Die natürliche wagerechte Richtung von Pflanzentheilen und ihre Abhängigkeit vom Lichte und von der Gravitation. Von Dr. A. B. Frank, Privatdocenten der Botanik an der Universität Leipzig und Custos des Universitätsherbariums daselbst. Mit einer lithographirten Tafel. Ag Spe Leipzig, 1870. Verlag von Herm. Weissbach. | | ] u | i | i | | Einleitung I. Horizontale Stengel Die Ursachen der Richtung horizontaler Stengel 1. Liegende und kriechende Stengel 2. Die Coniferenzweige . 3. Die horizontalen Zweige der Laubhölzer . II. Richtung der Blätter und a i toga! ‘ . Erdblätter Br Soa . Blätter an aufrechten Stengeln . . Blätter an hängenden Stengeln . Blätter an horizontalen Stengeln III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae IV. Allgemeine Gesetze ety Erklarung der Aig Ace Einleitung. Die auffallende Erscheinung, dass die Richtung vieler Pflanzen- theile in einer bestimmten Beziehung zum Horizonte steht, zu- mal dass die Stämme und Wurzeln der allermeisten höheren Pflanzen bis herab zu den Stengeln ‘vieler Moose und zu den Stielen der Pilzhüte an allen Orten ungefähr der Lothlinie in ihrem Wachsthume folgen, hat schon seit dem vorigen Jahr- hunderte Anlass zu wissenschaftlichen Erörterungen über ihre Ursache gegeben. Man musste sich zunächst fragen, wofür denn eigentlich hierbei die Pflanze einen Sinn an den Tag lest. Es ist nachgewiesen, dass es nicht ein Sinn für ein gas- formiges Medium ist, welcher den Stengel aufwärts an die Luft zu wachsen treibt, und nieht ein Sinn für ein festes von Feuch- tigkeit durchdrungenes Medium, der der Wurzel den Weg nach abwärts in den Boden vorschreibt, auch nicht ein solcher für Licht oder Dunkelheit, nicht einer für Temperaturverschieden- heiten. Es bliebe somit eigentlich unter allen auf die Pflanze wirkenden Agentien, die unter den gewöhnlichen Verhältnissen zur Lothlinie in einer bestimmten Beziehung stehen, nur noch ein einziges übrig, auf welches also hier die Pflanze reagiren müsste, d. i. die Anziehungskraft der Erde, die ja überall der Lothlinie sogut wie parallel ist. In der That ist es den be- rühmten, später von Anderen wiederholten Versuchen Knight’s, die hier als bekannt vorausgesetzt werden, gelungen, den Beweis Frank, Richtung von Pflanzentheilen. 1 9 Einleitung. zu liefern, dass den Stengeln und Wurzeln ein Sinn für die Anziehungskraft der Erde gegeben ist, mittelst dessen ihneir die jedesmalige Auffindung ihrer natürlichen Stellungen ermöglicht wird (Geotropismus). Haben diese Versuche auch nur für ver- hältnissmässig wenige Pflanzenarten jenen Beweis erbracht, so darf man doch hiernach für die natürliche lothrechte Richtung der Stengel und Wurzeln auch der übrigen Pflanzen die gleiche Ursache annehmen, sobald nur festgestellt ist, dass diese Organe ebenfalls ganz unabhängig vom Medium, auch in vollster Dun- kelheit u. s. w. doch immer die verticale Richtung, der Stengel zenithwärts, die Wurzel erdmittelpunktwärts, herausfinden. Dieses ist denn auch an einer grossen Anzahl von Gewächsen erwiesen und kann es täglich leicht an anderen werden. Ja es zeigt sich sogar, dass manche Pflanzenglieder , welche unter gewöhnlichen Verhältnissen in keiner gesetzmässigen Beziehung zur Verticale sich zu befinden scheinen, eine streng lothr echte Stellung erst annehmen, wenn alles Licht von ihnen fern gehalten wird. Es haben nämlich sehr viele Stengel und Blattstiele auch einen Sinu für die Richtung, in welcher Lichtstrahlen durch sie hindurch- gehen, was a die weitere Fähigkeit vermittelt, sich, wenn sie von einer Seite her vorwiegend beleuchtet werden, nach dieser hin zu richten oder auch von ihr hinweg zu kehren (Heliotro- pismus). Diejenigen, welche sich gegen die Lichtquelle concav zu krümmen suchen, die positiv heliotropischen, werden mithin unter gewöhnlichen Verhältnissen auch durch das- Licht, insofern dasselbe von allen Seiten kommt, zu einer vertical aufrechten Stellung veranlasst und nur wenn dasselbe einseitig sie trifft, davon abgelenkt. Es sind aber auch Fälle von negativem Helio- tropismus bekannt, d. h. solche, wo der Pflanzentheil sich con- vex gegen die Lichtquelle zu krümmen also von ihr abzuwenden sucht und also unter gewöhnlichen Verhältnissen bis zu vertical abwärts geneigter Richtung gebracht wird. So war das Fliehen vor dem Lichte an den hypokotylen Stengelgliedern der Mistel- keimlinge und an den Zweigen des Epheus schon Dutrochet ') bekannt; Knight?) gab dies für die Ranken des Weinstockes 1) Mémoires p. serv. à hist. anat. et phys. etc. 2. p. 69 und 68. 2) Philos. Transact. 1812. p. 314. : Einleitung. 3 und der Ampelopsis hederacea an; Sachs *) fiir das hypokotyle Stengelglied von Zropacolum majus; ferner ist es für die Wur- zeln einer Anzahl Pflanzen bekannt?); endlich habe ich diese Eigenschaft an den ausläuferartig hinkriechenden und wenn die Umstände es erlauben, abwärts wachsenden Stengeln der Lysi- machia Nummularia®) und für die geneigten Enden der Stengel von Solidago villosa vor der -Blüthe *) nachgewiesen. Durch die hier bezeichneten Wirkungen der Gravitation und des Lichtes werden also, wenn man die verhältnissmässig wenigen Fälle des negativen Heliotropismus ausnimmt, die oberhalb des Bodens in der Luft lebenden Stengel immer zu vertical aufrechter Stellung gebracht. Diese Richtung ist denn auch ein so allgemeiner und charakteristischer Zug in der Erscheinung der ganzen Vegetation, dass die hergebrachte gewöhnliche An- “sicht das Bestreben aufrecht zu wachsen und verticale Richtung anzunehmen den über dem Boden stehenden Pflanzenstengeln als ein allgemeines Gesetz vindicirt, im Gegensatz zu den Wurzeln und manchen unterirdischen Stengeln, welche sich bei ihrem Wachsthume abwärts zu wenden suchen. Eine weitere. Folge dieser Ansicht ist es anzunehmen, .dass, wo solche Pflanzenglieder von der vermeintlich ihnen gesetzmässig zukommenden Richtung abweichen, wo sie statt vertical zu stehen, eine schräge oder wagerechte oder geneigte Stellung einhalten, dies einfach daher rühre, dass die Anlagerichtung , in welcher dieselben hervor- wachsen, von der Lothlinie abweicht, und dass ihr Bestreben sich geotropisch und heliotropisch zu krümmen, nicht so ener- gisch, wie das anderer Theile, auch wohl der Last des zu heben- den Gliedes selbst nicht gewachsen ist. x Es giebt jedoch eine nicht geringe Anzahl verschiedenartiger Pflanzenglieder , insbesondere Stengel, denen eine andere zumal horizontale Richtung ebenso gesetzmässig zuzukommen scheint, wie den übrigen die vertical aufrechte , indem wir sie regel- 1) Experimentalphysiologie p- 41. 2) Vergl. Hofmeister, die Lehre von der Pflanzenzelle p. 292 und Sachs, li ep. 41. 3) Beiträge zur Pflanzenphysiologie p. 52. - 4) eod. 1. p. 5l. 4 Einleitung. mässig in dieser oder in einer derselben genäherten Lage an- treffen, ebenso wie die letzteren augenscheinlich alle nicht loth- rechten Stellungen vermeiden. Das Folgende macht sich zur Aufgabe, zu untersuchen, was es mit solehen von der Lothlinie abweichenden zumal typisch horizontalen Richtungen von Pflan- zengliedern für eine Bewandtniss hat. I. Horizontale Stengel. Dass für die über dem Boden. stehenden Pflanzenstengel die vertical aufrechte Richtung nicht als ein allgemeines Gesetz gilt, zeigt jeder nur oberflächliche Anblick der Vegetation. Hier ‚soll zunächst dargelegt werden, was sich hinsichtlich der Richtungen typisch horizontaler Stengel der genaueren unmittelbaren Be- trachtung darbietet. Einen sehr einfachen Fall repräsentiren die Laubsprosse mancher Arten von Convallaria. Während dieselben bei einigen (C. verticillata L) bis zum Ende gerade aufrecht stehen, haben sie bei anderen (C. multiflora L) nur in dem unteren Theile verticale Richtung; der folgende mit Blättern besetzte neigt so- weit über, dass er nahezu oder völlig horizontale Richtung erreicht. Die Krümmungsebene ist hierbei eine streng mor- phologisch charakterisirte: die Blattstellung ist nimlich eine alternirende 1/,-Stellung, und der Spross neigt sich stets so, dass die Insertionsebene *) wagerecht wird, dass also am geneigten Sprosse die Blätter an der rechten und linken Kante stehen. — Hieran schliessen sich die Stämme der Bambuseae, deren obere die Blätter tragende Enden meist vollständig horizontal gerichtet sind. Auch diese sind zweizeilig heblättert, und immer steht die Insertionsebene horizontal; überdies ist diejenige Stengel- kante, an welcher die freien Scheidenränder liegen, zenithwärts 1) Hier und im Folgenden wollen wir die Ebene, in welcher die Achse des Stengels und die Insertion eines Blattes liegen, kurz als Insertionsebene bezeichnen. 6 I. Horizontale Stengel. gekehrt, wie ich wenigstens an Bambusa arundinacea Retz. und - Ludolfia glaucescens Willd. sehe, Zu horizontal gerichteten Stengeln gehören auch diejenigen, welche auf dem im Allgemeinen wagerechten Boden hinwachsen, und welche die Systematik als „kriechende“* und „liegende“ þe- zeichnet, je nachdem sie mit Nebenwurzeln an den Boden be- festigt sind oder nicht. Bei manchen Pflanzen sind sämmtliche Sprosse kriechend, wie bei Lysimachia Nummularia L., Vinea, Dichaea, Trifolium repens L., Polygonum aviculare L., Herni- aria, Corrigiola etc. etc. Bei anderen sind die Hauptstengel auf- recht, die unteren seitlichen liegend oder kriechend; so bei vielen Gräsern, wie Panicum Crus Galli L., Digitaria und vielen an- deren; ferner häufig bei Atriplex latifolia Wahlb., namentlich auch bei ausläufertreibenden, wie Glechoma hederacea L., Ajuga reptans L., Fragaria ete. ete. Wo hierbei morphologisch unter- schiedene Stengelseiten vorkommen, da besteht abermals eine bestimmte Beziehung derselben zur Krümmungsebene des Stengels. So liegt bei zweizeiliger Blattstellung (die Gramineen, Dichaea) die Insertionsebene horizontal, Auch unter den strauch- und baumartigen Gewächsen giebt es eine grosse Anzahl, bei denen die mit den Laubblättern beklei- deten Zweige in nahezu wagerechter Stellung sich befinden. Hier- bei sind mehrere Fälle zu unterscheiden. Bei einer Anzahl der- selben sehen wir den Hauptstamm in genau senkrechter Richtung emporwachsen; die aus ihm hervorgehenden Zweige, sowie alle weiteren Verzweigungen dieser befinden sich in horizontaler Stellung oder sind derselben wenigstens genähert. Zu diesem Typus gehört z. B. Pinus Picea L., balsamea L., canadensis Ait., Taxodium distychum Rich., sowie, wenigstens was die kleineren grünen Zweiglein anlanet, Tażtus baccata. Die- ersteren zeigen dies am exquisitesten, namentlich als jüngere Pflanzen. An er- wachsenen . Bäumen hängen die älteren Aeste in Folge ihrer Schwere mehr oder weniger abwärts; allein dann suchen sich die jüngeren: beblätterten Zweige immer wieder horizotal zu stellen, indem sie an der oberen Kante etwas concav- werden. Auf diese Weise kommt der charakteristische Habitus dieser Gewächse zu Stande. | In einer anderen Reihe von Fällen, so bei Tilia, Carpinus, Fagus, Ulmus, Celtis u. a, wächst auch der Hauptstamm nicht \ I. Horizontale Stengel. ji in verticaler Richtung aufwärts, sondern seine oberen Theile neigen über und werden so ebenfalls horizontal. Die Zweige sind es entweder schon vom Grunde aus, oder die kräftigeren sind ebenfalls schräg aufgerichtet und neigen erst in den oberen Theilen in die Horizontalebene über. Es erhellt, dass auf diese Weise die Hauptachse nicht zur Bildung des vertical stehenden Baumstammes verwendet werden kann, denn sie wird ja schon im ersten Jahre gegen ihr Ende hin schräg bis horizontal. Nun sind aber auch alle Sprosse der genannten Pflanzen in ihrer Fortbildung begrenzt: sie bilden nicht nur keine Terminalknospe, sondern werfen selbst ihre ausgebildeten Endtheile ab; eine darunter stehende Seitenknospe übernimmt die Fortsetzung des Sprosses im nächsten Jahre; es bilden sich die bekannten Sympodien. Auch der allmähliche Aufbau des hohen Buchen-, Linden-, Ulmenstammes kommt durch diese Sympodienbildung zu Stande. Jedes junge Bäumchen dieser Pflanzen in seinen ersten Lebensjahren giebt über diesen Aufbau Auskunft. Der Hauptspross der ersten Jahre ist aufrecht, bei weiterem Fort- wachsen neigt sich sein Ende allmählich über. Diese letzteren Theile sterben ab oder bleiben schwach; ein aus der mittleren noch ziemlich aufrechten Strecke des Sprosses hervorgegangener Seitenspross ist im folgenden Jahre in gleich kräftiger Weise aufgeschossen, jedoch wiederum nach oben zu übergeneigt. Dieser verhält sich nun genau so wie sein Vorgänger, und so alle fol- senden. So wird der Stamm aus einzelnen je um ein Jahr im Alter differirenden Gliedern, deren jedes einem höheren Verzwei- gungsgrade angehört, zusammengesetzt. Je üppiger der jeweilige Endspross aufschiesst, je länger sein unteres nahe verticales Stück sich gestaltet, und in je grösserer Entfernung von seinem unteren Ende die für seine Fortsetzung im nächsten Jahre bestimmte Knospe steht, um so rascher erfolet der Autbau des senk- rechten Stammes. — Es kann auch vorkommen, dass in einem gewissen Alter zwei oder mehrere Seitenknospen sich zu auf- strebenden Hauptsprossen entwickeln, und dass einer oder jeder derselben später wieder einmal mehrere solcher Hauptsprosse oleichzeitig aus sich hervorgehen lässt. Es wird auf diese Weise der Wipfel des erwachsenen Baumes aus mehreren aufrechten Hauptästen zusammengesetzt, wie dies gewöhnlich bei der Linde und Ulme der Fall ist. Die Glieder aller- weiteren Verzweigungen 8 I. Horizontale Stengel. dieser Pflanzen nehmen aber in der Regel schon von ihrer Basis an eine Ziemlich horizontale Stellung ein, und so ergiebt sich die oft sehr genau allein in der Horizontalebene sich haltende Verzweigung jedes Astes dieser Bäume. An diesen Typus schliessen sich auf das innigste zahlreiche strauchartige Gewächse, wie die Arten von Philadelphus, Deutzia, die strauchartigen Spiraeaarten, Sambucus nigra, die nicht klet- ternden Arten von Lonicera und viele andere. Der Strauch be- steht aus einer Anzahl senkrechter Haupttriebe, deren Verzwei- gungen in nahezu horizontaler Richtung sich entwickeln. Aus diesen Haupttrieben und zwar aus den unteren Theilen derselben, entspringen immer neue dergleichen; . jeder lässt wieder ein neues System horizontaler Verzweigungen aus sich hervorgehen. Auf diese Weise wird der Strauch dichter und umfangreicher. Die Haupttriebe sehen wir nun aber nicht ununterbrochen in vertiealer Richtung emporwachsen; sie erreichen . gewöhnlich in der nämlichen Vegetationsperiode, in welcher sie ihre Entwicke- lung beginnen, auch das Ende ihrer aufwärts gehenden Ver- längerung. Es sind nämlich kräftige, rasch aufschiessende Sprosse, welche, wenn sie eine gewisse Strecke gerade aufwärts gewachsen sind, ihren weiteren Zuwachs überneigen lassen. Ist auf diese Weise ihre Lingenwachsthumsrichtung wagerecht geworden, so haben dieselben die Fähigkeit eines weiteren’ Höherwerdens ver- loren. Daher kommt es, dass die Stämme dieser Pflanzen eben nicht baumartig sich erheben können, dass sie Sträucher bilden müssen. Die Haupttriebe sehen wir nun aber in der Regel, so- viel ihrer auch vorhanden sein mögen, nach auswärts in radialer Richtung (die über der Wurzel des Strauches errichtete Senk- rechte als Achse desselben betrachtet) überneigen, wodurch selbst- verständlich den horizontalen Ausbreitungen der Endtheile der- selben der erforderliche Platz geboten wird, ohne dass dieselben sich gegenseitig im Wege sind. Auf diese Weise wird der ma- lerische anmuthige Habitus des Strauches, freilich nur des sich selbst überlassenen, nicht künstlich verschnittenen hervorge- bracht. — Das. Verhalten der Zweige der Haupttriebe ist ein doppeltes und daraus entspringen wieder weitere Nüancirungen des Habitus. Entweder suchen die Zweige, auch schon diejenigen erster Ordnung, sehr entschieden in ungefähr horizontale Richtung zu gelangen, und zwar schon von ihrem Grunde aus; nur bis- I. Horizontale Stengel. 9 weilen erhebt sich ein kräftiger Zweig Anfangs etwas schräg auf- recht um doch alsbald bei weiterer Verlängerung sich horizontal zu neigen; so namentlich bei Philadelphus, Deutzia, Lonicera, Spiraea. Anders verhalten sich die Zweige, namentlich die- jenigen erster Ordnung, an Sambucus nigra. Wo diese Pflanze ungestört heranwächst, da sieht man die aus. den aufrechten bogenförmig nach aussen überneigenden Haupttrieben hervor- gehenden Zweige ebenfalls eine gewisse Strecke weit aufrecht sich erheben, um allmählich auch in einem Bogen herabzuneigen; und erst die Verzweigungen dieser stehen von Haus aus unge- fähr horizontal. Es können aber ein oder mehrere dieser Seiten- triebe, indem sie eine kräftigere Entwickelung zeigen, das Ver- halten der Haupttriebe nachahmen, und so ist die Möglichkeit gegeben, durch mehrfach wiederholtes Uebereinandersetzen solcher Sprosssysteme die Anfangs und mehr oder weniger lange Zeit in strauchartiger Form verharrende Pflanze zu verbaumen. Auch wo bei horizontalen Zweigen von Holzgewächsen zwei morphologisch differente Seiten sich unterscheiden lassen, besteht eine feste Beziehung zwischen diesen und der Stellung des Zweiges zum Horizonte. Dies gilt zunächst von denjenigen, welche zweizeilige Blattstellung haben, wie Tilia, Carpinus, Ul- mus. Die ausgebildeten Sprosse dieser Pflanzen sehen wir stets in einer solchen Stellung, bei welcher die Blattstellungsebene mit der Horizontalebene zusammenfällt und die Blätter also die rechte und linke Seite derselben bekleiden. Da nun die Seitensprosse achselständig sind, so ist schon von vornherein auch die weitere- Verzweigung des Sprosses in die Horizontalebene gebracht. Hier- bei ist nun aber zu beachten , dass die Blattstellungsebene der Seitensprosse in der Knospenanlage nicht horizontal, sondern be- trächtlich schräg steht, dass also nothwendig bei der Entfaltung des Sprosses eine Achsendrehung erfolgen muss, durch welche erst seine Blattstellungsebene gerade wagerecht wird. Das Fol- gende wird dies verdeutlichen. Betrachten wir einen horizontalen Winterspross von Tilia, so ist zunächst hervorzuheben, dass die beiden Blattzeilen,, die sich hier aus den Blattnarben mit Bequemlichkeit bestimmen lassen, nicht genau um 180° divergiren, sondern dass sie an der unteren Seite des Sprosses einander näher stehen. Der Bogen der Stengelperipherie, welcher sie hier verbindet, übertrifft einen 10 I. Horizontale Stengel. rechten Winkel nur wenig (vergl. die schematische Darstellung des Grundrisses eines horizontalstehenden Zweiges Fig. 1). Darum stehen denn die in den Blattachseln sitzenden Knospen ebenfalls nicht einander diametral gegenüber. Nun divergiren aber die beiden Blattzeilen der Knospe von dem Tragblatte etwa um 90°: die Linie ab Fig. 1, welche die beiden Blattzeilen der Knospe verbindet, schneidet die von dem Mittelpunkte des Hauptsprosses nach dem Tragblatte gezogene Linie etwa rechtwinklig. Auf diese Weise liegt an jeder rechten Knospe die eine Blattzeile: rechts oben, die andere links unten, an jeder linken Knospe die eine links oben, die andere rechts unten. (Vergl. dies und das Folgende an Fig. 1.) Immer liegt das erste tegmentum stipulaceum oben, es ist kleiner und bedekt das untere grössere mit seinen Rändern; beide gehören morphologisch als Nebenblätter zu einem nicht ausgebildeten Laubblatte, welches an den rechten Knospen links unten, an den linken Knospen rechts unten liegen würde. Die zweite Insertion ist also immer eine obere; sie bringt das erste Laubblatt zur Ausbildung. Hier, und so bei allen folgen- den Blättern, deckt immer wieder das obere Nebenblatt die Rän- der des unteren; und immer liegt das Blatt unter den übergrei- fenden Rändern der zugehörigen Nebenblätter, wie gleichfalls aus der eitirten Figur ersichtlich. — Terminalknospen fehlen bekannt- lich; die letzte Achselknospe, die bald eine-linke, bald eine rechte ist, übernimmt die Fortsetzung des Sprosses. Also stehen im t Knospenzustande die Insertionsebenen der rechten und der linken Sprosse in einem scharfen Winkel zu einander geneigt, und beide weichen von der Horizontalebene, wenn der Mutterspross wagerecht steht, ungefähr um einen Winkel von 45° ab. In dieser Stellung verbleibt aber der Spross bei seiner Entfaltung nicht. Was das Internodium des ersten Blattes anlangt, so bleibt dasselbe immer sehr kurz und verändert auch seine Lage zum Horizonte kaum: sein Blatt sitzt also an der nach oben und aussen gekehrten Zweigkante (vergl. in der schematischen Darstellung eines von oben gesehenen Horizontalsprosses Fig. 2 A die mit 1 bezeich- neten Insertionen). Das nächste Blatt, dessen Internodium etwas länger ist, liegt meist auch noch schräg einwärts nach unten (Insertionen 2) oder es ist schon. merklich der inneren Seiten- kante des Sprosses genähert. Die Insertionsebene des dritten Blattes endlich (Insertionen 3) steht immer horizontal; das Blatt I. Horizontale Stengel. 11 sitzt an der äusseren Seitenkante. Das folgende steht nun ent- sprechend an der inneren Seitenkante, und so ist nun die Blattstellungsebene des ganzen folgenden Theiles horizontal ge- stellt. Es erleiden also die untersten Internodien während ihres Längenwachsthumes eine Achsendrehung, die in jedem der- selben in gleicher Richtung und zwar um so stärker erfolet, je intensiver das Liingenwachsthum derselben sich gestaltet. Sie führt immer dahin, dass die Blattstellungsebene des sich ent- wickelnden Sprosses horizontal gerichtet wird, mit ihrer Vorder- seite nach oben gekehrt. Und zwar wird diese Stellung, wie aus Fig. 2 A ersichtlich, stets auf dem kürzesten Wege erreicht: d. h. es drehen sich die rechten Achselsprosse rechtsum, die “linken linksum. Ist jene Stellung erreicht, so steht die Drehung still. — Ganz dieselben Verhältnisse finden wir auch bei Ulmus, Carpinus ete., sowohl was die Blattstellung des Hauptsprosses und seiner Knospen (vergl. D611, zur Erklärung der Laubknospen der Amentaceen, Fig. 1, 2.), als auch namentlich was die Achsendrehung an den untersten Internodien der austreibenden Seitensprosse der horizontalen Zweige anlangt. Bei einer grossen Anzahl von Holzpflanzen mit wagerechten Zweigen ist aber die alternirende Blattstellung nicht zweizeilig, sondern mehrreihig. Von einigen derselben ist nun die merk- würdige Thatsache zu berichten, dass sie an ihren Horizontal- sprossen die von Haus aus mehrreihige Blattstellung beim Aus- treiben aus der Knospe in die zweizeilige umwandeln, indem sich einfach jedes neu hervorkommende Internodium soweit um seine Achse dreht, bis die Divergenz des Blattes vom vorhergehenden ungefähr 180° beträgt, wobei die Blätter ihre Stellung ab- wechselnd rechts und links an beiden Seitenkanten des horizon- talen Sprosses erhalten. Wenn wir einen aufrechten, nach oben allmählich horizontal werdenden Spross von Spiraea hyperici- folia L. betrachten, so finden wir die Blätter, soweit sie den ungefähr senkrechten Theil desselben bekleiden, genau nach der */>-Stellung angeordnet. An dem horizontal überneigenden Stücke (Fig. 3, von oben betrachtet) nehmen sie dagegen zweizeilige Stellung ein, sie sitzen abwechselnd links und rechts an beiden Seitenkanten. Gehen wir von einem Blatte 0 aus und schreiten an dem Sprosse unserer Figur in linksläufiger Spirale über die folgenden Insertionen, so steht jetzt nicht mehr die Insertion 5 über 12 I. Horizontale Stengel. 0, wie bei der 2/s-Stellung, sondern erst die Insertion 6. Dabei haben wir aber den Stengel dreimal, und wenn wir nur bis zur fünften Insertion fortschreiten, ungefähr %1/,mal umkreist, im letzteren Falle also um 1 Mal mehr als bei 2/;-Stellung. Es folgt also daraus, dass die Schritte etwas grösser geworden sein müssen, wie es denn eben die 1/,-Divergenz, in welcher jetzt die Blätter stehen, erfordert. Es handelt sich hier nicht um eine wirkliche Aenderung der 2/,-Stellung in die 1/,-Stellung, sondern es herrscht auch in diesem Theile des Sprosses der Anlage nach die 2/,-Stellung, und es wird eben jede Divergenz durch Drehung des Internodiums von 2/, auf .1/, Stengelumfang vergrössert. Von diesen Drehungen kann man sich auch im ausgebildeten Zustande des Sprosses dann überzeugen, wenn wie in unserem Falle der Stengel mit Längsriefen besetzt ist, welche von beiden Seiten eines jeden Blattkissens aus herablaufen. Diese Riefen, welche für gewöhnlich gerade Richtung haben, zeigen in diesem Falle einen spiraligen Verlauf, z. B. in unserer Figur besonders deutlich an den mit b bezeichneten Internodien. Die Gesetze dieser Drehungen kann man sich nun am leichtesten klar machen an den schematischen Normalprojectionen einer Anzahl aufeinander- folgender Internodien in Fig. 4. Die mit römischen Ziffern be- zeichneten Kreise bedeuten diese Normalprojectionen aufeinander- folgender Internodien , O bezeichnet die Ober-, U die Unterseite des Sprosses. Gesetzt, das Ausgangsblatt stehe in Fig. I bei 0, so würde bei rechtsläufiger :Grundspirale die nächste Insertion bei 1 stehen, wobei der zwischen 0 und 1 liegende Bogen = ?/s Kreisperipherie ist. Die von 0 nach 1 gezogene Linie würde dann die Richtung derjenigen Ebene unseres Internodiums be- zeichnen, welche horizontal gestellt werden soll. Um dies zu erreichen, muss das Internodium eine Achsendrehung in der Richtung des beistehenden Pfeiles, also in der Richtung des kür- zesten Weges der Blattstellung vornehmen, bis die Insertion 1 nach 1*gelangt ist, die Divergenz also tə geworden ist. Ist dies geschehen, so wird das folgende Internodium in seiner Nor- malprojection sich ausnehmen, wie es in II dargestellt ist. Liegt nämlich das vorhergehende Blatt bei 1, so müsste das darauf- folgende zunächst bei 2 stehen, wobei wiederum der zwischen 1 und 2 liegende Bogen = */s Kreisperipherie ist. Wiederum wird nun die von 1 nach 2 gezogene, Linie horizontal gestellt I. Horizontale Stengel. 