oa nern Pest TBRB OT r. Ei x

Be D* KARL ABRAHAM

Versuch einer Bu 25

Entwicklungsgeschichte der Lalido auf Grund der Psycho analyse 3 seelischer Störungen ee

. '.

5 _ . - . \ .. . i r rn _— » E . % vu \ J er. nt u. f Fy g Y ur F . Le „> . >. R ae Nr > 2 % ad, a e ae ' * 9 EB EN "3 FR ..; a) \ - wm ib.“ =.‘ . % r% 4638 rr el N bu " et w w i eles » > AT, u Ir" N it w Yo er a. an, D x EEE et

. s

Ei + 3

=) 3 + »r3:

„4

| I: mr Ten T Yin in! De f - | h | ”, D Ey Ha u. 6 =. jeR v iv —s k

Urt, SEND E “er | - e art | en | ozanat Önsoxem le

A RBEITEN ZUR ÄRZTLICHEN PS ROH

HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. SIGM. FREUD- HEFT II

INSTITUTE K PSYCHO- ad Versuch eine

En wickiungsgeschichä 3 der Libido {

auf Grund der Psychoanalyse _ seelischer Störungen

von

° \

Dr. Karl Abraham

\ I

INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER vERI | LEIPZIG WIEN 7 ZÜRICH :

x =

| FM, Zur Psychoanalyse der N | (Diskussion, gehalten auf dem V. Internationalen

1 29. September ı9ı8.) 1919.

=} Inhalt: Einleitung von Prof, SIGM. FREUD. Dis- Kussionsbeiträge von Dr. S. FERENCZI (Budapest), Dr. KARL ABRAHAM (Berlin) und Dr. ERNST SIMMEL (Berlin). Dr. ERNEST JONES (London): Die Kriegs- neurosen und die Freudsche Theorie.

RA #

En

Da I 1

IH. Dr.S.FERENCZI: Hysterie und Patho- neurosen. 1919.

Inhalt: Über Pathoneurosen. Hysterische Materiali- sationsphänomene. Erklärungsversuch einiger hyster. Stigmata. Technische Schwierigkeiten einer Hysterie- analyse. Die Psychoanalyse eines Falles von hyster. Hypochondrie. Über zwei Typen der Kriegshysterie.

.

r Era a

IV. Dr. OTTO RANK: Psychoanalytische Beiträge zur Mythenforschung. (Aus den Jahren 1g9ı2 bis 1914.) 2., veränderte Aufl. 1922.

Inhalt: Vorwort. Mythologie und Psychoanalyse, Die Symbolik. Völkerpsychologische Parallelen zu den infantilen Sexualtheorien. Zur Deutung der Sintflut- sage. Männeken-Piß und Dukaten-Scheißer. Das Brüdermärchen. Mythus und Märchen.

© fReligionspsychologie. I. Teil:, Das Ri- ‚tual. Mit einer Vorrede von Prof. Dr. SIGM. FREUD. 1919.

Inhalt: Einleitung. Die Couvade End die Psycho- 7 genese der Vergeltungsfrucht. Die Pubertätsriten der ' Wilden. Kolnidre (Stimme des Gelübdes,) Das Schofar ; (Das Widderhorn).

| VI.Dr.GEZARÖHEIM: Spiegelzauber.ıgıg.

VIH.Dr: EDUARD HITSCHMANN: Gottfried i Keller. Psychoanalyse des Dichters, seiner ‚Gestalten und Motive. 1919. |

ZENIM. Dr. OSKAR PFISTER: Zum Kampf um [die Psychoanalyse. (Mit einer Kunstbeilage und ı5 Textabbildungen.) 1920. 7 Inhalt: Die Psychoanalyse als psychologische Methode. F Apologetisches. Der erfahrungswissenschaftliche Cha- Y% | rakter der Psychoanalyse Proben’psychoanalytischer Ar- | beit. (Nachtwandeln. Unbezwingliche Abneigung gegen ST eine Speise. Hypnopompischer Einfall. Ein Fall von 7] kommunizierender religiöser und irdischer Liebe usw.) | Einige Ergebnisse und Ausblicke. - Die Entstehung der künstlerischen Inspiration. Zur Psychologie des Krieges "I und des Friedens. Die Tiefenmächte des Krieges. Die | psychologischen Voraussetzungen des Völkerfriedens. Zur Psychologie des hysterischen Madonnenkultus. Of Hysterie und Lebensgang bei Margareta Ebner. - Psycho- [analyse und Weltanschauung. (Positivismus, Metaphysik, a Ethik.) Gefährdete Kinder und ihre psychoanalytische Behandlung. Wahnvorstellung und Schülerselbst- A N mord. Das Kinderspiel als Frühsymptom krankhafter T Entwicklung, zugleich ein Beitrag zur Wissenschafts-

N : x plogie.

INTERNATIONALE PSYCHOANALYTISCHE BIBLIOTHER|

Psychoanalytischen Kongreß in Budapest, 28.und.

- von scheinbar ätiologischer Bedeutung.

V. Dr. THEODOR REIK:- Probleme der.

INTERNATIONALER PSYCHOANALYTISCHER VERLAG WIEN, VII. N

IX. AUREL KOLNAI: Psychoanalyse und Soziologie. Zur Psychologie von Masse und Gesellschaft. 1920.

X. Dr. KARL ABRAHAM: Klinische Bei- träge zur Psychoanalyse aus den Jahren 1 907-1920. 1921.

Inhalt: Über die Bedeutung sexueller Jugendträume für die Symptomatologie der Dementia praecox. Die psychosexuellen Differenzen der Hysterie und der De- mentia praecox. Die psychologischen Beziehungen zwischen Sexualität und Alkoholismus. Die Stellung der Verwandtenehe in der Psychologie der Neurosen. Über hysterische Traumzustände. Bemerkungen zur Psychoanalyse eines Falles von Fuß- uud Korsettfetischis- mus. Ansätze zur psychoanalytischen Eriorschung und Behandlung des manisch-depressiven Irreseins und ver- wandter Zustände. Über die determinierend& Kraft des Namens. Über ein kompliziertes Zeremoniell neurotischer Frauen Ohrmuschel und Gehörgang als er gene Zone. Zur Psychogenese der Straßenangst im Kindesalter. Sollen wir die Patienten ihre "Träume aufschreiben lassen? Einige Bemerkungen: über die Rolle der Großeltern in der Psychologie der Neurosen. Eine Deckerinnerung, betreffend ein Kindheitserlebnis Psychische Nachwirk ıngen der Beobachtung des elterlichen Ge- schlechtsverkehrs bei einem neunjährigen Kinde.— Kritik zu C. G. Jung: Versuch einer Darstellung der psycho- analytischen Theorie. Über eine konstitutionelle Grundlage der lok ‚motorischen Angst. Über Ein- schränkungen und Umwandlungen der Schaulust bei den Psychoneurotikern. - Über neurotische Exogamie. - Untersuchungen über die früheste prägenitale Ent- wicklungsstufe der Libido. Über ejaculatio praecox. Einige Belege zur Gefühlsstellüng weiblicher Kinder gegenüber den Eltern. Das Geldausgeben im Angst- zustand. Über eine besondere Form des neurotischen Widerstandes gegen die psychoanalytische Methodik. Bemerkungen zu Ferenczis Mitteilungen über Sonntags- I neurosen. Zur Prognose pgychoanalytischer Behand- lungen im vorgeschrittenen Lebensalter.

XI. Dr. ERNEST JONES: Therapie der Neurosen. 1921.

XII. J. VARENDONCK: Über das vor bewußte phantasierende Denken. Mit Geleitwort von Prof. Dr. Sigm. Freud. 1922.

XII. Dr. S. FERENCZH: Populäre Vor- träge über Psychoanalyse. ı922. |

Inhalt: Zur analytischen Auffassung der Psycho- neurosen. Träume der Ahnungslosen. Suggestion und Psychoanalyse. Die Psychoanalyse des Witzes und des Komischen. Ein Vortrag für Richter und Staatsanwälte. Psychoanalyse und Kriminologie. Philosophie und Psychoanalyse. Zur Psychogenese der Mechanik. Cornelia, die Mutter der Gracchen. Anatol France als Analytiker. Glaube, Unglaube, Überzeugung.

XIV. Dr. OTTO RANK: Das Trauma der Geburt und seine Bedeutung für die Psychoanalyse. 1924.

XV. Dr. .S“ FERENCZI: Gehitaltheorie. 1924.

Versuch einer

Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse

Herausgegeben von Prof. Dr. Sigm. Freud Heft II

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido

auf Grund der Psychoanalyse seelischer Störungen

Von

Dr. Karl Abraham

1924 Internationaler Psychoanalytischer Verlag Leipzig / Wien / Zürich

yo N

ER Re Be Alle Rechte: FORINT AT | insbesondere das der NE TRERRNE vorbehalten |

Wkakae y EHRN w at * ER N Copyright 1924 ar re KEN BEN

„Internationaler ‚Psychoanalytischer Verlag, Ges. m. b. Ei, Wien

k Y _ . v ° v E hu r Kar, vw. Ki Ya f " . 7 / v j IE en < er | .. N j N N 3 “r Ye ı® a x r ek Be | - PA, > es j x . ? x N + f' « k N j % > E » a - . \ « \ : | Grapt In Wien, III, Rüdengasse Nr. ır für hische ki, ten; I, Rüdengasse Nr, ıı - A N at E N u Th r N FT ER SA NR EN Sa a a AN AEN > Dr Er } > s u a 1; . h Rn Th a, in en .* - E : k BE RE The 2 - oh « a2 E ä a Er u e} NEED EZ

Erster Teil

Die manisch-depressiven Zustände und die prägenitalen Organisationsstufen der Libido

ne ET Eee u a ee ELEN LT =

N », rw

Einleitung

Vor mehr als zehn Jahren habe ich zuerst den Versuch gemacht, die Entstehung der manisch-depressiven Krankbheits- zustände auf psychoanalytischem Wege zu erklären. Der Un- vollkommenheit des Versuches und seiner Ergebnisse war ich mir wohl bewußt und bemühte mich, sie schon in der Über- schrift meiner Veröffentlichung („Ansätze zur psychoanalytischen Erforschung“ usw.) zum Ausdruck zu bringen. Man tut gut, sich daran zu erinnern, wie wenig umfangreich damals noch die gesamte psychoanalytische Literatur war. Vorarbeiten bezüglich der zirkulären Geistesstörungen aber gab es nur in. besonders geringfügigem Maße. Die freie psychotherapeutische Praxis bot wenig Gelegenheit zur Analyse solcher Zustände, so daß es dem einzelnen Beobachter unmöglich war, eine größere Reihe vergleichbarer Erfahrungen zu sammeln.

Waren somit die Resultate jener ersten Untersuchung auch unzulänglich und lückenhaft, so haben sie sich doch in wesent- lichen Beziehungen als richtig erwiesen. Die Auffassung, daß die Melancholie sich zum normalen Affekt der Trauer verhält wie die neurotische Angst zur Furcht, fand ihre Bestätigung in Freuds Aufsatz über „Trauer und Melancholie“. Die psycho- logische Verwandtschaft der Melancholie mit der Zwangsneurose darf heute als feststehend gelten. Hinsichtlich der Abwendung der Libido des Patienten von der Objektwelt gilt das gleiche. Dagegen ließ sich über die Trennungsstelle der melan- cholischen und der zwanghaften Zustände nichts ermitteln, wie denn überhaupt die spezifische Verursachung der zirkulären Störungen völlig im Dunkeln blieb.

br y 6 " Dr. Karl Abraham

Ihr suchte ich auf den Grund zu kommen, nachdem Freud die Lehre von den prägenitalen Organisationsstufen der Libido aufgestellt hatte. Die Psychoanalyse der Zwangs- neurose führte ihn zur Annahme einer prägenitalen Phase der Libidoentwicklung, die er als die sadistisch-anale bezeichnete. Etwas später beschrieb er in der dritten Auflage der „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie* eine noch frühere Phase, die orale oder kannibalische, in bestimmten Umrissen. An einem umfangreichen empirischen Material konnte ich nun (1917) den Beweis erbringen, daß gewisse Psychoneurosen deutliche Spuren jener frühesten Organisationsstufe der Libido enthalten, durfte zugleich aber die Vermutung äußern, daß das Krankheitsbild der Melancholie einem Regressionsvorgang entspringe, der die Libido des Kranken zu eben jenem frühen, oralen Stadium zurückführe. Einen zwingenden Beweis für diese Annahme ließ das in dieser Hinsicht lückenhafte Tatsachenmaterial nicht zu.

Fast zu gleicher Zeit griff Freud das Problem der Melan- cholie von einer anderen Seite her an. Er tat den entscheidenden Schritt zur Aufdeckung des melancholischen Mecha- nısmus, indem er zeigte, wie der Kranke sein Liebesobjekt verliert, es hernach aber auf dem Wege der Introjektion in sich selbst aufnimmt, so daß beispielsweise die melancholischen Selbstanklagen eigentlich dem verlorenen Objekt gelten.

Die seitherige Beobachtung hat mir die Bedeutung beider Vorgänge der Regression der Libido zur oralen Stufe sowohl als des Introjektionsprozesses vollauf bestätigt, darüber hinaus aber ihre innige Zusammengehörigkeit erwiesen. Die Psychoanalysen, welche der vorliegenden Publikation zugrunde liegen, lassen in dieser Hinsicht keinen Zweifel übrig. Die Introjektion des Liebesobjektes ist, wie ausführlich nachgewiesen werden soll, ein Vorgang der Einverleibung, wie er einer Regression der Libido zur kannibalischen Stufe entspricht.

Noch zweier Fortschritte unserer Erkenntnis ist zu gedenken, die sich wiederum an Freuds Namen knüpfen. Zunächst hat er dargelegt, daß beim Melancholiker der dem Krankheitsaus-

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido { 7

bruch vorausgehende Objektverlust der fundamentale Vorgang sei, welcher der Zwangsneurose abgehe. Der Zwangsneurotiker befindet sich zwar in ausgeprägt ambivalenter Gefühlseinstellung zu seinem Liebesobjekt, ängstigt sich vor seinem Verlust, hält es aber letzten Endes fest. Der Nachweis dieses Unterschiedes 'ın den beiden Krankheitsprozessen ist von großer Tragweite, die in den nachfolgenden Ausführungen erkennbar werden soll.

Des weiteren aber hat Freud neuerdings auch noch dem Verständnis der manischen Exaltation bestimmtere Bahnen gewiesen." Es wird später ersichtlich werden, welchen Fortschritt seine Aufstellungen gegenüber meinem ersten tastenden Versuch (1911) bedeuten.

Als im Jahre ıg20 der VI. psychoanalytische Kongreß vor- bereitet wurde, erging an mich die Aufforderung, ein Referat über die manisch-depressiven Psychosen zu übernehmen. Ich mußte das Ersuchen ablehnen, weil mir kein neues Beobachtungs- material zur Verfügung stand. Seither ist es mir möglich gewesen, die Psychoanalyse zweier ausgeprägter Fälle von zirkulärer ‚Erkrankung fast bis zum Ende durchzuführen und außerdem fragmentarische Einblicke in den Aufbau einiger anderer Krank- heitsfälle dieser Art zu gewinnen. Die Ergebnisse dieser Analysen bestätigen in überraschender Weise Freuds Auffassung von der Struktur der melancholischen und manischen Erkrankungen.

Außerdem aber erbringen sie eine Reihe neuer Aufklärungen, welche Freuds Aufstellungen in wichtigen Hinsichten ergänzen.

Rücksichten der Diskretion legen mir eine weitgehende Zurückhaltung in der Mitteilung meiner Psychoanalysen auf. Insbesondere kann ich keine systematische Krankheitsgeschichte der beiden gründlich analysierten Fälle wiedergeben, sondern nur kurze Ausschnitte. Um diagnostischen Zweifeln im voraus zu begegnen, erwähne ich, daß beide Patienten wiederholt ın Anstalten, beziehungsweise Sanatorien untergebracht waren, wo sie sich in Beobachtung geschulter Psychiater befanden,

ı) Vgl.. „Massenpsychologie“, 1921.

8 Dr. Karl Abraham

außerdem auch konsultativ von hervorragenden Fachleuten untersucht worden sind. Das Krankheitsbild war in beiden Fällen so typisch, der zirkuläre Verlauf so charakteristisch, daß in praxi bezüglich beider Fälle nie ein diagnostischer Zweifel auf- gekommen ist.

Eine gewisse Einseitigkeit meines Beobachtungsmaterials hebe ich selbst hervor, messe ihr freilich keine allzu große Bedeutung bei. Die manisch-depressiven Kranken, welche ich früher und auch neuerdings gründlich analysieren konnte, gehörten sämtlich dem männlichen Geschlecht an. Weibliche Kranke dieser Art habe ich nur vorübergehend in psychoanalytischer Beobachtung gehabt, mit Ausnahme einer neueren, noch in Gang befindlichen Analyse.

Ich kann nicht annehmen, daß die Analyse weiblicher Patienten grundsätzlich verschiedene Resultate ergeben würde, zumal wenn man in- Betracht zieht, daß die Patienten beiderlei Geschlechts in ihren Symptomen eine auffallend betonte Bisexualität auf- weisen, wodurch sie einander zweifellos angenähert werden.

Als ich einen Teil der nachstehenden Ausführungen dem VII. psychoanalytischen Kongreß in Berlin (1922) vorlegte, zeigte sich die Aktualität der behandelten Fragen darin, daß die Vorträge anderer Referenten von völlig verschiedenen Ausgangs- punkten herzugewissen, auffallend ähnlichen Resultaten gelangten. Besonders muß ich Röheims bedeutungsvolle Untersuchung“ erwähnen, die uns über die Psychologie des Kannibalismus weitgehende Aufklärung gebracht hat. |

Die erste der beiden folgenden Abhandlungen wird gewisse Fragen der manisch-depressiven Zustände nur unvollständig erörtern, so besonders das Verhältnis des Kranken zum Liebes- objekt während der Depression beziehungsweise Manie und im „freien Intervall“. Die zweite Untersuchung wird diese Fragen auf breiterer Grundlage behandeln, indem sie der gesamten Entwicklungsgeschichte der Objektliebe ihr Interesse zuwendet.

ET TE Ten nn er REEL EEE EEE SEEN

1) „Nach dem Tode des Urvaters.“ Imago, 1923, Heft ı.

PIE Sn a Be

I

Melancholie und Zwangsneurose

Amen Stufen der sadistisch-analen Entwicklungs- phase der Libido |

Zum Ausgangspunkt einer Untersuchung über die melan- cholische Seelenstörung eignet sich auch jetzt noch ein Vergleich mit der Zwangsneurose, die ihr in psychologischer Hinsicht verwandt ist, aber einen Teil ihrer Rätselhaftigkeit durch. die psychoanalytische Forschung verloren hat.

An übereinstimmenden Zügen im Bilde und Aufbau beider Zustände erwähnte ich schon ıgıı die Häufigkeit von bei- gemengten Zwangssymptomen in der Melancholie und die depressiven Verstimmungen der Zwangsneurotiker. Sodann hob ıch hervor, daß beiden Krankheitsformen ein hohes Maß von Ambivalenz im gesamten Triebleben eigen sei; besonders komme dies zum Ausdruck in dem mangelnden Ausgleich zwischen Regungen der Liebe und des Hasses, zwischen heterosexuellen und homosexuellen Antrieben.

Nach meinen neueren Erfahrungen scheinen mir nun Ähn- lichkeiten nicht nur in den ausgeprägten Krankheitserscheinungen der Zwangsneurose und der Melancholie zu bestehen; auch die Ruhezustände beider Krankheitsformen weisen bemerkens- werte Vergleichspunkte auf. Mit anderen Worten: Die vor- liegende Untersuchung der Melancholie nimmt nicht das vollendete Krankheitsbild zu ihrem Ausgangspunkt, sondern das sogenannte „freie Intervall“, welches sich zwischen zwei Krankheitsperioden einschiebt.

Io Dr. Karl Abraham

-—

Für den klinischen Beobachter ist der Verlauf der manisch- depressiven Zustände intermittierend. Die Zwangszustände bieten demgegenüber im ganzen eine" chronische Verlaufs- weise, lassen aber mit Deutlichkeit die Neigung zu erheblichen Remissionen erkennen. Ja, gewisse Fälle verlaufen in akuten Schüben, die den periodischen Krankheitsausbrüchen der Melancholie weitgehend ähneln. Die aufmerksame Beobach- tung durch längere Zeiträume läßt uns, wie auf so vielen anderen Gebieten, auch hier fließende Übergänge sehen, wo ursprünglich schroffe Gegensätze vorzuliegen schienen.

Die eingehende psychologische Untersuchung aber bestärkt uns noch weiter in dieser Auffassung. Der zu periodischen Depressionen und Exaltationen Neigende ist nämlich im „freien Intervall“ nicht wirklich „gesund“. Schon eine gründliche Befragung solcher Individuen ergibt, daß sie während eines langdauernden Intervalles gelegentlich Depressionen oder hypo- manischen Anwandlungen unterworfensind. Der Psychoanalytiker aber muß besonderes Gewicht darauf legen, daß sich bei allen zyklisch Kranken im Intervall eine abnorme Charakter- bildung nachweisen läßt. Und diese fällt in unverkennbarer Weise mit derjenigen der Zwangsneurotiker zusammen. Nach meinen bisherigen Erfahrungen wenigstens ist eine bestimmte Sonderung des Charakters der Melancholiker vom sogenannten „Zwangscharakter* nicht durchführbar. Wir finden bei unseren zirkulären Kranken im „Intervall“ die gleichen Eigenheiten in bezug auf Ordnung und Reinlichkeit, die nämliche Neigung zu Eigensinn und Trotz im Wechsel mit abnormer Nachgiebig- keit und „Übergüte“, dieselben Anomalien des Verhältnisses zu GeldundBesitz, die uns aus der Psychoanalyse der Zwangsneurose geläufig sind. Sie sind uns hier wie dort ein wichtiger Hinweis auf enge psychologische Beziehungen beider Krankheitszustände zu der gleichen prägenitalen Phase der Libidoentwicklung. Nehmen wir nun eine so weitgehende Übereinstimmung in der charakterologischen Konstitution der zur Melancholie und der

zur Zwangsneurose neigenden Personen an so wird es uns

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 711

vollends unverständlich, wenn eine aus der nämlichen Charakter- bildung entspringende Erkrankung in einem Falle diesem, im anderen jenem Iypus angehört. Wohl hat sich uns die Auf- fassung ergeben, daß dem Melancholischen die psychosexuelle Beziehung zum Objekt verloren geht, während der Zwangs- neurotiker dieser Gefahr letzten Endes auszuweichen vermag. Allein wir begreifen dann wiederum nicht, warum bei der einen Gruppe der Kranken die Objektbeziehungen so viel labiler sind als bei der anderen. De |

Bis zu welcher Stufe der Organisation die Libido eines Individuums fortschreitet und bis zu welcher Stufe sie im Falle einer neurotischen Erkrankung regrediert, ist nach psycho- analytischer Auffassung abhängig von Fixierungspunkten, die sich im Laufe der Libidoentwicklung ergeben haben. Das gleiche gilt für das Verhältnis des Individuums zur Objektwelt; Hem- mungen auf dem Wege der Entwicklung und regressive Prozesse erweisen sich stets als determiniert durch frühe Fixierungs- vorgänge im Bereich der Libido. Zwangsneurose und Melancholie lassen nun trotz ihrer gemeinsamen Beziehung zur sadistisch- analen Organisationsstufe dennoch grundlegende Gegensätze erkennen, sowohl hinsichtlich der Phase, zu welcher die Libido bei Ausbruch einer Erkrankung regrediert, als auch hinsichtlich des Verhaltens zum Objekt, das vom Melancholiker aufgegeben, vom Zwangsneurotiker festgehalten wird. Wenn demnach von der sadistisch-analen Stufe dermaßen verschiedene pathologische Vorgänge ihren Ausgang nehmen können, so muß diese Stufe Gegensätze in sich schließen, die wir bisher nicht zu differenzieren wußten. Mit anderen Worten: Unsere Kenntnis von dieser Stufe der Libidoentwicklung muß in wesentlicher Hinsicht ungenügend sein. Zu dieser letzteren Auffassung bietet sich uns auch sonst reichlicher Anlaß.

Wir sind bisher mit drei Organisationsstufen der Libido bekannt geworden, auf deren jeder die Vorherrschaft einer bestimmten erogenen Zone zu bemerken war; in: zeitlicher Folge handelt es sich um die Mund-, After- und Genitalzone.

TEICHE ee De

EEE EEE

12 Dr. Karl Abraham

Die der Analerotik angehörigen libidinösen Regungen finden wir aber auf dieser Stufe eng und vielfach verknüpft mit sadistischen Antrieben. Ich habe schon einmal darauf verwiesen, ' daß wir seit Freuds Entdeckung die enge Verbindung dieser beiden Triebgebiete ungezählte Male durch klinische Beob- achtung bestätigt haben, ohne aber die Frage nach der Herkunft dieses besonderen Verhältnisses zu stellen.

Wir lernten in den Psychoanalysen der Neurotiker. die sadistische Verwendung der Exkretionsvorgänge kennen und fanden sie in der Kinderpsychologie bestätigt. Wir haben auch erfahren, wie ein Charakterzug beispielsweise der Trotz sowohl sadistischen als analen Triebquellen entstammt. Aber wir können aus solchen und ähnlichen Beobachtungen keine Erklärung dieses Zusammenwirkens entnehmen.

Um einen Schritt nähern wir uns der Lösung der Frage, wenn wir eine andere gesicherte Erfahrung der Psychoanalyse heranziehen, die ich in der bereits zitierten Schrift (Seite 35 f.) begründet habe. Sie besagt, daß sich eine volle Liebes- fähigkeit nur auf der genitalen Stufe der Libido- entwicklung einstellt. Das Zusammentreffen von Äuße- rungen des Sadismus, insbesondere von gehässigen, feindseligen und objektzerstörenden Regungen mit analerotischen Vorgängen findet somit ein Gegenstück in der Verbindung objektfreundlicher Tendenzen mit der genitalen Erotik.

Allein dies bedeutet, wie schon gesagt, nur eine Annäherung an die Lösung des Problems. Dieses selbst bleibt unaufgeklärt, solange wir nicht verstehen, warum auf einer bestimmten Entwicklungsstufe die sadistischen Antriebe eine besondere Affinität gerade zur Analerotik zeigen und nicht etwa zur Mund- oder Genitalerotik. Da vermag uns nun wiederum die psychoanalytische Empirie zu helfen.

Sie lehrt uns nämlich: |

1.) daß die Analerotik zweierlei einander entgegen-

gesetzte Lusttendenzen in sich birgt;

a EEE EEE ERBETEN TEE el Ei I) „Ergänzungen zur Lehre vom Analcharakter.“ Zeitschr. 1923, Nr. 1.

)

2 A

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 13

2.) daß eine ebensolche Gegensätzlichkeit im Bereich der sadistischen Impulse besteht.

Die Entleerung des Darminhaltes ruft eine lustvolle Reizung der Analzone hervor. Zu dieser primitiven Form der Lust- gewinnung gesellt sich alsbald eine ihr entgegengesetzte: die Lust am Zurückhalten der Fäkalien.

