. Jahres- bericht 1903, 1 197 (Nestle).

Richter, Gustav Reinhold, ehemal. Tischler- raeister, frtiher Altersprasident d. Hamburger BUrgerschaft u. wiederholt deren Vizeprasi- dent, 1881—84 Mitglied d. Deutschen

93'

Totenliste 1903: Richter von Steinbacb v. Rothe.

94'

. Reichstags f. Tondem Husum Eiderstedt (forlschrittl.) ; * Nostiz b. Lftbau (sachs.Ober- lausitz) 10. X. 1 81 7; f Hamburg 23. IX. 111, Ztg. I2i, 523; Voss. Ztg. 1904 Nr. 1 ; Schoenfeld, Notizbuch f. Reichstagswahler5 150.

Richter von Steinbach, Ottokar, k. preufi. Generalmajor z. D., zuletzt bis 1889 Kom- mandeur des 22. Feldartillerieregiraents; f 3. XII., 73 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

*Rimpau, VVilhelm, Dr., k. preufl. Amtsrat, Landwirt; * Schlanstedt (Prov. Sacbsen) 29. VIII. 1842; f daselbst 20. V. BJ VIII, 259 (Quante); BZ 13, 261 (Land- wirtschaftl. Jahrbticher 32, 483: H. Thiel, mit P).

♦Rocholl, Karl, k. preufl. Wirkl. Geheimer Oberjustizrat, friiher Senatsprasident am Oberlandesgericht in Naumburg a. S.; * Erfurt 2. VI. 1824; f Naumburg a. S.

14. I. BJ VIII, 268 (A.Teichmann). Roddewig (Rod o wick), Karl, Schauspieler

u. Sanger in Solothurn ; * Grund a. H. 5. X. 1878; f Solothurn 1. II. Neuer Theater- almanach 15, 140; Monatshefte fiir Musi k- gesch. 36, 136 (Ltistner, mit L).

Rohde, William Ottomar, Dr.pkil., Direktor d. Landwirtschaftsschule inEIdena b. Greifs- wald; * Eldena 19. X. 1847; t Greifswald im Juni. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 141 ; 111. Ztg. 121, 25; Vita in R.s Dissertation: t)ber die Pyroschleimsaure. Greifswald 1872.

R5hrs, Christoph, ehemal. Konzertmeister in Bremen; * Scharnebach 13. V. 1829; f Bremen i.VI. Neuer Theateralraanach

15, 151; Monatshefte fttr Musikgesch. 36, 137 (LUstner, mit L).

*Rollett, Alexander, Dr. mcd.t k. k. Hofrat, ordentl. Professor d. Physiologie u. Histo- logic a. D. an d. Universitat Graz; * Baden b. Wien 14. VII, 1834; f Gfa* 1. X. BJ VIII, 249 (O.Zoth); Leopoldina 40, 38; Poggendorff 3, 11 38. 4, 1266 (W); Wurz- bach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Oster- reich 26, 301; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 222; BZ 13, 258. 14, 239 (Mitteilungen d. Vereins d. Arzte in Steiermark 1903, 269 u. 1904, 1: Fraydl; Deutsche Medizin. Wochenschrift 1903, 910: J. Kraus; Folia hacmatologcia 1, 11 : F. Mttller).

Rolopp, Werner, Liederkomponist in Magde- burg; f daselbst im August, 68 Jahre alt. 111. Ztg. 121, 279; Voss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Roepell, Max, Prasident der k. Eisenbahn- direktion in Posen; f 2. III. Voss. Ztg.

. 1903 Nr. 608.

Rftmer, Auguste v., verehel. de laChcvallerie,

Dichterin u. Schriftstellerin : s. C h e v a 1 1 e-

rie, Auguste de la. Ronneck, Marie, geb. Norneck, frUhcre

Schauspielerin : s. Norneck, Marie. Rose, Finanzrat, Prasident der Koburger

Handelskammer; f 12. XI. Voss. Ztg.

1904 Nr. 13. Rose, Bernhard, ehemal. Kammermusiker an

d. kgl. Kapelle in Berlin; f Friedenau b.

Berlin 22. V., 62 Jahre alt Neuer Theater-

almanach 15, 151. Rosenkranz, Friedrich Christian, Komponist,

kgl. u. stadt. Musikdirektor in Heidelberg;

Halle 21. IV. 1 8 18; f Heidelberg 18. I.

Woche 5, 190; Monatshefte f. Musik- gesch. 36, 137 (LUstner, mit L).

*Roesicke, Richard, herzogl. anhaltin. Kom- merzienrat, Generaldirektor d. Schultheifl- brauerei in Berlin, Mitglied d. Deutschen Reichstags, preufl. Handelsrichter, Mitglied d. Reichsversicherungsamtes, Vorsitzender d. Verbandes d. deutschen Berufsgenossen- schaften, Industrieller u. Sozialpolitiker;

* Berlin 24. VII. 1845; t Berlin 2I- V1L

BJ VIII, 6 (ITi. Barth); BZ 13, 259. 14, 240 (Die Hilfe 1903 Nr. 32: H. v. Ger- lach; Nation 20 Nr. 43: K. Schrader; Soziale Praxis 1903 Nr. 44: E. Francke; VolkstUml.Ztschr. f. prakt. Arbeiterversiche- rung 1903 Nr. 16: S. P. Altmann; Unser Anhaltland 1903, 337; G.Partheil; Ethische Kultur 1903 Nr.31; Volkswohl 1903^.32; Frankfurter Ztg. 1903 Juli 26; Berliner Tageblatt 1903 Juli 29 u. 30: F.NeubUrger; Jahrbuch d. Versuchsanstalt f. Brauerei 6, 215: M. DelbrUck).

Rosner, Gustav, pensionierter Kapellmeister in Breslau; f daselbst 12. XL, 71 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 137 (Liistner, mit L).

Rosner, Leopold (Pseudon.: Hohenmarkt), Schriftsteller u. Verlagsbuchhandler (friiher auch Schauspieler) in Wien; * Budapest 21. V. 1838; f Wien 13. VII. KL 25, 1 127 (W). 26, 41*; Woche 5, 1372; BrUmmerS 352. 552 (mit W).

Roflmann, Marie, geb. Hirsch, ehemal. Sou- brette: s. Hirsch, Marie.

Roth, Alfred, schweizer. Oberst, Chef d. eid- genttss. Versuchsstation f. Artillerie- u. Hand- feuerwaffen; * Rheineck 1845; f Thun 26. III. 111. Ztg. 120, 507.

Roth, Georg, Groflindustrieller (Metallwalz- werke u. Munitions fabriken) in Wien, persi- scher Generalkonsul daselbst; f Hietzing b. Wien 22. XL, 68 Jahre alt. 111. Ztg»

121,913. Rothe, Adolf Nikolaus v., Dr. med., kaiserl. russ. Staatsrat, Psychiater in Warschau, Mitarbeiter an zahlreichen deutschen mediz.

95'

Totenlistc 1903: Roethig Salomon.

96*

Zeitschriften; *Zgierzb.Lodz 6. XII. 1832; f 6, II. Lexikon hervorrag. Arzte 5, 92; Virchows Jahresberichte 38, I, 422 (Pagel, mitWu.L); BZ 12,269 (Allgemeine Ztschr. f. Psychiatrie 60, 302 : A. Rosenthal).

Roethig, Johann Wilhelm Oskar, Dr.phiL, bis 1900 Professor f. Mathematik an d. Friedrich Werder-Oberrealschule in Berlin ; * daselbst 31. X. 1834; f Charlottenburg 14. VI. Leopoldina 39, 103; Poggcn- dorff 2, 677. 3, 1133. 4, 1262 (W).

Rouvray, Julius v., k. sachs. Major a. D., im Kriege von 1870 »der Sturmfahnentrager von St. Private; f Dresden, 64 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 413.

♦Riickauf, Anton, Komponist; Prag 13. HI. 1855; f Erlaa b. Atzgersdorf (Niederosterr.) 19. IX. BJ VIII, 297 (R. Heuberger); Neuer Theateralmanach 15, 153; Monats- hefte f. Musikgesch. 36, 137 (Ltistner,mitL); BZ 13, 260 (Deutsche Arbeit 3, 147: H. Rietsch).

Riidiger, Erdmann, ehemal. Kammermusikus d. kgl. Hofkapelle zu Dresden; f daselbst 1 8. VII. Neuer Theateralmanach 15, 153; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 137 (Ltist- ner, mit L).

Rudolph, Karl, frUherer fUrstl. Karnmervirtuose in Sondershausen; Dornburg 8. V. 1840; f Sondershausen 15. XI. Neuer Theater- almanach 16, 171; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 137 (Lilstner, mit L).

Ruef, Marie, Schauspielerin u. Theaterdirek- torin in Davos, Glarus u. St. G alien ; f Heiden (Schweiz) 13. XI., 70 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 16, 170.

Ruetschi, Albert, Rudolf, Dr., Honorar- professor an d. theolog. Fakultat in Bern, ehemals Pfarrer u. President d.Synodalrates daselbst, theolog. Schriftsteller ; * Bern 3. XII. 1820; f daselbst 30. 1. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 26; Holtzmann u. ZCpffel, Lexikon f. Theologen* 932; Scbaff & Jack- son, Encyclopedia of living divines 183.

*Ruge, Sophus Dr. phil.t k. sachs. Geheimer Hofrat, ordentl. Professor d. Geographic u. Ethnographic an d. Techn. Hochschule in Dresden; * Dorum (Hannover) 26. III. 1831 ; t Klotzsche b. Dresden 23. XII. BJ VIII, 34 (V. Hantzsch) ; Leopoldina 40, 38 ; Geo- graphisch. Jahrbuch 26, 440 (W. Wolken- hauer, mit W u. L); Poggendorff 4, 1284 (W); BZ 13, 260. 14, 241 (Dresdener Anzeiger 1903 Dezember 24; Dresdener Journal 1903 Dezember 24: H. Gebauer).

Ruschhaupt, Walther, Dr. mcd. et pAil., Assistent am pharmakolog. Institut d. Uni- versitat Breslau, Chemiker; * Bielefeld 14. IV. 1874; t 7- I*1- Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 60; Lebenslauf in R.s Disser-

tation: Ober d. Abktfmmlinge des m-Bis- cyclohexans etc. Bonn 1897.

Rutgers, Julius, Grofiindustrieller in Berlin (Impragnierung von Eisenbahnschwellen) ; f Berlin 6. IX., 73 Jahre alt. 111. Ztg. 121, 411; BZ 13, 261. 14, 242 (D. chem. Industrie 1903 Nr. 20 ; Berichte d. Deutschen chem. Gesellschaft 37, 4582: G. Kraemer).

Rutar, Gymnasialprofessor in Laibach, Histo- riker; f Laibach im Mai. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 101.

Rutte, A. v., 1825—1903. BZ 14, 242 (Verhandlungen d. schweizer naturforsch. Gesellschaft 86, V: F. Anderegg).

Saare, Oskar, Dr. phil.f Professor, Vorstcher d. analyt. Laboratoriums im Institut ftir Garungsgewebe u. Starkefabrikation an d. Landwirtschaftl. Hochschule in Berlin; f da- selbst im Mai (oder Junj ?). Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 198; BZ 13, 261. 14, 242 Ztschr. f. angewandte Chemie 16, 663: E. Parow, mit P; Jahrbuch d. Versuchs- anstalt f. Brauerei 6, 219: M. DelbrUck; Jahrb. d. Spiritusfabrikanten Deutschlands 1904, 247: E. Parow); Leopoldina 39, 87.

Sachs, Milan, Dr.med., Bakteriologe; * Agram 1877; f 5. VI. Virchows Jahresberichte 38, 1, 422 (Pagel, mit W u. L); BZ 12, 271 (Wiener klin. Wochenschrift 1903, 744: Weichselbaum).

Sachse, Adolf, kaiserl. deutscher Wirkl. Ge- heimer Rat, Direktora.D. im Reichspostamt, Mitglied d. Kolonialrates ; f Berlin 25. I.t 68 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 199; BZ 12, 271 (Archiv f. Post u. Telegraphic 1903, 125).

Sack, Caroline, verehel. Bauer, Sangerin: s. Bauer, Caroline.

Salm-ReirTerscheid-Raitz, Hugo Leopold Franz Karl Hippolyt, 5. Fttrst u. Altgraf zu, k. u. k. Kammerer, erbl. Mitglied d. Herren- hauses d. ttstcrreich. Reichsrats; Wien 2. XII. 1863; f daselbst 31. XII. Goth. Hof kalender 1904 u. 1905 ; S. Hahn, Reich s- ratsalmanach 1891/92, 88; 111. Ztg. 122,

59.

Salm-Salm, Eicon ore Leopoldine Alexia Flirstin zu, geb. Prinzessin v. Croy, Gc- mahlin d. Fttrsten Leopold; * Dttlmen 13. V. 1855; f Berlin 27. V, Goth.Hof- kalender 1904, 118. 181.

#Sa1muth, Ludwig Freih. v., k. preufi. Gene- rat d. Kavalleriez. D.; Ballenstedt a.H. 1. VIII. 1821 ; f Sch(5neberg b. Berlin 19. 1.

BJ VIII 140 (Lorenzen). Salomon, Rudolf He inrich, k. preufi. Hof-

opernsanger a. D., friiher Sanger (Bassist) u. 2. Regisseur an d. Hofoper in Berlin; * Leipzig 3. IX. 1825; f Berlin 5. (od.4.) XI.

Eisenberg, Grofies biograph. Lexikon

97'

Totenliste 1 903 : Salzmann Scharnack.

98*

der deutschen Buhne 862; Woche 1903, 2056 (P); Neuer Theateralmanach 16, 170; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 137 (LUst- ner, mit L) ; Fltiggen, Biograpb. Biihnen- lexikon 1, 265.

Salzmann, Erich, Journalist, Redakteur am »Tag«cu. »BerlinerLokalanzeiger«; ♦Frank- furt a. O. 7. IV. 1840; f 13. IX. KL 25, 1 1 50. 26, 41*.

Samarow, Gregor (Pseudon.), Romanschrift- steller: s. Me ding, Oskar.

♦Samson, Heinrich (Pseudon.: Dr. Drei- bach), Dr. jur. utr., Vikar in Darfeld (Westfal.), Hagiologu.Liturgiker; * Beckum (Westfalen); 1. IX. 1844^ Darfeld 18. XI.