13 in Folge einer in derselben Richtung geschehenden Internodien- drehung, durch welche die Insertion 2 nach 2* gelangt. Am Internodium III wiirde dann das Blatt bei 3 stehen, es wird wieder durch Drehung des Stengelgliedes nach 3* gebracht, u. s. f. Man sieht, wie auf diese Weise alle Internodien um einen glei- chen Bogen des Umfanges gedreht werden. Dieser beträgt Ys minus, 2/; Peripherie, oder 180°—144° == 36°. Wird aber jede Divergenz um 36° grösser, so wird die Zunahme beim fünften Blatte 5><36 = 180° betragen, was sich oben in der That bei der Betrachtung des Sprosses ergab. Nicht immer aber sind die Drehungen in jedem Internodium gleich gross, wie sich auch aus der Betrachtung der Fig. 3 ergiebt. Da, wo dies der Fall ist, wird man leicht finden, dass die beiden Blattzeilen nicht genau an den Seitenkanten des Sprosses stehen, sondern an der Oberseite desselben einander ein wenig genähert sind. Dies kommt auf folgende Weise zu Stande. Gesetzt, es stehe an der Stelle, wo die Neigung des Sprosses beträchtlicher wird und die Blattstellung in die zweizeilige übergeführt werden soll, ein Blatt nicht genau an der Seitenkante — und das wird ja der häufigere Fall sein —, sondern z. B. etwas mehr an der Ober- ‚seite (Fig. 5, I 0), so würde, bei rechtsumläufiger Grundspirale, die nächste Insertion bei 1 liegen, wobei wieder der Bogen von 0 bis 1 = 2/; Peripherie ist. Hier muss nun das Internodium des Blattes 1 um einen beträchtlichen Bogen gedreht werden, damit Insertion 1 nach 1*, nämlich in die durch 0 gehende Horizontalebene gelange. Die Drehung erfolgt auch hier wieder in der Richtung des kurzen Weges der Blattspirale. Jener Bogen beträgt, wenn wir das Bogenstück, um welches die Insertion 0 über der Seitenkante liegt, n nennen, offenbar (36 + 2n)° Am Internodium II würde hiernach das Blatt bei 2 liegen, wenn der Bogen von 1 nach 2 == ?/s Peripherie ist. Die durch 1 und 2 gehende Ebene ist also in diesem Internodium in Folge der Drehung des vorangehenden nahezu horizontal geworden; es bedarf hier nur der geringen Drehung von 2 nach 2*, also um einen Winkel, welcher, wie sich leicht zeigen lässt, (36—2n)® beträgt. Das nächste Internodium I muss nun wieder, um die Insertion 3 nach 3* zu bringen, die starke Drehung um (86 + 2n)? vollziehen, das vierte wiederum die schwache u. s. f. Es werden also die Internodien abwechselnd sehr beträchtliche 14 I. Horizontale Stengel. und sehr geringe Achsendrehungen erleiden; die ersteren sind in Fig. 3 mit b, die letzteren mit a bezeichnet. Ja es werden sogar die Internodien a gar keine Drehung mehr zeigen, sobald jener Winkel (86—2n)° = 0 wird, d. h. wenn n eine Grösse von 18° erreicht. Diejenigen Internodien, an welchen die Grund- spirale über die Unterseite hinläuft, erleiden die starken, die- jenigen, an denen sie auf der Oberseite verläuft, die schwachen Drehungen. Aus Fig. 6 wird ersichtlich sein, wie bei links- läufiger Grundspirale die Drehungen linksum, übrigens aber nach den nämlichen Gesetzen erfolgen müssen. In der That ist an den Sprossen unserer Pflanze die Grundspirale bald links- bald rechtsumläufig, und man findet auch dem entsprechend die in Fig. 3 dargestellten Achsendrehungen des Sprosses bald links- bald rechtswendig. -— In der hier erörterten Weise verhalten sich auch noch andere Spiraearten, ferner sehr deutlich Kerria japonica, und überhaupt wird man an vielen Holzgewächsen mit mehrreihiger Blattstellung an den horizontalen Zweigen in der Regel die Stellung von Blättern auf der Mitte der Ober- und Unterseite auffällig vermieden finden, sie vielmehr nach den Seitenkanten hingedrängt sehen, wodureh die Blattstellung mehr oder weniger den Anschein der Zweizeiligkeit erhält. So z. B. an den horizontalen Zweigen von Cydonia vulgaris Pers., Coto- neaster tomentosa Lindl. und gewiss zahlreicher anderer. Jeden- falls sind die hier erwähnten Fälle nur einige der evidentesten dieser Erscheinung. — Es darf jedoch nieht unerwähnt bleiben, dass bei manchen Sprossen an diesem oder jenem Internodium eine Abweichung des eben gefundenen Gesetzes sich einstellt, in- dem nämlich zwei einander folgende Blätter an der gleichen Seitenkante des Sprosses inserirt sind. Es ist denn also an dem zweiten Internodium die Achsendrehung nicht in derselben Rich- tung, wie am vorhergehenden, und wie ‚sie durch die Richtung der Grundspirale bezeichnet ist, sondern in entgegengesetzter Richtung erfolgt; die Divergenz ist nicht vergrössert,, sondern verkleinert oder vielmehr geradezu aufgehoben worden. — Es kann nicht verkannt werden, dass die hier besprochenen Achsen- ‚drehungen in naher Beziehung zu den Drehungen stehen, welche die basalen Stücke der Seitenzweige von Tilia, Ulmus etc. er- leiden. -Während dort nur die unteren ‚Theile diese Drehung auszuführen brauchen, um den ganzen Spross auf einmal mit I. Horizontale Stengel. | 15 seiner Blattstellungsebene horizontal zu stellen, muss hier eben jedes Internodium besonders sich um seine Achse drehen. Dies geschieht denn immer auch schon frühzeitig, nämlich wäh- rend der Streckung der Internodien beim Heraustreten derselben aus dem Knospenzustande. Und hierbei ist es von Wichtigkeit, dass jedes Internodium seine Drehung erst beginnt, wenn das vorhergehende die seinige vollendet hat. Dadurch wird vermie- den, dass die gesetzmässige Stellung eines Internodiums nicht etwa wieder aufgehoben wird durch Drehung eines älteren Stamm- stückes, mit welchem es ja fest verwachsen ist. Endlich sind auch von vielen horizontalen Sprossen mit op- ponirter Blattstellung solche Internodiendrehungen zu berichten. Hier sind namentlich-die Arten von Lonicera, Philadelphus, Deutzia zu nennen. An den aufrechten Hauptsprossen dieser Pflanzen stehen die Blattpaare regelmässig decussirt. An den horizontalen Seitenzweigen aber und meist auch mehr oder weniger deutlich an den überneigenden Enden jener finden wir die Blattpaare in einer und derselben Stellung aufeinander folgen: die Insertions- ebene jedes Paares steht horizontal, und es liegen somit alle Blätter in zwei die Seitenkanten des Sprosses einnehmenden Reihen. Auch hier wird die Aenderung der Blattstellung durch Drehung der Internodien herbeigeführt, deren Hergang man beim Austriebe der Knospen verfolgen oder auch aus den Torsionen des ausgebildeten Sprosses erschliessen kann. Letzere lassen sich auch hier an dem spiraligen Verlaufe der von den Blattinsertio- nen am Internodium herablaufenden Riefen erkennen. Betrachtet man diese genauer, so zeigt sich Folgendes. Gesetzt, das erste in Form von Laubblättern ausgebildete. Blattpaar sei ein horizon- tales, d. h. die Insertionen liegen links und rechts (vergl. die Darstellung eines horizontalen Sprosses von Lonicera Fig. 7); dann erfährt das Internodium keine Drehung. Das folgende Paar steht nun der Anlage nach mit dem ersten decussirt; sein Inter- nodium dreht sich aber um einen Winkel von 90% um seine Achse, so dass nun die Blätter in dieselbe Richtung wie die vorhergehen- den zu stehen kommen. Das dritte Paar kommt dadurch wieder mit seiner Insertionsebene in senkrechte Stellung, sein Internodium dreht sich aber ebenfalls um 90° um seine Achse und die Inser- tionsebene wird wiederum wagerecht gestellt u. s. f. Achtet man nun aber auf die Richtung, in welcher diese Drehungen erfolgen, 16 I. Horizontale Stengel. _ so findet man, dass sie in jedem Internodium die entgegengesetzte von der des vorhergehenden ist: erfolgt sie im ersten Internodium z. B. rechtsum (wie in Fig. 7), so geschieht sie im zweiten links- um, im dritten abermals rechtsum u. s. f Man sieht, wie auf diese Weise trotz der sehr beträchtlichen Drehung, die hier jedes einzelne Internodium erleidet, eine wirkliche Zusammendrehung eines ganzen Sprosses gar nicht zu Stande kommen kann, denn genau um das Bogenstück, um welches ein Internodium nach der einen Richtung gewendet ist, wird das folgende in der entgegen- gesetzten gedreht. Auf diese Weise kommt jedes Paar wiederum in diejenige horizontale Lage, die es im Knospenzustande eine Zeit lang einnahm, bevor nämlich das vorhergehende Internodium seine Drehung ausgeführt hatte, durch welche es eben mit ge- dreht wurde. Wir sehen nun auch hier wieder jedes Internodium erst dann seine Drehung vornehmen, wenn das vorhergehende die seinige vollendet. hat. Es ist also immer nur ein Internodium auf einmal in der Drehung begriffen. Damit steht es im Zu- sammenhange, dass immer auch nur ein Internodium auf ein Mal zur Ausbildung kommt; das folgende bleibt so lange fast im Knospenzustande, bis das vorhergehende (bis auf einiges später noch andauernde Längenwachsthum) seine Ausbildung beendigt hat. Zunächst verlängert sich das junge Internodium in der An- lagerichtung, und um die Zeit, wo seine Blätter sich beträchtlich zu vergrössern beginnen, stellt sich auch die Achsendrehung ein (vergl. Fig. 7). Zum Verständniss des regelmässigen Wechsels der Drehungsrichtung des Stengels von Internodium zu Internodium sei hier vorläufig auf Folgendes hingewiesen. Wir nehmen an, die Insertionsebene des ersten Internodiums, mag ihre Stellung nun von Haus aus gegeben oder erst durch Drehung erzielt sein, sei nicht ganz genau horizontal, und das werden ja die gewöhnlichsten Fälle sein, wie sich solche leicht auffinden lassen. Hat z. B. das erste Internodium durch eine linkswendige Drehung seine Inser- tionsebene nicht ganz vollständig in wagerechte Stellung gebracht, so wird das linke Blatt ein wenig mehr nach oben, das rechte mehr nach unten gekehrt sein (Fig. 8). Daraus folgt, dass das nächste Blattpaar, bevor sein Internodium sich gedreht hat, nicht genau vertical stehen kann; das obere Blatt liegt mehr der rech- ten, das untere mehr der linken Kante genihert. Nun sehen wir immer, dass dieses Internodium, um sein Blattpaar horizontal I. Horizontale Stengel. a is zu stellen, den längeren Weg der Achsendrehung verschmäht und den kürzeren einschlägt; d. h. es dreht sich in der entgegenge- setzten Richtuug, also in unserem Falle rechtsum. Man kann nun annehmen, dass auch hier die Drehung nicht ganz vollständig wird; darum muss das nächste Internodium wieder durch eine Linksdrehung auf dem kürzesten Wege in horizontale Stellung gelangen, u. s. f Warum das Internodium stets den kürzesten Weg wählt, soll weiter unten dargelegt werden. Die Ursachen der Richtung horizontaler Stengel. Die vorstehenden Betrachtungen zeigen, dass es eine grosse Anzahl Stengelorgane giebt, welche unter den gewöhnlichen Ver- hältnissen eine bestimmte wagerechte Stellung einhalten, sich wohl auch durch Krümmungen und Drehungen jedesmal in dieselbe be- geben, wenn sie der Anlage nach in einer anderen sich befinden. Sie genügen aber nicht, um die Ursachen dieser Stellungen auf- zuklären. Hierzu sind für jeden einzelnen Fall besondere Experi- mente nöthig. Alle Versuche, die ich in dieser Beziehung an- | gestellt habe, haben ergeben, dass die Richtungen der oben be- sprochenen wagerechten Stengel auf ganz analogen Wirkungen. der Schwerkraft und des Lichtes beruhen, wie dies von der verticalen Richtung anderer Stengel und der Wurzeln bekannt ist, dass sie ebenso das Ziel bestimmter eigenthümlicher Bewegungen sind wie jene. Dabei lassen sich nun aber hinsichtlich der Antheile und der Art der Wirkungen von Schwerkraft und Licht mehrere Fälle unterscheiden, die hier gesondert zur Besprechung kommen müssen. 1. Liegende und kriechende Stengel. Zunächst sind von allen übrigen bis jetzt untersuchten die kriechenden Stengel der Lysimachia Nummularia auszunehmen, ideren Eigenthümlichkeit bereits in meinen Beiträgen zur Pflanzen- physiologie p. 52) erortert worden sind. Ich habe dort gezeigt, wie diese Stengel, deren Spitze dem Boden immer in seichtem Bogen etwas aufgestemmt ist, auch abwärts wachsen, sobald sie bei ihrer Verlängerung auf abschüssiges Terrain gerathen, wie sie Frank, Richtung von Pflanzentheilen. 2 f / A te fie = hi vb 4 j= b> f Ar 4 re 18 I. Horizontale Stengel. aber, wenn sie vor dem Lichte völlig geschützt sind, ihre jungen im Wachsthume begriffenen Enden nahezu senkrecht aufwärts krümmen und dann unter solchen Umständen in dieser Richtung fortwachsen. Daraus folgt, dass die Stengel ebenso wie alle senk- recht wachsenden negativ geotropisch sind, dass aber das Licht anders als gewöhnlich auf das Längenwachsthum derselben wirkt: während in der Regel die Stengel positiv heliotropisch sind, haben diese negativen Heliotropismus, sie wenden sich von der Licht- quelle weg. Nun überwiegt aber hier ebenso wie in allen anderen Fällen die Wirkung des Lichtes diejenige der Gravitation, die Stengel suchen daher abwärts nämlich nach derjenigen Seite hin zu wachsen, von woher sie das wenigste Licht empfangen. Diese Richtung schlagen sie daher ein, wo die Umstände es zulassen (auf abschüssiger bis senkrecht geneigter Unterlage); auf horizon- talem Boden können sie eben nur diesem angeschmiegt fort- kriechen. Eine grosse Anzahl anderer auf dem Boden sich ausbreiten- der Stengel verdankt ihre Richtung einer anderen Wirkungsweise . des Lichtes. Zur Erläuterung derselben wähle ich als Beispiel Polygonum aviculare L. Dass es mit der Richtung der Stengel dieser Pflanze eine andere Bewandtniss hat, als im vorigen Falle, geht aus dem Verhalten derselben auf abschüssiger Unterlage hervor. Wo unsere Pflanze hart am oberen Rande eines senk- rechten oder steil abschüssigen Terrains, z. B. von Flussufern, oder von Hohlwegen, Gräben, Kies- und Sandgruben, Schutthaufen, u. dgl. wächst, da sieht man stets die über den Rand ragenden Stengel in ungefähr horizontaler Richtung ins Freie hinauswach- sen; nur wenn sie sehr lang werden senken sie sich etwas in Folge ihrer Schlaffheit; aber auch dann wird man doch die im Längenwachsthume begriffenen Enden etwas erhoben sehen: sie sind bestrebt, sich immer wieder in horizontale Stellung zu versetzen. Wo die Pflanze ganz auf abschüssigem Terrain steht, da sind ~ die ‘nachi'der- aufsteigenden Seite des Bodens gerichteten Stengel gehindert, in gerader Richtung horizontal fortzuwachsen. Sie er- heben sich aber nicht oder nur wenig auf der vor ihnen liegen- den ansteigenden Fläche, sondern müssen indem sie augenschein- lich wegen ihres Strebens horizontal vorwärts zu wachsen sich auf derselben aufstauchen; ‘links oder rechts ausweichen und wach- sen dann- seitlich in etwa horizontaler Richtung auf der Erde I. Horizontale Stengel. 19 hin. Wenn man nun Stengel, die auf horizontalem ebenem Boden hingestreckt sind, in vertical aufrechte Stellung bringt und in derselben fixirt, so findet man nach Verlauf einiger Tage, dass sie nicht in dieser Richtung fortgewachsen sind, sondern dass ihre Endtheile sich in einem Bogen gekrümmt haben, ‘dessen Coneavität nach unten gekehrt ist und die frühere Unterseite des Stengels einnimmt. Dadurch wird der freie Endtheil gesenkt, jedoch nur soweit bis er ungefähr die horizontale Richtung erreicht hat; ist dies geschehen, so steht die Bewegung still und der Stengel wächst nun wieder horizontal weiter. Jene Krüm- mung ertolgt hauptsächlich an den bekanntlich am stärksten und längsten wachsenden basalen Theilen der Internodien. Wenn man aber solche Stengel in senkrecht abwärts gehender Stellung fixirt, so erheben sich die jungen Enden in einem nach oben ge- öffneten Bogen bis sie sich wieder in der früheren wagerechten Lage befinden; dann hört die Krümmung wiederum’ auf und das weitere Wachsthum geht in der früheren Richtung fort. Nun be- darf es nur noch eines einzigen Experimentes, um über die Kräfte klar zu werden, welche Wiese Bewegungen verursachen. Es fragt sich, was mit diesen Stengeln geschieht, wenn sie sich im Dunkeln befinden. Zu diesem Zwecke wurden auf horizontalem ebenem Boden wachsende Pflanzen durch darübergestürzte grosse Blumen- äsche verfinstert. Die Löcher im Boden derselben waren mit Korkpfropfen verschlossen, und auf demselben wurde noch eine Erdschicht aufgetragen; die auf dem Boden ruhenden Ränder der Töpfe wurden bis zu einiger Höhe mit Erdreich bedeckt, Diese Vorrichtungen, die auch bei zahlreichen im Folgenden zu be- schreibenden gleichen Experimenten an im Freien wachsenden Pflanzen angewendet wurden, erwiesen sich in der vollkommensten Weise lichtabschliessend. Nach kurzer Zeit hatten die so behan- delten Individuen von Polygonum aviculare ihre sämmtlichen horizontalen Zweige senkrecht aufgerichtet und liessen sie in dieser Richtung fortwachsen. Die Krümmungen waren wiederum an den - Basalstücken der Internodien als den vorwiegend noch im Längen- wachsthume begriffenen — daher auch jetzt vergeilten — Theilen eingetreten. Daraus folgt, dass auch diese Stengel mit negativem Geotropismus ausgerüstet sind, dass aber das Licht die Wirkung der Schwerkraft zu verhindern vermag und Bewegungen veranlasst, welche bei gewöhnlicher Beleuchtung die horizontale Richtung des Orr dna einai ie cca ahaa es nln a mare one in a 20 I. Horizontale Stengel. Stengels zum Ziele haben. Dem Polygonum aviculare ganz gleich . verhalten sich wahrscheinlich zahlreiche krautartige Pflanzen mit niederliegenden Stengeln. Dafür sprechen die Resultate gleicher Ver- suche an einigen anderen Pflanzen. Mehrere der horizontalen un- teren Seitenzweige eines auf wenig bewachsenem Boden stehenden Exemplars von Atriplex latifolia wurden an ihren jüngeren Theilen in der beschriebenen Weise verdunkelt; nach kurzer Zeit hatten sie sich sämmtlich vertical aufwärts gekrümmt. Die jüngsten Enden dieser Stengel sind wohl auch im Lichte schon ein wenig erhoben, was darauf hindeutet, dass sich hier der negative Geo- tropismus schon etwas zeitiger einfindet als die Empfänglichkeit für die die horizontale Stellung herbeiführende Wirkung des Lichtes. Auch bei Panicum Crus galli krümmten sich die hori- zontalen unteren Seitentriebe einer ins Dunkele gebrachten Pflanze nach einigen Tagen aufwärts, diejenigen am kräftigsten , welche das stärkste Wachsthum zeigten. Auch wo diese und andere derartige Pflanzen am- oberen Rande eines abschüssigen Terrains stehen, wachsen die über den Rand ragenden Triebe horizontal ins Freie hinaus. Es lässt sich daraus schliessen, dass auch hier dieselbe Wirkung des Lichtes vorliegt, wie bei Polygonum avi- culare. Wiederum ein anderes Verhalten zeigen die Ausläufer von ragarıa und vermuthlich noch andere ausläuferartige Stengel- gebilde. Ich verdunkelte in der angegebenen Weise am Stand- orte der Pflanze selbst die Endtheile der Ausläufer von Fragaria lucida Hort. in ihrer natürlichen Stellung. Sie wuchsen unter diesen Verhältnissen kräftigst weiter, aber veränderten ihre Richtung nicht; nur an einigen ergaben sich kleine Ab- weichungen, die aber später wieder ausgeglichen wurden. Ich brachte nun solche Ausläufer theils in vertical gesenkte, theils in aufrechte Stellung, und zwar sowohl im Lichte wie unter Ver- finsterung. In beiden Fällen wurden hier die gleichen Resultate erzielt: die aufwärts gerichteten Triebe senkten sich während ihres kräftig fortschreitenden Wachsthumes allmählich, bis ihre Endtheile horizontal standen, die abwärts gebogenen erhoben sich | | ebenso bis sie in die nämliche Stellung gelangt waren. So ener- gisch wie bei den vorigen Pflanzen waren diese Krümmungen \\ hier nicht, der Stengel musste um ein Betrichtliches in die Länge wachsen, ehe die dabei erfolgende Krümmung so weit gediehen I. Horizontale Stengel. 21 war, dass die Endtheile horizontal standen. Dies hat wohl sei- nen Grund darin, dass die von Natur sehr langen Internodien in ihrer ganzen Länge jener Bewegung in weit geringerem Grade fähig sind, als in ihren Basaltheilen. . Die letzteren sehen wir nämlich vorwiegend die Krümmungen vollziehen, und wiederum in ihrer Iugend am energischsten. Daher fügt es sich bei jenen Experimenten, dass meist erst das auf das fixirte Internodium folgende nächste oder übernächste, welches unterdessen. zur Ent- wicklung kommt, die horizontale Stellung vollständig erreicht. Hier bleibt bei Ausschluss des Lichtes offenbar nur die Schwerkraft als wirkendes Agens übrig, und diese bewirkt also die ‘niimliche Stel- lung zum Horizonte, wie in jenen Fällen das Licht. Mithin giebt es hier an Stelle des gewöhnlichen negativen Geotropismus eine andere Art Geotropismus, deren Ziel die rechtwinklige Stellung der Längsachse des Organes zur Richtang der wirkenden Kraft ist. Die Basaltheile der Internodien sind wie schon gesagt für diese Wirkung am empfindlichsten, daher sieht man jeden aus einem Stocke hervorgehenden Ausläufer schon an seinem Grunde durch eine nach unten concave Krümmung aus der schräg auf- rechten Anlagerichtung, die er in der Achsel seines Tragblattes einnahm, in die horizontale Stellung sich versetzen. Hieran schliessen sich die horizontalen oberen Theile der Laub- sprosse von Convallariaarten. Junge Stengel von Convallaria latifo- lia Desf., welche eben ihre beblätterten Theile entfaltet und horizon- tal gerichtet hatten, wurden in dieser Stellung verfinstert. Nach Verlauf einiger Tage waren die Krümmungen gemindert, um so mehr, je weiter der Stengel noch vom Ende seines Wachsthums entfernt war, daher auch am merklichsten in den obersten jüng- sten Internodien. Ferner wurden eben aus dem Boden in senk- rechter Richtung hervortretende Stengel von Convallaria multi- flora L. und latifolia Desf. in natürlicher Stellung . ins Dunkele gebracht. Hier wuchsen dieselben schnurgerade in senkrechter Richtung bis zu beträchtlicher Höhe empor und blieben fort- dauernd in dieser Richtung stehen, auch nachdem die im Lichte erwachsenen gleichalten längst ihre beblätterten Theile horizon- tal gestellt hatten. Die Blätter blieben an diesen Exemplaren aufrecht dem Stengel ziemlich angedrückt, und mehr oder we- niger zusammengerollt. Es folgt daraus, dass diese Stengel auf ihrer ganzen Länge negativ geotropisch sind, dass aber die oberen 33 I. Horizontale Stengel. beblätterten Theile durch eine die Einwirkung der Gravitation - überwindende Wirkung des allseitig von oben kommenden Lichtes in wagerechte Stellung versetzt werden. 2. Die Coniferenzweige. Andere Ursachen haben die horizontalen Stellungen der Zweige der Holzgewächse Was zunächst diejenigen der oben genannten Coniferen anlangt, so wurden zur Ergründung der Ur- sachen ihrer Stellungen an Taxus baccata, Pinus Picea, Pinus balsamea und Pinus canadensis folgende Versuche angestellt. Die. Resultate derselben waren bei den einzelnen Pflanzen im Wesentlichen die nämlichen und lassen sich daher gleich in ‘all- gemeingültiger Fassung darstellen. I. Im Frühjahre wurden horizontale Zweiglein der genannten Pflanzen, deren neue Triebe eben in der Entwickelung begriffen, nämlich aus dem Knospenzustande zwar herausgetreten, aber am Ende ihres Längenwachsthumes noch nicht angelangt waren, in vertical aufrechter Stellung fixirt. Die Experimente wurden wie sämmtliche in der Folge zu besprechenden analogen an Ort und Stelle vorgenommen, ohne das die Versuchszweige von der Pflanze gelöst wurden. Die Blätter der neuen Triebe hatten sich an deren ältesten Theilen bereits in der bekannten Weise an der Oberseite gescheitelt und in diejenige Stellung versetzt, bei wel- cher die morphologischen Oberseiten aller zenithwärts gekehrt sind: Der Terminalspross stand also vertical aufrecht, alle. Seiten- sprossen aber ungefähr horizontal oder nur schwach schräg auf- wärts, jedoch so dass auch ihre Blattebenen senkrecht lagen. Nach kurzer Zeit, meist schon nach 24 Stunden, hatten die _ jüngeren noch im Längenwachsthume begriffenen Theile, an denen aber immer schon die Blätter zweizeilige Stellung angenommen hatten, ihre Richtungen verändert. Der Terminalspross war da- selbst in einem Bogen nach abwärts gekrümmt und zwar so, dass der in Bewegung gesetzte jüngere Theil in horizontale Stellung gerieht. War die letztere ungefähr erreicht, so erfolgte keine weitere Krümmung und das fernere Wachsthum geschah unver- ändert in horizontaler Richtung. Bei diesen Bewegungen wurde in der Regel die ursprüngliche Unterseite der Sprosse concav; es nahm also die Ebene, in welcher die Blätter lagen, horizon- I. Horizontale Stengel. 