Unsere psychoanalytischen Erfahrungen zeigen. nun mit einer Deutlichkeit, die jeden Zweifel ausschließt, daß auf der mittleren der drei Entwicklungsstufen der Libido die begehrte Person als Gegenstand des Besitzes aufgefaßt und dementsprechend mit der primitivsten Form des Besitzes, d.h. Körperinhalt, Kot, gleichgesetzt wird.‘ Während auf der genitalen Stufe „Liebe* die Übertragung eines positiven Gefühls auf das Objekt bedeutet und eine psychosexuelle Anpassung an dieses in sich begreift, wird auf der vorhergehenden Stufe das Objekt als Besitztum behandelt. Und da nun in dieser Phase die Ambivalenz der Gefühlsregungen noch uneingeschränkt besteht, so äußert sich die positive Einstellung des Individuums zum Objekt als Fest- halten an seinem Besitz, die negative Einstellung dagegen als Ablehnung des Besitzes. Und somit bedeutet der Verlust des Objektes, der in der Zwangsneurose dem Patienten droht und in der Melancholie vollendete Tatsache ist, für das Unbewußte des Kranken eine Ausstoßung des Objektes im Sinne der körperlichen Ausstoßung des Kotes. |

Ich nehme an, daß jeder Psychoanalytiker diese Gleichsetzung aus seiner Erfahrung wird.bestätigen können. Ich habe ihrer in der wiederholt zitierten Abhandlung" ausführlicher gedacht. Hier möchte ich vor allem darauf hinweisen, daß manche Neurotische auf jeden Verlust sei es ein Trauerfall, sei es eine materielle Einbuße anal reagieren. Je nach der unbewußten Einstellung zu dem Verlust, die entsprechend der Ambivalenz ihres Gefühlslebens natürlich auch wechseln kann, tritt Obstipation oder Diarrhoe auf. Der Verlust wird also mit Hilfe der uns I ne ea

ı) Vergl. meine zitierte Schrift („Ergänzungen* ete.),

14 Dr. Karl Abraham

bekannten „Organsprache* abgewehrt oder bekräftigt. Die Nach- richt vom Tode eines nahen Angehörigen löst bei manchen Menschen ein heftig drängendes Gefühl im Darm aus, so als ob der ganze Darm hinausdränge oder als ob sich im Innern etwas losrisse und auf analem Wege abgehen wolle. Ohne die Überdeterminiertheit einer derartigen Reaktionsweise zu ver- gessen, möchte ich hier nur die eine uns interessierende Ursache berücksichtigen. Wir müssen nämlich in diesem Verhalten eine vom Unbewußten festgehaltene archaische Form der Trauer erblicken. Sie verdient einem von Röheim erwähnten Ritus primitiver Völker an die Seite gestellt zu werden; dieser besteht darın, daß die Angehörigen auf dem Grabe eines soeben bestatteten Familienmitgliedes ihren Kot entleeren.

Es ist erwähnenswert, daß unsere Sprache die Gleichsetzung des Verlierens mit der Kotentleerung noch in deutlichen Spuren bewahrt. So bezeichnet die deutsche Sprache den Kot der Tiere als „Losung“, die Verwandtschaft dieses Wortes mit „los“

und dem englischen „lose“ = „verlieren“ ist leicht erkennbar.

Ein sonderbares Zeremoniell einer neurotischen Frau, das uns in diesem Zusammenhange verständlich wird, habe ich am erwähnten Ort mitgeteilt. Eine Frau, welche die analen Charakterzüge in stärkster Ausprägung darbot, war im allgemeinen unfähig, unbrauchbar gewordene Gegenstände fort- zuwerfen. Zuweilen zeigte sich aber bei ihr der Drang, sich dennoch €ines solchen zu entäußern. Sie hatte nun eine Methode erfunden, um sich gewissermaßen zu überlisten. Sie ging dann von ihrer Wohnung aus in den benachbarten Wald. Beim Verlassen des Hauses steckte sie den zu beseitigenden Gegenstand etwa ein altes Kleidungsstück mit dem Zipfel unter das Schürzenband an ihren Rücken. Auf dem Wege durch den Wald „verlor“ sie ihn. Sie kehrte auf einem anderen Wege heim, um des Gegenstandes nicht wieder ansichtig zu werden. Um den Besitz eines Objektes aufzugeben, mußte sie es also an der Rückseite ihres Körpers fallen lassen.

Doch nichts ist so beredt und in unserem Sinne beweisend wie die Äußerungen der Kinder. In einer Budapester Familie bedrohte ein kleiner Knabe seine Bonne mit den Worten: „Wenn du mich ärgerst, dann scheiße ich dich nach Ofen hinüber.“ (Ofen ist der Stadtteil auf der anderen Seite

r) Mitteilung von Dr. Eisler in Budapest.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 15

der Donau.) In der Denkweise des- Kindes entledigt man sich einer Person, die man nicht mehr liebt, auf dem Wege der Defäkation! | |

Uns Erwachsenen ist diese ursprüngliche Gleichsetzung von Beseitigung und Verlieren mit Defäkation entfremdet, ja so weit entfremdet, daß die Psychoanalyse in mühevoller Arbeit jene Spuren des primitiven Denkens aufdecken muß und dann noch bei den Menschen ein ungläubiges Kopfschütteln erregt. Gewisse psychologische Produkte lassen uns aber jene Denkform als unbewußtes Allgemeingut erkennen, so zum Beispiel Mythen, Folklore und Sprache. Ich erwähne nur einen verbreiteten Ausdruck der Studentensprache. Wird ein Student von seinen Kameraden wegen einer Verfehlung von ıhren offiziellen Veranstaltungen ausgeschlossen, also gewissermaßen exkommuniziert, so heißt das in der herkömmlichen Bezeich- nung: „Er gerät in Verschiß.“ Die Ausstoßung einer Person wird hier offensichtlich mit der körperlichen Ausstoßung gleich- gesetzt.

Auch im Sadismus als Partialtrieb der kindlichen Libido tritt uns der Gegensatz zweier Lusttendenzen entgegen. Die eine strebt nach Vernichtung, die andere nach Beherr- schung des Objektes (oder der Objektwelt). Daß die letztere, konservative Tendenz, welche dem Objekt Schonung angedeihen läßt, durch den Prozeß der Verdrängung aus der ursprünglicheren destruktiven Triebrichtung entstanden ist, soll später ausführlich dargelegt werden. Hier mag es genügen, auf den Vorgang im allgemeinen hinzuweisen und nur vor- wegnehmend zu bemerken, daß wir durch die Psychoanalyse durchaus in den Stand gesetzt sind, diese frühen und die ihnen nachfolgenden Entwicklungsstadien der Objektliebe zu begreifen. Gegenwärtig interessiert uns nur die sadistische Tendenz, die sich gegen den ‚Bestand des Objektes richtet. Die Beseitigung oder der Verlust eines Objektes kann also vom Unbewußten sowohl als sadistischer Vorgang der Vernichtung wie als analer Vorgang der Ausstoßung betrachtet werden.

I |

16 Dr. Karl Abraham

Es mag hier der bemerkenswerten Tatsache gedacht werden, daß die verschiedenen Sprachen das „Verlieren“ in zwei ver- schiedenen Arten auffassen, die vollkommen unseren psycho- analytischen Erfahrungen entsprechen. Das deutsche „Verlieren“ und das englische „lose“ entsprechen der analen Auffassung des Loslassens; so auch das lateinische amittere. Das griechische ArolAdyar und das spätlateinische Jerdere bedeuten hingegen „verderben, vernichten“. Nebenbei sei an Freuds Analyse des Verlierens als unbewußt motivierte Beseitigungstendenz erinnert; sie findet in den Sprachen, welche das Verlieren ohne weiteres mit Vernichten gleichsetzen, eine schöne Bestätigung.

Wie nahe die analen und sadistischen Beseitigungstendenzen im menschlichen Unbewußten miteinander verbunden - sind, lehrt uns ebenfalls ein Blick auf gewisse sprachliche Aus- drucksformen. In den verschiedensten Sprachen findet sich die Tendenz, die dem menschlichen Sadismus entspringenden

Handlungen durch nur andeutende Bezeichnungen auszudrücken.

Diese aber werden denjenigen Tätigkeiten entnommen, welche wir auf Grund der psychoanalytischen Erfahrungen von ursprünglich analerotischen und koprophilen Antrieben her- leıten. Es braucht nur daran erinnert zu werden, wie diese Neigung während des verflossenen großen Krieges in den Heeresberichten aller beteiligten Völker hervortrat. Da wurden Gebiete vom Feinde „gesäubert‘; Schützengräben wurden „aufgeräumt“. In den französischen Berichten hieß das Gleiche nettoyer, in den englischen c/eaning up oder mopping up.

Die Psychoanalyse der Neurosen zeigt uns, wie die kon- servatıven Tendenzen analer und sadistischer Herkunft Behalten und Beherrschen miteinander in vielfache Ver- bindung treten und sich gegenseitig verstärken. Das gleiche gilt für die destruktiven Strebungen aus beiden Quellen, d. h. die Antriebe zum Ausstoßen und Vernichten des Objekts. Ihr Zusammenwirken wird uns in der Psychologie der melancholischen Zustände besonders verdeutlicht; darauf wird später genauer einzugehen sein.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido . 17

nn nn nn

Dagegen bedarf es an dieser Stelle einer kurzen Würdigung des Zusammenwirkens der analen und sadistischen Trieb- äußerungen im Zwangscharakter. Wir erklären uns den über-

betonten Drang nach Reinlichkeit im Zwangscharakter aus

einer Reaktionsbildung gegen koprophile Tendenzen, die besondere Ordnungsliebe aus verdrängten oder sublimierten analerotischen Antrieben. Diese Auffassung, so unzweifelhaft richtig sie uns auf Grund reicher Empirie erscheint, ist in gewissem Sinne einseitig; sie trägt der Überdeterminierung psychischer Phänomene nicht genügend Rechnung.

Im Ordnungs- und Reinlichkeitszwang unserer Patienten vermögen wir auch das Mitwirken sublimierter sadistischer Triebkräfte nachzuweisen. In meinem erwähnten Aufsatz habe ich bereits an Beispielen zu erweisen gesucht, wie der Ordnungs- zwang zugleich einer Herrschsucht des Neurotikers Ausdruck gibt. Den Dingen wird Gewalt angetan; sie werden in ein bestimmtes pedantisch eingehaltenes System gepreßt. Nicht selten aber werden auch Personen gezwungen, sich diesem System anzupassen. Denken wir etwa an den Reinigungszwang neurotischer Hausfrauen! Sie verfahren oftmals so, daß kein Gegenstand seine Ruhe haben darf. Die ganze Wohnung wird in Aufruhr versetzt, und andere Personen werden gezwungen, sich den krankhaften Trieben zu fügen. In ausgeprägten Fällen des Zwangscharakters, wie sie uns etwa in der Hausfrauen- neurose und im neurotisch gesteigerten Bureaukratismus ent- gegentreten, macht sich Herrschsucht in unverkennbarer Weise bemerkbar. Es mag noch auf die sadistischen Zuschüsse zu dem bekannten analen Charakterzug des Eigensinns verwiesen werden, um erkennen zu lassen, auf welchen Wegen anale und sadistische Triebkräfte zusammenfließen.

Um nun den psychologischen Vorgang beim Ausbruch einer

_ Zwangsneurose und einer Melancholie verständlicher zu machen,

muß noch einmal auf die Zeiträume im Leben des Patienten zurückgegriffen werden, die wir als relativ symptomfrei

bezeichneten. Die „Remission“ beim Zwangsneurotiker, das

2

18 Dr. Karl Abraham

„Intervall“ beim Manisch-Depressiven stellen sich uns als Zeiten geglückter Sublimierung analer und sadistischer Triebe dar. Ruft nun ein bestimmter Anlaß die Gefahr des „Objektverlustes“ in dem früher. erörterten Sinne hervor, so erfolgen bei den Kranken beider Gruppen heftige Reaktionen. Die ganze Kraft der positiven Fixierungen der Libido erhebt sich gegen das drohende Überhandnehmen der objektfeindlichen Strömung. Wo nun die konservativen Tendenzen das Behalten und Beherrschen überwiegen, da ruft der Konflikt mit dem Liebesobjekt Erscheinungen des psychischen Zwanges hervor. Siegen dagegen jene anderen sadistisch-analen Tendenzen, welche das Objekt zu vernichten und auszustoßen trachten, dann gerät das Individuum in einen melancholischen Depressionszustand.

Daß der Melancholie nicht selten Zwangssymptome, der Zwangsneurose depressive Gemütsveränderungen beigemischt sind, wird uns nicht verwunderlich erscheinen. In solchen Fällen haben sich die destruierenden, beziehungsweise die konservieren- den Antriebe nicht mit vollkommener Einheitlichkeit durchsetzen ‚können. Im allgemeinen aber sehen wir entweder die Tendenz | zur manisch-depressiven Symptombildung oder diejenige zur : Produktion von Zwangserscheinungen im Krankheitsbild durch- | aus vorherrschend. Tiefere Einblicke in die Ursachen dieses

gegensätzlichen Verhaltens können wir jedoch jetzt noch nicht gewinnen.

Die tägliche psychoanalytische Erfahrung und die unmittel- | bare Beobachtung der Kinder berechtigen uns zu der Auffassung, die auf Vernichtung und Ausstoßung des Objektes gerichteten Antriebe seien die ontogenetisch älteren. Die normale Ent- wicklung der Psychosexualität führt zu dem Ergebnis, daß das Individuum zur Objektliebe befähigt wird. Der Weg aber, der vom anfänglichen Autoerotismus des Kindes zur vollkommenen Objektliebe führt, ist noch genauerer Untersuchung bedürftig. Doch so viel darf als erwiesen angesehen werden, daß die Libido des Kindes zunächst objektlos (autoerotisch) ist, dann im Ich ihr erstes Objekt findet und erst in einem weiteren

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 19

Entwicklungsstadium den Objekten sich zuwendet. Aber diese Zuwendung trägt noch durch längere Zeit durchaus den Charakter der Ambivalenz und erst: in einer verhältnismäßig “späten Kindheitsperiode wird das Individuum zu vollkommener Objektfreundlichkeit befähigt.

Vergleichen wir die Schicksale der Libido in der Zwangs- neurose ‚und der Melancholie, so kann es für uns keinem Zweifel unterliegen, daß der Zwangskranke, trotz seiner Unsicherheit. im Verhältnis zum Objekt, sich vom normalen Endziel der Entwicklung niemals so weit in regressiver Richtung entfernt wie der Melancholiker. Denn am Anfang der depressiven Erkrankung steht die vollständige Zerreißung der Objekt- beziehungen.

Nötigte uns die psychoanalytische Erfahrung die Annahme einer prägenitalen, sadistisch-analen Entwicklungsphase der Libido ab, so sehen wir uns nunmehr vor die Notwendigkeit gestellt, innerhalb dieser Phase zwei Stufen anzunehmen. Auf der späteren von beiden walten die konservativen Tendenzen des Festhaltens und Beherrschens vor, auf der früheren dagegen die objektfeindlichen Strebungen des Vernichtens und Verlierens. Die Regression zur späteren der beiden Stufen ermöglicht dem Zwangsneurotiker, die Fühlung mit dem Objekt aufrecht zu erhalten. In den ruhigen Zeiten der Remission gelingt ihm eine weitgehende Sublimierung der. sadistischen und analen Triebkräfte, so daß sein Verhalten zur Objektwelt der oberflächlichen Betrachtung als normal erscheinen kann. Nicht anders bei der Melancholie, deren Ausgang in „Heilung“, d.h. psychische Gesundheit, sogar,von der klinischen Psychiatrie behauptet wird. Denn auch dem Manisch-Depressiven gelingt eine ähnliche Triebumsetzung während seiner symptom- freien Zeiten. Gerät aber sein Ich in einen akuten Konflikt mit dem Liebesobjekt, so ist die Aufhebung der Beziehungen zum Objekt die nächste Folge. Und nun wird ersichtlich, daß bei ihm die gesamten, dem „Zwangscharakter“ so ähnlichen Sublimierungen und Reaktionsbildungen ihren Ausgang von

or

SE | Dakeal Abraham

der tieferen Stufe der sadistisch-analen Ent- wicklungsphase genommen hatten.

Der Unterscheidung einer primitiven und einer späteren sadistisch-analen Stufe scheint eine erhebliche prinzipielle Bedeutung zuzukommen. Denn an der Grenze beider Ent- wicklungsstadien setzt ein entscheidender Umschwung im Ver- hältnıs des Individuums zur Objektwelt ein. Ja, wenn wir den Begriff „Objektliebe“ in einem engeren Sinne fassen wollten, so dürften wir aussagen, sie beginne an eben dieser Grenze, weil von nun an die Tendenz zur Erhaltung des Objektes überwiegt.

Die Grenze zwischen den beiden Stufen der sadistisch- analen Organisation ist aber nicht bloß von theoretischem

- Interesse. Ihre Annahme gibt uns nicht allein ein klares Bild

einer bestimmten Periode der psychosexuellen Entwicklung des

Kindes, sondern sie verhilft uns auch zu tieferen Einblicken

in die regressiven Wandlungen der Libido ım Bereich der Psychoneurosen. Es wird sich im weiteren herausstellen, wie der Regressionsvorgang beim Melancholiker auf der früheren sadıstisch-analen Stufe nicht halt macht, sondern unaufhaltsam den noch primitiveren ÖOrganisationszuständen der Libido zustrebt. Es gewinnt somit den Anschein, daß die Über- schreitung jener Grenze besonders unheilvoll in. ihren Aus-

_ wirkungen ist. Die Auflösung der Objektbeziehungen scheint

die Libido in raschem Sturz von Stufe zu Stüfe abwärts zu führen. | |

Schätzen wir die Grenzscheide der beiden sadistisch-analen Stufen als so bedeutungsvoll ein, so befinden wir uns in gutem Einklang mit der herkömmlichen ärztlichen Erfahrung. Denn unsere aus der psychoanalytischen Empirie gewonnene Scheidung fällt praktisch zusammen mit der Abgrenzung von Neurosen und Psychosen in der klinischen Medizin. Nur werden wir nicht versuchen, eine starre Unterscheidung nervöser und geistiger Störungen durchzuführen, Vielmehr sind wir gewärtig, daß die Libido eines Menschen in regressiver

De

Versuch einer Entwicklungsseschichte der Libido 21

Entwicklung die Grenze der beiden sadistisch-analen Stufen überschreiten werde, sobald ein entsprechender Krankheits- anlaß gegeben sei und wenn bestimmte, in der individuellen Entwicklung seiner Libido entstandene Fixierungspunkte dazu die Möglichkeit bieten. |

II

Objektverlust und Introjektion in der normalen Trauer und in abnormen psychischen Zuständen

Unsere Untersuchung war vom „freien Intervall“ der periodischen Depressions- und Exaltationszustände ausgegangen. Sie darf sich nunmehr dem Vorgang zuwenden, der die eigent- liche melancholische Erkrankung. einleitet, dem von Freud so genannten Objektverlust und dem mit ihm eng verbundenen Vorgang der Introjektion des verlorenen Liebesobjektes.

Freud hat in seinem Aufsatz über „Trauer und Melan- cholie* den psychosexuellen Prozeß im Melancholiker in seinen Grundzügen geschildert, so wie er ihn in gelegentlichen Behand- lungen depressiver Kranker intuitiv erfaßt hatte. Eine Belegung seiner Theorie mit ausreichenden kasuistischen Tatsachen fehlt bisher in der psychoanalytischen Literatur. Was im folgenden an solchem Material mitgeteilt wird, soll.aber nicht nur zur Ilustration der Theorie dienen, sondern den Grund zu einer eingehenden Würdigung des melancholischen Krankheits- prozesses wie auch der Trauer legen. Es wird sich zeigen, daß die Psychologie der Melancholie wie diejenige der Trauer uns bisher nur unzureichend bekannt sind.:

Man begegnet hin und wieder Fällen von ausgeprägter melancholischer Depression, welche den Prozeß des Verlustes

1) Was das mitzuteilende kasuistische Material-betrifft, so schließen Gründe der Diskretion die Wiedergabe der mir zur Verfügung stehenden vollständigen Analysen aus. Ich beschränke mich also darauf, instruktive Ausschnitte aus verschiedenen Krankheitsfällen zu geben, wodurch übrigens der Vorteil größerer Übersichtlichkeit gewonnen wird.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 23

und der Introjektion des Liebesobjektes auch ohne Psycho- analyse erkennen lassen. Allerdings ist eine solche rasche Erfassung des psychologischen Zusammenhanges erst möglich geworden, seit Freud uns auf seime Grundzüge aufmerksam gemacht hat. Ein besonders instruktives Beispiel hat mir kürz- lich Herr Dr. Elekes in Klausenburg aus seiner psych- iatrischen Anstalts-Praxis mitgeteilt. Eine Patientin wurde wegen einer melancholischen Depression eingeliefert. Sie äußerte wieder und wieder eine Selbstanklage: sie habe gestohlen. In Wirklichkeit hatte die Patientin keinen Diebstahl begangen. Wohl aber war ihr Vater, mit dem sie lebte und an dem sie als unverheiratete Tochter mit ganzer Liebe gehangen hatte, kurz zuvor wegen eines Diebstahls verhaftet worden. Im Anschluß an diesen Vorgang, der sie nicht nur im realen Sinn vom Vater trennte, sondern auch eine tiefe seelische Reaktion im Sinne der Entfremdung vom Vater in ihr hervorrief, brach die melancholische Störung aus. Dem Verlust der’geliebten Person folgt die Introjektion unmittelbar nach. Nun ist die Patientin es selbst, die gestohlen hat, und wir können Freuds Auffassung nur bestätigen, nach welcher die melancholischen Selbstanklagen Euch Anklagen gegen die geliebte Person sind.

Sind sowohl der Verlust als die Introjektion des Objektes in gewissen Fällen ohne Schwierigkeit zu erkennen, so ist doch darauf hinzuweisen, daß eine Einsicht, wie die vorstehend gegebene, durchaus oberflächlichen Charakter trägt, denn sie läßt jedeErklärung des Vorganges vermissen. Der Zusammen- hang des Objektverlustes mit den Tendenzen des Verlierens und Vernichtens auf der früheren anal-sadistischen Stufe wird

erst durch regelrechte Psychoanalyse ersichtlich, ganz ebenso

wie der Charakter der Introjektion als orale Einverleibung. Ja, der ganze, der Melancholie innewohnende Ambivalenzkonilikt

. bleibt einer solchen flüchtigen Betrachtungsweise verborgen.

Ich hoffe, mit Hilfe des später mitzuteilenden Tatsachenmaterials diese Lücke unserer Kenntnis einigermaßen ausfüllen zu können.

24 Dr. Karl Abraham

Zunächst aber muß hier bemerkt werden, daß uns tiefere Einblicke auch in den Vorgang der normalen Trauer insofern noch fehlen, als von der direkten psychoanalytischen Erforschung dieses Seelenzustandes bei Gesunden oder Neurotischen (die Bezeichnung hier im Sinne der Übertragungsneurosen gebraucht!) nichts bekannt geworden ist. Wohl hat Freud uns den wert- vollen Hinweis gegeben, daß der schwere Ambivalenzkonflikt des Melancholikers dem Gesunden fehlt. Aber in welcher Weise die „Trauerarbeit“ im Gesunden sich vollzieht, bleibt im einzelnen noch eine offene Frage. Eine Erfahrung der jüngsten Zeit hat mir nun den lange entbehrten Einblick in den normalen Vorgang der Trauer gegeben und mir gezeigt, daß auch dieser auf den realen Objektverlust eine zeitweise

Introjektion der geliebten Person folgen läßt.

Einer meiner Analysanden: hatte das Unglück, daß seine Ehefrau während seiner Behandlung schwer erkrankte, Sie befand sich in Erwar- tung ihres ersten Kindes. Die schwere Erkrankung machte schließlich die Unterbrechung der Gravidität durch Kaiserschnitt notwendig. Mein Analysand, der eiligst hinzugerufen wurde, kam nach geschehener Operation an. Die Operation aber rettete weder der Frau noch dem zu früh geborenen Kinde das Leben. Mein. Analysand kehrte nach einiger Zeit nach Berlin zurück. Die Fortsetzung der Psychoanalyse, besonders aber ein Traum

aus der folgenden Zeit ließen keinen Zweifel daran bestehen, daß sich an .

den schmerzlichen Verlust ein Introjektionsvorgang von oral-kannibalischem Charakter angeschlossen hatte.

Eine der auffälligsten seelischen Erscheinungen beim Analysanden bestand zu jener Zeit in einer wochenlansen Unlust zur Nahrun gSs- aufnahme. Sie stand mit seinen sonstigen Lebensgewohnheiten in auffälligem Widerspruch, erinnerte dagegen an die Nahrungsverweigerung der Melancholiker. Eines Tages löste sich die Eßunlust, und am Abend hielt der Analysand eine ausgiebige Mahlzeit. In der nun folgenden Nacht träumte er, er wohne der Sektion der jüngst Verstorbenen bei. Der Traum hatte zwei miteinander kontrastierende Szenen. In der einen wuchsen die zerschnittenen Leichenteile wieder zusammen, die Tote begann wieder Lebenszeichen von sich zu geben, und der Träumer liebkoste sie unter Gefühlen höchsten Glückes. In der anderen: Traumszene ändert der Anblick der Sektion seinen Charakter, und der Träumer wird an geschlachtete Tiere in einem Fleischhauerladen erinnert,

ET N TE AT EEE RE TE ee

t) Der Analysand hat mich aus eigenem wissenschaftlichen Interesse zur Verwendung der nachfolgenden Beobachtung autorisiert.

. F pm j Zr

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 25

Die im Traum zweimal dargestellte Sektion knüpfte an die Operation (sectio Caesarea) an. In dem einen Traumbild geht sie in die Wieder- belebung der Toten über, in dem anderen verknüpft sie sich mit kannibalischen Assoziationen. Unter den vom Träumer gegebenen erläuternden Einfällen ist besonders bemerkenswert, daß sich an den Anblick der Leichenteile die Erinnerung an die Mahlzeit des Vorabends assoziierte, besonders an ein genossenes Fleischgericht.

Wir sehen also einen Vorgang im Traum zwei verschiedene Ausgänge nehmen, die nebeneinander gestellt sind, wie wir es so häufig finden, wenn der Traum ein „Gleichwie“ zum Aus- druck bringen will. Das Verzehren des Fleisches der Verstorbenen wird mit ihrer. Wiederbelebung gleichgesetzt. Nun haben wir aus Freuds Untersuchung des melancholischen Introjek- tionsprozesses erfahren, daß durch diesen das verlorene Objekt tatsächlich wiederbelebt wird: Es wird im Ich wieder auf- gerichtet. In unserem Falle hatte der Trauernde sich eine Zeitlang dem Schmerze überlassen, als ob es keinen Ausweg aus diesem gäbe. Die Unlust zur Nahrungsaufnahme schließt ein Spielen mit dem eigenen Tode in sich, als ob nach dem Tode des Liebesobjektes das eigene Leben seinen Reız verloren hätte. Die Schokwirkung des Verlustes wird aus- geglichen durch den unbewußten Vorgang der Introjektion des verlorenen Objektes. Während dieser Prozeß sich voll- zieht, wird der Trauernde wieder in den Stand gesetzt, sich wie früher zu ernähren, und zugleich kündigt sein Traum das Gelingen der „Trauerarbeit* an. Die Trauer enthält den Trost: Das Liebesobjekt ist nicht verloren, denn nun trage ich es in mir und kann es niemals verlieren! |

Wir erkennen hier das gleiche psychische Geschehen wie im melancholischen Krankheitsprozeß. Es wird später darauf ein- zugehen sein, daß die Melancholie eine archaische Form der Trauer darstellt. Die vorstehende Beobachtung aber läßt uns darauf schließen, daß die Trauerarbeit des Gesunden sich in tiefen psychischen Schichten ebenfalls in der archaischen Form vollzieht.

26 Dr. Karl Abraham

Während der Niederschrift dieser Abhandlung finde ich, daß bereits ein anderer Autor der Erkenntnis des Introjektionsvor- ganges in der normalen Trauer nahe gekommen ist. In seinem kürzlich erschienenen „Buch vom Es“ (S. 124) führt Groddeck das Ergrauen eines Patienten im Anschluß an den Tod des Vaters auf die unbewußte Tendenz zurück, sich dem greisen Vater anzuähneln, ihn dadurch gleichsam in sich aufzunehmen und nun seinen Platz bei der Mutter zu gewinnen.

Ich sehe mich hier genötigt, aus eigenem Erleben einen Beitrag zu dieser Frage zu liefern. Als im Jahre 1916 Freuds oft zitierter Aufsatz über „Trauer und Melancholie“ erschien, bemerkte ich an mit eine sonst nicht erlebte Schwierigkeit, den Gedankengängen des Autors zu folgen. Ich verspürte die Neigung, die „Introjektion des Liebesobjekts* zu verwerfen, trat aber dieser Neigung selbst entgegen, indem ich vermutete, die Ent- deckung des Meisters auf diesem mich selbst so stark interessierenden Gebiet rufe vielleicht ein affektbedingtes „Nein“ bei mir hervor. Erst später erkannte ich, daß diesem nächstliegenden Motiv keine ausschlaggebende Bedeutung zukommen konnte.

