@ ie Fossile Flugfische. 5, Von 0. Abel. konn VENLAIIKTARSM ? 7 Mit drei Tafeln und 13 Textfiguren. . .'. nt, 80er... a TER. > . 8 .. ER EE RS 2 . ® ..,. E} 5. 4 ”. N .... A Ye 61 0: EEE ..... .....e“ D 07 .., . 40 » “.o . EN A . « .. .o ® “0°... . . . .». ee. 0 ... . „eo esse’. (Separat-Abdruck aus dem Jahrbuch der k. k. Geolog. Reichsanstalt, 1906, Band 56, 1. Heft.) wien, 1908. Im Selbstverlage des Autors. Gesellschafts-Buchdruckerei Brüder Hollinek IM. Erdbergstraße 3. US:GEOLOGICALSURVEY APR 20 1906 Fa EB. ; Ann nA"a nte Fossile Fiugfische. Von ©. Abel. (Mit drei Tafeln und 13 Textfiguren.) Einleitung. Die Aufmerksamkeit, welche in neuerer Zeit von seiten der Paläontologen den Konvergenzerscheinungen entgegengebracht wird, hat bereits zur Feststellung einer Reihe von wertvollen biologischen Tatsachen aus der Vergangenheit der Tierwelt geführt. Von der Erkenntnis ausgehend, daß eine gleichartige Lebensweise eine gleich- artige oder konvergente Anpassung auslöst, konnte man in den ver- schiedenen Epochen der Erdgeschichte zahlreiche Formen nachweisen, welche unter denselben oder sehr ähnlichen Bedingungen lebten wie die konvergent angepaßten Typen der Gegenwart. Eine der Hauptaufgaben der modernen Paläontologie muß darin bestehen, die verschiedenen Anpassungstypen der lebenden Formen auf das eingehendste zu studieren, um Klarheit über das Wesen der verschiedenen Adaptationen zu gewinnen; erst dann darf bei unter- gegangenen Arten mit Sicherheit auf eine bestimmte Lebensweise geschlossen werden. Nur in seltenen Fällen erfolgt die Anpassung in scharf umschriebenen Grenzen; fast immer sind größere oder geringere Abweichungen vom Typus vorhanden, Ein treffendes Beispiel für derartige Abweichungen bietet die Gruppe jener höheren Vertebraten, welche eine grabende Lebensweise angenommen haben. Die einen stützen sich beim Graben auf den ulnaren Rand der Hand und scharren einwärts, die anderen stützen sich beim Graben auf. den Radialrand des Vorderarmes und scharren auswärts; die erste Gruppe wird beispielsweise durch den Ameisen- fresser, die zweite durch den Maulwurf vertreten. Die verschieden- artige Gewohnheit, die Hand beim Graben aufzustützen, führte zu durchgreifenden Veränderungen des Handskeletts; bei den Ameisen- fressern wurden die Finger nach innen gegen die Radialseite zu ge- bogen und die distale Carpalreihe in gleicher Richtung verschoben; bei den Maulwürfen bildete sich an der Radialseite ein neuer Knochen aus, das sogenannte Sichelbein, und die Finger wurden gegen die Ulnarseite der Hand abgebogen. Es wurde also bei den grabenden Tieren die Adaptation an die nämliche Lebensweise in sehr verschiedener Art erreicht. Gleichwohl finden wir gemeinsame Züge: Verstärkung einzelner Finger, Biegung der Finger nach innen oder außen, Ausbildung starker Krallen an Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (0. Abel.) 1 2 O. Abel. [2] den Endphalangen sowie Verstärkung und Verkürzung der ganzen Vorderextremität. Sind diese Merkmale bei fossilen Formen entwickelt, so können wir mit Sicherheit auf eine grabende Lebensweise schließen ; es ist auf die Weise möglich, die großen Chalicotheriden der Tertiär- formation als grabende große Huftiere zu bezeichnen. Nicht immer sind Anpassungen an eine bestimmte Lebensweise von so prägnanten Umformungen des Skeletts begleitet; es ist in diesen Fällen natürlich aussichtslos, unter fossilen Typen nach kon- vergenten Anpassungen zu suchen. Der Fund großflossiger Fische in verschiedenen Formationen (in der Trias, in der Kreide und im Tertiär) hat zu wiederholten- malen Veranlassung zu Vergleichen mit den lebenden Flugfischen gegeben. So meinte Bronn?), daß Thoracopterus Niederristi „fast an unsere fliegenden Fische erinnert“; Davis?) beschrieb eine grobß- flossige Form aus den turonen Kalken des Libanon als Kwocoetoides, Compter?) gab einem Fische aus dem deutschen Muschelkalke den Namen Dolichopterus volitans, durch diese Bezeichnung die vermutliche Lebensweise andeutend; Landois*) machte es wahrscheinlich, daß die Arten der Gattung Chirothrix aus der oberen Kreide Flugfische gewesen seien. Schon Volta?) hatte im Jahre 1796 eine kleine Enngraulis-Art aus dem Eocän des Monte Bolca zu der Gattung Exocoetus gestellt und wurde zu dieser Bestimmung offenbar durch die stark entwickelten Pectoralen und Ventralen dieser Type veranlaßt. Eingehendere Vergleiche mit den lebenden Flugfischen sind bei allen genannten Formen bisher unterblieben. Kner®) trat sogar der von Bronn wahrscheinlich gemachten Deutung des Thoracopterus als Flugfisch mit Entschiedenheit entgegen und erklärte, daß zu einer solchen Annahme jeder Anhaltspunkt fehle. Daß man bisher der Frage, ob unter den Ichthyofaunen der Vergangenheit Flugfische lebten, aus dem Wege gegangen ist, darf darauf zurückgeführt werden, daß die bezeichnenden Merkmale der Anpassung an den Flug von den verschiedenen Paläontologen nicht eingehender untersucht wurden. Es liegt hier der gleiche Fall vor wie bei den Anpassungen der grabenden Landtiere: ein und dieselbe ') H.G. Bronn. Beiträge zur triasischen Fauna und Flora der bituminösen Schiefer von Raibl. Neues Jahrb. für Mineral., 1858, pag. 19. 2) J. W. Davis. The Fossil Fishes of the Chalk of Mount Lebanon, in Syria. Transact. R. Dublin Soc., Vol. III, ser. II, Dublin 1887, pag. 551, pl. XXVI, Kig. 1 ud: 3) G. Compter. Ein Beitrag zur Paläontologie des oberen Muschelkalkes. Zeitschr. f. Naturwiss., 64. Bd., Leipzig 1891, pag. 41, Taf. I/II, Fig. 1—6. 4) H. Landois. Die Familie Megistopodes, Riesenbauchflesser. Neues Jahrb. f. Mineral., 1894, II, pag. 228, Taf. V. 5) $S. Volta. Ittilitologia Veronese etc, Verona 1796, tav. XXI, Fig. 2, Tav. XXXIX, Fig. 2 u. 5. °, R. Kner. Die Fische der bituminösen Schiefer von Raibl in Kärnten. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss. Wien, 53. Bd., 1. Abt., 1866, pag. 172. (Kner meinte, daß so schwache und vielfach geteilte Strahlen, wie sie in der Pectoralis von Thoracopterus auftreten, nicht die Stützen eines Flugorganes bilden können. Wir werden im biologischen Abschnitte zeigen, daß der Einwand Kners nicht stichhaltig ist; erstens besitzt auch Kxocoetus viele reich geteilte Strahlen und zweitens ist der im hinteren Flossenabschnitte liegende fein zerfaserte Strahlenteil überhaupt ganz drucklos.) [3] Fossile Flugfische. 3 Lebensweise führt zu verschiedenen Anpassungen, einerseits zu der Körpertype des Exocoetus, anderseits zu der Type Dactylopterus. Weil einige Fische, die nicht fliegen können, gleichfalls sehr große Flossen besitzen, wie Gastrochisma melampus oder Pterois volitans, so vermied man es, aus der Flossengröße allein einen Schluß auf die Lebens- weise der fossilen großflossigen Fische zu ziehen. Tritt man der Frage nach fossilen Flugfischtypen näher, so müssen in erster Linie die wesentlichen Charaktere der lebenden Flugfische festgelegt werden. In den letzten Jahren ist, angeregt durch eine vorzügliche Studie von K. Moebius!), eine größere An- zahl von Abhandlungen erschienen, welche uns über die Art des Fluges und die Anatomie der Flossen bei der Gattung Kwocoetus sehr genau unterrichten. Nun sind wir imstande, diese besten Flieger unter den Fischen mit Dactylopterus einerseits und den übrigen grob- flossigen Fischen anderseits zu vergleichen. Es zeigt sich nunmehr, daß die Größe der Flossen an und für sich noch keinen Anhaltspunkt für die Deutung eines fossilen Fisches als Flugfisch bilden kann. 'Es zeigt sich weiters, daß auch die Form der Flossen keine besondere Rolle spielt, da Eixrocoetus spitze Flügel besitzt, welche an die Flügelform eines Pieriden, nämlich Tachyris Zarinda Boisd. erinnern; Dactylopterus hat einen nahezu kreisrunden Flügel. Weder die Form noch die Größe der Brustflossen allein können also als wesentliche Charaktere der Flugfische gelten. Sehr wesentlich ist dagegen die Verbindung der einzelnen Strahlen durch eine Flossenhaut, welche den Fallschirm herstellt, der als das eigentliche „Flugorgan“ dient. Bei fossilen Typen ist die feine Flossen- haut natürlich zerstört; das Vorhandensein derseiben bis an den Flossenrand wird aber durch eine weitgehende Gabelung der Strahlen wie bei Thoracopterus und Gigantopterus bewiesen. Dies ist also ein wesentliches Anpassungsmerkmal der Flugfische, welches bei grob- flossigen benthonischen Typen wie Pterois volitans fehlt; bei dieser Form sind die Strahlen nicht bis an ihr Ende von einer Flossenhaut umsäumt. Werden in der angedeuteten Weise Vergleiche zwischen lebenden und fossilen großflossigen Fischen angestellt, so ergibt sich weiters, daß die von Landois als Flugfisch angesehene Gattung Chirothrix aus der oberen Kreide keinen Flug ausführen konnte. Diese Type ist auch kein benthonischer Fisch wie die Scorpaeniden, Pegasiden, Cottiden usf.; wir müssen für Chirothrix eine Lebensweise wie bei der lebenden Gattung Gastrochisma annehmen. Unter allen fossilen großflossigen Fischen können allein die Trias- gattungen Thoracopterus Bronn, Gigantopterus n. g. und Dollopterus n. g. (— Dolichopterus Compter) als Flugfische bezeichnet werden. Aus jün- geren Formationen sind keine Typen bekannt, welche zu der Deutung als Flugfische berechtigen würden. Fossile Reste der lebenden Gattungen Exocoetus und Dactylopterus sind bisher nicht mit Sicherheitnachgewiesen. Schließlich führen unsere Betrachtungen zur Frage nach der Ent- stehung der Flugfische. Die Übereinstimmung im Körperbaue der Flug- 1) K. Moebius. Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, XXX. Bd., Supplement, 1878, pag. 343, Taf. XVII. 1* 4 0. Abel. [4] fische der Triasformation und der lebenden Exocoeten ist so auffallend, der Gegensatz beider zu Dactylopterus aber so grob, dab wir unter- suchen müssen, ob nicht der Flug von Vertretern verschiedener Stämme mit anfänglich ganz verschiedener Lebensweise angenommen wurde. In der Tat sehen wir, daß die Körperform und der Bau der unpaarigen und paarigen Flossen von Dactylopterus mit Entschiedenheit auf eine benthonische Lebensweise der Vorfahren hinweist. Nur bei benthonischen Formen ist die vergrößerte Flosse nach dem Dactylo- pterus-Typus gebaut und alle übrigen Merkmale bestätigen die Richtig- keit dieser Ableitung des Dactylopterus von benthonischen Typen. Die Exocoeten der Gegenwart und die spitzflossigen fliegenden Triasganoiden zeigen dagegen keine Merkmale benthonischer Fische. Für diese Formen muß die Abstammung von pelagisch lebenden Fischen aufrecht erhalten werden, wie sie K. Moebius annahm. Man darf behaupten, daß Thoracopterus und Gigantopterus in mancher Hinsicht weit vorteilhafter an den Flug adaptiert waren als die Exo- coeten, die schnellsten Flieger unter den lebenden Fischen. Ich spreche absichtlich von „vorteilhaft“ angepaßten Formen und vermeide die Ausdrücke „vollkommen“, „zweckmäßig“ oder den v. Baerschen Ausdruck „zielstrebig“. Alle diese Be- zeichnungen haben einen teleologischen Beigeschmack; Moebius hat bereits vor langer ‚Zeit versucht, an Stelle dieser Ausdrücke das Wort „erhaltungsmäßig“ einzuführen. Dieser Terminus hat sich aber nicht eingebürgert und ist auch nicht recht glücklich gewählt. Entsprechend erscheint dagegen die Bezeichnung einer Adaptation als „vorteilhaft“ oder „unvorteilhaft“, da kein teleologischer Nebengedanke dabei auftauchen kann. Bevor ich an die Erörterung des Themas schreite, ergreife ich die Gelegenheit, die vielfache Förderung meiner Studien auf das dankbarste anzuerkennen. Zu besonderem Danke bin ich verpflichtet den Herren : Prof. Dr. F. Ahlborn in Hamburg, Prof. F. Bassani in Neapel, Geheimrat Prof. Dr. W. Braneo in Berlin und Prof. Dr. L. Dollo in Brüssel; ferner Prof. Dr. C. Grobben in Wien, Prof. Dr. B. Hatschek in Wien, Prof. Dr. OÖ. Jaekel in Berlin, Direktor A. Kemna in Antwerpen, Kustos E. Kittl in Wien, E. Racovitza in Paris, E. T. Regan in London, Prof. Dr. W. Salomon in Heidelberg, Kustos F. Sieben- rock in Wien, A. Smith-Woodward in London, Hofrat F. Stein- dachner in Wien und Prof. Dr, J. Walther in Jena. Nicht unerwähnt darf ich lassen, daß Herr Geheimrat Professor W. Branco, von meinen Untersuchungen über die Flugfische der Trias verständigt, seine Studien über die grobflossigen Kreidefische abbrach und mir die Verwertung dieser Typen für die vorliegende Zusammenstellung überließ. Ich spreche Herrn Geheimrat W. Branco für diese Liberalitäit meinen wärmsten Dank aus, ebenso Herrn Bergrat Dr. F. Teller, welcher mir die wertvolle Fischfauna aus der Trias von Lunz zur Bearbeitung anvertraute und mich durch vielfache Ratschläge unterstützte. [5] Fossile Flugfische. 5 Erster Abschnitt. Biostratigraphischer Teil. 1. Die Fischfaunen der alpinen Triasablagerungen. Fischreste sind in verschiedenen Stufen der alpinen Trias in mehr oder weniger bituminösen Schiefern oder plattigen Kalken angetroffen worden. Zu einer besonderen Berühmtheit sind die Fundorte Perledo am Comersee, Giffoni bei Salerno, Lumezzane undBesano in der Lombardei, Raibl in Kärnten und Seefeld in Tirol gelangt; durch den Fund des prachtvollen Ceratodus Sturi Teller und des Coelacanthus lunzensis Teller ist auch Lunz in Niederösterreich in die Reihe der wichtigen Fundorte fossiler Fische der alpinen Trias gerückt. Neben diesen Fundstellen kommen jene kaum in Betracht, die nur vereinzelte, dürftige Reste geliefert haben, wie: Rio Laväz und Rio Pontüz in Friaul, Länggries in Bayern, St. Cassian und Schlern m Südtirol, Haller Anger, Erlsattel, Judenbach in Nordtirol etc. In der letzten Zeit ist in der Gegend von Adneth ein reiches Fisch- lager entdeckt und ausgebeutet worden !); Untersuchungen über diese Fischfauna sind im Zuge. Dem Alter nach ordnen sich die oben genannten sieben wichtigeren Fundorte in folgender Reihe an: I. Muschelkalkgruppe: Perledo. II. Lunz—Raibler Gruppe: Besano, Raibl, Lunz. III. Hauptdolomitgruppe: Giffoni, Seefeld, Lumezzane. I. Muschelkalkgruppe. Perledo am Comersee, Die Fischreste von Perledo liegen in schwarzen Marmoren und Schiefern, welche zwischen Varenna und Regoledo am östlichen Ufer des Comersees in mehreren Steinbrüchen abgebaut werden. Die meisten Fische gelangten in das Museo civico in Mailand; eine größere Zahl von Exemplaren (22) befindet sich im Senckenbergischen Museum zu Frankfurt a. M., 14 Exemplare liegen in der Straßburger Universitäts- sammlung. Viele Fischreste sind im Privatbesitze verstreut. Die erste Mitteilung über die Fische des Perledoschiefers stammt von Balsamo-Crivelli aus dem Jahre 1839). Bellotti beschrieb 1) Die fischführenden Mergel bilden nach einer brieflichen Mitteilung Herrn Prof. E. Fuggers in Salzburg eine 8—10 m mächtige Einlagerung im Haupt- dolomit. Der Fundort liegt im Wiestale bei Adneth. Prof. Wähner gibt vorläufig folgende Arten an: Lepidotus ornatus Ag., Semionotus sp., Pholidophorus div. sp. ®) Annalen des Polytechnikums in Mailand 1839. (Zitat nach W. Deecke. Palaeontographica XXXV, 1889, pag. 110.) 6 O. Abel. [6] 1857 )) fünf Gattungen mit sechzehn Arten, ohne jedoch Abbildungen dieser fast durchweg neuen Arten zu geben. Erst im Jahre 1889 konnte Deecke?) einen Bruchteil der Bellottischen Arten in dem von ihm untersuchten Material wiedererkennen und gab von diesen Typen eine von Abbildungen begleitete eingehende Beschreibung. Nach Deecke enthält der Fischschiefer von Perledo folgende Arten: Heptanema paradoxa Rüpp. Heterolepidotus pectoralis Bell. . serratus Bell. Allolepidotus Rüppelli Bell, z nothosomoides Deecke Semionotus altolepis Deecke Archaeosemionotus connectens Deecke Ophiopsis lepturus Bell, Pholidophorus oblongus Bell. 10. Prohaleeites porro Bell. 11. Leptolepis? spec. 12. Belonorhynchus macrocephalus Deecke, srnsurwwe Die häufigsten Formen sind Prohalecites porro Bell. und Belono- rhynchus macrocephalus Deecke; die übrigen sind mit wenigen Aus- nahmen Unika. Sehr beachtenswert ist es, daß die Schiefer von Perledo keine einzige Art mit den jüngeren Fischfaunen der alpinen Trias gemeinsam haben ®). Die Semionotiden überwiegen; die Pholidophoriden sind nur durch eine einzige typische Form, Pholidophorus oblongus Bell., ver- treten, da die zweite von Bellotti®) zu Pholidophorus gezogene, von Deecke?°) aber als selbständige Gattung abgetrennte Type Prohaleeites porro Bell. möglicherweise zu den Leptolepiden ®) gehört, Il. Lunz—Raibler Gruppe. a) Besano (Lombardei). Über die Fischfauna der bituminösen Schiefer von Besano (ein kleiner Ort unweit vom Westufer des Comersees in der Nähe von Cuasso und Porto Ceresio) liegt aus neuerer Zeit eine Mitteilung von ') C. Bellotti. Descrizione di alcune nuove specie di pesci fossili di Perledo e di altra localitä lombarde. (Appendice agli Studi geologiei e paleontologiei sulla Lombardia, del Prof. Stoppani.) Milano 1887. ) W. Deecke. Über Fische aus verschiedenen Horizonten der Trias. Palaeontographica XXXV, 1889, pag. 110. °) Nur für den Fall, als Zelonorhynchus macrocephalus Deecke mit B. fr. robustus Bell. identisch sein sollte, was Smith-Woodward (Catalogue of the Fossil Fishes etc. III, pag. 13) für wahrscheinlich hält, würde eine Type der Fisch- fauna von Perledo auch in der Fauna von Besano auftreten. *) C. Bellotti in A.Stoppani: Studii geol. e paleont. Lombardia, 1857, pag. 430. °) W.Deecke. Palaeontographica XXXV, 1889, pag. 125, Taf. VII, Fig. 5—7. 6) A.Smith-Woodward, Catalogue of the Fossil Fishes etc., III., pag. 489: „Some indeterminable immature Triassic fishes, not represented in the Collection, but sometimes compared with the Pholidophoridae, sometimes with the Leptolepidae, bear the undefined generic name of Prohalecites.* Ka Fossile Flugfische. 7 F. Bassani!) vor. Die Originale liegen im Museo civico in Mailand. Die Fauna besteht aus folgenden Arten: Nemacanthus tuberculatus Bell. em. Bass. Leptacanthus Cornaliae Bell.?) Acrodus bicarinatus Bell. em. Bass. Hybodus sp. ind. Leiacanthus (Hybodus) Pinii Bass. Belonorhynchus efr. robustus Bell. em. Bass. ö Stoppaniü Bass. s intermedius Bass. striolatus? Bronn Pholidophorus Barazettüi Bass. 13, % besanensis Bass. 12. cfr. Bronni Kner 13. Peltopleurus splendens Kner. 14. Pholidopleurus typus Bronn. 15. Semionotus gibbus Bass. (non Seebach) 3) 16. Ophiopsis Bellottii Bass. *) 17. Ptycholepis Barboi Bass. 18. Lepidotus triasicus Bass. 19. Lepidotus sp. ind. 20. Urolepis? spee. 21. Tetragonolepis spec. 22. Colobodus varius Gieb. jek TEE Er ee d) Raibl (Kärnten). Die Fischreste von Raibl liegen in dünnplattigen schwarzen Schiefern, welche gegenwärtig fast ganz ausgebeutet sind. Die erste genauere Mitteilung über die Fische von Raibl erschien 1858 aus der Feder Bronns?). In den Jahren 1866 und 1867 veröffentlichte R. Kner®) seine Untersuchungen über diese Fauna; seit dieser Zeit ist eine größere Zahl von Fischresten in verschiedene Museen, nament- lich in das Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien gelangt, ohne jedoch Veranlassung zur Revision der Fauna geboten zu haben. Raibl ist besonders durch einen außerordentlichen Reich- !) T. Bassani. Sui fossili e sull’ etä degli schisti bituminosi triasiei di Besano in Lombardia. Atti Soc. Ital. di scienze nat. XXIX, Milano 1886. 2) Vgl. A. Smith-Woodward, Catalogue of tlie Fossil Fishes etc. II, pag. 71 ®») Nom. praeoccup. — K. von Seebach. Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. XVIII, 1866, pag. 7. *) A.Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes etc. III, pag. 172. 5) H.G.Bronn. Beiträge zur triasischen Fauna und Flora der bituminösen Schiefer von Raibl. Neues Jahrb. f. Mineral. etc. 1858 und 1859. 6%) R. Kner. Die Fische der bituminösen Schiefer von Raibl in Kärnthen. Sitzungsber. d, kais. Akad. d. Wiss., LIII. Bd., 1. Abt., Wien 1866, pag. 152— 197, Taf, I-VI. — Nachtrag zu den fossilen Fischen von Raibl. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss, LV. Bd., 1. Abt., Wien 1867, pag. 718—722, Taf. I. — Noch ein Nachtrag zur Kenntnis der fossilen Fische von Raibl in Kärnthen. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., LVI. Bd., 1. Abt., Wien 1867, pag. 909-913, Taf. IV. 8 OÖ. Abel. [8] tum an Pholidophoriden ausgezeichnet; Belonorhynchus striolatus Bronn ist hier gleichfalls eine der häufigsten Formen, Semionotidenreste ge- hören dagegen zu den größten Seltenheiten. Die Ichthyofauna von Raibl besteht aus folgenden Arten: 1. Graphiurus callopterus Kner 2. Orthurus Sturi Kner 3. Belonorhynchus striolatus Bronn 4. Colobodus ornatus Ag. ». Pholidophorus Bronni Kner Peltopleurus splendens Kner Kneri Woodw.*) e gracilis Kner 9. Pholidopleurus typus Bronn 10. Thoracopterus Niederristi Bronn 11. Megalopterus raiblianus Kner 2) 12. Prohaleeites microlepidotus Kner 3) 13. Ptycholepis avus Kner 14. Ptycholepis raiblensis Bronn IK EN g tenuisquamatus Kner ?). ” ec) Lunz (Niederösterreich). Der Fundort der Fischreste bei Lunz liegt im Polzberggraben zwischen dem Schindelberg und Föllbaumberg. Nach der Darstellung F. Tellers®) und dem der Abhandlung über Ceratodus Sturi ein- gefügten Profile von A. Bittner folgen über dem Reiflinger Kalke des Schindelberges dunkle Plattenkalke, welche gegen oben in die dünner geschichteten bituminösen Aonschiefer übergehen. Ohne scharfe Grenze treten darüber weiche Mergelschiefer und kurzklüftige oder griffelig spaltende Schiefertone, die Reingrabener Schiefer, auf. An der Grenze der Aonschiefer gegen die Reingrabener Schiefer wurde der schöne Rest des Ceratodus Sturi gefunden; nicht weit von dieser Fundstelle wurde anläßlich der Anlage eines Schurfstollens das Skelett von Coelacanthus lunzensis Teller ®) entdeckt. Von derselben Stelle gelangten durch Herrn J. Haberfelner in Lunz mehrere Fischreste in das Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt und das k. k. naturhistorische Hofmuseum. Im ganzen liegen aus dem Reingrabener Schiefer des Polzberggrabens folgende Arten vor: ') A. Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum, III, London 1895, pag. 481-482, pl. XIV, Fig. 4. . °) Systematische Stellung unsicher; vielleicht gehört diese nur durch die Caudalregion bekannte Gattung nicht zu den Pholidophoriden, sondern zu den Lepto- lepiden. Vgl. A. Smith-Woodward, 1. c. pag. 490. °) Vgl. A. Smith-Woodward, |. c, pag. 489. *) Diese Art scheint nach A. Smith-Woodward (l. c. pag. 324) nicht zur Gattung Ptycholepis zu gehören. °) F. Teller. Über den Schädel eines fossilen Dipnoörs, Ceratodus Sturiü nov. spec., aus den Schichten der oberen Trias der Nordalpen. Abhandl. d. k. k. geol. R.-A.,.XV. Bd., Heft 3, Wien 1891, pag. 2. °) F. Teller, I, c. pag. 3. — O. Reis. Coelacanthus lunzensis Teller. Jahrb. d. k.k. geol. R.-A., L. Bd., 1900, pag. 187, Taf. IX—X. [9] Fossile Flugfische. 9 Ceratodus Sturi. Tell. Coelacanthus lunzensis Tell. . Semionotus (?) spec. Heterolepidotus cephalus Kner . Pholidophorus latiuseulus Ag. % Bronni Kner T'horacopterus Niederristi Bronn . Gigantopterus Telleri Abel . Peltopleurus splendens Kner . Pholidopleurus typus Bronn. sowmnnPpuwm — Ill. Hauptdolomitgruppe. a) Giffoni (Unteritalien). Dieser berühmte Fundort triadischer Fische liegt am Monte Pettine bei Giffoni valle Piana, nordöstlich von Salerno. Der Monte Pettine besteht in seinem unteren Teile aus geschichtetem, dunkelgrauem, kavernösem Hauptdolomit, welcher mit schwarzen bituminösen schief- rigen Kalken wechsellagert. Diese bituminösen Schiefer bilden das Lager der Fischreste. Uber die Ichthyofauna von Giffoni besitzen. wir mehrere Mit- teilungen, die letzte und eingehendste von Fr. Bassani!). Aus Giffoni liegen folgende Arten vor: 1. Undina picena Costa. 2. Belonorhynchus spec. 3. Colobodus ornatus Ag. 4. Colobodus latus Ag. 5. Dapedius Costae Bass. 6. Eugnathus brachilepis Bass. 7. Heterolepidotus cephalus Kner 8. Pholidophorus latiusculus Ag. 9. . pusillus Ag. 10. Peltopleurus humilis Kner 11. Thoracopterus spec. db) Seefeld (Nordtirol). Über die stratigraphische Stellung der Asphaltschiefer von See- feld haben zuletzt OÖ. Ampferer und W. Hammer berichtet); die Schichten gehören dem Hauptdolomitniveau an. ') F. Bassani. Sui fossili e sull’ etä degli schisti bituminosi di Monte Pettine presso Giffoni valle Piana in procincia di Salerno (Dolomia prineipale). Mem. Soc. Ital. delle Scienze. Tom. IX, ser. 32, Nr. 3, Napoli 1892. Derselbe. La Ittiofauna della Dolomia principale di Giffoni (Provincia di Salerno). Palaeontographia Italica. Vol. I, Pisa 1896, pag. 169, tav. IX-—XV, Derselbe. Su la „Hirudella laticauda O.G. Costa“ degli schisti bituminosi triasici di Giffoni, nel Salernitano. Rend. della R. Accad. delle Scienze di Napoli, 16. Dic. 1899. ) 0. Ampferer und W. Hammer. Geologische Beschreibung des südlichen Teiles des Karwendelgebirges. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A., 48. Bd., 1898, pag. 366. Jahrbuch d. k. K. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) 9% 10 0. Abel. [10) Seit den Arbeiten Kners!) ist keine monographische Darstellung der Ichthyofauna von Seefeld unternommen worden; von wesentlichen Berichtigungen wäre nur die Richtigstellung eines Irrtums hervorzu- heben, welchen Kner bei der Bestimmung seines Teleosaurus tenui- striatus beging. H. v. Meyer?) hatte diesen Schädel zuerst für einen Fischrest gehalten, aber E. Suess?°) vermutete in ihm einen T’rema- fosaurus,;, Kner*) beschrieb den Rest als neue Teleosaurus-Art (!). K. A. v. Zittel°) stellte fest, daß der Schädel der Gattung Belono- rhynchus angehört. Obwohl diese Form in die Gruppe des Belono- rhynchus macrocephalus einzureihen sein dürfte, ist doch eine nähere Bestimmung unmöglich. Die Fauna von Seefeld umfaßt folgende Arten: Belonorhynchus spec. indet. . Colobodus ornatus Ag. Colobodus latus Ag. Caturus insignis Kner Semionotus striatus Ag. Heterolepidotus cephalus Kner Allolepidotus dorsalis Kner Dapedius Bouei Ay. (fragm. indet.) Pholidophorus latiusculus Ag. 2, ; pusillus Ag. 11. Pholidophorus furcatus Ag. 12. Peltopleurus humilis Kner. sonappwwr c) Lumezzane (Lombardei). Die fischführenden Schichten von Lumezzane im Val Trompia bilden schwarze tonige Einlagerungen im Hauptdolomit, wie dies zum Beispiel aus dem von Professor G. Ragazzoni mitgeteilten Profil des M. Era®) deutlich hervorgeht. Aus neuerer Zeit liegen über die Ichthyofauna von Lumezzane Arbeiten von W.Deecke”’) und A. de Zigno®) vor. W. Deecke beschrieb aus diesen Schiefern: Pholido- phorus cephalus Kner, Pholidophorus pusillus Ag., Orthurus spec. und Semionotus spinifer Bell. — A. de Zigno fügte dieser Liste fünf neue Arten hinzu, nämlich Lepidotus Ragazzonii Z., L. Triumplinorum Z., Pholidophorus Kneri Z., Pholidophorus Taramellii Z. und Pholido- phorus Deeckei Z. ') R. Kner. Die fossilen Fische der Asphaltschiefer von Seefeld in Tirol. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., LIV. Bd., 1. Abt., Wien 1866, pag. 303. Derselbe. Nachtrag zur fossilen Fauna der Asphaltschiefer von Seefeld in Tirol. Ebenda, LVI. Bd., 1. Abt., Wien 1867, pag. 898, 2) Vgl. Kner, 1. c. 1867, pag. 905. ®) Vgl. Kner, ]. c. 1867, pag. 906. *) Kner, |]. c. 1867, pag. 905—909, Taf. II. °) K. A. v. Zittel. Handbuch der Paläontologie, III. Bd., pag. 266. °) Memorie R. Accad. del Lincei. Ser. 4a, vol. VII, 1891, pag. 52. ) W. Deecke. Über Fische aus verschiedenen Horizonten der Trias. Palaeontographica XXXV, 1889, pag. 134. °) A. de Zigno. Peseci fossile di Lumezzane in val Trompia. Memorie R. Accad. dei Lincei. Ser. 4a, vol. VII, 1891, pag. 51. [1 1] Fossile Flugfische. 11 / Nach neueren Untersuchungen Bassanis!) sind jedoch die fünf Zignoschen Arten sämtlich einzuziehen, da sie folgenden schon seit langem bekannten Arten angehören: Colobodus ornatus Ag. — Lepidotus Triumplinorum Zigno —= Semionotus spinifer Bell. Colobodus latus Ag. = Lepidotus Ragazzonü Zigno, Pholidophorus latiusculus Ag. = Pholidophorus Taramellü Zigno = Pholidophorus Deeckei Zigno. Pholidophorus pusillus Ag. = Pholidophorus Kneri Zigno. Die Ichthyofauna von Lumezzane besteht somit nur aus folgenden Arten: . Orthurus spec. Colobodus ornatus Ag. 5 latus Ag. . Heter olepidotus cephalus Kner . Pholidophorus latiusculus Ag. N pusillus Ag. »ov- ag \ IV. Übersicht der von mehreren Fundorten bekannten Fische der alpinen Trias. | VDSerer ir InE Mittlere kalkarme Gruppe der alpinen |) Obere Kalkgruppe der Trias alpinen Trias Artennamen | | | Aonschiefer Bene Hauptdolomit | Schiefer | wesano| Raibl | Lunz | Giffoni Saoreta| amez-| RN STREREA EN nee | | ken I | | | \ 1) Belonorhynchus striolatus Br. . - 1-1 — _ | ı 2| Colobodus ornatus Ag. . .».. — | E= | _— + | + .- | 3| Colobodus latus Ag. . _ ku | 1.4.4 - ı 4, Heterolepidotus cephalus Te — | + + I + _ 5| Pholidophorus latiusculus Ag. .| — — | + + + + | ı 6| Pholidophorus pusillus Ag. . »\| — _— Il | + i + + | 7\ Pholidophorus Bronni Kner . .|| cfr. + | + _— | _ ı 8! Peltopleurus humilis Kner - _ | _ + | + re ' 9| Peltopleurus splendens Kner. .| + + + A a | 10) Pholidopleurus typus Bronn . E= E= | + a _ | | 1l | Thoracopterus Niederristi Bronn .— En | + PEN er no | | | | | Anzahl der von mehreren Fund- | er DE er orten bekannten Arten | a 6 0» en f | Zahl. e Ben a nich f | | | FISCHIRUNB N: 5 nee an .