SIGM. FREUD

SZ eitgemäbes über Krieg und Tod

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Leipzig Wien / Zürich

NEUE ARBEITEN ZUR ÄRZTLICHEN PSYCHOANALYSE

| L. DR. S. FERENCZI und DR. OTTO RANK

Entwiklungsziele der P sychoanalyse

Zur Wechselbeziehung von Theorie und Praxis Inhalt: Einleitung. Die analytische Situation. Der Libidoablauf und seine Phasen. Die Lösung der Libidofixierung im Erlebnismoment. Historisch-kritischer Rückblick. Theorie und Praxis. Ergebnisse. Ausblicke,

IL. h DR. KARL ABRAHAM Versuch einer Entwiklungsgeschichte der Libido

auf Grund der Psychoanalyse seelischer Störungen

Inhalt: I. Die manisch-depressiven Zustände u. die prägenitalen Organisationsstufen d. Libido (Melancholie u. Zwangsneurose. Stufen der sadistisch-analen Entwicklungsphase. Objektverlust u. Introjektion in der normalen Trauer u. in abnormen psych. Zuständen. Stufen d. oralen Phase. Das infant. Vorbild der melanchol. Depression.) Il. Anfänge u. Entwicklung d. Objektliebe.

II. DR. OTTO RANK

Eine N eurosenanalyse in Iräumen

Inhalt: Die Widerstandsphasen. (Kastrationswiderstand. Zählzwang. Phantasiebildungen. Mutterregression. Libido- übertragung. Schuldgefühl.) Die Heilungsfaktoren. (Ungeduld und Resignation. Identifizierung mit dem Änalytiker. Akzeptierung der Schwester. Entwöhnungsphase. Lösung der Analyse.)

DR. KARL ABRAHAM Klinische Beiträge zur P sychoanalyse

Aus dem Inhalt: Über die Bedeutung sexueller Jugendtraumen für die Symptomatologie der Dementia praecox. Die psychosexuellen Differenzen der Hysterie und der Dementia praecox. Die psychologischen Beziehungen zwischen Sexualität und Alkoholismus. Die Stellung der Verwandtenehe in der Psychologie der Neurosen. Bemerkungen zur Psychoanalyse eines Falles von Fuß- und Korsettfetischismus. Über ein kompliziertes Zeremoniell neurotischer Frauen. Ohrmuschel und Gehörgang als erogene Zone. Zur Psychogenese der Straßenangst im Kindesalter. Sollen wir die Patienten ihre Träume aufschreiben lassen? Kritik zu C. G. Jung: Versuch einer Darstellung der psychoanalytischen Theorie. Über Einschränkungen und Umwandlungen der Schaulust bei den Psychoneurotikern. Über ejaculatio praecox. Das Geldausgeben im Angstzustand. Über eine besondere Form des neurotischen Widerstandes gegen die psychoanalyt. Methodik, Prognose psychoanalyt. Behandlungen im vorgeschrittenen Lebensalter usw.

DR. KARL ABRAHAM P sychoanalytische Studien zur Charakterbildung

Inhalt: I. Ergänzungen zur Lehre vom Analcharakter, II. Beiträge der Oralerotik zur Charakterbildung. Ill. Zur Charakterbildung auf der „genitalen“ Entwicklungsstufe.

DR. MAX EITINGON Bericht über die Berliner P sychoanalytische Poliklinik

(März 1920 bis Juni 1922) Mit einem Geleitwort von Prof. SIGM. FREUD

DR. MAX EITINGON Zweiter Bericht über die Berliner P sychoanlyt. Poliklinik

(Juni 1922 bis März 1924)

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Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, vorbehalten.

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1 - . Copyright 1924 by „Internationaler Psychoanalytischer verlag en Ges. m. b, H. „Wien

er Bd.V, dann in der Vierten Folge der „Sammlung

kleiner Schriften zur Neurosenlehre“. Eine hollän- dische Übersetzung (von Dr. Jan van Emden) a erschien 1917 (unter dem Titel „Oorlog en >2 | Dood“), eine englische (von Brill und Kuttner) - 1918.

: I Pe DIE ENTTÄUSCHUNG DES KRIEGES

Von dem Wirbel dieser Kriegszeit gepackt, einseitig unterrichtet,

ohne Distanz von den großen Veränderungen, die sich bereits vollzogen haben oder zu vollziehen beginnen, und ohne Witterung der sich gestaltenden Zukunft, werden wir selbst irre an der Be- 2 ‚deutung der Eindrücke, die sich uns aufdrängen, und an dem

Werte der Urteile, die wir bilden. Es will uns scheinen, als hätte

>: noch niemals ein Ereignis so viel kostbares Gemeingut der Mensch- heit zerstört, so viele der klarsten Intelligenzen verwirrt, so gründ- - lich das Hohe erniedrigt. Selbst die Wissenschaft hat ihre leiden-

i schaftslose Unparteilichkeit verloren; ihre aufs tiefste erbitterten

Diener suchen ihr Waffen zu entnehmen, um einen Beitrag zur Bekämpfung des Feindes zu leisten. Der Anthropologe muß den Gegner für minderwertig und degeneriert erklären, der Psychiater

die Diagnose seiner Geistes- oder Seelenstörung verkünden. Aber wahrscheinlich empfinden wir das Böse dieser Zeit unmäßig stark

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ZEITGEMÄSSES ÜBER KRIEG UND TOD

Zuerst erschienen anfangs IgIS in „Imago“,

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tikelchen der riesigen Kriegsmaschinerie geworden ist, fühlt sich.

in seiner Orientierung verwirrt und in seiner Leistungsfähigkeit _ gehemmt. Ich meine, ihm wird jeder kleine Wink willkommen sein, der es ihm erleichtert, sich wenigstens in seinem eigenen Innern zurechtzufinden. Unter den Momenten, welche das seeli-

Bewältigung ihnen so schwierige Aufgaben stellt, möchte ich zwei hervorheben und an dieser Stelle behandeln: Die Enttäuschung,

‚nötigt. Be Wenn ich von Enttäuschung rede, weiß jedermann sofort, was K- man kann die biologische und psychologische Notwendigkeit des Leidens für die Ökonomie des Menschenlebens einsehen und dart

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Kriege könnten nicht aufhören, solange die Völker unter so ver- schiedenartigen Existenzbedingungen leben, solange die Wertungen des Einzellebens bei ihnen weit auseinandergehen, und solange

die Gehässigkeiten, welche sie trennen, so starke seelische Trieb-

kräfte repräsentieren. Man war also darauf vorbereitet, daß Kriege zwischen den primitiven und den zivilisierten Völkern, zwischen den Menschenrassen, die durch die Hautfarbe voneinander ge-

; schieden werden, ja Kriege mit und unter den wenig entwickelten Bert

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© getraute sich etwas anderes zu hoffen. Von den großen weltbe-

die dieser Krieg hervorgerufen hat, und die veränderte Einstel-

damit gemeint ist. Man braucht kein Mitleidsschwärmer zu sein,

doch den Krieg in seinen Mitteln und Zielen verurteilen und 5 das Aufhören der Kriege herbeisehnen. Man sagte sich zwar, die

Br: _ oder verwilderten Völkerindividuen Europas die Menschheit noch durch geraume Zeit in Anspruch nehmen werden. Aber man

E - herrschenden Nationen weißer Rasse, denen die Führung des ‘7 Menschengeschlechtes zugefallen ist, die man mit der Pflege welt-

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sche Elend der Daheimgebliebenen verschuldet haben, und deren .

lung zum Tode, zu der er uns wie alle anderen Kriege

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ee umspannender Interessen beschafist "wußte, deren Schapiähgen die technischen Fortschritte in der Beherrschung der Natur wie er; 23 3 die künstlerischen und wissenschaftlichen Kulturwerte sind, von cp 3 er. diesen Völkern hatte man erwartet, daß sie es verstehen würden, a E Mißhelligkeiten und Interessenkonflikte auf anderem Wege zum Re;

- Austrage zu bringen. Innerhalb jeder dieser Nationen waren hohe a 5 sittliche Normen für den einzelnen aufgestellt worden, nach denen | e- ; S er seine Lebensführung einzurichten hatte, wenn er an der Kultur- i e Re = gemeinschaft teilnehmen wollte. Diese oft überstrengen Vor- # n 2 schriften forderten viel von ihm, eine ausgiebige Selbstbeschrän- Be Br kung, einen weitgehenden Verzicht auf Triebbefriedigung. Es war : ei = ihm vor allem versagt, sich der außerordentlichen Vorteile zu 2 “a

bedienen, die der Gebrauch von Lüge und Betrug im Wett- 5:

- kampfe mit den Nebenmenschen schafft. Der Kulturstaat hielt

diese sittlichen Normen für die Grundlage seines Bestandes, r

schritt ernsthaft ein, wenn man sie anzutasten wagte, erklärte es a - oft für untunlich, sie auch nur einer Prüfung durch den kriti- ee: | . N schen Verstand zu unterziehen. Es war also anzunehmen, daß er

sie selbst respektieren wolle und nichts gegen sie zu unternehmen R gedenke, wodurch er der Begründung seiner eigenen Existenz widersprochen hätte. Endlich konnte man zwar die Wahrnehmung EEER : . ? - > Le . _ machen, daß es innerhalb dieser Kulturnationen gewisse einge- sprengte Völkerreste gäbe, die ganz allgemein unliebsam wären = ge; und darum nur widerwillig, auch nicht im vollen Umfange, ur Fo. n Bys e Teilnahme an der gemeinsamen Kulturarbeit zugelassen würden, für die sie sich als genug geeignet erwiesen hatten. Aber de Dr du i Fr 2 großen Völker selbst, konnte man meinen, hätten so viel Verr- ständnis für ihre Gemeinsamkeiten und so viel Toleranz für ihre u : : 1 . - u : Verschiedenheiten erworben, daß „fremd“ und „feindlich“ nicht mehr wie noch im klassischen Altertume für sie zu einem B- 5 3 ), - eo ET. . griffe verschmelzen durften. u Vertrauend auf diese Einigung der Kulturvölker haben unge- 2 2 ; . ß N zählte Menschen ihren Wohnort in der Heimat gegen den Auf- 5 Be 3

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_ Verkehrsbeziehungen zwischen den befreundeten Völkern geknüpft. Wen aber die Not des Lebens nicht ständig an die nämliche Stelle bannte, der konnte sich aus allen Vorzügen und Reizen der Kultur- länder ein neues größeres Vaterland zusammensetzen, in dem er sich ungehemmt und unverdächtigt erging. Er genoß so das blaue

3 und das graue Meer, die Schönheit der Schneeberge und die der

grünen Wiesenflächen, den Zauber des nordischen Waldes und die Pracht der südlichen Vegetation, die Stimmung der Land- schaften, auf denen große historische Erinnerungen ruhen, und die Stille der unberührten Natur. Dies neue Vaterland war für ihn auch ein Museum, erfüllt mit allen Schätzen, welche die Künstler der Kulturmenschheit seit vielen Jahrhunderten geschaffen und hinterlassen hatten. Während er von einem Saale dieses Museums in einen andern wanderte, konnte er in parteiloser

Be. Anerkennung feststellen, was für verschiedene Typen von Voll-

- kommenheit, Blutmischung, Geschichte und die Eigenart der Mutter - Erde an seinen weiteren Kompatrioten ausgebildet hatten. Hier war die kühle unbeugsame Energie aufs höchste entwickelt, dort die graziöse Kunst, das Leben zu verschönern, anderswo der Sinn . für Ordnung und Gesetz oder andere der Eigenschaften, die den Menschen zum Herrn der Erde gemacht haben. Vergessen wir auch nicht, daß jeder Kulturweltbürger sich einen besonderen „Parnaß“ und eine „Schule von Athen“ ge- schaffen hatte. Unter den großen Denkern, Dichtern, Künstlern

aller Nationen, hatte er die ausgewählt, denen er das Beste zu

schulden vermeinte, was ihm an Lebensgenuß und Lebensver- ständnis zugänglich geworden war, und sie den unsterblichen Alten in seiner Verehrung zugesellt wie den vertrauten Meistern seiner eigenen Zunge. Keiner von diesen Großen war ihm darum fremd erschienen, weil er in anderer Sprache geredet hatte, weder der unvergleichliche Ergründer der menschlichen Leidenschaften, noch der schönheitstrunkene Schwärmer oder der gewaltig drohende

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Prophet, der feinsinnige Spötter, und niemals warf er sich dabei vor, abtrünnig geworden zu sein der eigenen Nation und der geliebten Muttersprache.