Gegen Ende des vorangegangenen Jahres (1915) warich durch den Tod meines Vaters in Trauer versetzt worden; diese verlief unter Erscheinungen, die ich damals nicht auf einen Prozeß der Introjektion zurückzuführen vermochte. Die auffälligste Erscheinung war ein plötzliches starkes Ergrauen des Kopfhaares, dem nach einigen Monaten ein Wiederzunehmen des Haarfarbstoffes folgte. Ich begnügte mich damals mit der Erklärung des Phänomens aus der durchlebten Gemütsbewegung. Doch muß ich mich hinsichtlich des tieferen Zusammenhanges zwischen Trauer und Ergrauen der Haare Groddecks zitierter Anschauung durchaus anschließen.

Ich hatte meinen Vater einige Monate vor seinem Tode zum letztenmal gesehen. Als Kriegsteilnehmer zu kurzem Urlaub in meiner Heimat weilend, fand ich ihn stark gealtert und sehr geschwächt; besonders prägte sich mir der Anblick des fast weiß gewordenen Kopf- und Barthaares ein, das während des Krankenlagers länger als sonst gewachsen war. Dieser letzte Besuch bei meinem Vater blieb in der Erinnerung besonders innig mit dem geschilderten Eindruck verknüpft. Begleitende Umstände und Erschei- nungen, von deren Wiedergabe ich hier absehen muß, lassen mich das Phänomen des vorübergehenden Ergrauens bei mir selbst auf einen Introjektionsvorgang zurückführen.

- Als das wesentliche Motiv, aus welchem ich anfänglich der Freud- schen Theorie des melancholischen Krankheitsprozesses ablehnend gegenüberstand, wird nunmehr meine eigene Neigung erkennbar, im

Zustande der Trauer von dem nämlichen Mechanismus Gebrauch zu machen.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 27

Stimmt dieser Introjektionsvorgang in der Trauer des Gesunden (und des Neurotikers) mit dem melancholischen Introjektionsvorgang ım Prinzip überein, so muß andererseits doch auf die wesentlichen Unterschiede hingewiesen werden. Beim Gesunden schließt sich der Vorgang an einen Realverlust (Todesfall) an und ‚dient überwiegend der Tendenz, die Be- ziehung zu dem Verstorbenen zu konservieren oder was das- selbe ist den erlittenen Verlust zu kompensieren. Niemals wird: das Bewußtsein von ihm in der Weise überwältigt, wie es beim Melancholiker geschieht. Der melancholische Introjektions- prozeß dagegen folgt auf eine fundamentale Störung der lıbidinösen Beziehung zum Objekt. Er ist der Ausdruck eines schweren Ambivalenzkonfliktes, dem das Ich sich nur dadurch zu entziehen vermag, daß es die dem Objekt geltende Feind- seligkeit auf sich selbst nimmt.

Wir sind neuerdings, besonders durch die letzten Forschungen Freuds, darauf aufmerksam gemacht worden, daß der Vor- gang der Introjektion im menschlichen Seelenleben bedeutend weiter verbreitet ist als bisher angenommen wurde. Ich habe hier namentlich auf eine Bemerkung Freuds"! zur Psycho- analyse der Homosexualität Bezug zu nehmen. Nach der Auffassung des Autors, die er ohne tatsächliche Belege erwähnt, würden gewisse Fälle der Homosexualität darauf zurückzuführen sein, daß das Individuum sich den gegengeschlechtlichen Eltern- teil introjiziert hat. Ein junger Mann wäre also in solchen Fällen männlichen Personen zugeneigt, weil er durch einen psychologischen Prozeß der Einverleibung die Mutter in sich aufgenommen hat und nun in ihrer Art auf männliche Personen reagieren muß. Wir hatten bisher hauptsächlich von einer anderen Entstehungsursache der Homosexualität Kenntnis erhalten. Wir erfuhren aus unseren Analysen Homosexueller in der Regel, daß eine Liebesenttäuschung den Sohn von der Mutter fort zum Vater trieb, dem gegenüber er sich nun mit der

1) „Massenpsychologie“ ıg21, Seite 731.

28 / Dr. Karl Abraham

nn —— ———— mn m [nn nn nn

Mutter identifizierte, wie es sonst die Art der Tochter ist. Vor kurzem konnte ich mich nun durch eine meiner Psychoanalysen von dem Vorliegen beider Entwicklungsmöglichkeiten ım gleichen Fall überzeugen. Ein Patient mit bisexueller, jedoch zurzeit homosexueller Einstellung der Libido, hatte nämlich zweimal zuerst in früher Kindheit und hernach im Pubertätsalter eine Wendung seiner Libido zur Homosexualität erlebt. Erst das zweite Mal ging mit einem Vorgang einher, den wir als eine vollkommene Introjektion bezeichnen müssen, weil das Ich des Patienten tatsächlich vom introjizierten Objekt aufgezehrt wurde. Ich kann nicht umhin, hier einen Auszug seiner Psycho- analyse zu geben. Die mitzuteilenden Tatsachen erscheinen mir nicht nur bedeutungsvoll für unser Verständnis der Introjektion, sondern werfen auch ein Licht auf gewisse Erscheinungen der

Manie und Melancholie.

Der Patient war das jüngere von zwei Kindern und war in seinen ersten Lebensjahren ein in jedem Sinne verwöhntes Kind. Die Mutter stillte ihn noch während seines zweiten Lebensjahres mit der Brust, gestattete ihm auf sein stürmisches Begehren diesen Genuß auch noch ziemlich oft im dritten Lebensjahre. und entwöhnte ihn erst mit drei Jahren. Mit der Entwöhnung, die unter großen Schwierigkeiten erfolgte, traf nun zeitlich eine Reihe von Ereignissen zusammen, die den verwöhnten Knaben plötzlich seines Paradieses beraubten. Er war bisher der Liebling der Eltern, der um drei Jahr älteren Schwester und der Kinderfrau gewesen. Die Schwester starb, die Mutter zog sich in eine abnorm betonte und langdauernde Trauer zurück und gehörte nun dem Knaben noch weniger, als es schon durch die Entwöhnung bedingt war. Die Kinderfrau verließ die Familie. Die Eltern des Patienten aber ertrugen das Leben in dem bisherigen Hause nicht, da sie sich beständig an das verstorbene ältere Kind erinnert fühlten. Man zog in ein Hotel und später in ein neues Haus. Mein Patient hatte durch diese Verkettung von Umständen alles verloren, was ihm bis dahin an Mütterlichkeit zuteil geworden war. Die Mutter hatte ihm zuerst die Brust entzogen und sich dann in ihrer Trauer auch psychisch gegen ihn abgesperrt. Schwester und Kinderfrau waren nicht mehr da, und selbst das Haus ein so wichtiges Symbol - der Mutter existierte nicht mehr. Es ist nicht zu verwundern, daß sich

das Liebesbedürfnis des Knaben dem Vater zuwandte. Nach dem Einzug in das neue Haus neigte der Kleine sich außerdem einer freundlichen Nachbarin zu und bevorzugte sie ostentativ vor der Mutter, Die Spaltung der Libido, die sich teils dem Vater, teils einer Frau als Mutterersatz zuwandte, wird bereits hier sichtbar. In den folgenden Jahren aber

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 29

nn nn nt anne

verband den Knaben ein starkes erotisches Interesse mit älteren Knaben, die körperlich dem Typus des Vaters angehörten.

Eine Rückwendung der Libido vom Vater zur Mutter trat in der späteren Kindheit des Patienten ein, als sich der Vater mehr und mehr dem Trunke ergab. Diese Eike der Libido blieb eine Reihe von Jahren vorherrschend. Im halberwachsenen Alter verlor der Patient seinen Vater durch den Tod und lebte nun mit der Mutter, der er jetzt liebevoll zugetan war. Aber nach kurzer Witwenschaft heiratete die Mutter wieder ‚und ging mit ihrem Mann_ für längere Zeit auf Reisen. Sie stieß damit die Liebe des Sohnes aufs neue von sich ab, während der Stiefvater zugleich seinen Haß erregte.

Es folgte eine neue Welle von homosexueller Erotik, Aber nunmehr galt die Sympathie einem anderen Typus junger Männer, der körperlich in bestimmten Eigenschaften durchaus der Mutter des Patienten ent- sprach. Der früher bevorzugte und der jetzt geliebte Typus junger Männer repräsentierten vollkommen den Gegensatz, welcher zwischen Vater und Mutter des Patienten in den betreffenden . körperlichen Beziehungen bestand. Hier ist zubemerken, daß der Patient selbst in diesen Beziehungen durchaus der Mutter glich. Zu dieser zweiten Art von jungen Männern, die von nun an bevorzugte Objekte seiner Libido waren, verhielt er sich aber nach seiner eigenen Schilderung zärtlich-liebevoll und fürsorglich wie eine Mutter.

Nach einer Reihe von Jahren starb die Mutter des Patienten. Er weilte während ihrer letzten Krankheit bei ihr und hielt die Sterbende in seinen Armen. Die starke Nachwirkung dieses Erlebnisses erklärt sich in tieierer Schicht daraus, daß es eine vollkommene Umkehrung der unvergessenen Situation darstellte, in-welcher der Patient als kleines Kind in den Armen und an der Brust der Mutter gelegen hatte.

Kaum war die Mutter gestorben, so eilte der Sohn in die benachbarte Stadt, in welcher er sonst lebte, zurück. Seine Affektlage aber war keines- wegs die eines Trauernden, sondern gehoben, glückselig. Er schildert, wie.er von dem Gefühl beherrscht war, die Mutter nun für immer und unverlierbar in sich zu tragen. Eine innere Unruhe bezog sich nur auf die Beerdigung der Mutter. Es war, als störte ihn die Tatsache, daß der Körper der Mutter noch sichtbar im Sterbehause lag. Erst nach der Beerdigung konnte er sich dem geschilderten Gefühl des unverlierbaren Besitzes der Mutter hingeben.

Wäre es mir möglich, noch weitere Einzelheiten aus dieser Psychoanalyse zu veröffentlichen, so würde der Vorgang der „Einverleibung* der Mutter noch evidenter zutage treten. Doch dürften die mitgeteilten Tatsachen bereits eine deutliche Sprache reden.

Die Introjektion des Liebesobjektes hat in diesem Falle ein-

gesetzt, als der Patient die Mutter durch ihre Wiederver-

oe

30 | Dr. Karl Abraham

heiratung verlor. Das Ausweichen der Libido zum Vater, wie es sich im vierten Lebensjahre des Patienten zugetragen hatte, konnte sich nicht wiederholen; der Stiefvater erwies sich als ungeeignet, die Libido des Patienten zu binden. Das letzte Objekt der infantilen Liebe, das dem Patienten noch geblieben war nämlich die Mutter war zugleich sein erstes. Er wehrte sich gegen diesen schwersten Verlust, der ihn betreffen konnte, auf dem Wege der Introjektion.

Das Gefühl der Glückseligkeit, welches sich aus diesem Vorgang ergab, steht nun in einem erstaunlichen Kontrast zu der schweren seelischen Last, die sich für den Melancholiker aus dem analogen psychischen Prozeß ergibt. Die Ver- wunderung weicht, wenn wir uns der Aufklärungen erinnern, die uns Freud bereits über den melancholischen Introjektions- vorgang gegeben hat. Seine Bemerkung, der „Schatten des verlorenen Liebesobjektes sei auf das Ich gefallen“, brauchen wir nur ins Gegenteil zu verkehren. In dem soeben geschil- derten Fall hat sich nicht der Schatten, sondern der strahlende Glanz der geliebten Mutter dem Ich des Sohnes mitgeteilt. Dies konnte geschehen, weil nach dem realen Verlust des Liebesobjektes auch beim normalen Menschen die zärtlichen Gefühle mit Leichtigkeit die feindlichen Regungen beiseite drängen. Anders beim Melancholiker! Denn bei ihm finden wir ım Bereich der Libido einen so schweren Ambivalenz- konflikt, daß jedes Liebesgefühl unmittelbar von gegensätz- lichen Regungen bedroht wird. Irgendeine „Versagung“, eine Enttäuschung durch das Liebesobjekt, läßt eines Tages eine übermächtige Welle des Hasses entstehen, der die allzu labilen Liebesgefühle rasch erliegen. Die Aufhebung der positiven Besetzung führt hier zu der tiefgreifendsten Folge, d. h. zum Aufgeben des Objektes. In dem oben geschilderten, nicht melancholischen Falle hingegen ging der reale Ver- lust voraus und zog eine Libidoveränderung nach sich.

II

Der Introjektionsvorgang in der Melancholie Zwei Stufen der oralen Entwicklungsphase

der. Libido

Den weiteren Ausführungen über den Introjektionsvorgang bei der Melancholie möge ein besonders instruktives Beispiel

vorausgehen.

Der Patient, von welchem ich zu berichten habe, hatte bereits mehrere typische melancholische Erkrankungen hinter sich, als ich ihn kennen lernte. Er befand sich in der Rekonvaleszenz von einem solchen Zustand, als wir seine Psychoanalyse begannen. Die vorausgegangene schwere Krankheitsperiode hatte unter bemerkenswerten Umständen begonnen. Der Patient stand seit längerer Zeit einem jungen Mädchen nahe und hatte sich mit ihr verlobt. Aus Anlässen, die hier nicht näher zu erörtern sind, hatte seine Zuneigung einem heftigen Widerstand Platz gemacht. Es kam zu einer völligen Abwendung vom Liebesobjekt dessen Identi- fizierung mit der Mutter durch seine Psychoanalyse evident wurde und zu einer Depression mit ausgeprägter Wahnbildung. In der Re- konvaleszenz geschah nun eine Wiederannäherung an die Verlobte, die trotz seiner Ablehnung zu dem Patienten gehalten hatte. Aber nach einiger Zeit erfolgte ein kurzdauernder Rückschlag, dessen Entstehen und Ver- schwinden ich als Analytiker vollkommen beobachten konnte.

Der Widerstand gegen die Verlobte, der unverkennbar wieder zutage trat, äußerte sich unter anderem durch eine „passagere Symptombildung‘“. Während der Tage, in welchen die Stimmung sich im depressiven Sinne verschlechterte, unterlag der Patient einem Zwang, seinen Darmschließ- muskel zu kontrahieren. Das Symptom erwies sich als mehrfach deter- miniert. Hier interessiert besonders seine Bedeutung im Sinne eines krampfhaften Festhaltens des Darminhaltes. Von letzterem wissen wir, daß er für unser Unbewußtes das Prototyp des Besitzes darstellt. Jene passagere Erscheinung war also einem körperlichen Festhalten dessen gleichzusetzen, was ihm aufs neue verloren zu gehen drohte. Eine andere Determinierung sei hier nur nebenbei vermerkt. Es ist die passiv-homo-

32. Dr. Karl Abraham

sexuelle Einstellung zum Vater, in welche der Patient jedesmal zu geraten drohte, wenn er sich von der Mutter oder einem Mutterersatz abwandte. Die in dem Symptom liegende Abwehr richtet sich also gleichermaßen gegen den Objektverlust wie gegen die Wendung zur Homosexualität.

Wir haben mit Freud angenommen, daß sich beim Melancho- liker an den Objektverlust ein Restitutionsversuch anschließt. Was in der Paranoia in einer spezifischen Weise durch den Prozeß der Projektion erreicht wird, geschieht in der Melancholie mit anderem Erfolg auf dem Wege der Intro- jektion. Mit der soeben geschilderten Symptombildung im Beginn eines kurzdauernden Rezidivs war es bei dem Patienten nicht abgetan. Vielmehr berichtete er mir einige Tage später und wiederum völlig spontan von einem zweiten Symptom, welches das erstgeschilderte sozusagen abgelöst hatte. Auf der Straße war die zwanghafte Phantasie aufgetreten, herum- liegenden Kot zu essen. Sie. erwies sich als Ausdruck der Tendenz, das als Kot ausgestoßene Liebesobjekt dem Körper in Gestalt von Kot wieder einzuverleiben. Hier ergibt sich uns also eine buchstäbliche Bestätigung unserer Annahme, daß das Unbewußte den Objektverlust als analen, die Introjektion als oralen Vorgang auffaßt und bewertet.

Der Impuls zur Koprophagie scheint mir eine für die Melancholie typische Symbolik zu enthalten. Nach meinen übereinstimmenden Erfahrungen bei verschiedenen Patienten ist das Liebesobjekt die Zielscheibe bestimmter Impulse, wie sie der tieferen anal-sadistischen Organisationsstufe entsprechen; es sind die Antriebe zum (analen) Ausstoßen und zum Ver- nichten (Ermorden). Das Produkt der Ermordung die Leiche wird mit dem Produkt der Ausstoßung dem Kot identifiziert. Wir verstehen nunmehr den Antrieb zum Kot- essen als einen kannibalischen Impuls zum Verzehren des getöteten Liebesobjekts. Ich fand bei einem meiner Patienten die Vorstellung vom Kotessen verknüpft mit der Vorstellung der Strafe für schwere Schuld, und zwar mit psychologischem Recht, wie wir hinzufügen dürfen; mußte er doch auf diesem Wege ein Verbrechen wieder gut machen,

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 33

.—

dessen Identität mit der Ödipustat wir noch verstehen lernen werden.” Schon hier sei aber auf die bemerkenswerten Mit- teilungen über Nekrophagie hingewiesen, welche Röheim auf dem Psychoanalytischen Kongreß 1922 machte, Sie legen uns

die Auffassung nahe, daß die Trauer in ihrer archaischen

Form ım Verzehren des Getöteten ihren Ausdruck findet. Nicht immer offenbart sich die Bedeutung melancholischer Symptome im Sinne der Abstoßung und Wiedereinverleibung des Liebesobjektes so leicht ‘und einfach wie in dem soeben geschilderten Beispiel. In welchem Maße diese Tendenzen unkenntlich gemacht sein können, möge eine Beobachtung zeigen, welche der Psychoanalyse eines anderen Patienten

entstammt.

Er berichtete mir eines Tages, daß er im Depressionszustand eine eigen- tümliche Neigung bei sich bemerkt habe. Im Beginn der Depression sei er stets mit gesenktem Kopf gegangen. Wenn seine Augen dann mehr dem Boden als den vorübergehenden Menschen zugewandt waren, so achtete er mit einem zwanghaften Interesse darauf, ob Perlmutterknöpfe auf der Straße lägen. Fand er einen solchen, so nahm er ihn und steckte ihn in die Tasche. Diesen öfter wiederholten Handlungen gab er die rationalisierende Begründung, er habe im Beginn der Depression ein solches Gefühl der Minderwertigkeit, daß er froh sein müsse, wenn er auch nur ein Knöpfchen auf der Straße finde. Er wisse ja nicht, ob er je wieder fähig sein werde, auch nur so viel Geld zu verdienen, um sich die geringste Kleinigkeit kaufen zu können. In seinem elenden Zustande müßten ihm selbst derartige Gegenstände, die andere verloren hätten, noch als sehr wohl verwertbar erscheinen.

Zu dieser Erklärung stand im Widerspruch, daß er andere Gegenstände, besonders aber Knöpfe aus sonstigem Material, mit einer gewissen Ver- achtung liegen ließ. Die freien Assoziationen führten allmählich zu den tieferen Determinierungen der absonderlichen Neigung. Sie zeigten, daß der Patient mit dem Material der Perlmutterknöpfchen die Vorstellung von

„blank und sauber“ und ferner diejenige eines besonderen Wertes

verband. Wir waren damit bei seinen verdrängten koprophilen Interessen angelangt. Ich brauche hier nur an Ferenczis schöne Ausführungen „Zur Ontogenese des Geldinteresses“2 zu erinnern. Sie haben

I) Nach einem Hinweis von Dr. J. Härnik findet sich auf ägyptischen Grabdenkmälern ein dem Toten zugeschriebenes Gebet: es möge ihm die Strafe des Kotessens erspart bleiben. Vergl. Erman, Religion der Ägypter.

2) Zeitschrift für Psychoanalyse, Jahrg. U, 1914.

34 Dr. Karl. Abraham

uns gezeigt, wie die infantile Lust von weichem, knetbarem zunächst zu hartem, körnigem Material, dann zu kleinen festen Gegenständen mit sauberer und glänzender Oberfläche übergeht. Im Unbewußten bleibt die Gleichsetzung dieser Objekte mit Kot bestehen.

Die Perlmutterknöpfchen bedeuteten also Kot. Das Aufheben von der Straße erinnert uns an die Zwangsimpulse in dem vorher geschilderten Falle, die sich unverhüllt auf das Aufheben und Verzehren von Kot von der Straße bezogen. Besonders ist hier eine Gleichsetzung hervorzuheben: Man verliert einen Knopf von der Kleidung, wie man Kot fallen läßt." In beiden Fällen handelt es sich also um das Aufheben und Behalten eines verlorenen Objektes,

In einer der folgenden Stunden nahm der Patient den Faden der Analyse wieder auf, indem er mir mitteilte, der geschilderte sei nicht der einzige befremdliche Antrieb, der sich während seiner Depressionszustände geäußert habe. Während seiner ersten depressiven Erkrankung habe er sich in X. in der Klinik des Professors Y. befunden. Eines Tages hätten zwei Verwandte ihn zu einem Spaziergange abgeholt. Er habe sich für Parkanlagen, Gebäude und was man ihm sonst zeigte, gar nicht interessiert. Auf dem Rückwege zur Klinik sei er dagegen vor einem Laden stehen geblieben, in dessen Schaufenster er einige Stücke „Johannisbrot“ erblickte. Ein sehnlicher Wunsch sei in ihm rege geworden, davon etwas zu kaufen, und er habe dem Wunsch nachgegeben.

Dieser Erzählung folgte sogleich ein Einfall des Patienten. In seinem kleinen Heimatsort befand sich, dem elterlichen Hause gegenüber, ein kleiner Laden, dessen Inhaberin eine Witwe war. Der Sohn dieser Frau war sein Spielgefährte. Der Patient erinnerte sich nun, wie die Frau ihm Johannisbrot schenkte. Zu jener Zeit war im Leben des Patienten bereits das verhängnisvolle Erlebnis eingetreten, an das seine spätere Erkrankung anknüpfte: eine tiefgreifende Liebesenttäuschung durch die Mutter. Die Frau auf der anderen Straßenseite ist in den Kindheitserinnerungen des Patienten der „bösen Mutter“ als Beispiel gegenübergestellt. Der automatisch auftauchende Impuls, Johannisbrot in einem Laden zu kaufen und zu essen, entspricht zunächst dem Begehren nach mütterlicher, fürsorglicher Güte. Daß gerade das Johannisbrot als symbolisches Ausdrucksmittel gewählt ist, erklärt sich aus seiner an Kot erinnernden länglichen Form und Drdanen Farbe. So stoßen wir auch hier wieder auf den Antrieb zum Kotessen als Verkörperung der Sehnsucht nach dem verlorenen Liebesobjekt.

Eine weitere Assoziation des Patienten gehört ebenfalls dem Bereich der Kindheitserinnerungen an. In seiner Heimatstadt wurden beim Bau einer Straße Muschelschalen ausgegraben, die auf der einen Seite von anhaftender Erde schmutzig aussahen, auf der anderen Seite dagegen einen schillernden Perlmutterglanz zeigten. Abermals finden wir eine Beziehung zum Heimatort, der im Seelenleben des Patienten in unzweifelhafter Weise ET FIRE PR ar AR ERTL ER ENTE EEE EEE TIEFEN NEE NEE

2) Bezüglich dieser Identifizierung vergleiche man den im ersten Kapitel geschilderten Fall. |

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 35 MI

mit der Mutter identifiziert wurde. Die damals gefundenen Perlmutter- schalen sind die Vorläufer der aus solchem Material hergestellten Knöpfchen. Die Perlmutterschalen aber erwiesen sich in der Analyse als ein Mittel zur Darstellung der ambivalenten Einstellung des Sohnes zur Mutter. Das Wort „Perlmutter“ enthält die hohe Schätzung der Mutter: als „Perle“, Aber die blanke, gleißende Seite trügt; die andere Seite der Mutter ist nicht so schön. Die „böse“ Mutter, von der die Libido des Sohnes sich zurückziehen mußte, wird durch die Gleichsetzung mit Kot beschimpft und erniedrigt.!

Die vorstehenden Beispiele mögen vorläufig genügen, um den Verlauf des melancholischen Prozesses in seinen zwei Phasen Verlust und Wiedereinverleibung des Liebesobjektes psychoanalytisch verständlicher zu machen. Jede dieser beiden Phasen bedarf aber noch einer gesonderten Unter- suchung.

Wir haben die Tendenz zum Aufgeben des Liebesobjektes bereits aus einem Verharren der Libido auf der früheren anal- sadistischen Stufe erklärt. Neigt aber der Melancholiker dazu, selbst dieses Niveau mit dem noch primitiveren der oralen Organisationsstufe zu vertauschen, so müssen wir annehmen, es beständen in der Entwicklung. seiner Libido besondere Fixierungspunkte auch aus jener Zeit, da sein Triebleben noch vorwiegend von der Mundzone beherrscht wurde. Die psycho- analytischen Ergebnisse rechtfertigen diese Erwartung durchaus;

einige Beispiele mögen zum Beweis dienen.

1) Zur Ergänzung dieser Analyse sei noch die im gesamten mensch- lichen Phantasieleben übliche Verwendung der Muschel als weibliches Symbol herangezogen. x

Wir verdanken Röheim den Hinweis auf die an vielen Orten übliche Verwendung der Muscheln als Geld. Auch dieser Gebrauch hängt mit ihrer weiblichen Genitalbedeutung zusammen. Bemerkenswert ist, daß man

. keine am Wohnort gefundenen Muscheln als Geld benützt, sondern daß

sie von fern hergekommen sein müssen. Man muß in dieser Tatsache einen Ausdruck weit getriebener Inzestscheu erblicken, der der Vorschrift der Exogamie vergleichbar ist. Ein Weib vom eignen Stamme oder eine am eignen Strand gefundene Muschel repräsentiert das verbotene mütterliche Genitale. | |

Übrigens werden Muscheln, weil vom Meere ausgeworfen, ebenfalls dem Kot gleichgesetzt, ähnlich wie Bernstein und dergleichen Materialien, (Diese Hinweise entstammen zum Teil einer Diskussion in der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung.)

