INTERNATIONALE ZR IISCHRIFT

ÄRZTLICHE PSYCHOANALYSE

OFFIZIELLES ORGAN

DER

INTERNATIONALEN PSYCHOANALYTISCHEN VEREINIGUNG

HERAUSGEGEBEN ‚VON PROF. DR. SIGM. FREUD

BEDIGIERT voN

“DR. S; FERENCZI, = > DR. OTTO RANK „. BUDAPEST | ‘WIEN PROF. DR. ERNEST JONES %. SLONDON |

UNTER STÄNDIGER MITWIRKUNG voN;

one. KARL ABRAHAM, BERLIN. Dr. LUDWIG. BINSWANGER, KREUZLINGEN, Dr. POUL BJERRE, STOCKHOLM. DR, A. A, BRILL, New York. Da, TRIGANT BURROW, BALTIMORR. Da. M, D, EDER, Lonpon. Dr. J. VAN EMDEN, Harc. Dr.M. EITINGON, BERLIN. Dr. PAUL FEDERN, Wien. DR, EDUARD HITSCHMANN, Wien. Dr. H. v. HUG-HELLMUTH, Wien. Dr. L. JEKELS, WIEN. Dr. FRIEDR, S. KRAUSS, WıEn. DR. J.T. MAC CURDY, New York. Dr, J, MARCINOWSKI, SIEL- BECK. ProF. MORICHAU-BEAUCHANT, PorTIErs. —DR.C. R.PAYNE, WapHans, N. Y. DR. OSKAR PFISTER, ZÜRICH, Por, JAMES J. PUTNAM, Boston. Da. THEODOR REIK, Berry. Dr. R. REITLER, Wien. Da. HANNS SACHS, Wien. Da. J.

.\SADGER, WIEN, Dr. A. STÄRCKE, Den DoLper. Dr. M, STEGMANN, DRESDEN.

. De, VICTOR TAUSK, Wien. Dr. M. WULFF, Opkssa.

III. JAHRGANG, 1915 - - HEFT 3

A915 HUGO HELLER & CIE. LEIPZIG UND WIEN, I. BAUERNMARKT 3

ALLE DNRRGHMARSIGKEIEN: IM ERSCHEINEN UND IM. UM- FANGE DIESER ZEITSCHRIFT, WELCHE DURCH DIE KRIEGSLAGE I 2 HBEDINGT SIND, "WOLLEN. DIE P. T. ABONNENTEN FREUND-F-,

sn. FLICHST ENTSCHULDIGEN. /DAS VERSÄUMTE ‚WIRD NACH WIE- | 0% 21 DERKEHR NORMALER ZUSTÄNDE NACHGEHOLT WERDEN.

Be 0 NBEIHEPTE AR zur Internationalen Zeitschrift für & ärztliche Psychoanalyse.

een von Prot. Dr. SIEDI. ee

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2 N I “N ji 1. BE I: Heft: Zus N. \ UNBEWUSSTES GEISTESLEBEN®

In; Vorat, gehalten zum 339. J ahrestage der Leidener Universität \

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SO RE Asp Felgen RN SER IE TEE AN NS FETNIECHR De \ Professor der Psychiatrie an der Universität Tieiden, Wr A

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ER: Von

James J. Putnam,

Pröf., emerit. an der Harvard’Medical School, Boston.

‚All American and English communications and contributions should.be | sent (typewritten) to Dr. Ernest Jones, 69 Portland Court, London W.

Alle Manuskripte sind vollkommen druekfertig einzusenden. | Sämtliche Beiträge werden mit dem FERN Satz von K 50.- _—

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Die Verdrängung. Von Sigm. Freud.

Es kann das Schicksal einer Triebregung werden, daß sie auf Widerstände stößt, welche sie unwirksam machen wollen. Unter Be- dingungen, deren nähere Untersuchung uns bevorsteht, gelangt sie dann in den Zustand der Verdrängung. Handelte es sich um die Wirkung eines äußeren Reizes, so wäre offenbar die Flucht das geeignete Mittel. Im Falle des Triebes kann die Flucht :nichts nützen, denn das Ich kann sich nicht selbst entfliehen. Später einmal wird in der Urteilsverwerfung (Verurteilung) ein gutes Mittel gegen die Triebregung gefunden werden. Eine Vorstufe der Verurteilung, ein Mittelding zwischen Flucht und Verurteilung ist die Verdrängung, deren Begriff in der Zeit vor den psychoanalytischen Studien nicht aufgestellt werden konnte.

Die Möglichkeit einer Verdrängung ist theoretisch nicht leicht ab- zuleiten. Warum sollte eine Triebregung einem solchen Schicksal ver- fallen? Offenbar muß hier die Bedingung erfüllt sein, daß die Erreichung des Triebzieles Unlust an Stelle von Lust bereitet. Aber dieser Fall ist nicht gut denkbar. Solche Triebe gibt es nicht, eine Triebbefriedigung ist immer lustvoll. Es müßten besondere Verhältnisse anzunehmen sein, irgend ein Vorgang, durch den die Befriedigungslust in Unlust ver- wandelt wird.

Wir können zur besseren Abgrenzung der Verdrängung einige andere Triebsituationen in Erörterung ziehen. Es kann vorkommen, daß sich ein äußerer Reiz, z. B. dadurch, daß er ein Organ anätzt und zerstört, verinnerlicht und so eine neue Quelle beständiger Erregung und Span- nungsvermehrung ergibt. Er erwirbt damit eine weitgehende Ähnlichkeit mit einem Trieb. Wir wissen, daß wir diesen Fall als Schmerz emp- finden. Das Ziel dieses Pseudotriebes ist aber nur das Aufhören der Organveränderung und der mit ihr verbundenen Unlust. Andere, direkte Lust kann aus dem Aufhören des Schmerzes nicht gewonnen werden. Der Schmerz ist auch imperativ; er unterliegt nur noch der Einwirkung einer toxischen Aufhebung und der Beeinflussung durch psychische Ab- lenkung.

Zeitschr. f. ärztl, Psychoanalyse. III./3. I

130 Sigm. Freud.

Der Fall des Schmerzes ist zu wenig durchsichtig, um etwas für unsere Absicht zu leisten. Nehmen wir den Fall, daß ein Triebreiz wie der Hunger unbefriedigt bleibt. Er wird dann imperativ, ist durch nichts anderes als durch die Befriedigungsaktion zu beschwichtigen, unterhält eine beständige Bedürfnisspannung. Etwas wie eine Verdrängung scheint hier auf lange hinaus nicht in Betracht zu kommen.

Der Fall der Verdrängung ist also gewiß nicht gegeben, wenn die Spannung infolge von Unbefriedigung einer Triebregung unerträglich groß wird. Was dem Organismus an Abwehrmitteln gegen diese Situation ge- geben ist, muß in anderem Zusammenhang erörtert werden,

Halten wir uns lieber an die klinische Erfahrung, wie sie uns in der psychoanalytischen Praxis entgegentritt. Dann werden wir belehrt, daß die Befriedigung des der Verdrängung unterliegenden Triebes wohl möglich und daß sie auch jedesmal an sich lustvoll wäre, aber sie wäre mit anderen Ansprüchen und Vorsätzen unvereinbar; sie würde also Lust an der einen, Unlust an anderer Stelle erzeugen. Zur Bedingung der Verdrängung ist dann geworden, daß das Unlustmotiv eine stärkere Macht gewinnt als die Befriedigungslust. Wir werden ferner durch die psychoanalytische Erfahrung an den Übertragungsneurosen zu dem Schluß genötigt, daß die Verdrängung kein ursprünglich vorhandener Abwehr- mechanismus ist, daß sie nicht eher entstehen kann, als bis sich eine scharfe Sonderung von bewußter und unbewußter Seelentätigkeit hergestellt hat, und daß ihr Wesen nur in der Abweisung und Fernhaltung vom Bewußten besteht. Diese Auffassung der Verdrängung würde durch die Annahme ergänzt werden, daß vor solcher Stufe der seelischen Organisation die anderen Triebschicksale, wie die Verwandlung ins Gegenteil, die Wendung gegen die eigene Person die Aufgabe der Abwehr von Triebregungen bewältigen.

Wir meinen jetzt auch, Verdrängung und Unbewußtes seien in so großem Ausmaße korrelativ, daß wir die Vertiefung in das Wesen der Verdrängung aufschieben müssen, bis wir mehr von dem Aufbau des psychischen Instanzenzuges und der Differenzierung von Unbewußt und Bewußt erfahren haben. Vorher können wir nur noch einige klinisch erkannte Charaktere der Verdrängung in rein deskriptiver Weise zu- sammenstellen auf die Gefahr hin, vieles anderwärts Gesagte ungeändert zu wiederholen.

Wir haben also Grund, eine Urverdrängung anzunehmen, eine erste Phase der Verdrängung, die darin besteht, daß der psychischen (Vor- stellungs-) Repräsentanz des Triebes die Übernahme ins Bewußte versagt wird. Mit dieser ist eine Fixierung gegeben; die betreffende Reprä- sentanz bleibt von da an unveränderlich bestehen und der Trieb an sie gebunden. Dies geschieht infolge der später zu besprechenden Eigen- schaften unbewußter Vorgänge.

Die Verdrängung. 131

Die zweite Stufe der Verdrängung, die eigentliche Verdrän- gung, betrifft psychische Abkömmlinge der verdrängten Repräsentanz, oder solche Gedankenzüge, die, anderswoher stammend, in assoziative Beziehung zu ihr geraten sind. Wegen dieser Beziehung erfahren diese Vorstellungen dasselbe Schicksal wie das Urverdrängte. Die eigentliche Verdrängung ist also ein Nachdrängen. Man tut übrigens unrecht, wenn man nur die Abstoßung hervorhebt, die vom Bewußten her auf das zu Verdrängende wirkt. Es kommt ebensosehr die Anziehung in Betracht, welche das Urverdrängte auf alles ausübt, womit es sich in Verbindung setzen kann. Wahrscheinlich würde die Verdrängungstendenz ihre Ab- sicht nicht erreichen, wenn diese Kräfte nicht zusammenwirkten, wenn es nicht ein vorher Verdrängtes gäbe, welches das vom Bewußten Ab- gestoßene aufzunehmen bereit wäre.

Unter dem Einfluß des Studiums der Psychoneurosen, welches uns die bedeutsamen Wirkungen der Verdrängung vorführt, werden wir geneigt, deren psychologischen Inhalt zu überschätzen, und vergessen zu leicht, daß die Verdrängung die Triebrepräsentanz nicht daran hindert, im Un- bewußten fortzubestehen, sich weiter zu organisieren, Abkömmlinge zu bilden und Verbindungen anzuknüpfen. Die Verdrängung stört wirklich nur die Beziehung zu einem psychischen System, dem des Bewußten.

Die Psychoanalyse kann uns noch anderes zeigen, was für das Verständnis der Wirkungen der Verdrängung bei den Psychoneurosen bedeutsam ist. Z. B. daß die Triebrepräsentanz sich ungestörter und reichhaltiger entwickelt, wenn sie durch die Verdrängung dem bewußten Einfluß entzogen ist. Sie wuchert dann sozusagen im Dunkeln und findet extreme Ausdrucksformen, welche, wenn sie dem Neurotiker übersetzt und vorgehalten werden, ihm nicht nur fremd erscheinen müssen, sondern ihn auch durch die Vorspiegelung einer außerordentlichen und gefähr- lichen Triebstärke schrecken. Diese täuschende Triebstärke ist das Er- gebnis einer ungehemmten Entfaltung in der Phantasie und der Auf- stauung infolge versagter Befriedigung. Daß dieser letztere Erfolg an die Verdrängung geknüpft ist, weist darauf hin, worin wir ihre eigentliche Bedeutung zu suchen haben.

Indem wir aber noch zur Gegenansicht zurückkehren, stellen wir fest, es sei nicht einmal richtig, daß die Verdrängung alle Abkömmlinge des Urverdrängten vom Bewußten abhalte. Wenn sich diese weit genug von der verdrängten Repräsentanz entfernt haben, sei es durch An- nahme von Entstellungen oder durch die Anzahl der eingeschobenen Mittelglieder, so steht ihnen der Zugang zum Bewußten ohne weiteres frei. Es ist, als ob der Widerstand des Bewußten gegen sie eine Funktion ihrer Entfernung vom ursprünglich Verdrängten wäre. Während der Aus- übung der psychoanalytischen Technik fordern wir den Patienten unaus- gesetzt dazu auf, solche Abkömmlinge des Verdrängten zu produzieren,

9*

132 Sigm. Freud. die infolge ihrer Entfernung oder Entstellung die Zensur des Bewußten passieren können. Nichts anderes sind ja die Einfälle, die wir unter Ver- zicht auf alle bewußten Zielvorstellungen und alle Kritik von ihm ver- langen, und aus denen wir eine bewubte Übersetzung der verdrängten Repräsentanz wiederherstellen. Wir beobachten dabei, daß der Patient eine solche Einfallsreihe fortspinnen kann, bis er in ihrem Ablauf auf eine Gedankenbildung stößt, bei welcher die Beziehung zum Verdrängten so intensiv durchwirkt, daß er seinen Verdrängungsversuch wiederholen muß. Auch die neurotischen Symptome müssen der obigen Bedingung genügt haben, denn sie sind Abkömmlinge des Verdrängten, welches sich mittels dieser Bildungen den ihm versagten Zugang vom Bewußt- sein endlich erkämpft hat.

Wie weit die Entstellung und Entfernung vom Verdrängten gehen muß, bis der Widerstand des Bewußten aufgehoben ist, läßt sich allgemein nicht angeben. Es findet dabei eine feine Abwägung statt, deren Spiel uns verdeckt ist, deren Wirkungsweise uns aber erraten läßt, es handle sich darum, vor einer bestimmten Intensität der Besetzung des Un- bewußten haltzumachen, mit deren Überschreitung es zur Befriedigung durchdringen würde. Die Verdrängung arbeitet also höchst indı- viduell; jeder einzelne Abkömmling des Verdrängten kann sein be- sonderes Schicksal haben; ein wenig mehr oder weniger von Entstellung macht, daß der ganze Erfolg umschlägt. In demselben Zusammenhang ist auch zu begreifen, daß die bevorzugten Objekte der Menschen, ihre Ideale, aus denselben Wahrnehmungen und Erlebnissen stammen wie die von ihnen am meisten verabscheuten, und sich ursprünglich nur durch geringe Modifikationen voneinander unterscheiden. Ja, es kann, wie wir’s bei der Entstehung des Fetisch gefunden haben, die ursprüngliche Trieb- repräsentanz in zwei Stücke zerlegt worden sein, von denen das eine der Verdrängung verfiel, während der Rest, gerade wegen dieser innigen Verknüpftheit, das Schicksal der Idealisierung erfuhr.

Dasselbe, was ein Mehr oder Weniger an Entstellung leistet, kann auch sozusagen am anderen Ende des Apparates durch eine Modifikation in den Bedingungen der Lust-Unlustproduktion erzielt werden. Es sind besondere Techniken ausgebildet worden, deren Absicht dahin geht, solche Veränderungen des psychischen Kräftespiels herbeizuführen, daß dasselbe, was sonst Unlust erzeugt, auch einmal lustbringend wird, und so oft solch ein technisches Mittel in Aktion tritt, wird die Verdrängung für eine sonst abgewiesene Triebrepräsentanz aufgehoben. Diese Techniken sind bisher nur für den Witz genauer verfolgt worden. In der Regel ist die Aufhebung der Verdrängung nur eine vorübergehende; sie wird alsbald wiederhergestellt.

Erfahrungen dieser Art reichen aber hin, uns auf weitere Charak- tere der Verdrängung aufmerksam zu machen, Sie ist nicht nur, wie eben

Die Verdrängung. 133 ausgeführt, individuell, sondern auch im hohen Grade mobil, Man darf sich den Verdrängungsvorgang nicht wie ein einmaliges Geschehen mit Dauererfolg vorstellen, etwa wie wenn man etwas Lebendes er- schlagen hat, was von da an tot ist; sondern die Verdrängung erfordert eınen anhaltenden Kraftaufwand, mit dessen Unterlassung ihr Erfolg in Frage gestellt wäre, so daß ein neuerlicher Verdrängungsakt notwendig würde. Wir dürfen uns vorstellen, daß das Verdrängte einen kontinuier- lichen Druck in der Richtung zum Bewußten hin ausübt, dem durch unausgesetzten Gegendruck das Gleichgewicht gehalten werden muß, Die Erhaltung einer Verdrängung setzt also eine beständige Kraftausgabe voraus und ihre Aufhebung bedeutet ökonomisch eine Ersparung. Die Mobilität der Verdrängung findet übrigens auch einen Ausdruck in den psychischen Charakteren des Schlafzustandes, welcher allein die Traum- bildung ermöglicht. Mit dem Erwachen werden die eingezogenen Ver- drängungsbesetzungen wieder ausgeschickt.

Wir dürfen endlich nicht vergessen, daß wir von einer Triebregung erst sehr wenig ausgesagt haben, wenn wir feststellen, sie sei eine ver- drängte. Sie kann sich unbeschadet der Verdrängung in sehr verschiedenen Zuständen befinden, inaktiv sein, d. h. sehr wenig mit psychischer Energie besetzt oder in wechselndem Grade besetzt und damit zur Aktivität be- fähigt. Ihre Aktivierung wird zwar nicht die Folge haben, daß sie die Verdrängung direkt aufhebt, wohl aber alle die Vorgänge anregen, welche mit dem Durchdringen zum Bewußtsein auf Umwegen einen Abschluß finden. Bei unverdrängten Abkömmlingen des Unbewußten entscheidet oft das Ausmaß der Aktivierung oder Besetzung über das Schicksal der ein- zelnen Vorstellung. Es ist ein alltägliches Vorkommnis, daß ein solcher Abkömmling unverdrängt bleibt, solange er eine geringe Energie re- präsentiert, obwohl sein Inhalt geeignet wäre, einen Konflikt mit dem bewußt Herrschenden zu ergeben. Das quantitative Moment zeigt sich aber als entscheidend für den Konflikt; sobald die im Grunde anstößige Vorstellung sich über ein gewisses Maß verstärkt, wird der Konflikt aktuell und gerade die Aktivierung zieht die Verdrängung nach sich. Zunahme der Energiebesetzung wirkt also in Sachen der Verdrängung: gleichsinnig wie Annäherung an das Unbewußte, Abnahme derselben wie Entfernung davon oder Entstellung. Wir verstehen, daß die verdrängenden Tendenzen in der Abschwächung des Unliebsamen einen Ersatz für dessen Verdrängung finden können.

In den bisherigen Erörterungen behandelten wir die Verdrängung einer Triebrepräsentanz und verstanden unter einer solchen eine Vor- stellung oder Vorstellungsgruppe, welche vom Trieb her mit einem be- stimmten Betrag von psychischer Energie (Libido, Interesse) besetzt ist. Die klinische Beobachtung nötigt uns nun zu zerlegen, was wir bisher einheitlich aufgefaßt hatten, denn sie zeigt uns, daß etwas anderes, was

134 Sigm. Freud. den Trieb repräsentiert, neben der Vorstellung in Betracht kommt, und daß dieses andere ein Verdrängungsschicksal erfährt, welches von dem der Vorstellung ganz verschieden sein kann. Für dieses andere Element der psychischen Repräsentanz hat sich der Name Affektbetrag ein- gebürgert; es entspricht dem Triebe, insofern er sich von der Vorstellung abgelöst hat und einen seiner Quantität gemäßen Ausdruck in Vorgängen findet, welche als Affekte der Empfindung bemerkbar werden. Wir werden von nun an, wenn wir einen Fall von Verdrängung beschreiben, gesondert verfolgen müssen, was durch die Verdrängung aus der Vor- stellung und was aus der an ihr haftenden Triebenergie geworden ist.

Gern würden wir über beiderlei Schicksale etwas allgemeines aus- sagen wollen. Dies wird uns auch nach einiger Orientierung möglich. Das allgemeine Schicksal der den Trieb repräsentierenden Vorstellung kann .nicht leicht etwas anderes sein, als daß sie aus dem Bewußten verschwindet, wenn sie früher bewußt war, oder vom Bewußtsein ab- gehalten wird, wenn sie im Begriff war, bewußt zu werden. Der Unter- schied ist nicht sehr bedeutsam; er kommt etwa darauf hinaus, ob ich einen unliebsamen Gast aus meinem Salon hinausbefördern oder aus meinem Vorzimmer oder ihn, nachdem ich ihn erkannt habe, überhaupt nicht über die Schwelle der Wohnungstür treten lasse.!) Das Schicksal des quantitativen Faktors der Triebrepräsentanz kann ein dreifaches sein, wie uns eine flüchtige Übersicht über die in der Psychoanalyse gemachten Erfahrungen lehrt: Der Trieb wird entweder ganz unterdrückt, so dab man nichts von ihm auffindet, oder er kommt als irgendwie qualitativ gefärbter Affekt zum Vorschein, oder er wird in Angst verwandelt. Die beiden letzteren Möglichkeiten stellen uns die Aufgabe, die Umsetzung der psychischen Energien der Triebe in Affekte und ganz besonders in Angst als neues Triebschicksal ins Auge zu fassen.

Wir erinnern uns, daß Motiv und Absicht der Verdrängung nichts anderes als die Vermeidung von Unlust war. Daraus folet, daß das Schicksal des Affektbetrages der Repräsentanz bei weitem wichtiger ist als das der Vorstellung, und daß dies über die Beurteilung des Verdrängungs- vorganges entscheidet. Gelingt es einer Verdrängung nicht, die Ent- stehung von Unlustempfindungen oder Angst zu verhüten, so dürfen wir sagen, sie sei mißglückt, wenngleich sie ihr Ziel an dem Vorstellungs- anteil erreicht haben mag. Natürlich wird die mißglückte Verdrängung mehr Anspruch auf unser Interesse erheben als die etwa geglückte, die sich zumeist unserem Studium entziehen wird.

‘) Dieses für den Verdrängungsvorgang brauchbare Gleichnis kann auch über einen früher erwähnten Charakter der Verdrängung ausgedehnt werden. Ich brauche nur hinzuzufügen, daß ich die dem Gast verbotene Tür durch einen ständigen Wächter bewachen lassen muß, weil der Abgewiesene sie sonst aufsprengen würde. (S. 0.)

Die Verdrängung. 135

Wir wollen nun Einblick in den Mechanismus des Verdrängungs- vorganges gewinnen und vor allem wissen, ob es nur einen einzigen Mechanismus der Verdrängung gibt oder mehrere, und ob vielleicht jede der Psychoneurosen durch einen ihr eigentümlichen Mechanismus der Verdrängung ausgezeichnet ist. Zu Beginn dieser Untersuchung stoßen wir aber auf Komplikationen. Der Mechanismus einer Verdrängung wird uns nur zugänglich, wenn wir aus den Erfolgen der Verdrängung auf ihn zurückschließen. Beschränken wir die Beobachtung auf die Erfolge an dem Vorstellungsanteil der Repräsentanz, so erfahren wir, daß die Verdrängung in der Regel eine Ersatzbildung schafft. Welches ist nun der Mechanismus einer solchen Ersatzbildung, oder gibt es hier auch mehrere Mechanismen zu unterscheiden? Wir wissen auch, daß die Ver- drängung Symptome hinterläßt. Dürfen wir nun Ersatzbildung und Symptombildung zusammenfallen lassen, und wenn dies im Ganzen an- geht, deckt sich der Mechanismus der Symptombildung mit dem der Verdrängung? Die vorläufige Wahrscheinlichkeit scheint dafür zu sprechen, daß beide weit auseinandergehen, daß es nicht die Verdrängung selbst ist, welche Ersatzbildungen und Symptome schafft, sondern daß diese letzteren als Anzeichen einer Wiederkehr des Verdrängten ganz anderen Vorgängen ihr Entstehen verdanken. Es scheint sich auch zu empfehlen, daß man die Mechanismen der Ersatz- und Symptombildung vor denen der Verdrängung in Untersuchung ziehe.