93, tale Richtung an, so zwar, dass die letzteren ihre Oberseiten wieder nach oben kehrten. Dies geschah jedoch nicht ausnahm- los; so war ein Terminalspross von Pinus canadensis an der ursprünglichen Oberseite concav geworden und sein horizontal _ gestelites Endstück kehrte nun die Seite, nach welcher die Blatt- unterseiten gerichtet waren, nach oben. Aber hier traten alsbald an dem weiterwachsenden wagerecht stehenden Stücke Achsen- drehungen des Sprosses ein, welche sich an dem unmittelbar auf die gekrümmte Stelle folgenden Stücke desselben vollzogen und ‘immer dahin führten, dass die zur oberen bestimmte Seite des Sprosses wiederum in ihre natürliche Lage gelangte. Die Seiten- sprosse dagegen, bei denen ja die Längsachse auch jetzt noch ungefähr wagerecht stand, erlitten keine Richtungsänderungen, oder stellten sich höchstens noch genauer in die horizontale \ Richtung, wohl aber beschrieben sie an den entsprechenden N) Stellen, wo die terminalen Triebe ihre Krümmungen ausbildeten, Achsendrehungen, und zwar ausnahmslos so, dass die morpholo- gische Oberseite auf dem kürzesten Wege nach oben gelangte, also die rechten Seitensprosse linksum, die linken rechtsum, jeder also nur etwa um 90° seiner Peripherie. Auf diese Weise wurde denn auch hier immer diejenige Ebene des Sprosses, welche Anfangs horizontal war, wieder in diese natürliche Richtung ge- bracht, wobei auch immer die Oberseite wieder dem Zenith zu- gekehrt wurde. II. Sprosse der genannten Pflanzen in demselben Entwicke- lungszustande wurden in vertical geneigter Stellung fixirt. Hierbei krümmten sich die terminalen Triebe aufwärts bis die erhobenen Theile wagerecht standen: alsdann hörte wiederum die Krümmung auf, und die weitere Verlängerung erfolgte in der horizontalen Richtung. Auch hier wurde die ursprüngliche Hori- zontalebene des Sprosses abermals horizontal, aber die Concavi- tät der Krümmung lag in der Regel an der Oberseite, es kam also auch diese wieder nach oben zu liegen, Doch wurde auch hier einmal, wiederum an Pinus canadensis, die Concavkrüm- mung an der entgegengesetzten Seite und hierauf eine Um- drehung des erhobenen Sprossstückes um seine Achse bis nahe um 90° beobachtet. Die Seitensprosse verhielten sich analog wie beim vorigen Experimente: sie blieben horizontal oder wur- den es noch genauer und jeder drehte sich so um seine Achse, 24 I. Horizontale Stengel. dass er auf dem kürzesten Wege seine Oberseite nach oben . kehrte, in’ diesem Falle also in umgekehrter Richtung als im vorigen: die rechten Sprosse rechtsum, die linken linksum. Die Achsendrehung erreichte stets nur höchstens 90°, sie stand still, sobald der Spross mit seiner ursprünglichen Horizontalebene wieder wagerecht stand. IH. Endlich wurden Sprosse von dem bezeichneten Entwicke- lungszustande in umgewendeter Stellung fixirt, nämlich so, dass zwar die Sprossebene noch horizontal, aber die Unterseite oben lag. Unter diesen Umständen zeigten terminale wie laterale Triebe ein und dasselbe Verhalten: die ältesten Stücke ihrer noch im Längenwachsthume begriffenen Theile erlitten Achsendrehun- gen, welche immer bis zu 180° fortschritten, sodann aber ein für alle Mal eingestellt wurden. Es hatten dann also die her- umgedrehten jüngeren Theile wieder die ursprüngliche Lage er- reicht, und es erfolgte nun unverändert in dieser Richtung das weitere Wachsthum in die Länge, wo solches nach erfolgter voll- ständiger Herumdrehung noch nicht abgeschlossen war. — Es braucht kaum erwähnt zu werden, dass bei allen eben beschrie- benen Experimenten die ältesten, des Längenwachsthumes nicht mehr fähigen Stücke der neuen Triebe, sowie alle ein- und mehrjährigen Theile weder Drehungen noch Kriimmungen erlei- den; sie bleiben vielmehr dauernd in der ihnen künstlich ge- gebenen Stellung. Dieselben Experimente wurden auch mit den genannten | Pflanzen unter sonst gleichen Umständen noch zeitiger im Früh- | jahre angestellt, nämlich zu der Zeit, wo die Knospen der neuen Triebe entweder noch geschlossen waren oder doch sich eben erst zu öffnen begannen. Die dabei gewonnenen Resultate zeigten bemerkenswerthe Unterschiede von denen der vorigen Versuche. Die Terminalsprosse der aufwärts wie der abwärts gerichteten Triebe nahmen sogleich bei ihrem Austreiben aus der Knospe durch Krümmung an ihren Basaltheilen horizontale Stellung an. Während aber bei jenen Experimenten die Krümmung stets in einer Ebene, welche. die Foliationsebene des ganzen Sprosses rechtwinklig schneidet (in Fig. 9 A, welche den Grundriss eines künstlich vertical gerichteten Sprosses darstellt, in der Ebene V H) und zwar in der Regel so erfolgte, dass die Oberseite wieder oben zu liegen kam, also nach H, wenn man den im Grundriss I. Horizontale Stengel. 25 dargestellten Spross aufgerichtet, nach V, wenn man ihn abwärts gerichtet denkt, so war in diesen Fällen eine solche bestimmte Beziehung der Krümmungsrichtung des neuen Triebes zur Orga- nisation des vorjährigen Sprossstückes kaum vorhanden. Zwar erfolgte nicht selten die Krümmung in der Ebene V H, aber gar häufig war dabei Oben und Unten verwechselt, so dass die Fortsetzung der oberen Kante des vorjährigen Sprosses am horizontal gewordenen neuen Triebe nach unten gekehrt war. Ja es wurde selbst die Ebene VH nicht mehr berücksichtigt, und die Krümmung erfolgte oft in beliebigen anderen Himmelsrich- tungen. Wo sie nun nicht in derjenigen Richtung geschehen war, welche durch die Organisation des vorjährigen Sprosstheiles angezeigt wurde, da hätte man den Resultaten der vorigen Ver- suche gemäss Achsendrehungen der Sprosse erwarten sollen, welche die in der Fortsetzung der Oberseite des alten Stückes lie- gende Kante des neuen Triebes wieder nach oben brachte. Allein die Sprosse behielten in allen Fällen die durch die Krümmung ein- mal herbeigeführte Lage unverändert bei. Vielmehr stellten sieh nun die Blätter, die ja beim Austreiben der Knospe und beim Eintritte der Krümmung noch ringsum gleichmässig dachig über- einander dem Stengel angedrückt lagen, so wie es nun in jedem einzelnen Falle erforderlich war, zweizeilig horizontal. Es er- hellt, wie jetzt oft ganz andere Blattreihen zu den jeweiligen Ober- und Unterblättern werden mussten, als am vorjährigen Stücke desselben Sprosses. Und ganz ebenso geschah es auch mit den aus den seitlichen Knospen hervorgehenden Trieben: sie- nahmen nur durch Senkung oder Hebung genauer horizontale Richtung an, von Achsendrehungen war nichts zu beobachten, die Triebe richteten in unveränderter Stellung selbstständig ihre Nadeln zweizeilig mit den Oberseiten nach oben. Und endlich zeigten sich die analogen Erscheinungen auch bei sämmt- lichen Trieben solcher Sprosse, welche, als jene noch im Knos-. penzustande sich befanden, in umgewendeter wagerechter Stellung | fixirt worden waren: sie wuchsen horizontal weiter ohne irgend- welche Drehungen zu erleiden, ihre Blätter legten sich zweizeilig | in der jetzt erforderlichen Stellung auseinander, und es lagen also diejenigen Blätter oben, welche bei natürlicher Stellung zu den unteren geworden sein würden. Es liesse sich einwenden, dass die hier geschilderte durch Veränderung der Stellung der 26 I. Horizontale Stengel. Knospe zum Horizonte herbeigeführte Verlegung ihrer Foliations- . ebene nur scheinbar sei, dass nämlich doch die Scheitelung der Blätter immer an derjenigen Kante eingetreten sei, welche schon durch die anfängliche Stellung dafür bestimmt war, und dass doch Achsendrehungen am untersten Grunde des Triebes stattgefunden hatten, die sich dort leicht übersehen lassen, um so mehr, als der junge Trieb, dessen Blätter eben noch nicht gescheitelt sind, kein sicheres Merkmal für die Beobachtung einer Drehung darbietet. Allein man kann sich ebenso leicht wie schlagend vom Gegentheile überzeugen. An jedem ausgebildeten horizontalen Zweiglein der genannten Coniferen sind stets die an der zenithwärts gekehrten Kante stehenden Blätter die kürzesten, die gegenüberstehenden die längsten, die zwischenliegenden von intermediärer Linge.1) Im Knospenzustande aber sind die Na- deln an allen Kanten des Zweiges noch einander gleich; erst bei ihrem späteren Wachsthum bilden sich diese Differenzen aus. Nun ist aber jedem Blatte schon im Knospenzustande die Länge vorgeschrieben, bis zu welcher es später anwachsen soll und es folgt diesem in ihm liegenden Triebe selbst dann bis zu einem gewissen Grade, wenn der Stengel während seine Blätter sich ent- falten und in die Länge wachsen nicht mehr die Stellung ein- nimmt, in welcher die prädestinirten Oberblätter oben lagen. ?) Die Seite also, welche in der Knospe oben lag, ist am entwickel- ten Sprosse stets diejenige, an welcher die kürzesten Nadeln sitzen. Nun sieht man an allen Trieben, welche in umgewendeter Hori- zontalstellung des Sprosses sich entfaltet haben, die kürzesten Nadeln an der jetzigen Unterseite, die längsten an der Oberseite. Bei den Seitentrieben senkrecht auf- oder abwärts gestellter Zweige wird immer diejenige Blattzeile, welche nach der mit den kürzesten Blättern bekleideten Seite des Muttersprosses gekehrt ist, aus kurzen, die nach der anderen Seite gerichtete aus langen Nadeln gebildet, denen natürlich auf beiden Seiten noch mittel- grosse beigemischt sind. Betrachtet man endlich die Terminal- triebe senkrecht gestellter Zweige, so wird man bei allen, welche sich in der Ebene VH der Figur 9 A und zwar so gekrümmt haben, 1) Vergl. Frank, Bot. Zeit. 1868, Nr. 51. 2) eod. loco, p. 879. I. Horizontale Stengel. 37 dass sie die Fortsetzung der Oberseite ihrer älteren Jahr- gänge wieder nach oben kehren, die kurzen Nadeln auf der Oberseite, bei denen aber, die sich in entgegengesetzter Weise gekrümmt haben, auf der Unterseite finden. An solchen aber, welche in irgend einer anderen Ebene als VH, z. B. in der Richtung V’H' Fig. 9 A gekrümmt sind, besteht die nach der morphologischen Oberseite des vorjährigen Triebes gekehrte Blatt- zeile vorwiegend aus kurzen, die nach der anderen Seite ge- richtete vorwiegend aus langen Nadeln (Fig. 9 B). Es fragt sich nun zunächst, wie die Zweige der in Rede stehenden Coniferen unter den gleichen Umständen in der Dun- kelheit sich verhalten. Ich habe zunächst Zweige aller genannten Species kurz vor dem Oeffnen oder während des Oefinens ihrer Knospen in natürlicher horizontaler Stellung verfinstert, bis die Ausbildung der neuen Triebe vollendet war. Dies geschah, in- dem die untersten Zweige niedriger Exemplare auf den Boden niedergehakt wurden: Die Endtheile liessen sich hier leicht wieder in horizontaler Richtung fixiren und wurden dann in der mehrfach erwähnten Weise durch übergestürzte grosse Blumen- äsche verdunkelt. Unter diesen Verhältnissen gelangten die Triebe zu vollständiger Entwickelung, nur waren sie vergeilt, sie hatten mit Ausnahme der obersten grünlichen Spitzen der älteren Blätter, welche schon vor Beginn des Versuches aus der Knospe hervor- sahen, fast rein weisse Farbe. Sie standen in allen Fällen in gewöhnlicher horizontaler Richtung, nur bei Taxus waren manche schwach geneigt, vermuthlich wegen der grösseren Schlaffheit, die der etiolirte Zustand mit sich brachte Es wurde nun an einem niedrigen Exemplare von Pinus Picea einer der obersten ein Jahr alten sehr kräftigen und genau horizontal gewachsenen Sprosse, deren neue Triebe eben aus den Knospen hervorgetreten, aber noch in der Fortentwickelung begriffen waren, in vertical aufrechter Stellung fixirt. Der senkrecht stehende Theil wurde in einen Holzkasten verschlossen; die für die Einschiebung des Sprosses bestimmte Spalte im Boden desselben schloss ich wieder durch Korkstreifen; diese sowie alle Ränder des Kastens wurden dann sorgfältig verschmiert, und das Ganze mit schwarzem Wachstuch umhüllt. Als nach 5 Tagen der Kasten geöffnet wurde, hatten die Triebe unter kräftigem Wachthume sich fertig entwickelt, und dabei hatte der terminale in der Nähe seiner 28 I. Horizontale Stengel. Basis eine rechtwinklige Krümmung beschrieben, er stand mit - seiner Foliationsebene horizontal, die Oberseite nach oben ge- kehrt. Die beiden neben dem terminalen stehenden seitlichen Triebe befanden sich ebenfalls in wagerechter Stellung und hatten ganz dieselben Achsendrehungen erlitten, wie es oben von den in gleicher Stellung im Lichte gehaltenen beschrieben worden ist. Ferner wurde ein Zweig von Pinus balsamea mit jungen noch nicht vollständig entwickelten Trieben in vertical geneigter ‚Stellung verfinstert. Nach 5 Tagen hatte sich der terminale in seiner jüngeren Hälfte aufwärts gekrümmt, soweit, dass wenig- stens der Endtheil horizontal stand; die Foliationsebene war wie- der wagerecht geworden, aber die frühere Unterseite nach oben gekehrt. Zu einer Umdrehung des Endtheiles um seine Achse war es aber nicht ‘gekommen, offenbar weil das Längenwachsthum nach erfolgter Krümmung abgeschlossen worden war. Dagegen hatten sich die beiden Seitentriebe in der bewussten Weise um ihre Achse so gedreht, dass wenigstens die Endtheile wieder nahezu in natürlicher Stellung, die Oberseite nach oben kehrend, sich befanden. Ich habe ferner auch Zweige von Pinus Picea, welche ihre Knospen in gewöhnlicher Richtung, aber im Dunkeln ausgetrieben hatten, noch ehe die Triebe vollständig entwickelt waren, in vertical aufrechter Stellung fixirt und weiter verfinstert. Der Erfolg war auch hier genau derselbe wie bei dem Eingangs beschriebenen Experimente mit der nämlichen Pflanze. Endlich wurden auch Zweige zur Zeit, wo die Knospen sich noch nicht geöffnet hatten, in die bezeichneten Richtungen versetzt und da- rauf gegen Licht abgeschlossen. Das Verhalten der sich ent- wiekelnden neuen Triebe hinsichtlich ihrer Stellung zum Hori- zonte war hier in allen Fällen genau dasselbe, wie bei den beschriebenen gleichen Experimenten im Lichte. Aus Vorstehendem geht hervor, dass die Zweige der ge- nannten Coniferen unter allen Umständen durch entsprechende Krümmungen wagerechte Stellung einnehmen, wenn sie vor oder | während der Periode ihres Längenwachsthumes in eine andere \ Richtung gebracht werden, und dass diese Krümmungen auch ‚bei völligem Ausschlusse des Lichtes stattfinden. Es würden sich ‚ daher diese Stengelorgane in ihrem Verhalten‘ den Ausläufern von Fragaria anschliessen und als Ursache ihrer Stellungen würde nur die Schwerkraft übrig bleiben können. Wie aber I. Horizontale Stengel. 29 die gewöhnlichen vertical aufrechten Stengel auch durch. das Licht in demselben Sinne wie durch die Schwerkraft gerichtet werden, so ist es nicht unmöglich, dass auch in diesen Fällen, wenn die Pflanzen dem Lichte und der Schwerkraft gleichzeitig ausgesetzt sind, das erstere eine gleichsinnige Wirkung wie die Gravitation ausübt. Für eine derartige Wirkung des Lichtes haben wir oben an den Stengeln von Polygonum aviculare ein thatsächliches Beispiel gefunden. — Hervorgehoben sei nochmals, dass wenn die Coniferensprosse einmal vermöge der eigenthüm-, lichen Scheitelung und Wendung der Blätter die differente Or- ganisation einer Ober- und Unterseite angenommen haben, jene Bewegungen in einer bestimmten Beziehung zu dieser Organisation stehen, indem stets die morphologische Oberseite des Sprosses zenithwärts zu liegen kommt. Wo durch Krümmungen allein diese Lage nicht erreicht werden kann, da helfen Achsen- drehungen, welche den Spross und zwar immer auf dem kürzesten Wege in die natürliche Stellung versetzen. Und auch diese Achsendrehungen erfolgen, wie eben gezeigt wurde, bei Auschluss des Lichtes; sie werden daher wie die eigentlichen Krümmungen ihre Ursache ebenfalls in einer Wirkung der Gravitation haben. Kommt aber der Spross noch ehe seine differente Organisation an der Ober- und Unterseite sich ausgebildet hat, in eine widernatürliche Lage, so wird, wenn sein Längenwachsthum beginnt, zwar auch immer die wagerechte Stellung wieder eingenommen, aber ohne dass jetzt eine bestimmte Kante zur oberen würde: es erfolgen nämlich die Krümmungen in be- liebigen Ebenen, und jene Achsendrehungen unterbleiben. So bleibt der Spross in jedweder horizontalen Lage, in welche er gerade gelangt, und es erfolgt nun erst seine morphologische Differenzirung entsprechend der Stellung, die er jetzt zum Hori- zonte einnimmt. Daraus geht aber hervor, dass nicht nur die Orientirung bei diesen Gestaltungsprocessen sich unmittelbar nach der jeweiligen Stellung des austreibenden Sprosses zum Horizonte richtet, sondern dass auch die Unterscheidung eines Oben und Unten, welche der Spross bei seinen durch Schwerkraft und Licht erregten Krümmungen und Achsendrehungen vornimmt, erst ein weiterer Ausfluss jener morphologischen Orientirung ist, dass mithin die Unterscheidungsgabe zwischen oben und unten durch die Wirkung der Gravitation selbst dem Sprosse beige- 30 I. Horizontale Stengel. bracht wird. — Wenn also der diesjährige Trieb eines horizon- talen Coniferenzweiges in genau derselben Weise gebaut und für Schwerkraft und Licht empfindlich ist, wie sein jähriger Vor- gänger, so kommt dies nicht daher, dass er die gerade Fort- setzung des letzteren ist und so etwa dergleichen Organisations- eigenthümlichkeiten von: ihm ererbt hat, sondern nur daher, dass er gerade in derselben Stellung zum Horizonte wie dieser seine Entwickelung gefunden hat, und darum der gleichen orien- tirenden Wirkung der Gravitation und des Lichtes ausgesetzt ge- wesen ist. 3. Die horizontalen Zweige der Laubhölzer. Auch bei den Zweigen der oben genannten Laubhölzer wird nach den sogleich zu beschreibenden hierüber 'angestellten Ver- suchen die horizontale Richtung ebenso wie in den jetzt be- sprochenen Fällen durch eine bestimmte Wirkung der Schwer- kraft und des Lichtes verursacht, Ich beginne mit L Tilia, Carpinus wd Ulmus, die insofern sich einander gleich verhalten, als sie zweizeilige Blattstellung haben und als ihre neuen Sprosse immer an der Basis um einen Theil ihres Umfanges sich drehen müssen, damit ihre Blattstellungsebene wagerecht wird. Die Versuche ergaben bei allen dreien gleiche Resultate. Zuvörderst kam es mir darauf an, zu wissen, welches Verhalten diese Sprosse zeigen, wenn man sie unter sonst gleichen Verhältnissen in veränderter Stellung zum Horizonte sich aus den Knospen entwickeln lässt. Hierbei muss man zunächst berücksichtigen, dass die im Frühjahre aus der Knospe hervortretenden Triebe eine Incurvation zeigen, der- gestalt dass die jungen Blättchen, bei natürlicher horizontaler Spross- stellung, abwärts gerichtet sind. Und zwar steht die Incurvations- ebene an der letzten Knospe ungefähr vertical, an den Seitertknospen aber ist sie geneigt, oft nahe um einen halben Rechten, derart, dass sie in der Richtung von der Spitze des Muttersprosses nach dessen Basis absteigt; der gekrümmte Theil ist also abwärts und zugleich gegen die Basis des Muttersprosses gekehrt. Bedenken wir nun, dass an den Seitenknospen die Blattstellungsebene von Haus aus ebenfalls schräg steht, aber so, dass die spätere Ober- seite des Sprosses gegen die Spitze des Muttersprosses: gekehrt , I. Horizontale Stengel. 31 ist, ‘so erhellt dass überall die Incurvationsebene die Blattstel- lungsebene ungefähr rechtwinklig schneidet; die künftige Ober- seite nimmt die Convexität, die Unterseite die Concavität der Krümmnng ein. Bei weiterer Entwickelung tritt nun die oben er- örterte Achsendrehung des Sprossgrundes ein, welche die Blatt- stellungsebene horiz utal und daher die Incurvationsebene der jungen Theile mehr vertical richtet. Uebrigens gleicht sich die Incurvation beim fortschreitenden Austrieb der Knospen fast gänzlich aus. : Wenn man nun solche Zweige in vertical aufrechter Stellung fixirt, vor dem Oeffnen der Knospen oder während desselben, so ist bei der Entfaltung der neuen Triebe Folgendes zu bemerken.* Die letzte Knospe kommt dadurch, dass sie zunächst ihre gewöhn- liche Ineurvation annimmt, etwa horizontal zu stehen. Sie gleicht nun beim Austriebe diese Krümmung an der Basis nicht aus, sondern verlängert den Spross in dieser wagerechten Richtung; | - dieser bildet also mit dem vorjährigen Stücke ungefähr einen rechten Winkel und kehrt seine zur Oberseite bestimmte Kante nach oben, wie sich dies aus dem, was über die Incurvation gesagt wurde, von selbst ergiebt. Ebenso befinden sich auch die Seitensprosse bei dieser Stellung vermöge ihrer Incurvation, mit der sie aus der Knospe hervortreten, schon nahezu in der natürlichen Stellung, weil sie etwa in rechtem Winkel vom Mutterspross ausgehend ihre zur oberen bestimmte Seite schräg nach oben kehren. Sie befinden sich in derselben Lage wie die Seitenknospen an dem unteren senkrecht stehenden Stücke eines kräftig aufgeschossenen erst oberwärts sich wagerecht neigenden Hauptsprosses. Wie dort, so sehen wir auch bei diesem Experi- mente die austreibenden Seitensprosse an ihrer Basis eine nur geringe Achsendrehung, die rechten linksum, die linken rechtsum vornehmen, wodurch die Blattstellungsebene genauer in horizon- tale Richtung versetzt wird. In der nämlichen Entwickelungsperiode wurden ebensolche Zweige unter gleichen Verhältnissen in vertical abwärts gerich- teter Stellung fixirt. Wenn die austreibenden Endknospen schon vorher die Incurvation angenommen hatten, so wurde dieselbe jetzt zunächst ausgeglichen; und wo sie noch nicht eingetreten war, da unterblieb sie oder wurde nur schwach angedeutet. Immer 1 si an nai al Bt nn 39, I. Horizontale Stengel. hatten also die hervorkommenden Sprossen zunächst nahezu senk- recht abwärts gerichtete Stellung. Bei der folgenden kräftigeren Streckung fand nun aber eine Aufwärtskrümmung statt, in Folge deren die Sprosse in horizontale Stellung gelangten oder derselben doch ziemlich genähert wurden. In der Regel wurde hierbei die ursprünglich oben gelegene Kante concav, so dass der Spross wieder in die anfängliche natürliche Lage kam. Nur bei Tilia parvifolia sah ich in einem Falle die ursprüngliche Unterseite concav werden und also zunächst nach oben zu liegen kommen, allein es trat alsbald an den ersten Internodien eine Achsen- drehung ein, durch welche der Spross um eine halbe Peripherie „herumgedreht wurde, so dass doch seine zur oberen bestimmte Seite wieder in die natürliche Lage kam. Die Achsendrehung liess sich aus der Vergrösserung der Schritte der Blattstellung erkennen. Was die Seitensprossen anlangt, so wurden sie wieder horizontal, ohne dass sich ihre natürliche relative Stellung zum Muttersprosse zu ändern brauchte: aber es wurde nun auch hier wieder durch entsprechende Drehung der Sprossbasis die Blatt- -stellungsebene horizontal. Waren nämlich am Anfange des Ver- suches schon Incurvationen vorhanden, so stand ihre Ebene zunächst schräg von der Oberseite nach der Unterseite des Muttersprosses auf- steigend, wobei die morphologische Oberseite des Sprosses schräg abwärts gekehrt war. Nun erfolgten aber wiederum Achsen- drehungen: die Incurationsebene drehte sich allmählich bis in wagerechte, endlich in nahezu senkrechte Richtung. Die rechten Knospen drehten sich rechts-, die linken linksum, also gerade so wie an den in natürlicher Horizontalstellung befindlichen Zweigen; nur wurde hier natürlich die Drehung noch weit beträchtlicher als in jenem Falle (offenbar ziemlich 135%). So kam also auch hier wieder die Blattstellungsebene in horizontale Stellung, und die Sprosskante, welche ursprünglich zur oberen bestimmt war, lag auch hier wieder zenithwärts. Endlich wurden zur selbigen Zeit derartige Zweige auch in umgewendeter horizontaler Stellung fixirt. Hier richteten sich die neuen Sprosse ebenfalls horizontal, so wie an einem nicht umgewendeten Zweige, aber es traten wiederum Achsendrehungen in den unteren Internodien der Laubblattregion ein, durch welche die Sprosse stets wieder in ihre ursprüngliche Lage um- gewendet wurden. -Dies zeigte sich schon an der Stellung der I. Horizontale Stengel. Stellung der Incurvationsebene der Seitenknospen. Wenn die | Zweige während des Oeffnens der Knospen umgewendet werden, | so sind die gekrümmten Theile aufwärts und. gegen die Basis des Muttersprosses gerichtet. Die Incurvationsebene dreht sich aber nun alsbald so, dass der obere Theil auswärts sinkt und sie selbst horizontal, zuletzt abwärts geneigt wird.. Es dreht sich also der rechte Spross links, der linke rechts um seine Achse. Dies lässt sich aber auch später an dem fertigen Sprosse aus den Stellungsverhältnissen der Blätter erweisen. Zur Erläuterung der- selben vergleiche man Fig. 2, welche in A einen in natürlicher hori- zontaler Stellung entwickelten Zweig von Tilia, in B einen solchen in verkehrter Horizontalstellung versinnlicht, beide jedoch in glei- cher Lage, so dass bei A der Zenith unten, bei B über der Fi- gur ist. In A sehen wir, wie schon oben erörtert wurde, den rechten Spross durch eine Rechtsdrehung, den linken durch eine Linksdrehung aus der Anlagerichtung in diejenige Lage versetzt, in welcher die Blattstellungsebene horizontal ist. In B aber ist diese Lage durch die gerade entgegengesetzte Drehung erreicht, denn während bei A die Blätter, 2, 4 etc. an der inneren, die Blätter 3, 5 etc. an der äusseren Seitenkante des Sprosses stehen, sind in B jene an der äusseren, diese an der inneren angeordnet; | und auch die Lage, welche die Blätter 1 in B einnehmen ver- glichen mit der in A zeigt deutlich, dass im umgewendeten Sprosse die Achsendrehung der unteren Internodien in einer der gewöhnlichen entgegengesetzten Richtung erfolgt ist. Es springt aber in die Augen, wie diese entgegengesetzten Drehungsrich- tungen doch mit jenen Erscheinungen unter einen Gesichtspunkt zu bringen sind, denn im vorliegenden Falle bezeichnet eben diese entgegengesetzte Richtung den "kürzesten Weg, auf welchem der Spross aus seiner Anlagestellung in diejenige Lage gelangen kann, in welcher die Blattstellungsebene wagerecht ist. Denn er hat, wie sich leicht zeigen lässt, auf diesem Wege nur etwa einen Bogen von 135° zu beschreiben, während er in der an- deren Richtung um 360 — 135 == 225° sich würde drehen müssen. — Ein ganz gleiches Verhalten zeigen nun auch die End- knospen, die ja weiter nichts sind, als die letzten Seitenknospen.