3”

36 "Dr. Karl Abraham

Wiederholt bin ich bei Melancholischen auf starke perverse Gelüste gestoßen, die in einer Verwendung des Mundes an Stelle des Genitales bestanden. Zum Teil wurden diese Wünsche in Gestalt des Cunnilinguus zur Erfüllung gebracht. Meist aber handelte es sich um äußerst lebhafte Phantasien, die sich auf kannibalische Regungen bezogen. Die Patienten phantasieren vom Beißen in alle möglichen Körperteile des Liebesobjektes (Brust, Penis, Arm, Gesäß usw.). In den freien Assoziationen begegnete ich viele Male der Vorstellung des Verschlingens der geliebten Person oder des „Abbeißens* von ihrem Körper, andere Male wieder einemSpielen mit nekrophagen Vorstellungen dies alles bald in kindlich-ungehemmter Weise, bald ver- steckt unter Ekel und Schrecken. Daneben wieder finden sich

heftige Widerstände gegen den Gebrauch der Zähne. Ein

Patient sprach von seiner „Kaufaulheit“ als besonderer Erscheinung seiner melancholischen Verstimmung. Es scheint, daß der Nichtgebrauch der Zähne geradezu Krankheits- erscheinungen am Gebiß herbeiführen kann. Daß die schwersten Grade der melancholischen Nahrungsverweigerung eine Selbst- bestrafung für kannibalische Antriebe därstellten, habe ich schon früher (1917) gezeigt. In einer Sitzung der British Psycho- analytical Society hat kürzlich Dr. James Glover auf kanni- balische Antriebe in einem Fall von periodischer Melancholie hingewiesen und besonders ihre Umwandlung in Selbstmord- impulse analysiert." ae

Krankheitssymptome, Tagträumereien und Träume der Melancholiker bieten uns eine bunte Mannigfaltigkeit oral- sadistischer Tendenzen in bewußter und verdrängter Gestalt. Sie sind eine hauptsächliche Quelle seelischen Leidens in der ee er ET RE RE ee

1) Einer meiner Patienten hatte einen nahezu geglückten Selbstmord- versuch durch einen tiefen Halsschnitt begangen. Das Suicid war ein Wüten gegen das introjizierte Liebesobjekt, untermischt mit Selbst- bestrafungstendenzen. In der Psychoanalyse kamen Phantasien zum Vor- schein, die mit der biblischen Erzählung von der Opferung Isaaks zusammen- hingen. Diese ist ja die Geschichte vom Vater mit dem Messer, der den Sohn zu opfern gedenkt.

| Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 37

Melancholie, besonders wenn sie sich als Tendenz zur Selbstbestrafung gegen das eigene Ich des Kranken wenden. Wir bemerken hier einen Gegensatz zu gewissen neurotischen Zuständen, in welchen bestimmte Symptome als Ersatzbefrie- digungen der Oralzone erkennbar sind. Ich habe derartige Fälle in meiner Publikation über die früheste prägenitale Organisationsstufe beschrieben. Vollends stellt in gewissen Perversionen die Munderotik eine bedeutungsvolle Lust- quelle dar. Ohne den masochistischen Lustwert der melan- cholischen Symptome zu vernachlässigen, muß man doch den im Vergleich zu anderen Krankheitsformen sehr hohen Unlust- gehalt der Melancholie betonen. Folgt man aufmerksam den Ideengängen der Kranken, so erfährt man, daß dieses hohe Maß von Unlust mit der Stufe der Libidoentwicklung verknüpft ist, zu welcher der Melancholische nach dem Objektverlust regrediert ist. Wir bemerken nämlich bei unseren Kranken eine eigentümliche Sehnsucht nach einer Betätigung des Mundes, die zu

den geschilderten Beiß- und Freßphantasien im Gegensatz steht.

Ein Patient berichtete mir zur Zeit des Nachlassens seiner Depression von seinen Tagträumereien. In diesen war er zu Zeiten geneigt, sich den eigenen Körper als weiblich vorzustellen; er suchte sich durch allerhand Kunstgriffe die Illusion eines weiblichen Busens zu geben und phantasierte besonders gern vom Säugling an seiner Brust. Er spielte in diesen Phan- tasien die Rolle der stillenden Mutter, vertauschte sie aber zu anderen Zeiten gegen die des saugenden Kindes. Seine Fixierung an die Mutter- brust äußerte sich einerseits in mannigfaltigen Symptomen im Bereich der Mundzone, andererseits in einem auffälligen Bedürfnis, den Kopf an etwas Weiches, der Mutterbrust Ähnliches anzulehnen. So trieb er auch während der Analysenstunden ein sonderbares Spiel mit einem Kopfkissen. Statt es an seinem Platze zu belassen und seinen Kopf darauf zu legen, bedeckte er diesen mit dem Kissen. Auf assoziativem Wege wurde es deutlich, daß das Kissen die von oben her seinem Kopf genäherte Mutterbrust darstellte. Die Szene wiederholte eine lustvolle Situation der frühen Kindheit. Er hatte übrigens später seinen jüngeren Bruder in dieser Lage bei der Mutter gesehen und eine intensive Eifersucht an diesen Eindruck geknüpft.

In den Bereich der gleichen Wunschvorstellung gehört die Äußerung eines Melancholikers, er habe in der tiefsten Depression das Gefühl, daß die besondere mütterliche Güte einer Frau ihn von seinen Leiden befreien könnte. Die Bedeutung einer solchen Vorstellung habe ich wiederholt analysieren können. Ich kann mich auf die früher von mir gegebene Dar-

I 38 Dr. Karl Abraham

stellung eines derartigen‘ Falles berufen. Ein junger Mann, der an einer (nicht melancholischen) Depression litt, fühlte sich in wunderbarer Weise beruhigt durch den Genuß von Milch, welche seine Mutter ihm darreichte. Die Milch vermittelte ihm das Gefühl des Warmen, Weichen und Süßen und erinnerte ihn an etwas Unbestimmtes, vor langer Zeit Gekanntes. Die Sehnsucht nach der Mutterbrust ist hier unverkennbar.

Aus den bisherigen psychoanalytischen Erfahrungen muß ich schließen, daß der Melancholische den oral-sadistischen

Antrieben zu entkommen versucht. Unter diesen Impulsen,

deren Äußerungen das Krankheitsbild beherrschen, lagert in der Tiefe das Verlangen nach lustvoller, saugender Betätigung.

Wir werden somit genötigt, ganz wie zuvor im Bereich der anal-sadistischen, jetzt auch im Bereich der oralen Entwicklungs- phase eine Stufung anzunehmen. Auf der primären Stufe ist die Libido des Kindes an den Saugeakt gebunden. Dieser ist ein Akt der Einverleibung, durch welchen aber die Existenz ' der nährenden Person nicht aufgehoben wird. Das Kind vermag

noch nicht zwischen seinem Ich und einem Objekt außerhalb

desselben zu unterscheiden. Ich und Objekt sind Begriffe, welche dieser Stufe überhaupt nicht entsprechen. Das saugende Kind und die nährende Brust (oder Mutter) stehen in keinem Gegensatz zueinander. Auf Seiten des Kindes fehlen sowohl die Regungen der Liebe wie die des Hasses. Der seelische Zustand des Kindes auf dieser Stufe ist demnach frei von den ' Erscheinungen der Ambivalenz.

Die sekundäre Stufe ist’ von der primären unterschieden durch de Wendung des Kindes von der saugenden Mundtätigkeit zur beißenden. Ich muß hier einer privaten Mitteilung gedenken, die mir van Ophuijsen zur Verfügung gestellt hat. Sie liefert einen wichtigen Beitrag zum Verständnis des melancholischen Vorganges, ähnlich wie ein

kleiner Aufsatz dieses Autors! die Beziehung der Paranoia zur

anal-sadistischen Stufe geklärt hat. Durch psychoanalytische Erfahrung ist van Ophuijsen zu der Ansicht gelangt, daß EN a FF DEE

ı) Internat. Zeitschr. f. Psychoanalyse Jahrg. VI, 1920.

i

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 39

bestimmte neurotische Erscheinungen einer Regression auf das Alter der Zahnbildung entstammen, und fernerhin, daß das Beißen die Urform des sadisti- schen Impulses darstellt. Ohne Zweifel ist das Gebiß das Werkzeug, mit dessen Hilfe das Kind zuerst Zerstörungen in der Objektwelt anrichten kann, zu einer Zeit, da die Hände höchstens zu einer Hilfeleistung im Sinne des ‚Ergreifens und Haltens brauchbar sind. Die von Federn‘ gegebene Herleitung des Sadismus von genitalen Sensationen beruht zweifellos auf richtiger Beobachtung; doch kann es sich auf genitalem Gebiet nicht um so frühe Erscheinungen handeln wie auf oralem Gebiet. Die von uns so genannten sadistischen Antriebe ent- stammen eben einer Anzahl von verschiedenen Quellgebieten, unter welchem hier noch besonders das exkrementale erwähnt werden mag. Beachtung verdient weiter die enge Ver- bindung des Sadismus mit dem Muskelsystem. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß das Kind auf keinem anderen Muskelgebiet auch nur annähernd so große Kraftleistungen hervorbringt, wie im Bereich der Kaumuskulatur. Auch sind die Zähne die einzigen Organe von genügender Härte, um auf die Objekte der Außenwelt zerstörend einwirken zu können. Auf der Stufe der beißenden Mundtätigkeit wird das Objekt einverleibt und erleidet dabei das Schicksal der Vernichtung. Man braucht nur einem Kinde zuzusehen, um sich von der Intensität der Beißimpulse zu überzeugen, in welchen Nahrungs-

trieb und Libido noch zusammenwirken. Es ist das Stadium

der kannibalischen Antriebe. Folgt das Kind den Reizen des Objektes, so gerät es zugleich in die Gefahr, ja in die Not- wendigkeit, das Objekt zu vernichten. Damit beginnt die Ambivalenz, das Verhältnis des Ich zum Objekt zu beherr- schen, Die sekundäre, oral-sadistische Stufe bedeutet also in der Libidoentwicklung des Kindes den Anfang des

ı) „Beiträge zur Analyse des Sadismus und Masochismus.“ Internationale Zeitschr. f, Psychoanalyse Jahrg. I. 1913.

40 Dr. Karl Abraham

Ambivalenzkonfliktes, während wir die primäre (Saug-) Stufe als vorambivalent bezeichnen müssen.

Dasjenige Stadium also, zu welchem die Libido des Melan- cholikers nach dem Eintritt des Objektverlustes regrediert, birgt in sich den Ambivalenzkonflikt in primitivster und dem- entsprechend in besonders schroffer, krasser Form. Die Libido droht dem Objekt Vernichtung durch Auffressen. Erst allmählich gewinnt der Ambivalenzkonflikt und zugleich das Verhältnis zum Objekt mildere Formen.. Die Ambivalenz aber haftet den Regungen der Libido auch während der folgenden Ent- wicklungsstadien an. Ihre Bedeutung auf der anal-sadistischen Stufe ist bereits gewürdigt worden. Aber auch ım Aufbau der Neurosen, die auf der genitalen Organisationsstufe entstehen, tritt uns überall die Ambivalenz der Gefühlsregungen entgegen. Erst der normale Mensch, der sich von den infantilen Erschei- nungen der Sexualität relativ am weitesten entfernt hat, ist im wesentlichen ambivalenzfrei. Seine Libido hat sozusagen einnachambivalentes Stadium erreicht und damit die volle Fähigkeit zur Anpassung an die Objektwelt gewonnen.

Es wird nunmehr deutlich, daß auch innerhalb der genitalen Organisationsphase zwei Stufen zu unterscheiden sind, ganz wie im Bereich der beiden prä- genitalen Phäsen. Ich komme damit zu einem Ergebnis,‘ das. sich mit Freud’s’ kürzlich veröffentlichter Aufstellung einer „Phallischen“, früh-genitalen Stufe vortrefflich zu decken scheint. Wir hätten somit im Ganzen sechs Entwicklungsstufen anzu- nehmen. Ausdrücklich sei bemerkt, daß ich die obige Einteilung weder als endgültig noch als erschöpfend betrachte. Sie stellt nur eine Übersicht der fortschreitenden Organisation der menschlichen Libido dar, soweitdie bisherigen psychoanalytischen Ergebnisse uns Einblicke in den langwierigen Prozeß ermöglicht haben. Ich muß aber betonen, daß der Übergang von der niederen zur höheren Stufe innerhalb jeder der drei großen Entwicklungsphasen keineswegs ein Vorgang von untergeordneter 1) Internationale Zeitschr. f, Psychoanalyse Jahrg. IX, 99

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 4i

Bedeutung ist. Der Wechsel der dominierenden erogenen Zone ist uns in seiner Bedeutung für die normale psychosexuelle Entwicklung und für die Charakterbildung längst geläufig. In jeder der drei Epochen spielt sich ein Vorgang ab, der für die allmähliche Erreichung der vollkommenen Objektliebe von großem Belang ist. Innerhalb der oralen Epoche vertauscht das Kind die konfliktfreie, vorambivalente Einstellung seiner Libido gegen eine ambivalente und überwiegend objektfeind- liche. Der Schritt von der älteren zur jüngeren anal-sadistischen Stufe bedeutet einen Übergang zur Schonung des Objektes. Innerhalb der genitalen Epoche wird endlich die Ambivalenz überwunden und damit die volle sexuelle wie soziale Brauch- barkeit erzielt. 1 |

Die Wandlungen im Verhältnis des Individuums zur Objekt- welt sind hiermit keineswegs erschöpfend behandelt; sie werden vielmehr späterhin den Gegenstand einer gründlichen Unter- suchung bilden.

IV Beiträge zur Psychogenese der Melancholie

Die vorstehenden Ausführungen haben uns verständlich werden lassen, warum die Ambivalenz des Trieblebens für den Melancholiker besonders ernste Konflikte mit sich bringt, die sein Verhältnis zum Liebesobjekt bis in die Tiefe erschüttern. Die Abwendung von demjenigen Objekt, um welches das gesamte Gefühlsleben des Patienten wie um ein Zentrum kreist, greift auf die Personen der engeren und weiteren Umgebung, ja auf die Menschheit im allgemeinen über. Selbst hier macht

die Einziehung der Libido nicht halt, sondern sie teilt sıch allem mit, woran der Kranke zuvor interessiert war; Beruf, Liebhabereien, Natur, wissenschaftliche und sonstige Interessen haben ihren Reiz für ihn verloren. Wir kennen eine ähnlich weitgehende Abwendung der Libido von der gesamten Außen- welt auch ım Krankheitsbild der Dementia praecox (Schizo- phrenie), nur mit dem Unterschied, daß dort der Verlust aller Interessen mit stumpfer Gelassenheit aufgenommen wird, während der Melancholische diesen Verlust beklagt, ja mit Vorliebe seine Minderwertigkeitsgefühle mit ihm in Verbindung bringt. |

Ein tieferes Eindringen in das Seelenleben des Melan- cholischen läßt uns aber erkennen, daß derselbe Mensch, der im Depressionszustand den Verlust aller Interessen beklagt, zu diesem Verlust prädisponiert war durch das besondere Maß von Ambivalenz in seinem Gefühlsleben. Seine Hingabe an Beruf, geistige Interessen usw. war lange Zeit vor dem ersten

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 43

Ausbruch der Erkrankung von gewaltsamer, krampfhafter Art und trug ‘somit die Gefahr eines plötzlichen Abbruches in sich. Doch die Wirkungen der Ambivalenz reichen im melan- cholischen Krankheitsprozeß noch weiter. Nachdem die Libido- besetzung vom Objekt zurückgezogen ist, wendet sie sich, wie wir bereits wissen, dem Ich zu, während gleichzeitig das Objekt dem Ich introjiziert wird. Das Ich hat nun alle Folgen dieses Vorganges zu tragen; es ist also fortan der Ambivalenz der libidinösen Antriebe schonungslos ausgesetzt. Nur ober- flächliche Betrachtungsweise läßt uns glauben, der Melan- cholische sei allein von einer quälenden Selbstverachtung und einer ausschließlichen Sucht zur Selbstverkleinerung durch- drungen. Ein aufmerksames Studium lehrt uns, daß wir von unseren Patienten mit gleichem Recht das Gegenteil aussagen dürfen. Es wird sich später zeigen, daß in dieser ambi- valenten Einstellung zum Ich die Möglichkeit zum Wechsel melancholischer und manischer Zustände gelegen ist. Für jetzt aber hat uns der Nach- weis der ambivalenten Einstellung zum Ich zu beschäftigen, wie sie sich während der melancholischen Phase zeigt; nur auf diesem Wege nähern wir uns dem Verständnis der melan- cholischen Symptome.

Der klinischen Psychiatrie ist, soweit mir bekannt, diese wichtige psychologische Eigenart der Melancholie entgangen. Freud: hingegen hat sie erkannt. Wie er von den Patienten aussagt, sind sie „weit davon entfernt, gegen ihre Umgebung die Demut und Unterwürfigkeit zu bezeugen, die allein so unwürdigen Personen geziemen würde, sie sind vielmehr ım höchsten Grade quälerisch, immer wie gekränkt und als ob ihnen ein großes Unrecht widerfahren wäre“. Die Tatsachen nötigen uns aber, über diese Feststellung noch hinauszugehen.

Es handelt sich hier um Erscheinungen, die naturgemäß von

' Fall zu Fall verschieden ausgeprägt sind. Ganz allgemein aber

darf: man sagen, der Melancholiker trage ein Gefühl der Über- 1) „Trauer und Melancholie“, Zeitschrift Jahrg. IV, S. 293.

44 Dr. Karl Abraham

legenheit in sich, das sich selbst im freien Intervall erweisen laßt. Es richtet sich gegen seine Familie, Bekannte, Berufs- genossen, ja gegen die Gesamtheit der Menschen. Besonders fühlbar wird es dem behandelnden Arzte. Einer meiner Patienten betrat mein Sprechzimmer stets mit einer überlegenen Pose, die sich in Körperhaltung und Mienenspiel äußerte. Besonders gern wird gegenüber den Ergebnissen der Psycho- analyse eine überlegene Skepsis zur Schau getragen. Bei einem anderen Patienten wechselte dieses Verhalten mit einer über- triebenen Demut; in letzterer Gemütsverfassung gab er sıch beispielsweise der Phantasie hin, vor mir niederzufallen, meine Kniee zu umfassen und mich flehentlich um meine Hilfe zu bitten.

Bekannt ist die Unzugänglichkeit der Melancholischen für jeden Einspruch des Arztes gegen seine Ideengänge, besonders erweisen sich natürlich seine Wahnbildungen als resistent gegen solchen Einfluß. Ein Patient erklärte mir, er habe, wenn ıhm von ärztlicher Seite Vorstellungen über das Unbegründete seiner Selbstanklagen gemacht worden seien, „nicht einmal die Worte gehört“. Was eine Phantasie zur Wahnvorstellung macht, ist der rein narzißtische Charakter des Denkvorganges, mit welchem auch die Unkorrigierbarkeit des Wahnes zusammenhängt. Neben dieser Determinierung ist noch eine zweite für das Verhalten

des Melancholischen maßgebend: die Geringschätzung der

anderen Menschen, die an seine Ideen den Maßstab der Realı- tät anlegen.

Eine der auffallendsten Einseitigkeiten der klinischen Psychiatrie

besteht darin, daß sie die krankhaften Vorstellungen der Melan-

cholischen als „Kleinheitswahn* zu charakterisieren liebt. Tatsächlich schließt dieser „Kleinheitswahn“ in sich eine ausgeprägte Selbstüberschätzung, namentlich hinsichtlich der Bedeutung und Wirkung der eigenen Gedanken, Affekte und Handlungen. Bezeichnend in diesem Sinne ist besonders die Vorstellung, der man bei manchem Melancholischen begegnet: er sei der größte Verbrecher, ja er habe alle Verbrechen seit Anbeginn der Welt begangen. In jeder solchen Wahnidee ist

B.- Be

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 45

r—

neben der introjizierten, dem Liebesobjekt geltenden Anklage die Tendenz enthalten, den eigenen Haß als überwältigend groß, sich selbst als ein Ungeheuer darzustellen.

So stehen ım Bilde der Melancholie Ichliebe und Ichhaß, Selbstüberschätzung und Unterschätzung, mit anderen Worten: Äußerungen eines positivenundeines negativen Narzißmus einander schroff und unvermittelt gegenüber. Wir haben auch bereits Gesichtspunkte gewonnen, die uns dieses auffällige Verhältnis von Libido und Ich allgemein verständlich machen. Es erwächst uns nun eine weitere Aufgabe, nämlich die Ursachen einer so schweren Abweichung von der seelischen Norm aus dem Erleben des Patienten zu erklären. Wir sollen die Frage beantworten, wie der von Freud erschlossene psychologische Prozeß sich im Unbewußten des Patienten abspielt und welche Schicksale seine Libido auf diese Bahn gebracht haben. Mit anderen Worten: wir stehen vor dem Problem der Neurosenwahl, und wir haben uns zu fragen, warum unsere Kranken nicht Hysteriker oder Zwangs- neurotiker, sondern eben Manisch-Depressive geworden sind. Eine endgiltige Lösung des Problems zu erwarten, hieße freilich seine Schwierigkeit unterschätzen. Vielleicht aber dürfen wir eine gewisse Annäherung an das ferne Ziel erhoffen.

Daß eine Liebesenttäuschung das Vorspiel zu einer melan- cholischen Depression bildet, daran kann kein Zweifel bestehen. Die Psychoanalyse solcher Patienten, die mehrere depressive Zeiten durchgemacht haben, lehrt uns, daß jede neue Erkrankung an ein derartiges Erleben anknüpft. Es bedarf kaum der Betonung, daß es sich nicht etwa bloß um Erlebnisse im Sinne der landläufigen „unglücklichen Liebe“ handelt, sondern daß der Anlaß zum „Objektverlust“ keineswegs so klar zutage zu liegen braucht. Erst eingehende Analyse enthüllt uns die Zusammenhänge zwischen Erlebnis und Erkrankung. Regel- mäßig erfahren wir dann, daß der Anlaß zur aktuellen Erkrankung nur darum eine pathogene Wirkung entfalten konnte, weil er vom Unbewußten des Patienten als eine

46 | Dr. Karl Abraham

Wiederholung seines ursprünglichen traumatischen Erlebens in der Kindheit aufgefaßt und verwertet werden konnte. Die zwanghafte Tendenz zur Wiederholung des einmal Erlebten ist mir bei keiner anderen Neurosenform so stark erschienen wie bei der manisch-depressiven Erkrankung. Die Neigung zu häufigen Rückfällen der manischen oder depressiven Zustände legt einen deutlichen Beweis für die Macht des Wiederholungs- zwanges gerade bei unseren Kranken ab.

Es kann nicht die Absicht dieser Untersuchung sein, auf Grund einer sehr beschränkten Zahl von Psychoanalysen Allgemeines und Endgültiges über dıe Psychogenese der zirku- lären Krankheitsformen festzustellen. Dennoch scheint das mir vorliegende Material gewisse Formulierungen zu gestatten, deren vorläufigen Charakter und Unvollständigkeit ich mir nicht verhehle. Ich glaube mich berechtigt, eine Reihe von Faktoren herauszuheben, wobei ich betonen muß, daß erst ihr Zusammenwirken die spezifischen Erscheinungen der melan- cholischen Depression hervorruft. Jeder für sich allein genommen, kann an der Entstehung einer beliebigen anderen Form der Psychoneurose mitwirken. Es kommen in Betracht:

1.) Ein konstitutioneller Faktor. Gestützt auf klinisch-psychiatrische und besonders auf psychoanalytische Erfahrungen verstehe ich hierunter nicht eine direkte erbliche Übernahme der Neigung zu manisch-depressiver Erkrankung von der vorhergehenden Generation. Denn eine solche trifft nur für eine Minderheit von Krankheitsfällen zu. Unter den von mir analysıerten Patienten mit melancholischen und manischen Zuständen im Sinne der strengen klinischen Diagnostik war kein .einziger, in dessen Familie sich eine gleichartige psychische Störung ausgeprägter Art hätte nach- weisen lassen, Neurosen anderer Art dagegen waren reichlich vertreten. Ich neige vielmehr zu der Annahme, daß eine konstitutionelle Verstärkung der Munderoötik vorliegt, ähnlich wie in gewissen Familien die Analerotik primär überbetont zu sein scheint. Eine solche Anlage ermöglicht

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido | 47

2.) die besondere Fixierung der Libido auf der oralen Entwicklungsstufe. Personen mit der an- genommenen konstitutionellen Verstärkung \ der Munderotik sind äußerst anspruchsvoll in Bezug auf die Befriedigung der bevorzugten erogenen Zone und reagieren auf jede Versagung in dieser Hinsicht. mit großer Unlust. Ihre übergroße Sauge- lust erhält sich ın mancherlei Formen auch späterhin. Das Essen, besonders die Kiefertätigkeit, ist abnorm lustbetont. Einer meiner Patienten schilderte spontan, welche Lust ihm das weite Aufsperren des Mundes bereite. Andre schildern die Kontraktion der Kiefermuskeln als speziell lustvollen Vorgang. Die gleichen Patienten sind anspruchsvoll, ja unersättlich in Bezug auf den Austausch oraler LieDesbeweise. Einer meiner Patienten war als kleiner Knabe so stürmisch in dieser Hin- sicht, daß seine Mutter ihm nach längerer Duldung dieser Zärtlichkeiten ein Verbot gab, mit der ungeschickten Begründung, sie möge dergleichen nicht. Kurz darauf ertappte das wach- same Auge des Knaben sie beim Austausch von gleichen Zärtlichkeiten mit dem Vater. Dieses Erlebnis wirkte mit anderen Beobachtungen. zusammen, um in dem Knaben ein ungeheures Maß von nachtragender Feindseligkeit zu erzeugen. Ein anderer Patient äußerte, beim Denken an seine Kindheit empfinde er immer einen faden Geschmack, wie von einer Schleimsuppe, die ihm damals sehr unsympathisch gewesen sei. In der Psychoanalyse ließ sich diese Geschmacksempfindung als ein Ausdruck seiner Eifersucht auf den nach ihm geborenen Bruder erkennen, den er an der Mutterbrust trinken sah, während er selbst zu jener Zeit Suppen und Brei genießen mußte. Diese ihm selbst verloren gegangene intime Beziehung zur Mutter war es, um die er den Bruder im tiefsten Grunde beneidete. In seinen Depressionszuständen trat eine in ihrer Stärke und Eigenart schwer Beschreibliche Sehnsucht nach der Mutterbrust hervor. Verharrt die Libido im reifen Alter in solcher Fixierung, so ist damit eine der wichtigsten Vorbedingungen für die Ent- stehung melancholischer Depression gegeben.

48 Dr. Karl Abraham

———

3.) Schwere Verletzung des kindlichen Narzißmus durch zusammentreffende Liebesenttäuschungen. Wir sind gewohnt, aus der Kindheitsgeschichte Neurotischer über Vorgänge zu erfahren, durch welche das Individuum in seinem Liebesbegehren enttäuscht wurde. Derartige Erlebnisse sind aber für sich allein nicht geeignet, den Grund zu einer melancholischen Erkrankung zu legen. In mehreren meiner Psychoanalysen Melancholischer fand sich mit auffallender Übereinstimmung die gleiche Konstellation in dieser Beziehung. Der Patient, der sich zuvor als Liebling seiner Mutter gefühlt hatte und ihrer Liebe sicher gewesen war, erlitt durch sie eine Enttäuschung, von deren erschütternder Wirkung er sich nur schwer erholen konnte. Fernere Erfahrungen gleicher Art ließen ihm den Verlust als unwiederbringlich erscheinen, zumal sich auch keine geeignete weibliche Person fand, auf welche die Libido übergehen konnte. Des weiteren aber scheiterte auch der Versuch einer Wendung zum Vater entweder sogleich oder später. In dem Kinde entstand so der Eindruck des völligen Verlassenseins; an ihn knüpften sich die frühesten depressiven Anwandlungen. Eine später mitzuteillende Traumanalyse wird darüber volle Sicherheit bringen. Mit dieser Enttäuschung von zwei Seiten sind die immer wiederholten Versuche des Melancholikers, von einer Person des anderen Geschlechtes Liebe zu erlangen, aufs engste verknüpft. |

4.) Eintritt der ersten großen Liebesenttäuschung vor gelungenerBewältigung der Ödipuswünsche. Nach meinen übereinstimmenden Erfahrungen wirkt die geschilderte große Enttäuschung von seiten der Mutter besonders schwer und nachhaltig auf den Knaben, wenn seine Libido das narzıßtische Stadium noch nicht hinlänglich überwunden hat. Die Inzestwünsche sind rege geworden, die’ Empörung gegen den Vater ist in vollem Gange; aber noch hat die Verdrängung keine Gewalt über die Ödipusantriebe gewonnen. Wird der Knabe mitten in seinem ersten großen Anlauf zur Objektliebe

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 49

von dem geschilderten seelischen Trauma überrascht, so sind die Wirkungen besonders ernst. Und da die oral-sadistischen Triebregungen noch nicht ausgeschaltet sind, so kommt es zu einer dauernden assoziativen Verknüpfung des Ödipuskomplexes mit der kannibalischen Stufe der Libidoentwicklung. Hierdurch wird die nachherige Introjektion beider Liebesobjekte, das heißt in erster Linie "der Mutter, sodann auch des Vaters, ermöglicht.

5.) Wiederholung der primären Enttäuschung im späteren Leben bildet den Anlaß zum Ausbruch einer melancholischen Verstimmung.