Es ist klar, daß die Spekulation hier weiter nichts zu suchen hat, sondern durch die sorgfältige Analyse der bei den einzelnen Neurosen zu beobachtenden Erfolge der Verdrängung abgelöst werden muß. Ich muß aber den Vorschlag machen, auch diese Arbeit aufzuschieben, bis wir uns verläßliche Vorstellungen über das Verhältnis des Bewußten zum Unbewußten gebildet haben. Nur um die vorliegende Erörterung nicht ganz unfruchtbar ausgehen zu lassen, will ich vorwegnehmen, daß 1. der Mechanismus der Verdrängung tatsächlich nicht mit dem oder den Mecha- nismen der Ersatzbildung zusammenfällt, 2. daß es sehr verschiedene Mechanismen der Ersatzbildung gibt, und 3. daß den Mechanismen der Verdrängung wenigstens eines gemeinsam ist, die Entziehung der Energiebesetzung (oder Libido, wenn wir von Sexualtrieben handeln).

Ich willauch unter Einschränkung auf die drei bekanntesten Psycho- neurosen an einigen Beispielen zeigen, wie die hier eingeführten Begrifie auf das Studium der Verdrängung Anwendung finden. Von der Angst- hysterie werde ich das gut analysierte Beispiel einer Tierphobie wählen. Die der Verdrängung unterliegende Triebregung ist eine libidinöse Ein- stellung zum Vater, gepaart mit der Angst vor demselben. Nach der Verdrängung ist diese Regung aus dem Bewußtsein geschwunden, der Vater kommt als Objekt der Libido nicht darin vor. Als Ersatz findet

136 Sigm. Freud. sich an analoger Stelle ein Tier, das sich mehr oder weniger gut zum Angstobjekt eignet. Die Ersatzbildung des Vorstellungsanteils hat sich auf dem Wege der Verschiebung längs eines in bestimmter Weise determinierten Zusammenhanges hergestellt. Der quantitative Anteil ist nicht verschwunden, sondern hat sich in Angst umgesetzt. Das Ergebnis ist eine Angst vor dem Wolf an Stelle eines Liebesanspruchs an den Vater. Natürlich reichen die hier verwendeten Kategorien nicht aus, um den Erklärungsansprüchen auch nur des einfachsten Falles von Psycho- neurose zu genügen. Es kommen immer noch andere Gesichtspunkte in Betracht.

Eine solche Verdrängung wie im Falle der Tierphobie darf als eine gründlich mißglückte bezeichnet werden. Das Werk der Verdrängung besteht nur in der Beseitigung und Ersetzung der Vorstellung, die Un- lustersparnis ist überhaupt nicht gelungen. Deshalb ruht die Arbeit der Neurose auch nicht, sondern setzt sich in einem zweiten Tempo fort, um ihr nächstes, wichtigeres Ziel zu erreichen. Es kommt zur Bildung eines Fluchtversuches, der eigentlichen Phobie, einer Anzahl von Ver- meidungen, welche die Angstentbindung ausschließen sollen. Durch welchen Mechanismus die Phobie ans Ziel gelangt, können wir in einer spezielleren Untersuchung verstehen lernen.

Zu einer ganz anderen Würdigung des Verdrängungsvorganges nötigt uns das Bild der echten Konversionshysterie. Hier ist das Hervor- stechende, daß es gelingen kann, den Affektbetrag zum völligen Ver- schwinden zu bringen. Der Kranke zeigt dann gegen seine Symptome das Verhalten, welches Charcot „la belle indifference des hysteriques“ genannt hat. Andere Male gelingt diese Unterdrückung nicht so voll- ständig, ein Anteil peinlicher Sensationen knüpft sich an die Symptome selbst, oder ein Stück Angstentbindung hat sich nicht vermeiden lassen, das seinerseits den Mechanismus der Phobiebildung ins Werk setzt. Der Vorstellungsinhalt der Triebrepräsentanz ist dem Bewußtsein gründlich entzogen; als Ersatzbildung und gleichzeitig als Symptom findet sich eine überstarke in den vorbildlichen Fällen somatische Inner- vation, bald sensorischer, bald motorischer Natur, entweder als Erregung oder als Hemmung. Die überinnervierte Stelle erweist sich bei näherer Betrachtung als ein Stück der verdrängten Triebrepräsentanz selbst, welches wie durch Verdichtung die gesamte Besetzung auf sich ge- zogen hat. Natürlich decken auch diese Bemerkungen den Mechanismus einer Konversionshysterie nicht restlos auf; vor allem ist noch das Mo- ment der Regression hinzuzufügen, das in anderem Zusammenhang gewürdigt werden soll.

Die Verdrängung der Hysterie kann als völlig mißglückt beurteilt werden, insofern sie nur durch ausgiebige Ersatzbildungen ermöglicht worden ist; mit Bezug auf die Erledigung des Affektbetrages, die eigent-

Die Verdrängung. 137 liche Aufgabe der Verdrängung, bedeutet sie aber in der Regel einen vollen Erfolg. Der Verdrängungsvorgang der Konversionshysterie ist dann auch mit der Symptombildung abgeschlossen und braucht sich nicht wie bei Angsthysterie zweizeitig oder eigentlich unbegrenzt fortzusetzen.

Ein ganz anderes Ansehen zeigt die Verdrängung wieder bei der dritten Affektion, die wir zu dieser Vergleichung heranziehen, bei der Zwangsneurose, Hier gerät man zuerst in Zweifel, was man als die der Verdrängung unterliegende Repräsentanz anzusehen hat, eine libidinöse oder eine feindselige Strebung. Die Unsicherheit rührt daher, daß die Zwangsneurose auf der Voraussetzung einer Regression ruht, durch welche eine sadistische Strebung an die Stelle der zärtlichen getreten ist. Dieser feindselige Impuls gegen eine geliebte Person ist es, welcher der Ver- drängung unterliegt. Der Effekt ist in einer ersten Phase der Verdrängungs- arbeit ein ganz anderer als später. Zunächst hat diese vollen Erfolg, der Vorstellungsinhalt wird abgewiesen und der Affekt zum Verschwinden gebracht. Als Ersatzbildung findet sich eine Ichveränderung, die Steige- rung der Gewissenhaftigkeit, die man nicht gut ein Symptom heißen kann. Ersatz- und Symptombildung fallen hier auseinander, Hier erfährt man auch etwas über den Mechanismus der Verdrängung. Diese hat wie überall eine Libidoentziehung zu stande gebracht, aber sich zu diesem Zwecke der Reaktionsbildung durch Verstärkung eines Gegensatzes bedient. Die Ersatzbildung hat also hier denselben Mechanismus wie die Verdrängung und fällt im Grunde mit ihr zusammen, sie trennt sich aber zeitlich, wie begrifflich, von der Symptombildung. Es ist sehr wahr- scheinlich, daß das Ambivalenzverhältnis, in welches der zu verdrängende sadistische Impuls eingetragen ist, den ganzen Vorgang ermöglicht.

Die anfänglich gute Verdrängung hält aber nicht stand, im weiteren Verlauf drängt sich das Mißglücken der Verdrängung immer mehr vor. Die Ambivalenz, welche die Verdrängung durch Reaktionsbildung ge- stattet hat, ist auch die Stelle, an welcher dem Verdrängten die Wieder- kehr gelingt. Der verschwundene Affekt kommt in der Verwandlung zur sozialen Angst, Gewissensangst, Vorwurf ohne Ersparnis wieder; die ab- gewiesene Vorstellung ersetzt sich durch Verschiebungsersatz, oft durch Verschiebung auf Kleinstes, Indifferentes.. Eine Tendenz zur in- takten Herstellung der verdrängten Vorstellung ist meist unverkennbar. Das Mißglücken in der Verdrängung des quantitativen, affektiven Faktors bringt denselben Mechanismus der Flucht durch Vermeidungen und Ver- bote ins Spiel, den wir bei der Bildung der hysterischen Phobie kennen gelernt haben. Die Abweisung der Vorstellung vom Bewußten wird aber hartnäckig festgehalten, weil mit ihr die Abhaltung von der Aktion, die motorische Fesselung des Impulses, gegeben ist. So läuft die Verdrängungs- arbeit der Zwangsneurose in ein erfolgloses und unabschließbares Ringen aus.

138 Sigm. Freud.

Aus der kleinen hier vorgebrachten Vergleichsreihe kann man sich die Überzeugung holen, daß es noch umfassender Untersuchungen bedarf, ehe man hoffen kann, die mit der Verdrängung und neurotischen Symptom- bildung zusammenhängenden Vorgänge zu durchschauen. Die außerordent- liche Verschlungenheit aller in Betracht kommenden Momente läßt uns nur einen Weg zur Darstellung frei. Wir müssen bald den einen, bald den anderen Gesichtspunkt herausgreifen und ihn durch das Material hindurchverfolgen, solange seine Anwendung etwas zu leisten scheint. Jede einzelne dieser Bearbeitungen wird an sich unvollständig sein und dort Unklarheiten nicht vermeiden können, wo sie an das noch nicht Bearbeitete anrührt; wir dürfen aber hoffen, daß sich aus der endlichen Zusammensetzung ein gutes Verständnis ergeben wird.

II.

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ?

- Von Oskar Piister in Zürich.

Daß ein tiefgreifendes wissenschaftliches Prinzip, indem es eine Welt neuer Erscheinungen erschließt, auch eine Menge von einander abwei- chender Hypothesen ins Dasein ruft, ist zu verstehen und zu begrüßen. Wenn sich von der durch Freud ins Leben gerufenen psychoanalyti- schen Bewegung Sezessionen abzweigten, so kann ich es keineswegs be- dauern, sofern aus der veränderten Sachlage die richtigen Folgerungen gezogen werden. Als solche betrachte ich verschärfte Sorgfalt in der An- wendung der Methode, fortwährende Erweiterung des Beobachtungsfeldes, vorsichtige Vergleichung der gewonnenen Erfahrungen mit vorangegangenen und von anderen gemachten, rücksichtslose Zurücknahme vorläufiger Ver- allgemeinerungen, kritische Sichtung und Abklärung der aufgestellten Begriffe und Hypothesen, verständnisvolle Abfindung mit den Ergebnissen der nicht Analyse treibenden Forscher. Für die gefährlichsten Fehler angesichts der bestehenden Verhältnisse halte ich es, das empirische Ma- terial leichtfertig zu bearbeiten, sich auf eine vorgefaßte Meinung zu versteifen, die Phänomene nur darauf hin anzusehen, ob sie in ein mit- gebrachtes Schema passen, sich an irgend eine Autorität anzuklammern, richtige Einsichten falsch zu verallgemeinern und in ihrer Bedeutung auf- zubauschen, im Streben nach wissenschaftlicher Selbständigkeit mög- lichst viel Prioritätsrechte zu beanspruchen und zu diesem Zwecke die verwandten Richtungen falsch zu verstehen und ihre Funde zu verkleinern.

Wir Anhänger der Psychoanalyse müßten die Stufe des Mensch- tums überwunden haben, wenn wir uns vor diesen Gefahren nicht zu hüten brauchten. Es ist daher unsere Pflicht, daß wir einander unsere Fehler und Irrtümer vorhalten, nicht um den Richter zu spielen, son- dern um der guten Sache zu dienen. Vielleicht wird eine derartige leiden- schaftslose und rein sachliche Aussprache der Verständigung und gegen- seitigen Annäherung am besten dienen. Und daß eine solche nicht nur wünschbar, sondern auch möglieh sei, ist noch heute meine Überzeugung.

In den von Jung herausgegebenen „Psychologischen Abhand- lungen“t) wendet sich Dr. Hans Schmid dem interessanten Problem der

1) Deuticke, Wien 1914.

140 Oskar Pfister.

Brandstiftung zu. Mit Hilfe der Justizbehörden des Kantons Waadt ge- langte er in den Besitz eines überaus umfangreichen Materials. Nicht weniger als 52 Fälle von Brandstiftung konnte er persönlich untersuchen, in 159 anderen Fällen standen ihm wertvolle Akten zur Verfügung. Zu diesem weiten Umfang steht die Intensität der analytischen Durchdrin- gung in einem starken Mißverhältnis. Während der Vorzug der psycho- analytischen Arbeitsweise gerade in der bisher unerreicht eingehenden Aufklärung des Einzelfalles besteht und ihre Beurteilung sich auf die genaueste Kenntnis der überaus zahlreichen Determinanten aufbaut, fällt diese Detailkasuistik bei Schmid recht dürftig aus. Warum gab der fleißige und in der Analyse wohlbewanderte Verfasser nicht ein paar durchsichtige, sorgfältig ausgeführte Proben? Eine noch so große Menge oberflächlicher Erscheinungen kann den Mangel an empirischem Tiefenmaterial nicht ersetzen. Der kritische Leser bedauert inSchmids Ausführungen auf Schritt und Tritt, daß die ausschlaggebenden Tat- sachen ihm vorenthalten werden. Wir werden dies an einigen Beispielen feststellen müssen.

Zu den Vorzügen der Arbeit Schmids gehört die gewissenhafte Benutzung der vorhandenen Literatur. Ihr entnimmt er wichtige Hin- weise auf die Bedeutung des Alters, die sonstige (auffallend geringe) Kriminalität, die Geständigkeit, die Alkoholintoxikation des Brandstifters, sowie auf andere belangreiche Umstände. Die Angaben über zeitliche Nähe epileptischer oder hysterischer Anfälle, über Menstruation, Bett- nässen, Suizidversuche, Träume oder Erlebnisse, in denen das Feuer eine Rolle spielt, werden sorgfältig festgestellt und um eigene Beobach- tungen bereichert.

Der folgende Abschnitt unterzieht die bewußten Motive der Brandstiftung einer genauen Sichtung. Es ergibt sich, daß sie alle zur begangenen Tat in einem auffallenden Mißverhältnis stehen, Geldgier, Rache, Mutwillen, Größensucht, Heimweh, und was sonst etwa vorge- schoben wird. Diesem ganzen Abschnitt ist ohneweiters beizupflichten.

Erst die Aufsuchung der unbewußten Motive fordert zur kriti- schen Auseinandersetzung auf. Schmid knüpft an an Stekels These, daß die Brandstiftung symbolisch einen verdrängten Wunsch verwirkliche. Diese einfache kausale Erklärung scheint, wie Schmid zugibt, in ein- zelnen Fällen gut zu passen, erweist sich aber bei einer genaueren Prü- fung als zu einfach (S. 109). Verdrängung entsteht nach Freud aus dem Konflikt einer Wunschregung mit den sonstigen Wünschen, den ethischen und ästhetischen Ansprüchen der Persönlichkeit, Allein der Drang nach Bei- schlaf verträgt sich mit solehen Ansprüchen viel eher als die Brand- stiftung; bei einem Brandstiftung verübenden Bauernknecht z. B. könnten ethische und ästhetische Motive sexuelle Wünsche nicht ver- drängen, wohl aber mag dies der Fall sein bei Hysterischen, die dann

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 141 Brandstifterinnen werden, Daß dem Verbrechen Beischlaf voranging, soll in zwei angeführten Fällen zeigen, daß verdrängte sexuelle Stauungen wohl kaum vorlagen.

Ich muß diesen AusführungenSchmids Bedenken entgegenhalten. Die kausale Erklärung soll zu einfach sein. Die Wissenschaftstheorie belehrt uns, daß die einfachste Erklärung die beste ist. Offenbar will Schmid sagen, daß sich nicht alle Fälle unter die von Stekel aufgestellte, in Freuds Geist gehaltene Formel subsumieren lassen. Der Nachweis ist nicht erbracht. Den Begriff der Verdrängung hat Freud nicht so eng gefaßt, wie das in Gänsefüßchen angeführte Zitat zu behaupten scheint. Schmid hat die Stelle aus dem Zusammenhang gerissen, unrichtig gedeutet und durch eine frei erfundene Einleitung entstellt. Offenbar handelt es sich um den Passus, der in Freuds Vorträgen über Psycho- analyse (S. 20) steht. Während Freud beginnt: „Bei all diesen Erleb- nissen (NB. der kathartischen, also voranalytischen Behandlung) hatte es sich darum gehandelt, daß eine Wunschregung aufgetreten war, welche in scharfem Gegensatz zu den sonstigen Wünschen des Individuums stand, sich als unverträglich mit den ethischen und ästhetischen Ansprüchen der Persönlichkeit erwies.* Schmid zitiert: „Wenn eine Wunschregung auftritt, welche in scharfem Gegensatz ...“ Diese direkt entstellende Art des Zitierens halteich für unerlaubt. Freud nennt noch andre Konflikte als Verdrängungsursache. S. 54 der erwähnten Vorlesungen spricht er sich aus: „Wir sehen, daß die Menschen erkranken, wenn ihnen infolge äußerer Hindernisse oder inneren Mangels an Anpassung (NB.!) die Be- friedigung ihrer erotischen Bedürfnisse in der Realität versagt ist.“ Die Erkrankung beruht aber nach Freud bekanntlich auf der Verdrängung.

Aber auch wo es sich um ethischen Konflikt handelt, denkt Freud nicht an einen derartigen, wie Schmid annimmt. Bekanntlich fordert Ersterer nicht Verdrängung des Wunsches nach Beischlaf, wie sein Kritiker ihm unzweifelhaft hier imputiert, sondern Verdrängung der Inzestbegier, und da diese bekanntlich recht tief im Unbewußten ver- borgen steckt, hätte die Kritik tief eindringen müssen. Einem großen Gegner gegenüber ist nur eine große Kritik gut genug. Hier, wie andern- orts, hat Schmid Freud in keiner Weise verstanden.

Wie man aus der bloßen Tatsache des vollzogenen Koitus darauf schließen kann, daß kein sexueller Wunsch verdrängt wurde, ist mir un- begreiflich. In einem Beispiel Schmids wurde die Brandstifterin nach dem Beischlaf vom Geliebten verstoßen. Und da soll Befriedigung der sexuellen Wünsche vorhanden gewesen sein? Ist nicht vielleicht die Be- gierde erst recht aufgelodert? Im anderen Fall hatte sich der Brandstifter mit seiner Mätresse abgegeben, nachdem er sich aus Verzweiflung über die Absage seiner Braut drei Tage und Nächte in Bordellen herumgetrieben und betrunken hatte. Auch da soll keine Stauung der Begierde mög-

142 Oskar Pfister.

lich gewesen sein? Bekanntlich hat gerade Freudden Gemütsanteil am Liebesleben als den wichtigsten Faktor genannt, während Schmid das Periphere als das allein Entscheidende voraussetzt.

Der erste Schritt, den die Polemik gegen Freud unternimmt, er- weckt daher nicht den Eindruck einer solid induzierenden Untersuchung. Zum Überfluß könnte noch daran erinnert werden, daß ein Widerspruch auch darin liest, daß zuerst ein Knecht keine ethischen Motive verdrängt haben soll, bevor er Brandstiftung beging, während später Schmid selbst mit größtem Nachdruck betont, daß der Widerstand gegen eine zugemutete ethische Mehrforderung den Brandstifter (einmal ist es auch ein Knecht) in die Regression treibt, daß folglich doch der Konflikt moralischer und amoralischer Tendenzen auch hier vorliegt.

Seine eigene Auslegung der in Frage stehenden Phänomene stützt Schmid auf Jungs Libidotheorie, welche bekanntlich die Libido als rein energetischen Begriff faßt. Da ist es denn von vornherein auffallend, daß die beiden so grundverschiedenen Bedeutungen des Wortes bei Schmid fortwährend miteinander kollidieren. Bald gebraucht die hier besprochene Psychologie der Brandstifter das Wort „libidinös“ im Freud- schen Sinne auf eine sexuelle Verrichtung bezogen, z. B. 103, 104, 113, bald rein energetisch im Sinne Jungs. So .entsteht eine terminologische Verwirrung, die man vermeiden sollte.

Die Libidotheorie führt Schmid mit folgenden Worten ein: „Ent- gegen dem deskriptiven Standpunkt der Freudschen Schule, die alle Manifestationen der Libido rein kausal zu erklären versucht, indem sie nach den Ursachen derselben im Leben des Individuums sucht, stellt sich Jung auf den genetischen Standpunkt. Während Freud und die Wie- ner Schule das rein formale Funktionieren der Libido beschreiben (und da sie von der Psychologie Erwachsener ausgehen, darin nur sexuelle Funktionen sehen), erklärt Jung die Wirkungsweise der Libido als eine energetische. Er sieht in den Manifestationen nicht Wechselwirkungen einander koordinierter Seelenkräfte, sondern nur verschiedene Erschei- nungsformen einer Energie. So kann Jung sich mit bloß kausalen Er- klärungen nicht mehr begnügen, seine energetische Arbeitsmethode zwingt ihn auch, finale Erklärungen zu machen (S. 113).*

Diese inhaltsschweren Sätze, welche die Kluft zwischen Freud und Jung aufdecken wollen, müssen wir ganz besonders sorgfältig be- trachten. Der deskriptive Standpunkt derFreudschen Schule will also nach Schmid alle Manifestationen rein kausal erklären, indem er nach den Ursachen derselben im Leben des Individuums fragt, Jung aber steht auf dem genetischen Standpunkt. Ich finde in diesen Worten einerseits logische Fehler, anderseits einen Widerspruch zu den Tatsachen. Schon die Behaup- tung ist streng genommen widersprechend, daß Freud deskriptiv sei

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 143

und doch kausal erklären wolle. Reine Beschreibung kann, wie der Em- piriokritizismus bekanntlich betonte, nicht kausal sein, da man Kausa- lität nicht beschreiben kann. Avenarius führte deshalb den Begriff der Funktion ein. Aber abgesehen von dieser kleinen Ungenauigkeit, was soll man mit der Beifügung anfangen, daß die Aufsuchung der Ursachen aller Manifestationen im Leben des Individuums dem genetischen Stand- punkt Jungs gegenüberstehe? Wer mit Freud aufsucht, wie die Erscheinungen entstanden sind, sucht eben ihre Genese auf. Schmid verstößt hier offenbar gegen die Logik. Tatsächlich ist zu sagen, daß keiner so heiß sich bemüht hat, das Werden und Wachsen des menschlichen Deelenlebens aufzudecken wie Freud. Mögen seine Ergebnisse der Ver- besserung fähig sein Freud selbst hat sich ja oft korrigiert so darf doch kein objektiver Historiker Freud das Verdienst absprechen, mit großartiger Kühnheit und Ausdauer den Weg genetischer Seelen- forschung gewandelt zu sein. Niemand bestreitet, daß Jung, indem er mit kecker Überschreitung der Erfahrung die Kausalketten über das Individuum hinaus in die Phylogenese verfolgte, weiter ging, als der Begründer der Psychoanalyse, und daß er im Einzelleben weiter zurückgehen zu können glaubt als dieser; aber daß ein ab- soluter Unterschied zwischen einem rein deskriptiven Standpunkt Freuds und einem genetischen Jungs bestehe, trifft in keiner Weise zu. Der folgende Satz Schmids leidet an ähnlichen Unklarheiten. „Während Freud das rein formale Funktionieren der Libido beschreibt, . erklärt Jung die Wirkungsweise der Libido als eine energetische.“ Ich denke, daß diese rein energetische Fassung Jungs mit ihrem Ver- zicht auf inhaltliche Beschreibung der Libido noch viel eher eine rein formale Beschreibung ist als diejenige, welche mit Freud sehr genaue Angaben über die qualitativen Bestimmungen der Libido macht. Hinzu kommt, daß Schmid auch hier die beiden Libidobegriffe wiederum zusammenwirft und damit zeigt, wie Jungs Benennung die Verständi- gung erschwerte. Was er unter Libido versteht, ist nun einmal etwas ganz anderes, als was Freud damit bezeichnet. Jener faßt das Wort im ganz und gar transempirischen, also metaphysischen Sinn, während Freud innerhalb der Erfahrung zu bleiben bestrebt ist. Darum versteht sich von selbst, daß sie von zwei stark verschiedenen Dingen reden. Ob übrigens Freud den Gedanken einer fortlaufenden Differenzierung des Lebensdranges ablehnt, ob seine „Partialtriebe“ absolute Elementartriebe, oder nur vorläufige Endstationen seines auf die Erfahrung sich einschrän- kenden Denkens seien, will ich hier nicht ausmachen. Wenn Weißfeld die Ausführungen Freuds über diesen Gegenstand richtig versteht ‘und dies ist nach einer brieflichen Mitteilung Herrn Prof. Freuds der Fall —, so ist der Gegensatz beider Forscher erfreulicher-

144 Oskar Pfister.

weise lange nicht so groß, als auf Seiten der Jungschen Schule behauptet wird.!)