||- 22 15 10. 44 . | !) F. Bassani. La ittiofauna della Dolomia principale di Giffoni (provincia di Salerno). Palaeontographia Italica. Vol. I, 1895, pag. 169. Derselbe, Su la „Hirudella laticauda ©. G. Costa“ degli Schisti bitu- minosi triasici di Giffoni, nel Salernitano. Rend. della R. Accad. di Napoli (Adunanza del di 16 Dicembre 1899). Napoli 1899. ar 12 O. Abel. [12] 2.Der Erhaltungszustand der Fischreste in den Ablagerungen der alpinen Trias. Bei der Beurteilung der Sedimentationsbildung im alpinen Trias- meere, speziell der fischführenden Ablagerungen, spielt die Art des Erhaltungszustandes und die Lage der Fischreste in den Gesteinen eine sehr wichtige Rolle. In tropischen Klimaten verwesen die an die Küste geworfenen Fischleichen sehr rasch; Krebse und andere räuberische Tiere zerstören die Kadaver in kurzer Zeit und be- schleunigen so den durch die Tätigkeit der Fäulnisbakterien ange- bahnten Zerstörungsprozeß. Am Grunde eines tierreichen Meeres wird man darum ebensowenig mit Erfolg nach guterhaltenen Fisch- leichen suchen als im Gebiete einer von zahlreichen Aasfressern be- völkerten Schorre. Werden die Fische als Leichen an den Strand geworfen, so werden sie von der Welle flach auf den Boden gelegt und nur lang- gestreckte Fische weisen Verbiegungen auf. Ein lebend an den Strand geworfener Fisch krümmt und schnellt sich heftig, um. wieder ‚die Wasserfläche zu erreichen; an jedem Seichtufer eines Flusses oder Süßwassersees kann man dies ebenso wie am seichten Meeresstrande beobachten. Bei diesen vergeblichen Versuchen nehmen die Fische meist eine Bauch- oder Rückenlage, seltener eine Seitenlage ein und bleiben nach eingetretenem Tode in gekrümmter Stellung auf dem Strande liegen. Während wir also bei fusiformen Fischen in der gekrümmten Stellung und der Bauch- oder Rückenlage die Anzeichen eines Todes- kampfes erkennen dürfen, läßt sich auch bei Makruren ein Unterschied zwischen tot oder lebend an das Land geworfenen und dann zugrunde segangenen Individuen feststellen. Walther!) hat daran erinnert, daß Krebse im Todeskampfe, wenn sie in heißes Wasser geworfen werden, die Beine krampfhaft anziehen und den Schwanz unter den Cephalothorax krümmen; ist der Tod dagegen bereits vor längerer Zeit eingetreten, so ist der Körper gestreckt und die Gliedmaßen schlaff. Diese Unter- schiede veranlaßten Walther?) zu der Ansicht, daß in den Solnhofener Plattenkalken die Makruren meist als Leichen eingeschwemmt wurden; die Mehrzahl derselben liegt mit gestrecktem Körper und abstehenden Gliedmaßen auf den Schichtflächen. Nur einige Platten tragen ge- krümmte Exemplare von Aeger und ebenso zeigt Penaeus mitunter Spuren des Todeskampfes. An den Fischen der Solnhofener Plattenkalke sind nach den eingehenden Untersuchungen Walthers nur selten Spuren der Agonie nachzuweisen. Meist liegen die Fische flach auf den Kalk- platten; nur bei Bugnathus microlepidotus ist der Leib mitunter stark sekrümmt und die umgebende Gesteinsmasse verschoben; ebenso wurde Heterolepidotus in verkrümmter Lage angetroffen. Aspidorhynchus ist in den Solnhofener Schiefern fast immer etwas gekrümmt, doch ') J. Walther. Die Fauna der Solnhofener Plattenkalke. Festschrift zum 70. Geburtstage Ernst Haeckels, Jena 1904, pag. 202. ®) J. Walther. Die Fauna der Solnhofener Plattenkalke, 1. c. pag. 201. [13] Fossile Flugfische. 13 mag die Krümmung bei diesen langgestreckten Fischen nicht als An- zeichen des Todeskampfes anzusehen sein. Während im Altmühlgebiete Bayerns die Fische ausnahmslos den bekannten ausgezeichneten Erhaltungszustand zeigen, der die Reste aus diesen Bildungen so berühmt gemacht hat, sind bei Kelheim und Nusplingen die meisten Fische zerfallen und die Schuppen ver- streut. Dies deutet darauf hin, daß an diesen beiden Lokalitäten andere Verhältnisse geherrscht haben müssen als in Solnhofen und den übrigen bekannten Stellen des Altmühlgebietes; bei Kelheim be- wirkten höchstwahrscheinlich Fäulnisbakterien im Vereine mit den räuberischen Tieren der Schorre die Zerstörung der Fischleichen. Wenn wir den Erhaltungszustand und. die Körperlage der Fisch- reste in den Ablagerungen der alpinen Trias näher untersuchen, so sehen wir, daß in den meisten Fällen die Fischleichen fast unversehrt im Gesteine eingebettet sind und eine Seitenlage einnehmen. Wenn wir die gekrümmten und eine Bauch- oder Rückenlage einnehmenden Fische von den übrigen trennen, so sehen wir, daß diese fast ohne Ausnahme aus den kleinsten Typen bestehen. Und wir sehen weiter, daß das prozentuelle Verhältnis dieser gekrümmten Leichen nicht an allen Fundorten gleich ist, sondern daß in Giffoni bei Salerno fast alle Fische eine gestreckte Seitenlage zeigen, während in Lunz die Mehrzahl der Fische in gekrümmter Stellung, in Bauch- oder Rücken- lage erhalten ist. Diese Erscheinung darf dahin gedeutet werden, daß in Lunz eine größere Anzahl von Fischen lebend an das Ufer geworfen worden ist. In dieser Hinsicht ist eine Platte aus dem Reingrabener Schiefer des Polzberggrabens bei Lunz von großem Interesse. Auf dieser Platte ist ein etwa 15 cm langer Semionotide in S-förmiger Verkrümmung erhalten. Der Kopf und der vordere Körper- abschnitt liegt auf der Rückenseite, der hintere Körperabschnitt auf der rechten Körperseite. Eine große Anzahl von sehr jungen Exemplaren einer Halobia- Art ist über die Schichtfläche verstreut!), und zwar sind unter ihnen nur sehr wenige Individuen zu zählen, von denen nur eine Klappe vorliegt; die übrigen — es sind mehrere hundert — liegen mit auf- geklappten, an den Wirbeln noch zusammenhängenden Schalen auf der Gesteinsfläche. Eine größere, nicht näher bestimmbare Bivalve liegt gleichfalls mit geöffneten Schalen auf der Platte. Fast alle Individuen sind derart orientiert, daß die Schalen mit ihrer konvexen Seite im Gestein liegen und nur ein verschwindend kleiner Bruchteil kehrt die konvexe Schalenseite nach oben; darunter befindet sich auch die vorerwähnte größere Bivalve. !) Die Schichtflächen mit Halobienbrut erinnern sehr an die Estherienbänke des deutschen Muschelkalkes, aus denen Volz (Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. 1896, pag. 979) Estheria Kubaczeki beschrieb. Da die lebenden Estherien mit wenigen Ausnahmen Süßwassertiere sind, läßt sich annehmen, daß dies auch -für die fossilen Formen gilt. In denselben Schichten des Muschelkalkes, in welchen die Estherien auftreten, fand sich Ceratodus Madelungi Volz und es läßt diese Vergesellschaftung beider Typen den Schluß zu, daß Ceratodus bereits in der Trias ein Süß- oder Brackwasserbewohner war, ebenso wie die sehr nahestehende lebende Gattung Neoceratodus Castelnau 1876, welche in Küstenflüssen von Queensland lebt. 14 0. Abel. [14] Für die Beurteilung der Lithogenese der Reingrabener Schiefer ist diese Anordnung der Bivalvenschalen von großer Wichtigkeit. Bekanntlich öffnen sich die Klappen der Bivalven nach dem Tode. Die überaus große Zahl von jungen Zweischalern mit geöffneten Klappen auf der beschriebenen Gesteinsplatte beweist, daß auf dieser Schichtfläche gleichzeitig eine ganze Brut von Halobien zugrunde ging. Die Lamellibranchiaten führen in den Jugendstadien ein plank- tonisches Leben, ebenso wie die Cephalopoden, von welchen gleich- falls einige Jugendformen auf der Platte verstreut sind; sie treten jedoch gegen die zahllosen Halobien ganz zurück. Die Halobien- und Gephalopodenbrut wurde offenbar von einer Welle an das Ufer gespült. Nach Rückzug des Wassers ging die Brut zugrunde, die Klappen der Bivalven öffneten sich und blieben, da die flachen Schalen von keinem Wellenschlage umgedreht oder aus- einandergerissen wurden, unversehrt und in der ursprünglichen Lage auf dem Schlamme liegen; nur so erklärt sich die eigentümliche Gleichartigkeit der nach oben geöffneten Schalen, zwischen denen, wie erwähnt, nur sehr wenige mit verkehrter Lagerung anzutreffen sind. Mit dieser Halobienbrut ist ein größerer Fisch an das Trockene gesetzt worden, der in der S-förmigen Krümmung Spuren des Todes- kampfes aufweist, ebenso wie die vereinzelten Exemplare von Eugnathus microlepidotus in Solnhofen. Wir sind zu dem Schlusse gelangt, daß die Platte aus dem Polzberggraben bei Lunz einen erhärteten Schlamm darstellt, welcher an das Ufer geschwemmt wurde; also ist der Reingrabener Schiefer ein Gestein, das an einer ruhigen Stelle des Lunzer Meeres im Seichtwasser und im Gebiete der Schorre zur Ablagerung kam). Der Reingrabener Schiefer ist an vielen Punkten mit Halobienbrut erfüllt und durch Dünnplattigkeit und Feinkörnigkeit ausgezeichnet. Ohne Zweifel muß der Wogenschlag sehr gering gewesen sein. An Seichtküsten mit stärkerer Brandung, wie zum Beispiel an der belgischen Küste, werden größere Bivalven in wirrem Durcheinander an den Strand geworfen; sehr selten findet man zusammenhängende, fast immer lose Klappen von Zweischalern und neben den unversehrten eine große Menge von zerbrochenen Schalen ?). An den Küsten des Lunzer Meeres haben ohne Zweifel andere Brandungsverhältnisse geherrscht. Es mußten ruhige, seichte Buchten gewesen sein; in ihnen tummelte sich eine große Schar kleiner Küsten- fische, die Pholidophoriden, welche sehr häufig in größerer Menge von den Wellen lebend ans Ufer getragen wurden; ihr Körper krümmte 1) Die Aonschiefer und Lunzer Schichten der Nordalpen werden ebenso wie die Ablagerungen des außeralpinen Keupers allgemein als ufernahe Seichtwasser- bildungen aufgefaßt. Vgl. darüber u. a. F. Teller: Über den Schädel eines fossilen Dipnoörs, Ceratodus Sturii nov. spec., aus den Schichten der oberen Trias der Nord- alpen. Abhandl. d. k.k. geol. R.-A. Wien, XV. Bd., 3. Heft, Wien 1891, pag. 37. 2) Eine sehr interessante Beobachtung über die Lagerung der Cardienschalen am Strande des Kaspischen Sees verdanken wir E. Tietze: Über einige Bildungen der jüngsten Epochen in Nordpersien. Jahrb. d. k. k. geol. R.-A. 1881, pag. 121. — Die Schalen sind hier stets auseinandergefallen und mit der konvexen Seite nach oben gekehrt. [15] Fossile Flugfische. 15 sich krampfhaft in der Agonie und die kleinen Fische wurden in dieser Stellung unter neu angeschwemmten Schlammschichten begraben. Größere Fische sind wohl in der Regel als Leichen eingebettet worden, so Ceratodus Sturi und Coelacanthus lunzensis. Wahrscheinlich hat Ceratodus Sturi in den Lagunensümpfen oder in Flüssen gelebt, welche in das seichte Meer mündeten. Ebenso deutet auch Coelacanthus lunzensis auf die Nähe von Süßwasser hin. In den Fischschiefern von Lunz kann man bei der geringen Zahl der bis jetzt aus dem Polzberggraben bekannten Exemplare nicht recht von einem Überwiegen der kleineren oder größeren Typen sprechen; wahrscheinlich sind bei Lunz die kleinen Pholidophoriden ebenso häufig gewesen wie zur selben Zeit in Raibl. ° In Raibl überwiegen die kleinen Fischtypen bedeutend; von größeren Ganoiden sind nur sehr dürftige Reste bekannt. Weitaus die meisten Fische, die aus den Raibler Fischschiefern bekannt geworden sind und von welchen namentlich im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt eine große Menge angehäuft ist, liegen auf der Seite und scheinen als Leichen an den Strand geworfen worden zu sein. Ebenso sind auch die langschwänzigen Krebse aller Wahrscheinlichkeit nach tot an das Ufer geschwemmt worden, da sie entweder auf dem Rücken oder Bauch, seltener auf der Seite mit schlaff ausgebreiteten Gliedmaßen und gestrecktem Schwanz liegen. Nur wenige Tiere sind bei Raibl lebend auf den Strand gespült worden, soweit sich aus dem gekrümmten Körper und der Bauchlage auf einen Todeskampf schließen läßt. Auch hier sind es wieder die kleinen Pholidophoriden, welche besonders häufig mit gekrümmtem Körper angetroffen werden; auch ein Exemplar von Thoracopterus Niederristi‘), welches mit ausgespannten Pectoralen und stark ge- krümmtem Körper auf einer Platte liegt, ist offenbar von dem zähen Uferschlamme festgehalten worden und zugrunde gegangen. Ein anderes Exemplar von T’horacopterus Niederristi2) ist stark zerstört, die Flossenstrahlen zerbrochen und zerrissen, die Schuppen zum Teil verstreut; wahrscheinlich ist diese Zerstörung auf die Tätigkeit von Krebsen oder von anderen aasfreßenden Tieren zurück- zuführen. Die fast regelmäßig zu beobachtende starke Körperkrümmung des Belonorhynchus striolatus möchte ich ebensowenig als Spur des Todeskampfes ansehen wie die Verkrümmungen, welche Aspidorhynehus im Solnhofener Schiefer zeigt. Das Fehlen von Ceratodus und Coela- canthus in den Raibler Schiefern ist wohl darauf zurückzuführen, daß in dieser Gegend der Südalpen keine sumpfigen Küstenstriche vor- handen waren, welche wahrscheinlich den Aufenthaltsort dieser beiden Gattungen bildeten, während sich in- den Nordalpen vermutlich auf dem vindelizischen Gebirge und der böhmischen Masse im Gebiete der heutigen Flyschzone weite Sumpfwälder ausdehnten. In Seefeld überwiegen die großen Semionotiden, während die kleinen Pholidophoriden zurücktreten. Die Semionotiden liegen in sehr gutem Erhaltungszustande auf den Schieferplatten und nehmen eine !) Exemplar Nr. 6 (vgl. unten). ®) Original Kners, ].c. 1866, Taf. III, Fig. 1. Exemplar Nr. 2 (vgl. unten). 16 0. Abel. [16] Seitenlage ein. Bemerkenswert ist die stellenweise Anhäufung kleiner Pholidophoriden mit deutlichen Anzeichen des Todeskampfes, von welchem einige schöne Platten im Museum der k. k. geologischen teichsanstalt Zeugnis ablegen. In den schwarzen Schiefern von Perledo am Comersee liegen die Fische, den großen Belonorhynchus macrocephalus Deecke abge- rechnet, geradegestreckt auf der Seite und sind somit wohl aus- nahmslos als Leichen eingebettet worden. Die kleinen Typen über- wiegen. Die Fischfauna von Giffoni bei Salerno erinnert in ihrer Zu- sammensetzung, in der Größe der Typen und dem Erhaltungszustande der Skelette sehr an die Asphaltschiefer von Seefeld. Auch hier be- halten die großen, guterhaltenen Semionotiden die Oberhand; die kleinen Pholidophoriden scheinen, nach den Abbildungen Bassanis zu schließen, vorzüglich die Seitenlage einzunehmen, so daß man - schließen darf, daß auch diese Fische als Leichen an das Ufer ge- worfen wurden. Fassen wir zusammen, so sehen wir, daß der Erhaltungszustand der Fischreste aus der alpinen Trias nicht dafür spricht, daß die fischführenden Schiefer am Boden eines tieferen Meeres abgelagert worden sind, sondern daß sie küstennahe Seichtwasserbildungen sind. In einigen Fällen, wo sich der Todeskampf der Fische nach- weisen läßt, ist der Vorgang bei der Sedimentation ohne weiteres klar, wie in den Reingrabener Schiefern des Polzberggrabens bei Lunz. Es wäre nicht unmöglich, daß in den Südalpen zur Zeit der Raibler Schichten viele Fische durch Eruptionen oder durch Exhalationen von Gasen zugrunde gegangen sind; diese Fische müssen gleichfalls nach kurzem Todeskampfe in die marinen Sedimente gelangt sein. Dann aber würde freilich eine weit größere Zahl von Fischen in den Raibler Schiefern diese Spuren der Agonie zeigen, als es tatsächlich der Fall ist; es ist ferner auffallend, daß vorzüglich die kleinsten Tiere die besprochenen krampfhaften Verkrümmungen zeigen. Dies deutet darauf hin, daß die in unmittelbarer Nähe der Küste sich tummelnden Pholidophoriden häufig lebend an den Strand geworfen wurden und hier zugrunde gingen, während die größeren Typen, welche bedeutendere Tiefen bevorzugen, nur als Leichen in die Strandsedimente gelangten. In den meisten Fällen wurden die Fischleichen rasch von Schlamm- schichten bedeckt, während andere Reste, wie das obenerwähnte Exemplar des Thoracopterus Niederristi Bronn aus Raibl und das Skelett des Gügantopterus Telleri aus Lunz, Spuren einer vorge- schritteneren Verwesung zeigen. Das erwähnte Exemplar des Thora- copterus aus Raibl scheint jedoch, aus der eigentümlichen Art der Zer- brechung der Hartteile zu schließen, von Krebsen am Strande zerstört worden zu sein, während der Rest des Gigantopterus Telleri wahr- scheinlich in’ bereits stark verwestem Zustande an das Ufer gespült wurde. 117] Fossile Flugfische. 17 3. Geologische und geographische Verbreitung der Pholidophoriden. Abgesehen von der Ichthyofauna von Perledo sind in den Fisch- faunen der alpinen Trias die Pholidophoriden der weitaus überwiegende Bestandteil, sowohl was die Artenzahl als die Zahl der überlieferten Individuen betrifft. Da auch die beiden Flugfische der alpinen Trias zur Familie der Pholidophoridae gehören, so wollen wir es versuchen, einen Überblick über die geographische und geologische Verbreitung dieser Gruppe zu gewinnen. Die ersten Pholidophoriden erscheinen in der Trias. Sie sind in der Lower und Upper Hawkesbury-Wianamatta Series bei Gosford und Talbragar in Neusüdwales angetroffen worden; die aus dem Jura (2) von Talbragar beschriebene Gattung Archaeomene ist nach unseren bisherigen Kenntnissen auf dieses Gebiet beschränkt. Aus dem Rhät des nordwestlichen Skandinaviens beschrieb B. Lundgren fragmentarische Exemplare von Pholidophorus; in der gleichen Stufe tritt Pholidophorus Higginsi Egert. in Gloucestershire und Leicestershire auf und aus dem Rhät bei Hildesheim in Hannover ist Pholidophorus Roemeri von K. Martin beschrieben worden. Während diese Funde von Pholidophoriden in den außeralpinen Triasablagerungen sehr vereinzelt sind, ist aus der Trias der Alpen eine größere Anzahl von Gattungen und Arten bekannt geworden. Schon im Muschelkalke von Perledo am Comersee ist ein typischer Vertreter der Gattung Pholidophorus entdeckt worden, Pholidophorus oblongus Bell. In der mittleren kalkarmen Gruppe der Trias, den Lunz—Raibler Schichten, nehmen die Pholidophoriden an Häufigkeit sehr bedeutend zu; namentlich die Fischschiefer von Raibl sind reich an Pholidophoriden. Im Hauptdolomit ist aber wieder eine Anzahl von Gattungen ver- schwunden und nur die Gattung Pholidophorus geblieben. Diese Gattung setzt sich in das Rhät und den Lias fort und ist aus dem letzteren Zeitabschnitte aus England, Frankreich, der Schweiz und Württemberg bekannt. In englischen Liasbildungen sind sieben Arten entdeckt worden. Die jüngsten Pholidophoriden treten im oberen Jura auf, und zwar erscheinen hier neben der noch immer artenreichen Gattung Pholidophorus -— aus dem Malm liegen zehn Arten vor — die Gattungen Pleuropholis und Ceramurus, sind aber wie alle übrigen Pholidophoriden in der Kreide bereits erloschen. Die Gattung Pholidophorus ist auch in Juraablagerungen Sibiriens, Polens und in neuerer Zeit auch in den Black Hills von Süddakota !) nachgewiesen worden. Die geologische Verbreitung der Pholidophoriden stellt sich somit folgendermaßen dar: 1. Pholidophorus Ag. Untere Trias — oberer Jura. 2. Thoracopterus Bronn. Obere Trias der Alpen. 3. Gigantopterus Abel. Obere Trias der Alpen. ') Ch. R. Eastman. Jurassic Fishes from Black Hills of South Dakota. Bull. Geol. Soc. America. Vol. X, 1899, pag. 398, pl. XxLV—XLVI. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (0. Abel.) B 18 0. Abel. [18] 4. Pholidopleurus Bronn. Obere Trias der Alpen. 5. Peltopleurus Kner. Obere Trias der Alpen. 6. Archaeomene A. S. Woodw. Upper Hawkesbury-Wianamatta Series (Jura?) }). 7. ? Prohaleeites Deecke. Untere Trias — obere Trias der Alpen. 8. ? Megalopterus Kner. Obere Trias der Alpen. 9. Pleuropholis Egert. Oberer Jura. 10. Ceramurus Egert. Oberer Jura. Die reichste Entfaltung erlangten die Pholidophoriden in der oberen alpinen Trias, aber nur die Gattung Pholidophorus überlebte die anderen, zum Teil sehr hochspezialisierten Gattungen aus diesem Formationsabschnitte. Pholidophorus muß gleichzeitig als die primitivste Gattung der ganzen Gruppe betrachtet werden und es ist von Wichtig- keit, festzustellen, daß sich gerade diese wenig spezialisierte Form von der unteren Trias bis in den oberen Jura nahezu unverändert erhalten hat, während die hochspezialisierten Typen, unter . welchen Thoracopterus und Gigantopterus au erster Stelle stehen, rasch ver- schwunden sind. In der Lower Hawkesbury-Wianamatta Series (Trias) von Neu- südwales sind zwei kleine Pholidophoriden entdeckt worden, welche A. Smith-Woodward?) als Pholidophorus (?) gregarius und Pholi- dophorus (?) dubius beschrieb. B. Lundgren?) stellte zwei kleine Ganoiden aus dem Rhät von Bjuf und Höganäs im nordwestlichen Skandinavien zur Gattung Pholidophorus, P. Egerton*) beschrieb den kleinen Pholidophorus Higginsi aus dem Rhät von Gloucestershire und Leicestershire, K. Martin) eine weitere Art derselben Gattung, Ph. Roemeri, aus dem Rhät von Hildesheim in Hannover. Wenn also auch von den zehn Gattungen der Pholidophoriden sechs nur aus der alpinen Trias bekannt geworden sind und die ersten Pholidophoriden im Muschelkalke von Perledo auftreten, so geht doch aus der weiten geographischen Verbreitung der Pholidophoriden in der Trias hervor, daß wir vorläufig keine Berechtigung haben, die Entstehung der Pholidophoriden in das Triasmeer der Alpen zu verlegen. !) Archaeomene wird von G. A. Boulenger (The Cambridge Natural History, Vol. VII, London 1904, pag. 545) von den Pholidophoriden getrennt. 2) A. Smith-Woodward. The Fossil Fishes of the Hawkesbury Series at Gosford. Mem. Geol. Survey of New South Wales. Palaeontology No. 4, 1890. (Pholidophorus gregarius n. sp., pag. 44, pl. VI, Fig. 6—10. Peltopleurus (?) dubius n. sp., pag. 47, pl. VI, Fig. 4, 5.) Derselbe. Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum. Part. III, London 1895, pag. 474. Pholidophorus (?) gregarius und Pholidophorus (?) dubius, ») B. Lundgren. Studier öfver faunan i den stenkolsförande formationen i nordvästra Skane. Minneskrift, utgifven af kong). fysiografiska Sällskapet i Lund, Lund 1878, Art. 5, pag. 32, Taf. II, Fig. 63 und 72. *) P. Egerton. Ann. Mag. Nat. Hist. (2). Vol. XIII, pag. 435; Figs. and Descript. Brit. Organic Remaius, dec. VIII. (Mem. Geol. Survey) 1854—1855, No. 7, pag. 1, pl. VIT, Fig. 1—5. A. Smith-Woodwiard. Catalogue of Fossil Fishes, III, pag. 461. °) K. Martin. Petrefakten aus der rhätischen Stufe bei Hildesheim. Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges. XXVI, 1874, pag. 816, Taf. XXIX, Fig. 1—2. [19] Fossile Flugfische. 19 Zweiter Abschnitt. Morphologischer Teil. I. Die Flugfische der alpinen Triasablagerungen. 1. Thoracopterus Niederristi Bronn. (Taf. I, Fig. 5; Taf. IU, Fig. 1, Textfigur 1-5.) Synonyma: Thoracopterus Niederristi. Bronn: Beiträge zur triasischen Fauna und Flora der bituminösen Schiefer von Raibl. Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1858, pag. 18, Taf. III, Fig. 1—3. 5 Thoracopterus Niederristi, Kner: Die Fische der bituminösen Schiefer von Raibl in Kärnthen. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., LIII. Bd., 1. Abt., Wien 1866, pag. 170, Taf. III, Fig. 1—3. Thoracopterus Niederristi. A. Smith-Woodward: Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum. Part III, London 1895, pag. 479. Pterygopterus apus. Kner: Nachtrag zu den fossilen Fischen von Raibl. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss, LV. Bd., 1. Abt., Wien 1867, pag. 718, Taf. I. Type: Original Bronns im geologischen Museum der Universität Heidel- berg, Gegenplatte im British Museum of Natural History in London. Geologische Verbreitung: “ Obere alpine Trias: Aonschiefer (Raibl), Reingrabener Schiefer (Lunz). Geographische Verbreitung: Raibl (Kärnten), Lunz (Niederösterreich). I. Das typische Exemplar Bronns aus Raibl. (H. G. Bronn., Beiträge zur triasischen Fauna und Flora der bituminösen Schiefer von Raibl. Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1858, pag. 18—21, Taf. II, 8: 1,2,99) Diagnose Bronns: „Familie: Ganoidae Lepidoidae homocerci. Thoracopterus n. g. Corpus robustum fusiformi-cuneatum. (Dentes ignoti.) Pinnae completae? (ventrales tamen ignotae); pectorales (utrinque approximatae?) praelongae; dorsalis et analis in cauda remotae oppositae; caudalis emarginata, aequaliter biloba, marginibus (an superiore solo?) ad mediam usque longitudinem squamularum serie obsessis. Squamae ganoideae magnae crassae quadrilaterae, eingula circa corpus formantes, in trunco sub-rectangulae et mediae quater s. quinquies altiores quam latiores, in cauda minores rhombeae.“ 5* 20 O. Abel. [20] II. Die drei Exemplare Kners aus Raibl. (R. Kner. Die Fische der bituminösen Schiefer von Raibl in Kärnthen. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., Wien, LIII. Bd., 1. Abt., 1866, pag. 170—174, Taf Ill. Fig. 1—3.) a) Kner berichtigt in seiner Abhandlung mehrere Irrtümer der Beschreibung Bronns. Während Bronn (l. ce. pag. 20) ausdrücklich das Fehlen der Ventralen hervorhebt, ist Kner der Meinung, dab Bronn die Ventralis mit der Analis verwechselt, beziehungsweise mit ihr vereinigt habe, wodurch er zu der Auffassung gelangte, daß die Analis groß und dreieckig war. Nach Kner sind die Ventralen sehr kräftig entwickelt, die Analis dagegen sehr klein. b) Während Bronn durch den Bau der Pectoralen „fast an unsere fliegenden Fische“ erinnert wurde, erklärt Kner, daß der Bau der Strahlen zufolge ihrer Polytomie geradezu der Deutung als Flugorgane widerspricht. Zu einem Flugorgane sind, seiner Ansicht nach, so vielfach geteilte Strahlen nicht brauchbar. c) Während die Abbildung Bronns (l. ce. Taf. III, Fig. 1) den Vorderrumpf mit hohen schienenähnlichen Schuppen bedeckt zeigt, weist Kner nach, daß bei Thoracopterus Niederristi nur zwei Reihen von Schienenschuppen auftreten und daß die Angabe Bronns durch die mangelhafte Erhaltung des Vorderrumpfes bei seinem Exemplar zu erklären ist. d) Während Bronn (l. e. pag. 20) angibt, daß der obere Rand der Caudalis bis zu seiner halben Länge mit etwa 25 Fuleren bedeckt ist, welche zuerst sehr kräftig sind, kaudalwärts aber an Stärke all- mählich abnehmen (Bronn, 1. ec. Taf. III, Fig. 1), erklärt Kner (l. c. pag. 170), an keinem seiner drei Exemplare derartige Fuleren beobachten zu können. Nur an dem kleinsten Exemplar (Kner, l. e. Taf. III, Fig. 3) konnte Kner am Vorderende des Oberrandes der Caudalis „spitze Rauhigkeiten“ wahrnehmen, „die Bronn mag als Stützschuppen gedeutet haben. Doch sind sie ganz und gar nur den Rauhigkeiten gleich zu setzen, welche auch den ersten Strahl der Brust-, Bauch- und Afterflossen überziehen.... Die Bedeutung von Stützschuppen oder Fuleris möchte ich ihnen nicht zuerkennen“. e) Während die Schädelknochen des Bronnschen Exemplars stark verschoben und zerdrückt sind, zeigen die drei Knerschen Exemplare einen etwas besseren Erhaltungszustand. Kner konnte feststellen (pag. 171), daß die Mundspalte weit war und daß in beiden Kiefern „ziemlich scharfe Spitzzähne“* standen. Die Deckelstücke und Kiefer scheinen nach Kner völlig glatt gewesen zu sein; die übrigen Kopfschilder sind „teils glatt, teils feinkörnig uneben“. Der Durch- messer des Auges betrug fast ein Drittel der Kopflänge. III. Pterygopterus apus Kner aus Raibl. (F. v. Hauer. Einsendung von Petrefakten aus den Fischschiefern von Raibl. Verhandl. d. k. k. geol. R.-A. 1867, pag. 638. — R. Kner. Nachtrag zu den fossilen Fischen von Raibl. Sitzungsber. d. kais. Akad. d. Wiss., Wien, LV. Bd. 1. Abt., 1867, pag. 718—722, Taf. I.) Ein neuerlicher Fund eines großflossigen Ganoiden in den bituminösen Schiefern von Raibl gab Kner die Veranlassung, im [21] Fossile Flugfische. 21 Jahre 1867 noch einmal auf die Besprechung von Thoracopterus Niederristi zurückzukommen. Er erklärte den neuentdeckten Fisch für eine von Thoracopterus Niederristi verschiedene Gattung und Art und gab ihm den Namen Pierygopterus apus. Kner hebt zunächst hervor, daß T’horacopterus und Pterygopterus in der Größe und Form der Pectoralen sowie in der Art der Be- schuppung große Ähnlichkeiten aufweisen, führt aber sodann folgende Verschiedenheiten beider Typen an, welche der leichteren Übersicht halber hier nebeneinandergestellt sind: A. Thoracopterus Niederristi Bronn b. Pterygopterus apus Kner (nach R. Kner). (nach R. Kner). 1. Ventralen vorhanden. l. Ventralen fehlen. 2. Pectoralen lang. 2. Pectoralen länger als bei Thor«a- copterusund Ewocoetus-ähnlicher. 3. Dorsalis sehr klein, ober der 3. Dorsalis nieht zu beobachten ; Analis. wahrscheinlich weit vorn und klein. 4. Beide Hälften “der Caudalis 4. Untere Hälfte der Caudalis gleich. länger. 5. Schuppen in schiefen Gürteln, 5. Schuppen in der oberen Körper- die schräg von oben vorn nach hälfte in Gürteln, die von oben unten hinten ziehen. hinten nach unten vorn ziehen; in der unteren Körperhälfte sind dagegen die Gürtel von oben vorn nach hinten unten ge- richtet. Ö. Anzahl der Schuppengürtel 6. Anzahl der Schuppengürtel 40 —42. 55—56 (vom Schultergürtel bis zur „Analis“ 21, von hier bis zur Caudalis 18, „in der Höhe des Schwanzes“ 16—17). 7. Mundspalte weit, oben und 7. Mundspalte „wahrscheinlich unten mit ‚scharfen, spitzen endständig, jedenfalls klein Zähnen. und sehr schwach oder gar nicht bezahnt“. 8. Kiemendeckel glatt. 8. Kiemendeckel fein ziseliert. IV. Kritik der Beschreibungen Bronns und Kners. 