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ABHANDLUNGEN

DER

PHILOSOPHISCH . PHILOLOGISCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

SIEBZEHNTER BAND.

IN DER REIHE DER DENKSCHRIFTEN DER LIX. BAND.

MÜNCHEN 1886.

VERLAG DER K. AKADEMIE

IN COMMISSION BEI G. FRANZ.

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AlEftdsmiacbe Buclukucktmi toxi F. Stimub in H(itii;b*iL

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Inhalt des XVII. Bandes.

I. Abtheilung. Seite

üeber die Beobachtung des Wortaccentes in der altlateinischen Poesie. Von

Wilhelm Meyer 1

Homer oder Homeriden. Von W, Christ 121

Die römischen Grenzlager zu Passau, Künzing, Wischelburg und Straubing.

Von F. Ohlemchlager. Mit einer Tafel 211

n. Abtheilung.

An&ng und Ursprung der lateinischen und griechischen rythmischen Dichtung.

Von Wilhelm Meyer aus Speyer . 265

Platonische Studien von W, Christ 451

HL Abtheilung.

Die troische Aera des Suidas. Von Georg Friedrich Unger 513

Handelsvertrag zwischen der Republik Venedig und dem Königreich Granada

vom Jahre 1400. Von Georg Martin Thomas 607

lieber die Homerrecension des Zenodot. Von Adolf Römer 639

Philologische Bemerkungen zu Aventins Annalen und Aventins Lobgedicht auf

Albrecht IV. von 1507. Von Wilhelm Meyer aus Speyer 723

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I

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Ueber die

Beobachtung des Wortaeeentes

in der

altlateinischeii Poesie.

Von

Wilhelm Meyer

aus Speyer.

Abh. tl. I. Cl. d. k. Ak. (1. Wi88. XVn. Bd. I. Abtli.

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Ueber die

Beobachtimg des Wortaccentes in der altlateinisclieii Poesie.

Von

Wilhelm Meyer,

Die Dichtungsformen der romanischen Völker haben sich aus der rythraischen, d. h. nach dem Wortaccent betonenden, lateinischen Poesie des Mittelalters entwickelt. Ein Hauptprinzip derselben war gleiche Silbenzahl in den entsprechenden Zeilen, während es, abgesehen von kunstreichen Strophen, auf gleichen Tonfall, also gleiche Zahl der Heb- ungen nicht ankam. Die germanische Dichtung hat in der ältesten Form, die wir kennen, die Hebungen des Verses an die betonten Silben gebunden und nur die gleiche Zahl der Hebungen, nicht der Silben, auch nicht die Gleichheit des Tonfalls erstrebt. Nachdem schon in kunstreichen mittel- hochdeutschen Strophen Gleichheit des Tonfalls, also auch der Silbenzahl, durchgeführt worden war, war in den Zeiten der Verwilderung das Prinzip der lateinischen und romanischen Dichtung, Gleichheit der Silben- zahl in den entsprechenden Zeilen ohne Rücksicht auf den Tonfall, ziem- lich herrschend geworden. Opitz stellte nach antikem Muster in den Zeilen die Gleichheit des Tonfalls her und setzte an die Stelle der langen die betonten, an Stelle der kurzen die unbetonten Silben. So herrschte in den entsprechenden jambischen und trochäischen Zeilen gleicher Ton- fall und also, da die Hebungen wie die Senkungen gleich waren, auch Gleichheit der Silbenzahl.

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Das erste lateinische Gedicht, in welchem die Vershebungen an die be- tonten Silben gebunden sind, der Psalm Augustins contra partem Donati, ist etwa 393 nach Christus verfasst. Demnach kann dieses Dichtungsprinzip nicht aus der germanischen Poesie entlehnt sein. Allgemeinen Beifall hat nun die Ansicht gefunden, dass die Römer ursprünglich nur nach dem Wortaccent gedichtet hätten und dass auch in der Zeit, wo die Gebildeten nur die quantitirende Dichtungsform der Griechen nachahm- ten, doch der gemeine Mann immer noch nach dem Wortaccent gedichtet habe; das Christenthum habe sich dann, da es sich gerade an den armen Mann wendete, dieser Dichtungsform bemächtigt und sie zu Ehren ge- bracht. Diese Ansicht sagt dem modernen Geschmack, der sich nur schwer in die quantitirende Dichtungsart denken kann, natürlich sehr zu und desshalb wurde sie mitunter romantisch ausgemalt.

Allein mit den Beweisen steht es schlecht. Vor Augustin gibt es kein Gedicht, das nicht quantitirend gebaut ist oder wenigstens so gebaut sein will ; selbst Commodians Verse sind in bestimmten Theilen nur (juan- titirend gebaut. Ueberall werden die Silben . nur nach ihrer Quantität gewogen ; die entweder von Natur gegebenen oder durch das Zusammen- stossen von Consonanten oder Vokalen entstehenden Längen und Kürzen sind es, aus welchen der lateinische Vers aufgebaut wird. Dieses Grund- gesetz sammt fast allen Formen ihrer Dichtung haben die alten Lateiner von den Griechen gelernt.

Aber vielleicht haben die lateinischen Dichter doch beim Versbau neben der Quantität auch den Wortaccent beachtet, und das vielleicht in dem Grade, dass auf eine ursprüngliche, oder auch später noch vor- handene, und nur zufällig durch keinen Ueberrest uns bezeugte acceu- tuirende altlateinische Volkspoesie ein Schluss sich ziehen, oder dass das allmälige Wachsthum und der endliche Sieg der nur nach dem Wort- accent gebauten Verse sich daraus erklären lässt?

Nach einigen Bemerkungen Bentleys und G. Hermanns hat Fr. Ritsch 1 im 15. Capitel seiner Prolegomena zu dem Trinummus des Plautus (1849, S. 206 250) behauptet und ausführlich zu beweisen gesucht, dass im jambischen Trimeter und im trochäischen Tetrameter die lateinischen Dichter den Widerspruch des Versaccentes und des Wortaccentes mög- lichst vermieden hätten. Luc. Müller hat dagegen in seinen verschie-

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denen Schriften über lateinische Metrik behauptet, möglichst starker Widerspruch der Versaccente und der Wortaccente sei ein Hauptziel der lateinischen Dichter gewesen, und W. Corssen hat in seinem Werke 'lieber Aussprache, Vokalismus und Betonung der lateinischen Sprache' (2. Ausg. II, 1870, S. 948—1000) Ritschi zu widerlegen und nachzu- weisen versucht, dass die lateinischen Dichter zu keiner Zeit sich um den Wortaccent gekümmert hätten. Ritschi gibt dagegen noch in der Einleitung zum 2. Bande seiner kleinen philologischen Schriften (Leipzig, 1868, S. XII) eine Cbarakterisirung seiner Widersacher und eine kurze Darlegung seiner Ansicht mit folgenden Worten ' Was ist ihnen ein Her- mann! was ein Bentley! die uns andern erst den Blick geöffnet haben in die Geheimnisse der harmonischen Disharmonie von Vers- und Wort- accent, auf welcher der Reiz der antiken, in besonders eigenthümlicher Mischung aber der römischen Verskunst zu' einem so wesentlichen Theile beruht. Denn es ist ja hier nur eine verschiedene Stellung der beiden Elemente (Consonanz und Dissonanz), wenn der daktylische Hexameter vom Widerspiel zwischen Vers- und Wortaccent in der ersten Vershälfte übergeht zur Lösung des Zwiespaltes in der zweiten, und wenn ander- seits der dramatische Vers das Widerspiel am Anfang und Ende dort gestattete, hier mit Wohlgefallen suchte, die Verschmelzung dagegen mit so merkwürdiger Consequenz des rythmischen Gefühles in die Mitte des Verses, zu beiden Seiten der Caesur verlegte. Hie Rhodos, hie salin darf man jedem Plautuskritiker zurufen.' Corssen wird dann noch als der- jenige bezeichnet, der, selbst ohne Empfänglichkeit für die 'Musik des Rhythmus', sich zum ausgesprochensten Anwalt einer rein mechanischen Auffassung gemacht habe. Da die Erörterung dieser Frage bei der Untersuchung über den Ursprung der lateinischen accentuirenden Poesie nicht umgangen werden kann, will ich versuchen, sie mit möglichster Kürze und Nüchternheit zu erörtern. j

Wichtig ist der Umstand, dass die griechischen und lateinischen Bhetoriker, insbesondere Cicero (Urator c. 55, 56, 64 etc.) und Quintilian (IX cap. 4) da, wo sie von dem Tonfall innerhalb und insbesondere am Schlüsse der Sätze und Reden handeln, nicht die geringste Rücksicht auf den Wortaccent nehmen, sondern, obwohl nur von prosaischen Reden gehandelt wird, dennoch nur die Quantitäts-Kürzen und Längen ins Auge

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fassen.*) Daraus möchte man schliessen, dass die Alten sich um den Wort^ccent überhaupt nicht viel kümmerten und dass der Unterschied zwischen betonten und unbetonten Worttheilen weit schwächer war als ihn (tie geniianistheu Stämme wenigstens bei der Aussprache des Lateini- schen sein lassen.

Die Betonung der Ut^inl^hen Wörter.

Haben die lie tonungsgese tze der lateinischen Wörter das Zu- sammen fallen von Wort- und Versaccent begünstigt oder beeinträchtigt? In den Sprachen, welche im Versbau nur die stärkere oder schwächere Betonung der Silben beachten, muss natürlich bei Beobachtung eines bestimmten Versschemas stets Wort- und Versaccent zusammenfallen; so in den modernen Sprachen. In den Sprachen dagegen, welche beim Versbau die Quantität rler Silben berücksichtigen, kommt es in Betreff des Wortaccentes darauf an, ob der Wortaccent irgendwie an die Quantität der Silben gebunden ist. Wenn der Accent der Wörter sich nichts um die Quantiüit der Silben kümmert, so wird, wie es eben der Zufall fügt der Versaccent oft auf die vom Wortaccent belegte Silbe fallen, oft nicht. So in der griechii*chen Sprache. Denn nach dem einen sonderbaren Ge- setz, dai?s» wenn die letzte Sill)e lang ist die drittletzte nicht betont sein darf, wird der Accent nicht auf, sondern neben die lange letzte Silbe und zwar ebenso oft auf eine kury*e als auf eine lange Silbe gezogen, Uyovrtg :

1) Ueari^ WiiKwt. iW thuisuhi rhf*toncii iiniie iirtieee[>it t.'icero quatenua in orationibus secutus iftt (Ötni^i^bur^ei" DiMM^rtafeion von l^^i ^ Disserüitiones philol. Arg-entor. V p. 227 828) zeigt, daj*s die IthetorJker »ich in ihren thr^oretischt^n KchniUii nur um die Quantität der Sinken küm- merte«, und düN^ Cicero üiifb in der ?uxt\n d. h, in seinen Reden dieselbe beachtet hat. S. 818 bin 820 will er iil»er wein^sti^iij? in den Heden de3 Cicero suich einige Rücksicht auf den Wort- accent nachweinen; mit wenig UH^ek, wie mir Hoheint. t'icero meidet die steigenden (jambisch- flmipäifltii^ehenK ?tncht ilie sinkenden (trochäi^cbenl 8i'h lil^^i^e. In den letztem, den trochäisch-spon- deii4chen HcbhiHMen stimmt Worturccent und Quantiliit Ätetw überein. Aber, wenn Cicero auf den Wortrieient gf?Hebtet hätte, ho hätte er von den Schlüssen mit vorletzter kurzer Silbe diejenigen am ehej4t*^n zulu?tst*n münwen, in welchen der Wortaccent ;tiif diese Kürze föUt und so den jam- bischen SchlusH einigenna^sen dem trochäinchen oder tiponileischen nähert, wie ägit, dgunt, da- gegen die am meisten meiden, wo die vorletzt-e Kttrüe nirht einmal den Wortaccent* hat, wie exigunt, exigit, AUein da« Unigekehrte \^i der Falb Die Schlüsse agit, agunt meidet Cicero auch in seinen Reden ilugHtlicher al« die Schlüi^^c *Sixigunt, t-xigit. Auch sonst konnte ich keinen Anhalt dafür Hnden, da«« Cicero in der Theorie oder in der Praxis sich um den Wortaccent ^o- kilainieit habe.

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Xeyoyrwr, aiojLiaTa: aioudrcDy, so dass durch dieses Betonungsgesetz die Häufigkeit des Zusammenfalls von Wort- und Versaccent nicht beeinflusst wird. In den griechischen Versen ist also das Zusammenfallen von Wort- und Versaccent nur ein,jaicht gemiedener nicht gesuchter, Zufall. Wenn dagegen in einer Sprache der Accent des Wortes mehr oder minder von der Quantität der Silben bedingt ist, so kommt es darauf an, in welcher Weise dies geschieht. Würden z. B. im Verse, wie dies die Regel ist, die langen Silben betont, die kurzen nicht, in der Wortbetonung gälte aber das Gesetz, dass die kurzen Silben betont würden, die langen nicht, so wäre ein Zusammenfallen beider Accente fast unmöglich; wenn dagegen auch in den Wörtern die langen Silben den Accent auf sich ziehen, die kurzen von sich abstossen, so wird, wenn dies Gesetz ohne Ausnahme gilt, der Versaccent stets mit dem Wortaccent zusammenfallen, sonst wird von der grösseren oder geringeren Herrschaft des Gesetzes auch das häufigere oder seltenere Zusammenfallen beider Accente abhängen ; jeden- falls aber muss dasselbe hier häufiger stattfinden als in den Sprachen, wo der Wortaccent sich gar nichts um die Quantität der Silben kümmert.

In der lateinischen Sprache sind die ein- und zweisilbigen Wörter in dieser Frage ohne Einfluss. Denn die einsilbigen Wörter sind theils lang theils kurz. Die zweisilbigen sind alle auf der ersten Silbe betont; da diese bald lang bald kurz ist, wie esset fäcit, so stellen sie zum Vers- bau ebenso gut Wörter, in welchen der Versaccent dem Wortaccent ent- sprechen kann, als solche, in denen er ihm widersprechen muss. Da- gegen die drei- und mehrsilbigen Wörter geben den Ausschlag. Hier richtet sich der Wortaccent nach der Quantität : wenn die vorletzte Silbe lang ist, zieht sie den Accent auf sich; wenn sie kurz ist, stösst sie ihn ab, so dass er auf die drittletzte Silbe fällt.

Da wir nun annehmen dürfen, dass die Zahl derjenigen drei- und mehrsilbigen Wörter und Wortschlüsse, deren vorletzte Silbe lang ist, die Hälfte von sämmtlichen beträgt, so folgt, dass erstens in dieser Hälfte stets der Wortaccent auf eine Silbe fällt;, die vom Versaccent getroffen werden kann. In jener Hälfte der drei- und mehrsilbigen Schlüsse, in welchen die vorletzte Silbe kurz ist, also die drittletzte betont wird, darf man die Zahl derjenigen Wörter, in welchen eben diese Silbe lang ist (fecerat), für ebenso gross veranschlagen, als die, in welchen sie kurz ist

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(fäciunt), so dasa also die eine Hälfte dieser Hälfte lange, die andere kurze betonte Silben bietet. Demnach kann in drei Vierteln der drei- und mehrsilbif^en Wörter und Wortschlüsse der Versaccent mit dem Wortaccent zusannnenfallen , und auch in dem letzten Viertel, dessen drittletzte Silbe kurz ist, wird dadurch, dass auch die vorletzte Silbe kurz ist die Möglichkeit geboten, beide kurze Silben als Auflösung einer langen zu fassen und so, im dramatischen Verse wenigstens, auch die drittletzte Silbe mit dem Wort- und Versaccent zugleich zu belegen.

In den griechischen Wörtern fällt also der Accent willkürlich bald auf lange bald auf kurze Silben; in den griechischen Versen fällt der Accent auf lange Silben, folglich fallen in den griechischen Versen Wort- und Versaccent oft zusammen, oft nicht, wie es der Zufall fügt. In einer Menge lateinischer Wörter fällt der Accent ebenfalls willkürlich bald auf lange bald auf kurze Silben, in der andern, ebenfalls sehr grossen Zahl von lateinischen Wörtern wird der Accent von den langen Silben angezogen, von den kurzen abgestossen; in den lateinischen Versen föUt der Accent auf lange Silben; folglich muss wegen der beson- deren Betonungsgesetze der lateinischen Wörter in den lateinischen Versen der Wortaccent mit dem Versaccent viel häufiger zusammenfallen als in den griechischen. Diese Thatsache hat Corssen (2. Ausgabe II S. 972 988) auf anderem, längerem Wege nachgewiesen.

Der Wortaccent im Schiasse des Hexameters.

Wie Andere (vgl. Crain im Philol. X p. 251, 252), so hat auch Ritschi (oben S. 5) sich darauf berufen, dass im 5. und 6. Fusse des Hexameters Wort- und Versaccente zusammenfielen. Wirklich fallen dieselben z. B. in den Schlüssen der 756 Verse des 1. Buches von Virgils Aeneide stets zusammen: primus ab öris; iactatus et alto; cönderet lirbem; ünde Latinum.; adire Labores; Tiberinaque lönge; nur in 12 Versen schliesst 1 einsilbiges Wort und 2 zweisilbige, wie dea certe; aüt ubi flävo'; dann finden sich die drei Schlüsse: praerüptus aquae mons; forte virüm quem; ätque hominüm rex. Hier ist also in 15 Fällen der Wortaccent verletzt; die eine Art des Schlusses *6 dea certe^ war, wie die grosse Zahl der Beispiele zeigt, offenbar gestattet; die andere Art 'rüptus aquae

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mons' war, wie die geringe Zahl der Beispiele zeigt, offenbar gemieden. Ist diese Art von Hexameterschluss gemieden, weil hiebei der Wortacx^ent verletzt wurde? Die Antwort auf diese Frage haben schon Luc. Müller (De re metrica p. 206 212, 218 222) und Corssen (Ueber Aussprache etc. II, p. 969 972, 980—982 2. Ausg.) gegeben. Zunächst ist Ritschis oben angeführte Gegenüberstellung vom Einklang der Wort- und Versaccente im Ausgang (nicht auch im Anfang!) des Hexameters und in der Mitte des Trimeters, dann vom Widerstreite beider Accente in der Mitte des Hexameters und im Anfang und Ausgange des Trimeters zwar rhetorisch hübsch, aber sachlich unrichtig. Denn bei den alten Dichtem von Hexa- metern, wie bei Ennius, sind die einsilbigen, den Wortaccent verletzenden, Schlüsse so häufig, dass ihre Vermeidimg offenbar noch nicht geboten war. Dagegen sind dieselben von Virgil und noch mehr von Ovid und ihren Nachfolgern so sehr vermieden, dass hier die Vermeidung der- selben offenbar ziemlich strenge Regel geworden ist. Es hätten also nach der Auffassung Ritschis die alten Dichter den Wortaccent unbedenklich verletzt, die Dichter des augusteischen Zeitalters sorgfältig beachtet Aber von dieser Zeit erklärt Ritechl selbst (Proleg. S. 207): illic accen- tus vim propemodum nuUam esse constat, eine Thatsache, welche aller- dings aus den gräcisirenden Dichtungen imd der ganzen Richtung dieser Männer sich unzweifelhaft ergibt. So geräth Ritschi in einen unlösbaren Widerspruch. Dass aber wirklich Virgil, Ovid und ihre Nachfolger im Hexameterschluss nicht Uebereinstimmung der Wort- und Versaccente er- strebten, geht daraus hervor, dass sie auch Schlüsse, wie 'res reparäre; Ty ndaridärum ; ärmamentis', obwohl hier der Wortaccent trefflich gewahrt wurde, dennoch nicht minder gemieden haben als jene 'aquäe mons'.*) Nur rhetorische Gründe waren es also, um derentwillen erst diese feinen Dichter die Regel ausbildeten, der Hexameter solle weder mit einzelnen einsilbigen, noch mit einem vier- oder mehrsilbigen Worte schliessen (vgl. bes. Quint. IX, 4 § 65). Somit blieben für den Hexameterschluss die aus zwei oder drei Silben bestehenden Wörter. Aber ein schliessen- des dreisilbiges Wort muss die vorletzte Silbe lang, also auch betont

1) Dagegen kommen z. B. in den 200 ersten Hexametern des Waltharius 13 yiersilbige und 7 f&n£ailbige Schlosswörter vor; einzelne einsilbige Schlusswörter mied auch das Mittelalter. Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 2

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haben, und üas ihm vorangehende Wort muss ebenfalls die vorletzte Silbe lang, also auch betont haben, so 'defössa talenta', 'saepe libenter . Ein schliessendes zweisilbiges Wort muss die vorletzte Silbe lang, also auch betont liaben. Gehen demselben drei einsilbige voran, so wird kein Wortaccent verletzt, wie hie et in Acci; geht ein drei- oder mehr- silbiges Wort voran, so sind dessen zwei Schlusssilben kurz, also unbetont, die drittletzte Silbe lang, also sowohl vom Wort- wie vom Versaccent getroffen, 'cognoscere pössis; vehementibus ira'. In all den bisher be- sprochenen Fallen ist im 5. und 6. Fusse des Hexameters das Zusammen- fallen der Wort- und Versaccente eine mechanische Noth wendigkeit, welche die lateinischen Dichter auch beim besten Willen nicht hätten vermeiden können. Es bleibt noch der Fall übri;^^ dass dem schliessen- den zweisilbigiMi Worte ein zweisilbiges vorangeht, wie ät memor ille. Hier Mird der Wortaccent dadurch verletzt, dass 'memor' von keinem Versaccent getroffen wird; allein da kein rhetorischer Grund solcher Bildung des Schlusses entgegensteht, haben die Dichter sie nicht im ge- ringsten gemieden.^) Aus all dem ergibt sich, dass, (wie sich später zeigen wird, von den Lustspieldichtern veranlasst) erst Virgil, Ovid und ihre Nachfolger im Schlüsse des Hexameters feine Gesetze über den Umfang der dort zu verwendenden Wörter, aber durchaus nicht den Wortaccent berücksichtigt haben.

üer Wortaccent in jambischen and trochäischen Versen.

In den Lustspielen des Plautus und des Terenz finden sich ab- gesehen von weiten angewendeten Zeilenarten besonders vier: sehr häufig der jambische Senar (Plautus über 8000 Zeilen, Terenz über 3000) und der trochaiache Se[>tenar (Plautus über 8000, Terenz 1200), minder häufig der jambische Septenar (Plautus über 1200, Terenz 380) und der jam- bische Octonar (Plautus 300, Terenz 800). Die drei ersten Zeilenarten sind bei den Griechen häufig, die vierte ist bei den Griechen fast un- bekannt und erst von den lateinischen Dichtern ausgebildet. Nicht nur diejenigen Dichter, welche griechische Schauspiele übersetzten oder um-

1} Die 5. Hebung wird dann stets durch ein einailbigeH Wort gebildet; überhaupt wird also veroiietleD die b. Hebung durch Wortende zu bilden.

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arbeiteten, sondern auch diejenigen, welche heitere oder ernste nationale römische Stoffe für die Bühne darstellten, kannten keine anderen Zeilen- arten als jene den Griechen abgelernten. Mochten die Stoffe und die Sprache der Dichtungen noch so volksthüinlich römisch sein, von besonderen, natio- nalen römischen Dichtungsformen ist hier nichts zu finden. Bentley, G. Hermann und Ritschi wollten aber doch bei den alten römischen Dichtem ein nationales Element finden, nemlich neben dem Alles be- herrschenden, von den Griechen entlehnten Gesetze, dass die Verse nach der Quantität der Silben aufgebaut werden müssen, eine weitgehende Bib- achtung des Wortaccentes. Bentley sagt in dem Schediasma de metris Terentianis, welches er seiner Ausgabe des Terenz (Cantabr. 1726) voran- geschickt hat, S. XVII: Id Latinis comicis, qui fabulas suas populo placere cuperent, magnopere cavendum erat, ne contra linguae genimn ictus seu accentus in quoque versu syllabas verborum ultimas occuparent. p. XVIII: Totum autem hoc, quod de ictu in ultimis syllabis cautum fuisse diximus, de secunda tantum trimetri dipodia capiendum; nam in prima et tertia semper licuit; siquidem ista sine venia conclamatum actumque erat de comoedia tragoediaque latina. cum igitur hunc versum similesque apud nostrum videris 'Malüm quod isti di deaeque omnes duint' cave vitio id poetae verteris; etsi malum illud et omnes si in communi quis sermone sie acuisset, deridiculo fuisset. nimirum aures vel invitae patienter id ferebant, sine quo ne una quidem in fabula scaena poterat edolari . . In secunda igitur trimetri dipodia hoc de quo agimus non 1 icebat. Der eine Theil dieser Hegel ist falsch, der andere fast selbstverständlich. Denn bei Caesur im dritten Fusse schliesst die 2. Dipodie sehr oft (104 Mal in den 680 Versen des Publilius) mit einem jambischen Worte, wie in Amare et sapefe vix deö conceditur; Aegre reprendas, quod sinäs consuescere; Brevis ipsa vita est, sed malis fit longior; oder bei Auflös- ung der Hebung des dritten Fusses wird noch dazu die viertletzte Silbe vom Versictus getroffen, wie in Avarus ipse miseri3.e causa'st suae; Ex- celsis mülto fäcüius casus nocet. Dann ist es eine stille Voraussetzung, dass in Fällen wie in 'Anus cum ludit mörti delicids facit' oder 'Audendo virtus crescit, tdrdandö timor der Wortaccent nicht verletzt werde. Da aber der Wortaccent auf die Silbe dan fällt, so ist es eigentlich ein gleich grosser Verstoss gegen den Wortaccent, wenn der Versaccent auf

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die unmittelbar vorangehende Silbe fällt Dass abgesehen von diesen Fällen der Wortaccent im 3. und 4. Fusse mit dem Versaccent zusammen- fällt, ist nur eine mechanische Wirkung der Caesur. Denn nahezu alle Verse haben Einschnitt im 3. oder 4. Fusse, sehr viele in beiden, wie ' Multos timere debet, quem multi timent*. Es steht nun hier vor den Einschnitten stets ein Wort oder ein Wortschi uss, dessen vorletzte Silbe vom Versaccent getroffen wird, zugleich aber, da sie lang ist, wie alle langen vorletzten Silben, auch den Wortaccent hat; folglich müssen die Wort- und Versaccente vor diesen trochäischen Caesuren, wie überhaupt stets in trochäischen Wortschlüssen, zusammenfallend)

Schärfer hat G. Hermann beobachtet in seinen Elementa doctrinae metricae (Leipzig 1816). Zunächst S. 141: Romani veteres paulo minus saepe negligunt caesuram eam, quae est in medio tertio pede, quam Graeci comici. quod magis a natura linguae Latinae repetendum videtur, quam a poetarum diligentia, non enim amant Latini voces in ultima syllaba ictu notare, nisi in primis et postremis senarii pedibus, etsi ne in hac re ubique sibi constant. sed haec pluribus disputata sunt a Bent- leio . . Deinde vero spondeum a Latinis veteribus in omnes trimetri locos praeter ultimum receptos esse, res est notissima. curarunt tamen illi, ut plerumque minus durus ad aures accideret spondeus iste. Hinc illud inprimis caverunt, ne accenttis verborum, in quibus spondeus est ali- quem e paribus locis tenens, cum ictu pugnaret Itaque raro invenias ver- sum, qualis hie Ennii est 'Palam mutire plefreid' piaculum est. Seite 151 bemerkt dann Hermann von dem jambischen Septenar: et spondeum in paribus locis recipi et anapaestum pro iambo positum inveniri, proceleus- maticum quoque pro iambo admitti, modo ista omnia pronunciationem habeant facilem et a naturali verborum sono non fiimis abhorrentem.

Ritschi hat in dem 15. Kapitel der Prolegomena zum Trinum- mus (1849, S. 206 250) Hermanns Spuren folgend das Verhältniss der Wortschlüsse zu den Versaccenten im jambischen Trimeter und trochäi- schen Septenar genauer untersucht. Seine Resultate sind im Wesentlichen

1) Vgl. die häufigen Verse, wie Peccäre pauci nölunt, niilli n^ciunt ; Haec sola sanara muntern gdstat meörum familiarium. Auch bei Daktylen kommen sie vor: Dignum m^nte domö- que legc^ntis hon^ta Nerönis.

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folgende: Jambische Wörter und Wortschlüsse, deren Schlusssilbe vom Accente getroffen wird, können überall stehen mit Ausnahme des vor- letzten Fusses. Der dem schliessenden Jambus vorangehende Jambus darf nicht durch ein einzelnes jambisches Wort gebildet werden und nur selten durch jambischen Wortschluss; vergl. 0. Brugmann über den jam- bischen Senar (Leipziger Diss. 1874, S. 17 21). Dagegen sind die spondeischen und, wie Ritschi hinzufügt, die anapästischen Wolter und Wortschlüsse, deren letzte Silbe vom Versaccent getroffen wird, beson- dern Regeln unterworfen. Sie dürfen im 1. und 5. Fusse des jambischen Senars stehen und stehen hier sehr oft. Dagegen kommen sie fast nicht vor im 2. Fusse (S. 221—223), fast nicht im 3. (S. 218 u. 219), am häufigsten, aber innnerhin noch selten im 4. Fusse, wo wiederum die auf der Endsilbe vom Versaccent getroffenen spondeischen Wörter und Wortschlüsse seltener sind als die anapästischen (S. 210 217); am ehesten sind sie noch gestattet, wenn dem 4. Fusse ein viersilbiges Wort folgt (Brugmann S. 32, 40 u. 49).

Den trochäischen Septenar sieht Ritschi nach antiken Metrikern an als bestehend aus einem Creticus und einem Trimeter. Statt des Creticus kann auch stehen förtunäm, cöncipiünt (S. 232 u. 241). Demnach können jambische Wörter oder Wortschlüsse, deren letzte Silben vom Versaccent getroffen werden, also die Senkung des einen und die Hebung des näch- sten Trochäus einnehmen, überall stehen, nur nicht im Uebergange vom 6. zum 7. Fusse; hier darf, wie im Trimeter, vor dem schliessenden Jambus kein jambisches Wort und nur in gewissen Fällen jambischer Wortschluss stehen. Spondeischer und anapästischer Uebergang ist ge- stattet vom 1. zum 2. und vom 2. zum 3. Fusse (S. 241 u. 238): Gog- natös adfinitatem, Ef/ti^eds ex ürbe inanis; Ego te complures advorsum. Quid faciam invenias argentum; vom 6. zum 7. Fusse ist er nicht nur gestattet, sondern sehr häufig: Dücent damnatum domüm; Remedium in- veniam miser.

Diese Beobachtungen Hermanns und Ritschis sind unbedingt richtig. Denn wer z. B. die grosse Menge von Trimetern bedenkt, in welchen der 2. oder 4. Fuss durch jambische Wörter oder Wortschlüsse gebildet wird, wie in Plures tegit fortuna quam tutos facit. 0 pessimeiw periclum, quod opertum latet. Occasid receptus difficiles habet; Quamvis non rec-

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tum, quod iuvdt rectum putes. Perpetuo vincit qui ntittir dementia. Quemcunque querit csAamitas facile invenit (solche jambische Wortschlüsse im 4. Fusse hat z. B. Publilius etwa 104 unter 680 Versen, abgesehen von allen Versen mit Elisionen), wer anderseits bedenkt, wie selten bei Plautus und Terenz an diesen Stellen auf der letzten Silbe betonte spon- deische oder anapästische Wörter und Wortschlüsse stehen, der begeht einen schweren Fehler, wenn er die Existenz einer Regel leugnet, wor- nach solche Schlüsse an diesen Stellen mehr oder minder streng verboten sind. Die Regel gehört bei Plautus und Terenz nicht zu jenen, die nie verletzt werden, wie z. B. jene, dass ein Senar 6 Füsse oder in der letz- ten Senkung eine kurze Silbe haben muss, sondern zu jenen, die hie und da verletzt werden können. Regeln, deren es beim Versbau sehr viele gibt. Allein mit vollem Rechte wendet sich Ritschi gegen diejenigen, welche der wenigen Ausnahmen halber die Regel selbst nicht anerkennen, und Corssen hat seine Bekämpfung Ritschis hauptsächlich dadurch kraft- los gemacht, dass er jene Regel, bei der die Caesuren unwesentlich sind, fast gar nicht berücksichtigt hat (S. 991 u. 992). Die Richtigkeit jener Regel wird dadurch bestätigt, dass die Verletzungen der Regel, die bei Plautus und Terenz vorkommen, bei den Dichtern späterer Zeiten ganz vermieden werden. Publilius Syrus, der auch in seinen etwa 680 jambischen Senaren und 50 trochäischen Septenaren den Versbau der alten Dichter festhält, hat im 1. und 5. Fusse des Senars viele auf der Endsilbe vom Versaccent getroffene spondeische oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse, aber gar keine im 2., 3. oder 4. Fusse. Denn der Vers S 20, in dem ich diese Ausnahme nach Naucks Vorschlag zuge- lassen habe 'Stultum est ulcisci velle alium poena sua', lautet in den Handschriften 'Stultum est alium ulcisci velle poena sua* und ist metrisch richtig und rhetorisch besser so zu stellen: Stultum est ulcisci velle poena alium sua. Phaedrus, der nach Luc. Müllers wahrscheinlicher Vermuthung durch das Ansehen der publilianischen Sprüche zur An- wendung derselben Zeilenart bewogen wurde, ^) hat nach Langens Unter-

1) Es lohnte sich der Mühe, die Verwandtschaft beider einmal näher zu prüfen ; nicht nur die gleiche Zeilenart, die oben genannten Eigen thümlichkeiten und die sparsame Anwendung des Anapästes im 2., 3. und 4. Fusse sprechen für direkte Nachahmung durch Phaedrus, sondern

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sachungen (Rhein. Mus. 1858, S. 198) ebenfallß keine der Ausnahmen sich gestattet, die Plautus und Terenz sich noch gestattet haben, sondern im 2., 3. und 4. Fusse spondeische und anapästische Wortschlüsse mit dem Versaccent auf der letzten Silbe durchaus vermieden.

Natürlich fragt Jedermann, wie kommen die lateinischen Dichter zu dieser merkwürdigen Regel? Ritschi antwortet in den Prolegomena zum Trinummus S. 207: 'Tanquam acu res ita demum tangitur, ut etiam veteris comoediae tragoediaeque arti metricae pro fundamento fuisse quantitatis observationem intelligatur, . . cum quantitatis autem severitate summa accentus observationem, quoad eins fieri posset, conciliatam esse, prorsus enim utramque rationem ex- aequare omnino non potuerunt poetae, si modo fieri versus vellent'.

Es ist das die bentleyische Verlegenheitstheorie: die lateinischen Dichter hätten sich Verletzungen des Wortaccentes gestattet, weil sie sonst keine Verse machen koniiten. Welch verschiedenartige Dinge muss derselbe Grund decken! Bentley machte zwischen jambischen und spon- deischen oder anapästischen Wörtern uud Wortschlüssen keinen Unter- schied und behauptete, im 3. und 4. Fusse würde der Wortaccent nicht verletzt, d. h. käme kein zweisilbiges Wort vor, das auf der Endsilbe vom Versaccent getroffen sei. Hermann und Ritschi sehen ein, dass diese Regel unrichtig sei, Ritschi gibt zu, dass in jedem Fusse des Tri- meters ein jambisches Wort mit dem Versaccent auf der Endsilbe stehen könne, dass dagegen ein ganz anderes Gesetz gelte, nemlich dass im 2., 3. und 4. Fusse nicht spondeische oder anapästische Wörter und Wort- schlüsse mit dem Versaccent auf der Endsilbe stehen dürften: für diese völlig neue Regel muss auch jene Ausflucht gelten, die Bentley zur Er- klärung seines unrichtigen Gesetzes sich erdacht hatte. Die Brücke dazu baut Ritschi sich durch die S. 208 aufgestellte Voraussetzung, in jambi- schen Wörtern sei die Betonung 'videt* 'fidem^ viel weniger aufgefallen, da die Ohren durch Composita wie pervidet, perfidam schon daran gewöhnt gewesen wären, dagegen sei die in mensas, animös stattfindende Verletz- ung des Wortaccentes viel schwerer in das Ohr gefallen.

auch dessen Haschen nach spruchartigen Einzelversen von der Art der publilianischen, der gleiche Gebrauch der Abstrakta statt der concreten Adjektiva, wie avaritia statt avari, und Anderes.

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Diese Voraussetzung erklärt Corssen (U S. 992) durchaus für falsch. Man mag Ritschi zugeben, dass in multos, fortunae die Verletzung des Wortaccents schwerer in das Ohr fallt als in erunt; allein in anapästi- schen Wörtern und Wortschlüssen, wie animos, perficiünt verletzt die Be- tonung der Endsilben den Wortaccent jedenfalls weniger als in jambischen Wörtern, wie erant, da jene Endsilben ohnedies schon einen Nebenaccent tragen, den nemlichen Nebenaccent, der die Betonung der jambischen Wortschlüsse, wie pervident, acceperant, den Ohren Ritechls und seiner Anhänger völlig regelrecht erscheinen Hess. Von den lateinischen Dichtern aber werden an bestimmten Stellen die anapästischen Wortschlüsse ebenso vermieden als die spondeischen. So steht es schon mit der Voraussetzung, auf die Ritschi seine ganze Theorie aufbaut, ziemlich schlecht. Ritschl schliesst weiter, spondeische und anapästische betonte Wortschlüsse konnten die lateinischen Dichter nicht leicht meiden, wenn sie Verse bauen wollten; desshalb Hessen sie dieselben wenigstens im 1. und 5. Fusse zu. Nun könnte man freilich fragen, warum gerade diese Füsse frei- gegeben wurden, warum nicht z. B. bestimmt wurde, dass in einem Tri- meter vor dem 6. Fusse nur ein oder nur zwei, nicht mehr, spondeische oder anapästische Wortschlüsse mit Versaccent auf der Endsilbe vor- kommen dürfen, gleichviel in welchem Fusse. Noch unangenehmer ist das andere Gesetze, von dem die Griechen ebenfalls nichts wussten, dass nämUch im 5. Fusse ein jambischer Wortschluss gar nicht stehen darf, dagegen spondeischer und anapästischer nicht nur erlaubt, sondern sogar gesucht ist, dass also die mildere Verletzung des Wortaccents hier aus- drücklich verboten, die starke sogar beliebt ist. Wahrscheinlich dess- wegen hat Ritschi aus der Noth eine Tugend gemacht und findet in der Vorrede in seinen Opuscula (II p. XII, oben S. 5) eine Schönheit darin, dass der dramatische Vers das Widerspiel von Wort- und Versaccenten am Anfang gestattete, am Ende mit Wohlgefallen suchte, die Verschmelz- ung dagegen mit merkwürdiger Consequenz des rhythmischen Gefühls in die Mitte des Verses zu beiden Seiten der Caesur verlegte. Aber auch hiemit ist jene merkwürdige Regel ebensowenig erklärt.

Corssens Einwände trefifen Bentley, nicht Ritschi, wesshalb ich sie hier nicht näher darlege. Zunächst ist misslich, dass jene Wahrung der Wortaccente von Publilius und Phaedrus so viel genauer durchgeführt

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ist, als von Plautus iind Terenz, während doch jene Dichter in Zeiten lebten, deren Dichter anerkanntennassen den Wortaccent nicht beach- teten. Dann bleibt es eine sehr missliche Sache, dass jambische Wörter überall, auch in der Mitte des Verses, den Wortaccent verletzen durften, wie in Solet sequi laus cum viäm fecit labor, oder dass in der Hebung des 3. Fusses die erste Silbe eines viersilbigen Wortes accentuirt werden kann, wie in Quemcunque quaerit cälamitas facile invenit. Dann unter- scheidet sich der jambische Senar vom jambischen Septenar und Octonar und vom trochäischen Septenar nicht so weit wie von den daktylischen oder anapästischen Zeilenarten; ja wir werden nachher sehen, dass in allen andern Stücken diese vier Zeilenarten wie über einen Leisten gemacht sind, weit mehr als im Griechischen. Desshalb ist die Forderung unab- weisbar, dass auch in Hinsicht auf Beobachtung oder Verletzung des Wortaccentes für olle Jamben und Trochäen das gleiche Gesetz gilt. Ritschi hat im 15. Capitel der Prolegomena den jambischen Senar und den trochäischen Septenar untersucht; im trochäischen Septenar sind spondeische oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse mit dem Vers- accent auf der Endsilbe allerdings im Uebergang vom 1. zum 2. und vom 2. zum 3. Fusse gestattet, im Uebergang vom 6. zum 7. Fusse so- gar sehr beliebt, dagegen im Uebergang vom 3. zum 4., vom 4. zum 5. und vom 5. ziun 6. Fusse fast gänzlich vermieden, also im Anfang und im Schluss der Zeile gestattet oder gesucht, in der Mitte vermieden; Ritschi schliesst 'Reliqua metra mitto in praesens in eo solo acquiescens, ut iambicorum trochaicorumque in observando accentu severitati prorsus oppositam esse anapaesticorum licentiam dicam, ut pote vix ullis in eo genere legibus astrictam: id quod etiam de iambicis octonariis dictum esse volo, non item de septenariis iambicis.' Demnach behauptet Ritschi, in dem jambischen Octonar seien seine Regeln über die Beobachtung des Wortaccentes bei spondeischem und anapästischem Wortschlusse verletzt, im jambischen Septenar eingehalten worden. Das ist aber nicht der Fall. Beide sind sich ja gleich, nur fehlt im Septenar die letzte Silbe. Wenn beide, wie in der Regel bei Plautus, nach dem vierten Jambus Caesur haben, dann ist die erste Hälfte, der jambische Dimeter, in beiden absolut gleich; und in der zweiten Hälfte haben dann auch die beiden ersten Füsse wieder gleiche Gesetze. Darnach dürfen dann im 1., 3. und

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. I. Abth. 3

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5. Fusse, im Octonar auch im 7. Fusse, spondeische oder anapästische Wort- schlüsse mit starker, im 2., 4., 5., (8.) jambische Schlüsse mit leichterer Ver- letzung des Wortaccentes eintreten. Dimeter, wie Leges ut conscnbät qui- bus oder Nümquäm bonae frügi sient, und dann natürlich auch Octonare, wie Amat: sapit recte facit, animö quando obsequitiir suö, sind unanfecht- bar. Was will aber eine solche Beobachtung der Wortaccente heissen? Jeder Unparteiische wird zugestehen, dass sie absolut werthlos ist. Nie- mand kann im Ernste behaupten, dass in solchen Dimet^rn die Zulass- ung der leichten Verletzung des Wortaccentes in 2. und 4. und der schweren im 1. und 3. Fusse unvermeidliche Noth wendigkeit war, oder dass mit ästhetischem Sinne in * der Mitte der Reihe beide Accente zu- sammen, am Anfang aber und am Ende auseinander gingen. Keine der beiden Erklärungen Ritschis passt hier. Da beiden Erklärungen auch im jambischen Trimeter und im trochäischen Septenar gewichtige Bedenken entgegenstehen, so muss man die Lehre von der halben Beobachtung des Wortaccentes fallen lassen. Dadurch wird aber nicht im Geringsten erschüttert die von Hermann und Ritschi gemachte Beobachtung, dass die lateinischen Dichter sehr vorsichtig waren in der Zulassung von spondeischen und anapästischen betonten Wortschlüssen. Diese Beobacht- ung ist durchaus richtig, und ich glaube, wären die Meisten bei der genaueren Untersuchung dieser Fälle nicht durch Ritschis Theorie be- fangen gewesen, so wäre die Erklärung dieser Thatsachen längst ge- funden. Aus der Bemerkung Luc. Müllers (Summarium rei metricae p. 47 und Metrik der Griechen und Römer S. 35) 'Um den ursprünglich jambischen Charakter seines Verses (des Trimeters) nicht zu verdunkeln, bildet Phaedrus den 2., 3., 4. Fuss nie durch ein auf einen Spondeus oder Anapäst ausgehendes Wort' leuchtet kein klarer Grund dieser Regel hervor. Denn wenn die Griechen im 1., 3. und 5. Fusse spondeische und in den sämmtlichen fünf Füssen (sogar im 2. und 4.) anapästische auf der Endsilbe vom Versaccent getroifene Wortschlüsse unbedenklich sich gestatteten, so konnte Phaedrus im 3. Fusse und, da er im 2. und 4. auch Spondeen und Anapäste zulässt, auch im 2. und 4. Fusse solche Wortschlüsse unbedenklich sich gestatten.

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Allgemeine Gesetze für den Baa der Jamben und Trochäen.

G. Hermann urtheilt (Elena, doctrinae metricae S. 86): veteres Ro- manorum poetae quoniam Graecos in re metrica raagis imitati, quam aemulati sunt, propriam quandam illi sectam constituunt, legibus utenteni similibus quidem, sed multo liberioribus. Dieses allgemein ange- nommene Urtheil ist ungerecht und irrig. Freilich die Bestimmungen darüber, welche Silben der lateinischen Wörter als lang, welche als kurz gelten sollten, welche Silben elidirt werden könnten, welche nicht konn- ten den Griechen nur zum geringen Theile nachgeahmt werden, und zwischen der Prosodie des Plautus und der des Ovid mag desshalb ein Unterschied sein, wie zwischen der des Homer und der des Aeschylus: allein die Gesetze der Griechen für den metrischen Bau der jambischen und trochäischen Zeilen konnten nachgeahmt werden ohne besondere Schwierigkeiten anderer Art, als sie in ihnen selbst lagen. Gewöhnlich weist man auf die Längen in jenen Senkungen der jambischen und trochäischen Dipodien hin, welche die griechischen Tragiker nur mit einzelnen Kürzen gefüllt hatten, und glaubt damit die Nachlässigkeit der altlateinischen Dichter bewiesen zu haben, ohne zu bedenken, dass ja auch die griechischen Komiker jene Senkungen ganz regelmässig mit zwei Kürzen füllten.

Die hauptsächliche Aufgabe der altlateinischen Dramatiker war, griechische Lustspiele der späteren Zeit zu übersetzen oder umzuarbeiten. Man muss also, um den altlateinischen Versbau richtig zu beurt heilen, zum mindesten die metrischen Gesetze der griechischen Tragiker und Komiker, ja vielmehr insbesondere die der letzteren, mit den altlateini- schen vergleichen. So kommt z. B. der jambische Septenar bei den griechischen Tragikern gar nicht vor. Die Aufgabe dessen, der zuerst die Nachahmung der griechischen jambischen und trochäischen Dialog- verse versuchte, war eine schwierige. Gerade in der gewöhnlichsten Zeilenart, dem jambischen Senar, hatten die griechischen Dichter das Meiste gewagt; in den fünf ersten Füssen konnte durch Vertaueehung des Jambus mit Spondeus, Anapäst, Tribrachys oder Daktylus der ursprüng- liche Charakter des Verses in der mannigfachsten Weise verändert oder verborgen werden. Dann hörte der Mann wohl von einer rein zu lialten-

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den Senkung in jeder Dipodie, allein bei seinen nächsten Vorbildern, den Lustspieldichtern, sah er sie ganz regelmässig mit zwei Kürzen gefüllt; er hörte wohl von bestimmten Caesuren in jeder Zeilenart, allein ebenda fand er ausserordentlich viele caesurlosen Verse. Der Mann, welcher unter diesen schwierigen Verhältnissen die Nachahmung jener griechischen Verse unternahm, wurde so von selbst dazu gedrängt, sich seinen Weg zu suchen. Er war offenbar ebenso praktisch als energisch. Er hat nicht viele und einfache Gesetze aufgestellt, in denen er theils eng an die Griechen sich anschloss theils über sie hinausging, theils sich engere Schranken setzte. So sind die altlateinischen Lustspieldichter im Bau dieser Zeilen nicht zuchtloser als die griechischen, sondern sie haben strengere Regeln und beobachten sie sorgfältiger. Anderseits sah der, welcher diese Regeln nach der gewöhnlichen griechischen Lehre aufstellte, diese in seinen besten Vorbildern oft verletzt. So ist es völlig natür- lich, dass auch er seine Regeln nicht als absolut unverletzliche hinstellte, sondern wenigstens hie und da eine Ausnahme gestattete. Viele von unseren Philologen haben keinen Sinn für solche Regeln, deren Verletzung mehr oder minder oft ('nunquam vel raro* sagt Eberhard Bethun.) gestattet sein soll ; allein ger<ide für den wohlklingenden Bau der Verse gibt es in allen Dichtungen viele Regeln der Art. So steht es z. B. mit dem Hiatus bei den lateinischen rythmischen Dichtern des ganzen Mittelalters. Nur sehr wenige, wie der Archipoeta, haben ihn gänzlich gemieden; die meisten haben ihn selten zugelassen, wie Abaelard 2, 3 Mal in je 100 Zeilen; fast keiner aber hat ihn so oft zugelassen als er in der Prosa sich findet, d. h. fast keiner hat ihn absolut nicht gemieden. Auch bei Plautus und noch häufiger bei Terenz finden sich hie und da Ausnahmen von den sonst bei ihnen geltenden metrischen Regeln. Zu wundern ist es nichtj dass spätere Dichter, welche in der Zeit der höchsten Kunstblüthe den altlateinischen Versbau nachahmten, wie Publilius und Phaedrus, diese Ausnahmen von der Regel seltener und seltener zuliessen. Wenn nun auch die Perioden der lateinischen Metrik zum grössten Theil nur Stationen der wiederholten stärkeren und neuartigen Nachahmung griechischer Formen sind, so haben doch da, wo die altlateinischen Dichter Etwas verboten hatten, was bei den Griechen erlaubt gewesen

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war, selbst die feurigsten Puristen fast niemals gewagt, die griechische Freiheit wieder herzustellen.