Ich will mich nur kurz darüber aussprechen, wie es mit Schmids „Manifestationen als Wechselwirkungen einander koordinierter Seelen- kräfte* bei Freud stehe. Nachdem Schmid selbst erklärte, daß die Verdrängung nach Freud auf einem Konflikt von Wunschregungen, unter denen auch die sexuellen, primitiven begriffen sind, mit ethischen und ästhetischen Ansprüchen beruhe, so anerkennt Freud die ihm zuge- schriebene Entstehungsweise der Manifestationen nicht für alle Fälle. Es können auch sublimierte und primäre Ansprüche zusammenstoßen.

Von der Darstellung der von Schmid übernommenen Libidotheorie bleibt uns noch der letzte Satz übrig. „So kann Jung sich mit bloß kausalen Erklärungen nicht mehr begnügen, seine energetische Arbeits- methode zwingt ihn auch, finale Erklärungen zu machen.“ Als ob die finale Betrachtungsweise gänzlich neu wäre! In Freuds und Jungs Psychologie kann man ebenso gut kausal als final fragen. Die Frage nach den Entstehungsursachen eines Hauses oder eines Organes ist ebenso berechtigt wie die nach ihrem Sinn oder Zweck. In Wirklichkeit fragte Freud längst nach dem Zweck und Sinn der Manifestationen, als Jung die Psychoanalyse noch unbekannt war. Jede Traumdeutung geht kausal auf die Entstehungsursachen des Traumes, seine Veranlassung, seine assoziativ gewonnenen Erinnerungsinhalte und ihre Verarbeitung aus, sie fragt aber auch final nach der im Traume ausgedrückten Absicht, Jung gibt wenigstens nur an, daß Freuds Auffassung beinahe rein kausal sei, im Gegensatze zu der Adlers, die rein final gehalten sei auch Adler geschieht damit unrecht (Jung und Loy, Psychother. Zeitfragen, 31) —, wie die Erinnerung an seine Minderwertigkeitstheorie zeigt. Der Unterschied zwischen Freud und Jung liegt vielmehr in der Aufsuchung und Beurteilung des Finalen. Freud spricht vom Zweck und Plan der Unlustvermeidung, vom Krankheitsgewinn, von Abwehr, mißglückten Heilungsversuchen u. dgl., ohne damit ein- für allemal alles angeben zu wollen, was hierüber zu sagen ist. Er ist der Erste, der den Sinn im Unsinn aller Manifestationen suchte, also auch das Finale, denn Sinn setzt Absicht voraus. Jung geht darin über ihn hinaus, daß er im Inhalt jeder (oder nur fast jeder?) Manifestation einen geheimen An- passungsplan niedergelegt finden will,

‘) Zu Gunsten der polyphyletischen Auffassung sprechen Sätze wie: „Hieraus können wir einen Wink entnehmen, daß vielleicht der Sexualtrieb selbst nichts Ein- faches, sondern aus Komponenten zusammengesetzt ist, die sich in den Perversionen wieder von ihm ablösen“ (Drei Abh., S. 25). Daneben redet Freud von einem an sich nicht sexuellen Trieb, der erst durch Erregung der erogenen Zonen sexuellen Charakter erlangt (S. 30). Mit der Lehre, daß die Triebe qualitätslos seien und ihre

Verschiedenheit erst aus ihrer Herkunft (Quelle) stamme, erweist sich ein großer, ja wohl der wichtigste Teil der Jungschen Libidotheorie als Freuds geistiges Eigentum.

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 145

Auch im Inhalt der Manifestationen hat Freud lange vor Jung geheime Absichten vorgefunden. Die „vorübende, vorbereitende Funktion des Traumes“ liegt enthalten in Freuds Bestimmung der „ankündigen- den Träume“. Es liegt auf der Hand, daß eine prospektive Tendenz nicht nur da vorhanden zu sein braucht, wo sie durch spätere Ereig- nisse bestätigt wird, sondern auch in Fällen, bei denen spätere Ereignisse die Ausführung der im Traum enthaltenen Strebung durchkreuzen. Hier sei auch erinnert an Freuds Deutung der Symptomhandlungen, z. B. des unwillkürlichen Abziehens des Eherings (Zur Psych. d. Alitags, 96). Zugegeben ist, daß Jungs Beurteilung des Traumes als einer die vom Unbewußten geforderte Leistung angebenden symbolischen Selbstdarstellung die Finalität anders faßt als Freud, der sich vorsichtiger ausdrückt. Aber dies berechtigt noch lange nicht dazu, Freuds Verdienste um die Ergründung der Finalität des Traumes zu leugnen, wie Schmid es tut Um nicht mißverstanden zu werden, bemerke ich ausdrücklich, daß auch ich Träume und andere Manifestationen in ziemlicher Anzahl fand, die nach der Art der „ankündigenden“ Funktionen Freuds oder des autosymbolischen Anpassungsversuches nach Jung zu deuten waren. Aber ich hätte mir geschmacklose Künsteleien, welche den Wert der gesamten Analyse aufs Spiel gesetzt hätten, herausnehmen müssen, um deshalb alle Lösungen des Manifestationsrätsels in dieses Schema zu pressen,

Hat Schmid die Differenz zwischen der grundsätzlichen Orien- tierung Freuds und Jungs unrichtig angegeben, so ist es ihm selbst- verständlich auch nicht möglich, über die Fragestellung in betreff der Brandstiftung korrekt Bericht zu erstatten. Wenn er glaubt, das Freud den Aktualkonflikt verkenne, so befindet er sich im Irrtum. Schon 1909 sprach Freud den bereits zitierten Passus: „Die Menschen erkranken, wenn ihnen infolge äußerer Hindernisse oder inneren Mangels an An- passung die Befriedigung ihrer erotischen Bedürfnisse in der Realität versagt ist.“ In seinem Aufsatz „Über neurotische ‚Erkrankungstypen“ (Zentralblatt II, 297 £f.) nennt er als Erkrankungsanlässe die Versagung, die innere Veränderung zum Zweck der Anpassung an die Realtorderung, die Entwieklungshemmung und die Libidostauung ohne äußere und in- tellektuelle innere Veränderungen (das Wort „Libidostauung“ stammt von Freud, nicht, wie Schmid S. 115 angibt, von Jung).

Zur Lösung seines Problems sucht Schmid alle diese vier Mög- lichkeiten auf eine einzige zu reduzieren: Die Libidostauung infolge der Unfähigkeit, sich einer gegebenen neuen Situation anzupassen, „Die Libido (des Brandstifters) staut sich, weil ihr durch Nichtanpassung an die neuen Verhältnisse der richtige Abfluß gesperrt wird (S. 115).“ In dieser Allgemeinheit halte ich den »atz nicht für glücklich. Voran- gegangen ist ja, wie wir (S. 114) hören, eine Wendung im Leben, die

Zeitschr, f. ärztl, Psychoanalyse. IIl/3. 10

146 Oskar Pfister.

eine neue Situation schuf. Vergleichen wir mit Freud die Geschichte der Libido mit einem Strome, so werden wir also sagen, der bisherige Ablauf des Stromes sei durch ein in sein Bett geworfenes Hindernis, etwa einen Felsen oder Damm, gestaut worden. Was sagten wir nun zu dem Ausdruck: Das Wasser des Flusses staut sich, weil durch Nicht- anpassung an den hineingeworfenen Felsen oder aufgeworfenen Damm der richtige Ablauf gesperrt wird? Wohl niemand wäre von dieser Aus- drucksweise entzückt.

Ja, wenn etwa oberhalb des Hindernisses eine Schleuse angebracht gewesen wäre, und man hätte unterlassen, sie zu öffnen, dann könnte man für die eingetretene Überschwemmung die Nichtanpassung an die durch die Stauung gegebenen Verhältnisse verantwortlich machen. Im Falle des Brandstifters wäre also zu fragen, ob eine Anpassung überhaupt möglich und vernünftigerweise zu erwarten war. Dieser Frage weicht Schmid aus. Er zitiert einfach Jungs Satz: „Erlaubt das Individuum bewußt oder unbewußt, daß die Libido vor einer gewissen notwendigen Aufgabe ausweicht, dann verursacht die nicht angewendete (sogenannte verdrängte) Libido allerhand innere und äußere Zufälle, Symptome jeg- licher Art, welche sich dem Individuum in peinlicher Weise aufdrängen“ (S. 115). Der springende Punkt ist nun eben die Begründung dieser Er- laubnis zum Ausweichen vor der notwendigen Aufgabe. In seinen ame- rikanischen Vorträgen nennt Jung die Trägheit als Motiv. Schmid gibt in unserem Zusammenhang ein Beispiel von einem Mädchen, das an Heimweh leidet, infolge von Suizid den Vater verliert, ihn einigemal halluziniert, um hierauf einige Versuche zur Brandstiftung zu unterneh- men. Die Erklärung soll lauten: Das zu Hause verwöhnte Mädchen hatte nicht gelernt, sich neuen Situationen anzupassen ; der innig geliebte Vater hatte sich den zur Anpassung an die Realitität nötigen Opfern entzogen, indem er sich selbst opferte; die Tochter nahm ihn zum Vor- bild und reagierte mit etwas Ähnlichem (?), indem sie sich nicht selbst, sondern die Realität opferte (S. 116).

Das Beispiel überzeugt nicht. Man müßte doch wissen, in welcher Weise das Mädchen sich der Anpassung entzog. Erfüllte es die ihm über- tragenen Pflichten nicht freiwillig? Oder besteht die Unterlassungssünde darin, daß es den tragischen Tod des geliebten Vaters innerlich nicht überwand? Was hat letzteres damit zu tun, daß es nicht gelernt hatte, sich mit der Realität abzufinden? Es gibt unverwöhnte Kinder, die einen derartigen Schlag nur schwer verwinden könnten, Gewiß wäre die Brand- stiftung nicht erfolgt, wenn das Mädchen der durch das Unglück geschaf- fenen Lage sich einfach angepaßt hätte, wie die Fensterscheibe nicht zerbrochen wäre, wenn sie sich dem faustgroßen Stein, der gegen sie geschleudert worden war, angepaßt hätte. Sollen wir nun sagen: Die Scheibe zerbrach nicht infolge des Steinwurfs, sondern infolge mangeln-

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ?

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der Anpassung an ihn? Schmid vorenthält die entscheidenden Deter- minanten und beweist nicht, was er beweisen möchte.

Im zweiten Fall verlor ein 39)ähriger Landwirt den Vater, der ihn wie ein Kind behandelt hatte, und übernahm ein verschuldetes Heim- wesen. Aus Verzweiflung begann er sich dem Trunk zu ergeben. Vier- zehn Monate später, einen Monat vor dem Verbrechen, bemerkt er an sich Impotenz. Er schläft deshalb allein in der Kammer und wird Brand- stifter. Auch hier soll der Tod des Vaters die Libidostauung zu stande gebracht haben. Der Alkoholgenuß läßt die Libido ins Infantile zurück- strömen. Die Impotenz erhöhte die Stauung, und so kam es zum Delikt.

Daß ein Sorgenbeladener sich mit Alkohol zu betäuben sucht, ist allbekannt, hat aber mit Verdrängung und Neurose unter Umständen nichts zu tun. Dagegen ist die wichtigste Frage, um deren Beantwortung sich Schmid auffallenderweise nicht im geringsten zu interessieren scheint, ob der Mann wirklich nur infolge der Trunksucht impotent wurde. Kennen nicht wir alle genug Alkoholiker, die über ausgiebige Sexualfunktionen verfügen? Eine sorgfältige psychologische Untersuchung des Falles müßte doch erst uns überzeugen, daß psychogene, unbewußte Determinanten der Impotenz fehlten, daß der Mann kein Neurotiker war, bevor er zum Brandstifter wurde. War er zuvor schon Hysteriker, so liegt es nahe, auch die Brandstiftung auf jene innere Bindung zurück- zuführen und die Impotenz nur als Gelegenheitsursache, als auslösendes Moment in Betracht zu ziehen. Ich vermisse hier, wie so oft bei Schmids Untersuchung, die Gründlichkeit, die in solchen Fragen einzig und allein Eindruck macht.

Wieviel einfacher und damit richtiger ist es somit, die auslösende Ursache der Brandstiftungin Schmids Beispiel zunächst einfach in einer Versagung zu suchen, welche in die Regression trieb und unbewußte Motive zur Herrschaft erhob! Die Angabe, ein Mensch regrediere, weil er zur notwendigen Anpassung an die Realität zu träge sei, genügt nicht. An anderer Stelle!) führte ich aus, daß sehr energische, tatenlustige Menschen bei einer relativ geringfügigen Leistung versagen und versagen müssen, weil eben eine Fixierung bereits vorhanden ist und aus einer Mücke einen Elefanten macht. Es wäre direkt falsch, hier mit Jung nur die Trägheit für die notorische Unfähigkeit zur betreffenden Hand- lung verantwortlich zu machen.

In gleicher Weise wird unsere Wißbegierde in bezug auf ein schö- nes poetisches Paradigma Sehmids getäuscht. Wedekinds Held verkehrt mit allen Mädchen von Egliswyl ohne tiefere Gefühle. Er lernt aber ein edleres Liebesobjekt kennen und entbrennt in höherer Neigung zu dem

1) Psychanalyse und Jugendforschung. Berner Seminarblätter 1915, S. 200 ff. (übersetzt The American Journal of Psychology, Jan. 1915, Vol. XXVI, 138—140).

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Mädchen, so daß Heiratspläne in ihm aufsteigen ; doch wie er den Wider- stand der Geliebten überwindet, ist er impotent. In rasender Aufregung stürzt er von dannen und fühlt an Händen und Füßen nichts, während er sich über die Felsen hinunterstürzt. Wie Flammen kommt es über ihn, er steckt sein Dorf in Brand und freut sich des immer röter werdenden Himmels, während das Feuer in der Brust erloschen ist.

Hinter diesen Tatsachen findet Schmid folgende Kausalbeziehung: Der bisherige Lüstling wird impotent, weil er seine bisher roh verwen- dete Libido (das Wort hier offenbar wieder im Sinne Freuds) nicht auf ein verehrtes Objekt übertragen konnte. Er beherrschte sie nicht, da er sie nicht domestiziert hatte. Er hätte ein Opfer bringen sollen, dessen er nicht fähig war (S. 123). Letzteres zeigt sich aus dem Geständnis: „Hätte mich damals (vor dem Verbrechen) einer geschlagen, ich hätte ihm dafür danken wollen bis an mein Ende.“ Er wollte sich also züch- tigen lassen, „wie jeder, der einer von ihm geforderten Leistung aus- weicht.“ Er wollte nicht einen Teil seiner Persönlichkeit (gemeint ist die rohe, undomestizierte Persönlichkeit) opfern, darum empfindet er noch vor der Brandstiftung Suizidideen. Aus demselben Grunde freut er sich sadistisch, daß der gefrorene Feuerweiher keine Hilfe gewährt, denn der Sadist opfert andere, weil er vor dem selbstgeforderten Opfer zurückweicht.

Freud hatte 1912 erklärt: „Die Grundlage des Leidens (der psy- chischen Impotenz) ist hier wiederum —- wie sehr wahrscheinlich bei allen neurotischen Störungen eine Hemmung in der Entwicklungs- geschichte der Libido bis zu ihrer normal zu nennenden Endgestaltung. Es sind hier zwei Strömungen zusammengetroffen, deren Vereinigung erst ein normales Liebesverhalten sichert, zwei Strömungen, die wir als die zärtliche und sinnliche voneinander unterscheiden können.“ (Jahrb. IV, 41.) Soweit geht Schmid mit Freud abgesehen von der Terminologie in gewissem Sinne einig, namentlich auch darin, daß eine Entwicklungs- hemmung und ein Hiatus zwischen primitiver Triebverwertung und höherer Gemütsleistung vorliegen. Dagegen sucht Freud den subli- mierten Betrag im Zärtlichkeitshunger, Schmid in der „domestizierten Libido“. Letzterer Ausdruck, der mit domus zusammenhängt und zunächst auf Haustiere angewendet wird, läßt sehr zu wünschen übrig, denn die angeblich nicht domestizierte Libido ist nur zu sehr ans Haus gebunden.

Woher die Widersetzlichkeit des sinnlichen Naturtriebes und seiner Exekutivorgane gegen den ethischen Liebeswillen stamme, vernehmen wir aus dem Munde Schmids nicht, Wir hören nur: Er hätte ein Opier bringen sollen, dessen er nicht fähig war; dieses Opfer betrifft die undomestizierte Persönlichkeit und wird durch Suizidideen wenigstens symbolisch dargebracht. Wollten wir dem Verfasser mit der Münze zahlen, die er im Handel zwischen den ethischen Ansprüchen der Bauernknechte

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 149

und der Sexualverdrängung benutzte, so könnten wir fragen: Was hätte der jetzt besprochene Liebhaber, der seine Geliebte heiraten will, ihr. einen Ring kauft und seine Liebe auf einen viel höheren Ton einstellt als die früheren Sexualverhältnisse, denn noch mehr tun sollen? Wir konstatieren jedoch gerne, daß für Schmid das Opferobjekt ganz und gar im Unbewußten liegt. Doch wie soll denn jener Teil der Persönlich- keit geopfert werden? Daß nach Schmid die Symbolik des Selbstmordes es abbildet, deutet auf eine Abtötung der rohen Sinnlichkeit, Wie? So hätte er die mortificatio carnis im Sinne des Mönchstums nicht voll- ziehen wollen, wie er eigentlich sollte? Dies kann doch unmöglich die An- sicht Schmids sein. Was fangen wir dann aber mit seiner Psychologie der Suizidimpulse an? Und wie ist das Opfer gemeint? Als Verzicht auf die rohe Einstellung des Unbewußten? Allein das Bewußtsein hat ja schon auf die Roheit verzichtet, und wiekann man das ein Opfer nennen, was man hergeben soll, ohne es auch nur zu kennen?!) Auch an ein „unbewußtes Opfer“ denkt Schmid nicht, sagt er doch: „Die Aufgabe stand klar vor unserm Knecht, er wollte das Mädchen heiraten, konnte sie darum nicht mehr als bloßes Lustobjekt behandeln, denn die Frau besitzt einen höheren Wert (Kulturwert) als nur den des Lustbefriedi- gungsobjektes. Um diesen Wegaber anerkennen zu müssen, hätte er auf dem richtigen Weg, den er eingeschlagen hatte, als er den Ring kaufte, weiter gehen sollen. Er hätte zum Manne werden sollen, der nicht be- gehrt, sondern gibt“ (S. 123). Allein kann ein Bauernknecht, der, um an Schmid zu erinnern, den sexuellen Verkehr zumal bei Heiratsgedanken als legitim betrachtet, diese Abstraktion zwischen Kulturwert und Sexualwert, reinem Geben und Begehren, vollziehen? Ich bin fünf Jahre lang Bauernpfarrer gewesen und glaube, vom Liebesleben der Knechte einiges zu wissen. Die uns vorgelegten Distinktionen Schmids sind nach meinen Erfahrungen viel zu akademisch, um einem Knechte imputiert werden zu können.

Das Rätsel, weshalb die Brandstiftung von Egliswyl zu stande kam, bleibt daher teilweise ungelöst. Daß eine symbolische Ersatzhandlung für den ersehnten Liebesakt vorliegt, steht allerdings fest. Nur wissen wir noch wenig über ihre speziellen Entstehungsbedingungen. Bevor wir uns nach ihnen umsehen, verweilen wir noch einen Augenblick bei Schmids Polemik gegen Freuds Deutung der Impotenz. Nach dieser fand der Liebende von Egliswyl in seinem letzten Objekt ein Wesen,

1) Die auch von Freud anerkannte Notwendigkeit des Opfers bei der Neu- rosenheilung, wie bei der sittlichen und religiösen Wiedergeburt erklärt sich aufs ein- fachste nach dem von mir aufgestellten Beziehungsgesetz (Gesetz der Komplex- umdichtung, vgl. m. Buch: Die psychanalytische Methode, S. 395 f). Dem began- genen Unrecht muß eine analoge Handlung mit negativem Vorzeichen gegenüber- gestellt werden.

150 Oskar Pfister. das ihn an die Mutter erinnerte und vor die Inzestschranke führte. Er überschätzte das Mädchen und fand sich nicht mit dem Inzest ab. Hätte er letzteres getan und in dem Mädchen statt einer Göttin ein gewöhn- liches Mädchen gesehen, so wäre er potent geblieben. Freud sieht nach Schmid in der Inzestschranke etwas das gesunde Leben Hindern- des, Jung dagegen will nicht die Frau entwerten, um die Potenz zu retten, sondern die infantile Einstellung ihr gegenüber opfern (S. 123). In diesem letzteren Punkte gebe ich Jung und Schmid durchaus recht, indem ich allerdings bekenne, daß ich bezweifle, ob sie Freud richtig verstehen. Die „inzestuöse Fixierung“ ist doch eben eine Hemmung, die durch die Analyse überwunden werden soll, liegt doch ihr Hauptwert in der Lösung solcher Infantilbande. Freuds perhorreszierter Satz: „Wer im Liebesleben wirklich frei und glücklich werden soll, muß den Respekt vor dem Weibe überwunden, sich mit der Vorstellung des Inzests mit der Mutter oder Schwester befreundet haben,“ ist sicher aus dem Zusam- menhang auszulegen. Zuvor war bei Freud die Rede von der leidigen Tatsache, „daß das Liebesverhalten des Mannes in der heutigen Kultur- welt überhaupt den Typus der psychischen Impotenz an sich trägt“ (Jahrb. IV, 45), indem die Ehe gewöhnlich nicht volle Sexualbefriedi- gung gewähre, was aus intensiver inzestuöser Fixierung der Kindheit und realer Versagung der Jünglingszeit erfolge. Der inkriminierte und miß- verständliche Satz bezieht sich also auch auf die große Menge, nicht auf den analysierten Einzelnen. Andernfalls müßte ich hier Freud die Gefolgschaft versagen, was aber gewiß nicht nötig ist.

Ganz unrichtig ist Schmids Behauptung, für Freud sei die In- zestliebe nur etwas das gesunde Leben Hinderndes, für Jung dagegen etwas zur höchsten Entwicklung Zwingendes. Gerade in der von Schmid kri- tisierten Arbeit führt Freud aus, daß die (durch den Inzest) bewirkte Sexualhemmung „zur Quelle der großartigsten Kulturleistungen“ werde und jeden Fortschritt erst ermögliche (S. 50). Ebensogut weiß Jung, daß Impotenz durchaus nicht immer zum Kulturfortschritt zwingt. Ich ver- stehe in keiner Weise, weshalb so oft Gegensätze zwischen Freud und Jung konstruiert werden, wo glücklicherweise keine vorhanden sind, und zu welchem Ende man bestehende Differenzen übertreibt.

Bevor ich zum letzten belangreichen Thema übergehe, erwähne ich noch ein Geständnis, das Schmid mit Recht ablegt. Beim Abschied von Wedekinds Brandstifter findet sein Bearbeiter noch einmal, die Er- klärung, das Delikt bilde einen symbolischen Ersatz für den verdrängten Sexualakt, sei zu einfach. Dagegen fußt er auf der Hypothese, das Ver- brechen sei eine Symbolhandlung, die der gestauten Libido Abfluß ver- schaffe (S. 125). Nun, gerade dies hat Freud ja stets behauptet! (S. o. 8.141 u.145.) Warum dann die Polemik? Freuds Erkenntnis ist ebensogut kausal, als final orientiert. Also auch hier künstliche Scheidewände!