BJ VIII, 248 (F. Lauchert); KL 25, 1 1 50 (W); Keiter-Jorg, Kathol. Literatur- kalender 6, 261 (W).

Sander, Hermann, Domprediger in Gttstrow, Erzieher d. mecklenburg. Prinzen; f 18. IX., 47 Jahre alt Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

Sandersleben, Friedrich v., k. sachs. Gene- ralmajor z. D.t zuletzt Kommandeur des Infanterieregiments Nr. 102; f 24. V., 85 Jahre alt Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

♦Saenger, Max, Dr.med., k. sachs. Medizinal- rat, ordentl. Professor d. Gynakologie u. Vorstand d. GeburtshilfiVgynakolog. Klinik an d. deutschen Universitat Prag ; * Bayreuth 14. III. 1853; f Bubentsch b. Prag 12. I.

BJ VIII, 104 (Pagel); Leopoldina 39, 86; BZ 12, 273 (Monatsschrift f. Geburts- hilfe u. Gyn&kologie 1903, 131 mit P: A. Martin; Zentralblatt f. Gynakologie 1903, 161 : Fritsch ; ebenda 643 : PiskaCek; Wiener klin. Rundschau 1903, 67 : A. Hink; Berliner klin. Wochenschrift 1903, 139: O. Boden- stein; Deutsche medizinische Wochenschrift 1903, 90: Ph. Jung mit P; Prager medizin. Wochenschrift 1903, 37; Wiener klinische Wochenschrift 1903, 130: R. Chrobak).

♦Sartori, August Anton Heinrich, Geheimer Kommerzienrat, Schiffsreeder u. Kaufmann in Kiel, Vorsitzender d. Handelskammer u. d. Nautischen Vereins daselbst; * Llibeck 16. VI. 1837; f daselbst 15. X. BJ VIII, 179 (J. Sass).

Sasse, Hugo, k. preufi. Generalmajor z. D., bis Marz 1903 Kommandeur d. Infanterie- regiments Nr. 95; f 29. III., 55 Jahre alt

Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

♦Saul, Daniel Johannes, Dr.phil., Dichter u. Sprachforscher, Politiker u. Journalist, Korrespondent d. > Frankfurter Ztg. ; Bal- horn (Niederhessen) 2. XII. 1854; f Ingen- heim an d. Bergstrafle 8. X. BJ VIII, 213 (Ph. Losch).

Saville, Louis v., ehemal. Schauspieler, Dramaturg u. Theaterdirektor; f Berlin 16. IV. Neuer Theateralmanach 15,146.

Biogr. Jahrbuch u. Deutscher Nekrolo?. 8. Bd.

Saxer, Franz, Dr. nted.t aufierord. Professor u. Prosektor am Patholog. Institut bei d. Universitat Leipzig; Goslar 23. I. 1864; f Leipzig 2. VI. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 124; Leopoldina 39, 87; Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel, L); BZ 12, 274 (Zentralblatt f. allgemeine Patho- logie 1903, 417: F. Marchand; Deutsche medizinische Wochenschrift 1903, 485).

Schady, Eugen, Schauspieler (Charakter- darsteller) u. Regisseur; Groflenhain 20. V. 1856; f Berlin 22. V. Eisenberg, Grofies biograph. Lexikon d. deutschen Bilhne 872 ; Neuer Theateralmanach 1 5, 1 50.

Schablin, Alfred, Theatersekretar am Stadt- theater in Karlsbad; f daselbst 9. VI. Neuer Theateralmanach 15, 152. ,Schachten, Adolf Georg Heinrich von und zu, k. preufi. Generalmajor z. IX, zuletzt bis 1 89 1 Kommandeur der 19. Kavallerie- brigade; Paris 24. I. 1839; f Kassel

II. V. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Adeligen Hauser 1904, 733; 111. Ztg. 120, 765; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

♦SchSffle, Albert Eberhard Friedrich, Dr. scient. polity Volkswirt und Staatsmann;

Nttrtingen (WUrttemberg) 24. II. 1831; f Stuttgart 25. XII. BJ VIII, 106 (W.Lang); 111. Ztg. 122, 26 (P.[aul] D.[ehn], mitP); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 294; BZ 13, 265. 14, 245 (Voss. Ztg. 1903 De- zember 28; Wiener Fremdenblatt 1903 Dezember 27; Deutsches Tageblatt f. Un- garn 1903 Dezember 30; DerTUrmer 1904 Februar 262: H. Sieveking; Die neue Zeit 1904 Nr. 14: F. Mehring).

Schaffner, Friedrich, Postbeamter inMttnchen, Liederkomponist ; f Neu-Pasing b.Mtinchen 20. VII. WToche 5, 1372; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 137 (Lttstner, mit L).

Schally, Anton, Dr. wed., Frauenarzt in Saaz ;

Banffyhunyad 1868; f Saaz 26. IX. Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel, mit L); BZ 13, 265 (Prager medizinische Wochenschrift 1903, 539: F. Fischer).

Scharff, Anton, k. u. k. Kammermedailleur, Direktor d. Graveurakademie d. k. k. Haupt- mUnzamts in Wien, Ehrenmitglied d. k. k. Akademie der bildenden KUnste daselbst, Mitglied d. Kuratoriums d. dsterr. Museums f. Kunst u. Industrie; Wien 10. VI. 1845; f Brtlnn 6. VII. K. Domanig, A. ScharfT, k. k. Kammermedailleur 1845 95* Muller- Singer, Allgemeines Ktinstlerlexikon3 4, 1 85 ;

III. Ztg. 121, 91; D. geistige Deutschland 1, 594; BZ 13, 265 (Berliner Milnzblatter I9°3»343: E. Bahrfeldt; Zeit 1903 Juli 8 : H. Haberfeld).

Scharnack, Fritz, grofiherzogl. Kapellmeister a. D. in Oldenburg; f daselbst 3. IX.,

99'

Totenliste 1903: Schasler Schloemp.

IOO*

75 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 137 (Ltistner, mit L),

Schasler, Max Alexander Fricdrich, Dr. phiL, Philosoph, Asthetiker u. Dichter; *Deutsch- Krone 26. VIII. 1819; f Jena 13. VI. KL 24, 1 22 1 (W). 26/41*; Allgemeine Ztg. 1904 Beil. 1 18 (R.Eucken); Hinrichsen, D. literarische Deutschland* 1150; BZ 14, 245 (Zeit 1904 Nr. 509: F. Rose).

Schaumburg-Lippe, Bernhard Prinz zu: s. Bernhard.

Scheffers, Wilhelm, Herausgeber d. »Rigaer TageblatU; f Riga 24. IV., 62 Jahre alt

Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

Scheffler, August Christian Wilhelm Her- mann, Dr.phil., bis 1895 Oberbaurat in d. Direktion d. braunschweig. Eisenbahnen, Mathematiker u. Physiker; * Braunschweig

10. X. 1829; f daselbst 14. VIII. KL 24, 1224. 26,41*; Poggendorff 2, 781. 3,

1 180. 4, 1317 (W).

*Scheibert, Justus, k. preufl. Major z. D., Militarschriftsteller; * Stettin 16. V. 1831; f Grofllichterfelde b. Berlin 4. VII. BJ VIII, 255 (Lorenzen); BZ 13, 266 (Neue Preufl. Ztg. 1903 Juli 4); KL25, 1 169 (W).

Schele-Schelenburg, Balduin Georg Edu- ard Friedrich Wilhelm Arthur Freih. v., Heir auf Schelenburg b. Schledehausen (Hannover), Mitglied d. Deutschen Reichs- tags (Hospitant d. Zentrum) ; * Schelenburg

11. IX. 1836; f daselbst 4. XII. Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser

1904,659. 1905,941; 111. ztg. 121, 913;

Woche 6, 2228 (P); KUrschners Deutscher Reichstag 1898 1903, 154 (mit P).

Schenkel, Theodor, Eisenbahningenieur in Graz, Erbauer zahlreicher Bahnen in Oster- reich u. d. Schweiz; f Graz 6. VIII., im 42. Jahre. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 178.

*Scheppig> Richard, Dr. phiL, Oberlehrer am Reformgymnasium in Kiel, Direktor des Museums f. Volkerkunde daselbst ; * Sondcrs- hausen 17. XI. 1845; f Kiel 24- XII. BJ VIII, 177 (J. Sass); Allgemeine Ztg. 1904 Beil. 1.

Scherer, Hermann, Dr., Publizist, Historiker des Welthandels, 1854—81 Leiter des »Konfektioniir«, friiher Advokat in Stutt- gart; * daselbst 8. X. 1816; f Rom 15. I.

111. Ztg. 120, 166; BZ 12, 275 (KSln. Ztg. 1903 Nr. 53).

Scherling, Christian, Professor a. D. fttr Mathematik am Katharineum in Lubeck, friiher Mitglied d. Deutschen Sangerbundes u. Bundessprecher d. Niedersachs. Sanger- bundes; • 1 2. XII. 181 2; f LUbeck 28. XII.

111. Ztg. 122, 23; Monatshefte f. Musik- geschichte 36, 137 (LUstner, mit L).

•Scherzer, Karl Heinrich Ritter v., Dr.phil., k. u. k. auflerordentl. Gesandter u. bevoll- machtigter Minister a. D., Staatsmann und Gelehrter; * Wien I. V. 182 1; f Gore 19. 11. _ BJ VIII 172 (B. MUnz); KL 25, 1 1 75 (W); Geograph. Jahrbuch 26, 441 (W. Wolkenhauer, mit W u. L) ; Poggendorff 3, 1 184. 4, 1323 (W); Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 29, 227 (mit W u. L); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 51 (B. MUnz); Illustr. Ztg. 120, 311 (vgl. Nr. 3018 vom 2. Mai 1901 mit Biographic u. P) ; Woche 5, 380 (P); Leopoldina 39, 45; BZ 12, 275. 13, 266. 14, 246 (Globus 1903, 229 [mit P] u. Deutsche Rundschau fQr Geographic u. Statistik 25, 5 18 : W. Wolken- hauer; Mitteilungen d. k. k. geographisch. Gesellschaft inWien 1903, 161 : K.Krupitz; Statist. Monatsschrift [Wien] 1903, 105: v. Juraschek ; Fremdenblatt [Hamburg] 1903 Nr. 46: M.Neifler; Wiener A bendpost 1903 Nr. 101; Sitzungsberichte der k. bayer. Akademie d. Wissenschaften 1903 Math.- phys. Klasse 556: C. Voit; Deutsche Erde 2, 42: W. Gotz; Almanach d. kaiserl. Aka- demie d. Wissenschaften in Wien 1903,321).

Schiel, Adolf, ehemal. Oberst d. deutschen Freiwilligenkorps auf seiten der Buren im sUdafrikan. Kriege, auch schriftstellerisch tatig; * Frankfurt a. M. 19. XII. 1858; f Reichenhall 28. VII. Geographen- kalender 2, 203; 111. Ztg. 121, 245 (vgl. 111. Ztg. Nr. 2941 vom 9. November 1899, mit P); Woche 5, 1470 (P).

SchifT, Frederic, Pianist u. Komponist in BrUssel; * Frankfurt a.M. 1840; f Brtts^el 36, 137 (LUstner, mit L).

Schirrmacher, Johann, ehemal. Opernsanger, * Stockach 20. IV. i860; f Karlsruhe im November. Neuer Theateralmanach 1 6, 170; Monatshefte ftir Musikgesch. 36, 138 (Ltistner, mit L).

Schilling von Canstatt, Heinrich Freih. v., k. preufl. Hauptmann a. D., Naturforscher, insbes. Entomologe; Heidelberg 25. VII. 1849; t Hirsau (Wttrttemberg) 18. V. Leopoldina 39, 103; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 676; KL25, 1 1 80 (W).

Schimmer,Mathilde, ehem. Obergarderobiere d. Hoftheaters ih Darmstadt; Sachscn- hausen 6. VIII. 1848; f Darmstadt 25. XI. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Schleswig- Holstein - Sonderburg - GlQcks- burg, Julius Prinz zu: s. Julius.

Schloemp, Edwin Hugo Viktor (Pseudon.: Hugo Viktor), Schriftsteller u. Dichter, frtiherBucbhandler; Schliewe (Ostpreuk) 22. VII. 1838; f 7. XIL KL 25, 1 189 (W). 26. 42*; BrttmmerS 3, 571.

ior

Totenliste 1903: Schlofi Schnelle.

102*

Schlofi, Sophie, verwitw. Gurau, Konzert- sangerin; Frechen b. Koln 12. XII. 181 2; f Dtisseldorf 15. V. Monatshefte fflr Musikgesch. 36, 138 (Ltistner, mit L); BZ 1 a, 220 (Berliner Tageblatt 1903 Mai 26: A. Kohut); 111. Ztg. 120, 858; Woche 5, 964.

Schliiter, Gustav, k. preufl. Generalleutnant z. D., zuletzt bis 1902 Kommandeur der 60. Infanteriebrigade ; f Frankfurt a. M. 22. XII., 66 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Schmelz, Alexander. Dr. med.f Frauenarzt in Pilsen; M&hrisch-Ostrau 26. XII. 1864; f Wien 6. IX. Virchows Jahresberichte 38,1,423 (Pagel, L); BZ 13, 269 (Prager Medizin. Wochenscbrift 1903, 269: L6wy).

Schmid, Rudolf, schweizer. Nationalrat und Groflrat; f Burgdorf (Schweiz) 19. I. Woche S, 190.

♦Schmid, Theodor, Mitglied d. Ordens S Jesu, Leitex d. Kirchenchores der Stella matutina inFeldkirch (Vorarlberg) ; * Dillingen9.XI. 1837; t 9- IV. BJVIII, 71 (F. Lauchert); Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Ltlst- ner, mit L).

♦Schmid -Monnard, Karl Alexander, Dr. mtd.% Arzt u. Schulhygieniker in Halle a. S. ; * Leipzig n. VIII. 1858; f Halle a- s- 10. XI. BJ VIII, 105 (Pagel); BZ 14, 248 (Ztschr. f. Schulgesundheitspflege 1904, 1 : F. Erismann; Gesunde Jugend 1904, 1).

♦Schmidt, Karl Adolf, Dr. jur. ct pAil., GeheimerRat, frtiher ordentl. Professor d. rttmisch. Rechts an d. Universitat Leipzig, Ehrenbtirger d. Stadt Leipzig; * Allstedt (Sachsen- Weimar) 4. XI. 181 5; f Baden- Baden 24.X. BJVIII, 152 (A. Teich- mann).