Der Genuß der Kulturgemeinschaft wurde gelegentlich durch Stimmen gestört, welche warnten, daß infolge altüberkommener Differenzen Kriege auch unter den Mitgliedern derselben unver- meidlich wären. Man wollte nicht daran glauben, aber wie stellte man sich einen solchen Krieg vor, wenn es dazu kommen sollte? Als eine Gelegenheit die Fortschritte im Gemeingefühle der Menschen aufzuzeigen seit jener Zeit, da die griechischen Am- phiktyonien verboten hatten, eine dem Bündnisse angehörige Stadt zu zerstören, ihre Ölbäume umzuhauen und ihr das Wasser ab- zuschneiden. Als einen ritterlichen Waffengang, der sich darauf beschränken wollte, die Überlegenheit des einen Teiles festzu- stellen, unter möglichster Vermeidung schwerer Leiden, die zu dieser Entscheidung nichts beitragen könnten, mit voller Schonung für den Verwundeten, der aus dem Kampfe ausscheiden muß, und für den Arzt und Pfleger, der sich seiner Herstellung widmet. Natürlich mit allen Rücksichten für den nicht kriegführenden Teil der Bevölkerung, für die F rauen, die dem Kriegshandwerk ferne bleiben, und für die Kinder, die, herangewachsen, einander von beiden Seiten Freunde und Mithelfer werden sollen. Auch mit Erhaltung all der internationalen Unternehmungen und Insti- tutionen, in denen sich die Kulturgemeinschaft der Friedenszeit verkörpert hatte.

Ein solcher Krieg hätte immer noch genug des Schrecklichen

und schwer zu Ertragenden enthalten, aber er hätte die Entwick-

lung ethischer Beziehungen zwischen den Großindividuen der Menschheit, den Völkern und Staaten, nicht unterbrochen. Der Krieg, an den wir nicht glauben wollten, brach nun aus

und er brachte die Enttäuschung. Er ist nicht nur blutiger

und verlustreicher als einer der Kriege vorher, infolge der mächtig

vervollkommneten Waffen des Angriffes und der Verteidigung,

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©: sondern mindestens ebenso grausam, erbittert, schonungslos wie irgend ein früherer. Er setzt sich über alle Einschränkungen hinaus, zu denen man sich in friedlichen Zeiten verpflichtet, die man das _ Völkerrecht genannt hatte, anerkennt nicht die Vorrechte des "Verwundeten und des Arztes, die Unterscheidung des friedlichen und des kämpfenden Teiles der Bevölkerung, die Ansprüche des Privateigentums. Er wirft nieder, was ihm im Wege steht, in blinder Wut, als sollte es keine Zukunft und keinen Frieden ei unter den Menschen nach ihm geben. Er zerreißt alle Bande der Gemeinschaft unter den miteinander ringenden Völkern und droht eine Erbitterung zu hinterlassen, welche eine Wiederanknüpfung derselben für lange Zeit unmöglich machen wird. | Er brachte auch das kaum begreifliche Phänomen zum Vor- scheine, daß die Kulturvölker einander so wenig kennen und ver- stehen, daß sich das eine mit Haß und Abscheu gegen das andere wenden kann. Ja, daß eine der großen Kulturnationen so allge- mein mißliebig ist, daß der Versuch gewagt werden kann, sie als „barbarisch“ von der Kulturgemeinschaft auszuschließen, obwohl sie ihre Eignung durch die großartigsten Beitragsleistungen längst erwiesen hat. Wir leben der Hoffnung, eine unparteiische Ge- schichtsschreibung werde den Nachweis erbringen, daß gerade diese Nation, die, in deren Sprache wir schreiben, für deren Sieg unsere Lieben kämpfen, sich am wenigsten gegen die Gesetze der menschlichen Gesittung vergangen habe, aber wer darf in solcher Zeit als Richter auftreten in eigener Sache?

Völker werden ungefähr durch die Staaten, die sie bilden, repräsentiert; diese Staaten durch die Regierungen, die sie leiten. Der einzelne Volksangehörige kann in diesem Kriege mit Schrecken feststellen, was sich ihm gelegentlich schon in Friedenszeiten auf- drängen wollte, daß der Staat dem Einzelnen den Gebrauch des Unrechts untersagt hat, nicht weil er es abschaffen, sondern weil er es monopolisieren will wie Salz und Tabak. Der kriegführende Staat gibt sich jedes Unrecht, jede Gewalttätigkeit frei, die den

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List, sondern auch der bewußten Lüge und des absichtlichen Be- = truges gegen den Feind, und dies zwar in einem Maße, welches

das in früheren Kriegen Gebräuchliche zu übersteigen scheint. Der Staat fordert das Äußerste an Gehorsam und Aufopferung von seinen Bürgern, entmündigt sie aber dabei durch ein Über-

maß von Verheimlichung und eine Zensur der Mitteilung und

Meinungsäußerung, welche die Stimmung der so intellektuell Unterdrückten wehrlos macht gegen jede ungünstige Situation

und jedes wüste Gerücht. Er löst sich los von Zusicherungen und

Verträgen, durch die er sich gegen andere Staaten gebunden hatte, bekennt sich ungescheut zu seiner Habgier und seinem Macht- streben, die dann der Einzelne aus Patriotismus gutheißen soll.

Man wende nicht ein, daß der Staat auf den Gebrauch des Unrechts nicht verzichten kann, weil er sich dadurch in Nach- teil setzte. Auch für den Einzelnen ist die Befolgung der sitt- lichen Normen, der Verzicht auf brutale Machtbetätigung in der Regel sehr unvorteilhaft, und der Staat zeigt sich nur selten dazu fähig, den Einzelnen für das Opfer zu entschädigen, das er von ihm gefordert hat. Man darf sich auch nicht darüber verwundern, daß die Lockerung aller sittlichen Beziehungen zwischen den Groß- individuen der Menschheit eine Rückwirkung auf die Sittlichkeit der Einzelnen geäußert hat, denn unser Gewissen ist nicht der unbeugsame Richter, für den die Ethiker es ausgeben, es ist in seinem Ursprunge „soziale Angst“ und nichts anderes. Wo die Gemeinschaft den Vorwurf aufhebt, hört auch die Unterdrückung

‘der bösen Gelüste auf, und die Menschen begehen Taten von Grausamkeit, Tücke, Verrat und Roheit, deren Möglichkeit man

mit ihrem kulturellen Niveau für unvereinbar gehalten hätte.

So mag der Kulturweltbürger, den ich vorhin eingeführt habe, ratlos dastehen in der ihm fremd gewordenen Welt, sein großes Vaterland zerfallen, die gemeinsamen Besitztümer verwüstet, die

Mitbürger entzweit und erniedrigt!

Einzelnen entehren würde. Er bedient sich nicht nur dererlaubtten

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Zur Kritik seiner Enttäuschung wäre einiges zu bemerken. Sie

PAST, strenge genommen, nicht berechtigt, denn sie besteht in der „Zerstörung einer Illusion. Illusionen empfehlen sich uns dadurch, ‚daß sie Unlustgefühle ersparen und uns an ihrer Statt Befriedi- gungen genießen lassen. Wir müssen es dann ohne Klage hin- nehmen, daß sie irgend einmal mit einem Stücke der Wirklich- ‚keit zusammenstoßen, an dem sie zerschellen. | Zweierlei in diesem Kriege hat unsere Enttäuschung rege ge- macht: die geringe Sittlichkeit der Staaten nach außen, die sich nach innen als die Wächter der sittlichen Normen gebärden, und die Brutalität im Benehmen der Einzelnen, denen man als Teil- nehmer an der höchsten menschlichen Kultur ähnliches nicht zu- getraut hat. | Beginnen wir mit dem zweiten Punkte und versuchen wir es die Anschauung, die wir kritisieren wollen, in einen einzigen knappen Satz zu fassen. Wie stellt man sich denn eigentlich den Vorgang vor, durch welchen ein einzelner Mensch zu einer ' höheren Stufe von Sittlichkeit gelangt? Die erste Antwort wird wohl lauten: Er ist eben von Geburt und von Anfang an gut und edel. Sie soll hier weiter nicht berücksichtigt werden. Eine zweite Antwort wird auf die Anregung eingehen, daß hier ein Entwicklungsvorgang vorliegen müsse, und wird wohl annehmen, diese Entwicklung bestehe darin, daß die bösen Neigungen des Menschen in ihm ausgerottet und unter dem Einflusse von Er- ziehung und Kulturumgebung durch Neigungen zum Guten ersetzt werden. Dann darf man sich allerdings verwundern, daß bei dem so Erzogenen das Böse wieder so tatkräftig zum Vorschein kommt.

Aber diese Antwort enthält auch den Satz, dem wir wider-"

sprechen wollen. In Wirklichkeit gibt es keine „Ausrottung“ des Bösen. Die psychologische im 'strengeren Sinne die psycho- analytische Untersuchung zeigt vielmehr, daß das tiefste Wesen des Menschen in Triebregungen besteht, die elementarer Natur, bei allen Menschen gleichartig sind und auf die Befriedigung

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gewisser ursprünglicher Bedürfnisse zielen. Diese Triebregungen sind an sich weder gut noch böse. Wir klassifizieren sie und ihre Äußerungen in solcher Weise, je nach ihrer Beziehung zu den Bedürfnissen und Anforderungen der menschlichen Gemeinschaft. Zugegeben ist, daß alle die Regungen, welche von der Gesell- schaft als böse verpönt werden nehmen wir als Vertretung derselben die eigensüchtigen und die grausamen —- sich unter diesen primitiven befinden.

Diese primitiven Regungen legen einen langen Entwicklungs- weg zurück, bis sie zur Betätigung beim Erwachsenen zugelassen. werden. Sie werden gehemmt, auf andere Ziele und Gebiete gelenkt, gehen Verschmelzungen miteinander ein, wechseln ihre Objekte, wenden sich zum Teil gegen die eigene Person. Reaktions- bildungen gegen gewisse Triebe täuschen die inhaltliche Verwand- lung derselben vor, als ob aus Egoismus Altruismus, aus Grau samkeit Mitleid geworden wäre. Diesen Reaktionsbildungen kommt zugute, daß manche Triebregungen fast von Anfang an in Gegensatzpaaren auftreten, ein sehr merkwürdiges und der populären Kenntnis fremdes Verhältnis, das man die „Gefühls- ambivalenz“ benannt hat. Am leichtesten zu beobachten und vom Verständnis zu bewältigen ist die Tatsache, daß starkes Lieben und starkes Hassen so häufig miteinander bei derselben Person vereint vorkommen. Die Psychoanalyse fügt dem zu, daß die beiden ent- gegengesetzten Gefühlsregungen nicht selten auch die nämliche: Person zum Objekte nehmen.

Erst nach Überwindung all solcher ;Triebschicksale” stellt sich das heraus, was man den Charakter eines Menschen nennt, und was mit „gut“ oder „böse“ bekanntlich nur sehr unzu- reichend klassifiziert werden kann. Der Mensch ist selten im ganzen gut oder böse, meist „gut“ in dieser Relation, „böse“ in einer anderen oder „gut“ unter solchen äußeren Bedingungen, unter anderen entschieden „böse“. Interessant ist die Erfahrung, daß die kindliche Präexistenz starker „böser“ Regungen oft

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era Die Umbildung der „bösen“ Triebe ist das Werk zweier im gleichen Sinne wirkenden Faktoren, eines inneren und eines

äußeren. Der. innere Faktor besteht in der Beeinflussung der bösen sagen wir: eigensüchtigen Triebe durch die Erotik,

dingung wird für eine besonders deutliche Wen- dung des Erwachsenen zum „Guten“. Die stärksten kindlichen | Egoisten können die hilfreichsten und aufopferungsfähigsten Bür-

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ger werden; die meisten Mitleidsschwärmer, Menschenfreunde,

das Liebesbedürfnis des Menschen im weitesten Sinne genommen.