- Ihre Incurvation gleicht sich gewöhnlich bald nach der Umkeh- rung aus. Aber aus der Stellung der Blätter im fertigen Zu- stande lassen sich ganz die gleichen Drehungsverhältnisse der 2 s 9 Frank, Richtung von Pflanzentheilen. Ə ae . Horizontale Stengel. Internodien erschliessen. Ist nämlich die Endknospe eine linke, so drehen sich ihre ersten Internodien rechts, ist sie eine rechte, so drehen sie sich links um ihre Achse, bis die prädestinirte Oberseite wieder zenithwärts schaut. So steht’ z. B. an einem in natürlicher Stellung gebildeten rechten Endsprosse von Car- pinus Betulus das 1., 3., 5. ete. Laubblatt links, das 2., 4., 6. ete. rechts. An dem analogen, aber in umgewendeter Stel- lung gebildeten Sprosse finde ich dagegen, wenn ich ihn wieder umdrehe und nun von oben betrachte, das erste Blatt links, das zweite rechts ziemlich oben, das dritte unten, das vierte links oben, das fünfte gerade rechts, das sechste gerade links und nun so fort. Es geht daraus hervor, dass die Stengeldrehung linksum erfolgt und nur soweit fortgeschritten war, bis endlich die ur- sprüngliche Oberseite wieder zenithwärts lag. Es sei noch bemerkt, dass die hier geschilderten Vorgänge in ganz derselben Weise auch dann eintraten, wenn die Zweige schon im Winter, während die Knospen noch fest geschlossen sind, in jenen Stellungen fixirt worden waren, wovon ich mich bei Tilia parvifolia und Carpinus Betulus überzeugte. Offen- bar ist also hier die Differenz einer Ober- und Unterseite des _Sprosses schon im Knospenzustande vorhanden, abweichend von den horizontalen Trieben der Coniferen, von denen wir oben gesehen haben, dass sie im Knospenzustande umgewendet beim Austreiben keine Drehungen eintreten lassen, weil sie immer erst nach dem Hervortreten aus der Knospe gemäss der Stellung, die sie dann gerade einnehmen, ihre zweiseitige Organisation anneh- men. Dies stimmt aber ganz zu der hier viel tiefer eingreifen- den Differenz zwischen oben und unten, welche die Organisation schon sehr frühzeitig in vielen Stücken zeigt (z. B. das nach oben Gewendetsein der Ränder der gefalteten Laubblätter, das Uebergreifen der Knospenschuppen und Stipulae). Wenn schon theilweise entwickelte, aber noch in der Fort- bildung begriffene Triebe der genannten Laubhölzer in andere Stellungen zum Horizonte gebracht werden, so sieht man auch diese sich wieder von selbst in die bisherige Stellung versetzen mittelst Krümmungen, beziehentlich Drehungen, welche stets in den ältesten noch im Längenwachsthume begriffenen Internodien erfolgen. Jeder derartige vertical aufgerichtete Trieb wird an I. Horizontale Stengel. 35 der ursprünglichen Unterseite concav bis der in Bewegung gesetzte Theil, dessen Oberseite dadurch wieder nach oben gekehrt wird, ungefähr in horizontaler Stellung angelangt ist und nun mit dem älteren Stücke etwa einen rechten Winkel bildet. Dann geschieht die weitere Verlängerung desselben in dieser Richtung. Jeder vertical abwärts gerichtete Trieb erhebt die noch in der Ver- längerung begriffenen Endtheile in horizontale Stellung durch eine Concavkrümmung an der ursprünglichen Oberseite. Jeder in umgewendete Stellung gebrachte horizontale Trieb endlich erfährt, ohne seine Richtung zu ändern, in der ältesten noch wachsenden Strecke eine Achsendrehung, welche 180° beträgt, wodurch also wiederum die ursprünglich oben gelegene Kante der folgenden Theile dem Zenith zugewendet wird. So stand z. B. an einem jungen Endtriebe eines horizontalen Lindenzweiges sogleich nach dessen Umdrehung das 1., 3. etc. Blaft an der rechten, das 2, 4. etc. an der linken Seite. Nach vier Tagen, während welcher Zeit die Verlängerung und Ausbildung des Triebes bedeu- tend fortgeschritten war, stand das erste Blatt, dessen sehr kurzes Internodium zeitig sein Längenwachsthum einstellt, noch unge- fihr an der rechten Kante; das zweite Blatt aber, dessen Inter- nodium unterdessen noch beträchtlich länger geworden war, stand etwa in der Mitte zwischen -der unteren und rechten Kante, sein Internodium hatte sich also, wie auch schon an seiner Torsion erkennbar war, um mehr als einen rechten Winkel um seine Achse gedreht. Das dritte Blatt stand nun in Folge der Torsion des vorigen und einer gleichsinnigen Drehung seines eigenen Internodiums gerade an der linken Kante, das vierte nun natür- lich, ohne dass eine Drehung seines Internodiums sich nöthig machte, an der rechten Kante, ‘u. s. f Ganz gleiche Erschei- nungen beobachtete ich auch an Trieben von Corylus, welche während ihrer Verlängerung in umgekehrter Stellung fixirt waren. Ferner suchte ich mir die Frage zu beantworten, wie sich die in Rede stehenden Vorgänge gestalten würden, wenn die Triebe dem Einflusse des Lichtes entzogen sind. Zu dem Ende wurden Zweige auf den Boden niedergehakt und die in der Ent- wickelung begriffenen Triebe derselben dort in der gewünschten Stellung fixirt und durch übergestürzte Blumenäsche verfinstert, in der Weise wie oben bei den Coniferen beschrieben wurde. Andere Zweige, die sich nicht bis auf den Boden herunterbiegen 93 oe un x - 7 sug mara ASS ee =e So tae ee SS r E x a N NE = "Eaten 36 ; I. Horizontale Stengel. liessen, verschloss ich in Holzkästen, welche an aufrecht in den Boden gesteckten Pfählen derart befestigt waren, dass ihr schieb- barer Deckel zu unterst stand. Die Kästen waren mit schwar- zem Pech ausgegossen, um jede zufällige Oeffnung für das Ein- dringen des Lichtes zu verschliessen.. Ebenso wurden, nachdem diese Vorrichtungen aufgestellt und geschlossen waren, die Rän- der des Deckels und die Spalte, durch welche das hintere Ende des Zweiges aus dem Kasten hervortrat, für den Eintritt von Licht abgesperrt. Erstens liess ich Zweige von Zilia grandifolia Ehrh., Carpinus Betulus und Ulmus intermedia Hort. in natürlicher Horizontalstellung ihre Knospen im Dunkeln austreiben. In allen Fällen standen die entwickelten vergeilten Triebe genau hori- zontal, ganz wie die im Lichte erwachsenen. Ferner wurde ‘ein in der Fortbildung begrifiener Trieb von Tilia grandifolia in vertical aufrechter Stellung verfinstert. Als die Vorrichtung nach 4 Tagen geöffnet wurde, war in den jüngeren Theilen eine Krüm- mung eingetreten, deren Concavitét an der ursprünglichen Unter- seite lag; und zwar hatte sich das drittjüngste Internodium etwas geneigt, das zweitjüngste, welches noch nicht völlig aus- gebildet war, hatte sich noch weiter abwärts gekrümmt und stand mit sefnem Ende horizontal, und in dieser Richtung stand nun auch das folgende jüngste noch kurze Internodium; dabei lag nun die frühere Oberseite wieder oben. Ein ebensolcher Trieb von Tilia americana L. wurde in vertical abwärts stehen- der Richtung fixirt und verfinstert. Dieser krümmte sich in der noch in der Verlängerung begriffenen Strecke aufwärts, die Con- cavität der Krümmung lag an der ursprünglichen Oberseite. Auch hier stand die Bewegung: still, sobald die horizontale Stel- lung erreicht war, da weitere Verlängerung- erfolgte in dieser Richtung. Endlich wurde ein gleicher Trieb von Tilia grandi- folia in umgekehrter horizontaler Lage im Dunkeln gehalten. Zuvor liess ich denselben 24 Stunden lang in gewöhnlicher Stellung im Dunkeln zubringen; darauf erst wurde er umgewen- det und ununterbrochen weiter verfinstert. In dieser Stellung befand sich anfänglich das erste Blatt an der linken Seite mehr der unteren Kante genähert, das zweite rechts, der oberen Kante etwas genähert, das dritte gerade links, das vierte rechts. Nach dreitägiger Entwickelung im Dunkeln hatte der Trieb seine wagerechte Stellung beibehalten und war auch in dieser Richtung I. Horizontale Stengel. 37 weiter in die Länge gewachsen, an den ältesten noch im Wachs- thume begriffenen Internodien waren aber Achsendrehungen erfolgt. Es stand nämlich das erste Blatt noch wie Anfangs links nach unten, das zweite rechts oben, das dritte, dessen Interno- dium noch merklich an Länge zugenommen hatte, sass rechts unten, das vierte mit abermals. stark verlängertem Internodium nahm nuh die linke Kante ein, und es war also damit die ur- sprüngliche Lage des Sprosses erreicht. Das fünfte Blatt stand nun an der rechten, und das jüngste sechste an der linken Kante; es waren also- keine Drehungen weiter eingetreten, sobald die naturgemässe Stellung erreicht war. I. Wir wenden uns zu den horizontalen Zweigen mit mehr- reihiger Blattstellung, bei welchen jedes Internodium für sich durch eine Drehung seine Insertionsebene wagerecht stellt. Zum Experimente wurde Spiraca hypericifolia gewählt. Die langen horizontal ausgestreckten Endtheile vertical aus dem Boden getrie- bener und noch in der Verlängerung begriffener Schösslinge wurden -theils in senkrecht aufrechter, theils in abwärts gerichteter Stel- lung fixirt. Sowohl im Lichte, wie in der Dunkelheit waren nach einigen Tagen die ältesten Internodien des noch im Wachs- thume begriffenen Stengelstückes gekrümmt, so dass die Concavi- tät des Bogens bei den aufgerichteten Sprossen an der früheren Unterseite, bei den abwärts geneigten an der Oberseite lag. Die Krümmung war nur soweit fortgeschritten, bis die in Bewegung gesetzten Theile ungefähr in wagerechte Stellung gelangt waren, in welcher nun also ihre früheren Oberseiten wieder oben lagen. Ferner wurden solche Sprosse auch in umgewendete Stellung gebracht, so dass die überneigenden Theile wieder horizontal lagen, aber nun ihre Unterseite zenithwärts kehrten. Auch hier- bei war der Erfolg im Lichte wie in der Dunkelheit derselbe. In den ältesten der noch im Wachsthume fortfahrenden Interno- dien stellte sich eine Achsendrehung ein, welche 180° betrug und also die jüngeren Theile wieder in die ursprüngliche Lage versetzte. Die Drehung erstreckte sich immer auf zwei bis drei Internodien. So lag z. B. an einem im Dunkeln gehaltenen Sprosse die Insertion des siebenten jüngsten Blattes noch wie ' þeim Beginne des Experimentes an der linken Sprosskante, das nächste Internodium hatte sich- soweit rechtsum gedreht, dass sein früher an der rechten Kante stehendes Blatt oben lag; das 38 I. Horizontale Stengel. nächste Blatt, dessen Internodium in gleichen Sinne gedreht war, ‚stand an der rechten Kante mehr nach unten, und das folgende Blatt stand nun an der linken Seitenkante, alles Folgende befand sich also wieder in der ursprünglichen Stellung. Man sieht also, wie die Achsendrehungen in den ältesten der „noch wachsthums- fähigen Theile eintreten, also immer in solchen Internodien, welche ihre ursprüngliche normale Drehung schon völlig been- diet haben; dagegen werden die jüngsten Theile, in welchen die letztere sich erst ausbildet, direct nicht alterirt, sondern nur durch die Umdrehung der älteren wieder in die natürliche Lage gebracht. Es fragt sich nun, welche Beziehung zwischen der Drehungs- richtung der Internodien und der Richtung, in welcher die aber- malige Drehung nach der Umwendung des Sprosses erfolgt, besteht. Bei allen angestellten Versuchen, im Lichte wie in der Dunkelheit, erfolgte die neue Drehung in der Richtung der ur- sprünglichen normalen, also in der Richtung des kurzen Blatt- stellungsweges, da dieser ja immer wie wir oben sahen, mit jener gleichsinnig ist. Es folgt daraus, dass die Internodien hier- bei noch etwas stärker gedreht werden, und zwar nicht unbe- trächtlich, denn die Summe dieser Drehungszunahmen beträgt ja in den wenigen reunie über welche sich die Torsion erstreckt, 180°. III. Endlich ist die vorliegende Frage noch in Bezug auf die mit gegenständigen Blättern versehenen horizontalen Zweige zu beantworten. In der Fortbildung begriffene horizontale Triebe von Philadelphus colombianus Hort. wurden theils in senkrecht aufgerichteter, theils in senkrecht geneigter Stellung fixirt. Auch hier trat bei jenen eine Abwärtskrümmung, bei diesen eine Auf- wärtskrümmung ein, bis die in Bewegung gesetzten Theile die wagerechte Stellung erreicht hatten, so zwar, dass in beiden Fällen die frühere Oberseite- wieder jen Himmel gekehrt war. Die Krümmungen waren auch hier in den ältesten der noch im Längenwachsthume begriffenen Internodien, etwa im dritten und vierten jüngsten, erfolet. Ferner wurde ein solcher Trieb in um- gewendete wagerechte Stellung gebracht. Nach einigen Tagen hatte sich das vierte jüngste Internodium, welches noch im Längenwachsthume. fortgefahren war, so stark um seine Achse gedreht, dass seine Blattebene gerade in umgekehrte Lage ge- kommen war, und die Blätter, ohne dass sie ihre relative Lage I. Horizontale Stengel. 39 zum Stengel verändert hatten, wieder in horizontaler Flächen- stellung die Oberseite nach oben kehrten. Alle folgenden Theile befanden sich nun selbstverständlich ebenfalls wieder. in anfäng- licher Stellung. Die Drehung war also hier auch in derjenigen Region des Stengels eingetreten, in welcher die anfängliche Inter- nodiendrehung schon beendigt war. Das im vorliegenden Falle abermals gedrehte Internodium war ein links gedrehtes, und die neue Drehung war rechtsum erfolgt, also in der entgegengesetzten Richtung. Dadurch war also das Internodium nicht nur wieder aufgedreht, sondern noch um ungefähr 90° in entgegengesetzter Richtung wieder zusammengedreht worden. Das vorhergehende Internodium, welches sich nicht gedreht hatte, zeigte noch seine anfängliche normale rechtswendige Torsion, und ebenso natürlich ' das jüngere- nachfolgende, welches ja durch die Drehung des vor- hergehenden Internodiums in die anfängliche Stellung versetzt wurde und darum keine Drehung zu beginnen brauchte. — Ferner wurde ein wagerechter Zweig von Lonicera Xylosteum L., dessen neue Triebe noch in der Streekung ihres letzten, aber schon ge- drehten Internodiums begriffen waren, in umgewendete Stellung gebracht. Die schwächeren Seitentriebe krümmten jetzt nach einigen Tagen ihr letztes Internodium rückwärts nach oben und zwar soweit, bis der Endtheil, also das das letzte Blattpaar tra- gende Stück, nahezu in horizontale Richtung gekommen war und nun die frühere Oberseite und somit auch das Blattpaar ganz in der früheren Stellung zum Horizonte sich befanden. Hin und wieder waren auch neben diesen Krümmungen mehr oder weniger deut- liche Andeutungen von Achsendrehungen des Internodiums zu erkennen. Der kräftigere Terminalspross hatte sein letztes Inter- nodium, welches nahezu in wagerechter Stellung verblieben war, ziemlich vollständig durch Achsendrehung in die ursprüngliche Lage versetzt. Die gewöhnliche Internodiendrehung war schon vorher ausgebildet, sie war eine rechtsum gehende. Die neue Drehung war nun linksum erfolgt. Ein ebenso behandelter Trieb von Lonicera diversifolia Wall. hatte nach einigen Tagen sein fünftes jüngstes Internodium, welches links gedreht war, durch eine Rechtsdrehung so gerichtet, dass die Insertionsebene seines Blattpaares ungefähr vertical stand; es war also gerade wieder anfgedreht worden. Das folgende Internodium, welches also ein rechts gedrehtes war, setzte die Rechtsdrehung, die das vorige tase bani nN ames i iin nenn Sr nn 40 I. Horizontale Stengel. Internodium begonnen hatte, soweit fort, dass die Insertionsebene seines Blattpaares wieder im ursprünglichen Sinne horizontal lag. Dieses Internodium war also noch weiter, nämlich um etwa 909, zusammengedreht worden. Endlich brachte ich einen ebensolchen Trieb von Lonicera diversifolia unter Lichtabschluss in umge- wendete Horizontalstellung. Es traten die analogen Erscheinungen ein: das dritte jüngste Indernodium (der Trieb war etwas schwäch- licher als der eben erwähnte), welches von Haus aus links ge- dreht war, hatte sich in gleicher Richtung noch etwas weiter gedreht, aber. nur soweit, dass die Insertionsebene seines Blatt- paares etwa vertical stand. Das folgende rechts gedrehte Inter- nodium setzte nun die Linksdrehung des vorigen noch soweit fort, dass die Insertionsebene seines Blattpaares wieder in die ursprüngliche wagerechte Lage gelangte; es hatte also dieses Inter- nodium sich wieder aufdrehen müssen. Aus alledem geht hervor, dass zwischen der Richtung der ursprünglichen Internodiendrehung und derjenigen, welche sich später nach Umdrehung des Sprosses einstellt, keine gesetzmässige Beziehung besteht: es wird bald das Internodium wieder aufgedreht, bald werden seine Torsionen noch gesteigert. Wohl aber haben die Drehungen überall das Gemeinsame, dass die erstrebte natürliche Stellung des Sprosses auf dem kürzesten Wege erreicht wird. Endlich schien es mir wissenswerth zu sein, welche Be- wandtniss es mit denjenigen Internodiendrehungen hat, welche jedesmal an dem sich selbst überlassenen Sprosse bei dessen Ent- wickelung eintreten und durch welche die Insertionsebene jedes Blattes beziehentlich Blattpaares in wagerechte Lage gelangt. Horizontale Sprosse von Deutzia scabra, welche alle Blattpaare durch Internodiendrehung wagerecht gestellt hatten und noch in der Fortbildung begriffen waren, wurden in natürlicher Stellung in der mehrfach beschriebenen Weise durch Ueberstürzen von Blumenäschen verfinstert. Das jüngste deutliche Internodium hatte eben seine Drehung vollendet, das entfaltete Blattpaar des- selben stand horizontal, die Blätter mit der Oberseite zenith- wärts gekehrt. Das folgende jüngere Internodium war noch ganz im Knospenzustande, sehr kurz, seine kleinen Blättehen waren noch gar nicht entfaltet und noch an der oberen und unteren Kante inserirt. Es wurde nun auf die weitere Entwickelung dieses Inter- nodiums während des Verweilens im Dunkeln geachtet. Nach- Lith. Anst.v. J.G. Back, Leipzig Me ren ———— a a a a AD EL I tated PSPS FAT I. Horizontale Stengel. | 41 dem die Triebe vom 24. Juni bis zum 20. Juli im Dunkeln zugebracht hatten, war das genannte Internodium in stark ver- geiltem Zustande zur vollständigen Entwickelung gekommen und hatte dabei auch seine gewöhnliche Drehung ausgeführt, derart, dass die Insertionsebene seines Blattpaares horizontal stand. Die Flächentheile des letzteren hatten sich zwar, bald mehr bald weniger vollständig, aus der Knospenlage entfaltet, aber nur geringe Dimensionen angenommen — die gewöhnliche Wirkung des Lichtmangels — aber ihre Stiele hatten die unten noch zu behandelnde Achsendrehung vollzogen, vermöge deren die Lamina horizontal mit der Oberseite aufwärts zu liegen kommt. Man sieht, wie die normalen Internodiendrehungen unter gleichen Umständen erfolgen, wie die übrigen hier erör- terten Bewegungen, und wir müssen hiernach annehmen, dass sie überhaupt nicht verschieden sind von denjenigen Drehungen hori- zontaler Zweige, welche an denselben eintreten, sobald dieselben künstlich in eine solche horizontale Lage gebrächt werden, in welcher ihre Insertionsebene nicht mehr horizontal liegt. Was hier künstlich geschieht, das wird bei den normal sich drehen- den Internodien von der Natur selbst bewirkt, weil in jedem derselben der zur Horizontalebene werdende Längsschnitt in an- derer Stellung als im vorhergehenden Internodium sich ausbildet. Wird ein solches Internodium, welches durch Achsendrehung bereits seine definitive‘ Stellung eingenommen hat, künstlich noch- mals in andere Lage gebracht, so hebt, dafern das Wachsthum desselben noch nicht beendigt ist, der Drehungsprocess von neuem an, bis er dasselbe abermals in die erstrebte Stellung versetzt hat. Auch die an der Basis der neuen Triebe von Tilia, Ulmus, Carpinus etc. regelmässig sich einstellenden Achsendrehungen schliessen sich hiernach innig an jene Inter- nodiendrehungen bei Spiraea, Lomicera, Philadelphus, Deutzia u. $. w. an. So lassen sich also alle hier erkannten Stengel- drehungen hinsichtlich ihrer Gesetze und ihrer Ursachen unter einen gemeinsamen Gesichtspunkt bringen. Ueberhaupt geht aber aus dem Vorstehenden hervor, dass auch alle die Bewegungen, welche die horizontalen Triebe von Laubhölzern vornehmen, um sich wieder in ihre natürliche Stellung zu versetzen, wenn sie aus derselben abgelenkt worden sind, nach demselben Plane erfolgen wie diejenigen der oben besprochenen Coniferen. Und da auch 42 I. Horizontale Stengel. sie in völliger Dunkelheit sich ebenso wie im Lichte vollziehen, ‚so folgt, dass sie gleichfalls durch die Schwerkraft allein verur- sacht werden können. Dabei ist es jedoch abermals möglich, dass unter den gewöhnlichen Verhältnissen ausser der Schwer- kraft auch das Licht an dieser Wirkung in gleichsinniger Weise sich betheiligt. Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. \ Den Stellungen, welche die wagerechten zweiseitig organi- sirten Stengel zum Horizonte einnehmen, sind auf das Innigste verwandt die Lagen, in welche Blätter mit organisch unterschie- dener Ober- und Unterseite zur Lothlinie und zur Richtung inten- sivster Beleuchtung sich versetzen. Das Folgende wird zeigen, dass ganz unabhängig von der jeweiligen natürlichen Fixirung und Anlagerichtung des Blattes oder seiner Glieder sowohl die definitive Stellung als auch die Bewegungsformen, welche in jedem Falle zu diesem Ziele führen, sich genau unter dieselben Gesichtspunkte bringen lassen, die wie für die eben erörterten horizontalen Stengelorgane gewonnen haben, und dass daher der morphologische Unterschied von Blatt und Stengel hierbei nicht in Betracht kommt. | | Bei den meisten flächenförmigen Blättern, und von diesen ist hier allein die Rede, besteht ein Unterschied der Organisation beider Seiten, der bekanntlich im Allgemeinen ‚sich darin aus- spricht, dass auf der einen Seite die Spaltöffnungen fehlen oder in geringerer Zahl vorhanden sind, dass die’ Cuticula daselbst stärker entwickelt ist, dass die unter der Epidermis liegenden Mesophyilzellen pallisadenförmige Gestalt haben, reichlicher Chloro- phyll enthalten, engere Intercellulargänge "bilden u. s. w. In der Regel ist dieses die morphologische Oberseite; jedoch nicht immer: z. B. bei Allium ursinum und anderen ist es die Unterseite. Wir werden nun sehen, dass keineswegs die morphologische Dignität, sondern nur die organisatorische Orientirung des Blattes in 44 Ik Richtung der Blatter und Blattglieder. einer gesetzmässigen Beziehung zu der natürlichen Stellung des Gliedes zum Horizonte steht. Es kommt in allen Fällen dahin, dass die eben bezeichnete Blattseite zenithwärts, eventuell gegen die Quelle intensivsten Lichtes, also die entgegengesetzte erd- mittelpunkt-, beziehentlich schattenwärts gekehrt wird. Darum wollen wir zur Verständigung bei den folgenden Erörterungen diese Seite kurz als Lichtseite, die andere als Schattenseite be- zeichnen, unabhängig von der morphologischen Dignität derselben. 