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 151

Beiläufig sei noch erwähnt, daß ich auch der Psychologie des Heim- wehs, wie sie Schmid vom Brandstifter aus darstellt, nicht beipflichten kann, Die Behauptung, in Irren- oder Strafanstalten kommen Brandstif- tungen darum äußerst selten vor, weil die Aufgabe der Anpassung an die neue Umgebung nicht so groß und Gelegenheit zur Libidostauung nicht vorhanden sei, stimmt keineswegs mit der Wirklichkeit. Die mannigfachen Versagungen des Anstaltslebens, die Fühlung mit dem Per- sonal, die Einfindung in die neue Lage erfordern gewaltige Stauungen

und Anpassungsleistungen, wie die häufigen Gefängnispsychosen deut- lich genug bekunden.

Großes Interesse verschafft sich die Fragestellung: „Wieso kommt die Brandstiftung dazu, als Ausdrucksform der plötzlichen Libidoentspan- nung gewählt zu werden?“ Schmid erinnert an die bekannte erotische Deutung der Feuermanifestationen. Über Freud hinaus geht er jedoch darin, daß er mit Jung annimmt, die Feuererzeugung sei eine archaische Regressionserscheinung, entstanden aus einem Widerstand gegen die Sexualität, der aus der Anlage und inneren Nötigung zur Sublimierung zu erklären sei. Somit folgert Schmid, und hierin gipfelt seine Arbeit: „Ich möchte die Brandstiftung . . auffassen als einen archaischen, durch Regression bedingten, verfehlten Sublimierungsversuch.* Es ist mir nicht gelungen, Jun gs Hypothese von der Entstehung der Feuer- erzeugung aus der Sexualität zu der meinigen zu machen, Die sprach- lichen Argumente würden mich ebensogut nötigen, auch das Pflügen als larvierten Sexualakt anzusehen. Ein künftiges Geschlecht, dem unsere Kultur ungefähr so wenig bekannt wäre, wie uns die altindische, könnte ebenso das Pfeifenrauchen, das Violinspiel und andere Leistungen, die im Sexualjargon auftreten, in diesem Sinne genetisch erklären.)

Vollends für Schmids Zutat fehlt mir jedes Gefühl der Billigung. Gesetzt auch, die Feuererzeugung wäre eine Sublimierungstat eine hohe Kulturleistung ist sie gewiß ist denn das Wesentliche und Reiz- volle an der Brandstiftung, die der gestauten Libido Abfluß verschaffen

1) Anstatt auf uns in ihrer Entstehung erst recht rätselhafte archaische Er- scheinungen zurückzugreifen und das Unbekannte aus noch Unbekannterem zu erklä- ren, halte ich es für richtiger, auf uns zugänglichen Tatsachen und Gesetzen zu fußen. Unter den Determinanten, die zur Wahl des Feuersymbols führen, scheint mir beson- ders wichtig die Aufbauschung der bei starken erotischen Erregungen nie fehlenden Wärmeempfindungen, die schon durch Ausdrücke, wie „heiße Liebe“, „glühende Eifer- sucht“, „brennende Sehnsucht“ usw., festgestellt werden. Welch hervorragenden Ein- Aluß die Aufbauschung in der Manifestation ausübt (vgl. die Psychologie der Perver- sität, die hysterische Verstärkung schwacher Empfindungen zum lebhaften Schmerz bei starker Libidobesetzung, die Vergrößerung des Vaters zum Gott oder Teufel u. dgl. Erscheinungen), verdiente einmal in einer Monographie behandelt zu werden. Die Symbolik des Hauses, die heterosexuelle Aggression sind ebenso sorgfältig zu beachten.

152 Oskar Pfister. soll, die Feuererzeugung? Offenbar nicht. Sie ist gleichgültig. Der Brandstifter nimmt das Feuer, wo er es vorfindet, oder zündet ein Streich- hölzchen an, was heute auch keine großartige Kulturtat mehr ist und jeden- falls mit dem Feuerreiben und seiner Koitussymbolik nichts mehr gemein hat. Alles Interesse des Brandstifters hängt an der kri- minellen Handlung und ihren Folgen. Und da soll von Subli- mierung geredet werden können? Schmid scheint der Brandstiftung ebenso wie der Feuerbereitung das Prädikat des Sublimen verleihen zu wollen. Er hält es nicht einmal für nötig, zu untersuchen, inwiefern die soziale Schädigung, die in der Brandstiftung liegt, archaisch genannt werden darf.

Da Jung in einer Auseinandersetzung, die in mir ebenfalls nichts mitklingen läßt, die Feuererzeugung als ursprünglich eine am Objekt dargestellte quasi onanistische Betätigung faßt, wundert uns nicht, daß Schmid auch die Brandstiftung als etwas Ähnliches hinstellt (S. 133). In den meisten Fällen ging zwar in seinen Fällen ein heterosexuelles Versagen voraus. Aber Schmid findet doch einige Fälle, welche für die Erweiterung der Jungschen Hypothese sprechen sollen. Ein Imbeziller onanierte während der Brandstiftung und des Verhöres. Was beweist dies mehr, als daß die sexuelle Stauung durch die symbolische Ersatzhand- lung nicht genügend beseitigt wurde? Dasselbe gilt von dem zweiten Bei- spiele Schmids. In einem dritten gelang die Ableitung der Libido durch die Brandstiftung.

Am Schlusse gibt unser Autor zu, daß zur Erklärung mancher der- artiger Delikte auch die entgegengesetzte Bedeutung der Feuersymbolik herbeizuziehen sei: Feuer als Ausdruck der Empörung. „Es scheint, als sel in einer weniger tief gelegenen Schichte unserer Psyche das Feuer mehr Symbol der Empörung gegen die Autorität, während in der Tiefe die Bedeutung der Libidoentspannung bestehen bleibt (S. 138).“ Allein liegt in der kriminellen Auflehnung gegen die Autorität nicht auch offen- bar eine Libidoentspannung? Und kann die Wut nicht auch eine sexuelle Erregung erzeugen, angesichts welcher auch die revolutionäre Brandstiftung ebenso gut wie die erotische als ein archaischer Sublimie- rungsversuch bezeichnet werden müßte?

Zu meinem lebhaften Bedauern kann ich somit nicht einsehen, daß Schmid unser Verständnis für die Psychologie der Brandstiftung geför- dert habe. In methodischer Hinsicht fehlt seiner Arbeit die lückenlose Stringenz der Beweisführung, die Strenge der logischen Folgerung, die Reinlichkeit der Begriffe. Die Erscheinungen werden höchst willkürlich gedeutet und in ein unpassendes Schema gepreßt, auf unsichere Hypothesen kommen noch unsicherere Schlüsse zu ruhen, wodurch die Unzuverlässigkeit eine Potenzierung erfährt. Zu diesen methodischen Fehlern gesellt sich ein unverkennbares Bestreben, Freud zu verkleinern und J ung zu er-

Ist die Brandstiftung ein archaischer Sublimierungsversuch ? 153 heben. Anders läßt sich das falsche Zitieren und die unrichtige Beschrei- bung Freudscher Gedanken nicht erklären. Gegen beide geistreichen und bedeutenden Männer enthält dieses Verfahren eine Ungerechtigkeit. Die Lehre, daß nicht nur vielen, sondern sogar allen Manifestationen neben der Finalität noch eine höhere Teleologie, ein Anpassungsplan innewohne, gewinnt aus Schmids Abhandlung keine Empfehlung. Soll die psychoanalytische Bewegung aus der eingetretenen Differenzierung der Anschauungen den rechten Gewinn nach innen und außen ziehen, so muß sie sich vornehmer Gerechtigkeit, komplexfreier Objektivität und sorgfältiger Induktion befleißen. Wir sündigen wohl alle zuweilen gegen diese Forderungen. Ich wenigstens möchte mich von der angegebenen Schuld nicht ausschließen. Darum glaubte ich im Interesse einer förder- lichen Arbeitsgemeinschaft meine Bedenken aussprechen zu müssen.

Mitteilungen.

Li Die typische Eifersucht auf jüngere Geschwister und Ähnliches. Von Dr. Josef K. Friedjung (Wien).

Jeder vorurteilsfreie Beobachter kennt die Eifersucht, mit der erst- geborene Kinder einem nachgeborenen Geschwister begegnen. Der Zwang, sich in die Liebe der Eltern und Pflegerinnen, über die sie bis dahin allein ver- fügen konnten, nunmehr mit einem zweiten teilen zu müssen, führt zumeist zu einer Einstellung, die sich oft in naiven Äußerungen des Hasses gegen den Eindringling kundgibt. Ist der Altersunterschied groß, d. h. etwa 5 Jahre oder mehr, so zeigt diese Einstellung meist bald einen ambivalenten Charakter: Das größere Kind, besonders ein Mädchen, findet rasch auch Pfiegerinteressen an dem kleinen und zieht so bald auch Lustgewinn aus der anfangs nur pein- lich empfundenen Änderung seiner Lage. Unverkennbar also wird das psychische Verhalten und mit der Zeit der Charakter des älteren Kindes durch die Ge- burt des jüngeren Kindes beeinflußt, und zwar in einer typischen Richtung. In den Beobachtungen, die ich kurz mitteilen möchte, war dieser Eindruck besonders aufdringlich :

1. Das nicht ganz sechsjährige Töchterchen eines gesunden jüdi- schen Ehepaares bekommt einen Bruder. Für einige Tage aus diesem Anlasse bei einer Tante untergebracht, ist das sonst fügsame Kind auffällig ungebärdig. Es weint: „Man wird das Kind in mein Bett legen.“ Die Tante äußert in richtiger Voraussicht: „Mit der wird man es jetzt nicht leicht haben.“ In der Tat begegnet das Mädchen dem kleinen Knaben anfangs mit feindseliger Eifersucht, namentlich will es nicht erlauben, daß der Kleine in „ihrer“ Wanne gebadet werde. Im ganzen ist sie viel „schlimmer“ als früher. Daneben zeigt sie jedoch auch bald liebevolles Interesse für den Bruder. Nach acht Monaten wird an dem Knaben eine Operation notwendig, elf Tage muß er in einem weit entfernten Krankenhause bleiben. Die Mutter darf ihn nur zweimal in der Woche für kurze Zeit besuchen. Das Mädchen ist mit einem Schlage fügsam geworden, braver denn je. Als der Kleine aber wieder heim- geholt wird, ist sie ebenso plötzlich schlimmer als je vorher, und die Mutter, von einer bloß durchschnittlichen Intelligenz, deutet ihren Zustand selbst als den der Eifersucht.

2. Das sechsjährige einzige Söhnchen eines robusten christlichen Ehe- paares bekommt einen Bruder und begegnet ihm mit offensichtlicher Feind- schaft. Zunächst schlägt es den Eltern vor, den Neugeborenen auf der Boden- stiege auszusetzen. Nach dem Fehlschlagen dieses einfachsten Konfliktslösungs- versuches bleibt die feindselige Einstellung. Jetzt noch, nach 10 Monaten, darf man den Knaben nicht mit dem Kleinen allein lassen, da er ihn sofort schlägt.

Dr. Josef K. Friedjung: Die typische Eifersucht auf jüngere Geschwister. 155 Auf meine Frage, warum er das tue, antwortet er: eine Motivierung kann ich von ihm nicht erlangen, i wort. Hier findet sich keine Spur von Ambivalenz,

durchaus durchschnittlichen Kindes, Ich habe Verhalten der Erw

so tief wirkte,

„Ich mag ihn nicht“ ; mmer nur die eine Ant- nur kalter Haß des sonst

Grund anzunehmen, daß hier das achsenen besonders fehlerhaft war und daher auf den Knaben

Ich möchte übrigens erwähnen, daß sich so eine Eifersucht auch auf Tiere richten kann. Ein vierjähriger einziger und sehr verwöhnter Sohn einer schö- nen Mutter, der auch Zärtlichkeiten des Vaters der Mutter gegenüber nicht duldet, bekommt zwei Kanarienvögel zum Geschenke. Wenn sich die Mutter mit ihnen zu schaffen macht, ist er aufs höchste empört und wirft nach den Vögeln, was immer er bei der Hand hat.

Alle diese Beobachtungen, die sich fast beliebig vermehren lassen, sind mit den von Freud gegebenen Aufklärungen zwanglos zu deuten. Es ist nicht auffällig, daß sich die Kinder so benehmen wie Erwachsene, da sich doch die Erwachsenen gerade im Affekt meist so benehmen wie Kinder.

2.

Schamhaftigkeit als Maske der Homosexualität. Von Dr. Josef K. Friedjung (Wien).

Das etwa zweijährige Kind eines galizischen jüdischen Flüchtlingspaares, ein Knabe, zeigt alle Züge des neuropathischen einzigen Kindes: es ist ängst- lich, schläft sehr unruhig, ist geistig seinem Alter weit voraus und tyrannisiert die Eltern. Habituelle Anorexie und Obstipation vervollständigen das Bild. Die Eltern, Intellektuelle beide haben akademische Studien absolviert —, verwöhnen den Knaben über die Maßen, besonders der Vater. Dieser, ein 39jähriger Mann, bringt meinen erzieherischen Winken volles Verständnis ent- gegen, erklärt jedoch, sie jetzt, als Flüchtling, nicht befolgen zu können. Na- mentlich müsse das Kind mit ihm das Bett teilen, da man sonst keinen Platz habe. Das trifft jedoch nicht zu, da die drei Personen ein geräumiges Zimmer bewohnen. Dieser auffällige Widerspruch zwischen Verstehen und Wollen, bei Frauen in dieser Lage recht häufig, fiel mir auf. Ich sah zunächst nur, daß die Frau ein kleines, reizloses Geschöpf war. Da gestattete mir der Zufall einen Blick in des Mannes Triebleben: Er sollte zur Musterung gehen ; die Begeisterung war nicht groß. Ich begriff und vermutete die gewöhnlichen Gründe, als er zu meiner Überraschung sagte: „Es ist mir so peinlich, mich in meinem Alter auskleiden zu müssen, um begutachtet zu werden wie ein Vieh.“ Als ich einwendete, daß er sich doch, wenn er sich etwa im Interesse seiner Familie versichern lasse, ebenso genau müsse untersuchen lassen, lehnte er entschieden ab: Das habe er nie getan, würde es auch in Zukunft nicht tun, denn auch da wäre es ihm peinlich, sich vor dem Arzte entkleiden zu müssen. Als ich verwundert tat, erklärte er: „Das Peinliche liegt darin, daß der Arzt bei der Untersuchung angekleidet bleibt; wäre auch er nackt, so

as Peinliche der Situation weg.“ Be: a Da restlose Aufklärung einer befremdenden Schamhaftigkeit mit der kaum verhüllten homosexuellen Einstellung scheint mir an sich nicht uninter- essant. Sie läßt mich aber vermuten, daß auch das Verhalten des Vaters zu seinem Sohne hier seine Erklärung finden könnte: daß er das Kind verwöhnt, wie sonst nicht oft ein Vater, daß er namentlich trotz meiner wiederholten

156 . Mitteilungen.

Mahnung nicht darauf verzichtet, sein Bett mit dem Kinde zu teilen, könnte damit verständlicher werden. Trifft das zu, so zeigt es zugleich, welche Hin- dernisse sich dem Kinderarzte entgegenstellen, auch wenn er sich gewöhnt hat, bisher vernachlässigte psychische Zusammenhänge bei seinem Wirken zu be-

obachten., 8.

Urethralerotik und Ehrgeiz. Von Ernest Jones.

Ein an leichter Zwangsneurose leidender Patient mit außererdentlich starkem Ehrgeizkomplex war immerwährend von dem Wunsch gequält, irgend einen Rivalen, besonders in seinem Beruf oder in erotischen Angelegenheiten zu übertreffen, und verbrauchte den größten Teil seiner Energie, um sich direkt dieser selbstgestellten Aufgabe zu widmen. Dasselbe Bestreben zeigte sich auch in Kleinigkeiten, so z. B. war er unfähig, irgend jemandem zu gestatten, daß er ihn beim Spazierengehen oder -fahren überhole usw.

Eines Tages berichtete er mir folgenden Zwang. Sooft er in ein öffent- liches Pissoir eintrat, beeilte er sich, den ersten leeren Platz in der Reihe zu besetzen (er zählte als Homosexueller von links, d. h. der erste Platz links war Nummer eins, der „erste dran“. War es ihm gelungen, den ersten Platz zu erlangen, so murmelte er vor sich die Worte hin: „der Erste vor allen“; war es die zweite Stelle, die er sich bemühte zu erlangen (da der erste Platz meist besetzt war), so murmelte er „Keinem nachstehend“; war es der dritte, „unter den ersten drei“ usw.; war es der letzte, so waren die Worte „last but not least“ (der Letzte, aber nicht der Geringste). Mit anderen Worten, der Ehrgeizkomplex loderte in Zwangsform auf im Moment des Urinierens in Gesellschaft anderer Männer. Der Zwang war zugleich eine Schutzmaß- regel (Adlers Sicherungstendenz), denn er litt an einem ausgesprochenen Minderheits- und Impotenzkomplex (Kastrationsangst), der besonders den Haupt- sitz desselben, das Genitalorgan, betraf.

Die Erklärung, die gewöhnlich für den sonderbaren Zusammenhang von Urethralerotik und Ehrgeiz gegeben wird, ist der vom kleinen Kind erfahrene Stolz, wenn es die Funktion der Sphinkters beherrschen lernt. Ich finde, dies bezieht sich mehr auf das vom Kind dareingesetzte Vertrauen, daß es die exkretorischen Funktionen allein, ohne Mithilfe der Erwachsenen ausführen kann, d. i. eine wahrscheinlich der Selbstkontrolle folgende Stufe der Ent- wicklung. Der erste Traum, den mir der Patient als Beispiel erzählte, lief darauf hinaus, daß er beim Hinaufklettern auf einen steilen Felsen, ohne Hilfe von den umstehenden Leuten zu erfahren, einen glühenden Stolz fühlte über die erfolgreiche Ausführung dieses schwierigen Kunststückes ohne fremde Unter- stützung. Es muß jedenfalls ein weiterer Grund sein, warum die in Frage stehende Verbindung in engerer Beziehung mit dem Urinsphinkter als mit dem des Rektums steht. Ich möchte dies, wenigstens teilweise, folgenden drei Um- ständen zuschreiben: erstens erfolgt das Urinieren (insbesondere beim Manne) viel häufiger in Gesellschaft als die Defäkation, so daß die Möglichkeit der Vergleichung und eventuell der Konkurrentschaft sich viel leichter ergibt. Unser Patient brachte eine für diesen und den früher erwähnten Punkt be- zeichnende Erinnerung: als er gegen 11 Jahre alt war, hatte er Gelegenheit, einen kleinen Jungen aufs Klosett zu begleiten und half ihm die Hose auf- knöpfen und den Penis herausnehmen. Dies gab ihm ein deutliches Gefühl

Dr. Otto Rank: Ein determinierter Fall von Finden. 157

von Überlegenheit über das hilflose Kind. Zweitens kann infolge der anato- mischen Unterschiede zwischen der Urethra und dem Rektum (wieder beson- ders beim männlichen Geschlecht) der Akt im ersteren Falle in viel größerem Ausmaße variabel gemacht werden als im zweiten. Dies führt zu dem wohl- bekannten Wetteifer zwischen Knaben (woran dieser Patient auch verschiedene Erinnerungen hatte) in bezug auf die Entfernung, bis zu der der Urinstrahl gespritzt werden kann, das Ausmaß, in welchem derselbe lenkbar ist, und die Höhe, die er erreichen kann.

Ein weiterer, zu den vorhergehenden Betrachtungen beitragender Punkt ist folgender. Sadger hat die Aufmerksamkeit auf die häufige Verwandt- schaft zwischen Impotenz und Urethralerotik gelenkt, Indem wir ebensowohl an die Abhängigkeit der Impotenz von der Kastrationsangst (möglicherweise in allen Fällen) erinnern, verstehen wir, warum viele von diesen Patienten, wenn sie zuerst das Fehlen des Penis beim Mädchen bemerken, insbesondere mit Geringschätzung von der daraus folgenden Unfähigkeit Kenntnis nehmen, den Urinstrahl willkürlich zu lenken. Der Stolz auf diese Fähigkeit gehört zu den wesentlichen Bestandteilen der ganzen Gefühlseinstellung des Kindes in betreff des Penis und das Fehlen dieses Organs bezeichnet unter anderem auch das Fehlen dieser Fähigkeit, dem psychischen Prototyp der späteren sexuellen Leistungsfähigkeit.

Fehlleistungen aus dem Alltagsleben. 4. Ein determinierter Fall von Finden. Mitgeteilt von Dr. Otto Rank.

Ein materiell von seinen Eltern abhängiges junges Mädchen will sich ein billiges Schmuckstück kaufen. Sie fragt im Laden nach dem Preise des ihr zusagenden Objekts, erfährt aber zu ihrem Betrüben, daß es mehr kostet, als ihre Ersparnisse betragen. Und doch sind es nur zwei Kronen, deren Fehlen ihr diese kleine Freude verwehrt. In gedrückter Stimmung schlendert sie durch die abendlich belebten Straßen der Stadt nach Hause. Auf einem der stärkst frequentierten Plätze wird sie plötzlich obwohl sie ihrer Angabe nach tief in Gedanken versunken war auf ein am Boden liegendes kleines Blättchen aufmerksam, das sie eben achtlos passiert hatte. Sie wendet sich um,” hebt es auf und bemerkt zu ihrem Erstaunen, daß es ein zusammengefalteter Zweikronenschein ist. Sie denkt sich: das hat mir das Schicksal zugeschickt, damit ich mir den Schmuck kaufen kann, und macht erfreut kehrt, um diesem Wink zu folgen. Im selben Moment aber sagt sie sich, sie dürfe das doch nicht tun, weil das gefundene Geld ein Glücksgeld ist, das man nicht aus- geben darf.

Das Stückchen Analyse, das zum Verständnis dieser „Zufallshandlung“ gehört, darf man wohl auch ohne persönliche Auskunft der Betroffenen aus der gegebenen Situation erschließen. Unter den Gedanken, die das Mädchen beim Nachhausegehen beschäftigten, wird sich wohl der ihrer Armut und ma- teriellen Einschränkung im Vordergrunde befunden haben, und zwar, wie wir vermuten dürfen, im Sinne der wunscherfüllenden Aufhebung. ihrer drückenden Verhältnisse. Die Idee, wie man auf leichteste Weise zu diesem fehlenden Geldbetrag kommen könne, wird ihrem auf Befriedigung ihres bescheidenen Wunsches gerichteten Interesse kaum ferngeblieben sein und ihr die einfachste Lösung

158 Mitteilungen.

des Findens nahegebracht haben. Solcherart war ihr Unbewußtes (oder Vor- bewußtes) auf „Finden“ eingestellt, selbst wenn der Gedanke daran ihr wegen anderweitiger Inanspruchnahme ihrer Aufmerksamkeit („in Gedanken ver- sunken“) nicht voll bewußt geworden sein sollte. Ja, wir dürfen auf Grund ähnlicher analysierter Fälle geradezu behaupten, daß die unbewußte „Such- Bereitschaft“ viel eher zum Erfolg zu führen vermag als die bewußt gelenkte Aufmerksamkeit. Sonst wäre es auch kaum erklärlich, wieso gerade diese eine Person von den vielen Hunderten Vorübergehenden, noch dazu unter den er- schwerenden Umständen der ungünstigen Abendbeleuchtung und der dicht- gedrängten Menge, den für sie selbst überraschenden Fund machen konnte, In welch starkem Ausmaße diese un- oder vorbewußte Bereitschaft tatsächlich bestand, zeigt die sonderbare Tatsache, daß das Mädchen noch nach diesem Fund, also nachdem die Einstellung bereits überflüssig geworden und gewiß schon der bewußten Aufmerksamkeit entzogen ‚war, auf ihrem weiteren Heim- weg an einer dunklen und einsamen Stelle einer Vorstadtstraße ein Taschen-

tuch fand. 5.

Fehlhandlung und Traum. Mitgeteilt von Dr. Otto Rank.