1. Vonträalie. Bronn hatte, wie aus seiner Darstellung (l. e. pag. 20) hervor- geht, die allerdings sehr fragmentarisch erhaltene Bauchflosse für einen Teil der unter der Dorsalis stehenden Analis gehalten. Man sieht jedoch auf der seiner Arbeit beigegebenen lithographierten Tafel ganz deutlich, daß unterhalb einer kleinen dreieckigen, vielstrahligen Flosse, welche ohne Zweifel als Analis zu deuten ist, noch drei Strahlenbündel liegen; Kner sprach die Ansicht aus, daß diese drei 22 0. Abel. [22] Strahlenbündel als die einzigen Reste der Ventralis anzusehen seien und ist damit vollständig im Rechte. Kner gab an (l. c. 1866, pag. 171), daß das kleinste seiner drei Exemplare das vollständigste sei, da es sämtliche Flossen mit Ausnahme der Dorsalis erkennen lasse (l. c. Taf. III, Fig. 5). Bei sorgfältiger Präparation des Knerschen Originals mit der Messingbürste zeigten sich jedoch bald die Strahlen der Dorsalis, welche die gleiche Form, Lage und Größe besitzt, wie dies bei dem Bronnschen Exemplar der Fall ist. Das größte der drei Exemplare soll nach Kner die Brust-, Bauch- und Afterflossen erkennen lassen. Die Präparation mit der Messingbürste ergab jedoch, daß Kner ein Strahlenbüschel der linken Pectoralis für die Dorsalis gehalten hatte; die lose, nahe dem Bauch- rande liegende Flosse erklärte Bronn mit Bestimmtheit für die Analis (l. e. pag. 172, Taf. II, Fig. 1). Daraus ergibt sich, daß Kner eines der weiter vorn liegenden Strahlenbündel für die Ventralis gehalten haben muß; indessen konnte das Gestein von diesem Strahlenbündel so weit entfernt werden, daß der Zusammenhang desselben mit den übrigen Bündeln der Pectoralis vollständig sichergestellt ist. Die kleinere, abdominal gestellte Flosse ist daher ohne Zweifel die Ven- tralis; eine Analis ist bei diesem Exemplar überhaupt nicht erhalten. Nach Kner sollen bei Pferygopterus apus die Ventralen fehlen. (Kner, Nachtrag zu den fossilen Fischen von Raibl, 1. e. pag. 718 und 719). Schon auf den ersten Blick kann man jedoch feststellen, daß die kleine abdominale Flosse an derselben Stelle liegt wie bei Thoracopterus Niederristi und daß der Bau und die allgemeine Form der abdominalen kleinen Flosse von Pterygopterus durchaus mit der Ventralis von Thoracopterus übereinstimmt. Es ist nicht einzusehen, warum eine ganz gleich große, gleich gebaute und an der nämlichen Stelle liegende Flosse in dem einen Falle als Ventralis, im anderen als Analis zu deuten sein soll. Auch an dem Exemplar, dessen Hauptplatte sich im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt und dessen Gegenplatte sich im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien befindet, ist die kleine abdominale Flosse vorhanden und stimmt auch hier vollkommen mit der Ventralis von Thoracopterus überein. Daraus ergibt sich, daß im Gegensatze zu den Angaben Kners Thoracopterus Niederristi und Pterygopterus aptus im Baue der Ven- tralen durchaus übereinstimmen. 2. Pectoralis. Nach Kner unterscheidet sich Pterygopterus von T’horacopterus durch längere und Exocoetus-ähnlichere Pectoralen. Zu dieser Behauptung wurde Kner dadurch geführt, daß sowohl das Bronnsche Original als die ihm vorliegenden weiteren drei Exemplare keinen besonders günstigen Erhaltungszustand der Pecto- ralen aufweisen, während das von ihm unter dem Namen Pferygop- terus apus beschriebene Exemplar eine tadellos erhaltene Brustflosse besitzt. Kner hebt (l. c. pag. 171) hervor, daß das kleinste seiner [23] Fossile Flugfische. 23 drei Exemplare (l. c. Taf. III, Fig. 3) die kürzesten Pectoralen auf- weist; er schreibt diese Erscheinung der größeren Jugend dieses In- dividuums zu. Es ist diese Bemerkung Kners überraschend, denn gerade bei diesem Exemplar ist die linke Brustflosse in ihrer ganzen Länge erhalten; die rechte war zum Teil im Gestein verborgen und konnte durch Präparation mit der Messingbürste fast gänzlich frei- gelegt werden. Bei einer genauen Messung der Brustflossenlänge und Körper- länge bei beiden Exemplaren zeigt sich folgendes: I Thoracopterus Niederristi | | Bronn. Pterugopterus apus Kner, | An den Originalen | _, (3: Exemplar Kners, (Kner, Sitzungsber. d. kais. | gemessen: | Sitzungsber. d. kais. Akad. d. | Akad. d.Wiss., LV. Bd., 1867, | | Wiss., LIII. Bd., 1866, Taf. III, Tafel zu pag. 722) Fig. 3) Maße in mm Länge der Pecto- 5 375 | 57°5 ralis | Beer Be EEE ) | Länge des Körpers £ 3 (ohne Caudalis) zer 91:5 | | | | Körperlänge = 100; | . DR Pectoralenlänge | 6x1 es | l Es ergibt sich daraus, daß T’horacopterus Niederristi Bronn und Pterygopterus apus Kner nahezu dieselbe Brustflossenlänge besitzen ; zum mindesten kann die geringe Differenz nicht als ein trennendes Merkmal beider Typen angesehen werden. SE DOTSALIS Während Bronn und Kner bei T’horacopterus Niederristi eine kleine, weit nach hinten gerückte Dorsalis augeben, soll nach Kner bei Pterygopterus apus keine Spur derselben zu beobachten sein; Kner vermutet, daß eine Rückenflosse „nur weit vorn gestanden und von geringer Ausdehnung gewesen sein“ könnte (l. ce. 1857, pag. 720). Durch sorgfältige Präparation ist es jedoch gelungen, einen Teil der Rückenflosse an dem in der k. k. geologischen Reichsanstalt befindlichen Exemplar von Pterygopterus apus (Gegendruck des Knerschen Originals) freizulegen. Es ergibt sich aus ihrer Lage und Größe eine vollkommene Übereinstimmung mit der Rückenflosse von Thoracopterus Niederristi. 94 O. Abel. [24] 4. Caudalis. Die beiden Lappen der tief eingeschnittenen Caudalis sind nach Kner bei Thoracopterus Niederristi gleich groß; bei Pterygopterus apus dagegen sind der untere und obere Lappen zwar gleich breit, aber der untere ist um etwa 2°“ länger. Von allen Exemplaren des T'horacopterus Niederristi ist nur bei dem von Bronn beschriebenen ein sehr kleines Fragment und bei dem dritten Knerschen Original (l. ec. Taf. III, Fig. 3) ein größeres Fragment der Caudalis erhalten. Keines der beiden Exemplare kann zu der Angabe berechtigen, daß die beiden Lappen der Schwanz- flosse von gleicher oder verschiedener Länge sind, und somit wird auch dieser von Kner geltend gemachte Unterschied zwischen Thora- copterus und Pterygopterus hinfällig. 5. Verlauf der Schuppengürtel. Nach Kner ist in der Anordnung der Schuppenreihen ein tief- greifender Unterschied zwischen T’horacopterus und Pterygopterus Vor- handen. Während bei der ersten Gattung die Schuppengürtel in nor- maler Weise von oben vorn nach unten hinten über die Seiten herabziehen, soll nach Kner die Lage der Schuppenreihen bei Pfery- gopterus wesentlich verschieden sein; in der oberen Körperhälfte sollen die Schuppen von oben hinten nach unten vorn, in der unteren Körperhälfte aber von oben vorn nach unten hinten verlaufen, so daß die Schuppenreihen beider Körperhälften unter stumpfem Winkel zusammenstoßen. Nur in der Caudalregion sollen die Gürtel schief von oben vorn nach unten hinten herabziehen. Kner hat jedoch vollständig übersehen, daß das Exemplar seines Pterygopterus apus nicht auf der rechten Seite, sondern mit einer leichten Verschiebung nach rechts auf dem Bauche liegt und daß sich erst in der Caudalregion eine Drehung vollzieht, so daß die Caudalis auf die rechte Seite zu liegen kommt. Die Schuppengürtel, welche Knerfür die Reihen der oberen Körperhälfte hielt, sind dierechten, die von Kner für die Schuppengürtel der unteren Körperhälfte ge- haltenen Reihen aber die Schuppengürtel der linken Körperhälfte. Daraus erklärt sich sofort, daß die Gürtel beider Körperseiten in der oberen Medianlinie unter einem stumpfen Winkel zusammenstoßen; betrachtet man die Schuppen an der Stelle dieser Kreuzung genauer, so sieht man, daß die Schuppengürtel beider Körperhälften von einer sagittal verlaufenden Reihe sechseckiger Schuppen getrennt werden, welche eben die bilateral symmetrischen Schuppen der Rückenlinie sind. Infolge der in der Caudalregion zu beobachtenden Drehung des Fisches auf die rechte Körperseite erklärt sich auch der schon von Kner festgestellte normale Verlauf der Schuppenreihen in dieser Region. Daß die hier vorgebrachte Erklärung richtig ist, beweist auf das schlagendste das Vorhandensein der Rückenflosse in jener Linie, welche Kner für die Teilungslinie der oberen und unteren Körper- hälfte hielt. [25] Fossile Flugfische. 25 Sobald wir zu der richtigen Erkenntnis der Körperlage des Knerschen Pferygopterus apus gelangt sind, fallen natürlich alle Unterschiede in der Anordnung der Schuppengürtel zwischen Thora- copterus und Pterygopterus fort. 6. Zahl der Schuppengürtel. Bronn gab für Thoracopterus Niederristi 40 — 42 Schuppenreihen an; Kner zählt bei Pterygopterus apus „in der unteren Körperhälfte 21 schiefe Reihen und von da bis zur Caudalis noch beiläufig 18, in der Höhe des Schwanzes 16—17“ Schuppengürtel. (Kner, 1. c. 1867, pag. 722.) Im ganzen sollen also bei der letztgenannten Art 55—51 Schuppenreihen vorhanden sein, also 14—15 Reihen mehr als bei Thoracopterus. Eine Überprüfung dieser Angaben führte zu dem Resultat, daß auch bei Pterygopterus apus nicht mehr als 43 Schuppenreihen vor- handen sind. Es besteht also auch in der Zahl der Schuppengürtel kein Unterschied zwischen T’horacopterus Niederristi und Pterygopterus apus. 7. Mundspalte. Nach Kner unterscheidet sich Pferygopterus von T’horacopterus dadurch, daß bei der ersten Gattung die Mundspalte weit ist und in beiden Kiefern scharfe spitzkonische Zähne stehen, während bei der zweiten die Mundspalte klein und schwach oder gar nicht be- zahnt ist. Da das von Knerals Pterygopterus apus beschriebene Exemplar auf dem Bauche liegt, die zahntragenden Teile der Kiefer aber über- haupt nicht sichtbar sind, so kann dieses negative Merkmal nicht zur Unterscheidung von T’horacopterus herangezogen werden. Die Umrisse des Kopfes und die Form des Schnauzenendes stimmen bei Thora- copterus Niederristi (drittes Exemplar Kners) und bei Pferygopterus apus vollständig überein. 8. Öberflächenskulptur des Opereulums. Bronn spricht von dem Vorhandensein flacher Runzeln auf dem „großen hohen Kiemendeckel“ (— Operculum) des Thoracopterus Niederristi, die Runzeln verlaufen konzentrisch um einen im Vorder- rande des Operculums gelegenen Punkt. Kner gibt dagegen an, daß die „Deckelstücke* völlig glatt gewesen zu sein scheinen; bei Pfery- gopterus apus aber seien die Deckelstücke fein ziseliert. Entgegen der Darstellung Kners zeigt jedoch das größte seiner Exemplare (l. ec. Taf. III, Fig. 1) eine sehr zarte Ziselierung der Oberfläche des Operculums, soweit dies aus dem Abdrucke erkennbar ist; man sieht überdies die schon von Bronn an seinem Exemplar beobachteten konzentrischen Streifen auch an dem Knerschen Ori- ginal. Der Zeichner hat diese Skulptur auf der Taf. 171, 03 Kners ziemlich genau wiedergegeben. Es fällt also auch dieser letzte von Kner geltend gemachte Unterschied zwischen Thoracopterus Niederristi und Pterygopterus apus fort. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) 4 26 0. Abel. [26] V. Identität von Thoracopterus Niederristi Bronn und Pterygopterus apus Kner. Es kann, da nicht einer der von Kner angeführten Unterschiede vorhanden ist, kein Zweifel darüber bestehen, daß diese beiden von Kner getrennten Typen einer und derselben Art angehören. A. Smith- Woodward!) machte bereits darauf aufmerksam, daß der Unter- schied zwischen beiden Typen sehr fraglich wäre; E. Suess?) war also vollkommen im Rechte, als er Pferygopterus apus für ein exquisites Exemplar des Thoracopterus Niederristi erklärte. Auch F. Bassani spricht sich für eine Identität beider Formen aus. VI. Übersicht der bekannten Exemplare von Thoraecopterus Niederristi Bronn. I. Original Bronns (Neues Jahrbuch 1858, Taf. III). Hauptplatte im geologischen Universitätsmuseum in. Heidelberg ; Gegenplatte (P. 1098) im British Museum of Natural History in London. Fund- ort: Raibl. 2. Original Kners (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wiss., Wien, LIII, 1866, Taf. III, Fig. 1). Museum der k. k. geologischen Reichs- anstalt in Wien. Fundort: Raibl. . Original Kners (ibid. Taf. III, Fig. 2). Die abgebildete Haupt- platte und Gegenplatte im Museum der k. k. geologischen Reichs- anstalt in Wien. Fundort: Raibl. 4. Original Kners (ibid. Taf. III, Fig. 3). Die Hauptplatte und die abgebildete Gegenplatte im Museum der k. k. geologischen Reichs- anstalt in Wien. Fundort: Raibl. 9. Original Kners (Sitzungsber. d. k. Akad. d. Wisse., Wien, LV, 1867. Taf. I). Die abgebildete Hauptplatte im geologischen Museum der k. k. Universität Wien; Gegenplatte im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Fundort: Raibl. 6. Hauptplatte im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien (Acqu. Post. 1866, XL, 451); Gegenplatte im Museum der k. k. geolo- gischen Reichsanstalt in Wien. Fundort: Raibl. ‘. Hauptplatte im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien; Gegenplatte im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien (Acqu. Post. 1887, II, 2). Fundort: Polzberggraben bei Lunz. 8. Abdruck beider Pectoralen und Ventralen eines kleinen Exemplars im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Fund- ort: Polzberggraben bei Lunz. n.n wi. VI. Morphologische Charaktere des Thoracopterus Niederristi Bronn. l. Körpergröße. Das größte Exemplar (das Original von Pterygopterus apus) mißt von der Schnauzenspitze bis zum Ende des unteren Caudallobus 118 mm; die Körperlänge beträgt 91’5 mm. Das Exemplar 6 aus ') A. Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum (Natural History). Part. HI, London 1895, pag. 479. ®) R. Kner. Nachtrag zu den fossilen Fischen von Raibl, 1. c. pag. 718, [27] Fossile Flugfische. 27 Raibl ist ungefähr ebenso groß, doch lassen sich infolge der starken Körperkrümmung des Fisches die genauen Maße nicht feststellen. Die übrigen Exemplare sind durchwegs kleiner; das kleinste Exemplar ? aus Lunz besitzt eine Körperlänge von 62 mm (ohne die Caudalis). 2. Körperform. Kner schrieb seinem Pierygopterus apus eine relativ hohe, semionotidenähnliche Körperform zu; diese Auffassung war Jedoch irrtümlich, weil Kner übersehen hatte, daß das ihm vorliegende Exemplar eine Bauchlage einnimmt und von oben nach unten infolge des Gebirgsdruckes verquetscht ist. Ein genauer Vergleich aller Exemplare ergibt, daß T'horacopterus Niederristi eine Körperform besaß ungefähr wie Pholidophorus latiuseulus Ag., so daß der Körper als fusiform zu bezeichnen ist. Ob der Schädel am Vorderende abgestumpft war oder ob das Kopfprofil in gleichmäßig geschwungener Linie verlief, ist infolge der hochgradigen Verdrückung aller erhaltener Schädelpartien nicht fest- zustellen, doch scheint Thoracopterus Niederristi eher ein seirht ab- fallendes Schädelprofil wie Pleuropholis erassicaudata Ey. besessen‘ zu haben. 3. Beschuppung. a) Form der Schuppen. Die Schuppen sind im allgemeinen von rhombischer Form, ent- weder kurz oder stark verlängert: rein rhombische Schuppen finden sich neben einigen dreieckigen in der Caudalregion; ceykloidische Schuppen sind in der Mittellinie der Ventralseite vorhanden (Exemplar 4, Kner, l. c. 1866, Taf. III, Fig. 3), während in der medianen Schuppen- reihe des Rückens sechseckige Schuppen auftreten, die am schönsten in der Region vor der Dorsalis entwickelt sind. Die letzteren sind an den Exemplaren 2, 4 und 5 sehr gut zu beobachten; auf der Knerschen Abbildung (l. e. 1866, Taf. III, Fig. 3) sind sie nicht zur Darstellung gebracht, dagegen auf der Abbildung von Pterygopterus apus (Kner, |. c. 1867, Taf. )D). Wie bei den meisten Pholidophoriden finden sich auch an den Flanken von Thoracopterus Niederristi einige Reihen stark verlängerter Schuppen. Die längsten Schuppen liegen am Anfange des Schuppen- kleides hinter dem Schultergürtel und ungefähr in halber Körperhöhe ; die achte Hauptschuppenreihe, von der Rückenlinie gegen unten ge- rechnet, umfaßt die längsten Schuppen. Die erste ist ungefähr viermal höher als breit; die Höhe nimmt jedoch rasch ab, so daß dieselbe schon bei den Schuppen der nächsten Gürtel etwa auf das Dreifache der Breite herabsinkt; über den Ventralen sind die Schuppen dieser Reihe nur mehr doppelt so hoch als breit, nehmen weiter an Höhe ab, werden aber wieder höher in der Region vor der Dorsalis und Analis, um dann rasch zur rein rhombischen Form überzugehen. Bedeutend niedriger sind die Schuppen der sich ventral an- schließenden neunten Reihe. Sie sind schon unmittelbar hinter dem Schuppengürtel nur etwas mehr wie doppelt so hoch als breit, nehmen 4* m... 28 O. Abel. [28] aber weniger rasch au Höhe ab als die Schuppen der oberen Reihe, so daß sie in der Region vor der Ventralis ungefähr ebenso groß wie diese sind. Die nächste, zehnte, Schuppenreihe besteht aus noch niedrigeren Schuppen; sie beginnen hinter dem Schultergürtel mit rein rhombischer Form, werden aber gegen hinten etwas höher und erreichen vor der Ventralis eine Höhe, die etwa das Zweifache ihrer Breite beträgt. Fig. 1. Thoracopterus Niederristi Bronn. Geologisches Alter: Mittlere kalkarme Gruppe der alpinen Trias. Fundorte: Raibl (Kärnten), Lunz. (Niederösterreich). (Natürliche Größe.) Die Grundlage der Rekonstruktion bilden das Knersche Original des Pterygop- ferus apus aus Raibl und das Exemplar 7 aus Lunz, Die elfte Schuppenreihe beginnt ungefähr hinter dem letzten Strahl der Brusttlosse und die sie zusammensetzenden Schuppen nehmen wie die der zehnten Reihe bis zur Ventralis au Höhe zu. Auf diese Reihe folgt die mediane Schuppenreihe der Ventrallinie, welche aus cykloidischen Schuppen besteht. Die Bronnsche Abbildung (Neues Jahrbuch 1558, Taf. III) zeigt vier übereinanderliegende hohe schienenähnliche Schuppen, doch scheint [29] Fossile Flugfische. 29 diese Darstellung zum Teil auf einer Ungenauigkeit des Zeichners, zum Teil auf einer starken Verschiebung des Exemplars zu beruhen !). Auch die Schuppen der siebenten Reihe sind verlängert, also der Reihe, welche über der Reihe der längsten Schuppen liegt; ebenso sind auch die Schuppen der sechsten Reihe etwas verlängert, nehmen aber wie die der siebenten caudalwärts sehr rasch an Höhe ab. Unter allen Reihen verlängerter Schuppen, von der sechsten bis zur elften, sind jedoch nur die Schuppen der achten und neunten auffallend erhöht und schienenförmig. In der Rekonstruktion des Thoracopterus Niederristi konnte natürlich die absolute Höhe der Schuppen nicht zum Ausdrucke gebracht werden, da man sonst die Schuppenbekleidung in eine Ebene hätte aufrollen müssen. b) Oberflächenskulptur der Schuppen. Das bezeichnendste Merkmal aller Schuppen besteht darin, daß sie am freien Hinterrande durch einen relativ breiten und starken Wulst abgeschlossen werden, welcher an den Schuppen der vorderen Rumpfregion am stärksten entwickelt ist, aber an den Schuppen der hinteren Körperhälfte allmählich schwächer wird. Besonders gut läßt sich diese Erscheinung an dem Exemplar 4 aus Raibl beobachten. Dieser Wulst am Schuppenhinterrand verdickt sich an einigen Schuppen knopfartig, doch ist sowohl diese Verdickung an und für sich als auch die Lage derselben höchst variabel. Auch der Unterrand der Schuppen wird von einer nicht deutlich entwickelten scharfen Leiste begrenzt. Der Saum des erwähnten Wulstes am Hinterrande der Schuppen ist sehr fein gezähnt. Diese Zähnelung läßt sich auch noch an den Schuppen der Caudalregion beobachten, wo der Wulst kaum mehr sichtbar ist. Die Oberfläche der Schuppen ist im Postelavicularabschnitt mit sehr kräftigen, unregelmäßigen, wurmförmigen Wülsten und Knöpfen bedeckt. Diese Rugositäten sind auf den Flaukenschuppen im ganzen und großen untereinander parallel und verlaufen in der Richtung der Längsachse der Schuppen, also von vorn oben nach hinten unten. Auch die Schuppen der Caudalregion sind in ähnlicher Weise skulp- turiert; dagegen scheinen die Schuppen in der Mitte der Flanken glatt zu sein. In der Caudalregion sowie in der Region der Rücken- und Bauchlinie sind die erwähnten Rauhigkeiten im Gegensatze zu den Flankenschuppen in mehr konzentrischen Reihen angeordnet. Die Schuppenskulptur variiert bei den einzelnen Exemplaren außerordentlich. Ich möchte jedoch dieser Oberflächenstreifung um so weniger morphologisches und systematisches Gewicht beilegen, da es bekannt ist, in wie weiten Grenzen die Schuppenzeichnung bei lebenden Arten jenach dem Alter variiert und auch individuelle Differenzen zeigt ?). Eine Seitenlinie ist nicht zu beobachten. !) Vgl. darüber die Bemerkung Kners, 1. c. 1866, pag. 175 (Fußnote), 2) J. Stuart Thomson. The Periodie Growth of Scales in Gadidae as an Index of Age. Journ. of the Marine Biolog. Assoc. of the United Kingdom. Vo). VII, No. 1, Plymouth, April 1904. Vgl. Literatur, pag. 106 —107. 30 O. Abel. [30] c) Zahl der Schuppengürtel. Dieselbe wurde von Bronn (l. e. 1858, pag. 19) mit 40—42 angegeben: Kner gab für das Exemplar 5 (Original des Pterygopterus apus) 55—56 Gürtel an (vgl. oben). Eine sorgfältige Nachmessung am Original Kners ergab auch für dieses die Zahl 435, also ungefähr dieselbe Zahl, welche Bronn mitteilte. Abgesehen von den medianen Reihen der Rücken- und Bauchlinie sind elf Schuppenreihen über- einander zu zählen. 4. Flossen. a) Pectoralis. Die Brustflosse ist nebst der Schwanzflosse das bezeichnendste Organ für diesen Fisch, weil ihre Größe, ihre Form und ihr anatomischer Bau beweist, daß T’horacopterus Niederristi eine Lebensweise wie die Exocoeten der Gegenwart geführt haben muß. Da der feinere Bau der Flossen im Zusammenhange mit deren physiologischer Bedeutung als Flugorgane im biologischen Abschnitte dieser Arbeit besprochen werden soll, so mögen hier nur die wichtigsten Angaben über die Flosse Platz finden. Die Grundlage für die Dar- stellung bildet das Original von Pterygopterus apus Kner; die übrigen Knerschen Originale sowie die in neuerer Zeit entdeckten Exemplare ergaben zum Teil eine vollständige Übereinstimmung des Flossen- baues, zum Teil bildeten sie wertvolle Ergänzungen. Die Brustflossen aller Exemplare, vor allem die schöne Flosse des Exemplars 5, wurden durch sorgfältige Präparation mit der Messing- bürste vom anhaftenden Gestein befreit, so daß der Bau der Flosse in voller Klarheit studiert und die Ungenauigkeit der Knerschen Abbildungen und Beschreibungen beseitigt werden konnte. Die Brustflosse ist ebenso geformt wie die von Zwocoetus, das heißt am Ende zugespitzt und am Hinterrande stärker konvex als am Vorderrande. Sie ist tief, nahe der Bauchlinie, eingelenkt, wie dies namentlich aus den wohlerhaltenen Ansätzen der Pectoralen am Exemplar 7 (aus Lunz) hervorgeht; der Abstand beider Brust- flossen beträgt nur 3:5 mm bei diesem Exemplar, also etwa 1/,, der Körperlänge (ohne die Caudalis). Die Brustflosse besteht aus elf Strahlen. Die vorderen vier sind kurz, nicht oder nur einfach gegabelt, aber gegliedert; sie legen sich dicht aneinander und übereinander, so daß der Hinterrand eines Strahles den Vorderrand des folgenden überdeckt. Der fünfte Strahl erreicht die Flossenspitze und entsendet einen stumpfen stärkeren Ast gegen den Vorderrand der Flosse; von der Spitze angefangen endet am Hinterrande der Flosse der fünfte Strahl mit zwölf feinen Spitzen, jeder folgende mit sechzehn Spitzen, der letzte ist ungeteilt. Die Außenseite jedes Strahles ist rinnenförmig ausgehöhlt, die Innenseite gewölbt. Die Strahlen sind — namentlich die hinteren — reich gegliedert und die einzelnen Glieder greifen mit einem kleinen zahnartigen Fortsatze ineinander (vgl. Fig. 3). Die Oberfläche der Strahlen ist an der Innenseite der Flosse mit sehr zahlreichen dicht- gedrängten, zu der Längsrichtung der Strahlen parallelen wurmförmigen [31] Fossile Flugfische. 31 Erhöhungen verziert, so daß die ganze Oberfläche wie gerunzelt er- scheint. Diese Runzelung setzt sich bis in die Strahlenspitzen fort. Die rinnenartigen Vertiefungen der Flossenstrahlen auf der Fig. 2. Thoracopterus Niederristi Bronn. Obere Trias der Alpen. Rechte Brustflosse von der Flugfläche (von innen) gesehen. Grundlage der Rekonstruktion: Das Original des Pterygopterus apus Kner aus Raibl. Zweimal vergrößert. {Vgl Pal: IIL Pig T\ Außenseite sind vollkommen glatt: dagegen sind auch auf der Außen- seite alle konvexen Partien der Strahlen mit Runzeln bedeckt. welche sich bis zu den Enden der Strahlen fortsetzen. [32] OÖ. Abel, 32 Fig. 3. Thoracopterus Niederristi Bronn. Obere Trias der Alpen. Sechster Strahl der linken Brustflosse von der Außenseite. (Rekonstruiert nach dem Original des Pferygopterus apus Kner aus Raibl.) Dreimal vergrößert. I—XI = Flossenstrahlen, A == sensenförmiger Anhang des letzten Flossenstrahls. [33] Fossile Flugfische. 33 An den elften, ungeteilten, Strahl ist ein sensenförmiges Segel angeheftet, welches den Eindruck hervorruft, als ob es mit dicht aneinanderstoßenden kleinen Schuppen bedeckt sei; der Durch- messer dieser Plättchen beträgt im oberen Abschnitte des Segels ungefähr O'1 mm. Gegen die Spitze des Segels werden die Plättchen länger, während sie im oberen Abschnitte von rundlicher Form waren. Es sind dies offenbar eigentümlich modifizierte Strahlenglieder '). Ohne Zweifel waren die Strahlen der Pectoralis bis an ihre Enden von einer Flossenhaut umhüllt, da sonst eine Zerfaserung der Strahlen, wie sie am Hinterrande der Flosse zu beobachten ist, nicht denkbar wäre. b) Ventralis. Die Ventralis besteht aus sieben Strahlen, welche sehr kräftig beginnen und sich unweit ihrer Basis mehrfach gabeln und in feine Strahlen teilen, die sich dicht aneinanderlegen. Die Ventralis ist nur bei dem Exemplar 7 aus Lunz gut erhalten, bei den übrigen mehr oder minder beschädigt. Sie ist bei diesem Reste 13 mm lang; da die Körperlänge desselben 62 mm beträgt (ohne die Caudalis), so erreicht die Ventralis ungefähr '/,; der Körperlänge. An dem erhaltenen proximalen Teile der Ventralis bei dem Exemplar 5 bemerkt man undeutliche Spuren einer Gliederung der Flossenstrahlen. c) Dorsalis. Die Dorsalis ist an den Exemplaren 1, 4,5 und 7, am besten bei l und 7 erhalten; sie besitzt einen dreieckigen Umriß, ist sehr niedrig und klein und besteht aus ungefähr 12 stark nach hinten geneigten feinen, einfach gegabelten oder einfachen Strahlen (vgl. Fig. 1). d) Analis. Unmittelbar vor der Schwanzflosse, also weiter nach hinten ge- rückt als die Dorsalis, ist bei einigen Exemplaren (Exemplar | und 7) die Analis erhalten. Sie ist außerordentlich reduziert und besteht aus nur wenigen feinen, ungeteilten Strahlen. Bei dem Original Bronns ist ihre Abgrenzung nicht ganz deutlich, bei dem kleinen Individuum aus Lunz (Gegenplatte in der geologischen Reichsanstalt) aber sehr deutlich zu beobachten. e) Caudalis. Vollständig ist die Schwanzflosse nur am Exemplar 5 erhalten. Auf den ersten Blick muß die bedeutendere Größe des unteren Caudal- lobus auffallen, wodurch die Schwanzflosse das Aussehen der Caudalis von KExocoetus erhält. Der Körper endet stumpf mit einem stark gekrümmten Bogen, wie man am Exemplar 5, ebenso am Exemplar 7 deutlich beobachten !) Einen ähnlichen, aber mit großen Schuppen bedeckten Anhang besitzt die Brustflosse von Pantodon Buchholzi, ein kleiner Flugfisch aus westafrikanischen Flüssen. Die physiologische Bedeutung dieses Segels soll im biologischen Abschnitte nähere Erörterung finden. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) 5 24 O0. Abel. [34] kann. Spuren der Wirbelsäule sind an dem letzteren Reste erhalten und man kann dieselbe bis zum obersten Strahle des unteren Caudallappens verfolgen; ein Irrtum bezüglich des Endes der Wirbel- säule ist völlig ausgeschlossen !). Der letzte Caudalwirbel fällt mit dem Ende der Schuppenbekleidung zusammen. Der obere Caudallobus beginnt etwas weiter oralwärts als der untere, jedoch mit bedeutend schmälerer Basis und bleibt auch in seinem weiteren Verlaufe schwächer als der untere. Der obere Schwanzlappen beginnt mit 17—18, der untere mit 15 Strahlen; die des unteren Lappens sind weit kräftiger. Die Strahlen des oberen und unteren Lappens sind schon von ihrem freien Beginn an gegliedert. Diese einzelnen Glieder sind bei dem erwachsenen Exemplar 5 ungefähr 2 mm lang, sowohl im oberen als im unteren Lappen; da aber die Strahlen des oberen Lappens sich zu den unteren in ihrer Breite ungefähr wie 1:2 verhalten, so erscheinen die Glieder der oberen Schwanzstrahlen bedeutend schlanker und länger. Die Breite der oberen Strahlenglieder beträgt in der Nähe der Flossenbasis etwa '/, mm, die der unteren etwa '/, mm. Mit zunehmender Entfernung von der Basis werden die Strahlen bedeutend stärker und erreichen (beim Exemplar 5) im unteren Caudallobus eine Breite von über 0'5 mm. Am Vorderrande des Oberrandes der Caudalis sind 20—25 Fuleren vorhanden. Bronn gab für das Exemplar 1 (im geologischen Museum der Heidelberger Universität) 25 Fuleren an; Kner bestritt diese Angabe (vgl. oben pag. 20). Herr Professor W. Salomon hatte die Liebenswürdigkeit, mir das Bronnsche Original zur neuerlichen Untersuchung zu übersenden. Es ergab sich bei derselben die voll- ständige Richtigkeit der Beschreibung Bron ns; die Abbildung seines Originals (N. Jahrb. 