Wenn nun, wie wir annehmen müssen, die Psychogenese der Melancholie so eng mit Enttäuschungen verknüpft ist, die der Patient in seinem Liebesleben in frühester Zeit oder später erlitten hat, so werden wir bei ihm mit Recht die stärksten feindseligen Regungen gegen alle jene erwarten, die sein narzißtisches Liebesbegehren in so unheilvoller Weise gekränkt haben. Da aber allen späteren Enttäuschungen nur der Wert von Wiederholungen der ursprünglichen zukommt, so wird die gesamte Wut ob dieser Enttäuschungen im tiefsten Grunde einer Person gelten; derjenigen nämlich, die einmal dem Kinde die liebste war, dann aber aufhörte, in seinem Leben diese Rolle zu spielen. Seitdem uns Freud gezeigt hat, daß die auf das Ich des Melancholikers bezüglichen Vorwürfe im wesentlichen dem aufgegebenen Liebesobjekt gelten, werden wir darauf gefaßt sein, in der Selbstkritik des Melancholikers, besonders aber auch in seinen Wahnbildungen, die Anklagen gegen dieses Objekt wiederzufinden.

An dieser Stelle ist eines besonderen psychologischen Tat- bestandes zu gedenken, welcher dem Anschein nach die Melancholie in einen Gegensatz zu anderen Neurosen stellt. Die ambivalente Gefühlseinstellung der von mir analysierten männlichen Patienten wandte sich nämlich mit ihren feindselig- kannibalischen Regungen vorwiegend gegen die Mutter, während doch in anderen neurotischen Zuständen vorzugsweise

4

a | Dr. Karl Abraham

der Vater das Objekt feindlicher Tendenzen ist. Durch die bereits genauer charakterisierte Enttäuschung ist aber das zu jener Zeit noch stark ambivalente Gefühlsleben des Kindes so nachhaltig zuungunsten der Mutter beeinflußt worden, daß gegenüber dieser Feindschaft selbst die dem Vater geltende, aus Haß und Eifersucht entstandene Ablehnung verblaßt. Ich konnte bisher in jeder Psychoanalyse männlicher Melancholischer nachweisen, daß der Kastrationskomplex ganz über- wiegend an die Mutter geheftet war, während sonst seine Beziehung zum Vater weit stärker betont zu sein pflegt. Aber diese Verbindung erwies sich als durchaus sekundärer Natur, auf einer Tendenz zur Umkehrung des Ödipuskomplexes beruhend. Die Feindschaft des Melancholischen gegen seine Mutter erweist sich bei gründlicher Analyse als dem Ödipus- komplex entnommen. Die Ambivalenz seiner Gefühle gilt in gleicher Weise beiden Eltern. Auch die Person des Vaters ist in den Prozeß der Introjektion einbezogen; in manchen Symptomen, wie z.B. in gewissen Selbstvorwürfen, ist die. ursprüngliche Doppelbeziehung der Anklagen zu beiden Eltern erkennbar. Die früher getroffene Feststellung, daß der gesamte

psychologische Vorgang in der Melancholie sich vorwiegend

um die Mutter bewegt, wird: hierdurch nicht geändert, sondern es wird nur die mehrfache Determinierung des Prozesses stärker hervorgehoben.

Faßt man in der Psychoanalyse die Selbstkritik und die Selbstvorwürfe, besonders auch die wahnhaften Selbstanklagen unserer Patienten schärfer ins Auge, so kann man zwei Formen unterscheiden, in welchen der ER UDESVOTEARE seinen Ausdruck findet.

1.) Der Patient hat sich das ursprüngliche Liebesobjekt, an welchem er sein Ichideal gebildet hatte, introjiziert. Es über- nahm damit die Rolle des Gewissens in ihm, freilich eines pathologisch gestalteten. In vielen Einzelerscheinungen läßt sich nun erweisen, daß die krankhafte Selbstkritik gleichsam von der introjizierten Person aus-

Bi. ira ER,

Ex

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 51

geübt wird.‘ Ein Patient pflegte sich selbst in unendlicher Wiederholung „abzukanzeln“, wobei er sich in Tonfall und Ausdruck genau an die Vorwürfe hielt, die er in der Kind- heit von der Mutter oftmals gehört hatte.

2.) Der Inhalt der Selbstvorwürfe stellt im Grunde eine schonungslose Kritik des introjizierten Objektes dar. Ein Patient pflegte über sich selbst mit den Worten zu urteilen: „Meine ganze Existenz ıst auf Betrug aufgebaut.“ Der

- Vorwurf erwies sich als determiniert durch gewisse Tatsachen

im Verhältnis der Mutter zum Vater.

Wie diese Äußerungsformen der Introjektion ineinandergreifen, mag noch an einem Beispiel dargestellt werden. Der nämliche Patient erklärte sich selbst als völlig untüchtig, für das praktische Leben unbrauchbar. Es war dies nach dem Ergebnis der Analyse eine übertreibende Kritik des stillen, wenig aktiven Wesens seines Vaters, Die Mutter galt ihm, im Gegensatz zum Vater, als Vorbild praktischer Tüchtigkeit. Er selbst fühlte sich dem Vater ähnlich. So bedeutet also jene Selbstkritik ein abfälliges Urteil der introjizierten Mutter über den introjizierten Vater. Ein lehrreiches Beispiel für den zweiseitigen Introjektionsvorgang!

Unter dem nämlichen Gesichtspunkt wird eine von dem Patienten produzierte wahnhafte Selbstanklage verständlich. Als er während der letzten Depressionszeit in einer Anstalt untergebracht war, begann er eines Tages zu behaupten, er habe Läuse in die Anstalt eingeschleppt. Unter großer Aufregung, die ständig anwuchs, klagte er über die entsetzliche Verantwortung; das ganze Haus sei durch ihn verlaust worden. - Er bemühte sich, dem Arzt Läuse zu demonstrieren; er erblickte solche in jedem Stäubchen oder Fäserchen. In der Analyse dieser Wahnidee erwies sich die symbolische Bedeutung der Läuse als besonders wichtig. Kleine Tiere stellen in der Symbolik des Traumes und aller sonstigen Phantasie-

gebilde kleine Kinder dar. Das Haus voller Läuse ist demnach das Haus

(elterliche Haus des Patienten) voller Kinder. An die Geburt einer Reihe von jüngeren Geschwistern hatte sich in der Kindheit des Patienten der Entgang an mütterlicher Liebe angeschlossen. „Die böse Mutter, die sich anfänglich so liebevoll zu mir stellte, hat das ganze Haus voller Kinder gesetzt,“ das ist eine der Determinierungen der introjizierten Anklage. Ziehen wir aber weiter in Betracht, daß das Haus zugleich ein Symbol der Mutter ist, dann wird der Vorwurf gegen den Vater wegen der Kinder-

ı) Kurz nach der Niederschrift dieses Teiles meiner Arbeit erschien „Das Ich und das Es“ von Freud. In dieser Schrift findet sich eine so lichtvolle Darstellung des Vorganges, daß ich nur auf sie verweisen mag. Durch eine zusammenfassende Wiedergabe würde sie nur verlieren.

4*

52 Dr. Karl Abraham

zeugung erkennbar, So erscheinen auch in diesem Beispiel Anklagen gegen beide Eltern zu einer Selbstanklage verdichtet.

Hier muß bemerkt werden, daß nicht alle dem Liebesobjekt geltenden Vorwürfe in introjizierter Form zum Ausdruck. kommen. Vielmehr gibt es neben dieser für die Melancholie spezifischen Form noch andere Darstellungsmittel, die auch

während des Intervalls Anwendung finden.

Ein Patient war vor dem Ausbruch der ersten schweren Depression von einem zwanghaften Interesse für Prostituierte ergriffen; er brachte allnächtlich Stunden damit zu, die Mädchen auf den Straßen zu beobachten, ohne jemals in nähere Beziehungen zu ihnen zu treten, Nach dem Ergebnis der Analyse lag hier eine zwanghafte Wiederholung bestimmter Beob- achtungen vor, die er als Kind gemacht hatte. Die Dirne bedeutete eine herabsetzende Darstellung der Mutter, die dem Vater durch Blicke und Gebärden ihre sexuellen Wünsche zu erkennen gab. Die Gleichsetzung mit der Dirne ist also eine Rache des enttäuschten Sohnes; der Vorwurf lautet: „Du bist nur das sinnliche Weib, aber nicht die liebevolle Mutter!* Die nächtlichen Gänge in den Straßen bedeuteten andererseits ein Sich-Gleichsetzen des Patienten mit der Dirne (Mutter); hier begegnen wir wiederum dem Vorgang der Introjektion.

In den Phantasien eines anderen Patienten wurde die Mutter als lieblos und grausam dargestellt. Die Verknüpfung des Kastrationskomplexes mit dem Weibe, das heißt mit der Mutter, war in diesem Fall besonders auffällig. So stellte der Analysand zum Beispiel in seinen Phantasien die Vagina als Rachen eines Krokodils dar ein unzweideutiges Symbol der Kastration durch Beißen.

‚Will man die ganze Feindseligkeit des Melancholischen gegen seine Mutter, will man die Eigenart seines Kastrationskomplexes verstehen, so muß man sich an Stärckes Ausführungen über die Entziehung der Brust als „Urkastration“ erinnern. Die Rachsucht des Melancholischen verlangt, wie die Analyse vieler Symptome dartut, eine Kastration der Mutter, sei es an der Brust oder an dem ihr angedichteten Penis. Stets wählt seine Phantasie zu diesem Zweck den Weg des Beißens. Ent- sprechende Vorstellungen wurden bereits früher angeführt. Hier sei nur nochmals auf ihren ambivalenten Charakter verwiesen. Sie begreifen in sich die gänzliche oder teil- weise Einverleibung der Mutter, also einen Akt positiven

Begehrens, und zugleich ihre Kastration oder Tötung, also Vernichtung,

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 53

Wir haben bis hierher den Prozeß der Introjektion verfolgt und eine Anzahl seiner Folgeerscheinungen studiert. Wir dürfen zusammenfassend sagen, daß sich bei unseren Patienten an eine unerträgliche Enttäuschung durch das Liebesobjekt die Tendenz anschließt, es wie Körperinhalt auszustoßen und zu vernichten. Dann folgt die Introjektion, das Wiederfressen des Objektes, als spezifische Form der narzißtischen Identifizierung in der Melancholie. Die sadistische Rachsucht tobt sich nun in einer zum Teil lustvollen Selbstquälerei aus. Wir haben Grund anzunehmen, daß diese letztere so lange dauert, bis durch die Wirkung der Zeit und die allmähliche Sättigung des sadistischen Bedürfnisses die Gefahr der Vernichtung für das Liebesobjekt vorüber ist. Jetzt darf das Liebesobjekt sozusagen sein Versteck im Ich wieder verlassen; der Patient

‚darf es in die Außenwelt zurückversetzen.

Von nicht geringem psychologischen Interesse erscheint mir nun der Nachweis, daß auch diese Befreiung vom Objekt im Unbewußten als einEntleerungsvorgang bewertet wird. Einer meiner Patienten hatte zu der Zeit, als das Nachlassen der Depression evident wurde, einen Traum, in welchem er unter lebhaftem Gefühl der Befreiung einen in seinem Anus steckenden Pfropfen ausstieß. Dieser Ausstoßungsvorgang schließt den Prozeß der archaischen Trauer ab, als welchen wir die melancholische Erkrankung betrachten müssen. Man darf mit Recht sagen, daß im Laufe einer Melancholie das Liebesobjekt gleichsam den psychosexuellen Stoffwechsel des Kranken passiere.

1) Auf die Überdeterminierung des Symbols (im passiv-homosexuellen Sinne) kann nur nebenbei verwiesen werden.

V

Das infantile Vorbild der melancholischen

Depression

Wenn die vorstehenden. Untersuchungen den Nachweis erbracht haben, daß die melancholische Depression ın ıhren tiefsten Gründen auf verstimmende Eindrücke der Kindheit zurückgeht, so muß uns die ursprüngliche gemütliche Reaktion des Kindes auf jene Traumen besonders interessieren. Wir nehmen mit gutem Recht an, es müsse eine Verstimmung von traurigem Charakter gewesen sein, aber es fehlt uns bisher sozusagen die lebendige Anschauung. dieses seelischen Zustandes im Kindes- alter. Besondere Umstände, von denen nunmehr die Rede sein soll, haben mir in einem Fall meiner Beobachtung erlaubt, einleuchtende Ergebnisse zu gewinnen. |

Mein Patient befand sich nach voraufgegangener Depression seit tängend Zeit im freien Intervall und hatte eine Neigung zu einem jungen Mädchen gefaßt, als gewisse Vorkommnisse in ihm die sachlich unberechtigte Befürchtung erweckten, er sei von einem neuen Liebesverlust bedroht. Zu dieser Zeit träumte er während mehrerer Nächte von einem Zahnausfall, einem für uns durchsichtigen symbolischen Vorgang, der zugleich die Angst vor der Kastration und vor dem Objektverlust (körperliche Aus- stoßung!) darstellte. In einer Nacht hatteer nun nach dem Zahntraum noch einen weiteren Traum folgenden Inhaltes:

„Ich war irgendwie mit der Frau des Herrn Z. zusammen. Im Laufe des Traumes war ich irgendwie in einen Bücherdiebstahl verwickelt. Der Traum war lang, Besser als der Inhalt ist mir die quälende Stimmung des Traumes erinnerlich,“

Herr Z., ein Bekannter des Patienten, ist periodischer Trinker. Seine Frau leidet sehr unter ihm, wovon mein Patient am Tage vor dem Traume wieder erfahren hatte. Dies ist der Anknüpfungspunkt des Traumes an das Tagesleben. Der Bücherdiebstahl ist ein Symbol des Raubes der Mutter,

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 55

die: dem sie quälenden Vater abgenommen wird, zugleich aber auch ein Symbol der Kastration des letzteren. Also ein einfacher Ödipustraum, der inhaltlich nur dadurch von einigem Interesse ist, weil der Diebstahl das aktive Gegenstück zum Verlust des Zahnes im anderen Traum der gleichen Nacht darstellt. Die Bedeutung des Traumes für die Analyse des Patienten lag nicht so sehr in seinem Inhalt an Ereignissen wie in der schon erwähnten Stimmung. Der Patient erklärte nämlich, nach dem Erwachen den Einfall gehabt zu. haben, daß ihm diese Stimmung bekannt sei. Er kenne sie aus einem bestimmten Traume, den er. im Alter von etwa fünf Jahren wiederholt geträumt habe. | Bisher sei ihm während der langen Dauer der Psychoanalyse nie eine Erinnerung an diesen Traum gekommen. Jetzt aber sei er ihm ganz deutlich und falle ihm wiederum durch die entsetzlich quälende Stimmung auf. Der Traum wurde wie folgt erzählt: |

„Ich stehe vor dem Hause meiner Eltern in meinem Geburtsort. Da kommt ein Zug von Lastwagen die Straße herauf, welche ganz still und menschenleer ist. Jeder der Wagen ist zweispännig. Neben den Pferden geht ein Fuhrmann, der mit der Peitsche schlägt. Der Wagen hat hohe Wände, so daß sein Inhalt nicht zu sehen ist; er hat etwas Geheimnisvolles an sich. Unter dem Boden des Wagens aber hängt ein gefesselter Mann, der an einem Strick mitgeschleift wird. Er hat den Strick um den Hals und kann nur in großen Abständen mit Mühe ein wenig Atem holen. Der Anblick des Menschen, der nicht leben und nicht sterben kann, ergreift mich‘ sehr. Mit Schrecken sehe ich dann, daß diesem ersten Wagen zwei weitere folgen, die dasselbe entsetzliche Schauspiel noch einmal darbieten.* | |

Die Analyse dieses Traumes ging unter außerordentlichen Widerständen vor sich und nahm während mehrerer Wochen unsere gesamte Zeit in Anspruch. Der Patient stand während dieses Teiles der analytischen Arbeit unter dem Eindruck der „quälenden Stimmung“ des Traumes, welchen er einmal sehr bezeichnend eine „Höllenszene“ nannte.

Die Traumanalyse führte zunächst zur Erkennung des Fuhrmanns als Vertreter des Vaters, den der Patient immer als abweisend und hart geschildert hatte; das Schlagen der Pferde weist in dieser oberflächlichen Schicht auf die vielen erlittenen Züchtigungen hin. Im Traum möchte der Patient nach seiner eigenen Angabe Einspruch erheben, sowohl gegen das Schlagen der Pferde als gegen die schreckliche Behandlung des Gefesselten, fühlt sich aber zu sehr eingeschüchtert. Seine Anteilnahme verrät die Identifizierung der eigenen Person mit dem Unglücklichen. Es wird klar, daß der Träumer selbst mindestens in drei Gestalten dargestellt ist: als Zuschauer, als Pferd und als der Gefesselte.

Hier brach die Deutung zunächst ab, weil in der folgenden Analysen- stunde ein neuer Traum die Aufmerksamkeit auf sich zog; er handelte von dem bereits erwähnten jungen Mädchen, das wir „E.* nennen wollen.

Er lautet:

56 Dr. Karl Abraham

„Ich sehe einen Teil von E.’s Körper nackt, und zwar nur den Leib; Brüste und Genitalgegend sind verdeckt. Der Leib bildet eine glatte Fläche, ohne Nabel. Da, wo der Nabel sein müßte, wächst auf einmal etwas hervor wie ein“männliches Organ. Ich berühre es und frage E., ob es empfindlich sei. Es schwillt nun etwas an. Darauf erwache ich mit Schrecken.“

Der Traum, dessen Analyse verschiedentlich unterbrochen und wieder aufgenommen wurde, stattet den weiblichen Körper wie den eines Mannes aus; der Träumer erschrickt vor dem Anschwellen des weiblichen Penis. Als weitere Determinierung aber ergibt sich das Interesse an der Brust (der Leib mit dem anschwellenden Auswuchs!), so daß hier eine weibliche Person in ihrer körperlichen Gesamtheit als Brust dargestellt wird. Der Traum wird noch verständlicher, wenn man berücksichtigt, daß E. dem Patienten das Ideal der Mütterlichkeit bedeutet. So wird auch in diesem Falle die tiefe Sehnsucht des Melancholikers nach dem glücklichen Zustand an der Mutterbrust erkennbar. Andere Determinierungen des Traumes werden hier beiseite gelassen.

Zu dem aus der Kindheit stammenden Traum zurückkehrend, vergleicht der Patient den Eindruck der Szene mit dem versteinernden Anblick des Medusenhauptes.t Die Schreckwirkung finden wir sowohl in diesem alten als auch in dem soeben kursorisch gedeuteten Traum.

Über eine Serie von Kindheitseindrücken darunter der Anblick eines Erhängten führen die Assoziationen zu den schon früher analysierten Beobachtungen der Kindheit, die sich auf das Eheleben der Eltern bezogen. Es wird klar, daß der mit der Peitsche schlagende Fuhrmann den Vater im Verkehr mit der Mutter darstellt („Schlagen* in typischer Symbol- bedeutung), sodann aber stellt sich der Gehängte als ein Mensch heraus, der im Koitus in der Lage des Succubus erdrückt wird. (Atembeklemmung!) Die Umkehrung der beobachteten Situation (der Mann unten!) wird deutlich.

In den folgenden Tagen war die Stimmung vielfach deprimiert und erinnerte an diejenige in dem alten Traum. Ohne von diesem. vorher gesprochen zu haben, tat der Patient eines Tages die Äußerung, er komme sich vor, „wie ein fünfjähriger Knabe, der sich irgendwo verirrt hat,“ so als müsse er Schutz suchen und finde doch keinen. Gleich darauf nannte er die Depression „infernalisch“*, so wie er jenen alten Traum bereits als Höllenszene bezeichnet hatte. Die Wahl des Ausdruckes deutete aber nicht nur auf die Furchtbarkeit seines Leidens hin, sondern auf eine besondere Tatsache beim Ausbruch der letzten großen Depression. Diese begann nämlich im unmittelbaren Anschluß an die Lektüre eines Buches, der „Hölle* von Barbusse, von dem hier nur erwähnt zu werden braucht, daß es de Beobachtungintimer Szenen enthält; diese spielen sich in einem Zimmer ab und werden vom Nachbarzimmer aus gesehen. Damit war ein Hinweis auf die Situation gewonnen, an welche sich in der Kindheit des Patienten die großen Affektstürme angeschlossen

ı) Man vergleiche hierzu Freuds Analyse dieses Sagenstoffes.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 57

hatten. Wie sehr der Patient in jenen Tagen unter dem sich wiederholenden Eindruck des kindlichen Schreckens stand, mag ein kleines Vorkommnis beweisen. Er hörte seine Eltern ein paar Worte leise zueinander sagen. Er erschrak [und machte „automatisch“ den Versuch, eine aufkommende Erinnerung „an etwas Schreckliches“ wegzudrängen. Das gleiche heftige Sträuben bemerkte er sodann bei jedem Gedanken an den Gebundenen im Traum. In den folgenden Tagen brachte die Analyse eine Anzahl jener verdrängten Beobachtungen ans Licht. Der Affekt milderte sich, besonders nahm das Grauen vor dem Gefesselten ab. Und damit tauchte greifbar deutlich ein Gesamtbild der kritischen Kindheitsepoche auf. „Ich habe schon als Kind immer um etwas getrauert. Ich war immer ernst, nie unbefangen. Auf meinen Kinderbildern erscheine ich schon nachdenklich und traurig.“

Unter Übergehung vieler Einzelheiten der Traumanalyse erwähne ich nur noch die folgenden: Zu dem „Gehängten“ zurückkehrend, äußerte der Patient eines Tages: „Sein Kopf war in der Nähe des Nabels befestigt;“ er wollte damit die Mitte des Wagens bezeichnen! Eine Reihe von Assoziationen ließ es nun evident werden, daß das Unbewußte des Patienten eine kindliche Sexualtheorie barg, nach welcher der vermutete Penis des Weibes im Nabel versteckt war. Nun konnte die Analyse auf den Traum

vom weiblichen Leib ohne Nabel, aus dem dann ein Penis wuchs,

zurückgreifen. Im Traum aber ließ sich als hauptsächlicher Antrieb der Wunsch erweisen: „Die Mutter soll dem Vater zurückgeben, was er ihr (durch den Koitus) und mir (durch die Prügel) getan hat. Sie soll sich auf ihn werfen, wie sonst er auf sie und soll ihren versteckten Penis dazu benützen, um den unter ihr Liegenden zu strangulieren.

In den folgenden Tagen geschah es einmal, daß der Patient einen Verwandten sah, der für ihn aus bestimmten Gründen eine dem Vater ähnliche Bedeutung hatte. Plötzlich ertappte er sich bei der Phantasie, er könne diesen Mann in irgendeinen dunklen Hauseingang drängen und dort mit den Händen erwürgen eine für uns durchsichtige Darstellung der Ödipustat und zugleich eine Anspielung auf die „Erstickung“ im Koitus. In diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, daß der Patient in der vergangenen Depression ernstliche Vorbereitungen getroffen hatte, um sich mit einem Strick zu erhängen. i

Soweit ein Ausschnitt aus der Analyse eines Traumes, der die Möglichkeit gab, die Stimmung des Patienten in dem frühen Alter von fünf Jahren in anschaulicher Weise zu rekonstruieren. Ich möchte von einer Urverstimmung sprechen, die dem Ödipuskomplex des Knaben entstammt. Die Sehnsucht des Kindes, die Mutter zur Bundesgenossin im Kampf gegen den Vater zu gewinnen, wird in eindrucksvoller Weise offenbar. Die Enttäuschung über die Zurückweisung der eigenen Zärt-

58 z Dr. Karl Abraham

lichkeit_summiert sich zu den aufregendsten Eindrücken des elterlichen Schlafzimmers. Furchtbare Rachepläne gären in dem Knaben und sind doch durch die Ambivalenz seiner Gefühle zur praktischen Aussichtslosigkeit verurteilt. Weder zu einer ganzen Liebe noch zu einem ungebrochenen Haß befähigt, verfällt das Kind einem Gefühl der Hoffnungslosigkeit. In den folgenden Jahren macht das Kind immer erneute Versuche zu

erfolgreicher Objektliebe. Jeder Mißerfolg auf diesem Wege

zieht einen seelischen Zustand nach sich, der eine getreue Wiederholung der Urverstimmung darstellt. Es ist der Zustand, den wir als Melancholie bezeichnen.

' Ein Beispiel mag noch beleuchten, wie der Melancholische auch in den freien Zwischenzeiten stets gewärtig ist, von neuem enttäuscht, verraten oder verlassen zu werden. Ein Patient, der sich längere Zeit nach Ablauf einer Depression verheiratet hatte, erwartete ohne jeden tatsächlichen Anlaß die künftige Untreue seiner Frau als etwas Selbstverständliches. Als einmal von einem im gleichen Hause wohnenden Mann die Rede war, der um einige Jahre jünger war als er selbst, war seine erste Assoziation: Mit ihm wird mich meine Frau betrügen! Die Analyse erwies, daß die Mutter dem Patienten die Treue gebrochen hatte, indem sie den um einige Jahre jüngeren Bruder „bevorzugte“, d. h. ihn an der Brust ernährte, Dieser Bruder nahm im Ödipuskomplex des Patienten die Stelle des Vaters ein. Die Einzelerscheinungen der verschiedenen depressiven Perioden des Patienten wiederholten getreulich alles, was an Haß, Wut und Resignation, an Gefühlen des Verlassenseins und der Hoffnungslosigkeit bereits der infantilen Urverstimmung ihr Gepräge gegeben hatte.

558 Ar,

EN

VIE” | Die Manie

In der vorliegenden Untersuchung ist die manische Phase der zyklisch verlaufenden Erkrankungen bisher zurückgetreten gegenüber der melancholischen. Dies erklärt sich zu einem Teil aus dem mir zur Verfügung stehenden Material an Beobachtungen. Dazu kommt die Tatsache, daß die Melancholie auf psychoanalytischem Wege verständlich gemacht werden kann, ohne daß wir den psychischen Prozeß der Manie näher kennen. Die letztere dagegen dürfte uns ihre Geheimnisse nicht preis- geben, wenn wir nicht bereits im Besitze eines Schlüssels sind, den uns die Analyse der Depression geliefert hat. So erklärt sich auch wohl die Tatsache, daß in den Forschungen Freuds die depressiven Zustände vor den manischen eine recht weit- gehende Aufklärung gefunden haben. Ich muß im Voraus bekennen, daß ich in diesem Kapitel die von Freud gewonnenen Ein- sichten nur in einigen wenigen Beziehungen weiterführen oder vervollständigen kann. |

Der klinischen Psychiatrie hat sich immer der Vergleich der Manie mit einem Rauschzustand aufgedrängt, der alle vorher bestehenden Hemmungen beseitigt. In einer seiner neuesten

| Veröffentlichungen („Massenpsychologie‘) hat Freud dem

manischen Prozeß eine Erklärung gegeben, die zumindest sein Verhältnis zur melancholischen Depression verständlicher macht. Ein wesentlicher Unterschied beider Zustände liegt in dem abweichenden Verhältnis zum Ichideal.

Das Ichideal wird nach Freud’s Darstellung gebildet, indem die Objekte der kindlichen Libido dem Ich des Kindes introjiziert

60 Dr. Karl Abraham

werden. Sie bilden nun einen Bestandteil des Ich. Das Ichideal übernimmt jene das Verhalten des Ich kritisierenden Funktionen, die das Individuum zum sozialen Wesen machen; unter ihnen ist für den uns beschäftigenden Zusammenhang besonders das Gewissen hervorzuheben. Das Ichideal gibt somit dem Ich alle Anweisungen für sein Tun und Lassen, die es einstmals von den erziehenden Personen empfing.

Diese kritisierende Tätigkeit des Ichideals sehen wir in der Melancholie zu grausamer Härte gesteigert. In der Manie hin- gegen finden wir nichts von solch unerbittlicher Kritik am Ich. Im Gegenteil nehmen Selbstgefälligkeit und Kraftgefühl den Platz ein, an welchem wir vorher Minderwertigkeitsgefühle und Kleinheitswahn fanden. Einer meiner Patienten, der sich im Depressionszustand jede intellektuelle Fähigkeit, ja das einfachste praktische Können abgesprochen hatte, wurde im Beginn einer reaktiven Hypomanie alsbald zum Erfinder. Der Manische schüttelt somit die Herrschaft des Ichideals ab. Dieses letztere steht dem Ich nicht mehr kritisierend gegenüber, sondern es hat sich im Ich aufgelöst. Damit ist der Gegensatz zwischen Ich und Ichideal aufgehoben. In diesem Sinne hat Freud die manische Stimmung als einen Triumph über das einstmals geliebte, dann aufgegebene und introjizierte Liebesobjekt auf- gefaßt. Der „Schatten des Objektes“, der auf das Ich gefallen war, ist wieder von ihm gewichen. Befreit atmet das Indivi- duum auf und gibt sich einem förmlichen Freiheitsrausch hin. Wir erinnern uns hier unserer früheren Ermittlung, daß der zirkuläre Kranke zum eigenen Ich in hohem Grade ambivalent eingestellt ist. Wir können Freud’s Feststellung dahin ergänzen, daß die Einziehung des Ichideals dem Narzißmus gestattet, in eine positive, lustvolle Phase einzutreten.