Durch die Zumischung der erotischen Komponenten werden die E

eigensüchtigen Triebe in soziale umgewandelt. Man lernt das

Geliebtwerden als einen Vorteil schätzen, wegen dessen man auf - andere Vorteile verzichten darf. Der äußere Faktor ist der Zwang

der Erziehung, welche die Ansprüche der kulturellen Umgebung

vertritt, und die dann durch die direkte Einwirkung des Kultur-

milieus fortgesetzt wird. Kultur ist durch Verzicht auf Trieb- _ befriedigung gewonnen worden und fordert von jedem neu An- kommenden, daß er denselben Triebverzicht leiste. Während des individuellen Lebens findet eine beständige Umsetzung von äußerem Zwange in inneren Zwang statt. Die Kultureinflüsse leiten dazu

an, daß immer mehr von den eigensüchtigen Strebungen durch erotische Zusätze in altruistische, soziale, verwandelt werden. Man

darf endlich annehmen, daß aller innere Zwang, der sich in der

Entwicklung des Menschen geltend macht, ursprünglich, d. h. m

der Menschheitsgeschichte nur äußerer Zwang war. Die Menschen, die heute geboren werden, bringen ein Stück Neigung (Disposition) zur Umwandlung der egoistischen in soziale Triebe als ererbte Organisation mit, die auf leichte Anstöße hin diese Umwandlung durchführt. Ein anderes Stück dieser Triebumwand- lung muß im Leben selbst geleistet werden. In solcher Art steht der einzelne Mensch nicht nur unter der Einwirkung seines gegen-

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= wärtigen Kulturmilieus, der Be auch en Einflusse Er ) %- 2 Kulturgeschichte seiner Vorfahren. | | a e Heißen wir die einem Menschen zukommende Fähigkeit zur. 0 Umbildung der egoistischen Triebe unter dem Einflusse der Erotik seine Kultureignung, so können wir aussagen, daß dieselbe aus. ‘zwei Anteilen besteht, einem angeborenen und einem im Leben erworbenen, und daß das Verhältnis der beiden zueinander und zu dem unverwandelt gebliebenen Anteile des Trieblebens ein sehr - varlables ist. | | Im allgemeinen sind wir geneigt, den angeborenen Anteil zu hoch zu veranschlagen, und überdies laufen wir Gefahr, die gesamte Kultureignung in ihrem Verhältnisse zum primitiv _ gebliebenen Triebleben zu überschätzen, d. h. wir werden dazu verleitet, die Menschen „besser“ zu beurteilen, als sie in Wirk- lichkeit sind. Es besteht nämlich noch ein anderes Moment, welches unser Urteil trübt und das Ergebnis im günstigen Sinne | verfälscht. : Die Triebregungen eines anderen Menschen sind unserer Wahr- nehmung natürlich entrückt. Wir schließen auf sie aus seinen Hand- lungen und seinem Benehmen, welche wir auf Motive aus seinem Triebleben zurückführen. Ein solcher Schluß geht notwendigerweise in einer Anzahl von Fällen irre. Die nämlichen, kulturell „guten“ Handlungen können das einemal von „edlen“ Motiven her- stammen, das anderemal nicht. Die theoretischen Ethiker heißen nur solche Handlungen „gut“, welche der Ausdruck guter Trieb- regungen sind, den anderen versagen sie ihre Anerkennung. Die von praktischen Absichten geleitete Gesellschaft kümmert sich aber im ganzen um diese Unterscheidung nicht; sie begnügt sich damit, daß ein Mensch sein Benehmen und seine Handlungen nach den kulturellen Vorschriften richte, und fragt wenig nach seinen Motiven. |

Wir haben gehört, daß der äußere Zwang, .den Erziehung

und Umgebung auf den Menschen üben, eine weitere Umbildung

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seines Briehleberte zum Guten, eine Wendung vom Egoismus zum

- Altruismus herbeiführt. Aber dies ist nicht die notwendige oder © regelmäßige Wirkung des äußeren Zwanges. Erziehung und Um | gebung haben nicht nur Liebesprämien anzubieten, sondern 3

arbeiten auch mit Vorteilsprämien anderer Art, mit Lohn und

Strafen. Sie können also die Wirkung äußern, daß der Ihre Einflusse Unterliegende sich zum guten Handeln im kulturellen

Sinne entschließt, ohne daß sich eine Triebveredlung, eine Um-

setzung egoistischer in soziale Neigungen, in ihm vollzogen hat. Der Erfolg wird im groben derselbe sein; erst unter besonderen Verhältnissen wird es sich zeigen, daß der eine immer gut handelt, _ weil ihn seine Triebneigungen dazu nötigen, der andere nur gut ist, weil, insolange und insoweit dies kulturelle Verhalten seinen eigensüchtigen Absichten Vorteile bringt. Wir aber werden bei 4

oberflächlicher Bekanntschaft mit den Einzelnen kein Mittel haben,

die beiden Fälle zu unterscheiden, "und gewiß durch unseren Optimismus verführt werden, die Anzahl der kulturell veränderten

Menschen arg zu überschätzen.

Die Kulturgesellschaft, die die gute Handlung fordert, und sich um die Triebbegründung derselben nicht kümmert, hat also eine große Zahl von Menschen zum Kulturgehorsam gewonnen, die dabei nicht ihrer Natur folgen. Durch diesen Erfolg ermutigt, hat sie sich verleiten lassen, die sittlichen Anforderungen möglichst

hoch zu spannen und so ihre Teilnehmer zu noch weiterer Ent-

fernung von ihrer Triebveranlagung gezwungen. Diesen ist nun eine fortgesetzte Triebunterdrückung auferlegt, deren Spannung sch in den merkwürdigsten Reaktions-- und Kompensations- erscheinungen kundgibt. Auf dem Gebiete der Sexualität, wo

solche Unterdrückung am wenigsten durchzuführen ist, kommt es so zu den Reaktionserscheinungen der neurotischen Erkrankungen. Der sonstige Druck der Kultur zeitigt zwar keine pathologische E

Folgen, äußert sich aber in Charakterverbildungen und in der steten Bereitschaft der gehemmten Triebe, bei passender Gelegen-

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heit zur Befriedigung dur Wer so BR Wird, dauernd im Sinne von Vorschriften zu reagieren, die nicht der Ausdruck seiner Triebneigungen sind, der lebt, psychologisch ver- - standen, über seine Mittel und darf objektiv als Heuchler bezeichnet werden, gleichgültig ob ihm diese Differenz klar bewußt worden ist oder nicht. Es ist unleugbar, dal unsere gegenwärtige Kultur die Ausbildung dieser Art von Heuchelei in außerordentlichem Umfange begünstigt. Man könnte die Behauptung wagen, sie sei auf solcher Heuchelei aufgebaut und müßte sich tiefgreifende Abänderungen gefallen lassen, wenn es die Menschen unternehmen - würden, der psychologischen Wahrheit nachzuleben. Es gibt also ungleich mehr Kulturheuchler als wirklich kulturelle Menschen, ja man kann den Standpunkt diskutieren, ob ein gewisses Maß von Kulturheuchelei nicht zur Aufrechterhaltung der Kultur unerläßlich sel, weil die bereits organisierte Kultureignung der heute lebenden Menschen vielleicht für diese Leistung nicht zureichen . würde: Anderseits bietet die Aufrechterhaltung der Kultur auch auf so _ bedenklicher Grundlage die Aussicht, bei jeder neuen Generation eine weitergehende Triebumbildung als Trägerin einer besseren Kultur anzubahnen.

Den bisherigen Erörterungen entnehmen wir bereits den einen s Trost, daß unsere Kränkung und schmerzliche Enttäuschung wegen des unkulturellen Benehmens unserer Weltmitbürger in diesem Kriege unberechtigt waren. Sie beruhten auf einer Illusion, der wir uns gefangen gaben. In Wirklichkeit sind sie nicht so tief gesunken, wie wir fürchten, weil sie gar nicht so hoch gestiegen _ waren, wie wirs von ihnen glaubten. Daß die menschlichen Groß- individuen, die Völker und Staaten, die sittlichen Beschränkungen gegeneinander fallen ließen, wurde ihnen zur begreiflichen An- regung, sich für eine Weile dem bestehenden Drucke der Kultur zu entziehen und ihren zurückgehaltenen Trieben vorübergehend Befriedigung zu gönnen. Dabei geschah ihrer relativen Sittlichkeit innerhalb ihres Volkstumes wahrscheinlich kein Abbruch.

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Wir können uns aber das Verständnis der Veränderung, die der

Krieg an unseren früheren Kompatrioten zeigt, noch vertiefen und

empfangen dabei eine Warnung, kein Unrecht an ihnen zu |

begehen. Seelische Entwicklungen besitzen nämlich eine Eigen- E

tümlichkeit, welche sich bei keinem anderen Entwicklungsvorgang

mehr vorfindet. Wenn ein Dorf zur Stadt, ein Kind zum Manne j heranwächst, so gehen dabei Dorf und Kind in Stadt und Mann unter. Nur die Erinnerung kann die alten Züge in das neue Bild einzeichnen; in Wirklichkeit sind die alten Materialien oder i Formen beseitigt und durch neue ersetzt worden. Anders geht si bei einer seelischen Entwicklung zu. Man kann den nicht zu ver- gleichenden Sachverhalt nicht anders beschreiben als durch die

Behauptung, daß jede frühere Entwicklungsstufe neben der späteren,

die aus ihr geworden ist,. erhalten bleibt; die Sukzession bedingt

eine Koexistenz mit, obwohl es doch dieselben Materialien sind,

an denen die ganze Reihenfolge von Veränderungen abgelaufen

ist. Der frühere seelische Zustand mag sich jahrelang nicht geäußert haben, er bleibt doch soweit bestehen, daß er eines

. Tages wiederum die Äußerungsform der seelischen Kräfte werden

. das primitive Seelische ist im vollsten Sinne unvergänglich. be

kann, und zwar die einzige, als ob alle späteren Entwicklungen annulliert, rückgängig gemacht worden wären. Diese außerordent- 4 liche Plastizität der seelischen Entwicklungen ist in ihrer Richtung nicht unbeschränkt; man kann sie als eine besondere Fähigkeit zur Rückbildung Regression bezeichnen, denn es kommt wohl vor, daß eine spätere und höhere Entwicklungsstufe, die verlassen wurde, nicht wieder erreicht werden kann. Aber die 3

Hi

primitiven Zustände können immer wieder hergestellt werden;

Die sogenannten Geisteskrankheiten müssen beim Laien den. Eindruck hervorrufen, daß das Geistes- und Seelenleben der Zer- störung anheimgefallen sei. In Wirklichkeit betrifft die Zerstörung nur spätere Erwerbungen und Entwicklungen. Das Wesen der Geisteskrankheit besteht in der Rückkehr zu früheren Zuständen 2

Zeitgemäßes über K rieg und Tod

des Affektlebens und der Funktion. Ein ausgezeichnetes Beispiel für die Plastizität des Seelenlebens gibt der Schlafzustand, den wir allnächtlich anstreben. Seitdem wir auch tolle und verworrene Träume zu übersetzen verstehen, wissen wir, daß wir mit jedem Einschlafen unsere mühsam erworbene Sittlichkeit wie ein Gewand von uns werfen um es am Morgen wieder anzutun. Diese

Entblößung ist natürlich ungefährlich, weil wir durch den Schlaf-

zustand gelähmt, zur Inaktivität verurteilt sind. Nur der Traum kann von der Regression unseres Gefühllebens auf eine der frü- hesten Entwicklungsstufen Kunde geben. So ist es z. B. bemer- kenswert, daß alle unsere Träume von rein egoistischen Motiven beherrscht werden. Einer meiner englischen Freunde vertrat diesen Satz vor einer wissenschaftlichen Versammlung in Amerika, wor- auf ihm eine anwesende Dame die Bemerkung machte, das möge vielleicht für Österreich richtig sein, aber sie dürfe von sich und ihren Freunden behaupten, daß sie auch noch im Traume al- truistisch fühlen. Mein Freund, obwohl selbst ein Angehöriger der englischen Rasse, mußte auf Grund seiner eigenen Erfahrungen in. der Traumanalyse der Dame energisch widersprechen: Im Traume sei auch die edle Amerikanerin ebenso egoistisch wie der Österreicher.

Es kann also auch die Triebumbildung, auf welcher unsere Kultur- eignung beruht, durch Einwirkungen des Lebens dauernd oder zeitweilig rückgängig gemacht werden. Ohne Zweifel gehören die Einflüsse des Krieges zu den Mächten, welche solche Rück- bildung erzeugen können, und darum brauchen wir nicht allen jenen, die sich gegenwärtig unkulturell .benehmen, die Kultur- eignung abzusprechen, und dürfen erwarten, daß sich ihre Trieb- veredlung in ruhigeren Zeiten wieder herstellen wird.