1858, Taf. II) bringt die Form dieser Fuleren gut zum Ausdruck. Außer bei dem Bronnschen Original sind am Original des Pierygopterus apus Kner deutliche Fileren am Oberrande der Schwanz- flosse zu beobachten. Sie stehen hier jedoch nicht ab, sondern schmiegen sich dicht aneinander. Ihre Zahl ist, wie man an der in der geolo- gischen Reichsanstalt befindlichen Gegenplatte des Originals feststellen kann, geringer als bei dem Original Bronns: ihre dichtgedrängte, sehr schräge Stellung mag die Ursache davon gewesen sein, dab Kner den Fulerenbesatz der Caudalis bei seinem Pterygopterus apus übersah. Keinesfalls sind die Caudalfuleren identisch mit den rauhen Skulpturen der Schwanzflossenstrahlen, wie Kner vermutete. Die Oberfläche der Caudalstrahlen ist durchweg von ziemlich groben, perlschnurartigen Leisten, Streifen und Punkten bedeckt, welche zu der Längsachse der Strahlen parallel sind. Die einzelnen Glieder greifen mit einem kurzen, nach vorn gerichteten Zähnchen ineinander, wie die Glieder der Pectoralstrahlen; ihre Gelenkflächen sind verdickt und von einer Leiste umsäumt. Der stärkste Strahl in der Caudalflosse überhaupt ist der siebente (von der Ventralseite an 1) Über echte Homocerkie vgl. G. A. Boulenger, Fishes (Cambridge Nat. Hist., Vol. VII), London 1904, pae. 646). [35] Fossile Flugfische, 35 gerechnet) im unteren Caudallobus, welcher zugleich der längste ist und sich bis in die äußerste Flossenspitze fortsetzt:; seine Länge be- trägt, vom Körperende an gerechnet, beim Exemplar 5 (Original des Pterygopterus apus Kner) 31 mm, seine größte Breite ein wenig mehr als O5 mm. Der längste Strahl des oberen Schwanzlappens ist nur 25 mm lang, seine größte Breite etwa 0:25 mm. Die hinteren inneren Strahlen beider Lappen sind mehrfach gespalten und laufen in feine pinselartige Fahnen aus, welche beim lebenden Tier durch eine Flossenhaut verbunden gewesen sein müssen. Die Basen des untersten Strahles des oberen Caudallappens und des obersten des unteren Lobus sind voneinander durch einen Zwischen- raum von 1 mm (Exemplar 5) getrennt, aber die pinselartigen Enden rücken sehr nahe aneinander. Wir dürfen daher annehmen, daß beide Lappen durch eine gemeinsame Flossenhaut verbunden gewesen sind. Die Schwanzflosse von Thoracopterus Niederristi ist somit als ein typisch hypobatisches Lokomotionsorgan zu betrachten. 5. Kopfskelett. Der Schädel ist bei allen Exemplaren so stark verdrückt. daß die Umrisse und die Form der Schädelknochen nur in großen Zügen festgestellt werden können. Am vollständigsten ist der Schädel des Exemplars 5 (Original des Pferygopterus apus) erhalten; am Exemplar 5 lassen sich die Kiemenstrahlen sowie die Elemente des Opereular- apparats beobachten. An den Exemplaren 1 und 7 aus Lunz sind die Kopfknochen in ihrer ursprünglichen Lage erhalten, beim Exemplare 7 Fig. 4 = 2 N | 7) Y5 ER \ Thoracopterus Niederristi Bronn. Obere Trias der Alpen. Linkes Operculum von der Außenseite, (Nach mehreren Exemplaren rekonstruiert.) Zweimal vergrößert. ebenso die Ansätze der beiden Pectoralstrahlen: leider sind die Knochen seibst infolge des jugendlichen Alters dieses Individuums sehr dünn und gingen deshalb beim Fossilisationsprozeß zum Teil in Trümmer. Indessen läßt sich die Lage und Form der Schädelknochen an diesem Exemplar noch am besten studieren. Das Operculum (Fig. 4) ist von langgestreckt rhombischer Gestalt, am obereren hinteren Rande abgerundet, am unteren schräg 5* 36 0. Abel. [36] nach vorn unten laufenden Rande gerade abgeschnitten und endigt vorn unten in eine Spitze. Seine Form erinnert nicht an die von Pholidophorus, da der Unterrand des Operculums nach den Unter- suchungen Zittels bei dieser Gattung (Pholidophorus striolaris Ag. — Ph. macrocephalus Ag.) in einem schwachgekrümmten Bogen ver- läuft, so daß der Hinterrand kürzer erscheint. Die feingrubige Oberfläche des Operculums ist von Runzeln und Streifen bedeckt, die konzentrisch um einen etwas unter dem Halbierungs- punkte des Vorderrandes gelegenen Punkt verlaufen. Schwieriger ist es, ein Urteil über die Lagerung und Form des Interopereulums und Suboperculums zu gewinnen. An dem Exemplar 7 ist diese distal vom Operculum gelegene ’artie etwas verschoben; die linke Pectoralis liegt auf der Platte (Hauptplatte im k. k. Naturhistorischen Hofmuseum) ausgebreitet, die rechte ist von dem darüberliegenden Körper verdeckt und nur der proximale Abschnitt der Pectoralstrahlen der rechten Flosse sichtbar, Rig, 5 CL oP ? zop ip Thoracopterus Niederristi Bronn. Fundort: Fischschiefer von Raibl in Kärnten. (Original des Thoracopterus Niederristi Br. im geologischen Museum der Heidel- berger Universität.) Erklärung der Abkürzungen! OP —= Operculum. — SOF = Suboperculum. — IOP = Interoperculum. — CL — Glavicula. — P — Pectoralstrahlen. (Natürliche Größe.) da die Schuppen an dieser Stelle abgesprungen sind. Über die Form und Größe des Suboperculums gibt also dieser Rest keine Auskunft. Gut erhalten sind die Elemente des Opercularapparats an dem Bronnschen Original (Fig. 5). Hinter dem Operculum mit feingrubiger Oberfläche und schwachen konzentrischen Anwachsstreifen liegt das Suboperculum. Dieser Knochen ist wesentlich anders geformt als bei Pholidophorus, wenn man die Zittelsche Abbildung dem Ver- gleiche zugrunde legt. Das Suboperculum von Thoracopterus ist oben breit abgerundet, erreicht seine größte Breite im unteren Drittel seiner Länge und stößt unten in einer geraden Linie mit dem Inter- operculum zusammen. Das Interoperculum ist ähnlich gebaut wie bei Pholidophorus. Suboperculum und Olavieula, wahrscheinlich auch das Interoperculum, sind mit rauhen, unregelmäßigen groben Strichen und Punkten skulpturiert. [37] Fossile Flugfische, 37 An den übrigen Exemplaren sind die Knochen des Opercular- apparats aus dem Zusammenhange gerissen. Wir müssen uns daher bei der Deutung dieser Knochen zum Teil auf Vermutungen be- schränken. Bei dem Exemplar 3 aus Raibl liegen über dem rechten Oper- culum zwei engverbundene dreieckige Knochen, die zusammen eine langgestreckt rhombische Form bilden; es ist indessen nicht möglich gewesen, sie mit den Knochen des Kiemendeckelapparats des Bronn- schen Originals zu homologisieren. Vielleicht repräsentiert der eine dieser beiden Knochen das Subopereulum. Der Opercularapparat wird hinten von einer kräftigen Clavicula abgeschlossen, an welche sich die Postclavieula und Supra- clavicula anschließen. Die Umrisse dieser bei allen Exemplaren stark beschädigten Knochen sind nicht sicher festzustellen, ähneln aber am meisten den entsprechenden Knochen von Pholidophorus macrocephalus. Die Branchiostegalplatten sind am Exemplar 3 und 7 ziemlich gut zu beobachten. Sie zeigen keine besonderen Abweichungen von Pholidophorus. In der Wangenregion des Exemplars 3 liegen zwei größere länglich ovale Knochenplatten, welche höchstwahrscheinlich als Sub- orbitalia zu deuten sind. Der Unterkiefer ist kräftig und trägt stumpfkonische Zähne, die am Exemplar 3, deutlicher an den Exemplaren 2 und 7 beob- achtet werden können. Der Zwischenkiefer ist, wie sich an den Exemplaren 4, 5 und 6 feststellen läßt, vorn gerade abgestutzt, so daß der Schädel, von oben betrachtet, eine stumpfe, plumpe Form erhält. Die Kiefer- knochen sind mit kräftigen, dichtstehenden Höckern verziert; der Unterkiefer zeigt wie die meisten Kopfknochen eine aus hieroglyphen- artig geformten Punkten und Strichen bestehende Skulptur auf fein- grubigem Grunde. Auch die Knochen des Schultergürtels sind auf ihrer Außenseite mit Längsstreifen und Punkten versehen, in ganz derselben Weise wie die sich postelavieular anschließenden Ganoid- schuppen; die Kopfknochen sind gleichfalls mit einer glänzend schwarzen Ganoinschicht bedeckt, welche die erwähnten Skulpturen bildet. Die Orbita ist groß und ihr Durchmesser nimmt etwa den dritten Teil der Kopflänge ein, wie schon Kner angab. VII. Phylogenetische Stellung von Thoracopterus. An der Pholidophoridennatur dieser Gattung kann kein Zweifel bestehen. Fraglich sind nur ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Pholidophoridengattungen der Trias. Die aus dem Jura (?) von Neusüdwales beschriebene Gattung Archaeomene sowie die oberjurassische Gattung Ceramurus dürfen bei einem Vergleiche von vornherein ausgeschaltet werden. Es bleiben somit nur die Gattungen: Pholidophorus, Pholidopleurus, Peltopleurus und Pleuropholis übrig. en 38 0. Abel. [38 | Wenn wir es versuchen wollen, die Stammformen von Thora- copterus aufzusuchen, so fällt weiters die oberjurassische Gattung Pleuropholis weg; diese Gattung kann aber auch infolge ihres weit primitiveren Flossenbaues nicht als Deszendent von Thoracopterus be- trachtet werden. Von Pholidopleurus kann Thoracopterus nicht abgeleitet werden, da bei der erstgenannten Gattung die Bauchflossen fehlen; Peltopleurus kann wegen der hochspezialisierten Beschuppung gleichfalls nicht als Stammgattung von Thoracopterus angesehen werden. Es bleibt somit nur die Gattung Pholidophorus als nächstverwandte Type übrig. Die Beschuppung steht bei dieser Gattung noch auf einer tieferen Stufe als bei T’horacopterus, obwohl schon hier die Ver- längerung einzelner Schuppenreihen und die Ausbildung von Schienen- schuppen im vorderen Rumpfabsehnitte beginnt; der Ansatz der paarigen Flossen und die Form und Lage der medianen Flossen läßt sich gut mit der Annahme in Einklang bringen, daß eine Pholidophorus- Art der Ausgangspunkt für die Entwicklung des großflossigen Thora- copterus Niederristi gewesen ist. Die Vorfahren dieses Flugfisches des obertriadischen Meeres der Nord- und Südalpen waren offenbar Seicht- wasserfische. In welcher Weise wir uns die Entstehung der fliegenden Pholidophoriden zu denken haben, soll im letzten Abschnitte dieser Arbeit erörtert werden. 2. Thoracopterus spec. Synonyma: Urocomus picenus p. p. ©. G. Costa: Studii sopra i terreni ad ittioliti del regno di Napoli, diretti a stabilire l’etä geologica dei medesimi. Parte I. Schisti bitu- miniferi di Giffoni. Mem. pres. 4. dic. 1858. — Append. Vol. XII. Atti Accad. scienze di Napoli, Napoli 1862, pag. 32—34, tav. V, fig. 2 e 2a. Pterygopterus (2?) spec. F. Bassani: Sui fossili e sull’ etä degli schisti bituminosi di Monte Pettine presso Giffoni valle Piana in provincia di Salerno (Dolomia prineipale). Mem. Soc. Ital. delle Scienze, T.IX, Ser. 3a, Nr. 3, 1892, pag. 23. Thoracopterus (£) spec. F. Bassani: La ittiofauna della Dolomia prineipale di Giffoni (provincia di Salerno). Palaeontographia Italica, I, 1895, pag. 208, tav. XII (IV), fig. 4, Tav. XV (VII), fig. 64. Thoracopterus (?) spec. F. Bassani: Su la „Hirudella laticauda O0,@. Costa“ degli schisti bituminosi triasici di Giffoni, nel Salernitano. — Rendiconti A. Accad. di Napoli (Adunanza del di 16. Die. 1899). Type: Original Costas und Bassanis im geologischen Museum der königlichen Universität Neapel. Geologische Verbreitung: Obere Trias (bituminöse Schiefereinlagerungen im Hauptdolomit). Geographische Verbreitung: Giffoni (bei Salerno). [39] Fossile Flugfische. 39 Von diesem Fische ') sind nur die beiden Pectoralen in ziemlich gutem Zustande, ferner ein Teil der Caudalis und wirr durcheinander- liegende Strahlen der beiden Ventralen erhalten. Von Schuppen sind undeutliche Spuren vorhanden; vom Kopfskelett sind zwei Knochen auf der Platte zu beobachten, welche wahrscheinlich als Wangenplatten zu deuten sind und nicht dem Opercularapparat angehören dürften. Die Peetoralen stimmen in ihrem Baue so vollkommen mit Thoracopterus Niederristi überein, daß von einer eingehenderen Be- schreibung Abstand genommen werden darf. Verschieden ist nur die Oberflächenbeschaffenheit der Peetoralstrahlen:; bei Thoracopterus Niederristi sind sie reich skulpturiert, und zwar besteht die Skulptur aus hieroglyphenartigen Punkten und Strichen, welche im ganzen und großen der Längserstreekung der Strahlen folgen, aber im distalen Strahlenteile unregelmäßiger verstreut sind. Bei Thoracopterus spec. aus Giffoni sind dagegen die proximalen Abschnitte der Pectoralstrahlen durchaus glatt; im distalen Abschnitte erscheint eine Skulptur, welche in feinen parallelen Längsstreifen auf den Strahlen besteht. Diese Streifen setzen sich ununterbrochen von einem Strahlengliede auf die anstoßenden fort und der Strahl erhält dadurch eine von Thoracopterus Niederristi beträchtlich ab- weichende Oberflächenskulptur. Ein weiterer Unterschied zwischen der Type aus Raibl und Lunz einerseits und jener aus Giffoni anderseits besteht in der be- deutenderen Größe der letzteren. Diese allein kann aber wohl nicht als ausreichendes Merkmal für eine systematische Trennung beider Formen angesehen werden; und wenn wir beachten, daß Skulptur- differenzen wie die beschriebenen auch bei anderen Fischen als individuelle Variationen auftreten, so ist es ganz gut möglich, daß beide Typen identisch sind und Thoracopterus spec. aus Giffoni ein be- sonders großes Individuum des T’horacopterus Niederristi repräsentiert. Da aber ein sicheres Urteil über die Identität der Typen aus den Nordalpen einerseits und Giffoni anderseits noch nicht möglich ist, so mag bis zum einwandfreien Nachweise der Identität die Form von Giffoni als Thoracopterus spec. abgetrennt werden; es kommt dabei noch in Betracht, daß die Fischfauna von Giffoni etwas Jünger ist als die Faunen von Raibl und Lunz und daß deshalb bei der Beurteilung des Restes von Giffoni besondere Vorsicht geboten ist. 3. Gigantopterus Telleri n. g. n. sp. (Taf. I, Fig. 6; Taf. II; Taf. IIT, Fig. 2, Textfigur 6—8.) Type: Im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Geologische Verbreitung: Obere Trias (Reingrabener Schiefer). ?) Herr Prof. Dr. F. Bassani hatte die Liebenswürdigkeit, mir das Original zur Untersuchung zu übersenden, wofür ich ihm auch an dieser Stelle meinen ver- bindlichsten Dank ausspreche. 40 0. Abel. [40] Geographische Verbreitung: Lunz (Niederösterreich). Durch Herrn Josef Haberfelner, Bergverwalter in Lunz, gelangte ein Fischrest in den Besitz der k. k. geologischen Reichs- anstalt, welcher in den schiefrigen, tonigen Lagen des Reingrabener Schiefers im Polzberggraben bei Lunz an der Fundstelle des Ceratodus Sturi Teller entdeckt wurde. Die Hauptplatte ist 13 X 24 cm groß; die Gegenplatte ist nur bruchstückweise vorhanden, und zwar umfaßt das größere Fragment den Kopf und beide Brustflossen, das kleinere den Abdruck des auf der Hauptplatte erhaltenen unteren Caudal- lappens. 1. Erhaltungszustand. Der Fisch liegt auf dem Rücken und ist in stark verwestem Zustande in den Uferschlamm eingebettet worden. Da es nicht wahr- scheinlich ist, daß diese Verwesung in den sich rasch anhäufenden Strandsedimenten vor sich gegangen ist — die übrigen Fischreste desselben Fundortes sind meist sehr gut erhalten — so ist anzu- nehmen, daß der Fisch als Leiche an den Strand getrieben wurde. Vom Schuppenkleide sind nur wenige lose Schuppen erhalten. Die rechte Brustflosse ist zusammengeklappt und am Ende verbogen, die linke weit ausgespannt. Die Schwanzflosse ist nur zum Teil er- halten; die auf der Platte liegende große Partie scheint nur dem unteren Caudallobus zu entsprechen, während der obere Lappen zum Teil verquetscht auf der Platte liegt, zum Teil verloren gegangen ist. Von der rechten Brustflosse sind sieben Basalia und ein Strahl losgerissen und gegen die Mittellinie des Rückens verschoben: die beiden Brustflossen sind nach links verrückt: die Rückenflosse ist zusammengelegt; gegenüber von der Dorsalis sind einige verquetschte Flossenstrahlen zu sehen, welche vielleicht der Analis angehören. Infolge des Mangels der Schuppenbedeckung ist die Wirbelsäule bloßgelegt. Der Kopf ist sehr stark verdrückt und nur das aus dem Zusammenhange gerissene rechtseitige Opereulum im Abdrucke voll- ständig erhalten. 2. Körpergröße. Die Länge des Fischrestes beträgt 176 mm; da aber der Körper etwas gekrümmt ist, so erhalten wir bei genauerem Messen der ein- zelnen Abschnitte eine Gesamtlänge von .185°5 mm, wovon 40 mm auf den Schädel und 56 mm auf den Schwanz entfallen. Der Rumpf ist nur 89:5 mm lang, also kürzer als Kopf und Schwanzflosse zusammen- genommen. Der Schädel erscheint fast ebenso breit als lang, doch spielt die Verdrückung eine große Rolle. Die Brustflosse ist nur wenig kürzer als der Rumpf; ihre Länge beträgt 77-80 mm. 3. Beschuppung. Der Rumpf ist vollständig vom Schuppenkleide entblößt. Es liegt somit die Vermutung nahe, daß dieser Fisch nach Art der Gattung Macrosemius zum Teil oder ganz schuppenlos wie Phanerosteon war. | eure see ee ee En ee ee. des ee ee ee Me ee ke Mu ee ee ee ee ee. ee ee ee ee a ME ee eh a ie u Ka ee: Me a ME Be ee a Bu he a a u Ba a Di] Fig. 6. (4 ] Fossile Flugfische. Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (0. Abel.) us-Telleri Abel. gantopter Gi 41 derösterreich). (Nie Größe, Obere Trias (Reingrabener Schiefer)’ von Lunz ıicher Rekonstruktion in natür] Die Umrisse der Dorsalis, Analis und des oberen Schwanzlappens sind hypothetisch. 49 "0. Abel. [42] Bei genauer Betrachtung kann man jedoch in der Caudalregion mehrere braune, glänzende, rhombische Schuppen erkennen und eine seitwärts vom Körper liegende Schuppe veranlaßt zu der Erwägung, ob das Fehlen der Schuppen nicht eine bloße Folge des Verwesungsprozesses ist. Die Körpergrenzen sind trotz des Fehlens der Schuppen zu verfolgen, weil sich der Körper vom dunkelgrauen Gestein durch schwärzere Farbe abhebt. Bei stärkerer Vergrößerung sieht man, daß diese schwarze Färbung auf ein dünnes schwarzes Häutchen zurückzuführen ist, welches aus runden, sehr kleinen, dicht aneinander- stoßenden Scheibehen besteht. Wir haben in diesem schwarz gefärbten Häutehen offenbar einen Rest der Hautbedeckung zu erblicken. Am Caudalende des Körpers liegen, vom Körper losgelöst, mehrere flache, unregelmäßig viereckige oder dreieckige, aneinanderstoßende Plättehen, welche auf der Innenseite matt und glatt, auf der Außen- seite dagegen glänzend und von hieroglyphenartigen, erhöhten Streifen und Punkten bedeckt sind. (Taf. III, Fig. 2.) — Die Größe dieser ein- zelner Plättchen ist außerordentlich verschieden. Gigantopterus Telleri Abel. Obere Trias von Lunz. Eine der vorletzten Schuppenreihen ; links in der auf der Gesteinsplatte sichtbaren Lagerung, rechts rekonstruiert. — Vgl]. Taf. II und III, Fig. 2. Zweimal vergrößert. Die Skizze Fig. 7 veranschaulicht die relative Größe und Form besser als eine ausführliche Beschreibung; sehr bezeichnend ist es, dab jede der beiden unter einem stumpfen Winkel zusammenstoßenden Plättchenreihen mit einem sehr kleinen, stumpf zulaufenden dreieckigen Plättchen endigt, und auffallend ist ferner die keilartig eingeschobene kleine dreieckige Platte (Fig. 7), Die unregelmäßige Form dieser Plättchen lies mich anfänglich im Zweifel, ob dieselben als Schuppen zu deuten seien, worauf namentlich die skulpturierte glänzende Oberfläche hinwies; bei sorg- fältiger Untersuchung der Caudalregion von Thoracopterus Niederristi (Original des Pterygopterus apus Kner) zeigte sich jedoch, daß die letzten Schuppengürtel vor der Schwanzflosse aus sehr unregelmäßigen Schuppen bestehen, welche in der Ventral- und der Dorsallinie mit Je einer dreieckigen Schuppe abschließen und auch in der Oberflächen- skulptur mit den Plättchenreihen bei Gigantopterus Telleri eine sehr sroße Ähnlichkeit zeigen. Die Lage der Plättchenreihen bei Gigantop- terus spricht dafür, daß diese Deutung richtig ist und wir müssen daher [43] Fossile Flugfische. 43 die besprochenen Plättchen als einen der letzten Schuppengürtel der linken Körperhälfte ansehen (Fig. 7). & Da keine Spur von Schienen erhalten geblieben ist, welche doch infolge ihrer Größe und Stärke eher erhalten geblieben wären als die kleineren Schuppen der Caudalregion, so ist es wahrscheinlich, daß Gigantopterus Telleri sein Schuppenkleid bis auf wenige Reste in der Caudalregion reduziert hatte. Beispiele nackter Ganoiden sind bekannt (Phanerosteon mirabile Traquair); ich wage aber vorläufig nicht zu entscheiden, ob das Fehlen der Beschuppung bei Gigantopterus auf eine weitgehende Reduktion oder auf vorgeschrittene Verwesung vor der Einbettung in das Gestein zurückzuführen ist. Merkwürdig wäre es allerdings, wenn bei der relativ guten Erhaltung der Pectoralen die Schuppen der Rumpfregion spurlos verschwunden sein sollten, wenn solche vorhanden waren. 4, Flossen. a) Pectoralis. Auf der Hauptplatte sind infolge der Rückenlage des Fisches die Brustflossen von der Innenseite sichtbar. Die linke ist unvollständig erhalten und ruht in weit ausgespannter Lage auf dem Gesteine; die rechte ist in ihrer ganzen Länge erhalten, aber dicht zusammenge- faltet ; ihre Länge beträgt (nach den Krümmungen gemessen) 77—80 mn. Die Brustflossen haben dieselbe relative Länge wie bei T’hora- copterus; sie sind ungefähr ebenso lang als der Rumpf (vom Clavicular- rande bis zum Anfange der Caudalis gerechnet). Sie sind jedoch entsprechend der bedeutenderen Größe von Gigantopterus viel kräftiger gebaut. Auch im feineren Baue stimmt die Brustflosse von Gigantopterus Telleri mit jener des Thoracopterus Niederristi überein. Eine Ver- schiedenheit besteht nur im Baue des hinteren sensenförmigen Neben- segels. Während sich dieses bei Thoracopterus Niederristi aus Plättchen zusammensetzt, die im proximalen Abschnitte des Segels rund sind und allmählich gegen die distale Spitze des Segels in ovale und schließlich in langgestreckte Plättchen übergehen, vollzieht sich dieser Übergang bei Gigantopterus Telleri schon viel höher oben, so dab die unteren zwei Drittel des Segels aus langgestreckten Plättchen ' bestehen, die sich perlschnurartig aneinanderreihen. Auch scheint die Zahl dieser Plättchen bei Gigantopterus viel größer zu sein als bei Thoracopterus. Man sieht bei Gigantopterus noch deutlicher als bei Thoracopterus, daß diese Plättchen nichts anderes sind als eigentümlich modifizierte und einer bestimmten Lebensweise angepaßte Flossen- strahlen. Auf eine Besprechung der Details des Flossenbaues einzugehen, ist wohl nicht nötig, da die Flosse vollkommen mit jener des T'hora- copterus Niederristi übereinstimmt, abgesehen von der größeren Länge der hinteren Strahlen und der dadurch bedingten bedeutenderen Breite. Wichtiger ist jedoch das bei Thoracopterus nicht beobachtete Vor- handensein der Basalia der rechtseitigen Brustflosse. Bei T’hora- copterus sind ohne Zweifel solche Basalia gleichfalls vorhanden und 6* 44 0. Abel. [44] nur der Erhaltungszustand der vorliegenden Exemplare verhindert die Feststellung dieser Tatsache. Bei Gigantopterus Telleri liegt am Ende des ersten Drittels der Rumpfregion ein einzelner großer, ungegliederter Flossenstrahl. Der- selbe artikuliert mit einem Basalknochen von 3 mm Länge und 0-5 mm Durchmesser. Dieser ist seitlich zusammengedrückt, so daß er einen flachovalen Querschnitt besitzt. Hinter diesem Basalknochen folgen noch sechs weitere; der längste unter ihnen ist der vierte der ganzen Reihe, und zwar beträgt seine Länge 5 mm, während seine Breite gleichfalls 0°5 mm beträgt. Die letzten drei nehmen rasch an Länge ab, der letzte, siebente, ist nur 2'2 mm lang. Ihre Form ist unregelmäßig: sie sind am distalen Ende verstärkt, am proximalen jedoch stark verjüngt. Diese sieben Basalia entsprechen offenbar den letzten sieben Pectoralstrahlen; der noch mit dem vordersten Basale artikulierende Pectoralstrahl wäre somit der fünfte von den elf Strahlen der Brustflosse. Diese Verschiebung des fünften Flossenstrahles samt dem Basale und den folgenden sechs Basalien nach hinten hängt offenbar mit der Losreißung der vier ersten Pectoralstrahlen von der zusammengefalteten Flosse gegen vorn zusammen. Es beweist diese Zerreißung der Brust- flosse eine sehr vorgeschrittene Verwesung der Fischleiche vor ihrer Umhüllung durch den feingeschichteten tonigen Schlamm. Die Artikulation des vordersten der sichtbaren sieben Basalia mit dem fünften Flossenstrahle läßt den Schluß zu, daß auch die vorderen vier Brustflossenstrahlen an je einem Basale einlenkten, so daß die Gesamtzahl derselben elf betragen hätte. Nun gibt aber A. Smith-Woodward (Catalogue of Fossil Fishes, II, pag. 446) als Charakter der Unterordnung /sospondyli, wozu auch die Familie der Pholidophoriden gehört, an, daß nicht mehr als 4—5 Basalia entwickelt sind. Die nahezu vollständige Übereinstimmung der Pectoralen bei Gigantopterus und Thoracopterus, die Beschaffenheit der Schädel- knochen usw. legt den Schluß nahe, daß Thoracopterus und Gigant- opterus miteinander eng verwandt sind. Es müßte aber in diesem Falle die Angabe berichtigt werden, daß bei den Isospondyli nur vier oder fünf Basalia auftreten. Eine Erklärung für die größere Zahl der Basalia bei Gigantopterus, welche mit der Zahl der Strahlen über- einstimmt, ist nicht schwer zu finden. Die Umwandlung der ursprünglich als Ruderorgane funktionieren- den Flossen zu Fallschirmen, wie sie die Brustflossen der Flugfische darstellen, mußte nicht nur eine besondere Verstärkung der Strahlen, eine geänderte Befestigungsart der Strahlen untereinander und eine kräftigere Entwicklung der Brustflossenmuskeln zur Folge haben, son- dern es mußte auch die Gelenkverbindung zwischen den Basalia und den Strahlen verstärkt werden. Infolgedessen entwickelten sich statt der breiten und wenigen Basalia zahlreichere schlanke Basalknochen, deren Zahl mit jener der Brustflossenstrahlen übereinstimmt. Es war auf diese Weise dem Tiere leicht möglich, der Fallschirmflosse während des Schwebens durch die Luft eine Wölbung zu verleihen, wie sie bei Kxocoetus zu beobachten ist. [45] Fossile Flugfische. 4 Sr b) Ventralis. Beide Ventralen sind samt ihren Trägern erhalten, sind aber stark zusammengedrückt und gegen die -linke Körperseite hin ver- schoben. Einige Strahlen der Ventralis liegen lose in einiger Ent- fernung vom Körper auf der rechten Körperseite in der Nähe des von der rechten Pectoralis losgerissenen und nach hinten verschobenen Pectoralstrahles. Daß diese Strahlen nicht zur Pectoralis gehören, be- weist ihre plumpere Form, die von den Strahlen der Pectoralis ver- schiedene Gabelung und Gliederung sowie die pinselartige Zerfaserung der Strahlenenden. Die Träger der Ventralis sind flach, oberhalb des Flossen- gelenkes etwas eingeschnürt und im proximalen Abschnitte doppelt so breit als an der schmalsten Stelle über dem Gelenke. Ihre Länge beträgt ungefähr 7 mm, ihre Breite an der schmalsten Stelle 1 mm, an der breitesten 2 mm. Die genaue Zahl der Ventralstrahlen kann nicht festgestellt werden, da beide Ventralen übereinanderliegen und die Strahlen aus ihrem Zusammenhange gerissen sind. Ein Strahl mißt 27 mm Länge und diese Zahl dürfte der Gesamtlänge der Ventralis entsprechen. Die Gliederung der Strahlen ist schon in ihrem oberen breiten Abschnitte sehr deutlich zu beobachten, wo die Strahlenbreite ungefähr 1:5 mm beträgt; am distalen Ende läuft jeder Strahl infolge wieder- holter Gabelung in eine größere Anzahl feiner Spitzen aus. Die Form der Ventralis dürfte, nach den erhaltenen Resten zu schließen, jener des Thoracopterus Niederristi sehr ähnlich gewesen sein. c) Dorsalis. Von der Rückenflosse läßt sich infolge ihrer sehr mangelhaften Erhaltung wenig sagen. Die Träger und Strahlen liegen wirr durch- einander. Die Dorsalis war jedenfalls klein; über ihre Form läßt sich kein Urteil fällen. d) Analis. Von der Analis liegen keine sicher deutbaren Spuren vor. e) Caudalis. Der erhaltene Rest der Schwanzflosse gehört neben den Brust- flossen zu den bezeichnendsten Merkmalen des Gigantopterus Telleri. Der ausgebreitete, wohlerhaltene Rest, welcher auch im Gegendrucke vorliegt (Taf. III, Fig. 2), repräsentiert jedoch nur einen Caudallobus, und zwar, wie aus der enormen Entwicklung der Strahlen geschlossen werden kann, den unteren größeren Lappen. Auf der Hauptplatte sieht man deutlich die Gabelung der Caudalis in einen oberen und unteren Lappen, jedoch nur im Basal- abschnitte der Strahlen. Verfolgt man die eine Gruppe der unter spitzem Winkel zusammenstoßenden Strahlenbasen, so sieht man, daß sich dieselben bald zu einem wirren Knäuel verdichten. Kein einziger Strahl dieses Strahlenknäuels erreicht die Stärke eines der Haupt- strahlen des ausgespannten Abschnittes der Caudalis. Man wird somit 46 0. Abel. [46] zu der Aufassung gedrängt, daß die Caudalis von @igantopterus einen höheren Spezialisationsgrad der bereits hypobatischen Caudalis von Thoracopterus darstellt und daß der zusammengedrückte Teil der Flosse dem weicheren, kleineren oberen Caudallappen, der wohl- erhaltene dagegen dem weit kräftigeren unteren Lappen der Schwanz- tlosse entspricht. Der untere Caudallappen besteht aus etwa elf Hauptstrahlen, die sich bereits in kurzer Entfernung von ihrer Basis gliedern und wiederholt gabeln. Die untersten Strahlen bleiben bis an ihr Ende kräftig und endigen, ohne sich zu zerfasern, in einer ziemlich stumpfen Spitze; die weiteren Strahlen gabeln sich reicher, werden länger, aber schwächer und lösen sich in ihrem distalen Abschnitte — meist der hinteren Hälfte der Strahlenlänge entsprechend — in zahlreiche feine Fasern auf, ganz ebenso, wie wir dies an der Caudalis von Thoracopterus Niederristi beobachten können. Die Strahlen sind sämtlich reich gegliedert. Die Grenze zwischen je zwei Strahlengliedern verläuft jedoch nicht senkrecht zur Strahlen- achse, sondern schräg zu derselben und steht ungefähr senkrecht zur Körperachse, wenn der untere Caudallobus in normaler Lage gedacht ist. Sie schneiden also die Strahlenachse schräg von vorn oben nach hinten unten. Die Länge jedes Gliedes verhält sich zu seiner Breite im Durchschnitte wie 3:2 (1°5:1°0 mm bei den Gliedern der größeren Strahlen), doch verschiebt sich dieses Verhältnis im distalen Strahlen- abschnitte zugunsten der Länge der Glieder, mit anderen Worten, die einzelnen Glieder werden gegen das Strahlenende schmäler, bleiben aber ziemlich gleich lang wie im proximalen Abschnitte. Nur die untersten, kräftigen, ungegabelten Caudalstrahlen sind skulpturiert, und zwar besteht die Oberflächenzeichnung aus perlschnur- artig dicht aneinandergereihten, zur Strahlenachse parallelen, stark glänzenden Höckern von Ganoin. Die höheren Strahlen des unteren Caudallappens besitzen keine Oberflächenskulptur. Die relativ enorme Größe und Stärke der Caudalis, namentlich des unteren Lappens, beweist, daß Gigantopterus Telleri seinen Schwanz als höchst wirksamen Propeller benutzte. Da gerade die Schwanzflosse das Hauptorgan für den „Flug“ der Fische darstellt, so dürfen wir wohl aus der Entwicklung dieser Flosse bei dem Lunzer Fische auf eine hohe Eignung zu jener Lebensweise schließen, welche die Exocoeten der Gegenwart führen. 