Wird das Ich nun nicht mehr vom einverleibten Objekt aufgezehrt, so wendet sich die Libido mit einer auffälligen Gier der Objektwelt zu. Vorbildlich für die mannigfachen Erschei- nungen dieser Umstimmung ist das gesteigerte orale Begehren, das ein Patient bei sich selbst mit „Freßsucht‘

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 61

bezeichnete. Es beschränkt sich nicht auf die Nahrungsauf- nahme; „verschlungen“ wird alles, was dem Patienten in den Weg kommt. Die erotische Begehrlichkeit des Manischen ist bekannt. Aber mit gleicher Gier nimmt er neue Eindrücke in sich auf, denen er sich in der Melancholie verschlossen hatte. Fühlte sich der Patient in der depressiven Phase von der Objekt- welt wie ein Enterbter ausgeschlossen, so verkündet der Manische gleichsam, er könne alle Objekte in sich aufnehmen. Dem lustvollen Aufnehmen neuer Eindrücke entspricht bezeichnenderweise aber auch ein ebenso rasches und lust- betontes Wiederausstoßen des kaum Aufgenommenen. Wer die Assoziationen eines Manischen beobachtet, erkennt die stürmisch verlaufende Aufnahme neuer Eindrücke und ihre Wiederausstoßung im ideenflüchtigen Rededrang. War in der Melancholie das eine introjizierte Objekt eine einverleibte Speise, die endlich wieder ausgestoßen wurde, so sind nunmehr alle Objekte dazu bestimmt, in eiligem Tempo durch den „psychosexuellen Stoffwechsel“ des Kranken hindurch zu gehen. Die Identifizierung der ausgesprochenen Gedanken mit Kot ist in den Assoziationen der Patienten unschwer festzustellen.

Während Freud nun die psychologische Verwandtschaft der Melancholie mit der normalen Trauer hervorgehoben und begründet hat, vermißt er im normalen Seelenleben einen Vorgang, der dem Umschlag der Melancholie in Manie ent- spricht. Ich glaube mich nun berechtigt, auf ein solches Analogon im normalen Seelenleben hinzuweisen. Es handelt sich um eine Erscheinung, die man in Fällen normaler Trauer beobachten kann, und deren allgemeine Gültigkeit ich vermute, ohne sie vorläufig erweisen zu können. Man beobachtet nämlich, daß der Trauernde, der mit Hilfe der „Trauerarbeit“ allmählich seine Libido von dem Verstorbenen ablöst, zugleich mit dem Gelingen dieser Ablösung ein gesteigertes sexuelles Begehren spürt. Dieses kommt auch in sublimierter Form zum Ausdruck durch erhöhte Unternehmungslust, Erweiterung

62 Dr: Karl Abraham

des geistigen Interessenkreises usw. Die Steigerung des libi- dinösen Begehrens kann, je nach dem individuellen Ablauf der Trauerarbeit, kürzere oder längere Zeit nach dem erlittenen Objektverlust einsetzen. |

Auf dem Psychoanalytischen Kongreß (1922), dem ich unter anderem auch diese Auffassung vorlegte, machte Röheim

seine inzwischen im Druck erschienenen Mitteilungen über -

primitive Trauerriten,* die keinen Zweifel darüber lassen, daß ethnologisch der Trauer ein Ausbruch der Libido folgt. Röheim hat in überzeugender Weise nachgewiesen, daß die Beendi- gung der Trauer in einem abermaligen symbolischen Töten (und Fressen)- des Verstorbenen besteht, das aber nunmehr unter unverkennbarer und unverhohlener Lust erfolgt: Die Wiederholung der Ödipus-Untat beendet die Trauer der Primi- tiven. |

Die der pathologischen Trauer Melancholie nachfolgende Manie enthält nun die nämliche Tendenz zu nochmaligem Ein- verleiben und Wiederausstoßen des Liebesobjektes, ganz wie Röheim sie in den primitiven Trauerriten nachwies. Die im Vorstehenden geschilderte Steigerung der libidinösen Strebungen am Schluß der normalen Trauer erscheint somit als eine blasse Wiederholung der archaischen Trauerbräuche.

Bei einem meiner Patienten riefen in vorgeschrittenem Studium der Psychoanalyse gewisse Erlebnisse eine Verstimmung hervor, die bedeutend leichter als die früheren Depressionszustände verlief und in wesentlichen Zügen den Zwangszuständen angenäherte war. Diesem Zustand. folgte eine ganz leichte manische Schwankung. Als sie nach wenigen Tagen

abgeklungen war, berichteie der Patient, er habe während dieser kurzen . Periode das Bedürfnis nach einem Exzeß gespürt. „Ich hatte den Gedanken,

ich müsse viel Fleisch essen, ja— mich einmal in Fleisch ganz satt und

dumm essen!“ Er habe sich das wie einen Rausch oder eine Orgie vorgestellt.

Hier wird es ganz deutlich, daß die Manie im tiefsten Grunde eine Orgie von kannibalischen Charakter darstellt. Die Äußerung des Patienten ist ein

EEE EREEEETER TEE BESTE HEERES EEE DEREN

ı) „Nach dem Tode des Urvaters.“ Imago 1923.

2) Bezüglich solcher Umwandlungen enthält d rs weitere Angaben. = nthält das folgende Kapitel einig

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 63

schlagender Beweis zugunsten der Auffassung Freud'’s, nach welcher die Manie ein vom Ich gefeiertes Fest der Befreiuung darstellt. Und dieses Fest wird in der Phantasie durch ein Schwelgen im F leischgenuß begangen, dessen kannibalische Bedeutung nach den vorausgegangenen Erörterungen wohl kaum einem Zweifel unterliegen kann. |

Wie die Melancholie, so bedarf auch die reaktive, manische Verstimmung eines gewissen Zeitraumes, um sich auszutoben. Ganz allmählich sinken die narzißtischen Ansprüche des Ich, werden größere Libidoquantitäten zur Übertragung auf die Objektwelt freigegeben. Es kommt so nach Abklingen beider Phasen zu einer relativen Annäherung der Libido an die Objekte; daß sie unvollkommen bleibt, wurde im Kapitel über das Verharren der Libido auf der anal-sadistischen Stufe bereits eingehend nachgewiesen.

Eine Frage, die schon mit Bezug auf die Melancholie erörtert wurde, muß auch hier noch einmal gestreift werden. Freud hat in einleuchtendem Vergleich die Manie als ein Fest dar- gestellt, welches vom Ich gefeiert wird. Er hat dieses Fest mit der Totem-Mahlzeit der Primitiven, d. h. also mit dem „Urver- brechen“ der Menschheit in Verbindung gebracht, das in der Tötung und Verspeisung des Urvaters besteht. Ich muß nun darauf hinweisen, daß die kriminellen Phantasien in der Manie vorwiegend der Mutter gelten. In frappanter Weise kam das bei einem Patienten zum Ausdruck, der sich in der manischen Erregung mit dem Kaiser Nero wahnhaft identifizierte. Er gab später als Begründung an, daß Nero seine eigene Mutter getötet, übrigens auch den Plan gefaßt habe, die Stadt Rom als Symbol der Mutter zu verbrennen. Es sei daher auch hier wieder bemerkt, daß diese der Mutter zugewandten Regungen des Sohnes sekundärer Natur sind; sie gelten primär dem Vater, wie sich in der betreffenden Analyse auch klar erweisen ließ.

Die der Melancholie folgende reaktive Exaltation wird uns somit zu einem Teil verständlich als ein lustvolles Sich-Hinweg- setzen über die vorher bestehende qualvolle Beziehung zum introjizierten Liebesobjekt. Wir wissen aber, daß eine Manie auch auftreten kann, ohne daß eine Melancholie vorausgegangen

64 Dr. Karl Abraham

ist. Wir vermögen auch diesem Hergang ein gewisses Ver- ständnis abzugewinnen, wenn wir uns nur der Ergebnisse des vorigen Kapitels erinnern. Es wurde nachgewiesen, daß sich an bestimmte seelische Traumen der frühen Kindheit ein Zustand anschließt, den wir als die „Urverstimmung“ bezeichneten. Die „reine“ Manie, welche sich oftmals periodisch wiederholt, scheint mir nun ein Abschütteln der Urverstimmung darzustellen, dem keine Melancholie im klinischen Sinne vorausging. Da ich über

keine einschlägige Psychoanalyse verfüge, so vermag ich über diesen Vorgang selbst nichts näheres auszusagen.

Diese Abhandlung ging vom Vergleich der Melancholie mit

der Zwangsneurose aus. Zu unserem Ausgangspunkt noch ein- mal zurückkehrend, sind wir nunmehr in der Lage, den Unter- schied in der Verlaufsweise der beiden Krankheitszustände zu erklären. Der akut einsetzende, intermittierende und rezi- dıvierende Verlauf der manisch-depressiven Zustände entspricht einer Ausstoßung des Liebesobjektes, die in gewissen Zeit- abständen wiederholt wird. Der mehr chronische und remittierende Verlauf der Zwangszustände entspricht der über- wiegenden Tendenz zum Festhalten des Objektes.

Im Sinne der Ausführungen von Freud und Röheim können wir sagen: Wir finden in den beiden Krankheitsformen eine

verschiedenartige psychische Einstellung zur unterlassenen Be

gehung des Urverbrechens. In der Melancholie und Manie wird es von Zeit zu Zeit auf psychischem Gebiet zur Ausführung gebracht, ganz wie es bei den Totem-Festen der Primitiven in Form eines Zeremoniells geschieht. In der Zwangsneurose beobachten wir ein ständiges Ankämpfen gegen die Begehung der Odipus-Untat. Die Angst des Zwangsneurotikers zeugt von seinen Impulsen zu ihrer Ausführung, zugleich aber auch von der stets wieder überwiegenden Hemmung dieser Impulse. Weder die Probleme der Melancholie noch diejenigen der Manie haben im Vorstehenden eine erschöpfende Lösung erfahren. Die bisherige psychoanalytische Empirie gestattet uns eine solche noch nicht. Es sei aber daran erinnert, daß diese

Pu we

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 65

Abhandlung nicht in erster Linie der psychologischen Auf- klärung dieser beiden seelischen Störungen gewidmet ist. Sie versucht vielmehr, bestimmte, bei manisch-depressiven Kranken erhobene Befunde für die Sexualtheorie nutzbar zu machen.

Dieses Kapitel möge also mit dem nochmaligen Zugeständnis

schließen, daß das Problem der Neurosenwahl für die zirku- lären Zustände noch seiner endgiltigen Lösung harrt.

wi

vn Die psychoanalytische Therapie der

manisch-melancholischen Zustände

Die Aufgabe einer idealen Therapie der Melancholie ist nach den vorausgegangenen Erörterungen leicht zu umschreiben. Sıe bestände darin, die regressiven Antriebe der Libido auf- zuheben und an ihrer Statt eine Progression der Libido zur vollen Objektliebe und zur genitalen Organisation zu bewerk- stelligen. Ist diese Aufgabe in irgendeinem Umfange mit Hilfe der Psychoanalyse lösbar? Diese Frage zu beant- worten, soll hier versucht werden, lediglich unter Berufung auf die bereits vorliegenden Erfahrungen. Denn ein voreiliger therapeutischer Optimismus auf psychoanalytischer Seite wäre hier ebenso unangebracht wie der herkömmliche Nihilismus der klinischen Psychiatrie.

Schon ıgıı habe ich darauf aufmerksam gemacht, daß die zum Erfolg der Therapie notwendige Übertragung beim Melancholiker wenigstens in gewissen Stadien, vornehmlich aber. im freien Intervall, in einem Umfang herzustellen sei, der den Versuch der Therapie gestatte. Ich habe auch die letzten Psychoanalysen Melancholischer, einem Rate Freuds folgend, begonnen, als sie sich im Übergangsstadium von der Depression zum freien Intervall befanden. Es ist also eine glatte Selbst- verständlichkeit, daß ich das weitere Abklingen der melan- cholischen Symptome nicht etwa der eingeleiteten Therapie zuschreiben werde. Dieser Vorgang, der sich in jedem Fall spontan abspielt, aber dem Patienten niemals die Erreichung

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 67

voller Objektliebe dieses Kriterium wirklicher psychischer Gesundheit zum Geschenk macht, erscheint mir überhaupt nicht das Ziel psychoanalytischer Therapie zu sein. Ihre Auf- gabe habe ich bereits skizziert. Sie müßte dem Patienten in erster Linie eine Herstellung über das Ergebnis der einfachen Symptomheilung hinaus gewähren, zugleich aber ihm einen Schutz gegen erneute Erkrankung bieten. Die Erreichung des ersteren Zieles müßte sich durch vielerlei Veränderungen im gesamten Seelenleben des Patienten kundtun, wie sie zuvor im freien Intervall spontan nicht eintraten. In dieser Beziehung wäre also die Wirkung der Therapie objektiv festzustellen. Dagegen bedürfte man eines langen Zeitraumes und ständiger

sorgfältiger Beobachtung, um aussagen zu können, ob die

Verhütung neuer Erkrankung geglückt sei.

Die neuerdings von mir ausgeführten Psychoanalysen Melancholischer sind noch nicht zum vollen Abschluß gelangt, so daß also eine Voraussage über die Dauerwirkung der Therapie gänzlich entfällt. Ich kann also nur eine Aufzählung derjenigen Wirkungen geben, die mit unanfechtbarem Recht der Behandlung zuzuschreiben sind. Ich nenne in dieser Hinsicht:

1.) Die Fähigkeit des Patienten zur „Übertragung“ nimmt manchmal sichtbar zu im Anschluß an ein bestimmtes Stück der Analyse. Bei dem Patienten, dessen Kindheitstraum ich im fünften Kapitel besprach, änderte sich unter dem Einfluß dieses Teiles seiner Analyse das gesamte Verhalten zum Arzt. Wir wissen aber, daß die geglückte Übertragung auf den Arzt eine Vorbedingung wichtiger Veränderungen ist.

2.) Das narzißtisch-ablehnende Verhalten zu bestimmten Personen oder zur gesamten Umgebung und die heftige Reiz- barkeit dieser gegenüber treten in einer Weise zurück, die früher im Intervall nie erreicht wurde.

3.) In einem Falle wurde die Einstellung zum weiblichen Geschlecht weitgehend geändert. Das obsedierende Interesse für Dirnen schwand. Die Libido konnte allmählich in einer

3”

68 Dr. Karl Abraham

durchaus normalen Weise einer bestimmten Person zugewandt werden. Nach einer Menge mißglückter Versuche der erste Erfolg dieser Art im Leben des Patienten!

4.) Der gleiche Patient hatte früher auch im Intervall die eigene Minderwertigkeit in selbstquälerischer Weise betont. Als die Analyse des Introjektionsvorganges zu einem großen Teil geglückt war, überraschte der Patient mich mit dem Zugeständnis einer großen Erleichterung; wie er sich aus- drückte, hatte er aufgehört, sich für ein „Monstrum“ zu halten. Diese vor etwa dreiviertel Jahren eingetretene Veränderung ist seither bestehen geblieben.

5.) Das wichtigste Kriterium scheinen mir die passageren Neubildungen von Symptomen darzu- stellen. Wie früher erwähnt, haben die Patienten im freien Intervall öfter leichte Verstimmungen, die aber alle wesent- lichen Kennzeichen der Melancholie, bezw. Manie aufweisen. Die zwei seit mehr als eineinhalb Jahren von mir behandelten Patienten waren nun wiederholt starken, von außen kommenden Gemütserschütterungen ausgesetzt, wie solche früher und auch in der ersten Zeit der Behandlung, stets ausgeprägte melan- cholische Folgeerscheinungen gezeitigt hatten. Mit einer Regel- mäßigkeit, die den Zufall ausschließt, beobachte ich seither, daß die gelegentlichen Neubildungen von Symptomen aus solchem Anlaß einen veränderten Charakter tragen. Wieder- holt konnte ich beobachten, wie in dem Patienten etwas zur Erneuerung der melancholischen Depression drängte, wie zum Beispiel angesichts einer lebenswichtigen, praktischen Ent- scheidung die Neigung zur erneuten Flucht in die Krankheit hervortrat. Aber die Voraussetzung einer Melancholie, das Auf- geben des Objektes, tratnicht ein. Es kam zwar zur Neubildung eines Symptoms, aber es trug den Charakter des psychischen Zwanges, der Phobie oder der hysterischen Konversion. Ich konnte mich nicht dem Eindruck entziehen, daß der Patient keine echte Depression mehr zustande brachte. Die Hebung einer Psychoneurose vom melancholischen auf das

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 6g

hysterische Niveau erscheint mir als ein bemerkenswerter und bedeutungsvoller Vorgang. Die Tatsache, daß die Objektliebe des Patienten sich äußeren Einflüssen gegenüber resistenter zeigt als früher, ist zweifellos von erheblicher praktischer Trag- weite. In einem nächsten Aufsatz über die Entwicklung der Objektliebe werde ich bei dieser Frage länger verweilen und sie mit Beispielen belegen.

Ich habe im vorstehenden vielerlei günstige Einzelwirkungen der Therapie nicht erwähnt, weil sie keine prinzipielle Bedeutung zu haben schienen. Dagegen will ich noch darauf hinweisen, daß ich mit besonders schwierigen, wiederholt rezidivierten Fällen zu arbeiten hatte. Mit aller Bestimmtheit gewann ich den Eindruck, daß sich bei jüngeren Patienten, die sich noch nicht so häufig durch Erkrankung dem Leben ent- zogen haben, ein rascherer und greifbarer Erfolg sehr wohl wird erzielen lassen. Den obigen Bericht über den Verlauf der bisher behandelten Fälle werde ich später ergänzen.

Da ich selbst keine genügenden Erfahrungen über die Dauer- wirkung der Therapie der Melancholie besitze, so ist es mir um so wertvoller, ein Urteil von berufener Seite anführen zu können. Nach privater Mitteilung von Prof. Freud verfügt er über zwei Fälle von dauernder Heilung; der eine ist seit mehr als zehn Jahren rückfallsfrei geblieben.

Ich darf die Frage der Therapie nicht verlassen, ohne des subjektiven Wertes zu gedenken, den die psychoanalytische Behandlung gerade für depressive Patienten hat., Der Erfolg seelischer Entspannung ist oft eklatant und wird von den Patienten spontan hervorgehoben. Es darf nicht vergessen werden, daß gerade diese Kranken stets als die Unzugäng- lichsten, Unbeeinflußbarsten galten. |

Ich meine daher, daß man bei aller berechtigten Zurück- haltung in der Bewertung psychotherapeutischer Resultate doch nicht befugt sei, der Psychoanalyse eine Wirkung auf den Zustand des zirkulären Kranken abzusprechen. Ich glaube auch, daß eine Gefahr der Überschätzung unserer Erfolge kaum

70 Dr. Karl Abraham

gegeben ist. Denn die Psychoanalyse, die uns die Widerstände des Patienten in ihrer ganzen Stärke vor Augen führt und uns zu vielmonatiger, mühevoller Arbeit im Einzelfalle nötigt, birgt in sich selbst den sichersten Schutz gegen einen zu weit gehenden therapeutischen Optimismus.

y 2 un ie” BE 4 an dT rg me Tan a DB RT 7 ei 2 t V 4 ie De wit er: Rn Ja Au: i N ' = N u N 4 > b 1 . - 5 r vn D I - da yir 3 u , » - r i - « z P” r - [ ı 4 pn i v . .

Zweiter Teil

Anfänge und Entwicklung der Objektliebe

N e N x i N j r # , 4 P4 rv \ i - - n j - j \ eg % x . ! * » A k 5 r i / . % = » " N % £ L ; - I) x - ö j 4 . i .! - ; 3 "ul a

Kr Hude

NER

a I

Rum (EN Ar u Tg

ara w

LH

N MuD* an an

In der vorausgegangenen Abhandlung habe ich versucht, neben der Psychologie gewisser seelischer Krankheitszustände auch dieSexualtheorie ein Stück weiter zu fördern. Doch beschränkte ich mich in dieser Beziehung darauf, die Lehre von den prägenitalen Organisationsstufen der Libido auszubauen. Dieser Teil der Sexualtheorie umfaßt die Wand- lungen, welche während der psychosexuellen Entwicklung des Menschen hinsichtlich des Sexualzieles vor sich gehen. Von ihnen aber sondern wir seit Freuds grundlegenden Untersuchungen: diejenigen Vorgänge, welche das Verhältnis zum Sexualobjekt betreffen. Unsere bisherigen Annahmen über die Ontogenese der Objektliebe werden den Tatsachen nicht in genügendem Umfang gerecht. Besonders die Psycho- analyse der Krankheitszustände, welche wir mit Freud als „narzißtische Neurosen“ zusammenfassen, stellt uns einer Anzahl von psychosexuellen Erscheinungen gegenüber, welchen wir unsere Theorie anpassen müssen. Dieser Aufgabe ist der nach- folgende Versuch gewidmet. j

Wenn das Verhältnis des Individuums zum Liebesobjekt einer gesonderten entwicklungsgeschichtlichen Betrachtung unterworfen werden soll, so bedeutet das keines- wegs eine Vernachlässigung der vielfachen und engen psycho- logischen Zusammenhänge mit dem Gegenstand der früheren, Untersuchung. Im Gegenteil werden diese im folgenden klarer und übersichtlicher hervortreten als bisher. Und wie in dem früheren Aufsatz wichtige Phänomene der Objektrelationen, wie zum Beispiel die Ambivalenz im menschlichen. Triebleben,

ı) „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“, I. Auflage, 1905.

74 Dr. Karl Abraham

bereits in weitem Umfang berücksichtigt worden sind, so kann auch jetzt eine Lostrennung einzelner Fragen nicht in Betracht kommen. Ja, eine gedrängte Zusammenfassung der Lehre von den Organisationsphasen der Libido wird uns am leichtesten erkennen lassen, welcher Ergänzungen die Entwicklungs- geschichte der Objektliebe bedarf.

Wir erkannten im Bereich der anal-sadistischen Phase zwei verschiedenartige Lusttendenzen: eine primitivere des Aus- stoßens (Entleerens) und Vernichtens und eine spätere des Festhaltens und Beherrschens. Wir wurden so auf empirischem Wege zur Annahme einer Stufung innerhalb der anal-sadistischen Phase geführt, die wir bisher als einheitlich betrachtet hatten. Der Melancholiker so mußten wir schließen regrediert zur tieferen der beiden Stufen, bleibt aber auf ihr nicht stehen; seine Libido strebt einer noch primitiveren, der kannibalischen Stufe zu, auf welcher die Einverleibung des Objektes zum Ziel des Triebes wird. ‚Das aufgegebene, verlorene Liebesobjekt wird vom Unbewußten mit dem wichtigsten körperlichen Aus- stoßungsprodukt Kot gleichgesetzt und durch den als Introjektion bezeichneten Vorgang dem Ich wieder einverleibt. Der Melancholiker vermag aber durch dieses Maß von Regression dem Ambivalenzkonflikt nicht zu entrinnen, ja der letztere steigert sich sogar und läßt im Kranken die Sehnsucht nach einer noch älteren Entwicklungsstufe mit dem Sexualziel des Saugens aufkommen, die wir als vorambivalent bezeichnen mußten. Nachdem sich somit die Sonderung zweier Stadien in der oralen Phase ebenfalls als notwendig erwiesen - hatte, gelangten wir endlich zu einer Unterscheidung zweier Stufen auch innerhalb der späten, genitalen Phase; erst die jüngere dieser beiden durften wir als ambivalenzfrei (nach-ambivalent) ansehen. |

Die Annahme zweier Stufen innerhalb jeder der drei großen Phasen scheint den empirisch erkannten Veränderungen hin- sichtlich des Sexualzieles vorläufig in ausreichender Weise Rechnung zu tragen. Auch gelang es uns, gewisse Krankheits-

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 75

._—

zustände in bestimmterer Weise als früher in einen genetischen Zusammenhang mit denStufen der Libidoorganisation zu bringen. Erhebliche Lücken, welche in dieser Hinsicht noch bestehen, sollen aber nicht verschwiegen werden. Beispielsweise fehlt uns bisher eine derartige Erkenntnis noch für die paranoischen Krankheitszustände; auf diesen Punkt wird später zurück- zukommen sein.

Weit unvollkommener sind unsere bisherigen Einblicke ın die Entwicklung der Objektliebe. Ganz wie wir bisher drei Organisationsstufen der Libido unterschieden hatten, so kannten wir auch drei Stadien in der Entwicklung des Verhältnisses zum Objekt. Wir verdanken Freud die ersten fundamentalen Aufklärungen auch auf diesem Gebiete. Er unterschied einen autoerotischen, objektlosen Zustand, der in die früheste Kind- heit fällt, ein narzißtisches Stadium, in welchem das Individuum sich selbst zugleich Liebesobjekt ist und ein drittes Stadium der Objektliebe im eigentlichen Sinne des Wortes. Die nach- folgende Untersuchung bemüht sich zu zeigen, inwieweit wir in der Lage sind, diesen Teil der Sexualtheorie zu ergänzen.

Was ich zur Ausfüllung der Lücken in unserem Wissen glaube beitragen zu können, entstammt einem besonderen Teil der psychoanalytischen Empirie, nämlich der Beschäftigung mit den „narzißtischen“ Neurosen und mit gewissen Neurosen der Objektstufe, die den narzißtischen in bestimmter Hinsicht nahe stehen.

Die manisch-depressiven Krankheitsfälle, auf deren Analyse sich der frühere Teil dieser Abhandlung gründete, vermögen auch zur Lösung der uns nunmehr beschäftigenden Fragen erhebliche Beiträge zu liefern. Es fügte sich, daß ich zugleich mit jenen Patienten und ebenfalls durch einen langen Zeitraum zwei weibliche Kranke zu behandeln hatte, über deren neuro- tische Zustände ich hier in kurzem Auszug berichten muß. Sie unterscheiden sich im äußeren Krankheitsbild wesentlich von den melancholischen Kranken; warum ich sie diesen an die Seite stelle, wird alsbald ersichtlich werden.