Schmidt, Alexis, Dr. phil.9 Schriftsteller auf d. Gebiete d. Philosophic und Journalist, frtiher Chefredakteur d. Spenerschen Ztg. in Berlin; + Langensalza 5. VII. 18 18; f Friedenau b. Berlin 24. II. Woche 5, 418 (mit P); D. geistige Berlin 1, 469 (Autobiographic); Literar. Zentralblatt 1903,

372.

Schmidt, Bertha, Gesanglehrerin in Wolfen- btittel; f Basel im Mai. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Ltlstner, mitL).

Schmidt, Friedrich Wilhelm, Gesanglehrer am Sophien-Realgymnasium in Berlin; f Charlottenburg 12. V. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 138 (Ltlstner, mit L).

Schmidt, Hermann, Landschaftsmaler, Mit- glied d. Vereins berliner Kttnstler; f 29. IX. Voss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Schmidt, Ottmar, Dr., Geheimer Hofrat, Pro- fessor f. Chemie, Physik u. Pharmazie an der Tierarztl. u. Techn. Hochschule in

Stuttgart, Referent im Medizinalkollegium f. Wtirttemberg; Schwabisch Hall 1835; f Stuttgart 28. XI. Leopoldina 40, 39; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 274; Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel); BZ 13, 269. 14, 249 (Berliner tierarztl. Wochenschr. I9°3> 779J Berichte d. Deutschen chem. Gesellschaft 36, 4585: O. Hesse). ♦Schmidt, Otto, k. preufl. Generalleutnant;

Kassel 16. IV; 1845; t daselbst 5. II.

BJ VIII, 155 (Lorenzen). •Schmidt-Cabanis, Otto Richard, Chef- redakteur des »Ulkc in Berlin, Dichter u. Schriftsteller, frtiher auch Schauspieler ;

Berlin 22. VI. 1838; f daselbst 12. XI.

BJVIII, 291 (F.Brtlmmer); 111. Ztg. 121, 757 (F. E., mit P); Woche 5, 2098 (P);. KL 25, 1202 (W). 26, 42*; BZ 13, 269 (Berliner Tageblatt 1903 November 12: F. Engel).

Schmitgen, Georg, Landschafts- u. Marin e- maler in Potsdam; * Bernkastel 9. III. 1856; f Potsdam 8. VI. Jahrbuch d. bildenden Kunst 1, 203. 3, 102; D. geistige Berlin 1, 475; D. geistige Deutschland 1, 614; 111. Ztg. 120,925; Woche 5, 1054.

Schneider, Josef, Klaviervirtuos in Warschau ; •}■ daselbst 2.1. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Ltistner, mit L).

♦Schneider, Oskar, Dr. phil., frtiher Professor an d. Annenrealschule in Dresden, Natur- forscher, Geograph u. Schulmann; * LGbau (Kgr. Sachsen, Oberlausitz) 18. IV. 1841; f Blasewitz b. Dresden 8. IX. BJVIII, 45 (V. Hantzsch) ; Geographen-Kalender 2, 203 (mit L); Leopoldina 40, 39; Geogr. Jahrbuch 26, 442 (W. Wolkenhauer, mit W u. L); KL 25, 12 1 2 (W). 26, 42*; Allgem. Ztg. 1903 Beil. 208; BZ 13, 270 (Insektcn- btfrse 1903, 313, mit P; Deutsche Rund- schau f. Geographic u. Statistik 26, 135 u. Zeitschr. fur Schulgeographie 1904, 97: W. Wolkenhauer, mit P).

♦Schneider, Wilhelm, kgl. bayer. Hofschau- spieler (Heldendarsteller) u. Regisseur in Mtinchen; * St. Petersburg 19. IX. 1847; f LudwigshGhe b. Mtinchen 17. X. BJ VIII, 232 (A. Freih. v. Mensi); Hagen, Almanach d. k. Hoftheater in Mtinchen f. 1903, 60 (mit P); BZ 12, 279. 13, 270 (Btihne u. Welt 5, 693: G. Schaumberg; Freistatt 1903 Nr. 43: E. Steiger; Moderne Kunst 17, 309: Alex Braun); Fltiggen, Bio- graph. Btihnenlexikon 1, 276.

Schnelle, Paul, ehem. Operettentenor an d. Vereinigten Stadttheatern in Leipzig ; f da- selbst 14. I., 47 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Ltistner, mit L); Fltiggen, Biograph. Btihnenlexikon 1, 276; Neuer Theateralmanach 15, 138.

d*

103*

Totenliste 1903: Schnetter Schuler.

IO4*

Schnetter, Joseph, Dr. mcd9> Begrllnder d. German Hospital and Dispensary in New- York; * Gerolzhofen (Bayern); f Herrenalb ira Schwarzwald im September, 82 Jahre alt. Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel, roit L).

Schoder, Gustav v., frliher Landgerichts- prasident u. Mitglied d. wilrttemberg. Staats- gerichtshofs ; f Reutlingen 22. 1. Woche 5, 190; Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

Scholler, Karl, k. bayer. General major z. D., Chef d. Abteilung f. Invalidenwesen im Kriegsministerium; * Neuburg a. d. Donau 15. 4. 1842; f MUnchen 7. II. Woche 5, 282; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3; Augsburger Abendztg. 1903 Nr, 40 S. 5 u. 8 (Todes- anzeige).

Scholz, Auguste Sabine, verehel. Holzstamm, Opernsangerin: s. Holzstamm, A. S.

*Schonau-Wehr, Max, Joseph Freiherr v., k. preuB. Generalleutnant u. Kommandant von Karlsruhe; * daselbst 16. IV. 1847; f Freiburg i. B. [nach Freih. Taschenbuch] 21. III. BJ VIII, 210 (Lorenzen); 111. Ztg. 1 20, 507 ; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1904, 690; Ztschr. fttr die Geschichte des Oberrheins 58, 543 (Frankhauser, L: Sterne u. Blumen 1903 Nr. 16).

*Sch5nberg, Friedrich, Kaspar Christoph v., Herr auf Krumraenhennersdorf b. Freiberg in Sachs en, k. sachs. Generalleutnant z. D.;

* Nieder-Reinsberg 27. IV. 1826; f Dresden 13. III. BJ VIII, 255 (Lorenzen); III. Ztg. 120, 413; Goth, Genealog. Taschen- buch d. adeligen Hauser 1904, 746.

Schftnborn-Buchheim, Erwin Friedrich Karl Graf v., Obersterblandtruchsefl in Osterreich ob u. unter d. Enns, Erbober- gespan d. Komi tats Beregh, k. u. k. Kammerer u. Geheimer Rat; * Schlofl Schonbom 7. XI. 1842; f daselbst 21. 1. Goth. Hofkalender *9<>3> 193. 1904, 193; HI. Ztg. 120, 166; Woche 5, 238 (P); BZ 12, 279 (Wiener Fremdenblatt 1903 Nr. 21; Pester Lloyd 1903 Nr. 19: A. v. Lonyay /***.).

Schonburg-Waldenburg, Lucie Franziska Euphrosyne AnnaAlexandrine Georgine Erb- prinzessin zu, Witwe d. Erbprinzen Viktor, geb. Prinzessin zu Sayn-Wittgenstein- Berleburg; Darmstadt 18. III. 1859; f Dresden 24. IX. Goth. Hofkalender 1904, 187. 196.

Schdnfeld, Luise, geb. Krauth, frUhere Schauspielerin am Hofburgth eater in Wien;

Karlsruhe 1827; f Tulln 16. V. 111. Ztg. 120, 805; Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon d. Deutschen Blihne 907 ; Neuer Theateralmanach 15, 149 (mit P).

Schoeflfer, Adolf v., Geheimer Justizrat in

Rostock; f daselbst 27. VIII., im 82. Jahre. Woche 5, 1600.

Schradieck, Wilhelmine, verehel. Bottstein, Schauspielerin: s. Bottstein, Wilhelmine.

Schreiber, August, Dr., Inspektor der Rhein. Missionsgesellschaft in Barmen; * Bielefeld 8. XL 1839; f Barmen 23. II. Geograph. Jahrbuch 26, 442 (W. Wolkenhauer, mit W u. L); Geographen-Kalender 2, 204; BZ 12, 280. 13, 270 (Allgemeine Missionsztschr. 1903, 220: Warneck; Berichte d. Rhein. Missionsgesellschaft 1903, 135: E. Fries; D. evangel. Missionen 1903, 169: W. Schrei- ber); Theolog. Jahresbericht 1903, 1198 (Nestle, mit L).

Schrdder, Karl Heinrich, Pfarrer in Eisen- berg; * Gumbinnen 22. IV. 1826; fKonigs- berg i. Pr. 10. X. Rindfleisch, AltpreuQ. Bibliographic 1903, 52 (L: Evangel. Ge- meindeblatt 58, 259).

♦Schrdder, Josef (Taufname: Peter), Dr. thcol. et pkil.y papstl. Hauspr&lat u. Ehrendomherr v. Ltittich, ordentl. Professor f. Dogmatik an d. Universitat MUnster i. W.; * Beek, Pfarre Wtirm (Rheinland) 26. IV. 1849; t Elberfeld 5. IX. BJ VIII, 197 (F. Lauchert).

Schrdder, Octavio Hermann, Dr. fur., Senator a.D. in Hamburg; f daselbst 30. VIL, ira 80. Jahre. Woche 5, 141 8.

Schrdder, Theodor v., Dr. ?ned.9 kais. russ. Wirklicher Staatsrat, Direktor der Augen- heilanstalt in St. Petersburg; *Dorpat 3. III. 1853; f 18. XL Virchows Jahres- berichte 38, 1,423 (Pagel, mit L); BZ 13, 271 (St. Petersburger Mediz. Wochenschr.

1903, 475).

Schrttder-Erlholz, Johanna, frUhere Schau- spielerin; * 21. XII. 1853; f Wiesbaden 26. XII. Neuer Theateralmanach 16, 175.

Schiicking, Fraulein Theo, Tochter Levin Schttckings, Novellendichterin u. Schrift- stellerin in Berlin; Coin 19. IV. 1850; f Rom im Juni. KL 25, 1241 (W). 26, 42*; 111. Ztg. 120, 897.

Schuld, Heinrich, Dr. phil.t Lehrer an der Hohenzollernschule in Schtfnebergb. Berlin, Romanist; * Stettin 27. I. 1866; f Schtfne- berg 7. Ill, Jahresbericht d. Hohenzollern- schule in Schtfneberg 1902/3, 24 (Pohlenz).

♦Schulenburg, Werner von der, k. preufi. Generalleutnant z.D. ; * Glogau 30. 1. 1836; f Potsdam 9. X. BJ VIII, 141 (Loren- zen).

Schuler, Fridolin, Dr. med., frtther Arzt, dann eidgenoss. Fabrikinspektor in Zurich, Urheber des ersten Arbeiterschutzgesetzes in d. Schweiz, Publizist; * Bilten (Kanton Glarus) 1. IV. 1832; f Aarburg 8. V. Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel,

105*

Totenliste 1903: Schultz Schwanitz.

106*

mit L); BZ 13, 271. 14, 250 (Korrespon- dcnzblatt f. d. Schweizer Arzte 1903, 474: Seitz; Schweizer Blatter f. Wirtschafts- u. Sozialpolitik 1903, 361 :R. Tschudy; Deut- sche MedizinischeWochenschrift 1903,490: Erismann; Schweizer Ztschr. f. Gemein- nUtzigkeit 1903, 311; Soziale Praxis 13 Nr. 32: H. Herkner; Ztschr. f. Schweizer Statistik 1903, 167; Verhandlungen der Schweizer. Naturforsch. Gesellschaft, 86. Versaromlung S. LVI: J. Seitz).

♦Schultz, Heinrich Hermann, Dr. thcol. et /At/., k. preufl. Konsistorialrat, Abt von Bursfelde, ordentl. Professor d. alttestamentl. Exegese, systemat. Theologie u. Homiletik an d. Universitat Gbttingen; * Ltlchow b. LUneburg (Hannov.) 30. XI 1. 1 836 ; f Gftttin- gen 15. V.— BJ VIII, i37(Kohlschmidt); KL 25, 1249 (w); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. in; BZ 12, 281. 13, 272 (Basler Nachrichten 1903 Nr. 19; Kirchl. Gegen- wart 1903, 191); Alfred Lorentz, Antiq.- Buchhandlung in Leipzig, Katalog Nr. 151 (mit Nekrolog nach Basler Nachrichten, Verzeichnis d. Bibliothek u. P); Schaff & Jackson, Encyclopedia of living divines \ Theolog. Jahresbericht 1903, 1198 (Nestle mit L).

Schultze-Denhard, Paul, Dr.jur.y Rechts- anwalt u. Professor d. Jurisprudenz an d. chinesischen Universitat in Tientsin; * Wick- rath b. DUsseldorf; f zu Tientsin im letzten Viertel d. Jahres, 29 Jahre alt. Allge- meine Ztg. 1903 Beil. 255; 111- Ztg. 121,710.

Schultzen von Asten, Anna, Lehrerin an d. Kgl. Hochschule fUr Musik 'in Berlin, Konzertsangerin (holier Sopran); * Wien

11. III. 1848; f Charlottenburg 25. III. Riemann6 1201; Woche5, 606 (P) ; Monats- hefte ftir Musikgeschichte 36, 138 (Lttstner, mit L).

Schulz, Auguste Sabine, verehel. Holtzmann, Opernsangerin: s. Holtzmann, A. S.

Schulz, Hermann, kgl. Kammermusiker in Berlin; * Petzow 14. VIII. 1856; f Berlin 30. VIII. Neuer Theateralmanach* 15, 155; Monatshefte ftir Musikgesch. 36, 138 (LUstner, mit L).

Schulze, Georg August Fr., Dr. med.y Arzt f. diatetisch-physikalisches Heilverfahren in Berlin; * Stendal 23. IV. 1817; f Berlin 14. I. Virchows Jahresberichte 38, 1,423 (Pagel, L); Verzeichnis der Berliner Uni- versitatsschriften 1810—85 Nr- 3599; BZ

12, 282 (Archiv f. physikal.-diatet. Therapie 5, 65 mit P).