5. Wirbelsäule. Infolge des Fehlens der Schuppen ist die Wirbelsäule in ihrer ganzen Ausdehnung entblößt. Die Einbettung des Skeletts in einen schieferigen Ton in Verbindung mit der außerordentlichen Brüchig- keit der Knochen verhinderte eine Präparation, wie sie sich bei den Raibler Fischen leicht durchführen ließ. Infolgedessen können wir uns leider über den Bau der Wirbel- säule von Gigantopterus nicht eingehender unterrichten. Man kann nur feststellen, daß die Wirbelzentren nicht verknöchert sind und daß dies dagegen bei den oberen und unteren Bögen der Fall ist. [47) Fossile Flugfische. 47 6. Kopfskelett. Wie bei T’horacopterus Niederristi verhindert auch bei dem vor- liegenden Fischreste die weitgehende Verdrückung und Zertrümme- rung der Schädelknochen, ein genaueres Bild über die Morphologie des Schädelskeletts zu gewinnen. Das rechte Operculum ist auf der Haupt- und Gegenplatte als Abdruck erhalten; der Knochen selbst sing bei der Spaltung der Gesteinsplatte verloren. Das Operculum (Fig. 8) ist 17 mm lang und 11 mm breit, besitzt also eine wesentlich breitere Form als bei Thoracopterus. Der Ober- und Hinterrand bildet einen gleichmäßig geschwungenen Bogen, der Unterrand ist schwach ausgebuchtet und vorn in eine stumpfe Spitze ausgezogen. In den Hauptumrissen ist also das Opereulum bei Gigantopterus ebenso gebaut wie bei T’horacopterus. Auf der Außen- seite war das Operculum an seinem Vorderrande und in der oberen Hälfte mit zahlreichen dichtstehenden Höckern verziert; außerdem verliefen auf seiner feingrubigen Oberfläche zahlreiche feine, zu den Fig. 8. Gigantopterus Telleri Abel. Linkes Opereulum von der Außenseite, Rekonstruiert nach dem Abdrucke des rechten Operculums auf der Hauptplatte (Taf. IJ). Natürliche Größe. Rändern parallele Streifen konzentrisch um das in der oberen Hälfte des Knochens an seinem Vorderrande liegende Gelenk. Die übrigen Knochen des Öpercularapperats liegen stark ver- drückt übereinander und ihre Grenzen können nicht genau festge- stellt werden. Die Schnauze läuft spitz zu, wodurch sich Gigantopterus wesent- lich von dem stumpfschnauzigen T’horacopterus unterscheidet. Alle Knochen der vorderen Schädelpartie sind mit glänzenden Ganoin- knöpfchen bedeckt. Der Unterkiefer enthält diehtstehende, stumpfkegelförmige, kleine Zähne, von welchen jedoch nur ungefähr zehn in der Mitte des Den- tale zu beobachten sind. Auch der Unterkiefer ist auf der Außen- seite mit glänzenden Ganoinkörnern besetzt. 7. Phylogenetische Stellung von Gigantopterus. Von Thoracopterus unterscheidet sich @igantopterus: l. Durch längeren Schädel; 2. durch spitzere Schnauze; 48 0. Abel. [48] 3. durch stärkere Caudalis; 4. durch verschiedene Körperproportionen. Mit Thoracopterus hat Gigantopterus folgende Merkmale ge- meinsam: 1. Den Bau und die Größe der Pectoralis; 2. den Bau der Ventralstrahlen; 3. den Bau der Caudalstrahlen ; 4. die hypobatische COaudalis; 5. die Form und Skulptur der Schuppen in der Caudalregion ; 6. die Oberflächenbeschaffenheit der Schädelknochen, allgemeine Form des Operculums (bei Gigantopterus etwas breiter), die Bezahnung. Die übrigen Charaktere wie die Zahl und Form der Pectoral- basalia, der Stützknochen der Bauchflosse ete. können bei einem Ver- gleiche mit T’horacopterus nicht in Betracht kommen. Andere Merk- male, wie die Beschaffenheit des sensenförmigen Nebensegels der Brustflosse, sind keine wesentlichen Unterschiede und reichen vielleicht hin, um Formen eines engbegrenzten Formenkreises zu unterscheiden. Aller Wahrscheinlichkeit nach ist Gigantopterus Telleri, da diese Form in jeder Richtung höher spezialisiert ist als Thoracopterus, aus dieser Type hervorgegangen. Gigantopterus Telleri aus Lunz ist bisher der einzige Rest, welcher uns von höher spezialisierten Flugtypen aus der Trias überliefert worden ist, während von der Gattung T’hora- copterus aus Raibl, Lunz und Giffoni bereits neun Individuen bekannt sind. Es kann dieses Verhältnis nicht auffallen, wenn wir uns die Lückenhaftigkeit der paläontologischen Überlieferung vor Augen halten; Gigantopterus Telleri hat sogar vielleicht zu den häufigeren Fischtypen im Lunzer Meere gehört. Indessen mag darauf hingewiesen werden, daß die großen, hochspezialisierten Flugfische der heutigen Meere vereinzelt aufzutreten pflegen, während die kleineren Kxocoetus- Arten stets in großen Schwärmen erscheinen. Ein Schluß auf die ver- einzelte Lebensweise von Gigantopterus Telleri darf allerdings aus dieser Tatsache noch nicht gezogen werden. Il. Ein Flugfisch aus der deutschen Trias. Dollopterus volitans Compter. Dollopterus n. g. für Dolichopterus Compter nom. praeoce. (Dolichopterus Hall 1859, Crustacee; Dolichopterus Edwards 1863, Vogel; Dolichopterus Aymard 1856, Vogel; Dolichopterus M urray, Coleoptere). (6. Compter: Ein Beitrag zur Paläontologie des oberen Muschelkalkes. Zeit- schrift für Naturwissenschaften, 64. Bd. (5. Folge 2. Bd.), Leipzig 1891, pag. 41—61, Taf. 1/I.) I]. Morphologie von Dollopterus volitans Cptr. Das einzige Exemplar ist nur fragmentarisch erhalten; der größte Teil des Kopfes und der Schwanzflosse fehlt. Der Rest erreicht eine Länge von 14 cm; da wir für den fehlenden Absehnitt des Kopfes m: > uns; MEER On ein u =- 070 ab m 3.3 a nn rn ben audi Li nn ai DU nal una Daun ul 1. udn Di fe Zn a ll ER > - __ ET... u ee 5 WU [49] Fossile Flugfische. 49 etwa 2 cm Länge annehmen dürfen, würde die Körperlänge (die Caudalis nicht eingerechnet) 16 cm betragen haben. Der Fisch zeigt in den Umrissen des Körpers, der Art der Beschuppung, der Beschaffenheit des Fulerenbesatzes und der Lage der Flossen unverkennbare Semionotidencharaktere. Von allen Gattungen dieser Familie weicht jedoch Dollopterus volitans durch die enorme Entwicklung der Pectoralen ab und läßt sich in dieser Hinsicht nur mit den lebenden Exocoeten und den fliegenden Pholidophoriden der alpinen Trias in näheren Vergleich ziehen. Der erste Strahl der Brustflosse besitzt nach Compter fast 10 em Länge und ist am Vorderrande mit kräftigen Fuleren besetzt. Die folgenden Strahlen — im ganzen 16 bis 18 — nehmen rasch an Länge ab, so daß die letzten nur noch eine Länge von 2 cm erreichen. Compter sagt, daß die Spitze der zurückgeschlagenen Brustflosse bis zum Beginn der Analis reicht (l. e. pag. 43), aber wenn die Längenangabe der Flosse mit 10 cm richtig ist, so muß sie viel weiter nach hinten gereicht haben, da ja der ganze Körper nur 14 cm lang ist (ohne Kopf- und Schwanzflosse); die Spitze der Brustflosse mußte sich noch bis zum hinteren Drittel der Afteiflosse erstrecken. Die Brustflossenstrahlen sind (l. e. Taf. I/II, Fig. 2 c) dichotom gegabelt und quergeteilt; Gabelung und Gliederung beginnt nach Compter etwa in der Mitte der Strahlen. Vor dem fulerenbesetzten ersten Hauptstrahle beobachtete Compter noch einen freien Strahl von halber Länge des Hauptstrahles; er ist von Compter Taf. I/II, Fig. 2c zur Darstellung gebracht. Die Basalstücke der Brustflosse sind stark entwickelt. Nach der Abbildung Compters (Fig. 2ec) ist der Vorderrand der Pectoralis stark sichelförmig gekrümmt und der Hinterrand in den zwei unteren Dritteilen konkav ausgeschnitten ; im oberen Drittel ist die Flosse schlecht erhalten und Compter läßt sie mit dem letzten Flossenstrahle endigen. Betrachten wir jedoch die Abbildung 24 bei Compter, so sehen wir, daß am Hinterrande der linken Brustflosse mehrere kleine verstreute Schuppen auftreten (Stelle / der Figur). Die Kleinheit der Schuppen und ihre Lage am Hinterrande der Flosse stimmt so auf- fallend mit dem Schuppensegel am Hinterrande der Peetoralis von Thoracopterus überein, daß kaum ein Zweifel daran bestehen kann, in welcher Weise der Hinterrand der Brustflosse von Dollopterus ge- baut war; auch bei dieser Type schloß sich aller Wahrscheinlichkeit nach an die letzten kurzen Brustflossenstrahlen ein dreieckiges, schmales Segel an, das aus zahlreichen kleinen schuppenartigen Strahlengliedern bestand. Welche Funktion dieses Schuppensegel be- saß, wird später erörtert werden. Die Gesamtform der Brustflossen von Dollopterus stimmt mit jener von Thoracopterus ziemlich überein. Ob die stärkere Krümmung des Vorderrandes bei Dollopterus auf eine Verquetschung der Flosse zurückzuführen ist oder ob sie der tatsächlichen Form entspricht, wage ich nicht zu entscheiden, möchte aber die erste Möglichkeit für wahrscheinlicher halten. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (0. Abel.) -] 50 0. Abel. [50] Die Gestalt der kräftigen Bauchflossen ist dreieckig; sie sind an jener Stelle des Körpers eingelenkt, an welcher er den größten Durchmesser erreicht. Compter zählt 10 Strahlen; der erste ist mit kräftigen Fuleren besetzt und ist fast 3 cm lang, während die letzten Strahlen nur mehr 14 cm messen. Die Bauchflossenstrahlen sind mehrfach geteilt und gegliedert. Die Rückenflosse ist dreieckig, die Spitze abgerundet; die gegen- ständige Afterflosse ist bedeutend länger. Die Höhe beider Flossen dürfte nach der Beschreibung Compters (l. ce. pag. 42) nahezu gleich gewesen sein, so daß die rekonstruierte Figur 2c der Compter schen Tafel kein richtiges Bild darbietet, zum mindesten mit seiner Be- schreibung nicht übereinstimmt. Der erste Strahl der Dorsalis ist mit kräftigen Fuleren besetzt (l. e. Fig. 1). Leider ist die Caudalis bis auf ein ganz unbedeutendes Fragment des unteren Lappens verloren gegangen. Der Fulcrenbesatz vor dem oberen Lappen ist auf der Abbildung Compters (l. e. Fig. 1) er- sichtlich. Ich erlaube mir, für diesen merkwürdigen Semionotiden zu Ehren Prof. L. Dollos den Namen Dollopterus vorzuschlagen. II. Systematische Stellung von Dollopterus volitans Cptr. Dollopterus wird von Compter (l. e. pag. 47) mit Rücksicht auf seine Körperform, Fulcerenbesatz, Form der Schuppen und Flossen- stellung in die Nähe von Semionotus und Lepidotus gestellt, ist also in die Familie der Semionotidae einzureihen. Compter nannte zwar die Art volitans und wollte damit offen- bar die Lebensweise dieses Fisches andeuten; er vermeidet jedoch nähere Auseinandersetzungen über diesen Punkt. Ohne Zweifel hat Compteran die lebenden Flugfische gedacht, hat aber keine weiteren Vergleiche mit Exocoetus durchgeführt. III. Geologische und geographische Verbreitung von Dollopterus volitans Cptr. Bisher nur ein Exemplar aus dem oberen Muschelkalke (entweder aus dem Trochitenkalke oder den Nodosus-Schichten) von Isserstedt bei Jena bekannt. Ill. Grossflossige Fische aus der oberen Kreide. Im Jahre 1866 beschrieben Pietet und Humbert!) einen eigentümlich gebauten großflossigen Fisch aus dem Oberturon von Sahel Alma im Libanon unter dem Namen Cheirothrix libanicus, hielten aber die enorm entwickelte Ventralis für die Brustflosse. ©.Schlüter?) 1) F. J. Pictet et A. Humbert. Nourvelles Recherches sur les Poissons fossiles du Mont Liban. Geneve 1866, pag. 52, pl. V, fig. la—1b. ®2) GC. Schlüter in W. von der Marck und C. Schlüter. Neue Fische und Krebse aus der Kreide von Westphalen. Palaeontographica, XV, 1868, pag. 274, Taf. XLIII, Fig. 5. [51] Fossile Flugfische. 51 nannte eine sehr ähnliche Form aus der oberen Kreide Westfalens Megapus guestfalicus, indem er zwar die Identität der Gattung beider Typen annahm, aber den Namen Chirothrix für eine unrichtige Namen- bildung erklärte, weil nicht die Brustflosse, sondern die Bauchflosse vergrößert sei. Da diese Abänderung gegen die Prioritäsregeln verstößt, muß der von Pietet und Humbert gewählte Gattungsname auch für die westfälische Type beibehalten werden. Neben Chirothrix libanieus treten jedoch in der oberen Kreide des Libanons noch andere großflossige Typen auf, welche zum Teil schon von Pietet beschrieben wurden, wie Petaloptery& syriacus Piet.}), zum Teil in der großen Monographie der Libanonfische von J. W.Davis 2) eine eingehende Darstellung fanden. Zu den letzteren gehört Chirothrix Lewisii Dav., Exocoetoides minor Dav. und Engraulis tenwis Dav. Während Davis sich jeder Vermutung über die Lebensweise dieser großflossigen Fische enthielt, trat H. Lan dois®) gelegentlich der Besprechung eines neuen Exemplars von Chirothrix questfalicus Schlüt. dieser Frage näher und meinte, daß man bei diesen Megisto- poden oder „Riesenbauchflossern“ an eine Flugbewegnng nach Art der fiegenden Fische denken könnte, obwohl die Flossen von Chirothrix guestfalicus — nach Landois eine neue Gattung Megistopus repräsen- tierend — relativ kürzer seien als bei lebenden Flugfischen. Nur bei Chirothrix libanieus erreicht die Ventralis Körperlänge. Landois sagt aber am Schlusse seiner Mitteilung): „Vielleicht zogen aber auch diese verhältnismäßig kleinen Fische -- an Größe und Gewicht einer Kieler Sprotte gleich — einen Vorteil aus ihren Riesenflossen dadurch, daß sie beim Ausspannen derselben im Wasser, um mit Darwin zu reden, sich ein schreckhaftes Ansehen gaben, das sie gegen den Angriff ihrer Feinde schützte.* Ohne Zweifel ist unter allen großflossigen Kreidefischen Chiro- thrix libanicus Pict. et Humb. die auffallendste und am vollständigsten bekannte Form. Wir wollen uns also in erster Linie mit dieser Type näher beschäftigen. A. Smith-Woodward>) gibt in seinem Katalog der Fische des Britischen Museums eine rekonstruierte Abbildung dieser Art (Fig. 9). Nach dieser Zeichnung erscheint die Ventralis von ähnlicher Form wie bei Dactylopterus; sie besteht aus 17 reich gegliederten Strahlen. Die beiden vordersten Strahlen sind ungegabelt, der dritte zweimal gegabelt, endigt also mit vier Spitzen; der vierte endet mit fünf Spitzen, jeder folgende, dreimal gegabelte, läuft dagegen in acht Enden aus. Die Flosse ist sehr breit und besitzt ein abgerundetes Ende. ') F, J. Pictet. Description de quelques Poissons fossiles du Mont Liban. Geneve 1850, pag. 22, pl. II, fig. 1. °) J. W. Davis. The Fossil Fishes of the Chalk of Mount Lebanon, in Syria. Transact. R. Dublin Soc., Vol. III, Ser. II, Dublin 1887. °) H. Landois. Die Familie Megistopodes, Riesenbauchflosser. Neues Jahrb. f. Mineralogie etc. 1894, II. Bd., pag. 228—235, Taf. V. *) H. Landois, ]. c. pag. 285. °) A. Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum, Part. IV, London 1901, pag. 281, fig. 10. Dre 59 0. Abel. [52] Die Brustflosse von Chirothrix libanieus ist bedeutend kleiner als die Ventralis und dadurch ausgezeichnet, daß der fünfte Strahl fadenförmig verlängert ist. Die Dorsalis ist sehr hoch, und zwar verhält sich ihre Höhe zur Basis wie 3:2. Die vier vorderen Dorsalstrahlen sind ungeteilt, nehmen nach hinten an Länge zu und der fünfte, bereits dichotom gespaltene Strahl erreicht die größte Höhe. Die folgenden, rasch an Höhe abnehmenden Strahlen sind sämtlich an ihren Enden gegabelt. Fig. 9. Chirothrix libanieus Piet. et Hump. Obere Kreide. Sahel Alma, Libanon. (Rekonstruktion von A. S. Woodward: Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum. Vol. IV. 1901, pag. 281, Fig. 10). (Etwas verkleinert.) Einen ähnlichen Bau wie die Dorsalis zeigt die niedere und kleinere Analis. Ihre Höhe verhält sich zur Höhe der Dorsalis wie 3:5. Die Caudalis ist tief gelappt und der untere Lappen ein wenig größer als der obere. Dieser Fisch stellt einen Typus dar, der unter den lebenden und fossilen Fischen nur bei der Scombridengattung !) Gastrochisma ein 1) Die früher zu den Nomeiden gestellte Gattung wird von Boulengier in die Familie der Scombridae eingereiht. (The Cambridge Natural History, Vol. VII, London 1904, pag. 678.) [53] Fossile Flugfische. 53 Gegenstück findet. Auch bei dieser Form ist die Ventralis vorgrößert, ‚von ähnlicher Gestalt wie bei Chirothrix, die Rückenflosse stark ent- wickelt und die Caudalis tief gelappt. Gastrochisma ist kein Flugfisch: er lebt pelagisch und ist durch die Eigentümlichkeit ausgezeichnet, seine großen Flossen in einer medianen Bauchfalte verbergen zu können. Ein Merkmal, das bei Chirothrie vorhanden ist, aber allen lebenden Flugfischen und auch den Flugfischtypen der Trias fehlt, ist die fadenförmige Verlängerung des fünften Brustflossenstrahles. Diese Strahlenverlängerung in der Weise, wie wir sie bei Chirothrix an- treffen, findet sich nur bei pelagoabyssischen Typen oder Formen, welche ein ruhiges, stilles Wasser bewohnen !), und diese Strahlen dienen entweder als Tastorgane oder Ruderorgane; vielleicht sind sie in einigen Fällen von sexueller Bedeutung (Uryodraco ? Bathyp- terois ?) ?). Diese Charaktere von COhirothrix libanicus sind wohl für die Beurteilung der Lebensweise dieses Kreidefisches entscheidend. Für einen Flugfisch können wir ihn nicht halten, da die Form der Pectoralis mit ihrem fadenförmig verlängerten fünften Strahl beim Fluge ein sehr wesentliches Hindernis bilden würde. Mit dem vom Brustflossenfallschirm losgelösten vorderen Strahlen- bündel bei Dactylopterus kann die Pectoralis von Cheirothrix nicht wohl verglichen werden, da dieses Strablenbündel keine abnorm ver- längerten Einzelstrahlen enthält, sondern eher an Erscheinungen an den Flossen der Cottiden etc. erinnert. Wir müssen vielmehr annehmen, daß Chirothrix eine Lebensweise wie die lebenden Gattungen Gastro- chisma und Nomeus führte. Ob bei diesen Formen die Ventralen als Schreckapparate ausgespannt werden, wie dies Landois für Chirothrixz vermutete, ist bisher noch nicht festgestellt). Jedenfalls dienen die Ventralen von Gastrochisma nicht als Lokomotions- oder Steuerapparate, da sonst die ventrale Hautfalte unerklärlich bliebe; dieselbe hat offenbar den Zweck, bei rascherem Schwimmen die Ven- tralen möglichst dicht an den Körper anschmiegen zu können, denn sehr große Flossen wie die von Gastrochisma sind der raschen Fort- bewegung hinderlich. Darum legen auch die Exocoeten beim Schwimmen ihre großen Brustflossen dicht an den Körper. ') A. Günther. An Introduction to the Study of Fishes. Edinburgh 1880, pag. 303. ?) L. Dollo. Poissons. Expedition antarctique Belge. Anvers 1904, pag. 228. ®) „Die Fische aus der Verwandtschaft der Makrelen haben besondere futteral- artige Vertiefungen zur Aufnahme der paarigen und der Rückenflossen; bei ihnen scheinen diese Nebenorgane der Ortsbewegung nur noch ausnahmsweise zur Auf- rechterhaltung des Gleichgewichtes während der Ruhe an einem Orte ver- wendet zu werden. Ich habe im Aquarium des zoologischen Gartens zu Hamburg ein solches Tier lange Zeit beobachtet, ohne auch nur eineinzigesmal zu sehen, daß es seine Flossen entfaltet hätte. Die Schwanzflosse allein leistete die ganze lokomotorische Arbeit des Antriebes und der Steuerung auch bei Jangsamem Gange der Bewegung.“ (F. Ahlborn. Über die Bedentung der Heterocerkie und ähnlicher unsymmetrischer Schwanzformen schwimmender Wirbel- tiere für die Ortsbewegung. Zeitschr, f. wiss. Zool., LXI, Leipzig 1895, pag. 7.) 54 OÖ. Abel. [54] Diese Gründe gegen die Flugfischnatur ‚von Chirothrix libanieus gelten ganz ebenso für Ohirothrie Lewisii und Chirothrix questfalicus. Bei der letzten Art erreicht die Rückenflosse nahezu die Länge der Ventralis und der ganze Bau des Fisches weicht vom Typus eines Flugfisches beträchtlich ab. Zu den Chirothrieidae stellt A. Smith-Woodward!) auch den kleinen Exocoetoides minor Davis, welchen Davis?) für einen Scombresoeiden hielt. Dieser kleine Fisch besitzt Pectoralen, welche die Ventralen an Länge bedeutend übertreffen; es sind jedoch außer der Größe der paarigen Flossen keine Merkmale vorhanden, welche mit Entschiedenheit auf die Flugfischnatur dieser Typen weisen würden. Es gibt unter. benthonisch lebenden Fischen der heutigen Meere zahlreiche Formen, so zum Beispiel unter den Seorpaeniden, welche ähnlich geformte und vergrößerte Flossen besitzen, ohne sich jemals nach Art der Fallschirmfische über die Meeresoberfläche zu erheben. Ich möchte daherauch Exocoetoides nient alsFlugfisch, sondern eherals eine nach Art der Scorpaeniden, Pega- siden, Cottiden etc. lebende benthonische Type be- trachten, um so mehr, als eine große Anzahl typisch benthonischer Formen in den Kreidebildungen von Hakel und Sahel Alma im Libanon nachgewiesen worden ist. Der Exocoetoides-Typus findet sich bei der von Davis?) als Engraulis (?) tenuis beschriebenen Form wieder, welche A. Smith- Woodward®) zur Gattung Telepholis stellt und gleichfalls in die Familie der Chirothrieiden einreiht. Auch diese Form dürfte aller Wahrscheinlichkeit nach benthonisch gelebt haben, aber kein Flugfisch gewesen sein, und das gleiche gilt für den kleinen Engraulis evolans)) aus dem Eocän des Monte Bolca ') A. Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes in the British Museum. Part. IV, 1901, pag. 286. 2) J.W.Davis. The Fossil Fishes of the Chalk of Mount Lebanon, in Syria, l. c. pag 551, pl. XXVI, Fig. 1 und 5. s) J. W. Davis. Ibidem, pag. 583, pl. XXX, Fig. 4, 5 4) A. Smith-Woodward, l.c. Part. IV, 1901, pag. 285. 5) S. Volta. Ittiolitologia Veronese etc. Verona 1796, tav. XXII. fig. 2 (Exocoetus evolans Volta), tav. XXXIX, fig. 2 (Silurus catus Volta), tav. XXXIX, fig. 5 ae exiliens Volta). ‘ L. Agassiz. Poissons fossilen. T. -Y Atlas, Vok.-W%- Part »«I:(1844), Tab. XXXVIID, fig. 1, 2. (Engraulis evolans Ag.) A.Smith-Woodward. Catalogue of the Fossil Fishes, IV, 1901, pag 133. [55] Fossile Flugfische, St ot Dritter Absehnitt. Biologischer Teil. 1. „Fliegen“ die Flugfische? Die fliegenden Fische, namentlich die Arten der Gattung Exo- coetus, sind in den tropischen Meeren so häufig und so weit ver- breitet, daß über ihre Bewegungen durch die Luft eine sehr sroße Anzahl von Beobachtungen vorliegt. K. Moebius!) unterzog sich im Jahre 1878 in einer vorzüglichen Abhandlung über die Bewegung der fliegenden Fische durch die Luft der Aufgabe, die älteren An- gaben über die Art des Fischfluges zusammenzustellen und kritisch zu beleuchten. Nach Moebius machen die Flugfische keine Flug- oder Flatterbewegungen, mit anderen Worten, eine lokomotorische Be- wegung der Brustflossen findet beim Durchmessen des Weges in der Luft nicht statt. Indessen können an den ausgebreiteten Flossen sehr schnelle Vibrationen auftreten, welche Moebius durch das Abstreichen der Luft unter den Brustflossen erklärt; er vergleicht dieselben mit einem hart am Winde hängenden Segel, welches zu „schlackern* oder zu vibrieren beginnt, wenn es der Wind parallel zur Segelfläche bestreicht (pag. 370), und es kommt also die schnelle Vibration nach Moebius dadurch zustande, daß die Rlastizität der ausgespannten Flossenplatte und der Luftdruck einander wechselnd entgegenwirken. Moebius gelangt auf Grund seiner eigenen Beobachtungen und der Angaben früherer Autoren zu folgenden Ergebnissen 2): Die Exocoeten schießen mit großer Geschwindigkeit ohne Rück- sicht auf die Richtung des Windes und den Lauf der Wellen aus dem Wasser. Sie machen mit ihren Brust- und Bauchflossen während des Fluges keine regelmäßigen Flatterbewegungen, sondern spannen sie ruhig aus, aber an den ausgebreiteten Brustflossen können sehr schnelle Vibrationen auftreten. Der Hinterkörper hängt während des Fluges stets tiefer als der Vorderkörper. Gegen den Wind fliegen die Fische gewöhnlich weiter als mit dem Winde oder wenn Flugbahn und Windrichtung sich kreuzen. Eine Abweichung von der einmal eingeschlagenen Flugbahn findet in der Luft nur dann statt, wenn der Wind den Fisch seitlich trifft; dann wird derselbe in die Windrichtung abgelenkt, sonst aber sind keine Anzeichen einer aktiven Steuerung während des Schwebens wahr- zunehmen. Wenn dagegen die Schwanzflosse beim Durchschneiden der Wellenkämme in das Wasser eintaucht, so wird die Flugbahn häufig bogenförmig in der Horizontalebene von der ursprünglichen Richtung abgelenkt, der Fisch schlägt einen „Haken“. Die höchste Erhebung über die Meeresoberfläche beträgt 5 m. ') K. Moebius. Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft. Zeitschr. f. wiss. Zool., XXX, Suppl., 1878, pag. 342. ?) K. Moebius, ]. c. pag. 350. Si er) 0. Abel. [56] Der Kernpunkt der Darstellung von Moebius liegt darin, daß nach seinen Beobachtungen die Fische während des Fluges niemals aktive Flatterbewegungen nach Art der Vögel, Fledermäuse oder Insekten ausführen und daß die von einigen Beobachtern angegebenen „Flügelschläge“ als passive Vibrationen infolge des Abstreichens der Luft anzusehen sind. Beobachter, welche von Flügelschlägen bei fliegenden Fischen sprechen, sind anßerordentlich zahlreich. In der Angabe, daß Vibra- tionen der Brustflossen auftreten, stimmen fast alle aufmerksamen Forscher überein; eine Differenz liegt nur in der Beantwortung der Frage, ob diese Flugbewegungen aktiv erfolgen, somit als wirkliche Flugbewegungen anzusehen sind, oder ob diese Vibrationen passiv erfolgen. Über Bewegungen bei den Flugfischen berichten A. v. Hum- boldt!), Valenciennes?), U. de Tessand), v. Wüllerstorf- Ur bair‘), E.v. Martens®), S.Kneeland®), J. B. Pettigrew’), Fr. P.Pascoe®), R.E. Taylor°), E. H.L. Krause), A. Seitz"), F. Dahl'2), R. du Bois-Reymond®) und F. Ahlborn '%), Weitaus die meisten Beobachter sprechen von sehr raschen Vibrationen der Flossen, während die Angaben von langsamen, ruhigen Flügelschlägen vereinzelt sind. Moebius hat trotz sorgfältiger Be- obachtung niemals langsames Flattern beobachtet, wie dies A. v. Hum- boldt gesehen haben will; aber U. de Tessan, E.H. L. Krause und A. Seitz sprechen ausdrücklich von langsamen „Flügelschlägen‘“, die nach Seitz „infolge des Einwirkens verschiedener optischer 1) A. v. Humboldt. Reise in die Äquinoctialgegenden des nenen Continents. I. Stuttgart 1815, pag. 307. 2?) Guvier et Valenciennes. Histoire naturelle des poissons. XIX, 1846, pag. 68. >) U. de Tessan. Voyage autour du Monde sur la „V@nus“ par du Petit Thouars. X. Paris 1844, pag. 149. #) v. Wüllerstorf-Urbair. Reise der österreichischen Fregatte „Novara“ um die Erde in den Jahren 1857—1859. I. 1861, pag. 109. 5) Ev. Martens. Die preußische Expedition nach Ostasien. Zool. Teil. I. Berlin 1876, pag. 28. °) S, Kneeland. Proceedings of the Boston Society of Natural History. XIV, 1870—1871, Boston 1872, pag. 138. ?) J. B. Pettigrew. On the Mechanical Appliances by wbich Flight is attained in the Animal Kingdom. Transact. of the Linneau Soc., London, XXVI, 1868, pag. 197. — Die Ortsbewegungen der Tiere. Leipzig 1875, pag. 78. 8) Fr. P. Pascoe. The Flying Fish. Nature. London, XXIIl, feb. 3. 1881, pag. 312. ®?), R. E. Taylor. Flying Fish. Ibidem, pag. 388. 1%) E,H.L. Krause. Reiseerinnerungen. 3. Fliegende Fische (Kxocoetus sp.) und Fischzüge. Abhandl. d. naturwiss. Ver. Bremen, X, 1838, pag. 42. 1) A, Seitz. Das Fliegen der Fische. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Syst, V. Jena 1891, pag. 361. 2) F, Dahl. Die Bewegung der fliegenden Fische durch die Luft, Ibidem, pag. 679. = 3) R. du Bois-Reymond. Über die Bewegung der fliegenden Fische. Ibidem, pag. 923. 14) F, Ahlborn. Der Flug der Fische. Gratulationsprogramm des Real- gymnasiums des Johanneums für K. Moebius. Hamburg 1895, 4°, 57 8., 1 Taf. — Der Flug der Fische. Zool. Jahrbücher, Abt. für Syst, IX. Jena 1897, pag. 329. [57] Fossile Flugfische. 