Vielleicht hat uns aber ein anderes Symptom bei unseren Welt- mitbürgern nicht weniger überrascht und geschreckt als das so schmerzlich empfundene Herabsinken von ihrer ethischen Höhe. Ich meine die Einsichtslosigkeit, die sich bei den besten Köpfen

Freud, Krieg und Tod. 2

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| Sigm. Freu

zeigt, ihre Verstocktheit, Unzugänglichkeit gegen die eindringlich- 3 sten Argumente, ihre kritiklose Leichtgläubigkeit für die anfecht- . | barsten Behauptungen. Dies ergibt freilich ein trauriges Bild, und u ich will ausdrücklich betonen, daß ich keineswegs als verblendeter Parteigänger alle intellektuellen Verfehlungen nur auf einer der Br. x beiden Seiten finde. Allein diese Erscheinung ist noch leichter zu erklären und weit weniger bedenklich als die vorhin gewürdigte. 4 Menschenkenner und Philosophen haben uns längst belehrt, daß E wir Unrecht daran tun, unsere Intelligenz als selbständige Macht zu schätzen und ihre Abhängigkeit vom Gefühlsleben zu über- sehen. Unser Intellekt könne nur verläßlich arbeiten, wenn er 3 den Einwirkungen starker Gefühlsregungen entrückt sel; im gegen- teiligen Falle benehme er sich einfach wie ein Instrument zu ‚Handen eines Willens und liefere das Resultat, das ihm von diesem aufgetragen sei. Logische Argumente seien also ohnmächtig gegen affektive Interessen, und darum sei das Streiten mit Gründen, die nach Falstaffs Wort so gemein sind wie Brombeeren, in der Welt der Interessen so unfruchtbar. Die psychoanalytische Erfah- rung hat diese Behauptung womöglich noch unterstrichen. Sie kann alle Tage zeigen, daß sich die scharfsinnigsten Menschen plötzlich einsichtslos wie Schwachsinnige benehmen, sobald die verlangte Einsicht einem Gefühlswiderstand bei ihnen begegnet, aber auch alles Verständnis wieder erlangen, wenn dieser Wider- stand überwunden ist. Die logische Verblendung, die dieser Krieg oft gerade bei den besten unserer Mitbürger hervorgezaubert hat, ist also ein sekundäres Phänomen, eine Folge der Gefühlserregung, und hoffentlich dazu bestimmt, mit ihr zu verschwinden.

Wenn wir solcher Art unsere uns entfremdeten Mitbürger wieder verstehen, werden wir die Enttäuschung, die uns die Groß- individuen der Menschheit, die Völker, bereitet haben, um vieles leichter ertragen, denn an diese dürfen wir nur weit bescheidenere Ansprüche stellen. Dieselben wiederholen vielleicht die Entwick- lung der Individuen und treten uns heute noch auf sehr primi-

1

Zeitgemäßes über Krieg und Tod rg :

tiven Stufen der Organisation, der Bildung höherer Einheiten, entgegen. Dementsprechend ist das erziehliche Moment des äußeren Zwanges zur Sittlichkeit, welches wir beim Einzelnen so wirksam fanden, bei ihnen noch kaum nachweisbar. Wir hatten zwar ge- hofft, daß die großartige, durch Verkehr und Produktion her- gestellte Interessengemeinschaft den Anfang eines solchen Zwanges ergeben werde, allein es scheint, die Völker gehorchen ihren Leidenschaften derzeit weit mehr als ihren Interessen. Sie bedienen

sich höchstens der Interessen, um die Leidenschaften zu ratio-

nalisieren; sie schieben ihre Interessen vor, um die Befriedigung

ihrer Leidenschaften begründen zu können. Warum die Völker-

individuen einander eigentlich geringschätzen, hassen, verabscheuen, und zwar auch in Friedenszeiten, und jede Nation die andere, das ist freilich rätselhaft. Ich weiß es nicht zu sagen. Es ist in

diesem Falle gerade so, als ob sich alle sittlichen Erwerbungen

der Einzelnen auslöschten, wenn man eine Mehrheit oder gar Millionen Menschen zusammennimmt, und nur die primitivsten, ältesten und rohesten, seelischen Einstellungen übrig blieben. An diesen bedauerlichen Verhältnissen werden vielleicht erst späte Entwicklungen etwas ändern können. Aber etwas mehr Wahr- haftigkeit und Aufrichtigkeit allerseits, in den Beziehungen der Menschen zueinander und zwischen ihnen und den sie Regieren- den, dürfte auch für diese Umwandlung die Wege ebnen.

1,74

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II

UNSER VERHÄLTNIS ZUM TODE

Das zweite Moment, von dem ich es ableite, daß wir uns so _ befremdet fühlen in dieser einst so schönen und trauten Welt,

ist die Störung des bisher von uns festgehaltenen Verhältnisses zum Tode.

Dies Verhältnis war kein aufrichtiges. Wenn man uns anhörte,

so waren wir natürlich bereit zu vertreten, daß der Tod der not- wendige Ausgang alles Lebens sei, daß jeder von uns der Natur einen Tod schulde und vorbereitet sein müsse, die Schuld zu be-

zahlen, kurz, daß der Tod natürlich sei, unableugbar und unver- meidlich. In Wirklichkeit pflegten wir uns aber zu benehmen, als ob es anders wäre. Wir haben die unverkennbare Tendenz

gezeigt, den Tod beiseite zu schieben, ihn aus dem Leben zu

eliminieren. Wir haben versucht, ihn totzuschweigen; wir besitzen

ja auch das Sprichwort: man denke an etwas wie an den Tod.

Wie an den eigenen natürlich. Der eigene Tod ist ja auch un- _ vorstellbar, und so oft wir den Versuch dazu machen, können wir

bemerken, daß wir eigentlich als Zuschauer weiter dabei bleiben.

So konnte in der psychoanalytischen Schule der Ausspruch gewagt

werden: Im Grunde glaube niemand an seinen eigenen Tod oder, was dasselbe ist: Im Unbewußten sei jeder von uns von seiner

Unsterblichkeit überzeugt.

keit zu einer Zufälligkeit herabzudrücken. Eine Häufung von

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es sorgfältig vermeiden, von dieser Möglichkeit zu sprechen, wenn

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der zum Tode Bestimmte es hören kann. Nur Kinder setzen sich Be über diese Beschränkung hinweg; sie drohen einander ungescheut

| Bu mit den Chancen des Sterbens und bringen es auch zustande,

einer geliebten Person dergleichen ins Gesicht zu sagen, wiez.B:

Liebe Mama, wenn du leider gestorben sein wirst, werde ch : rt

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dies oder jenes. Der erwachsene Kultivierte wird den Tod eines anderen auch nicht gern in seine Gedanken einsetzen, ohne sich hart oder böse zu erscheinen; es sei denn, daß er berufsmäßig als Arzt, Advokat u. dgl. mit dem Tode zu tun habe. Am wenig- sten wird er sich gestatten, an den Tod des anderen zu denken, wenn mit diesem Ereignis ein Gewinn an Freiheit, Besitz, Stellung verbunden ist. Natürlich lassen sich Todesfälle durch dies unser 3 Zartgefühl nicht zurückhalten; wenn sie sich ereignet haben, sind wir jedesmal tief ergriffen und wie in unseren Erwartungen er- schüttert. Wir betonen regelmäßig die zufällige Veranlassung des Todes, den Unfall, die Erkrankung, die Infektion, das hohe Alter,

und verraten so unser Bestreben, den Tod von einer Notwendig-

Todesfällen erscheint uns als etwas überaus Schreckliches. Dem Verstorbenen selbst bringen wir ein besonderes Verhalten ‚ent- gegen, fast wie eine Bewunderung für einen, der etwas sehr. Schwieriges zustande gebracht hat. Wir stellen die Kritik gegen ihn ein, sehen ihm sein etwaiges Unrecht nach, geben den Befehl aus: de mortuis nil nisi bene, und finden es gerecht- fertigt, daß man ihm in der Leichenrede und auf dem Grab- steine das Vorteilhafteste nachrühmt. Die Rücksicht auf den Toten, deren er doch nicht mehr bedarf, steht uns über der Wahrheit, den meisten von uns gewiß auch über der Rücksicht für den Lebenden.

Diese kulturell-konventionelle Einstellung gegen den Tod ergänzt sich nun durch unseren völligen Zusammenbruch, wenn das Sterben

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_ eine der uns nahestehenden Personen, einen Eltern- oder Gatten- | teil, ein Geschwister, Kind oder teuren Freund getroffen hat. Wir

. begraben mit ihm unsere Hoffnungen, Ansprüche, Genüsse, lassen

_ uns nicht trösten und weigern uns, den Verlorenen zu ersetzen. _ Wir benehmen uns dann wie eine Art von Asra, welche mit- sterben, wenn die sterben, die sie lieben.

Dies unser Verhältnis zum Tode hat aber eine starke Wirkung auf unser Leben. Das Leben verarmt, es verliert an Interesse, wenn der höchste Einsatz in den Lebensspielen, eben das Leben selbst, nicht gewagt werden darf. Es wird so schal, gehaltlos wie etwa ein amerikanischer Flirt, bei dem es von vornherein fest- steht, daß nichts vorfallen darf, zum Unterschied von einer kon- tinentalen Liebesbeziehung, bei welcher beide Partner stets der ernsten Konsequenzen eingedenk bleiben müssen. Unsere Gefühls- bindungen, die unerträgliche Intensität unserer Trauer, machen uns abgeneigt, für uns und die unserigen Gefahren aufzusuchen. Wir getrauen uns nicht, eine Anzahl von Unternehmungen in Betracht zu ziehen, die gefährlich, aber eigentlich unerläßlich sind wie Flugversuche, Expeditionen in ferne Länder, Experimente mit explodierbaren Substanzen. Uns lähmt dabei das Bedenken, wer der Mutter den Sohn, der Gattin den Mann, den Kindern den Vater ersetzen soll, wenn ein Unglück geschieht. Die Neigung, den Tod aus der Lebensrechnung auszuschließen, hat so viele andere Verzichte und Ausschließungen im Gefolge. Und doch hat der Wahlspruch der Hansa gelautet: Navigare necesse est, vivere non necesse! Seefahren muß man, leben muß man nicht.

Es kann dann nicht anders kommen, als daß wir in der Welt der Fiktion, in der Literatur, im Theater Ersatz suchen für die Einbuße des Lebens. Dort finden wir noch Menschen, die zu sterben verstehen, ja, die es auch zustande bringen, einen anderen zu töten. Dort allein erfüllt sich uns auch die Bedingung, unter welcher wir uns mit dem Tode versöhnen könnten, wenn wir nämlich hinter allen Wechselfällen des Lebens noch ein unantast-

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Zeitgemäßes über Krieg und Tod | Aa 23.

bares Leben übrig behielten. Es ist doch zu traurig, daß es im Leben zugehen kann wie im Schachspiel, wo ein falscher Zug uns zwingen kann, die Partie verloren zu geben, mit dem Unter- ‚schiede aber, daß wir keine zweite, keine Revanchepartie beginnen können. Auf dem Gebiete der Fiktion finden wir jene Mehrheit von Leben, deren wir bedürfen. Wir sterben in der Identifizierung mit dem einen Helden, überleben ihn aber doch und sind bereit, ebenso ungeschädigt ein zweites Mal mit einem anderen Helden zu sterben.

Es ist evident, daß der Krieg diese konventionelle Behandlung des Todes hinwegfegen muß. Der Tod läßt sich jetzt nicht mehr verleugnen; man muß an ihn glauben. Die Menschen sterben wirklich, auch nicht mehr einzeln, sondern viele, oft Zehntausende an einem Tage. Es ist auch kein Zufall mehr. Es scheint freilich noch zufällig, ob diese Kugel den einen trifft oder den anderen; aber diesen. anderen mag leicht eine zweite Kugel treffen, die Häufung macht dem Eindruck des Zufälligen ein Ende. Das Leben ist freilich wieder interessant geworden, es hat seinen vollen In- halt wieder bekommen.

Man müßte hier eine Scheidung in zwei Gruppen vornehmen, diejenigen, die selbst im Kampfe ihr Leben preisgeben, trennen von den anderen, die zu Hause geblieben sind und nur zu er- warten haben, einen ihrer Lieben an den Tod durch Verletzung, Krankheit oder Infektion zu verlieren. Es wäre gewiß sehr inter- essant, die Veränderungen in der Psychologie der Kämpfer zu studieren, aber ich weiß zu wenig darüber. Wir müssen uns an die zweite Gruppe halten, zu der wir selbst gehören. Ich sagte schon, daß ich meine, die Verwirrung und die Läh- mung unserer Leistungsfähigkeit, unter denen wir leiden, seien wesentlich mitbestimmt durch den Umstand, daß wir unser bis- heriges Verhältnis zum Tode nicht aufrecht halten können und ein neues noch nicht gefunden haben. Vielleicht hilft es uns dazu, wenn wir unsere psychologische Untersuchung auf zwei andere

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Beziehungen zum Tode richten, Pant jene, die wir dem Ur- u menschen, dem Menschen der Vorzeit, zuschreiben dürfen, und

jene andere, die in jedem von uns noch erhalten ist, aber sich

unsichtbar für unser Bewußtsein in tieferen Schichten unseres

Seelenlebens verbirgt.