Schulzweida, Franziska, Mitglied des kgl. Opernchores in Dresden; * Braunschweig 28. IV. 1862; f Dresden 10. V. Neuer Theateralmanach 15, 148.

Schuppe, Anna, verehel. Ben fey, Dichterin u. Tonklinstlerin : s. Ben fey, Anna.

•Schurtz, Camillo Heinrich, Dr. f>hil.t Assistent f. Ethnographie am Stadt. Museum f. Natur-,V6lker-u. Handelskunde in Bremen ;

* Zwickau (Sachsen) 1 1 . X 1 1. 1 863 ; f Bremen 2. V. BJ VIII, 30 (V. Hantzsch); Geo- graphen-Kalender 2, 204 ; Geograph. Jahr- buch 26, 442 (Wolkenhauer, mit W u. L); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 102; Leopold in a 39, 87; KL 25, 1258 (W); BZ 13, 272 (Deutsche Monatsschrift f. d. gesamte Leben d. Gegenwart 1903 August 673: F. Ratzel).

Schuselka-Bruning, Ida, geb. WohlbrUck, frUhere Opernsangerin u. Schauspielerin, auch Schriftstellerin; * KOnigsberg 15. I. 181 7; f Baden b. Wien 15. XI. Eisen- berg, GroBes biograph. Lexikon d. deutschen Biihne 940; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 32, 233 (sehr ein- gehend); Neuer Theateralmanach 16, 171; Monatshefte fiir Musikgeschichte 36, 138 (LUstner, mit L); BZ 13, 272 (Zeit 1903

Nr. 47). Schutze, Ludwig, Kunsthandler in DUsseldorf, Kunstreferent der Kbln. Ztg. u. 111. Ztg.;

* Braunschweig 13. X. 1841; f DUsseldorf 22. IV. KL 25, 1244; 26, 42*; 111. Ztg. 120, 659.

Schiitzenberger, Ludwig (Louis) Friedrich, elsass. Maler; * Straflburg 8. IX. 1825; f daselbst 17. IV. MUller-Singer, All- gemeincs KUnstlerlexikon 3 4, 232; 111. Ztg. 120, 659; Ztschr. f. d, Geschichte d. Ober- rheins 58, 731 (Kaiser, L).

Schwab, Gottfried, Dichter u. Schriftsteller;

* Darmstadt 26. VI. 185 1; f Mttnchcn 2. III. KL 25, 1259 (W). 26, 42*; BrUmmerS 4, 441 ; MUnchner Neueste Nach- richten 1905 Nr. 287; G. Schwab, Wolken- schatten u. Hohenglanz u. Gedichte aus d. NachlaB. 2.Aufl. [1904: mit Biographic u. P]; BZ 12, 283 (Hessenland 1903, 91: Al. Burger).

Schwackhofer, Franz, ordentl. Professor f. land- u. forstwirtschaftl. Technologic an d. Hochschule f. Bodenkultur in Wien; * da- selbst 15. IV. 1843; f ebenda 18. VII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 164; Leopoldina 39, 104; Poggendorff*4, 1369 (W); BZ 13, 273 (Ztschr. f. d. landwirtschaftl. Versuchs- wescn in Osterreich 1903, 631 ; Chemiker- ztg. 1903, 747; Mitteilungen des k. k. technolog. Gewerbemuseums in Wien 1903,

189).

Schwalb, Jakob, Theatermeister am Stadt- theater zu Frankfurt a.M.; * daselbst 5. III. 1839; f ebenda im Dezember. Neuer Theateralmanach 16, 176.

Schwanitz, Karl, Geheimer Justizrat, Ober-

107*

Totenliste 1903: v. Schwarz Seyffarth.

108*

amtsrichter in Ilmenau, Freund d. Dichters Viktor v. Scheffel; f Weimar 30. IV., 80 Jahrc alt. 111. Ztg. 120. 725; BZ 12, 283 (Pfalz. Presse 1903 Beiblatt Feierstun- den Nr. 37).

Schwarz, Franz Xaver v., kaiserl. russ. Staats- rat, Observator an d. erdmagnet* Station bei d. Sternwarte in Mtinchen, Astronom u. Geograph, Erforscher Turkestans; * Barn- stein b. Grafenau (Bayer. Wald) 8. XII. 1847; f Mtinchen 20. 1. Leopoldina 39, 87; Geographen-Kalender 2, 204; Geograph. Jahrbuch 26, 443 (W. Wolkenhauer, mit W u. L); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 98: C. Dukmeyer v. Kienitz.

Schwarz, J., Karnmermusiker in Sondcrs- hausen ; f daselbst im September, 48 Jalire alt, Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Ltistner, mit L).

Schwarz, Leo, Dr. med., erster Assistent d. Klinik f. innere Medizin an d. deutschcn Universitat Prag; * 1872, f Prag 30. V. Leopoldina 39,87; Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel, mit W u. L).

Schwarz von Senborn, Wilhelm Freih. v., Dr. jur., k. u. k. Geheimer Rat u. aufler- ordentl. Gesandter u. bevollmacht. Minister, Generaldirektor d. Wiener Weltausstellung ^73, 1874/75 Gesandter in Washington;

* Wien 1 2. VI. 1816; f Modling b. Wien 4. VIII. 111. Ztg. 1 2 1, 245 ; Goth.Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. Hauser 1905, 737 ; Wurzbach, Biograph.Lexikon des Kaisertum Osterreich 32, 309; BZ 13, 273 (Statist. Monatsschrift [Wien] 1903,808: Riemer).

Schwarzkopf, Oskar Achilles Gustav v., Pralat u. Oberhofprediger in Stuttgart;

* Aalen 18. XL 1803; f 30. V. Theol. Jahresbericht 1903, 1 198 (Nestle, L : Kirchl. Anzeiger f. WUrttemberg 1903, 25).

Schweikert, Johann Gustav, Dr. mcd., Sa- nitatsrat in Breslau; f daselbst 21. III. Leopoldina 39, 49.

Schweitzer, Marie, geb. H e n r i o n, Souffleuse ;

* Weimar 7. II. 1852; f Kiel 16. VII. Neuer Theateralmanach 16, 166.

Schwerin, Viktor Friedrich Wilhelm Her- mann Luther Graf v., Fideikommiflherr auf Schwerinsburg mit Wusseken u. Sarnow mit Wendfeld(KreisAnklam)fErbktichenmeistcr v. Altvorpommern, k. preufl. Kammerherr, Landschaftsrat u. Mitglied d. preufl. Herren- hauses auf Lebenszeit; * Schwerinsburg 22.XII. 1814; f Berlin 18. XI. 111. Ztg. 121,795; BZ i3>275 0Tcue preufl. Ztg. 1903 Dezember 1 1 : Leonhard Graf v. Schwerin) ; Goth. Genealog. Taschenbuch d. GraiL Hauser 1904, 783.

•Searle, Richard, frtiher Schauspieler (Cha- rakterkomiker) am Stadttheater in Leipzig;

* Dresden 1. XII. i860; f in d. Nerven- heilanstalt Dbsen b. Leipzig 29. III. BJ VIII, 292 (R. Stiller); Neuer Theater- almanach 15, 144.

Secchi, Paul, Dr. mcd., Geheimer Sanitats- rat, Badearzt in Reinerz; * Breslau 22. V. 1844; t San Remo 4. III. Woche 5, 462; Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel); Lebenslauf in S.s Dissertation: Ober die durch Nervenverletzungen beding- ten Funktionsstorungen u. troph. Hautver- anderungen. Breslau 1869.

See, Johanna von der, verw. Stolzel, vcrehel. Heinrich, Theatcrdirektorin : s. Heinrich, Johanna.

*Seeger, Hermann v., Dr. jur.t ordentl. Professor d. Strafrechts an d. Universitat Tubingen; * Stuttgart 18. VIII. 1829; f Tubingen 12. VI. BJ VIII, 198 (A. Teichmann).

Seibert, Louis, Komponist u. Musikdirektor in Wiesbaden; * Kleeberg (Nassau) 22. V. 1833; f Altenberg b. Wetzlar 29. VII. Monatshefte f. Musikgesch, 36, 138 (Ltist- ner, mit L).

Seidel, Eduard, Redakteur d. »Illustr. Wiener Extrablatt* ; f 10. XII. KL 25, 1275. 26, 42*.

Seidelmeyer, Louis, Journalist u. Publizist in Leipzig; * Kaltwasser (Kreis Luben) 30. VII. i860; f 1. XII. KL 25, 1276. 26, 42*.

Seidl, Franz, Opern-Inspizient d. Deutschen Landestheaters in Prag; * Iglau 1. X. 1843; f Prag J 5. X. Neuer Theateralmanach 16, 167.*

Seifmann, Peter, Dr., frtiher Direktor d. Tierarztl. Hochschule in Lemberg; f Krakau im Januar. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 23.

Seifriz, Emil, k. wtirttemberg. Karnmermusiker a. D. u. Lehrer am k. Konservatorium d. Musik in Stuttgart; * Rottweil 19.IX. 1833; f Stuttgart 1 8.X. Neuer Theateralmanach 16, 168.

Selig, Siegmund, Schauspieler u. Theater- direktor; * Hamburg 27. II. 1840; f Mil- waukee 26. X. Neuer Theateralmanach 1 6, 170.

Seligmann, Julius, Klavier- u. Viol in virtuose in Glasgow; * Hamburg 1817; f Glasgow 4. V. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 138 (Ltistner, mit L).

♦Senflft von Pilsach, Wilhelm Hugo, k. sachs. General d. Kavallerie z. D. ; * Dresden 29. [nach Adel. Taschenbuch] IV. 1821; f Gonnsdorf b. Dresden 27. VI. BJ VIII, 238 (Lorenzen) ; Goth. Genealog. Taschen- buch d. Adeligen Hauser 1905, 758.

♦Seyffarth, Ludwig Wilhelm, Pastor pri- marius in Liegnitz, Padagog u. Schriftsteller

109*

Totenliste 1903: v. Seyfried Springer,

1 10*

(insbes. Pestalozziforscher), 1879 88 Mit- glied d. preufl. Abgeordnetenhauscs (frei- sinnig); * Naumburg a. S. 21. I. 1829; f Liegnitz 26. X. BJ VIII, 290 (F.Brilm- mer); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 247; Woche 5, 2084 (P); BZ 13, 277. 14, 256 (Aus d. Schule f. d. Schule 1 5, 549 : C.Ziegler ; Schweizer. padagog. Blatter 1904 Beiblatt Pestalozziblatter 46; Padagog. Ztg. 1904, 36: H. Rosin; Pestalozzi-Studien 8, 189).

Seyfried, Karoline, Edle v. , geb. Edle v. H o f e r, Enkclin Andreas Hofers, Witwe d. k. k. Staatsbeamten Alexander Ritter v. Seyfried in Wien; f Wien 17. I., 82 Jabre alt. Illustr. Ztg. 120, 166; Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaisertums Osterreich 9, 150.

Siebert, Vincent, Dr. med., kaiserl. russ. Geheimrat, frtiher Oberarzt des Marine- hospitals u. Medizinalinspektor d. Hafens in Sewastopol; * Riga etwa 1835; f Bala- klawa 19. V. Leopoldina 39, 104; Biograph. Lexikon der hervorragenden Arzte 5> 389; Virchows Jahresberichte 38, I, 423 (Pagel, mitL).

Siede, Julius, Flbtcnvirtuos, ehemal. Dirigent d. Liedertafel inMelbourne, geb. Deutscher; f Melbourne imMai, 78 Jahre alt. Monats- hefte flir Musikgesch. (Ltistncr, mit L).

Siegfried, Karl Gustav Adolf, Dr. theol. et phiL, Geheimer Kirchenrat, ord. Professor f. alttestamentl. Exegese u. Mitdirektor d. Theolog. Seminars an d. Universitat Jena;

* Magdeburg 22. I. 1830; f Jena 9. I. KL 25, 1290 (W). 26, 42*; Alfred Lorentz, Antiquariat in Leipzig, Katalog Nr. 151 (mit Lebenslauf nach d. Ecced. kgl.Landes- schule Pforta 1903 u. P u. W); ScharT & Jackson, Encyclopedia of living divines 201; BZ 13, 278 (Ztschr. f. wissenschaftl. Theologie 1903, 590 : R.Baentsch) ; Theolog. Jahresbericht 1903, 1198 (Nestle, mit L).

Simon, Louis, k. preufl. Geheimer Kom- merzienrat, Grofiindustrieller, Seniorchef d. Textilfirma Gebriider Simon in Berlin; f in Nauheim (oder Wildungen?) 15. IX., 74 Jahrc alt. Woche 5, 1864 (mit Pj; Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Simonis, Jakob Ignatius, Dr. theol., Ka- nonikus, Superior des Frauenklosters der Schwestern d. gottl. Erlosers v. Niederbronn zuOberbronn b. Niederbronn i.Els., ehemal. Mitglied d. Deutschen Reichstags (Elsiisser) ;

* Ammerschweier 12. III. 1831; f Nieder- bronn im Februar. Woche 5,328; Ktlrsch- ners Reichstag 1898, 387 (mitP); Ztschr. fUr d. Geschichte d. Oberrheins 58, 731 (Kaiser, L).

Simons, Paul, Ingenieur, Erbauer v. Briicken in d. Schweiz; f Bern 20. 1., 49 Jahre alt. Woche 5, 190.

*Sittard, Joseph, herzogl. sachsen-koburg. Professor, Musikschriftsteller in Hamburg;

* Aachen 4. VI. 1846; f Hamburg 24. XI. BJVIII, 171 (Joh. Sass); Riemann 6 1238; KL 25, 1297 (w)- 2*>, 42*J Monatshefte f. Musikgesch. 36, 138 (Lttstner, mit L).

*Sitte, Camillo, k. k. Regierungsrat, Direktor d. Staatsgewerbeschule in Wien, Architekt u. Kunstschriftsteller; * Wien 17. IV. 1843; t daselbst 16. XL BJ VIII, 225 (A.Birk); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 263; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 35, 35; BZ 13, 278. 14, 257 (Zeit 1903 Dezember 3: F.v. Feldegg; Deutsche Kunst u. Dekoration 1904, 308: H. Schmidkunz; Deutsche Bauztg. 1904 Nr. 6: Th. Fischer; Der Baumeistcr 2,44: O.v.Lcixner; Stadte- bau 1904, 33: K. Henrici).