Daß unbemerkt vor sich gehende Fehlhandlungen (meist Verluste) dem Unbewußten bekannt sein und sich im Traume zum Bewußtsein bringen können, ist uns bereits aus mehreren analysierten Fällen bekannt.!) Ein einfaches Beispiel dieser Art sei hier noch mitgeteilt. Einem Maschinschreibfräulein wird eines Abends in brüsker Weise von ihrem Chef mit dem Bemerken gekündigt, sie brauche schon am folgenden Tage nicht mehr ins Bureau zu kommen. Den ihr für die Kündigungszeit gebührenden Gehaltsanteil bemißt der Chef mit K 20, die er dem Mädchen in etwas unhöflicher Weise zuschiebt. Dieses Benehmen mißfällt ihr im höchsten Grade, ebenso wie sie mit der Höhe der „Abfertigung“ nicht zufrieden ist und sie verspürt im ersten Augenblick den Impuls, ihm das Geld „hinzuschmeißen“, sagt sich aber sofort, daß sie dann nicht einmal das Not- wendigste hat und „betteln gehen“ müßte. Am nächsten Tage wechselt sie die Banknote und geht abends in verzagter, verdrossener Stimmung nach Hause.

In der Nacht hat sie folgenden Traum: Ein Kind wie beschützt durch die Gottesmutter (undeutlich) bettelt sie an, sie will ihm etwas geben, merkt aber, daß sie selbst nichts hat.

Am nächsten Morgen bemerkt sie, daß ihr von dem gewechselten Gelde ein Zehnkronenschein fehlt; sie erzählt es im Hause ebenso wie den wunderbaren Traum und es stellt sich heraus, daß die Hausbesorgerin beim Reinemachen die Banknote vor der Tür der Dame gefunden hatte. Es setzt sich in diesem „Verlieren“ der Impuls, das Geld „hinzuschmeißen“, es nicht über ihre Schwelle zu lassen, in so geschickter Weise durch, daß auf der anderen Seite doch noch die Möglichkeit, es wiederzubekommen, offen gelassen wird und die Freude über den Wiedergewinn des verlorenen Geldes die Art seiner Erwerbung tatsächlich übertönt. Außerdem hat sie nun das Geld nicht mehr von dem unanständigen Chef, sondern von dem ehrlichen Finder emp- fangen und ist so mit dem Besitz ausgesöhnt.

2) Vgl. meine Mitteilungen Zentralblatt , " und diese Zeitschrift I, 8. 26 5 ntralblatt für Psycho-Analyse I, S. 450; II, S. 266

Dr. Otto Rank: Unbewußter Verrat durch Symptomhandlung. 159

Daß das Unbewußte schon vor der Feststellung des Verlustes denselben kennt, ist in Analogie mit anderen Fällen sehr wahrscheinlich, aber nicht zu erweisen, da der Traum ebensowohl die Reaktion auf den Verlust der An- stellung („betteln gehen“) wie auf den des Geldes sein kann. Allerdings hätte er im ersten Falle schon in der ersten Nacht (nach der Kündigung) geträumt sein können, während er sich tatsächlich erst unmittelbar an den Verlust an- schließt. Hübsch ist das Flüchten zur Mutter, als der kostenlosen Ernährerin, und die Art, wie die Person der Träumerin das hilfsbedürftige Kind von sich „abspaltet“, indem sie sich mit der schützenden Mutter identifiziert.

6. Unbewußter Verrat durch Symptomhandlung. Mitgeteilt von Dr. Otto Rank.

In einer mir befreundeten Familie wird als aufregendes Ereignis der letzten Tage besprochen, wie sich das in der Familie beschäftigte Hausfräulein durch einen Fehlgriff beinahe in schwere Lebensgefahr brachte, indem sie statt einer Flasche mit Fruchtsaft eine solche mit Spiritus ergriff und daraus trank. Die wegen dieses Vorfalles erregte Hausfrau fügt ihrer Mitteilung hinzu, es geschehe dem verträumten „Ding“ schon recht; sie benütze ihre ganze freie Zeit zum Lesen und habe immer nur ihre Romane im Kopfe. Auch der Unfall ist auf die Weise geschehen, daß das in die Lektüre vertiefte Fräulein von Durst gequält nach dem Fruchtsaft gegriffen, aber die falsche Flasche erwischt habe. Durch einen Zufall finde ich den unheilvollen Roman noch auf- geschlagen in ihrem Zimmer liegen und beginne, neugierig geworden, an der betreffenden Stelle zu lesen. Der Inhalt der ominösen Stelle berechtigt zu der Vermutung, daß dieses „Vergreifen“ nicht „zufällig“ gewesen sein könne, wenngleich die engere Beziehung zum persönlichen Schicksal des Mädchens mangels einer Analyse unaufgeklärt bleiben mußte. Es handelte sich an der betreffenden Stelle des Romans um einen Mann, der das bei ihm aufwachsende Kind seiner früheren (verstorbenen ?) Geliebten beseitigen will, um eine Heirat einzugehen. Er überlegt, auf welche Weise er dies am unauffälligsten tun könne, und kommt schließlich zu einem uns nicht weiter interessierenden Plan, den die Leserin bei Verübung ihrer Symptomhandlung auch nicht kannte. Dagegen gibt sie spontan an, bei der Lektüre selbst verschiedene Erwägungen über die Tötungsart des Kindes angestellt zu haben und zu der Überzeugung ge- kommen zu sein, daß der Mann es vergiften werde. Plötzlich sei sie, von einem quälenden Durst getrieben, in einer Art Taumel an den Schrank ge- gangen, um ein wenig von dem erst seit wenigen Tagen dort befindlichen Fruchtsaft zu trinken, habe jedoch schon beim ersten Schluck ihren Irrtum gemerkt.

Von der Hausfrau erfuhr ich, daß ihr offizieller Anbeter seit Monaten im Felde steht und sie um sein und ihr Schicksal sehr besorgt ist. Wie weit bei ihrer Identifizierung mit dem zu tötenden Kind Schwangerschaftsphantasien (Vergiftung) oder -Befürchtungen beteiligt waren, ließ sich begreiflicherweise nicht feststellen.

160 Mitteilungen.

7; Ein vergessener Name. Von Dr. L. Jekels.

Ich unterhalte mich mit meinem Tischgenossen über Träger deutscher Namen, welche in der politischen und Kulturgeschichte Polens eine Rolle gespielt haben. Er führt an: Puttkammer, Manteuffel usw., worauf ich: „Auch der bedeutende zeitgenössische Schriftsteller, ach, wie heißt er denn nur? der Verfasser so vieler bekannter Werke? Verwandt mit der hervorragenden Familie X ?“

Ich mühe mich redlich ab, mir den Namen ins Gedächtnis zu rufen, doch vorerst ganz vergeblich, zumal auch der von mir Befragte dem ich offenbar zu wenig Anhaltspunkte hiefür geboten trotz meiner wiederholten Aufforderung mir nachzuhelfen, gleichfalls versagt.

Das bekannte Unlustgefühl, der ständige Begleiter eines derartigen Ver- gessens, stellt sich alsbald gleichfalls ein; nicht minder aber auch der Zwang, dem entfallenen Namen nachzuspüren, so daß ich immer wieder zu demselben zurückkehre, obwohl wir schon längst das Thema mehrmals gewechselt haben. Auf dieser Suche nach dem entfallenen stellen sich als Ersatznamen ein: zuerst Tetmayer (ein bekannter polnischer Dichter und Schriftsteller), den ich jedoch als den unrichtigen sofort verwerfe, dann Mauthausen der Name eines Gefangenenlagers in Oberösterreich.

Hier reißt jedoch die Assoziationskette ab und ich finde von da weder weitere Ersatzeinfälle, noch auch sonst einen begrifflichen Übergang zum gesuchten Namen, der mir nach wie vor verborgen bleibt.

Das quälende Gefühl treibt mich endlich dazu, einen Bekannten beim Nachbartisch zu befragen.

Ich bekomme zur Antwort: Josef Weißenhof.!)

Kaum aber im Besitze des Namens, erkenne ich sofort den Mechanis- mus seines Vergessens; ich erfasse momentan, dasselbe sei von dem Namen Weißenburg ausgegangen, welchem ursprünglich die Tendenz des Ver- gessens gegolten habe; dadurch wird mir auch das Motiv der Fehlleistung evident.

Denn der Name Weißenburg hat sich genau so wie der mit ihm begrifi- lich so eng assoziierte Name Mauthausen recht tief und unangenehm meinem Gemüt in den letzten Wochen eingeprägt.

Zu Beginn des Krieges wurde ich einer der großen militärischen Kranken- anstalten Wiens zugeteilt, an der ich mich fleißig betätigte, vermeinend, dadurch sowie durch mein Alter vor irgend welcher unangenehmeren Verwendung mei- ner Person geschützt zu sein. Aus dieser behaglichen Sicherheit wurde ich jedoch vor einigen Wochen herausgerissen, als ich zufällig den Besuch eines mir ferner stehenden Kollegen empfing, der mir vorjammerte, er sei nach mehrmonatlicher Verwendung in einem der Wiener Spitäler plötzlich ins Gefangenenlager nach Mauthausen kommandiert worden, von dessen Existenz ich damals erst erfuhr, ebenso wie von der dort herrschenden Flecktyphus- endemie, der in kurzer Zeit sogar einige dorthin beorderte Ärzte zum Opfer gefallen sein sollen.

‘) Wird eigentlich Weyßenhof geschrieben.

Dr. L. Jekels: Ein vergessener Name. 161

Den Kollegen tröstete ich zwar, indem ich ihm Mut zusprach ; doch seit jener Zeit hat sich in meiner Seele die Angst, ich könnte von dem gleichen Schicksale betroffen werden, festgenistet, die mich nunWochen hindurch nichtmehr verließ. Sie wurde in mir während dieser Zeit noch verstärkt durch die Unmittelbar- keit des Erlebens; ist doch ein anderer, mir wohl bekannter Kollege, der in ein anderes Konzentrationslager kommandiert ward, dort nach kaum vier- tägiger Anwesenheit an Flecktyphus erkrankt und wurde währenddessen von mir sogar wiederholt ärztlich besucht.

Was Wunder, daß unter so getanen Umständen „Mauthausen“ für mich zum Schreckgespenst wurde, zu einer Eventualität, wie sie nicht mehr schlim- mer sein könnte,

Nach einigen Wochen jedoch, als ich von keiner weiteren Komman- dieraung dorthin hörte und auch sonst von informierten Kollegen beruhigt wurde, ist diese Vorstellung aus dem Zentrum meines Bewußtseins gewi- chen und verlor nach und nach ein gut Stück ihrer Überwertigkeit. Ich ward ruhiger geworden.

Kaum jedoch daß ich dies erreicht, da erfahre ich eines Tages, ein gleichfalls seit längerer Zeit am gleichen Spitale unter gleichen Bedingungen tätiger, überdies mir recht nahestehender, auch in der psychoanalytischen Be- wegung und Literatur sehr bekannter Kollege sei Knall und Fall gleichfalls in ein Gefangenenlager Weißenburg beordert worden und bereits dort- hin abgereist.

Es ist nicht schwer zu erraten, wie nahe mir diese Nachricht ging und wie sie mich erschütterte! Da rückte ja die Gefahr in greifbare Nähe, da drohte ja wieder das gefürchtete Geschick sich erfüllen zu wollen !

Und nun erfolgt seitens des seelischen Apparates als Abwehr der Ver- such, durch Verdrängung des Namens sich auch der durch ihn repräsentierten, so peinlichen Vorstellung zu entledigen.

Dieser Versuch mußte jedoch offenbar angesichts der Leibhaftigkeit und Greifbarkeit der in keinerlei Weise wegzuleugnenden Tatsachen kläglich schei- tern; der Inhalt der Vorstellung wird von ihm kaum tangiert, und als sein einziger und teilweiser Erfolg resultiert bloß eine Entstellung des Namens.

Denn der Ort, den ich mir niemals recht merken konnte und den ich sogar noch jetzt während der Niederschrift, bald als Weißenbach, bald als Weißenberg zu bezeichnen nicht übel Lust habe heißt, wie ich es erst nach durchgeführter Analyss und nur mit Mühe —- denn erst nach wiederholtem Befragen und mittelst Bleistiftnotiz mir merkte, gar nicht Weißenburg sondern Wieselburg (a. d. Erlaf) —, woraus erst die verdrängende Tendenz auf recht läppische Weise fast durch bloße Umstellung der Silben, den ersten Namen gezimmert hat.

Und derselben gegen das ominöse Wieselburg— Weißenburg gerichteten Verdrängungstendenz ist nun, wie so oft unter Benützung der äußeren Asso- ziation, auch der Name Weißenhof zum Opfer gefallen.

Den bis nun veröffentlichten, meistens so subtilen und komplizierten ein- schlägigen Analysen gegenüber würde die vorliegende kaum eine Erwähnung verdienen, wenn nicht der Umstand, daß sie so besonders deutlich und plastisch uns das Vergessen als Werk und Erfolg der Verdrängung aufweist. Zu diesem Nachweis genügt m. A. nach auch diese so unvollständige Analyse, deren tiefere psychologische Erörterung, welche uns die Wahl der Namen Weyßenhof und Tetmayer erklären würde, infolgedessen hier außer acht bleiben kann.

Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse. III/3. 11

Kritiken und Referate.

Psychologische Abhandlungen. Hrsg, von Dr. C. G. Jung. I, Band. Leipzig und Wien, Franz Deuticke. 1914.

„Die gegenwärtige Lage der Psychologie scheint es empfehlenswert zu machen, daß Schulen und Richtungen ihre eigenen Publikationsorgane haben“ : „die Gemeinsamkeit der Anschauungsweise kann durch die Veröffent- lichung am gleichen Orte zu einem entsprechenden Ausdruck gelangen.“ Mit dieser durchaus richtigen Bemerkung motiviert der Herausgeber das Erscheinen des neuen Publikationsorgans, das der Leser mit um so größerem Interesse zur Hand nahm, als er hoffen durfte, endlich einmal klare und unmißverständ- liche Auskünfte über die Anschauungen und das Arbeitsprogramm jener Schule oder Richtung zu erhalten, die sich unter Jungs Führung von der Psycho- analytik abgespalten hat. Daß diese Hoffnung des Lesers einstweilen nicht erfüllt wird, daran ist wohl der Umstand schuld, daß die eigentlichen Führer der Gruppe zu diesem ersten Band keine eigenen Arbeiten beitrugen und daß der größere Teil der Veröffentlichungen in den strittigen Fragen entweder gar nicht oder nicht scharf genug Stellung nimmt.

Dr. Josef B. Langs Arbeit „Zur Bestimmung des psycho- analytischen Widerstandes“ gehört in jene Serie von zum Teil sehr verdienstvollen Untersuchungen über die Assoziation, die Bleuler, Jung, Riklin u. a. anstellten. Wir müssen aber gleich dem ersten Satze der Arbeit widersprechen, wonach die Züricher Schule eine Assoziationslehre ausgebildet hätte. Die Züricher haben allerdings interessante diagnostische Assoziationsstudien getrieben, die wertvolle Bestätigungen zur Freudschen Psychologie des Unbewußten brachten und die Anwendung der Psychoanalyse auch bei solchen Geisteskranken ermöglichten, die sonstigen Untersuchungs- methoden unzugänglich waren. Die Assoziationslehre aber, die sich mit Hilfe dieser Methode ergab, war keine neue, sondern gleichsam nur der Nachweis en minia- ture derselben Assoziationsregeln, die sich schon bei der Breuer-Freudschen kathartisch-hypnotischen Methode und später bei Freuds freier Assoziation, en gros“ als gültig erwiesen. Es soll damit nicht geleugnet werden, daß die Ein- führung des Terminus „Komplex“ zur Bezeichnung des aus dem Unbewußten wir- kenden psychischen Materials ein Verdienst der Züricher ist, wenn auch die spätere unterschiedslose Verwendung dieses Wortes zur Bezeichnung bewußter und unbewußter Inhalte diesem Verdienste einigen Abbruch tat.

So hoch übrigens der Wert mancher der bisher veröffentlichten komplex- psychologische Arbeiten anzuschlagen ist, so wenig können wir uns mit einigen ihrer neuesten Abzweigungen, diesich in mathematische Spekulationen verlieren, befreunden. Zu diesen gehört aber auch J. B. Langs Arbeit. Wollen wir den Leser über deren Inhalt orientieren, so müssen wir ziemlich weit ausholen. Bekanntlich verwendet Jung bei seinen Assoziationsuntersuchungen 100 entsprechend variierte Worte, auf die der Explorand möglichst rasch mit

Kritiken und Referate, 163

dem nächstbesten Einfall reagieren soll. Der Experimentator untersucht dann nebst den inhaltlichen und formalen Charakteren besonders die zeit- lichen Verhältnisse der Reaktionen. Die Reaktionszeiten in Bruchteilen einer Sekunde ausgedrückt werden einerseits summiert, und die Summe durch die Zahl der Reaktionen dividiert, die Zahl, die sich so ergibt, ist das arithme- tische Mittel der Reaktionszeiten. Anderseits werden die Reaktionszeiten voran die kürzeste, dann der Reihe nach die längeren und die längsten aufgeschrieben ; das mittlere Glied dieser ‚Reihe ist, das wahrschein- liche Mittel der Reaktionszeiten. Soweit ist die Anwendung der in der Statistik allgemein gültigen Regeln vollauf gerechtfertigt; mit ihrer Hilfe kann man tatsächlich gewisse pathologisch oder charakterologisch bezeichnende Eigenheiten der Untersuchten feststellen. Jung begnügte sich aber damit nicht, sondern spielte mit den Zahlen weiter. Er berechnete die Differenz zwischen dem arithmetischen und dem wahrscheinlichen Mittel und behauptete (mit ziemlich fadenscheiniger Begründung), daß diese Zahl Rückschlüsse auf die „Intensität der Gefühle der Versuchsperson“ gestatte; er nannte auch diese Zahl den „Gefühlskoeffizienten“. Binswangers Bericht über einen Fall, indem der „Gefühlskoeffizient“ eine negative Größe darstellte, bereitete den Experimentatoren einige Verlegenheit. Daraufhin fiel J. B. Lang ein, „den Quotienten (und nicht die Differenz) des arithmetischen und wahr- scheinlichen Mittels der Reaktionszeiten ins Auge zu fassen, d.h... . das arithmetische Mittel durch das wahrscheinliche zu dividieren... Diese Zahl (von Lang Gefühlsquotientgenannt) wirdnunnie mehreine negative Größe“. Ohne Mathematiker zu sein, behaupte ich, daß eine solche willkürliche Änderung der Zahlenbehandlung nur zu dem Zwecke, da- mit man einer Verlegenheit entgehe, unerlaubt ist; sie zeigt aber, auf welch schwankendem Boden die weiter an diese Operation sich anknüpfenden psycho- logischen Spekulationen stehen und daß hier eigentlich nur der Schein der Exaktheit vorgetäuscht wird. Lang behauptet dann und will es mit einer Reihe von Krankengeschichten erhärten daß dieser Quotient „vielleicht einen Maßstab für die Größe des Widerstandes zwischen der Versuchs- person und dem Experimentator“ darstellt.

Abgesehen von den angeführten mathematischen Bedenken sind aber diese Krankengeschichten so dürftig und oberflächlich ausgefallen, daß die Wahrscheinlichkeit der These auch durch sie nicht erbracht wird. Die Kurven, die die einzelnen Fälle illustrieren sollen, müssen übrigens schon darum einen falschen und irreführenden Eindruck machen, weil an deren Abszissenachse, die die Zeitdauer ausdrücken soil, dieselbe Länge an einer und derselben Kurve -—— bald nur Wochen, bald ganze Monate bedeutet.

Viel verblüffender als diese Arithmetik wirkt die biologisierende „Exakt- heit“ der Langschen Arbeit. Man denke sich: der Autor macht nach dieser mathematischen Exkursion plötzlich ein Saltomortale und wirft die Frage auf, ob die Fortschritte einer psychotherapeutischen Kur sich nicht an Veränder- ungen der Blutviskosität wiederspiegeln. Er beantwortet diese Frage gleich in positivem Sinne und behauptet, daß die unternormale Höhe der Blutviskosität sich bei Nachlaß des Widerstandes gegen den Arzt dem Normal- werte nähert. Die graphische Darstellung seiner Untersuchungsresultate (die eleichfalls an den vorerwähnten Mängeln leidet) zeigt denn auch in jedem Behandlungsfalle zwei in entgegengesetzter Richtung verlaufende Kurven: bei günstigem Verlaufe sinkt die Kurve des Widerstandsquotienten, während die der Blutviskosität steigt; bei ungünstigem Stande der Kur verhalten sie sich umgekehrt.

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164 Kritiken und Referate.

Abgesehen davon, daß die Übertragung auf den Arzt durchaus nicht immer Besserung des Zustandes bedeutet wie der Autor es zu meinen scheint, wenn er es auch nicht ausdrücklich betont —, muß man diese Art von Aufeinander- beziehung vollkommen inkommensurabler Dinge, wie der Blutviskosität und des psychischen Widerstandes, von vornherein ablehnen. Niemand wird die Tatsache, daß physikalisch-chemische (toxische) Veränderungen des Blutes auf die Psyche —, und daß psychische Vorgänge auf das Blut einwirken können, bestreiten. Die Anhänger Freuds gewiß nicht; sie stehen ja theoretisch gerade auf dieser Grundlage. Während aber Freud mit Recht bestrebt ist, die psychischen Vorgänge solange es irgend möglich aus anderem Psychischen zu erklären und während er nur die Urelemente des psychischen Geschehens auf physiologische Vorgänge zurückzuführen gestattet, begeht hier Lang den Fehler, komplizierte, hochzusammengesetzte psychische Gebilde einfach mit groben Veränderungen der Körpersäfte in Beziehung zu bringen, Daß ich dem Autor mit dieser Auffassung seiner Arbeit nicht unrecht tue, beweist die gegen den Schluß der Arbeit befürwortete These, wonach auch die Veränderungen der „prädikativen“ Einstellung (was in der Jungschen Terminologie die Neigung zur Eigenbeziehung bedeutet) sich in der Höhe der Viskosität des Blutes spiegeln soll. Eine solch verwickelte psychische Tat- sache, wie die krankhafte Eigenbeziehung, einfach mit einer physikalischen Eigenschaft des Blutes in Beziehung zu bringen, heißt: auf die primitivste Humoralpathologie zu regredieren und auf den Stand der Psychologie zurück- zusinken, in dem Blut, Galle, Schleim und deren Mischungsverhältnis die Grundlage der Charakterologie des Menschen bildete.

Mit der nach dem Gesagten nicht mehr überraschenden Ober- flächlichkeit spinnt dann der Autor seine Phantasien weiter fort. Einerseits sieht er in diesen Untersuchungen genügende Gewähr für die Annahme, daß gewisse Neuropsychosen einer diätetischen entgiftenden Therapie zu- gänglich sein dürften. Anderseits findet er, daß seine Beobachtungen die von Jung 1906 und 1908 verfochtene toxische Theorie der Demenz bestätigen. Er vergißt aber dabei, sich mit der neuen Jungschen Libidotheorie der De- menz, die auf ganz anderen, rein energetischen und phylogenetischen An- nahmen beruht, auseinanderzusetzen. Und doch scheint er auch den modern- sten Züricher Ansichten nicht abhold zu sein, wie es sich besonders an einer Stelle zeigt, wo für eine Patientin der Mann „das Symbol der Lebens- forderung“ bedeutet haben soll.

Alles in allem kann uns diese Arbeit als warnendes Beispiel dienen ; sie zeigt uns, daß nicht nur die philosophische, sondern auch die sich im Wahne der Exaktheit wiegende mathematische und physiologische Spekulation die Psychologie auf Abwege führen kann.