76 Dr. Karl Abraham

nn nn

Die erste dieser Patientinnen, die-ich als „Fräulein X.“ bezeichne, bot ein kompliziertes Krankheitsbild, aus dem ich nur die hauptsächlichsten Züge heraushebe. Als ersten nenne ich eine seit dem sechsten Lebens- jahre bestehende, ausgeprägte Pseudologia phantastica, neben dieser schwere

kleptomanische Impulse, dem gleichen Lebensalter entstammend. Drittens litt ‘die Patientin unter Anfällen von verzweifelter Stimmung, die durch kleinste Anlässe ausgelöst werden konnten und in vielstündigem,

unbeherrschbarem Weinen ihren Ausdruck fanden. Ich erwähne sogleich die zwei hauptsächlichsten Determinationen dieses zwanghaften Weinens. Es ließ sich zunächst vom Kastrationskomplex herleiten und bezog sich auf den „Verlust“ der Männlichkeit mit allen. seinen Folgen, wie z.B. Neid

auf den bevorzugten jüngeren Bruder usw. Die geringste tatsächliche oder

vermeintliche Zurücksetzung löste den stundenlangen Tränenstrom aus, ebenso aber eine Frage des Lehrers in der Schule und ähnliche Anlässe, "die alle als Anzweiflung ihres Könnens, als Erinnerung an ihre weibliche Wunde wirkten. Während der Menstruation, die in typischer Weise den Kastrationskomplex zu erregen pflegte, erfuhr das Weinen: kaum eine "Unterbrechung. Die andere Determinierung des Weinens hing mit dem Verhältnis der Patientin zu ihrem Vater zusammen. Sie beweinte den Verlust des Vaters, aber nicht den realen, durch seinen Tod eingetretenen, sondern den Verlust des Vaters im psychologischen Sinne, an den sich die frühesten Symptombildungen ihrer Neurose angeschlossen hatten. In ihrer Kindheit hatte sich früh eine besonders starke Übertragungsliebe zum Vater gebildet, die nach dem Ergebnis der Psychoanalyse in der ersten Hälfte des sechsten Lebensjahres in ihrer Entwicklung jäh unter- brochen wurde. Die Patientin teilte damals, in der Rekonvaleszenz nach einer Krankheit, das Schlafzimmer der Eltern und hatte Gelegenheit zu Beobachtungen, die sich außer auf den ehelichen Verkehr der Eltern auch auf den Körper des Vaters erstreckten. Ihre Schaulust steigerte sich außerordentlich, bis sie einer intensiven Verdrängung unterlag. Neben anderen, dem Psychoanalytiker bekannten Wirkungen der damaligen Erlebnisse muß ich hier eine individuelle Folgeerscheinung hervorheben. Die Patientin klagte über den Verlust jedes persönlichen Gefühlskontaktes mit dem Vater, ja über eine Unfähigkeit, sich seine Person überhaupt gedanklich vorzustellen. Weder zärtlich-liebevolle noch sinnliche Regungen für den Vater kamen ihr zum Bewußtsein. Was sich nachweisen ließ, und zwar aus einer Fülle von neurotischen Erscheinungen, war ein ganz spezialisiertes, zwanghaftes Interesse für einen einzigen Körperteil des Vaters, für den Penis. Der Vater hatte aufgehört, für die Patientin als ganzer Mensch zu existieren, nur ein einzelner Teil von ihm war übrig geblieben. Dieser bildete das Objekt eines Schauzwanges der Tochter (Spähen nach den Umrissen der Genitalien durch die Kleidung des Vaters.)

ı) Daß die abundante Tränenproduktion dem unbewußten Wunsch entsprach, in männlicher Weise zu urinieren, sei nebenher erwähnt.

oo

mn Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 77

BE EEE NEE ENTE NEAR.

Außerdem aber identifizierte sie sich unbewußt bald mit dem Vater, bald mit seinem Genitale, welches ja für sie der eigentliche Repräsentant des Vaters geworden war. Ihre kleptomanen Antriebe entsprangen zum erheb- lichen Teil der aktiven, gegen den Vater gerichteten Kastrationstendenz,. Dem V-ater den geneideten Besitz rauben, um diesen dann selbst zu haben . oder sich mit diesem zu identifizieren, war das unbewußte Ziel ihrer Diebstähle, deren Zusammenhang mit der Person des Vaters aus mancherlei Anzeichen zu entnehmen war. Beispielsweise hatte sie einmal aus dem Schlafzimmer des Vaters ein Klystierrohr entwendet, das sie als Surrogat

des väterlichen Gliedes zu analerotischen Praktiken benützte. Andere

Formen der „Kastration‘ bestanden im Entwenden von Geld („Vermögen“) aus der Börse des Vaters, im Stehlen von Federhaltern, Bleistiften und ähnlichen Symbolen der Männlichkeit, wie es uns auch aus anderen Fällen von Kleptomanie geläufig ist.

Der Kastrationskomplex der Patientin erwies sich aber auch als eine

wesentliche Quelle ihrer Pseudologie. Bedeutete die Kleptomanie: „Ich

nehme mir mit List oder Gewalt, was mir vorenthalten (oder genommen) ist‘, so ließ eine hauptsächliche Determinierung des Lügens sich in der Formel ausdrücken: „Ich besitze den ersehnten Körperteil, ich bin dem Vater gleich.“ Von besonderem Interesse ist die Angabe der Patientin, daß sie beim Erzählen phantastischer Lügen einer starken sexuellen Erregung unterlag, zugleich aber einer Sensation, als wüchse an ihrem Unterleib etwas Schwellendes hervor. Diese Sensation verband sich mit einem Gefühl von körperlicher, vordringender Gewalt, ebenso wie ihr das Lügen selbst ein Gefühl der psychischen Macht, der geistigen Überlegenheit gab.

Dem hier nur in groben Umrissen geschilderten Verhältnis der Patientin zum Vater war dasjenige zu den anderen Personen ihrer Umgebung ähnlich. Ein eigentlicher seelischer Kontakt fehlte durchaus. Das Lügen bedeutete für die Patientin durch viele Jahre die einzige Form geistiger Beziehung zur Außenwelt.

Dieser Zustand entsprach also keinesfalls einer regelrechten,

vollkommenen Objektliebe; wie erwähnt, war er ja auf dem Wege der Regression aus einer solchen hervorgegangen. Den- noch bestand eine gewisse Relation zu den Objekten, die überdies mit größter Zähigkeit festgehalten wurde. Die weitere Psychoanalyse der Kleptomanie in diesem und in einigen anderen Fällen gab aber Aufschluß über den Charakter dieser eigen- tümlichen, unvollkommenen Art der Objektliebe. Träume und

Tagträumereien der Patientin enthielten in vielfacher Wieder-

holung die Vorstellung der Kastration auf dem Wege des Beißens. Das Ziel der Phantasie war nicht die Einverleibung des Liebesobjektes in seiner Gesamtheit, sondern das

78 Dr. Karl Abraham

Abbeißen und Verschlingen eines Teiles, mit welchem die Patientin sich dann identifizierte. Dieser Vorgang der partiellen Einverleibung scheint auch in anderen Fällen von Kleptomanie vorzuliegen.

Eine andere Patientin, die ich als Fräulein Y. bezeichne, litt an einer schweren Neurose, deren aufdringlichstes Symptom ein schweres. hysterisches Erbrechen bildete. Daneben bot sie ausgeprägte klepto- manische Neigungen. Die Determinierung von der Seite des Kastrations- komplexes war auch hier evident. Die Stehlneigung hatte sich aufgebaut auf eine unbezähmbare kindliche Neigung, mit den Händen alles auszu- rupfen, besonders Blumen und Haare. Dieser Antrieb aber war bereits die Umbildung des Dranges, alles „Hervorstehende“* mit den Zähnen abzu- beißen. Vielfach tauchten bei der Patientin auch im erwachsenen Alter noch Phantasien dieses Inhalts auf. Sobald sie einen Mann kennen lernte, stellte sich zwangsmäßig die Vorstellung ein, ihm den Penis abzubeißen. Ihr neurotisches Erbrechen stand mit diesen oral-sadistischen Antrieben im engsten Zusammenhang. Im Phantasieleben dieser zweiten Patientin hatte ebenfalls der Vater als Mensch alle Bedeutung verloren. Das libidinöse Interesse war auf den Penis allein konzentriert. Als der Vater gestorben war, vermochte auch sie keine Trauer zu empfinden. Dagegen trat mit größter Lebhaftigkeit die Phantasie auf, den Toten. durch Beißen des Penis zu berauben und diesen dann zu behalten. Vielfach phantasierte sie in Tag-

träumereien vom Koitus mit einem Penis „ohne einen Mann daran“.

. Die beiden Patientinnen glichen sich des weiteren darın, daß auch die Mutter in ‚ihren Vorstellungen durch einen einzelnen Körperteil repräsentiert wurde, nämlich durch die Brust, welche unverkennbar mit dem vom Kinde angenommenen Penis des Weibes identifiziert wurde, oder auch durch das Gesäß, das wiederum die Brust ersetzte. Die Beziehung zur Munderotik (Beißlust) war überdeutlich und ließe sich durch viele Beispiele belegen. Ein einzelnes möge genügen. Die Patientin X. träumte einmal: „Ich fresse an einem Stück Fleisch, indem ich mit den Zähnen daran zerre und es schließlich auch verschlucke. Auf einmal merke ich, daß das Stück Fleisch, an dem ich fresse, das Rückenteil einer Pelzjacke ist, die der Frau N. gehört.“

Die Bezeichnung „Rückenteil“ wird leicht verständlich als Folge einer Verlegung von vorn nach hinten. Im gleichen Sinne spricht die sehr häufige symbolische Verwendung des Pelzes

/

Ar an

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 79

als Anspielung auf das weibliche Genitale. Frau N. trägt tat- sächlich einen Tiernamen, und zwar den Namen derjenigen Tierart, welche in vielen Träumen der Patientin in der Bedeutung

.der Mutter erschienen war.

Die „Verlegung nach hinten“ findet sich aber in den Vor- stellungen beider Patientinnen auch sonst vertreten. Beide empfanden einen Ekel vor der Mutter und jede setzte in ıhren Phantasien und in gewissen Symptomen die Mutter mit dem Inbegriff des Ekels gleich, nämlich mit Kot. So wurde also ın ihren Phantasmen die Mutter durch einen losgelösten Körper- teil (Penis, Kot) repräsentiert.

In beiden Fällen trat eine dem Grad nach erhebliche Regression der Libido zum Narzißmus zutage. Doch lag keines- falls eine totale Regression vor; nur war die Objektliebe, bevor durch die Psychoanalyse eine Wandlung erfolgte, in einem bestimmten Sinne unvollkommen zur Entwicklung gelangt oder durch Regression zu einem Stadium unvoll- kommener Entwicklung zurückgekehrt. Es mußte sich wohl um ein Übergangsstadium zwischen Narzißmus und Objektliebe handeln. In gleicher Richtung wies auch eine andere Erfahrung, die ich mit beiden Patientinnen machte und später an anderen Personen wiedererlebte. Die Libido befand sich in einer unver- kennbar ambivalenten Einstellung zum Objekt mit starker Tendenz zu seiner Schädigung. Und dennoch war diese objekt- zerstörende Tendenz bereits eingeschränkt. Das Sexualziel mußte auf dieser Stufe darin bestehen, daß das Objekt eines Körperteiles beraubt, also in seiner Integrität gestört wurde, ohne aber seine Existenz im ganzen einzubüßen. Man wird an das Kind erinnert, das einer Fliege ein Bein ausreißt, dann aber das Tier entkommen läßt. Auf die ausgeprägte Beteiligung der Beißlust an dieser uns bisher entgangenen Form der Objekt- relation muß noch einmal hingewiesen werden.

Ganz entsprechende psychologische Vorgänge habe ich nun bei den beiden manisch-depressiven Patienten feststellen können, von welchen ich im ersten Teil dieser Schrift ausführlicher

8o Ar: Dr. Karl Abraham

berichtet habe. Aber die einschlägigen Erscheinungen traten erst mit dem Abklingen der schweren Krankheitserscheinungen hervor. Solange die letzteren dauerten, war die kannibalische, objektzerstörende Tendenz der Libido in vielfacher Form nach- weisbar. In der Rekonvaleszenz traten bei dem einen Patienten sehr häufige Wunschphantasien auf, einem ıhm nahestehenden jungen Mädchen die Nase, das Ohrläppchen, die Brust abzu- beißen. Andere Male spielte er mit dem Gedanken, seinem Vater einen Finger abzubeißen. Als er einmal glaubte, ich wolle seine Behandlung nicht weiter führen, war blitzartig die gleiche Vorstellung in Bezug auf meine Person zur Stelle. Das Abbeißen eines Fingers wies eine Reihe von Determinierungen auf, unter welchen die Kastrationsbedeutung kaum der Erwähnung bedarf. Von Interesse ist an dieser Stelle vor allem der Ausdruck der Ambivalenz in jener Phantasie. Durch das Abbeißen eines Körperteiles wurde der Arzt als Ersatz des Vaters verstümmelt. Aber neben dieser objektfeindlichen Wirkung darf uns die objektfreundliche Tendenz nicht entgehen. Sie äußert sich in der Erhaltung des Objektes bis auf einen Teil, zugleich aber in dem Begehren, diesen Teil des Objektes ‚zum unverlierbaren Eigentum zu nehmen. Wir dürfen mit Recht von einem Antrieb zur partiellen Einverleibung des Objektes reden. Der Patient, von dem ich soeben berichtete, gebrauchte einmal den Ausdruck, er habe Lust, jenes Mädchen. (das er mit seiner Mutter identifizierte) „bissenweise zu fressen“. Wie nahe ihm in diesem Stadium der Psychoanalyse die Vor- stellung des „Abbeißens“ lag, mag folgender Vorfall verdeut- lichen. Der Patient sprach einmal über einen Vorgesetzten, der seinem Unbewußten zugleich Vater und Mutter repräsentierte und dem er äußerst ambivalent gegenüberstand. Wie auch sonst schon oft, so ging das freie Assoziieren bei ihm auch dieses Mal fließend in ein Phantasieren über, das durchaus bildhaften Charakter trug, zuweilen aber durch eine plötzliche affektive Sperrung unterbrochen wurde. So geschah es auch, als er von dem Vorgesetzten sprach. Zur Erklärung der ein-

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 8:

getretenen Stockung seiner Assoziationen fügte der Patient spontan hinzu: „Ich muß ihm jetzt (d. h. in der augenblicklich phantasierten Situation) zuerst den Bart mit den Zähnen aus- gerissen haben; eher komme ich nicht weiter.“ Nach dem selbstgeschilderten Eindruck des Patienten gab es also keine Möglichkeit des Ausweichens vor solchen sich aufdrängenden Phantasien. Ihr Charakter aber ist unverkennbar derjenige eines partiellen Kannibalismus.

Der Totalkannibalismus ohne jede Einschränkung ist

nur möglich auf Grund des uneingeschränkten Narzißmus.

Auf dieser Stufe wird nur das Lustbegehren des Subjektes berücksichtigt. Das Interesse des Objektes findet überhaupt keine Beachtung; letzteres wird ohne jedes Bedenken zerstört. ? Das im Obigen geschilderte Stadium des partiellen Kannibalismus trägt noch die klaren Zeichen der Abkunft vom totalen Kannibalismus an sich, unterscheidet sich aber von ıhm auch in einschneidender Weise. Der erste Anfang einer Rücksicht- nahme auf das Objekt tritt hier in die Erscheinung. Diese teilweise Schonung aber dürfen wir als ersten Anfang der Objektliebe in einem engeren Sinne betrachten, weil sie den Beginn einer Überwindung des Narzißmus bedeutet. Fügen wir sogleich hinzu, daß das Individuum auf dieser Entwicklungsstufe noch weit davon entfernt ist, ein anderes Individuum als solches neben sich anzuerkennen und es körperlich oder psychisch in seiner Gesamtheit zu „lieben“! Das Begehren richtet sich noch auf die Wegnahme eines Teiles vom Objekt zum Zwecke der Einverleibung; das bedeutet allerdings zu gleicher Zeit einen Verzicht auf das rein narzißtische Ziel des Totalkannibalismus. | Ist unser Blick für gewisse frühe Entwicklungsvorgänge durch die obige Erörterung erst einmal geschärft, so wird es

1) Der uns bei primitiven Völkern bekannte Kannibalismus, nach welchem wir ein Entwicklungsstadium der infantilen ‚Libido benennen, kann nicht als uneingeschränkt bezeichnet werden. Es wird keineswegs irgendein beliebiger Mensch von einem Beliebigen getötet und verspeist, sondern es besteht eine ganz bestimmte affektiv bedingte Auswahl.

6

82 | | DrKarl Abraham

an Bestätigungen durch direkte Beobachtung an Kindern gewiß nicht fehlen.

Wenn man wie es im vorstehenden geschah eine Strecke weit auf unbekannten Wegen gegangen ist, so muß man froh sein, irgendwo wieder eine Wegspur aufzufinden, ‚die frühere Wanderer hinterlassen haben. An dieser Stelle nun können wir eine solche Spur aufnehmen.

Vor mehreren Jahren haben zwei Autoren, deren Zuverlässig- keit als Beobachter außer Zweifel steht, unabhängig von- einander unsere Kenntnis von der Psychologie des paranoischen Verfolgungswahnes erweitert. Van Ophuijsen! und Stärcke? entdeckten nämlich in ihren Psychoanalysen, daß in der Paranoia der „Verfolger“ sich zurückführen läßt auf die unbewußte Vorstellung von einem Scybalum im Darm des ‚Kranken, welches von seinem Unbewußten mit dem Penis des „Verfolgers“, d. h. des ursprünglich geliebten Wesens gleichen Geschlechtes, identifiziert wird. Der Verfolger ist also in der Paranoia repräsentiert durch einen ihm gehörigen Körperteil, den der Verfolgte in sich zu tragen wähnt; er möchte sich von dem Fremdkörper befreien, ist aber dazu nicht imstande.

Ich gestehe, daß ich die ganze Bedeutung dieses Fundes der beiden Autoren seinerzeit nicht erkannt habe. Er stand allzu isoliert da, ohne sich in geläufige Zusammenhänge zwanglos ‚einzureihen, obwohl die Beziehungen zwischen Paranoia und Analerotik bereits von Ferenczi erkannt waren. Jetzt ordnet die Entdeckung der beiden holländischen Autoren sich einem - größeren Zusammenhang ein und gewinnt damit eine erhöhte Bedeutung für uns. |

Wenn der Paranoiker die libidinöse Beziehung zu seinem Objekt und zu den Objekten überhaupt verloren hat, so sucht er diesen Vorgang, der ihm subjektiv als „Weltuntergang“ erscheint, nach Möglichkeit zu kompensieren. Er schreitet, wie

—————

ı) Internat. Zeitschrift für Psychoanalyse, Bd. VI, 1920, p. 68 f. 2) ibid. Bd. V, 1919, p. 258.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 83

wir seit Freuds Analyse des Falles Schreber annehmen, zu einer Rekonstruktion des verlorenen Objektes. Wir dürfen über diesen Prozeß der Rekonstruktion jetzt aussagen, daß der Paranoiker sich einen Teil des Objektes einverleibt. Er erleidet dabei ein ähnliches Schicksal wie der Melancholiker, wenn er sich das gesamte Objekt durch Einverleibung introjiziert hat. Auch er entgeht damit dem Ambivalenzkonflikt nicht. Und so trachtet auch er, sich des aufgenommenen Teiles wieder zu entledigen, und das kann auf dem Niveau seiner psychosexuellen Entwicklungsstufe wiederum nur auf analem Wege gedacht werden. Für den Paranoiker wird also das Liebesobjekt repräsentiert durch Kot, den er nicht ausstoßen kann. Der introjizierte Teil des Liebesobjektes will nicht wieder von ihm gehen, so wie beim Melancholiker das in toto introjizierte Objekt seine tyrannische Herrschaft ausübt.

Wir kommen somit zu der Auffassung, daß der Melancholiker sich das aufgegebene Liebesobjekt in toto wieder einverleibe, während der Paranoiker sich nur einen Teil des Objektes introjiziere. In letzterer Hinsicht ist allerdings noch einer doppelten Möglichkeit zu gedenken. Die partielle Introjektion braucht nicht auf dem oralen Wege vor sich zu gehen, sondern kann auch auf dem analen vorgestellt werden. Bis wir zu vollkommeneren Einblicken gelangen, dürfen wir mit aller gebotenen Vorsicht die Vermutung aussprechen, die Libido des Paranoikers regrediere hinsichtlich ihres Sexualzieles zur früheren der beiden sadistisch-analen Stufen; hinsichtlich ihrer Einstellung zum Objekt wende sie sich rückwärts zur Stufe der partiellen Introjektion, wobei wir die Frage oifen lassen, ob solche auf analem oder oralem Wege erfolgt. Ahn- lichen Verhältnissen begegnen wir beim Melancholiker in der Rekonvaleszenz. Es bleibt eine offene Frage, warum bei diesem eine Wahnbildung im paranoischen Sinne ausbleibt. Teils dürfte sich der Gegensatz aus den verschiedenartigen Wir- kungen totaler oder partieller, oraler oder analer Introjektion

erklären. Klarheit wird hier erst geschaffen werden können, 6*

84 | Dr. Karl Abraham

nn

wenn wir in die Beteiligung des Ich an beiden Krankheits- prozessen eine noch tiefere Einsicht gewonnen haben.

Bezüglich des introjizierten Teiles erscheint noch eine Bemerkung notwendig. Sie bezieht sich auf die regelmäßige Gleichsetzung des Penis mit der weiblichen Brust. Sekundär übernehmen andere Körperteile die Vertretung dieser beiden Organe, so z. B. Finger, Fuß, Haar, Kot, Gesäß. Belege für diese Erfahrung wurden bereits mitgeteilt.‘

Nehmen wir in der Entwicklung der Objektliebe eine Stufe an, wie wir sie als „Partialliebe“ geschildert haben, so entspringt daraus für uns noch ein weiterer Gewinn an Erkenntnis. Wir beginnen nämlich eine Eigentümlichkeit der sexuellen Perver- sionen zu verstehen, auf welche jüngst wieder von Sachs”? hingewiesen wurde, nämlich die Spezialisierung des Interesses am Objekt auf bestimmte Körperteile, deren Auswahl uns oft ganz seltsam anmutet. Am auffälligsten tritt diese Erscheinung beim Fetischisten hervor. Diesem ist der ganze Mensch oftmals nur ein irrelevantes Anhängsel -eines einzelnen Körper- teiles, der allein ihn mit unwiderstehlicher Gewalt anzieht. Als ich vor längeren Jahren? den ersten Versuch machte, einen Fall von Fuß- und Korsettfetischismus psychoanalytisch zu durchdringen, schlug Freud mir die Einführung des neuen Begriffes der Partialverdrängung vor, um den in Frage stehenden Phänomenen gerecht zu werden. Der so bezeichnete psychologische Vorgang, der einen (den größten) Teil des Objektes zur Bedeutungslosigkeit herabsetzt, um einem anderen eine gewaltige Überschätzung zuteil werden zu lassen, erscheint uns jetzt als Ergebnis einer Libidoregression zu dem von uns angenommenen Stadium der Partialliebe. Zugleich hört er auf,

1) Eine bemerkenswerte psychologische Parallele zur „Partialliebe“ ist die von Freud („Massenpsychologie“ S.70) kurz skizzierte „partielle Identifizierung“ des Individuums mit seinem Liebesobjekt.

2) „Zur Genese der Perversionen“, Internationale Zeitschrift für Psycho- analyse 1923.

3) Vergl. meinen Aufsatz im Jahrbuch für psychoanalytische Forschungen II, 1912 (Abdruck in’ „Klinische Beiträge zur Psychoanalyse“ 1920).

nen.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido B5

eine vereinzelt dastehende Sonderbarkeit im Bereich einer Krankheitsform zu sein und fügt sich einer großen Reihe verwandter psychologischer Phänomene ein. Ein genaueres Eingehen auf die Symptome des Fetischismus liegt nicht in der Absicht dieser Untersuchung. Es sei aber der Hinweis gegeben, daß die Körperteile des Liebesobjektes, auf welche die fetischistische Neigung sich zu spezialisieren pflegt, die gleichen sind, die uns im Bereich der „Partialliebe“ begegnen.

Die klinische Beobachtung hat uns seit langem mit einem Entwicklungsstadium der Objektliebe bekannt gemacht, das dem Objekt bereits ein höheres Maß von Schonung zuteil werden läßt. Im Bereich der Neurosen tritt es uns als regressives Phänomen in der Sexualität der Zwangskranken entgegen. Auf dieser Stufe ist das Individuum noch nicht fähig, ein anderes im vollen Sinne des Wortes zu lieben. Noch bindet sich die Libido des Subjektes an einen Teil des Objektes, Aber die Tendenz zur Einverleibung dieses Teiles ist aufgegeben; an ihre Stelle trat der Wunsch des Subjektes nach Herrschaft und Besitz. So weit auch die Libido auf dieser Stufe vom definitiven Ziel der Entwicklung entfernt bleibt, so ist doch ein grundsätzlicher Fortschritt dadurch erzielt, daß der Besitz sozusagen nach außen verlegt ist. Eigentum ist nicht mehr, was das Individuum sich durch Verschlingen einverleibt hat; es besteht vielmehr jetzt außerhalb seines Körpers. Damit ist die Existenz des Objektes anerkannt und sichergestellt, und ein wichtiger Akt der Anpassung an die Außenwelt seitens des Individuums vollzogen. Diese Änderung ist von größter praktischer Bedeutung im sozialen Sinne; sie ermöglicht erst die Gemeinsamkeit eines Besitzes zwischen verschiedenen Personen, während das Verschlingen ihn einer einzigen Person ausschließlich sicherte.

Ein Niederschlag dieser Libidoeinstellung zum Objekt findet sich in verschiedenen Sprachen, wie zum Beispiel im deutschen „besitzen“, im lateinischen possidere. Man sitzt auf dem Eigen- tum, man bleibt also noch in einem engen körperlichen

86 Dr. Karl Abraham

Kontakt mit ihm. Bei Kindern beobachten wir dies unmittelbar. Wir sehen vielfach, wie ein Kind einen ihm besonders lieben Gegenstand am Abend mit sich ins Bett nimmt und auf ihm liegt. Auch bei Tieren (Hunden) kann man feststellen, daß sie einen Besitz zu sichern trachten, indem sie ihn mit dem Körper decken. Ich beobachtete dies bei meinem Hunde; sobald ein Fremder sich im Hause aufhielt, holte er seinen Maulkorb also einen für ıhn allein bestimmten Gegenstand und legte sich auf diesen.'

Vermutlich könnte das psychoanalytische Studium der Zwahgs neurose uns weitere Aufschlüsse über dieses Entwicklungs- stadium der Objektliebe bringen. Die besondere Ausprägung der aktiven und passiven Kastrationsvorstellungen bei den Zwangskranken sowie ıhre eigentümliche Einstellung zum Besitz lassen uns an einen Zusammenhang mit dem Stadium der Partialliebe denken. |

Die Psychoanalyse hat uns zu der Erkenntnis geführt, daß das Unbewußte des reifen Menschen vielerlei Spuren enthält, die den frühen Stadien seiner Psychosexualität entstammen. Solchen Residuen begegnen wir beim gesunden Menschen namentlich in seinen Träumen. Auch die Partialliebe hinterläßt derartige Spuren in unserem Unbewaußten.

Ich führe als Beispiel die allbekannten Träume vom Aus- fallen eines Zahnes an. Jedem Psychoanalytiker ist ihre mehr- fache symbolische Bedeutung bekannt. Der ausfallende Zahn ist einerseits ein Symbol der Kastration, andererseits bedeutet er eine dem Träumer nahestehende Person, deren Tod das Wunschziel des Traumes bildet. Ein Angehöriger wird also einem Körperteil gleichgesetzt, der ausgestoßen werden soll. Die Ähnlichkeit mit der Psychologie des Verfolgungswahnes liegt auf der Hand. Zu beachten ist die Ambivalenz der Gefühle,

ı) Man vergleiche hierzu die Phantasien des fünfjährigen Hans in Freud’s „Analyse der Phobie eines fünfjährigen Knaben.“ (Jahrbuch für psychoanalytische Forsch. 1909, $. 26.) Hans setzt sich auf die Giraffe, welche die Mutter vertritt, nachdem er sie dem Vater genommen hat.

EEE TEEN TEE Er Mm.) are s Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 87

die sich in der Identifizierung einer Person mit einem Teil unseres Körpers kundgibt. Die Gleichsetzung eines anderen Menschen mit einem Körperteil, der unsererseits einer beson- deren narzißtischen Schätzung unterliegt, ist zweifellos der Ausdruck besonderer Liebe. Im deutschen Sprachgebrauch kennen wir die Anrede „mein Herz“ an eine geliebte Person. Von einer Mutter sagen wir, sie hüte ihr Kind „wie ihren Augapfel*. Die Gleichsetzung mit einem Zahn, wie sie im Traum so häufig geschieht, sagt in anspielender Form, daß man einen solchen Bestandteil zwar nicht gern aufgibt, aber ihn doch wohl entbehren kann, da man seinesgleichen ja in Menge besitzt. Oft fällt dem Träumer sogar die Schmerz- losigkeit des Zahnausfalles oder einer Extraktion auf; der Ver- lust jenes Menschen, dem die Anspielung gilt, wäre also nicht gar so schmerzlich! Man darf ferner nicht vergessen, daß der symbolischen Kastration ein unbewußter Wunsch zugrunde liegt, der sich auf den Verlust desjenigen Körperteils bezieht, welcher im Mittelpunkt des menschlichen Narzißmus zu stehen pflegt. Die feindselige Bedeutung tritt in der Gleichsetzung einer Person mit einem Teil unseres Körpers aber am deut- lichsten dann zutage, wenn dieser Körperteil K ot ist.