Skorzewzki, Leon Friedrich Valentin Arnold Graf, Herr auf Labiszin mit Oporowo etc. (Kreis Schubin in Posen), frtiher Mitglied d. Deutschen Reichstags; * Posen 28. VL 1845; f daselbst 2. III. 111. Ztg. 120, 383; Goth. Genealog. Taschenbuch d.Grafl. Hauser 1904, 812.

Skriwanek, Heinrich, Theaterdirektor in Znaim; f Ollersbach 7.X. NeuerTheater- almanach 16, 167.

Slach, Anna, verehel. Birrenkoven, Opern- silngerin: s. Birrenkoven, Anna.

Sommerbrodt, Julius, Dr. phit., k. prcufi. Geheimer Regierungsrat, Professor, Provin- zialschulrat a. D., klass. Philolog u. Archao- log; * Liegnitz 6. XII. 18 13; f Breslau 6. I. KL 24, 1365 (W). 26, 42»; All- gemeine Ztg. 1903 Beil. 8.

•Souchay, Konrad The odor, Dichter; *Liibeck3o.XII. 1833; fCannstadt 26.XII. BJ VIII, 170 (Joh. Sass).

Sperber, Emil Viktor v., Rittergutsbesitzer auf Adl. Kleszowen (Ostpreuflen), Ehren- ritter d. Johanniterordens, Mitglied des Deutschen Reichstags (deutschkonservaliv);

* Adl. Kleszowen 27. IV. 1848; f Berlin 17. X. Kiirschners Reichstag 1898, 14 (mit P); 111. Ztg. 121, 648.

Sperling, Paul Gotthold, Dr. wed., Ober- stabsarzt z. D., Vorstand d. Sammlungen d. Kaiser Wilhelms-Akademie; * Sampohl (Kreis Schlochau, Reg.-Bez. Marienwerder) 12. II. 1849; f 5. I. Virchows Jahres- berichte 38, I, 424 (Pagel) ; Lebenslauf in Sp.s Dissertation: Cber Embolienbei Endo- carditis. Berlin 1872.

Spetzler, Oberinspektor des Norddeutschen Lloyd, Leiter d. techn. Betriebes in Bremer- haven; f Bremen 17. XII. 111. Ztg. 12 r, 1015.

Springer, Anton Edler v., Kommandant d. 10. Infanteriebrigade in Troppau, Militar-

ur

Totenliste 1903: Stahnisch Stolberg-Stolberg.

112'

schriftsteller; f Troppau 1 . IV., im 58. Jahre.

111. Ztg. 120, 536.

Stahnisch, Gustav, Schauspieler; * 12. XI.

1877; f Naumburg a. S. 23. VIII. Neuer

Theateralmanach 15, 154. ♦Stambke, Moritz, k. preufi. Geheimer Ober-

baurat, Eisenbahningenieur ; * Klein-Ltibars

23. II. 1830; f Berlin 18. II. BJ VIII, 226 (A. Birk).

♦Starke, Wilhelm Gustav Karl, Wirkl. Ge- heimer Oberjustizrat, Reformator d. Gefang- niswesens; * Lauban 26. II. 1824; f Berlin 10. III. BJ VIII, 237 (A. Teichmann).

Starorypinski, M. v., Schauspieler : s. H e n z e, Max.

Steidle, Johann Georg v., frtiherer Btirger- meistcr von VVttrzburg; f daselbst 23. XI.

111. Ztg. 121, 913.

Stein, Hermann, ehemal. Orchestermitglied ;

* Meuselwitz 1. II. 1834; f Frankfurt a. M. 1. XII. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Steinberger, Philipp, Zahnarzt u. Dozent d.

Zahnheilkunde an d. Universitat inVVien;

f Bleiberg (Karnten) im September.

Virchows Jahresberichte 38, I, 424 (Pagel,

mit L). ♦Steiner, Kilian v., Dr., k. wUrttemberg.

Geheimer Kommerzienrat, Finanzmann u.

Politiker, Kunst- und Literaturfreund ;

* Laupheim (WUrttemberg) 9. X. 1833; f Stuttgart 25. IX. BJ VIII, 162 (G. Schmoller); BZ 13, 285 (Nationalztg. 1903 Sonntagsbeil. Nr. 42: G. VVeisstein; [Stuttgarter] Neues Tagblatt 1903 Oktober 10: A. Palm).

Steinkopf, Fritz, k. wUrttemberg. Kommer- zienrat, Chef dcr Verlagsbuchhandlung J. F. Steinkopf in Stuttgart; f Stuttgart

24. III. Hi. Ztg. 120, 507; BZ 12, 295. 14, 263 (Schwab. Merkur 1903 Nr. 139; Monatsschrift f. innere Mission 1904, 161. 201, 241: A. Schultze).

Steinmetz, Hermann, Dr. thtol '., Konsistorial- rat, Generalsuperintendent d. Konsistoriums inStade u.auflerordend.Mitglied d.hannov. Landeskonsistoriums; f 25. VIII., 72 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

S teller, Wilhelm, Chinareisender, geograph. Schriftsteller, zuletzt Kaufmann in seiner Geburtsstadt Biberach; f daselbst 10. IX.

111. Ztg. 121,411; Geograph. Jahrbuch 26, 444 (W. Wolkenhauer, mit W u. L); Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

*Stenglein, Melchior, Dr. jur. honoris causa, Reichsgerichtsrat a. D., frtiher Mitglied d. bayer. Kammer d. Abgeordneten und d. Deutschen Reichstags (national liberal), Kri- minalist; * Bayreuth [nicht Bamberg?] 4. X. 1825; f Tegernsee 8. VII. BJ VIII, 234 (A. Teichmann); KL 25, 1334 (W).

26, 42*; BZ 13, 285 (Deutsche Juristenztg. I9°3» 349 : O. Licbmann; Der Tag 1903 Juli 11: A. BrUckmann).

Sterne, Cams (Pseudon,), Naturforscher: s. Krause, Ernst.

•Steub, Fritz, Maler u. Illustrator in Munchen, Mitarbeiterd. » Fliegen den Blatter ; *Lindau 11. XI. 1844; f Partenkirchen 5. VIII. BJ VIII, 99 (H. Holland).

♦Steudel, Wilhelm, Dr. tncd., Sanitfitsrat, prakt. Arzt in Stuttgart, Vorsitzender d. wUrttemberg. arztlichen Landesausschusses, auch Schmetterlingssammler; * Oberurbach (WUrttemberg, Oberamt Schorndorf) 4. IV. 1829; f Stuttgart 23. VII. BJ VIII, 106 (Pagel); Leopoldina 39, 132; BZ 13, 286 (Medizinisches Korrespondenzblatt d. wUrttemberg. arzd. Landesvereins 1903, 286 : Gerok, mit P).

♦Stiegele, Paul, Domkapitular in Rottenburg, theolog. Schriftsteller ; * Ravensburg 2. XII. 1847; t Rottenburg 24. II. BJ VIII, 69 (F. Lauchert).

Stirn, Daniel, Pianofortcfabrikant in Mil- waukee, BegrUnder d. jetzigenRohlfingschen Klavierfabrik daselbst; * Biedenkopf (Hess.) 1 818; f Milwaukee im Dezember. 111. Ztg. 1 22, 23 ; Monatshefte f. Musikgesch. 36, 139 (Ltistner, mit L).

Stock, Otto Emil, Dr. pkil., Privatdozent d. Philosophic an d. Universitat Greifswald u. Oberlehrer an d. Landwirtschaftl. Schule zu Eldena; * Stargard (Pommern) 16, I. 1867; f Greifswald 17. IV. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 93; Chronik d. Universitat Greifswald 17 (1902/3), 12 (J. Rehmke); Lebenslauf in St.s Dissertation: Descartes* Grundlegung d. Philosophic Greifswald 1888; KL25, 1343 (W). 26,42*.

Stockmann, Fritz, Dr. med., Urolog; * Ma- rienburg 3. XI. 1862; f im Marz. Virchows Jahresberichte 38, I, 424 (Pagel, mit L); Lebenslauf in St.s Dissertation: Ober d. zcitl. Verhaltnis d. Dauer d. Systole z. Dauer d. Diastole. Konigsberg i.Pr. 1889.

Stolberg-Stolberg, Albrecht Ilger Prinz zu; * Stolberg 16. I. 1S61; f Schlofi Eul- bach b. Erbach 29. VII. Goth. Genealog. Hofkalender 1904, 217.

: Alfred Fttrst u. regier. Graf zu Stolberg, K5nigstein etc.\ * Stolberg 23, XI. 1820; f daselbst 24. 1. Goth. Genealog. Hof- kalender 1903, 216. 1904, 217; 111. Ztg. 120, 166 (P u. Biogr. in Nr. 3054 vom 9. Januar 1902); Woche 5, 238 (P); BZ 12, 297 (Hamburg. Korrespondent 1903 Januar 28; [Hamburg.] Fremdenblatt 1903, Nr. 25; Tagl. Rundschau 1903 Nr. 46).

: Wolffgang Georg FUrst u. regierender Graf zu Stolberg, Konigstein etc%\ * Stolberg

ii3

Totcnliste 1903: Stolbcrg-Weraigerode Thiele.

114*

15. IV. 1849; f Rottleberode 27. I. 111. Ztg. 120, 199; Woche 5, 238 (P); Goth. Genealog. Hofkalender 1904, 216.

Stolberg-Wernigerode, Marie Wilhelminc Johanne, geb. Prinzessin Reu8 j. L., Witwe d. Grafen Eberhard (f 1872); * Klemzig 24. VI. 1822; f Giersdorf(Schlesien) 16. XII.

111. Ztg. 121, 1015; Goth. Genealog. Hofkalender 1904, 71. 217.

Stdlzel, Johanna, Theaterdirektorin : s. Hein- rich, Johanna.

Storm, Dorothea, zwcite Gattin d. Dichters Theodor St.; f Dessau 4. II., im 75. Jahre.

HI. Ztg. 120, 259.

Straub, J., Maler in Bonn, einer d. letzten »Nazarener«; f Bonn 18. V,, 54 Jahre alt.

111. Ztg. 120, 858.

*Straufi, Ernil, Verlagsbuchhandler in Bonn;

* Coin 18. VIII. 1845; f Bonn 31. VIII.

BJ VIII, 304 (R. Schmidt).

Straufi und Torney, Lothar v., General- major z. D., 1864—93 Flttgeladjutant d. Fiirsten v. Schaumburg-Lippe; f Btickeburg 30. VIII., 68 Jahre alt. Woche 5, 1644; Voss. Ztg. 1904 Nr. 3.

Stritt, Robert, ehemal. Schauspieler; * Graz 2. X. 1837; t Darmstadt 21. III. Neuer Theateralmanach 15, 144; FlUggen, Biogr. BUhnenlexikon 15, 144.

St rube, Frau Marie, frtthere Schauspielerin ;

* 23. VIII. 1832; f Magdeburg im dritten Viertel d. Jahres. Neuer Theateralmanach

16, 166.

Stuckelberg, Johann Melchior Ernst, Dr. phi/, honoris causa, Maler in Basel; * da- selbst 22. II. 1831: f ebenda 14. IX. 111. Ztg. 121, 461 (vgl. Nr. 3010 vom 7.Marz 1 901 mit Biogr. u. P); D. geistige Deutsch- land 1, 686 (Autobiogr.) ; BZ 13, 289. 14, 267 (Alte u. neue Welt 38, 183: A.Gefller; Neue freie Presse 1903 Sept. 22; Frank- furter Ztg. 1903 Sept. 16; Neue Zurcher Ztg. 1903 Sept. 15; BaslerNachrichten 1903 Sept. 16; Schweizer. Rundschau 4, 46: P. A. Stuckelberg; Schweizer. Archiv fUr Heraldik 1903, 173).

Studnicka, Franz Josef, Dr. phi/., ordentl. Professor d. Mathematik an d. tschechisch. Universitat in Prag (bediente sich in seinen Schriften meist der deutschen Sprache);

* Janov b. SobeSlav 27. VI. 1836; f Prag 21. II. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 44; PoggendorfT 3, 131 1. 4, 1459 (W); Wurz- bach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Oster- reich 40, 136.

Stummer, Joseph v., k. u. k. Geheimrat u. Sektionschef a. D., im Kabinett Wittek Minister d. Innern, frilher Mitglied d. bohm. Landtags; f Eger 14. VII., im 69. Jahre.

III. Ztg. 121, 139.

♦Stiirzinger, Johannes Jakob, Dr. phi/. , ordentl. Professor f. roman. u. engl. Philo- logie an d. Universitat Wilrzburg; * Wylen- Stammheim (Schweiz) 6. XII. 1855; f Wttrz- burg 1 2. VI.— BJ VIII, 280 (H.Schneegans); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 132; BZ 12, 289 (Neue Zurcher Ztg. 1903 Juli 17).

Subic, Simon, Dr. phiL, auflerordentl. Pro- fessor d. Physik an d. Universitat Graz; * Broden in d. Pfarre Bischoflaak (Krain) 28.X. 1830; f Graz 27. VII. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 173; Poggendorff 3, 1313. 4, 1462 (W^j ; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 40, 262 (mitWu.L); Leopoldina 39, 104.

Sundheim, Wilhelm, spanischer Industrieller, GrUnder d. Riotinto-Bergwerksgescllschaft und d. Eisenbahnen Sevilla Huelva und Zafra Huelva; f Huelva im August. 111. Ztg. 121, 279; Voss. Ztg. 1904 Nr. 13.

Szeps, Leo, Herausgeber d. Wiener Ztschr. »D. Wissen f. Alle«c ; f Wien 7. IV., 38 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 623.

Taglichsbeck, Otto, k. preufi. Berghauptmann, Direktor des Oberbergamts in Dortmund, 1 88 1 84 Mitglied d. deutschen Reichstags (nationalliberal); * Brandenburg a.H. 14. VI I. 1838; f Wiesbaden 19. IV. 111. Ztg. 120, 659; Schoenfeld, Notizbuch f. Reichs- tags wahler 5, 236.

Taubert, Otto, Dr. phii., Professor, Musik- direktor, Oberlehrer am Gymnasium in Torgau, Kantor d. Stadtkirche u. Dirigent d. stadt. Gesangvereins daselbst, Lieder- komponist und Musikschriftsteller, auch Dichter; * Naumburg a. S. 26. VI. 1833; f Torgau 1. VIII. Monatshefte f. Musik- gesch. 36, 139 (Ltistner, mit L); Riemann6 1310.