Wie sich der Mensch der Vorzeit gegen den Tod verhalten, wissen wir natürlich nur durch Rückschlüsse und Konstruktionen, aber ich meine, daß diese Mittel uns ziemlich vertrauenswürdige Auskünfte ergeben haben.

Der Urmensch hat sich in sehr merkwürdiger Weise zum Tode eingestellt. Gar nicht einheitlich, vielmehr recht widerspruchsvoll. Er hat einerseits den Tod ernst genommen, ihn als Aufhebung des Lebens anerkannt und sich seiner in diesem Sinne bedient, anderseits aber auch den Tod geleugnet, ihn zu nichts herabge- drückt. Dieser Widerspruch wurde durch den Umstand ermög- licht, daß er zum Tode des anderen, des Fremden, des Feindes, eine radikal andere Stellung einnahm als zu seinem eigenen. Der Tod des anderen war ihm recht, galt ihm als Vernichtung des Verhaßten, und der Urmensch kannte kein Bedenken, ihn herbei-

' zuführen. Er war gewiß ein sehr leidenschaftliches Wesen, grau-

samer und bösartiger als andere Tiere. Er mordete gerne und wie selbstverständlich. Den Instinkt, der andere Tiere davon ab- halten soll, Wesen der gleichen Art zu töten und zu verzehren,

brauchen wir ihm nicht zuzuschreiben.

Die Urgeschichte der Menschheit ist denn auch vom Morde erfüllt. Noch heute ist das, was unsere Kinder in der Schule als Weltgeschichte lernen, im wesentlichen eine Reihenfolge von

Völkermorden. Das dunkle Schuldgefühl, unter dem die Mensch- heit seit Urzeiten steht, das sich in manchen Religionen zur An-

nahme einer Urschuld, einer Erbsünde, verdichtet hat, ist wahr- scheinlich der Ausdruck einer Blutschuld, mit welcher sich die urzeitliche Menschheit beladen hat. Ich habe in meinem Buche

_„Iotem und Tabu“ (1913), den Winken von W. Robertson

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Zeitgemäßes. über Krieg und

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Smith, Atkinson und Ch. Darwin folgend, die Natur dieser

alten Schuld erraten wollen, und meine, daß noch die heutige christliche Lehre uns den Rückschluß auf sie ermöglicht. Wenn

Gottes Sohn sein Leben opfern mußte, um die Menschheit von

der Erbsünde zu erlösen, so muß nach der Regel der Talion, der

Vergeltung durch Gleiches, diese Sünde eine Tötung, ein Mord gewesen sein. Nur dies konnte zu seiner Sühne das Opfer eines Lebens erfordern. Und wenn die Erbsünde ein Verschulden gegen Gott-Vater war, so muß das älteste Verbrechen der Menschheit ein Vatermord gewesen sein, die Tötung des Urvaters der primi- tiven Menschenhorde, dessen Erinnerungsbild später zur Gottheit verklärt wurde."

Der eigene Tod war dem Urmenschen gewiß ebenso unvor- stellbar und unwirklich, wie heute noch jedem von uns. Es ergab sich aber für ihn ein Fall, in dem die beiden gegensätzlichen Einstellungen zum Tode zusammenstießen und in Konflikt mit- einander gerieten, und dieser Fall wurde sehr bedeutsam und reich an fernwirkenden Folgen. Er ereignete sich, wenn der Ur- mensch einen seiner Angehörigen sterben sah, sein Weib, sein Kind, seinen Freund, die er sicherlich ähnlich liebte wie wir die unseren, denn die Liebe kann nicht um vieles jünger sein als

die Mordlust. Da mußte er in seinem Schmerz die Erfahrung

machen, daß man auch selbst sterben könne, und sein ganzes Wesen empörte sich gegen dieses Zugeständnis; jeder dieser Lieben war ja doch ein Stück seines eigenen geliebten Ichs. Anderseits war ihm ein solcher Tod doch auch recht, denn in jeder der geliebten Personen stak auch ein Stück Fremdheit. Das Gesetz der Gefühlsambivalenz, das heute noch unsere Gefühls- beziehungen zu den von uns geliebtesten Personen beherrscht, galt in Urzeiten gewiß noch uneingeschränkter. Somit waren diese geliebten Verstorbenen doch auch Fremde und Feinde ge-

ı) Vgl. „Die infantile Wiederkehr des Totemismus“ (die letzte Abhandlung in „Totem und Tabu“).

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x ri vorgerufen hatten. x Die Philosophen haben behauptet, das intellektuelle Rätsel,

Nachdenken erzwungen und sei der Ausgang jeder Spekulation geworden. Ich glaube, die Philosophen denken da zu philo-

_ sophisch, nehmen zu wenig Rücksicht auf die primär wirksamen E : Motive. Ich möchte darum die obige Behauptung einschränken Er: und korrigieren: an der Leiche des erschlagenen Feindes wird E, 2 der Urmensch triumphiert haben, ohne einen Anlaß zu finden,

> sich den Kopf über die Rätsel des Lebens und Todes zu zer- Be _ brechen. Nicht das intellektuelle Rätsel und nicht jeder Todesfall, Sa sondern der Gefühlskonflikt beim Tode geliebter und dabei doch

auch fremder und gehaßter Personen hat die Forschung der Men- 2 = schen entbunden. Aus diesem Gefühlskonflikt wurde zunächst die u Psychologie geboren. Der Mensch konnte den Tod nicht mehr E von sich ferne halten, da er ihn in dem Schmerz um den Ver- Be. storbenen verkostet hatte, aber er wollte ihn doch nicht zuge- = 5 stehen, da er sich selbst nicht tot vorstellen konnte. So ließ er Be sich auf Kompromisse ein, gab den Tod auch für sich zu, bestritt

| ihm aber die Bedeutung der Lebensvernichtung, wofür ihm beim Er Tode des Feindes jedes Motiv gefehlt hatte. An der Leiche der

Be ' geliebten Person ersann er die Geister, und sein Schuldbewußt- 5 Br sein ob der Befriedigung, die der Trauer beigemengt war, be- Be wirkte, daß diese erstgeschaffenen Geister böse Dämonen wurden, Be vor denen man sich ängstigen mußte. Die Veränderungen des Todes legten ihm die Zerlegung des Individuums in einen Leib E und in eine ursprünglich mehrere Seelen nahe; in: solcher Weise ging sein Gedankengang dem Zersetzungsprozeß, den der er = Tod einleitet, parallel. Die fortdauernde Erinnerung an den Ver-

_ _ _ ‚storbenen wurde die Grundlage der Annahme anderer Existenz-

ı) Siehe „Tabu und Ambivalenz“ (die zweite Abhandlung in „Totem und Tabu“).

ee ‚wesen, die einen Anteil von ndkclscn Gefühlen bei ihm herd Bi

3 = welches das Bild des Todes dem Urmenschen aufgab, habe sein

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“nenden Tode.

‚Diese späteren Existenzen waren anfänglich nur Anhängsel an

die durch den Tod abgeschlossene, schattenhaft, inhaltsleer und bis in späte Zeiten hinauf geringgeschätzt; sie trugen noch den Charakter kümmerlicher Auskünfte. Wir erinnern, was die Seele

des Achilleus dem Odysseus erwidert:

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Denn dich Lebenden einst verehrten wir, gleich den Göttern,

Argos Söhn’; und jetzo gebietest du Mächtig den Geistern,

Wohnend allhier. Drum laß dich den Tod nicht reuen, Achilleus.

Also ich selbst; und sogleich antwortet’ er, solches erwidernd:

Nicht mir rede vom Tod ein Trostwort, edler Odysseus!

Lieber ja wollt’ ich das Feld als Tagelöhner bestellen

Einem dürftigen Mann, ohn’ Erb’ und eigenen Wohlstand,

Als die sämtliche Schar der geschwundenen Toten beherrschen. (Odyssee XI v. 484— 491.)

Oder in der kraftvollen, bitter-parodistischen Fassung von H. Heine:

Der kleinste lebendige Philister

Zu Stuckert am Neckar

Viel glücklicher ist er

Als ich, der Pelide, der tote Held, Der Schattenfürst in der Unterwelt.

Erst später brachten es die Religionen zustande, diese Nach- existenz für die wertvollere, vollgültige auszugeben und das durch den Tod abgeschlossene Leben zu einer bloßen Vorbereitung herab- zudrücken. Es war dann nur konsequent, wenn man auch das Leben in die Vergangenheit verlängerte, die früheren Existenzen,

_ die Seelenwanderung und Wiedergeburt ersann, alles in der Ab- sicht, dem Tode seine Bedeutung als Aufhebung des Lebens zu rauben. So frühzeitig hat die Verleugnung des Todes, die wir

als konventionell-kulturell bezeichnet haben, ihren Anfang ge-

' nommen.

An der Leiche der geliebten Person entstanden nicht nur die Seelenlehre, der Unsterblichkeitsglaube und eine mächtige Wurzel

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F formen, gab ihm die Idee eines F ortlebens nach dem anschei-

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berühren, ehe er seine kriegerischen Mordtaten durch oft lang-

_ ethischen Gebote. Das erste und bedeutsamste Verbot des er- wachenden Gewissens lautete: Du sollst nicht töten. Es war als Reaktion gegen die hinter der Trauer versteckte Haßbefriedigung

am geliebten Toten gewonnen worden und wurde allmählich auf” den ungeliebten Fremden und endlich auch auf den Feind aus-

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gedehnt. -

An letzterer Stelle ER es vom Kulturmenschen nicht mehr

verspürt. Wenn das wilde Ringen dieses Krieges seine Entschei-

dung gefunden hat, wird jeder der siegreichen Kämpfer froh in E

sein Heim zurückkehren, zu seinem Weibe und Kindern, unver-

weilt und ungestört durch Gedanken an die Feinde, die er im _ Nahkampfe oder durch die fernwirkende Waffe getötet hat. Es : ist bemerkenswert, daß sich die primitiven Völker, die noch auf

der Erde leben und dem Urmenschen gewiß näher stehen als.

_ wir, in diesem Punkte anders verhalten oder verhalten haben,

solange sie noch nicht den Einfluß unserer Kultur erfahren hatten. Der Wilde Australier, Buschmann, Feuerländer ist keines- wegs ein reueloser Mörder; wenn er als Sieger vom Kriesspfade heimkehrt, darf er sein Dorf nicht betreten und sein Weib nicht

wierige und mühselige Bußen gesühnt hat. Natürlich liegt die Erklärung aus seinem Aberglauben nahe; der Wilde fürchtet noch die Geisterrache der Erschlagenen. Aber die Geister der erschla- ; genen Feinde sind nichts anderes als der Ausdruck seines bösen Gewissens ob seiner Blutschuld; hinter diesem Aberglauben ver- birgt sich ein Stück ethischer BE NER welches uns Kultur-

menschen verloren gegangen ist.'

Fromme Seelen, welche unser Wesen gerne von der Berührung mit Bösem und Gemeinem ferne wissen möchten, werden gewiß nicht versäumen, aus der Frühzeitigkeit und Eindringlichkeit des

ı) Siehe „Totem und Tabu“.

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nd EHE We DöR, 4 f D

_ Unbewußten fort. Also unser Unbewußtes glaubt nicht an den

‘starkes Verbot kann sich nur gegen einen ebenso Baer Impuls

ehten. Was keines Menschen Seele begehrt, braucht man nicht

zu verbieten,‘ es schließt sich von selbst aus. Gerade die Betonung des Gebotes: Du sollst nicht töten, macht uns sicher, daß wir

von einer unendlich langen Generationsreihe von Mördern ab- stammen, denen die Mordlust, wie vielleicht noch uns selbst, im ‚Blute lag. Die ethischen Strebungen der Menschheit, an deren Stärke und Bedeutsamkeit man nicht zu nörgeln braucht, sind ein Erwerb der Menschengeschichte; in leider sehr wechselndem

Ausmaße sind sie dann zum ererbten Besitze der heute lebenden

Menschheit geworden.