Für solche Untersuchungen bietet Plnuttis den ältesten, reichhaltigsten und wichtigsten Stoff; leider ist es nicht so gut bestellt mit der hand- schriftlichen Ueberlieferung und gelehrten Bearbeitung der meisten Lust- spiele. Von Terenz sagt man, er biete zwar keine grosse Mannigfalti^^keit der Formen, dafür sei er aber im Versbau weit sorgsamer als Plautus. Dieser allgemeine Glaube ist durchaus unrichtig. Der reich begabte Plautus strebte nicht nur nach Mannigfaltigkeit, sondern ebenso sehr nach Schönheit imd Reinheit der Dichtungsformen, Terenz dagegen liatte dafür wenig Sinn. Seine Formen sind ärmlich, deren Bau nachlässig und die Verletzungen der Regeln bei ihm mindestens doppelt so häufig als bei Plautus. Dazu kommen noch besondere Eigenthümlichkeiteii, wie z. B. im Bau der jambischen Octonare. Für Pubhlim Syrus glaube ich nach Wölfflin die festen Grundlagen der handschriftlichen Ueberlieferung nachgewiesen zu haben. ^) Ziemlich gut ist es mit dem Texte der Fabeln

1) Diese Spruchverse sind in verschiedenen Sammlungen theiJs ohne üeberschrift theils tiiit falschen Ueberschriften, wie Senecae sententiae oder proverbia, Sententiae philosophonini, an?* überliefert. Diese zu Schulzwecken gemachten Sammlungen sind unter sich verwandte Aunli'^^t^n aus einer ursprünglichen reichhaltigen Sammlung. In einer Veroneser Excerptenhandschrift von 1829 sind auch 60 Spruchverse eingesetzt, die zum Theil in jenen Sammlungen vorkommen, theils nicht; diesen 60 Sprüchen ist bald Ex sententiis Publii, bald Publius Syrus, bald Publiu^ mimuH vorgesetzt. Da in jener Veroneser Handschrift auch andere wichtige Handschriften mit SorgtiiU excerpirt sind, so erhellt, dass 1) daselbst eine Sammlung ausgenützt ist, welche vollrttiindtgt'r war und der ursprünglichen näher stand, als die uns erhaltenen, und dass 2) diese Sammlung tlon Titel *Publilii Syri mimi sententiae' hatte. Da ferner auch von 20 Sentenzen, welche die Ijf'iden Seneca und Gellius mit dem Namen des Publilius citiren, \\) in diesen Sammlungen vorkomruen, so müssen wir jene in den Veroneser Excerpten benützte vollständige Sammlung und die erhal- tenen unvollständigen dem Publilius Syrus zuschreiben.

Ribbeck meinte, in diese Sammlungen seien Spruchverse aus der ganzen dramatischen PüL^^if^ der Römer, einschliesslich der Mimen des Laberius, auch aus verschiedenen Jambendieb tum und Satirikern zusammengetragen. Wenn dieselben diese hohe Ehre verdienten, so müsste es hier ähnlich stehen, wie in den griechischen Spruchsammlungen des Menander, Diese verschiedenen ebenfalls aus diner Ursammlung zu Schulzwecken ausgelesenen Sammlungen enthalten t-twa 850 Spruchverse: von diesen kommen aber 124 theils in den erhaltenen Werken versclue<iener alter Dichter vor, theils werden sie von Stobaeus und Andern den verschiedensten Autoren scnge^ schrieben; (vgl. meine Abhandlung 'Die urbinatische Sammlung von Spruchversen des Menamler Euripides und Anderer; München 1880, S. 7). Wie steht es bei Publilius? Obwohl iitiH gut 20,000 Senare und 10,000 trochäische Septenare lateinischer Dichter erhalten sind und tlad Ein- schieben in unsere Spruchsammlungen sehr leicht war, so findet sich doch nur in einer guteti Siinim-

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des Phaedrus bestellt. Von den übrigen jambischen und trochäischen Gedichten der alten Zeit sind uns nur wenige Bruchstücke erhalten und diese fast durchweg in unsicherem Zustande.

Ich beschränke mich auf den meti'ischen Bau der gebräuchlichen jam- bischen und trochäischen Zeilen: der jambischen Senare, Septenare und Octo- nare und der trochäischen Septenare. Voran schicken muss ich die Bemerk- ung, dass Wörter lateinischer Verse, von denen eine Silbe in die Elision fällt, weder für noch gegen eine Regel beweisen. Die Griechen schrieben die elidirte Silbe nicht und verwendeten den Wortrest meistens ohne andere Rücksicht nach den gewöhnlichen metrischen Regeln. Die lateinischen Dichter schrieben diese Silben, und eine Menge von Versen beweist, dass sie dieselben auch beim Bau der Zeile mitrechnen konnten. Denn, wenn wirklich bei Elision die erste Silbe glatt wegfiele, so wäre jede der sonst

lung ein Vers de« Terenz, in einer anderen stark umgearbeiteten Sammlung drei prosaische Sprüche aus Kirchenvätern und in der einen (nicht in der andern) Handschrift derselben Samm- lung ein und ein halber Vers aus Terenz interpolirt. Damit vergleiche man die Menandersamm- Inngen ! Die AehnlichktUen mancher Sprüche unter sich oder mit denen anderer Dichter, welche Ribbeck (Fragm. Comic. 2. ed. p. XCVII) finden wollte, sind mit sehr wenigen Ausnahmen zufällig, und selbst wenn sie nicht zuülllig wären, beweisen sie nicht«, da mehrere Menschen oder auch ein Mensch in verschiedenen Zeiten Aehnliches denken und aussprechen können ; (vgl. hierüber die obige Abhandl. S. 13 ffl.). Die Sprache passt durchaus in die Zeit des Publilius, die Prosodie hat nur wenige Freiheiten der älteren Dichter sich gestattet und der Vershau hat die Grundgesetze, Sihex nicht die Freiheiten und Ausnahmen des Plautus und Terenz festgehalten. In all dem sind diese Spruchverse viel regelmässiger als Plautus und Terenz, aber noch etwas freier als Phaedrus.

Diese Thatsachen habe ich früher dargelegt (Die Sammlungen der Spruchvei-se d. Publ. S. Teubner 1877, S. 47) und darnach meine Ausgabe (Teubner 1880) gearbeitet, Thatsachen, welche für diejenigen, die selbst urtheilen, nicht erschüttert werden weder durch den Inhalt noch durch den Ton der Recension, mit der 0. Ribbeck im Liter. Centralblatt 1880 S. 1044 gegen mich auf- zutreten für nützlich und passend erachtet hat. Ich hatte nicht nur viel neuen Stoff gefunden, sondern mir auch die Thatsachen reiflicher überlegt als er.

Da der Anfang der stark entstellten Zürcher Sammlung (Z, zuerst von mir edirt in den Sitzungsber. unserer Akad. 1872, II. 4. Heft) nur in der Münchener Handschrift (6369 = M) er- halten ist, so hoffte ich Hilfe von dem Cod. Vatic. Regin. 1762 saec. IX, wo ich fol. 224 b den Anfang dieser Sammlung wieder fand. Allein nicht nur die Ueberschrift, sondern auch der Text stimmt durchaus mit M. Die sämmtlichen Abweichungen von M sind in A : 10 Amici uitia. Nisi. 47 uiuit und longiore torpescit. 48 esse reum. 51 esse volet. Die Sentenzen von B 8ind = 3f: von C sind erhalten: 15 (Cont.). 38. 17. 7 (inimico in gratia = M). 39 (= M). 40 (= M). 27 (= M: doch possident bene). 41 (—3/). 30. Dann folgt nach sechs leeren Zeilen D 3 Diu praeparandum est de hello, ut citius (?) uincas; dann nach zehn leeren Zeilen in der untersten Zeile F 29 und 9 Famulatur dominus ubi timet quibus imperat prorsus fatetur. Damit endet diese Abschrift, die offenbar mit M viel mehr als mit der Zürcher Handschrift ( 2' von Buchstaben C an) verwandt ist. Die Collation dieser Handschrift verdanke ich der Güte des Herrn Generaldefinitors Ph. Denifle.

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giltigen metrischen Regeln in vielen Fällen verletzt. In Versen, wie (Publilius S 21, M 19) Sibi primum SLXxxüimn eripere est leges tollere, Mala est medicina^ ubi aliquid naturae perit, stünden bei Nichtrechnung der elidirten Silbe die sonst gemiedenen Wortschlüsse auxili und ^ ^-' (medicin) an unrichtiger Stelle. Falsche Wortschlüsse und Mangel der Caesuren würden eintreten in Versen, wie (Publ. N 28. Trin. 95. 4n6.) Nisi vindices delicta^ improbitatem adiuves Siquid scis me fecisse inscite aut improbe. Exessum, expotum, exünctum, elütum in balineis.

Diese Fälle sind häufig; besonders häufig sind die Verse, wo die Caesur fehlen würde, wie in (Publil. C 5. P 13. Phormio 134. 349. 597. 637. Poen. III, 4, 10). Crudelem laedicum intemperans aeger facit. Plus est quam poen^/ iniüriae succumbere. lUa quidem nos^m erit. Jocu- lärem audaciam. Audistis fäcte/w iniüriam quam haec est mihi. Ubi Phaedriae esse ostenderet nihilo minus. Si tu aliquam ^kctem aequl boni- que dixeris. Quin sequere me er^o abdüc intro: addictum tenes.

Könnte man daran denken, die 1. nicht die 2. Silbe in solchen Eli- sionen mitzurechnen, so zeigt die allerdings seltene Art der Elision in (Phormio 87) Nos ostiö^i operkm dabamus Phaedriae, dass wir besser mit Ritschis treffendem Ausdrucke sagen, in Elisionen der Art werde der Wortschluss verdunkelt^ nicht aufgehoben; (vgl. Proleg. zum Trin. S. 282. 274. 217 und 220). Solche Elisionen sind bei Plautus, Terenz und Pu- blilius häufig, bei Phaedrus (vgl. L. Müller editio maior p. XII) selten; doch sind die beiden Verse *Novissime prolap^aw effündit sarcinam. Ipso hxdiorum ostenderet sese die* nicht mit Luc. Müller durch 'Caesura post praepositionem verbi compositi' ef | fundit und os | tenderet, sondern durch jene, früher durchaus erlaubte Verdunkelung der Caesur zu erklären; (vgl. noch Langen im Rh. Mus. 1858 S. 202). Ich gehe also bei diesen Untersuchungen stets von den Fällen ohns Elision aus.

Beim Bau der jambischen und trochäischen Reihen kommt in Be- tracht die Bildung der Senkung, die der Hebung und die Verbind- ung beider.

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Bildang der Senkaiigen und der Hebungen.

In Betreff der Senkung stiess der Organisator der lateinischen Metrik auf eine merkwürdige Ungleichheit oder Inconsequenz seiner grie- chischen Vorbilder, der Lustspieldichter. Die Senkung verhält sich in Jamben und Trochäen zur Hebung in gleicher Weise wie 1 : 2. Diese 1 Kürze der Senkung wurde aber in bestimmten Fällen mit einer Länge oder mit 2 Kürzen vertauscht. In den Jamben waren nun die beiden Kürzen dadurch vor der Länge bevorzugt, dass sie auch im 2. Fusse der jam- bischen Dipodie die Senkung bilden durften, während der Länge dies untersagt war. Wiederum waren die Jamben dadurch vor den Trochäen bevorzugt, dass in den Jamben beide Senkungen der Dipodie, also in einer längeren Reihe sämmtliche Senkungen mit Ausnahme der letzten, durch 2 Kürzen gebildet werden durften, während in der trochäischen Dipodie nicht einmal die 2. Senkung, obwohl sie durch eine Länge ge- geben werden konnte, geschweige denn die 1. Senkung, durch 2 Kürzen gebildet werden durfte: so dass also die Bildung der Senkung durch 2 Kürzen in allen Füssen der jambischen Reihen (mit Ausnahme des letzten) erlaubt, dagegen von den trochäischen Reihen gänzlich ausge- schlossen war.

Da nun demjenigen, der zuerst diese jambischen und trochäischen Reihen in lateinischer Sprache nachbilden wollte, 2 Kürzen metrisch einer Länge gleich galten und er weder einsah, warum die beiden Kürzen vor der Länge, noch warum die Jamben vor den Trochäen bevorzugt werden sollten, so setzte er zunächst überall, wo er die Senkung durch 2 Kürzen gebildet fand, also in allen Füssen der jambischen Reihen ausser in dem letzten, statt der 1 Kürze nicht nur 2 Kürzen, sondern ebenso gut eine Länge, zweitens behandelte er die Senkung der Trochäen ebenso wie die der Jamben ; also ergab sich die einfache Regel, sämmtliche Senk- ungen jambischer und trochäischer Zeilen können statt durch die Ursprung- liehe Kürze ebenso gut durch eine Länge oder durch 3 Kürzen gebildet werden. Nur die letzte Senkung einer jambischen Reihe darf bloss durch 1 Kürze gegeben werden, wobei die Senkimg des 7. Jambus im jam- bischen Septenare, die bei den Griechen stets 1 Kürze war, von dem

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Lateiner nicht als letzte angesehen, folglich auch durch eine Länge oder 2 Kürzen gegeben wurde. ^)

So finden sich viele Verse, wie die folgenden (Trin. 797. Ainph. 998* Phorm. 207) Quam vis sermönes pössünt longl texier. Jam hic delndetür spectätores vobis inspöctäntlbus. Quid fkcöres si aliud quid graviüs tibi nunc fäciündüm föret. Si istoc exemplö tu Omnibus | qui quäernot re- spöndebis.

Die Bildung der Hebung ist wie bei den Griechen: statt einer Länge dürfen auch zwei Kürzen stehen; schliesst aber die Hebung die Zeile, so darf statt der Länge auch 1 Kürze, doch nie 2, stehen. Folgt der letzten Hebung noch eine Senkung, was im Schlüsse des jambischen Septenars geschieht, so wurde sie von den griechischen Lustspielrlichtern nicht aufgelöst; der Lateiner aber gestattete es, wahrscheinlich aus eineui später zu erörternden Grunde.

Verbindung der Hebungen und Senkungen.

Hebung und Senkung können nun 3 verschiedene Verhältnisse zu einander einnehmen. Entweder füllt die Hebung oder die Senkung ein ab- gesondertes Wort aus, oder die Senkung bildet mit der vorausgehenden Hebung oder mit der folgenden Hebung ein Wort.

Die Senkung, ob lang oder kurz, kann ein einsilbiges Wort ein- nehmen, z. B. Cui plus licet quam par est, plus vult quam licet; nur geschieht dies im Schlüsse einer Zeile oder vor der Caesur nicht oft, ausser wenn auch die vorangehende Hebung ein einzelnes Wort einnimmt, während im griechischen Verse wenigstens das letztere oft geschah. Die durch 2 Kürzen gebildete Senkung konnte bei den Griechen nur im jambischen Senar und Septenar vorkommen, also in der Form eines Ana- pästes. Hier galt nun als Regel, dass die beiden Kürzen des Anapästes mit der folgenden Hebung ein Wort bilden. Desshalb bilden die wenigen Anapäste, welche in den Trimetern der griechischen Tragiker sich finden,

1) So erklärt sich die Entstehung dieser Regel auf natürliche Weise; sie ist nicht ent^itainden aus irgendwelchen Gewohnheiten der praehistorischen lateinischen Volksdichtung, wnrtiaeh die Senkungen völlig vogelfrei gewesen wären, und z. B. ganz wegbleiben oder durch 1 K>1r7.e oder Länge oder 2 Kürzen hätten ausgedrückt werden können.

Abh. d. T. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 1. Abth. 4

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stets ein einziges, drei oder mehrsilbiges Wort. So stehen im 1. Fusse bei Aeschylus etwa 60, bei Sophokles etwas mehr, in den 6 streng ge- bauten Stücken des Euripides (Alkestis, Andromache, Heraklidae, Hippolyt, Medea und Rhesus) etwa 30; von diesen sind nur 2 getheilt; in den freier gebauten Stücken des Euripides finden sich im 1. Fusse sehr viele Anapäste, von denen nur etwa 18 getheilt sind. Diese wenigen getheilten bestehen stets aus eng zusammengehörigen Wörtern. Ausserhalb des 1. Fusses hat Sophokles nur etwa 10, Euripides in den freien Stücken weit mehr Anapäste, aber nur in drei- oder mehrsilbigen Eigennamen zugelassen. Also tritt der Anapäst bei den griechischen Tragikern als ungetheilter Fuss auf. Im Kyklops des Euripides finden sich ausser dem 1. Fusse nicht nur viele durch Eigennamen, sondern auch etwa 20 durch andere Wörter gebildete Anapäste, von denen aber nur wenige aus mehreren (eng verbundenen) Wörtern gebildet sind. Auf die 9000 Trimeter des Aristophanes treffen etwa 3779 Anapäste; im 1. Fuss 482 ungetheilte, 661 getheilte; im 2. Fuss 913 ungetheilte, 270 getheilte; im 3. Fuss 184 ungetheilte, 84 getheilte; im 4. Fuss 678 ungetheilte, 169 getheilte; im 5. Fuss 257 ungetheilte, 81 getheilte. Das üebergewicht der unge- theilten Anapäste über die getheilten, 2514 gegen 1265, bezeugt, dass der Anapäst auch bei Aristophanes ein ungetheilter Fuss sein will. Denn im 1. Fuss, wo die Hälfte der 1265 getheilten Anapäste steht, verwischt die Stimme von selbst die Theilung; für den 2., 3., 4. und 5. Fuss aber haben die Untersuchungen C. Bernhardi's (in den Acta soc. philol. Lips. I, 245) ergeben, dass die getheilten Anapäste hier aus eng zusammenge- hörigen Wörtern bestehen. Die Theilung selbst konnte in verschiedener Weise geschehen; selten bildete jede Kürze ein besonderes Wort, wie in /ice Ji otJcT, oder nur die 1. Kürze ein besonderes Wort, wie in xa fieyiara; meistens nehmen die beiden Kürzen zusammen ein Wort ein, wie in Iva fir].

Der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen hat zwei Kürzen in jeder Senkung nicht nur der jambischen Senare, Septenare und Octonare, sondern auch der trochäischen Septenare zugelassen, natürlich mit Ausnahme der letzten Senkung. Dieselben sind sehr oft getheilt, wie im Griechischen: selten sind die beiden ersten Arten, wie Et is hödie apüd me, Ut eum ädvenientem. In amore; sehr häufig die letzte

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Art 'Mala mors, Jacet omnis ; Comes est*. Diese getheilten Anapäste finden sich bei Plautus und Terenz vor Allem im 1. und im 5. Fusse, aber (und das, wie es scheint, bei Terenz mehr als bei Plautus) auch im 2.,

3. und 4. Fusse. Dass sie sich im 5. Fusse so oft finden, beruht auf der Behandlung dieses vorletzten Fusses, in welcher die Lateiner von den Griechen durchaus abweichen. Bei der Theilung der Anapäste scheinen die Lateiner nicht zu verlangen, dass die Theile dem Sinn und der Con- struction nach mehr zu einander als zu den umliegenden Wörtern ge- hören. Schon bei Publilius änderte sich der Gebrauch. Im 1. und 5. Fusse finden sich noch viele Anapäste, darunter im 1. Fusse sehr viele, im 5. Fusse viele getheilte, wie in Bene dormit, qui non sentit, quam male dormiat. Im 2., 3. und 4. Fusse finden sich überhaupt nur wenige Ana- päste: ungetheilte (maledictum, benedicunt mitgerechnet) im 2. Fusse 8^), im 3. Fusse 4, im 4. Fusse 5; getheilte keine im 4. Fusse; im 3. nur B 13 Beneficium qui dare nescit iniuste petit (so die codd., däre qui die Ausgaben seit Erasmus) und der unsichere in N 13 Numquam ubi diu fuit ignis defecit vapor und der wegen der bestrittenen Theilung sehr zweifelhafte in Q 52 Qui pote nocere, timetur (timeas Ribbeck), cum etiam non adest; vgl. B 31 Bonam ad virüm cito moritur iracündia; im 2. Fusse ausser dem verzeihlichen Etiam sine lege und Lucrum sine damno in E 21 und L 6 nur M 24 Male secum agit aeger medicum (med. aeger Spengel) qui heredem facit und P 49 Probo bona fama maxima est hereditas, wo, da die einzige beachtenswerthe Handschrift *Pro bona fama^ hat, vielleicht 'Proborum fama' zu schreiben ist; vergl. H 15 Honestus rumor alterum est Patrimonium und B 40 Bene audire alterum Patrimonium est. Phaedrus, der im 1. und 5. Fusse viele Anapäste hat, theilt sie im 1. Fusse oft, aber fast immer so, dass die beiden Kürzen ein Wort bilden; im 5. Fusse kommt auch diese Theil- ung (ohne Elision) wie 'ruit Ilium' nur etwa 4 Mal vor; im 2., 3. und

4. Fusse hat er mit Ausnahme von I, 2, 23 'Inutilis quoniam esset' nur ungetheilte Anapäste und auch deren nur sehr wenige: 8, 11, 19.

1) S 44 stellte ich mit Haupt 'Satis est superare inimicum, nimium est perdere*; da die Handschrift hat 'Satis est inimicum sup.\ so ist die fehlerhafte Häufung der Anapäste zu ver- meiden durch die Stellung: Satis inimicum est superä.re n. e. p.

4*

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Die durch eine Länge gebildete Hebung konnte, abgesehen vom Zeilenschluss , ohne weitere Rücksicht ein einzelnes Wort einnehmen. Wenn die Hebung durch zwei Kürzen gebildet wurde, so verbanden die- selben bei den Griechen, was nachher zu besprechen ist, sich bald mit der vorausgehenden, bald mit der folgenden Senkung. Wenn dies nicht der Fall war, so nahmen sie in der Regel ein zweisilbiges Wort ein, was sehr oft geschah; ausserdem nahm gewöhnlich die erste (betonte) Kürze der Hebung ein einzelnes Wort ein, die zweite war ebenfalls ein einzelnes Wort oder die erste Silbe eines längeren Wortes ; äusserst selten war bei den Tragikern die erste Kürze der Hebung die Schlusssilbe eines zwei- silbigen, nicht eines drei- und mehrsilbigen Wortes (vgl. Enger Rh. Mus. 1864, p. 133); bei Aristophanes zählt Rumpel im 1. Fusse des Trimeters 71 Fälle der Art, im 2. Fuss 28, im 3. Fuss 6, im 4. Fuss 25, im 5. Fuss 1. Verbinden sich bei den Lateinern die beiden Kürzen der Hebung nicht mit der folgenden Senkung, welcher Fall nachher zu er- örtern ist, so traten dieselben verschiedenen Fälle ein, wie bei den griechischen Lustspieldichtem, wobei auch nicht vermieden wurde, dass die erste betonte Kürze der Hebung durch die Schlusssilbe eines mehr- silbigen (meist zweisilbigen oder tribrachyschen) Wortes gebildet wurde; vgl. Ritschis Proleg. S. 225 und Wagner Rh. Mus. 1867, S. 111. Häufiger bildete diese erste Kürze der Hebung ein einzelnes Wort, wie in Invidia täcite sed inimice irascitur; aber sehr gewöhnlich nehmen die beiden Kürzen der Hebung ein zweisilbiges Wort ein, wie z. B. Mercedem däre lex iubet ei atque amittere oder Uhi peccatum cito corrigitur, fama solet ignoscere.

Hebung und Senkung.

Wenn wir die Fälle betrachten, wo die Senkung mit der vorangehen- den Hebung sich zu einem Wortschluss verbindet, so kann die durch 1 Kürze oder Länge gebildete Senkung solche Verbindung stets eingehen imd die spondeischen und trochäischen Wortschlüsse, deren vorletzte Silbe vom Versaccent getroffen wird, haben keine weiteren Regeln zu beachten. Die griechischen Tragiker hatten hier eine von Porson bemerkte Regel, dass nemUch bei jambischem Schlüsse der Reihe die durch eine Länge gebildete Senkung des vorletzten Jambus nicht mit der vorangehenden

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Hebung zu Wottschluss gebunden werden solle, dass also TtQoacinov rovfinahv regelwidriger, n^oacmov iitinaXiv regelrechter Versschluss sei. Aber schon die griechischen Lustspieldichter haben diese Regel nicht beachtet, und noch weniger die lateinischen.

Ob die durch zwei Kürzen gebildete Senkung von den griechischen Lustspieldichtern ganz oder theilweise mit der vorangehenden Hebung verbunden werden durfte, darüber ist viel gestritten worden. Bernhardi (Acta soc. philol. Lips. I, S. 285) fasst seine eingehenden Untersuchungen dahin zusammen, dass die Verbindimg der beiden Kürzen oder der ersten mit der vorangehenden Hebung im 2. und 4. Fusse bisweilen zugelassen wurde, in den übrigen nicht: Toig nevre raldyroig, olg KIscdv sirjueaey. "Av&iforjiog leQog. dsvifo ndlir ßa^iareoy, ^Enioxonog i]Xü} ^evQo rcp xvdfKp Aa/oiv. KäneiT^ dnodvatr^ ivyea nai^iov firjxeQa^ dass dagegen mit Elision nach der 1. und 2. Kürze die Verbindung mit der vorangehenden Heb- ung häufiger sei und auch in den andern Füssen vorkäme. Also sind derartige Verbindungen immerhin Ausnahmen; die Regel ist auch hier, dass der durch zwei Silben gebildeten Senkung Wortschluss voran- gehen soll.

Da der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen solche Senkungen von 2 Kürzen auch in die trochäischen Septenare zugelassen hatte, so war die Gelegenheit zur Verbindung derselben mit der voran- gehenden Hebung eine grosse. Er hat aber die griechische Regel, nicht deren feine Ausnahmen, befolgt und solche Verbindungen untersagt. Schon Hermann (Elem. doctr. metr. S. 78 u. 87) bemerkt 'Cavent ne quantum fieri possit cum dactylo etiam vocabulum finiatur , Lachmann hat (zu Lucrez S. 116) die einzelnen widerstrebenden Verse besprochen. Dass die Verbindung der ersten Senkungskürze mit der vorausgehenden Heb- ung, wie in Ibi erat bilifeWs äqual is sie propter cados (oder Miles 1288 Inhonesta propter amorem atque aliena a bonis), regelwidrig sei, hat Ritschi (Praef. Miles Glor. p. XXH und Opusc. H, p. 399 und 684) be- merkt. Dass bei Elision auch dies Gesetz nicht beachtet wird oder viel- mehr, dass man dann an keine Verletzung desselben dachte, ist nach dem früher (S. 22) Bemerkten selbstverständlich.

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Senkung und Hebang.

Wenn die Senkung sich mit der nachfolgenden Hebung zu einem Worte verbindet, so kann diese vom Versaccent getroffene Hebung Wortschluss bilden oder nicht. Da die Senkung w, - oder ww und die Hebung oder ^ w sein kann, so haben wir die Verbindungen ^ , ^,

w \j ^, \j \j \j ^ w w , \* \t \j *a emerseiijo, ^ ^j ? ww --,www , «^ w ,

w w :, w - anderseits zu betrachten. Wenn das Wort nach der Hebung sich fortsetzte, also in den nächsten Fuss übergriff und die Hebung selbst durch eine Länge gebildet wurde, so waren alle Verbindungen gestattet, also W-— (amabant), - ''- (extorquent), ^w' w (retinetis), wesshalb ich diese nicht weiter berücksichtigen werde. Die Verbindung ^- (amänt) ist den jambischen und trochäischen Reihen gebührend und eigen, da ja Senkung sich zur Hebung verhält wie 1 zu 2; dagegen die Verbind- ung -^ (multos) und w ^ - (animos) sind dem Wesen des Jambus und Trochäus fremd, so dass man jene Verbindungen reine, diese unreine nennen kann.

Die betonten Wortschlfisse bei den griechischen Dramatikern.

Da wir uns hiemit den Thatsachen nähern, zu deren Erklärung man die Behauptung aufgestellt hat, dass die alllateinischen Dichter neben der Quantität auch den Wortaccent möglichst berücksichtigt hätten, so ist es nothwendig, zunächst einen Blick auf die entsprechenden Verbind- ungen in den vier jambischen und trochäischen Zeilenarten des grie- chischen Dramas zu werfen, damit klar werde, worin die Gesetze der altlateinischen Dichter mit den griechischen übereinstimmen, und woriii sie abweichen.^)

Die reinen, jambischen, durch eine kurze Senkung und lange Heb- ung gebildeten Wörter oder Wortschlüsse mit dem Versaccent auf der Schlusssilbe waren bei den Griechen überall zugelassen^): ^rerni; bnvjg

1) Ich habe zu dieser Uebersicht benutzt: Kumpel, der Trimeter des Aristophanes, Philo- loguH 28 p. 599 627. Carl Friedr. Müller, de pedibus solutis in dialogorum senariis Aeschyli, Sophoclis, Euripidis, Berlin 1866. Qunnar Widegren, de numero et conformatione pedum solu- torum in senariis Aristophaneis, Upsala 1868.

2) Man entschuldige, dass ich oft die Wortaccente weglasse, um die Versaccente deutlich iu geben.

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fi7] aavxov olxuig naie. XioQii xarci axelrj ^e xigxioaov ßia. Ovxavv xo ßaQog Tovd^ b av (pegeig ovos ipegsi. Ebenso war der unreine spondeische Wortschluss -^ überall zugelassen, wo er überhaupt möglich war: JSisffyeir (piXav&Qtanov de navBO&ai rgonov. OovQiog Z€()^g xeycoaag naaay ^neiffov nlaxa. ^AXV iyio ae rj] ßoj] ravrri ye n^ana TQsyjofiai: also in dem 1. Fusse der jambischen Dipodien und im Uebergang vom 2. Fuss einer trochäischen Dipodie in den 1. Fuss der folgenden. Der unreine anapästische Wortschluss « w-^ war bei den Komikern theoretisch möglich in den fünf ersten Füssen des jambischen Trimeters und in den sechs ersten des jambischen Septenars; nur wenn nach dem 4. Fusse, wie oft, Caesur eintritt, so hat dieser Fuss fast ausnahmslos nur eine Kürze in der Senkung; bei den Tragikern war der Anapäst nur im 1. Fusse des Trimeters möglich. Von den etwa 150 Anapästen, welche bei Aeschfflm, Sophokles und in den sechs streng gebauten Stücken des Euripides, und von den sehr zahlreichen, welche in den frei gebauten Stücken des Euripides im 1. Fusse sich finden, nehmen die meisten ein dreisilbiges Wort ein, bilden also den unreinen Wortschluss ^w-^; ebenso ein grosser Theil der Eigennamen, welche bei Sophokles (etwa 10) oder in den freien Stücken des Euripides (hier sind es sehr viele) im 2. bis 5. Fusse Anapäste bilden. Von den 2514 ungetheilten Anapästen, die sich bei Äristophanes finden (482 im 1. Fuss, 913 im 2., 184 im 3., 678 im 4. und 257 im 5. Fusse), bildet im 2., 3. und 5. Fusse die grössere Zahl Wortanfang, die geringere, aber natürlich immerhin grosse Zahl Wortschluss, im 4. Fusse die grössere Zahl Wortschluss. Der un- reine anapästische Wortschluss war also bei den griechischen Komikern durchaus und in jedem Fusse erlaubt.

Die Geschichte der durch zwei Kürzen gebildeten Hebung im jambischen Trimeter ist bei den griechischen Dramatikern ziemlich merkwürdig. Ist die vorangehende Senkung kurz, so entsteht Tribrachys, ist sie lang, Daktylus. Tribrachen treffen auf die 4400 Trimeter des Aeschylus 123, auf die 7600 des Sophokles 197, auf die 18200 des Euripides 100 in den 6 strenger, gegen 1600 in den freier gebauten Stücken; auf die 9000 Trimeter des Äristophanes 2600. Daktylen haben im 1. Fuss Aeschylus 12, Sophokles 24, Euripides 6 und in den freien Stücken mehrere Hunderte, im 3. Fusse Aeschylus 137, Sopho-

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kies 185, Euripides 183 und 1400; im 5. Fusse kommen bei den Tra- gikern keine Daktylen vor. Aristophanes hat 458 im 1., 851 im 3. und 156 im 5. Fusse.

Bei den Tragikern nehmen von den Tribrachen im 1. Fusse (A. 24, S. 64, E. 27 und 200) die meisten ein dreisilbiges Wort ein, wie ayixB^ 7iaTt()a (A. 20, S. 52, E. 25 und circa 140); die übrigen Füsse wurden anders behandelt; im 5. Fusse sollten überhaupt wenige stehen (A. 9, S. 10, E. 3 und 40); von diesen bilden wenige (A. 3, S. 5, Eur. Cycl. 1) Wortende, die andern folgen der Regel des 2., 3. und 4. Fusses. Die ziemlich grosse Zahl der Tribrachen in diesen 3 Füssen (etwa A. 13, 43, 45; S. 50, 50, 65; E. in jedem Fusse mehrere Hunderte) zeigt die Regel, dass vor den beiden Kürzen der Hebung Wortende eintritt, ferner die Senkung mit der Hebimg des vorangehenden Fusses, die aufgelöste Heb- ung selbst aber in dem nicht seltenen Falle, dass sie nur ein zweisilbiges Wort einnimmt, mit der Senkung des folgenden Fusses dem Sinn und der Construction nach eng zusammengehört, dass also bei Auflösung der Hebung der betreffende Fuss vor der Hebung getheilt, die Theile aber mit den vorausgehenden und folgenden Füssen enge verkettet sind. Die Verletzung dieser Regel war in mannigfacher Weise möglich; zunächst dadurch, dass die besonderen Wörter, welche die Hebung oder die Senk- ung einnehmen, mit den nächstfolgenden Stücken nicht mehr eng ver- bunden waren; das that schon Euripides oft in den freier gebauten Stücken; freilich können die Ansichten über die Zusammengehörigkeit der Wörter oft verschieden sein. Unverkennbar sind die stärkeren Ver- letzungen der Regel, dass zwar die zwei Kürzen der Hebung noch mit der folgenden Senkung zusammenhängen, dass aber vor ihnen kein Wort- ende eintritt, sondern die Senkung des Tribrachys mit der Hebung ein Wort bildet, wozu noch kommen kann, dass diese Senkung von der ihr vorangehenden Hebung getrennt ist, dass also der Tribrachys Mitte oder Anfang eines in den nächsten Fuss reichenden Wortes bildet, z. B. d^v-

Uns gehen besonders die beiden letzten Arten an. Wird die Regel schon dann, wann die Senkung des Tribrachys mit der Hebung ein Wort bildet und nach diesen zwei Kürzen Wortende eintritt, also die Verket- tung mit dem nächsten Fusse gelöst wird, in hohem Grade verletzt, so

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am meisten dann, wenn auch die Senkung von der Hebung des voran- gehenden Fusses getrennt ist, so dass die drei Kürzen ein Wort bilden imd einen Fuss abschliessend ausfüllen; in diesen beiden Fällen, wo der Tribrachys Wortschluss bildet oder ein Wort ausfällt, haben wir die un- reine Verbindung ^ ^ ^ , wie im dfKpoTegaj ;f doi^/e. Diese Verletzung der Regel ist bei Aeschylus, Sophokles und in den strenger gebauten Stücken des Euripides sehr selten. Im zweiten Fusse bilden bei Sophokles 6 Tri- brachen Wortanfang, dann nehmen 2 bei A., 2 bei S. und 1 bei E. ein besonderes Wort ein. Im dritten Fusse bilden bei A. und S. je 1 Tri- brachys Wortanfang, 1 Tribrachys bei S. füllt ein Wort aus. Im vierten Fusse findet sich kein Tribrachys, welcher den Anfang oder die Mitte eines Wortes bildet, dagegen bilden bei A., S. und E. die beiden Kürzen der Hebung je 1 Mal das Ende eines dreisilbigen, den 4. Fuss ausfüllen- den, dann bei A. und S. je 4 Mal das Ende eines mehrsilbigen, schon im 3. Fusse beginnenden Wortes. Die Verletzungen der Regel werden häufig in den freier gebauten Stücken des Euripides, wo ja auch die ZeAil der aufgelösten Hebungen erstaunlich zunimmt. Allein \Jie Menge dieser Verletzungen in den freien Stücken des Euripides hält genau die Richtungen ein, welche schon die geringe Zahl der früheren eingeschlagen hat und welche die naturgemässen sind. Im dritten Fusse muss regel- mässig Caesur stattfinden, also jeder Fuss («— , , w^^, w^) nach der -ersten Silbe, der Senkung, getheilt sein; also ist hier die Verbindung der Senkung mit der Hebung am wenigsten zu erwarten. Diese Senkungs- silbe des 3. Fusses verbindet sich naturgemäss meistens mit der Hebung des 2. Fusses zu einem Worte: demnach werden die in sich verbundenen Tribrachen des zweiten Fusses meistens als Wortanfang oder Wortniitte auftreten. Nach der Hebung des vierten Fusses ist (mehr als man meistens beachtet) Wortschluss sehr gesucht, wie ja nach Porsons Beobachtuog hier ein Wort nur mit einer schliessenden Kürze, nicht Länge in den 5. Fuss übergreifen darf; desshalb ist zu erwarten, dass die Tribrachen des 4. Fusses meistens ein Wort oder Wortende bilden. Wirklich sind auch in den freier gebauten Stücken des Euripides die sehr zahlreichen Tri- brachen des 3. Fusses stets vor den beiden Kürzen der Hebung getheilt; im 2. Fusse füllen nur etwa 8 ein dreisilbiges Wort und nur 4 (in Eigen- namen) den Schluss eines längeren Wortes, dagegen bilden etwa 4 die

Abh. d. I. Cl. (1. k. Ak. d. Wisa. XVII. Bd. I. Abth. 5

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Mitte und 80 den Anfang eines in den 3. Fuss sich erstreckenden Wortes. Im 4. Fusse dagegen bilden nur 3 Tribrachen Wortanfang, aber 1 2 füllen abgesonderte dreisilbige Wörter und 15 das Ende längerer Wörter.

Daktylen sind im strengen Bau des Trimeters im ersten Fusse selten (A. 12, S. 24, E. 6); von diesen füllen nicht viele (A. 3, S. 4, E. 0) ein dreisilbiges, also auf der vorletzten Silbe betontes Wort, wie «ör/pa^:, '^Ue. In den freien Stücken des Euripides stehen im 1. Fusse mehrere Hunderte von Daktylen, von denen etwa 75 ein dreisilbiges Wort füllen. Im dritten Fusse der streng gebauten Trimeter stehen oft Daktylen (A. 137, S. 185, E. 183); der Caesur entsprechend sind sie stets vor den beiden Kürzen der Hebung getheilt, nur 2 bilden in Eigennamen wie Ev()vaaxeg Wortmitte. Im 3. Fusse der frei gebauten Trimeter des Euripides stehen etwa 1400 Daktylen; sie sind ebenso getheilt, indem nur 6 Daktylen den Anfang und 2 die Mitte eines Wortes bilden, wie in ifjevdoiu&a und uavxBvo^sd^a. Im fünften Fusse des tragischen Tri- meters war nach langer Senkung die Bildung der Hebung durch zwei Kürzen überhaupt nicht gestattet.

Für unsere Ziele ergibt sich hieraus: zwei vom Versaccent getroffene Kürzen im Schlüsse eines Wortes waren im 1. Fusse des tragischen Tri- meters gestattet. Dass sie im 2., 3., 4. und 5. Fusse selten waren, be- ruhte darauf, dass eine solche aufgelöste Hebung stets von der voran- gehenden Senkung getrennt, mit der folgenden Senkung aber verbunden sein sollte. Dass gegen den Wortschi uss, welcher von zwei mit dem Versaccent belegten kurzen Silben gebildet wird, keine besondere prin- zipielle Abneigung bestand, ergibt sich daraus, dass bei der eindringen- den Vernachlässigung der Hauptregel solcher Wortschi uss im 4. Fnsse des tragischen Trimeters nicht selten war.

Diese Schlüsse werden durch eine Prüfung des komischen Trimeters bestätigt. Leider hat Kumpel in seinen genauen Zusammenstellungen mehr darauf geachtet, wie oft vor der aufgelösten Hebung Wortende eintritt; dagegen nicht immer speciell ausgeschieden, wie oft mit der- selben Wortende eintritt. Zunächst entspricht in der Bildung des ersten Fusses der komische Trimeter dem tragischen. Von den 206 hier stehen- den Tribrachen füllen 103 ein besonderes dreisilbiges Wort oder den Anfang eines längeren; von den 460 hier vorkommenden Daktylen bilden

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€0 Wortanfang, 33 füllen ein dreisilbiges Wort Im 2., 3., 4. und 5. Fusse ist die strenge Regel des älteren Dramas, dass vor der auf- gelösten Hebung der Fuss getheilt, die Theilstücke aber mit den nächsten Füssen verkettet sein müssen, wenig beachtet, ja vielleicht gar nicht an- erkannt Denn Aristophanes hat im 2. Fusse 576 getheilte, 370 un- getheilte Tribrachen; im 3. Fusse 270 getheilte, 30 ungetheilte; im

4. Fusse 798 getheilte, 302 ungetheilte; im 5. Fusse 53 getheilte, 18 un- getheilte; Daktylen aber im 3. Fusse 770 getheilte, 81 ungetheilte; im

5. Fusse, wo der Daktylus bei den Tragikern gar nicht stehen durfte, 146 getheilte, 10 ungetheilte. Die Hebung des 5. Fusses wird also auch bei Aristophanes nicht gern aufgelöst. Die geringe Zahl der ungetheilten Tribrachen und Daktylen des 3. Fusses gegenüber den getheilten (1 : 10) ist durch die Scheu vor der Caesur herbeigeführt. Sonst aber ist die Zahl der ungetheilten Tribrachen im 2., 3. und 5. Fusse bis zur Hälfte der getheilten angewachsen, so dass man sagen muss, jenes Gesetz des tragischen Trimeters gilt nicht im komischen.

Was nun den für uns wichtigen Fall betrifft, dass die zwei betonten kurzen Silben der Hebung den Schlitss eines drei- oder mehrsilbigen Wortes bilden, so tritt dasselbe Verhältniss ein, wie in den freier ge- bauten Stücken des Euripides, d. h. die ungetheilten Tribrachen bilden im 3. Fusse der Caesur halber nur selten solchen Wortschluss (unter den 30 füllen 5 ein Wort, wenige das Ende eines längeren Wortes); im 2. Fusse bilden sie meistens den Anfang eines längeren Wortes, dessen Ende im 3. Fusse Caesur bildet, minder oft füllen sie ein besonderes dreisilbiges Wort oder den Schluss eines längeren, während sie im 4. Fusse seltener den Anfang eines in den 5. Fuss reichenden Wortes bilden, öfter ein besonderes dreisilbiges Wort oder den Schluss eines längeren füllen; im 5. Fusse bildet etwa die Hälfte der ungetheilten Tribrachen Wortende. Ton den 81 ungetheilten Daktylen im 3. Fusse bilden die meisten den Anfang oder die Mitte eines Wortes, dessen Ende im 4. Fusse Caesur bildet, nur 8 nehmen ein dreisilbiges Wort, nur 1 das Ende eines mehr- silbigen Wortes ein; von den 10 ungetheilten Daktylen im 5. Fusse bilden 9 den Anfang, 1 den Schluss eines mehrsilbigen Wortes. Dem- nach war es im jambischen Trimeter den griechischen Lustspieldichterii durchaus gestattet, ein mehrsilbiges, mit zwei Kürzen schliessendes Wort so

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zu stellen, dass diese beiden Kürzen die Hebung bildeten, also speziell die vorletzte Kürze vom Versaccent getroffen wurde.

Dieselbe BVeiheit galt auch im jambischen und trochäischen Septe- nar, nur dass hier die Auflösung der Hebung überhaupt minder häufig ist.

Noch eine Möglichkeit bleibt übrig für den jambischen Trimeter und Septenar, nemlich dass mit der durch zwei Kürzen gebildeten Heb- ung eine durch zwei Kürzen gebildete Senkung zusammenstiess. Dieser Fall kommt, wenn auch selten, wirklich vor, aber in der Weise, dass die zwei Kürzen der Senkung vorangehen, die vier Kürzen also einem Ana- päst mit aufgelöster Hebimg entsprechen.

Darnach sind im griechischen Lustspiele die Wortschlüsse ^ --, ^ , w w^ mit dem Versaccent auf der Schlusssilbe und ^ « w und —« ^ mit dem Versaccent auf der vorletzten Silbe im Allgemeinen erlaubt, wo sie überhaupt möglich sind.

Die betonten Wortschlfisse in den altlateinisehen Jamben nnd Trochäen.

In der Behandlung der drei- und mehrsilbigen Wörter, deren Schluss im Verse in die Hebung fällt, bestand bei den griechischen Lustspiel- dichtern fast völlige Ungebundenheit, bei den altlateinischen Dichtern finden wir Gesetze. Dieselben sind hauptsächlich folgende: 1) Die zwei kurzen Schlusssilben eines drei- und mehrsilbigen Wortes dürfen nicht die Hebung bilden. 2) Spondeische und anapästische Wörter und Wort- schlüsse mit dem Versaccent auf der letzten Silbe sind an manchen Stellen der Verse gestattet, an manchen verboten; ja, es ist 3) sogar der jambische Wortschi uss von einer Stelle fast ausgeschlossen.

Senkung und aufgelöste Hebung.

Die aus zwei Kürzen bestehende und den Schltiss eines längeren Wortes bildende Hebung betrachten wir zuerst, da hier der Accent nicht auf die letzte, sondern auf die vorletzte Silbe fällt. Man macht öfter einen Unterschied, je nachdem die Senkimg, welche dieser aufgelösten Hebung vorangeht, aus einer Länge oder einer Kürze besteht, und meint der Schluss i ^ (turpia) sei einem anderen Gesetze unterworfen gewesen

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als der Schluss www (genera). Das gründet sich darauf, dass bei Plau- tus und Terenz im 1. Fusse sich einige (bei Plautus 43, bei Terenz 11 nach Brugman S. 42) daktylische Wörter finden, aber nicht tribrachische. Allein einmal ist die Zahl dieser regelwidrigen daktylischen Schlüsse gegenüber der gewaltigen Masse der regelrecht gebildeten Auflösungen der Hebung mit vorangehender Länge so winzig, dass auch diese nur als starke und seltene Ausnahmen der sonstigen Freiheit des 1. Fusses aufgerechnet werden können; dann aber ist im 1. Fusse auch der regel- rechte Tribrachys gemieden. So hat Publilius unter fast 700 Anfangen zwar sehr oft den regelrechten Daktylus, wie In misero, Lex videt, In- vidia, aber nur 10 regelrechte Tribrachen (A 2 Ab alio. F 15 Facilitas. F 32 Facilitatem. J 7 Inöpiae. M 29. 33 Malivolus. M 55. 60 Malitia. M 59 Misericors. R 14 Remedium); auch Phaedrus hat im 1. Fusse den regelrechten Tribrachys gemieden (L. Müller edit. major p. IX) und Se- neca hat hier neben 740 Daktylen nur 29 Tribrachen zugelassen. Wenn also der Tribrachys im 1. Fusse überhaupt viel seltener ist als der Dak- tylus, so ist es nur natürlich, dass auch der regelwidrige Tribrachys im 1. Fusse viel seltener ist als der regelwidrige Daktylus. Demnach können wir jenen Unterschied fallen lassen und die Regel aufstellen: die Hebung der Jamben und Trochäen darf nicht durch zwei kurze Schlusssilben eines drei- oder mehrsilbigen Wortes gebildet werden.

Diese merkwürdige Thatsache haben diejenigen, welche den Einfluss des Wortaccent^s auf den Bau der altlateinischen Verse verfochten, ebenfalls für diese Theorie angeführt (freilich weniger oft und weniger nachdrücklich als in ihrem Interesse lag). Sie trauten den altlateinischen Dichtem die feine Berechnung zu, dass in solchen Schlüssen, z. B. in animus, die Silbe 'a' den ganzen, 'mus' den halben, 'ni' aber weitaus den schwächsten Wortaccent habe; da nun durch den Versaccent animus der stärkste Widerspruch zum Wortaccent geschaffen worden wäre, so sei nur dieser (nur in Jamben und Trochäen!) verboten worden. Doch der Theorie von der Beobachtung des Wortaccentes stehen, wie oben eut- wickelt, überhaupt starke Gründe entgegen. Zudem kommt man gleich bei Wörtern, wie retineat, facilia in Verlegenheit; denn von r6tl, fäci hat für den betreffenden Dichter doch nur eine Silbe den Wortaccent gehabt, den Versaccent kann aber jede von beiden ohne Unterschied

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haben; z. B. Fortunam citius reperias quam r^neas; Invitum cum re- tineas exire incites.*)

Mir scheint folgende Erklärung dieses Gesetzes die richtige: Der, welcher zuerst lateinische Wörter in jambische und trochäische Zeilen fügen wollte, hat alle Wörter, welche mit zwei reinen Kürzen schliessen, ob diese beiden Kürzen nun eine Senkung oder eine Hebung bilden, auf die nemliche Weise behandelt: er verbot sie in beiden Fällen ; wie türpiä mültos oder facillä multos, so war auch turpiä multös und faciliä raultos verboten. Diese Regel wird von den alten Dichtern nur sehr selten und nur im 1. Fusse verletzt. In den Anapästen dagegen, wo die Senkungen turpiä mültos und fäcilia mültos erlaubt waren, waren auch die Heb- ungen wie turpiä und faciliä erlaubt.

Die durch zwei Kürzen gebildeten Hebungen, deren sich bei den alten Dichtern in den jambischen und trochäischen Reihen eine gewaltige Masse findet, sind demnach hier selten auf zwei Wörter vertheilt; oft nehmen sie ein besonderes zweisilbiges Wort ein; meistens bilden sie den Anfang oder die Mitte, aber nicht den Schluss, drei- und mehrsilbiger Wörter; z. B. Dulce etiam fügias, fieri quod amarum potest. Laus növa nisi öritur, etiam vetus amittitur. Nusquam melius mörimur hömines, quam übi libenter viximus. Qui bene dissimulat citius inimico nocet.