Die zweite Arbeit J. B. Langs: „Eine Hypothese zur psycho- logischen Bedeutung der Verfolgungsidee“ gelangt auf sehr müh- samem assoziationsstatistischen Wege zu einer Hypothese, deren wesentliche Punkte schon vor ihm von Freud, allerdings nur auf dem Wege der Beob- achtung und des Nachdenkens, gefunden wurden. Die Verfolger sind, wie Lang sagt (und wie es Freud längst gesagt hat), nur „Objektivationen des Familientypus“. Während aber nach Freud die Verfolger hauptsächlich die gleichgeschlechtlichen Respektspersonen darstellen, scheint nach Lang das Ge- schlecht der zum Verfolger gewählten Person keine Rolle zu spielen. Im letzten Grunde richtet sich die Verfolgungsidee gegen einen Teil der eigenen Persön- lichkeit. (Siehe Freuds Paranoia-Arbeit und seine „Einführung des Narzißmus.“) Dieser Teil der Persönlichkeit ist nach Lang „die allzu feste Bindung an den Fami-

Kritiken und Referate, 165

lientypus“ (Freud würdesagen:: der sich familiär betätigende erotische Infantilis- mus). Der Verfolgungswahn istein Heilungsversuch (dies wörtlich nach Freud), der darum mißlingt, weil er statt auf der Subjektstufe noch auf der Objekt- (Projektions)stufe geführt wird. Ich finde, daß dieser Nachsatz, der eine Hypo- these sein soll, nichts anderes ist, als die Wiederholung (keinesfalls aber die Erklärung) der bekannten Tatsache, daß der Paranoische gewisse Gefühle nicht als ihm eigene ertragen kann, sondern sie zu objektivieren genötigt ist.

Wie in der eingangs besprochenen Arbeit für eine Patientin der Mann „das Symbol der Lebensforderung“ ist, ist nach Lang für den Paranoischen der Vater das Symbol der Forderung der Anpassung an die Realität. Man muß hier denn doch fragen, ob denn nach Ansicht der neuen Schule der Vater und seine gleichfalls väterlichen Nachfolger (Lehrer, Vorgesetzte usw.) nicht auch als solche Realitäten sind? Oder sind sie am Ende alle nur die wesen- losen symbolischen Vertreter einer platonischen Idee, der „Anpassung an die Realität“ ? Meint es der Autor so, so tragen wir leichten Herzens seinen etwas unhöflich gemeinten Vorwurf, daß unsere Neurosen- und Traumdeutungen auf der infantilen Objektstufe stehen bleiben, d. h. daß wir nicht geneigt sind die ganze Realität in Autosymbolismen aufzulösen.

Prof. J. Vodoz (Zürich) bespricht „Napoleons Novelle: Le masque prophöte“, in der der damals 19jährige die markantesten Charak- terzüge des späteren Eroberers schon erkennen lassen soll. Die angeführten Tatsachen sind interessant genug, um über das wenig Überzeugende der Beweisführung hinwegzutäuschen. Vodoz behauptet (trotz der von ihm selbst hervorgehobenen großen Beeinflussung Napoleons durch die herrschsüchtige Mutter), daß die Schaffung dieser Dichtung nicht so sehr etwas durch die infantilen Erfahrungen Determiniertes, als vielmehr eine gelungene Formulie- rung des (ererbten) inneren Strebens ist. Die Forderung Freuds, daß man Ererbtes und Erfahrenes nicht mehr als Alternativen, sondern als zusam- menwirkende Agentien betrachten soll, scheint also immer noch nicht Gehör

gefunden zu haben. Überdies entspricht es den mystischen Neigungen der neuen Schule besser, das infantile Moment, das der Untersuchung eher zugänglich ist, zu Gunsten des entfernteren also undeutlicheren phylogenen Mo-

mentes zu vernachlässigen und überall statt der psychischen Determinierung prospektive Tendenzen und Funktionen zu suchen. Vielleicht würde eine Analyse des jungen Napoleon in der Art, wie sie Jekels (in „Imago“ III. Jahrgang) unternommen hat oder wenigstens eine solche des Autors der vorliegenden Abhandlung etwas von der zu Grunde liegenden analytischen Determinierung erkennen lassen.

Von Dr. med. Hans Schmid (Basel) wird eine 100 Seiten lange Studie „Zur Psychologie der Brandstifter“ abgedruckt, deren Inhalt in Dr. Pfisters Kritik („Brandstiftung ein Sublimierungsver- such?“ Diese Nummer der „Zeitschrift“) genügend charakterisiert ist, so daß wir den Leser darauf verweisen können. Schmid scheint einer der starresten und streitbarsten Kämpfer der neuen Züricher Richtung zu sein; seine Ausführungen zeichnen sich denn auch durch den vollständigen Mangel jeder Objektivität aus. (S. dazu die Bemerkungen Pfisters.)

Die letzte Arbeit der Serie ist Dr. C. Schneiters Mitteilung über „Archaische Elemente in den Wahnideen eines Paranoiden“. Wir ver- danken bekanntlich die Idee der Vergleichung eines individualpsychologischen Produktes mit einem völkerpsychologischen ursprünglich Freud und Abraham. Doch erst die überraschenden Funde von Honegger und Jung, die in den Pro-

166 Kritiken und Referate.

duktionen der Dementen und Paranoiker die weitestgehenden Analogien zu den uns in den Mythen und Märchen erhaltenen archaischen Denkarten und Vorstellungsinhalten nachweisen konnten, gestatteten uns den bis in die Ein- zelheiten verfolgbaren Parallelismus der psychischen Onto- und Phylogenie als unerschütterliche Tatsache festzulegen.

Den im gleichen Sinne wertvollen Arbeiten von Honegger, Jung, Nelken, Itten und Spielrein reiht sich Schneiters Arbeit würdig an, obzwar sie nichts Neues, sondern nur Bestätigungen bringt. Leider wird uns die Lektüre der Mitteilung und die Würdigung ihres Inhaltes dadurch er- schwert, daß sie sich nicht mit der Konstatierung der Tatsachen begnügt, son- dern jede einzelne Feststellung in das Prokrustesbett der Jungschen Libido-

symbolik zu zwängen versucht. Ferenczi.

C. &. Jung. Der Inhalt der Psychose. Zweite, durch einen Nachtrag ergänzte Auflage. Leipzig und Wien 1914, Franz Deuticke.

Der seinerzeit in den „Schriften zur angewandten Seelenkunde“ (Heft 3, 1908) erschienene lehrreiche Vortrag ist nun in zweiter Auflage als selbständige Broschüre unverändert wieder abgedruckt, aber durch einen „Nachtrag“ er- gänzt worden, der zu einigen Bemerkungen herausfordert.

Jung bemüht sich darin, seine inzwischen stark gewandelten An- sichten darzulegen und das Verlassen des psychoanalytischen Standpunkts, auf dem diese Schrift seinerzeit fußte, zu rechtfertigen. Dem „analytisch-reduk- tiven“ Verfahren wird als einem historischen „Verstehen nach Rückwärts“ zuerst als notwendige Ergänzung, dann sogar als der weitaus wichtigere Teil das „konstruktive“ „Verstehen nach Vorwärts“ gegenübergestellt. Die erste Me- thode begreife das Seelische nur als ein Gewordenes und reduziere die Mannig- faltigkeit der Erscheinungen auf wenige einfache allgemein-menschliche Dinge, während die zweite Methode das Seelische synthetisch, als ein Werdendes er- fassend, „Komplizierteres und Höheres erlaboriere“. Auf welche Weise sie dabei zu verfahren habe, wird zwar nicht verraten, dagegen mit anerkennens- werter Offenheit eingestanden, welcher Art ihr Resultat ist, und dieses Be- kenntnis verdient nicht nur als der klarste sondern auch überzeugendste Punkt der Jungschen Ausführungen hervorgehoben zu werden. Während nämlich Freuds psychologische Erklärungsmethode im Prinzip als „streng wissen- schaftlich“ bezeichnet wird, ist sich der Autor bewußt, daß seine „Kkonstruk- tive Methode“ als ein „subjektives Verstehen“ nicht wissenschaftlich sei, Ja er setzt sogar einen deutlichen Stolz in diese seine Absage an den Kausalis- mus und Empirismus der Wissenschaft. Namentlich aber für die Psychologie bestreitet er nicht nur die Berechtigung, sondern sogar die Möglichkeit eines „objektiven“ Verstehens, denn das „Subjektive“ lasse sich seinem Wesen nach nur subjektiv, d. h. konstruktiv verstehen und beurteilen. Schon in diesem Punkte zeigt sich Jungs Urteil nicht nur der psychoanalytischen Lehre, sondern auch ihrer Methode und ihren Ergebnissen gegenüber stark getrübt, denn sonst könnte er nicht vergessen, daß es gerade der Psychoanalyse zu verdanken ıst, wenn uns Methodik, Wege und Ansätze gegeben sind, das Seelische als Objekt der Erkenntnis zu fassen und so zu einer „Metapsychologie“ zu gelangen. Ähnlich verhält sich Jung in anderen Punkten. Wenn er meint, Freu ds Arbeit über Schrebers autobiographisch beschriebenen Fall „beschränkt sich im wesentlichen darauf, jene überall und unterschiedlos vorkommenden Grundlagen, aus denen sozusagen jede psychologische Bildung historisch empor- wächst, aufzuzeigen“, so hat er Freuds Arbeit überhaupt nicht verstanden oder zu Gunsten seiner Polemik nicht verstehen wollen. Denn Freud bemüht

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sich hier, wie auch sonst in seiner Neurosenlehre, gerade die jeweilig beson- dere Art der Reaktion (oder Abwehr) auf diese allgemein-menschlischen Grundlagen, d.h. die für die verschiedenen Erkrankungsformen charakteristischen Mechanismen aufzuzeigen.

Wenn Jung zur Illustrierung der Notwendigkeit seines Erklärungs- prinzips zum Verständnis des Seelischen auf Goethes „Faust“ verweist, der mit der historischen Zurückführung des Stoffes auf Allgemein-Menschliches noch nicht wirklich verstanden sei, so sind wir in diesem Punkte mit ihm völlig einer Meinung; ja wir möchten sogar neben den anderen möglichen und geforderten Deutungen noch auf eine weitere Quelle zum Verständnis des Werkes verweisen, die uns der Dichter in dem Text selbst zur Verfügung gestellt hat und die uns auch ohne konstruktive Methode „zum wirklichen Begreifen des Faust“ zu leiten vermag. Wenn nun der Autor meint (S. 29 £.): „das Allgemein-Menschliche können wir überall sehen, Wir wollen aber gerade im Faust finden, wie dieser Mensch sich zur Besonderheit erlöst hat“ (die mystische „Erlösung“ kehrt noch an anderen Stellen wieder), so vergißt er wieder waser an anderer Stelle als Verdienst Freudsbetont (S. 33) daß die Psychoanalyse gerade die Bedeutung des Subjektiven und Individuellen im Seelenleben ausgiebig als Erklärungsprinzip benützt hat. Den Gipfel erreicht aber diese Art der Argumentation mit dem auf S. 31 ausgespielten teleologi- sierenden Trumpf, daß selbst, wenn es gelänge, Goethes Werk auf die denk- bar einfachste Vorlage zu reduzieren, damit nichts für das Verständnis ge- wonnen sei: denn hat „Goethe zu diesem Zweck sein Werk aufgebaut?“ Vielleicht müßte man aber doch annehmen, er habe es in der sicheren Voraussicht der einstigen Entdeckung des „konstruktiven Verstehens nach Vorwärts“ aufgebaut, wenn ihm dieses so völlig gerecht zu werden vermag wie Jung meint.

Will man mit dieser ihrem Wesen nach als subjektiv erklärten Methode Ernst machen, so muß man sich schließlich doch zu einer objektiven Betrach- tung bequemen, „denn, wenn man ganz subjektiv verführe, so würde man in der Sprache und im Geistesumfang des Patienten weiter konstruieren“ und ander- seits auch nicht die Möglichkeit der Mitteilung an eine andere Person haben. Ebenso kann das konstruktive Verfahren nicht darauf verzichten, zu analysieren, wobei es aber nicht reduziert, oder wenn, so doch bloß auf allgemeine Typen, !) nicht aber auf ein allgemein induktiv oder deduktiv gewonnenes Prinzip. Worin aber dann noch der Unterschied von dem historischen und objektiven Verstehen der analytischen Methode liegen soll, wäre nicht ganz klar, wenn nicht der Autor versicherte: eben im Resultat. Denn das konstruktive Ver- stehen, das mit der subjektiven Spekulation identisch sei, erhebe überhaupt keinen Anspruch auf objektive Gültigkeit und liefere auch als nächstes Resul- tat gar nicht das, was man eine wissenschaftliche Theorie nennen könnte, Dieses wiederholte Bekenntnis mag zeigen, wie Ernst es Jung mit seiner Absage an die Wissenschaft ist.

Es ist gut, daß uns in einem Schlußabsatz ausdrücklich versichert wird, die Ausgabe dieser zweiten Auflage erfolge „in einem Moment des Übergangs zu neuen Anschauungen“, so daß man die begrifflich und terminologisch durchaus verworrenen, in sich selbst widerspruchsvollen und der Analyse gegenüber halt- losen Anschauungen, die der Autor aus Mystik, Theologie und philosophischer Spekulation zusammengebraut hat, diesem zeitlichen Umstand zu gute halten kann.

1) Hier ist es wieder Jungs konstruktives Verfahren, welches das Privileg hat, auf allgemeine Typen zu reduzieren,

168 Kritiken und Referate.

Solltees dem Referenten nicht gelungen sein, den Inhalt der Jungschen Aus-

führungen in Kürze wiedergegeben zu haben, so darf er wenigstens hoffen, daß es

ihm gelungen ist, ein Bild von der darin herrschenden Verwirrung zu geben. Rank.

Amerikanische und englische Literatur. Referiert von Ernest Jones.

August Hoch. PrecipitatingMentalCausesinDementia Praecox,

Amer. Journ. of Insanity. Jan. 1914.

Eine interessante Studie über die Vorgänge unmittelbar vor dem Aus- bruch der Paraphrenie. Ohne die wichtige Bedeutung tieferer Faktoren zu leug- nen, hält Hoch die Ansicht aufrecht, daß auch triviale Zwischenfälle den Aus- bruch auslösen können und daß deren Untersuchung eine Verwandtschaft zwi- schen ihnen und ganz bestimmten psychogenen Komplexen, die im Seelenleben des Kranken ander Arbeit sind, aufzuweisen vermag. Eir schildert eine Anzahl überzeu- gender Beispiele und faßt seine Anschauung in den folgenden Worten zusam- men: „Es scheint mir, daß wirim stande waren, zwei Typen auslösender Ur- sachen zu finden: Erstens solche, welche unverhüllt sexuelle Ansprüche dar- stellen, denen der Kranke nicht gerecht werden konnte, und zweitens solche, welche starke unbewußte Wünsche in Erregung bringen. Es gibt natürlich auch noch andere Ursachen und ich hoffe ihnen bewiesen zu haben, daß die Untersuchung der auslösenden Ursachen vom Standpunkt psychoanalytischer Prin- zipien aus ein wichtiges Feld psychiatrischer Forschung darstellt, das, wie bemerkt, uns zu einer besseren Einsicht über die wirkenden Kräfte hilft, als wir gegenwärtig von irgend einer anderen Zufahrtsstraße her erreichen können.“

Mac Curdy. The Productions in a Manic-Like State Illustrat- ing Freudian Mechanisms. Journ. of Abnormal Psychol.

Vol. VIII.

Hier wird die Darstellung eines Falles von Paraphrenie gegeben, bei welchem der Patient in einem Zustand chronischer Erregung eine Fülle der „wildesten“ denkbaren Symbolik hervorbrachte und unaufgefordert erklärte. Fast jede Form inzestuöser, koprophiler und anderer infantiler Phantasien konnte in ihrer Urgestalt aufgezeigt werden. Jede Möglichkeit von Sugge- stion ließ sich nach der Natur des Falles wie auch nach der Art der Hervor- bringung ausschließen. Es ist wohl der Mühe wert, die Darstellung im Ori- ginal nachzulesen. Sie bildet, als objektives Beweisstück für die Richtigkeit der psychoanalytischen Erklärungen, ein wertvolles Dokument. In der Diskus- sion wurde darauf hingewiesen (durch Ref. und andere), daß das Material des Falles ein recht gutes Abbild des normalen Unbewußten gebe. Der Aufsatz wurde bei der Versammlung der Amerikanischen psychopathologischen Assoziation vorgetragen.

J. T. Mac Curdy. A Psychological Feature of the Precipita- ting Causes in the Psychoses and its Relation to Art.

Journ. of Abnormal Psychology. Vol. IX.

Mac Curdy teilt die Aufzeichnungen von sieben Fällen mit, die die Wirkungsweise der auslösenden Anlässe von Geisteskrankheiten beleuchten. In vielen Fällen enthält der Inhalt einer Psychose die Reaktion auf diesen auslösenden Anlaß und es läßt sich dann feststellen, daß seine Eigenart der eines unbewußten infantilen Komplexes entsprach, welcher durch ihn zu er- neuter Tätigkeit erweckt wurde. Es ist auffallend, daß der äußerliche Faktor

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Kritiken und Referate, 169

oft nur eine verhältnismäßig geringe Bedeutung zu haben scheint, die auf eine normale Person kaum irgend einen Einfluß haben könnte. (Dies ist an- scheinend einer der Gründe, warum sie von den Psychiatern nie in Rechnung gestellt wurden. Ref.)

Der Autor schreitet dann dazu, die aus der Psychopathologie gewonnene Erkenntnis der unbewußten Komplexe auf das Verständnis der Kunst anzu- wenden, oder richtiger gesagt, des Eindruckes, den die Kunst bei denjenigen, die ihn empfangen, hervorruft, nicht der schöpferischen Tätigkeit. Er ent- wickelt die wohlbekannte These, daß die Meisterstücke der Kunst auf uns durch ihren Appell an verdrängte Wünsche, die wir nicht kennen, zu wirken

wissen. Der Artikel ist fesselnd geschrieben und verdient im Original gelesen zu werden.

Coriat. Some Hysterical Mechanism in Children. Journ. of Ab- normal Psychology. Vol. IX.

Der Autor berichtet die Analyse von zwei Fällen mit der Absicht, nach- zuweisen, daß die psychologischen Mechanismen der Hysterie bei Kindern dieselben sind wie bei Erwachsenen. Er nimmt nebenbei die zweifelhafte Konstatierung vor, daß die Konversionshysterie bei Kindern häufiger ist als die Angsthysterie. Der erste Fall war der eines elfjährigen Mädchens, welches an hysterischer Amblyopie mit großer Einschränkung des Gesichtsfeldes und zentralen Skotomen, ferner an allgemeiner Herabsetzung der Sensibilität an der rechten Körperhälfte litt. Beobachtungen an der Patientin und ihren Träumen deckten eine stark betonte Eifersucht auf ihre jüngeren Brüder und Schwestern auf, Die Blindheit war gekommen, nachdem ihre Mutter für einige Wochen weggefahren war, um einen Besuch zu machen, und dem Kinde die Fürsorge für die jüngeren Geschwister anvertraut hatte, wodurch seine Betätigung im Spiel eingeschränkt wurde. Durch eine Behandlung auf Grund der Methode von Lohn und Strafe wurde die Patientin schnell wiederhergestellt. Erogener Faktoren in bezug auf das Sehen wird keine Erwähnung getan.

Der zweite Fall war der eines elfjährigen Knaben, der an Anfällen heftiger abdominaler Schmerzen und einer vollständigen Erstarrung, die eine Stunde und länger dauerte, erkrankt war. Der Nachweis des Vorliegens eines Ödipuskomplexes wird vollständig erbracht; diesem schreibt Coriat die Krank- heit zu, ohne jedoch darauf einzugehen, warum gerade diese Symptome und keine anderen hervorgerufen werden mußten. Der Autor scheint die psychische Determination nicht allzu ernst zu nehmen.

Williams. A Contrast in Psychoanalysis: Tree Cases. Journ. of Abnormal Psychology. Vol. IX.

Dieser Vortrag, der bei dem Kongreß der „American Psychopatho- logical Association“ gehalten wurde, interessiert uns wegen der wertvollen Dis- kussion, die er hervorrief. Die Absicht des Autors war es, nachzuweisen, dab auch bei einer vollständigen Analyse die Heilung mißlingen könne, während sie durch bloße Erklärung erzielbar war. Es lag jedoch kein Anlaß vor anzu- nehmen, daß er eine der Psychoanalyse auch nur ähnliche Methode ange- wendet habe.

Die Diskussion wandte sich hauptsächlich der Frage zu, wie weit man es dem Patienten überlassen dürfe, nach Beendigung der Analyse seinen eigenen Weg zu weiterer Sublimierung zu finden, ob es nicht besser wäre, ihn auf Grund der Kenntnis, die der Analytiker von seinem besonderen Fall und von der Sublimierung im allgemeinen besitzt, zu unterweisen und anzu-

Kritiken und Referate.

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leiten. Pierce Clark, Ernest Jones, Brill und Emerson sprachen ihr volles Mißtrauen in den Wert der von Williams vorgeschlagenen Pläne zur Sublimierung aus und erklärten, daß ein solches Vorgehen den selbstän- digen Entschluß des Patienten aufhalte. Clark faßte die Situation folgender- maßen zusammen: „Ich hege nicht den geringsten Zweifel daran, daß nur die als geheilt zu betrachten sind, die selbständig ihre Anpassungsleistungen vor- nehmen können.“ Putnam hielt dem entgegen, daß wir keine scharfe Grenze zwischen Psychoanalyse und Erziehung kennen und „jedes moralische und intellektuelle Wachstum gesunder Art bei dem Patienten“ ermutigen sollen. Nach dieser Anschauung wäre das Urteil des Arztes darüber, was ein „Wachs- tum gesunder Art“ darstelle, mit voller Überlegung als Faktor der Neu- erziehung des Kranken zugelassen; eine solche Einstellung ist nach Ansicht des Referenten allen Einwürfen wegen der Subjektivität des Analytikers

und der Abhängigkeit des Patienten ausgesetzt.

Meyer Solomon. A Contribution to the Analysis and Inter- pretation of Dreams based on the Motive ofSelf-Preser- vation. Amer. Journ. of Insanity. July 1914.

Nachdem er eine kurze Darstellung von Freuds Traumtheorie gege- ben und der „wertvollen neuen Psychologie“, die durch Freud dargestellt wird, das höchste Lob gezollt hat, fährt der Autor mit folgenden Worten fort: „Ich beabsichtige in diesem Artikel einen, wie ich glaube, neuen Weg der Traumdeutung einzuschlagen, der nicht verfehlen kann, der Schule Freuds von unendlichem (!) Nutzen zu sein und der sonderbarerweise von allen Schülern Freuds übersehen wurde.“ Alle großen Erwartungen, die hiedurch in dem Leser erweckt werden, sind leider zu früher Enttäuschung verurteilt. Die große Entdeckung, die Solomon mitteilt, besteht einfach darin, daß Träume nicht nur auf den „Art-Erhaltungs-Instinkt“ (d. h. sexuelle Befriedi- gung) beruhen können, sondern auch auf dem „Selbsterhaltungsinstinkt“, Die Ana- lysen von sieben Träumen werden mitgeteilt; ihr Stehenbleiben bei den ersten Elementen geht aus dem folgenden Beispiel zur Genüge hervor: Ein junger Mann, von dem ein Artikel bei einer Zeitung angenommen worden war, schrieb, da er die Korrekturen nicht erhielt, dem Redakteur und erkundigte sich nach dem Grund der Verzögerung. Er träumte, daß ihm der Briefträger die ver- mißten Korrekturen aushändige. Der Traum wird nach seiner Oberfläche beur- teilt, die einzige Information, die hinzugefügt, wird, ist die, daß der Träumer ehrgeizig sei; darauf gründet sich denn die Behauptung, daß der Traum ein Ausdruck seines Selbsterhaltungstriebes sei (schreiben Ehrgeiz-Ruhm). Wie man nach diesem Beispiel erwarten darf, ist Solomon auch der Ansicht, daß Träume ebensosehr durch Befürchtungen erzeugt werden können, wie durch Wünsche.

Meyer Solomon. The Analysis and Interpretation of Dreams Based on Various Motives. Journ. of Abnormal Psychology. Vol. VIII.