Verlassen wir nun den Urmenschen und wenden wir uns dem Unbewußten im eigenen Seelenleben zu. Wir fußen hier ganz auf der Untersuchungsmethode der Psychoanalyse, der einzigen, die in solche Tiefen reicht. Wir fragen: wie verhält sich unser

Unbewußtes zum Problem des Todes? Die Antwort muß lauten:

fast genau so wie der Urmensch. In dieser wie in vielen anderen Hinsichten lebt der Mensch der Vorzeit ungeändert in unserem

‚eigenen Tod, es gebärdet sich wie unsterblich. Was wir unser

„Unbewußtes“ heißen, die tiefsten, aus Triebregungen bestehenden Schichten unserer Seele, kennt überhaupt nichts Negatives, keine Verneinung Gegensätze fallen in ihm zusammen und kennt darum auch nicht den eigenen Tod, dem wir nur einen nega- tiven Inhalt geben können. Dem Todesglauben kommt also nichts

Triebhaftes in uns entgegen. Vielleicht ist dies sogar das Geheimnis des Heldentums. Die rationelle Begründung des Heldentums ruht |

auf dem Urteile, daß das eigene Leben nicht so wertvoll sein

Vgl. die glänzende Argumentation von Frazer (Freud, „Totem und Tabu“).

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a Er auge, | BR ln ı wie gewisse > abstrakte und allgemeine Güter. Aber che meine, | häufiger dürfte das instinktive und impulsive Heldentum sein,

welches von solcher Motivierung absieht und einfach nach der

Zusicherung des Anzengruberschen Steinklopferhanns: Es kann B3,; dir nix g’scheh’n, den Gefahren trotzt. Oder jene Motivierung Be; dient nur dazu, die Bedenken wegzuräumen, welche die dem

Unbewußten entsprechende heldenhafte Reaktion hintanhalten können. Die Todesangst, - unter deren Herrschaft wir häufiger

stehen, als wir selbst wissen, ist dagegen etwas Sekundäres, und meist aus Schuldbewußtsein hervorgegangen. a | Anderseits anerkennen wir den Tod für Fremde und F einde 2 2 und verhängen ihn über sie ebenso bereitwillig und unbedenklich z 22." wie der Urmensch. Hier zeigt sich freilich ein Unterschied, den E man in der Wirklichkeit für entscheidend erklären wird. Unser | Be: Unbewußtes führt die Tötung nicht aus, es denkt und wünscht : 2 sie bloß. Aber es wäre unrecht, diese psychische Realität ım je Vergleiche zur faktischen so ganz zu unterschätzen. Sie ist be - deutsam und folgenschwer’ genug. Wir beseitigen in unseren un- bewußten Regungen täglich und stündlich alle, die uns im Wege ' stehen, die uns beleidigt und geschädigt haben. Das „Hol’ ihn - der Teufel“, das sich so häufig in scherzendem Unmute über unsere Lippen drängt, und das eigentlich sagen will: „Hol’ ihn En. der Tod“, in unserem Unbewußten ist es ernsthafter, kraftvoller 4 S_ Todeswunsch. Ja, unser Unbewußtes mordet selbst für I

keiten; wie die alte athenische Gesetzgebung des Drakon kennt es für Verbrechen keine andere Strafe als den Tod, und dies mit einer gewissen Konsequenz, denn jede Schädigung unseres all- |

mächtigen und selbstherrlichen Ichs ist im Grunde ein crimen laesae majestatis.

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So sind wir auch selbst, wenn man uns nach unseren unbe- wußten Wunschregungen beurteilt, wie die Urmenschen eine Rotte _ von Mördern. Es ist ein Glück, daß alle diese Wünsche nicht die Kraft besitzen, die ihnen die Menschen in Urzeiten noch zu-

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_ wäre die Menschheit längst zugrunde gegangen, die besten und _ weisesten der Männer darunter wie die schönsten und holdesten B ‚der Frauen. : N - Mit Aufstellungen wie diesen findet die Psychoanalyse bi dn Laien meist keinen Glauben. Man weist sie als Verleumdungen zurück, welche gegen die Versicherungen des Bewußtseins nicht A e

zeichen, durch welche sich auch das Unbewußte dem Bewußtsein .zu verraten pflegt. Es ist darum am Platze darauf hinzuweisen, a daß viele Denker, die nicht von der Psychoanalyse beeinflußt sein Po konnten, die Bereitschaft unserer stillen Gedanken, mit Hinweg- |

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setzung über das Mordverbot zu beseitigen, was uns im Wege

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2 steht, deutlich genug angeklagt haben. Ich wähle hiefür ein ein- w ziges berühmt gewordenes Beispiel an Stelle vieler anderer: | i R- E Im „Pere Goriot“ spielt Balzac auf eine Stelle in den Werken Bi i 'J. J. Rousseaus an, in welcher dieser Autor den Leser fragt, $ u > was er wohl tun würde, wenn er ohne Paris zu verlasen Br E und natürlich ohne entdeckt zu werden einen alten Mandarin 78 & in Peking durch einen bloßen Willensakt töten könnte, dessen = 4 Ableben ihm einen großen Vorteil einbringen müßte. Er läßt Bi i erraten, daß er das Leben dieses Würdenträgers für nicht ehr gesichert hält. „Zuer son mandarin“ ist dann sprichwörtlich- Be; $ geworden für diese geheime Bereitschaft auch der heutigen Br Er Menschen. | hi; u Es gibt auch eine ganze Anzahl von zynischen Witzen und. R e - Anekdoten, welche nach derselben Richtung Zeugnis ablegen, wie R

z. B. die dem Ehemanne zugeschriebene Äußerung: Wenn einer

von uns beiden stirbt, übersiedle ich nach Paris. Solche zynische + Witze wären nicht möglich, wenn sie nicht eine verleugnete i Wahrheit mitzuteilen hätten, zu der man sich nicht bekennen . > R . Fr

{ ı) Vgl. über „Allmacht der Gedanken“ in „Totem und Tabu“, Sa 5 | Va

sie Gencthat BE unverhällt Biepesprochen wird. Im

a Ser darf man bekanntlich sogar die Wahrheit sagen. | Wie für den Urmenschen so ergibt sich auch für unser Un-,

Eee wußtes ein Fall, in dem die beiden entgegengesetzten Ein-

langen gegen den Tod, die eine, welche ıhn als Lebensveil

AR nichtung anerkennt, und die andere, die ihn als unwirklich verleugnet, zusammenstoßen und in Konflikt geraten. Und dieser Fall ist der nämliche wie in der Urzeit, der Tod oder die Todes- £ gefahr eines unserer Lieben, eines Eltern- oder Gattenteils, eines . Geschwisters, Kindes oder lieben Freundes. Diese Lieben sind uns einerseits ein innerer Besitz, Bestandteile unseres eigenen Ichs, = anderseits aber auch teilweise Fremde, ja Feinde. Den zärtlichsten und innigsten unserer Liebesbeziehungen hängt mit Ausnahme ganz weniger Situationen ein Stückchen Feindseligkeit an, welches den unbewußten Todeswunsch anregen kann. Aus diesem Ambi- valenzkonflikt geht aber nicht wie dereinst die Seelenlehre und _ die Ethik hervor, sondern die Neurose, die uns tiefe Einblicke auch in das normale Seelenleben gestattet. Wie häufig haben die psychoanalytisch behandelnden Ärzte mit dem Symptom der über- En 33 zärtlichen Sorge um das Wohl der Angehörigen oder mit völlig. R unbegründeten Selbstvorwürfen nach dem Tode einer geliebten Person zu tun gehabt. Das Studium dieser Vorfälle hat ihnen über - die Verbreitung und Bedeutung der wnbewußten Todeswünsche keinen Zweifel gelassen.

Ay Der Laie empfindet ein außerordentliches Grauen vor dieser Ser 2 - Gefühlsmöglichkeit und nimmt diese Abneigung als legitimen £ Grund zum Unglauben gegen die Behauptungen der Psycho- analyse. Ich meine mit Unrecht. Es wird keine Herabsetzung ' unseres Liebeslebens beabsichtigt, und es liegt auch keine solche vor. Unserem Verständnis wie unserer Empfindung liegt es freilich ferne, Liebe und Haß in solcher Weise miteinander zu ver- koppeln, aber indem die Natur mit diesem Gegensatzpaar arbeitet, bringt sie es zustande, die Liebe immer wach und frisch zu

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a- - erhalten, um sie geg gen den hinter ihr lauernden Haß zu ver- > E: x 23 sichern. Man darf sagen, die schönsten Entfaltungen unseres Er

x 3 Liebeslebens danken wir der Reaktion gegen den teineschOe | B*. & Impuls, den wir in unserer Brust verspüren. Se s

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Resümieren wir nun: unser Unbewußtes ist gegen die Vor- it stellung des eigenen Todes ebenso unzugänglich, gegen den Fremden ebenso mordlustig, gegen die geliebte Person ebenso Fe zwiespältig (ambivalent) wie der Mensch der Urzeit. Wie weit haben wir uns aber in der konventionell-kulturellen Einstellung $ Rx

gegen den Tod von diesem Urzustande entfernt! Be: Es ist leicht zu sagen, wie der Krieg in diese Entzweiung ein- Ber greift. Er streift uns die späteren Kulturauflagerungen ab und 5 - Br. Bu

_ läßt den Urmenschen in uns wieder zum Vorschein kommen. EE \ _ zwingt uns wieder, Helden zu sein, die an den eigenen Tod Er. nicht glauben können; er bezeichnet uns die Fremden als Feinde, Br: _ deren Tod man herbeiführen oder herbeiwünschen soll; er rät Bi -

uns, uns über den Tod geliebter Personen hinwegzusetzen. Der - Krieg ist aber nicht abzuschaffen; solange die Existenzbedingungen der Völker so verschieden und die Abstoßungen unter ihnen so

4 heftig sind, wird es Kriege geben müssen. Da erhebt sich denn F 5 ! die Frage: Sollen wir nicht diejenigen sein, die nachgeben und I; sich ihm anpassen? Sollen wir nicht zugestehen, daß wir mit B: ; ® unserer kulturellen Einstellung zum Tode psychologisch wieder 3 : _ einmal über unseren Stand gelebt haben, und vielmehr um- E- } kehren und die Wahrheit fatieren? Wäre es nicht besser, dem £ 2 7 Tode den Platz in der Wirklichkeit und in unseren Gedanken R- einzuräumen, der ihm gebührt, und unsere unbewußte Ein- 9 3 stellung zum Tode, die wir bisher so sorgfältig unterdrückt = 3 haben, ein wenig mehr hervorzukehren? Es scheint das keine u Höherleistung zu sein, eher ein Rückschritt in manchen Stücken, en eine Regression, aber es hat den Vorteil, der Wahrhaftigkeit E mehr Rechnung zu tragen und uns das Leben wieder erträg- a licher zu machen. Das Leben zu ertragen, bleibt ja doch die E: "Freud, Krieg und Tod. | 5 2 a;

Wir « erinnern uns des alten Spruches: Si vis pacem, para Wenn du den Frieden erhalten willst, so rüste zum.

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Si vis vitam, para willst, richte dich auf

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INHALTSVERZEICHNIS

Die Enttäuschung des Krieges . . .

Unser Verhältnis zum Tode . . . .