1. Erdblätter. Mit diesem Ausdrucke will ich alle diejenigen grünen Blätter bezeichnen, welche aus einem am oder im Boden stehenden Stengelstücke entspringend über dessen Oberfläche erscheinen, also die fota radicalia der Systematik. Zunächst giebt es eine Anzahl Pflanzen, bei denen solche Erdblätter einzeln für sich aus einem ungefähr horizontal im Boden liegenden und daselbst oft weit umherkriechenden Rhizome hervorsprossen, vergleichbar den beblätterten einfachen Sprossen von Convallaria multi- flora etc. Diesen gleichen sie auch in der Richtung ihrer Theile zum Horizonte. In der Regel erhebt sich zunächst ein deutlich ausgebildeter oft langer Stiel in gerader senkrechter Richtung; die Blattfläche sitzt aber derart auf demselben, dass sie entweder vom Grunde an allmählig überneigend oder an der Uebergangs- stelle in den Stiel ziemlich scharf sich krümmend mit ihrer Ebene in horizontale Stellung gelangt oder derselben doch ziem- lich genähert wird, wobei die Lichtseite zenithwärts liegt. Bei- spiele hierfür sind weit verbreitet: die aus den Rhizomtrieben entspringenden Blätter der Petasitesarten, die von Anemone nemorosa und Verwandten, von Adoxa Moschatellina, Pulmo- naria officinalis, Majanthemum bifolium, Sanguinaria cana- densis, diejenigen vieler Aroideen; auch die an den liegenden Stengeln der Cucurbitaceen würden hier zu nennen sein. Häufiger stehen Erdblätter um den Grund eines in der Luft aufrechten Stengels in*grésserer Anzahl versammelt. Im ein- fachsten Falle ist das Blatt ein aus scheidiger Basis unmittelbar hervorgehender lang bandförmiger Körper, welcher sich auswärts in ungefähr wagerechte Richtung stellt, mit der Lichtseite nach oben. So bei vielen Arten von Carex, Scirpus, Luzula, bei II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 45 Hemerocallis und vielen anderen Monokotyledonen. Durch man- cherlei Uebergänge mit diesem verbunden tritt uns ein anderer Typus entgegen, bei welchem auf einem deutlichen senkrecht oder nahezu senkrecht stehenden Stiele eine beträchtlich in die Fläche ent- wickelte Lamina in mehr oder weniger vollständiger horizontaler Stellung inserirt ist (Funkia, Allium Victorialis, wrsinum, Convallaria majalis, Beta, Rheum, Rumex, Geranium, Malva, Trollius, Astrantia, Viola, Pulmonaria, Cyclamen, Lappa ete. etc.). Wiederum in anderen Fällen haben die Erdblätter ebenfalls aus- geprägte Entwickelung der Lamina, aber die Stiele treten mehr zurück, und es stellt sich nun das ganze Blatt, gleich an seiner Basis die entsprechende Krümmung vornehmend, horizontal, wo- bei es nun oft dem Boden innig anliegt, immer seine Lichtseite dem Himmel zuwendend. Das sind die Blätter, welche die so- genannten Wurzelblattrosetten bilden (Plantago major, media, die Arten von Androsace, viele Cruciferen wie Draba, Teesdalia, Capsella etc., ferner Cirsium, Leontodon, Hiraciumarten etc. etc.). Hinsichtlich der Ursache ihrer Stellung stimmen diese Blätter durchaus überein mit den horizontalen Sprossen und Sprossstücken von Convallaria multiflora, Polygonum aviculare ete. Dass hier die horizontale Richtung der. Lamina in causaler Beziehung zu der Richtung der Lichtstrahlen steht, deren Resultirende unter den gewöhnlichen Umständen mit der Lothlinie zusammenfällt, geht schon- daraus hervor, dass die auf hohen Stielen frei be- weglichen Blattflächen da wo sie vorwiegend einseitig beleuchtet sind, z. B. an Waldrändern, im Schatten dichtbelaubter Bäume, unter Gebüschen, die an einer Seite frei sind, nicht mehr hori- zontal, sondern so geneigt stehen, dass sie ihre -Lichtseite ungefähr rechtwinklig stellen zu der Richtung der jeweiligen schief stehenden Resultirenden der auftreffenden Lichtstrahlen. Auch die Blätter der Blattrosetten, welche letztere sich in der Natur freilich immer nur an freien, ringsum beleuchteten Stand- orten ausbilden, gehorchen dem gleichen Gesetze. Ueberdeckt man solche Pflanzen so, dass sie einzig und allein von einer Seite her durch eine schmale Oeffnung Licht empfangen, so erheben sich die der Lichtquelle abgekehrten Blätter soweit, dass ihre Lamina möglichst rechtwinklig zu den einfallenden Lichtstrahlen gestellt wird, während die nach vorn liegenden Blätter sich rückwärts niedersenken, wobei sie ja auch derjenigen Richtung genähert 46 -IL Richtung der Blätter und Blattglieder. werden, in welcher die Lichtstrahlen rechtwinklig die Lichtseite . des Blattes treffen. Vollständige Aufklärung gewinnt man end- lich, wenn die Entwickelung solcher Blätter bei völligem Aus- schlusse des Lichtes beobachtet wird. Ich setzte in Töpfen stehende Stöcke von Lappa minor, Rumex conglomeratus, Cap- sella Bursa pastoris, Plantago major und lanceolata, Primula elatior, Cirsium sp. und Ranunculus Ficaria, die alle noch in der Bildung ihrer Erdblätter begriffen waren, in natürlicher Stellung in einen völlig dunkeln Raum. Die Resultate waren überall die gleichen: diejenigen der ältesten Blätter, welche zu wachsen auf- gehört hatten, blieben mit ihrer Lamina dauernd in der anfäng- lichen horizontalen Stellung; die noch im Wachsthume begriffenen näherten sich der verticalen Richtung; und diejenigen, welche erst unter den neuen Verhältnissen sich entwickelten, wuchsen mit ‘allen ihren Theilen genau senkrecht aufwärts. Es standen dabei nicht nur die Stiele auf das genaueste vertical, sondern auch die Blattspreiten, die unter diesen Umständen immer eine ziemlich geminderte Entwickelung ihrer eigentlichen vom Mittelnerv aus- gehenden Flächentheile zeigen, hatten ihre Längsachse genau in lothrechte Stellung versetzt. Dies beweist, dass auch diesen Gliedern in ihrer ganzen Länge bis zur Blattspitze der gemeine negative Geotropismus eigen ist, dass aber das Licht auf die Lamina einen die Schwerewirkung überwindenden anderen rich- tenden Einfluss ausübt, bei welchem das Ziel eine zu den Licht- strahlen rechtwinklig stehende mit einer bestimmten morpho- logischen Seite der Lichtquelle zugewendete Lage ist. Ein besonderes Interesse in dieser Frage bieten solche Erdblätter, welche wie die von Allium wrsinum die Lichtseite an der morphologischen Unterseite haben und in der That bei ihrer wagerechten Stellung diese letztere der Lichtquelle zukehren. Die genannte Pflanze hat ein oder zwei aus der Erde hervor- kommende Laubblätter, welche einen senkrecht stehenden Stiel und eine horizontal sich neigende breite Lamina besitzen. Erste- rer ist wie gewöhnlich an der morphologischen Oberseite flach oder schwach rinnig, an der Rückenseite convex; er enthält eine Anzahl Gefässbündel, deren Xylemtheil wie gewöhnlich der Ober- seite zugekehrt ist. Auch in der Blattfläche behalten die Gefäss- bündel, und zwar in allen Verzweigungen, diese Lage streng bei. Im Uebrigen aber ist der Bau der Lamina der gerade umge- II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 47 kehrte als gewöhnlich: die morphologische Oberseite sieht matt weisslich-grün und ist mit sehr zahlreichen Spaltöffnungen besetzt. Die Unterseite hat dagegen lebhaft grünes, glänzendes Ansehen und entbehrt der Spaltöffnungen gänzlich. Der Mittelnerv springt auf der Oberseite kantenartig vor, so wie es sonst an der Unter- seite Regel ist. In der Knospenlage sind beide Längshälften der Blattfläche von den Rändern aus einwärts gerollt, und zwar so, dass die spaltöffnungsfreie Seite aussen liegt. Das Blatt kommt in senkrechter Richtung über dem Boden zum Vorschein; während seine Lamina sich aufrollt, neigt sie sich in nahezu horizon- tale Richtung, so dass die Lichtseite sen Himmel gekehrt wird. Die Krümmung wird ausgeführt durch den oberen Theil des Stieles und den unteren der Lamina. Es ist darum wohl auch von Bedeutung, dass die Mittelrippe, welche an den Blattflächen immer am kräftigsten derartige Krümmungen ausführt, in diesem Falle der gewöhnlichen Regel entgegen, an der morphologischen Oberseite liegt. Das Blatt neigt hier wegen der entgegengesetzten Krümmung nicht rückwärts, sondern vorwärts nach der gegenüber- liegenden Seite; und wo zwei Blätter vorhanden sind, die sich immer einander gegenüberstehen, kreuzen sich ihre Stiele, in der Regel schon am untersten Ende. Bisweilen erleiden auch die Stiele mehr oder weniger deutliche, eine Viertelkreisperipherie kaum erreichende Achsendrehungen, welche schon ziemlich zeitig, bevor die Blattfläche ihre geneigte Richtung empfangen hat, erfol- een. Dadurch wird jene Kreuzung der Stiele mehr oder weniger vermieden, und das Blatt gelangt so oft nahezu in diejenige Stellung, die es ihm gleich einem gewöhnlichen Blatte gestattet, nach aussen überzuneigen. Um über die Ursachen der Stellung dieser Blätter ins Klare zu kommen, setzte ich Ausgang Winters gesammelte Exemplare von Allium ursinum in Blumentöpfe und liess sie in einem dunkeln Schranke verschlossen zur Entwickelung kommen. Beim Beginne des Experimentes, am 29. Februar, befanden sie sich in verschiedenen Entwickelungszuständen: Zwei Exemplare hatten ihr ältestes Blatt bereits ausgetrieben, und dieses begann von der Spitze aus seine Ränder aufzurollen und stand mit seinem geöff- neten Endtheile bereits schräg, die Unterseite dem Himmel zu- wendend. Drei andere hatten zwar ebenfalls das älteste Blatt über den Boden hervortreten lassen, dieses stand aber noch völlig 48 U. Richtung der Blätter und Blattglieder. senkrecht und war noch ganz zusammengerollt. Bei den übrigen 18 Exemplaren war noch nichts von den Blättern erschienen. Am 5. März hatten alle ihr erstes Blatt vollständig hervorgetrie- ben, unter erheblichem Längenwachsthume des Stieles. Die- jenigen, welche nicht schon vorher ausgebreitete Blattflächen hatten, waren. auch jetzt noch zusammengerollt, nur waren die Rollungen gewöhnlich etwas gelockert. Die Blattstiele hatten bei einigen keine Achsendrehungen ausgeführt, bei den meisten aber waren solche sehr deutlich eingetreten, bei einigen so- gar bis zu einer halben Kreisperipherie. Die beiden ältesten Blatter hatten die tibergeneigte Stellung ihrer oberen Enden nahezu wieder ausgeglichen. An allen Blättern war aber, wenn auch in verschiedenem Grade und zum Theil nur andeutungs- weise eine Krümmung an der Stelle des Ueberganges des Stieles in die Lamina eingetreten, ebenso wie es an den im Lichte ent- wickelten geschieht. Auf diese Weise neigte die ganze Blatt- fläche mehr oder weniger schräg über, und bei genauerer Betrach- tung zeigte sich, dass dabei in den meisten Fällen die morpho- logische Unterseite convex und daher nach oben gekehrt wurde, in anderen fand allerdings auch das umgekehrte statt, es schaute die Oberseite der Lamina nach oben. Häufig war dabei der Endtheil der Blattfliche aus seiner schrägen Stellung auf- warts gekrümmt. Die Cultur wurde. noch mehrere Wochen unter denselben Verhältnissen gehalten. Dabei ging das Längenwachs- thum der Stiele soweit, dass die Blätter in Folge ihrer Schlaff- heit endlich sich niederlegten; auch die Achsendrehungen hatten sich gesteigert; die Blattflächen waren noch zusammengerollt. Unterdessen waren nun auch die zweiten Blätter zur Ausbildung gekommen und zeigten dasselbe Verhalten wie die ersten. Hieraus geht hervor, dass bei der natürlichen Stellung dieser Blätter das Licht wenigstens die Hauptrolle spielt. Wenn auch im Dunkeln an der Uebergangsstelle ‚des Stieles in die Lamina eine Krüm- mung bemerklich wird, in Folge deren die letztere sich etwas senkt, so ist dieselbe doch niemals so ausgeprägt wie im Lichte, und erfolgt auch manchmal so, dass die Schattenseite nach oben zu liegen kommt, was im Lichte niemals der Fall ist. Diese Krümmung deutet vielleicht darauf hin, dass hier der gewöhn- liche Wachsthumsgang des Blattes schon eine ungleiche Ver- längerung der beiden Seiten an der Basis der Lamina mit sich II. Richtung der Blätter und Blattgheder. 49 bringt. Da aber rein morphologische Wachsthumserscheinungen in der Regel eine strenge Beziehung zur morphologischen Digni- tät beider Blattseiten zeigen, hier jedoch das Blatt bisweilen beide Seiten verwechselt, so könnte man vielleicht mit mehr Recht an dieselbe Wirkung der Gravitation denken, welche die Horizontalsprosse der oben betrachteten Holzgewächse wage- recht stellt. Jedenfalls muss es gerade bei dieser Pflanze hohes Interesse erregen, dass unter der Einwirkung des Lichtes auf den Wachsthumsgang niemals eine solche Verwechselung der beiden Blattseiten hinsiehtlich der Auswahl der zenithwärts zu kehrenden vorkommt, wie sie bei Ausschluss des Lichtes nicht selten wirk- . lieh beobachtet wird. Die Achsendrehungen der hier senkrechten Stiele sind wohl nichts weiter als die allverbreitete Torsion in die Länge wachsen- der Theile, was in vollem Einklange damit steht, dass auch sie in der Dunkelheit wie anderwärts überall bedeutend gesteigert werden. Am Lichte stellen sie sich, wie schon berichtet, auch nicht regelmässig ein. 2. Blätter an aufrechten Stengeln. Die an aufrechten über dem Boden stehenden Stengeln in- serirten Blätter, welche in ihrem Baue eine Licht- und Schatten- seite unterscheiden lassen, haben in den weitaus häufigsten Fällen die Organisation der Lichtseite an ihrer morphologischen Ober- seite. Da nun die letztere dem jungen Ende des Stengels zuge- kehrt ist, und da solche Stengel mit positivem Heliotropis- mus ausgerüstet sind, d. h. sich gerade gegen die Quelle inten- sivster Beleuchtung hinwenden, so kommen schon dadurch unver- meidlich alle Blätter in diejenige Stellung, in welcher ihre Licht- seite gegen die Quelle der Beleuchtung gerichtet ist. Es giebt auch wirklich einige Pflanzen, bei denen die Blätter solcher Stengel nicht die Fähigkeit haben, sich selbst gegen die Lichtquelle in einer bestimmten Weise zu richten, bei denen die Stellung, welche der sie tragende Stengel gegen das Licht ein- nimmt, schon hinreicht, um sie gleich in die erforderliche Lage zu bringen, z. B. Dracophyllum, wohl auch Arten von Epacris und Erica. Frank, Richtung von Pflanzentheilen. 4 50 II. Richtung der Blätter und Blattglieder. In den weitaus häufigsten Fällen aber machen sich an den Blättern selbst noch besondere Bewegungsvorrichtungen nöthig, welche die Blattfläche in die erforderliche Stellung zur Richtung stärkster Beleuchtung versetzen und welche gewöhnlich noch lange Zeit ihren Dienst verrichten können, nachdem die Interno- dien schon längst ihr Wachsthum für immer eingestellt und so- mit ihre heliotropische Richtungsfähigkeit verloren haben. Schon bei dem Austriebe aus der Knospe treten diese Bewegungen ein, denn in der Knospenlage liegen die Blätter vorwärts in der Rich- tung des Stengels, erst beim Oeffnen der Knospe nehmen sie die Richtung an, in welcher ihre Lamina rechtwinklig zur Resultirenden der Lichtstrahlen steht und die Oberseite der Lichtquelle zuge- _ wendet ist. Unter gewöhnlichen Verhältnissen, wo jene Linie mit der Verticale zusammenfällt, befindet sich daher die Lamina der Blätter aufrechter Stengel ungefähr in horizontaler Stellung. So- bald aber die die Richtung stärkster Beleuchtung anzeigende Linie nicht mehr mit der Verticale zusammenfällt, nehmen ‘auch die Blätter die bezeichnete Stellung zu dieser anderen Richtung ein. Dies ist besonders deutlich da, wo die Pflanze von einer Seite her allein oder vorwiegend beleuchtet wird und wo der “Stengel selbst die gewöhnliche heliotropische Krümmung nicht ausführen kann, sei es, weil er sein Wachsthum bereits beendigt hat, sei es, weil er an der Krümmung verhindert ist wegen künst- licher Befestigung, z. B. an Stäben, oder wegen natürlicher Fixa- tion, z. B. durch fremde Ranken oder Schlingstengel oder auch weil er selbst schlingend ist oder Ranken besitzt. An klettern- den Mauerpflanzen, an Gewächsen, welche unter dichtem Gebüsch oder unter Fels- und Mauerwerk stehen, oder an Topfgewächsen, welche man am Fenster eines Zimmers eine Zeit lang in unver- änderter Stellung gehalten hat, sind diese Richtungen der Blätter besonders auffallend.. Gerade diese Fälle lassen auch die Bewegungsarten, deren diese Blätter fähig sind, besonders anschaulich hevortreten. + Suchen wir diese Bewegungen in Worten auszudrücken, indem wir irgend eins der genann- ten Objecte zur Betrachtung wählen, so lässt sich Folgendes aussagen. Es sind wesentlich vier Stellungen möglich, in denen sich ein an einem senkrechten Stengel befestigtes Blatt zu einer seitlichen Lichtquelle befinden kann: entweder ist es an der der Lichtquelle zu-, oder an der derselben abgekehrten Stengel- Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. 51 kante, oder an einer derjenigen beiden Kanten inserirt, welche die Lichthälfte von der Schattenhälfte trennen. Die an der Lichtkante stehenden Blätter sehen wir der Länge nach sich krümmen, so dass die Oberseite convex wird: das Blatt neigt sich rückwärts nach unten, bis die Oberseite seiner Lamina der Lichtquelle zugewendet ist. Die der Schattenkante angehörigen Blätter krümmen sich ebenfalls der Länge nach, aber gerade umgekehrt, so dass die Oberseite concav wird: das Blatt erhebt sich also einwärts und kehrt auf diese Weise ebenfalls seine Oberseite gegen das. Licht. Die seitlich stehenden Blätter end- lich erleiden keine Krümmungen, wohl aber Achsendrehungen, namentlich an ihren unteren Theilen, insbesondere an den Stielen, wo solche vorhanden sind; und zwar diejenigen, deren rechter Rand der Lichtquelle zugekehrt steht, rechtsum, diejenigen, deren linker Rand der beleuchtete ist, linksum. Es erhellt, wie auf diese Weise die Blätter beider Stengelkanten ihre Oberseite auf- dem kürzesten Wege den auf sie fallenden Lichtstrahlen zuzu- wenden suchen. Diese Drehungen gehen stets nur so weit, bis die Blattfläche die eben bezeichnete Stellung ungefähr erreicht hat. Bei der Vielgestaltigkeit der Blätter sind die Vorrichtungen, welche in den einzelnen Fällen diese Bewegungen vermitteln, verschieden. Auf diese Verhältnisse soll hier noch hingewiesen werden. Entweder ist das ganze Blatt durch eine einzige Ebene bestimmt und stellt eine zusammenhängende ungetheilte oder nach den Graden der Lappung, Spaltung oder Theilung hand- oder fiederförmig zertheilte Masse dar. Bei linalischen, mit gleicher Breite aus scheidiger Basis hervorgehenden Blättern, wie sie namentlich unter den Monokotyledonen weit. verbreitet sind, treten die Bewegungen nahezu auf der ganzen Länge des Blattes ein. Meistens aber ist der untere Theil desselben, sei es die eigentliche Basis, sei es, bei scheidenförmigem Grunde, das un- mittelbar auf diesen folgende Stück, mehr oder weniger verschmä- lert, bald nur das mehr zusammengezogene untere Ende der Lamina, bald einen in verschiedenem Grade ausgebildeten Stiel darstellende. Dann vermittelt vorzüglich diese Stelle die Krüm- mungen und Achsendrehungen entweder geradezu ausschliesslich, selbst bei ausserordentlich kurzen Stielen (Myrtus, Buxus, Pinus Picea und Verwandte, Taxus baccatd ete.), oder, namentlich bei grossflächigen, krautigen Blättern, wenigstens zum grösseren Theile, AF win ll tac eta al ncaa 52 IJ. Richtung der Blätter und Blattglieder. indem hierbei auch der oder die auf der Unterseite der Lamina -vorspringenden kräftigen Hauptrippen mehr oder weniger deutlich an den Bewegungen sich betheiligen. Wo der Blattstiel scharf von der Spreite gesondert ist und einen mehr cylindrisch gestreck- ten Körper darstellt, sind die Bewegungsvorrichtungen gewöhnlich noch etwas complicirter. Hier sehen wir häufig den Grund des Stieles und ebenso die Verbindung zwischen Stiel und Lamina eine parenchymreiche polsterförmige Anschwellung bilden. Diese gelenkartigen Theile vermitteln dann ausschliesslich die Vor- oder Rückwärtskrümmungen, während der eigentliche Blattstiel die Achsendrehungen übernimmt, die dann entweder auf der ganzen Länge desselben oder vörwiegend in (dessen unterem in das Blattpolster übergehendem Theile erfolgen. Die zuletzt besprochenen Blattformen bilden den Uebergang zu den zusammengesetzten, zunächst zu den handförmig zusammen- ‚gesetzten Blättern. Diese sind in ihren Bewegungsvorrichtungen jenen ganz gleich, nur dass auf dem Ende des Stieles mehrere flächenförmige Glieder, jedes mit besonderem Gelenke, sitzen. Auch hier versieht bei seitlicher Beleuchtung der Stiel die Achsendrehungen; das Gelenk an der Stielbasis, vorzüglich aber diejenigen der Foliola vollziehen die Vor- und Rückwärtskrüm- mung der von ihnen getragenen Theile. Bei den fiederförmig zusammengesetzten Blättern endlich ist wiederum der Blattgrund und die Anheftungsstelle jedes Foliolums mit dem beweglichen Gelenke versehen.) Achsendrehungen des Stieles finden hier we- niger statt; bei einseitiger Beleuchtung sieht man die Foliola der mit ihren Rändern der Lichtquelle zugekehrten Blättern mehr oder weniger selbstständig durch ihre Gelenke in diejenige Stel- lung sich versetzen, in welcher die Lichtseite der Lichtquelle zugekehrt ist: die dem Schatten zugewendete Reihe Foliola richtet sich auf, die andere schlägt sich zurück. Auch bei den an der Licht- und Schattenkante inserirten Blättern helfen sich die ein- zelnen Foliola mehr oder minder selbst, indem ihre kurzen Stielchen sich um ihre Achse drehen können; und zwar sehen wir dann die Oberseite der Foliola bei den an der Schattenkante inserirten Blättern der Basis, bei den an der Lichtseite stehen- den der Spitze des ganzen Blattes sich zuwenden. Der Vortheil, den solche zusammengesetzte Blätter mit besonders beweglichen Foliolis in gewissen Fällen vor den einfachen Blättern gewähren Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. 53 können, ist handgreiflich. In jenen Fällen wird die ganze Blatt- - fläche, wie sie sich nun auch stellen mag doch immer nur nach einer Seite hingewendet sein können. Mag nun hierbei auch der grösste Theil ihrer Oberseite günstiger Beleuchtung ausgesetzt sein, so ist es doch sehr leicht möglich, dass diese oder jene Stelle derselben durch zufällig davorliegende oder später sich davorlegende fremde Körper beschattet wird. Je mehr aber die -Blattfläche in einzelne kleinere selbstständig bewegliche Abschnitte zertheilt ist, desto weniger wird jener Uebelstand sich geltend machen können, weil eben jedes Foliolum für sich die durch die Verhältnisse seiner nächsten Umgebung angezeigte Stellung ein- nimmt. Von wie grossem Vortheil, ja wie geradezu nothwendig diese Einriehtung unter Umständen sein kann, das bezeugen solche Blätter, welche durch Rankenbildung an ihrem Ende an benachbarten Gegenständen derart befestigt sind, dass eine Be- wegung des Blattes im Ganzen gar nicht mehr möglich ist. Hier müssen also die Theile der Blattfläche an der nicht mehr beweg- | lichen Blattachse jeder sich selbst zu richten im Stande sein. Und in der That sehen wir auch Blätter mit rankenbildendem |) Ende durch fiederförmig zusammengesetzte Lamina ausgezeichnet, | wofür z. B. die Arten von Vicia, Pisum, Lathyrus zu nennen | sind. Betrachten wir diese Gewächse da, wo sie, wie sehr ge- wöhnlich, mit anderen Pflanzen ein dichtes Gestrüpp bilden, da sehen wir ihre Blätter in allen möglichen Richtungen fixirt, die Foliola aber immer in solche Stellungen sich versetzen, in denen ihre Oberseiten die günstigste Beleuchtung finden, wobei gar häufig an dem nämlichen Blatte einige Blättehen nach dieser, andere nach einer anderen Richtung gekehrt sind, von welcher Seite her nun gerade an der Stelle, die ein jedes einnimmt, die intensivste Beleuchtung kommt. In noch höherem Grade tritt uns die Noth- wendigkeit einer völligen Selbstständigkeit der Bewegung an den Foliolis entgegen, bei den mit mehrfach zusammengesetzten Blättern versehenen und schlingenden Clematisarten. Hier sind nämlich die ziemlich langen Stielchen der Foliola das rankende Organ; sie schlingen sich ein- oder mehrmal um mässig dicke benachbarte Gegenstände. Selbstverständlich kommen dadurch die . Foliola in ganz und gar unvorherzusehende Lagen. Aber erst wenn die Rankenbewegung des Stieles sich vollzogen hat, richtet sich das Foliolum mittelst des noch freien Stielendes in die er- 54. Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. forderliche Stellung zum Lichte. Auf diese Weise gelangen denn die einzelnen Foliola eines und desselben Blattes in die aller verwickeltsten und unregelmässigsten Lagenbeziehungen unter einander. Welche Richtung aber auch ein Foliolum ein- nehmen mag, immer findet es doch die ihm am meisten zu- sagende Stellung gegen das Licht heraus, und auch hier sind es nur die bezeichneten Vor- und Rückwärtskrümmungen, sowie die Achsendrehungen der Stiele, welche dies herbeiführen. Eine andere Reihe von Pflanzen versetzt ihre Blattstiele durch negativen Geotropismus in vertical aufrechte Stellung, und nur die Uebergangsstelle des Stieles in die Fläche und mehr oder weniger deren Achse, beziehentlich Mittelrippe, sind die durch das Licht erregbaren Bewegungsapparate. Auf dem auf- rechten Stiele steht dann die Blattfläche in horizontaler oder auswärts geneigter Stellung, und ihre Insertion in den Stiel vermittelt allein die Krümmungen und Drehungen beim Wechsel der Beleuchtungsrichtung. Als Beispiel für diesen Fall seien die Marantaceen, viele Aroideen, die Begoniaceen, Zropaeolum ete. genannt. Wiederum ein anderer Typus ist dadurch charakterisirt, dass nicht nur der Stiel, sondern auch die ganze Blattspindel in ver- tical aufrechter Stellung sich befinden. An dieser sind nun aber an mehreren auf einander folgenden Punkten in fiederförmiger Anordnung: Blattflächenstücke befestigt, jedoch nicht so, dass die Ebene derselben mit der Blattspindel zusammenfällt, sondern in querer Richtung so, dass die morphologische Oberseite gegen die Spitze des Blattes und somit bei aufrechter Stellung des letzteren gegen den Zenith gekehrt ist. Jedes Foliolum richtet sich auch hier selbstständig gegen das Licht. Ein Beispiel solcher Blattformen bietet z. B. Spiraea palmata. Die einzelnen handförmig 3spal- tigen Fiederabschnitte stehen hier paarig auf gleicher Höhe links und rechts an der Blattspindel mit schmaler Basis quer inserirt, die Paare in ziemlichen Entfernungen von einander, alle nahezu rechtwinklig von der Rhachis abstehend in horizontaler Flächen- stellung. Das Terminalfoliolum hat handförmig mehrspaltige Gestalt und breitet sich auf dem Ende ebenfalls beinahe hori- zontal aus, seine vorderen Zipfel gegen den Stengel, die seit- lichen zur Seite, die hinteren nach aussen kehrend. Das Blatt hat also hier Aehnlichkeit mit einem aufrechten entfernt stehende Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. 55 Blattpaare (freilich nicht in decussirter Anordnung) tragenden Stengel. Einen mit reichgliederigen Blattquirlen besetzten Stengel nachahmend, tritt uns die Blattgestalt bei Geonoma entgegen. Hier stehen an der aufrechten Blattspindel in beträchtlichen Entfernungen von einander wirtelartig den ganzen Umfang der Rhachis einnehmende Systeme aus mehreren langen linealischen Foliolis. Diese stehen in jedem Quirle nicht genau auf gleicher Höhe: die untersten sind nach vorn, die nächsten zur Seite, die letzten nach rückwärts gekehrt; sie richten sich rechtwinklig von der Blattspindel ab, also ungefähr ‚horizontal. 3. Blätter an hängenden Stengeln. Wo Blätter von der gewöhnlichen Organisation an hängen- den Stengeln befestigt sind, da versetzen sie sich ebenfalls selbst- ständig in diejenige Lage, in welcher ihre Lichtseiten wiederum der Quelle der Beleuchtung ungefähr rechtwinklig zugekehrt sind. Dies geschieht durch Achsendrehung der gelenkartig angeschwol- lenen Blattstielbasis und mehr oder weniger auch des Stieles selbst, wie dies an den trauernden Varietäten unserer Zierhölzer _ zu sehen ist. Die Drehung erreicht eine halbe Kreisperipherie, so dass die morphologische Oberseite der Basis des Sprosses zu- gewendet wird. Der Stiel erhebt sich dann noch etwas, um die Lamina nahezu in die horizontale Richtung zu bringen. Bei sehr dicht belaubten Bäumen sieht man an den unteren Aesten die an der linken und rechten Kante derselben sitzenden Blätter meist nicht vollständig um eine halbe Peripherie sich drehen: die Lamina stellt sich so, dass sie mit ihrer Oberseite gegen die Umgebung des Baumes hin schräg nach oben schaut, indem sie von dorther das meiste Licht empfängt. Wenn bei grossen fieder- formig zusammengesetzten Blättern (Sophora japonica var. pen- dula) die Umdrehung des Blattes erfolgt ist, so bleibt letzteres wegen seiner Schlaffheit etwas abwärts gerichtet. Dann sucht jedes Foliolum selbständig in die erforderliche Lage zu kommen; und zwar drehen sich bei den paarigen Foliolis die Stiele ent- sprechend um ihre Achse, während das unpaare Endfoliolum durch Coneavkrümmung seines Stielchens an der morphologisch oberen Kante sich zu helfen sucht. U, Richtung der Blätter und Blattglieder. 