57 Verhältnisse von den verschiedenen Beobachtern als Vibrationen auf- gefaßt wurden“, Fast alle Reisenden, welche von einem Vibrieren der .Flossen berichten, stimmen aber darin überein, daß das Vibrieren am deut- lichsten beim Aufstieg aus dem Wasser zu beobachten ist. F. Dahl hat diese Erscheinung in folgender Weise zu erklären versucht. Es ist sichergestellt, daß der Auftrieb der Fiug- fische ausschließlich durch die kräftige Wrickbe- wegung der Schwanzflosse erfolgt. Durch diese heftige Be- wegung erleidet nach F. Dahl der ganze Körper eine Erschütterung, die ein Vibrieren der großen Brustflossen zur Folge hat, welche im Moment des Aufstieges in die Luft herabgelassen werden. Dieses Vibrieren ist auch dann zu beobachten, wenn der nach hinten tief herabhängende Schwanz die Wellenkämme schneidet; beim Eintauchen in das Wasser beginnt die Schwanzflosse wieder zu arbeiten und die Erschütterung der Brustflossen wiederholt sich. Daß die Flugfische keine echten Flatter- oder Flugbewegungen ausführen, geht schon daraus hervor, daß in der Regel keine Ablenkung der Flugbahn erfolgt; eine solche Ablenkung erfolgt nur bei seitlicher Windrichtung oder beim neuerlichen Eintauchen der Schwanzflosse in das Meer. Neue, sehr gründliche Untersuchungen von Fr. Ahlborn haben jedoch zu dem Ergebnisse geführt, daß die Vibrationen der Brust- flossen weder aktiver Natur sind, noch durch die Wrickbewegung des Schwanzes hervorgerufen werden. Ahlborn ist vollkommen im Rechte, wenn er darauf hinweist, daß die Bewegungen der Seitenmuskulatur, welche den Fisch in die Höhe schnellen, keineswegs so schnell erfolgen können, daß dadurch der Körper und mit ihm die Brustflossen in rasche Vibration ver- setzt werden, wie dies tatsächlich der Fall ist. Ahlborn pflichtet in der Deutung der Vibrationen Moebius bei und schreibt dieselben einer ruckweisen Erhöhung des Luftwiderstandes zu. Da aber zuverlässige Berichte vorliegen, in welchen von einem langsamen Flattern während des Schw=bens in der Luft gesprochen wird, so ist an der Tatsache dieser Bewegungen, namentlich bei den großen Exocoetus-Arten. nicht zu zweifeln. Ebensowenig kann daran gezweifelt werden, daß diese Bewegungen nicht als Flügelschläge zu betrachten sind, die ein Aufsteigen des Tieres ermöglichen oder unterstützen; wie Ahlborn!), hervorhebt, kann sich „Kein Flugtier, nicht der vollkommenste Flieger unter den Vögeln, durch Flügel- schläge erheben und durch die Luft tragen, wenn er wie der Flug- fisch belastet ist, denn er müßte dann das Fünffache seines eigenen Körpergewichtes, also eine vierfache Überlastung tragen können“. Nach Ahlborn? sind die Flugfische zu rapiden, aktiven Flügel- schlägen gänzlich unfähig. Endlich sind, wie Ahlborn überzeugend dargelegt hat, die Muskeln der Brustflossen ungeeignet, einen auch nur schwach vortreibenden Ruderschlag auszuführen und „gleichen ') F. Ahlborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 13. ®) F, Ahlborn. Ibidem, pag. 19. Jahrbuch d. k.k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (0. Abel.) 8 58 0. Abel, [58] dem Faden eines Papierdrachens, dessen Spannung die schräge Fläche gleichmäßig und ruhig im Winde festhält“ N). G. A. Boulenger?) unterscheidet neuerdings den Flug der Exocoeten von jenem der Gattung Dactylopterus. Er sagt über Dacty- lopterus folgendes: „They are remarkable, when adult, for the wing-like portion of the pectoral fins, by which they are able to move in the air like Exocoetus, but for shorter distances, and unlike them, the wings are moved rapidly, the mode of flight resembling that many forms of grashoppers.“ (Nach Mosely, Notes Nat. Challenger, 2”9 edition, pag. 49). Das „Flügelschlagen“ der Pectoralen von Dactylopterus ist aber offenbar nichts anderes als das Vibrieren der Flossen, wie es bei Exocoetus wiederholt beobachtet worden ist. Daß Dactylopterus keinen aktiven Flügelschlag zum Schweben benötigt, gebt aus der ausdrück- lichen Angabe von Moebius hervor, welcher ein Exemplar von Dactylopterus orientalis mit ruhig ausgespannten Flossen über das Meer dahinschweben sah. Diese Beobachtung schließt jedoch keineswegs aus, daß auch bei Dactylopterus Vibrationen der Flossen wie bei Kxocoefus auftreten können, keinesfalls dürfen jedoch diese Bewegungen als aktive Flügelschläge aufgefaßt werden. Die Brustflossen der Flugfische sind somit keine propulsiven Bewegungsorgane, sondern nur Fallschirm- apparate. Der Fisch wird ausschließlich durch die kräftige Wrickbewegung der Schwanzflosse aus dem Wasser getrieben; im Moment des Ver- lassens der Meeresoberfläche spannen sich die Brustflossen aus und wirken in genau derselben Weise wie ein Papierdrachen, sind aber nicht imstande. den Fisch in der Luft zu erhalten, wenn die durch die Schwanzflossenbewegung erreichte Geschwindigkeit Null wird. Von einem „Flug“ der Fische nach Art der aktiven Flugtiere kann also keine Rede sein und es wäre rich- tiger, dieBezeichnung „Flugfische“ durch „Fallschirm- fische“ zu ersetzen. Am treffendsten hat Bory de St. Vincent das Schweben der Fische in der Luft charakterisiert, wenn er schreibt): „Par leur vol et leurs immersions promptement successives, ils rappellent ces galets que les enfans dans leurs jeux lancent A la surface d’un laec, et qui, tour-A-tour attirds et repousses par les eaux, en effleurent la superficie par des ricochets multiplies.“ Was für die lebenden Flugfische gilt, muß auch für die fossilen Formen gelten, deren Bau eine gleiche Lebensweise wie von Exocoetus und Dactylopterus beweist; auch diese Fische konnten nicht „fliegen“, 1) F. Ahlborn, Der Flug der Fische. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Syst. etc., IX. Jena 1897, pag. 337. 2) G. A. Boulenger: The Cambridge Natural History, Vol. VII, London 1904, pag. 701—702. ®) Bory de St. Vincent. Voyage dans les quatre principales iles des Mers d’Afrique. T.I. Paris 1804, pag. 85, 86. [59] Fossile Flugfische. 59 sondern unterstützten nur die Vorwärtsbewegung durch die Drachen- wirkung der ausgespaunten Flossen. Wie bei den lebenden Flugfischen unterstützten sich die horizontale, durch die wrickende Schwanzflosse erzeugte Vorwärtsbewegung und die hebende vertikale Wirkung der ausgespannten Brustflossen gegenseitig; aber jede Bewegungsart für sich allein ist nicht denkbar, denn ohne die Fallschirmwirkung der Brustflossen würden die Flugfische ebenso rasch wieder in das Meer zurückgefallen sein wie andere über die Wasseroberfläche empor- schießende Fische. Ohne die durch die Schwanzflosse erzeugte Bewe- gung hätten die Brustflossen der fossilen Fische ohne Zweifel ebenso- wenig eine vertikale Hebung herbeiführen können als bei den lebenden Flugfischen: Zu einer aktiven Flugbewegung waren die Brustflossen der fossilen Flugfische in derselben Weise unfähig als beiden schnellsten lebenden „Fliegern“* unter Fischen. 2. Haltung der Flossen während des Fluges. „Die entfalteten Brustflossen“, schreibt K. Moebiust), ver- hindern ein hohes Aufsteigen, selbst dann, wenn der Fisch in dem günstigsten Elevationswinkel für die Wurfbewegung, in einem Winkel von 45°, das Meer verläßt. Dann bilden seine Brustflossen mit dem Meereshorizont einen Winkel von 75°, weil sie selbst 30° gegen die orale Körperachse geneigt sind.“ Mitunter kann man beobachten, daß während des Fluges die eine Flosse von der Unterseite nicht sichtbar wird; dies ist der Fall. wenn die Fische schräg vom Winde getroffen werden. E.v. Martens?) berichtet darüber: „Während des Fluges war die weiße Bauchseite des Fisches etwas gegen den Wind gerichtet, so daß die Fische, von Leebord aus gesehen, weiß, von Luvbord aus dunkel erschienen.“ Wahrscheinlich hat auch A. Seitz diese Fälle im Auge gehabt, wenn er angibt, daß die Brustflossen während des Fluges häufiger etwas nach oben gerichtet, statt horizontal ausgespannt sind ?). Eine solche Stellung der Brustflossen ist ganz unmöglich, wenn dieselben als Drachenflugapparate wirken sollen, wie dies ja tatsächlich der Fall ist; die Flossen würden dann einen stumpfen Winkel miteinander einschließen, der Fisch müßte wie ein Keil die Luft durchschneiden und sehr rasch in das Wasser zurückfallen. ') K. Moebius. Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft. Zeitschr. f. wiss. Zool., XXX. Suppl., 1878, pag. 370. ?2) E. v. Martens. Die preußische #xpedition nach Ostasien. Zoologischer Teil. I. Berlin 1876, pag. 28. ®) A. Seitz. Das Fliegen der Fische. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Systematik, V. Bd., 1891, pag. 865. (Die Abbildungen bei K. Moebius, l.c. Taf. XVII, und A. Seitz, l.c. pag. 369 und 370, geben eine ganz unrichtige Vorstellung von der lialtung der Flossen während des Fluges; F.Ahlborn bildet in seiner Abhandlung [Hamburg 1895, Taf. I, Fig. 1—3] die Brust- und Bauchflossen in richtiger Stellung ab. Ahlborns Fig. 1 ist in der vorliegenden Mitteilung auf umstehender Seite als Fig. 10 reproduziert.) 8+ 60 0. Abel. [60] Es ist natürlich ein sehr starker Zug der Brustflossenmuskeln notwendig, um den Gegendruck der Luft zu überwinden‘ und die Flossen straff gespannt in horizontaler Lage zu halten.$F.3Ahlfborn hat gezeigt, daß beim horizontalen Fluge des fliegenden Fisches die Muskeln, welche dem Widerstande der Luft an einem Flügel das Gleichgewicht halten, eine Zugkraft von ungefähr 1000 —1200 g auf- Fig. 10. Exocoetus im Fluge. (Nach F. Ahlborn.) Ein Drittel der natürlichen Größe. zuwenden haben; im ersten Teile der Flugbahn aber, wo die Flossen unter sehr kleinen Neigungswinkeln stehen oder nur teilweise benutzt werden, kann der Muskelzug auf 800 g herabsinken. Die Muskulatur beider Flügel der fliegenden Fische übt beim Schwebefluge einen vertikalen Zug von 1600—2500 y aus, also einen Zug, der 10—15mal so groß ist als das Körpergewicht). ') F. Ahlborn. Der Flug der Fische, Festschrift des Realgymnasiums des Johanneums in Hamburg. Hamburg 1895, pag. 56. [61] Fossile Flugfische, 61 3. Haltung der Flossen während des Schwimmens. Die großen Flossen der Exocoeten sind zwar für den Schwebe- flug ausgezeichnet geeignet, als Ruderflossen aber ganz unbrauchbar. „Denn für den großen Widerstand des Wassers sind sie zu lang, zu zierlich, leicht und schlank gebaut und selbst wenn die Muskulatur kräftig genug wäre, würden sie wegen der erfolgenden starken Biegung mit diesem Werkzeuge eine irgendwie nennenswerte motorische Wirkung kaum auszuführen vermögen; völlig nicht, wenn dem Fische durch die Arbeit des Schwanzruders bereits eine gewisse Geschwindigkeit er- teilt worden ist.“ (Fr. Ahlborn)!). Es erscheint diese Argumentation nur auf den ersten Blick befremdlich, wenn man die langen Flossen gewisser Cetaceen (Megap- fera) mit den Brustflossen der Exocoeten vergleicht; bei Megaptera wirken die großen Flossen als ein sehr kräftiges Steuerorgan ?2). Der Unterschied liegt aber nicht in der Form und Länge, sondern in der Fähigkeit, durch Muskelzug die Flosse steif zu erhalten, eine Fähigkeit, welche den großflossigen Fischen vollkommen fehlt. So sehen wir denn auch, daß die Schwalbenfische beim Schwimmen ihre Brustflossen dicht an den Körper legen, und zwar, um die Reibung im Wasser möglichst zu vermindern, fächerartig zusammengeklappt. Bleiben die Fische jedoch eine Zeitlang ruhig, so spannen sie die Flossen aus, wie R. du Bois-Reymond3) beobachtete; wenn sie sich durch Wrickbewegung des Schwanzes einen stärkeren Antrieb geben, ziehen sie die Flossen ein und legen sie dicht an den Körper, wie Fr. Ahlborn‘) an Exocoeten im Aquarium des zoologischen Gartens zu Hamburg feststellen konnte. Daß auch andere großflossige Fische die Flossen beim Schwimmen nicht benutzen, geht aus dem Vorhandensein von ventralen, in der Medianlinie gelegenen tiefen Rinnen hervor, wie dies bei Gastrochisma der Fall ist, wo die enorm vergrößerten Ventralen in dieser Rinne verborgen werden können. 4. Anatomie der Fallschirmflossen. I. Spitzflossige Flugfische. 1. Exocoetus. (Textfigur 10 und 11.) Sind die Brustflossen eines Zxocoetus beim Schwimmen an den Körper zurückgelegt, so sind sie fächerartig zusammengefaltet, während ') F. Ahblborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 32 ?) Über die von Megaptera mit den großen Brustfossen ausgeführten Be- wegungen vgl. E. Racovitza. Cetaces. (KExpedition antarctique Belge.) Anvers 1902, pag. 28-31, pl. IT, fig. 11. Prächtige Abbildungen von Megaptera gibt F. W. True: The Whalebone Whales of the Western North Atlantic ete. — Smithsonian Contributions to Knowledge. Vol. XXXII, Washington :904, pl. XXXVII—-XLI. F ») R. du Bois-Reymond. Über die Bewegung der fliegenden Fische. Zool. Jahrbücher, Abt. f. Systematik, V. Bd., 1891, pag. 922. *) F. Alılborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 32. 62 0. Abel. [62] sie im Fluge bedeutend breiter sind. Immerhin bleiben sie auch während des Fluges noch immer doppelt so lang als breit. Die Flosse ist von zahlreichen Strahlen durchzogen, welche an der Scapula und den Basalknochen als kräftige Stiele beginnen, sich allmählich verschmälern, bald eine immer deutlichere Quergliederung zeigen und sich zwei- bis dreimal gabeln, so daß ein mittlerer Strahl in vier bis acht Spitzen endet. Die relative Länge der Strahlen schwankt sehr bei den einzelnen Arten der Gattung Exocoetus; die drei ersten Strahlen zeigen keine Gabelung und legen sich entweder dieht auf- einander oder sind durch breitere Zwischenräume getrennt wie bei Exocoetus lamellifer Kner et Steind. Der vierte Strahl ist in der Regel der längste, doch kann derselbe bisweilen noch durch den Fig:11. Exocoetus lamellifer Kner et Steind. (Nach Kner und Steindachner.) Natürliche Größe. fünften und sechsten (wie bei Kxocoetus lamellifer, Fig. 11) an Länge übertroffen werden. Im ganzen sind meist 18—20 Strahlen vorhanden; die hinteren 14 - 16 nehmen rasch an Länge ab. Das proximale Ende der Strahlen ist der Länge nach aus zwei Halbstrahlen zusammengesetzt, welche an einem Rande in einem beinahe rechten Winkel zusammenstoßen, so daß dadurch eine nach hinten und unten offene dreieckige Rinne entsteht. In diese Rinne legt sich der nächstfolgende Strahl, so daß „immer der nächst vordere Strahl auf der Kante des folgenden ‚reitet‘* 1). Die Strahlen sind hier durch kurze elastische Bänder verbunden, gestatten jedoch innerhalb enger Grenzen eine geringe Drehung um die Längsachse und also auch eine leichte Wölbung ı F, Ahlborn. Der Flag der Fische. Hamburg 1395, pag. 31. [63] Fossile Flugfische. 63 der Flossenfläche beim Fluge. Weiter gegen die Spitze der Flosse zu liegen die oberen Halbstrahlen in der Flügelfläche, die unteren ragen dagegen ähnlich den Rippen eines Laubblattes über die Unterseite der Flughaut vor, welche die Strahlen verbindet. Infolge des Vor- ragens dieser unteren Halbstrahlen entstehen in der Nähe der Brust- fossenbasis enge, vierkantige Rinnen, welche sich gegen die Flossen- spitze mehr und mehr verflachen. Das Ineinanderpassen der Strahlen nahe der Basis hat zur Folge, daß nicht der eine oder andere Strahl für sich allein beweglich ist, sondern daß die Bewegung des einen auch die Bewegung des nächstfolgenden im gleichen Sinne veranlaßt. „Der einzelne Strahl hat durch die nahezu rechtwinklige Verbindung der beiden Halbstrahlen nach dem Prinzip der T-Träger oder ‚Winkel- eisen‘ eine maximale Biegungsfestigkeit bei minimalem Materialver- brauch erhalten. Der Luftdruck, welcher beim Fliegen den Flossen- strahl gegen den Körper zu biegen strebt, findet seinen hinreichenden Widerstand in dem oberen Halbstrahl, der in der Flügelfläche liegt; dem vertikal gerichteten Luftdrucke dagegen wird durch die an der unteren Flügelfläche hervortretenden unteren Halbstrahlen der er- forderliche Biegungswiderstand entgegengesetzt ')“. Die mechanischen Versteifungen der Flügel liegen übrigens bei allen Flustieren auf der Unterseite der Flügel, ob dies Skeletteile, Federnschäfte oder Chitin- adern sind. 2. Thoracopterus. (Textfigur 1—8.) Der Brustflosse von Zxocoelus reiht sich unter allen lebenden und fossilen großflossigen Fischen die Brustflosse von Thoracopterus Niederristi am nächsten an. Der Vorderrand der Pectoralis ist schwach konvex, die Flosse läuft in eine Spitze aus und der Hinterrand zeigt im wesentlichen denselben Verlauf wie bei den meisten Schwalbenfischen. Der Vorderrand der Flosse besteht, wie dies schon oben näher auseinandergesetzt wurde, aus sehr starken, nur in geringem Maße gegabelten und gegliederten Strahlen, während der hintere Saum der Flugfläche von sehr fein zerfaserten Strahlen gestützt wird. Die ersten fünf Strahlen endigen am Vorderrande bis zur Spitze der Flosse und nur der fünfte Strahl nimmt noch zur Hälfte mit vier feinen Spitzen an der Zusammensetzung des Hinterrandes Anteil. Der erste Strahl ist sehr kurz, ungeteilt und ungegliedert; er erreicht nur den fünften Teil der Flossenlänge. Er schließt sich mit seinem Ende dicht an den folgenden Strahl an; derselbe ist bereits halb so lang als die Flosse, in der unteren Hälfte gegliedert und in drei Aste zerteilt, von welchen der hinterste der längste, der vorderste der stärkste ist. Auch der zweite Strahl legt sich mit seinen drei Spitzen dicht an den folgenden an (Fig. 2). Der dritte Strahl ist etwas länger als die halbe Flossenlänge ("is derselben), ist bedeutend stärker als der vorhergehende, etwas unterhalb von der ersten Gliederungsstelle des zweiten Strahles ge- ') F. Ahlborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 31. 64 O. Abel. 164] gliedert, aber nicht wie dieser in drei, sondern nur in zwei ziemlich gleich starke Strahlen geteilt. Im unteren Abschnitte legen sich die spitzen Halbstrahlen nicht dieht an den nächstfolgenden, sondern divergieren und lassen zwischen sich und dem vierten Strahle einen Zwischenraum frei. Der vierte Strahl nimmt ungefähr drei Vierteile der Flossen- länge ein. Er ist ähnlich gebaut wie der vorhergehende, aber stärker. Der noch kräftigere fünfte Strahl teilt sich in mehrere Äste. Die erste Gabelung erfolgt schon im oberen Drittel der Gesamtlänge, doch bleiben die Strahlenhälften noch eine kleine Strecke weit eng aneinandergelegt; im zweiten Drittel der Flossenlänge divergieren die beiden Äste und es zeigt sich, daß der vordere Ast der kräftigere ist. Diese Art der Teilung, wobei der hintere Ast bei einer Gabelung stets schwächer ist und sich die Differenz erst gegen den Flossensaum hin wieder ausgleicht, findet sich bei allen folgenden Strahlen der Flosse. Diese beiden Teile des fünften Flossenstrahles gabeln sich etwa in der halben Flossenläng° zum zweitenmal, so daß nunmehr vier divergente Strahlen zu beobachten sind. Die weitere Teilung der Äste ist aber bei den einzelnen dieser vier Strahlen verschieden. Der erste Ast teilt sich nicht mehr, sondern läuft als der stärkste gegen die Flossenspitze, um ein kurzes Stück vor derselben zu enden; der zweite Ast gliedert sich dagegen noch zweimal und endigt in vier feinen Spitzen, deren vorderste die äußerste Spitze der F}osse bildet. Der dritte und vierte Ast ist ebenso gebaut wie der zweite; jeder Ast endet in vier Spitzen und der fünfte Flossenstrahl besteht somit aus einem vorderen stärksten Ast, der am Vorderrande der Brustflosse endet, während von der Spitze der Flosse an nach oben der übrige Teil des Strahles in zwölf feine Spitzen ausläuft. Der sechste Strahl ist bedeutend kürzer als der fünfte, da seine Enden bereits sämtlich im hinteren Teile der Flosse liegen; er ist von den vierfach gegabelten Strahlen der stärkste und die folgenden nehmen bis zum elften gleichmäßig an Stärke und Länge ab. Der sechste bis zehnte Strahl sind durchaus nach dem gleichen Prinzip gegabelt und gegliedert und jeder endet mit sechzehn feinen Spitzen. Es ergibt sich somit, daß der vordere Rand der Brustflosse von Thoracopterus aus sehr starken, «dicht aneinandergelegten Strahlen besteht, welche eine Versteifung der Flosse bewirken, während der hintere Rand durch sehr fein zerfaserte Strahlenenden gestützt wird. Betrachten wir einen einzelnen Strahl, etwa den sechsten, in seinen Beziehungen zu den benachbarten Strahlen, so sehen wir, daß sein Vorderrand durch den Hinterrand des vorhergehenden Strahles überdeckt wird, während sich sein Hinterrand über den Vorderrand des nächstfolgenden schiebt. Die Strahlen decken sich also schuppen- artig. Bei den vorderen Strahlen ist diese Überlagerung sehr stark entwickelt und reicht bis zur halben Gesamtlänge der Flosse; vom fünften Strahl jedoch gegen hinten wird die Verbindung der proximalen Strahlenenden immer lockerer. Ohne Zweifel dient diese schuppenartige Überlagerung dazu, die Flosse zu festigen und Ausbiegungen einzelner Strahlen zu verhindern. Eine durchaus gleichartige Überlagerung zeigen die Brustflossenstrahlen bei Exocoetus lamellifer Kner et "Steind., doch [65] Fossile Flugfische. 65 ist bei diesem Flugfische die Verbindung der einzelnen Strahlen nicht so vollständig wie bei Thoracopterus. Die einzelnen Strahlen sind bei Thoracopterus nicht auf beiden Seiten, der Außen- und Innenseite, gewölbt, sondern sind auf der Außenseite konkav, auf der Innenseite (der Flugfläche) konvex. Sie sind also im Prinzip halbzylindrisch gebaut, wie dies am deutlichsten am elften, letzten Flossenstrahle beobachtet werden kann. Bei den vorderen Strahlen ist der Bau komplizierter: wählen wir den sechsten Strahl als Grundlage für unsere Darstellung, so können wir folgendes beobachten. Betrachten wir zunächst die Außenseite, so sehen wir, daß der Vorderrand des Strahles im proximalen Abschnitte, wo noch die dachziegelartige Überlagerung der Strahlen vorhanden ist, ziemlich stark entwickelt ist und daß sich an diese wulstige Erhöhung eine Rinne anschließt; der Hinterrand erscheint wieder aufgebogen und legt sich dicht auf den wulstigen Vorderrand des nächsten Strahles. Von der Stelle an, an welcher die Dachziegelüberdeckung der proximalen Strahlenabschnitte aufhört, verändert sich der Bau des Strahles. An dieser Stelle tritt sowohl die erste Gabelung wie auch die erste Gliederung ein. Der Vorderrand des Strahles ist nur sehr dünn, die Rinne hat sich zu einem breiten Halbzylinder vertieft und es folgt ein Wulst, der den hinteren Abschluß des vorderen Halb- strahles bildet; dann folgt der Vorderrand des hinteren Halbstrahles; derselbe beginnt mit einer schmalen, seichten, scharfkantigen Rinne und dann folgt der zweite starke Wulst (Fig. 3). Betrachten wir die Innenseite desselben Strahles an der nämlichen Stelle, so sehen wir, daß der vordere Halbstrahl eine gleichmäßig gewölbte Fläche darbietet, ebenso wie der hintere Halb- strahl (Fig. 2). Es ist also jeder Halbstrahl in seinem vorderen Teile als dünne, halbzylindrische Leiste entwickelt, während sein hinterer Teil verdickt ist. Dieser Bau der Flossenstrahlen ist verschieden von jenem bei Exocoetus. Bei dieser Gattung sitzen die Strahlen rittlings aufeinander und folgen so dem Prinzip der T-Träger: maximale Biegungsfestig- keit bei mininialem Materialverbrauch. Bei Thoracopterus wird nun zwar auch dieses Prinzip durch die halbzylindrische Konstruktion des vorderen Teiles jedes Halbstrahles erreicht, aber damit noch ein weiterer Zweck verbunden. Beim Emporschnellen aus dem Wasser ist es für den Fisch von großem Vorteil, die Brustflossen auf möglichst kleinem Raume zu- sammenfalten zu können, um den Reibungswiderstand im Wasser zu vermindern. Wenn nun jeder Strahl, jeder Halbstrahl, jeder Viertel- und Achtelstrahl an der Vorderseite eine tiefe Rinne besitzt, so kann er hier den vorausgehenden Strahl wie ein Futteral in sich auf- nehmen und es ist daher möglich, die Flosse auf einen viel kleineren Raum zusammenzuschieben, als dies ein Exocoetus imstande ist. Bei Exwocoetus sitzen die Strahlen rittlings aufeinander, bei T’horacopterus werden sie fächerartig übereinandergeschoben und jeder Strahl paßt genau in eine Vertiefung des nächstfolgenden. Auf den ersten Blick erscheint es befremdlich, daß nur der Jahrbuch d.k, k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O, Abel.) 9) 66 O. Abel. [66] Vorderrand der Brustflosse verstärkt ist, während der Hinterrand infolge der weitgehenden Zerfaserung eines jeden Strahles in sech- zehn feine Spitzen offenbar außerordentlich biegsam war, und es muB die Frage auftreten, ob denn der so weitgehend zerfaserte Flossen- rand einen erfolgreichen Luftwiderstand bilden kann. Nach den Untersuchungen Fr. Ahlborns!) findet der Abzug der Luft hinter der Fallschirmflosse nicht in Form von parallelen Strom- linien statt, sondern es bilden sich hinter der Brustflosse S-förmige Wirbel. Herr Professor Dr. F. Ahlborn hatte die Liebenswürdigkeit, mir über diesen Punkt noch folgende Mitteilung zu machen: „Der lebende, elastische und unter Muskelspannung stehende Flügel paßt sich dieser Form der Stromlinien in zartester Weise an, so dab namentlich der feine Hinterrand ganz drucklosin der Ab- flußströmung liegt, da er sonst starken Zerrungen der dort stehenden Wirbelung ausgesetzt wäre und zerreißen könnte.“ K. Moebius betrachtete die vierkantigen Furchen an der Unter- seite der Brustflossen von Zxocoetus als Windfänge®). F. Ahlborn schreibt mir in einem Briefe vom 10. Mai 1905 über diese Furchen folgendes: „Den ‚Windfängen‘ würde ich nach meinen jetzigen Erfahrungen diese Bezeichnung nicht lassen, da die 7’— trägerartig nach unten vorspringenden Halbstrahlen nichts weiter sind als mechanische Ver- steifungen der Flugflächen (Schirmrippen); eine aerodynamische Bedeutung kommt ihnen nicht zu, sie erhöhen nicht die Tragkraft der Flügel, respektive des Windes, sondern wirken höchstens ein wenig hemmend auf den Flug. Die Luft zwischen ihnen deckt wie eine Schicht die Unterseite der Flügel, so daß der scharfe Flugwind die eigentliche Flughaut nur wenig berührt, sie schwerer abkühlen und austrocknen kann.“ Darum können wohl auch die Furchen an der Innenseite der Flugfiossen bei Thoracopterus nicht als „Windfänge“, sondern nur in derselben Weise wie bei Ewocoetus gedeutet werden; die starke Zer- faserung des Hinterrandes bietet nichts Befremdliches bei einer Deutung des Thoracopterus als Flugfisch dar, weil der Hinterrand der Flosse außerhalb des Druckes der Luftströmung liegt, welche auf der Vorderseite am Hinterrande parallel zur Flügelfläche abstreicht, während sich auf der Hinterseite der Flosse Luftwirbel bilden. !) F. Ahlborn stellte folgendes Experiment an: Auf einer schiefen Ebene fießt ein Wasserstrom gegen eine zur Stromrichtung schräg gestellte Tafel ab. Hinter dieser Tafel bilden sich S-förmige Wirbel. Ganz genau dieselbe Erscheinung zeigt ein der Windrichtung schräg entgegengestellter Flügel, dessen Hinterraud infolge der sich hinter der Flügelfläche bildenden Luftwirbel drucklos bleibt. (F.Ahlborn. Über den Mechanismus des hydrodynamischen Widerstandes. Abhandl. a. d. Gebiete d. Naturwiss.. herausgeg. vom naturwiss. Verein in Hamburg, XVII. Bd., 1902. 59 S., XVI Taf.) Besonders deutlich und die Luftabströmung am Exwocoetus- Flügel am besten erlänternd sind die Abbildungen Fig. 44—48 (Taf. X und XD. — Vgl. übrigens noch E. Mach, Sichtbarmachung der Luftstromlinien. Zeitschr. f. Luftschiffahrt, 1896, pag. 126. ®) K. Moebius. Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft, l. c. pag. 371. [67] Fossile Flugfische. 67 Um so auffallender ist daher eine Erscheinung, welche sich bei Thoracopterus Niederristi und einigen anderen fossilen Flugfischen zeigt. An dem Originale des Pierygopterus apus Kner (— Thoracopterus Niederristi Br.) aus Raibl ist der Hinterrand der Brustflosse in aus- gezeichneter Weise erhalten. Der elfte Brustflossenstrahl ist auf der Außenseite seiner ganzen Länge nach rinnenartig ausgehöhlt und läuft in eine ziemlich stumpfe Spitze aus; er ist bedeutend stärker als die beiden unmittelbar vorhergehenden, am Ende stark zerfaserten Strahlen. Er zeigt keine Gabelung, ist aber in den unteren zwei Drit- teilen gegliedert. An diesen Strahl legt sich nun ein Segel an, welches durch zahl- reiche sehr enge aneinanderschließende kleine, schwarze, glänzende Plättchen gestützt wird. Diese Plättchen sind im oberen Teile dieses Segels rundlich, werden nach unten zu oval und gegen das hintere Ende des elften Strahles länglich viereckig. Dem Aussehen nach sind diese Plättchen von kleinen Schuppen nicht zu unterscheiden ; auf der Außenseite sind sie schwach schüsselförmig vertieft, auf der Innenseite schwach konvex. Das ganze Segel hat eine dreieckige Form, wie aus der Zeichnung Fig. 2 ersichtlich ist, welche nach mehreren Exemplaren des T’horacopterus Niederristi rekonstruiert ist. Ohne Zweifel dient dieses Segel am oberen Ende des Hinter- randes der Flosse dazu, diesen Flossenteil zu versteifen; es schließen sich die einzelnen Plättchen dicht aneinander, so daß kein Platz für eine Flughaut bleibt. Gleichwohl ist es sicher, daß diese kleinen Platten, die als modifizierte Flossenstrahlenglieder anzusehen sind, von einer Flossenhaut umhüllt waren. Welche Funktion hat nun dieses kleine Segel? Spielt es eine wichtige Rolle beim Fluge oder ist es für denselben ohne Bedeutung? Diese Frage ist nicht leicht zu entscheiden, da bei den lebenden Flugfischen mit Ausnahme von Pantodon keine derartigen versteiften dreieckigen Segel an den Flossen bekannt sind. Um eine einfache Ver- größerung der Flugfläche zu erzielen, wäre eine derartige Versteifung ‘ nicht notwendig, da ja nach den Untersuchungen Ahlborns der Flossenhinterrand bei den Flugfischen während des Fluges drucklos ist. Da ich diesem Nebensegel eine aerodynamische Funktion zu- zuschreiben geneigt war, wandte ich mich an Herrn Professor Dr. F. Ahlborn mit der Bitte, mir seine Anschauung über die Funk- tion dieses Flossenanhanges mitzuteilen. Derselbe hatte die Liebens- würdigkeit, mir folgende Darstellung zu übersenden: „Betreffs des sehr merkwürdigen schuppenbedeckten ‚Segel‘- ansatzes hinter den Brustflossen des fossilen Fisches möchte ich die Meinung äußern, daß derselbe wohl weniger dazu bestimmt ist, die Luft gegen die Flossenspitze abzulenken, als vielmehr beim Auf- und Niedergehen des Fisches eine hydrodynamische Wirkung auszuüben. Wie der hypobatische Schwanz durch seine Wrickruderschläge das hintere Körperende des Tieres niederdrückt und so die Längenachse in eine nach vorn ansteigende Lage bringt, so könnten vielleicht, so- lange die Pectoralia beim Anlauf zum Fluge unter Wasser noch ge- schlossen sind, diese kleinen schuppigen, festen Segel auch nach Art kleiner Drachenflächen am vorderen Körperende eine Hebung 9* 68 0. Abel. [68] bewirken, welche das Einstellen der Längsachse des Tieres in die schräge Lage zum Ausflug erleichtern würde. Hierfür spricht 1. die Stellung, 2. die geringe für Wasserwiderstand geeignete Größe, 3. die Bedeckung mit Schuppen. Auch beim Niedergehen des Fisches aus der Luft würden die kleinen kräftigen Nebenflossen den gegen die hintere Flügelbasis gerichteten Hauptstoß des Wassers auffangen und dadurch den zarten hinteren Flossenrand, respektive den ganzen Flügel entlasten können.