J. J. Putnam. Dream Interpretation and the Theory of Psycho- analysis. Ibidem, Vol. IX.

Meyer Solomon. On „The Analysisand Interpretationof Dreams Based on Various Motives.“ Ibidem, Vol. IX.

Meyer Solomon. A Few Dream Analyses. Vol. IX.

Diese Artikelserie, die zusammen etwa 108 Seiten ausmacht, enthält eine Kritik von Freuds Traumtheorie durch Solomon und eine Verteidi-

Kritiken und Referate. | 171

gung durch Putnam. In der ersten Arbeit berichtet Solomon die Ana- Iysen von sechs Träumen, mit der Absicht, nachzuweisen, daß viele, auch sehr komplizierte Träume, selbst von Erwachsenen, in ihrer Entstehung der Sexualität vollkommen fremd seien, Er erklärt, kein persönliches Vorurteil gegen die theoretische Bedeutung der Sexualität zu haben, er ist sogar „über- zeugt, daß ursprünglich und im Grunde der Mensch eine bisexuelle und poly- morph perverse sexuelle Prädisposition hat“, aber die Rolle der Sexualität in den Träumen wird seiner Ansicht nach von den Psychoanalytikern stark übertrieben. Seine Methode der Untersuchung bei den vorliegenden Träumen war die, den Träumer zu veranlassen, den ganzen Traum und die damit asso- ziierten Gedanken aufzuschreiben und dann das Material noch einmal mit ihm durchzugehen, wobei er ihn aufforderte, seine eigene Deutung und Analyse jedes Bestandteiles zu geben. „Sobald ein Traum nicht vollständig und leben- dig zurückgerufen werden und der Träumer sich nicht jedes Zwischenfalles und der genauen Folge der Ereignisse erinnern konnte, wurde dieser Traum zurückgewiesen.“ „Sobald der Träumer nicht vollkommen der Richtigkeit seiner Erklärungen und Erinnerungen sicher war, wurden diese ausgeschaltet.“ Die Methode war also eine subjektive Introspektion, ohne Zulassung einer von außen kommenden Kritik und die Bedeutung des Zweifels, der teilweisen und vollständigen Amnesie wurde ganz beiseite gelassen. Es ist klar, daß unter solchen Bedingungen nicht mehr erreicht werden konnte, als eine gewisse Menge von „Traummaterial“, und die Schlußfolgerungen des Autors sind so weit richtig, als sie sich darauf beziehen. Aber kein Psychoanalytiker hat je behauptet, daß solches Material notwendigerweise sexuelle Gedanken oder Wünsche enthalten müsse (ihre Häufigkeit ist bei verschiedenen Subjekten sehr verschieden), denn Freuds Theorie bezieht sich ausschließlich auf den latenten Inhalt. Die hauptsächlichsten von Solomons Schlußfolgerungen laufen darauf hinaus, daß das Gesetz der Determination auch auf die Träume Anwendung findet; daß sie nicht notwendigerweise vom infantilen und sexuellen Material abhängig sind, außer insoweit, als der normale Inhalt des Wach- bewußtseins von dem die Träume nur eine Fortsetzung sind davon abhängt; Symbolik muß nicht vorkommen; Träume können von Sexual-, Selbsterhal- tungs- oder jedem anderen Trieb hervorgebracht werden z. B. vom ehelichen, elterlichen, kindlichen (sic). Die Einwendungen gegen seine Untersuchungs- methode voraussehend, sagt er: „Die infantile und Kindheitserfahrung und die vollständige, auch entfernte, frühe Geschichte der sexuellen Entwicklung wurde nicht aufgedeckt, die Amnesien nicht durchforscht und die freie Asso- ziation sowie die Wortassoziations-Prüfung wurden nicht angewandt, weil sie sich in diesen Fällen als unnötig herausstellten. Ich bin überzeugt, daß durch diese Methoden in den hier mitgeteilten Fällen nichts weiter zu erreichen war.“ Dies die eigenen Worte!

Putnam stellt eine freundlichgesinnte Kritik von Solomons Auf- satz bei, die in seinem fließenden und unnachahmlichen Stil geschrieben ist. Er weist zunächst auf die Einwendungen gegen Solomons Methode, als abge- schlossene Untersuchung genommen, hin und beginnt dann eine groß angelegte Verteidigung einer weiteren Auffassung der Sexualität, die den größten Teil seiner Arbeit ausmacht. Leider wird unnötigerweise das Verständnis dieses Teiles erschwert durch die Vermengung mit philosophischen Problemen und die Herausarbeitung ist durchaus nicht so klar, als man wünschen möchte, Er scheint der Ansicht zu sein, daß die Frage, ob gewisse Strebungen in Freuds, Bergsons oder Adlers Weise zu betrachten sind, in erster Linie von dem Gesichtspunkt und dem besonderen Bedürfnis der Untersuchung abhänge,

Kritiken und Referate.

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betont jedoch, daß die Anschauung Freuds hinsichtlich ihrer sexuellen Natur durch klinische und tatsächliche Gründe gerechtfertigt ist.

Putnams Kritik hat eine lang ausgesponnene Erwiderung von Solo- mon hervorgerufen, welche sich infolge ihrer allgemeinen Haltung wenig zu einer abgekürzten Wiedergabe eignet. Er erwähnt keinen neuen Punkt, den nicht ältere Kritiker schon zur Sprache gebracht haben, und wandert über das ganze Feld der Psychoanalyse. (Nebenbei: er widmet ein eigenes Kapitel den Gründen, warum der Ausdruck Psychoanalyse zur Bezeichnung jeder Form von geistiger oder psychologischer Analyse benutzt werden sollte.) In einem weiteren Artikel berichtet er noch vier Träume, die er auf die geschilderte Art und Weise untersucht hat. Abgesehen von dieser Serie, hat er neuerdings auch zwei andere ausfühliche Artikel über Traumanalyse in „International Clinics“ und im „American Journal of Insanity“ veröffentlicht“, so daß er zumindestens als ein Forscher gelten muß, der sich mit dem Thema ernstlich

beschäftigt.

S. C. Kohs. The Association Method in its Relation to the Complex and Complex Indicators. Amer. Journ. of Psycho-

logy. Oct. 1914.

Eine bis ins einzelne gehende Besprechung des Themas, die auch eine vollständige Bibliographie mit einschließt und so ein wertvolles Hilfsmittel für jene liefert, die sich über den Gegenstand orientieren wollen. Es werden darin nicht weniger als 46 Complexmerkmale aufgezählt. Die Folgerungen, zu denen der Verfasser gelangt, sind der Psychoanalyse günstig, aber er unterläßt jede selbständige Hinzufügung zu unserem Wissen. Eine nützliche Unterscheidungs- linie wird zwischen „Konstellation“ und „Komplex“ gezogen: „Die Differenz zwi- schen den beiden ist eine Differenz der Affektbetonung. .. Die Konstellation wird ein Komplex, wenn der affektive Inhalt vom Gefühl zur Erregung an- steigt.“ Der Autor ist offenbar der Ansicht, daß ein Komplex in Konflikt mit „ethischen und ästhetischen Prinzipien“ geraten kann, aber nicht muß; tut er es, so wird er voraussichtlich verdrängt und gelangt ins Unbewußte.

Bekanntlich ist aber gerade dies der wunde Punkt des Züricher Kom- plextheorie, daß sie die psychoanalytisch erkannten und markierten Grenzen zwischen Bewußtem und Unbewußtem nicht in befriedigender Weise zu respek- tieren vermag und so eine durch mühsame Erfahrung gewonnene Einsicht zu Gunsten einer verwirrenden Annahme aufgibt.

Troland. The Freudian Psychology and Psychical Research, Journ. of Abnormal Psychol. Vol. VII.

Carrington. A Rejoinder to the above. Vol. IX.

Nachdem er eine kurze Darstellung jener Teile von Freuds Psycho- logie gegeben hat, die mit dem behandelten Thema zusammenhängen die Lehre von der Verdrängung, der unbewußten Aufbewahrung von Gedächtnis- spuren, der unbewußten Wahrnehmung usw. befaßt sich Troland mit einigen spiritistischen Phänomenen, unter denen er besonders die Telepathie, Erschei- nungen Verstorbener und die Beobachtungen an Medien auswählt. Ohne viel Neues zu bringen, legt er Gewicht auf die Paramnesien, Todeswünsche, Träume und die Tendenz, sie zu vergessen (so daß der Träumer ihre Häufigkeit unter- schätzt), und andere Möglichkeiten, die Phänomene auf natürliche Weise zu erklären.

Carrington, ein wohlbekannter Spiritist, antwortet in ärgerlichem Tone daß die Fehlerquellen, auf die Troland hinweist, schon in Rechnung gestellt

Kritiken und Referate. 175

wurden und daß auf diese Weise unmöglich mehr als ein kleiner Teil der Phänomene erklärt werden könne: Er knüpft daran einen wütenden Angriff auf die Psychoanalyse im allgemeinen und schließt mit dem Satz, daß „der Versuch, supernormale Phänomene psychischer Forschung mit den Mitteln” der Freudschen Analyse zu erklären, selbstverständlich (!) reiner Unsinn ist“.

Theodate L. Smith. Paramnesia in Daily Life. Amer. Journal of Psychology. Jan. 1913. P. 52—65.

Der Ausdruck „Paramnesie* wird hier in dem weiteren Sinne für jede Gedächtnisfälschung benützt. Der Autor berichtet eine Anzahl von Fällen, bei denen er sich hauptsächlich mit der deskriptiven Seite befaßt, darunter auch zwei solche von dejä vu. Folgendes Beispiel verdient es, angeführt zu werden: Ein Professor der Psychologie trug im Laufe einer Vorlesung über Psycho- analyse einen Fall vor, der ihm zur Freudschen Literatur zu gehören schien. Er war jedoch nicht im stande, einen Hinweis zu entdecken, bis er später herausfand, daß es eine entstellte Wiedergabe von „Nathan der Weise“ war, den er seit fünfunddreißig Jahren nicht gelesen hatte, Die Änderung bestand in der Schilderung des geliebten Retters der Recha, der nicht als unerkannter Bruder wie im Drama, sondern als ein ihrer Liebe unwürdiger Mensch von niedrigem Charakter auftrat. Der Autor übersieht hier wie sonst die Tendenz zur Verfälschung, die recht klar zu Tage tritt; im Drama wird die Vereinigung der beiden durch die Entdeckung, daß sie Bruder und Schwester sind, ver- hindert, in der Nacherzählung durch den Umstand, daß der Mann als Böse- wicht geschildert ist; es wäre interessant, etwas über die Einstellung des Professors zu seinen Schwestern zu hören. Der Autor folgert, daß die Paramnesie sich auf eine teilweise Amnesie der Assoziationsvorgänge zurückführen ;läßt, in deren Folge das Gedächtnisbild entstellt wird und dann falsch erscheint. Die Amnesie kann bestehen in dem Ausfallen eines oder mehrerer Eindrücke als Erfolg der geschwächten oder abgezogenen Aufmerksamkeit während der ursprünglichen Aufnahme oder durch den Verlust der Zeit- und Raumassozia- tionen. Die Paramnesie ist also nicht schon an und für sich ein abnormaler Geistesprozeß, da sie durch die Schwächung und Verwischung entsteht, welche charakteristische Erscheinungen der Gedächtnisbilder sind, aber sie kann alle Abstufungen aufweisen, von den leichten Abweichungen, welche in verschiedenem Grade bei allen normalen Reproduktionsvorgängen unterlaufen, bis zu jenen äußersten Fällen, wo die fehlenden Assoziationsglieder und die dadurch ent- stehende Vermischung von objektiven und subjektiven Erfahrungen, die ganze Geistestätigkeit vollkommen aus dem Geleise bringen können.

Oberndorf. Slips oftheTongue andPen. Journ. of Abn. Psych, Vol. VII.

Frink. Three Examples of Name Forgetting. Ibidem.

Analysen einiger interessanter Beispiele für die Psychopathologie des Alltags.

Emerson. The Psychopathology of the Family. Journ. of Abnormal Psychology. Vol. IX.

Emerson zeigt, daß, „wenn mit der grundlegenden Familienbeziehung, der sexuellen, etwas nicht in Ordnung ist, die einzelnen Familienmitglieder, Eltern und Kinder eingeschlossen, schwer darunter leiden. Manchmal kann eine Kette von Ursachen und Folgen nachgewiesen werden, die von Unregel- mäßigkeiten im Sexualleben der Eltern ausgehend in den schwersten Hysterien

174 Kritiken und Referate.

und anderen Psychoneurosen bei den Kindern endigt“. Er teilt vier Fälle mit, um diesen Satz zu beweisen. „Plato dachte, daß er in der Gesellschaft ein vergrößertes Bild des Individuums sehe. Im Kind oder überhaupt in der Persönlichkeit sehen wir ein zusammengedrängtes Bild der Familie.“

Helene Kuhlmann. The Father Complex. Amer. Journ. of Insanity.

April 1914.

Die Verfasserin gibt eine bis ins einzelne gehende Darstellung von acht Fällen, größtenteils von Wahnsinn, bei welchen der Beweis einer sexuellen Bindung an den Vater (die Patienten waren alle weiblichen Geschlechts) mit aller Deutlichkeit hervorging. Sie legt Gewicht auf die Bedeutung der Inzest- wünsche in Beziehung auf krankhafte geistige Entwicklung.

Aus Vereinen und Versammlungen.

New York Neurological Society, Sitzung vom 1. Dezember 1914.!)

Psychologische Studien über Natur und Pathogenese der Epilepsie. Von L. Pierce Clark, M.D.

Dr. Clark berichtet über die Auffassungen, wonach die genuine Epilepsie entweder eine degenerative organische Erkrankung des cerebralen Cortex oder eine Neurose im eigentlichen Sinne, eine funktionelle Krankheit des Nerven- systems sein soll, ohne feststellbare oder regelmäßig vorhandene Verletzungen. Beide Gesichtspunkte haben ihre Stützen und ihre besonderen Verteidiger. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß eher weniger als die Hälfte aller Fälle von genuiner Epilepsie allgemein anerkannterweise eine gröbere oder mikroskopische Pathologie oder konstante Verletzung aufweist. Anderseits hat die chemisch- toxische Theorie der Krankheit noch weniger positive Beweise zu bieten. Auch die experimentelle Verwendung dieser toxischen Mittel erzeugt nicht regel- mäßig konvulsive Symptome. Die Epilepsie, wie wir sie klinisch kennen, kann experimentell nicht erzeugt werden.

Angesichts der gegenwärtigen unbefriedigenden anatomischen Pathologie dieser Krankheit und dem entsprechenden Versagen der chemotoxischen Patho- genese erscheint es angemessen, das klinische Gesamtbild der Epilepsie genauer zu studieren. Unter diesem Gesichtspunkt unternahm Dr. Clark vor zwei Jahren die Analyse der epileptischen Anlage und des Charakters vor Beginn der Anfälle. Natürlich wurden die Fälle zum Zwecke dieses Studiums aus einer Reihe von Individuen ausgewählt, die wohl schon epileptisch waren, aber bei denen es möglich war, die Entwicklungsspuren des Charakters zu ver- folgen, bevor die in Anfallsform auftretenden Erscheinungen die Persönlichkeit kompliziert hatten. Etwa 25 Fälle wurden nun sorgfältig in dieser Art unter- sucht. Vor allem wurden Fälle von Schwachsinn völlig ausgeschlossen und die Mehrzahl der so ausgewählten Patienten war über ihre Schulbildung intelligent,

Im folgenden sei eine Zusammenfassung der Ergebnisse gebracht: Es ergab sich, daß der epileptisch Veranlagte regelmäßig ein übernormales Aus- maß von Energie besaß, welche dauernde und schöne Entwicklungsresultate hervorbrachte, soweit das organische Gesamtbild beteiligt war. Auch waren die Äußerungen der egoistischen Tendenzen wenig verdrängt und schwach ge- hemmt. Diese Kennzeichen einer pathologischen Selbstliebe waren weit entfernt, an eine rein physiologische Variation gebunden zu sein. Regelmäßig war der zur Epilepsie Disponierte schlecht an seine Umgebung angepaßt und nicht

!) Dem im „Journal of Nervous and Mental Disease“ Vol. 42, Nr. 4, April 1915 erschienenen vollständigen Sitzungsbericht der „New-Yorker Neurologischen Gesell- schaft“ vom 1. Dezember 1914 entnehmen wir obiges unsere Leser gewiß interessierende Einzelreferat samt Diskussion.

176 Aus Vereinen und Versammlungen.

im stande, dieselbe leicht zu wechseln. Er arbeitete schlecht mit in sozialen und ökonomischen Angelegenheiten. Meistens war er offen ; Feinheit des Geistes ihm nicht eigen. Im Gegensatz dazu zeigte er einen einfachen kindlichen Zu- stand seines Gefühlslebens. Er hat niemals die Skrupel oder Zweifel, die den Zwangsneurotiker kennzeichnen ; ungehindert durch die Verbote und Gebote dieser letzteren Kranken, gestattet er sich oft, den niedrigen animalischen In- stinkten und Leidenschaften nachzugeben. Mit seinen geringen Hemmungen und der überbetonten Schätzung seiner eigenen Bedeutung und Fähigkeiten steht der Epileptische ununterbrochen im Konflikte mit der Außenwelt. Während das normale Individuum seinen infantiien Kampf mit der Realität besteht, indem es im Leben Kompromisse macht, nimmt der zur Epilepsie disponierte Jüngling den eiteln Kampf auf. Daher seine tiefwurzelnde Abneigung, ja sein Haß gegen die Außenwelt. Individuen mit epileptischer Konstitution fehlt ein wirklich allgemeines Interesse. Die Libido ist starr, egozentrisch und roh. Auch haben sie nur geringe religiöse Einstellung ; Sinn und Zweck des Lebens geht dem epileptisch Veranlagten selten nahe. Ihre Freundschaften vernach- lässigen sie; die egoistischen Züge verhindern eine freie Entfaltung der Ge- fühlsregungen.

Eine elterliche Zuneigung der zur Epilepsie Disponierten zu ihrem eigenen Geschlecht fand sich regelmäßig und fiel besonders bei Mädchen auf. Die Liebesfixierung an die Mutter war in der Mehrzahl der Fälle mehr oder weniger deutlich durch das ganze Leben. Ihr Verhalten gegen das andere Ge- schlecht war außerordentlich bezeichnend ; es fehlten meist die Kennzeichen höherer Liebe und ihre Entwicklung erhebt sich selten über die einfachsten oder gröbsten sexuellen Wünsche. Die Tatsache allein, unabhängig von den hinzukommenden Anfallsstörungen, läßt die Heirat zwischen Epileptischen meist unweigerlich mißlingen.

Seit einiger Zeit ist es für den Psychiater üblich geworden, sich zu fragen, welchen Vorteil der Psychotiker aus seiner Krankheit zieht? In welcher Absicht die psychischen Symptome und Zustände dem Unbewußten und den instinktiven Wünschen der so betroffenen Person dienen. Derartige Studien haben die Untersucher dazu geführt, vieles von der bewußten Gestaltung des manifesten Inhalts der Psychose zu verwerfen und tiefer hineinzublicken in die unbewußten Strebungen, wie sie sich im symbolischen Denken und Handeln äußern. Mit dieser veränderten Einstellung zu den psychischen Störungen hebt eine neue Ara der Psychiatrie an, die psychischen Symptome treten als un- bedeutend oder unwichtig zurück zu Gunsten einer neuen Bedeutung und Auf- fassung. Diese Arbeitsweise hat Dr. Clark, wie er sagte, angeregt, das Stu- dium der epileptischen Anfälle von neuem aufzunehmen, was er nun seit zwei Jahren betreibt. Er habe nunmehr das Material von über einem Dutzend von Fällen genuiner Epilepsie, einen Auszug seiner Ergebnisse, die er kurz auseinandersetzt.

Gleichmäßig ergab sich in allen Fällen, daß der Anfall einer unbewußten Befriedigung der Libido diente. In Traumanalysen, in der Analyse mehrerer kleinerer und einiger großer Anfälle erwies sich diese unbewußte Strebung oft als eine offene Sexualäußerung; in anderen Fällen war es eine Entladung angehäufter Lustaffekte, welche beim epileptischen Individuum lange gestaut worden waren,

Das wesentliche Motiv bei allen genuinen epileptischen Anfällen scheint letzten Endes das unbewußte Streben von seiten des Epileptischen zu sein, zum Intrauterinleben in die Mutter zurückzukehren, in einen Zustand voll- kommenen Friedens und Allmacht, mit dem ihm innewohnenden Drang zum

Aus Vereinen und Versammlungen. 477

Anfall, bedingt durch eine Stufe der Libidofixierung in der Kindheit, welche

bisweilen so gesteigert sein kann, daß sie sich zur Homosexualität, seltener ins heterosexuelle Leben erstreckt.

Wir haben also mehr oder weniger bestimmt angegeben, welcher Art das Motiv vom unbewußten Mechanismus des Anfails in Wirklichkeit ist, aber wie Können wir Natur und Charakter des klassischen und eigentümlichen Typus von Muskelkrampf im großen Anfall verstehen? Bei einer anderen Ge- legenheit hofft Dr. Clark auf Grund detaillierter vergleichender Studien zu zeigen, daß die Typen muskulärer Bewegung aus der infantilen Periode stammen, zu welcher die unbewußten Regungen das Unbewußte zurückzukehren drängen, nämlich zur intrauterinen Periode und womöglich den ersten Monaten der extrauterinen Existenz. Die in Rede stehenden Bewegungen sind Punkt für Punkt identisch mit den impulsiven Bewegungen des Fötus und denen der frühesten Säuglingsperiode. Im normalen Verlauf der Entwicklung werden diese Muskelbewegungen allmählich, aber entschieden unterdrückt, in dem Maße als sich Wille und Bewußtsein entfalten; bei der Epilepsie werden diese impul- siven Bewegungen der frühesten Kindheit vom Bewußtsein realisiert und von der Willkür beherrscht und damit die fötalen respektive infantilen Befriedigungs- möglichkeiten dieser ersten Lebenszeiten wiederhergestellt.

Schließlich berichtet Redner noch über den kolossalen therapeutischen Gewinn, den wir durch den Einblick in den epileptischen Mechanismus ge- winnen können im Lichte der Therapie, die er in seinem Bericht kurz er- wähnt. Die hygienische Ubungsbehandlung, die Erziehungs- und Anpassungs- therapie erhalten eine neue und klarere Bedeutung durch diese Hypothese ; sie macht ausgezeichnet die große Mehrheit der Epileptiker verständlich, die nicht geheilt werden können, und zeigt gleichzeitig einen bestimmteren und er- folgreicheren Weg, auf dem wir im stande sind, die weniger schweren Fälle von Epilepsie zu heilen, indem wir ihre Gesundheit wiederherstellen, was sich durch die Möglichkeit ergibt, die Anfälle zu verhindern oder zu heilen.

Diskussion.