Teindl, Viktor, Dr. med.9 k. k. Generalstabs- arzt d. R. in Wien; * Neustadt (Mahren) 1 84 1 ; f 19. IX. Virchows Jahresberichte 38, I, 424 (Pagel, L); BZ 13, 292 (Wiener Medizin. Wochenschrift 1 903 Milittirarzt 1 60 : Steiner).

Tetens, Alfred Friedrich, Hamburger Wasser- schout, Vorsitzender d. Seemannsamtes d. Freien u. Hansestadt Hamburg; * Wilster (Holstein) 1. VII. 1835; f Eppcndorf b. Hamburg 13. 1. 111. Ztg. 120, 132 (mit P); BZ 13, 294 (Internationales Archiv f. Ethno- graphic 16, 78: Schmeltz).

Thalborn, Schauspielerin: s. Kmentt, Beatrix.

Theus, Peter, schweizerisch. Glockengiefier; f Felsberg am Calanda, 60 Jahre alt. Woche 5, 736.

Thiele, Frau Luise, geb. Zarnack (Pseudon. : L. Bernhard und Bernhardt), Schrift- stellerin (christl. Erzahlungen) in Potsdam;

H5"

Totenliste 1903: Thiele Uttner.

Il6*

* Bccskow (Mark Brandenburg) 31. I. 1832 (odor 1834?); t 26. V. KL 25, 1441 (W). 26, 42*; BrtimmerS 4, 203 (W). 476; Pataky, Lcxikon dcutscher Frauen d. Feder 2, 366.

Thiele, Felix Richard, ehem. Kapellmeister, Organist und Komponist (»Das dcutschc Flottcnlied«) in Berlin; * daselbst 29. X. 1847; f ebenda 25. IV. Neucr Theater- almanach 15, 146; Monatshefte f. Musik- gescb. 36, 139 (Llistner, mit L); Riemann6

1325.

Thiem, Gustav, Musikdirektor in Rudolstadt; f daselbst 3. VIII., 58 Jahre alt. Monatsh. fUr Musikgesch. 36, 1 39 (Lustner, mit L).

Thomas, Friedrich VVilhelm, Bildhauer; f Charlottenburg 29. IX., 72 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904 Nr. 11.

Thomas, Hermann Adolf, Pfarrer in Oppach, Lokalhistoriker; * Bautzen 17. X. 18 10; f Blasewitz b. Dresden 10. VIII. Amts- kalender f. evang.-luther. Geistliche im Kttnigr. Sachsen 1904, 205; Jahresbericht d. Lausitzer Predigcrgesellschaft zu Leipzig 1902/3, 40. Mitteilung v. Prof. H. A.Lier in Dresden.

Thurn und Taxis, La moral Friedrich VVilhelm Maximilian Vincenz Georg Prinz zu, k. u. k. Kammerer u. Geheimer Rat, Feld- marschallleutnant d. R., Oberstinhaber d. k. k. Husarenregiments Nr. 9; * Maria- Theresiopel 13. IV. 1832 ; f Preflburg 9. XII. 111. Ztg. 121, 756; Goth. Genealog. Hofkalender 1904, 224. 1905, 226; Wurz- bach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Oster- reich 45, 77.

Tillmann, {rede Htffgen) Christof, Mit- glied d. Stadttheaters inMetz; f Bonsecours 14. X. Neuer Theateralmanach 16, 167.

Toldt, Friedrich, Dr. fhil., Privatdozent f. Eisenhlittenwesen an d. Techn. Hochschule in Graz, Chemiker; f G^ !S« HI. Lcopoldina 39, 88; 111. Ztg. 120, 465.

Tradt, VVilhelm, Freund d. Dichters Martin Greif ; f MUnchen 8. VI. M.Greif, Gedichte. 7. Aufl. Leipzig 1903. S. 411.

Trauner, Friedrich, Buchhandler in Wels; t daselbst 9. II. Borsenblattf.d.Deutschen Buchhandel 1903, 1206.

Trausch von Trauschenfels, Johann Karl E u g e n , k. k. Hofrat, Historiograph, deutsch- siebenbtirg. Parlamentarier und Publizist;

* Kronstadt 3. III. 1833; f daselbst im Februar. 111. Ztg. 120, 465; Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 45; Wurzbach, Biograph. Lcxikon d. Kaisert. Osterreich 47, 36; BZ 12, 308 (Jahrbuch d. Gcsellschaft fUr d. Geschichte d. Protestantism us in Osterreich 24, 129: G. Frank; Kvang. Kirchenztg. f. Osterreich 1903, 99).

Trautmann, VVilhelm, k. preuB. Justizrat, Rechtsanwalt u. Notar in Halle a. S., 1878 81 Mitglied des Deutschen Reichstags (nationaJliberal, spater liberal e Vereinigung);

Bitterfeld 29. VII. 1846; f Halle a. S.

6. II. Woche 5, 282; Schoenfeld, Notiz- buch f. Reichstagswahler 5, 132.

Treu {rcctc Gratzer), Johann Hugo, ehem. Theaterdirektor; f Deutsch-Liebau 29. VIII., 76 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 1 5,

155.

Tronika, Richard, frtthererChorsanger; * Dip- poldiswalde (Kgr. Sachsen) 12. V. 1850; f Reutlingen 29. X. Neuer Theater- almanach 1 6, 170.

Trost, Karl, Kulturhistoriker u. Publizist in Berlin; * Calw 18. III. 1839; f Berlin 9. V. KL 25, 1460 (W). 26, 42*; 111. Ztg. 120, 765.

Trost, Louis, Orchestermitglied am Thalia- theater in Hamburg; * daselbst 30. XII. 1870; f ebenda 20. XII. Neuer Theater- almanach 16, 175.

♦Trotha, Ernst Otto v., k. preufi. Gcneral- leutnant a. D. ; * Neubcesen (Prov. Sachsen, Saalekrcis) 24. VI. 18 19: f Schkopau (nicht Skopau) b. Merseburg 29. I. BJ VIII, 188 (Lorenzen); Goth. Genealog. Taschen- buch d. Adel. Hauser 1 905, 811.

Tschirschky und BoegendorfF, 0 1 1 o , Julius v., k. sachs. VVirkl. Geheimer Rat, ehemal. Generaldirektor d. sachs. Staatseisen batmen, zuletzt Vorsitzender d. Verwaltungsrats d. Dresdner Bank; 12. III. 1818; t Dresden 8. X. Woche 5,1872; Oettinger, Monitcur tdcs dates 8, 259.

Tymowski, J., Dr. mcd.9 Arzt u. Schriftsteller in Wien; f Nizza im Juni. Virchows Jahresberichte 38, 425 (Pagel, L).

Ubrich, Ludwig, Schauspieler (Charakter- rollen) u. Theaterdirektor; * Darmstadt

7. I. 1828; f Weimar 20. XII. Neucr Theateralmanach 16, 175; FlUggen, Bio- graphisches BUhnenlexikon I, 310.

Uhl, Marie, verehel. Wcyr, Schriftstcllcrin : s. Weyr, Marie.

Ullmann, k. k. Hofrat, Direktor d. Donau- dampfschifYahrtsgesellschaft in Wien; f da- selbst 30. XI. Woche 5, 2180.

Ungar, Ludwig (Pseudonym), Schriftsteller: s. Katscher, Bertha.

Unger, Margit, Balletraeisterin und Solo- tiinzerin am Stadttheater in DUsseldorf;

* Berlin 5. VI. 1880; f DUsseldorf 16. X. Neuer Theateralmanach 16, 167.

Ungnad, Otto, ehemal. Schauspieler und Theaterdirektor; f Bromberg 21. VIII., 72 Jahre alt. Neuer Theateralmanach

*5> 154. Uttner, Adolf, Gcsanglehrer in Weimar, frtiher

U7'

Totenliste 1903: Varnhagen Waldmann.

Il8*

Opernsanger (Bassist), Regisseur; * Koblenz 1. XII. 1838; f Locarno 4. VII. FlUggen, Biograph. Btihncnlexikon 1, 311; Neuer Theateralmanach 15, 152; Monatshefte ftir Musikgescb. 36, 139 (Liistner, mit L).

Varnhagen, Geheimrat, ehemal. fUrstl. lipp. Rammer- u. Konsistorialprasident in Arolsen ; f Ende d. Jahres, 86 Jahre alt. Allgemeinc Ztg. 1904 Beil. 3.

Veit, Aloys Konstantin Konrad Gustav v., Dr. med., k. preuB. Geheimer Obermedizinal- rat, frtiher Direktor d. Gynakolog. Klinik u.Vcrwaltungsdirektor d. kliniscb. Anstalten, sowie ordentl. Professor d. Gyn&kologie an d. Universitat Bonn; * LeobschUtz (Ober- schlesien) 3. VI. 1824; f Deyelsdorf b. Grimmen (Pommern) 20. IV. Chronik d. Universitat Bonn 29 (1903), 2; Leopol- dina 39, 88; Pagel 1755 (mit P); Biograph. Lexikon d. hervorrag. Arzte 6, 79 (mit W); Virchows Jahresbericbte 38, I, 425 (Pagel, L) ; BZ 1 2, 3 1 5 (Monatsschrift f. Geburtsbilfe u. Gynakologie 1903, 1223: A. Martin).

Veith, Georg, Ingenieur, Professor ftir Maschinenbau; f Stuttgart 2. VII., 81 Jabre alt. Wocbe 5, 1236; BZ 13, 305 (Scbweizer Bauztg. 42 Nr. 2).

Verdier, Lucie, verehel. Ferenczy, frUbere Operettensangerin : s. Ferenczy, Lucie.

Viktor, Hugo (Pseudonym), Scbriftsteller : s. Schloemp, Edwin.

Voigt, August, Professor, Vorstand d. Gotbaer Liedertafel u. Vorsitzender d. Deutscben Sangerbundes ; f zu Gotba. Wocbe 5, 736; BZ 12,320 (ThliringerSchulblatt 1903 Nr. 8.

Volkmann, Diedericb, Dr. pM., k. preufl. Geheimer Regierungsrat, 1878—98 Rektor d. Landesscbule Pforta, Schulmann u. klass. Philolog; * Bremen 13. IX. 1838; f 13. VII. Voss. Ztg. 1904 Nr. 5; Eckstein, Nomen- c later philologorum 596.

Volkmar, Anton ie, Genre- u. Portr&tmalerin in Berlin; f 21. XII., 76 Jabre alt. Voss. Ztg, 1904 Nr. 11.

Volkmer, Luise, verebel. Albes, Scbauspielerin u. S&ngerin: s. Albes, Luise.

Vucobrancovits, Willi v., Opernsanger: s. Willem, Willi v.

Wachsmuth, Franz Rudolf, Geheimer Justiz- rat, frilber Mitglied d. Frankfurter National- versammlung, d. preufi. Abgeordnetenhauscs u. Norddeutschen Reichstags, einst Gefahrte Fritz Reuters auf d. Festung Silberberg; * Zttllichau 21. XL 1810; f Crossen a.d.O. 29. V. 111. Ztg. 120, 897; Oettinger, Sloniteur des dates 5, 164.

Wagener, Hermann, Major a. D., Konservator d. stftdt. Museums in Braunschweig; f da- selbst 4. 1., 74 Jahre alt. 111. Ztg. 120, 79.

Wagner, Arthur, Dr. vied., kais. russ. Staats- rat, Oberarzt des von ihm in St. Petersburg untcrhaltenen Privathospitals; * Arensburg 18. I. 1842; f St. Petersburg 28. X. Virchows Jahresberichte 38, I, 425 (Pagel, mit L).

Wagner, Bernhard Ludwig, Dr. med., ver- antwortl. Redakteur d. Jahrbuchs f. Kinder- heilkunde; * Delitz b. Weifienfels 12. VIII. 1839; f 18. III. Virchows Jahresberichte 38,1,425 (Pagel, L); BZ 12, 322 (Jahr- bucb f. Kinderheilkundc 57,519: A. Steflfen).

Wagner, Georg Georgiewitsch (Jegor Jegoro- witsch), Professor d. Chemie am Polytech- nikum in Warschau, Mitarbeiter deutscher chem. Zeitschriften ; * Kasan 29. XI. 1849; f 27. XI. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 279; Poggendorff 4, 1586 (mit W); BZ 14, 289 (Berichte d. Deutschen chem. Gcsellschaft 36, 4591: G. Wagner >*«).

Wagner, Wilhelm, Dichter, Scbriftsteller u. Journalist in Bad Nauheim; * 24. V. 1862.

KL 25, 1503 (W). 26, 42* ; BZ 12, 322 (Hessenland 1903, 90 : A. Burger) ; Brttmmer 5 4, 270 (rait W).

*Wahl, Alexander v., Bildhauer u. Maler in MUnchen; * Affick (Livland) 22. XII. 1839; t Mttncben 2. XII. BJ VIII, 200 (H. Holland).

Walcker, Heinrich, Hoforgelbauer in Lud wigs- burg; 10. X. 1828; f Kirchheim u. T. 24. XI. Monatshefte f. Musikgescb. 36, 139 (Liistner, mit L); Riemann6 1430.

Walcker, Karl, Inhaber d.Verlagsbucbbandlg. Chr. Belser in Stuttgart; f daselbst 18. IV.

Bbrsenblatt f. d. Deutschen Buchhandcl 1903, 6486.

Waldburg-Zeil-Wurzach, Eberhard II. Franz Leopold Maria Ftlrst v., Senior d. fttrstl. Gesamthauses Waldburg u. als solchcr Reicbserb-Obcrhofmeister d. Kgr. Wiirttem- berg, Mitglied d. wtirttemberg. Kammer d. Stand esherren, k. u. k. Major a. D. ; * VVurzacb 17. V. 1828; f Kifilegg (Wurtterab., Donau- kreis 1. VIII. Goth.Genealog.Hofkalender 1903, 231. 1904, 232.

Waldersee, Franz George Adolf Graf v., kaiserl. deutscher V'izeadmiral a la suite d. Marine; * Potsdam 17. IX. 1835; t Meesen- dorf b. RackschUtz (Kreis Neumarkt, Scbles.) 22. XI. Goth. Genealog. Taschenbuch der Griifl. Hauser 1904, 925; 111. Ztg. 14, 290; BZ 14, 290 (Militarwochenblatt 1904 Nr. 51).