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SIGM. FREUD- EL

GESAMMELTE

Studien über Hysterie / Frühe Arbeiten zur Neurosenlehre (1892—99) (Charcot Ein Fall von hypnot. Heilung nebst Bemerkungen über d. Ent- ‚2A gu hyster. Symptome durch d. Gegenwillen Ouelques considerations pour une €tude compara- tive des paralysies motrices organ. et hysteriques Die Abwehr-Neuropsychosen Über die Berechti-

ung, von der Neurasthenie einen bestimmten R rnptamenkomplek als „Angstneurose* abzu- trennen Obsessions et phobies Zur Kritik der Angstneurose Weitere Bemerkungen über die Abwehr-Neuropsychosen L’heredite et l’6tiologie

. des nevroses Zur Ätiologie der Hysterie

Die Sexualität in der Ätiologie der Neurosen Über Deckerinnerungen)

u Die Traumdeutung

II

Nachträge zur Traumdeutung / Über den

Traum / Beiträge zur Traumlehre (Märchenstoffe

in Träumen Ein Traum als Beweismittel

Traum und Telepathie Bemerkungen zur Theorie und Praxis der Traumdeutung)

IV Zur Psychopathologie des Alltagslebens ' Das

Interesse an der Psychoanalyse / Über Psycho- analyse / Zur Geschichte der psychoanalytischen

Bewegung V

Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie / Arbeiten zum Sexualleben und zur Neurosenlehre (Meine Ansichten über die Rolle der Sexualität in der Ätiologie der Neurosen Zur sexuellen Aufklärung der Kinder Die „kulturelle* Sexualmoral und die Nervosität Über infantile Sexualtheorien Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens: Über einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne. Über die allgemeinste Erniedrigung des Liebeslebens. Das Tabu der Virginitäit Die infantile Genitalorganisation Zwei Kinderlügen Gedankenassoziation eines vierjährigen Kindes Hysterische Phantasien und ihre Beziehung zur Bisexualität Charakter u. Analerotik Über Triebumsetzungen, insbesondere der Analerotik Die Disposition zur Zwangneurose Mitteilung eines der psycho- analytischen Theorie widersprechenden Falles von Paranoia Die psychogene Sehstörung in psycho-

‚analytischer Auffassung Eine Beziehung zwischen

einem Symbol und einem Symptom Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homo- sexualität „Ein Kind wird geschlagen“ Das ökonomische Problem des Masochismus Über einige neurotische Mechanismen, bei Eifersucht, Paranoia und Homosexualität Über neurotische Erkrankungstypen Formulierungen über die zwei Prinzipien des psychischen Geschehens

Über den .hysterischen Anfall _

SCHRIFTEN

Neurose und Psychose Der Untergang des Ödipuskomplexes) / Metapsychologie (Einige Bemerkungen über den Begriff des Unbewußten in der PsA. Triebe und Triebschicksale Die Verdrängung Das Unbewußte Metapsycholog. Ergänzung z. Traumlehre Trauer und Melancholie)

VI

Zur Technik (Die Freudsche psychoanalytische Methode Über Psychotherapie Die zukünftigen Chancen der psychoanalytischen Therapie Über „wilde“ Psychoanalyse Die Handhabung der Traumdeutung in der Psychoanalyse— Zur Dynamik der Übertragung Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung Über fausse reconnaissance (‚deja racont6“]) während der psycho- analytischen Arbeit— ZurEinleitung der Behandlung Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten Bemerkungen über die Übertragungsliebe Wege der psychoanalyt. Therapie Zur Vorgeschichte der analyt. Technik) / Zur Einführung des Nar- zißmus / Jenseits des Lustprinzips / Massen- psychologie und Ich-Analyse / Das Ich und das Es / Anhang (Der Realitätsverlust bei Neurose und Psychose Notiz über den Wunderblock)

vu Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse

VII

Krankengeschichten (Bruchstück einer Hysterie- analyse Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben Über einen Fall von Zwangsneurose Psa. Bemerkungen über einen autobiographisch be- schriebenen Fall von Paranoia Aus der Geschichte einer infantilen Neurose)

IX

Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten Der Wahn und die Träume in W. Jensens

„Gradiva“ / Eine Kindheitserinnerung des Leo-

nardo da Vinci IX

Totem und Tabu ; Arbeiten zur Anwendung der Psychoanalyse (Tatbestandsdiagnostik und Psycho- »

analyse Zwangshandlungen und Religionsübung Über den Gegensinn der Urworte Der Dichter und das Phantasieren Mpytlologische Parallele zu einer Motiv der Kästchenwahl Der Moses des Michel- angelo Einige Charaktertypen aus der psa. Arbeit: Die Ausnahmen. Die am Erfolge scheitern. Die Verbrecher aus Schuldbewußtsein Zeitgemäßes über Krieg und Tod Eine Schwierigkeit der Psychoanalyse Eine Kindheitserinnerung aus „Dichtung und Wahrheit“ Das Unheimliche Eine Menfelaneuross im 17. Jahrhundert

xI Nachträge / Bibliographie / Register

Die Bände I und IV-X erscheinen IQ24, die drei restlichen 1925

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lastischen Zwangsvorstellung Das

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Wien VII, N

=. NEOTTO.RANK | ES choanalytische Beiträge zur Mythenforschung

Inhalt:Mythologie u. Psychoanalyse /Symbolik / Völkerpsychol. Parallelen z. d. infant. Sexualtheorien/ - Deutung der Sintflutsage / Männeken-Piß u. Dukaten-Scheißer / Brüdermärchen / Mythus u. Märchen. B-

Daß Rank es verstanden hat, sein Thema klar, übersichtlich und fesselnd zu gestalten, ist für den 3 | Kenner seiner Arbeiten keine Überraschung. Zeitschrift für Sexualwissenschaft.

Kritische Leser werden viel Anregung und interessantes Material in diesen Aufsätzen finden. Literarisches Echo. 3

Libro .,. de una presentaciön elegante es una de las magnificas contribuciones a la interpretaciön 7 psicoanalitica de mitos y legendas, Revista di Psiquiatria, Lima, “4

Dr. OTTO RANK Das Trauma der Geburt

und seine Bedeutung für die Psychoanalyse

Inhalt: Analytische Situation / Infantile Angst / Sexuelle Befriedigung / Neurotische Reproduktion a . Symbolische Anpassung / Heroische Kompensation / Religiöse Sublimierung / Künstlerische Ideali- ish / Philosophische Spekulation / Psychoanalytische Erkenntnis / Therapeutische Wirkung.

Dr. EDUARD HITSCHMANN Gottfried Keller

Sind die Künstler-Psychoanalysen besser (d. h. vorsichtiger in der Materialbewertung) geworden

oder haben wir im Laufe der Zeit nähere Fühlung mit der Psychoanalyse gewonnen? Wohl beides . Das vorliegende Keller-Buch hat mir auch als Literarhistoriker einige Lichter aufgesteckt . . Das A _ Buch vertieft unseren Einblick in die erotischen Probleme bei dem Menschen wie bei dem Künstler 5 Keller. Es erklärt die Hemmungen in seiner persönlichen Liebeswahl und Sexualität und beleuchtet entsprechende Motive seiner Dichtung. Prof. Harry Maync (Bern) im Literarischen Echo.

Er | Dr. EMIL LORENZ 3 E. ‚Der politische Mythus |

Beiträge zur Mythologie der Kultur In seiner edlen Wissenschaftlichkeit die Wage des Für und Wider liebevoll austarierend, ein

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Apotheker magischer Destillate und wiederum wäre das Wort nicht so zerbeult: ein Barock- mensch dosiert er seine Gedanken. In keiner Bibliothek eines politischen Menschen sollte das Buch fehlen. Klagenfurter Zeitung. Diese Darlegungen verdienen nicht nur das Interesse des Forschers, sie sind auch ebenso beachtens- = wert für den Künstler wie den gebildeten Laien. Trierer Zeitung. In der Durchleuchtung der Seele von Revolutionen spürt er mit unendlich feinfühligem Geiste den an inneren Antrieben von Massenbewegungen nach und findet in den Trägern dieser Umstürze unbewußte R Motive wirksam, die er geistreich bis zu den Urformen zurückverfolgt. Freie Stimmen. x

Pror. Dr. HEINRICH GOMPERZ - R Psychol. Beobachtungen an griechischen Philosophen

(Sokrates Parmenides)

Dr. FRITZ GIESE = Psychoanalytische Psychotechnik

I. PsAnalyse u. Wirtschaftsleben. Über erotisierte Reklame. II. Psychol. Eignungsprüfung

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I. DER KUNSTLER

ANSÄTZE ZU EINER SEXUAL-PSYCHOLOGIE

Von Dr. OTTO RANK

Das Werk Ranks behandelt in lichtvoller Darstellung entscheidende Fragen. Der Weg ist kühn aber kein Marsch auf der Straße. Die Zeit.

Viele sehr verdienstvolle, wenn auch harte und bei- nahe rücksichtslose Meinungen. Es gehört eine große

Freiheit des Geistes und eine sehr schätzbare Unbe-

fangenheit dazu. Rank hat auf dem Wege zur Seelen- schau des Künstlers eine ganze Menge psychologischer Probleme auf ihren sexuellen Gehalt hin geprüft und mit schöner Prägnanz demonstriert.

Münchner Allgemeine Zeitung.

Il. TOLSTOIS KINDHEITS- ERINNERUNGEN

EIN BEITRAG ZU FREUDS LIBIDOTHEORIE Von Dr. N. OSSIPOW

Auf der gigantischen Persönlichkeit dieses großen Russen, erschütternd entgegenschimmernd aus seinem künstlerischen Schaffen, fast nacktgeschürft in dem Autobiographischen, ruht hier zum erstenmal der geschärfte und geläuterte Blick psychoanalytischer Erkenntnis. Der Mensch und Künstler, selbst ein Zergliederer, selbst ein Träger genialischer Tiefen- psychologie, tritt hier in den Leuchtkegel modernster wissenschaftlicher Seeleneinsicht. In merkwürdiger Weise kreuzen sich dabei die Wege Tolstoischer Sexualgrübelei mit denen der psychoanalytischen Eros- lehre. Die Studie beansprucht, sowohl von den Ge- nießern Tolstoischer Kunst willkommen geheißen zu werden, als auch bei dem wissenschaftlich orientierten Leser brennendes Interesse vorzufinden,

III. DER EIGENE UND DER FREMDE GOTT

ZUR PSYCHOANALYSE DER RELIGIÖSEN ENTWICKLUNG

Von Dr. THEODOR REIK

Inhalt: Über kollektives: Vergessen. Jesus und

- Maria im Talmud. Der hl. Beer verschreibt

sich. Die wiederauferstandenen Götter. Das Evan- gelium des Judas Ischkarioth. Die psychoanalytische Deutung des Judasproblems. Gott und Teufel. Die Unheimlichkeit fremder Götter und Kulte. Das Unheimliche aus infantilen Komplexen. Die Äqui- valenzd. Triebgegensatzpaare. Über Differenzierung. Diese Arbeiten sollen, schreibt der Verfasser in der Vorbemerkung. „einen Versuch darstellen, von ana-

Iytischen Gesichtspunkten aus die Erscheinungen der

religiösen Feindseligkeit und Intoleranz psychologisch zu erklären und zugleich den tieferen Ursachen der religiösen Verschiedenheiten nachzuforschen. Woferne die Konvergenz der Ergebnisse in diesen von ver- schiedenen Seiten hergeführten Untersuchungen einen Schluß auf die Richtigkeit des Ganzen zuläßt, würde ich hoffen, daß die vorliegende Aufsatzreihe ein wichtiges Stück der religiösen Entwicklung in einem neuen Lichte erscheinen läßt.“

_ INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER VERLAG Wien VII. Andreasgasse 3

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ist und dabei an einer Verschwörung gegen den # Zaren teilnimmt? Wie kann jemand tief religiösund I zugleich absolut ungläubig sein? Woher kommt es, # daß ein Mensch, der mit jeder Nervenfaser an seiner # Heimatscholle klebt, Monate, ja Jahre im Auslande verbringt? Woher kommt es, daß er dem Gelde un- unterbrochen nachjagt, um es dann wie etwas voll- kommen Wertloses zum Fenster hinauszuwerfen? Wie das Leben, so ist auch die Dichtung Dostojewskis enigmatisch. Rätselhafte Charaktere, entgleiste Perverse sind die Helden seiner Romane und geben uns Rätsel über Rätsel auf, die mit der Bewußtseinspsychologie # überhaupt nicht lösbar sind. Der Zauberschlüssel der

Psychoanalyse aber sprengt die Schlösser.

Als die Psychoanalyse auf die entscheidende Bedeutung der Tagträume für den Lebensweg und die Liebeswahl des Einzelnen hinwies, traf sie wenigstens an dieser einen Stelle mit einer längst zusammen, daß nämlich die menschliche Vorstufe seien, von der aus sich in be- gnadetem Sonderfalle der Aufstieg zum Kunstwerk, -zur Dichtung vollziehe. Sachs weist nun die unbe- wußten eingehen Kunstwerk verwandelt, wodurch sich der Dichter vom Neurotiker, vom Verbrecher, vom Führer der Masse und schließlich in der Literatur vom Pfuscher und Nach- ahmer unterscheidet. Er weist auf den Zusammenhang zwischen dem nach Entlastung lechzenden Schuldbe- wußtsein und dem zur Aufgabe des Ichs und zur Verschiebung auf das Werk bereiten Narzißmus hin. Im Besonderen analysiert er dann in zwei breit an- gelegten Studien zwei Kunstwerk und Vorboten einer Produktionshemmung im Leben ihrer Schöpfer darstellen: Schillers „Geisterseher* und Shakespeares „Sturm“. Die Psychoanalyse entwickelt sich „nach dem Gesetz nach dem sie ange- treten“; da sie aus der Erforschung der Störungen er- wachsen ist, die derunvollkommenen Bewältigung un- bewußter Wünsche ihr Dasein verdanken, so vermag sie sich den Problemen der künstlerischen Schöpfung auch am besten von der Seite der Hemmungen her zu nähern.