“ F. Ahlborn stimmte mir in einem zweiten Briefe vom 16. Mai 1905 darin bei, daß das Nebensegel von den Bewegungen des elften Flossenstrahles abhängig und geeignet ist, den Hinterrand der Flosse zu versteifen und ihre Basis zu vergrößern; aber „abge- sehen davon, daß für diesen Zweck ein so merkwürdiges Mittel ange- wendet ist, was durch Verstärkung von Strahl 11 (durch Gebrauch des Organs) leicht erreicht worden wäre, fragt es sich, ob die gedachte Bedeutung wirklich aerodynamisch vorteilhaft und zweckmäßig ist. Dagegen scheint mir zu sprechen, daß bei keinem anderen Flugtier eine ähnliche Einrichtung besteht.“ Auf jeden Fall steht es fest, daß das sensenartig geformte Neben- segel in seinen Bewegungen durch den letzten Flossenstrahl beeinflußt wird. Ferner ist zu beobachten, daß dieser Strahl seiner ganzen Länge nach auf der Außenseite zu einer halbzylindrischen Rinne ausgehöhlt ist; an den vorderen Flossenstrahlen dienen diese Rinnen zur Auf- nahme des vorn sich anschließenden Strahles beim Zuklappen der Flosse. Diese Funktion hat offenbar auch die Rinne des elften Strahles. Wenn die Flosse zugeklappt wird, was beim Schwimmen und unmittelbar vor dem Aufsteigen aus dem Wasser bei Kxocoetus der Fall ist, so werden die einzelnen Strahlen in- und übereinanderge- schoben und zurückgelegt, so daß sie dem Körper ganz oder beinahe anliegen. Wenn sich nun an dem letzten Strahle ein Segel befindet, welches erheblich steifer und schwerer ist als der übrige Teil des Flossenhinterrandes, so muß sich dasselbe beim Zusammenklappen der Flosse nach abwärts richten. Beim Ausspannen der Flosse wird auch der letzte Strahl stark nach vorn gezogen; es ist aber, da das Segel aus zahlreichen aneinanderstoßenden Platten besteht, nicht wahrschein- lich, daß es in die Flugfläche miteinbezogen wird, sondern wird sich etwas herabsenken und mit dem proximalen breiten Ende an die Seite des Fisches anlegen. Es ist also sehr gut denkbar, daß das Segel in dieser Stellung eine Bedeutung besitzt, wie sie von Ahlborn vermutet wird: beim Niedersinken des Fisches ins Wasser den Hauptstoß aufzufangen und den zarten Hinterrand der Flosse zu entlasten. Ebenso wird es beim Auffliegen aus dem Wasser infolge seiner stärker zum Wasserspiegel geneigten Fläche eine Wirkung wie ein kleiner Papierdrache ausüben, während das spätere Schweben nach Erreichung einer gewissen Höhe von der ganzen Flosse übernommen wird. Es muß aber noch ein weiterer Punkt berücksichtigt werden. bei Thoracopterus liegen die Gelenke der Brustflossen wesentlich tiefer als bei Kwocoetus oder Dactylopterus und sind der Bauchlinie genähert. Der Fisch bedarf daher, wenn er in einer für den Schwebe- [69] Fossile Flugfische. 69 flug günstigen Stellung das Wasser verlassen soll, eines kräftigen Steuers am Vorderrande des Körpers. Durch die Schwanzflosse wird die Lokomotion bewirkt, die Steuerung geschieht durch die paarigen Flossen. Die Brustflosse und die Bauchflossen sind Jedoch dem Körper straff angelegt, bevor der Fisch das Wasser verläßt; sie wären auch viel zu groß und für den Wasserwiderstand viel zu biegsam, um eine erfolgreiche Steuerung ausführen zu können. Zu einer Steuerung ge- nügen aber schon relativ kleine paarige Fortsätze, wenn sie eine ge- nügende Widerstandskraft und Festigkeit besitzen und diese Erforder- nisse besitzt das Nebensegel der Brustflosse von Thoracopterus in ausreichender Weise. Nach dieser Auseinandersetzung darf man also für das kleine Nebensegel folgende Funktionen annehmen: 1. Steuerung vor dem Aufsteigen aus dem Wasser; 2. Erleichterung der Einstellung der Brustflossen für den Flug und Hebung des Körpers, indem das Segel im Anfang der Flugbahn als Drachenflugfläche wirkt; 3. Abschwächung des bei dem Niedertauchen des Fisches gegen die Flossenbasis gerichteten Hauptstoßes des Wassers. Unter den lebenden Flugfischen ist nur bei Plantodon ein solches Nebensegel vorhanden. Sehr auffällig ist nun die Tatsache, daß an den großen Exocoetus-Exemplaren unserer Museen die Brustflossen am Hintersande fast ausnahmslos verletzt und zerschlitzt sind. Ahlborn (Der Flug der Fische, Hamburg 1895, pag. 29) hebt bereits diese Verletzungen hervor ünd wirft die Frage auf, ob nicht das Flattern der Brustflossen diese Zerreißungen zur Folge hat. Nach dem Ergebnisse der Untersuchungen an den Flugfischen aus der alpinen Trias bin ich über diesen Punkt anderer Meinung. Das sensenförmige Nebensegel fängt beim Eintauchen ins Wasser den Hauptstoß auf und verhütet eine Zerreißung des Hinterrandes bei den triadischen Flugfischen; bei den Exocoeten fehlt aber dieses Segel und der Hinterrand der Brustflosse fängt unmittelbar den Stoß auf, wenn der Fisch in das Meer zurückfällt. Wir müssen daher zu derAnschauung gelangen, daß durch die Ausbildung des hinteren Brustflossensegels die Flugfische der Trias weit vorteilhafter an den Flug angepaßt gewesen sind als die Exocoeten der Gegenwart. 3. Gigantopterus. (Textfigur 6.) Für Gigantopterus gilt bezüglich der Anatomie und Physiologie der Brustflossen dasselbe wie für Thoracopterus. 4: Dollopterus. Das einzige bekannte Exemplar aus dem oberen Muschelkalke der Gegend von Jena besitzt nach den Untersuchungen G. Compters spitze, relativ schmale Brustflossen, schließt sich also im Bau der 70 O. Abel, [70] Pectoralen dem Exocoetus-Typus an, Von der Brustflosse der fliegenden Pholidophöriden unterscheidet sich die des Dollopterus sofort durch der Fulerenbesatz des ersten Strahles (Compter, I. ce. pag. 43). Dieser Strahl ist nach Compter 10 cm lang; der Rest erreicht eine Länge von 14 cm (Compter, ]. e. pag. 32) und rechnen wir die erhaltenen Partien des Schädels und der Caudalis ab, so erhalten wir für den Körper eine Länge von ungefähr 11 cm. Die Brustflosse muß also, wenn die Maße Compters richtig sind, fast bis an die Basis der Caudalis gereicht haben, ist also etwa von derselben Länge wie bei Thoracopterus. Daraus geht weiters hervor, daß die rekonstruierte Zeichnung (Compter, 1. e. Taf. I-I, Fig. 2c) nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, denn die Peetoralis erscheint auf dieser Zeichnung viel kürzer und erreicht knapp den vorderen Rand der Analis. Eine Verschiedenheit zwischen der Brustflosse von Dollopterus und Thoracopterus besteht in der größeren Anzahl der Flossenstrahlen : bei Thoracopterus 11, bei Dollopterus 16—18 (Compter, I. ec. pag. 43). Die Art der Gabelung und Gliederung ist in der Compter- schen Abhandlung nicht so genau beschrieben, daß ein näherer Ver- gleich mit Thoracopterus durchführbar wäre. Das Vorhandensein eines sensenförmigen hinteren Nebensegels wurde schon oben (pag. 49) wahrscheinlich gemacht, so daß sich in diesem Punkte Thoracopterus und Dollopterus einander nähern würden. Der wichtigste Unterschied der Brustflosse des Dolichopterus volitans von Thhoracopterus besteht neben dem Fulerenbesatze des ersten Strahles darin, daß bei Dollopterus der erste Strahl, bei Thora- copterus dagegen der fünfte Strahl der Brustflosse der längste ist. 5. Pantodon. In einem kleinen Bache in Kamerun, dem Vietoria-river, ent- deckte Prof. Dr. R. Buchholz einen kaum 10 cm langen Fisch, welchen W. Peters!) im Jahre 1876 als Pantodon Buchholzi beschrieb und abbildete. Er ist der einzige Vertreter der nach ihm benannten Familie der Pantodontiden aus der Verwandtschaft der Osteoglossiden. Später wurde dieser Fisch auch aus dem Kongo, von Vieux Calabar und von der Mündung des Niger bekannt. Im Kongo ist Pantodon Buchholzi an folgenden Stellen angetroffen worden: bei Monsembe&, Brazzaville?) und Nganchou (Gantshu) °). 1) W. Peters. Über eine merkwürdige von Herrn Professor Dr. Buchholz entdeckte neue Gattung von Süßwasserfischen, Pantodon Buchholzi, welche zugleich eine neue, den Malacopterygii abdominales augehörige Gruppe von Fischen, Pan- todontes, repräsentiert. Monatsber. d. kgl. preuß. Akad. d. Wiss. zu Berlin für 1876, Berlin 1877, pag. 195, 1 Tafel. : 2) G. A. Boulenger. Les Poissons du Bassin du Congo. Publ. de l’Etat Independant du Congo, Bruxelles 1901, pag. 122. 3) E. Riviere. Exposition de la Mission Brazza au Museum, Revue scien- tifique, 1886, Vol. XII, pag. 18. „Nous citerons encore comme une des curiosites de l’Exposition certain petit poisson volant, ayant nom le Pantodon, un peu different du Pantodon Buchholzi Peters, et aui constitue m&äme peut-&tre une espece nouvelle; il a &tE trouv6 a Nganchou, sur le Congo, par M. Jacques de Brazza, en puisant de l’eau pour boire * [71] Fossile Flugfische, 71 Dieser Fisch hat die Fähigkeit, sich einige Zeit hindurch in der Luft schwebend zu erhalten. J. de Brazza beobachtete Pantodon Buchholzi während des Fluges; leider sind seine Angaben überaus dürftig. G. A. Boulenger teilte über den „Flug* von Pantodon folgendes mit: ü „It has now been ascertained that this little fish fies or darts through the air, and is, in fact, a freshwater flying-fish. Dr. Pellegrin, of the Paris Museum, has kindly informed me that, according to the notes ofM. J. de Brazza, the specimen obtained in the Congo by this explorer was caughtby means ofa butterflynet whilst moving like a dragonfly above the surface of the water“). Pantodon Buehholzi Peters. (Geographische Verbreitung: Flüsse Westafrikas zwischen dem 10° n. Br. und 10" s. Br. (Niger, Alt-Oalabar, Vietoria-river [Kamerun], Kongo). Kopie nach G. A. Boulenger: Fislıes. Cambridge Nat. Hist., Vol. VII, London 1904, pag. 559, Fig. 337. (Natürliche Größe.) Diese Beobachtung Brazzas ist schon aus dem Grunde wert- voll, weil sie zeigt, daß auch ein Süßwasserfisch zum „Flugtier“ ge- worden ist: Flossenbau und Flossengröße weichen aber so beträchtlich von den beiden anderen lebenden Flugfischtypen Zxocoetus und Dacty- lopterus ab, daß es von größtem Interesse ist, den Bau der Flossen, namentlich der Pectoralen, etwas eingehender zu betrachten. Von allen Flugfischen besitzt Pantodon Buchholzi Peters die kleinste Brustflossenlänge:; dieselbe erreicht nicht einmal die halbe Körperlänge (ohne die Caudalis). Die Pectoralis erinnert in ihrer Form nicht an Zxocoetus, da sie erst im unteren Drittel die größte 1) G. A. Boulenger. On the Fishes, collectted by Mr. G. L. Bates in Southern Cameroun. Proc, Zool. Soc. London 1903, Vol. I, pag. 21. 72 O. Abel. [72] Breite erreicht (Fig. 12). Die Pectoralis enthält 3 Strahlen, von welchen der erste die größte Länge und Stärke erreicht; er ist un- geteilt, während die folgenden bis zum vorletzten reich gegabelt sind. Der letzte Strahl ist wieder ungeteilt. Das Vorderende der Brustflosse ist zu einer scharfen Spitze ausgezogen, der Hinterrand S-förmig geschweift (vgl. Fig. 12). Die beiden letzten Strahlen divergieren stärker als die vorhergehenden; sie sind durch eine Flossenhaut verbunden, welche tief ausgeschnitten und von der Spitze des letzten Strahles bogenförmig zum vorletzten Strahl hinüberzieht, so daß das untere Drittel des vorletzten Strahles am Hinterrande frei bleibt. An den letzten Flossenstrahl legt sich ein länglich dreieckiges, außen mit Schuppen besetztes Segel an, welches bis zur Hälfte des letzten Strahles reicht (Fig. 12). Einen ähnlichen Abschluß des Brustflossenhinterrandes haben wir bei den Gattungen Thoracopterus und Gigantopterus aus der alpinen Trias angetroffen. Bei diesen Formen besteht jedoch das „Nebensegel“, wie ich den Anhang nannte, nicht aus einem be- schuppten Hautlappen, sondern dieses Segel ist aus mosaikartig an- einandergelegten rundlichen, elliptischen und länglich viereckigen Plättchen zusammengesetzt, welche modifizierte Strahlenglieder, aber keine wahren Hautschuppen darstellen. Die Plättchen des Nebensegels bei den triadischen Flugfischen sind weit kleiner als die kleinsten Schuppen, während bei Pantodon Buchholzi Peters das dreieckige Segel mit Schuppen von normaler Größe besetzt ist. Wenn also auch keine morphologische Identität der Nebensegel bei den triadischen Flugfischen einerseits und Pantodon anderseits besteht, so ist doch die Ausbildung dieses Apparates an der nämlichen Stelle zu auffallend, als daß man nicht an eine gleiche physiologische Funktion denken sollte. In beiden Fällen wird durch die Ausbildung eines Segels am Hinterrande der Pectoralis, welches entweder durch modifizierte Pectoralstrahlen oder durch echte Schuppen einen höheren Grad von Steifheit erhält, ein fester Abschluß der Brustflosse hergestellt. Es ist sehr wahrscheinlich, daß das hintere Nebensegel der Brustflosse von Pantodon dieselben Funktionen zu versehen hat, welche wir oben für Thoracopterus erörtert haben. Vergleichen wir die übrigen Flossen von Pantodon mit jenen der anderen lebenden und der fossilen Flugfische, so treffen wir in keinem Punkte eine Übereinstimmung. Die Dorsalis ist schmal und hoch; sie enthält 6 Strahlen); der dritte Dorsalstrahl erreicht die Schädellänge. Die Analis ist sehr groß und besteht aus 12—14 Strahlen. Die Ventralen enthalten 7 Strahlen; die 4 vorderen sind fadenförmig verlängert. Die Caudalis ist stark asymmetrisch (Fig. 12). Mein verehrter Freund Prof. L. Dollo, welchem ich für die Mitteilung und Über- sendung der einschlägigen Literaturbehelfe zu größtem Danke ver- pflichtet bin, vertritt die Meinung, daß die gephyrocerke-homocerke ') @. A. Boulenger. Les Poissons du Bassin du Congo, |. ©. pag. 121. [73] Fossile Flugfische. 73 Caudalis auf das benthonische Leben der Vorfahren von Pantodon hinweist. Ich möchte mich seiner Auffassung durchaus anschließen. Der Bau von Pantodon weicht, abgesehen von dem hinteren Abschlusse der Brustflosse, so sehr von Exocoetus und Dactylopterus ab, daß man diesen Fisch als eine selbständige Anpassungstype an den Flug bezeichnen muß. Die Flugfähigkeit von Pantodon kann aber unmöglich einen so hoheh Grad erreichen als bei Dactylopterus und Exocoetus ; leider liegen bis jetzt über den Flug dieses kleinen Fisches nur sehr dürftige Angaben vor. Die relative Größe der Flugfläche ist übrigens viel zu klein, um den Fisch auf weitere Strecken hin schwebend zu erhalten. Allerdings ist es bei einem Süßwasserfische kaum von Vorteil, so weite Wege durch die Luft zurückzulegen, wie dies bei Kxocoetus beobachtet worden ist; es könnte sonst leicht der Fall eintreten, daß der Fisch auf der eiligen Flucht vor Feinden in ungünstiger Richtung aus dem Wasser fährt und auf das Ufer fällt. Dagegen ist es auch für einen Bewohner des Süßwassers von Vorteil, ein Mittel zu be- sitzen, um den Feinden rasch entfliehen zu können. Vielleicht ist Pantodon eine noch nicht zur vollen Speziali- sationshöhe gelangte Type, welche im Begriffe ist, sich zu einem vorteilhafter angepaßten Flugfische umzuformen. Dafür spricht vor allem die relative Kürze der Brustflossen und das Vorhandensein der filamentartigen Ventralstrahlen, welche für den Flug nur hinderlich sein können. Pantodon darf daher seiner Spezialisationshöhe nach an die Seite von Hemirhamphus gestellt werden, welcher nach Beob- achtungen von F. Siebenrock (bei Massaua) aus dem Wasser emporschnellt und eine kurze Zeit über der Meeresfläche dahin- zuschweben vermag. Wir dürfen vermuten, daß die Vorfahren von Pantodon durch häufiges Emporschnellen aus dem Wasser entweder auf der Jagd nach Insekten !) oder auf der Flucht vor Feinden ihre Brustflossen zu Fallschirmorganen auszubilden begannen. Il. Rundflossige Flugfische. Dactylopterus. Die Brustflossen von Dactylopterus — ich lege der Beschreibung ein Exemplar von Dactylopterus communis zugrunde — erinnern in ausgespannter Lage an den Unterflügel einer Heuschrecke und sind also in ihrer Form von Exocoetus außerordentlich verschieden. Vom Vorderrande der Brustflosse ist in ähnlicher Weise wie bei vielen anderen Grundfischen aus der Gruppe der Cottiden ein aus sechs Strahlen bestehendes Bündel losgelöst; von diesen sechs Strahlen ist der erste der kürzeste, dann folgt, an Länge zunehmend, der sechste, zweite, dritte, vierte, fünfte. Alle diese Strahlen sind von einer Flughaut umhüllt, welche jedoch nicht bis zu den Strahlenenden ') Die Nahrung von Pantodon Buchholzi besteht, wie W. Peters (l. c. pag. 198) aus dem Magen- und Darminhalte feststellen konnte, aus Insekten, nament- lich aus Libellenlarven. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) 10 74 0. Abel. [74] reicht, die hakenförmig nach hinten umgebogen sind. Bei dem vor- liegenden Exemplar beträgt die Länge des Strahlenbündels 52 mm, die Breite im ausgespannten Zustande 15 mm. An diesen vorderen kleinen Flossenabschnitt schließt sich die “ Fallschirmflosse an. Sie besteht aus 24 Strahlen, welche ohne Aus- nahme ungegliedert sind, im Gegensatze zu den reich gegliederten Strahlen des vorderen Strahlenbündels. Fig. 13. Daetylopterus eommunis. Koll. Natterer: Rio de Janeiro, Pirapeb£. Original im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien. Der Fisch im Fluge, von oben gesehen. (Ein Drittel der natürlichen Größe.) Die Strahlen der Brustflossen sind in der Regel ungeteilt. Nur am 19. und 20. Strahl der linken Pectoralis ist eine dichotome Teilung zu beobachten, welche schon in der Nähe der Strahlenbasis eintritt. Daß jedoch die vierundzwanzig Strahlen der Brustflossen zum Teil aus einer dichotomen Spaltung hervorgegangen sind, beweist die Gruppierung der Strahlen; je zwei sind in der Nähe der Flossen- basis einander genähert und behalten diese Anordnung noch bis zum Flossensaume bei, wo allerdings die Zwischenräume zwischen je zwei [75] Fossile Flugfische, 75 Strahlenpaaren bereits fast gleich groß sind wie die Abstände zwischen den zwei Strahlen eines Paares. Vom ersten bis zum achten Strahle nimmt die Strahlenlänge sehr rasch zu; vom achten bis zum siebzehnten Strahle ist aber die Länge der Strahlen durchaus gleich, so daß dieser Abschnitt der Flosse einem Kreisausschnitte entspricht. Vom achtzehnten Strahle an nehmen die Strahlen sehr rasch an Länge ab. Jeder Strahl steht noch mit einer sehr feinen, gekrümmten Spitze über den Flossensaum vor; derselbe ist zwischen je zwei Strahlen ziemlich tief bogenförmig eingeschnitten (Fig. 13). Man sollte meinen, daß bei einer Flossenform, welche so beträcht- lich vom Exoeoetus-Typus abweicht, der Flug des Dactylopterus in anderer Weise als bei Kxrocoetus erfolgt. Es liegt jedoch eine Beob- achtung von K. Moebius!) vor, welcher einen Dactylopterus (D. orientalis) auf dem Korallenriffe südöstlich von Mauritius im Fluge genau verfolgte. Der Fisch hielt die Flossen straff ausgespannt und machte keine aktiven Flatterbewegungen ; die Brustflossen von Dacty- lopterus sind also ebensowenig als jene der Exocoeten Flugorgane, sondern nur Fallschirmapparate. 5. Form und Grösse der Flugflächen. Daß die Flügelform für die Schnelligkeit des Fluges von größter Wichtigkeit ist, sehen wir bei den Vögeln; die schnellsten Flieger haben langgestreckte, spitz zulaufende Flugflächen, die schlechten Flieger kurze und runde Flügel. Die gleiche Erscheinung zeigen die Schmetterlinge; die Sphingiden, die schnellsten Flieger unter ihnen, haben einen nach Art der Möven geformten Flügel. schlechte und un- beholfene Flieger abgerundete Flugflächen. Sehr deutlich ist die Ab- hängigkeit der Fluggeschwindigkeit von der Flügelform bei den Pieriden zu verfolgen, unter welchen Tachyris zarinda, der schnellste Falter dieser Familie, einen langen, spitzen Flügel, Leueidia, ein schwerfälliger Schmetterling, aber einen kurzen, runden Flügel besitzt. Nun ist allerdings daran festzuhalten, daß es sich bei den Flossen der Flugfische nicht um Flugapparate, sondern um Fallschirmapparate handelt. Auch für den Fallschirm gelten aber die gleichen Gesetze des Luftwiderstandes wie für den Flügel. Moebius?), welcher sich zuerst mit dieser Frage sehr ein- gehend beschäftigt hat, wies darauf hin, daß die Länge der Flügel bei Flugtieren von ähnlicher Gestalt einfach, die Flugfläche im Quadrat und das Gewicht des Körpers im Kubus zunimmt. Mit Berücksichtigung dieser Proportionen hat Moebius gefunden, daß die relative Flächengröße bei fliegenden Fischen im Durchschnitt mit 1'72 hinter den Durchschnittszahlen der Vögel (227) und Fleder- mäuse (274) zurückbleibt. Nach Harting?) ist die relative Flächen- !) K. Moebius. Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft, l. c. pag. 356. ?) K.Moebius. Zeitschr. f. wiss. Zoologie, XXX, Supplement, 1878, pag. 367. ®) P. Harting. Observations sur l’etendue relative des ailes etc. Archives Neerlandaises des science. exact. et natur., IV, 1869, pag. 38. 10* 76 O. Abel. [76] größe bei Exocoetus evolans 1:65, beim Seidenschwanz 1'69, bei Dacty- lopterus volitans 1'79; der Seidenschwanz ist aber, obwohl hinter Dactylopterus stehend, doch zu langandauerndem Fluge befähigt, während Dactylopterus keinen aktiven Flügelschlag ausführen kann }). Dactylopterus ist, wie Ahlborn?) rechnungsmäßig nachgewiesen hat, in seinem „Flugvermögen“ den Exocoeten durchaus an die Seite zu stellen, obgleich er fast kreisrunde Flossen besitzt. Bei den fossilen Flugfischen läßt sich die relative Flächen- sröße der Brustflossen nicht feststellen, da wir das Körpergewicht nicht kennen; wir können nur die Flügellänge mit der Körperlänge vergleichen. Tabelle der relativen Flügellängen der Flugfische °). | Körperlänge | 1 ! | | (ohne die Brustflossen- Brustflossen- | . länge ; | ' Gandalis) länge # u un >: 7. Mn Maße in mm | en RE — Anm nnn m nam mamma mn mm m msn nn nn nn np tan nee Demnane nn nennen antenne ————| | Pantodon Buchholzi Peters‘) . .. . 65 29 | 44 RERERTENE TIEREN Mc an ea a a | Ewocoetus o@ycephalus Bleek . .....| 190 a ee a | Exocoetus nigricans Benn. . EET I 250 150 | 60 | RENT _| | Exocoetus nigrieans Benn. .... 255 160 | 62 | RER ER ei er ER ee 5 a | ” a | Thoracopterus Niederristi Bronn 91-5 | 575 | 62 | Gigantopterus Telleri Abel... 129-5 ar 0 6l | ' Dollopterus volitans Compter .\ ca. 160 100 | 62 | Dactylopterus volitans L.. . .. .. 155 105 | 67 | EN SCHERER zur ER | re RE je t ı Exocoetus rufipinnis Cw. Val. . . .| 255 | 175 | 68 = ee re Pre | Esxocoetus bahiensis Ranz.. . ... . 370 280 | 70 ') F. Ahlborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 19. ?) F. Ahlborn. Ibidem, pag. 21. ») Die Maße der Exocoeten sind der Abhandlung von K. Moebius (Die Bewegungen der fliegenden Fische durch die Luft, ]. c. pag. 366), des Dactylopterus der Abhandlung F. Ahlborns (Der Flug der Fische, ].c. pag 21) entnommen. *) Nach der Abbildung dieses Fisches in dem Werke von G., A. Boulenger (Fishes. Cambridge Natural History, VII. Bd., London 1904, pag. 529, fig. 337) gemessen. [77] Fossile Flugfische. 77 Thoracopterus, Gigantopterus und Dollopterus, die drei Flugfisch- gattungen der Trias, reihen sich also nach ihren relativen Flügel- längen zwischen die Exocoeten ein. Die Flossenlänge von Gigantopterus Telleri ist nicht ganz sicher zu bestimmen, weil die in ihrer ganzen Länge erhaltene Brustflosse zusammengequetscht ist; die Länge des ersten Brustflossenstrahles bei Dollopterus wird von Compter?) mit 10 cm angegeben; die Körperlänge (ohne Caudalis) dürfte etwa 16 cm betragen haben, denn an der 14 cm?) langen Platte fehlt die vordere Schädelpartie, deren Länge mit etwa 2 cm veranschlagt werden darf. 6. Bau, Form und Funktion der Caudalis. I. Bei spitzflossigen Flugfischen. Die Schwanzflosse von Exocoetusist durch eine enorme Vergrößerung des unteren Lappens ausgezeichnet, wie sie sich in gleicher Stärke bei keinem anderen schwimmenden Tiere wiederfindet F. Ahlborn?) hat diesen Schwanzflossentypus als hypobatisch bezeichnet, im Gegensatze zu dem Typus mit vergrößertem oberen Caudallappen, der epibatischen Schwanzflossenform. Da auch Thoracopterus Niederristi in ausgezeichneter Weise den hypobatischen Typus der Caudalis besitzt, so wollen wir der Frage nach der Funktion der Caudalis bei diesen Formen näher treten. F. Ahlborn vertrat im Gegensatze zu F. E. Schulze‘) die Meinung, daß die epibatischen Schwanzflossen Merkmale von Tieren sind, welche am Grunde des Wassers leben, während die Hypobatie des Schwanzruders die Tiere für das Schwimmen in den obersten Wasserschichten besonders geeignet macht. Die Epibatie der Caudalis ist weitaus häufiger als die Hypobatie anzutreffen; epibatisch sind z. B. die Störe, Selachier sowie die ältesten Aktinopterygier, hypobatisch unter anderem die Ichthyosaurier ) und Thalattosuchier ®). Unter den jüngeren Aktinopterygiern sind epibatische Schwanzflossen sehr selten und sie erreichen niemals die hohen Grade der Ausbildung?) wie bei den älteren Vertretern dieser Ordnung; in !) 6. Compter, Ein Beitrag zur Paläontologie des oberen Muschelkalkes. Zeitschr. f. Naturwiss., 64. Bd., Leipzig 189i, pag. 43. ?) C. Compter. Ibidem, pag. 41. ®) F, Ahlborn. Über die Bedeutung der Heterocerkie und ähnlicher un- symmetrischer Schwanzformen schwimmender Wirbeltiere für die Ortsbewegung. Zeitschr. f. wiss. Zool., LXT, 1. Heft, 1895, pag. 1, Taf. I. %) F. E. Schulze. Über die Abwärtsbiegung des Schwanzteiles der Wirbel- säule bei Ichthyosauren. Sitzungsber. d. kgl. preuß. Akad. d. Wiss., 15. Nov. 1894, pag. 1133, °) OÖ. Jaekel. Eine neue Darstellung von Ichthyosaurus. Zeitschr. d. Deutsch. geol. Ges., 56. Bd., 1904, Märzprotokoll, pag. 26. 6%) E. Fraas. Die Meerkrokodilier (Thalattosuchia) (les oberen Jura unter spezieller Berücksichtigung von Dacosaurus und Geosaurus. Palaeontographica, XLIX, 1902, pag. 1, Taf. I-VII. ”) Eine deutlich epibatische, aber sehr kleine Caudalis besitzt Coilia clupoides. 78 O. Abel. [78] vielen Fällen wird, dem Gesetze der Irreversibilität der Entwicklung folgend, eine sekundäre Epibatie in anderer Weise als bei der primären Epibatie hergestellt, wofür Amphisyle ein treffliches Bei- spiel bildet. Es steht nunmehr zweifellos fest, daß der Flug der Fische nur durch die Wrickbewegung der starken Schwanzflosse ermöglicht wird, die den Fisch aus dem Wasser emportreibt; dann erst breiten sich die paarigen Flossen als Fallschirme aus. Die Vorwärtsbewegung der Caudalis ist bei den Exocoeten also weder nach unten noch gerade- aus, sondern nach aufwärts gerichtet. Infolge der stärkeren Bewegung des größeren Caudallappens wird das hintere Körperende nach unten gedrückt und der Fisch schießt mit großer Schnelligkeit aus dem Meere empor. Daß beim Wiedereintauchen der Caudalis in das Wasser die Flosse sofort wieder zu arbeiten beginnt, wenn noch der vordere Teil des Körpers ober Wasser ist, und daß dann der Fisch sofort wieder in die Höhe schnellt, ist wiederholt beobachtet worden. Die Hypobatie der Schwanzflosse von T’horacopterus ist eine kon- vergente Anpassung an die Lebensweise, welche Exoeoetus führt. Der untere Caudallappen übertrifft den oberen beträchtlich in der Breite, Stärke und Länge der Strahlen (vgl. Fig. 1). Außer dieser Vergrößerung lassen sich aber bei den Flugfischen der Trias und den lebenden Exocoeten einige weitere gemeinsame Merkmale in der Schwanzflosse nachweisen. An einem skelettierten Exemplar des Exocoetus bicolor Cuv. Val. (ohne Fundortsangabe) im zoologischen Museum der Wiener Universität läßt sich feststellen, daß der obere und untere Caudallappen durch eine ziemlich weite Spalte getrennt sind. Beim lebenden Tiere sind beide Lappen von einer gemeinsamen Flossenhaut umhüllt. Gleichwohl scheint das Vorhandensein dieser Spalte dafür zu sprechen, daß der untere Caudallappen in seinen Bewegungen vom oberen zum Teil wenigstens unabhängig ist. Ganz dieselbe Erscheinung zeigt nun die Caudalis von 7 horacopterus Niederristi. Der Raum zwischen dem oberen und unteren Caudallappen hat hier eine langgestreckt dreieckige Ge- stalt; an der Basis sind bei dem Original des Pferygopterus apus Kner aus Raibl die beiden Lappen 1 mm voneinander entfernt, doch rücken die Strahlen gegen hinten bis auf 0'3 mm zusammen. Sehr beachtens- wert ist die Form des Körperrandes bei T’horacopterus ; der schuppen- bedeckte Teil setzt sich in der unteren Körperhälfte weiter nach hinten fort als in der oberen (Fig. 1). Auch in der relativen Strahlenstärke der Caudallappen besteht zwischen Thoracopterus und Exocoetus eine auffallende Uebereinstim- mung; bei beiden Formen sind die den unteren Rand der Schwanz- flosse bildenden Strahlen beträchtlich verstärkt und das gleiche gilt für Gigantopterus Telleri. Pantodon Buchholzi weicht im Baue der Caudalis von Exocoetus und T'horacopterus weit ab. Die Schwanzflosse dieser Type besitzt Jedoch bedeutende relative Größe (vgl. Fig. 12) und ohne Zweifel wird der Fisch nur durch die Wrickruderschläge der kräftigen Cau- dalis aus dem Wasser emporgeschnellt. Mit Rücksicht auf die merk- | | | [79] Fossile Flugfische. 