Der, welcher zuerst dieses Gesetz aufstellte, war von den Griechen abgewichen; aber auch die späteren Puristen und feurigen Nachahmer der Griechen wagten nicht zur Freiheit der Griechen zurückzukehren. In allen Zeiten galt in der lateinischen Dichtkunst die Regel, in jambi- schen und trochäischen Reihen soll die Hebung nicht durch die beiden letzten Kürzen eines drei- und mehrsilbigen Wortes gebildet werden.

1) Nicht genöjirend scheint mir der von Luc. Müller beigebrachte Grund : Ennius S. 220 (vgl. De re metr. S. 155) Die Römer, welche . . die Metrik von Anfang an mehr schulmässig hand- habten, fühlten immer, dass die Auflösung von Natnrlängen doch nur eine Licenz, ein Nothbehelf sei, und suchten desshalb mehr als die Dramatiker der Griechen sie in bestimmte Grenzen zu bannen. Daraus erklärt sich die merkwürdige Thatsache, daas in ihrer Poesie auf einen Tribrachys ausgehende Wörter nur mit der ersten und zweiten Kürze, nicht mit der zweiten und dritten in die Auflösung treten . . . Die Römer meinten, es sei genug, wenn an äiner Stelle die Lösung gestattet sei: als solche aber bot sich naturgemäss der Anfang derselben!

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Senkung nnd lange Hebung.

Wir gelangen nun zu jener Verbindung von Senkung und Hebung, wo die Hebung durch die Schlusssilbe eines Wortes gebildet ist, wo also die vom Versaccent getroffene Silbe zugleich ein Wort abschliesst. p]ine derartige Verbindung föUt kräftiger ins Ohr, als wenn die Hebung in einem einsilbigen Wort steht oder, den Anfang oder die Mitte eines längeren Wortes bildend, in dem Wortgefüge sich ver- steckt. Die Griechen haben derartigen Verbindungen keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet; aber in der altlateinischen Poesie ist deren Zulassung, wie allgemein anerkannt wird, besonderen Regeln unterworfen» Dieselben sind nach meiner Auffassung folgende:

Derjenige, welcher zuerst sich die Aufgabe stellte, die jambischen und trochäischen Zeilen der Griechen nachzubilden, Hess, weil er bei den Griechen auch im 2. Fusse der jambischen Dipodien so oft zwei Kürzen sah, die für ihn gleich einer Länge waren, die Rücksicht auf die kurze oder lange Bildung der Senkung an und für sich fallen ; dagegen richtete er seine Aufmerksamkeit auf die betonten Wortschlüsse. Zwischen spondeischen und anapästischen Wortschlüssen machte er ganz verstän- diger Weise keinen Unterschied, dagegen einen grossen Unterschied zwischen den jambischen einerseits und den spondeischen oder anapästi- schen andererseits. Das that er mit vollem Rechte. Denn jene Ver- bindung ist ja die dem jambischen und trochäischen Versmaasse ureigene (1:2), diese eine fremdartige. Er machte dabei keinen Unterschied, ob nun diese Verbindungen als selbständiges Wort auftraten oder das Ende eines längeren Wortes bildeten, ob sie in jambischen Versen standen, wo sie einen Versfuss füllten, oder in trochäischen, wo sie, Senkung des einen und Hebung des folgenden Fusses begreifend, den Uebergang des einen Trochäus in den andern bildeten.

Bildung des vorletzten Jambus.

-Welche besondere Rücksicht in der altlateinischen Verskunst auf die vom Versaccent getroffenen Wortschlüsse genommen ist, zeigt zunächst die Bildung des vorletzten Jambus. Die jambischen Senare und

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Octonare und die trochäischen Septenare haben jambischen Zeilenschluss, die jambischen Septenare und Octonare haben jambischen Caesurschluss. Für diese gewaltige Masse gilt die Regel: die beiden schliessenden Jamben dürfen durch zwei rein jambische Wörter oder Wortschlüsse, wie cäpüt lutö, lentlör cubes, deligavimüs comas, nicht gebildet werden.*) Eine Aus- nahme von dieser Regel findet sich ziemlich häufig (etwa 50 Mal im Schluss des Senars nach Brugman S. 18), wenn nemlich dem vorletzten Jambus in demselben Worte noch eine Kürze vorangeht, welche wie in erüs operam dare, mit einer vorangehenden Kürze die drittletzte Hebung bildet. Von Brugman angezweifelt sind die etwa 1 0 Fälle, wo die beiden Kürzen der drittletzten Hebung mit dem vorletzten Jambus ein Wort bilden, wie in legiönes reveniünt domüm.

Von den Griechen ist diese Regel nicht entlehnt, denn dort können sich im Schlüsse der Zeile jambische Wörter ohne allen Zwang folgen.^) Es liegt also auch hier eine Neuenmg dessen vor, welcher die lateini- schen Jamben und Trochäen einrichtete und dabei, wie wir nun sattsam gesehen haben, die betonten Wortschlüsse besonders ins Auge fasste. Da- für, dass er im 5. Fusse des Trimeters jambischen Wortschluss verbot, gibt Brugman (S. 17) die Regel *si ultima versus vox est iambica, verba quae praecedunt non ita se habere licitum est, ut iusta iis conclusio versus formari possit' ; da nun kein Vers mit 'erüs operam* hätte schliessen dürfen, wohl aber mit 'reveniünt*, so seien Schlüsse der letzten Art im vorletzten Fusse verboten, Schlüsse der ersten Art erlaubt gewesen. Mir scheint der Grund folgender: Zwei völlig gleiche jambische Wörter hintereinander, wie quis potest pati, klingen im Versschluss klappernd und eintönig; dasselbe ist der Fall, wenn der vorletzte Jambus nur

1) Bentley (Hör. Serm. 2, 5, 79) raro aut nusquam in sede quinta iambum pedem usurpant.

2) Luc. Müller, De re metr. p. 149, 'regula . . ut paenultima thesis ne umquam eonstaret brevi syllaba (Diom. 507). hoc placituni incerto tempore ortum ceterum Graecis poetis incognitum omnino observatur a Seneca, id quod saeculi XVI. initio Avantius, mox Lachmannus (p. 130) per- spexere*. Dagegen in der 'Metrik der Griechen und Römer, Teubner 1880, S. 76 'Die zu Augustus Zeit eifrig cultivirte Tragoedie . . nahm von den Alexandrinern noch die Regel an, dass der dem letzten Jambus vorangehende Fuss im jambischen Trimeter und catal. trochäischen Tetrameter nothwendig ein Spondeus oder Anapäst, respektive Daktylus sein müsse*. Da ich kein Zeugniss der Art kenne, so scheint dieser Satz nur auf einer Vermuthung L. Müllers zu beruhen: welche unbegründet ist, da wenigstens in den Fragmenten auch der spätesten griechischen Tragiker oft genug zwei jambische Wörter Zeilenschluss bilden.

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Wortschluss zu einer langen Silbe ist, wie in antea fuit ; desshalb wurden beide Arten untersagt, dagegen gestattet, ja gesucht spondeische und anapästische Wörter und Wortschlüsse. Für die Versschlüsse aber, wie Ne ego hodie tibi. Ex hoc die in aliüm diem. Erus operam dare, mag vielleicht die Entschuldigung gelten, dass sie leicht so ins Ohr fielen, als ob das anapästische Wort wirklich einen Anapäst im Verse bildete.

Der, welcher diese Neuerung ersann, hatte Glück damit. Denn nur wenige der späteren Puristen wagten zur griechischen Freiheit zu- rückzukehren, wie Catull, welcher in den 13 jambischen Septenaren des 25. Gedichtes die Regel 3 Mal verletzte durch die Schlüsse languidö sönis, türpiter tibi und palllüm mihi und Horaz in fast allen Epoden (nicht in der 17.). Die meisten Dichter hielten die Regel fest, wie Pu- blilius und Phaedrus ; ja viele gingen noch darüber hinaus. Denn während Schlüsse, wie rogass6t alteram, pötentior, ursprünglich nicht verboten waren, da hier jener zweifache gleichförmige Wortschluss von 'pötest päti' nicht stattfand, weeshalb sogar Publilius und Phaedrus solche Zeilen- schlüsse wenn auch selten zuliessen, sind die späteren Dichter wie Seneca viel weiter gegangen und haben bei jambischem Schlüsse die vorletzte Hebung überhaupt nicht durch eine Kürze gebildet, so dass Diomedes die Regel aufstellte 'iambicus tragicus, ut gravior iuxta materiae pondus esset, semper quinto loco spondeum recipit'. So hat Seneca die vorletzte Senkung durch eine Kürze gegeben nur in den zwei Wörtern 'nepotibus. cacumine' und in vier ähnlichen viersilbigen Eigennamen. So waren die lateinischen Dichter in starken Gegensatz zu den griechischen Dichtern gerathen. Dort wurde im fünften Fusse des Trimeters zwar lange Senk- ung gestattet, aber sonst der Fuss sehr zart behandelt. Denn ausser Jamben und Spondeen findet sich bei den Tragikern dort die geringste Zahl von Tribrachen (9 bei Aeschylus, 10 bei Sophokles, 3 in den 6 strenger, 40 in den freier gebauten Stücken des Euripides), Daktylen aber und Anapäste gar keine. Selbst Aristophanes schonte den 5. Fuss sichtlich; denn er hat hier weitaus die geringste Zahl von Tribrachen (71) und, wenn er auch die Daktylen zuliess, so sind sie doch hier viel weniger (156) als im 1. und 3. Fusse. Anapäste hat er ebenfalls im 5. Fusse weit weniger (337) als im 1., 2. oder 4., und dass im 3. Fusse noch weniger stehen, kommt nur daher, dass der Anapäst ungetheilt sein will,

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wisa. XVII. Bd. I. Abth. 6

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der 3. Fuss aber für die Caesur Theilung verlangt. Die lateinischen Dichter dagegen haben nur das eine angenommen, dass sie die 5. Heb- ung nicht ebenso oft als die übrigen auflösend) Sonst kamen sie durch Verdrehung eines ursprünglich ganz anders gemeinten Gesetzes dahin, aus dem 5. Fusse den Jambus und Tribrachys ganz zu vertreiben und ihn mit Spondeen und Anapästen zu füllen.

Das altlateinische Dipodiengesetz.

Die Schwierigkeiten, welche Ritschi zu seiner Theorie von der Fest- haltung des Wortaccentes in den altlateinischen Versen führten, lösen sich zum grössten Theile durch die richtige Erkenntniss des altlateini- schen Dipodiengesetzes. Gewöhnlich wirft man den altlateinischen Dichtem vor, in ihren Jamben und Trochäen sei die dipodische Gliederung zer- stört und der Vers in die einzelnen Füsse aufgelöst. Das ist ungerecht. Allerdings hat der Ordner der altlateinischen Jamben und Trochäen im zweiten Fusse der jambischen Dipodie neben den vorgefundenen zwei

1) Genauere Untersuchungen verdienen diejenigen jambischen Schlüsse am Ende des Senars, Octonars, trochäischen Septenars und den Dimeters (im Anfang des jambischen Septenars und Octonars), deren vorletzte Hebung in zwei Kürzen aufgelöst ist. Irr führen kann, was Ritschi (Proleg. p. 287) bemerkt : proceleusuiatici vel quarti paeonis speciem exitus versuum induit, sive eum hrevUi sive longa syllaba praecedit. So viel ich sah, wird bei Auflösung der vorletzten Heb- ung die vorletzte Senkung bei Plautua und lerem selten (auch die bei Mohr S. 31 aufgefiihrten Beispiele haben fast alle eine Länge in der Senkung), bei Publilius, Phaedrus und Seneca nie durch eine Kürze gebildet. Publilius S 3 *Suad^rd primum dein corrigere b^nivoli est* ist Con- jectur von Bothe; da die einzige Handschrift hat 'suadere primum benivoli est dein corrigere, so ist richtig zu stellen : 'suad^re primum, dein corrigere est bänivoli*. Gegen die Kürzen bei Phaedrus hatte schon Langen (Rhein. Mus. 1858, S. 208) Einsprache erhoben, L. Müller früher noch manche zugelassen (1, 5, 1. 19, 8. IV, 19, 3. App. 2, 10. 5, 6. 16, 6), in der grossen Ausgabe aber das Gesetz anerkannt. Dann hängt die 5. Senkung bei Plautus und Terenz selten, bei Publilius und Phaedrus sehr selten durch Elision mit der folgenden 1. Kürze zusammen. Der einzige Fall bei Publilius (N 14 Necässe est minima mä,ximorum esse initia) ist nicht sicher; bei Phaedrus finden sich nur vier Beispiele (I, 4, 5. III, 14, 10?. IV, 11, 16. App. 29, 8). Minder selten bildet die lange Senkung mit den folgenden Kürzen ein Wort, wie ingänuitas. Die drei oder vier schlies- senden Kürzen füllen bei Plautus und Terenz meistens ein viersilbiges Wort, wie miilierem; in etwa dem fünften Theil der Fälle sind sie vertheilt auf zwei zweisilbige Wörter, wie b^ne putas, viel seltener auf ein drei- und ein einsilbiges Wort, wie alia res, 4page te, oder ein ein- und ein dreisilbiges Wort, wie qufd igitur. qufd agimus, Formeln, die sich bei Terenz meistens mit vorhergehendem Personenwechsel finden; bei Publilius stehen neben 3 fünfsilbigen Schlüssen, wie aequdnimitas, nur 34 viersilbige, bei Phaedrus neben 4 fünfsilbigen, 97 viersilbige und nur die beiden 'sine mora, sdtis erit', bei Seneca überhaupt nur viersilbige Schlüsse der Art.

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Kürzen auch eine Länge und im 1. Fiisse der trochäischen Dipodie beides auf eigene Hand zugelasssen und das, wie oben bewiesen, aus einem ganz vernünftigen Grunde. Allein er hat wenigstens den Versuch gemacht die alten griechischen Dipodien auf einem anderen Wege zu wahren. Er Hess die 2. Senkung der jambischen und die 1. Senkung der trochäi- schen Dipodie mit der folgenden Hebung nur reine, nicht unreine Ver- bindung eingehen, d. h. er liess die 2. Hebung der jambischen und die 2. Hebung der trochäischen Dipodie nur jambischen, nicht spondeischen oder anapästischen Wortschluss bilden. So sind z. B. in den einfachsten jambischen Reihen, den Dimetern, Leges ut conscribat quibüs. Nümquam bönäe frügi sient. Amat säpit recte facit, annno quando obsöquitür suö, die betonten Wortschlüsse alle am richtigen Platze, wenn sie auch in dieser Häufung weder häufig noch schön sind. Durch dieses altlateinische Dipodiengesetz erklärt sich, warum im 2. und 4. Fusse des Senars, im 2., (4.) und 6. Fusse des jambischen Septenars und Octonars und im Uebergang des 3. zum 4., und des 5. zum 6. Fusse des trochäischen Septenars der Regel nach nur jambische, nicht spondeische oder ana- pästische betonte Wortschlüsse stehen.

Von diesem Dipodiengesetz gibt es eine prinzipielle und manche vereinzelte Ausnahmen. Die erste Senkung des trochäischen Septenars geht ganz gewöhnlich mit der folgenden 2. Hebung unreine, spondeische oder anapästische, Verbindung ein, wie Quid quässäs. Argenti. Cum pödlbüs. Effügiäs, so dass hier ofifenbar ein grundsätzliches Aufgeben der Regel vorliegt. Dies konnte geschehen, weil der 1. Fuss aller Zeilenarten be- sondere Freiheiten geniesst. Die griechischen Tragiker haben z. B. nur im 1. Fusse des Senai's den Anapäst zugelassen, Plautus und Terenz haben im 1. Fusse etwa 50 Mal die sonst verbotene Betonung von zwei kurzen Endsilben, wie corpöra, gestattet. So hat der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen auch im 1. Fusse des trochäischen Septenars die Neuerung gemacht, dass das Dipodiengesetz stets verletzt und die 1. Senkung mit der folgenden Hebung auch zu unreinem, spon- deischem oder anapästischem Wortschluss verbunden werden dürfe; in den folgenden Dipodien aber hat er an dieser Stelle nur reinen Wort- schluss gestattet.

Sodann wird das altlateinische Dipodiengesetz wie die Gesetze über

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die Caesur und manche ähnliche bei Plautus und Terenz (nicht bei Pu- blilius und Phaedrus) hie und da verletzt. Der Grund ist bei den Aus- nahmen von dieser und von den übrigen Regeln stets der gleiche, da derjenige, welcher zuerst auf diese Weise die griechischen Dipodien nach- ahmte, in seinen griechischen Vorbildern das Dipodiengesetz (durch Ana- päste) ganz gewöhnlich verletzt sah, so hat er auch im lateinischen Ab- bild wenigstens hie und da eine Verletzung der Regel gestattet^)

Zeilen- und Caesurenschlfisse.

Von den Thatsachen, zu deren Erklärung die Theorie Ritschis er- sonnen ist, bleiben noch wenige zu erklären. Sie drehen sich um die Frage, in wie weit die 3. Hebung des jambischen Senars und die 5. Heb- ung des trochäischen Septenars durch Wortende gebildet werden können. Verse, wie iy* i§okia&avnv dvvfi rag diaßolag. anffyitr (fiXar&{fijonov (fe navta&ai rpoTioi^ tlne fioi, ii fiiiXtr^ TiavtiDV xaxiaxa S^riQuoy^ sind bei den griechischen Lustspieldichtem sehr häufig, bei den altlateinischen Dichtem sehr selten, bei den späteren fast nicht zu finden.

Diese That«ache ist die natürliche und unvermeidliche Folge von zwei Regeln, auf welche die altlateinische Verskunst viel strenger ge- halten hat als die griechische: 1) für jede Zeilenart war Caesur an einer bestimmten Stelle festgesetzt und wurde dieselbe sorgfältig beobachtet, 2) einzelne einsilbige Wörter oder Wörter mit elidirten

1) Eine Spur dieses altlateinischen Dipodiengesetzes findet sich schon bei Bentley, Sche- diasma de metris Terentianis am Schluss : In verbo trisyllabo duos ictus recipiente (d. h. z. B. ex- petünt), tfi id dipodiam trochaicam inchoat, media erit ex arte brevis. Weiter gekommen ist Draheim in einem Aiifsatzef auf den ich erst nach Abschluss meiner Arbeit aufmerksam wurde (Hermes XV, 1880. p. 238 243) : coniecturam facimus : dipodias Graecorum esse quodammodo a Terentio observatas, nimirum syllabam longam, quae accentum ferat, quoad fieri possit, esse evi- tatam in priore thesi dipodiae trochaicae sive in altera dipodiae iambicae. Jambici septenarii et octonariif item trochaici legi parent, nisi quod septenarii trochaici primus pes suum sibi iudicium quaerit; (auch er entschuldigt die Ausnahme mit der Freiheit des 1. Fusses). So erfreulich diese Uebereinstimmung unserer Ansichten mir ist, so ist Draheim doch auf halbem Wege stehen ge- blieben. Er findet das Dipodiengesetz nur bei spandeischem Wortschlusse beobachtet, dann nur bei Terenz (welcher nach ihm 'artem exhibet simpliciorem et moderatiorem' als Plautus), glaubt auch daran, dass in Wortschlüssen wie multös der Wortaccent viel schwerer verletzt werde als in Wortschlüssen wie amänt und kommt nicht los von dem Satze Ritschis *poetae accentum . . neque prorsus neglegebant neque antiquitus neglegere consuerant.

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Silben wurden im Zeilen- oder Caesurschluss nur unter grossen Be- schränkungen zugelassen. Die Untersuchung dieser beiden Punkte ist lehrreich und wichtig, weil sie uns auch zeigt, wie einige auffallende metrische Gesetze der späteren lateinischen Dichter ganz natürlich sieh entwickelt haben.

Vor den einzelnen Zeilenarten habe ich nachgewiesen, dass bei den Griechen eine Menge von Senaren, jambischen und trochäischen Septe- naren jeder bestimmten Caesur entbehrt, dass dagegen bei Plautus und Terenz jede dieser Zeilenarten eine oder zwei fest bestimmte Cae- suren hat, wie der Senar entweder nach der 3. oder 4. Senkung, und dass Verse ohne eine dieser Caesuren nur in sehr geringer Zahl vor- kommen. Daraus ergibt sich, dass der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen für jede dieser Zeilenai'ten die Caesuren festgesetzt und Verse ohne eine solche nur selten zugelassen habe.

Einzelne einsilbige Wörter wurden, wie wir schon oben ge- sehen, seit Virgil und Ovid vor der Caesur und im Schluss des lateini- schen Hexameters fast gänzlich gemieden. Die Prüfung der altlateinischen Jamben und Trochäen lehrt, dass diese Regel nicht erst von jenen Dichtem oder ihren nächsten Vorgängern ersonnen wurde, sondern her- übergenommen ist aus den Regeln der jambischen und trochäischen Verse.

Bei der Untersuchung sind zu scheiden die jambischen und die trochäischen Schlüsse^ die Schlüsse vor der Caesur und die am Ende der Zeile. Jambische Caesurschlüsse konnten bei den Griechen nur in den seltenen jambischen Septenaren vorkommen, entziehen sich aber hier wegen der Unsicherheit der Caesur der Untersuchung. Die lateinischen jambischen Septenare haben fast alle, die jambischen Octonare des Plau- tus etwa zur Hälfte die Caesur nach dem 4. Jambus. Im jambischen Caesurschlüsse der Septenare finden wir oft einsilbige Wörter mit oder ohne vorangehende Elision, wie 'Quor nön venisti, ut iüsseraiii, m tonstrfnam. Hic'me morätust*, oder 'Proinde istuc facias ipse, quod fagiamus nobis suädes'; in den Octonaren scheinen sie seltener zu sein, wie 'Ut filium bonüm patri esse oportet, item ego süm patri\ Der Grund liegt vielleicht darin, dass der nach der 4. Hebung getheilte Octonar in zwei völlig gleiche Theile zerfällt, so dass manche Gelehrte

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-dchon versuchten, statt einer Langzeile zwei Kurzzeilen abzutheilen; es ist also der Schluss im 4. Jambus dem Zeilenschluss sehr genähert.

Der jambische Zeilenschluss dagegen ist bei den lateinischen Dichtern sehr strengen Regeln unterworfen. Wie die Griechen den jambischen Zeilenschluss behandelten, mögen die ersten 1050 jambischen Schlüsse in der Helena des Euripides lehren. Von diesen Zeilen sind 85 durch ein einsilbiges Wort geschlossen. In 35 derselben geht dem schliessenden einsilbigen Wort ein anderes einsilbiges voran, wie ^i dri, uiy ov, xad^ äv; die schliessenden Wörter sind meistens leichte Wörter, wie aV, aoi, roi, ^v, aip, cor, ycpy; dann finden sich ^& y^g. Jf yfj. ri (pw, 6 rovg. fit X9^' ^* ^P^- ^^^ ^^^ 50 mit einem einzelnen einsilbigen Worte geschlossenen Zeilen ist in 16 die Hebung des letzten Jambus gebildet durch Wörtchen, die später Enklitika genannt wurden, in 29 durch mehr oder minder leichte Wörter, wie äv yaQ de ör] av vvv vw el rjy ov ooig aov^ in 3 durch xifV ^^d in 2 durch yfig. Da in den lateinischen Schlüssen auch die Elision eine Rolle spielt, so sei bemerkt, dass abgesehen von der Elision vor den einsilbigen Schlusswörtern oi) Tjv u. s. w. in etwa 45 Schlüssen dem zweisilbigen Schlusswort Elision vorangeht, wie in nifoSov& iuov oder ij /u^ ^XifW' Demnach war es den griechischen Dichtem gestattet in den jambischen Schluss 1 oder 2 ein- silbige Wörter zu stellen, ohne alle Rücksicht auf Elision; nur scheinen sehr schwere einsilbige Wörter, wie die im Prometheus vorkommenden 'alnvfifjra Tiai. na^ovia vovr. al&aXovaa (pko^, im jambischen Zeilen- schluss nur selten gestattet worden zu sein.

Wie ganz anders steht es bei den Lateinern! Ich nehme zur Untersuchung den Miles, Trinummus und Amphitruo von Plautus, den Phormio und die Adelphoe von Terenz.

Unter den etwa 1150 einsilbigen Schlüssen im Miles bilden ein- silbigen Schluss (abgesehen von 1179 thalassicust und 760 frigidust): 5 Mal est, 4 esj l sunt; dann ecce me, esse te, et ego vos, c^rta res, illa vult; dann zwei einsilbige Wörter in 4 Mal 'Quid est' und 1 Sat est. Bei der sonstigen Fülle von Elisionen wird man Schlüsse, wie nülla habet oder omnia haec.^) in Menge erwarten; allein nur est findet sich oft;

1) Luc. Müller de re metrica p. 296: Elisionem in ultima versus syllaba evenientem nee

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. sonst nur der unsichere eine Fall 'animo bono es' und etwa 8 sichere und 4 unsichere Fälle, wo vor einem zweisilhigen Worte, wie ego habet ei, eine Silbe elidirt ist. unter den über 1000 jambischen Schlüssen des Amphitruo schliessen 5 mit est, 2 quid est, 2 quisquis est; 1 sum,

1 esj 1 sunt, 1 sisy 1 sint. Elision findet statt vor 8 -3fM;cfsilbigeh Schluss- wörtern, wie uti erae agat, und (abgesehen von est) nur vor einem ein- silbigen, prol. 91 proscenio hie. Im Trinummus finden sich Fälle ohne Elision ein wenig mehr: 4 est, 9 Mal Schlüsse wie quid est, id est; dann 3 sunt, 2 es, 1 sit, 2 te, 1 se, 1 nos, 2 gnate mi; dann 158 unde dem. 734 expectare vis. 1182 esse vis. Sonst findet sich kein Schluss, der aus zwei ciwsilbigen Wörtern besteht und nur einer (54 esse item), wo einem -afM;eisilbigen Schlusswort Elision vorangeht. Demnach wird der jambische Zeilenschluss von Plautus oft durch est, selten durch die übrigen Formen des Zeitwortes esse, noch seltener durch andere leichte einsilbige Wörter gebildet. Mit vorangehender Elision findet sich bei Plautus im jambischen Zeilenschluss oft est, selten ein zweisilbiges und fast nie ein einsilbiges Wort.

Bei Terenz sind die Fälle ein wenig mehr. Unter den 830 jam- bischen Wortschlüssen im Fhormio findet sich zunächst est nach längeren Wörtern, wie terapus est, 5 Mal ; nach den einsilbigen Wörtern sat, quod und quid 7 Mal; als st in opüst 4 Mal und oft nach vokalischem Schlüsse. Ausserdem finden sich die Schlüsse: 3 sunt, 2 es, je 1 sit und sint\ dann mene vis, cüique mos, quid ita non und der eine Schluss mit

2 einsilbigen Wörtern ät. Quid 'at*. Häufiger als bei Plautus findet sich besonders Elision im letzten Fuss; es ist eine Liebhaberei von Terenz, einsilbige Interjektionen mit Elision den Schluss bilden zu lassen; so findet sich 15 Mal em, oh, ah und ohe in Schlüssen, wie öccidi. Hem; ausserdem 3 Mal ömnia haec, je 1 Mal crimine hoc, öbsecro es, animo es und die zweisilbigen mültum habet, nossem. Itä, uerum itast, venisse eäs, tantündem egö und ätque ego. Ebenso findet sich unter den 760 jambischen Zeilenschlüssen der Adelphoe 8 Mal est selbständig nach längeren, 7 Mal nach den einsilbigen Wörtern is id quid quod ut und

Plautus adhibuit sine cautione et Terentius ita tantum ut sequeretur aut interiectio aut pro- nomen 'hie*.

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Bat; als st 1 Mal in rectiüst und 4 Mal nach schliessendem m und na- türlich oft nach vokalischem Schlüsse. Ausserdem finden sich nach längeren Wörtern 2 es, 1 sunt, 1 sum und je 1 ille. Phf, hercle vdA, audiret häec^ cognätus hdc, ipsa fert, mitte fn6 und facile fert Mit EUsion schliessen wieder 12 Mal hem^ ah und hui, ausserdem 3 e$, 1 aut; dann idem erit, ätque ibi, üsque adhüc, hie rem agit.

Dass diese grössere Zahl der Ausnahmen bei Terenz nur dessen Nachlässigkeit zuzuschreiben ist und dass Plautus die reinere Regel zeigt, beweist die weitere Entwicklung. Unter den über 700 jambischen Schlüssen des Publilius findet sich oft est nach Vokalen, wie vehiculo est, 3 Mal nach Consonanten (C 42 prudentis est). H 18 donätus est und H 19 risus est. Ausser dem nicht sicheren Schlüsse A 51 esse vult (der Vatic. hat 'esse volet*, vgl. oben S. 22) findet sich bei Publilius nie im Schlüsse ein einsilbiges Wort, weder allein noch nach einem andern, und findet niemals in oder vor dem schliessenden Jambus Elision statt. Unter den 1900 jambischen Schlüssen des Phaedrus findet sich oft est nach Vokalen, 7 Mal selbständig nach längeren Wörtern, wie confessus est und 1 Mal natus es, ausserdem weder 1 noch 2 einsilbige Wörter, und nie Elision weder in noch vor dem letzten Jambus. Unter den über 300 jambischen Schlüssen in den Epoden des Horaz finden sich ausser et heu, neque est und in hoc nur zweisilbige Wörter ohne vor- hergehende Elision oder mehrsilbige. In der Medea des S e n e c a endlich steht im Zeilenschluss oft est nach Vokalen, 1 Mal tempus est und 1 Mal in hänc.

Demnach hat der Ordner der lateinischen Jamben und Trochäen die Regel gegeben: im jambischen Zeilenschluss sind abgesehen von est und einigen andern Formen des Zeitwortes esse zu meiden: 1) einzelne einsilbige Wörter. 2) 2 einsilbige Wörter, 3) zweisilbige und insbesondere einsilbige Wörter, deren erst« Silbe in Elision fällt. ^)

1) Die Gninde für diese Thatsachen mögen folgende sein: 1) betonte einsilbige Wörter im Zeilenschluss fallen zu schwer in das Ohr; 2) in dem Falle» den wir gewöhnlich Elision nennen, scheinen die Lateiner dennoch beide Vokale gesprochen zu haben; durch Elision im letzten Fusse entstand also ein Klang, als ob dieser Fuss, der absolut rein sein sollte, aus drei Silben bestünde.

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Trochäisehe Schlässe.

Trochäische Zeilenschlüsse sind bei den Griechen selten, da sie nur in den wenigen jambischen Septenaren des Aristophanes vor- kommen. Hier wird der Schluss ziemlich sorgfältig gebildet Denn in den gut 330 jambischen Septenaren der Vögel, der Frösche und der Wolken finden sich nur 10 einzelne einsilbige Wörter (2 am, 2 av, je 1 ys nv yovv uiv vvv^ mit dem einen schweren at'xoif^avriai;: nrel) und 5 Mal 2 einsilbige (nwg ovv, fh dir, lo rdr^ (t^ fiot. <fi]^ at'). Die nli- lateinischen Dichter sind in der Bildung des trochäisclien Zeilenschlusses etwas freier als die griechischen Dichter, d. h* ein einsilbiges Schlusswort wird nicht gemieden, einigermassen ein einsilbiges Schlusswort mit vor- hergehender Ehsion.

Von den etwa 1300 jambischen Septenaren des Plautus werden etwa 39, von den 380 des Terenz etwa 12 durch ein einzelnes einsilbiges Wort geschlossen, von denen nur sehr wenige (dort fi, hier ebenfalls 5) in Elision stehen.^) Die Bildung des trochäisclien Schlusses durch zwei einzelne Wörter aber ist häufig und frei gegeben; so finden sich bei Plautus etwa 50, bei Terenz etwa 20 Schlüsse der Art, wie ad me, qui det, in eo, cäve sis, id nam est, von denen bei Plautus 5, bei Terenz 3

1) Plautus Asin. 411 obsecrö te. 446 satis tu. 493 taui^n me. 6391 43tf^eiN$ vos. 7IH HuhU 8um. Miles 375 obsecrö te. 1227 Venus vult. 1234 viderit me. 123S pulcridr «ul 1253 tnututim ßt. 1261 milit^m pol. Rud. 326 arioiüs sum. 329 ampliüs seit. 342 obeecrö te. IMY^ amö te* 1283 per- ditüs sum. 1301 tenuiüs fit. 1332 adrog^t te. Poen. 1230 pen^ii nos. 1231 utri det, 1256 pmcÄa me. Cure. 493 voldm te. 512 diedx es. 520 vendidi te. Epid. 358 nnin^i me. Tmc. 14^ ajiüd vos. 220 pauper^s nos. Most. 175 plackt mi. 241 homö sum. Pera. 4*J rogä^ nie. Stich. 771 pa* pÄe pax. eist. 4, 2, 36 vestif^um sed. 64 implicdt se. 70 ubi »it. Von diesen (34) Fälkn «ind zu scheiden die 5 Fälle, in welchen vor dem einsilbigen Schlu*i*wort EIi»ion steht: Asin. 3^^ evo- cä,to huc. 679 amplflxäre hanc. Rud. 691 hab^te hanc. iPoen. r^54 amälio est. Cist, 4, 2, 75 gratufta est). Terenz hat nur Eun. 599 proruünt se. 611 redifrit iam. 1012 oportuft te. Heaut. 698 adhüc est. Phorm. 178 nuntiat rem. 825 probrö sim. He*:. 255 apüt vo&. (Andr. 714 op- perire hie. Eun. 260 honorem et. 1009 vid^bo. Ah. Phon«. 786 opitulata es. Het, 25^ adlini- tätem hanc). Da die Elision im trochäischen Zeilenschluss besondereja Interesse hat werfen der Verwandtschaft mit dem Schlüsse des Hexameters, so sei bemerkt^ dum Sohlnase, wie vkAno ipni, sehr häufig sind, dagegen unter den erwähnten 50 Schlüssen bei P 1 ti u 1 u « j^ieh nur die ^* Hnden i n^quam es (Asin.), ^stne hie (Rud.), s^rvo id (Men.), fürti est (Poen.) und id nam est (CinU). Zu den 20 Schlüssen, die von Terenz aus 2 einsilbigen Wörtern gebildet aind, gehört: (quid na^ est Andr.), omnem. Hem (Heaut.) und bina. Hui (Ph.).

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 1

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Elision vor dem letztea Wörtchen haben. Die angeführten Stellen legen auch ein anderes Gesetz klar. Obwohl der 7. Fuss des Septenars als der 1. einer jambischen Dipodie eigentlich in der Senkung auch eine Länge oder zwei Kürzen haben dürfte, so haben doch die Griechen ofifen- bar des Zeilenschlusses halber diese letzte Hebung nicht aufgelöst imd die vorangehende Senkung nur durch eine Kürze gebildet So oft die letzte Silbe mit der vorangehenden Hebung ein Wort bildet, kümmern die La- teiner sich nichts um jene Regel, und die letzte Hebung wie die ihr vorangehende Senkung ist freigegeben; so finden sich im Schlüsse des jambischen Septenars alle möglichen Variationen (vgl. Mohr S. 29): lo- quätur, aötate, mötüendus, Inöpia, efficeret, huic häbitam, mä,l6 metuo. Sobald aber vor einsilbigem Schlusswort der betonte Wortschluss auftritt, gilt hier dieselbe Regel wie beim Dipodienschlusse : war bei den Griechen nur die reine Senkung erlaubt, die unreine verboten, so ist bei den La- teinern nur der reine jambische betonte Wortschluss erlaubt, der unreine spondeische oder anapästische verboten.

Der trochäische Caesurschluss findet sich ebenso massenhaft wie der regelmässig ihm folgende jambische Zeilenschluss. Denn schon die Römer haben jenes Princip angebahnt, das in der mittelalterlichen und modernen Dichtung immer klarer hervortritt, dass nemlich der Caesur und Zeilenschluss oder die Schlüsse sich folgender Zeilen abwech- selnd jambische und trochäische sein sollen. In den jambischen Septe- naren und Octonaren sind die trochäischen Caesuren theils selten theils schwer zu prüfen; dagegen ist ihre Masse in den Senaren und in den trochäischen Septenaren gross. Bei der Untersuchung liess ich zunächst in den jambischen Senaren die zahlreichen Verse, wie Necessitas dat legem non ipsa accipit, bei Seite, da ja Niemand a priori sicher sagen kann, ob hier die Caesur im 3. oder 4. Fusse gedacht war. Geht man von den Senaren aus, deren Caesur sicher ist, so ergibt sich, dass die Griechen einzelne einsilbige Wörter ohne Bedenken in die trochäische Caesur so- wohl des 3. als des 4. Fusses setzten und nur schwere Wörter, wie Yifafifiara fia&HV Sei xai fia&ovra vovv ix^iv, seltener zuliessen, dass dagegen die altlateinischen Dichter eine Bildung der Caesur, wie in Dis- cordia fit carior concordia, sehr gemieden haben. So erklärt sich, warum die 3. Hebung des Senars bei den griechischen Dichtern oft, bei den

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älteren lateinischen Dichtem selten, bei den späteren fast nie betontes Wortende bildet Denn dies kann nur geschehen, wenn im 4. Fusse die Caesur ganz fehlt oder vor derselben ein einzelnes einsilbiges Wort steht, wie in "^(pwvi^ fiiaga ysyayag xax(Sg ayogaiog eV oder ^arfffyeiy (pilav&^ümov (fi nama&ai tqotiov. Da aber sowohl caesurlose Verse als trochäische Caesuren mit einsilbigem Schlusswort bei den Lateinern regelwidrig sind, so kann auch der Fall, dass die 3. Hebung des Senars betonten Wort- schluss bildet, nur als seltene Ausnahme vorkommen.')

Im trochäischen Septenar ist die regelmässige Caesur nach der Senkung des 4. Trochäus. Die Frage, ob vor dieser ein einzelnes einsil- biges Wort stehen darf, combinirt sich mit der oben aufgeworfenen Frage, ob die 5. Hebung betonten Wortschluss bilden darf. Der trochä- ische Septenar hat gewöhnlich Caesur nach der 4. Senkung, wie in 'Femi- nae natiiram regere desperare est otium, selten nach der 5. Senkung (vgl. später), wie in Heu dolor quam miser est qui m tormento vocem non habet. Unter den sicheren Versen der zweiten Art sind nur sehr wenige, deren 5. Senkung durch ein einsilbiges Wort nach einem längeren Wort ge- bildet wird, wie in Faciet o vir optume. o pater mi festivissime. Ausser- dem gibt es viele Verse, deren 4. Senkung durch ein einzelnes einsilbiges Wort gebildet wird; allein weitaus die' meisten haben die Caesur nach der 5. Senkung, wie Quid id est quod scis. Tuös pater volt vendere. Omnem rem* tenes. Selten sind auch hier die Verse, wo nach der 5. Senkung keine Caesur steht, also das einzelne einsilbige Wort in der 4. Senkung Caesurschluss bilden muss, wie in Cingitur: certe expedit se. Non feret quin väpulet. Demnach wird auch im trochäischen Septenar der trochäische Caesurschluss selten durch ein einzelnes einsilbiges Wort gebildet und noch viel seltener bildet die 5. Hebung Wortschluss.

So erklären sich alle von Ritschi und seinen Anhängern durch ein- gehende Forschungen ermittelten Eigenthümlichkeiten der altlateinischen

1) Den Grund, dass Verse, deren 3. Hebung betonten Wortschluss bildet, wie 'Quem video? Estne hie Crito | sobriiius Chrysidis', die also in zwei gleiche Hälften zerfallen, wegen des üblen Klanges gemieden worden seien, möchte ich nicht zu sehr betonen. Denn die griechischen Komiker hatten doch auch metrisches Gefühl und mieden sie nicht, und die lateinischen Dichter Hessen wenigstens Verse, wie Qui omnes insidias timet, | in nuUas incidit. Amans quid cupiat seit, | quid sapiat non videt, unbedenklich zu.

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Jamben und Trochäen theils aus dem altlateinischen Dipodiengesetze theils aus den Gesetzen über die Caesuren und deren Bildung, insbesondere über die Vermeidung von einsilbigen Wörtern im jambischen Zeilen- und trochäischen Caesurschluss. Dass hiebei die Rücksicht auf den Wort- accent nicht mitgewirkt hat, ist offenbar. Denn gerade bei einsilbigem Zeilenschluss, wie esse vult, würde der Wortaccent gewahrt: aber gerade dieser Zeilenschluss ist am meisten verboten. Vielmehr hat der Ordner der altlateinischen Jamben und Trochäen, wie er bestimmt« Caesuren eii:igeführt und deren strenge Beobachtung geboten hatte, so auch in Nachahmung und Verschärfung einer Regel, die er bei den Griechen z. B. am Schlüsse des jambischen Septenars fand, die Vermeidung ein- silbiger Wörter besonders im jambischen Zeilen- und im troQhäischen Caesurschluss geboten. Da er die Regel bei den Griechen so oft nicht beachtet sah, hat er auch hier Ausnahmen gestattet. Seine Nachfolger haben diese Ausnahmen immer mehr vermieden und aus der jambisch- trochäischen Verskunst ging die Vermeidung einsilbiger Wörter im Schlüsse der Zeilen und Halbzeilen auch in die daktylische über.

Caesuren des jambischen Senars.

Die Caesuren der altlateinischen Senare scheinen noch nicht mit derselben Sorgfalt untersucht zu sein, wie die der griechischen.^) Gegen- über der Freiheit und Regellosigkeit der Griechen tritt gerade hier die strenge Regel der Römer deutlich hervor. Zuerst sind zu betrachten die Verse, welche weder im 3. noch im 4. Fusse die gewöhnliche tro- chäische Caesur haben. *^) Bei den Griechen zählte Röding solcher cae- surlosen Senare bei Aeschylus 80, Sophokles 70, Euripides 150. In noch nicht zehn derselben steht der 3. und 4. Fuss in ein und dem- selben längeren Worte, in fast allen schliesst mit dem 3. Jambus ein zwei- oder mehrsilbiges Wort, so dass die Zeile in zwei gleiche Halb-

1) Der Versbau der griechischen Komiker nach Aristophanes verdiente schon um der La- teiner willen noch eine genaue Untersuchung. So viel ich sah, steht er dem des Aristophanes an Freiheiten und Härten gleich. Hermann Elem. doctr. metr. S. 106 ffl. nahm so viele Caesuren an, dass alle Regel aufhört.

2) Vgl. fiir die Griechen Rud. Roeding, de Graecorum trimetris iambicis caesura penth. et hephthem. carentibus. üpsala 1874.

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Zeilen zerfällt; doch steht am Ende der ersten Halbzeile in der Regel eine elidirte Silbe (quasi-caesura, Scheincaesur, von Porson genannt) 'nviio^ ß^o- roXg äorfiQ^ ogqg lT()OfiTi&ea . ^akk^ lo ^fV ixsrevü) o\ dnayYBUov rade, Aristo- phanes und mit ihm die übrigen griechischen Komiker müssen von den Caesuren ihres jambisch-anapästischen Senars ganz andere Anschauungen gehabt haben, über welche wir noch keine volle Klarheit habenJ) Denn Röding zählte bei Aristophanes nicht weniger als 700 caesurlose Vei^e, so dass etwa 1 auf 10 trifft Von denselben haben über 100 den 3. und 4. Fuss in einem längeren Worte stehen wie ylaxedaifiovioig^ 570 haben nach dem 3. Jambus Wortende und fast stets, ohne dass eine ELision den Einschnitt zwischen beiden Halbzeilen überbrückt; z. B. Ritter 491 '7y' k^oliaf^avaii^ dvvn rag diaßoXag und 218 <P(x)yri ^ia{)a^ yiyorag KaiCiög^ dyoQaiog h. Also sind 1) Senare ohne Einschnitt im 3. und 4. Fusse bei den griechischen Tragikern nicht gar selten, bei den Komikern ganz gewöhnlich; 2) bildet in denselben gewöhnlich die 3. Hebung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes, seltener stehen der 3. und der 4. Fuss in ein und demselben vier- oder mehrsilbigen Worte.

Ganz anders steht es bei Plautus und Terenz. Hier sind Verse ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse sehr selten. In der Mehrzahl dieser wenigen caesurlosen Verse bildet der 3. und 4. Fuss ein Wort in der Minderzahl ist die 3. Hebung der Schluss eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes. Die Verse der letzten Art haben, der Lehre vom Wortaccente zu Liebe, theils Andere, insbesondere Brugman, corrigirt, während die der ersten Art meistens unangetastet blieben. Von den Handschriften verbürgt sind bei Plautus Ä Verse der ersten Art*^) Mil. 485 Certnm est nunc öbservatiöni operäm dare. Capt. 159 mültigeneribüs. Rud. 525 vcli- tatiönem. Stich. 227 ac perierätiunculas. Pseud. 430 renuntiantur. (Merc. prol. 58 diffunditari 510 violarii) Capt. 146 incommodüm; dann 5 Verse der zweiten Art Persa 410 Procax rapax trahax: trecentis versibus.

1) Vielleicht hängt diese Missachtung der Caesuren zusammen mit der gesetzmassig-en Zu- lassung des Anapästes auch im 3. und 4. Fusse, da dieser Fuss in sich keine Caesur duldet.

*2) Ich mache hier keinen Unterschied zwischen zusammengesetzten und nicht 7,usanimen' gesetzten Wörtern. Der Caesur zu Liebe ein zusammengesetztes Wort zu zerreissen ist nicht nur geschmacklos, sondern nützt auch nur um die Zahl der Ausnahmen zu verringern, aber nicht um sie aufzuheben. Schon das beweist, dass die Alten nicht daran gedacht haben.

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Bacch. 344 utrum velim. Truc 656 meo periratus. Amph. 137 donis donätus. Rud. 1341 potestatem meam. Diesen wenigen Ausnahmen in den über 8000 Senaren des Plautus steht in den gut 3000 Senaren des Terenz eine grössere Zahl gegenüber; zunächst 13 der ersten Art: Andr. 767 0 fäcinus änimadvertendüni. Quid clamitas. Eun. 436 suspi- ciönem. Phorm. 547 deliberändum. Hec. 176 infirmitatis. Ad. 57 libe- ralitäte. Andr. 60 iniuriä. 737 intellego. Eun. 929 dispendiö. Heaut. 444 mulierculam. 776 intellego. Phorm. 60 pecuniä. Hec. 508 renuntietque. Ad. 973 aspexeram; dann .9 {10) Verse der zweiten Art: Andr. 801 Quem Video? estne hie Crito sobrinus Chrysidis. Eun. (415 quia habes imperium). 832 lupo commisti. 190 Thais vale. Heaut. 64 preti maiöris. Andr. 64 studiis ad versus. (Eun. 836 cömprendi iube; freilich Bentley mit leichter Aenderung comprehendi iübe). Phorm. 609 noster Chremes. Hec. 177 primos dies. Ad. 463 adöptandum dedisti.

Dass hier Plautus die gewöhnliche Regel sorgfältig beobachtet, die verhältnissmässig vielen Ausnahmen bei Terenz aber nur seiner gewöhn- lichen Nachlässigkeit im Versbau zuzuschreiben sind, geht daraus hervor, dass in der weiteren Entwicklung der lateinischen Dichtung die Senare ohne Einschnitt im 3. oder im 4. Fusse fast verschwinden. Unter den 680 Senaren des Publilius finden sich N 49 Nil aliud seit necissitas quam vincere. C 33 Cicatrix conscUntiae pro vulnere est. (Q 3 Qui metuit contumSliäm raro accipit ist unsicher); dann M 53 Malam rem cum velis honestare (honestatem codd.) improbes. Die Worte 'pro medicina dolor est qui dolorem necat* hat man wohl richtig gestellt zu P 14 'Pro medicina est dolor dolorem qui necat. Unter den gut 300 Senaren in den Epoden des Horaz sind zwei caesurlose: 1, 19 ut assidens im- plümibus puUis suis und 11, 15 quodsi meis inaestuet praecordiis. Unter den 1900 Senaren des Phaedrus findet sich kein caesurloser; ebenso- wenig in den Tragödien des Seneca.

Während also die Regel, dass der Senar im 3. oder im 4. Fusse einen Einschnitt haben soll, von den griechischen Tragikern nicht selten, von den griechischen Lustspieldichtern ausserordentlich oft missachtet wurde, wird dieselbe von den lateinischen Lustspieldichtern sehr streng beob- achtet und von den späteren lateinischen Dichtern fast gar nicht mehr verletzt. Diese strengere Ausbildung der griechischen Regel kann nur

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auf den Mann zurückgeführt werden, der zuerst diese Zeilenart für die lateinische Sprache einrichtete.