Waldmann, Franz, Dr. phil., Reallehrer, Lehrer an d. Tochterscbule in Schaffhausen, Historiker u. Literaturforscher; * Arbon am Bodensee (Kanton Thurgau) 26. IV. 1847; f SchafThausen 14. V. KL 25, 1507 (W). 26,42*; 111. Ztg. 120,805; Leopoldina

H9

Totenliste 1903: v. Waldstein Weininger.

I20*

39, 104; BZ 12, 323 (SchweuerLehrerztg. 1903 Nr. 24).

Waldstein, Joseph Ernst Graf v., Herr auf Wartenberg, Senioratsherr, k. u. k. Geheimer Rat u. Feldmarschalleutnant a.D., Mitglied d. Herrenhauses d. csterr. Rcichsrats auf Lebenszeit ( Verfassungspartei); * Perstein b. Jungbunzlau 22. IX. 1824; f Scblofi Trebitsch (Mahren) 21. VII. Goth. Ge- nealog. Taschenbuch d. Gr&fl. Hiiuser 1903, 939, 1904,928; Ill.Ztg. I2if 175; S.Hahn, Reichsrats-Almanach f. d. Session 1891/92, 111.

Walfeld, Kurt v. (Pseudonym), Schriftsteller: s. Meding, Oskar.

Walter, Emil, Chefredakteur u. Direktor d. Konigsberger Hartungschen Ztg. ; * Neu- stadt-Magdeburg 1. III. i860; f Kreuz 29.

V. 111, Ztg. 120, 897; KL 25, 1510. 26, 42*; Rindfleisch, Altpreufl. Bibliographic !9°3» 52 (L: Konigsberger Hartungsche Ztg. 1903 Nr. 248. 249. 250. 253).

Walther, Gustav, Dr., bis 1897 President d. anhalt Regierung in Dessau ; f 23. XII., 76 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Wangenheim, Walther Christian Freih. v., kais. deutschcr Legationsrat u. aufterordentl. Gesandter u. bevollmachtigter Minister bei d. Argentin. Republik in Buenos Aires; * Neu-Lobitz 16. V. 1847; f Buenos Aires 10. VIII. 111. Ztg. i2i, 279; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Gr&fl. Hiiuser 1904, 826.

Wangerin, Carl Albert, Dr.phiL, Assistent am chem. Institut in Halle a.S.; * Berlin 13.

VI. 1873; t Halle a, S. 19. X. Leopol- dina 39, 132; Lebenslauf in W.s Disser- tation: Cber d. Titration d. Indigos mit Hydrosulfit. Halle 1892.

Wanschaff, Julius, Prazisionsmechaniker in Potsdam; f daselbst im September. Illustr. Ztg. 121, 523; Virchows Jahresbe- richte 38, I, 425 (Pagel, mit L); BZ 13, 314 (Weltall 4, 69: Archenhold).

Waren, Leo (Pseudonym), Schriftsteller: s. Meding, Oskar.

Washington, Maximilian Emanuel Willi- bald Bernhard Johann Gebhard, Henr auf Piils (Steiermark), k. u. k. Wirkl. Geheimer Rat, Mitglied d. Herrenhauses d. osterreich. Reichsrats auf Lebenszeit (Verfassungs- partei), President d. k. k Landwirtschafts- gesellschaft f. Stciermark, hervorragcnder Land wirt; * Notzing (Oberbayern) 2. VIII. 1S29; f Graz 3. VII. Illustr. Ztg. 121, 67 ; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Frei- herrl. Hiiuser 1905, 875; Wurzbach, Bio- graph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 53, 130; S. Hahn, Reichsrats-AImanach ftir 1891/92, 113.

Wasserburger, Paul v., k. k. Baurat, ehc- mals Mitglied d. Baukommission im oster- reich. Ministerium d. Innern: * Wien 4. XI. 1824; f daselbst 23. XL Illustr. Ztg. 121, 913; Rheinhardt, Biographien d. Wiener Ktinstler u. Schriftsteller 1, 32.

Weber Edler v. Webenau, Viktor, k. k. Osterreich. Truchsefl; f Mttnchen 7. III., 82 Jahre alt. Woche 5, 462.

Weber, Bertha, k. sachs. Hofopernsangerin a. D. (Soubrette); f Radebeul 9. III., im 68. Jahre. Neuer Theateralmanach 15, 142; Monatsbefte f. Musikgeschichte 36, 139 (LUstner, mit L); FlUggen, Biograph. Btihnenlexikon 1, 320.

Weckbecker, Hugo Freiherr v., k. u. k. Feld- marschallleutnant, ehemal. FlU gel adjutant des Kaisers v. Osterreich; * Wien 14. II. 1820; f Helenenthal b. Baden b. Wien

26. VII., im 84. Jahre. Woche 5, 1372; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freihcrrl. Hauser 1905, 879.

Wehl, Paul, Violinist, frtiher Konzertgeiger d. Quartetts Wrehle in Wien, dann Direktor ein. Musikschule daselbst; f ebenda 2 1 . VL, im 40. Jahre. Illustr. Ztg. 121, 67; Monatsheftc f. Musikgeschichte 36, 139 (LUstner, mit L).

Wehrmann, Theodor, Szenerieinspektor d. kQnigl. Schauspielhauses in Berlin; f Ahl- beck 27. VII. Neuer Theateralmanach

15. 153.

Weidemann, Albert, Dr. phiL, Geheimer Rat, Oberschulrat a. D., einst Vorstand d. gesamten Schulwesens im Herzogtum Sachsen-Meiningen; * Rehmsdorf b. Zeitz 24. IX. 1806; f Meiningen 24. VL Illustr. Ztg. 120, 897.

Weil, Heinrich Ritter v., Dr. med., k. k. Regierungsrat, Leiter eines orthopad. In- stituts in Wahring b. Wien; f daselbst 5. I., im 69. Jahre. Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 6; Virchows Jahresberichte 38, I, 425 (Pagel, mit L).

Weinberg, Ljuba, Schw ester des Musikus Anton Rubinstein; f St. Petersburg 14. L, 70 Jahre alt. Woche 5, 144; Monats- heftc f. Musikgesch. 36, 139 (LUstner, mit L).

Weiner, Eugen, Florist, GrUnder des Xcw York Philharmonic Club\ f New York

27. II. Monatsbefte f. Musikgeschichte 36, 139 (LUstner, mit L).

Weininger, Otto, Dr. fhil.} Philosoph; f Wien 4. X. 111. Ztg. 121, 648; N. Wiener Journal 1903 Okt. 25 (F. Jodl); BZ 13, 316 (Berl. Tagebl. 1903 Okt. 13; Bund 1903 Okt. 10: v. Widmann; Neue Bahnen 1904, 214: W. Freih. v. Appel); O. Weininger, Cber die letzten Dinge. M. c. biogr. Vorw. v. M. Rappaport. Wien 1904.

I2T

Totenliste 1903: Wcinrich Widemann.

122'

Weinrich, Josef, Oberinspizient am Stadt- theater in Riga; f daselbst 30. I., 35 Jahre alt. Neuer Theateralmanach 15, 139.

♦Weinrich, Karl v., k. bayer. General der Kavallerie z. D.; * Aschaffenburg 22. IX. 181 5; f MUnchen 19. X. BJ VIII, 154 (Lorenzen).

Weifi, Marcus, Dr. tned.^ Arzt in Prag, Schrift- steller; * Rokitznik 19. XI. 1829; f 16. II.

Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel, mit L).

Weifi, Mizi, Schauspielerin am ktfniglichen Schauspielhaus in Potsdam; f daselbst 20. III., 18 Jahre alt. Neuer Theater- almanach 15, 144.

•Weifi, Olga, Malerin (Blumen u. Stilleben) inMtinchen; * daselbst 18. IX. 1853; f eben- da 30. VI. BJ VIII, 199 (H. Holland).

Welck, Kurt Magnus Richard Freiherr v., k. s&chs. Geheimer Regierungsrat, vor- tragender Rat im Kultusministerium, Hono- rarprofessoi f. allgemeine Rechtskunde an d. Techn. Hochschule in Dresden; * Riesa 26. IX. 1864; f Bflhlau b. Dresden 8. VII.

Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 154; Goth. Genealog. Taschenbuch d. Freiherrl. H&user 1965, 886; Illustr. Ztg. 121, 139.

Welcker, Karl, herzogl. sachsen-altenburg. Konzertmeister u. ehemal. Stadtmusikdirekt. in Altenburg i. S.; * Meuselwitz (Sachs.- Altenb.) 1827; f Altenburg 10. II. Mo- natshefte f. Musikgeschichte 36, 139 (Ltist- ner, mit L).

Wendt, Karl Hubert Maria Freiherr v., Fidei- kommifiherr, k. preufi. Regierungsassessor u. Oberleutnant a. D., Mitglied d. preufi. Herrenhauses auf Lebenszeit, frllher auch Mitglied d. Deutsch. Reichstags (Zentrum) ;

* Schlofl Hovestadt 21. I. 1832; f Geve- linghausen b. Olsberg (Westfalen) 11. XII.

Goth. Genealog. Taschenbuch d. Frei- herrl. Hauser 1904, 844. 1905, 942; Woche 5, 2272; Schonfeld, Notizbuch f. Reichs- tagswahler 5, 184.

Wenge-Wulffen, Ludolf Kleraens Fried- rich Maximilian VValpurgis Freiherr v., k. preufi. Kammerherr, Altersprasident des Rhein. Provinziallandtags ; * VVenge 16. IV. 18 19; f Overbach (Kreis Jttlich) 13. III.

Woche 5, 510; Goth. Geneal. Taschen- buch d. Freiherrl. Hauser 1904, 845.

Wenzel, Karl Rudolf, Dr. med.t General- arzt a. D. b. d. Kaiserl. deutschen Marine;

* Ziegenrtick (Thttringen) 21. X. 1831; f Weimar 9. I. Virchows Jahresberichte 38, 1, 426 (Pagel, mit W u. L); Verzeichnis d. berliner Universitats-Schriften 1810—85 Nr. 4843.

•Werner, Karl Friedrich Heinrich Eugen, k. preufi. Geheimer Justizrat, Dezernent f.

Bau- u. Gefangniswesen im preufi. Justiz- ministerium; * Berlin 8. IV. 1849; f da- selbst 10. VI. BJ VIII, 149 (A. Teich- mann).

Westerburg, Albert, ehemal. Oberbiirger- meister v. Kassel u. Mitglied d. preufi. Herrenhauses; f Godesberg 4. VII. Woche 5, 1236; Voss. Ztg. 1904 Nr. 1.

Westermair, Maximilian, Dr. phiL9 ordentl. Professor der Botanik an der Universitat Freiburg i. Schw. ; * Kaufbeuren 6. V. 1852 ; f Freiburg i. Schw. 1. V. Leopoldina 39, 88; Keiter-J6rg, Kathol. Literaturkal. 344 (W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 101; BZ 12, 328. 14, 294 (Koln. Volks- zeitung 1903 Juni 6; Verhandlungen der schweizer. naturforsch. Gesellsch., 86. Ver- sammlung S. LXXXII: A. Ursprung).

Westermeier, Benedikt, Musikdirektor in Mtinchen; f daselbst 30. VIII. Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 126 (Ltistner, mit L).

•Wetzel, Franz Xaver, Stadtp fairer u. Dekan von Lichtensteig (Schweiz, Kant. St. Gallen), Kanonikus, Jugend- u. Volksschriftsteller u. geistl. Dichter; * Rorschach 2 5. XI. 1849; f Ingenbohl 31. V. BJ VIII, 84 (F. Lau- chert); Keiter-Jbrg, Kathol. Literaturkalen- der 6, 84 (W); KL 25, 1556 (W).

Weyert, Ferdinand, Dr. mtd., kaiserl, russ. Wirkl. Staatsrat, Ophthalmolog in St. Peters- burg; * daselbst 13. IL 1836; f 3. II. Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel, mit L).

Weyr,Eduard, Dr.phil., k. k. Hofrat, ordentl. Professor der Mathematik an der tschech. techn. Hochschule u. supplierender Prof, d. synthet. Geometrie an d. tschech. Uni- versitat in Prag; * daselbst 21. VI. 1852; f Zabor b. Kuttenberg 23. VII. All- gemeine Ztg. 1903 Beil. 166; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. Kaisert. Osterreich 55, 205 (mit W); Poggendorff 3, 1435. 4, 1623 (W); Leopoldina 39, 104.

Weyr, Marie, geb. Uhl, Gattin d. wiener Bildhauers Rudolf W., Schriftstellerin ; f Wien 20. (oder 19.?) IV. Woche 5, 736; Pataky, Lexikon deutscher Frauen d. Feder 2, 429; BZ 12, 328 (Wiener Fremdenblatt 1903 April 22); Voss. Ztg. 1904 Nr. 9.

•Wichner, Jakob, Benediktiner, Dr. theol. honoris causa, Archivar u. Bibliothekar d. Stiftes Admont in Steiermark, Kirchen- historiker; * Graz 22. VII. 1825; f Admont 21. X. BJ VIII, 223 (F. Lauchert).

Wick, Joseph Laurentius, Dr., frtther Privat- dozent an d. Universitat Breslau; f da- selbst 9. II. Allgem. Ztg. 1903 Beil. 33.

Widemann, Karl Theodor, Gesanglehrer, ehemal. Opernsanger (Heldentenor) am

123*

Totenliste 1903: v. Wiedebach Wittstock.

124*

Stadttheater zu Leipzig; * 29. IX. 1821; f Gohlis bei Leipzig 3 1 . (oder 3. ?) I. FlUggen, Biograph. BUhnenlexikon 1, 398; Neuer Theateralraanach 15, 137; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 139 (Llistner, mit L).

Wiedebach, Johann Friedrich v., k. sachs. Kammerherr, Rittergutsbesitzer, Mitglied d. sachs. 1. Standekammer; * Bautzen 21. IV, 1 84 1 ; f Wohla 17. XL Illustr. Ztg. 121, 648; Goth. Genealog. Taschenbuch der Adeligen Hauser 1905, 876.

Wiedemann, Friedrich, ehemal. Direktor d. Residenztheaters in Hannover; f daselbst 6. II. Neuer Theateralmanach 15, 140; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (LUstner, mit L).

Wieden, Karl, Klavierbauer in Wien: f Leipa irn Juni, 74 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (Llistner, mit L).