4. Blätter an horizontalen Stengeln. Die im Obigen besprochenen unter gewöhnlichen Umständen wagerecht sich stellenden Stengel sind ebenfalls mit Blättern von dem gewöhnlichen differenten Baue beider Seiten besetzt. Auch hier stellen sich die Blätter so, dass ihre Lamina im All- gemeinen rechtwinklig zu der Richtung stärkster Beleuchtung zu liegen kommt; dieselbe wird also horizontal, weil ja jene Linie hier unter den gewöhnlichen Umständen ungefähr mit der Verticale zusammen fällt; und zwar ist wiederum an allen Blättern des Sprosses die morphologische Oberseite dem Zenith zugewendet. Die Gesetze des Bewegungsmodus sind durchaus analog denjenigen, nach denen sich die Blätter aufrechter Stengel bei einseitiger Beleuchtung bewegen; denn es besteht ja hier die- selbe relative Beziehung zwischen der Richtung des Stengels und derjenigen der Lichtstrahlen wie dort: während in jenem Falle der Stengel seine Lage behält und die Beleuchtung ihre Richtung wechselt, behält hier die letztere ihre gewöhnliche Richtung und der Stengel verändert seine Lage dazu. Hier ist zwischen Stengeln mit zweizeiliger und mehrzeiliger Blattstellung zu unterscheiden. Wir sahen oben, dass bei einer grossen Anzahl Pflanzen mit wagerechten Stengeln die an den letzteren sitzenden Blätter derart zweizeilig angeordnet sind, dass sie die rechte und linke Kante derselben einnehmen, dass also ihre Insertionsebene horizontal ‚steht, sei es nun, dass die Blatt- stellung an sich zweizeilig ist, wie bei Convallaria, Dichaea, den Bambuseae und anderen Gräsern, bei Ulmus, Carpinus, Tilia, sei es, dass eine ursprünglich mehrreihige Blattstellung bei dem Hervortriebe des Sprosses durch entsprechende Achsen- drehungen der einzelnen Internodien in die bezeichnete zweizeilige übergeführt wird, wie bei Spiraea hypericifolia, Kerria japonica und bei den sich hier anschliessenden mit opponirter Blattstellung, wie Philadelphus, Deutzia, Lonicera. Bei allen hier genannten Sprossen ist die Art, wie die Blätter sich richten, die nämliche. Es bleibt die Achse des Blattes entsprechend der gleichen Rich- tung der Stengels horizontal, und immer wird die Ebene der Lamina, welche hierbei also gemäss der Anlagerichtung des. Blattes ursprünglich vertical stehen müsste, ebenfalls wagerecht gestellt, indem die Basis des Blattes sich um ihre Achse dreht II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 57 Diese Torsion erfolgt ausnahmslos an allen rechten Blättern rechts-, an allen linken linksum, und schreitet nur bis zu 90° fort. Es wird also stets die Lamina so horizontal gestellt, dass die Lichtseite derselben auf dem kürzesten Wege zenithwärts -gekehrt wird. Die Drehung wird, wo ein deutlich ausgebildeter . Stiel vorhanden ist, durch diesen vermittelt, bei sitzenden Blättern (Convallaria) von der verschmälerten Basis und bei scheidigen stiellosen Blättern (Gramineae, Dichaea) von dem am Scheiden- ende inserirten Grunde der Lamina. Bei vielen anderen horizontalen Stengeln ist und bleibt die Blattstellung mehrzeilig, sowohl wenn die Blätter wechselständig (Pinus Picea und Verwandte, Taxus, Taxodium, horizontale Triebe von Robinia, Gleditschia, Cytisus Laburnum, viele Pomaceen und Amygdaleen etc.) als wenn sie gegenständig stehen (Acer, Aesculus, Fraxinus, Paulownia, Buxus, Lysimachia Nummularia, Ajuga, Glechoma, Vinca ete.). Hier haben wir das Verhalten der an den Seitenkanten, an der oberen und an der unteren Kante inserirten Blätter zu unterscheiden. Die ersteren machen es ganz wie die Blätter der eben beschriebenen zwei- zeilig beblätterten Zweige: sie stehen in der Horizontalebene vom Sprosse ab und legen ihre Lamina wagerecht mit der Licht- seite nach oben, durch entsprechende Achsendrehungen des Blatt- stieles oder Blattgrundes. Die Oberblätter dagegen zeigen im Allgemeinen ein analoges Verhalten wie die an der Lichtkante inserirten Blätter eines vertical stehenden einseitig beleuchteten Sprosses: sie werden an der morphologischen Oberseite convex und krümmen sich dadurch rückwärts bis die Lamina ungefähr horizontal steht und ihre Oberseite zenithwärts kehrt, wobei vor- wiegend der Blattstiel oder dessen‘ Basis das bewegliche Organ ist. Häufig kommt hier aber noch eine zweite Bewegungsform dazu. Der Blattstiel dreht sich nämlich etwas um seine Achse, wodurch ja auch die Lichtseite des Blattes dem Zenith zugekehrt werden kann. Diese Torsion erfolgt wiederum immer auf dem kürzesten Wege, also rechtsum, wenn das Blatt etwas mehr im rechten, linksum, wenn es mehr im linken Quadranten der Ober- seite inserirt ist. Wenn nun aber die Rückwärtskrümmung gleichzeitig mit dieser Drehung erfolgt, so ergiebt sich noth- wendig, dass die Lamina auf die eine Seite des Zweiges hinüber- gelegt wird, und zwar auf die rechte wenn der Stiel sich rechts, een ee m un rege euere nn SS E rm en nn mn un ee een on mm absurd na ui mn ln ern nn eat nin rnb me mn ons a mes ie 58 II. Richtung der Blätter und Blattglieder. — um, auf die linke, wenn er sich linksum dreht. Das Blatt kommt also in gleiche oder ähnliche Lage, wie die seitlichen Blätter, oft selbst nahezu in gleiche Ebene mit diesen. Die Unterblätter endlich befinden sich schon von Haus aus nahezu in der geeig- neten Stellung und werden der Horizontale nur noch mehr genähert, indem sie aus ihrer Anlagerichtung etwas erhoben werden. Meistens liegen sie nun aber nicht gerade unter dem Sprosse, sondern sind nach der Seite gebogen, bald nach der rechten, bald nach der linken, je nachdem ihre Insertion mehr rechts oder links liegt. Auch diese Bewegungen werden vorwiegend durch den Blattstiel oder dessen Basis vollzogen. So kommen auch diese Blätter in die gleiche Lage wie die übrigen. Trotzdem dass also hier die Blatt- stellung mehrreihig ist, legen sich doch sämmtliche Blätter durch entsprechende Krümmungen und Drehungen in zwei zu beiden Seiten des Sprosses geordnete Reihen, und es wird so dasselbe erreicht, wie bei normal zweizeiliger Blattstellung. Exquisite Paradigmen hierfür bieten die horizontalen Triebe von Pinus Picea L. und verwandter Arten, von Taxus baccata L., Taxo- dium distychum Rich., ferner zahlreicher Laubhölzer, wie die von Robinia, Gleditschia, bei Amygdaleen und Pomaceen, [lea Aquifolium L. ete. Bei vielen hierher gehörigen Gewächsen unterbleibt aber die Drehung des Stieles der Oberblätter und die Seitwärtskrümmung desjenigen der Unterblätter oder diese Bewegungen werden doch nur schwach ausgeführt. Dann liegen also: die Blätter nicht zweizeilig. Die Oberblätter sind rückwärts mehr oder weniger gerade über ihr Internodium gelegt bis die Lichtseite nach oben schaut; die Unterblätter dagegen breiten sich ebenfalls gerade unter dem Zweige aber in vorwärts gerich- teter Stellung aus oder sind nur wenig seitwärts gelegt. So in der Regel bei Acer, Broussonetia, Buxus, Lysimachia Nummu- laria, Vinca, Oytisus Laburnum L., Aesculus, Fraxinus, Rhus typhina L., Juglans, Pterocarya, Rosa etc. Bei handförmig zusammengesetzten Blättern und auch bei einfachen handnervigen mit deulichem Stiel und Gelenkbildung an der Basis und am Ende desselben wird jene Bewegung sogut wie ausschliesslich durch Krümmungen dieser beiden Gelenke vermittelt. Dabei geschieht es häufig, dass das basale Gelenk nur einen Theil der Krümmung übernimmt: es krümmt den Stiel an den Oberblättern zurück, aber nur bis dieser etwa rechtwinklig zum Zweige, also II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 9 ungefähr vertical steht; dann beugt das apicale Gelenk eben- falls durch Convexwerden an der Oberseite die Lamina (oder Foliola) rückwärts bis in horizontale Stellung, so dass diese an ihrer Unterseite mit dem Stiele einen Winkel bilden. Ebenso werden dann die Unterblitter durch Krümmung des basalen Gelenkes nur ein wenig erhoben, sie bleiben in schräg abwärts gerichteter Stellung stehen, und das apicale Gelenk richtet dann die Lamina oder Foliola vollends horizontal, wobei diese an der Oberseite mit dem Stiele einen stumpfen Winkel bilden. So ist es sehr gewöhnlich an Acer, Aesculus, Cytisus Laburnum zu beobachten. Bisweilen kommt an solchen Oberblättern auch noch der Stiel durch eine Drehung zu Hülfe. Wenn dieser nämlich nicht ganz vertical gestellt ist und auch das apieale Gelenk die Lamina oder die Foliola nicht bis in die horizontale Lage ge- krümmt hat, so braucht nur der Stiel eine Drehung um 1/, bis ija Peripherie vorzunehmen, damit die Lamina ohne Weiteres so ziemlich horizontal zu stehen kommt. Man findet dann auf dem steil aufgerichteten Stiele die Lamina seitwärts bis vorwärts gerichtet (bei Acer sehr häufig). Auch bei fiederformig zusammen- gesetzten Blättern wird häufig an den Ober- und Unterblättern die durch das basale Stielgelenk hervorgebrachte Bewegung un- vollständig. Die Oberblätter stehen dann senkrecht oder steil aufwärts und jedes Foliolum versetzt sich selbstständig durch Drehung seines Gelenkes in die erforderliche Stellung, indem es sich quer stellt, mit der Oberseite der Blattspitze zugekehrt. Die Unterblätter stehen .schräg nach unten gerichtet und ihre Foliola bringen sich ebenfalls zum Theil selbstständig in horizontale Stel- lung, indem sich ihre Gelenke so.um ihre Achse drehen, dass die morphologische Oberseite nach der Blattbasis zu gerichtet wird. Auch in diesem Falle also, wo die Blätter sich nicht zweizeilig legen, ist doch den Oberseiten aller ein möglichst vollständiger Lichtgenuss gestattet. Ob die allgemein angestrebte wagerechte Lage der Blatt- flächen horizontaler Zweige ebenso eine Wirkung des Lichtes ist, wie die der im Vorausgehenden besprochenen Blätter, ist hier desshalb nicht so ohne weiteres zu beantworten, weil bei der horizontalen Stellung dieser Zweige unter den gewöhnlichen Ver- hältnissen die Linie, in welcher die intensivste Beleuchtung auf- trifft, mit derjenigen Linie zusammenfällt, in welcher auch die BT; VRR ih it ian OR. 60 Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. Gravitation wirkt. Das Experiment wird daher beide Wirkung ga trennen haben. Was zunächst die Nadeln an den horizontalen Zweigen der genannten Coniferen anlangt, so versetzen sich dieselben auch dann in die gesetzmässige Lage zum Horizonte, wenn eine andere Kante des sich ausbildenden Triebes. zur oberen wird, als die- jenige, welche bei der Anlage der Knospe nach oben gekehrt war. Denn wie schon oben berichtet, nimmt der Spross, wenn er in einer anderen horizontalen Lage aus der Knospe zum Aus- triebe kommt, keine Achsendrehung vor, und die Scheitelung der Nadeln erfolgt dann immer an der jeweils oberen Kante. Man kann so jede beliebige Blattreihe zu den Oberblättern machen und jedesmal erfolgt dann die Richtung aller übrigen Blätter der gegebenen Lage entsprechend. Es werden also unzweifelhaft diese Richtungen der Nadeln durch die Lage zum Horizonte bestimmt. Die Versuche haben nun aber ferner gezeigt, dass die Na- deln diese Richtungen mehr oder weniger vollständig auch in der Dunkelheit annehmen. An den Zweigen von Pinus Picea und P. balsamea, welche ich in natürlicher Horizontalstellung vor dem Austriebe ihrer Knospen verdunkelte, richteten sich die Blätter der hier zur Entwickelung kommenden Triebe ebenso ausgeprägt, wie es im Lichte geschieht. Etwas weniger vollständig treten im Dunkeln die Bewegungen der Blätter bei Pinus canadensis ein. Die unteren Nadeln bleiben hier dem .Stengel angedrückt oder nähern sich demselben noch mehr. Die oberen und seit- lichen dagegen spreizen etwas vom Stengel ab, indem sie sich scheidelnd nach beiden Seiten etwas herübergelegt werden, wobei sich die nach rechts gewendeten rechts, die nach links gewendeten links um ihren Stiel zu drehen beginnen. Das Herüberlegen und die Drehungen werden jedoch nur halb vollendet, es ge- ' schieht offenbar zu langsam, und die Nadeln haben unterdess die Fähigkeit zu wachsen und somit sich zu bewegen verloren. Noch weniger ausgeprägt gestalten sich in der Dunkelheit die Rich- tungen der Nadeln bei Taxus; hier bleiben die Blätter fast rings- um ganz in der Knospenstellung, die Unterseiten auswärts kehrend; nur auf der jeweiligen Oberseite der Zweige zeigen die Nadeln mehr oder weniger deutlich den Anfang einer Scheitelung, in- Il. Richtung der Blätter und Blattglieder. 61 dem sie sich in der gewöhnlichen Weise um die Achse ihres Stieles ein wenig zu drehen und etwas nach rechts und links hinüberzuwenden beginnen. Bei Pinus canadensis sind die an der oberen Kante des horizontalen Zweiges sitzenden Blätter ausserordentlich kurz, sie bleiben auch am Lichte in der An- lagerichtung stehen und kommen niemals zur Umwendung. Letz- teres hat seinen Grund wohl nur darin, dass sie des für jene Bewegungen nöthigen Wachsthumes ermangeln, denn ihre Länge im ausgebildeten Zustande ist kaum grösser als beim Oeffnen der Knospen. Auch im Dunkeln bei normaler Stellung des Zweiges verhalten sich diese Blätter so. Lässt man aber die Knospen in umgewendeter Lage im Lichte sich entfalten, so wenden immer die jetzt oben liegenden am längsten werdenden Blätter ihre morphologische Oberseite nach oben, bald indem sich ihr Stiel um seine Achse dreht und sich seitwärts beugt, bald indem er sich ohne Achsendrehungen zu vollziehen gegen die Sprossbasis hin zurückkrümmt. Die Blätter der horizontalen Zweige der Laubhölzer verhal- ten sich denen der Coniferen gleich. Bei den oben beschriebenen Experimenten, wobei die wachsenden Triebe dieser Pflanzen künstlich in eine andere Richtung gebracht wurden, veränderten zwar die an den jüngeren noch wachsenden Theilen sitzenden Blätter ihre relative Stellung zum Stengel nicht, denn bevor sie es hätten thun können, waren diese Theile des Zweiges schon durch Krümmungen, beziehendlich Achsendrehungen wieder in die anfängliche Lage zum Horizonte gekommen und es befan-- den sich so auch ihre Blätter wieder in natürlicher Stellung. An denjenigen Stücken der Zweige aber, welche, sei es in Folge der Fixation, sei es aus Mangel an Bewegungsfähigkeit wegen der Beendigung ihres Wachsthumes, die neue Lage, in welche sie gebracht waren, nicht veränderten, und an solchen, welche nur einen Theil der Bewegung ausgeführt hatten, sah man die Blatter selbständig in horizontale Stellung sich versetzen. An wagerecht umgewendeten Zweigen drehten sich dann in der Regel die Stiele der zweizeilig an beiden Seiten stehenden Blätter so um ihre Achse, dass die Lamina wieder ihre Oberseite gen Himmel kehrte. Und zwar drehten sich die Stiele der rechten Blätter, welche Anfangs rechtsum gedreht waren, jetzt linksum, und die linken rechtsum. Bisweilen, jedoch seltener, krümmten sich auch 62 I. Richtung der Blätter und Blattglieder. die Stiele, anstatt sich um ihre Achse zu drehen. Dann wurde ihre jetzt oben liegende morphologische Unterkante concav, und gwar so stark, bis die dadurch zunächst aufgerichtete Lamina wieder nahezu horizontal stand, nun die Oberseite nach oben kehrend. An solchen Stengelstücken, die nur einen Theil der erforderlichen Umdrehung erlitten hatten (wenn die Drehung sich über mehrere Internodien erstreckte), und an denen die zweizei- ligen Blätter nur bis zu etwa verticaler Stellung gebracht wor- den waren, krümmte sich das untere an der morphologischen Oberseite des Stieles concav, das obere daselbst convex; jenes erhob dadurch seine Lamina nach der einen Seite des Zweiges bis zu wagerechter Stellung, dieses senkte dieselbe nach der ent- gegengesetzten Seite ebenfalls bis in horizontale Stellung; an bei- den Blättern lagen dann natürlich die Lichtseiten wieder oben. Bei aufrecht fixirten Zweigen drehten sich die Stiele solcher Blätter, deren Stengelstück unbeweglich war, so um ihre Achse, dass die Spreiten wieder horizontal wurden und die Oberseite nach oben kehrten; also die Stiele der rechten Blätter, die Anfangs rechts gedreht waren, nunmehr linksum, die der linken rechtsum, also wieder in die Anlagerichtung. An den in abwärts gerichteter Stellung fixirten drehten sich dagegen die Stiele der rechten Blätter noch weiter rechts, die der linken noch weiter links, bis abermals die Sprei- ten in horizontaler Stellung sich befanden. Es wurden also auch hier wiederum die natürlichen Stellungen jedesmal durch Drehungen auf dem kürzesten Wege erreicht. — Dass aber die Blätter auch “in der Dunkelheit ihre Lagen einnehmen, ergab sich theils eben- falls gelegentlich der oben mitgetheilten hinsichtlich der Stellung der Zweige angestellten Experimente, theils aus einigen hierfür besonders vorgenommenen Versuchen. Aus zwei Knospen von Tilia grandifolia, die ich in natürlicher Stellung im Dunkeln sich entfalten liess, erzog ich Triebe mit je fünf ausgebildeten Laubblättern. Letztere waren regelmässig zweizeilig links und rechts angeordnet, “ihre Sticle und Flächen standen horizontal, letztere mit der Oberseite nach oben-gekehit; nur waren sie vergeilt, die Stiele etwas kürzer, die Spreiten merklich weniger in die Fläche entwickelt. Die Blattstiele hatten also auch hier die Drehungen ausgeführt, durch welche die Blatt- flächen horizontal und mit der Lichtseite zenithwärts gekehrt werden. Ferner sah ich an dem Triebe von Zilia grandifolia, > II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 63 welchen ich in umgewendeter wagerechter Stellung verdunkelte, die Blätter, welche an den ältesten schon bewegungsunfähigen Internodien sassen, sich selbst in ihre natürliche Stellung ver- setzen. Das älteste Blatt hatte nämlich an dem in die Fläche übergehende Stielende eine so starke Rückwärtskrümmung erlitten, dass die Fläche nahezu horizontal mit der Oberseite ‚aufwärts zu liegen kam. Und am nächsten Blatte war durch Rückwärts- krümmung des Stieles in der ganzen Länge desselben und nament- lich an dessen Ende die Spreite in die gleiche Lage versetzt worden. An den in umgewendeter wagerechter Stellung im Dunkeln gehaltenen Trieben von Spiraea hypericifolia hatten nur die jüngsten derjenigen Blätter, welche an den nicht zur Um- kehrung kommenden Stengeltheilen sassen, den Versuch gemacht, durch Drehung des Stieles die Oberseite der Fläche wieder nach oben zu bringen. Auch an im Dunkeln aufgerichteten derartigen Trieben waren nur die jüngeren Blätter in entsprechender Weise gedreht. An gleichen Trieben im Lichte wurden diese Bewegungen weit vollständiger und auch von noch älteren Blättern ausgeführt. Ferner brachte ich in der Fortbildung begriffene wagerechte Triebe von Ribes sp. in umgewendete Lage, einige im Lichte, andere im Dunkeln. In beiden Fällen nahmen die Blätter, “mit Ausnahme der ältesten, theils durch Achsendrehung theils durch Rückwärtskrümmung der Stiele wieder nahezu diejenigen horizon- talen Stellungen an, in welchen die Lichtseite oben liegt. End- lich verdunkelte ich einen horizontalen Zweig an einem Indivi- duum von Acer obtusatum WE. in unveränderter Stellung, dessen Knospen noch völlig im winterlich geschlossenen Zustande sich befanden. In diesen Verhältnissen liess ich ihn ununter- brochen 12 Tage lang, bis die übrigen Knospen vollständig aus- getrieben waren. Auch am Versuchszweige war um diese Zeit alles in vollständigster Weise ausgebildet, aber völlig etiolirt, die Blattflächen hellgelb, die Stiele und die Stengelglieder fast weiss. Die Sprosse waren in horizontaler oder wenig schräg aufrechter Stellung ausgetrieben. Die Stiele der Seitenblätter standen wenig schräg aufwärts und die Lamina war etwas rückwärts gekrümmt, zugleich aber hatten auch die oberen Enden der Stiele eine kleine Achsendrehung derart erlitten, dass an beiden Blättern die Ober- seite mehr dem Zenith zugekehrt war. Die Ober- und Unter- blätter standen ähnlich wie sonst derart vom Stengel ab, dass 64 II: Richtung der Blätter und Blattglieder. die Stiele der ersteren einen grösseren Winkel mit dem folgenden .Internodium bildeten, als die letzteren, und an den Oberblattern war die Lamina wieder stark rückwärts gekrümmt. So hatte sich also auch bei Ober- und Unterblättern die Lichtseite der Lamina mehr oder weniger deutlich zenithwärts gewendet. Aus allen diesen Versuchen geht hervor, dass auch die natürlichen Stellungen der Blätter an den horizontalen Zweigen, bei Nadelhölzern sowohl wie bei Laubhölzern, durch die Schwer- kraft allein bewirkt werden können, in manchen Fällen in der- selben Vollständigkeit, in anderen Fällen (Pinus canadensis, Taxus baccata, Spiraea hypericifolia, Acer obtusatum) in weniger ausgeprägter Weise wie im Lichte. Schon hiernach ist anzunehmen, dass bei diesen Blättern nnter ‘gewöhnlichen Um- ständen die Schwerkraft und das Licht sich in ihrer Wirkung vereinigen um die natürliche Stellung herbeizuführen, dass aber der Antheil, welcher der Schwerkraft an dieser Wirkung zusteht, ‘ein nach Arten verschiedener ist. Dass das Licht in der That hierbei von Wirksamkeit ist, geht auch ferner aus einer Wahr- nehmung hervor, die man oft an solchen typisch horizontalen Zweigen machen kann. An älteren Individuen von Pinus Picea und canadensis befinden sich die stark beschatteten in den inneren und ‚unteren Theilen der Krone stehenden Zweiglein mehr oder weniger in herabhängender Stellung. Bei der Länge und Dünne dieser Zweige ist ihre Schlaffheit so gross, dass diese Richtung sich von selbst ergiebt. Aber es treiben auch die Endknospen gleich in dieser Richtung aus, und dies deutet darauf hin, dass der Stengel hier wiederum diejenige Richtung einzuhalten sucht, in welcher er sich mit seiner Achse rechtwinklig zu den hier fast allein von der Seite herkommenden Lichtstrahlen befindet. Nun sind aber an solchen Zweiglein auch die Nadeln wie gewöhn- lich zweiseitig gewendet und die Lichtseiten aller schauen nach einer und derselben Seite, nämlich nach aussen, also dorthin, von woher das intensivste Licht kommt. Es geht daraus hervor, dass das Licht, wenn es in einer anderen Richtung als wie gewöhnlich in der Lothlinie einfällt, auch diese Blätter seinem Gange ent- sprechend richtet, und -dass da, wo das Licht und die Gravita- tion in verschiedenen Richtungen auf diese Organe wirken, das erstere stets den Ausschlag giebt. Die Wirkung des Lichtes ist auch in dem Falle ersichtlich, wo solche hängende Zweiglein in Nm ine OTT ae v0 II. Richtung der Blätter und Blattglieder. 6 Folge der Verhältnisse ihrer Umgebung nicht vorwiegend von einer Seite, sondern auch von anderen Himmelsrichtungen aus stark beleuchtet werden. Dann kommt mehr oder weniger Unordnung in die zweizeilige Richtung der Blätter, weil jetzt eben jedes in die besondere ihm gerade passendste Lage sich einstellt. Frank, Richtung von Pflanzentheilen. III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. Die Richtungen, in welchen sich die Sprosse der Marchan- tiaceae und Jungermanniaceae an ihren natürlichen Standorten befinden, weichen ebenfalls von der Lothlinie ab. Wir sehen diese Körper der Oberfläche des Substrates von jedweder Rich- tung sich anschmiegen, den Erhabenheiten und Vertiefungen des- selben folgend, und zwar ist bei diesen morphologisch-anatomisch zweiseitigen Gebilden wiederum immer eine bestimmte Seite dem Substrate zu-, die,andere abgekehrt, — Verhältnisse die allgemein bekannt sind. Wenn diese Pflanzen bei vollständigem Ausschlusse des Lichtes vegetiren, so nehmen die unter diesen Verhältnissen sich neubildenden Sprossen mit ihrer Längsachse sehr genau verticale Stellung ein. Ich brachte im zeitigen Frühjahre vegetirende In- dividuen von Lophocolea bidentata ins Dunkle, so dass die Sub- stratebene ungefähr horizontal stand und die Pflanzen über ihr lagen. Zwei Wochen später fand ich die Stengelenden merklich in die Länge gewachsen; alle unterdess erzeugten Theile sahen weisslich aus, ihr Chlorophyll war nicht ausgebildet. Die jungen weissen Enden waren alle vom Substrate erhoben: sie hatten sich aufwärts gekrümmt, und zwar mehr oder weniger entschieden ; bei dem meisten stand das Ende völlig senkrecht. An diesen Theilen befanden sich die Blätter in der unveränderten relativen Anlagerichtung zum Stengel: die dem Ende des letzteren zuge- kehrten Blattseiten lagen aufwärts. Auf der morphologischen Unterkante hatten sich zahlreiche, lange, abwärts geneigte Rhizi- nen entwickelt. Auch die schon vorher vorhandenen, jetzt noch III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. 