Nicht minder wichtig ist es, die Bildung der trochäischen Caesur selbst zu untersuchen, was wenig geschehen ist. Auf dies^ Untersuchung wurde ich geführt durch die Thatsache, dass zwar die Caesur im 4. Fusse sehr oft vorkommt, dass aber solche Verse, wie Adelph. 233 Nihil est: refrixerit res: nunc demum venis, äusserst selten sind. Bei Plautus finden sich in den Handschriften folgende, die frei- lich von Herausgebern fast alle geändert sind: Amph. 912 inquies. Ego expediam. Merc. 692 malae rei, quod. Bacch. 257 Archidemidem. (hem add. Hermann) quam ?wquam. Archidemidem. Capt. 667 häs quidem vel. Gas. 406 dies iam, Epid. 477 intus iubes. Haec. Men. 300 qui amicam habeas eram meam hänc. Poen. 1091 tuae sint. Pseud. 454 mala re. Trin. 402 dies sunt. Dann Capt. prol. 51 quanti sunt Cas. 320 süspendam meam operam. Mil. 828 periisti iam, 853 paulum nimis loculL Persa 456 proventuram hene confido. 1344 raulto post Zahlreicher sind wiederum die Ausnahmen bei dem nachlässigen Terenz: Andr. 661 dicerem me. 745 forum quid Uli hominum. 774 dabit. tanto hercle. 783 Chremes per. Eun. 501 Chremes hoc. 901 Pythias. Non. Eun. 160 ames quam. Hec. 701 miser sum. 770 mülieres sunt Ad. 233 refrixerit res, 470 amor vinum ädolescentia. Dann Andr. 116 etiam mali, Hem. 540 gnatam tuam et. 718 amatorem virum in. Eun. 418 di vostram fidem höminem. Eun. 856 paulum quiddam eho. Heaut. 147 tantisper me, 543 expectat Syre? an. (Hec. 192 inter se. Ad. 395 sineres vero illum). Bei Publilius, Horaz, Phaedrus und Seneca findet sich kein Vers der Art, dass die 3. Hebung betonten Wortschluss bildet und demselben ein einzelnes einsilbiges Wort folgt, nach welchem dann die Caesur im 4. Fusse eintritt.

Natürlich fragt man, warum? Gewöhnlich lautet die Antwort: solche Senare wurden vermieden, weil jambische Wörter oder gar spondeische und anapästische Wörter und Wortschlüsse im 3. Fusse den Wortaccent verletzen. Allein in Caesuren, wie fecerant me, amäverant me, wird nach der Ansicht dieser Theoretiker der Wortaccent nicht verletzt und doch findet sich auch diese Art der Caesur bei Plautus und Terenz äusserst selten, später gar nicht. Der Grund muss also ein anderer

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sein (vgl. noch oben S. 50/51.) Er besteht darin, dass die Bildung der trochäischen Caesur durch ein einzelnes einsilbiges Wort mit vorangehen- dem betonten Wortschluss bei den Römern überhaupt gegen die Regel war. Bei der Untersuchung müssen die zahlreichen Verse, wie Cui plus licet quam pär est, plus vult quam licet oder Necessitas dat legem, non ipsa accipit, einerseits und Verse wie 'Discordia fit carior concordia^ streng auseinandergehalten werden; denn in Versen der eraten Art, die ich mit 4 -}- 1 + 2 + 7 bezeichne, können die Dichter die Caesur im 4. Fusse gewollt haben, in Versen der zweiten Art (4-1-14-7) aber kann nur die unregelmässig gebildete Caesur oder gar keine gewollt sein. Die Griechen haben diese Art von trochäischen Caesuren offenbar nicht gemieden. Ich nehme zur Prüfung die 500 ersten Trimeter des Prometheus von Aeschylus und der Electra des Euripides und die 300 ersten der Ritter des Aristophanes. Unter den 500 ersten Trimetem des Prometheus haben 85 den 2. Fuss durch ein jambisches Wort oder Wortschluss ge- bildet; auf diesen 2. Fuss folgt 1) in 36 Versen ein dreisilbiges Wort, wie in Srioai ßia (pagayyi; 2) folgt in 20 Versen ein ein- und ein zwei- silbiges Wort und in 3 folgen drei einsilbige Wörter, wie in ddaftavTi- vov VW acfrivüg und fiox&oig iyio yag ovi^ dv. 3) folgt in 26 Versen nur ein einsilbiges Wort und kein Einschnitt im 4. Fusse, wie z. B. in ^&€0i; d-fury ya() ot)/ vnonrrjOOVDV x^Xor oder ^'OT(p tqotkjo rrjatV ixxvXi- aS^aei rvxtjg'. In diesen 26 Versen ist also sicher in die trochäische Caesur im dritten Fusse ein einzelnes einsilbiges Wort gestellt; in 15 dieser Verse ist dies einsilbige Wort eines von denen, die später Enklitika genannt wurden, re juoi /tis aoi aB\ in 11 Versen eines von den Wört- chen y«p (Tf Jiy /tfV und je 1 Mal rfi^ und r^a^. Auffallend zahlreich ist dieselbe Bildung dieser Caesur im vierten Fusse : in nicht weniger als 21 Versen unter den 500 des Prometheus, und zwar in 8 Versen nach jambischem Wortschluss, wie n viv ojvytig; noyvDy ya{} log oltiXw koyit), in 13 sogar nach spondeischem Wortschluss, wie in ari^^yeiy ip^Xav&ifa}- 710V (fe navBO&ai tqotiov. Auch hier stehen in 9 Versen Enklitika, in den andern nur yap ^s iv in^ vor der Caesur. Von den 500 ersten Trimetern der euripideischen Elektra bilden 99 den zweiten Jambus durch jambisches Wort oder Wortschluss; dem folgt in 20 Versen ein dreisil- biges Wort mit sicherer Caesur im 4. Fusse, in 36 ein ein- und ein

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zweisilbiges Wort und in 4 drei einsilbige Wörter, so dass hier die Caesur im 3. oder im 4. Fusse gewollt sein keCtm. Aber in 33 folgt nur ein einsilbiges Wort ohne Caesur im 4. Fusse, wo also sicher die von uns gesuchte Art der Caesur angewendet ist. In 21 Versen stehen einsilbige Enklitika oder fievj ya(), (T« vor der Caesur, wie wir sie schon bei Aeschylus fanden; allein in 12 Versen finden sich hier nicht nur Wört> chen wie o(p, rovg^, t<zvt\ sondern sogar ^ovg, x()fjy, ßäo\ yfjg, z. B. in wg da&BVBL diwg | ao&eyrj laßoi (poßov. Demnach hat die Entwicklung hier denselben Gang eingeschlagen, wie bei den aufgelösten Hebungen im 2., 3. und 4. Fusse, wo nach der Regel die folgende Senkung mit der vorangehenden aufgelösten Hebung ein Wort bilden oder durch ein Wört- chen gegeben sein sollte, das eng zu dem vorangehenden gehörte, wo aber dafür bei Euripides auch schwerere einsilbige Wörter sich finden, die sich mit der vorangehenden Hebung nicht enger verbinden als mit der folgenden. Vor der Caesur im 4. Fusse steht ein einsilbiges Wort bei Euripides seltener als bei Aeschylus, nemlich nur in 9 Versen miter jenen 500 und zwar in 5 nach jambischem Wortschluss, wie in ix^i fity dofh- yrjg ^e, in 4 nach spondeischem Wortschluss, wie in roiatna fiia^irai ya(^; die Wörtchen sind hier «V yap aV und (^e. Unter den 300 ersten Tri- metern der Ritter des Aristophanes finden sich (abgesehen von 26 Versen ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse) 18, in welchen die Caesur Bicher im 3. Fusse stattfindet und auf jambischen (11) oder anapästiachen (7) Wortschluss im 2.Tusse ein einsilbiges Wort als Senkung vor der Caesur steht; dann 12, in welchen die Caesur im 4. Fusse stattfindet und auf jambischen (4), anapästischen (1) oder spondeischen (7) Wortschluss im 3. Fusse ein einsilbiges Wort vor der Caesur im 4. Fusse folgt; die ein- silbigen Wörter sind sämmtlich Enklitika oder die oben genannten Par- tikeln und ähnliche, wie firj, ov, «i, xai; z. B. xai TTjg dj^o(}ag xm \ rmv iLfiBvojv xai TTjg nvxvog, 'AT ^tjfiaywyid yaQ | ov jiQog uovoixov. ^Eyoa fuv otV avxixa juaV | ig ßovXriv iwv. Demnach war es sowohl den tragisclien als den komischen Dichtern der Griechen stets erlaubt, die trochäische Caesur sowohl im 3. als im 4. Fusse des Trimeters durch jambische, spoDdeische oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse mit dem Versaccent auf der Endsilbe und ein folgendes einsilbiges Wort zu bilden; nur wurden schwere einsilbige Wörter einigermassen gemieden.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 8

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Ganz anders steht die Sache bei den lateinischen Dichtern. Schon oben (S. 55) ist darauf hingewiesen, dass ein einsilbiges Wort nach betontem Wortschluss sich vor der Caesur im 4. Fusse des Senars bei Plautus und Terenz nur selten, bei späteren Dichtem gar nicht findet. Es bleibt die Bildung der trochäischen Caesur im dritten Fusse zu prüfen.

Unter den 2300 Senaren, welche die 6 Stücke des Plautus Am- phitruo, Asinaria, Aulularia, Menaechmi, Mercator und Trinummus ent- halten, sind etwa 83, in denen der 2. Fuss durch ein Wort oder Wort- schluss gebildet ist; darauf folgt in 14 Versen ein dreisilbiges Wort mit Caesur im 4. Fusse, in 36 Versen ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort und in 1 5 drei einsilbige Wörter, wie in 'A pröpitius sit potius. Confido fore\ Ego eo ad forum nisi quid vis. Ei bene ambula. Dass in derartigen Versen die regelmässig gebildete Caesur im 4. Fusse und nicht die un- regelmässig gebildete Caesur im 3. Fusse anzunehmen ist,^) geht daraus hervor, dass die Zahl der sicheren unregelmässig gebildeten Caesuren der Art im 3. Fusse eine sehr geringe ist. Unter jenen 83 Versen finden sich 16 18 der Art: Amph. (74 magistratum sibi alterive). 922 scio quam doluerit. 923 dexteram tuam te Alcumena. Asin. 16 Sicüt tuum vis

3 SS

ünicüm gnatüm meum. 52 scio iam. 781 invocet sibi quam. 540 ni-

3 8 2 3

tidior sis. Men. 45 idem guod. 7 AI meum qui huc. Merc. 311 movere

3 SS

me seü secari. 553 cönloces dum. Trin. (186 propter res). 397 animo fU. 490 divites sunt. 497 scias hie. (582 Callicli med). 788 epistulas quando 6b- sign. 1094 0 Cällicles, o Callicles, o Callicles. Auch in den übrigen Stücken des Plautus sind solche Verse, in welchen die Caesur nur im 3. Fusse stattfinden kann und hier durch einen betonten Wortschluss mit einem einsilbigen Wort gebildet ist, nur sehr selten. So in Bacch. nur 143 An hoc ad eas res obsonatumst öbsecro und 123 I stültior es bärbaro Po- ticio. Unter den 1150 Senaren, die Terenz im Eunuch und in den Adel- phoe gedichtet hat, finden sich 71, deren 2. Fuss durch ein Wort oder durch Wortschluss gebildet ist. In 28 fällt nach einem dreisilbigen Worte die

1) Die Zahl der Senare mit Caesur im 4. Fusae wird dadurch beträchtlich vermehrt. Allein diese Caesur war überhaupt sehr beliebt. Hat doch Publilius unter seinen ersten 100 Senaren 16, in denen diese Caesur unbestreitbar ist, wie in Amäntis ius iurändum poenam nön habet.

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Caesur sicher in den 4. Fuss, in 34 ist sowohl der 3. als der 4. Fuss getheilt, in nur 9 muss die Caesur in den 3. Fuss fallen, steht also sicher vor der Caesur ein einzelnes einsilbiges Wort: Eun. 331 liquet mihi. 531 Chremes. 0. 834 tace tace öbsecro. 889 pater. Quid? 934 foris sunt. 538 Dörias cito hünc. Ad. 486 miseram me. 458 deseris tu. 469 amplius, nam hoc. Es steht also hier, wie in den verwandten Fällen. Die altlateinischen Dichter sollten keinen Vers ohne die bestimmte Cae- sur bilden, sie sollten keine jambische Dipodie mit unreinem betonten Wortschluss endigen ; allein da bei den griechischen Komikern Verse ohne jene Caesur und mit Anapästen im Schlüsse der jambischen Dipodien in Menge vorkamen, so war auch den altlateinischen Dichtem eine Verletz- ung der Regel nicht absolut verboten. So stand es auch mit einsilbigen Wörtern im Schluss der trochäischen Caesur; sie sollten nicht stehen, allein da sie bei den Griechen sehr zahlreich vorkamen, so war hie und da eine solche Ausnahme auch den altlateinischen Dichtern gestattet. Wie dann die Caesuren im 4. Fusse des Senars überhaupt seltener sind, als die im 3., so sind natürlich auch die unregelmässig gebildeten im 4. Fusse seltener als im 3.

Wie nun in den übrigen Fällen die den altlateinischen Dichtern ge- statteten Ausnahmen bei den späteren mehr und mehr verschwinden, so ging es auch mit den einsilbigen Wörtern im trochäischen Caesurschluss. Schon oben ist erwähnt, dass eine solche Caesur im 4. Fusse bei den späteren sich nicht mehr findet. Im dritten Fusse verschwand sie lang- samer. So hat Fublilius unter 680 Senaren 60, deren zweite Hebung den Schluss eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes bildet; in 38 folgt ein dreisilbiges, in 16 ein einsilbiges und ein zweisilbiges Wort, in 3 Versen folgen drei einsilbige Wörter; nur in 3 Versen dieser Art fällt die Caesur sicher in den 3. Fuss: D 9 Discordia fit carior concordia. N 43 Ne- cessitas quam pertinax regnum tenet. S 34 Solet sequi laus, cum viam fecit labor. Unter den 311 Senaren in den Epoden des Horaz ist in 24 die zweite Senkung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes; in 8 folgt ein dreisilbiges, in 10 ein ein- und ein zweisilbiges Wort, in 2 folgen drei einsilbige Wörter; in 4 fällt sicher die Caesur nach einem einsilbigen Wort; so 5, 5 per liberos te si vocata partubus. 6, 11 cave, cave wamque in malos asperrimus. 7, 11 neque hie lupis mos nee fuit

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leonibus. 17, 25 urget diem nox et dies noctem neque est Demnach ist Horaz im Bau der Senare wie im Bau der Hexameter nicht zu den feinsten Dichtern zu rechnen. In den 1900 Senaren des Phaedrus (die Appendix mitgerechnet) finden sich wohl 50 Verse, in denen die 2. Heb- ung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes ist (darunter 38, in denen ein dreisilbiges Wort folgt), aber kein einziger, in dem die Caesur in den 3. Fuss fallen muss. Unter den 1600 Senaren, welche die Medea und Phaedra des Seneca enthalten, finden sich 78 Senare, deren 2. Hebung das Ende eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes ist. In 54 folgt ein drei- silbiges Wort, nur in zweien muss die Caesur in den 3. Fuss nach einem einzelnen einsilbigen Worte fallen: Med. 245 hoc est penes te. si placet: damna ream. Phaedr. 388 vestes procul sit muricis tyrii rubor. Schwere einsilbige Worte, wie laus bei Publilius, mos und nox bei Horaz, finden sich, wie die obigen Beispiele zeigen, bei Plautus und Terenz sehr selten vor der Caesur : ob aus Absicht oder Zufall, wird schwer zu entscheiden sein. Damach dürfen wir die Voraussetzung aufstellen, dass in den an und für sich zweifelhaften Versen, wie *Necessitas dat legem, non ipsa accipit', die altlateinischen Dichter nicht die unregelmässig gebildete Caesur im 3., sondern die regelmässig gebildete im 4. Fusse gewollt haben.

Demnach haben die altlateinischen Dichter nur sehr selten Senare ohne Einschnitt im 3. oder 4. Fusse gedichtet und haben diese Ein- schnitte nur selten so gebildet, dass vor der Caesur auf einen betonten Wortschluss ein einsilbiges Wort folgte. Da die griechischen Lustspiel- dichter beides sehr oft thaten, so kann jene strenge Regel der altlateinischen Dichter nur von dem Ordner der lateinischen jambischen und trochäischen Zeilen herrühren. Seine Regel verschärften die Nachfolger, indem sie die wenigen Ausnahmen, welche jener im Hinblick auf die zahlreichen Aus- nahmen bei den Griechen gestattet hatte, mehr und mehr verboten haben.

Elision in der Caesur des Senars.

Ich habe bisher alle die Verse bei Seite gelassen, bei deren Caesur die Elision irgendwie mitspielt. Die Zahl der Senare ohne Caesur wie der Senare mit einem einzelnen einsilbigen Caesurwort wäre beträchtlich grösser, wenn bei Elision stets der glatte Wegfall des schliessenden Vo- kals angenommen werden müsste. Allein während z. B. im Senar die

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beiden schliessenden Kürzen eines längeren Wortes weder als Hebung noch als Senkung verwendet werden dürfen, also Betonungen, wie im- pirat Achilles oder im^erat Hercules, verboten sind, sind doch Elisionen, wie Bspicere in älienö oder conditio optima est und avari<ia ömnia, durch- aus erlaubt. Diese und ähnliche zahlreichen Fälle beweisen, dase der schliessende Vokal zum mindesten gesprochen werden konnte. Wie hierin einerseits der Grund liegt, wesshalb in dem (durchaus rein zu haltenden) jambischen Zeilenschluss am allermeisten ein einsilbiges Schlusswort mit vorangehender Elision, wie ömnia häec, vermieden wurde, so werden anderseits Verse, wie Cogäs amantem irasci amare si velis, hierdurch gerechtfertigt. Sie sind nicht caesurlos (denn die regelmässige Caesur ist durch amantem gegeben), nur fällt die Caesursilbe in eine harte Eli- sion; denn gewöhnlich allerdings sind die Elisionen so gesetzt, dass der schliessende Vokal nicht gerechnet wird. So ist eine Anzahl von Versen gerechtfertigt, welche diese harte Elision im 3. oder im 4. Fusse oder in beiden zugleich haben, ebenso ist in den anderen, wie Menaechine amare ait te mültum Erotium, nicht die regelwidrige Bildung der Caesur im 4. Fusse, sondern die gewöhnliche Caesur im 3. Fusse mit harter Elision anzunehmen. Dieser Härte aber waren die Dichter sich bewusst; desshalb sind die Verse der Art nicht sehr zahlreich.

Bei Plautus fand ich diese in harte Elision fallende Caesur im dritten Fusse: Amph. 944 Primum cavisse oportuit ne diceres. AuK 352 Tibicinamque obsoniumque. 399 muraenam exdorsuä. Bacch. 597 uerba mterpretör. Cist 2, 3, 56 est qui Alcesimarcho. Poen. 435 hercle orationi. Rud. 101 integündam intellego. Pseud. 520 tibi me abducik). Trin. 121 tüte accederes. 147 quäeso identidem. Von den Heraut^ gebem meistens geändert sind die Fälle der folgenden Art: Mil. 484 Nam egomet cubantem eam modo öflfendi domi. Cist. 2, 3, 16 Ne de- serat se eam. Epid. 422 amici apud forum ägitur. Men. 524 amare ait te. (Merc. 305 cäno amas senex). Most. 774 Ipse aedificato. Eon voco hüc. Poen. 729 quantum ad eum erit delätum. Pseud. 29 hercle habent quas. Rud. 455 äram uti confugiamus. Truc. 85 peregre; eo nunc. Zu den Fällen, in welchen die 3. Hebung spondeischen Wort- schluss bildet, braucht man nicht zu rechnen Merc. 691 vero istuc eo und Trin. 551 contra istoc detrüdi oder Mil. 139 üna inter se, dagegen

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Aßin. 788 equidem illam moveri. Aul. 16 prol. observare ecqui maiörem. Poen. 149 hercle immo mihi. Istuc. Poen. 711 ergo. Abduc intro: ad- dictum. Trin. 427 spopondi. Immo quas. Au£Fallender, doch nicht an- zuzweifeln (vgl. bei Terenz) ist Cure. 10 Egone apicul^rum opera con- gestum non feram, wozu wohl zu stellen ist Trin. 114 Et rem suam omnem et illum comiptum filium. Häufiger ist bei Plautus die harte Elision bei Caesur im vierten Fusse, wie Most. 781 Ferratusque in pistrino aetatem conteras; ebenso Amph. 1135 Alcumenae usuram. 1140 inmortali adficiet. Bacch. 172 vicine Apollo. Cure. 242 intestina ex- pütescunt. 668 liberali adseruisset Mil. 137 consilio(]^ue adhortatur. 490 ludificatam ingenuam. 512 pleniorem erum. 1119 persuadere amicos. Most 594 extentatum; agas. 1021 octogmta argenti. 1015 dis- simulando infectum. Pers. 101 opportune advenisti. Poen. 74 liberorum osori. Pseud. 41 Calidoro amatori. 68 horridulärum oppressiunculae. 794 gloriosum insulsum. 828 condimenta. Audäcter. Rud. 1239 tran- senna avaritia. Trin. 78 bonasque adcürare. 95 fecisse inscite. - 167 in- scient« inconsultu. 214 adulescentem evörtisset 745 ducendi int^rea. Seltener ist bei Plautus harte Elision im dritten oder vierten Fusse: Bacch. 233 Ut aurum efiiciam amanti erili filio. 869 animam amborum exsörbebo. Mil. 508 Quin concubinam erilem insimulare. Pers. 408 in- honeste iniure inlex. 423 exigere argentum? argentum. Trin. 406 Ex- essum expotum exunctum elütum in balineis. 456 esse amicum inven- tum. 759 amico alicunde exörari.

Bei Terenz findet sich Caesur mit harter Elision im dritten Fusse: Andr. 815 Me sycophantem hereditatem persequi; Eun. 981. Heaut. 448. 794. Phorm. 349. 407. 597. 665. 887. 915. Hec. 96. Ad. 13. (? Heaut. 282 dedit tum existumandi ist wohl eher caesurlos); mit anapästischem Anfang nach der Caesur: Andr. 156 Ea primum ab illo animadvertenda iniuriast. Dieselbe harte Elision, doch so dass die 3. Hebung Wort- schluss bildet findet sich in Andr. 717 Sunmium bonum esse erae pu- tavi hunc Pamphilum. Phorm. 134 nostra erit ioculärem. (Andr. 442 secum eam rem; Eun. 97 sed ita erat res; 852 quidem quae apud me est; 921 non sum apud me können nicht mit Sicherheit hierher gerechnet werden und haben eher die Caesur im 4. Fuss); dann Andr. 526 pendo illud mihi. Heaut 26 qua re omnes vos. 495 sensisti illos me incipere

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ea

Ph. 637 partem aequi bonique. 644 magnum. Immo malum hercle* Ad. 107 et tu illum tu um. 131 alteruni. nam ambos curare. 250 usum antehac amicitia. 833 Vitium adfert senectus; (in Andr. 220 inter se; Hec. 635 inter nos} 659 inter nos; 486 ergä me ist eher Caesur im 4. Fusse anzunehmen; in Ph. 307 Phormionem. Istum; Ad. 450 paternum istuc kann auch die abgekürzte Form stum, stuc angenommen werden). Am auffallendsten sind solche harte Elisionen im 3. Fusse, wenn die 3. Hebung anapästischen Wortschluss bildet: Andr. 120 Adeo modesto, adeo venüsto, ut nihil supra. Heaut. 61 atque hominum fidem. 518 recte equidem te. 752 hosce aliquot dies. Ph. 87 otiosi operam dabamus. Im vierten Fusse findet sich Caesur mit harter Elision in Eun. 927 Ca- rissimum ä meretrice avära virginem; Andr. 34. 123. Eun. 819. Heaut. 512. Hec. 59. 77. Ad. 47. 109. 114. 355. 664 und mit anapästischem Anfang Hec. 91 Quam cupida eram hüc redeundi abeundi a milite. Im dritten oder im vierten Fusse: Heaut. 420 Aut ego profecto ingenio egre- gio ad miserias. 39 leno adsidue agendi. Ph. 691 Aut nominare uxorem. iniecta. Hec. 54 Ne eum circumventum inique iniqui inrideant.^)

In Betreff der übrigen Elisionen in der Caesur ist ebenfalls der Unterschied zwischen Zeilenschluss und Caesurschluss festzuhalten. Im Zeilenschluss soll das Metrum möglichst rein zum Vorschein kommen, darum wird vor der Schlusssilbe Elision, d. h. wenigstens scheinbare Yer- mehrung der regelrechten Silbenzahl gemieden; dagegen wird im tro- chäischen Zeilenschluss betonter Wortschluss, wenn er nur rein jambisch

\) Schwierig sind die folgenden Verse, in denen man entweder Mangel der Caesur oder die bei den Lateinern sonst verbotene Caesur nach einer Senkung von zwei Kürzen annehmen muss : Asin. 781 u. 782 Deam invoeät 8ibi qu4m lubebit pröpitiam, üeum nullum : si magis r^igiosa füerit. Cure. 236 Sed quid tibistV Lien enecat, renes dolent: so Varro, li^n necät die Handschriften. Eun. 452 Ridiculam: nön enim cögitaras: c^terum. Poen. 67 Sexenniö priüs quidetn quam moritur pater, falls man nicht misst prius quidem. vgl. noch Miles 858, Persa 456, Andr. 74. Dann mit Elision Cure. 65 Aequi bonfque ah eo fnpetrare. Iniürias. 217 Quando Aesculäpi ita s^ntio sententiam. 640 Serva me, quindo ego i6 servdvi sedulo. Trin. 131 Argentum amä.nti homini 4dulescenti, animi impoti. Eun. 490 Hominis: nam qui Küic animum ddsentari induxeris. Ad. 512 Fac con- sol^re. ego Mfcionem, si 4put forumst. Asin. 116 Audfn tu? Apud Archibdlum ego ero ärgen- tarium. Ad. 82 Quid tristis es? Rogds me, übt nöbis Aeschinus. Dann Andr. prol. 11 Non ita sunt dissimili argumento, söd tarnen. 745 Quid turbaest ä.pud forum V quid Uli höminum litigant. In den Fallen mit Elision, wie Cure. 217 Aesculdpi ita s^ntio, kann man auch die regelm&ssige Caesur mit harter Elision annehmen, wie oben in Andr. 156 ab fUo anim4dvertenda.

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ist, wie in amät nos, gestattet; denn dass nach 'nos* die Reihe zu Ende ist, hört jeder. Dagegen tritt in einem Caesurschlusse, wie Solet sequi laus cum viam fecit labor, Unsicherheit ein, wo eigentlich die Stimme ruhen soll. Der betonte Wortschluss 'sequi' scheint das Ende der ryth- mischen Reihe zu bilden. Darum werden vor trochäischer Caesur solche betonten Wortschlüsse vermieden. Wenn hier nur kein betonter Wort- schluss vorkommt, so ist die Bildung des betreflfenden Fusses im Uebrigen ziemlich frei gegeben. Desshalb finden wir dann in der Caesur die ver- schiedenen Arten von Elision bei den altlateinischen Dichtem oft angewen- det. So im Anfang des Trin. 21 possidere hanc nomen. 23 castigare ob meritam. 43 inimici atque irati. 79 Suspicionem et cülpam. 89 amicum aut familiärem. Dann 110 filiam esse. 398 senectuti äcriorem. 403 quadraginta äccepisti 408 myropoloe aucupes. 413 frudavi. Em.

Die Nachfolger der altlateinischen Dichter verwendeten besondere Aufmerksamkeit auf die Elision in der Caesur. Publilius hat die harte Elision bei Caesur im 3. Fusse C 5 medicum intemperans. (0, 7). P 13 poena iniüriae; im 4. Fusse: B 9 peccanti obsequium. N 18 delicta improbitatem ; im 3. oder 4. Fusse: All homini ingenio acerba. B 14 numquam erranti obsequium. C 22 amantem iräsci amare. 28 saepe iräsci irascaris. R 8 amico excütere amicum. Es kommen also weder harte Elisionen mit anapästischem Anfang nach der Caesur (wie illo animadvertendum) noch mit betontem Wortschluss in der 3. Hebung (wie aram uti confugiamus) bei Publilius vor. Mit den übrigen Arten der Elision in der Caesur ist Publilius (abgesehen von est) noch sparsamer. So 10 Fälle, wie 0 5 tormentum übi (0 8. B 37. C 2. L 16); B 38 gaudiwm übi (J 59. S 38); F 23 difificilia üt; S 26 Solet höra quod multt anni abstülörunt reddere. Mit diesem Verse wäre zu vergleichen Spengels P 28 Perfacile quod vote imperant felix facit. Da jedoch diese Caesur ungewöhnlich ist, so ist die Lesart der Handschrift 'Perfacile felix, quod Vota imperant facit' wohl zu lassen und der fehlerhafte jambische Schluss des 5. Fusses zu vermeiden durch die Aenderung *imperitant' ; vgl. z. B. Plin. Paneg. 82 his validior toto corpore animus imperitet und das un- sichere TibuU. 2, 3, 34 cui tristi fronte Cupido imperitat (iraperat andere): aber nur die Fälle C 7 nemo in grätiäm. (M 69 'inopi^, ex copia* un- sicher); denn Verse wie N 50 Nemo timendo ad sümmum pervenit locum

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können die Caesur im 4. Fusse haben. Horaz ist wenigstens hierin sehr vorsichtig, da in den über 300 Senaren der Epoden sich nur findet 16, 8 parentibusgue abominatus Hannibal. dann 2, 35 pavidumque lepo- rem et ädvenam laqueo gniem, 5, 37 exsucta uti meduUa et aridum iecur. dann 5, 97 nos turba Yxcaiim hinc et hinc saxis petens, Phaedrus hat (vgl. oben S. 23) zwei harte Elisionen in 3, 15, 6 Novissime pro- lapsam e/Tiindit sarcinam und 5, 7, 19 ipso ludorura ostenderet sese die. Sonst hat er von Publilius hierin verschieden in der Caesur hie und da Elisionen, wie z. B. 2, 4, 11 terrore oSuso et perturbatis sensi- bus. 2, 5, 10 Slculum et despicit. 3, 6, 9 tricanrfum et übi. 3, 8^ 12 utrumque et cärpens. 3, 2, 6 panem ut süstineret. Dagegen meidet er nach Luc. Müller (p. XII ed. 1877) durchaus Elisionen, wie miscere illiüs. Demnach haben die späteren lateinischen Dichter Elision in den Caesuren selten und behuteam angewendet, die alten oft und ohne besondere Re- geln. Die späteren Dichter haben wahrscheinlich die bei jenen für Elision im Zeilenschluss geltenden Gesetze auch auf den Caesurschluss übertragen.

Betonte Wortschlfisse im Senar.')

Im ersten Fusse des jamb. Senars können als im 1. Fusse der jainb. Di- podie reine wie unreine Wortschlüsse stehen, im zweiten Fusse nur reine. Gleicher jamb. Wortschluss in beiden ist nicht selten. Jamb. Wortscliluss im 2. Fusse ist selten, wenn im 3. Fusse die Caesur steht, wie in Discordia fit carior concordia, häufig, wenn sie erst im 4. Fusse eintritt, wie in Habet suum venenum blanda oratio. Unreiner Wortschluss im 2. Fusse findet sich bei Plautus und Terenz, doch sehr selten; natürlich noch seltener mit ein- silbigem Caesurschluss im 3. Fusse, wie Trin. 398 Miser ex animo fit fac- tius nihilo facit. In Versen, wie Nisi quid me aliud vis, Phllto : respoüdi tibi, ist die Ausnahme minder hart, da hier Caesur im 4. Fusse anzu- nehmen ist. Im dritten Fusse ist betonter Wortschluss nur möglich, wenn die Caesur ganz fehlt oder im 4. Fusse ein einzelnes einsilbiges Wort vor derselben steht. Beide Fälle sind, wie oben ausgeführt, sehr

1) Vgl. Ritschis Prolegomena zum Plautus cap. XV und 0. Brugmann, (Bonn 1874, Dispert/) Quemadmodum in iambico senario Bomani veteres verborum accentus cum numeris consociaiint. Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 9

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selten; in diesen wenigen Fällen findet sich im 3. Fasse jambischer, spondeischer oder anapästischer betonter Wortschluss. Im vierten Fasse steht meistens Caesar; wenn dies nicht der Fall ist. so kann,- als im 2. Fasse der Dipodie, regelrecht nar jambischer Wortschlass stehen and dieser steht aach sehr gern. Die anreinen Wortschlüsse sind hier gegen die Regel, doch ist gerade in diesem Fasse die Regel am häafigsten ver- letzt, fast stets nar so, dass der 5. and 6. Fass ein Wort oder eine eng verbundene Wortgrappe bildet, wie in Trin. 410. 476 Qaam si ta obicias iovmicis papaverem. Et quod illi placeat, praerfpidm potissimam, dagegen fast nie, wenn die Senkung des 5. Fasses durch ein selbständiges ein- silbiges Wort gebildet ist. Im fünften Fasse, dem ersten der 3. Dipodie, sind die unreinen Wortschlüsse gestattet, ja sogar gesucht, dagegen der reine jambische Wortschluss vermieden; derselbe findet sich (vgl. S. 40) noch am ehesten, wenn die vorangehende Hebung aufgelöst und deren 2. Kürze mit dem 5. Fusse sich zu einem anapästischen Worte verbindet, wie in erus operam dare. Da im sechsten Fusse Schlüsse, wie amicus est, selten sind, so können hier überhaupt nur jambische Wortschlüsse stehen. Also z. B. Publ. P 47 Flures tegit fortuna quam tutös facit. S 12 Sapiens cum petitur si tacet graviter negat.

1) Die precatio terrae und herbarum (Baehrena Poet. min. I, 138), 63 Senare nach Art der altlateinischen, übergehe ich, da sie zu schlecht gebaut oder zu schlecht überliefert sind.

Von diesen strengen Gesetzen des altlateinischen Senars sind manche vielleicht unter anderem Einfluss ausgebildet. In den 1474 Trimetem der Alexandra des Lykophron treten merkwürdige Gesetze hervor. 1) Er meidet alle dreisilbigen Füsae; trotz der sehr zahlreichen spröden Eigennamen finden sich nur 18 aufgelöste Hebungen (8 in Eigennamen), 12 im 3. und 3 im 4. Fusse nach der Caesur, 3 im 2. Fusse vor der Caesur, sämmtliche aber so gesetzt, dass die beiden Kürzen die Anfangssilben eines längeren Wortes sind. Dann findet sich nur 1 Anapäst im 4. Fusse (720 naQd-it'onT^y). 2) Kein Vers kommt vor, der nicht nach der 3. oder nach der 4. Senkung Caesur hat. 3) Die Caesur nach der 4. Senkung ist sehr beliebt: z. B. 33 sichere Fälle in V. 1 100. 4) Einsilbiger Zeilenschluss ist sehr gemieden, neben dem einen Fall 724 Xnß^os "U kommen nur vor die 4 Fälle 253 6b fiot, 769 6k nar und 448. 1209 yrir, 5) Einzelne ein- silbige Wört-er vor der trochäischen Caesur sind selten. Denn (abgesehen von 9 Fällen, wo zwei einsilbige Wörter vor der Caesur stehen, wie 956 fJtoXoyjag ug yrjy) ist in 9 Fällen, wie 163 ^prvae, toy 6i Xoia&or^ und in 19 Fällen, wie 104 xnl Sfvtegay eis uQxvy \ od-Qiiuiy ßgo^uiv^ die beliebte Caesur im 4. Fusse anzunehmen. So bleiben 22 Fälle, wo sicher im 3. Fusse vor der Caesur ein einsilbiges Wort steht und zwar 1 cxf, 1 aov, 1 T<f, 1 tto^', 4 rf, 1 fAty, 8 Sk; dann 286 yftaZy, 912 yris. 1013 avy- 1370 Zf vf . 1423 ^gvg. Im 4. Fusse finden sich 5 solche unregelmässige Schlüsse : 398 fxyioig 6i, 742 xaraßgo^ij yty. 924 OfQfivdQov re.1074 ^AfjKpiaaKv tf. 1338 dfnyaf^otg rs.

Offenbar ist sowohl der tragische als der komische Trimeter, wie er sich allmählich ausge-

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Die Caesaren des jambischen 8ep<enars und Octonars.

Von dem jambischen Septenar wird nach Reisigs Vorgang (Coniect* in Aristophanem S. 117 121) gewöhnlich gelehrt, dass die griechischen Lustspieldichter (denn nur b^i diesen findet sich diese Zeilenart, nicht bei den Tragikern) - zwei Caesuren desselben anerkannt hätten, die gewöhn-

bildet hatte, von Lykophron verschmäht worden. Dagegen findet sich derselbe Bau des Trimeterf bei Archilochus und den späteren Jambo- und Choliambographen, insbesondere bei Solon und Simonides ; (aber ^InndHya^ noXXa nrtQSßt) rwy oS^iafiiytvy sy roig iufjßoif durch aufgelöst« Hebungen). Die Form dieser Dichter kann Lykophron nicht wegen des verwandten Stoffes, äon- dem nur wegen der gleichen Dichtungsgattung gewählt haben. Er schrieb kein Drama, alao ge- brauchte er auch nicht den dramatischen Trimeter, sondern den für lyrische oder lehrhafte Gedichte bestimmten. Wenn also der Scholiast zu Hephaestion p. 152 W (Christ Metrik § 377) von den drei Gattungen des TQftyixog, xuifuxof und aarvQixos tafdßof unterscheidet o* ovTut nujg i6ms Xsy6- fAfyog itt/jtßixog und erklärt tStoy Si tafjißixov ro diaavXdßovg fjtoyovg BTuSix^^^'^^ n66ag xai ptukiata tafdßoy oioy ndjiQ Avxdfißa, noioy itp^datu r66(, so hat das seine Richtigkeit.

Dieser nicht dramatische, also lyrische Trimeter mit steter Caesur im 3. oder im 4, Fu^se und mit selten verletzter Vermeidung der aufgelösten Hebungen und noch mehr des Anapae^^itefl herrscht auch in den Epigrammen aus der guten Zeit; so in den etwa 74 Trimetem des Leonidos, Antipater, Phaedimus, Krinagoras, Apollonides und Theokrit, wo die Caesur nie fehlt und kein dreisilbiger Fuss vorkommt. In den etwa 97 Trimetem des Philippus Thessal. finden sich 6 auf- gelöste Hebungen (5 im 3. Fusse) und 4 Anapäste im 1. Fusse; allein mit Recht hat Dübn^r (zur Anthol. IX, 416, 7) ihm keinen Anapäst im 2. Fusse zugetraut. Von den beachtenswerthen Epi grammen bei Kaibel sind rein die 63 Trim. in 185. 208. (246). 258. 502. 549 : komische sind in 236. 983. 1039. So erklärt und rechtfertigt sich auch die Bildung des hyzantinischen Trimetera. Viele dieser gekünstelten Dichter hätten den Versbau des euripideischen und komischen Tnraetera nachahmen können, wenn sie gewollt hätten. Allein sie waren sich des Unterschiedes Äwisiehen dem dramatischen und dem lyrischen Trimeter bewusst. Gefehlt also haben nicht diejenigen Dichter, welche die dreisilbigen Füsse vermieden, sondern jene, welche sie zuliessen. Ein war* nendes Beispiel sind die umfangreichen ziemlich alten Dichtungen des Servilius Damokrnfe^ (aus Galen in den Poetae buc. Didot 1851), der die Medicin in komischen Trimetem darstellte, wie InigfJiatog dyglov xf rag taag dyd SüSSsxu ' 'Exxaidtxa ^iltjg XtvxoTnttig ßgvwyiag. Durch die Lek- türe der bewunderten Komiker sind manche der gebildeteren Dichter angekränkelt worden; so z. B. Gi'egor von Nazianz, der nach Paul Stoppeis (Rostock 1881) Zusammenstellungen in seinen 7500 Trimetem neben 178 aufgelösten Hebungen 272 Anapäste und noch dazu gerade viele im 2. und 4. Fusse (80 -f- 126) gewagt hat. PaUadas, der besonders die sogenannten Spruchverse des Menander studirte, hat in seinen 77 Trimetem schon 11 Auflösungen und (3 Ana- päste, davon je einen im 2. und 4. Fusse. Ja Paulus Silent. hat in den 169 Trim. 27 Auflösungen u. 42 Anapäste (20 im 2., 14 im 4., 6 im 1., je 1 im 3, u. 5. F.) und der übergebildete A^ftthim hat in den 46 Trimetem der Vorrede zu seiner Anthologie (IV. 3) nicht weniger als 1(J auf- gelöste Hebungen und 9 Anapäste (davon 7 im 2. oder 4, Fusse). Diese geistlichen oder lehrhaften Stoffe in den Formen der Komödie sind geradeso ein Unding, als wenn die sogenannten Spruch- verse des Menander eine ursprünglich so angelegte Dichtung wären: didaktisch-lyrischer J^toff in einem Gemisch von Formen des tragischen und komischen Dramas.

Der altlateinische Senar hatte zu Allem gedient: aber CatuU und die Priapeia sind nur das^

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liehe nach der 4. Hebung, die seltenere nach der 5. Senkung; die Griechen nachahmend, hätten die altlateinischen Dichter dieselben beiden Caesuren angewendet Allein Reisigs Lehre ist irrig. Nehmen wir die Ritter des Aristophanes zum Beispiel, so haben von den 147 jambischen Septenaren 110 die regelmässige Caesur nach der 4. Hebung ^Q^eSidraxor x(}eag | aixpdi; ye mfovvoriau). In den übrigen 37 fallt in 22 ein Wort- ende nach der 5. Senkung und zwar in 6 nach « wie Sh \ vov^ in 6 nach - (^' | dri), in 7 nach «-: {vnei \ xf]^ fiayU | ifovg\ dann in 2 nach w-j-w {Xiyov \ rog^ /ircS | rog\ und in 1 nach (xamdei | xrvg); in 9 Versen fallt ein Wortende erst nach der 5. Hebung und zwar in 5

nach -^ '- (i9^cü | neiaig), in je 1 nach -^«-^ (jitj \ x^vw^) und '-

(xara | ti^oi^h)^ in 2 nach w ' '- {dvai \ dsia, mdrj \ xiofioig); in 6 end- lich reicht das Wort über die 5. Hebung hinaus, so in \ evgrjfia ; negi \ oixovoi, 7i€ ffi I rifiTiiax^v^ dno [ XTsireiar] ßw j fioXox^vfiaair; xars | yAoizTi- OfiBvriv. Von den 37 Ausnahmen haben also 22 Wortende nach der 5. Senkung, 15 nicht; demnach ist hier von einer Regel keine Rede. Wie wenig auf Reisigs Gesetz zu geben ist, erhellt auch daraus, dass man gerade so gut Caesur nach der 4. Senkung annehmen könnte; da- für hätte man doch 24 Beispiele unter den 37 Ausnahmen. Allein all das ist nur ein Spiel des Zufalls; für die griechischen Lustspieldichter gilt nur die Regel: im jambischen Septenar ist die regelmässige Caesur nach der 4. Hebung; steht dieselbe nicht, was etwa in jedem 4. Verse der Fall ist, so herrscht Gesetzlosigkeit.

Dieser lockeren Regel der Griechen steht besonders bei Plautus eine strenge Regel gegenüber. Die fast 1300 jambischen Septenare des Plautus haben alle ein Wortende nach der 4. Hebung, mit Ausnahme von Rud. 318 Tortis superciliis conträcta frönte fraudulentum. Rud. 1296

treueste Abbild des lyrischen Trimeters und Choliambs der Alexandriner. Horaz mischte schon Lateinisches bei (mehr Auflösungen; Anapäste im 1. und 5. Fusse; im 5. Fusse der 17. Epode kein jambi|cher Wortschluss). Der tragische Senar des Seneca, ein Gemisch des tragischen Senars der Griechen (2. und 4. Senkung nur eine Kürze) und des altlateinischen Senars (stete Caesar, viele Auflösungen, viele Anapäste im 1. und 5. Fusse, manche im 3., in der 5. Senkung nie eine Kürze) diente auch zu nicht dramatischen Dichtungen (Petron 89. Martial 1, 49. 3, 14. 9, 77. 11, 59); und seine Freiheiten wanderten in den Choliamb: Martial hat hier viele Anapäste im 1. Fusse und viele Auflösungen, ebenso der Grieche Babrius; hatte ja auch Phaedrus wieder den freien altlateinischen Senar zu Fabeln missbraucht. Vgl. den Nachtrag.

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Ad Gripum ut veniat. nön feritis ist um, ut postulätis. Cure. 526 Dum melius sit mihi dis. Dahüntur. cras, peti iubeto; wozu noch die an- gefochtenen Asin. 556 'Id vlrtute huius cotUegae meäque cöraitate facturast und 720 Opto id quod ut {om. Boihe) contingat tibi vis. Quid si optaro. Eveniet* gestellt sein mögen. In diesen Versen ist, was Terenz wahr- scheinlich macht, Caesur nach der 5. Senkung beabsichtigt.^)

Bei Terenz, der etwa 380 jamb. Septenare hat, ist die regelmässige Caesur viel öfter verlassen als bei Plautus. Dieser Fall ist gegeben, sobald der 4. Jambus nicht dem Jambus im Zeilenschluss gleich ist, d. h. sobald die 4. Hebung mit der 5. Senkung ein Wort bildet, oder die 4. Senkung durch 1 Länge oder 2 Kürzen oder die 4. Hebung durch zwei Kürzen gebildet wird. Dann, steht bei Terenz regelmässig Wortende nach der 5. Senkung. Die sicheren Fälle der Art sind bei Terenz: Eun. 288 Facete dictum mira vero militi quae pläceant, 604 fätue fateor. Hec. 834 aliae nolunt. Ph. 270 dum aliud aliquid. Eun. 603 sint video esse, 60ß pol ego is essem. Hec. 252 perpetuam esse, 254 aiit purgando. Heaut. 703 velle uxorem hanc. Ph. 754 habet au obsecro ünam, 759 üt volebam, 777 tii Geta abi prae, 794 ne te adulescens. Emi. 1009 stültiorem. (Ph. 828 cönveniundi. Hec. 832 compressam ab eo et.) Hec. 250 illarüm pote- State esse. Ad. 708 sodalis esset. Eun. 1021 pendebis qui stultum adu- lescentulum. Dieselbe Caesur ist wohl anzunehmen in Hec. 359 Pärmeno obviam ätque, 833 gaüdia lUi; durch harte Elision ist sie verdunkelt in Hec. 790 enint ubi quamobrem adveneris und Hec. 818 qui paene harum

1) Schon oben (S. 22) ist bemerkt, dass bei Elision die gewöhnlichen Gesetze nicht gelten. In den dort citirten Fällen fiel die Senkung in Elision ; bei den jambischen Septenaren und Octo- naren wird die Sache verwickelter, indem die 4. Hebimg in Elision fallen kann. Einfach ist 1) die Möglichkeit, wie pröxumo hfc | scel^te, da hier der glatte Caesurabschnitt doch gegeben ist. Schwieriger sind die folgenden Fälle: 2) älteram ^r | go in närvum (etwa 17 Mal bei Plau- tus), 3) lenönium in | ter hömines (11 Mal), 4) fn scapham fn | sulüiraus (7 Mal). Krauss hat in den Versen der dritten Gattung Caesur nach der 5. Senkung, in denen der vierten Ausnahmen angenommen; Mohr (S. 11 14) sucht beide Fälle zu schützen durch jenes Gesetz Ritschis (Proleg. p. 274) ^elisione vocalis non impeditur caesura, sed, si illa non elideretur, nihil ad legitimae cae- sorae elegantiam deesset'. Jedenfalls tritt in Fällen der 2. Art nicht der glatte Abschluss ein und in den auffälligen Caesuren der 3. und 4. Art ist zu bemerken, dass die zweite Elisionssilbe stets lang ist, als wenn sie dazu hergerichtet wäre, den Yersaccent zu tragen. Auffallend war mir, wahrzunehmen, dass fast in allen Fällen, wo die regelmässige Caesur durch Elision der 4. Hebung getrübt ist, Wortende nach der 6. Senkung eintritt, wie in 2) dfcito ünde arg^ntum.

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ipsi üsque opera.') Ich habe diese Beispiele ausgeschrieben, damit deut- lich werde, wie fast in allen Fällen die 472 Füsse vor der nach der 5. Senkung stattfindenden Caesur gegliedert sind durch eine andere Cae- sur nach der 3. Senkung, wie z. B. im Eun. 1009 Nimiquäm pol homi- nem | stultiorem | vidi nee videbo ah.^

Das ist klar, dass bei Plautus ausser der Caesur nach der 4. Heb- ung keine andere anerkannt ist^ dass dagegen bei Terenz ausser jener gewöhnlichen Caesur die Caesur nach der 5. Senkung anerkannt ist. Da bei den Griechen neben jener Caesur nach der 4. Hebung nicht jene nach der 5. Senkung allein zugelassen ist, so kann Terenz jene 2. Caesur nicht von den Griechen entlehnt haben. Er hat sie vielmehr aus der nahe verwandten Gattung der jambischen Octonare entlehnt

Der jambische Octonar kommt bei den Griechen so gut wie nicht vor, so dass die Lateiner die Gesetze für seinen Bau selbst machen mussten. Es zeigt sich denn auch hierin zwischen Plautus und Terenz ein starker Unterschied. Plautus hat, selbst viele der zerstreuten mitgerech- net, nur gegen 300, Terenz gut 800. Plautus baut ihn auf zwei ver- schiedene Arten; entweder theilt er ihn in zwei völlig selbständige Dimeter, deren erster im Schluss die Schranken und Freiheiten des Zeilenschlusses hat, d. h. die 4. Senkung darf nur eine Kürze, die

3) custodia ^sset sdmper, 4) fn scapham fnsulüimus ; von den 17 Fällen der 2. Art ist einer aus- genommen (Cure. 511 frfgidam ^sse ita vös putätis l^ges), von den 11 Fällen der 3. Art drei (Asin. 469 te auf^r domum äbs | cede hinc mol^stus n^ sis, Rud. 349 periculo ör | bas aüxilique opilmque, Epid. 361 adyeni^ns domi ^x | templo üt maritus fias), wo dann Caesur nach der 5. Senk- ung anzunehmen ist. In den übrigen Fällen ist vielleicht Caesur zugleich nach der 4. und 6. Senk- ung anzunehmen, die wir bei Terenz ziemlich häufig finden werden.