Wieland, Karoline, verehel. Peucer, letzte Enkel d. Dichters Christoph Martin W., s.: Peucer, Karoline.

Wigandt, Eduard, Dr. med.t Mitglied der Medizinalverwaltung u. Oberarzt d. Gewehr- fabrik in Tula, BegrUnder d. Medizin. Ge- sellschaft daselbst; * Li viand urn 1826; f 26. X. Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel, mit L).

Wilcke, August, langjahr. President d. Grofl. Coiner Karnevalsgesellschaft ; f Cain 26. II., 80 Jahre alt. Illustr. Ztg. 1 20, 347.

Wildau, Ernst (Pseudonym), Dichter, s.: Daudert, Wilhelm.

Wilhelinj, Charlotte, geb. Petry, Mutter d. Geigers August W., ehemal. Sangerin u. Pianistin; f Wiesbaden 22. IV. Woche 5, 782; Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (LUstner, mit L).

Wille, Karl, ehemal. Chorsanger am Stadt- theater zu Hamburg; * daselbst 12. III. 1 828 ; f daselbst 27. VIII. Neuer Theater- almanach 15, 155.

Willem (rccte Vucobrancovits), Willi v., ehemal. grofihgl. mecklenburg. Hofopern- sanger; * Wien 1838; f daselbst 6. IV. Neuer Theateralmanach 15, 145; Monats- hefte f. Musikgeschichte 36, 140 (Llistner, mit L).

Willich, v., Dr., k. preufl. Landrat, eifriger Ftfrderer d. Deutschtums in d. Ostmarken d. Deutschen Reichs; f Birnbaum 21. L Woche 5, 190.

Wilmersdorffer, Max Ritter v., Geheimer Kommerzienrat, Bankier in MUnchen, kgl. sachs. Generalkonsul daselbst, auch MUnz- sammler; Bayreuth 1824; f MUnchen 26. XII. Illustr. Ztg. 122, 23; BZ 14, 295 (Der Numismatiker 3, 15: Kahane).

Wimmer, Josef, Theaterdichter (Possen),

Schriftsteller u. Journalist, auch Dramaturg ;

* Wien 23. I. 1834; f daselbst 9. XII. KL 24, 1566 (W). 26, 42*; Brttmmer5 4, 356 (mit W); Rheinhardt, Biographien wiener Klinstler u. Schriftsteller i, 513; Wurzbach, Biograph. Lexikon d. KaiserL Osterreich 56, 217—226 (mit W u. L); Neuer Theateralmanach 16, 172.

Winckelmann, Theodor, erster Kapellmeister am Stadttheater in Magdeburg; * Braun- schweig 1. XII. 1 85 1 ; f Magdeburg 4. IV.

Neuer Theateralmanach 15, 145 (W. Porth); Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (LUstner, mit L).

Winkler, August Emil, Dr. phiL, Professor, Lehrer f. Deutsch u. klass. Sprachen am Realprogymn. in Spremberg; Eilenburg 14. V. 1845; t Spremberg 3, IV. Jahres- bericht d. Progymn. in Spremberg 1902/3, 18.

Winkler, Joseph, Superintendent d. wiener Diozese augsburg. Bekenntnisses ; f Arriach b. Villach 22. (oder 23.?) X. Illustr. Ztg. i2if 648; Voss. Ztg. 1904 Nr. 5.

Winter, Karl Heinrich, Antiquar (C Winter) in Dresden, Mitglied d. Stadtverordnetcn- kollegiums daselbst; f ebenda 30. IV. Bttrsenblatt f. den Deutschen Buchhandel

1903, 3534. Wintterlin, Hermann v., President a. D. d. k. wttrttemberg. Spruchkollegiums d. Ab- teilung ftir Zoile und indirekte Steuern;

* Stuttgart 14. II. 1834; f daselbst 25. VI.

Illustr. Ztg. 121, 67.

Witte, Hinricus Johann, Dr. phil.f Lehrer am Lyceum in Strafiburg i. E., Historiker; •Leer 13. II. 1854; f *5. H. KL 25, 1585 (W). 26, 42*; Ztschr. f. d. Geschichte des Oberrheins 57, 565 (W. Wiegand); BZ 12, 330 (Neue ZUrcher Ztg. 1903 April 4).

Wittenbecher, Ernst, ehemal. Kammermusik. am Hoftheater in Kassel; Freiburg (?) 14. II. 1853; f Haina 12. 1. Neuer Theateralmanach 15, 138; Monatshefte ftir Musikgeschichte 36, 140 (LUstner, mit L).

♦Wittmann, Carl Friedrich, Hoftheaterdirek* tor a. D., Schauspieler u. dramat. Dichter;

* Coburg 24. III. 1839; t Bcrlin f7- In-

BJ VIII, 264 (F. BrUmmer); Brttmmer5 4, 366. 510 (rait W); KL 25, 1588 (W). 26, 43*; Riemann* 1470; Neuer Theater- almanach 15, 143 (mit P); Woche 5, 563 (P); Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (LUstner, mit L).

♦Wittstock, Albert Friedrich, Dr. phil., k. sachs. Hofrat, Schuldirektor a. D., pada- gog. Schriftsteller, auch Dichter; Wuster- hausen a. d. Dosse (Mark Brandenburg) 20. VIII. 1837; f Leipzig 16. 1. BJ VIII,

125

Totenliste 1903: Wobl Zierer.

126*

230 (Brtimmer); Brtimmer 5 4, 368. 510 (mit W); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 15; KL25, 1589 (W).

Wohl, Julius, Dr. med.y k. preufl. Geheimer Sanitatsrat, prakt. Arzt in Berlin ; * daselbst 27. III. 1822; f ebenda 22. VII. Virch. Jahresbcrichte 38,1,426 (Pagel, L); Ver- zeicbnis der berliner Univ.-Schriften 18 10 bis 85 Nr. 3888; BZ 13, 320 (Berliner Arztekorrespondenz 1903, 137: J. Becher).

Wohlbriick, Ida, Opernsangerin, s.: Schu- selka-Brllning , Ida.

Woisch, Ferdinandine, ehemal. Schauspiel. (Anstandsdamen, Mutter) am herzogl. Hof- theater in Coburg; * Gendersheim 5. XII. 1824; f Coburg 24. I. Neuer Theater- almanacb 15, 139; Fltiggen, Biograpb. Btthnenlexikon 15, 139.

•Wolf, Hugo, Komponist; * Windischgraz (Steierraark) 13. III. i860; f Wien 22. II.

BJ VIII, 350 (Paul MUller); Illustr. Ztg. 120, 345 (C Droste, mit P); Wocbe 5, 380 (P); Monatshefte f. Musikgeschichte 36, 140 (Ltistner, L) ; BZ 12, 232. 13, 321. 14, 297 (L).

Wolf, Otto, k. preufi. Generalmajor z. D., bis 1897 Kommandeur d. 68. Infanterie- brigade; f 29. IX., 60 Jahre alt. Voss. Ztg. 1904, Nr. 3.

Wolff, Ewald, Dr. med., k. preufl. Geheimer Medizinalrat bei d. Regierung in Breslau, Chirurg u. Ophthalmolog ; * Trachenberg 29. XII. 181 5; f Breslau im Dezember. Allgemeine Ztg. 1904 Beil. 1; Leopoldina 40, 40; Biograph. Lexikon d. hervorragend. Arzte 6, 318 (mit W u. L); Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel).

Wolff, Josef, ehem. Opernsanger (lyr. Tenor) ;

* Speier 18. V. 1841 (nach Fltiggen und Eisenberg 1843); t daselbst 23. VI. Fltiggen, Biograph. Btihnenlexikon 1,334; Eisenberg, Grofles biograph. Lexikon der Deutschen Btihne 1142; Neuer Theater- almanach 15, 152; Monatshefte fllr Musik- gesch. 36, 140 (Ltistner, mit L).

Wolff, Karl, Mitinhaber d. Konzertdirektion Hermann Wolff in Berlin; f daselbst 23. IX., 48 Jahre alt. Monatshefte f. Musikgesch. 36, 140 (Ltistner, mit L).

Wolfram, William, Dr. med., Gynakolog, Inhaber einer Privatklinik in Riga; * Gum- binnen; f Riga 17. XII. Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel, mit L).

Wollrabe, Minna, geb. M tiller, ehemal. Schauspielerin (jugendl.Fach, spater Mutter);

Leipzig 26. V. 1830; f Berlin 23. VIII.

Fltiggen, Biograph. Btihnenlexikon 1, 334; Eisenberg, Grofies Biograph. Lexikon d. Deutschen Btihne 1 1 46 ; Neuer Theater- almanach 15, 154.

Wurmbrand-Stuppach, Leo Graf v., k. u. k. Kammerer u. Geheimer Rat, Feldmarschall- leutnant u. ehemal. KammervoTsteher d. Erzherzogs Franz Ferdinand, Oberleutnant u. Hauskommandant in d. Arcieren garde ; * Liblin 12. IX. 1840; f Steinach-Irding 29. VIII. Goth. Genealog. Hofkalender 1904, 237.

Wurtcnberger, Thomas, Geolog; f Emmis- hofen b. Konstanz 27. VII. Leopoldina 40, 40.

Wurth, Fidelis, Dr. med., Medizinalrat zu Freiburg i.Br., im dortigen Corps Rhenania seit 1822; * 14. IV. 1805; f Freiburg i.Br. 24. IX. 111. Ztg. 121, 523; Virchows Jahresberichte 38, I, 426 (Pagel, mit L).

Ysenburg und Biidingen, Ferdinand Maxi- milian Ftirst zu, erbl. Mitglied d. preufl. Herrenhauses u. d. Ersten Kammer d. Groflhgt. Hessen; * Wachtersbach 24. X. 1824; f daselbst 5. VI. Goth. Genealog. Hofkalender 1903, 145, 1904, 145.

Zabel, Wilhelm, Geheimer Justizrat, Acht- undvierziger; * 31. V. 1802; f Seelow b. Frankfurt a.O. 1. III. 111. Ztg. 120, 383 (Biogr. u. P in Nr. 3079 vom 3. Juli 1902).

Zarnack, Luise, verehel. Thiele, Schriftstelle- rin: s. Thiele, Luise.

*Zastrow, Karl (Pseudon. : K. v. Prenzlau), Eisenbahnbetriebssekretar in Berlin, Ver- fasser von Romanen u. No veil en und Jugend- u. Volksschriftsteller; * Prenzlau 11. IV. 1836; f Berlin 9. II. BJ VIII, 231 '(Brtimmer); BrtimmerS 4, 401. 517 (mitW); KL25, i6i6(W).

Zechbauer, Luise, ehemal. Schauspielerin; f Erfurt 26. XI. Neuer Theateralmanach 16, 173.

Zechbauer, Minna, verehel. Ascher, Schau- spielerin: s. Ascher, Minna.

Zeidler, Paul, Chorsanger; * 24. III. 1846; f Berlin 14. XI. Neuer Theateralmanach 16, 171.

•Zeller, Eduard Maximilian, Rechtsanwalt a.D. in Stuttgart, geistl. Dichter; * Stuttgart 28. III. 1822; f daselbst 7. IX. BJ VIII, 185 (Brtimmer); BrtimmerS 4, 408 (mitW); KL 25, 1620 (W).

♦Zeller-Werdmuller, Heinrich, Dr. phil. honoris causa, Historiker; * Ztirich 2. IV. 1844; f daselbst 27. II. BJ VIII, 339 (J. R.Rahn); Allgemeine Ztg. 1903 Beil. 50; BZ 12, 335. 13, 325 (Die Schweiz 1903, 185: J. R. Rahn; Neue Ztircher Ztg. 1903 Nr. 60; Basler Nachrichten 1903 Nr. 61; Anzeiger f. Schweizer. Geschichte 1 903, 1 80 : E. Hahn).

Zierer, Franz Joseph, Kirchenkomponist, frtther Mitglied d. Wiener Hofkapelle; * Wien 27. X. 1822; f Trattenbach (Niederdsterr.)

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Totenliste 1903: Zillmann Zumpe.

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30. V. Monatshefte fUr Musikgeschicbte 36, 140 (Liistner, mit L). Zillmann, Karl, Musikdirektor in Weifiensee (ThUringen); f daselbst 1. IX., 72 Jahre alt.

Monatshefte f. Musikgeschicbte 36, 140 (Liistner, mit L).

Zimmermann, Gustav, bis 1901 Regierungs- prasident inSchleswig; f 12. XII., 74 Jahre alt. Voss. Ztg. 1903 Nr. 608.

Zimmermann, Gustav, Buchhandler, vormals Inhaber v. August Hesses Buchhandlung in Graz; f Braunschweig 8-XI., im 79. Jahre.

Borsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 9172.

Zimmermann, Gustav A., Dr.phiL, Super- intendent d. modernen Sprachunterrichts in d. offentl. Schulen von Chicago, Schulmann und Schriftsteller; * Basel 20. II. 1850; f Chicago 5. I. Woche 5, 144; KL 25, 1627 (W). 26, 44*.

*Zottmayr, Nina, geb. Hart man n, ehemal. Opernsangerin (Altistin); * Aachen 30. VIII.

1836; f Kassel 24. II. BJ VIII, 204 (Ph. Losch); Flilggen, Biograph. Bdhnen- lexikon 1, 339; Neuer Theateralmanach 15, 141; Monatshefte fUr Musikgesch. 36, 140 (Liistner, mit L).

Zschau, Max. Inhaber d. Buchhandlung Ed. Anton in Halle a. S.; f daselbst 7. I. 42 Jahre alt. Borsenblatt f. d. Deutschen Buchhandel 1903, 330.

*Zumpe, Hermann, k. bayer. Generalmusik- dircktor, Dirigent u. Komponist; * in d. BuschmtthlezuOppach (Kgr. Sachsen, Ober- lausitz) 9. IV. 1850; f Mttnchen 4. IX. BJ VIII, 14 (M. Schillings); 111. Ztg. 121, 388 (A. Braun, mit P); Woche 5, 1640 (M. Schillings, mit P); Neuer Theater- almanach 15, 155 (mitP); Riemann6 1504; A. Hagcn, Almanach d. k. Hoftheater f. 1903 (Mlinchen 1904), 62, mit P; H. Zumpe, Personl. Erinnerungen (Mttnchen 1905, mit P); BZ 13, 327 (L); Monatshefte f. Musik- gesch. 36, 140 (LUstner, mit L).