Dr. August Hoch findet den Vortrag von Dr. Clark sehr interessant, als einen sehr bedeutsamen Beitrag nicht nur zum Verständnis der Epilepsie, sondern zur Analyse abnormer Geisteszustände überhaupt. Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Stunde möchte er für seinen Teil sich auf wenige Bemer- kungen über die allgemeine Methodik derartiger Untersuchungen beschränken, die in solcher Kürze berichtet und außerhalb des Zusammenhangs mit ver- wandten Studien der Neurosen und Psychosen, es oftmals an Verständnis fehlen lassen oder, bis zu einem gewissen Grad, nicht überzeugend wirken. Der wichtigste Gesichtspunkt von Dr. Clarks Studie ist, daß bei der Epi- lepsie, wie sonst in den Fällen von Psychose und Neurose, das, was wir „in- fantile Motive“ nennen können, eine große Rolle spielt. Solche infantile Mo- tive sind das Ergebnis einer unvollkommenen Entwicklung der Instinkte. Diese Motive hat Freud mit Hilfe seiner psychoanalytischen Methode bei den Neurosen aufgezeigt. Bei den Psychosen sind sie in ganz hervorragender Weise beteiligt und, was noch bedeutsamer ist, ganz klar zu sehen, Sie ver- raten sich selbst meist in Täuschungen und Halluzinationen der Patienten, welche wir früher nicht verstehen konnten, weil die Patienten sie nicht in reifer logischer Form produzieren und weil wir keine Idee hatten von. der Tatsache, daß eine wirklich instinktive Entwicklung solche Motive erzeugen

Zeitschr. f. ärztl. Psychoanalyse. III/3. 12

178 Aus Vereinen und Versammlungen,

kann. Aber seit dies bekannt ist, sind viele von den Äußerungen der Kranken überraschend verständlich geworden und erfordern nicht die komplizierte, schwierige und in der Hand des Unerfahrenen zweifelhafte Methode der Aus- legung, weil die Patienten ihre infantilen Wünsche ganz offen kundtun. Die interessanten persönlichen Studien an Epileptischen, wie sie Dr. Clark macht, liefern uns, wie alle derartigen Untersuchungen, eine interessante Bestätigung der Voraussetzung, daß die Epileptiker unvollkommen entwickelte Instinkte besitzen. Aber wir müssen auch beistimmen, daß es schwierig ist, die An- nahme anzuerkennen, Patienten mit konstitutionellen Störungen zeigten eine allgemein gesteigerte Neigung zu den Eltern, in welche gerade sexuelle Fak- toren eintreten; aber die Sache wird ganz überzeugend, wenn wir finden, daß diese Motive, mit fast ermüdender Monotonie, in den Täuschungen und Hal- luzinationen der Psychosen wiederkehren. Noch absurder scheint auf den ersten Blick der Wunsch, in den Mutterleib zurückzukehren, aber wenn wir dies unter dem Gesichtspunkt des Wunsches nach vollkommenem Schutz betrachten denn dies ist die fundamentalste Entsagung der Anpassung an die Realität so erscheint es schon verständlicher und die spezielle Gestaltung, die wir in Phantasien und Träumen finden, eine Gestaltung, die sich meist auf den wirk- lichen Mutterleib bezieht, scheint größtenteils eine sekundäre geistige Bear- beitung zu sein. Jedenfalls kann dieses Motiv als eine bestehende Tatsache angenommen werden, abgesehen davon, in welcher Weise wir es zu erklären suchen.

Diese ganze Methode der Krankenuntersuchung hat vieles hinzugefügt zu unserem Verständnis der Symptomanalyse, des Aufbaues der klinischen Faktoren und der daran beteiligten Triebkräfte. Es sollte natürlich nicht be- hauptet werden, daß die so aufgedeckten Kräfte und die unvollkommene In- stinktentwicklung die letzte Ursache der Epilepsie sei. Derartige Untersuchungen geben keine Auskunft und beanspruchen auch keine zu geben über die or- ganischen Ursachen der konstitutionellen Defekte oder den organischen Anteil der abnormen Arbeitsweise des Instinktlebens.

Dr. John T. Mac Curdy, der sich für das Problem der Epilepsie seit Jahren interessiert, ist der Meinung, daß alle, welche die Epilepsie mit Hilfe der psychoanalytischen Methode studiert haben, darin einig sind, daß Dr. Clarks Arbeit den wichtigsten Fortschritt unseres Wissen in bezug auf diesen Gegenstand bezeichnet. Wir wissen aus unseren Angaben, in patho- logischer, klinischer und hereditärer Hinsicht, daß die Epilepsie eine niedrigere Stufe in der geistigen Anpassung einnimmt als die Dementia praecox. Bei dieser letzteren war der wesentliche Zug die Fixierung des Patienten an den gegengeschlechtlichen Elternteil. Dieses erfordert immerhin einen gewissen Grad von Interesse außerhalb der eigenen Persönlichkeit; einen gewissen Grad von Objektinteresse. Wenn die Epilepsie eine niedrigere Stufe der Anpassung repräsentiert, dann müssen wir die Fixierung des Zustandes des „mütterlichen Lebens“ ins Auge fassen und dies eben hat Dr, Clark deutlich aufgezeigt. Er sagte, die Epileptiker wären stark egoistisch, was auf einen Mangel an Objektinteresse hinweist; daß die Konflikte der Welt, was eine andere Folge des Egoismus ist, ihnen nicht nahe gehen; und endlich konnte er die sehr interessante Beobachtung machen, daß ein bestimmter Wunsch besteht, in den Mutterleib zurückzukehren. Das ist wohl eine außerordentliche Behauptung, aber wir sehen dies auch in anderen Psychosen. Der Redner schließt mit der Bemerkung, daß er kürzlich einen Epileptiker sah, der während seines ag in den Mutterleib zurückzugehen glaubte, was ihn außerordentlich erfreute.

Aus Vereinen und Versammlungen, 179

Dr. Smith Ely Jelliffe weist darauf hin, daß die „Mutterleibs- Phantasie“ sich bei verschiedenen Phänomenen findet, ebensowohl im Zusam- menhang mit den epileptischen wie mit verschiedenen Konversions- und Zwangs- erscheinungen. Dr. Clark wollte augenscheinlich eine in der Psyche aller Menschen vorhandene allgemeine Situation anwenden zur Erklärung einer spe- zifischen Erscheinung. Es wäre von praktischem Interesse, bei der Analyse der epileptischen Erscheinungen zu sehen, durch welche Entwicklung eben das In- dividuum die allgemein gegenwärtige Ödipuseinstellung durch die individuelle Befriedigung der Muskelerotik zur Befriedigung gebracht habe. Es war keine Lösung zu erklären, diese Patienten zeigen einen Introversionstypus ihres Phan- tasielebens, denn das zeigen alle Menschen. Die Antwort wäre, zu zeigen, wie die Epileptischen ihre Phantasien ausführen, nicht in harmonischer Muskel- betätigung, sondern in der unstimmigen und unangepaßten epileptischen Ent- ladung.

Dr. Clark erklärt in seinem Schlußwort, er habe die sicheren orga- nischen Fälle von Epilepsie aus seinen Untersuchungen ausgeschaltet und wie die Umstände liegen, wünsche er seine Auslegung des epileptischen Mechanis- mus auf die sogenannte idiopathische Gruppe zu beschränken. Gleichwohl möchte er sagen, daß er verschiedene Fälle von Epilepsie gesehen habe, die infantiler Cerebrallähmung folgten und in denen der Mechanismus des Anfalls genau identisch war mit jenen, welche er bei der eigentlichen in seiner Ab- handlung mit umfaßten Epilepsie studieren konnte. Er beruft sich auf die Tatsache, daß Binswanger, Gowers und Oppenheim darauf hingewiesen haben, das wesentliche Gesamtbild der Persönlichkeit und die bleibenden psy- chischen Stigmata der Krankheit seien in allen Absichten und Zwecken iden- tisch mit der der Cerebrallähmung folgenden Epilepsie im Vergleich mit der idiopathischen. Auf Grund dieser und anderer Data sei er bereit zuzugeben, daß die mögliche, wirkliche Genese des epileptischen Zustandes letzten Endes organischer Natur sein möge, Aber wo dauernde Anfälle auftreten, sei er überzeugt, daß die organische Schädigung dem epileptischen Mechanismus das Auftreten mehr erleichtere oder gestatte, was er sich bemüht habe, in seiner Untersuchung zu zeigen.

12*

Varıa.

Völkerpsychologisches. Von Dr. Theodor Reik.

Die Höhle als völkerpsychologisches Symbol des Frauenleibes.

Professor Freud hat die Ansicht ausgesprochen,!) daß die Symbol- beziehung des unbewußten Seelenlebens ein Rest und Merkzeichen einstiger Identität ist. „Was heute symbolisch verbunden ist, war wahrscheinlich in Ur- zeiten durch begriffliche und sprachliche Identität vereint.“ Diese Anschauung kann durch zwei Momente gestützt werden: Erstens durch die Verwendung derselben Symbole in den überlieferten Sagen, Mythen und Kulten antiker Völker und zweitens durch das Auftauchen dieser Symbole in den Sitten pri- mitiver Völker unserer Zeit. Das Symbol der Höhle für den Frauenleib, das in den Träumen häufig vorkommt, hat Rank in den Geburtssagen der Grie- chen und Juden wieder gefunden.?”) Als Analogie aus den Anschauungen pri- mitiver Völker kann man auf folgendes Beispiel verweisen?): Der Stamm der Hidatsa in Nordamerika besitzt eine Höhle nahe dem Knife River, genannt Makadistati, das Kinderhaus. Diese Indianer behaupten, die Höhle dehne sich weit in die Erde hiraus, aber der Eingang sei nur eine Spanne weit. „Sie wird von kinderlosen Männern und unfruchtbaren Frauen besucht. Viele unter ihnen stellen sich vor, daß ihre Kinder aus der Makadistati kommen und die Zeichen der Kontusion bei einem Kinde, welches durch festes Ein- windeln oder andere Ursachen entstehen, werden ernsthaft den Stößen zuge- schrieben, welche es von seinen früheren Kameraden erhalten hat, alses aus seinem unterirdischen Heim hinausgeworfen wurde.“ Es ist klar, daß die Höhle mit dem spannweiten Eingang (—=Vagina) den Frauenleib repräsentiert. Eine ähn- liche Anschauung herrscht bei den südrussischen Juden, von denen 8. Weissen- berg berichtet,*) daß nach ihrer Ansicht das Kind den Mutterleib höchst ungern verlasse, da es dort alle Weltgeheimnisse kennt. Sobald aber das Kind geboren wird, bekommt es von einem Engel einen Stoß gegen den Mund, wo- durch es alle im Mutterleibe gewonnenen Kenntnisse vergißt und zum gewöhn- lichen Menschen mit seinem Daseinsjammer degradiert wird. Die Rinne an der Oberlippe ist die Spur dieses Stoßes,

!) Traumdeutung, 4. Auflage, S. 262.

?) Vgl. Otto Rank, Der Mythus von der Geburt des Helden.

°) Annual Reports of the Bureau of Ethnology, Washington, Bd. XI, p. 516. Ebenso wie diese Höhle muß ein Hügel am Daly Diven im nördlichen Territorium von Australien aufgefaßt werden, der von den Eingeborenen Alalk-yinka (= der Platz der Kinder) genannt wird. Beispiele für ähnliche „Baby-factories* bei E. S. Hartland, Primitive Paternity, London 1909, Bd. I, S. 245 ft.

*) Das neugeborene Kind bei den südrussischen Juden. Globus, 6. Februar 1908.

Varia. 181

Zur Sexualsymbolik.

Das Haus als Symbol des Frauenleibes wurde von der Psychoanalyse im Traume, Mythus, in Dichtung und Sage oft angeführt. Es stimmt zu den von der Psychoanalyse gemachten Voraussetzungen über die Psychogenese der Symbole, daß dieses Symbol nicht nur der Antike bekannt war, SOon- dern daß es auch die primitivsten Stämme der Australneger in derselben Bedeutung verwenden. So berichtet G. Bamler in Richard Neuhaus’ Werk „Deutsch - Neuguinea (Berlin 1911, Bd. III, S, 504), daß die Tami den Pu- bertätskandidaten folgendes Verbot auferlegen: „Stell dich nicht unter anderer

Leute Häuser!*, was nach ihrer Erklärung soviel heißt wie: Verführe nicht fremde Frauen!

Eine bildliche Darstellung des Inzestkomplexes bei den Wilden.

In Niederländisch-Neuguinea wird das Männerhaus häufig mit dem Na- men „Rumsram“ bezeichnet. Die Rumsrams, welche die Missionäre als Stätten heidnischen Götzendienstes mit wenig Erfolg zu beseitigen streben, erheben sich auf Pfählen, die in Gestalt menschlicher Figuren geschnitzt sind. Das Männerhaus in Doreh beschreibt ausführlich van Hasselt (Tijdschr. Ned. Indie 32): Auf dem Hausflur steht eine Schnitzerei, die ein im Koitus begrif- fenes Paar darstellt: „Hinter ihnen steht ein kleiner Knabe, welcher erzürnt dem Mann (seinem Vater) einen Stoß gibt.“

Zur Auffassung der Wiedergeburtsphantasie.

Die Euahlayi, deren Land das Grenzgebiet zwischen Neusüdwales und Queensland bildet, glauben an Wiedergeburt und Seelenwanderung (wie die meisten primitiven Stämme des australischen Kontinente). Von diesem Stamme berichtet nun Mrs. Parker in ihrem Werke „The Euahlayi Tribe; a Study of Aboriginal Life in Australia (London 1905, p. 50—56): „Als Grund für die häufigen Heiraten zwischen jungen Männern und alten Frauen wird angegeben, daß diese jungen Männer schon früher auf der Erde weilten und diese selbe Frau liebten, doch vor erreichter Pubertätsweihe starben, so daß sie sie nicht früher heiraten konnten als jetzt in ihrer Reinkarnation.“ Daß diese Heiratsform eine Ersatzbefriedigung inzestuöser Regungen darstellt, ist wohl klar.

C. G. Jung erklärt!) dagegen, daß „die unterste Grundlage des „inze- stuösen* Begehrens nicht auf die Kohabitation, sondern auf den eigenartigen Gedanken hinausläuft, wieder Kind zu werden, in den Elternschutz zurück- kehren, in die Mutter hinein zu gelangen, um wiederum von der Mutter geboren zu werden. Auf dem Wege zu diesem Ziele steht aber der Inzest, d. h. die Notwendigkeit, auf irgend einem Wege wieder in der Mutter Leib hinein zu gelangen. Hier greift hindernd das Inzestverbot ein, daher nun die Sonnen- oder Wiedergeburtsmythen von allen möglichen Vorschlägen wimmeln, wie man den Inzest umgehen könnte.“ Wie nun, wenn wir erweisen könnten, daß es in manchen Fällen gerade umgekehrt ist, d. h. also daß die Wieder- geburtsphantasie deren psychologische Motivierung hier unerörtert bleibe der straflosen Durchsetzung inzestuöser Regungen diente? Müßte damit die Jungsche Theorie nicht bedenklich erschüttert werden ?

1) Wandlungen und Symbole der Libido. Jahrbuch für psychoanalytische For- schungen, 1912, S. 267.

182 Varia.

Ein solcher Fall liegt aber in dem mitgeteilten Beispiel vor: Die Wieder- geburt und „Sublimierung der Infantilpersönlichkeit* kann nicht das Ziel dieser Maßregeln sein, denn die Wiedergeburt wird zum Vorwand für eine Lizenz der Inzesterfüllung.

Versuchen wir eine psychoanalytische Erklärung, so müßte sie von einem psychologischen Postulat ausgehen, das sich uns als der Niederschlag zahl- reicher Analysen an Neurotikern gebildet hat, nämlich daß die Wirkung unbewußter Vorgänge einen Schluß auf ihre Absicht zulasse. Die phanta- sierte Präexistenz der Euahlayimänner entspricht dem prähistorischen Zeitalter der Kindheit mit seinen intensiven Inzestwünschen. Das frühere Leben ist das- jenige, welches in seinen Triebvorgängen der Verdrängung verfällt. Das Bei- spiel bietet eine bemerkenswerte Parallele aus dem Gebiete der Völkerpsycho- logie zu dem unbewußten Wissen, das die Neurotiker von den inzestuösen Re- gungen der Kinderzeit besitzen.

Zum Kastrationskomplex.

P. Albert Schweiger teilt in einer interessanten Artikelreihe „Der Ritus der Beschneidung unter den ama Xosa und ama Fingo in der Kaffraria, Süd- afrika“ folgende Tatsachen mit (Anthropos, Heft 1, 2, 1914): Wenn ein Bursche zur bestimmten Zeit nach der Beschneidung nicht geheilt ist, so versammeln sich die Männer und beschließen, daß er öffentlich vor einer großen Anzahl von Menschen seine Sünden zu bekennen habe. Will er sich nicht dazu bereit er- klären, so wird er so lange und so heftig geschlagen, bis er nachgibt und sich über seine Sünden anklagt, gleichgültig ob er sie begangen oder sie nur erdichtet hat. Die ama Xosa nehmen allgemein an, daß ein Bursche, der mit einer seiner Blutsverwandten geschlechtlichen Verkehr unterhalten habe, bei der Beschneidung zur festgesetzten Zeit nicht heilen könne. „Bula!“ wird dem beschnittenen Burschen zugerufen, d. h. „Bekenne deine Blutschande!“, wenn er nur langsam heilt,

Wir haben in der Kastrationsangst (neben anderen Momenten) auch den neurotischen Ausdruck der Strafe für die Inzestphantasien infantiler Zeit er- kannt. Auch hier wird deutlich, daß die Beschneidung von den Primitiven unbewußt als Kastrationssymbol gewertet wurde.

Zur Vorbildlichkeit des sexuellen Lebens.

Bei den Kiwaiinsulanern in Britisch-Neuguinea ist es Sitte, daß die Heer- führer, bevor sie in den Krieg ziehen, mit ihren Frauen in den benachbarten Moguru (Beschneidung)-Wäldern den Koitus vollziehen ; wird der Penis steif, so glaubt man an einen sicheren Erfolg; wenn nicht, an einen Mißerfolg. Diesem ihrem Glauben geben die Heerführer auch Ausdruck, wenn sie, ins Dorf zurückgekehrt, nach dem Erfolg ihres Ausfluges gefragt werden. (Nach James Chalmers „Notes on the Bugilai, Britisch New Guinea“ in „Ihe Jour- nal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland“. London 1903, Vol. XXXIII, S, 123.)

Der Talmud über ein infantil-sexuelles Trauma.

Die Psychoanalyse hat die infantile Belauschung des elterlichen Sexual- verkehres als ein traumatisches Moment in der Pathogenese der Neurose er- kannt. Im Talmud (Der babylonische Talmud, herausgegeben von Lazarus

Varia. 183

Goldschmidt, Berlin 1901, II. Bd. S, 7, 16) findet sich folgende Stelle: „Die Rabbanan lehrten: Wenn jemand die Bettpflicht in einem Bette ausübt, in welchem ein Kind schläft, so wird dieses epileptisch.“

Eine völkerpsychologische Parallele zur infantilen Sexualtheorie,

welche die, Konzeption durch Essen entstehen läßt, findet sich im jüdischen Volksglauben: „Groß ist der Kummer, wenn sich der Kindersegen nicht recht- zeitig einstellt, und die Frau wendet verschiedene Mittel gegen dieses Unglück an, so genießt sie z. B. die Reste der ersten Mahlzeit, die einem neuver- mählten Paare vorgesetzt worden ist.“ (Das Kind bei den Juden von Regina Liliental, „Materyaly antropologiezno-archeologiezne i etnograficzne“* der Aka- demie der Wissenschaften in Krakau, VII. Bd., 1904.)

Gold und Kot.

Die Azteken, bekanntlich erst 1519 von Ferdinand Cortez entdeckt, hießen das Gold Teocuitla, zu deutsch „Götterdreck“, und heißen es noch

heute so. Man vergleiche damit manchen deutschen, englischen und französi- schen Sprachgebrauch.

Korrespondenzblatt der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung.

Ortsgruppe Wien.

Die Mitgliederliste vom 1. Jänner 1914 (diese Zeitschrift, II. Jahr- gang, $. 413) hat folgende Änderungen erfahren:

Es fallen weg: Dr. Bernhard Dattner, Dr. Max Graf, Oberstabsarzt Dr. E. Hollerung, Generaldirektor Leopold Rechnitzer, Dr. Rudolf Urbantschitsch.

Der Wiener Gruppe beigetreten ist Dr. Ludwig Binswanger in Kreuz- lingen (Schweiz), Bellevue; Dr. Kaplan dzt. Wien XVII. Sternwartestraße 33.

Sitzungen im I. Semester: 1914: 1. am 7. Oktober: Generalversammlung. (Wahl des früheren Ausschusses.) Kleine Mitteilungen. . am 21. Oktober: Kasuistik und Referate. am 4. November: Diskussion über Freud: Einführung des Narzißmus (Ref.: Dr. Federn, Dr. Tausk). am 18. November: Dr. Sachs: Londoner Eindrücke. am 2,.Dezember: Kleinere Mitteilungen. am 16. Dezember: Dr. Reik: Über Pubertätsriten. am 30. Dezember: Dr. Tausk: Versuch einer psychoanalytischen Expo- sition der Melancholie.

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1915: am 13. Jänner: Kasuistik und Referate. am 3. Februar: Kasuistik und Referate,

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Sitzungen im II. Semester: 10. am 17. Februar: Kasuistik und Referate. 11. am 3. März: Professor Freud: Eine Krankengeschichte (wird im Druck erscheinen). 12. am 17. März: Professor Freud: Eine Krankengeschichte (Schluß).

13. am 31. März: Kleine Mitteilungen.

14. am 14. April: Dr. Kaplan: Zur Genese der traumatisch wirkenden Urphantasien.

15. am 28. April: Dr. Sachs: Schillers Geisterschar (erscheint im Druck).

16. am 12. Mai: Kasuistik und Referate,

17. am 26. Mai: Kleine Mitteilungen,

Schluß des II. Semesters.

Die Ortsgruppe Berlin hat nur eine Sitzung, im Februar, abgehalten, in welcher der z. Z. im Felde stehende Vorsitzende, Dr. Abraham, über die Beziehungen der Zwangsneurose zur prägenitalen Organisation sprach. Ausgetreten sind Dr. Stockmayer, Dr. Voigtländer.

DieOrtsgruppeBudapest,deren Vorsitzender Dr. Feren c zi, auswärts Militärdienst "leistet, sowie die Londoner Gru ppe haben ihre Sitzungen suspendiert; von den anderen Gruppen, besonders den amerikanischen, liegen bisher keinerlei Nachrichten vor.

Bibliographie. Fortsetzung und Schluß vom vorigen Heft 2.

Kronfeld Artur: Das Erleben in einem Fall von katatoner Erregung. Mit Bem. z. psychopathol. Mechanismus von Wahnbildungen (Monatsschr. f. Neurol. und Psychiatr. Bd. 35, H. 3).

Krueger H.: Zur Frage nach einer vererbbaren Disposition zu Geisteskrankheiten und ihren Gesetzen (Zeitschr. f. d. ges. Neurol. d. Psych. Bd. 24, H. 2-3, 23. Apr. 1914).

Ladame Paul: Inversion sexuelle et pathologie mentale (Acad. de Med. Seänce du 21 Oct. 1913.)

La morale sexuelle. Revue pedagogique. Paris, April 1914. Nr. 4.

Lamanna E.: Mito e religione nelle dottrine socio-psycologice (Cultura filos., VI, 1, 1912).

Landsberg J. F.: Die Seele des gesunden Kindes (Die Umschau, 23. Mai 1914).

Laumonier M.J.: Le Pansexualis mede Freud (Gaz. des Höp. 1914, Nr. 33, S. 533),

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Inhalt des III. Heftes.

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Dr. Josef K, Friedjung: Die. WE Ritersncht auf Jüngere Ges. 1.104 8 RE De schwister und: Ähnliches. . . . Ne er N ADE KA

„Dr, Keen DE PEIREjUDB, Schamhaftigkeit als Maske der Homosexua- RE} ER EN NAD NZ

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‚Fehllestungen aus dem Alltagsleben. BSTNUN ER REES IE ELBE SI. ‘Dr. ‚Otto Rank: Ein determinierter Fall von Findn x HN A ga |: VAREL BER NV ‚Dr. Otto Rank: Fehlhandlung und Traum .. te ON DREI E Dr. Otto Rank; Unbewußter Verrat durch Symipforihandlung STETTEN RT

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.. INHALT. 1. /Einleitender Teil: 1. Die dena og Traum- und MREECHEBIER NEST

H, Analytischer Teil: 1. Psychoanal tische Deutung der Parabola. 2, Alchemie, 3. Her-

metische Kunst. 4. Rosenkreuzerei und Freimaurerei. 5. Das Problem der mehrfachen Deutung.

II. Synthetischer Teil; 1. Introversion und Wiedergeburt. A. Verinnerlichung und Intro-

version, B. Folgen der Introversion. C. Wiedergeburt. 2. Das mystische Ziel. '3. Königliche Kunst, Anmerkungen. Quellen. Index,

ei

K.'u K. Hofbuchdruckerei Karl Prochaska in Teschen,

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