1) Da an einer Caesur nach der 5. Senkung von der Form, wie Eun. 1007 qufd tibi Tfs'? quid, Hec. 249 facer^s magis m | rem et v^stram, kein Anstoss zu nehmen ist, so ist auch kein Grund Eun. 261 qua^rere: [ibi] homo cot?pit, 286 Pärmeno? [^ho] num nam hie, 1012 er^dere [äa] quae dixi ; Hec. 343 ipsust [eüm] bis fdcere' die hier eingeklammerten Wörtchen zu verdächtigen, wie in der Regel geschieht.

2) Wenn die 4. Hebung in Elision fällt und nicht die Caesur nach der 5. Senkung anzu- nehmen ist, so findet sich fast stets ein Wortende nach der 6. Senkung. So in den Fällen, wie Andr. 695 mfhi sciam dsse inimfeos; den 6 Fällen, Andr. 686 Pdmphile öptum^ mihi. Eun. 275 Thdidi arbiträre, 601 vfrginem öbprimit ego, 610 näm domo ^xulö nunc. Heaut. 704 öppido fm- peräs et, 753 a^dium. Antiphönin, steht nur der eine Phorm. 780 eod^m luto häesitäs, vorsüra sölves gegenüber. Da Terenz die Caesur nach der 5. Senkung kannte, so ist es natürlich, in den wenigen Fällen, wie Hec. H33 gaüdia £lli, jene Caesur anzunehmen.

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4. Hebung nur eine Silbe, aber kurz oder lang, sein und nach der 4. Heb- ung kann Hiatus eintreten; oder er lässt Caesur nach der 5. Senkung eintreten, das geschieht also in all den Fällen, wo die 4. Hebung und

5. Senkung in einem Worte stehen oder wo die 4. Senkung durch eine Länge oder 2 Kürzen oder die 4. Hebung durch 2 Kürzen gebildet ist.^) Diese beiden Caesuren sind nur in einem Verse nicht beachtet: Amph. 257 Velätis manibus orant ignoscamus peccatum suum.^) Octonare der ersten Sorte hat Plautus etwa 180, der zweiten etwa 120; er bildet bald reine Reihen der ersten Sorte, die man dann auch als Reihen von Dime- tem behandeln kann, wie Amph. 153—157, 1053—1061, 1068—1075; selten reine Reihen der zweiten Sorte, wie Amph. 1076 1085, Capt. 909 bis 921; meistens mischt er beide, wie Amph. 984 1005, wo 993. 994. 996. 997. 998 von der zweiten Sorte, 984. 992. 1004 der Elision halber unsicher, die übrigen von der ersten Sorte sind, und Amph. 248 261, wo nur 250 und 254 von der ersten Sorte sind.

Terenz dagegen hat unter den 800 jambischen Octonaren kaum 60 mit Caesur nach der 4. Hebung.^) Diese in zwei völlig gleiche Theile zerfallenden Langzeilen scheinen ihm nicht gefallen zu haben. Dieselben sind stets zerstreut unter die zahlreichen Zeilen der zweiten Sorte mit Caesur nach der 5. Senkung.^) Terenz hat auch hier wieder mehr Aus- nahmen als Plautus. So Andr. 261 Amor misericordia hüius nuptiärum sollicitatio. Andr. 650 Quantasque hie suis consiliis mihi conflävit söUi-

1) Die regelmässige Caesur steht in ungewöhnlicher Elision in Amph. 183 Aliquem hömi- nem adlegent, quf mihi | adveni^nti os occill^t probe, die Caesur nach der 5. Senkung fällt in diese ungewöhnliche Caesur im Capt. 539 nisi rep^rio atröcem utid Bacch. 938 nön in büsto Achflli. In Amph. 197 'quo modo flli dfcam t^nd Men. 996 pra^sto ero illi quöm veni^tis' liegt kein Grund vor, Caesur nach der 4. Hebung und nicht vielmehr nach der 5. Senkung anzunehmen. Dagegen ist Pseud. 170 sowohl die Lesart der Handschriften *I puere prae ne quisquam pertundat crumf- nam cautio est*, als Bothe's Umstellung *I püere prae: crüminam quisquam pertundat cautiost gegen, die Regel.

2) Vielleicht ist auch Men. 995 Quid statis? quid dubitdtis? idm sublimen raptum opörtuit hierher zu rechnen, da die Verkürzung von tis mindestens ungewöhnlich ist; vgl. jedoch Mohr S. 8.

3) Harte Elision in der 4. Hebung scheint anzunehmen zu sein Andr. 181 Speräntis iam amotö metü | interea öscitantis öpprimi.

4) Harte Elision in der 5. Senkung findet statt in And. 863 me mentitum occiditö. Heaut. 675 qufn quaer^ndo invdstigdri. Andr. 946 Ex ipsa miliäns audfvi. Omnis nos gaudere höc (Ihremes, welcher Vers allerdings durch die Verwandlung in einen Vers der ersten Sorte (ex fpsa audfvi miliens) sehr gewinnen würde. And. 504 tibi narrdre occ^pi. 677 ät iam expädiam exp^dies.

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citudines. Eun. 294 Ubi quaeram, ubi investigem, quim percönter, quam insistam viam. Heaut. 202 Pateretur, nam quem ferret, si parintem non ferret suum. 208 Verum ubi animus semel se cüpiditäte devinxit mala. 585 (jhremes, vin tu homini stülto mihi aüsctdtäre. Quid faciam. Jube hunc. In diesen 6 Fällen tritt Wortende zugleich vor der 4. und 6. Heb- ung ein, so dass eine wohlklingende Dreitheilung der Langzeile entsteht, die besonders in Eun. 294 hervortritt^)

Die Caesur nach der 5. Senkung ist also im jambischen Octonar bei Plautus fast ebenso häufig als die nach der 4. Hebung, bei Terenz ist sie weitaus die häufigste. Es ist das natürlich. Denn durch jene Caesur wird die Langzeile in zwei Theile von ähnHchem, nicht völlig gleichem Umfange zerlegt und der trochäische Caesurschluss steht in gutem Gegen- satz zum jambischen Zeilenschluss. Durch die Vorliebe für diese Caesur nach der 5. Senkung wurde wohl Terenz oder ein älterer Dichter, den er nachahmte, dazu verführt auch in dem jambischen Septenar, der ja hinten nur eine Silbe weniger hat, neben der gewöhnlichen Caesur nach der 4. Hebung auch diese zweite, nach der 5. Senkung, als regelmässige zuzulassen ; mit Unrecht, da die beiden Stücke zu ungleich sind und der trochäische Caesur- und Zeilenschluss nicht mehr im nöthigen Gegensatz stehen. Daraus, dass bei Plautus unter den 1300 Septenaren nur etwa 6 jene Caesur nach der 5. Senkung haben, erhellt, dass für die älteste lateinische Dichtung das Gesetz bestanden hat, der jambische Septenar

1) Hierher ist auch zu rechnen Phorm. 249 Mol^ndum usqne in pistrfno väpulandum hab^- dae compendes. Dann möchte ich von den durch Elision verdunkelten Fällen hierher zählen Andr. 488 Cumque huic est veritus öptumae ädtUescitUi f^cere iniuriam. Ph. 742 nomine äppel- Idssis, 804 dictum est: höc tu errästi, Heaut. 189 fram et änimum amicae, 219 mfhi per äiium ostendU, Eun. 368 cäpiet cum ea intirdum. Eun. 1036 inv^ntam civem. Audivi, Ph. 475 cess4vit pro te eniti. Hec. 860 ecästor mörem antiquum atque ingenium. Ad. 308 p^r vim vUium ohtulerat Ad. 539 nüsquam tu me: audistin. Hier scheint es natürlicher, die Doppelcaesur vor der 4. und 6. Hebung imd nicht Caesur nach der 4. Hebung oder nach der 5. Senkung mit hartei^ Eli- sionen anzunehmen. Andr. 596 sind die Worte der Handschriften 'ego väro solus. Corrigere mihi gnatum porro enitere' von Fleckeisen umgestellt zu gnAtum mihi com'gere. Die prosodische Härte gnä^tüm mihi oder der falsche Daktylus fällt weg durch die ebenso leichte Umstellung 'ego v^ro solus. mihi corrfgere gnatum porro enftere*. Auch Andr. 499 'Quid cr^das. quasi non tfbi re- nuntiäta sint haec sfc fore' ist, da einige Handschriften *sint* vor *ren.* haben, wohl zu stellen: quid cr^as? quasi non sint tibf renüntiata haec sfc fore. Falsche Bildung des 4. Fusses bleibt in Andr. 949 poss^di nihil | mutdt (mütat | nihil ?) und Andr. 239 nönne prfus | commünicätura (non SpengeL)

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soll nur nach der 4. Hebung, der jambische Octonar entweder nach der 4. Hebung oder ebenso gut nach der 5. Senkung getheilt sein. Für den jambischen Septenar können nur die griechischen Lustspieldichter den altlateinischen Vorbild gewesen sein; es bedarf kaum eines Hinweises, in welch scharfem Gegensatze stehen die griechische Freiheit oder Gesetz- losigkeit und die lateinische eng beschränkte und streng beobachtete Gesetzmässigkeit, wie also auch diese strengen Gesetze nur von dem er- sonnen sein können, welcher zuerst jambische Septenare und Octouare in lateinischer Sprache dichtete.

Die betonten Wortschlfisse im jambischen Septenar und Octonar.^)

Wenn die Caesur in diesen beiden Zeilenarten nach der 4. Hebung eintritt, so haben wir es mit zwei jambischen Kurzzeilen zu thun: 1) dem jambischen Dimeter, aus welchem die beiden Hälften des Octonar imd die erste Hälfte des Septenar bestehen, 2) dem unvollständigen Dimeter (3y2 Jamben), welcher die zweite Hälfte des Septenar bildet. Dieser un- vollständige Dimeter entspricht durchaus dem Anfange des Senars, welcher erst nach der 4. Senkung Caesur hat. Für den 5. Fuss dieses jambi- schen Septenars sind also reine und unreine, für den 6. nur reine Wort- schlüsse gestattet. Die Bildung des 7. Fusses ist schon oben (S. 49) besprochen: für den nicht häufigen Fall, dass im Ende der Zeile ein einsilbiges Wort steht und die 7. Hebung Wortende bildet, darf dieser Wortschluss nur rein jambisch sein. Im vollständigen Dimeter dürfen, wie schon oben (S. 43) erörtert ist, im 1. Fusse reine und unreine, im 2. nur reine, im 3. unreine, aber nicht reine, im 4. Fusse nur reine Wortschlüsse stehen. Sind also Dimeter, wie Laudem lucrüm ludüm iocüm. Nam illäm minis olim decem. Nam si sciät noster senex fidem. Ulis perlt quidquid datür. Neuter stupri causa capüt. Noster socer videö venit, auch nicht besonders schön, so sind sie doch vollkommen regel- mässig. So finden sich im Amphitruo, der für die jambischen Octonare hübsche Beispiele bietet, ausser den zahlreichen unreinen Schlüssen im 1.

1) Vgl. Jos. Krauss (Rhein. Mus. 1853 S. 531—560) Ueber die jambischen Tetrameter bei Terentius. Paul Mohr, De iambico apud Plautum septenario, Leipzig 1873. Eine genauere Unter- suchung beider Zeilenarten wäre wünschenswerth.

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. I. Abth. 10

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u. 7. Fasse solche oft im 3. Fusse (z. B. 182. 190. 192. 195. 200. 201. 202. 206. 208. 209) und im 5. Fusse (156. 180. 212. 217). Ausnahmen sind selten. So steht unreiner Wortschluss im 2. Fusse Bacch. 968 Eum ego ädeo uno mendacio. Dagegen beruht derselbe im 2. Fusse Capt 519 Neque s.uxiliüm mi est neque adeo, im 6. Fusse Amph. 1061 nam ubi "pavturiens deos invocat, Epid. 329 quoi ^viHa6 sunt maxumae nur auf Conjekturen. Reiner, jambischer Wortschluss im vorletzten Fusse wird Amph. 1058 animo malest, aqudm velim durch die Handschriften bezeugt, Bacch. 974 üliös habet und Epid. 335 gentium' st neque sind nur Conjecturen.

In den etwa 60 Octonaren der ersten Sorte bei Terenz sind im 3. und 5. Fusse die unreinen Wortschlüsse nicht häufig; im 3. fand ich sie Andr. 583. 610. 612. 614. Phorm. 719. Ad. 255, im 5. Andr. 586 und Phormio 721.

Findet die Caesur erst nach der fünften Senkung statt, so bleiben die Verhältnisse des 1., 2., 6. und 7. Fusses des Septenars und des 1., 2., 6., 7. und 8. Fusses des Octonars die nomlichen. Die regelwidrigen un- reinen Wortschlüsse im 2. und 6. Fusse sind auch in den Septenaren und Octonaren dieser Art selten. Durch die Handschriften beglaubigt sind solche Ausnahmen im 6. Fusse bei Plautus Asin. 834 Q,gitemüs convivium. Psoud. 158 prae/fctö provinciae. Capt. 915 cum cami camarium ; dagegen ist Bacch. 950 mendicdns paene interit nur Conjectur. Bei Terenz finden sich abgesehen von jenen Härten, wie Ph. 246 praeter spem. Hec. 207 inter nos. Andr. 202 ipsäm rem, die Ausnahmen Ad. 174 innueräm. 279 Quamvis etiäm maneo. Hec. 574 Ipse Mpüit vi. 198 pro deum atque hominüm fidem; nur Conjectur ist Ad. 262 Qui ignominids sibi. Im 6. Fusse ist bei Terenz beglaubigt Eun. 570 mmmonuit me Parmeno. Andr. 490 facto esset puerperae. 496 nüm veritüs? quid re- tulit. Hec. 320 ikxorim Philuraenam; unsicher ist Heaut. 982 neque me consiliö quicquam adiuvas und 226 ignäram artis meretriciae.

Dagegen werden in dieser zweiten Sorte der Septenare und Octonare die Verhältnisse des 3., 4. und 5. Fusses wesentlich verändert Im 4. und 5. Fusse tritt dann überhaupt kein betonter Wortschluss ein. Der 3. Fuss ist nicht mehr der vorletzte der Reihe; so fallt der Grund hin- weg, welcher im Dimeter an dieser Stelle reinen, jambischen Wortschluss

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verbot Darum steht in den zahlreichen Octonaren dieser Sorte nicht selten jambischer Wortschluss im 3. Fusse, so Capt. 521 und 522 Nee s^cophantiis nee fucis. Neque deprecatiö perfidiis. Unreiner Wortschluss im 3. Fusse dieser Septenare und Octonare ist nicht regelwidrig, wie in Amph. 194 Regique Thebanö' Greoni. Rud. 318 Tortis mipeTciliis con- tracta. Hec. 250 Nunc video in ülarüm potestate. Eun. 1035 Inventor inceptör perfector. Eun. 379 Quo trudis? ^evculert^ iam tu me, allein ziemlich selten, besonders bei Terenz. Der Grund dieser Erscheinung ist mir noch nicht klar. Vielleicht liegt er in einer zweiten Caesur; die lange Reihe ron 4^/2 Füssen findet sich nicht immer, aber sehr oft durch eine zweite Caesur vor der 3. Hebung gegliedert.

Während Ritschi den Bau des jambischen Octonars für imregel- mässig erklärte, erhellt aus diesen Darlegungen, dass der Bau des jam- bischen Septenars und Octonars sich in gleicher Weise den Gesetzen der altlateinischen Dipodien- und Caesurenbildung fügt.

Die Caesuren des trochäischen Septenars.

Im trochäischen Septenar, welchen Plautus sehr gern, Terenz minder gern anwendet (Plautus hat 8700, Terenz etwa 1200), tritt die Eigenart der Römer zunächst in den Caesuren klar hervor. Die griechischen Tragiker theilen die Langzeile stets nach dem vierten Trochäus: ßad^v^io- rury ävdaoa | ne^aidiov vTicirrdTf]. Dieselbe Theilung haben die griechi- schen imd lateinischen Lustspieldichter, aber nicht immer, sondern nur meistens. In den Fällen nun, wo nicht jene regelmässige Theilung ein- tritt, zeigt sich bei den Griechen völlige Freiheit, bei den Lateinern ein strenges Gesetz. Von den 155 trochäischen Septenaren in den Vögeln des Aristophanes, welche ich zum Beispiel wähle, sind 120 nach dem 4. Trochäus getheilt, 35 nicht. In diesen 35 Zeilen finden sich nun alle möglichen Verbindungen der Silben des 4. und 5. Fusses; nemlich 273 ßaßai xa \ log ye. 1115 wg v \ judiv og, 282 aU' ov \ rog fiiv. 1079 onivovq naj \ kel xaS^. 279 xaretkrj \ (pioc, rtg, 297 ixeivoa | / J'f. 361 7i()oo I (^ov Xaßwr, 294 oQag u | aov ^vveikextai. 1071 &riiue()(jc /Lid | Xiar^ inayayoQsvBrai, 374 X(fV^^ \ 1^^^ didd'S^biav. 367 ctJ ndv \ tü)v xdxioxa. 307 v(nv OL I i^oi xex^vcnoiv, 1076 aTioxrei | yrj rdXavroy, 291 17 X6 | yco- oig, 306 xa\ r()e \ xovoi. 794 ri/g yv | vaixog. 372 (^€V(i r] | xovaiv,

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799 €l&' %7in I aifxos. 785 ov(P ri \ diw, 1117 toig oq \ yim. 791 ig ^01 I fiariov, 355 (pi>yo} Sva \ rrjyog, 383 x^^^^ ^'^ \ 1«^'^- 1080 xiylag (hi I xrvai. 1101 ßovko | fisoS^a. 1113 Tipi^o | ptSra^. 788 ^pi | arriaey. 798 Tii^rt I i'aia. 1086 afilAiy | (p&eyreg. 1108 xa;?iL€' | xpovai, 1114 /ceil- ;f6t; I 6a^€. 286 7i()üaexrik | Xovaiv. 1106* cTiiil«^' | xpovai, 299 nrjvikoif/ I xfirijt Jf. 1110 olx/a^ I Qeipofxey. Alle denkbaren Combinationen finden sich hier: die Hebung des 5. Trochäus bildet bald den Schluss eines zwei- oder mehrsilbigen Wortes, bald folgen ihr noch eine, seltener natürlich, weil dann mindestens viersilbige Wörter nöthig sind, zwei oder mehr zu demselben Worte gehörige Silben J)

Welche Caesur die altlateinischen Dichter im trochäischen Septenar beobachtet haben, darüber handelt am ausführlichsten Ritschi (Proleg. 274): 1) legitima caesura post quartum trochaeum^ 2) vicaria post quartam arsim, cui pleriunque accedit post quintam thesim caesura podica 'üt rem patriam et glöriam maiorum foedarim meum\ 3) post quintam arsim, adventiciam plerumque habens podicam caesuram post tertiam arsim. Diese 3. Art, zu deren Annahme Ritschi durch den Vers Trin. 604 'Quoi homini de- spöndit. Lysiteli Philtonis filio' verführt wurde, beruht nur auf einem Irrthum Ritschis, den er selbst schon anzudeuten scheint in der Note zum Trin. 661 (2. Ausg.) 'non satis recte de hoc genere universo statui Proleg. 149. 247.' 275\

Die zweite der oben genannten Caesuren, die nach der 4. Hebung, ist wohl angenommen worden, indem man Reisigs Irrthum bei den La- teinern nachahmte. Diese Caesur wird von den Metrikern allgemein anerkannt: allein auch diese Caesur existirt nicht. Eine Caesur besteht doch nicht blos darin, dass an der betreflFenden Stelle ein Wort aufhört, sondern sie erfordert auch eine bestimmte Bildung der vorangehenden Silben. Die Gesetze für diese Bildimg der Caesur sind nicht die nem- lichen, aber ähnliche, wie für die Bildung des Zeilenschlusses. Bei

1) Ich habe die Stellen ausgeschi-ieben, da man auch hier wiederum bei den griechischen Komikern Gesetzmässigkeit finden wollte. Reisig (Coniect. in Aristophanem 1816 p. 127) und Andere nach ihm wollten neben der regelmässigen Caesur nach der 4. Senkung noch die Caesur nach der 4. Hebung als regelmässige nachweisen; allein die Fülle der übrigen Ausnahmen (die natürlich in vielsilbige Wörter fallen) beweist, dass, wenn einmal die gewöhnliche Caesur nach der 4. Senkung aufgegeben war, überhaupt keine Regel mehr galt.

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trochäischer Caesur ist gestattet, dass die letzte Senkung eine Länge sei, dass die vorangehende Hebung aufgelöst werde, auch dass verschieden- artige Elision vor oder nach der Senkung vorkomme; gemieden ist, wie oben (S. 50) bemerkt, der Fall, dass die Senkung ein einzelnes ein- silbiges Wort und die vorangehende Hebung Schlusssilbe eines längeren Wortes sei; verboten aber ist, dass die Senkung durch zwei Kürzen ge- bildet werde. Strenger ist die jambische Caesur gebaut. In den jambi- schen Septenaren und Octonaren darf die 4. Hebung durch ein einzelnes einsilbiges Wort, auch mit vorangehender oder folgender Elision gebildet werden, sie darf sogar, wie der Zeilenschluss, durch eine kurze Silbe mit folgendem Hiatus ausgedrückt werden. Allein weder darf die 4. Senkung durch zwei Kürzen oder eine Länge, noch darf die 4. Hebung durch zwei Kürzen gebildet werden.^)

Unten habe ich die sämmtlichen Verse zusammengestellt, in welchen die 4. Senkung und 5. Hebung sicher ein Wort bildet, also nicht die regelmässige Caesur nach der 4. Senkung stattfindet. Von diesen haben allerdings weitaus die meisten nach der 4. Hebung Wortende (aus einem nachher darzulegenden Grunde), also scheinbar die oft angenommene Caesur. Wenn nun die 4. Hebung Wortende bildet, so muss dieses nach dem Dipodiengesetze jambisch sein, z. B. Trin. 364 non multa quäe nevolt eveniunt, nisi fictor malust. Wenn dagegen die 4. Hebung durch ein selbständiges Wort gebildet wird, dann ist sehr oft die 3. Senkung durch eine Länge gefüllt oder die 4. Hebung aufgelöst, z.B. Trin. 1148 conmentust. Quin conlaüdo. Trin. 853 condüxit, übi conduxit. Aul. 644 fiet nisi fatere: im ersteren Fall kann also von einer jambischen, im letzteren kann überhaupt von irgend einer Caesur nach der 4. Hebung nicht die Rede sein. Da aber die Zahl solcher Verse sehr gross ist, so ergibt sich, dass in den trochäischen Septenaren eine regelmässige Neben- cäsur nach der 4. Hebung sich nicht nachweisen lässt.

Damit ein sicheres ürtheil möglich wird, stelle ich hier die sichern Fälle zusammen, in welchen bei Plautus und Terenz die 4. Senkung mit

1) Auch vor der jambischen Caesur der kretischen und bacchischen Tetrameter (vgl. spätrr) darf weder die Hebung aufgelöst noch die Senkung durch eine Länge oder zwei Kürzen geftillt werden.

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der 5. Hebung ein Wort bildet und der 4. Senkung nicht Elision voran- geht, also die sämmtlichen Fälle, in denen die regelmässige Caesur nach der 4. Senkung sicher nicht eingehalten ist. Dieselben sind bei Plautus: Amph. 267 moresque hüius habere. 286 veni huc invenies. 297 est: nunc propterea. 338 eri perierunt. 616 rairä. sed vidistin. 655 anio: praesertim. 860 Naucrate id cognato (cognato id codd). 962 iam vos redistis. 971 potest paräta. (513 lectus übi cubuisti?) Dann 356 horunc servüs suin (sum servus die Ausgaben); femer 269 suo sibi malitia a. 605 nescioquid est mali mala öbiectum. 707 salutare. In- vitabis. 973 diligentem ut. 1117 nimis formidolosum. Asin. 145 fame mansuetem. 233 perii: est relicuom. 255 vetus versütum. 372 imitabor Sauream caveto (Sauream imitabor cav. codd) 378 scio patiere. Aulul. 589 sententia servire. 644 fiet, nisi fatere. 180 magister

quem dividere argentum. Bacch. 461 mterest aetatis. Capt. 306 insueram nunc alterius. 326 lucrum lutulentos. 962 nam m rubörem. 1032 suppositio nee argenti. 343 iusserls mandata ita üt 804 dorn! prohibete a. 316 filium tuum, tarn pater me. 580 ipse neque praeter se umquam ei. (1007 Attat sciö, cur te patrem ädsimules esse et me filium, esse ädsimules Bentley). Gas. 295 sortiendo sörs. Cure. 342 novisse. Quid? lenonem. (554 aegrota, si lubet, per me aetatem). 604 soleo: nam propter eas. (537 non edepol nunc ego te mediocri macto infortünio codd,^ n. ed. ego nunc med. macto te inf. edd.) Epid. 69 iussit. eo venturust. 239 exaudibam nee sermonis. 618 Quippe ego quoi libertas. (626?) 673 lUe quidem Volcani iratist filius. (546?). Menaechmi 641 potes celäre. 825 Menaechme, sätis iocatus. (827?) 1086 igitur hüc concede. Merc. 216 dicebam, mihi credebat. 923 patri vehementer. 619 carnufex quandoquidem occepisti. Miles 208 incoctum nön expromet. 604 resciverint inimici. (783 facetiarum <^cör^ corpusque). 986 illiust, quae hinc egreditur. (193 confirmita- teni). 223 Interclude inimicis commeätum, tibi muni viam codd.. (int. commeatum inimicis Bitschi). 966 Nüpta et vidua esse eadem. Quia adulescens nuptast cum sene. Most. 306 gaudeänt perpetuo. 310 sodalis, qui hüc incedit. 376 exsurge: pater advenit. 830 quidem ut conivent. 831 quidque mägis contemplor. 984 Herculi conterere. 812 inridere ne videare et gestire. Persa 656 libera eris actutum.

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Poen. 856 male mihi est. Memoradmn. 888 Giddenemem nutricem eärum (cod. A). 496 araanti, qui quicqmd agit properat. 545

respondere. Rud. 423 lUud quidem subaquilmn. 646 audeat violare^ 1049 sistara: ne timete. 574 da mihi vestimenti aliquid. 660 pedi- bus hüc itidem quasi occisäm. 1119 dicere, eam senex, te. 1103 si

parum intellexti. Stichus 568 m pyelum: ibi fovebo. 759 proinde ut consuetus. Trin. 364 nevolt eveniunt. 370 prohibeas accipere. 656 gloriäm maiorum. 853 conduxit, übi conduxit. 1147 Megaronides con- munis. 1148 conmentust. Quin conlaudo. (675 facis incendio mcen- des). 845 Seleuciä Macedonia Asia. 646 honorem: tu fecisti ut. 338 malitiäst tolerare ei egestatem. 1049 quippe eorum ex ingenio ingenium. 1145 posset intellegere.

Hiezu kommen bei Plautus die scherzhaften Verse Capt. 285 Quid erat ei nomen. Thensaürochrysonicochrysides und 633 Füitne huic pater Thensaürochrysonicochrysides. Dazu Amph. 344 Ain vero. Aio enim vero. Verberö. Mentiris nunciam (iam fehlt in den codd.). Trin. 604 Quoi homini despöndit Lysiteli Philtonis filio.

Bei Terenz findet in folgenden Versen sicher die Caesur nicht nach der 4. Senkung statt:

Andr. 358 vidisse mihi molestum. 364 neminem matronam. 377 iniuriüs videatur. 896 fateor si id peccarest. 907 msolens. Evenit^ 326 nunc te per amicitiam et. Eun. 1061 salvete tu fortasse. 1068 aüdiamus. Tu concede. 704 virginem vitiatam esse. Age. 762

prospicere quam hünc ulcisci accepta. Heaut. 599 meretrix. Ita

videtur. 883 Chremes cessare. Ehem (Em?), Menedeme. 961 feci, tibi prospexi et. 963 habere neque consulere in. 1041 fallaciäs adducere ante. Phormio 199 Huius patrem vidisse. 535 quod hie si pote fuisset. 551 asportabitiir terrarum. 863 pallio: resupmat. 1037 prius

i. 3 5 t

quam huic respöndes. 1045 videro: eins iudicio. 881 missus sum te üt requirerem atque. 1038 trigmta per fallaciam ab illoc. 559 red- dam. 0 lepidum. Auf er te hinc. 1042 quo ore illum obiurgabis. Hecyra 220 mirum, et ni id fecisset. 370 illis fors optulerat. 379 miseritümst. profecto hoc. 234 detrimenti. Adelph. 627 credant: tot concurrunt. 972 Credo : utinam hoc perpetuom. 591 sorbiläns pau-

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latim huna 633 ubi pultare hasce occipio. 967 psaltria häc emunda hie. 983 optume. 0 pater mi.

Dazu kommen: Phorm. 327 Quöd me censes hömines iam dever- berasse usque ad necem und Ad. 700 Quid? iam uxorem. Jam. Jam? Jäm quantum potest (potes codd,), Di me pater.

Diese Zusammenstellung spricht selbst: in 87 Versen des Plautus und 33 Versen des Terenz findet sich keine Caesur nach der 4., aber eine feste Caesur nach der fünften Senkung. Diese Caesur ist regelmässig gebildet, indem die Senkung niemals durch 2 Kürzen und nur sehr selten durch betonten Wortschluss mit einem einsilbigen Wort gebildet ist (pater mi, senex te etc. Amph. 605. Capt. 316. Cure. 554? 537? Rud. 1119. Adelph. 983; servus sum Amph. 356. aufer te hinc Phorm. 559. praeter se Capt. 580. Capt. 1007? itidem quasi öcc. Rud. 660; propter eas Cure. 604. quidquid agit Poen. 496); am Ende des fünften Fusses findet ziemlich oft Elision statt, allein selten harte (Epid. 673 Voleani irätist füius; Aul. 180. Merc. 619; Poen. 888; Irin. 338? 1049. Eun. 762). Ohne Caesur nach der 4. oder 5. Senkimg wären also bei Plautus 4, bei Terenz 2 Verse. Von den 4 Versen des Plautus sind Capt. 285 imd 633 durch das scherzhaft gebildete überlange Wort völlig, Trin. 604 durch die beiden Eigennamen einigermassen entschuldigt. Die eine, nicht zu entschuldigende Ausnahme Amph. 344 ist unsicher; wenn die Ergänzimg des Schlusses richtig ist, dann lässt sich vielleicht durch Einschiebung von o helfen: Verbero. (oy mentiris nunc <^iam^.^) Diebei- den Ausnahmen bei Terenz scheinen unanfechtbar.

In weitaus den meisten der oben gesammelten Stellen tritt nach der 4. Hebung Wortende ein, dem ein drei- oder mehrsilbiges Wort folgt, wie habere, invenies, perierunt. Das ist natürlich, denn wenn auch noch die 4. Hebimg oder gar die 3. Senkung in das eine Wort fallen sollten, mussten sehr lange Wörter stehen. Diese sind aber selten, darum auch jene Fälle: Amph. 707 mritabis; ähnlich 973; Cas. 295. Poen. 545. Rud. 1103. Trin. 1145. Amph. 1117 formidolosum. Phorm. 1042 obiurgäbis. Hec. 234 detrimenti.

1) Trin. 329 *D^ meo, nam quod tuümst meiimst; omn^ meum aut^m tuumst' ist schon durch die Elision in 'meum est' entschuldigt.

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Für Plautus und Terenz ergibt sich also aus den obigen Versen die Regel: der trochäische Septenar hat in der Regel Caesur nach der vierten Senkung; wird diese Caesur nicht eingehalten, was aber sehr viel seltener geschieht als bei den griechischen Komikern, so tritt nicht wie bei jenen völlige Freiheit oder Willkür ein, sondern dann ist bei den altlateinischen Dichtern nur eine andere Caesur, nach der fünften Senkung, gesetzmässig.

Die Elision in der Caesur bedarf auch hier besonderer Be- handlung. Wie in den Senaren, so sind auch in den trochäischen Sep- tenaren Caesurschlüsse, wie fortunam hanc oder fortunae imperät, nicht selten. Dagegen die genauere Untersuchung der Schlüsse, wie expectatum amicae, in denen nur durch Annahme der harten Elision (vgl. S. 23 u. 61) die regelmässige Caesur gewahrt würde, ergibt auffallende Resultate.^) Ich notirte in Plautus etwa 204, in Terenz 61 trochäische Septenare, deren 4. Senkung durch einen Schlussvokal und einen anlautenden Vokal ge- bildet wird. Bei Plautus bildet dann in 13 Fällen die 5. Senkung und 6. Hebung ein Wort, wie in Aul. 642 intemperiae insäniäeque (Amph. [319]. Capt. 491. eist. I, 1, 88. Cure. 556. Epid. 551. Mil. 440. [1208]. 1359. Pseud. 1312. Stich. 76. Irin. 367) und in dem sehr harten Verse Cist. II, 1, 41 iamdudum omnem meäm sententiam; bei Terenz in 7 Fällen (Ht. 955. Hec. 401. 407. 763. Ad. 684. 705 und Eun. 1092 quin me om- nes amarent.^) In diesen Fällen muss die regelmässige Caesur nach der 4. Senkung mit harter Elision angenommen werden. In etwa 1 8 Versen des Plautus und 5 des Terenz (auch Andr. 820) hat man die Wahl harte Elision nach der 4. oder nach der 5. Senkung anzunehmen, wie z. B. Aul. 588 molestiaeque imperium erile; Mil. 1360 Jäm non posssum: amisi omnem lubidinem; in diesen Fällen wird man eher die gewöhnliche als die ungewöhnliche Caesur mit harter Elision annehmen. In den übrigen 173 Versen des Plautus und 49 des Terenz tritt nach der

1) Ritschi Proleg. p.274 bemerkt hierüber *Non in numemm (septenariorum caesuram post quartam arsim habentium) ea exempla veniunt, cum in quarta thesi desinens vocabulum elisione ultimam syllabam amittit, quae si non elideretur, nihil ad legitimae caesurae elegantiam deesset. Er nimmt also stets Caesur nach der 4. Senkung an.

2) Trin. 982 Charmid^m dedisse aurüm tibi. Scriptum quidem scheint einfacher mit Hiatus vor 'aurum* erklärt werden zu können: dedfsse | aürum tibi.

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss, XVII. Bd. I. Abth. 1 1

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5. Senkung entweder glattes "Wortende oder eine der gewöhnlichen Eli- sionen ein, und zwar steht glattes Wortende in 125 Versen des Plautus und 32 des Terenz z. B. futurum accmgar, servitutem imperiis, didici. Indoctus. Dazu gehören die 5 Verse des Plautus Amph. 326 iumentum ön6randus, As. 893. Capt. 827. Merc. 978. Stich. 550. In folgenden zwölf Versen des Plautus und Terenz, deren 5. Senkung durch ein einsilbiges Wort nach betontem Wortschluss gebildet ist, 'Amph. 303 factum heri quod. As. 900 cupio. Amat homo hie. Rud. 752 ergo uter sit. Truc. 300 perire apud nos (cod. A). Adelph. 681 promerentem ames dum. Mil. 1334 capita inter se; 1433 amplexari inter se. Stich. 727 amare inter se. Trin. 699 adfinitatem inter nos. Amph. 447 certe idera sum. (Cist. II, 2, 31 düxero mihi umquam quam?). Phorm. 559 lepidum. Aufer te hinc,^ kann man schwanken, ob man Caesur nach der 4. Senk- ung mit harter Elision oder Caesur nach der 5. Senkung mit harter Bildung des Caesurschlusses annehmen soll. In den übrigen 37 Versen des Plautus und 16 des Terenz fallt die 5. Senkung in Elision und zwar in 28 bei Plautus und 7 bei Terenz nach Art von redibo actutum id und in 9 Fällen bei Plautus imd 9 bei Terenz nach Art von lavi. Ac- cubuisti. Eüge.

Von den 204 Versen des Plautus und Terenz haben also 13 und 7 entschieden Caesur nach der 4. Senkung mit harter Elision, 29 und 6 entweder nach der 4. oder 5. Senkung entweder mit harter Elision oder harter Bildung des Caesurschlusses, die übrigen 162 und 48 haben ent- weder Caesur nach der 4. Senkung mit harter Elision oder die regelmässig gebildete Caesur nach der 5. Senkung. Wenn man nun bedenkt, wie oft sonst die 5. Senkung durch ein zweisilbiges Wort gebildet ist und wie viel öfter die 5. Senkung und 6. Hebung in einem Worte stehen z. B, in den wenigen Zeilen Amph. 275 280 5 Mal: 275 neque vergiliae, 277 gere patri, 278 das datam, 279 me vidisse, 280 quam pependi, so wird man zugeben, dass diese merkwürdige üeberzahl der Verse, in welchen nach der 5. Senkung Caesur eintritt, einen Grund haben muss. Derselbe kann nur sein, dass die altlateinischen Dichter die harte Elision sehr mieden und dass in jenen 162 Versen des Plautus und 48 des Terenz nicht die mit harter Elision verbundene Caesur nach der vierten Senkung, sondern einzig und allein die regelrechte Caesur nach der

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5. Senkung anzunehmen ist. Das Ergebniss dieser Untersuchung ist dem- nachy dass die altlateinischen Dichter auch in dem trochäischen Septenar die harte Elision nur selten angewendet haben. ^)

Bildung der Caesar Im troehäischen Septenar.

lieber die Bildung der trochäischen Caesur nach der 5. Senkung ist schon im vorigen Abschnitte bemerkt, dass dieselbe nur selten durch ein einzelnes einsilbiges Wort mit vorhergehendem betonten Wortschluss gebildet wird. Auch bei der gewöhnlichen Caesur nach der 4. Senkung ist fast nur der Fall zu untersuchen, dass die 4. Hebung betonten Wort- schluss bildet (hier des Dipodiengesetzes halber rein jambischen) und die

4. Senkung durch ein einzelnes Wort gebildet wird. Dieses einzelne Wort besteht nur selten aus zwei Kürzen: in den ungeföhr 1400 Versen des Stichus, Mercator und Trinummus zählte ich (die Verse mit mihi und neque nicht gerechnet) etwa 19 Fälle. In 13 tritt nach der

5. Senkung Caesur ein: Stich. 547 filiam bene quicum, 612 foras. Apud frätrem; Merc. 202 est tibi credere id, 456 rogo. Prius tu emis quam, 917 est. Cur. Quia non est, Trin. (316 aegritudinem, pater, parerem), 366 expetit: sed hie ädmodum ädol., 715 es bene quo agis. Stich. 74 novi ego nostros. 93 sedete: ego sedero in. 337 teuere. Ita c61eri. Merc. 984 aetatem aliam aliud; Trin. 1061 inperes. Pol ego emi atque. In diesen Versen ist die Caesur nach der 5. Senkung gewollt. Schwierig sind die Fälle, in denen die 4. Senkung durch ein Wort von zwei Kürzen gebildet ist, aber die Caesur nach der 5. Senkung nicht sich findet. In jenen 1400 trochäischen Septenaren fand ich folgende: Merc. 368 istuc quid est tibi quod commütatüst color, 999 eventurum üt tibi gratiam; Trin. 630 facis. Quid id est. Amico, 888 alterum quasi vesculum; dann Stich. 89 advorsum homini öccupemus, 760 cantionem aliquam occipitö. In den ersten vier Fällen bleibt nur die Annahme übrig, dass die Caesur nach den zwei Kürzen der 4. Senkung falle (vgl. S. 63 Note).

Viel häufiger ist die 4. Senkung durch ein einzelnes einsübif/es Wort

1) Von den 50 trochäischen Septenaren des Publilius sind 5 unsicher (A 33. F 80. N 16. 0 13. 15.), 37 haben Caesur nach der 4., 8 nach der 5. Senkung (in torm^nto H 9; vgl. Q 53. S 23. H 10. M 52. V 34; cönvenfre D 23 und das unsichere cüstodfre M 18).

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gebildet. Dann tritt in der bedeutenden Mehrzahl der Fälle die richtig gebildete Caesur nach der 5. Senkung ein, so Trin. 321 poenitet quam pröbus Sit, 956 Calliclem quoi rem aibat (vgl. 322. 700, 708. 861. 913. 929. 1039. 1057. 1062. 1083. 1141. 1143. 1162). Caesur nach der 5. Senkung ist nicht möglich in Trin. 333 quid igitur. Per cömitatem (vgl. 661 simul me pigöt parum. 703 proterritum te meäque avar.), unwahrscheinlich in 1017 non pudet te? tribusne te poteriis oder 1064 obnöxius sum: sin secus est. Unter den 1000 trochäischen Septenaren des Araphitruo und der Asinaria finden sich etwas mehr Verse, in denen vor der Caesur ein einzelnes einsilbiges Wort steht: Amph. 294 denuo volt palliüm, 308 expedit se nön feret, 366 male tuo cönpositis, 393 licet mihi libere, 630 diligens ut qui imperes, 765 obsecro te. Nimis demiror; (vgl. 592. 751.) Asin. 232 abis quod volo loqui, 241 simillumae sunt iänuae; (vgl. 529? 208).

Das Resultat dieser Untersuchungen ist also: die trochäischen Sep- tenare haben die gesetzmässige Caesur entweder nach der 4. oder nach der 5. Caesur, die erstere gewöhnlich, die letztere selten. Von den fast 10000 trochäischen Septenaren des Plautus und Terenz haben nur etwa vier keine dieser beiden Caesuren. Diese trochäische Caesur ist nur selten durch betonten Wortschluss mit folgendem einsilbigen Worte gebildet. Da die griechischen Tragiker stets Caesur nach der 4. Senkung, dagegen die griechischen Komiker etwa in jedem 5. Verse gar keine Caesur be- obachten, so kann jene strenge Regel der altlateinischen Dichter nur auf den Mann zurückgeführt werden, welcher zuerst die trochäischen Sep- tenare der Griechen in lateinischer Sprache nachahmte.

Betonte Wortschlfisse im trochäischen Septenar.

Die Zulassung von jambischen oder spondeischen und anapästischen Wörtern und Wortschlüssen mit dem Versaccent auf der Endsilbe ist bestimmt durch die Gesetze über die Dipodien, über den Ort und die Art der Caesur und die Bildung des jambischen Zeilenschlusses. Die hier zu behandelnden Thatsachen sind zum grössten Theil zusammen- gestellt in der Dissertation Heinr. Köhlers (de verborum accentus cum numerorum rationibus in trochaicis septenariis Plautinis consociatione, Halle 1877, 84 pag. Vgl. A. Lorenz in Bursians Jahresbericht XIV, 1878,

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S. 13 19), ich sage 'zum grössten Theile', weil Köhler die Wortschlüsse, in denen der Wortaccent ihm mit dem Versaccent zusammenzufallen schien, also die jambischen, nicht notirt hat; er gibt also z. B. an: wann der Uebergang vom 3. zum 4. Fusse durch Wörter wie placet me ge- bildet wird, aber nicht wann durch Schlüsse wie poenitet quam, pärietem sunt. Die (von ihm vollständig verzeichneten) spondeischen Wörter und Wortschlüsse einerseits und die anapästischen anderseits, die bei Köhler geschieden sind, habe ich addirt, da sie für meine Untersuchungen den gleichen Werth haben.

Jambische Wörter finden sich bei Plautus im üebergange vom 1. zum 2. Trochäus 770, 2/3 350, 3/4 162, 4/5 18, 5/6 516, 6/7 15; spondeische Wörter und Wortschlüsse im 1/2 Trochäus 390, 2/a 513, 3/4 22, 4/5 9, 5/6 93, 6/7 2148; anapästische Wörter und Wortschlüsse im 1/2 Trochäus 432, 2/3 260, 3/4 18, 4/5 2, 5/6 87, 6/7 720.

Das altlateinische Dipodiengesetz verlangt, dass im Uebergang vom 1. zum 2. Fusse der Dipodie nur reiner jambischer Wortschluss stehe, also soll die 2., 4. und 6. Hebung nur die Schlusssilbe von jambischen, nicht spondeischen oder anapästischen Wörtern und Wortschlüssen bilden. Dass dieses Gesetz im Üebergange vom 1. zum 2. Trochäus prinzipiell nicht beachtet wird, ist schon oben (S. 43) nachgewiesen und mit der Freiheit, welche der erste Fuss in allen Zeilenarten geniesst, ausreichend entschuldigt. Dagegen sind im Üebergange vom 3. zum 4. und vom 5. zum 6. Trochäus von Plautus und Terentius die unreinen spondeischen und anapästischen Wortschlüsse prinzipiell vermieden. Der Grund für die hie und da vorkommenden Ausnahmen ist oben (S. 44) nachgewiesen. Da in weitaus den meisten Fällen nach der 4. Senkung Caesur einge- halten ist, es aber gemieden wird, in die Caesur ein einzelnes einsilbiges Wort und vor ihr betonten Wortschluss zu setzen, die 4. Hebung also überhaupt sehr viel seltener betonten Wortschluss bildet, als die 6., so sind auch die Ausnahmen im Uebergang vom 3. zum 4. Trochäus viel seltener ^) als im Üebergange vom 5. zum 6. Im Üebergange vom 5.

1) Köhler S. 20 22, 25, 23 u. 24. Die Zahl der anapästischen Wortschlüsse ist noch ge- ringer als Köhler sie angibt; denn in allen Fällen, wie 4d alias res, findet, wie in pärietem sunt, nur jambischer, nicht anapästischer Wortschluss statt.

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zum 6. Trochäus sind, wie im 4. Fusse des jambischen Senars, unreine Wortschlüsse meistens nur dann zugelassen, wenn nach denselben ein vier- oder mehrsilbiges Wort den Zeilenschluss bildet, z. B. Trin. 648 \irtuti praepöneres, 1128 consului fideliter. Wenn die 4. Senkung und 5. Hebung ein Wort bilden, so bildet bei den Griechen die 5. Hebung sehr oft jambischen, spondeischen oder anapästischen Wortschluss. Da bei den Lateinern dann stets Caesur nach der 5. Senkung eintritt, so würde durch Wortschluss in der 5. Hebung regelwidrige Bildung der trochäischen Caesur eintreten; desshalb bildet die 5. Hebung äusserst selten jambischen, spondeischen oder anapästischen Wortschluss (Köhler S. 62, 67 und 69).

Da der jambische Zeilenschluss nur äusserst selten durch ein ein- silbiges Wort gebildet wird, so muss, wenn die vorletzte Hebung Wort- schluss bildet, den letzten Fuss ein jambisches Wort einnehmen. Da aber am Schlüsse zwei gleiche Wortschlüsse zu monoton klingen, so darf die 7. Hebung nur unreinen, nicht reinen Wortschluss bilden (S. 40).

Demnach haben Plautus und Terenz die unreinen, spondeischen und anapästischen, Wortschlüsse gemieden im Uebergange vom 3/4, 4/5, 5/6 Fusse, unbedenklich zugelassen im Uebergange von 1/2, 2/3, 6/7 Fusse, die reinen jambischen gemieden im Uebergange vom 4/5 und 6/7 Fusse, un- bedenklich zugelassen im Uebergange vom 12, 2/3, 3/4 und 5/6 Fusse. ^)

Ueber einige lyrische Zeilenarten des Plaatas.

Ich habe bis hierher nur die Gesetze der gewöhnlichen 4 Dialog- verse untersucht, da nur in ihnen eine besondere Festhaltung des Wort- accentes behauptet worden war. Es ist aber natürlich, dass der Dichter die Mittel, durch welche er dem einen Theil seiner Verse den nöthigen Wohlklang zu verleihen strebt, in dem anderen Theile nicht aufgibt. Ein flüchtiger Blick auf die gebräuchlicheren unter den übrigen Zeilen- arten wird zeigen, dass Plautus hier kein anderer ist als in den Dialog-

1) In den 50 trochäischen Senaren des Publilius sind die jambischen und besonders vor jambischem Zeilenschluss die spondeischen und anapästischen Wortschlüsse häufig, wie in I 24 In mdlis sperare b^ne nisi innocins nemo solet: dagegen findet sich ausser im Zeilenschluss nur äin unreiner Wortschluss: H 6 H^bet in adversis auxilia quin in secundis cömmodat.

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versen. Einen guten Schritt zur reineren Krkenntniss in diesen sehr schwierigen Dingen scheint mir Andreas Spengel in seinen Reform- vorschlägen zur Metrik der lyrischen Versarten bei Plautua (Berlin 1882) gethan zu haben. Ich achte besonders auf die Einhaltung bestimmter Caesuren, die Bildung der Caesur- und der Zeilenschliisse* die Gliederung in Dipodien und die Verwendung der betonten WortschlüSBe.

Trochäische Octonare.

Es ist natürlich, dass die hier vorkommenden Trochäen sich den Gesetzen der trochäischen Septenare fügen. Die von Spengel S. 135 153 zusammengestellten, durch häufigere einsilbige kurze Senkungen ge- sicherten trochäischen Octonare beobachten jene Gesetze. Sie haben fast alle Caesur nach dem 4. Trochäus; der trochäische Zeilen- schluss wird selten seltener als in den janibiscben Septenaren durch ein einzelnes einsilbiges Wort (dem dann rein jambischer Wortschluss vorangeht) oder durch zwei einsilbige Wörter gebildet Ist die 4. Senk- ung durch ein einsilbiges Wort gebildet, so findet meistens nach der 5. Senkung die regelmässig gebildete Caesur statt. Im Uebergange vom 1. zum 2. Trochäus ist unreiner, spondeischer oder anapästischer Wort- schluss häufig, wie im trochäischen Septenar; im Uebergang vom 3. zum 4. Trochäus findet er sich bei Plautus und Terenz nicht; ebenso im Uebergang vom 5. zum 6. Trochäus nur bei Terenz Hec. 289 factae essent; bei Plautus findet er sich Capt. 929 ad portum; Gas. V^ 1, 5 novom nuptum; Epid. 77 te cupio; (Men. 594 quam lUum uUuui); Vers, 202 hoc puero; Stich. 276 laetitia. An dieser Stellej im Anfange der 3. Dipodie, sind ja auch im trochäischen Septenar manchmal Ausnahmen zu finden. Von der Betonung zweier Kürzen im Wortschluss, wie Cor- pora, lässt Spengel (S. 154) 5 Fälle bei Plautus zu. Bei Terenz finden sich keine Beispiele und bei Plautus scheint mir theils der trochäische Charakter der betreffenden Verse, theils die betreffenden Stellen zu un- sicher, als dass diese Betonung von zwei sc hli essenden Kürzen, die in den jambischen und trochäischen Zeilen nur selten im L Fusse gestattet ist, gerade in den troch. Octonaren des Plautus zugelassen werden sollte.