67 grünen Blätter hatten sich aus ihrer dem Substrate anliegenden kiehtung etwas erhoben, so dass beide Blattzeilen an der Ober- seite des Stengels eine Rinne bildeten, wodurch die —. ein ungewöhnliches Ansehen erhielten. Gleiche Versuche wurden mit entwickeltem Laube von Mar- chantia polymorpha im zeitigen Frühjahre angestellt, zu der Zeit, wo die neuen Triebe aus den Enden der alten Glieder des Laubes hervortreten. Diese sind anfänglich schmal, der Länge nach oberseits mehr oder weniger rinnig gefaltet und an der Spitze kaputzenförmig zusammengezogen. Sie liegen zunächst nicht genau in der Richtung „des älteren Stückes, sondern sind etwas nach oben gekrümmt. Aut ihrer morphologischen Unter- seite sind noch keine Rhizinen vorhanden, nur die bekannten zwei Reihen später absterbender paleaartiger Schüppehen zur Seite der Mittelrippe sind um diese Zeit sehr deutlich. In dem Maasse, als die jungen Sprosse sich unter gewöhnlichen Umständen in acropetaler Folge allmählich in die Fläche entwickeln, legen sie sich dem Substrate dichter an und bringen an diesen Theilen die Rhizinen zur Entwiekelung. Im zeitigen Frühjahre wurden Individuen der genannten Pflanze, deren junge Sprosse in dem eben beschriebenen Entwickelungszustande sich befanden, im Zimmer in einen dunkeln Raum gebracht. Hier ging die Vegetation rasch vor sich, schon nach 3 Tagen waren die jungen Sprosse merklich gewachsen, blieben aber schmal und zusammen- gefaltet; dabei hatten sie sich sehr genau vertical aufrecht gestellt, unabhängig von der Richtung, welche das ausgewachsene vor- Jährige Laub einnahm, aus welchem sie hervorgegangen waren: sie bildeten mit demselben einen rechten Winkel, wo dieses zu- fällig horizontal lag, einen oft sehr spitzen Winkel, wo es auf abwärts geneigter Fläche ausgebreitet war, einen stumpfen Winkel oder selbst eine gleichlaufende Verlängerung des alten Laubes, wo dieses auf schief bis senkrecht aufgerichteter Substratfläche lag. Ausgebildetes Laub zeigt noch lange Zeit ein langsames marginales Wachsthum; längere Zeit im Dunkeln gehalten, wird es an der Oberseite mehr oder weniger concav, ana mig, indem die Ränder sich aufwärts krümmen. Aus diesen Versuchen geht hervor, dass die in Rede stehen- den Theile mit negativem Geotropismus ausgerüstet sind und dass 5* 68 III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. sie der Wirkung desselben folgen, sobald sie nicht vom Lichte ‚getroffen werden, dass also die Stellung, in welcher sie dem in jed- weder Richtung stehenden Substrate angeschmiegt sind, eine den negativen Geotropismus überwindende Wirkung des Lichtes sein muss. Um nun die Art dieser Wirkung genauer zu ermitteln, wurden die soeben beschriebenen, im Dunkeln gehaltenen, in Töpfen befind- lichen und mit Zuckergläsern überdeckten Culturen junge Sprosse treibender Marchantia mit Pappschirmen umhüllt, deren unterer auf der Erde des Topfes ruhender Rand an einer Stelle einen niedrigen Ausschnitt hatte, welcher das durch das Zimmerfenster einfallende Licht, einseitig in der Richtung der Substratfläche auf die Cultur gelangen liess. Auf diese Weise wurden von den kräftig und ganz gerade aufgeschossenen Trieben einige gerade auf der morphologischen Oberseite, andere auf der Unterseite, noch andere am Rande vom Lichte getroffen. Die Entfernung des oberen Randes des Ausschnittes von der Oberfläche des Rasens betrug etwa tz Zoll. Nach 5 Tagen waren diejenigen Triebe, welche auf ihrer Unterseite vom Lichte getroffen wurden, an dieser Seite soweit concav gekrümmt, dass sie sich horizontal auf das Sub- strat niedergelegt hatten oder sich mit ihrer jüngeren Hälfte, soweit es ging, derart überneigten, dass sie nun die Oberseite dem Lichte zuwendeten. Diejenigen Sprosse, welche ihre Ober- seite dem Lichte entgegenkehrten, waren genau in der Vertical- stellung verblieben. Wo dieselben etwas schräg der Lichtquelle abgeneigt waren, da hatten sie sich an ihrer Oberseite ein wenig concav gekrümmt, und wo sie der Lichtquelle etwas zugeneigt standen, hatten sie sich daselbst ein wenig convex gestaltet, in beiden Fällen suchten sie also ihre Oberseite der Richtung der Beleuchtung rechtwinklig darzubieten. Diejenigen Triebe endlich, welche anfänglich einen ihrer Seitenränder gegen die Lichtquelle kehrten, standen ungefähr noch in gleicher Richtung wie früher, einige waren auch am Ende etwas lichtwärts gekrümmt, in der Art wie die gerade an der Unterseite beleuchteten. Vielfach aber liessen sie mehr oder weniger deutliche Achsendrehungen erkennen, welche die morphologische Oberseite dem Lichte zuzukehren such- ten. In allen Fällen war also das Resultat dasselbe: das Laub war möglichst in diejenige. Stellung gebracht worden, in welcher seine Ebene zu den Lichtstrahlen rechtwinklig steht und die Oberseite der Lichtquelle Zugekehri ist. Wir finden also hier III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. 69 wieder dasselbe Gesetz, nach welchem auch die Richtung der Blätter zum Lichte erfolgt. Es springt in die Augen, dass diesem Gesetze auch die Stellung: entspricht, welche das Marchantialaub an seinem natür- lichen Standorte unter gewöhnlichen Verhältnissen einnimmt. Denn unmittelbar auf der Oberfläche eines selbst kein Licht spendenden Substrates wird im Allgemeinen die Linie, welche wir an jedem Punkte des Substrates rechtwinklig zur Oberfläche desselben errichtet denken, als diejenige gelten können, welche für diesen Punkt des Substrates die Resultirende aller auftreffen- den Lichtstrahlen bezeichnet. Da die Marchantien sehr häufig an düsteren Standorten wachsen und auch hier eine der Substrat- fläche allenthalben folgende Stellung einnehmen, so muss ange- nommen werden, dass diese Pflanze in ihren Bewegungen schon für ein sehr schwaches Licht empfindlich ist. Und während die oben besprochenen Blätter und Stengel höherer Pflanzen offenbar unter allen sie treffenden Lichtstrahlen den Strahl intensivsten Lichtes auswählen und nach dessen Gange sich richten, scheint die Marchantia weniger für die Intensität des Lichtes, als über- haupt für alle Lichtstrahlen ohne Rücksicht auf deren Intensität Sinn zu haben. Daraus wird es erklärlich, warum ihre Sprosse oft*selbst in Vertiefungen des Substrates sich einsenken, die ent- schieden schwächer beleuchtet sind als die Umgebung. Doch hat das Angeschmiegtsein an das Substrat auch seine Grenzen: wenn am natürlichen Standorte die Verhältnisse ähnliche werden, wie bei dem oben beschriebenen Versuche mit ausschliesslich einseitiger Beleuch- tung, da heben sich wirklich auch die Sprosse vom Substrate’ ab, um sich zu der nicht mehr rechtwinklig zur Substratfläche stehenden Resultirenden der Lichtstrahlen wieder in die gesetz- miissige Lage zu bringen. Wo Marchantien in den Töpfen der Gewächshäuser stehen und dabei zufällig von direetem einseitigen Lichte getroffen werden, während sie an allen übrigen Seiten stark beschattet sind, da sieht man häufig die dem Fenster abgekehrten Ränder des Laubes mehr oder weniger vom Sub- strate erhoben und so ihre Oberseite dem Fenster zuwenden. Ebendaselbst an senkrechten Mauerwänden wachsende und vor- wiegend von directem Oberlichte getroffene Pflanzen erheben oft ihre abwärts schauenden Laubränder. Was hier von der Beziehung der Marchantia zum Lichte 70 III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. gesagt ist, gilt in allen Punkten auch von den meist rindebe- wohnenden beblätterten Jungermanniaceen. Individuen von Radula complanata, die ich von ihrem Substrate abgenommen und frei- stehend fixirt hatte und auf die ich nun lediglich durch eine schmale Spalte Licht fallen liess, krümmten sich, wenn ihre morphologische Unterseite dem Lichte zugekehrt ‘war, daselbst concav, bis die Oberseite nahezu lichtwärts schaute; sie wurden dagegen an der Oberseite concav, wenn die Sprosse vom Lichte derart abgewendet waren, dass sie in sehr schiefer Richtung von den Lichtstrahlen getroffen wurden. In Gewächshäusern stehende Blumentöpfe sind häufig auswendig mit Jungermanniaceen be- wachsen. Wenn die Töpfe nahe beisammen stehen und die Be- leuchtung vorwiegend durch directes Oberlicht geschieht, sieht mam die in horizontaler Richtung auf der Topffläche hinkriechen- den Stengel ihre an der abwärts gekehrten Kante inserirten blättchen ziemlich genau in horizontale Richtung erheben, wäh- rend die nach oben liegenden Blättchen, welche sich ebenfalls horizontal und mit der Lichtseite aufwärts zu legen suchen, aber hierzu keinen Platz finden, meistens, oft bis auf ganz kleine Rudimente, ‚verkümmern. Ebenso erheben sich die aus der ab- wärts gekehrten Kante entspringenden Zweige, welche unter ge- wöhnlichen Umständen auf der Topffläche abwärts wachsen würden, meist in horizontale Stellung, indem sie rechtwinklig zur Topf- fläche ins Freie hinauswachsen. Die der anderen Seite kommen gewöhnlich nicht zur Ausbildung. Es ist beachtenswerth, dass, wie schon oben angedeutet wurde, die Anfänge der neuen Marchantiatriebe, wenn sie eben aus den älteren Gliedern hervorwachsen, auch unter gewöhnlichen Umständen bei Zutritt des Lichtes der Substratfläche nicht auf- liegen, sondern mehr oder weniger erhoben sind, und erst bei weiterer Hrstarkung, ohne dass in den äusseren Verhältnissen etwas geändert wird, sich der Oberfläche des Substrates anschmiegen. Aehnliches zeigen oft die jungen Enden wachsender Sprosse von Jungermanniaceen, z. B. des auf der Erde wachsenden Mastigo- bryum. Da die Richtung dieser jungen Enden immer der Loth- linie genähert ist, ganz unabhängig von der jeweiligen Lage, welche die älteren Laubstücke, deren Fortsetzung sie bilden, zum Horizonte einnehmen, so müssen wir jene Richtung als eine Wirkung des negativen Geotropismus betrachten, der sich bei III. Marchantiaceae, Jungermanniaceae. F Auschluss des Lichtes an diesen Pflanzen in aller Reinheit þe- obachten lässt, wie oben gezeigt wurde. Es geht daraus hervor, dass der negative Geotropismus schon von Anfang an in diesen Organen herrscht, dass sich aber der denselben überwindende Heliotropismus, welcher die Ebene des Körpers rechtwinklig zur Richtung der Lichtstrahlen stellt, erst in einem gewissen. späteren Entwickelungsstadium einstellt. Darin stimmen diese Sprosse aber auch mit den Gliedern mancher höherer Pflanzen überein, z B. mit den Stengeln der Convallaria multiflora, wit zahl- reichen Erdblättern ete., die Anfangs auch senkrecht aus dem Boden hervorkommen und erst wenn sie eine gewisse Ausbil- dung erlangt haben, ihren eigenthümlichen Heliotropismus er- werben. ; Es sei noch hervorgehoben, dass mit den Sprossen der Mar- chantiaceae und Jungermanniaceac hinsichtlich der Ursache ihrer Richtungen zahlreiche andere ebenfalls einer Substratflache innig angeschmiegte Organe nicht‘ übereinstimmen, nämlich die- jenigen nicht, deren Verhalten zu ihrer Unterlage Sachs sehr passend als Appression bezeichnet hat +). ` So z. B. viele schlauchför- mige, mit ihren fortwachsenden Enden dem Substrate sich an- legende Zellen, wie die Pollenschläuche, die Rhizinen, wohl auch die an die Unterlage jedweder Richtung sich anschmiegenden Luftwurzeln tropischer Orchideen. Während die letztgenannten Organe unter allen Umständen, auch bei Ausschluss des Lichtes, ihr Verhältniss zum Substrate unverändert erhalten und dadurch die alleinige Wirksamkeit des letzteren, offenbar vermöge des Contactes, bekunden, ist bei den hier in Rede stehenden Erschei- nungen das Licht das wirkende Agens, das Substrat selbst nur zufällig. ; 1) Lehrbuch der Botanik, p. 514. IV. Allgemeine Gesetze. “Bei den vorstehenden Betrachtungen haben wir an zahl- reichen Pflanzentheilen von der verschiedensten morphologischen Bedeutung und aus den verschiedensten Abtheilungen des Ge- wächsreiches die Fähigkeit erkannt, mittelst activer Bewegungen sich in Richtungen zum Horizonte, nämlich zum Gange der Lichtstrahlen und zur Anziehungskraft der Erde zu versetzen, welche wesentlich andere sind als diejenigen, die an anderen Pflanzengliedern durch den gewöhnlichen Heliotropismus und Geotropismus erzielt werden. Sie lassen sich aber auch ihrer- seits alle unter einen und denselben Gesichtspunkt bringen. Die Bewegungen der besprochenen Sprosse vieler Kräuter, Nadel- und Laubhölzer, diejenigen für sich beweglicher Internodien, die der Lamina der Erdblätter, der Stiele und Blattflächen der Stengel- blätter bei verschiedenem Stande zum Horizonte und zur Sonne, diejenigen endlich des Laubes von Marchantiaceae und Junger- manniaceae — alle diese Bewegungen gehorchen einem’ und dem- selben durch die Wirkung des Lichtes und der Gravitation gegebenen Gesetze. . Der ‚gewöhnliche Geotropismus und Heliotropismus er- fordern, dass der Pflanzentheil mit derjenigen Achse, welche die Richtung seines Längenwachsthumes bezeichnet, parallel der- jenigen Richtung werde, in welcher die Anziehungskraft der Erde wirkt und die Lichtstrahlen gehen, wobei der in Bewegung gerathende Theil entweder der Kraftquelle zu- oder von ihr ab- gewendet wird (positive und negative Bewegungen). Bei den hier erkannten Bewegungen dagegen ist das Ziel diejenige Stel- lung, in weleher die Linie oder Ebene des Wachsthumes recht- IV. Allgemeine Gesetze. 73 winklig steht zu der Richtung, in welcher die Gravitation wirkt oder die Lichtstrahlen gehen, wobei, wenn zweierlei morpho- logisch verschiedene Kanten oder Seiten an dem Organe sich finden, immer eine bestimmte der Quelle jener Kräfte zuge- kehrt wird. Wir sahen, wie der Pflanze zu diesem Behufe ein 4 Bewegungsmechanismus in Form von Krümmungen und Achsen- drehungen verliehen - ist, wesentlich anderer Art als die durch den gewöhnlichen Geotropismus und Heliotropismus ausgelösten Bewegungen. Ja, es ist diesen Organen sogar die scheinbar un- erklärliche Fähigkeit gegeben, dass eine und dieselbe Seite je nach Erforderniss hier concav, dort convex werden, und dass ein und dasselbe Glied je nach Bedürfniss hier rechts-, dort linksum, nämlich auf dem kürzesten Wege, sich um seine Achse drehen kann, und zwar immer um einen wiederum jeweils nach Erfor- derniss bestimmt bemessenen Winkel. l In den Schriften der meisten Physiologen ist von einem Versuche einer genügenden Erklärung dieser merkwürdigen Er- scheinungen nichts zu finden, kaum dass man die einzelnen mög- lichen Formen der Bewegungen allgemein zum klaren Ausdrucke brachte. Nur das Ziel der Bewegungen, zumal an den Blättern, ist seit Langem allgemein beachtet worden. Unter den älteren Physiologen hat sich bekanntlich Bonnet am fleissigsten mit — diesem Gegenstande beschäftigt. Er machte darauf aufmerksam, ~ welche Stellungen die Blätter einnehmen am aufrechten, am wagerechten und am einseitig beleuchteten aufrechten Stengel (Untersuchungen über den Nutzen der Blätter bei.den Pflanzen. Uebersetzung von Arnold, p. 46, 54, 56). Bonnet ist es wohl“ auch gewesen, der zuerst gezeigt hat, dass die Blätter von selbst, durch Krümmungen und Drehungen ihrer Stiele, diese Lage wieder einzunehmen suchen, wenn der Zweig in andere Richtung gebracht worden ist. Die Umkehrung: der Zweige mit darauf folgender selbstständiger Umwendung der Blätter "konnte er an einem und demselben Reisse -bis vierzehnmal wiederholen (l. c. p- 47. Vergl. ferner die Experimente p. 48-—54). Dass das Licht es sei, welches diese Bewegungen der Blätter zu bewirken vermag, konnte sich Bonnet zwar nicht verhehlen (p. 65), aber auch er hat sich bereits die Frage gestellt, ob die Bewegungen nicht auch in der Dunkelheit erfolgen. Zwei Experimente sind zu finden, welche den Versuch einer Beantwortung dieser Frage D á EEE are che 74 IV. Allgemeine Gesetze. gemacht haben. Bei dem einen (p. 66) wurden abgeschnittene Weinblätter in Wassergläsern in verkehrte Stellung gebracht. Die Bewegung sei sowohl im Lichte als auch bei völligem Ver- schlusse in einem dunkeln Schranke erfolgt; allein der Text spricht nur von „Aufrichtung‘‘ der Blätter, und es ist mehr als wahrscheinlich, dass damit eben nur die durch negativen Geotro- pismus herbeigeführte Verticalstellung der Blattstiele gemeint ist. In einem zweiten Versuche fand Bonnet (p. 50) die Blätter von Weinranken, welche am 20. Juli Abends 8 Uhr in umgekehrte Stellung gebracht worden waren, am nächsten Morgen 1/5 Uhr wieder in die natürliche Stellung zurückgekehrt — ein Versuch, der offenbar nicht das Tageslicht eliminirte, und welchem daher wohl keine Beweiskraft zugestanden werden kann. Die Vor- stellung endlich, die sich Bonnet von der Mechanik dieser Bewegungen machte (l. c. p. 75), entspricht unseren jetzigen Kenntnissen von dem Verhalten der Zellmembranen zu Feuchtig- keit nicht mehr. — Uebrigens-ist es schon Bonnet nicht unbe- kannt gewesen, dass die in Rede stehende Beweglichkeit nicht eine den Blättern ausnahmslos zukommende Eigenthümlichkeit ist; dass sie sich da nicht findet, wo die beiden Seiten des Blattes gleiche Organisation haben. So sagt er p. 68 von Vis- cum album: „Diese grosse Aehnlichkeit zeigt an, dass die beiden Seiten zu einerlei Verriehtung bestimmt sind. Daher drehen sich auch die Blätter des Mistels nicht herum. Sie haben diese Be- wegung nicht nöthig.“ Bei den meisten neueren Schriftstellern werden diese Bewe- gungen der Blätter meist nur sehr kurz behandelt; man betrachtet sie allgemein als Wirkungen des Lichtes und zwar nicht als etwas wesentlich Verschiedenes von dem gewöhnlichen und ge- nauer bekannten Heliotropismus, vermöge dessen sich viele Stengel parallel der Richtung intensivster Beleuchtung zu stellen suchen. Entschieden lichtvoller sind die Bemerkungen, welche Hof- meister!) dem Heliotropismus der Blätter und ähnlicher Organe widmet. Er hat zuerst die Unklarheit zerstört, welche bisher in der mangelhaften Unterscheidung dieser Bewegungen von dem gewöhnlichen Heliotropismus lag, indem er anerkannte, dass hier ein scharfer Unterschied darin gegeben sei, dass solche flächen- 1) Die Lehre von der Pflanzenzelle, p. 298—295. TV. Allgemeine Gesetze. 75 förmige Glieder_mit einer bestimmten Seite rechtwinklig zur Richtung stärkster Beleuchtung gestellt Werden. Hat nun Hof- meister zunächst auch nur Erscheinungen im Auge gehabt, welche nicht wie die hier herbeigezogenen alle die möglichen Bewegungsformen darboten, so hat er doch unstreitig die Grund- lage gelegt, die hier ihren weiteren Ausbau finden kann. Er hat seine Ansicht über den Vorgang dieser Bewegungen in folgen- den Worten ausgesprochen. „Eine Fläche oder Kante des krüm- mungsfähigen Organs ist von einem Gewebe gebildet, welches bei dem Empfange einer Beleuchtung von bestimmter Intensität sich stärker ausdehnt, stärker wächst, als alle übrigen Gewebe des Organes. Diese Seite oder Kante wird convex, die entgegen- gesetzte wird soweit eingekrümmt als möglich, und wenn ein benachbarter fester Körper dem ein Hinderniss in den „Weg stellt, an diesen fest angedrückt. Dabei ist es zunächst gleich- gültig, von welcher Seite her die Beleuchtung das Organ trifft. Auch wenn sie zunächst auf die mindest ausdehnungsfähige Fläche fällt und erst nach Durchleuchtung des Gewebes derselben die im höchsten Grade expansiven Zellwände erreicht, erfolgt die convexe Krümmung der begünstigten Seite. Doch expandiren die Zellen dieser auf die Dauer sich um so beträchtlicher, je mehr deren Fläche der zum einfallenden Lichtstrahl verticalen Stellung sich nähert. In Folge dieses Verhältnisses wird die begünstigte Kante oder Fläche mehr und mehr rechtwinklig zur Richtung der intensivsten Beleuchtung gestellt; bei ursprünglich zu. ihr parallelem Auftreten der Lichtstrahlen das Organ um eine halbe Wendung gegen diese gedreht.“ Diese Ansicht erklärt noch nicht, warum das Convexwerden einer bestimmten Seite immer nur ‘so weit fortschreitet, bis diese rechtwinklig zur Richtung stärkster Beleuchtung geworden ist, und dass dann stets die Differenz des Expansionsgrades beider Seiten schwindet, auch wenn das Organ noch lange Zeit zu wachsen fortfährt und die Beleuchtung immer noch dieselbe bleibt; sie erklärt ferner nicht, warum unter ganz gleichen Umständen gar keine Convexkrümmung dieser Seite eintritt, wenn jene Stellung schon ursprünglich gegeben ist, und warum sogar ein Concav- werden jener Seite erfolgt, wenn ihre Stellung zur Lichtquelle gerade eine solche Bewegung erheischt, um die erstrebte Lage auf dem kürzesten Wege zu erreichen. : 76 IV. Allgemeine Gesetze. Wohl aber bietet jene Ansicht den Ausgangspunkt fiir den Erklärungsversuch zunächst in der richtigen Erkenntniss der molecularen Grundvorgänge in der Pflanze, aus denen diese Bewegungen resultiren. Hofmeister hat es klar ausgesprochen, dass die stärkere Dehnung der einen Seite oder Kante des Organes, welche die Krümmung des letzteren herbeiführt, auf einem Wachsthume der Zellhäute dieser Seite beruht. Damit stehen sämmtliche Beobachtungen, die im Vorhergehenden dargelegt worden sind, im vollständigsten Einklange. Es braucht nur kurz daran erinnert‘ zu werden, dass, welche Pflanze und welches Organ auch in Betracht gezogen wurde, die Fähigkeit zu jenen Bewegungen immer innig geknüpft war an die Dauer des Wachsthumes. Alle solche Glieder, welche ihr Wachsthum „ein für allemal eingestellt haben, sind auch nicht mehr beweglich. Dagegen ist die Bewegungsfähigkeit überall in derjenigen Periode am grössten, in welcher auch die stärkste Streckung des Organes in die Länge oder in die Fläche erfolgt. Und wo bestimmte Stellen des Organes späterhin noch eines Wachsthumes fähig bleiben, da stellen sich auch nur dort “die Krümmungen und Drehungen ein. So z. B. an den basalen Theilen nahezu erwachse- ner Internodien. Ganz besonders beachtenswerth sind in dieser Hinsicht die Blätter. Es ist bekannt, dass ihre basalen Theile und ihre Stiele sehr lange, wenn auch nur in geringem Grade, zu wachsen. fortfahren, nachdem die Internodien schon längst ihre Streckung für immer eingestellt haben. Und damit steht in auffallender Weise die Thatsache im Einklange, dass sich Blätter, die anscheinend schon ihre vollständige Ausbildung erlangt haben, noch gegen das Licht zu richten vermögen, wenn sie in eine unpassende Stellung zu demselben gebracht. worden sind. Nur ganz alte Blätter haben mit ihrem Wachsthume auch ihre Beweglichkeit verloren. Andere Blätter haben am Grunde und am Ende ihres Stieles und wenn sie zusammengesetzt sind, am Grunde jedes Foliolums eine polsterartige parenchymreiche An- schwellung, welche zu jeder späteren Zeit, sobald sie aus ihrer natürlichen Stellung zum Lichte gekommen ist, ihr Wachsthum wieder aufnehmen und vermöge desselben die erforderlichen Krümmungen oder Drehungen ausführen kann. Insofern diese durch die Gravitation oder durch das Licht verursachten Bewegungen als Wachsthumsvorgänge sich erweisen, VI. Allgemeine Gesetze. 17 treten sie in eine Kategorie mit den schon bekannten weit ver- breiteten Bewegungen des Heliotropismus und Geotropismus. Auch die letzteren werden durch das Licht und durch die Anziehungs- kraft der Erde verursacht, und dass sie auf Wachsthumsvorgänge zurückzuführen sind, habe ich anderwärts ausführlich zu erweisen gesucht. Auch bei ihnen ist das Ziel der Bewegung eine Rich- tung, welche in ganz bestimmter Beziehung zu der Linie steht, in welcher die Gravitation wirkt und die Lichtstrahlen gehen. Beiderlei Erscheinungen sind somit auf das nächste verwandt: nur Plan und Ziel der Bewegungen sind verschieden, die erre- senden Kräfte und der durch sie bewirkte Molecularvorgang in der Pflanze sind beide Male dieselben. Dies fordert, dass wir alle diese Bewegungen als geotropische und heliotropische bezeich- nen und sie nach ihren Formen besonders unterscheiden. Bei dem bisher bekannten Geotropismus und Heliotropismus ist das Ziel der Bewegung immer diejenige Stellung, in welcher die longitudinale Achse des Organes, also die Linie stärksten Wachs- thumes mit derjenigen Linie zusammenfällt, in deren Richtung die Schwerkraft oder das. Licht wirken, wobei der in Bewegung versetzte Theil entweder der Kraftquelle zu- oder abgewendet wird - (positive und negative Bewegungen). Daher mag diese Bewegungsform als Longitudinal-Geotropismus und -Helio- tropismus bezeichnet werden. Bei den hier uns beschäftigenden Vorgängen aber ist das Ziel der Bewegung diejenige Stellung, in welcher ein bestimmter transversaler Durchmesser des a mit der Richtung, in welcher jene Kräfte wirken, zusammenfällt; sie mögen darum den Namen Transy ersal-Geotropismus und Transversal- Heliotropismus führen. Bei diesen letzteren Bewögüngen haben wir also unter allen den Ebenen, welche durch-die Längsachse des Organes gehend gedacht werden können, diejenige zu unterscheiden, welche, wenn das Organ das Ziel seiner Bewegung erreicht hat, rechtwinklig zu der Richtung steht, in welcher das Licht oder die Schwerkraft wirken. Diese Ebene mag Transversalebene heissen. Sie fällt, wie das Vorhergehende gezeigt hat, immer mit bestimmten morphologischen Richtungen zusammen: bei allen flächenförmigen Organen, wie Blattflichen Marchantialaub u. s. w. mit der Richtung der Flächenausbrei- tung dieser Körper, bei Blattstielen und Blattgelenken mit dem- jenigen Durchschnitte, welcher in der Fortsetzung der Ebene der 78 IV. Allgemeine Gesetze. flächenförmigen Theile des Blattes liegt; bei Internodien, die sich selbstständig richten, mit der Insertionsebene ihres Blattes; bei zweizeilig beblätterten Sprossen mit der Foliationsebene. Ferner mag die Kante oder Seite, welche bei natürlicher Stellung dem Zenith, resp. der Quelle intensivsten Lichtes zugekehrt ist, Vorderseite, die entgegengesetzte Hinterseite heissen; und das von Natur an der Pflanze fixirte Ende soll Basis, das andere Spitze genannt werden. Wir können nun die möglichen Bewegungen aller hierher- gehörigen Pflanzentheile in folgenden Sätzen ausdrücken. 