79 würdige Form der Caudalis wäre es von größter Wichtigkeit, etwas Näheres über den Flug dieses westafrikanischen Süßwasserfisches zu erfahren; ihre Form spricht für eine benthonische Lebensweise der Vorfahren von Pantodon. Il. Bei rundflossigen Flugfischen. Die Schwanzflosse von Dactylopterus ist nach ganz verschiedenem Typus als bei Kxocoetus gebaut. Von einer so stark ausgesprochenen Hypobatie, wie sie für Exocoetus und Thoracopterus charakteristisch ist, finden wir bei Dactylopterus nichts; oberer und unterer Caudal- lappen bestehen aus der gleichen Anzahl von Strahlen. Es ist sogar der obere Caudallappen bei dem mir vorliegenden Exemplar von Dactylopterus communis ein wenig größer und länger als der untere, Im oberen Lappen sind vier, im unteren nur drei Strahlen diehotom geteilt; die Strahlen sind sehr kräftig und zeigen reiche Gliederung. Oberer und unterer Caudallappen werden beiderseits von je einem langgestreckten, sehr starken Stützknochen gehalten; diese vier im Querschnitt \L-förmigen Stützknochen gehen aus den vier Kanten hervor, welche sich in der Caudalregion von Dactylopterus entwickeln. Ohne Zweifel dienen diese Knochen als sehr kräftige Stützapparate der Caudalis, was namentlich daraus hervorgeht, daß sie nach dem Prinzip der T-Träger gebaut sind, welche größte Tragkraft mit ge- ringstem Materialverbrauch verbinden. Die Form der Schwanzflosse erklärt sich aus der Abstammung von Dactylopterus; wie wir später zeigen werden, sind die Vorfahren von Dactylopterus benthonisch lebende Fische und höchstwahrscheinlich schlechte Schwimmer gewesen, welche sich in Klüften und Spalten der Korallenriffe oder auf seichtem Boden aufhielten. Die Caudalis kann durch Wrickbewegung dem Dactylopterus keine so große Schnelligkeit erteilen als die Caudalis von Exocoetus; immerhin genügt sie, um den Fisch aus dem Wasser emporzuwerfen. Um den Fisch schräg im Wasser emporzutreiben, scheinen die Ventralen mitwirken zu müssen. Die Ventralen sind bei Dactylopterus sehr weit nach vorn gerückt; werden sie nach hinten und unten schräg ausgespreizt, so muß der Fisch, vorwärts getrieben durch die Bewegung der Caudalis, schief in die Höhe steigen, weil der gegen die Ventralen gerichtete Gegendruck des Wassers den vorderen Teil des Körpers emporhebt. Ist einmal durch diese Steuerung der Ventralen der Körper schräg nach oben gerichtet, so wird der schräge Aufstieg durch die flache Ventral- seite des Körpers unterstützt, indem der Gegendruck des Wassers auf die ganze breite Ventralfläche wirkt und den Vorderteil gleich- falls in die Höhe treibt. Auf diese Weise wird bei Dactylopterus der Mangel einer hypo- batischen Caudalis ausgeglichen und der Fisch schräg in die Luft geworfen, wo er die großen Brustfiossen ausbreitet und nach Art der Exocoeten über die Oberfläche des Meeres dahinschwebt. 80 OÖ. Abel. [80] 7. Die Entstehung der Flugfische. A. Die Theorie von K. Moebius (1878). Mit der Frage der Herkunft und Entstehung der lebenden Flug- fische hat sich K. Moebius zuerst eingehender beschäftigt. Er ver- tritt die Meinung, daß die Fische mit großen Fallschirmflossen durch langsam fortschreitende Anpassung aus Formen entstanden sind, welche sich in oberflächlichen, stark durchlüfteten Wasserschichten aufzu- halten pflegten. „Bei solchen bildete sich daher das Bedürfnis nach Luft so stark aus, daß sie sich besonders behaglich fühlten, wenn sie bei kräftigen Schwimmbewegungen auf Augenblicke über das Wasser fuhren, wie dies bei uns die Uklei (Alburnus lucidus Heck.) tun oder die kleinen silberglänzenden Sprotteln (Spratelloides delicatulus Benn.) an der Küste von Mauritius, welche dort zuweilen in dichten Scharen von Hunderten, in mehreren rasch aufeinanderfolgenden Bogen, über den ruhigen Meeresspiegel der Binnenriffe springen.“ Durch die häufig geübte Gewohnheit, Sprünge über die Wasser- oberfläche auszuführen, werden nach der Ansicht von Moebius die Seitenrumpfmuskeln in kräftige und häufige Kontraktionen gesetzt und daher außergewöhnlich gestärkt. Wenn bei jedem Sprunge die Flossen ausgespannt wurden, so mußten auch deren Muskel verstärkt und durch die Steigerung der Blutzirkulation mehr Bildungsstoffe als sonst den Flossenstrahlen zugeführt, die Flossen selbst daher verstärkt und ver- srößert werden. Moebius steht also mit seiner Hypothese auf dem Boden der unmittelbaren mechanischen Anpassung, ein Standpunkt, welcher in dieser Form durchaus zu billigen ist. Die Ausbildung der schnellen und vorzüglichen Flieger unter den Flugfischen schreibt Moebius jedoch einer Auslese im Kampfe ums Dasein zu; die schnelleren Flieger konnten ihren Feinden besser entrinnen als die schlechteren. Schon Darwin weist darauf hin, daß niemand bei einem noch höheren Spezialisationsgrad der fliegenden Fische auf den Gedanken kommen würde, daß sie in „früherer Zeit Bewohner des offenen Meeres ge- wesen seien und ihre beginnenden Flugorgane, wie uns jetzt bekannt, nur dazu gebraucht haben, dem Rachen anderer Fische zu entgehen“ 4). Die Moebiussche Hypothese nimmt an, daß die lebenden Flug- fische von pelagischen Formen abstammen, die relativ kleine Flossen besessen haben. Wenn wir aber bedenken, daß grosse Flossen nicht nur den Flugfischen zukommen, sondern auch bei anderer Lebens- und Bewegungsart in verschiedenen Familien wiederkehren, so müssen wir uns mit der Frage beschäftigen, ob die fliegenden Fische pelagisch lebende Vorfahren besaßen oder ob nicht etwa die großen Flossen von einer anderen Lebensweise her übernommen und sekundär zu Fall- schirmorganen ausgebildet worden sind. Zu diesem Zwecke wollen wir versuchen, die wichtigsten Typen unter den großflossigen Fischen herauszugreifen und die Art ihrer Flossenvergrößerung im Zusammen- hang mit ihrer Lebensweise zu betrachten. !) Ch. Darwin, Entstehung der Arten, 4. Aufl, pag. 201. [8 1 ] Fossile Flugfische. 81 B. Vergrösserungen der paarigen Fischflossen. 1. Verlängerung einzelner Flossenstrahlen. l. In der Pectoralis: Beispiele: Coilia Galeoides Chilodactylus Bathypterois Pterois Chirothrix Pentanemus Dactylopogon. Polynemus 2. In der Ventralis: Beispiele: Uryodraco Mene Bathypterois Semiophorus Bregmaceros Histiophor us Photostomias Phyeis Dolloa Osphromenus Regalecus Trachypterus ‚Notosema Pantodon. 3. Funktion der verlängerten Flossenstrahlen. Die verlängerten einzelnen Strahlen haben bei den verschiedenen Typen verschiedene Funktionen. Nach L. Dollo!) lassen sich drei Typen unterscheiden: a) Verlängerte Strahlen, fadenförmig. Funktion: Tastorgan. Beispiele: Phyeis, Dolloa. b) Verlängerte Strahlen, steif, zugespitzt. Funktion: Ruderorgan. Beispiele: Bregmaceros, Photostomias. c) Verlängerte Strahlen, steif, spatelförmig. Funktion: Sexuell? Beispiele: Oryodraco, Bathypterois. 4. Aufenthaltsort der Fische mit verlängerten ein- zelnen Strahlen in den paarigen Flossen. Über die Lebensweise dieser Fische sagt A. Günther?): „Whenever we find in a fish long delicate filaments, developed in connection with the fins or the extremity of the tail, we may conclude that it is an inhabitant of still water and of quiet habits. Many deep- ‘) L. Dollo. Poissons. Expedition antarctique Belge. Anvers 1904, pag. 228. °?) A. Günther. Introduction to the Study of Fishes, 1880, pag. 308. Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) 1l 82 0. Abel. [82] sea fishes (Trachypteridae, Macruridae, Ophidiidae, Bathypterois) are provided with such filamentous prolongations, the development of which is perfeetly in accordance with their sejourn in the absolutely quiet waters of abyssal depths.“ 5. Vergleich mit den Flugfischen. Die Verlängerung einzelner Strahlen — in den Brustflossen oder Bauchflossen — steht weder in physiologischem noch in phylo- genetischem Zusammenhang mit der Flossenvergrößerung von Kxocoetus und Dactylopterus. Die Verlängerung betrifft keineswegs immer den gleichen Strahl, sondern verschiedene. In der Brustflosse sind entweder nur die obersten Strahlen verlängert (Coilia) oder ein mittlerer, wie der fünfte Strahl (Chirothrix), oder die oberen und unteren, während die mittleren verkürzt bleiben (Bathypterois), oder nur die untersten (Penfanemus). Ebenso betrifft die größte Verlängerung einzelner Strahlen in der Bauchflosse!) entweder den ersten Strahl (Photostomias, Dolloa, Regalecus), oder den zweiten (Bathypterois, Bregmaceros, Mene, Phyeis), oder den dritten (Uryodraco, Notosema), oder es sind mehrere von gleicher Länge (Pantodon),. 11. Vergrösserung der ganzen Flosse, a) Brustflossen. l. Verbreiterung der Flossenbasis. a) Verbreiterung der Brustflossen an ihrer Basis. Beispiele: Squatina, Oyclobatis. b) Verbreiterung der Basis, Längenzunahme. x) Flossen am Ende abgerundet. Beispiele: Aaja, Urolophus. 3) Flossen am Ende zugespitzt. Beispiele: Dicerobatis, Aötobatis. 2. Längenzunahme der Flossen ohne wesentliche Ver- breiterung der Basis. x) Flossen am Ende abgerundet. Beispiele: Scorpaena, Trigla, Platycephalus, Dactylopterus, Leptoscopus, Pegasus, Tachynectes. %) Flossen am Ende zugespitzt. Beispiele: Zxocoetus, T’horacopterus, Dollopterus. b) Bauchflossen. 1. Verbreiterung der Flossenbasis, Verlängerung unbedeutend. Beispiel: Selerorhynchus. ') L. Dollo. Poissons. Exped. antarct. Belge, ]. c. pag. 228. 183] ‚Fossile Flugfische. 83 2. Verlängerung der Flossen ohne Verbreiterung der Basis. a) Bauchflossen kleiner als Brustflossen. Beispiel: Exocoetus. b) Bauchflossen größer als Brustflossen. Beispiel: Gastrochisma. c) Bauchflossen enorm vergrößert. Beispiel: Chirothrix. c) Die Beschaffenheit der Flossenstrahlen bei grossflossigen Fischen. Die oben als Beispiele angeführten Fische lassen sich nach der Beschaffenheit der Flossenstrahlen in zwei Gruppen teilen; die eine umfaßt jene Formen, deren Flossen durch kräftige, in geringem Maße gegabelte Strahlen gestützt werden, während in der zweiten Gruppe die Typen mit schwachen, gegen ihr Ende vielfach gegabelten und reich gegliederten Strahlen zu vereinigen sind. In der ersten Gruppe stehen alle tectospondylen Selachier mit großen Flossen, die Scorpaenidae, Cottidae und Pegasidae; in der zweiten Gruppe stehen als Formen mit sehr reich gegliederten und bis viermal gegabelten Strahlen: Thora- copterus, Gigantopterus, Chirothrix, Dollopterus, Exocoetus; Dactylopterus besitzt dagegen kräftige, ungegliederte Strahlen. Die Strahlen von Dactylopterus sind jedoch zarter gebaut, als dies bei den Cotlidae, Scorpaenidae usw. der Fall ist. C. Lebensweise der grossflossigen Fische. Alle Fische, welche einen von oben nach unten stark komprimierten Körper besitzen (z.B. Rochen), sind Bodenbewohner. Bei solchen Boden- bewohnern kommt es häufig zur Ausbildung großer und starker Brust- flossen, die entweder die Lokomotion übernehmen (Rochen) oder zum Aufstützen und Festhalten dienen (Scorpaenidae, Cottidae). Man war früher vielfach der Meinung, daß ein Scorpaenide, Pterois volitans L., eine Lebensweise wie der Flugfisch führt, das heißt seine ungewöhnlich vergrößerten Flossen als Fallschirmapparate benutzt. Aber schon Cuvier und Valenciennes berichtigten diesen Irrtum; bei genauerer Betrachtung dieses Fisches sieht man, daß die großen Strahlen der Brustflossen untereinander nicht wie bei Kxocoetus oder Dactylopterus durch eine Flughaut verbunden, sondern vonein- ander zum größten Teil getrennt sind, wovon ich mich an einem Exemplar von Neuguinea im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien überzeugen konnte. Pterois volitans lebt benthonisch und hat bei dieser Lebensweise gleichfalls bedeutende Flossengröße erreicht. Auch die Gattung Apistus besitzt enorm vergrößerte Pectoralen, von welchen Günther!) sagt: „These fishes are very small, but of interest om account of the prolongation of their pectoral fins, which !) A. Günther. Introduction etc., pag. 416. lila 84 OÖ, Abel, [84] indicates that they can take long flying leaps out of the water. Howewer, this requires confirmation by actual observation.“ Es ist mir nieht bekannt, daß neuere Beobachtungen diese Ver- mutung bestätigt haben. Ein Exemplar von Apistus alatus Cuv. Val. von Tokio (im k. k. naturhistorischen Hofmuseum in Wien) besitzt sehr lange, Kxocoetus-ähnliche Pectoralen, aber sie sind an den Rändern ebenso tief zerschlitzt wie bei Pferois; auch dieser Fisch lebt bentho- nisch und die großen Flossen sind offenbar eine Anpassung an diese Lebensweise. Der kleine Pegasus volans L. ist ebenso wie P, draconis, P. natans und P. lancifer ein Grundfisch der Litoralzone; er ist nie im „Fluge*“ beobachtet worden. Auch die großflossigen Cottiden sind benthonische Typen; man kann also feststellen, daß die Entwicklung großer Flossen mit der. benthonischen Lebensweise in innigem Zusammenhange steht. Eine zweite Gruppe großflossiger Fische wird durch die Typen mit enorm vergrößerten Ventralen repräsentiert (G@astrochisma, Chiro- thrix). Gastrochisma melampus ist ebenso wie Nomeus Gronovii eine pelagische Type. Sehr auffallend ist das Vorhandensein einer medianen Bauchtasche bei diesen beiden Gattungen; es deutet dies darauf hin, daß die großen Ventralen in der Falte verborgen werden, um eine schnellere Fortbewegung zu ermöglichen, denn große, von vielen feinen Strahlen durchzogene Flossen hindern beim Schwimmen. Darum legen auch die Exocoeten die großen Fallschirmflossen beim Schwimmen dicht an den Leib. Die dritte Gruppe großflossiger Fische wird durch die lebenden Flugfische repräsentiert. Sie leben pelagisch und gehen, wie es scheint, nur zur Laichzeit in großen Scharen an die Küste. Wir erhalten daher folgende Übersicht: Geologisches = “ | | „| Vergrößerte | gu | Lebensweise | R | Beispiele ; | Flossen | j Alter m nn E ee ! * * . * | .. I | Myliobatidae: liicerobatis | Holocän | Scorpaenidae: Pterois | r ; 'ottidae: Platycephalus | E | Benthonisch Pectoralen Cot ide \ in ycephalus | Pegasidae: Pegasus “ | Trachinidae: Leptoscopus | 6 | | | Scopelidae: Tachynectes!) | Kreide | Cataphracti: Dactylopterus | ä | | Pectoralen | h ER | Holocän | ı Semionotidae: Dollopterus | Trias | Flugfische = RT og Tr -| | Pectoralen und | Scombrescoeidae: Exocoetus | Holocän | | Ventralen Pholidophoridae: Thoracopterus Trias x ERENEREF EEE | en ge | EEE VER VERTRETEN EEE En PER AT IM BEREITETE ; | ' Scombridae: Gastrochisma Holocän | Pelagisch | Ventralen 3 ee i : | £ | | o \ Chirothrieidae: Chirothrix | Kreide | | | | !) Unter den Arten der Gattung Tachynectes fällt besonders Tachynectes macrodactylus durch die Größe der Pectoralen auf. (W. von der Marck, Palaeontographica, XI, 1893, pag. 51, Taf. IX, Fig. 1, 2.) Der Körper dieses Fisches, der wahrscheinlich zu den Scopeliden gehört (A. Smith-Woodward, Catalogue of the Fossil Fishes ete., IV, pag. 270), zeigt jene Körpertype, welche wir bei j i | 1 i | j - [85] Sr Flugfische. 85 D. Die Entstehung der Fiugfische. Welche Lebensweise müssen wir also für die Vorfahren der lebenden und fossilen Flugfische annehmen? Waren es benthonische Typen oder haben wir Anhaltspunkte für die Moebiussche Hypo- these, der alle Flugfische von pelagischen Vorfahren ableitet? nn Wir müssen unter den Flugfischen zwei Typen scharf getrennt alten: I. Dactylopterus-Typus. Schwanzflosse homocerk, schwach ausgeschnitten, nicht hypo- batisch — Rückenflosse und Afterflosse groß — Ventralis klein — Brustflosse einen breiten Discus bildend, rund — vor der Brustflosse ein getrenntes Strahlenbündel — Brustflossenstrahlen un- gegabelt, ungegliedert — Schädel parallelepiped, mit sehr starken Knochenplatten bedeckt — Körper von oben nach unten komprimiert. a) Lebende Type: Dactylopterus. b) Fossile Typen: unbekannt. 11. Exocoetus-Typus. Schwanzflosse stark hypobatisch, tief ausgeschnitten — Rückenflosse und Afterflosse weit nach hinten gerückt, gegenständig oder die Afterflosse weiter hinten gelegen — Ventralis groß — Brustflosse lang, schmal, spitz oder schwach abgerundet — Brustflossenstrahlen reich gegabelt und gegliedert — Schädel oben abgeflacht — Körper schwach oder gar nicht von oben nach unten komprimiert. a) Lebende Type: Kxocoetus. b) Fossile Typen: Thoracopterus, Gigantopterus, Dollopterus. Obwohl Pantodon in seiner Körper- und Flossenform beträcht- lich von diesen beiden Typen abweicht, so kann man ihn doch nicht als einen prägnanten Flugfischtypus ansehen, da die Anpassung an den Flug bei diesem Süßwasserfisch noch keine durchgreifenden Ver- änderungen seiner Organe herbeigeführt hat. Die Vorfahren von Pantodon haben wahrscheinlich benthonisch gelebt. Der Dactylopterus-Typus hat so viele gemeinsame Züge mit benthonisch lebenden Fischen, wie den Scorpaeniden, Pegasiden oder Cottiden, daß an der benthonischen Lebensweise der Vorfahren dieses Flugfisches wohl kein Zweifel bestehen kann. Macrurus und Coilia antreffen. Auch bei Tachynectes ist die Schwanzflosse wie bei Macrurus, Coilia und anderen nach diesem Typus gebauten Fischen (L. Dollo, Poissons antarctiques. Anvers 1904, pag. 237—239) sehr reduziert. Dazu kommt die Reduktion der Beschuppung bei Tachynectes. Tachynectes war höchstwahrscheinlich eine benthonische Type. Dafür spricht 1. der macruriforme Körper, 2. die Reduktion der Caudalis, 3. die Reduktion der Beschuppung, 4. die große Pectoralis. Als Ausgangstypus für Fallschirmfische kann Tachynectes nicht in Betracht kommen, da die bei Fallschirmfischen ausnahmslos sehr kräftige Caudalis hier stark reduziert ist. 865 OÖ. Abel, [86] Die starke Beschuppung, die Form des Kopfes und seine Be- deckung mit panzerartigen Knochen, die Form der Caudalis, der Dorsalis und der Analis, die abgerundete Form der Pectoralis, die kräftigen Strahlen derselben, das separierte Strahlenbündel am Vorder- rande der Brustflosse und endlich die ganze Körperform — alle diese Charaktere finden wir bei Grundfischen, wie zum Beispiel unter den Cottiden bei Trigla, wieder. Die Ausbildung der Flugfähigkeit bei Dactylopterus mag dadurch zu erklären sein, daß sich die in seichtem Wasser lebenden bentho- nischen Vorfahren vor Feinden zu retten versuchten und dabei zu- weilen aus dem Wasser emporschnellten. Die schon bei der bentho- nischen Lebensweise stark vergrößerten Flossen bildeten ausgespannt einen vorzüglichen Fallschirm, der sich durch fortdauernden Gebrauch immer vollkommener an den Flug anpaßte, die schon während des benthonischen Lebens eingeschlagene Spezialisationsriehtung ortho- genetisch fortsetzend. Der Exocoetus-Typus zeigt dagegen keine Beziehungen zu ben- thonischen Formen. Für die Entstehung dieser Flugfische muß wohl die Moebiussche Annahme in Geltung bleiben, nach welcher die Vorfahren der Exocoeten — und dasselbe gilt für die triadischen Flug- fische — kleine Formen waren, welche durch häufiges Emporschnellen aus dem Meere die Flugfähigkeit ausbildeten. Ahlborn!) macht darauf aufmerksam. daß am Unterkiefer mancher Zxocoetus-Arten ein kurzer, kinnartiger, schiffspornähnlicher Vorsprung zu beobachten ist; solche Verlängerungen des Unterkiefers sind unter den Scombrescociden bei Hemirhamphus vorhanden. Es ist nun eine Beobachtung von höchstem Interesse, für deren Mitteilung ich Herrn Kustos F. Siebenrock sehr zu Dank verpflichtet bin. Siebenrock hat bei Massaua wiederholt MHemirhamphus beob- achtet, wie er nach Art der Exocoeten aus dem Wasser emporschnellte, aber nach kurzer Entfernung wieder in das Meer zurückfiel. In Verbindung mit den erwähnten Unterkieferformen einiger Kxo- coetus-Arten ist diese Beobachtung von großer Wichtigkeit, da sie die Annahme sehr wahrscheinlich macht, daß die Gattung Exocoetus von Hemirhamphus-artigen Typen abstammt. Das Emporschnellen aus dem Wasser wurde durch die hypobatische Schwanzflosse in außerordent- licher Weise erleichtert; bei vielen Seombresocoiden ist eine hypo- batisch gebaute Caudalis vorhanden. Durch die Lebensweise der Flug- fische wurde natürlich der untere Caudallappen infolge vermehrten Gebrauches bedeutend verstärkt, woraus sich die Schwanzflossenform der Exocoeten erklärt. Die Vorfahren der Exocoeten waren also offenbar sehr kleine Fische mit hypobatischer Caudalis, verlängertem Unterkiefer und großen Augen, einer bei pelagischen Fischen häufigen Erscheinung, und näherten sich wohl am ehesten dem Hemirhamphus-Typus unter den Scombrescociden. Fassen wir zusammen. Die großen Differenzen im Körper- baue der beiden Flugfischtypenbeweisen, daß ihre Vor- !) F. Ahlborn. Der Flug der Fische. Hamburg 1895, pag. 2. [87] Fossile Flugfische. 87 fahren verschiedene Lebensweise führten: die Vor- fahren von Dactylopterus eine benthonische, die Vor- läufer von Exwocoetus eine pelagische. Nach diesem zweiten Typus sind auch die fossilen Flugfische gebaut, von welchen wir bisher nur aus der Triasformation drei Gattungen kennen gelernt haben. Die Über- einstimmung der Körperform der fossilen Flugfische und Exocoeten beweist, daß die Umformung dieser nicht näher verwandten Typen nach mechanischen Gesetzen erfolgte, die seit den ältesten Zeiten organischen Lebens auf der Erde bis in unsere Tage fortdauern. Inhaltsübersicht. BIRISTEUNE. mie BI A er Erster Abschnitt. Biostratigraphischer Teil. l. Die Fischfaunen der alpinen Triasablagerungen I. Muschelkalkgruppe Perledo am Comersee . II. Lunz-Raibler Gruppe a) Besano (Lombardei) db) Raibl (Kärnten) c) Lunz (Niederösterreich) . III. Hauptdolomitgruppe . a) Giffoni (Unteritalien) . SODS OD DA a Qt mg | 1 —_ b) Seefeld (Nordtiro)) . 19] c) Lumezzane (Lombardei) 10 [10) IV. Übersicht der von mehreren Fundorten bekannten Fische der alpinen Trias N 3 11. [11] 2. Der Erhaltungszustand der Fischreste in den Ablagerungen der alpinen Trias. RE RE EIER ET re Re 3. Geologische und geographische Verbreitung der Pholidophoriden . 19... Zweiter Abschnitt. Morphologischer Teil. L. Die Flugfische der alpinen Triasablagerungen ..... 1 [19] 1. Thoracopterus Niederristi Bronn . . . RER LIE] I. Das typische Exemplar Bronns aus Raibl ERDE TR) II. Die drei Exemplare Kners aus Raibl. ..........20 [20] II, PIoPggonEr US Gap Ener ans Baibl . : » . . . 2... 2.3.20 Rn IV. Kritik der Beschreibungen Bronns und Kner eo 21 721] V. Identität von Thoracopterus Niederristi Bronn und Ptery- gopterus apus Kner . .. 26 [26] VI. Übersicht der bekannten Exemplare von Thoracopterus Nie. TIER DON ER a ee ee 26 126] 88 O. Abel. [88] Seite VII. Morphologische Charaktere des Thoracopterus Niederristi Er ER A a a N ee a RT ee ee 1: KORHaar0BE Em ae Br RO a a Ra REN Ä DL DICROHHDRUON N ee ee a al RT] BE RIONSON SE en el ea ae re DV 1008 5. Kopfskelett. . . . RT a VIII. Phylogenetische Stellung von Thoracopter WR re 2. Thoracopterus spec. . . . a ee ee ie RT 8: Giyantopterus Telleri.n..95 m pen same 2 ste anne 89 TB] 10 AUENRIEUNBBZURIBDN. u 4.0 a we a a a TOT 2, WORDOTBTÜBE +... .2....% ET NET ER Re re E00] 8 Böeschuppung. . : . ... EN a ES ie ne ae ROAD Ay RIOEBeN a RER RE a ee DE: WIRBOIBBDIE = 2 ne ee 6 00 A| 6. Kopfskelett ... N re 7. Phylogenetische Stellung von Gigantopteru BE ana N hr IL.Ein Fingfisch aus der JEUESOH En Trias... . 23 5 2 38 18] Dollopterus volitans Compter . . . N en TAT I. Morphologie von Dollopterus volitans Optr. SE Dr IB II. Systematische Stellung von Dollopterus volitans Cptr. 3 u BR 160] Ill. Geologische und geographische Verbreitung von Dollopterus BONS ONE Re ergear +0 00] III. Großflassige Fische aus der oberan KROTUB: eve 260400] Dritter Abschnitt, Biologischer Teil. 1. Fliegen die Rlugfische? ,.. Be IE Ve 4 OD, 10 2. Haltung der Flossen während fies Tlnoee u RR 1091 3. Haltung der Flossen während des Schwimmens..... 6 [61] 4:Anatomie der Falluchienflonsen 2 2 re hr AL 1. Spitzflossige a. re en A EEE 0H OL] 1. Exocoetus . . RE N ale ee SO SO 2 IMORGEODERUE NS ae se een ante RR Br GEHGRTODERTUE 5 a ne ER ee ea TR ADOBE ne ee a U 5. Pantodon . . N LE ER EUER A Ri LO II. Rundflossige Fingfische RB Er SIR NED Dactylopterus . . . a Re ee TS] 5. Form und Größe dar Hinsflschen ee Bau Kormiund Funktion der Gandalis ...:, 0er [77] Kr Beiapitzlössigen Mingßscheh a 2... 0. 0. 0 u re II. Bei rundflossigen Flugfischen . . . . ee ae TIL Wpsosentstehung der Klugfische . .....,..... 0 2u8:%0 [80] Asse 1heüria von K. Moöebius 117: >. a re [80] B. Vergrößerungen der paarigen Fischflossen . . 2.222222... 8l [81] I. Verlängerung einzelner Flossenstrahlen . . . » 22222.2.81 [S1] IE Vergrößerung der ganzen: PIE Can en area a) Brustflossen EEE ER EEE Re SE RE DE b) Bauchflossen . . . 82 [82] c) Die Beschaffenheit der Flossenstrahlen "bei "großflossigen IMIROHATE N N EI EIER BB 1501 C. Lebensweise der Bann Piäche ER TER SEI e le D. Die Entstehung der Flugfische ... 2.2. 22200. er, 47 605-1801 -2z assedÄysjoumsey III usıy EISUBSUOIOY uagasıdojoag 'q "7 1Op FepıoA "9061 ‘AT 'Pg “MEIsUEsyoIay uayosıßoj0ag '4 '4 dep yonquyer -3g04r) uoysıLmIeu d9p [eyyung Isıp ur uonYyusuoyay — "YOIOLIOJSgIOPIIN “zUn] UOA SBLLL 91940 -pqy 1aa]jaL snıoydoyuwsry *°9 "SIq "501%, A9yaılanyeu UT UONNNISUONSY — 'YOINLIEISQIHPAIN pun UsJuUIYy UOA SELLL 31940 -UUOAKE TISTIIOPOIN SNA9JdOo9RIoNL *€ "SIA 9019 OUOTLMEN gg "Br ‘699 "Zed ‘FO6I uopuorz ‘sougstg “TIA "TOA ‘Kıoysıy [eınya N aäprıque) Ay] :aoduojnog 'y 9 yoru Hldoy — 'UnNI9Wey UI AOAI-TIIOPTA *rodın ‘oduoy] :SunyerqıoA ayasıydeıdoan) — 'UW90[0H -SI9J9 1 1zJoyyangy uopoyuug *F "SIE i 901%) OUIILIMEN II Da II JeL “av "I "pa 74 ‘998T uaıy “uayrpeydsuassıy 'P 'PUeNYV SIEH A0p OyPLIIqsdunzyg “Lauy9epuraIs pm I9UM qavu ardoy — "Zınquey ur A01}JJ9por) swnasn sap 99IE IN — "I'M 088 “TS o5I dayun 99sSpnS A9p ul uadurj9d) — 'UWD0I0H -PUIOIS 39 I9Uy AOjJijfppwe] SNPP09OXY *& "SI 901) uayarınyeu op JENA UM "I BI] I JeL ‘C6ST Zmqweg 'oyastg ap Sag 19q :uroqIyy q yaeu ordoy — "UY90I0H .. *JSNJT WIE SNI9090XJ *7 "DIA I "3591 uayarınyeu A9p [Oli u -NOTAy UL UMOSMWFOT uOyosrIogsiyangen "2 'y wr eusng — "(a9ıoyyen 'foy) "Yqadeag oraurf op ol — "UEIOTON -sntojdojsj>Pult °T DII rin -OsyänLT SfIssoT T9aVY 'O Tafel Il. Fossile Flugfische. Jahrbuch d.k.k. geol. Reichsanstalt, 1906, 56. Band, 1. Heft. (O. Abel.) Erklärung zu Tafel II. Der Fisch liegt auf dem Rücken; die linke Pectoralis ist ausgespannt, die rechte zusammengefaltet. Sieben Basalia und ein Strahl der rechten Pectoralis sind aus dem Zusammenhange gerissen und nach hinten verschoben. Die Dorsalis ist verquetscht, die Analis nicht sichtbar. Der obere Caudallobus ist zum Teil ver- loren gegangen, zum Teil zusammengedrückt. Von der Beschuppung sind nur wenige Spuren sichtbar. r. Op. = Rechtes Operculum. r. P. = Rechte Pectoralis. l. P. = Linke Pectoralis. Ba. — Basalia der rechten Pectoralis. Ve. = Ventralis. Do. — Dorsalis. Ca, inf. = Unterer Caudallobus. Ca. sup. = Oberer Caudallobus. Sch., —— Einzelne Schuppen der Caudalregion. Sch., = Einer der vorletzten Schuppengürtel der Caudalregion, Tr. = Abdruck des Gehäuses eines kleinen Trachyceras. O. Abel. Fossile Flugfische, Tafel Photogr. u. Gigantopterus Telleri Abel. Obere Trias: Reingrabener Schiefer. — Fundort: Lunz (Niederösterreich.) — Original im der k. k, geologischen Reichsanstalt in Wien. (Natürliche Grösse) Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LVI, 1906. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt. Wien, III., Rasumofiskygasse 23. Lichtdruck v.’Max Jaffe, Wien. Museum I. Tafel Ill. Fossile Flugfische. Erklärung zu Tafel III. Fig. 1. Thoracopterus Niederristi Bronn. Obere Trias (Fischschiefer) von Raibl. — Original R. Kners (Pterygopterus apus Kner). — Im geologischen Museum der k. k. Universität Wien. Natürliche Größe. Fig. 2. Gigantopterus Telleri Abel. Obere Trias (Reingrabener Schiefer) von Lunz. — Gegenplatte des auf Tafel II abgebildeten Restes. — Im Museum der k. k. geologischen Reichsanstalt in Wien. Natürliche Größe. O. Abel. Fossile Flugfische. Tafel I. Phot. u. Lichtdruck v. Max Jafle, Wien, Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt, Bd. LVI, 1906. Verlag der k. k. geologischen Reichsanstalt, Wien, III., Rasumoffskygasse 23,