Nun gibt es bei Plautus viele einzelne Verse und einige Reihen von Versen, die keine durch eine einzelne Kürze gebildete Senkung haben.

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sondern, so zu sagen, spondeische Octonare bilden, in denen oft die erste, oft die zweite Länge des Spondens in zwei Kürzen aufgelöst ist. Es sind zwar trochäische Octonare ohne eine kurze Senkung möglich, wie Aul. V, 1, 13 Ere divitias nimias. TJbinam. Quadrilibrem, inquam, aulam aüri plenam, allein dass mehrere nacheinander folgen, ist unnatürlich. Dann werden in diesen Versen häufig andere Gesetze der übrigen tro- chäischen und jambischen Verse verletzt : die beiden Kürzen der Senkung oder die erste sind durch Wortschluss gebildet, wie in ömnia nunc oder mülta gerünt, oder die beiden Kürzen der Hebung fallen in Wortschluss, wie in omnia nunc oder die 6. Hebung bildet spondeischen oder ana- pästischen Wortschluss. Derartige spondeische Octonare hat man vielfach ebenfalls als trochäische Octonare angesehen und behauptet, dass eben für diese Zeilenart viele Freiheiten gestattet gewesen seien, die für die andern trochäischen und jambischen Zeilenarten nicht gestattet waren. ^) Diese Sonderstellung der trochäischen Octonare ist an und für sich un- natürlich. Ein Hauptgrund gegen jene Behauptimg scheint mir der zu sein, dass in den trochäischen Octonaren des Terenz jene Unregelmässig- keiten sich so gut wie nicht finden, aber zahlreich in jenen sogenannten trochäischen Octonaren des Plautus, Plautus aber im Versbau beträcht- lich genauer ist als Terenz. Schon das beweist, dass jene Verse des Plautus keine trochäischen Octonare sind.

Anapästiseher Dimeter und Tetrameter.

Die besprochenen falschen trochäischen Octonare erklären A. Spengel und Andere für Anapäste. Wenn auch llitschl dies entschieden verwirft <Opusc. 3 S. 145), so sind doch auch von ihm unzweifelhafte anapästische Reihen anerkannt worden; so Miles 1011—1093 und Bacch. 1076 1103 Septenare und Octonare. Stich. 18 33 Dimeter. Bei den Griechen finden sich meistens entweder Ketten von fortlaufenden Dimetern, in der Regel abgeschlossen durch einen Paroemiacus zu 3^2 Anapästen, oder Reihen von Septenaren, die aus je einem Dimeter und einem Paroemiacus

1) Ritschi Opusc. 4, 401 . . prosodische Freiheiten mit sehr grosser Masshaltung innerhalb <les jambischen Senars und des trochäischen auch des jambischen Septenars, mit steigender Frei- heit in allen Octonaren zumal den anapästischen. Vgl. dagegen oben S. 75.

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mit selten verletzter Caesur nach dem Dimeter bestehen. Der rythmische Bau dreht sich insbesondere darum, in wie weit der Anapäst durch andere Fasse ersetzt werden kann. Erstlich wird das Zusammentrefifen von vier Kürzen vermieden; desshalb finden sich Proceleusmatici gar nicht und das Zusammenstossen von daktylischem und reinem Anapäst (= _i«^^-L.) nur sehr selten. Im Dimeter kann in jedem Fusse ein Spondeus statt des Anapästes stehen; in zwei Kürzen aufgelöst findet sich sehr oft die 1. und 3. Hebimg, fast nie die 4. Die 2. wird nicht oft aufgelöst; fast stets so, dass auch die 1. Hebung aufgelöst ist, wie Aesch. Agam. 62 Zevg noXvaroffog dfi(pl yvvaixog und 63 nolXa noXaiofiara xal yvioßaiff}. Der 1. Fuss des Paroemiacus = dem 5. des Septenars kann auch durch Spondeus oder Daktylus gefüllt werden. Der 2. Fuss des Paroemiacus wird durch dep dritten bestimmt. Wie die Griechen den 7. Fuss des jambischen Septenars, obwohl es der 1. Fuss einer jam- bischen Dipodie ist, dennoch, weil es eben der letzte vollständige Fuss der Zeile ist, stets rein bildeten, also die 7. Senkung nicht durch 1 Länge oder 2 Kürzen ersetzten und die 7. Hebung nicht auflösten, so hielten sie den 3. Fuss des Paroemiacus = dem 7. Fusse des anapästischen Septenars sogar völlig rein, bildeten also dessen Senkung nur durch 2 Kürzen und lösten dessen Hebimg nicht auf. Da nun dieser Fuss nur ein reiner Anapäst sein darf, so darf, damit nicht 4 Kürzen zusammen- stossen, auch die Hebung des 2. Fusses des Paroemiacus = der des 6. Fusses des Septenars nicht aufgelöst werden.

In den anapästischen Versen desPlautus finden wir theils ähnliche Gesetze, theils neue. Es finden sich Paroemiaci, Dimeter, Septenare imd die aus der Verbindung von je 2 Dimetern entstandenen, den Griechen fremden Octonare. Die Septenare und Octonare haben die regelmässige Cnesur nach dem 4. Anapäst; die wenigen Ausnahmen (Spengel, Reform vor- schlage S. 325) haben die Caesur in oder nach der Senkung des 5. Fusses. Merkwürdig ist der überlegte Plan, der im Bau der Anapäste zu Tage tritt. Die prosodischen Regeln der Anapäste sind von denen der Jamben und Trochäen weit verschieden, wenn auch die Art und die Grenzen der in den Anapästen gestatteten Freiheiten zum Theil noch strittig sind. Gar nicht vergleichen lässt sich hiemit die unbedeutende prosodische Eigenheit der griechischen Anapäste, wornach hier wie in den Daktylen Abb. d. L OL d. k. Ak. d. Wiss. XVÜ. Bd. I. Abth. 12

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lange Vokale oder Diphthonge vor Vokalen verkürzt werden können z. B. yjfvainv ovrog^ was in Jamben und Trochäen nicht die Regel ist. (Porson, Praef. Hec. p. 58.)

Auch die rythmischen Regeln für den Bau der Anapäste sind weit verschieden von jenen der Jamben und Trochäen. Gewöhnlich findet man den Unterschied darin, dass jene strengen Regeln über die Bildung und über die Verbindung von Senkung und Hebung, welche oben für die Jamben und Trochäen nachgewiesen sind, in den Anapästen nicht beobachtet worden seien. Es ist wahr, jede mögliche Bildung und Ver- bindung der Senkung ist gestattet, nicht nur die in den Jamben und Trochäen erlaubte, wie Stulti stolidi fatui fungi; Operam date dum mea facta itero est; Patere ätque asta tibi ego hanc do operam; sondern auch die dort verbotene, wie Quam mägis in pecforc meö foveö ; Aequom es5e ^uto. Wenn die Hebung durch eine Länge gebildet ist, so mag sie mit der vorausgehenden und folgenden Senkung sich verbinden oder nicht, wie sie will; ist sie dagegen in zwei Kürzen aufgelöst, so treten bestimmte Regeln ein. Das von den Griechen gemiedene Zusammentreffen von vier Kürzen ist bei Plautus in den anapästischen Reihen nicht ge- mieden; es ist sowohl Proceleusmaticus als das Zusammenstossen von daktylischem und reinen! Anapäst gestattet, so animüle; honum habe dni- mum und nullümst hoc stolidius säxum; ^\tis et hominem. Wenn ferner die zwei Kürzen der Hebung Wortanfang oder Wortmitte bilden, oder ein besonderes zweisilbiges Wort oder zwei einsilbige Wörter einnehmen oder Schluss und Anfang von zwei längeren Wörtern bilden, in all diesen Fällen kann durchaus die 1., 2., 3., 5., 6. und 7. Hebung der Dimeter und Octonare, und die 1., 2., 5., 6., ja sogar die 3. bezw. 7. Hebung der Paroemiaci und Septenare aufgelöst werden ; denn wie in den jambischen Septenaren die Bildung des 7. Fusses dieselben Gesetze und Freiheiten hat wie die des 2. und 6. Fusses (vgl. S. 50), so auch in den anapästi- schen Septenaren. Also sind erlaubt: Omm'a me mala consectantur ; Ita miles memoYdkt iweretricera; Reliceioiw id auri factum quod ego ei stultis- sumus hömo promisissem; lUa omnia sed more iwodesto; buccones; ex- crucior; te missast; me faciam; tuos digitos decorat; exörare ex te; huc ad nos; sogar inlicere huc; scire puto me; abln hinc; itä sum.

Dagegen ist die Auflösung der Hebung in 2 Fällen untersagt:

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1) die Hebung, welche Zeilen- oder Caesurschluss bildet, also die 4. Heb- ung des Diraeters und Octonars wie die 8. des Octonars flarf in keinem Falle aufgelöst werden, ebensowenig als die Zeilen- odei* Caesurschlusa bildenden Hebungen der jambischen, trochäischen, kretischen und bacchi- schen Reihen. Desshalb hat Ritschi mit Recht Bacch. 1197 die Lesart der Handschrift censes sumere umgestellt zu sumere censes (vgl. noch Spengel Reformv. S. 326). Wenn 2) die beiden Kürzen der aufgelösten Hebung die Schltisssilben eines längeren Wortes bilden, wie corpöra und facilia, so darf die 1. und 3. Hebung der Dimeter, Septenare und Octo- nare, die 5. und 7. Hebung der Octonare und die 5. Hebung der Sep- tenare so aufgelöst werden; dagegen die 2. und 6. Hebung der Paroemiaci und Dimeter, der Septenare und Octonare und die diesen Hebungen gleichstehende 3. Hebung der Paroemiaci = der 7. Hebung der Septenare dürfen nicht durch die zwei schliessenden Kürzen eines längeren Wortes gebildet werden. Es finden sich die beiden Schlusskürzen eines längeren Wortes als 1. Hebung in etwa 24 sicheren und 7 minder sicheren Fällen; als 3. Hebung in 18 sicheren und 19 un- sicheren Fällen; als 5. in 20 sicheren und 7 unsicheren und als T.Heb- ung in 12 sichern, 10 unsicheren, also im Ganzen in 74 sicheren und 43 unsicheren Fällen. Dagegen sind nur etwa 7 Fälle durch die Hand- schriften überliefert, in welchen die zwei Schlusskürzen eines Wortes die 2. oder 6. Hebung bilden: Cure. 140 Quae tuo guttüri sit mönumentunL Pers. 781 Ita me Toxilus perfabricavit. Poen. V, 4, 14 per quem vivimus vitalem aevom. Pseud. 177 multa huc ab ^xmiorihus conveniant (multa I huc ab amatöribus conveniant?). Stich. 43 Et si lUi improM sint ätque aliter; dann die schlimmen Dimeter Gas. III, 6, 20 num quid 6st ceterum quod moräe sit und Gurc. 127 in se merum avarzfer faucibus plenis. Ausserdem finden sich bei A. Spengel, der die meisten Anapäste annimmt, noch an etwa 26 (17 + 9) Stellen zwei Schlusskürzen als 2. oder 6. Hebung; allein entweder ist in denselben die Lesart otler die Abtheilung der Verse unsicher, oder (und desswegen ist die Zahl dieser Stellen ziemlich gross) es ist überhaupt fraglich, ob wit^ dort Anapäste vor ims haben.*) So zeigen die vier nahe bei einander stehenden, regel-

1) Von den SteHen, in welchen- in. regelmässiger Weise die 1., 3., 5., 7. Hebung duroh Kwei

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widrigen Diineter bei Spengel,- Trin. 239 Blajidiloquentultis harpägo men- dax. 240 Cuppes eUgans despöliator. 246 Et istoc si amplius^ vis dari dabitür. 251 Nox datür ducitur familia tota, dass entweder hier über- haupt keine Anapäste vorliegen oder dass Spengel den Text nicht richtig construirt hat.^) Das ist klar: die Rolle, welche in den jambischen und trocbäischen Reihen die auf der Endsilbe betonten spondeischen und ana- pästischen Wörter und Wortschlüsse spielen, wird in den anapästischen Reihen von den Hebung bildenden Schlusskürzen übernommen. Wie jene

Schiusakürzen ersetzt ist, scheinen folgende ziemlich sicher; Aul. 717 cred^re. 724 perdfdi. Bacch. 1092 perdftus sum. 1093 omnfa . . omnibus exit. 1094 Chrysilus me . . ChrylÄlus me. 1167 red- ditis npbis. 1179 omnia. 1180 nemfnem det. 1181 victibus. 1183 Chrysälus. 1184 alt^rüm tant. 1185 redditur. 1194 dmis^ris post. 1197 sum^re. Cos. 2, 2, 6 Murrina (2, 3, 1 omnfbus reb.). 2y 2, 4 utier ömnibüs quod. 3, 6, 2 ilfco . . ih'co. Cure. 146 morfbus. Men. 853 stemfte. 358 plurumum. 361 animüle. Mü. 1030 denfque. 1076 vend^re. 1088 dicito. Pers. 173 litt^ras sciret. 174 interlm tu. 181 lib^ra mea. 753 hostibus victis civfbus salvis. 757 dividäm praedam. 761 facilfa. 762 impröbus . . redddre. 763 Toxile. 766 omnfa . . mutda. 768 temp^ri . . temp^rl. 769 ponite. ' 780 pessümus. 784 Toxflus. 787 rediärit. 789 Dordälus. 790 Dorddle homo lepi- dissüme salve. 845 Dordälus. Poen. V, 4, 2 vis^re; 6 AraWus. 14 Jupfter qui. 16 perdidl. 18 omnfa faci^t Juppfter faxö. Pseud. 177 mundra. 230 Pseudöle. 597 septdmäs. 598 Symbölum me. 948 savfa. Rud, 221 pectöre. 222 perdidl. 223 omnfa . . omm'bus. 224 quaerdre . . aurf- bus. 931 navfbus. 934 oppidiim magnum. Trin. 821 fluctibus. 829 parcdre. 835 turbinSs venti. 837 scind^re. Truc, 1, 2, 15 referimus gratiam furibus nostris. Mehr oder minder un- sicher scheinen die betonten beiden Wortkürzen in folgenden Stellen (ich zähle die sämmtlichen von A. Spengel Keformv. angenommenen anapästischen Zeilen durch): im 1. Fusse von Pers. 777. Rud. 933. Stich. 12. Trin. 250. 279. 28i». 298; im dritten Fusse von Bacch. 639. Pers. 181. Poen. 5, 4, 4; 8; 10. Pseud. 184. 603. 1323. Stich. 11. Trin. 239. 243. 249. 251. 277. 279. 283. 288. 297. Truc. 2, 7. 8. im fünften Fusse von Bacch. 1151. 1159. Pseud. 236. 1131. Rud. 962. im sieben- ten Fusse von Cas. 2, 2, 38. 2, 3, 1. Pers. 774. 775. Rud. 936. Trin. 336. Truc. 1, 2, 8; 16. 2, 7, 7; 44. Die unsicheren Stellen mit betonten Wortkürzen im Schluss der anapästischen Di- podie, also im 2. oder 6. Fusse, sind bei Spengel folgende : Aul. 722 optülit famem. Cas. 2, 2, 34 omnia; 2, 2, 39 otium. 4, 4, 4 vestiat. Oist. 2, 1, 8 appätit raptat; 11 morfbus; 12 perdftÖ. 4, 2, 33 attfnet. Most. 861 expätunt. Pers. 779 miserrümus. Poen. 5, 4, 10 cetäris. 15 sospftem. Pseud. 586 oppfdum. 947 pocüla. 1134 commöror. Rud. 926 conscius. Stich. 13 impröbi viri offi- cio xxU. 45 Omnibus. Trin. 239. 240. 246. 281 siehe oben. 293 artfbus. 295 vivfto. Truc. 1, 2, 14 praedonfbus. 2, 7, 19 impdlit.

1) Ein Theil der obigen daktylischen und proceleusmatischen Wortschlüsse wird von Manchen aus prosodischen Gründen nicht als solche anerkannt werden, indem dieselben (vgl. Christ Metrik § 286) z. B. päntic^, symboldm betonen oder in Wörtern wie libSräs, neminem vor den Buchstaben 1 m n r den Ausfall des kurzen Vokales annehmen. Es ist hier nicht der Platz zu prosodischen üntersuchimgen. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass jene Schlüsse wie pänticös und libSras sich nur in den ungeraden Füssen, nicht aber im Schlüsse der Idpodien, geschweige im Schlüsse der Zeilen oder Halbzeilen finden. Da sie sich also da nicht finden, wo Daktylen verboten sind, da- gegen dort finden, wo Daktylen erlaubt sind, so bleibt der Schluss, dass sie als Daktylen und nicht als überall erlaubte Anapäste and Spondeen behandelt wurden.

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Schlußßsilben von spondeischen und anapästischen Wörtern und Wort- schlüssen nicht die 2. Hebung der jambischen und trochäischen Dipodie und nicht die ebenso behandelte 7. Hebung des jambischen Septenars bilden durften, so dürfen diese zwei Schlusskürzen nicht die 2. und 6. Hebung der verschiedenen anapästischen Verse und nicht die 3., re- spektive 7. Hebung der anapästischen Paroemiaci und Septenare bilden. Damit ist auch schon der Grund dieses Gesetzes gegeben: das Dipo- diengesetz der anapästischen Zeilen. In den anapästischen Versen gelten dem Plautus daktylische oder proceleusmatische Wörter und Wortschlüsse als unrein; diese dürfen daher nicht die Zeilen und Caesur- schlüsse, nicht die Schlüsse der Dipodien und nicht den wie Dipodienschluss behandelten 3*, respektive 7. Fuss der Paroemiaci imd Septenare bilden.

Seneca hat über 1600 anapästische Dimeter. Dieselben haben sämmtlich nach der 2. Hebung Wortschluss, so dass sie ebensogut als Monometer angesehen werden können. Das mag Seneca so eingerichtet haben nach dem Vorbild der Griechen, welche gern mit der 2. Hebung ein Wort abschlössen. Ferner wird die 2. Hebung ebensowenig aufgelöst als die 4. Das ist wohl weder eine Nachahmung der Griechen, die, wie oben erwähnt, nicht gern die 2. Hebung auflösen, noch eine Weiterbild- ung des altlateinischen Dipodiengesetzes, sondern die Folge der strengen lateinischen Gesetze über die Bildung der Zeilen- und Caesurschlüsse, die natürlich das Ende einer rythmischen Reihe nicht durch eine aufgelöste Hebung bilden lassen.

Wenn wir auch erst anfangen, den Bau der plautinischen Anapäste zu erkennen, so viel ist doch schon jetzt sicher, dass in ihrem Bau ein ebenso bestimmter und ein ähnlich ausgeführter Plan herrscht, wie in dem Bau der altlateinischen Jamben und Trochäen.

Daktylen bei Plaatns!

Jamben und Trochäen, Kretiker und Bacchien, endlich Anapäste kommen anerkanntermassen in den lyrischen Theilen der plautinischen Lustspiele ziemlich viele vor. Manche kleineren Stellen und einzelnen Zeilen sind noch strittig. Diese zum Theil als Daktylen zu erklären, ist so gut wie niemals versucht worden und überhaupt sprechen die Plautus- forscher niemals von daktylischen Reihen. Rücksicht auf das griechische

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Vorbild kann das nicht bewirken. Denn zum Aufbau der griechischen Cantica sind Daktylen, wenn auch in massigem Umfange, benätzt worden. Dann ist es kaum denkbar, dass Plautus, welcher offenbar mannigfache Rythmen liebte, einen der wichtigsten Versfüsse gar nicht benützt habe. Wahrscheinlich hat bei Plautus desswegen Niemand an Daktylen gedacht, weil an sehr vielen Stellen Daktylen mit aufgelöster Hebung an- genommen werden müssten. Solche finden sich allerdings bei den Griechen nicht; allein ich sehe nicht ein, welchen Anstoss sie bei den altlateini- schen Dichtern geben könnten. Der Bau der beiden parallelen Füsse, der Jamben und Trochäen, ist bei ihnen völlig ausgeglichen, und so auch in der Senkung der Trochäen zwei Kürzen zugelassen, die bei den Griechen verboten waren; in den Anapästen ist die Aufeinanderfolge von vier Kürzen gestattet, die in den anapästischen Systemen und Septenaren der Griechen verboten war. Wurde nun auch der Bau der beiden parallelen Füsse, der Anapäste und Daktylen, ausgeglichen, so ergaben sich für den Bau der Daktylen die Freiheiten der Anapäste, also freie Bildung und Verbindung der Senkung, wie mültä timebunt, ömnia nunc, facillä, und die Auflösung der Hebung. In den erhaltenen Hexametern aus den An- nalen des EnniiAS nehmen manche Gelehrte einige aufgelöste Hebungen an (vgl. Hermann doctrina metr. S. 347; Christ» Metrik § 183). Wenn auch Ritschi (Opusc. 4 S. 107. 415) leugnet, dass Ennius, der Schöpfer des kunstmässigen lateinischen Hexameters, solche Abweichung von dem griechischen Vorbild sich gestattet habe, so nimmt er doch selbst in den volksthümlichen Hexametern der Sortes solche Auflösimgen an, wie Post quam cedderdni. Diese Freiheit im Bau des Hexameters erklärt sich am einfachsten, wenn bereits die Dramatiker daktylische Reihen mit auf- gelösten Hebungen kannten. Demnach liegt kein Grund vor, der a priori die Anwendung von Daktylen und die Auflösung ihrer Hebungen bei den altlateinischen Dramatikern unwahrscheinlich machte. Es käme darauf an, Merkmale zu finden, wann solche Reihen von Füssen, deren Senkung und Hebung sich metrisch gleich sind ("J~3^"_") und die jener bestimmten Merkmale entbehren, welche besonders im Anfang und Schluss der jambischen Senare, Septenare und Octonare und der trochäischen Septenare gegeben sind, als Daktylen und wann sie als Anapäste zu fassen sind. Wenn der obige Satz, dass die 2. Hebung der anapästischen

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Dipodie nicht durch die Schlusskürzen eines längeren Wortes gebildet werden darf, richtig ist, so wäre dies ein solches Merkmal. Gelingt es andere Merkmale der Anapäste zu finden, so wird die Unterscheidung anapästiacher und daktylischer Reihen leichter werden.

Kretische und bacehische Tetrameter.

Von den lyrischen Zeilenarten des Plautus sind die gewöhnlichsten die kretischen und bacchischen Tetrameter. W. Christ (Metrische Be- merkungen zu den Cantica des Plautus, Sitzgs.-Ber. d. Münchener Akad. 1871 I p. 67) glaubt, diese bacchischen und kretischen Tetrameter des Plautus nähern sich nur dem Begriff eines Verses; mir dagegen scheint Plautus diese Zeilen von vier Kretici oder Bacchien als ebenso selbst- ständige Zeilen behandelt zu haben, wie z. B. die jambischen Senare. Denn ich finde hier dieselben festen Caesuren, wie in allen andern Zeilen- arten, und dieselben freieren Gesetze für den Caesur- un(i den trochäi- schen Zeilenschluss und die strengeren Gesetze für den jambischen Zeilen- schluss.

Von dem kretischen Tetrameter bemerkt Spengel S. 35, er lasse sich wie der jambische Octonar nicht selten in zwei Dimeter zer- legen. Das ist viel zu wenig. Der kretische Tetrg,meter hat seine noth- wendige und gesetzmässige Caesur in der Mitte der Zeile nach dem zweiten Kretikus; diese ist durch harte Elision in sehr wenigen Fällen verdunkelt (Asin. 128 öptime höcm, Cas. II, 2, 22 ancüluläm ingratiis, Most. 106 fämiliä inmundus, 733 öppidö öccidimus); an ihre Stelle tritt selten eine Hilfscaesur nach der 1. Hebung des dritten Kretikus (Amph. 223 Imperator, 229 terra clämorem utrimque, (Bacch. fr. 27 suävitüdo), Cas. II, 2, 18 querelas, III, 5, 6 Cleostrata äbscede ab, Cure. 118 gradum ergo, Epid. 174 extulisti, 175 sepülchrum, 323 per illam, 731 immo, Pseud. 926 explicätam, Rud. 250 persequämur, 671 sacerdotem anum). Nur ein Vers hat weder die regelmässige Caesur nach der 4. noch die Hilfscaesur nach der 5. Hebung, nemlich Rud. 252 Hoc quod est id necessariumst perpeti, doch dieser Vers ist nicht völlig sicher, da er der letzte der Reihe ist und ihm andere Zeilenarten folgen.

Da also die 4. Hebung Caesurschluss, die 8. Zeilenschluss bildet, so folgt daraus, dass dieselben nicht aufgelöst werden dürfen, und

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dass die ihnen vorangehende Senkung nur aus einer Kürze bestehen darf. Im jambischen Caesurschluss darf, wie in den jambischen Septenaren und Octonaren, ein einsilbiges Wort, auch mit Elision, oder ein zweisilbiges Wort mit Elision stehen, im jambischen Zeilenschluss dieser kretischen Verse ist, wie bei allen jambischen Zeilenschlüssen (vgl. oben S. 48), ein zweisilbiges und besonders ein einsilbiges Wort mit vorangehender Elision sehr gemieden. So finden sich in den 7 Kretici Cure. 99 107 folgende 5 Caesurschlüsse unguentum odös, stacte tu, naso odös, invergere in, ductim sed häc; dagegen in den sämmtlichen kretischen Tetrametern (abgerech- net die unsichem Reihen Capt. 206 213) nur folgende regelwidrigen Zeilenschlüsse: Cure. 119 sicca sum, Epid. 322 necne sit, Men. 118 atque ago, (Most. 114 magna pars?), Most. 741 isti ero, 722 fieri hie, 734 us- que adhuc, 738 subducta erat Pseud. 261 actam agis, Rud. 201 sola sum, 241 ecce me, 270 ad hoc, 276 servesque nos, 664 atque opum, 670 nostro ero, Trin. 281 gnate mi, Truc. 4, 2, 13 quis est.

Der Umstand, dass die beiden schliessenden Kürzen eines längeren Wortes hier nicht Hebung bilden dürfen, zeigt, dass die kretischen Zeilen den jambischen und trochäischen verwandt sind. Aber ihre Gesetze sind noch strenger. Die Senkung des 2. und 4. Kretikus steht, wie oben be- merkt, im jambischen Caesur- und Zeilenschluss, darf also nur durch eine Kürze gebildet werden und mit der folgenden Hebung nur jambi- schen Wortschluss eingehen. Die Senkung des 1. und 3. Kreticus darf, wie Spengel S. 21 ausführt, nicht durch zwei Kürzen gebildet werden, (so dass also derartige Senkungen überhaupt von den kretischen Zeilen ausgeschlossen sind), aber durch eine Länge; dies jedoch nur unter der Bedingung, dass diese lange Senkung nicht mit der folgenden Hebung betonten unreinen Wortschluss bildet. Erlaubt also sind Verse, wie

Dispörditi viri | dispörditi ordines.

Hostes crebri cadunt | nostri contra ingruimt.

Certö vöx muliebris | auris t^tigit meas.

Eine Ausnahme von dieser Regel (vgl. Spengel S. 128) scheint nur sicher in Amph. 221 Nos nösträs mor^ nostro; denn dieselben gesetz- widrigen Betonungen im 1. Fusse Bacch. fragm. 3 Fit pöiör und im 3. Fusse Epid. 177 vivöndö sind ganz unsicher.

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Da also im 1. und 3. Fusse des kretischen Tetrameters lange Senk- ungen regelmässig stehen können, aber nicht im 2. und 4. Fusse^ so er- gibt sich von selbst eine Gliederung in Dipodien.

Der bacchisehe Tetrameter.

Für den bacchischen Tetrameter nahm Studemund (de Canticis Plaut, p. 33) die Caesur nach dem zweiten Bacchius an; allein so oft ist die

4. Hebung der Zeilen durch zwei Kürzen gebildet und so oft fehlt über- haupt jeder Einschnitt nach derselben, dass von einer regelmässigen Caesur nach dem zweiten Bacchius keine Rede sein kann.

Es ist hier ein ähnlicher Fall wie im jambischen Senar und trochäi- schen Septenar: wie im Senar die Caesur bald nach der 3. bald nach der 4. und im Septenar bald nach der 4. bald nach der 5- Senkung fällt, so im bacchischen Tetrameter bald nach der 1. Hebung des 2.^ bald nach der 1. Hebung des 3. Bacchius; wie im Senar oft sowohl der 3. als der 4. Fuss getheilt ist, so bildet hier oft sowohl die 3. als die 5. Heb- ung jambischen Wortschluss; z. B.:

At haud pol nitent sordidae ambae videntur.

Vix aegreque amatorculos invenimus.

Jovi disque ago gratiäs merito magnas.

Senex ipsus ante ostium eccum opperitur.

Nee fallaciam astutiorem uUus fecit. Durch harte Elision ist diese Caesur verdunkelt in Cas. 3, 5, 29 Viro quae suo interminatur. Quid ergo. Ah; ebenso in Amph. 570 im- probe etiam. Capt. 786 ad forum advenero. Cas. 3, .5, 41 minatur. tibi infesta, 55 accedere. Exoret, 56 alio modo uUo. Men. 770 filia umquam patrem accersit. Merc. 3o7 invitum domo extrusit, 360 Nequi- quam abdidi abscondidi abstrusum habebam. Poen. I, 2, 9 Ex industria ambae. In manchen dieser Zeilen kann man auch die folgende Caesur an nehmen. Neben der regelmässigen jambischen (S. 77) Caesur nach der 3. oder

5. Hebung kommt nemlich selten eine andere in der Mitte der Zeile nach dem zweiten Bacchius vor. So Poen. I, 2, 19; 11. Merc. 351:

Ornantur lavantur 1 tergentur poliuntur.

Poliri expoliri | pingi fingi et una.

Nunc si dico ut res est | atque illani mihi me.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 13

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Diese findet sich noch: Aul. 2, 2, 2 fidei | tuaique. 2, 2, 5 loquaces nierito omnes. Capt. 226 agatur | docte et. Gas. 3, 5, 32 sub arcis sub lectis. 5, 1, 4 reheuomst | plus risurum. Cist. 1, 1, 36 blandiuntur clam si oecasio. Most. 88 volutavi | et diu; 93 videtur | veri. Poen. 1, 2, 15 negoti | quantum in; 21 fricando | scimus; 45 et celebrem et venustatis. Pseud. 1265 odores | lemniscos. Rud. 261 exsequuntur | be- nignamque. Truc. 2, 5, 10 videtis | ut omata. Durch Elision unsicher ist Gas. 3, 5, 23 Tua ancilla hoc pacto exordiri coepit; beider Caesuren entbehrt Rud. 262 Jubemus te salvere mater. Salvete; doch ist der Vers der letzte der Reihe und so seine Theilung unsicher.

Wie in den jambischen und trochäischen Reihen, so ist auch in den bacchischen verboten, dass die beiden kurzen Endsilben» eines längeren Wortes eine Hebung bilden. Das lässt weitere Verwandtschaft erwarten. Dieselbe tritt am deutlichsten hervor in der schwierigen Frage über die Bildung der Senkungen. Gewöhnlich zählt man ab, wie viel reine Senk- ungen in der Zeile vorkommen und hält die Zeilen ohne auch nur eine reine Senkung für falsch, ein Verfahren, das nicht sehr wissenschaftlich aussieht. Zunächst ist im allgemeinen zu bemerken, dass Plautus die Senkung der Bacchien nicht häufig durch zwei Kürzen bildet und so gut wie nie im 2. Fusse, sehr oft aber durch eine Länge; vgl. Spengel S. 273. Diese langen Senkungen sind in allen vier Füssen unbedenklich zugelassen^ sobald sie nicht mit der folgenden Hebung Wortßchluss bilden, also Induci ut putet matri anciUam emptam esse illam. Neque eis ulla ornandi satis satietas est.

Dagegen gelten zunächst für die vierte Senkung dieselben Regeln wie für den trochäischen Zeilenschluss der jambischen Septenare. Der Schluss darf wohl durch ein einsilbiges Wort gebildet werden, allein dann darf ihm nur jambischer Wortschluss vorangehen; so finden sich z. B. Amph. 551 -571 die Zeilenschlüsse subsöquor te, quam Id ob rem, ftdea sit, tüüs sum, (facta sunt hie), praedicäre id, tüüs sum, simül sit, Juppiter te, föcis me. Wie es ferner unnatürlich wäre, den 4. Fuss des jambi- schen Octonars spondeischen oder anapästischen Wortschluss bilden zu lassen, auch wenn nach der folgenden Senkung die häufige Nebencaesur einträte, z. B. vincunt nos | oder faciunt res , ebenso wäre es sehr hart, die 3. Hebung, bei der gewöhnlich Caesur stattfindet, spondeischen Wort-

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schluss bilden zu lasse». Darum finden sich spondeische Wörter, welche die Sßnkung und 1. Hebung des 2. Fusses einnehmen, so gut wie nicht; vgl. Spengel S. 213; denn Pseud. 1334 (vgl. Spengel S. 408) Verum si voltis ist wohl anders zu theilen; die einzigen sicheren Ausnahmen sind Most. 121 Et fundamentum substruunt liberorum und 101 Aedes quom extemplo sunt paratao expolitae. Dagegen bildet ein spondeisches Wort etwa 25 Mal die Senkung und erste Hebung des ersten Bacchius z. B. Perdat quisquis es. Te volo. At vos ego ambos. Im dritten Bacchius sind dieselben seltener (vgl. Spengel S. 213): (Bacch. 1120 tanto. Cist. I,

1, 12 semper). Cure. 1, 2, 115 siccae. Most. 93 veri simile. Poen. 1,

2, 9 numquam; 11 pingi. 21 scimus. Truc. 2, 5, 4 quantum. Zwei- silbige Senkungen sind, wie oben bemerkt, überhaupt selten. So ist es natürlich, dass auch anapästische Wortschlüsse, deren betonte Schluss- silbe die 1. Hebung des Bacchius bildet, selten sind. Solche finden sich (vgl. Spengel S. 272) im ersten Fusse: Bacch. 1129 Vetulae sunt. (Gas. 4, 4, 8 Facies tu.) (Pers. 810 Peru perculit.) Trin. 225 Egomet; im dritten Fusse ist theils die Lesart, theils die Umgebung der Verse un- sicher: Aul. 2, 1, 15 loquerer. Gas. 3, 5, 53 adiit. Gist. 1, 1, 22 merito. Cist 4, 2, 4 veniät; 15 praeteriit. Men. 765 litigiüm.

Das ist klar, dass in den bacchischen Tetrametern dasselbe Dipodien- gesetz wie in den Jamben und Trochäen festgehalten werden kann: im ersten Fusse jeder Dipodie, d. h. im 1. und 3. Bacchius kann die Senk- ung mit der folgenden Hebung unreinen betonten Wortschluss bilden, im 2. Fusse jeder Dipodie, d. h. im 2. und 4. Bacchius nicht. ^)

Was die Bildung der Schlüsse betrifft, so ist, wie oben bemerkt, der spondeische Zeilenschluss dem trochäischen Zeilenschluss (S. 50) völlig gleich gebildet. Es darf oft ein einsilbiges Wort stehen, dann aber muss jam- bischer Wortschluss vorangehen ; bildet die vorletzte Hebung nicht Wort- schluss, so ist die Bildung sowohl dieser Hebung als der vorangehenden

1) Nicht häufig natürlich sind Verse, in denen jede Senkung in reinem Wortschluss steht, wie Amph. 555. Aul. 2, 1, 9. Gas. 3, 5, 51. Most. 871

Facis ut tufs nuUa apüd te fidäs sit. Tibf proxumdm me mihfque esse it^m te. Hab^t sed duös quid duös alterö te. Malüm quom impluit ceteris ne impluät mi.

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Senkung freigegeben z. B. Merc. 349 videtur. 345 incerti certant. 348 consilium. 350 esse lllam. 354 asportet. Im jambischen Caesurschluss steht meistens Wortende ; es dürfen hier aber auch einsilbige Wörter mit oder ohne Elision stehen (S. 45), wie Acceptae bene et commode eximus intus. Neque advorsa quoi plura smt sempiterna. Is rescivit et vidit et perdidit me.

Die trochäischen Octonare, kretischen und bacchischen Tetrameter des Plautus sind also, wie zu erwarten ist, durchaus selbständige Zeilen und zeigen in Bezug auf Caesur, auf Bildung der Caesur und Zeilen- schlüsse und auf Betonung der Endsilben theils dieselben, theils noch strengere Gesetze wie die Dialogzeilen.

Tereiiz.

Terenz hat in seinen Lustspielen fast allein jambische imd trochäische Zeilen verwendet. Nur in der Andria und in den Adelphi hat er wenige Zeilen in anderen Füssen zu dichten gewagt. Andria 635 638 und Ad. 610 616 sind in freieren Rythmen gedichtet, dagegen enthält Andr. 481 484 vier bacchische und 626—634 neun kretische Tetrameter. Die ersteren sind vollkommen regelmässig gebaut:

Adhuc Archyhs, quae adsolent quaeque oportet Signa esse ad salutem, omnia huic esse video. Nunc primum fac ista ut lavet: post deinde Quod iussi ei dan bibere et quantum imperavi. So regelmässig diese bacchischen, ebenso unregelmässig sind die kretischen Tetrameter gebaut, die in den Handschriften lauten: (Hocinest credibile aut memorabile,) 626 Tanta vecordia innäta cuiquam ut siet, üt malis gaudeant atque ex incommodis Alterius sua ut comparent commoda? Ah Idnest verum? immo id est genus hominum pessumum, in 630 Denegando modo quis pudor paulum adest: Post ubi tempust promissa iam perfici. Tum coacti necessario se aperiunt: Et timent et tamen res premit denegare Ibi tum eorum inpudentissuma oratiost.

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Diese Theilung der Handschriften nmss unrichtig sein. Denn wenn auch der jambische Zeilenschluss ^Ah' bei Terenz öfter vorkommt, hie und da auch der harte paulum adest, so ist der Schluss 'pessLimuiifij in* oder gar die Elision des schliessenden e in 'denegare' unmöglich. Der Vers 629 ist verdorben, von den 8 übrigen haben 3 entschieden weder die regelmässige noch die Hilfscaesur, im Vers 626 müsste man harte Elision in der Caesur annehmen. Eine fortlaufende Kette von 32 Kretici ohne Caesur und Zeilenabschnitte anzunehmen, ist ein Auskunftsmittel, das man bei altlateinischen Dichtem nur im B'alle der äussersten Noth anwenden darf. Theilen wir dagegen diese Kretici in Hexameter, so fallen alle diese Schwierigkeiten hinweg: Tanta vecordia innäta cuiquam ut siet, üt malis gaudeant Atque ex incommodis alterius sua ut cömparent commoda? Ah. Idnest verum? immo id hominümst genus pessumum in denegando modo Quis pudor paulum adest: pöst ubi est tempus promissa iam perfici, Tum coacti necessario se aperiunt: et timent et tamen Res premit denegare: ibi tum eorum inpudentissuma oratiost:

Es ist wahr, kretische Hexameter kommen in Reihen sonst gewiss nicht vor; Spengel (S. 242) bestreitet sogar, dass einzelne vorkommen. Aber gerade so steht es mit den bacchischen Hexametern: ob einzelne vor- kommen, ist bestritten; allein Niemand zweifelt mehr im Amph. 633 ff. eine längere Reihe von solchen anzunehmen.

Die Fragmente der übrigen altlateinischen Dramatiker sind zwar spärlich ; allein sie geben genügende Beweise, dass dieselben an lyrischen Zeilenarten nicht so arm waren wie Terenz, wenn auch kaum einer sich zu der reichen Mannigfaltigkeit des Plautus mag erhoben haben. Wenn wir aber sehen, dass in den Zeilen des Dialogs bei allen altlateinischen Dichtern die gleichen strengen Grundgesetze galten, so ist es natürlich^ dass es ebenso stand in den lyrischen Partien.

Uebereinstimniung ton Wort- und Tersaecenten.

Nachdem so die metrischen Gesetze für den Bau der altlateinischen jambischen und trochäischen Zeilen dargelegt sind, ist noch zu erwägen, warum hier die Wortaccente mit den Versaccenten überhaupt oder an bestimmten Stellen der Zeilen ziemlich oft zusammenfallen, jene That-

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eachen, zu deren Erklärung zuerst Bentley in der altlateinischen Dicht- ung ein Stück Accentdichtung finden wollte, das den Griechen gänzlich fehlt. Mn allgemeiner wichtiger Grund ist der, dass im Lateinischen der Versaccent stets, der Wortaccent oft an die lange Silbe gebunden ist, so dass beide oft zusammenfallen müssen. Ein anderer allgemeiner Grund ist der, dass die vorletzte von zwei schliessenden Kürzen, wie nie von dem Wortaccent, so auch nie von dem Versaccent getroffen wird. Diese Regel, dass die beiden letzten Kürzen eines mehrsilbigen Wortes nicht als Hebung verwendet werden, ist nachgebildet der andern, wornach sie nicht als Senkung stehen sollen. Was nun das Zusammenfallen des Vers- und Wortaccentes an bestimmten Versstellen betrifft, so ist zunächst die Stelle vor der Caesur zu betrachten. Die jambische Gaesur im 4. Fusse der jambischen Septenare und Octonare ist sehr oft durch ein jambisches Wort gebildet, dem im 3. Fusse oft spondeische oder anapästische Wörter oder Wortschlüsse vorangehen, wie in rimam timet. consiliüm putat. Vor der jambischen Caesur wird also sehr oft der Wortaccent verletzt. Da die sehr häufige trochäische Caesur im 3. und 4. Fusse des Senars und nach dem 4. Fusse des trochäischen Septenars, sowie die minder häufige, im 5. Fusse des jambischen Octonars und Septenars und nach dem 5. Fusse des trochäischen Septenars, wie oben nachgewiesen, nur selten so gebildet wurde, dass auf einen betonten Wortschluss ein einsilbiges Wort als Senkung folgt, so steht vor dieser Caesur fast stets ein zwei- oder mehrsilbiges Wort mit langer Silbe oder zwei kurzen Silben vor der Senkung, wie natürae, veniat, consillum. Diese vom Versaccent ge- troffene Silbe muss aber nach den Betonungsgesetzen der lateinischen Sprache stets auch den Wortaccent haben. Folglich ist vor der sehr häufigen trochäischen Caesur das Zusammenfallen von Wort- und Vers- accent unvermeidlich.^)

Zum Andern ist die Stelle unmittelbar nach diesen Caesuren zu be- trachten. Nach der jambischen Caesur der jambischen Septenare und Octonare folgt im 5. Fusse jambischer Anfang. Dieser ist oft durch

1) Die Verletzung des Wortaccentes war möglich bei trochäischen Schlüssen in griechischer Sprache; da kommt sie aber auch Tor; vgl. Lucilius (28, 4 ed. L. Müller): Non äderit «(»/a/V hominem et arot/fiotg simul.

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jambische, spondeische oder anapästische Wörter gebildet wie in ^operas araneörum' und 'liceät deö minitarier ; unmittelbar nach der jambischen Caesur ist also die Verletzung des Wortaccentes häufig. Nach den tro- chäischen Caesuren folgt in den Senaren mit Caesur im 4. und in den trochäischen Septenaren mit der selteneren Caesur nach dem 5. Fusse ein Stück zu 2^2 Trochäen, in den Senaren mit der Caesur im 3. Fusse, in den trochäischen Septenaren mit der Caesur nach dem 4. Fusse und in den jambischen Octonaren (und Septenaren) mit der Caesur im 5. Fusse folgt ein Stück zu 3 V2 (3) Trochäen. Das Schlussstück zu 2 ^/2 Trochäen darf nicht mit zwei jambischen Wörtern schliessen, wie 'nön amät meüm* oder 'accipit meüm', dagegen schliesst es sehr oft mit "^quöd multis placet*. *periturÜ8 bonus'. 'consiliüm refert' ; folglich wird bei diesem Schlussstück unmittelbar nach der trochäischen Caesur der Wortaccent meistens ver- letzt. Viel häufiger ist das Schlussstück zu 3 72 Trochäen. Da bringt es nun das Dipodiengesetz mit sich, dass im Uebergang vom 1. zum 2. Trochäus kein spondeischer oder anapästischer, wohl aber jambischer Wortschluss stehen darf; Anfänge, wie nön multos, se simulät, fortunäm, äccipiünt sind regelwidrig und selten, nön amänt, excipit, faciliüs erlaubt und nicht selten; also ist hier nach der trochäischen Caesur Verletzung des Wortaccentes bei jambischem Wortschlusse richtig imd häufig. Aeusserst gewöhnlich aber ist der Anfang wie multos oder animos oder nön fert, so z. B. ^4sse cum tutüs velis\ ^animus öculis imperat'. 'cito fit male dictum omnium*; in diesen sehr häufigen Fällen mitss der Wortaccent mit dem Versaccent zusammenfallen.

Vor und nach den jambischen Caesuren widersprechen sich also Wort- und Versaccent oft; vor den trochäischen Caesuren fallen sie fast stet» zusammen ; nach den trochäischen Caesuren fallen sie meistens zusammen. Die üebereinstimmung von Wort- und Versaccent ist demnach äusserst mangelhaft und bietet nicht den geringsten soliden Grund für die Be- hauptung, dass die älteste lateinische Volksdichtung nur den Wortaccent beobachtet habe und dass dann nach dem Eindringen der quantitirenden griechischen Dichtungsart bei den Römern eine Verschmelzung beider vor sich gegangen sei. Die theil weise Üebereinstimmung beider Accente in den lateinischen Versen erklärt sich auf natürliche Weise, einerseits aus dem Betonungsgesetze der lateinischen Sprache überhaupt, anderer-

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seits aus den Gesetzen, welche von demjenigen, der die jambischen und trochäischen Zeilenarten der griechischen Lustspiele zuerst mit Glück nachahmte, in Nachahmung der griechischen metrischen Gesetze für die lateinischen Verse aufgestellt wurden.

Wer die hiebei sich ergebende, unvermeidliche häufige üeberein- Stimmung von Wort- imd Versaccent durchaus als Absicht und Kunst sich ausdeuten will, mag sich dieses Vergnügen machen; mit derselben Sicherheit kann er auch behaupten, dass die lateinische Prosa durchaus rythmisch sei, d. h. aus Jamben und Anapästen oder Trochäen und Dak- tylen bestehe. Denn da kein Wort auf der letzten Silbe betont wird, 80 können, abgesehen von den schweren einsilbigen Wörtern, nie 2 be- tonte Silben zusammenstossen; wer also sein Vergnügen daran hätte, die Prosa als rythmische Jamben und Anapäste oder Trochäen und Dakty- len zu lesen z. B. ömnes homines qui sese stüdent praestare ceteris ani- mälibus, summa öpe niti decet, ne vitam silentio tränseant veluti pecora quae natura pröna ätque ventri oboedientia finxit, und darin Absicht und Kunst zu finden: dem könnte man nur jene schweren einsilbigen Wörter, also weit weniger Verstösse entgegenhalten, als dem, welcher in den jambischen und trochäischen Versen Festhaltung des Wortaccentes finden will. Allein wie jener wohlklingende Fluss der Prosa nur unver- meidliche Folge der Betonungsgesetze der lateinischen Wörter ist, so ist jenes häufige Zusammenfallen der Wortaccente mit den Versaccenten nur eine unvermeidliche Folge einiger von den Gesetzen, welche den Bau der altlateinischen jambischen und trochäischen Reihen beherrschen. Demnach haben die quantitirenden Dichter der Lateiner zu allen Zeiten üebereinstimmung der Wortaccente mit den Versaccenten weder gesucht noch gemieden, sondern sich einfach gar nicht darum gekümmert.

Ursprung des Versbaues in den altlateinischen Jamben und Trochäen.

Ich habe oben oft gesprochen von dem Ordner der altlateinischen Jamben und Trochäen: ob mit Recht oder Unrecht, mag man nach fol- genden Erwägungen entscheiden. Insbesondere 2 Fragen sind zu unter- suchen, 1) ob die Neuerungen, die sich in den oben dargestellten Gesetzen finden, etwa herübergenommen sind aus der alten Dichtung, welche die Lateiner gehabt haben, ehe sie die Griechen nachahmten, 2) ob jene Ge-

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setze, sowohl die den Griechen nachgeahmten als die neuen, alle auf ^en Mann, den oft genannten Ordner, zurückzuführen sind, oder ob das eine Gesetz von diesem, das andere von jenem altlateinischen Dichter ersonnen und den Schulregeln hinzugefügt worden ist.^)

Nachahmung der Griechen war nicht Schande, sondern Ruhm für die altlateinischen Dichter. Die Lustspieldichter nennen ihre griechischen Vorlagen; die Oertlichkeiten, die Eigennamen, ja manche griechischen For- meln haben sie mit dem Inhalte herübergenommen. So haben sie auch alle Versfüsse und alle Zeilenarten von den Griechen herübergenommen, und damit feine Gesetze für ihren Bau. Betonungen wie ömnia nunc und mülta timent würden sie in den Jamben und Trochäen nicht ver- meiden, wenn nicht die Griechen sie hier vermieden hätten. Anderseits aber haben sie eine Anzahl von Gesetzen für den Bau der Jamben und Trochäen, welche die Griechen nicht haben. Woher stammen diese? Man leitet sie gewöhnlich ab aus den Gesetzen der lateinischen Volksdicht- ungen jener Zeiten, wo die Lateiner noch nicht daran dachten, die Griechen nachzuahmen.^ Das hilft nicht weit; denn da wir von den Dichtungsformen jener Zeit so gut wie Nichts wissen, so soll Dunkel durch noch dickeres Dunkel erleuchtet werden. Betrachten wir die ein- zelnen Gesetze. Das altlateinische Dipodiengesetz, welches verbietet die kritischen Senkimgen der jambischen imd trochäischen Dipodie in un- reinen Wortschluss zu stellen, ist offenbar nur ein Ersatz für das griechische Dipodiengesetz, das freilich von den griechischen Komikern so stark verletzt wurde, dass dessen Aufgeben bei einem Nachahmer mindestens erklärlich ist. Diese Neuerungen stammen also von dem Nachahmer der Griechen. Das alflateinische Dipodiengesetz beruht ganz auf der Beachtung der betonten Wortschlüsse. Aus dieser aber ist her- vorgegangen auch das Verbot von 2 gleichklingenden reinen jambischen

1) Denn ich halte es fOr unnöthig gegen die zu sprechen, welche auch hier bewusste Kunst leugnen und das Festhalten der oben dargelegten Gesetze nur als unbewusste Folge des Formen- geföhls und des Gehörs aller altlateinischen Dichter ansehen wollen.