1) Steht die Transversalebene vertical, resp. in der Richtung intensivster Beleuchtung so, dass die Basis dem Zenith, resp. der Lichtquelle zugekehrt-ist, so beschreibt das Organ eine Krümmung von 90°, bei welcher die Vorderseite concay wird. 2) Steht die Transversalebene in der nämlichen Richtung, aber so, dass die Spitze dem Zenith, resp. der Lichtquelle zuge- kehrt ist, so nimmt das Organ ebenfalls eine Krümmung von 90° vor, bei welcher aber die Vorderseite convex wird. 3) Steht die Tramsversalebene so, dass dem Zenith resp. der (uelle intensivsten Lichtes weder die Basis noch die Spitze, son- dern eine Seite zugewendet ist, wobei also die Longitudinale des Organes rechtwinklig liegt zur Verticale, resp. zur Richtung stärkster Beleuchtung, so erfogt eine Achsendrehung um 90° und zwar rechtsum wenn die rechte, linksum wenn die linke Seite dem Zenith, resp. der Lichtquelle zugekehrt war. 1) 4) Liegt endlich die Longitudinale des Organes abermals rechtwinklig zur Verticale, resp. zur Richtung stärkster Beleuch- tung, aber so, dass die Transversalebene horizontal, resp. recht- winklig zur Richtung der Beleuchtung steht, jedoch die Hinter- seite dem Zenith resp. der Lichtquelle zukehrt, so wird entweder eine Krümmung von 180° beschrieben, wobei die Vorderseite convex wird, oder es erfolgt eine Drehung des Organes um seine Achse im Betrage von 180°. In diesen vier Formen geschehen die Bewegungen aller der verschiedenen transversalheliotropischen und -geotropischen Pflan- 1) Links und Rechts mag bestimmt werden, indem der Beobachter sich in das Organ so versetzt denkt, dass der Kopf der Spitze, das Gesicht der Vorderseite desselben zugewendet ist. VI. Allgemeine Gesetze. 79 zentheile, von denen in der vorliegenden Arbeit die Rede gewesen ist, wie der Leser leicht selbst finden wird, wenn er dieselben mit diesen Gesetzen vergleicht. Da nun diese Bewegungen durch den entsprechenden Gang des Wachsthumes hervorgebracht werden, so haben wir uns zu- nächst nach den mathematischen Gesetzen zu fragen, nach welchen irgend ein Körper seine Dimensionen ändern muss, um die bezeichneten Krümmungen und Drehungen erleiden zu können.. Hiernach werden wir das Gesetz aussprechen können, nach welchem auch in diesen pflanzlichen Körpern die durch das Wachsthum gegebenen Dimensionsänderungen sich vollziehen müssen. Wir wollen unserer Betrachtung einen cylindrischen oder prismatischen Körper zu Grunde legen, als das einfachste stereometrische Para- digma, zumal da auch die meisten Pflanzentheile, welche die Bewe- gungen vermitteln, dieser Gestalt nahe kommen (Internodien, Blatt- ` stiele), während die Betrachtung sich ohne Schwierigkeit auch auf flächenförmige Gestalten übertragen lässt. Soll ein solcher Körper der Länge nach eine Krümmung erleiden, ‚bei welcher die Vor- derseite concav wird, so muss das Längenwachsthum aufhören, an allen Kanten gleich zu sein, die Grösse desselben muss von der Vorder- nach der Hinterseite zunehmen derart, dass jeder der Hinterkante näher liegende Streif ein stärkeres Längenwachs- thum zeigt, als der nächst vordere, und dass also das Maximum des Wachsthumes an der hinteren, das Minimum an der vorderen Kante liest. Soll der Körper dagegen die analoge Krümmung so beschreiben, dass die Vorderseite convex wird, so muss das longitudinale Wachsthum derart gestört werden, dass das Maxi- mum desselben an der vorderen Kante liegt. Wenn endlich an einem wachsenden Körper eine Achsendrehung eintreten soll, müssen unter der Annahme, dass die Drehungsachse ungefähr mit der mathematischen Achse zusammenfällt, alle peripherischen Theile des Maximum, die in der Achse stehenden das Minimum und alle zwischenliegenden intermediäre Grössen des Längenwachs- thumes annehmen; so jedoch, dass nun die Richtung stärksten Wachsthumes nicht parallel der Achse, sondern in einem Winkel zu derselben geneigt ist. Diese Richtung PURE zugleich die Richtung der. Drehung. Da es nun ganz auf die Richtung, in welcher das Organ durchleuchtet oder der Anziehungskraft der Erde ausgesetzt ist, 80 IV. Allgemeine Gesetze. ankommt, welche dieser Wachsthumsformen angenommen wird, so, muss der Erklärungsversuch, diese letzteren mit den erst- senannten Umständen in einen gesetzmässigen Zusammenhang bringen. Hier begegnen wir aber scheinbar einer Schwierigkeit in der Thatsache, dass ein und dasselbe Organ, z. B. ein Blatt, die gerade entgegengesetzten Bewegungen machen kann, je nach der Seite, welche es zufällig an dem einseitig belle Stengel einnimmt. ‘Sitzt es an der beleuchteten Kante eines verticalen Stengels, so wird es an seiner Vorderseite convex (vergl. Fig. 10, aus A wird- At), "während dasselbe Blatt, wenn man nur die Pflanze so stellt, dass es die beschattete Kante des Stengels einnimmt, an der Vorderseite concav wird (Fig. 10, aus B wird B). Ferner wird ein an der linken Kante des ein- seitig beleuchteten Stengels sitzendes Blatt jedesmal linksum gedreht, während dasselbe Blatt, wenn die Pflanze zufällig so steht, dass es die rechte Kante einnimmt, sich auch allemal rechtsum dreht. Diese Erscheinungen entkleiden sich aber ihres wunderbaren Anstriches auf sehr einfache Weise, wenn man den wachsenden Zellhäuten eine Eigenschaft substituirt, welche denen aller nur mit gemeinem Geotropismus und Heliotropismus aus- serüsteter Organe durchäts abgeht, und die eigentlich schon aus der Gesammtconstitution dieser Organe folgt, oder doch wenigstens damit im innigsten Zusammenhange steht. Vermöge dieser neuen Eigenschaft würde nämlich der Unterschied zwischen Vorn und Hinten, Spitze und Basis, Rechts und Links nicht nur in der Gestaltung des ganzen Organes, sondern auch in jedem kleinsten Theilchen der Zellmembranen desselben zum Ausdrucke gebracht sein; es würde nämlich sozusagen jedes kleinste Zell- hautstückehen wissen, wo Vorn und Hinten, Spitze und Basis, Rechts und Links ist. Unter Annahme einer solchen Polarität der Zellmembran wird es nun möglich, die verschiedenen Wachsthumsprocesse als gesetzmässige Folgen bestimmter Durch- leuchtungsrichtungen und bestimmter Lagen zur Richtung der Schwerewirkung darzustellen. Wir wollen zunächst die Wirkung des Lichtes in Betracht ziehen. Hier lassen sich nun die Gesetze in folgender Weise formuliren. 1) Diejenigen Liehtstrahlen, welche trans- versalheliotropische Zellhäute rechtwinklig zu deren Transversalebene in der Richtung von vorn nach hinten IV. Allgemeine Gesetze. | ee 81 . durchdringen, bewirken keine Störung in dem gleich- mässigen Gange des longitudinalen Wachsthumes aller einzelnen Längsstreifen derselben. Wenn aber die relative Lage dieser Zellhäute zu den Lichtstrahlen sich ändert, so wird auch der Gang ihres longitudinalen Wachsthums modifieirt. Fig. 10 ~ stellt ein Stück eines verticalen Stengels dar, dessen Blätter von einer seitlichen Lichtquelle Z in der Richtung des Pfeiles er- leuchtet und durchleuchtet werden; hier lassen die beiden Blätter B und A die beiderlei Bewegungen studiren, welche oben unter 1 und 2 aufgeführt worden sind. Diese Blätter können zugleich zur Versinnlichung jedes beliebigen transversalheliotropischen Or- ganes dienen, welches in der analogen Stellung sich befindet. An jedem Blatte bedeute v die Vorderseite, Ah die Hinterseite, u die Basis, o die Spitze. Durch die in diesem Falle eintretende Bewegung wird A in die Stellung A‘, B in die Stellung B1 versetzt. Man kann nun sagen: 2) Jeder Lichtstrahl, wel- cher transversalheliotropische Zellmembranen in der Richtung von der Basis nach der Spitze durchdringt, ‚erzeugt eine von der Vorderseite nach der Hinterseite fortschreitende Zunahme des Longitudinalwachsthumes derselben. Ist durch das auf diese Weise bewirkte ungleiche Wachsthum beider Seiten des ganzen Organes letzteres bis in die Stellung gelangt, in welcher seine Transversalebene wieder recht- winklig zu den auffallenden Lichtstrahlen steht und seine Vor- derseite der Lichtquelle zuwendet (B1), so hat auch jener un- gleiche Wachsthumsgang sein Ende erreicht, weil dann kraft des eben festgestellten ersten Gesetzes das Längenwachsthum allseitig gleichmässig erfolgen muss. 3). Die Lichtstrahlen aber, welche solche Organe in der Richtung von der Spitze nach der Basis durchlaufen, bringen eine von der Vor- derseite nach der Hinterseite fortschreitende Abnahme des longitudinalen Wachsthumes ‘der Zellmembranen hervor, bis dadurch wiederum das ganze Organ mit seiner Transversalebene rechtwinklig zu den Lichtstrahlen gestellt ist und seine Vorderseite der Lichtquelle zukehrt (A!), womit also abermals die Stellung erreicht ist, in welcher das Licht keine Störung im Gange des Längenwachsthumes mehr bewirken kann. Um uns endlich über die Wirkung des Lichtes auf das Wachs- thum klar zu werden in den Fällen, wo Achsendrehungen zu Stande Frank, Richtung von Pflanzentheilen. 6 89 IV. Allgemeine Gesetze. kommen, wollen wir uns in Fig. 11 ein eylindrisches Organ im Querschnitte vorstellen, dessen Vorderkante in V, dessen Hinter- kante in H liegt. Kommen Lichtstrahlen in der Richtung des Pfeiles v, so dringen sie durch das Organ in der Richtung von V nach H; es wird dann also das gleichmässige Längenwachs- thum nicht gestört, das Organ befindet sich in natürlicher Stel- lung.’ Geht aber das Licht in irgend einer anderen queren Richtung durch den Körper als von V nach H, z. B. in der Richtung 7 von L nach R, oder in der Richtung r von A nach L, so erfolgen die oben unter 3 und 4 bezeichneten Achsen- drehungen; im ersteren Falle dreht sich das Organ so, dass V nach VI, im zweiten so, dass V nach Vr zu liegen kommt. Wir werden also, wenn wir uns erinnern, durch welche Art von Dimensionsänderungen -Drehungen überhaupt zu Stande kommen, die Wirkung des Lichtes auf das Wachsthum in diesem Falle unter folgendes Gesetz bringen können. 4) Diejenigen Licht- stfahlen, welche die Zellmembranen in anderer querer Richtung als rechtwinklig zur Transversalebene durch- dringen, bewirken eine von innen nach aussen fort- schreitende Zunahme des longitudinalen Wachsthums, wobei die Riehtung der Maximalverlängerung zur Längs- achse des Organes geneigt ist: linkswendig, wenn die Lichtstrahlen von der linken nach der rechten, rechts- wendig, wenn sie von der rechten nach der linken Seite die Membranen durchleuchten. Fällt das Licht in der Rich- tung h ein, und zwar genau rechtwinklig zur Transversalebene, so findet eigentlich zunächst eine Art labilen Gleichgewichtes statt, welches aber sofort gestört werden muss, sobald das Organ in wenn auch nur wenig andere Lage gelangt, weil dann sofort die Richtung der Lichtstrahlen eine entweder von links nach rechts oder von rechts nach links gehende wird, wonach sich dann die Neigung, in welcher jetzt die gesteigerte Längenzunahme der peripherischen Theile erfolgt, richten muss. Man wird finden, wie aus der Fassung des eben gegebenen Gesetzes auch unmittel- bar die überall beobachtete Thatsache fliesst, dass die Drehungen stets auf dem kürzesten Wege die natürliche Lage des Organes wieder herstellen. Wir haben hier vorausgesetzt, dass der die Krümmungen und Drehungen vollziehende Körper ein mathematischer Cylinder IV. Allgemeine Gesetze. 83 ist. In Wirklichkeit werden die Internodien dieser Voraussetzung nahe kommen. Aber auch auf Körper von etwas abweichen- der Gestalt, wie Blattstiele, Blattflächen u: s. w., lassen sich jene Gesetze leicht übertragen. Insbesondere vollziehen sich die Achsen- drehungen ganz nach dem nämlichen Gesetze auch dann, wenn der Cylinder durch eine zweiseitige Abplattung mehr einem flächenförmigen Körper sich nähert, oder wenn die Cylindergestalt dadurch unvollständig ist, dass ihr ein Viertel oder eine Hälfte fehlt, wie dies bei rinnenförmisen Blattstielen der Fall ist, wo- bei die Drehungsachse im Grunde des rinnenförmigen Ausschnittes ‘oberflächlich liegt und das Zellgewebe der convexen Hälfte durch sein modifieirtes Längenwachsthum nahezu allein die Drehung ‚ vermittelt. Bei ausgeprägt flächenförmigen Gestalten ist übrigens fast immer eine die Längsachse einnehmende der Cylinder- oder Prismaform sich nähernde Rippe vorhanden, welche dann vor- wiegend die Krümmungen und Drehungen ausführt. Die Wirkung der Gravitation auf die Erregung der verschie- denen die transversalgeotropischen Bewegungen vermittelnden Wachsthumsvorgänge lässt sich durch ganz dieselben Gesetze ausdrücken, die hier. für die Lichtwirkungen festgestellt worden sind, wenn man nur an die Stelle der Lichtquelle den Zenith und an die Stelle der Lichtstrahlen die Richtung setzt, in welcher jedes materielle Theilchen -zu fallen bestrebt ist. Zur Erklärung dieser Bewegungen haben wir der Annahme einer neuen Eigenschaft, einer Polarität der Zellhäute in den solcher Bewegungen fähigen Pflanzentheilen bedurft. Der gewöhn- liche Heliotropismus und Geotropismus erheischen eine Polarität der Zellhäute nicht. Für den ersteren ‚lautet das Gesetz: die - Lichtstrahlen, welche die Zellmembranen nicht in der Richtung ihres Longitudinalwachsthumes durchdringen, bewirken eine in der Richtung ihres Ganges fortschreitende Zu- oder Abnahme jenes Wachsthumes (je nachdem die Bewegung positiv oder nega- tiv ist). Für den Geotropismus gilt der gleiche Wortlaut, wenn man nur für Lichtstrahlen die Richtung setzt, in welcher jedes materielle Theilchen zu fallen sucht. (Vergl. meine Beiträge zur Pflanzenphysiologie p. 90.) Hierbei braucht also das Wachs- thum kein Vorn und Hinten, kein Links und Rechts und auch kein Oben und Unten zu unterscheiden: denn es ist bekannt, dass diese Krümmungen in gleicher Weise erfolgen, ob man den 6* 34 RS IV. Allgemeine Gesetze. Theil in seiner natürlichen Befestigung lässt oder ob man das von Natur freie Ende fixirt und das andere beweglich macht. (l. c. p. 81—84.) Wir müssen also allein in den transversal- geotropischen und -heliotropischen Zellhäuten nach den drei Dimensionen des Raumes gerichtete Achsen annehmen, welche bestimmte entgegengesetzte Pole, Vorn und Hinten, Oben und Unten, Rechts und Links, mit einander verbinden. Und das äussere Symptom der Existenz einer solchen Polarität ist eben die bei dem Wachsthume sich documentirende Unterscheidung °jener Richtungen. Da nun aber der Typus des jeweiligen Wachs- thumes in jedem einzelnen Zellhauttheilchen zum Ausdrucke kommen muss, so müssen. wir auch annehmen, dass jedem kleinsten Stücke der Zellhäute solcher Organe die Orientirung nach jenen Polen verliehen sein muss. Es hat daher diese Eigenschaft grosse Aehnlichkeit überhaupt mit allen anderen Arten polaren Verhaltens. Im Krystalle giebt es hinsichtlich der Spaltbarkeit, der Lichtbrechung u. s. w. zu der Gestalt des Individuums in fester Beziehung stehende polare Achsen, die wir in jedem kleinsten Stücke des Körpers documentirt finden. Auch in der vegetabilischen Zellhaut sind schon solche nach den drei Richtungen des Raumes gehende Polaritäten bekannt, z. B. in Bezug auf die Vertheilung des Wassers und die daraus ent- springenden Erscheinungen der Schichtung und Streifung. Hier offenbart sich wieder eine andere Polarität der Zellhaut, welche sich bezieht auf die Bestimmung des Wachsthumsplanes je nach der Lage zur Richtung der Schwere- und Lichtwirkung. Doch verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass während andere Polaritäten der Zellhaut in der Regel in bestimmter Beziehung zur ganzen Zelle, zu einem in derselben liegenden organischen Mittelpunkte stehen und so gewissermassen ein Aus- fluss der Individualität der Zelie sind, die hier erörterte Polarität dazu gar keine Beziehungen zeigt. Hierin ist die Individualität der einzelnen Zelle ganz verwischt und nur eine solehe der gesammten Zellencolonie, die das ganze Organ ausmacht, wird vorausgesetzt. Zu diesem Individuum höherer Ordnung sind nun aber die Beziehungen jener Polarität sehr ausgeprägte. Wir haben gesehen, dass die Transversalebene solcher Organe immer genau zusammenfällt mit einer Ebene, nach welcher sich die morphologische und anatomische Organisation des Gliedes orien- IV. Allgemeine Gesetze. 85 tirt. Bei den Flachsprossen der Marchantia fällt sie zusammen mit der Ebene, welche die Flächenausbreitung derselben bezeich- net; in den Blattflichen mit der gleichen Ebene; in den Blatt- stielen und Blattgelenken mit der Ebene, welche die Verbin- dungslinie zwischen der morphologischen Ober- und Unterkante rechtwinklig schneidet; in den zweizeilig beblätterten Zweigen mit der Foliationsebene; in den für sich beweglichen Internodien möhrreihig beblätterter Zweige mit der Insertionsebene ihres Blattes. Und wo in der Organisation der genannten Glieder ein Unterschied zweier bestimmter Seiten oder Kanten gegeben ist, da coineidirt auch das Vorn und Hinten jener Polarität ausnahmslos mit bestimmten dieser Seiten oder Kanten, wie an den Mar- chantia-Sprossen, an den Blattflächen, an den Stielen und Ge- lenken der Blätter zu sehen ist. Ueberall leuchtet übrigens aus diesen Beziehungen die Zweckmässigkeit auf das deutlichste hervor, indem stets der vordere Pol nach derjenigen Seite des Organes zu gelegen ist, deren Richtung nach vorn, also nach dem Zenith, eventuell nach der Lichtquelle für die Functions- verrichtung des Organes die zweckmiassigste oder gar die hier- für einzig mögliche ist. Wir wissen, dass die Vorderseite des Marchantialaubes, desgleichen die der Blätter (bei den meisten die morphologische Oberseite, bei Allium wrsinum die Unterseite) entsprechend ihrer Organisation als Assimilationsapparate auf den Lichtgenuss angewiesen sind, während die entgegengesetzte Seite, als die in der Assimilation zurücktretende, dagegen vorwiegend transspirirende, ev. Nahrung aufsaugende des Lichtgenusses nicht bedarf und zum Theil, die Berührung mit dem Substrate noth- wendig erheischt. | Ueber das Wesen der in Rede stehenden Polarität der Zell- haut sind noch einige Erfahrungen mitzutheilen. Es ist selbst- verständlich, dass erst zu einer gewissen Zeit während der Ent- wickelungsperiode des Organs diese Polarität in die Zellhaut ein- geführt wird, wie ja auch die Anlagen der verschiedenen Orga- nisationen sich erst zu einer bestimmten Zeit einfinden. Nun ist es aber ohne Weiteres klar, dass die Einführung der Polari- tät sich vollzogen haben muss, wenn das Organ der transversal- geotropischen und -heliotropischen Bewegungen fähig wird. Letzteres tritt aber. meistens schon ziemlich zeitig ein, zumal bei den Blät- tern und Internodien, welche bald nach dem Hervortreten aus dem 86 IV. Allgemeine Gesetze. Knospenzustande die Bewegungen beginnen, wenngleich dies immer- hin je nach Arten Verschiedenheiten zeigt. Wir dürfen daher im Allgemeinen die Anlage jener polaren Achsen in den Zell- häuten in einen ziemlich frühen Entwickelungszeitpunkt versetzen. Vor allen Dingen muss es nun aber interessiren, welche be- dingenden Ursachen dem Plane dieser Anlage unterzulegen. sind. In vielen Fällen stehen diese polaren Richtungen der Zellhaut zu der Zeit ihrer Anlage in keiner Beziehung zu äusseren Kräften (Richtungen der Lichtstrahlen und der Gravitation), ebenso wie dann auch die organisatorische Orientirung des Pflanzentheiles davon ganz unabhängig sich erweist. So z.B. in allen Blättern, die ja zur Zeit ihrer Ausbildung in sehr zufälligen und wechseln- den Stellungen zur Richtung, in welcher jene Agentien wirken, sich befinden. Abhängig allein von dem allgemeinen Organisa- tionsplane der Pflanze, der bis zu einem gewissen Grade ganz unabhängig von allen äusseren Einflüssen waltet, müssen hier auch diese Verhältnisse sich ausbilden. In einer zweiten Reihe von Fällen wird dagegen die Orien- tirung der polaren Achsen ebenso wie die der anatomisch-mor- phologischen Organisation indueirt durch die jeweilige Stellung zur Beleuchtungsrichtung. Hierfür kann Marchantia polymorpha als Beispiel gelten. Es ist seit Mirbel!) bekannt, dass die An- fangs beiderseits gleichorganisirten linsenfomigen Bulbillen dieser Pflanze auf feuchtes Substrat ausgesäet bei ihrem Austriebe immer die dem Lichte dargebotene Seite zu der durch Stomata, Lufträume u. s. w. ausgezeichneten ausbilden, während die untere die Rhizinen erzeugt. Durch die gleiche Wirkung wird aber auch die Anlage der polaren Achsen inducirt, welche ja mit der Organisation des Laubes stets gleichsinnig ist. Wenn man solche Bulbillen einige Zeit nach ihrer Aussaat umwendet, so wird beim nachherigen Austreiben die Anfangs freigelegene Seite zur stomataführenden, aber sie wird auch durch ein entsprechen- des Umschlagen des Laubes wiederum dem Lichte dargeboten. So wird also schon ziemlich frühzeitig durch die Lage der Bulbille zur Beleuchtung nicht nur ihr Organisationsplan, sondern zu- gleich mit die Anlage der polaren Achsen bestimmt. | Wiederum in einem anderen Falle sind zwar auch die 1) Mém. de acad se. Paris 13. p. 353 ff. IV. Allgemeine Gesetze. I 87 Orientirung der Organisation und die Anlage jener polaren Achsen abhängig von der Richtung der Theile zum Horizonte ev. zum Lichte, aber die letztere erfolgt bestimmt später als die erstere. Während in den bisherigen Fällen Organisation und Stellung der polaren Achsen in einer unveränderlichen Beziehung zu einander stehen, ist man daher hier im Stande, die letzteren in einer von der Orientirung der Organisation beliebig abweichenden Stellung sich anlegen zu lassen, sobald man nur den Pflanzentheil dauernd in eine andere Richtung zum Horizonte versetzt, nachdem seine Organisation schon prädestinirt ist, aber bevor die Polarität dem Organe sich eingeprägt hat. Hierdurch wird zugleich bewiesen, dass die Anlage der polaren Achsen nicht ein directer Ausfluss der allgemeinen Organisation ist, vielmehr besonders und direet durch die Wirkung jener äusseren Kräfte hervorgerufen wird. Mit aller Sicherheit haben wir einen solchen Fall ermittelt an den horizontalen Zweigen von Pinus Picea, P. canadensis und Taxus baccata. Die zenithwärts gekehrte Kante derselben ist mit den kürzesten, die untere mit den längsten Nadeln besetzt, die übrigen Nadeln haben intermediäre Längen. Diese Verhält- nisse werden durch die jeweilige Stellung des Zweiges zum Hori- zonte und zwar schon in sehr frühzeitigem Entwickelungszustande lange vor dem Austriebe der Knospen bestimmt (vergl. Botanische Zeitung 1868, p. 875 ff). Erst bei dem Hervorwachsen des Sprosses zu der Zeit, da die Scheitelung der Nadeln beginnt, erfolgt die Anlage der auf den Transversalgeotropismus bezüglichen Achsen, wodurch der Spross fähig wird, sich nach Ablenkung immer wieder in diejenige Lage zu versetzen, in welcher die mit den kleinsten Nadeln besetzte Kante zenithwärts gekehrt ist. Darum liegt unter gewöhnlichen Verhältnissen die Transversal- ebene der neuen Sprosse in derselben Richtung wie die der mehrjährigen Theile des Zweiges. Nun haben wir aber oben gesehen, dass, wenn die Zweige kurz vor dem Austriebe der Knospen um einen Viertelkreis um ihre Achse gedreht befestigt werden, an den neuen Trieben die Transversalebene rechtwinklig zu derjenigen der älteren Stücke, nämlich abermals horizontal sich bildet. Es treibt nämlich die- Terminalknospe in der neuen Riehtung horizontal aus, so dass nun die Reihe kürzester Nadeln an der einen, die der längsten an der anderen Seitenkante liegt; die Scheitelung der Nadeln .erfolgt an der jetzt oben liegenden Kante. 88 IV. Allgemeine Gesetze. Diese Lage des Sprosses bleibt nun dauernd, ja sie wird durch die entsprechenden Bewegungen wie in jedem anderen Falle wie- derhergestellt, wenn der Spross sie verloren hat, vorausgesetzt, dass er noch im Wachsthume begriffen ist. Aus Vorstehendem erhellt, dass man bei der in Rede stehen- den Polarität der Zellmembranen noch die Art und Weise, wie dieselbe erworben wird, zu unterscheiden hat. Die meisten polaren Zellmembranen orientiren ihre Achsen unabhängig von äusseren Einwirkungen nach der durch ihre eigene Organisation gegebenen Vorschrift, — autopolare Zellhäute. Bei manchen dagegen wird die Stellung der Achsen einzig und allein bedingt durch die Richtung, in welcher gewisse äussere Kräfte auf die Zellhaut einwirken; diese können je nach der Natur dieser Kräfte als heliopolare und als geopolare bezeichnet werden. Helio- polarität kommt unzweifelhaft den Zellhäuten des Laubes der Marchantia polymorpha zu. In solchen hierhergehörigen Glie- dern aber, die in der Regel horizontale Richtung haben, ist höchst wahrscheinlich den Zellhäuten auch Geopolarität eigen, d. h. die Gravitation ist bei der Anlage der polaren Achsen mit wirksam. Dafür spricht z. B. die Thatache, dass die horizontalen Zweige der Pinus Picea auch dann ihre natürliche Stellung einnehmen, wenn sie noch im geschlossenen Knospenzustande gegen Licht völlig geschützt werden und in diesen Verhältnissen zum voll- ständigen Austriebe kommen. Ich fand, dass dann solche Sprosse auch durch die gewöhnlichen Bewegungen sich in die beim Austriebe innegehabte Stellung versetzten, wenn sie unter der Fortdauer der Verdunkelung künstlich in eine andere Richtung gebracht worden waren, noch ehe ihr Wachsthum abgeschlossen war. Es erfolgt also hier die Anlage der polaren Achsen in der gesetzmässigen Beziehung zum Horizonte auch dann, wenn der Spross der Wirkung des Lichtes entzogen ist. Dass hier aber auch das Licht in seinem Sinne Gleiches bewirkt, geht daraus hervor, dass, wie schon oben erwähnt wurde, die vorwiegend von seit- lichem Lichte getroffenen Zweiglein der genannten Coniferen sich abwärts gerichtet so stellen, dass ihre Vorderseite auswärts gegen die Richtung hinschaut, von welcher her das seitliche Licht auf die Zweiglein trifft. Es liegt nun endlich auch der Versuch nahe, sich Rechen- schaft zu geben von dem Zusammenhange des Wesens des Lichtes ILE AT i at aa A ll aay cai u