DIE AMBIVALENZ

Von Dr. HANS GUSTAV GRABER

Ausdem Inhalt: Ambivalenz bei Bleuler; beiFreud, Der Urhaß. Die Elternbindung. Der Geschlechtsunter- schied. Das Lustverbot. Tierphobien. Das Über-Ich.

AusdemInhalt: Dualschritte aus der Entwicklungs- ologie; in der Biologie; in der schönen Literatur. Umkehrschritt.

DOSTOJEWSKI _ Von JOLAN NEUFELD

Wie ist es möglich, daß ein Mensch so loyal gesinnt | 5

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V, GEMEINSAME

TAGTRAUME Von HANNS SACHS

angbaren Überzeugung agträume die allgemein

uellen der Tagträume nach, und untersucht die Frage, wie sich der Tagtraum zum

die beide Anzeichen

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DES KINDES

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PSYCHOANALYSE UND LOGIK Von Dr. I. HERMANN

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Der Abwendun Schritt des Sinkens. Über Sop

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ZEITSCHRIFT FÜR ANWENDUNG DER PSYCHO- ANALYSE AUF DIE GEISTESWISSENSCHAFTEN

HERAUSGEGEBEN VON

Pror. Dr. SIGM. FREUD

SONDERHEFTE Soziologisches Heft

(VIII. Band, 1922, Heft 2)

Aus dem Inhalte: Prof. Dr. H. Kelsen: Der Begriff des Staates u. die Sozialpsychologie / Dr. O.Rank: Die Don Juan-Gestalt. Zur sozialen Funktion der Dichtkunst / Aurel Kolnai: Zur psychoanalyt. Soziologie | usw,

Religionspsychologisches Heft (IX. Band, 1923, Heft ı) ;

Aus dem Inhalte: Sigm. Freud: Eine Teufelsneurose im siebzehnten Jahrhundert / Dr. Franz Alexander: Über Buddhas Versenkungslehre / Ernest Jones: Über den Heiligen Geist / Rudolf Löwenstein: Zur Psychoanalyse der schwarzen Messen / Geza Röheim: Nach dem Tode des Urvaters / usw.

Pädagogisch-jugendpsychologisches Heft (IX. Band, 1923, Heft 2)

Aus dem Inhalte : Ernest Jones: Einige Probleme des jugendlichen Alters / Dr. Siegfried Bernfeld: Eine typische Form der männlichen Pubertät / August Aichhorn: Die Erziehung in Besserungsanstalten / Melanie Klein: Zur Frühanalyse / Anna Freud: Ein hysterisches Symptom bei einem zweieinvierteljährigen Kinde / usw.

Philosophisches Heft (IX. Band, 1923, Heft 3)

Aus dem Inhalte: Egenolf Roeder: Das Ding an sich. Analytische Versuche an Aristoteles’ Analytik / Dr. $.Spielrein: Die Zeit im unterschwelligen Seelenleben / Dr. O. Fenichel: Psychoanalyse u. Metaphysik / G. Berger: Zur Theorie der menschlichen Feindseligkeit / Hitschmann: Telepathie u. Psychoanalyse / usw,

Ästhetisch-kunstpsychologisches Heft

(IX. Band, 1923, Heft 4)

Aus dem Inhalte: Alice Bälint: Die mexikanische Kriegshieroglyphe atl-tlachinolH / P.C. van der Wolk: Der Tanz der Ciwa / Dr. Sigmund Pfeiffer: Musikpsychologische Probleme / A. van der Chijs: Infantilismus in der Malerei / Aurel Kolnai: Gontscharows „Oblomow* / usw,

Eithnologisches Heft

(X, Band, 1924, Doppelheft 2 u. 3) E

Aus dem Inhalte: Ernest Jones: Psychoanalyse und Anthropologie /B. Malinowski: Ei: i 4 Form des Familienkernkomplexes / G. Röheim: Die Sednasage / Hans Zulliger: Zur Beschalant a | und Bestattungsgebräuche / Beate Rank: Zur Rolle der Frau in der Entwicklunz der menschlichen Gesellschaft / Flora Krauß: Die Frauensprache bei primitiven Völkern /A. Arndt: Tabu u. Mystik / usw.

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„Imago” erscheint 4 mal jährlich, im Gesamtumfang von ca. 500 Seiten

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Internationaler Psychoanalytischer Verlag Wien VI. Andreasgasse 3

Quellenschriften zur seelischen Entwicklung

I Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens

(Von ıı bis 14% Jahren) Herausgegeben von Dr. H. Hug-Hellmuth

Prof. Freud in einem Briefe an die Herausgeberin: Das Tagebuch ist ein kleines Juwel. Wirklich, ich glaube, noch niemals hat man in solcher Klarheit und Wahrhaftigkeit in die Seelenregungen hineinblicken können, welche die Ent- wicklung des Mädchens uuserer Gesellschafts- und Kultur- stufe in den Jahren der Vorpubertät kennzeichnen. Wie die Gefühle aus dem Kindisch-Egoistischen hervorwachsen, bis sie die soziale Reife erreichen, wie die Beziehungen zu Eltern und Geschwistern zuerst aussehen, und dann allmählich an Ernst und Innigkeit gewinnen, wie Freundschaften ange- sponnen und verlassen werden, die Zärtlichkeit nach ihren ersten Objekten tastet, und vor allem, wie das Geheimnis des Geschlechtslebens erst verschwommen auftaucht, um dann von der kindlichen Seele ganz Besitz zu nehmen, wie dieses Kind unter dem Bewußtsein seines geheimen Wissens Schaden leidet und ihn allmählich überwindet, das ist so reizend, natürlich und doch so ernsthaft in diesen kunst- losen Aufzeichnungen zum Ausdruck gekommen, daß es Er- ziehern und Psychologen das höchste Interesse einflößen muß.

„Literarisches Echo“: Weibliche Wesen der bürger- lichen Welt werden sich beim Tagebuch Seite um Seite zu- rückversetzt fühlen in ihr Einst; männlichen Wesen wird es statt dessen manche Kleinigkeit mitteilen, die sie noch nicht wußten. Lou Andreas-Salome&.

„Vossische Zeitung“: Denkt euch, Wedekinds kleine Wendla, die an „Frühlings-Erwachen“ so tragisch zugrunde geht, habe ihre Erlebnisse aufgezeichnet, denkt sie euch in Geheimratskreise und auf Wiener Boden versetzt, so habt ihr das „Tagebuch eines halbwüchsigen Mädchens“,

„Neue Freie Presse“: Hier, wie vielleicht in jedem auf- richtigen Tagebuche einer Halbwüchsigen, ist natürlich der Brennpunkt des Interesses die Sexualität. Die Sexualität,

nicht die Erotik. Denn hier kommt die Neugier noch aus dem Intellektuellen, aus dem wachen Gehirn eines noch un- entwickelten Körpers, und die Unruhe quillt aus dem Ver- stand, nicht aus den noch dumpfen Zonen körperlichen Gefühls, In Gehe hier wirkliche Befriedigung auf Erkenn il: der erste zufällige Einblick wird \ . zäm seelischen Schock .. . Es ist

zu verstehen, und zu ae Ver- scheint mir dieses Buch eines der Wissenschaft Hand in Hand mit

en. Stefan Zweig.

zes u urverbot in England r Zeitung“: Das Aufsehen, das A Young ngland FT hat eine große Sittlich- Ba olge „. . Lord Alfred Douglas (der- en füngeren em wegen seiner gerichts- deffeh Beziehungen zu Oskar Wilde viel ge- nannt worden ist) hat öffentlich einen großen Eid ge- schworen, die Psychoanalyse in England auszurotten. Als erstes Objekt seiner Purifizierungswut ist das Tagebuch der kleinen Gretl Lainer auserkoren worden ... Der Lon- doner Zensor ist sicher der Meinung, es komme ausschließ- lich in Wien oder höchstens noch bei sonstigen Hunnen vor, daß z. B. das Denken und Fühlen junger Mädchen durch bevorstehende physiologische Erscheinungen lebhaft be- schäftigt wird. In der Kontinentalrasse liegt die Schweinerei

„Ihe New Statesman“: Gretl Lainer (the name chosen by the Psycho-Analytical Society) belongs to the Casanova type of autobiographer rather than to that of Rousseau and Marie Baskirtscheff; she is singularly little troubled with her own personality. She writes from a breathless interest in the world around rather than from any morbid taste for intro- spection or self-explanation.

‚RL Vom (Semeinschaftsleben der R | ugend

Beiträge zur Jugendforschung, herausgegeben von

Dr. Siegfried Bernfeld

Inhalt: Die Psychoanalyse in der Jugendforschung. Von Dr. S. Bernfeld. Ein Freundinnenkreis. Von Dr. S.Bernfeld Ein Schülerverein. Von Gerhard Fuchs. Ein Knabenbund in einer Schulgemeinde, Von Wilhelm Hoff er. „Knurrland.“ Analyse eines Kinderspieles. Von Gerhard Fuchs. Die Initiationsriten der historischen Berufsstände. Von Erwin Kohn.

III

Vom dicterishen Schaffen der J ugend

Neue Beiträge zur Jugendforschung von

Dr. Siegfried Bernfeld

Inhalt: Die psychologische Literatur über das dichterische Schaffen der Jugendlichen. Das Dichten einer Jugendlichen. Phantasie und Realität im Gedicht einer 17 jährigen. Novellen jugendlicher Dichter, Über ein Motiv zur Produktion satirischer Gedichte. Das Erstlingswerk nach Selbstzeugnissen. Phantasiespiele der Kinder. Ergebnisse.

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Dr. S. Ferenczi

Hysterie und: Pathöneurosen

Inhalt: Über Pathoneurosen. Hysterische Materialisationsphänomene. Erklärungsversuch einiger hysterischer Stigmata. Technische Schwierigkeiten einer Hysterieanalyse. Ein Fall von hyster. Hypochondrie. Zwei Typen der Kriegshysterie.

Dr. $S. Ferenczi Populäre Vorträge über Psychoanalyse

Aus dem Inhalte: Zur analytischen Auffassung der Psychoneurosen. Träume der Ahnungslosen. Suggestion

und Psychoanalyse. Die Psychoanalyse des Witzes und des Komischen. Ein Vortrag für Richter und Staats-

anwälte. Psychoanalyse und Kriminologie. Philosophie und Psychoanalyse. Zur Psychogenese der Mechanik. Cornelia, die Mutter der Gracchen. Anatol France als Analytiker. Glaube, Unglaube, Überzeugung.

Tr. S. Ferenc Versuch: einer Keenıtaltkease

Inhalt: Ontogenetisches: Die Amphimixis der Erotismen im Ejakulationsakt. Der Begattungsakt als amphi-

miktischer Vorgang. Entwicklungsstufen des erotischen Realitätssinnes. Deutung einzelner Vorgänge beim Geschlechtsakte.

Die individuelle Genitalfunktion, Phylogenetisches: Phylogenetische Parallele. Zum,„thalassalen Regressionszug“, Begattung und Befruchtung. Ankart und Ausblicke: Koitus und Schlaf. Bioanalytische Konsequenzen.

Dr. Ernest Jones Therapie der Neurosen

Inhalt: Allgemeines über die Bedeutung der Neurosen. Hysterie. Angsthysterie. Neurasthenie. Zwangs- neurosen. Hypochondrie und Fixationshysterie. Traumatische Neurosen, einschließlich der Kriegsneurosen. Prophylaxe der Neurosen. Psychische Behandlung anderer, den Neurosen nahestehender Zustände.

Dr. J. Varendonck Über das vorbewußte phantasierende Denken

Aus dem Geleitwort von Prof. Freud: „Das Buch des Dr. Varendonck enthält eine bedeutsame Neuheit und wird

mit Recht das Interesse aller Philosophen, Psychologen und Psychoanalytiker erwecken. Es ist dem Autor in jahre-

langen Bemühungen gelungen, jener Art von phantasierender Denktätigkeit habhaft zu werden, welcher man sich

während der Zustände von Zerstreutheit hingibt, und in die man leicht vor dem Einschlafen oder bei unvollkommenem Erwachen verfällt.... Er hat dabei eine Reihe von wichtigen Entdeckungen gemacht.“

Vera Schmidt Psychoanalytische Erziehung in Sowjetrußland

Bericht über das Kinderheim-Laboratorium in Moskau

Inhalt: Die äußeren Schicksale. Die innere Einrichtung, Psychoanalytische Leitsätze. ig pädagogische Leitsätze. Pädagogische Maßnahmen. Die Arbeit des Erziehers an sich selbst. Beobachtungen aus dem Kinderheim-Laboratorium. Anhang: Aus dem Tagebuch der jüngeren Gruppe.