2) Vgl« Philol. Anzeiger 188.3 n^ 9 u. 10 S. 430: Die älteste römische Poesie ist quanti- tirend gewesen; es folgt dies mit Sicherheit schon daraus, dass das Drama die griechischen Metra nicht wie etwas völlig Fremdes sklarisch nachahmte, sondern prosodische Eigenthümlichkeiten hineintrug, die nur der heimischen quantitirenden Poesie entnommen sein können.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. I. Abth. 14

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W ortechlüssen, wie capüt meüm, iin jambischen Zeilenschluss und das all- gemeine Verbot von 2 betonten schliessenden Kurzen^ wie omnia. Für das letztere war ein Vorbild gegeben durch das Verbot, zwei schbessende Kürzen in die Senkung zu stellen; aber für die andern Fälle bleibt die Frage, warum richtete der Erfinder des altlateinischen Dipodiengesetzes seine Aufmerksamkeit gerade auf die betonten Wortschlüsse. Einen Ein- fluss der urlateinischen Dichtungsgesetze anzunehmen, dazu sehe ich nicht nur keinen zwingenden, sondern nicht einmal irgend einen Grund. Ander- seits ist das Gewicht einer Silbe, die zugleich Wortschluss bildet und vom Versaccent getroffen wird, ein so schweres, dass schon dieses aus- reichend erklärt, warum ein Mann, der fremde Formen einer noch un- gelenken Sprache anpassen wollte, darauf verfiel gerade diese betonten Wortschlüsse besondern Regeln zu unterwerfen. Die Caesuren waren bei den Griechen ein Stück der Schullehre; das zeigt ihre strenge Beobacht- ung bei den Tragikern. Wenn die altlateinischen Dichter nicht nur strenger sind als die nachlässigen Komiker, sondern auch strenger als die Tragiker der Griechen, und wenn sie einige neuen Caesuren eingeführt haben, so bleibt dies eben doch nur Nachahmung. Gleiches ist auch zu sagen von der Bildung des Caesur- und des Zeilenschlusses. Im Zeilen- schluss wurde vor einem einsilbigen Wort Elision vermieden, weil reine Bildung des letzten Fusses ein Gesetz der Griechen ist. Im Zeilen- und Caesurschluss haben die Griechen selbst wenigstens schwere einsilbige Wörter gemieden. So war Veranlassung gegeben zu der weitergehenden Regel der Lateiner, welche überhaupt in den jambischen Zeilenschluss sehr selten, in den trochäischen Caesurschluss selten ein einsilbiges Wort setzen. Demnach sind die Neuerungen in dem Bau der altlateinischen Jamben und Trochäen veranlasst durch Gesetze der griechischen Dichter. Nur die Weiterentwicklung oder Verschärfung jeher Regeln ist Eigenthum der römischen Dichtung.

Die zweite Frage ist, ob diese Neuerungen auf einen Mann zurück- zuführen sind, etwa den, dessen Versuch die griechischen dramatischen Formen nachzuahmen zuerst Anerkennung gefunden hat, oder ob von verschiedenen lateinischen Dichtern erst nach und nach die einzelnen Neuerungen eingeführt und beliebt gemacht wurden. Dabei vergesse man nicht dass möglichste Nachahmung der Griechen der Ruhm der römi-

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sehen Künstler und Dichter anfänglich war und nachher stets oiehr wurde. Wären nun lateinische Lustspiele vorhanden gewesen, in welchen die Freiheiten oder die Gesetze des griechischen Versbaues festgehalten waren, wem hätte es einfallen können, dieselben wieder aufzugeben und andere Gesetze aufzustellen? Wenn z. B. das Dipodi engesetz der griechi- schen Tragiker oder das nachlässige der griechischen Komiker bereits angewendet und diu'chgeführt war, wie hätte Jemand auf den Einfall kommen können, das altlateinische auszusinnen? Dagegen erklärt sich dieses leicht bei dem, welcher zuerst den Widersprüchen der griecbiachen Tragiker und Komiker sich gegenüber fand und eine Wahl treffen musste. Ebenso steht es mit den Betonungen wie omnia und den zwei betonten jambischen Wortschlüssen im Zeilenschluss. Hatten die Römer einmal Dichtungen gehört, in welchen diese Freiheiten angewendet waren, so hatte es keinen Sinn mehr, sie zu verbieten. Zudem wurzeln diese Re- geln in demselben Boden wie das altlateinische DipodiengesetZj in der besondem Beachtung der betonten Wortschlüsse. Sind aber diese wichtigen und kühnen Neuerungen auf den Mann zurückzuführen, dessen lateinische Jamben und Trochäen zuerst durchschlugen, so ist es natürlich auch die blossen Verschärfungen der griechischen Regeln, die Festhaltung bestimm- ter Caesuren und die Vermeidung einsilbiger Wörter im jambischen Zeilen- schluss, auf eben denselben zurückzuführen. In einzelnen Dingen mögen einzelne Dichter ihre Liebhabereien gehabt haben und darin Nachahmer gefunden haben, wie wir das oben an der bei Plautus und Terenz ver- schiedenen Caesur des jambischen Octonars gesehen haben; aber die Haupt- regeln des altlateinischen Versbaus, welche Plautus Terenz und die Reste der übrigen Dichter zeigen, scheinen mit Sicherheit auf den Mann zurück- geführt werden zu müssen, der zuerst mit dem Beifall seiner ZeitgeuoBsen lateinische Jamben und Trochäen dichtete und bei diesem Bchwierigen Werk gezwungen war, den schwankenden griechischen Kunstgesetzen gegenüber sich die seinigen festzusetzen.

Schluss.

Man nennt gewöhnlich diese Versgesetze der altlateinischen Jamben imd Trochäen roh und zügellos. Ich kann nicht finden, weshalb. Die einzige scheinbare Zügellosigkeit , die Zulassung von 1 Länge oder von

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2 Kürzen in jegliche Senkung der Jamben und Trochäen, ist zur Hälfte durch die grichischen Komiker schon gegeben imd von den Lateinern durch die Regeln über betonten Wortschluss an den kritischen Stellen der Dipodien wieder in Gesetzmässigkeit verwandelt; über die Elisionen zu urtheilen ist schwierig, da wir auch über die Schönheit oder Unschönheit der griechischen Elisionen noch nicht genügend urtheilen können. Aber in allem Uebrigen haben die Lateiner entweder die nemlichen, oft feinen Gesetze wie die Griechen oder noch strengere Gesetze als die griechischen Komiker, ja zum Theil strengere als die griechischen Tragiker.

Die Gesammtzahl dieser Gesetze entspricht dem Wesen des lateinischen Stammes: sie sind verständig und einfach. So ist es auch erklärlich, dass der Versuch Beifall fand und die dort angewendeten Regeln die Schul- regeln wurden. Wie wir trotz aller möglichen ausländischen Muster von Dichtimgsformen doch von den Grundgesetzen, welche Opitz geschaffen hat, uns nicht haben losmachen können, so blieben auch die Neuerungen, welche in der altlateinischen Dichtung sich finden, fast alle unerschüttert, ja die Ausnahmen, welche in Hinsicht auf die zahlreichen entgegenstehenden Fälle bei den Griechen in der altlateimschen Dichtung noch hie und da gestattet waren, verschwinden später mehr und mehr. Selbst den'eifrigsten Nachahmern der Griechen gelang es später nicht mehr, zur Freiheit oder Gesetzlosigkeit der Griechen zurückzukehren und z. B. animus zu betonen oder Verse ohne die bestimmten Cäsuren zu dichten oder Gäsurschlüsse wie iLia&elv (fei oder Zeilenschlüsse, wie cäpüt meum oder alnv/i^ta naZj bei den Römern einzubürgern. Durch Wiedereinführung des Dipodien- gesetzes der griechischen Tragiker geriethen die späteren Puristen in eine Klemme, indem sie die Beweglichkeit des komischen Trimeters auf- gaben und doch wegen der Beibehaltung von Anapästen imd wegen der besonderen Behandlung des 5. Fusses den Charakter des tragischen Tri- meters nicht wiedergaben, so dass sie nur eine neue Gattung, den spät- lateinischen Senar, schufen.

Dagegen hat der Mann, welcher im Bau der Jamben und Trochäen die geschilderten Neuerungen machte, die lateinischen Dichter auf den Weg geführt, auf dem sie eigenen Ruhm erwarben. Er hat weit mehr als seine griechischen Vorbilder auf die Verbindungen geachtet, welche Senkung und Hebung miteinander eingehen, sowohl im Innern der Zeile,

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als insbesondere im Caesur- und Zeilenschluss. Er hat damit nicht nur den spätem Dichtem die Regeln für den Bau jambischer und trochäiscber Zeilen geschaffen, sondern einen Grundsatz aufgestellt, den gewiss einst jeder Römer schon in der Schule gelernt hat, dass Jedermann, der griechische Versmasse nachahmen wolle, gar manche Dinge sorgfältig behandeln müsse, an welche die griechischen Dichter noch nicht gedacht hätten, insbesondere die Bildung der Caesur und des Zeilenschlusses, die Elisionen und Aehnliches. So wird begreiflich, wie die feinem Regeln aufkommen konnten, welche seit Virgil und Ovid den lateinischen Hexa- meter beherrschen, wie Horaz dazu kam, in den Odenmassen, die er zuerst in lateinischer Sprache nachahmte, bestimmte Regeln aufzustellen, welche die Griechen nicht gekannt hatten. Besonders die sorgfältigen Unter- suchungen Lucian Müllers haben gezeigt, welch ausserordentliche Sorgfalt die späteren lateinischen Dichter auf den wohlklingenden Bau der Vers- zeilen verwendet haben. Haben die Griechen auch weit Grösseres geleistet^ indem sie die wimderbare Mannigfaltigkeit ihrer Dichtungsformen schufen, so haben die Lateiner immerhin einiges Lob verdient, indem sie die nachgeahmten Zeilenarten im Einzelnen sorgfältiger und wohlklingender ausbauten. Auf diesen Weg aber hat die lateinischen Dichter der Mann gewiesen, der zuerst die einfachen jambischen und trochäischen Zeilen der griechischen Dramatiker in lateinischer Sprache nachgeahmt hat.

Damit das Ende dieser Untersuchung zum Anfang zurückkehre, so sei hervorgehoben, dass, wie vor Augustin kein lateinisches Gedicht sich findet, das nur nach dem Wortaccent gebaut ist, so auch keines sich findet, bei dessen Bau neben der Quantität auch noch der Accent der Silben mehr oder minder berücksichtigt wäre. Der Ursprung der ryth- mischen Dichtung der Lateiner bleibt also noch immer ein RäthseL Die Lösimg dieses Räthsels wird in einer andern Abhandlung versucht werden.

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Nachtrag zur Note auf S- 66 68.

Geschiebte des grieehlscheii nnd lateinischen Trimeters in den späteren Zeiten.

Lykophrons Alexandra, die Gedichte der Anthologie, die von Eaibel zusammen- gestellten Inschriften, die Nachahmungen bei CatuU, in den Priapeia und in den Cata- lecta Vergiliana, zeigen den streng gebauten, lyrischen Trimeter der Alexandriner ; nur bei Philipp Thessal. finden sich Freiheiten (oben S. 67), die an die Richtung der damaligen römischen Poesie erinnern. Für die nächsten Jahrhunderte fehlen mir Beispiele. Die etwa 38 Dimeter, Trimeter, Choliamben, katalektischen Trimeter und Tetrameter des Diogenes Laertius (II, 58. 120. IV, 27. 55. V, 79. VU, 164. 176. 184) haben regel- mässige Caesuren, keine Anapaeste und nur 5 aufgelöste Hebungen, folgen also dem Ge- setze des lyrischen Trimeters.

Dass in Verbindung mit dem ithyphallischen Verse der komische Trimeter bei Festgesängen gebraucht wurde (Athen. XH^ p. 622 und besonders VI p. 253), be- fremdet nicht; auffallend ist die andere oben übersehene Verwendung des komischeu Trimeters zu lehrhaften, wissenschaftlichen Darstellungen, worauf Meineke Com. Hist crit. p. IX-XV hinwies. Zwar die philosophischen» Trimeter des Epicharmus stammen wohl nur aus Komödien ; die von Meineke dem Aristo Chius zugeschriebenen Fragmente sind unsicher und die dem Krantor zugeschriebenen Trimeter haben keine entschiedene komische Färbung, da der Anapaest im 4. Fusse bei Stob. 97, 6 (pQovifjLOvg unsicher ist. Dagegen sind die Verse des Kleanthes (vgl. C. Wachsmuth commentatio II. de Zenone Cit. et Cleanthe Assio, Götting. Index 1. 1874/75 p. 7) entschieden komische Trimeter; freilich sind mehrere Fragmente sicher Stücke eines Gedichtes in Dialog- form. Zur trockensten wissenschaftlichen Darstellung wurde der komische Trimeter verwendet von ApoUodor von Athen in seiner grossen Chronographie (Fragmente bei Gellius 17, 4, Diog. Laert. 8, 74., Roeper im Philol. Anz. II p. 24 und Gomperz Jen. Literaturz. 1875 p. 604) und in der Geographie, welche von Strabo (14, 5, 22 6 di IdftoXkoduiQog %al xuQoyQaq^iav i^idwxev iv xco/u£x<p /uer^ yrjg nBqiodov ini- yqaipag) dem ApoUodor, von Diels (Rh. Mus. 1876 S. 10) einem kurz nachher leben-

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den Griechen zugeschrieben wird. Etwa aus dem 1. Jahrhundert vor oder nach Christus stammen die etwa 970 komischen Trimeter der Periegese des Shymnus Chius und die 150 des Dioftysius^ dann die etwa 1600 des Mediciners Servilius Damokrates (vgl. S. 67), welche Galen (ed. Kühn vol. XII. XIII. XIV) in den Büchern neQi aw- -d^eoBtog qxxQfiaxwv und ntQi dvTidorwv einzusetzen pflegte, weil so die Lehren über- haupt, insbesondere aber die wichtigen Zahlen sicherer dem Gedächtniss eingeprägt würden. Die komischen Trimeter des Apollodor, Skymnus und Dionysius sind fein gebaut (vgl. Meineke's Ausgabe S. 44 und 66); um so unglaublicher sind für diese Zeit die schlechten Trimeter bei Servilius Damokrates (z. B. Spondeen im 2. und 4. Fusse), welche sich sogar in der Ausgabe Bussemakers finden.

Zu solchen wissenschaftlichen Gedichten wurde gerade der komische Trimeter wahrscheinlich desswegen gewählt, weil er den Eigennamen und technischen Aus- drücken leichter Unterkimft bot, mit minderer Mühe zu bauen war und der gewöhn- lichen Rede sich mehr anschmiegte als der tragische oder der lyrische Trimeter. Das deutet auch Skymnus an, indem er seine Geographie beginnt: Tlarnov dvayyiaiotaxov ij %(i)fjn^dia . . xov%' exsi, to xat ßqaxkog ixaata xai fpQcc^eiv aaq>wq, und dann nach einer Inhaltsangabe der Chronographie des Apollodor bemerkt: Merq^) de ravrrjv exTi&evai TtQoeiXero^ T<^ %iji}(jii%i^ de xr^q aaq)rp^eiag xciQiVy Ev^vrjfxovevrov iaofdevrpf oikwg OQwv. Hieraus möchte man schliessen, dass schon Apollodor die Anwendung des komischen Trimeters zu rechtfertigen suchte, und dass die räthselhafte Bemerkung des Suidas ^!^7toXl6dwQog riQ^e nqwTOV tüv TQaytdfißwv hieraus ihren Ursprung hat.

Aus dem 2. und 3. Jahrhundert nach Christus fehlen mir Beispiele jambischer Dichtungen; Babrius behandle ich bei den Lateinern. Die aus dem 4., 5. und 6. Jahrh. oben (S. 67) angeführten Beispiele des Gregor Naz., Palladas, Paulus Silent. und Agathias zeigen, dass aus dem wissenschaftlichen Gedicht der komische Trimeter in die anderen Dichtungsgattungen eingedrungen war. Wie im Hexameter im 5., so muss hier im 6. Jahrhundert ein Rückschlag erfolgt sein.

Das späte Scholion zu Hephaestion (Script, metr. ed. Westphal I p. 151, Hoerschel- mann, Scholia Hephaest. altera, Dorpat. 1882 p. 18) scheidet: To lafißixdv (jterqov diaiQelrai elg ovo. to (jiev ydq avTOv naXelrai tgayinov ve xcri nw^ixov, <^ xcri rtSv naXaiüv ol rtoXlot ixQi^oavto . , to de ^sqov tov la^ßixov fiäQog xaXeirai xa&aQOv TB xal TQiineTQOv, Tovx^f öi oXiyoi twv dq^aiuv ixQriaavTO. Mag auch das Schwinden der prosodischen Kenntnisse zur Vermeidung der Auflösungen und Anapäste getrieben haben, ^) so haben doch die Byzantiner mit Bewusstsein den alten dramatischen Tri- meter aufgegeben und den lyrischen eingeführt. Denselben finden wir ziemlich rein zuerst bei Georg Pisides; z. B. in den 252 Versen der 1. Acroasis der Expeditio Persica kommen 2 aufgelöste Hebungen, 3 Anapäste im 2. und 2 im 4. Fusse vor,

1) Die ebenso frühe als merkwürdige Missachtung der Prosodie bei Methodius Pat. hat wohl andere Gründe.

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aber in den 541 Versen des Bellum Avaricum nur 1 aufgelöste Hebung und 1 Ana- päst (im 2. Pusse). Noch reiner sind die christlichen Gedichte der Anthologie, die freilich meistens schon den Accent auf der 11. Silbe haben. In diesen Zwöl&ilbem wurde später die Prosodie bisweilen auf das greulichste missachtet, wie in den Versen des Pseudokallisthenes, wobei freilich hie und da falsche Theorien mitgespielt haben mögen. So ist jener dorische Trimeter mit Längen auch in der 2., 4. und 6. Senk- ung (vgl. Tzetzes in Cramer Anecd. graeca 3 p. 308 und Hart de Tzetzarum no- mine etc. p. 72) nicht nur mit Absicht von Tzetzes vor seinen Hesiodscholien ange- wendet, sondern vielleicht von manchem andern Dichter, wie von den Medicinem bei Ideler Physici et Medici U p. 328—352.

Der spätlateinische Senar.

Die spätere Geschichte des lateinischen jambischen Senars ist von der des griechischen weit verschieden. Den altlateinischen Senar finden wir abgesehen von Phaedrus und den S. 66 erwähnten Gedichten bei Antonius Musa, Precatio terrae und Precatio herbarum, nur bei Apuleius und Ausonius verwendet. Die 24 Senare des Apuleius l^vexof^evog ex Menandro (Bährens Poet. min. IV p. 104) haben 20 aufgelöste Hebungen (auch Venus imd fäcit), 3 Anapäste im 1., je 1 im 4. und 5. Fusse, 7 Spondeen im 2. und 10 im 4. Fusse, wobei nur der eine Anapäst im 4. Fusse regel- widrigen betonten Wortschluss bildet. Die 8 Senare in der Apologia cap. 6 haben 6 aufgelöste Hebungen, 1 Anapäst im 1., 4 Spondeen im 2. Fusse. Ausonius hat in seinem Ludus VH Sapientium (212 Senare) ebenfalls den altlateinischen Versbau angewendet, was Raehse (de re metrica Ausonii) nicht einmal gemerkt hat. Er hat 56 aufgelöste Hebungen, davon 16 in zweisilbigen Wörtern und V. 223 agere im 1. Fuss, 3 Anapäste im 1., 5 im 5. Fusse. Im 2. Fuss stehen 5 Anapäste und 15 Spondeen, im 4. Fusse 6 Anapäste und 48 Spondeen. Regelwidrigen betonten Wort- schluss (im 2. oder 4. Fusse) bildet wiederum kein Spondeus (denn 118 ministrorüm ist nur Conjektur), dagegen 1 Anapäst (209) im 2. und 3 im 4. Fuss. Dazu kommen die falsch gebildeten Anapäste: a) V. 80 nömmÄ s^rta und 108 fan^ris fpsum (beide Conjekturen) und b) 132 manendo Solonem, 133 paücä diu, 138 yvw&i aeavzov und 212 ab£r? mol&tus. 10 Verse haben jambische Wortschlüsse im 5. Fuss, 12 Verse die Caesur sicher im 4. Fusse, V. 177 keine Caesur. Altlateinisch ist vielleicht auch der Bau von Auson's trochäischen Septenaren.

In allen übrigen Dichtungen ist der spätlateinische Senar angewendet, welcher, aus dem lyrischen Trimeter der Alexandriner hervorgegangen, durch selbständige Aenderungen bei Horaz und noch mehr bei Seneca als eine von dem tragischen, komischen, wie lyrischen Trimeter der Griechen und von dem altlateinischen Senar verschiedene, eigene Art auftritt. Das Hauptmerkmal ist, dass die 2. Senkung jeder Dipodie nur durch 1 Kürze gebildet wird, eine Regel, die nur bei Avien, Auson,

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Paulinus und Capella verletzt wird, hauptsächlich in Eigennt^en und Fremdwörtern. Im übrigen dreht sich die Geschichte des spät-lateinischen Senars hauptsachlich um die aufgelösten Hebungen, die Anapäste, die Caesur, die Bildung des vorletzten Fusses und des Zeilenschlusses. Die meisten Punkte hat Lucian Müller in dem Buche de re metrica behandelt, doch wird die folgende Darstellung ihren Nutzen haben. Ich be- handle dabei auch die übrigen jambischen Zeilen und (mit Ausnahme des Terentianus Maurus) auch die trochäischen Septenare. Zu bemerken ist, dass die jambischen Senare stets mehr Anapäste imd aufgelöste Hebungen bieten als die übrigen jambischen imd trochäischen Zeilenarten.

Die aufgelösten Hebungen sind bei Seneca weitaus am häufigsten; im Laufe des 5. Jahrhunderts verschwinden sie fast ganz. Ein einzelnes jgweisilbiges Wort nehmen sie bis Terentianus nicht selten eiu; später finden sich nur sehr wenige der Art bei Paulinus und in den Trochäen des Ausonius (viele natürlich in den alt- lateinischen Senaren des Aiisonius). Die fünfte Hebung ist nur 5 Mal bei Seneca und 1 Mal bei Prudentius aufgelöst, abgesehen von den sogleich zu erwähnenden Fällen. Die Betonung qualia im 1. Fusse nennt Zechmeister (Wiener Studien I p. 140) eine abscheuliche und nicht einmal bei Plautus, geschweige denn bei Paulinus von Nola mögliche, mit unrecht (vgl. S. 36); denn sie findet sich bei Seneca, Petron, Terentian, Avien. Auson, Paulin, Prudentius und Capella. Wie diese harten Betonungen im 1. Fuase, so dürfen auch die im 5. Fusse bei Avien (stadfa. tenüe), Paulin (deposfta) und Capella (decipula) zugelassen werden, da ja auch diese beiden Füsse allein den Anapäst statt des Jambus zulassen. Der Proceleusmaticus findet sich nur bei Teren- tianus 2 Mal im 1. Fusse.

Anapaeste finden sich bei Seneca und Petron sehr viele, im 5. Fusse mehr als im 1 . , einige sogar im 3. Fusse. Dies Yerhältniss änderte sich bald. Im dritten Fusse findet sich nur noch 1 An. bei Terentianus ; (mit Flodoard rechne ich natürlich nicht mehr). Der Anapäst im vorletzten Fusse wurde immer seltener; dagegen der Anapäst im 1. Fusse war zu allen Zeiten ziemlich beliebt.

Die Caesur im 3. oder 4. Fusse fehlt sehr selten bei Horaz, Terentianus, Avien, Paulinus, Prudentius; in der Caesur findet harte Elision sich oft bei Avien, selten bei Horaz, Auson, Paulin; Hiatus ist in der Caesur nicht selten bei Capella. Einsilbige Wörter vor der Caesur im 3. Fusse sind selten, noch viel seltener vor der Caesur im 4. Fusse (bei Terentian und Prudentius). Die sichere Caesur im vierten Fusse^ d. h. mit vorangehendem drei- oder mehrsilbigen Worte, ist im Anfange ziemlich häufig; später verschwindet sie fast gänzlich (vgl. besonders Avien). Dass in den Choliamben Caesur im 4. Fuss seltener sich findet, scheint natürlich; aber sonderbar ist doch, wie selten (10 -f- 6 Mal) Martial dieselbe hier anwendet; denn dass die sämmtlichen 6 Zeilen von I, 77 die Caesur im 4. Fusse haben, bezeugt gerade, wie auffallend sie war.

Im vorletzten Fusse haben Seneca und Petron die Regel des altlateinischen Senars bis dahin übertrieben, dass sie in die vorletzte Senkung überhaupt keine Kürze Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wis8. XVU. Bd. I. Abth. 15

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setzten; (vgl. oben Seite 41). Aber ihre Nachfolger lassen alle eine Kürze in der vorletzten Senkung unbedenklich zu, dagegen kommt der betonte Wortschluss wieder in Frage. Die einen, wie Terentian und Avien, lassen ihn unbedenklich zu, die meisten aber meiden ihn, ähnlich wie die altlateinischen Dichter und wie Horaz in den Dimetem. Zu bemerken ist jedoch, dass in den spätesten Zeiten sich im leteten Fusse auffallend wenige zweisilbige Wörter finden, wohl eine Einwirkimg der rythmischen Poesie, die ja im jambischen Zeilenschluss keine zweisilbige^ Worter brauchen kann. Die 5. Senk- ung der Choliamben ist 1 Kürze; nur bei Babrius und Boetius einige Male 1 Länge. Die letzte Hebung wird zu allen Zeiten selten durch ein einsilbiges Wort gebildet, üeber Horaz und Seneca siehe oben Seite 48. Ausser est finden sich bei Terentian fit. hie, bei Avien sunt, se, bei Auson sunt. hoc. ut. (et), bei Paulin et, bei Prudentius nur in den Dimetem je 1 sunt. est. sit, bei Capeila es.

Die lateinischen Jambendichter der späteren Zeit.

Die jambischen Verse des CatuU, der Priapeia und Catalecta Yirgiliana gehen theilweise noch über den strengen Bau der Alexandriner hinaus durch die Ver- meidung von aufgelösten Hebungen (bei CatuU nur 22, 19. 37, 5. 59, 3. Priap. 51, 18. 58, 4. Catal. 13 (5), 13. 36. 40) und von Anapästen, noch mehr durch die rein jambischen Reihen, von denen uns kein griechisches Beispiel überliefert ist. Horaz hat in seinen Epoden wieder einige Freiheiten gewagt, mehr Auflösungen und einige Anapäste (2,35. 65; 2,35. 5,79. 11, 23), sonderbar gehäuft in Ep. 2, 35. 5,15. 17,12; offenbar meidet er einigermassen den jambischen Wortschluss im vorletzten Fusse; (vgl. femer oben S. 41. 48. 54. 55. 59. 65.).

Der Senar, wie er bei Seneca und Petron 89) auftritt, ist eine Mischung des griechischen Senars (Kürzen in der 2. und 4. Senkung) mit altlateinischen Elementen. So sind sehr viele Hebungen aufgelöst, doch nur selten im 5. Fusse (in 5 Versen des Seneca), nicht selten fallen sie in zweisilbige Wörter, z. B. Phaedra 196 quöque, 232 genus, 272 läbor, 483 magis, 601 locus, 685 ego, 845 quöque, (1067 mihi), 1111 modo, 1180 St^ga; Petron 18 metus. Im 1. Fusse kommen Betonungen vor, wie die des Petron: 6 robora, 24 altaque, 31 undaque. Die 5. Senkung ist so gut wie nie durch 1 Kürze gebildet (vgl. S. 41), geschweige dass der vorletzte Fuss jambischen Wortschluss bilde; (Vgl. noch S. 48. 54. 55. 60). Für Seneca konnte ich nur Hoche, die Metra des Trag. Sen., benützen. Dieselbe Häufung der aufgelösten Hebungen und Anapäste zeigt sich beiPersius, Martial und dem nach römischer Weise dichtenden Babrius. Auffallend ist bei Martial, dass so ausserordentlich wenig Choliam- ben die Caesur im 4. Fusse haben: von den 790 nur 10 ([3, 93, 20]. IV, 37, 4. 61, 14. V, 14, 8. 37, 13. 24. VI, 74, 4. VIII, 44, 3. XH, 13, 2. 32, 11), und die sämmtUchen 6 Zeilen von I 77 (vgl. Rossignol, Fragments d. Choliambographes p. 24): während Babrius gerade durch die grosse Zahl dieser Caesuren (z. B. 15 unter 111) auffällt; dann hat B. im 5. Fuss (selten) einen Spondeus, im 6. Fuss fast stets Paroxytonon.

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Für das 2. und 3. Jahrhundert fehlen mehr Beispiele; die 17 Dimeter bei Oellius 19, 11 lehren wenig. Terentianus Maurus, der wohl noch in das 3. Jahrhundert fallt, hat ziemlich rauhen Versbau; in V. 1613 und 2308 steckt der 3. und 4. Fuss in dem Wort trisyllabis; in V. 1587. 1670. 1688. 1716. 2247 büdet der 3. Fuss jambischen oder spondeischen Wortschluss und fehlt auch im 4. Fusse die Caesur; noch schlinuner klingt Y. 2243 Aristophanis ingens micat soUertia, und schlecht ist die Caesur im 4. Fusse 2268 carmen per ömne; Zeilenschluss bildet fit 1678 u. 2425, hie 2361 und oft est. Anapäste stehen wenige im 5. Fusse, dagegen 1 im 3. Fusse Y. 2384 quia prima und 2 Proceleusmatici im 1. Fusse: 2226 quia stolida und 2357 is erit anapaestus; am jambischen Wortschluss im 5. Fusse nahm er keinen Anstoss. ImPervigilium Yeneris stehen sehr wenige aufgelöste Hebungen und Anapäste; der 1 jambische Wortschluss im vorletzten Fuss 89 venft meüm ist imsicher. Dagegen ist der jambische Wortschluss im vorletzten Fusse bei Tiberianus (Bährens Poet. min. III p. 264) sicher. Die 46 Senare und 25 Choliamben bei Julius Yalerius Res Alexandri M. habe ich nicht benützen wollen; es wäre sehr zu wünschen, dass wenigstens diese Stücke mit genügender Yergleichung der Handschrifben neu edirt würden.

Der Yersbau des Avien ist ziemlich rauh; er vermeidet es zwar (hierin ist er fQr uns der Erste) eine aufgelöste Hebung durch ein zweisilbiges Wort zu bilden, allein er hat im 1. Fusse die Betonungen 122 Adfcit et, 368 Agere car., 553 Popülus ag., 601 Gapita iug., und im 5. Fusse 313 per stadfa modo und 335 Locös utrosque inter fluit tenüe fretum (L. Müller freilich ändert 313 und betont 335 tenue). Auf- fallender Weise fand ich kein sicheres Beispiel für Caesur im 4. Fusse; dagegen ist häufig harte Elision im 3. Fusse, wie wir sie eben in 335 sahen, (besonders hart in 373); in Y. 130. 167. 186 fehlt die Caesur. Jambischer Wortschluss im 5. Fasse ist unbedenklich zugelassen und der Zeilenschluss in 8 Yersen durch est ohne Elision, in 5 durch sunt, in 2 durch se gebildet. Dem Eigennamen zu Liebe scheint Y. 655 ein Anapäst im 2. Fusse gewagt zu sein.

Ausonius meidet ebenfalls schon die Anapäste im 5. u. die Caesur im 4. Fusse; auffallender sind die Spondeen im 2. Fusse der jambischen Dipodie; so im 2. Fusse des Senars: Prof. 16, 13 Et Epirote, im 4.: Epist. 21, 23 salvSre und 39 crucian/f, dann in den Dimetem: Epist. 16, 22 ÄugtistU 75 Ausonit«« women, 74 apolo^os ew., Ephem. Parecb. 10 Bei divfnae, 17 Maies^a^ wnius dei. Cento 4, 2 lasciva Paule; dann der Anapäst im 2. Fusse des Dimeters Epist. 16, 81 Fandi Titidmis; (falsch gebildet wäre der Anapäst Ephem. Par. 20 Et cogitatio nüminis); auch der Dimeter Epist. 16, 87 Silvios Julis miscuit zeigt, dass insbesondere der Eigennamen wegen die strengsten Yersregeln gebrochen wurden. Am auffallendsten ist der Bau seiner 22 trochäischen Septenare, wo nicht nur 1 Mal (Prof. 12,7) die Caesur in harte Elision fällt, sondern nicht weniger als 11 Mal das Dipodiengesetz verletzt ist. Da zu alt- lateinischem Yersbau (worauf freilich auch die aufgelösten Hebungen lege und tibi deuten) durchaus kein Anlass vorlag, anderseits Auson nicht die 3., sondern nur die 1. und 5. Senkung, also den Anfang jeder Halbzeile regelwidrig gebildet hat,* so ist das

15*

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116

vielleicht eine bewusste AenderuDg des Auson selbst. Sonst ist zu bemerken der 1. Fuss Epifsp*. 114, 28 Yenfat in und die Schlüsse est, sunt, hoc, ut, denen wohl in Epist. 16, 14 et beizurechnen ist, damit nicht im nächsten Verse ^Et mellifluentem Nestora' ein Anapäst im 2. Fusse steht. (Vgl. T. Raehse, de re metrica Ausonii, Rostocker Diss. von 1868, und Schenkls Index metricus.)

Der Text des Paulin us von Nola ist in Migne's Abdruck leider noch sehr entstellt. Senare ohneCaesur finden sich Poema 7, 3; 24, 659. 895; harte Elision in der Caesur Poema 10, 65. 11, 67. 24, 917. Harte Betonimgen im 1. Fusse comfbus Poema 24, 883 und qualia 24, 329 und wohl zu halten ist auch die gleiche Betonung im 5. Fuss P. 10, 75 vel mage deposita sibi (dagegen Zechmeister I p. 140). Auf- fällig sind bei Paulinus die unreinen Senkungen im 2. Fusse der Dipodie. Manche derselben hat Zechmeister (Wiener Studien I p. 139 folg. II, 310) beseitigt; allein er selbst hat im 4. Fusse der Senare 2 Anapäste gelassen 24, 413 nee lapide ärtus und 617 m6rt<7?cans, denen wohl 10, 24 nön ope sed und 10, 75 vel mage deposfta zuzu- zählen sind, dann 24,319 Caligfs tarnen iste im 2. Fuss (dagegen Zechmeister I p. 140 und II, 310); der Proceleusmaticus in 24, 407 Parvö breve per iter aere conductum sedet ist vielleicht durch Umstellung zu entfernen Breve pärvo per iter. Wenn dann auch der Dimeter 24, 820 Sic mixtus ut non mix^w^ sit unmöglich ist, so ist doch der andere Dimeter 24, 364 Cui Cen/Mmce/las nomen est und die 18 Spondeen im 4. Fusse des Senars bei Zechmeister I p. 144 unbestreitbar. Den Zeilenschluss bildet Paulinus in 3 Versen durch et (10, 37. 24, 167. 492). Ein zweisilbiges Wort füllt die aufgelöste Hebung in 24, 221. (427). 657.

Prudentius hat seine Jamben sorgfältig gebaut. Doch ist noch ein grosser Unterschied zwischen der langen Erzählung über Bomanus (Perist. X; 1140 Senare) und den übrigen jambischen und trochäischen Zeilen. Denn während in jener Erzählung ziemlich viele Anapäste, manche Auflösungen (im 5. Fusse 667 fiUole ait und im 1. Fuss die harten Betonungen 675 genera, 791 und 841 talfa, 788 novit animator, 1004 quaerit alienus), manche Caesuren im 4. Fusse (darunter die schlechten 809 in- belU fama ac und 842 iendebdt sub) und einige caesurlosen Verse (12; 17. 108. 921) vorkommen, so stehen in den übrigen jambischen und trochäischen Zeilen weniger Anapäste, fast gar keine Auflösungen (nur in den Dimetern Cath. 12, 141 Sic stulta PÄdraonis mali und Perist 2, 83 Et sununa piet&s creditur; dann in den trochäischen Septenaren Cath. 9, 40. 103 und Perist. 1 , 72) und stets die Caesur im 3. Fusse. Vor der sicheren Caesur im 3. Fusse steht nie ein einzelnes einsilbiges Wort.

Von Ambrosius sicher verfasst sind die vier Hymnen 'Dens creator omnium\ 'Aeterne rerum conditor*. *Veni redemptor gentium*. *Jam surgit hora tertia' (nach Joh. Kayser, Beiträge z. Gesch. u. Erkl. d. ältesten Kirchenhymnen. 2. Aufl. 1881). Diese 120 Dimeter sind sehr streng gebaut; (5 Elisionen im Ganzen). Sowohl die beiden Anapäste finden sich in einer Strophe (*Veni redemptor 4, 2. 3) als die beiden jambischen Wortschlüsse im vorletzten Fuss fJam surgit* 8, 2. 4). Von den übrigen

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117

von Aurelian vor a. 555 genannten Hymnen sind nur 2 ähnlich rein : *Ter hora trina volvitur' 24 Dimeter und *Hic est dies verus dei' 40 Dimeter.

Martianus Capella (vgl. F. 0. Stange, de re metrica M. C. Leipzig Dissert. 1882 p. 20 31) hat mehrere auflFallende Eigenthtimlichkeiten. Unter den wenigen aufgelösten Hebungen findet sich § 997 (Eyssenhardt) Satüra im 1. Tind § 423 deci- pfUa im 5. Fuss. Die Caesur findet sich stets im 3. Fusse, doch 10 Mal mit Hiatus. Während Capella sonst nur selten wie Paulinus im 2. oder 4. Fusse Spondeus sich erlaubt (im 4. Fuss: § 120 fructüs aethram? § 914 fescennlna; im 2. Fusse: § 423 sorftas; 704 Intricänte. voluptas fnquit. üt credatur), so sind diese Fehler in den 27 Zeilen von § 997 1000 so gehäuft, dass man wohl an System Wechsel denken muss. Bei Sidonius (epist. 14), Luxorius und Asmenius (Bährens Poet. min. IV p. 387. 400. 152) sind nur die Anapäste im 1. Fusse geblieben, alle Auflösungen, Anapäste im 5. Fusse und Gaesuren im 4. Fusse geschwunden; freilich bekennt Sidonius ^metrum diu infrequentatum durius texitur. Dagegen Boetius folgte in seiner C!onso- latio Philos. einem freieren Muster.

Nach dem zufallig benützten Dichter oder Grammatiker richten sich die wenigen Dichter, welche im Mittelalter Jamben fabricirt haben. So Flodard Rem. (um 950, Migne Patrol. 135), der in seinem Gedichte De triumphis Christi viele Senare hat. In den 150 Versen de tr. Chr. Antiochiae I cap. 7 11 finden sich z. B. 10 Verse mit Caesur im 4. Fusse, 2 ohne Caesur, 3 mit der schlechten Caesur im 4. Fusse, wie trusos in fmis; dann 13 Anapäste im 1., 1 im 5. und bei Eigennamen 2 bis 3 im

3. Fusse; Auflösungen nur 2 (equüleo und sibi); im Zeilenschluss von nur 8 Versen ein zweisilbiges Wort, dem in einem Verse ein jambischer Wortschluss vorangeht. In den 70 Versen de Triumph, apud Italiam XIH cap. 26 30 finden sich 10 Anapäste im 1., 1 im 5. Fusse und 1 aufgelöste Hebung; 8 Verse haben die Caesur im

4. Fusse, 1 V. keine; 8 Verse schliessen mit einem zweisilbigen Wort, dem in 2 jambischer Wortschluss vorangeht.

Dagegen hat Hermann von Reichenau a. 1044 1046 (ed. Dümmler in Zeit- schrift f. deutsch. Alterthum 13 (1865) p. 385—434) in 1162 Dimetem keine Auf- lösung, 34 Anapäste im ersten, aber keinen im 3. Fusse; 26 jamb. Wortschlüsse im 3. Fusse; Elisionen ziemlich viele; im Zeilenschluss nur vis, sis und sit. Durch die grossartigen Schöpfungen der rythmischen lateinischen Dichter seiner Zeit Hess Metellus in Tegemsee a. 1167 sich verführen, in seinen Quirinalia (ed. Canisius-Basnage III, 2) die Strophenarten des Horaz'und ähnliche nachzuahmen. In den gewöhnlichen Tri- metem hat er keine Anapäste und keine Auflösungen, aber in seinem Metrum jambicum Archilochium S. 166 und 169 versucht er diese Freiheiten anzuwenden, doch in schrecklicher Weise z. B. übi dum populf frequentia se densans premit. Von Caesuren war in seinem metrischen Handbuch nicht die Rede, also finden sich auch keine in seinen Senaren.

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118

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0 2 0

0 0

1 17 3

1 17

16, 8 Caes. mit harter Elision 1, 19 u. 11, 15 ohne Caesur

Sentca Trag5<Ui?n Senare

8611

3640

1319

1846

1 0

oft

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Tttrenim

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1 An. im 8. Fuss; 5. Senk. steU lang

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0

Martial

Senare

Dimeter

Choliftuiben in ilen ersten

28

28

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5 3 7

4

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0 0

,nur^A

3 0

5. Senkung in 2 V. kurs 8. Senknng in 1 V. kurx Caesur sehr selten im 4. F.

BahriuB Fab. 5ü.95 Choliamben

111

9+a)

6

auch 5

1

15

in 1200 Chol, etwa 250 Auf- lösungen

Tertniianm Mauvits Benare Choliamben 3Va Jamben

300 21 30

25 + (8)

2-|-(l)

0

25 2 0

2 0

20 nur^i nur ^

14

1

1 An. im 8. F. ; 2 Proceleusm. im I .F.: 6 Sen. ohne Caes.

*J In der K Rubrik sind gezählt die Verse, in der 2. die Auflösungen, wobei die, welche ein zweisilbig-es Wort einnehmen, in ( ) stehen; in der 3. die Anapäste im 1. Fuss; in der 4. die Ana- piLBte und in der 6. die jambischen Wortschlüsse im vorletzten Fuss der Senare und Dimeter; in der 6, die Caeöuren im 4. Fuss der Senare.

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119

! (: J

---\ al 3 3V2+2V3

Pervigüium Veneris

trochäische Septenare 83

Tiberianus

trochäische Septenare 20

Ävien

Senare 700

Äusanius (ausser Ludus)

Senare 205 Dimeter ' 346

Choliamben 13

trochäische Septenare 22

Paulinus

Senare 754

Dimeter 522

Prudentius

^ De Romano. Senare 1140

Senare (sonst) 432

Dimeter 1723

5^/2 Jamben 51

3V2 Jamben 152

trochäische Septenare 234

Ambrosius, 4 Hymnen

Dimeter 124

Martianus Capeila

Senare 154

Dimeter 28

Sidonius

Senare 55

Boetius

Senare 16

Dimeter 39

Choliamben 25

Luax)riu8

Senare 16

Äsmeniits 1

Senare , 25

88

29

12

1

3 +(2)

94+(3) 16

38 0 2 0

0 3

101

24

26

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112 57

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77 0

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44

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7

5

13

nur ^

(4+3V2)

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(4+3V2)

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13 0

(2V2+3) (4+31/2)

2

0

20 0

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auch

8 Anap. im 2/3, 1 im &" ?^

3 V. ohne Caesur, viele mit harter Elision

i_l Mal; _±2 Mal J. 6 Mal ; v^ v^ i 1 Mal

1 V. mit harter Elisioci

Dipodie oft Torletst

8 V. ohne Caes., 8 mit harter Elision; H Mal; vy w_4 4 Mal

4 ohne Caesur

5. Senkung stets kurz, ohne Caes. Epil. 8

8. Senkung stets kurf

1 An. im 6/7 Fnss

10 V. mit Hiatus in Caeaiir« _i_ u. _4_ oft in §

3 3 Mal

1907 ^lOOU

nur 8 xweisilbige Schlfttse

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120

Weil der Jambus nicht nur mit dem Spondeus, sondern auch mit dem Tribrachys, Daktylus, Anapäst und Proceleusmatikus vertauscht werden kann, ist er ein viel sen- siblerer Fuss als der Daktylus und bieten die jambischen Zeilen der wissenschaftlichen Beobachtung viel mehr Merkmale als die daktylischen. Leider sind aus der späteren Zeit wenige jambische Dichtungen erhalten. Von den griechischen Dichtem um Christi Zeit wird in lyrischen Gedichten der von dreisilbigen Füssen fast freie lyrische, in trockenen lehrhaften Gedichten der vielgestaltige komische Trimeter angewendet; im 4. bis in das ö. Jahrhundert herrschen für die verschiedenartigsten Stoffe nur komische Trimeter; im 6. Jahrhundert konmit in allen Dichtungsgattungen der von dreisilbigen Füssen freie zwölfsilbige Trimeter zur dauernden Herrschaft. Das übertreue Abbild des lyrischen Trimeters der Alexandriner, welches Catull und Zeitgenossen von ihm zeigen, findet sich bei Horaz und insbesondere bei Seneca durch eine Reihe von Zuthaten zu dem von jeder Art der griechischen Trimeter verschiedenen, eigenartigen späÜcUeinischen Senar umgestaltet, welcher im Laufe seiner Entwicklung, die er, von dem griechischen Trimeter nicht weiter beeinfiusst, selbständig bis in das 6. Jahrh. durchmachte, zu einer Reihe von 6 Jamben wurde, von welchen regelmässig der 1., 3. und 5. durch einen Spondeus imd der 1. durch einen Anapäst ersetzt werden konnte, wobei stets der 3. Fuss durch Caesur zerlegt wurde. Aus dieser Zeile entwickelte sich der vom 6. bis 10. Jahrhunderte häufig angewendete rythmische Senar, der aus 5 + 7 Silben besteht, von denen die 4. und 12. (also 4., 10. und 12.) den Wortaccent haben.

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Homer oder Homeirideu

von

W. Ohr ist.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wmä XVU. Bd. I. Abth.

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Homer oder Homeriden.

Wie viele Tinte ist nicht schon geflossen, wie viele Kräfte sind nicht schon aufgewendet worden zur Lösung des grossen Problems der homeri- schen Frage, und wie wenig ist die Sache vom Fleck gerückt, wie weit sind wir noch entfernt von dem Ziele, von der allgemeinen Verständi- gung auf Grund zwingender wissenschaftlicher Beweisführung? Ich selbst habe es geflissentlich bisher in meinen Homerarbeiten vermieden^ den Kern der Frage zu berühren; ich habe wohl Wege zur Lösung derselben zu ebnen gesucht, habe auch hie und da die Frage selbst gestreift, aber einer eigentlichen Besprechung derselben bin ich bisher immer mit einer heiligen Scheu aus dem Wege gegangen. Doch jetzt, wo ich im Be- griffe stehe, in einer Ausgabe der Ilias meine Untersuchungen zusammen- zufassen und abzuschliessen, gilt es auch diesem obersten und schwierigsten Problem offen in die Augen zu sehen. Wohlan denn, so wagen wir es in dieser Abhandlung, gewissermassen einem Supplement der Prolegomena unserer Ausgabe, auf das erstrebte Ziel direkt loszusteuern und die ebenso hart bedrängte, wie gut verteidigte Feste endgültig zu nehmen!

*) Die Abhandlung wurde, was ich um Missdeutungen zu yermeiden ausdrücklich hier be- merken will, bereis vor mehr als Jahresfrist der Akademie vorgelegt und erhielt vor dem Drucke nur noch einzelne Zusätze.

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Die Toralexandrinisclie Phase der homerischen Frage.