So: hat die Partialliebe auch im Seelenleben des Gesunden ihre Spuren hinterlassen. Das mit ambivalenten Gefühlen besetzte Liebesobjekt wird durch einen einzelnen Körperteil repräsentiert, der dem Körper des Subjekts introjiziert ist.

Die Patientinnen X. und Y., über welche ich oben berichtete, näherten sich unter der Einwirkung der Psychoanalyse mehr und mehr einer normalen Ausbildung der Objektliebe. Sie passierten auf diesem Wege ein Stadium, das als unmittelbare Weiterbildung des soeben beschriebenen erscheint.

Die Patientin X. war früher beherrscht von einer phantasti- schen Vorstellung, die, wie erwähnt, in ihren Träumen und Symptomen beständig wiederholt und variiert wurde. Es handelte sich um die Vorstellung von der Übernahme des Penis ihres Vaters; es wird erinnerlich sein, daß sie sich selbst

88 Dr. Karl Abraham

mm nn nn nn nn nn

in toto mit diesem Körperteil identifizierte. In einem bestimmten Stadium der Besserung, in welchem die pseudologischen und kleptomanischen Antriebe praktisch überwunden waren, nahmen die Phantasieprodukte der Patientin einen anderen Charakter

an. Als besonders auffälligen Beleg erwähne ich einen Traum,

in welchen sie den Körper ihres Vaters sah und das Fehlen des Schamhaares an ihm konstatierte. Letzteres war in einer Anzahl früherer Träume stets in Genitalbedeutung aufgetreten. Sie träumte also jetzt vom Vater als ganzem Menschen, aber mit Ausschluß eines einzigen Teiles seines Körpers. Der Gegen- satz zu gewissen früher erwähnten Äußerungen ihrer Neurose ist bemerkenswert. Zur Zeit, als sie zwanghaft die Genital- gegend des Vaters ins Auge fassen mußte, war das Liebes- interesse von dem ganzen übrigen Menschen abgewandt. Jetzt war verdrängt, was früher im Bewußtsein eine Zwangsherrschaft ausgeübt hatte. '

Träume der gleichen Art sind mir auch bei anderen Personen begegnet. Eine Patientin, die sich in stark ambivalenter Ein- stellung zu mir befand, produzierte als Ausdruck der Über- tragung einen Traum, in welchem sie mich ohne Genitalien darstellte. Die feindselige Tendenz (Kastration) ist hier leicht genug erkennbar. Eine andere Determinierung des Traumes lag aber in der Gleichsetzung meiner Person mit dem Vater, den sie zwar lieben, aber nicht im genitalen Sinne begehren durfte. Der Arzt, als Ersatzperson des Vaters, durfte nur unter Genitalausschluß geliebt werden; die Traumzensur hinderte in diesem Sinne die Überschreitung der Inzestschranke.

Die erotische Bejahung des Objektes mit Ausschluß des Genitales erscheint als eine für die Hysterie typische Äußerung des Inzestverbotes. Freud wies schon in der ersten Auflage der „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“ auf die Tatsache hin, daß bei den Hysterischen gerade das normale (genitale) Sexualziel der Ablehnung unterliege, während andere, „perverse“ Wunschregungen dessen Stelle einzunehmen trachten. Mit dieser Feststellung Freuds stimmt die Annahme eines

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 89

Stadiums der Objektliebe mit Genitalausschluß gut überein." Die Ablehnung der Genitalzone erstreckt sich sowohl auf den eigenen Körper des Individuums als auf denjenigen des Objektes. Zwei besonders verbreitete und praktisch wichtige Symptome, die Impotenz des Mannes und die Frigidität des Weibes, erklären sich zu einem erheblichen Teil aus diesem Sachverhalt. Das neurotische Individuum kann das Objekt wegen seines Genitales nicht vollkommen lieben.

Die Psychoanalyse der Neurotiker hat uns gelehrt, daß diese Hemmungen der Libido bei beiden Geschlechtern auf den Kastrationskomplex zurückzuführen sind. Beim männlichen Geschlecht üben die Angst um das eigene Genitale und das Grauen vor dem Fehlen eines entsprechenden Organes am weiblichen Körper die nämliche Wirkung aus, wie beim weiblichen Geschlecht der nicht verwundene Schmerz über die Genitalberaubung und die gegen den Mann gerichtete Kastrationslust. Wir müssen außerdem ın Betracht ziehen, daß bei jedem Menschen das eigene Gsenitale stärker als irgendein anderer Körperteil mit narzißtischer Liebe besetzt ist. Dem- entsprechend darf am Objekt alles andere früher geliebt werden als das Genitale. Auf der von Freud so genannten „phallischen“ Organisationsstufe der Libido ist dieser letzte große Schritt der Entwicklung offensichtlich noch nicht getan. Erst auf der höchsten, als eigentlich genital zu bezeichnenden Stufe ist dieser Erfolg eingetreten. So geht die Erreichung der höchsten Organisationsstufe der Libido mit einem abschließenden Entwicklungsakt im Bereich der Objektliebe Hand in Hand.

Die folgende tabellarische Aufstellung soll dazu dienen, die Übersicht über die Stufen der sexuellen Organisation und die

ı) Die Objektliebe mit Genitalausschluß scheint als psychosexuelles Entwicklungsstadium zeitlich mit Freud’s „phallischer Entwicklungsstufe“ ‚zusammenzufallen, mit ihr aber auch durch innere Verbindungen eng verknüpft zu sein. Die hysterischen Symptome hätten wir als das Negativ der libidinösen Regungen aufzufassen, die der Objektliebe mit Genital- ausschluß und der phallischen Organisation entsprechen,

90 Dr. Karl Abraham

Entwicklungsstadien der Objektliebe zu erleichtern. Ich mache ausdrücklich auf den vorläufigen Charakter der hier zusammen- gestellten Resultate aufmerksam. Besonders sei betont, daß ich die Zahl der angenommenen Entwicklungsstadien keineswegs auf sechs festlegen möchte. Man kann die Tabelle etwa mit dem Fahrplan eines Schnellzuges vergleichen, in welchem nur einige große Stationen verzeichnet sind; was zwischen diesen gelegen ist, muß in einer derartigen Übersicht unberücksichtigt bleiben. Endlich sei erwähnt, daß die in den beiden Haupt- kolonnen auf gleicher Höhe verzeichneten Stadien miteinander zeitlich nicht zusammenzufallen brauchen.

Organisationsstufen Entwicklungsstufen der Libido: der Objektliebe: v1. Endgültige genitale Stufe Objektliebe (nach-ambivalent)

V,. Frühe genitale (phallische) Objektliebe mit Stufe Genitalausschluß

IV. Spätere anal-sadistische Partialliebe

Stufe ambivalent

II. Frühere anal-sadistische Partialliebe mit Ein-

Stufe verleibung II.. Spätere orale (kanibalische) Narzißmus. Totaleinver-

Stufe leibung des Objektes I. Frühere orale (Sauge-) Autoerotismus (vor-ambivalent)

Stufe x (objektlos)

Die Tabelle gibt einen summarischen Aufschluß über die psychosexuelle Entwicklung des Menschen nach zwei Richtungen hin; sie berücksichtigt die Wandlungen der Libido hinsichtlich des Sexualzieles und des Sexualobjektes. Neben anderen wichtigen Erscheinungen dieses Entwicklungsprozesses blieb besonders eine unberücksichtigt, nämlich die Ausbildung der Hemmungen des Triebes. So mag hier wenigstens ein kurzer bezüglicher Hinweis Platz finden,

Be u.

ss ee EEE EEE EEE EEE EEE ERREGER EEE ! Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido gI

Das früheste, autoerotische Stadium betrachten wir als noch frei von Triebhemmungen, entsprechend dem Fehlen eigent- licher Objektbeziehungen. Im Stadium des Narzißmus mit kannibalischem Sexualziel tritt als erste nachweisbare Trieb- hemmung die Angst auf. Die Überwindung des Kannibalismus ist eng verknüpft mit der Entstehung von Schuldgefühlen, sie treten als typische Hemmungserscheinungen auf der dritten Stufe hervor. Die Einverleibung eines Teiles des Objektes bleibt als Sexualziel bestehen, bis Mitgefühl und Ekel der Libido diesen Weg der Betätigung verlegen. Der Objektliebe mit Genitalausschluß entspricht als Hemmungserscheinung das Schamgefühl. Auf der höchsten Stufe der eigentlichen Objektliebe begegnen wir endlich den höheren sozialen Gefühlen als Regulatoren des Trieblebens.

Diese wenigen, allgemein gehaltenen Bemerkungen mögen zeigen, daß die Entstehung der Hemmungen im Bereich der Libido weiterer Erforschung bedarf, daß uns aber die Psycho- analyse auch zu dieser Leistung in den Stand setzt. Ein kurzer Hinweis auf einen Einzelakt des komplizierten Prozesses sei hier noch angeschlossen.

Im Stadium der „Partialliebe mit Einverleibung“* wird, wie wir sahen, das Liebesobjekt durch einen Teil repräsentiert. Die Einstellung des Individuums zu diesem Teil (= Penis, Brust, Kot usw.) ist ambivalent, also begehrend und ablehnend zu gleicher Zeit. Erst wenn die Einverleibungstendenz völlig auf- gehoben wird, wie es nach unserer Annahme im vierten Stadium geschieht, tritt eine mißachtende Einstellung zu jenem Teil in die Erscheinung, die sich besonders gegenüber dem Kot bemerkbar macht. Der Kot repräsentiert im kindlichen Seelen- leben nun alles, was man nicht behalten will; die mit Ekel abgelehnte Person (in den Krankheitsfällen X. und Y.) wird daher mit Kot identifiziert. Fortan ist die Einführung von Kot in den Mund schon als Gedanke der Inbegriff alles Ekelhaften. In gewissen Krankheitszuständen können wir einen tiefgreifen- den Regressionsvorgang feststellen, der das Verschlingen von

92 N Dr. Karl Abraham

mn nn

Kot wiederum zum Sexualziel erhebt. Denn in unserem Unbe-

wußten bleibt die ursprüngliche narzißtische Wertschätzung der

Exkremente bestehen.

Bereits früher (Zeitschrift VII, 1921, S. Kain habe ich ver- sucht, das Verhältnis der verschiedenen Formen psycho- neurotischer Erkrankung zu den Stufen der Libidoentwicklung entsprechend dem Stande unseres Wissens zu einer übersicht- lichen Darstellung zu bringen. Dieser Versuch war sehr unvoll- kommen und weit davon entfernt, eine endgültige Klärung zu bedeuten. Auch jetzt gibt es im ganzen noch die gleichen Lücken in unserem Wissen. Eine Ergänzung kann mit aller Vorsicht gegenwärtig nur in zwei Hinsichten versucht werden. ‚Wir dürfen annehmen, daß beim Melancholiker die Fähigkeit zur Objektliebe besonders unvollkommen ausgebildet sei, so daß im Erkrankungsfalle die Tendenz zur kannibalischen Einverleibung des Objektes die Oberhand gewinne, was mit einer Regression der Libido des Patienten zum zweiten Stadium des obigen Schemas zusammenfiele.

Bei einer anderen Krankheitsform, den paranoischen

Zuständen, scheint die Regression im Stadium der partiellen

Einverleibung (III) halt zu machen. Das Gleiche scheint auch für die kleptomanen Zustände zu gelten. Vielleicht besteht: der wesentliche Unterschied des unbewußten Wunschgehaltes der beiden Krankheitsformen darin, daß der Kleptomane die orale Einverleibung, der Paranoiker dieanale Einverleibung des begehrten Objektteiles zum unbewußten Sexualziel erhoben hat.

Nur konsequente und geduldige psychoanalytische Arbeit, ‚besonders an den narzißtischen Formen der Psychoneurosen, kann uns allmählich vollständigere Einblicke in die. psycho- sexuelle Entwicklung des Menschen eröffnen. Bis eine größere Anzahl gründlich durchgeführter Analysen die im Vorstehenden gegebenen Annahmen bestätigt und erweitert, mag es nicht überflüssig sein, ihr vorläufiges Fundament zu prüfen.

An erster Stelle ist hier die rein empirische Gewinnung der Resultate dieser Untersuchung zu erwähnen. Ich glaube

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 9

jeder spekulativen Überschreitung des rein empirischen Bodens entsagt zu haben. Zum mindesten darf ich geltend machen, daß im vorstehenden nirgends versucht wurde, eine abge- rundete Theorie zu geben; im Gegenteil habe ich selbst an vielen Stellen auf Mängel und Lücken des Gebotenen auf- merksam gemacht.

‚Sodann sei auf die Einfachheit des angenommenen Ent- wicklungsprozesses hingewiesen. Er spielt sich in gleichen Bahnen ab wie die Vorgänge der organischen Entwicklung; ein Teil wächst sich zum Ganzen aus, ein ursprüngliches Ganzes reduziert sich zu einem Teil, um schließlich ganz an Be- deutung zurückzutreten oder nur noch im Rudiment fortzuleben.

Die Parallele mit organisch-biologischen Vorgängen aber läßt sich erheblich erweitern. Wir haben längst das „bio- genetische Grundgesetz“ von der organischen auf die psychische (psychosexuelle) Entwicklung des Menschen übertragen. Dem Psychoanalytiker bestätigt tägliche Erfahrung, wie das Indivi- duum auch auf seelischem Gebiet den Entwicklungsgang der Art wiederholte Auf Grund reicher Empirie dürfen wir aber noch eine besondere Regel der psychosexuellen Entwick- lung aufstellen, welche besagt, daß diese letztere der organischen, somatischen Entwicklung stets in weitem . Abstand nachhinkt, wie eine späte Neuauflage oder Wiederholung des gleichen Prozesses. Das biologische Vorbild jenes Entwicklungsvorganges, dem die vorliegende Untersuchung gewidmet ist, spielt sich in frühester Embryonalzeit ab, während der uns beschäftigende psychosexuelle Prozeß sich über eine Reihe von Jahren des extrauterinen Lebens vom ersten Lebensjahr bis zur Pubertät ausdehnt. Werfen wir einen Blick auf das Gebiet der Embryologie, so ergibt sich zwanglos ein weitgehender Parallelismus des von uns beobachteten stufenweisen psycho- sexuellen Aufstieges mit dem organischen Entwicklungsprozeß in früher Embryonalzeit.

In der ersten Periode des extrauterinen Lebens ist die Libido nach unserer Auffassung vorzugsweise an den Mund

94 Dr. Karl Abraham

als erogene Zone gebunden. Die früheste, lebenswichtige Relation des Kindes zur Außenwelt besteht darin, daß sein Mund einsaugt, was dazu geeignet und ihm zugänglich ist. In der embryonalen Entwicklung ist das erste Organ, das sich in Anschluß an die frühesten Zellteilungen bildet, der sogenannte „Urmund‘, der bei der niederen Tiergruppe der Coelenteraten lebenslänglich erhalten und in Funktion bleibt.

Im Leben des Kindes vergeht eine lange Zeit, bis die Geschlechtsorgane (im engeren Sinne des Wortes) eine leitende Rolle in der Sexualität übernehmen. Bis dieses Stadium erreicht wird, kommt dem Darmkanal, und besonders seiner Eintritts- und Austrittspforte, eine wichtige erogene Rolle zu. Bedeutende sexuelle Reizmengen strömen dem Nervensystem vom Darm- kanal aus zu. Dieser Zustand hat nun sein Vorbild in einer Einrichtung der frühen Embryonalzeit. Vorübergehend besteht nämlich eine offene Verbindung des Darmrohres (Enddarmes) mit dem kaudalen Teil des Nervenrohres (Canalis neurentericus). Der Weg der Reizübertragung vom Darmrohr auf das Nerven- system ist damit gewissermaßen organisch vorgezeichnet.

Besonders klar aber tritt uns das biologische Vorbild der oral-sadıstischen (kannibalischen) und der - anal-sadistischen Phase entgegen. Auf diese Tatsache hat schon Freud! andeutungsweise aufmerksam gemacht; ich zitiere wörtlich: „Die sadistisch-anale Organisation ist leicht als Fortbildung der

oralen zu erkennen. Die gewaltsame Muskelbetätigung am.

Objekt, die sie auszeichnet, findet ihre Stelle als vorbereitender

Akt für das Fressen, das dann als Sexualziel ausfällt. Der vor--

bereitende Akt wird ein selbständiges Ziel. Die Neuheit gegen die vorige Stufe besteht wesentlich darin, daß das aufnehmende passive Organ, von der Mundzone abgesondert, an der Anal- zone ausgebildet wird.“ Der Autor spricht dann auch von biologischen Parallelvorgängen, ohne solche genauer anzugeben.

-——

ı) Vgl. „Geschichte einer infantilen Neurose“ in „Kleine Schriften zur Neurosenlehre“, Band IV, P- 578.

Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Libido 95

Ich möchte‘ nun auf eine frappante Übereinstimmung der psychosexuellen und der organischen Entwicklung hier einen besonderen Nachdruck legen. |

Der bereits erwähnte „Urmund“ befindet sich anfänglich am vorderen Ende (Kopfende) des „Primitivstreifens“. Man kann nun an den Embryonen gewisser Tierarten beobachten, wie sich die ursprüngliche Mundöffnung vom Kopfende her schließt, während sie sich nach dem Schwanzende zu erweitert. Sie rückt so allmählich ın die Gegend des sich ausbildenden Schwanzes und bleibt hier nach Beendigung ihrer Wanderung als After bestehen. Diese unmittelbare Herleitung des Anus vom Urmund erscheint als biologische Prä- formation des psychosexuellen Vorganges, der sich in der von Freud geschilderten Weise etwa im zweiten Jahre nach der Geburt abspielt.

Um die nämliche Zeit, in der beim Embryo die Afterbildung stattfindet, sehen wir auch die Muskulatur des Körpers sich entwickeln, wobei die Kiefermuskulatur dem Bewegungsapparat der Extremitäten weit vorauseilt. Die Bildung des Anus und diejenige der Freßwerkzeuge sind eng miteinander verbunden. Hier sei auch darauf hingewiesen, daß im extrauterinen Leben die Kiefermuskulatur weit früher zielgerechte und zugleich kraftvolle Bewegungen hervorbringt, als etwa dıe Muskulatur des Rumpfes oder der Glieder.

In einem vierten Stadium der psychosexuellen Entwicklung erkannten wir als Sexualziel das Festhalten und Beherrschen des Objektes. Als sein Korrelat in der biologischen Ontogenese erscheint die Ausbildung der Vorrichtungen am Darmkanal, welche dem Festhalten des Aufgenommenen dienen. Da sind Verengerungen und Erweiterungen, ringförmige Einziehungen, blind endende Abzweigungen, vielfache Windungen, endlich am Ausgang die unwillkürlichen und willkürlichen Schließ- muskeln. Zur Zeit aber, da dieser vielgestaltige Retentions- apparat ausgebildet wird, fehlt noch jede Anlage der Uro-

genitalwerkzeuge.

06 | Dr. Karl Abraham

Die Ausbildung der genitalen Organisation der Libido sahen wir sich in zwei Stadien vollziehen, welchen auch zwei Stufen in der Entwicklung der Objektliebe entsprachen. Auch hier weist die organische Entwicklung entsprechende Vorbilder auf. Die Anlage der Genitalorgane ıst anfänglich „indifferent*; erst nach einer gewissen Zeit bilden sich männliche und weibliche Charaktere aus. Das gilt sowohl für die Keimdrüsen wie für die Organe, welche der Kopulation dienen. Eine entsprechende allmähliche Differenzierung aber haben wir auch auf psycho- sexuellem Gebiet kennen gelernt.

Bis eine umfangreichere und vertiefte psychoanalytische Erfahrung uns zu gesicherten Schlußfolgerungen hinsichtlich der hier behandelten psychosexuellen Entwicklungsvorgänge berechtigt, mag die soeben angeführte Reihe biologischer Parallelvorgänge dem Versuch einer Entwicklungsgeschichte der Objektliebe eine gewisse Stütze verleihen.

Inhaltsverzeichnis Erster Teil Seite Die manisch-depressiven Zustände und die prägenitalen Organısationsstufen der Libido... 3 2. 2 8

TEINTOHtUEn a Beet dee Nee ae Ch Eee er 5 I. Melancholie und Zwangsneurose. Zwei Stufen der sadistisch- analen Entwicklungsphase der Libido . .. . . 2». 2.2... 9 H. Objektverlust und Introjektion in der normalen Trauer und in abnormen psychischen Zuständen . .... 2.2... 22 II. Der Introjektionsvorgang in der Melancholie. Zwei Stufen der oralen Entwicklungsphase der Libido . . . . 2... 31 IV. Beiträge zur Psychögenese der Melancholie. ....... 42 V. Das infantile Vorbild der melancholischen Depression RB A Er ee ee ELEFANTEN RE 59 VII. Die psychoanalytische Thetapie der manisch- -melancholischen ZUSAGEN a re REIN 66

Zweiter Teil Anfänge und Entwicklung der Objektliebe .. ... . .ı.. u

le Pe

4

\ ir ze Au BR r

f

i E23 Br 7 FU» SE BETT IL x NG ART

nz ns nl 3 h j Ge . ie CL ante 4 m sr. 5 5 5 j Aa > LAG rag BI ZEN _ WE REINE N SR Du E7

“rn

Br

a

D Rj > > Pb 5

4 „s Es x >= r e

BP = ug ER 7EE

. FERN 2 Ti 5

E Me a En

2% ; a #

%.

+ _

IE VRR Fi Ye

an Aue e Bei = Bi

& ‚me

Pa ldu

Ri: WIEN, VII. ANDREASGASSE 3 I ul 2 r % . | I Ri, Buch { Na 2 er MR Kg s ücher von Dr. S. Ferenczi R = fr Introjektion und Übertragung. Eine psycho- | Versuch einer Genitaltheorie. (Internationale | i Dei analytische Studie. (Sonderabdruck aus „Jahrb. Psychoanalytische Bibliothek, Nr. XV). Leipzig, [2 Bi. f.psychoanalyt. u. psychopathol. Forschungen“ Wien, Zürich 1924 j | = 1. Bd. 1909). Leipzig u. Wien 1910. [Als | N. | Sonderabdruck vergriffen.) Contributions to Psychoanalysis. Authorised ! Ba translation by Dr. Ernest Jones. Boston 1916 { "| Hysterie und Pathoneurosen. (Internationale —— | A 72 4 \ - > s . . N E u ee Nr. II). Leipzig, | [gjekelemz&s. 3. Auflage, Budapest 1919 | Ru Be | nr, Lelki Problemäk. 2. Auflage, Budapest 1919 mn Inhalt: Über Pathoneurosen Hysterische Materialisations- R 7 77 phänomene, Erklärungsversuch einiger hysterischer Stig- Ideges tünetek. 2. Auflage, Budapest 1919 I eier 0 ET - | A Pszichoanalizis haladäsa. Budapest 1919 2: ie Psychoanalyse eines Falles von hysterischer Hypo- . : j chondrie. Über zwei Typen der Kriegshysterie. A hiszteria. Budapest 1919 Populäre Vorträge über Psychoanalyse. Mit Dr. St. Hollös 2 (Internationale Psychoanalytische Bibliothek, Tr Are IN Nr. XII). Leipzig, Wien, Zürich 1922 Zur Psychoanalyse der paralykischei Ri Inhalt: Über Aktual- und Psychoneurosen im Lichte der Geistesstörung. (Beihefte der Internationalen | Freud’schen Forschungen und über Psychoanalyse. Zur Zeitschrift für Psychoanalyse Nr. V). Leipzig, Sf analytischen Auffassung der Psychoneurosen. Die Psycho- W; Zürich 1922 = analyse der Träume. Träume der Ahnungslosen. Sug- Ien, Zur I gestion und Psychoanalyse. Die wissenschaftliche Bedeutung 27 ] von Freuds „Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie“. Die a Psychoanalyse des Witzes und des Korhischen. Ein Vortrag Mit Dr. Otto R ank | für Richter und Staatsanwälte. Psychoanalyse und Krimi- [000 & ar ‚nologie, Philosophie und Psychoanalyse. Zur Psycho- Entwicklungsziele der Psychoanalyse. Zur Ft "| genese der Mechanik. Nachtrag zur Psychogenese der W . \ e - ar | Mechanik. Symbolische Darstellung des Lust- und echselbeziehung von Theorie und Praxis, DEN " Realitätsprinzips i jr Serriachalen «= Sn gi aha (Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse, | R 1 der Graechen. Anatole France als Analytiker. Zähmung Re ß 6 Fe - | eines wilden Pferdes: Glaube, Unglaube und Überzeugung. Heft ). Leipzig, Wien, Zürich 1924 N ar. Be t Fu - Se, p Festschrift A . a zum 50. Geburtstag von Dr. S. Ferenczi | Su il (Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse 1X/3) ne | | | x 178 Seiten, mit einer Porträtbeilage x BE u n Brosch., in Halbleinen und in Halbleder erhältlich N ge | Nahe at Inhalt: x he |

Dr. Ernest Jones (London): Kälte, Krankheit und | Geburt.

Be M. Josef Eisler (Budapest): ar hysterische Er- {a scheinungen am Uterus.

. 6 a | Dr. j. Härnik (Berlin): Schicksale des Narzißmüs bei "| Mann und. Weib.

‚as Dr. Imre Hermann (Budapest): Organlibido und Be-

Dr. Stefan Hollös (Budapest): Von den „Pathoneurosen“ | zur Pathologie der Neurosen.

Herausgeber und Redaktion: Dr. S. Ferenczi

Melanie Klein (Berlin): Die Rolle der Schule in der | 8% libidinösen Entwicklung des Kindes.

Aurel Kolnai (Wien): Die geistesgeschichtliche Be- deutung der Psychoanalyse,

Dr. Sigmund Pfeifer (Budapest): Königin Mab.

Dr. Sändor Radö (Budapest): Eine Traumanalyse, Bazrie

Dr. Geza Röheim (Budapest): Melanesien. at

Dr. Geza Szilägyi (Budapest): Der junge Spiritistt |

Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten von Dr. S. Ferenczi.

Heiliges Geld in u v

>. ——

| NE Tin

INTERNATIONALE R FICHTE

WIEN, vIl ANDREASGASSE u

N a . a, LE y: \ . pn

Im Dezember 1923 EN Neue Arbeiten zur ärztlichen Psychoanalyse, Heft I

Dr. S. Ferenczi und Dr. Otto Rank Entwicklungsziele der Psychoanalyse

Zur Wechselbeziehung von Theorie und Praxis

nz

“2 Fe #5 ”ä P ee 3 ie ERBE?

*

u r er

Y 2 ii be wi” 3 TR EILET TEE

»“ =. —r u er 5, = En 4 I Pe Fa ch

wa

Internationale Psychoanalytische Bibliothek, Bd. XIV.

Dr. Otto Rank Das Trauma der Geburt

und seine Bedeutung für die Psychoanalyse

%

s FE s ei a en

> Bd. XV Dr. S. Ferencezi

Versuch einer Genitalhäne

s mA u un

BI A |

el Fr

er

Vera Schmidt

Psychoanalylische Erziehung in Sowjetrußland |

Bericht über das Moskauer Kinderheim-Sänatorium

> el Bi

Je FE

u Ar 4,N . ET Ze ST a2 a la ee ANNE > 7 y

R u 5 X e 2 { a BZ " E73 Li + L 4 Prts Fi - =“ zu f 5 pr Bu ae ck N Eu 4

Prof. Dr. Sigm. Freud a Zur Geschichte | | der psychoanalytischen Bewegung |

I end: selbständige Veröffentlichung der Arbeit aus der „Vierten Folge“ der. „Sammlung kleiner en zur Nariokniehrei Me

#

nr *, DR NEBEN

SL MTRRE y #

a,

$ Dar y Bi REN

BERRILER NN N Ar ‚d

ri A Da n} NE h2 Ar

\

Sr

aa" E 1 ER ie

dc

En e