Die homerische Frage spielte schon eine Rolle in den Anfängen wissenschaftlicher Kritik, in dem 5. Jahrhundert vor unserer Zeitrech- nung, in den Zeiten des Herodot und der Sophisten. Noch Pindar hatte anstandslos die Aithiopis^) und die Kyprien^ dem Homer beigelegt, und schon kurze Zeit nach dem Verfall der alten epischen Poesie hatte der Elegiker Kallinos nach dem Zeugnisse des Pausanias IX, 9, 5 den Homer für den Dichter der Thebais, und der Jambograph Archilochos nach Eustratios, im Commentar zu Aristoteles eth. Nicom. VI, 7 für den Verfasser des Margites ausgegeben. Sodann hatte selbst ein so klarer Kopf wie Thukydides kein Bedenken getragen, in seinem Geschichtswerk III, 104 die Hymnen, wenigstens den Hymnus auf den delischen Apollo, dem alten Homer beizulegen. Ausser jenem Hymnus, der Aithiopis und kyklischen Thebais, waren aber auch die Epigonoi^ und alle Werke des epischen Cyklus, die Kvn^iay 'IXiag /uixffa, Noaroi etc. dem Homer zugeschrieben worden. Denn um von den naiyria, die auch noch Suidas dem Homer beilegt, ganz ab- zusehen, sagt vom epischen Cyklus ausdrücklich der gutunterrichtete Pro- klos: ol a^xaloi xai top xvxXor dracpigovair dg ^Üutjgoy,^) und führen auf das Gleiche die Fabeln der unter dem falschen Namen des Herodot laufenden Lebensbeschreibung Homers. Denn wenn dort Homer bei Thestorides in Phokäa die kleine Ilias, bei Chios in Bolissos die Kerkopes

1) Siehe Pindar Isthm. II, 5; die Worte des Dichters «U* "OfAtigos tot xixifAaxfy können selbstverständlich nur auf den unmittelbar zuvor erwähnten, sich selbst entleibenden Aias bezogen werden ; der unsinnige Zweifel des Commentators Chrysippos (s. Schol. zu V. 63), ob Aias oder Odysseus gemeint sei, rührt eben davon her, dass der Grammatiker von dem Streit um die Waffen des Achilleus in der Ilias gar nichts und in der Odyssee nur eine kurze Andeutung (Od. X 544 bis 547) fand, üebrigens stund die Stelle, auf die sich Pindar bezog, nach den Schollen zu V. 58 in der Aithiopis, nicht, wie man nach des Proklos Inhaltsangabe erwarten sollte, in der kleinen Ilias.

2) Siehe Aelian's Var. bist. IX 5 und vergleiche Welcker, Ep. Cykl. II 97 u. 138 und Lübbert, Ind. lect. Bonn. 1881/82 p. 14.

3) Siehe Herodot IV^ 32; die Echtheit der Stelle bezweifelt ohne überzeugende Gründe Wolf, proleg. c. 85 adn. 19; hingegen wollte Grote, history of Greece II 173 auch die "OfAriQ^ia intj des Herodot V 67 auf die Thebais und die Epigonoi beziehen, gewiss mit Unrecht.

4) Unter jenen Alten scheint sich auch Aischylos befunden zu haben, wenn er nach Athe- jiaios VUl p. 347 E seine Tragödien tefiaxfi ttSy '0/äijqov f4eyäXtüy dtinyaty nannte, da er zu den meisten seiner Stücke den Stoff nicht der Ilias und Odyssee, sondern dem epischen Cyklus ent- nahm; vgl. Welcker, Trilogie S. 484.

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und die Batrachomyomachia schrieb, und wenn die Tradition bei Strabo p. 638 und Proklos, epic. graec. fragm. p. 15 u. 60, den Homer dem KreophyloB aus Samos das Gedicht ülxotliag alwag zum Lohne für die gastliche Aufnahme, und dem Stasinos die KvTjQia als Mitgift seiner Tochter schenken Hess, so ist damit in mythischer Umhüllung angedeutet, dass in alter Zeit auch mit diesen Dichtungen, den Kyprien, der Ein- nahme von Oichalia, der kleinen Ilias, der Name Homers in Verbindung gebracht worden war.

Jene Vorstellungen nun aber von einer die ganze ältere epische Poesie umfassenden Thätigkeit Homers waren bereits vor der Zeit der alexandrinischen Grammatiker geschwunden , ^) und den Grund hievon müssen wir in der bald nach den Perserkriegen erwachenden Kritik der Sophisten und Historiker suchen. So hat schon Herodot, der sonst so leichtgläubige Autor, an der bekannten Stelle II 117, die zu verdächtigen kein genügender Grund vorliegt, die Kyprien unter Berufung auf Ilias Z 289 292 dem Homer abgesprochen,^ und kennt nicht bloss Plato nur die Ilias und Odyssee als Werke des Homer, sondern stellt auch Aristoteles in der Poetik c. 23 mit aller Bestimmtheit den Homer den Verfassern der Kyprien und der kleinen Ilias gegenüber, wiewohl merk- würdiger Weise auch er, poet. c. 4 u. eth. Nie. VI 7, noch den Margites und die Paignia (rä roiavra poet. c. 4, vgl. Bergk, Gr. Lit. S. 775 An- merkung 87) dem Homer beilegt.^) Die hier geübte Kritik war eine

1) Gut macht Mahaffy in seiner history of claasical greek literature auf die Analogie der Psalmen Davids aufmerksam, von denen viele auBgesprochener Massen von anderen Dichtern herrühren.

2) Herodot II 117: »attx ravt« de rd ^rtea [xai t66e to /w^iW] ovx ^xtara aXXd (uaXurra ^^Xotf ÖTi ovx 'OfAviQov ttt KvTfQia infd ictiv, dXX aXkov ity6s\ iy (Aiy yuQ roTs KvTtQiotai etgtirai oJf XQiTttlos ix Indgitig * AXf^ay^Qos dnixtro «V ro "Huoy aytoy 'EXiy^y fvaU re ityfvfiari XQI^fifÄfyog xat S-aXatTtTin Xtig, iy 6i */Aia<Ji Xiyfi aJf enXdCero ayuty avrijy. Das Urteil Herodots hat Plato überzeugt, der in dem Euthyphro p. 12 A zwei Verse der Kyprien so anführt, dass er zwar keinen bestimmten Verfasser nennt, aber mit ojro? 6 7ro4i;ri;V gewiss nicht den Dichterheros Homer, sondern einen anderen unbekannten Verfasser bezeichnen wollte.

3) Nitzsch de historia Homeri I 107 stellt die Sache auf den Kopf, wenn er meint, in der älteren Zeit sei dem Homer nur die Ilias und Odyssee zugeschrieben worden, und erst in der späteren, als man die Fabel über das Vaterland und Leben des Dichters aufgebracht, habe man auch seinen Namen mit mehreren Werken verknüpft. Schon seit dem 7. Jahrhundert hat man, wenn auch nicht allgemein, Homer als Gesamtnamen für die Dichter der älteren Epen ausgegeben.

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durchschlagende, so dass sich ihr die Alexandriner und Grammatiker un- bedingt anschlössen und nur über den Namen der eigentlichen Verfasser hie und da einen Streit erhoben. Leider können wir aber bei dem Mangel an ausgiebigen Zeugnissen den Gang der ablehnenden Kritik nicht verfolgen, so dass wir namentlich darüber im Ungewissen sind, ob Yon vornherein neben dem Homer in den Kreisen der Besserunterrichteten andere Namen genannt waren, oder ob erst später auf Grund irgend- welcher Combinationen Lesches, Stasinos, Arktinos, Kynaithos, Kreophylos, Thestorides an die Stelle des Homer getreten sind. Jedenfalls war, wenn auch zwei Ueberlieferungen, was doch immer das wahrscheinlichste ist, schon seit Alters nebeneinander herliefen, zur Schlichtung der zwiespäl- tigen Ueberlieferung die innere Kritik hinzugekommen, die sich, wie wir aus Herodot und Aristoteles sehen, auf Spuren widersprechender An- schauung und auf Verschiedenheit der poetischen Kunst stützte. Wir könnten unsererseits noch die Nachahmung homerischer Motive, den jüngeren Charakter der Sprache namentlich in Bezug auf das Digamma, und die entwickeltere Stufe der Mythenbildung hinzufügen. Doch wie sollten wir uns noch bemühen aus den winzigen Fragmenten, die uns der Zufall erhalten hat, den Beweis der Unechtheit zu führen, nachdem das Altertum, das noch die ganzen Gedichte vor sich hatte und keines- wegs in der litterarischen Kritik eine übergrosse Kühnheit zeigte, so ein- stimmig dem ablehnenden Urteile beigetreten ist?

Die Chorizonten.

So hat also die homerische Frage ihr erstes Stadium glücklich und resultatvoll durchlaufen. Aber gleich auf der zweiten Stufe sollte es zu Zwiespalt kommen und sollte die Feinheit der divinatorischen Kritik an der Macht der Ueberlieferung und an der Autorität der Schule scheitern, wenigstens vorerst nicht zur durchschlagenden Geltung kommen. Zwei Gramatiker, Xenon und Hellanikos, die schon von den Alten unter dem Namen oi xtügi^oyieg zusammengefasst wurden, sprachen dem Homer die Odyssee ab oder nahmen für IliaB und Odyssee verschiedene Verfasser an. Die Gründe, welche sie für ihre Meinung geltend machten, sind uns in den Entgegnungen Aristarchs erhalten und neuerdings eingehend von

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Geppert, Ursprung der homerischen Gesänge (Bd. I S. 1 62) besprochen worden^). Sie sind danach im wesentlichen folgende:

1. In der Ilias 2 382 ist Charis die Frau des Hephaistos, in der Odysee f^ 267 Aphrodite; als Buhle eben dieser Aphrodite erscheint an der bezeichneten Stelle der' Odyssee Ares, während derselbe in der Ilias £359 und * 416 als Bruder derselben eingeführt wird.

2. In der Dias A 692 hat Nestor 11 Brüder, in der Odyssee Ä 286 nur 2, wenigstens nur 2 von derselben Mutter Chloris.

3. Die Ilias ß 905 schildert uns Hebe als jungfräuliche Dienerin der Götter, weiss also noch nichts von dem in der Nekyia A 634 aufge- zeichneten Zuge der dorischen Heraklessage, wonach Herakles von Zeus die Hebe zur Frau erhielt.

4. In demselben Gesang der Odyssee A 634 treflfen wir das Haupt der Gorgo im Hades, in der Ilias ß 741 trägt es die Kriegsgöttin Athene auf ihVera Schilde.

5. In der Odyssee ;^ 21 ist Aiolos Herr der Winde (rainirjg dyijucür), in dessen Behausung sie eingeschlossen sind, dem Winke ihres Gebieters unterthan; die Ilias V^ 200 ff. weiss von jenem Herrscher der Winde noch nichts. Die Windgötter sind ganz selbständig {avie^ovaioi schol. V^ 229) und finden sich im Hause eines ihrer Genossen, Zephyros, zu- sammen.

6. In der Odyssee J 259 ist Helena ein leichtsinniges Weib, das gerne, wenn auch durch Aphrodite verführt, dem schönen Paris folgte, die Ilias ß 356 = B 590 spricht von den Seufzern der gewaltsam ge- raubten Helena (Elirrjg 6()/Lii^fiara xat azoraxovc,)^.

7. Die Odyssee lässt ihre Helden Fische essen cJ 368 f und fi 330; in der Ilias essen die Helden nie Fische, erhält sogar der Fisch das Epi- theton ieQog ix^s H 407 3).

1) Aus den Schollen zu r277 und E 741 ersehen wir, daas schon Aristoteles Einwendungen, welche gegen die Einheit der beiden Dichtungen erhoben wurden, besprochen und gelöst hatte.

2) Wie wenig dieser Einwand begründet ist, hat gut Buttmann, Lexilogus II 5 nach- gewiesen; statt 6(}fAnfJtaT€t schlägt jetzt Herwerden &^tiyijfittT€t vor.

3) Dieses ist weitaus der schwächste aller Beweise, dem obendrei^ von G. Curtius in Kuhn*8 Ztschr. III 154 ff. durch eine andere Deutung von Uq6c = kräftig zappelnd, die Grund- lage entzogen ist.

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8) In der Ilias B 649 heisst Kreta hundertstädtisch (Ärp^Tj;i/€;carou7roJtiy), in der Odyssee r 174 hat Kreta nur 90 Städte (vgl. Rohde Rhein. Mus. 35, 430 f.)

9) Die Ilias und Odyssee unterscheiden sich von einander durch eine Reihe von Eigentümlichkeiten in der Sprache, wie dass die Ilias nQonaQoi&e nur in lokaler Bedeutung gebraucht (s. schol. AT 47 6), dass o/LLilog in der Ilias das Schlachtgetümmel, in der Odyssee eine friedliche Versammlung von Menschen bedeutet (s. schol. K 338), dass die Figur der Analepsis häufig in der Ilias, nur einmal a 23 in der Odyssee gebraucht ist (s. schol. M 96), dass die Odyssee mehrere in der Ilias noch nicht vorkommende Ausdrücke des gewöhnlichen Lebens, wie Ivxyog r 34 und x^^^^^ r 28, aufweist.

Schwerlich waren dieses alle Momente, welche die Chorizonten vor- brachten. In Bezug auf die Anschauungen vermisst man namentlich eine Erwähnung davon, dass in der Odyssee Hermes der durchgängige Gött^rbote ist, während in der Ilias die Iris diesen Dienst versieht und sich nur in dem letzten Gesang der Ilias mit Hermes in die Aufgabe teilt ^), dass Poseidon erst in der Odyssee den Dreizack als Beherrscher des Meeres führt, dass "OXvfxnog in der Ilias noch immer den Grund- begriff des Berges durchblicken lässt, aber in der Odyssee ^42 7 ganz losgelöst von seiner ursprünglichen Bedeutung den mythischen Göttersitz bezeichnet^, dass das messenische Pherai in der Ilias / 151 dem Aga- memnon dienstbar ist, in der Odyssee y 488 hingegen zur Herrschaft

1) Eingehend handelt darüber Jacob, Entstehung der Ilias und Odyssee S. 71 ff. Welche von den beiden Anschauungen wirklich die ältere ist, wird man schwer ermitteln können; wahr- scheinlich haben wir hier, wie sO vielfach in der Mythologie, nur die abweichenden Anschauungen verschiedener Stämme oder Dichterkreise. Iris versah eben als Repräsentantin des Regenbogens jenen Dienst, Hermes hingegen in seiner ursprünglichen Eigenschaft als Begengott. Die Bedeutung der ganzen Beobachtung von der Verschiedenheit der Götterboten in Ilias und Odyssee suchte Bern- hard Thiersch, Zeitalter und Vaterland des Homer S. 311 ff. abzuschwächen, da auch Eris und Athene von Zeus in der Ilias zur Ueberbringung von Botschaften abgeschickt werden.

2) Vergleiche hierüber Lehrs, de stud. Arist.^ p. 164 ff. Ob aber doch nicht die Verse f 42— 47 eine jüngere Interpolation sind, wie neuerdings auch Nauck annimmt? Dafür scheint nämlich zu sprechen, dass auch noch in der Odyssee x 307. o 43. v 73. w 351 der lauf die Bergnatur des Olymp bezügliche Ausdruck fiax^Sg *'OXvfinof vorkommt und dass Hesiod in der Theogonie y. 42. 62. 113. 118. 391. 794. 842 ganz deutlich den Begriff des Berges festhält. Freilich lebte Hesiod ftuf dem !Fe'»tlaTid nahe dem Berge Olymp, der Dichter der Odyssee in Kleinasien im fernen Jonien, m da;as hier frQber wie dort eine Verdunkelung der ursprünglichen Bedeutung eintreten konnte.

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des Diokles gehört, dass Pylos in der Ilias A 671 761 eine Stadt in Triphylien, in der Odyssee das bekannte messenische Pylos bezeichnet^).

Weit mehr hätte aber noch in Bezug auf die Abweichungen des Sprachgebrauchs von den Alt^n bemerkt werden können; so hat z. B., um von dem Gebrauche einzelner Wörter, wie S^fir^i^ 8 644, Afir/;; a 328, vnoSrifia o 369. a 361, agrog g 343. a 120, oairi n 423, XQW^y ^^9^' (pgior, jLiogipri ganz abzusehen, die Ilias immer die volle Form i^drig, die Odyssee nur die kontrahierte iS^g, die Ilias nur das Medium npofiai, die Odyssee auch das Aktiv ngio, fipdet sich nur in der Odyssee der in- transitive Gebrauch von iVi {X 239. ^ 130. ß 295. u 293. 401) und ifißallfiv (i 489. x 129), gebraucht erst die Odyssee den Optativ in der indirekten Rede (rj 17. t 89. ;f 110. o 423. g 368 x 464), und gibt dem instrumentalen ^ta^ dessen Gebrauch in der Ilias noch zweifelhaft ist, eine ziemlich ausgedehnte Anwendung & 82. 520. k 276. 282. 437. v 121. r 154. 523)^. Endlich sind auch in Bezug auf die Verschiedenheiten des Stils die neueren Chorizonten mehr ins Einzelne eingegangen und haben z. B. nicht zu bemerken unterlassen, wie arm die Odyssee mit ihren 37 Gleichnissen dem reichen Schmuck der Ilias mit ihren 203 Gleichnissen gegenüber steht.

Indes waren schon die erwiesener Massen von den alten Chorizonten vorgebrachten Argumente wichtig genug, um den Glauben an den gleichen

1) Das wird zwar nicht allgemein anerkannt« ist aber unbestreitbar and gut begründet von Nitzscb, Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie S. 161. Sonstige geographische Verschieden- heiten betreffen Dodona, das B 750 und n 233 nach Thessalien, wenn auch irrtümlich, S 327 r 296 nach Epirus in die Nähe des Thesproterlandes verlegt wird , und die Stadt *f la' H 135, die ofiTenbar mit dem *f«ri der Odyssee o 297 identisch ist. Ausserdem vergleiche über die ver- schiedene Beschaffenheit der Lyra in tp 408 und / 186 W. Müller, Homerische Vorschule S. 191 und Mahaffy, Ursprung der homerischen Gedichte, übersetzt von Imelmann S. 2 f.

2) Ueber diesen Punkt handelt einer meiner Zuhörer Ansems in seiner eben erschie- nenen Dissertation über den Gebrauch der Präposition ^t« bei Homer; über dieses ^i« sowie über nQog c. dat. in npog rorroif 'dazu* x 68, ftjtiy/ c. gen. bei fivSfofiai ^151, nva c. gen. in ß 416. I 177. o 284 gibt gute Beobachtungen Monro, Homeric grammar, s. Index Iliad and Odyssey, differences. Viele weitere Diskrepanzen des Sprachgebrauchs hat Geppert, Ursprung der ho- merischen Gesänge, zusammengestellt, freilich ohne gehörig zu beachten, welche Beweiskraft seinen einzelnen Observationen innewohne; einige Hauptwörter bespricht G. Hermann, de emendandi rat. gramm. gr. p. 38, Payne-Knight in den Proleg. seiner Ausgabe c. 43 7 und Bergk in seiner griechischen Literaturgeschichte S. 731. Ein paar wichtige Punkte werde ich selbst weiter unten bei Besprechung des jüngeren Ursprungs der Odyssee zur Sprache bringen.

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Verfasser der Ilias und Odyssee wenigstens wankend zu machen. Aber auf Aristarch wirkten mächtiger die Eindrücke der Gleichheit in Sprache und poetischer Kunst, die Uebereinstimmungen in den allgemeinen Vorstellungen von der Götter- und Heroen weit, endlich die trotz einzelner Unterschiede doch deutlich hervortretende Gleichheit des gesaraten Kulturzustandes, so dass ihm die kleinen Abweichungen zurücktraten und einer anderen Erklärung oder Beseitigung zu bedürfen schienen. Den Unterschied im ganzen Ton wird er mit Longin .Tfpi vipovg c. 9 so erklärt haben, dass er die kriegerische reckenhafte Kraft der Ilias mit der Jugendzeit, die Vorliebt* der Odyssee für Schilderungen von Reiseabenteuern und idyllischen Zuständen des privaten Lebens mit der erfahrenen Ruhe des Greisenalters in Verbindung brachte. Mit jenen schwerer zu beseitigenden Widersprüchen der Sprache und Sache aber fand er sich so ab, dass er einzelne durch scliarfere Interpretation der betreffenden Stellen zurück- wies, andere durch den Nachweis der Unechtheit des letzten Teiles der Nekyia und tles 24, Gesanges der Odyssee^) entkräftete, andere endlich als irrelevant bezeichnete, denen eine so weittragende Beweiskraft nicht inne- wohne^). Es fallen damit allerdings die oben unter 3. 4. 7. 8, vielleicht auch die unter 2. 6. 9 aufgeführten Argumente; aber die gegen 1 und 5 erhobenen Einwände (s. schol. -T 382. * 416. W 229) sind vtillig nichtig, gar nicht der Argumente zu gedenken, die noch die neuere Kritik hinzugefügt hat. Widerlegt hat also Aristarch die Chori- zonten keineswegs, so beachtenswert uns auch das Urteil eines Mannes ist, der noch aus eigener voller Lektüre den Abstand der kyklischen Dichter von den dem Homer beigelegten Werken ermessen konnte. Aber so gross war das Ansehen des Aristarch und so gering die selbständige Forscherkraft der Nachfolger, dass diejenigen, welche sich noch mit einer solchen Frage abgaben, dem Hohne der Spötter verfielen, wie man

1) Damuf beziehen sich die Schollen zu X 362. ^ 71. H 335. Dass aber Aristarch und Aristoph anett mit ^ 296 die Odyssee schlössen, darüber haben wir das Zeugnis des Eustathius z. d. S, und iinderer Schollen and Handschriften, gesammelt von Spohn, de extrema Odjsseae parte p, 2.

'i) Vergleiche das Scholion zu iV 365. Im wesentlichen hat sich unter den Neueren zu AristarchM Ansicht Otfr. Müller G riech. Lit. I 104—7 bekannt, der höchstens nur zugeben will, dm^ der Dichter der Iliae die Ausführung des Planes der Odyssee irgend einem eingeweihten Scbüler liberlasaen hab«.

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aus Seneca de brev. vitae c. 13 und Lukian ntQi dXrj&ovg iajoQiai; II 20 sieht. Erst unsere Zeit ist wieder dem Scharfsinn jener Chorizonten ge- rechter geworden, so dass auch solche, die sonst mit Wolf nicht gehen wollten, wie Madvig, Nitzsch sich für Verschiedenheit der Verfasser von Ilias und Odyssee erklärten und nur Otfr. Müller und Beruh. Thiersch unter Berufung auf B 260 und J 353 ein weites Auseinanderfallen der Ilias und Odyssee bestritten^). Von Eindruck wird aber auch für die Zweifelnden das Urteil eines Kritikers der Neuzeit sein, den wir kühn dem Aristarch des Altertums gegenüber stellen, das des grossen G. Hermann, der in der Praefatio ad Od. p. VII diesen Punkt als extra omnem dubi- tationem positum bezeichnete. Eines möchte ich noch hinzufügen aus Grote, hist. of Greece II 269, dass zur Zeit, wo die Dichter auf münd- liche Fortpflanzung angewiesen waren, die Dichtung zweier Epen von dem Umfang der Ilias und Odyssee jedenfalls die Kraft eines Einzigen überschritt. Auch die Produktivität hat ihre Schranken, sie ist ver- schieden je nach den Anforderungen, die Verfasser und Publikum an die Feile (lima) stellen, und je nach den äusseren Umständen, welche die Produktivität hervorrufen oder lähmen, begünstigen oder hemmen.

Fr. Aug. Wolf und die Liedertheorie.

Ist so schon auf ihrer zweiten Stufe die homerische Frage auf Widerstand und Anstände gestossen, welche die Wahrheit eine Zeit lang ganz zurückdrängten, und auch jetzt noch nicht zur allgemeinen An- erkennung kommen Hessen, so ist sie auf ihrer dritten Stufe so viel- seitigen Schwierigkeiten begegnet, dass sie jeden Schritt vorwärts mühsam erkämpfen musste und sich immer noch von ihrem Ziele weit entfernt sieht Diese dritte Stufe datiert natürlich von Fr. A. Wolf, der in seinen weltberühmten Prolegomena ad Homer um v, J. 1795 den Satz durchfocht, dass auch jedes der beiden grossen Epen Ilias und Odyssee nicht das Werk eines einzigen Dichters, sondern mehrerer Sänger sei, und dass die Zusammenfügung der alten Gesänge zu einem einheitlichen Ganzen erst viele Jahrhunderte später von unbedeutenden Geistern^ im

1) Bern. Thiersch, Zeitalter und Vaterland des Homer 1H32 S. 327: eodem tempore, quo Ilias orta sit, etiam carmina de Telemachi factis componi et celebrari coepta esse.

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wesentlichen von den Redaktoren des Pisistratus vollzogen worden sei ^). Die Vordersätze, auf die Wolf seine kühne Hypothese aufbaute, waren zum Teil nicht neu; schon die Alten und insbesondere Aristarch ^) hatten dem Homer den Gebrauch der Schrift abgesprochen, und Zweifel an der Einheit der llias waren, wie man jetzt bequem bei Fr ie dl ander. Die Homerische Kritik S. 6 und Volk mann, Geschichte und Kritik der Wolf sehen Prolegomena Kap. 1 nachlesen kann, schon in den Köpfen mancher Gelehrten vor Wolf aufgedämmert. Aber erst Wolf hat die Zweifel in streng wissenschaftlicher Methode begründet und zu jenem grosaartigen Sclihisssatz zusammengefasst , der den zweitausendjährigen Glauben an die Persönlichkeit des grössten Dichters aller Zeiten er- schütterte und wie kein zweiter die Geister mächtig erregte. Aber mehr Zweifel weckend und zu weiterer Forschung anregend als dauernd über- zeugend imd bekehrend wirkten die Prolegomena Wolfs. Das zeigte sich in der ganzen Literatur, die sich an jenes epochemachende Werk an- schloss ; das zeigte sich insbesondere auch in den Eindrücken, die dasselbe auf die hervorragendsten Geister der Zeit und die stimmberechtigsten Kritiker machte. Gleich Goethe brachte unter dem frischen Eindruck des bahnbrechenden Buches ein 'Hoch der Gesundheit des Mannes, der endlich vom Namen Honieros kühn uns befreiend uns auch ruft in die vollere Bahn', wollte aber später seinen Homer 'lieber als Ganzes denken, als Ganzes freudig ihn einpfiaden\ Und der grösste Philologe unseres Jahrhunderts G. Hermann stimmte zwar dem Geiste und dem Resultate der Prolegomena im grossen Ganzen bei, verlangte aber, um das Rätsel der Einheit des aus verschiedenen Gesängen zusammengefügten Werkes erklärlich zu finden, bestimmter als Wolf einen einheitlichen Kern, an den sich die jüngeren Erweiterungen anschliessen konnten. Und im

1) HauptHteUen i^ind prol. c. ^1: Homerum Don universorum quasi corponim snornm opi- ficem PH^^eT üiid hane arteni et s'ructiiram posterioribua saeculis inditam; neque enim id repente fortujto fäütutu^ Terum coniuncU in hoc planum aetatüm hominumque studia, und]c. 33: coUecta a PifliBtrato, non recoUecta c^a^IliIla et adflcitam artem compositionia, non critico studio revocatam.

2} Arietarch setzte tn dk^em Sinne kritiEche Zeichen in seiner Ausgabe, worüber man jetzt Lehrd nachaehe, de Ariat. «tud.^ p. 95. Dagegen sucht Volkmann, Nachträge zur Geschichte und Kritik der Wolfschen Prolegomena, Progr. von Jauer 1878 zu erweisen, dass vor und nach AristJirch der. Glaube an die bis in die graueste Vorzeit reichende Schreibkunst allgemein ver- breitet war.

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Ausland hat, um von Payne Knight und Madvig ganz zu schweigen , der grosse Historiker Englands, G. Grote, in seiner Geschichte Griechenlands bei aller Anerkennung von Wolfs glänzendem Scharfsinn es doch für eine Ungereimtheit erklärt, ein Werk mit faktisch bestehender Einheit aus Atomen von nicht auf einander berechneten Liedern entstanden sein zu lassen ^) Und in der philologischen Fachliteratur gar gab es der Widersacher fast nicht weniger als der Verteidiger, so dass sogar der Verfasser der Geschichte der Wolfschen Prolegomena, Volkmann, mit Sack und Pack in das Lager der Antiwolfianer überging. Das ist nun freilich noch kein Beweis gegen Wolf; denn jede neue Lehre wird an- fangs mit dem Widerstand der alten Ueberlieferung zu kämpfen haben und an Querköpfen, denen man vergeblich die Wahrheit predigt j hat es zu keiner Zeit gefehlt und fehlt es am wenigsten in der unsrigen. Aber hier handelt es sich doch nicht um eine Frage der Politik oder 'gar Religion, in der nur zu gewöhnlich Vorurteil und Willensschwäche den Blick für das Wahre trüben, und finden wir unter den Widei^achern Männer von unbefangenem Urteil und klarem Verstand, wie Otfr< Müller, Madvig, Bergk, Lehrs, Kammer^), deren ablehnende Haltung jedem Ver- ständigen ein Mahnzeichen zur wiederholten Erwägung sein muas. Ja^ um es gerade herauszusagen, Wolf selbst hat den Zweifel an der Festig-

1) Madvigs scharfes Urteil in der Vorrede von Nutzhorns übertrieben gepriesenem Buche, Entstehnngsweise der Homerischen Gedichte p. VlI lautet: 'Die homerische Kritik wurde von F. A. Wolf in den berühmten als Ferment und als Zerstörung einer gar zu naiven Tradition berech "^n und wichtigen, jedoch weder Erscheinungen und Thatsachen klar und übersichtlich darlegenden, noch in der Prüfung konsequent fortschreitenden, noch zum Abschlufci gebrachteti Prolegomena in ein falsches Geleise geführt.* Die schwachen Punkte in der Wolfschen H^potheßo trifft mit richtigem Urteil Payne-Knight in den Prolegomena seiner Ausgabe cap. 9. Die Hauptstelle in Grote history of Greece steht II 232: the idea that the poem as we read it grew out of atomes not originally designed for the places which they now occupy, involves üb in new and inextricable difficulties, when we seeke to elucidate either the mode of coalescense or the degree of existing unity.

2) Madvigs Urteil ist in dem oben Anm. 1 citierten Vorwort von Nutzhorns Unter- suchungen über die Entstehungsweise der homerischen Gedichte enthalten. Otf. Müller txnd Bergk haben ihre^Anschauungen, auf die wir noch ötiber zurückkommen werden, in ihren Grie*hiiichea Literaturgeschichten ausgesprochen. Lehrs gewichtige Urteile hat man jetzt in willkommenster Weise zusammen in Kammers Buch, Die Einheit der Odyssee, S. 765 793. Kammer seU/st äuauert sich S. 403 mit feinem Verst&ndnis also: »Hermann und Voss gegenüber muss ich betonen, dtuts die beiden Epen von Haus aus nach einem umfassenden Plane angelegt waren, nur so erklärt aicli der von Abschnitt zu Abschnitt ununterbrochene Fortgang und der behagliche Ton der Erzlblung/

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keit seiner Ueberzeugung hervorgerufen und verschuldet. Einmal nämlich spricht sich derselbe nicht mit klarer Konsequenz über seine Vorstellung vom Ursprung der homerischen Gedichte aus; denn während er an der oben citierten Stelle der Prolegomena gewissermassen als Vater der Lieder- theorie auftritt, arbeitet er in der Praefatio II, p. XII sqq. den Anhängern der Interpolationstheorie vor, indem er den grösseren Teil der Ilias und den Kern der Fabel dem Homer selbst und nur die Weiterführung und Ausschmückung den jüngeren Homeriden zuschreibt. Sodann hatte er zu wiederholten Malen bemerkt, dass seine Beweise zur Ergänzung und zum Abschluss noch einer detaillierten Untersuchung der Verschieden- heiten in Stil und Sprache und der klaffenden Fugen zwischen den ein- zelnen Liedern bedürfen^); aber trotzdem er nach der Herausgabe der Prolegomena noch 29 Jahre gelebt hat, ist von den in Aussicht gestellten Einzeluntersuchimgen nichts an das Licht getreten. Kann man da einem den Verdacht ^verwehren, dass Wolf selbst an seiner Hypothese irre ge- worden sei, dass sich ihm wenigstens die Ueberzeugung aufgedrängt habe, es werde eine Untersuchung der Gedichte im Einzelnen nicht das Resultat ergeben, welches er allein für das richtige hielt? In der That hat Wolf von der homerischen Frage fast nur die äussere Seite berührt, und die hier erreichten Erfolge müssen wir daher noch näher besprechen, ehe wir auf die weitere Entwicklung des aufgeworfenen Problems übergehen. Den Hauptangelpunkt der Wölfischen Theorie bildet die Frage nach der schriftlichen Aufzeichnung der Homerischen Gedichte. Wolf leugnet den Gebrauch der Schrift durch Homer, indem er die epischen Lieder bis herab auf Pisistratus mündlich durch Aöden und Rhapsoden fort- gepflanzt werden lässt und stützt darauf den Schlusssatz, dass mit dem Mangel der schriftlichen Aufzeichnung auch die Dichtung so grosser

1) Siehe Prolegomena c. 27. 30. 31 und die Stellen aus Wolfs Briefen an Heyne bei Volk- mann, Geschichte der Wolfschen Prolegomena S. 95. Von ganz besonderem Interesse aber ist die Stelle in der praef. 11 p. 21 : Nunc quoque usu evenit mihi nonnunquam, quod non dubito eventurum item aliis esse, ut quoties abducto ab historicis argumentis animo redeo ad continentem Homeri lectionem et interpretationem . . . quoties animadverto ac reputo mecum quam in Uni- versum aestimanti unus hie carminibus insit color aut certe quam egregie carmini utrique suus color constet, quam apte ubique tempora rebus, res temporibus, aliquot loci adeo sibi alludentes congruant et constent, quam denique aequabiliter in primariis personis eadem lineamenta ser- ventur et ingeniorum et animorum: vix mihi quisquam irasci et succensere gravius potent quam ipse facio mihi.

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zusammenhängender Epen falle, proL c. 26: tarn magnorum et perpetua Serie deductorum operum formam a nuUo poeta nee designari animo nee elaborari potuisse sine artificioso adminiculo memoriae. Den Vordersatz hatten, wie wir oben sahen, bereits die Alten und unter ihnen Aristarch aufgestellt, aber es fiel ihnen nicht ein, daraus jenen weitgehenden Schluss zu ziehen; dazu war in ihrer Zeit die Kraft des Gedächtnisses und die Zahl derjenigen, die anstandslos einzelne Gesänge hersagten und den ganzen Homer auswendig wussten , noch zu gross ^). Aber auch der Vordersatz ward in unserer Zeit im Gegensatz zu Wolf bestritten, am eingehendsten von G. W. Nitzsch in dem ersten Teil seiner historia Homeri, und da schon Archilochos fr. 88 der axvvfitvri axvralrj ge- dachte, Palamedes als Erfinder der Schrift in den Kyprien eine Rolle spielte, endlich die vorpisistrateischen Bleitafeln der *'£pya des Hesiod gut bezeugt sind (s. Pausanias IX 31, 4), so ist schwer einzusehen, warum denn gerade die Aufzeichnung der Gesänge Homers bis auf Pisistratus habe warten müssen. Demnach nehmen denn auch selbst zu Wolf hin- neigende Forscher, wie Grote, Ritschi und Lehrs*) unbedenklich an^ dass schon mit der Mitte des 7. Jahrhunderts die Fixierung des Homer, wenigstens einzelner Gesänge und der Liederanf&nge begonnen habe, und dürfen unbedingt die Worte des Dichters Z 168 Tio^fsv ^ o yt miaara Xvy()d, ygaiffag ir nivaxi nrvTCKp &vfxo<p&6{}a nolXd dahin gedeutet werden^ dass bereits zu Homer eine dunkle Kunde vom Gebrauche der Schrift und von brieflichen Mitteilungen gedrungen war. Aber von da zu der Abfassung umfangreicher Bücher ist noch ein weiter Weg und gar alle Wahrscheinlichkeitsgründe, insbesondere auch die Gestalt des Textes, das spurlose Verschwinden des Digammas und die Einführung falscher Zerdehnungen, wie oov Idinv (potog sprechen gegen Nitzsch's von Volkmann S. 181 flf. wiederholte und mit lächerlichen Gründen gestützte Behauptung,

1) Siehe Xenophon, sympos. III 6 und Yg\, Lehn de Arist.* p. 439.

2) Grote, hist. 11 200, Lehrs, de Arist.^ p. 442, Ritschi opusc. I 60 und in dessen Leben II 27 Dagegen halt an der Ansicht Wolfs unbedingt fest Niese, Die Entwiükelung der homerischen Poesie S. 8, und Senge busch, diss. Hom. II 38. Zu den oben im Texte angeftthrten Zeugnissen über Anwendung der Schrift im 7. Jahrhundert fiige man noch die Angabe des Gert. Hom. et Hes. p. 826 ed. Göttl. Aber den Hymnus auf den Delisthen Apoll: *J^hot ypof^nyr/f fnii fcV ^iixtüfia dyiSrptay iv j^ jfjf *AQxi(u6o^ Uq^ und die doch wohl schon in den Kjprien vorgetragene Mythe von einem Briefe, den Odysseus zum Verderben des Palamedes ach rieb, in Hygin fab. 105.

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dass Homer selbst die Schrift gebraucht und seine Dichtungen eigen- händig niedergeschrieben habe. Freilich hat sich auch neuerdings Bergk in seiner griechischen Literaturgeschichte S. 530 jener Behauptung an- geschlossen, aber auch ein scharfsinniger Kritiker kann manchmal fehl- gchiessen, namentlich wenn er so sehr wie Bergk das Paradoxe liebt Keineswegs kann aber aus den paar Schriftzeichen, welche Schi ie mann auf troischer Töpferwaare (Ilios, Nr. 1519. 1524.) fand und deren Schrift- charakter obeT]drein Milchhöfer, Allg. Ztg. 1883 Beil. Nr. 355 anzweifelt, auf eine weite Verbreitung der Schrift in der Zeit Trojas und Homers geschlossen werden.

Der zweite Punkt, auf den sich Wolf vornehmlich stützte, betrifift die dem Vortrag epischer Dichtungen in der Zeit Homers gesetzten Schranken, Wolf weist darauf hin, dass Homer wie von den Agonen musischer Künstler j so auch von einem mehrere Tage hintereinander fortgesetzten Vortrage epischer Dichtungen noch nichts weiss, dass er immer nur erzählt von kleinen Liedern, wie vom hölzernen Pferd (9- 492 bis 520), vom Streite des Odysseus und Achilleus (9^ 73 82), vom Abzug der Achäer von Troja (a 326), vom Liebesabenteuer des Ares und der Aphrodite (^ 266 366), wie sie leicht beim Mahle von Sängern oder in Mussestunden von den Helden selbst zur Phorminx gesungen werden konnten. Daraus zieht er nun proL c. 26, indem er in jenen in die heroische Zeit zurück verlegten Schilderungen nur Abbilder der Ver- hältnisse seiner Zeit sieht, folgenden Schluss: si Homero lectores longorum poematum deerantj plane non assequor, quid tandem eum impellere potuisset in consilium et cogitationem tam longorum et continuo partium nexu consertorum carminum. Auch hier wird man, wie namentlich W G 1 c k e r , Ep* Cyclus I 3 1 6 ff. in dem Abschnitt über den Vortrag der homerischen Gedichte gethan hat^ den Vordersatz zugeben können, aber die Berechtigung zu der daraus gezogenen Folgerung leugnen dürfen, zumal Homer selbst durch die Wendung (palvB ^* doidriy h'v&sv ikwr, wg Ol fihi' hmnfkiiw^ bttI vriwr ßdvTfg ansTiXeov klar angedeutet hat, dass wenn die Sänger auch nur ein einzelnes kleines Lied zum Vortrage wählten, dasselbe doch aus dem Zusammenhang eines grösseren Gedichtes genommen sein konnte. Ausserdem beweist die Schilderung Homers im L Gesänge der Hias V. 601 ff.

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wg TOTf uhv THß/mar rjuaQ ^g Tj^kior ytaTaüvvra (iairvvT\ ovdf t& &vu()g H^futro (^airog ilarjg^ ov fnr (foQfiiyyog 7j&(}txaXkfogj i]y f/* yinollior^ Movndiov ^\ al ä^iiior' äu^ißouBvai iml ^caXfi^ dass man selbst den Vortrag grössörer Epen durch mehrere sich gegenseitig ablösende Sänger für die homerische Zeit nicht absolut in Abrede stellen darf. Denn in den Olymp übertrugen die Zeitgenossen Homers und die Griechen aller ^Zeiten die Vorgänge ihrer Umgebung und der mensch- lichen Wirklichkeit, und an einer Stelle, Ilias IX 189 191 läßst Homer ja auch auf Erden, im Zelte des Achilleus, zwei Heldensänger. Achilleus und Patroklos, sich in dem Vortrag epischer Lieder einander ablösen.

So werden wir denn zugeben müssen, dass Wolf zwar den Glauben an die Dichtung so grosser Epen, wie Ilias und Oyssee, durch einen Dichter stark erschüttert hat, dass er aber in seinen Schlussfolgerungen aus gut begründeten Prämissen entschieden zu weit gegangen ist und Sätze als unanfechtbare Wahrheiten aufgestellt hat, die in das Gebiet der (fo^a nicht der bniar/iuri gehören, von denen es, wie Friedländer sagt, thatsächliche Beweise weder für noch wider gibt. Auf der anderen Seite wird auch ein vorsichtiger und ängstlicher Forscher aus den von Wolf klargelegten Verhältnissen folgern müssen, dass wenn nun einmal zu Homers Zeit sich nur Gelegenheit zum Vortrag kleinerer Lieder bot und diese selbst nur mündlich fortgepflanzt wurden, sich so grosse Epen, wie Ilias und Odyssee, nur dadurch erhalten konnten, dass der Dichter einen Kreis von Jüngern und begabten Sängern um sich sammelte, die ilnn seine Lieder ablauschten, dieselben in weitere Kreise trugen und auf die Nachwelt verpflanzten. Dann kommen wir aber notwendig zur Annahme einer Sängerschule und einer aus Verwandten, Schülern oder Freunden zusammengesetzten Homeridenzunft. Die Glieder dieser Innung aber zu blossen Rhapsoden herabzudrücken, dazu hat man nicht die geringste Berechtigung; vielmehr entspricht es weit mehr den Verhältnissen einer schöpferischen Zeit und eines reichbegabten Volksstammes, dass die Jünger dem Meister auch die Kunst des Dichtens ablernten und an der episoden- artigen Erweiterung der ihnen zur Fortpflanzung übergebenen Werke mit fortgewoben haben.

Aber doch nicht ausschliesslich war Wolf bei den äusseren Momenten

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 18

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der homerischen Frage stehen geblieben und noch weniger haben sich seine Anhänger auf diesen engen Kreis der Untersuchung beschränkt. Von der Ilias hatte schon der Meister, proleg. c. 31 bemerkt: in Universum idem sonus est omnibus libris, idem habitus sententiarum , orationis, numerorum; quare necesse erit excutiatur aliquando accuratissime, quae insolentia sit in vocabulis et locutionibus et qualis, quid diversum et disparis coloris in sententiis etc. Er selbst zwar hat diese Untersuchungen, deren Notwendigkeit er betonte, nicht angestellt; aber andere sind in seine Stelle eingetreten, so G. Hermann, der in seinem Buche de emendandi ratione gramm. gr. und in seiner Ausgabe der Orphica über den Sprachgebrauch einiger Wortformen und gewisse Eigentümlichkeiten der Metrik mehrere treffliche, nur nicht erschöpfende Beobachtungen machte, und viele andere jüngere Gelehrte, welche sich die Aufhellung hieher gehöriger Punkte zur speciellen Aufgabe machten, wie C. Hoff- mann in den Quaestiones Homericae, Friedländer in den zwei ho- merischen Wörterverzeichnissen, Giseke in den homerischen Forschungen und den Untersuchungen über den Unterschied im Gebrauche der Prä- positionen, Lehrs in dem Aufsatz über die Caesura hephthemimeres, Harte 1 in den homerischen Studien, und ich selbst in meiner in den Stzb. d. b. Ak. v. J. 1879 veröffentlichten Abhandlung über die Inter- polationen bei Homer. Das Hauptaugenmerk war dabei auf den Gebrauch des Digammas, die Zusammenziehung ehemals getrennter Vokale, den Bau des Hexameters und die Eigentümlichkeiten in der Phraseologie und im Gebrauch der ana^ Uyofxeva gerichtet. Die Resultate der Untersuchungen waren zum grössten Teil negativer Art und entsprachen durchaus nicht dem, was Wolf von ihnen erwartet hatte. Bei einigen der Forscher, nament- lich bei Hoflfmann zerbröckelte die Ilias und selbst ihre einzelnen Rha- psodien in kleine Teilchen, so dass selbst die Wolfianer und Lachmannianer eine solche Atomistik perhorrescierten und vor der Auffassung der Ilias als eines buntzusammengesetzten Mosaikwerkes warnten. Bei andern führten die Zusammenstellungen geradezu zum Bekenntnis der Unmög- lichkeit auf diesem Wege die Hypothese Wolfs von einer Mehrzahl von Dichtern und einer Arbeit mehrerer Jahrhunderte zu erweisen. Es er- gaben sich nämlich keine grossen, massig wirkenden Unterschiede, und bei den kleinen Differenzen kann zu leicht der Zufall mit im Spiele sein.

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als dass ein besonnener Kritiker grosse Schlüsse auf sie bauen dürfte. So stellte sich heraus, dass in allen Gesängen Homers von Inter- polationen kleineren Umfangs sehe ich hier ab das Digamraa noch seine Kraft ausübte und dass in Bezug auf die Festigkeit dieses bei Kal- linos und Archilochos schon fast ganz hinfällig gewordenen Lautes kaum ein erheblicher Unterschied zwischen den als alt und den als jung an- genommenen Gesängen, wie etwa der ^AyauHiyoyo^ aQiöJkia und der *^'£;^7opo^ IvTifay dem Nostos des Odysseus und der Telemachie besteht. Damit schwinden aber auch fast alle Unterschiede, die man in Bezug auf die Häufigkeit des Hiatus und der Silben Verlängerung vermutet hat, und bleiben nur kleine Divergenzen in Bezug auf die Cäsuren und Versformen, die gleichfalls keinen entschiedenen Ausschlag für das Alter der ein- zelnen Gesänge bieten. Ferner erwies Friedländer, dass an dem Schatz der cf/ral tlQi]uiya alle Gesänge in nicht stark abweichendem Verhältnis participieren und dass die Wörter und Formen, welche man als hesio- deisch (wie jtiaxi^oovyr] £1 30, jiio(}(pri 9 70. a 367, riuu9eoi; M 23, loyoi^ U 393 a 56) und jungjonisch (n^foßaror Z 124. W 550, X>n^ti I 258, Goifiri 0 412, äxurj K 173, (to^a K 324. a 344) bezeichnen könnte, nicht zahlreich genug sind, um innerhalb der Ilias und Odyssee einer Scheidung zwischen älterem und jüngerem Epos als sicherer Ausgangspunkt dienen zu können, zumal noch hier und da, wie bei ueraSv -4 156, und t/yi^ca ;f 198 sich der Verdacht eines Textverderbnisses aufdrängt. Denn bei den Formen der Wörter, namentlich den aufgelösten und kontrahierten, hat man es geradezu als feststehenden Grundsatz erkannt, dass nur jene Stellen als beweiskräftig gelten dürfen, in denen die überlieferte Form auch durch^ das Metrum geschützt ist, während an allen anderen die gerade über- lieferte Form ebenso gut von den Grammatikern und Rhapsoden als vom Dichter selbst herrühren kann. Dass aber überhaupt ein Schluss auf Verschiedenheit des Dichters aus Verschiedenheit der Form bei Homer äusserst bedenklich ist, muss jedem daraus offenbar werden, dass in Partien, welche offenbar von demselben Dichter herrühren und in con- tinuo gedichtet sind, sich verschiedene Formen nebeneinander finden, wie 2;a()ni^^üya M 292 u. Sagntidovrog M 379, ßtiiriy V 685 u. ßarriv V llOr m^^f ^ 49 u. t(}€ie K 51, hnokrai B 380 u. iooBirai B 393, iTitaX/iuyog // 15 u. ijidX/utyog H 260, ouoaat JT 271 u, ojuoasr Z 280

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UyHaog x 241 u. ^yJybkeaßg x 247, xoksolo A 194 u. xovi.t6y A 22Q, 7}l(favaxü) K 478. 502 u. TiUfauo^iu K 202, i/t^aroj; 0 300 u. vdari * 258, arluQiivoi il 598 u. örld^t* J 460. Unter solchen Umständen haben selbst Männer, welche sonst auf dem Standpunkte Wolfs stehen, vor verführerischen Schlüssen aus sprachlichen Eigentümlichkeiten abge- raten, wie Naber in seinen Quaestiones Homericae p. 50 und Lachmann in einem Brief an Lehrs bei Fried länder, Kritik p. VII ^).

Doch so rasch wollen wir nicht das Kind mit dem Bade ausschütten; denn einmal lässt sich auch mit einem stumpfen Messer etwas ausrichten, und lassen sich nicht bloss an der Hand des homerischen Sprachgebrauchs kleinere Interpolationen mit Sicherheit ausscheiden, sondern gebe ich auch die Hoffnung nicht auf, dass wenn einmal vermittels anderer Er- kennungszeichen vei^chiedene Partien der Ilias und Odyssee geschieden sind, sich auch verläasigere Merkmale älterer und jüngerer Diktion auf- finden lassen. Dann haben aber auch, was weit wichtiger ist, die sprach- lichen und metrischen Untersuchungen schon jetzt ein grosses Resultat geliefert, nur aber nicht zu Gunsten der Wolfschen Hypothese, sondern zum geraden Gegenteil. Denn für jeden Unbefangenen muss es jetzt feststehen, dass die Ilias und Odyssee auch nicht einmal in ihrer Zu- sammenfügung ein Werk des Pisistratus sind sonst müssten sich grössere Partien finden, welche das sprachliche Gepräge des 6. Jahr- hunderts trügen und dass höchstens einige kleine Partien, aber kein einziger ganzer Gesang, auch nicht der Schiffskatalog oder die letzte Rhapsodie der Odyssee nach Archilochos und Kallinos, oder nach der Mitte des 7. Jahrhunderts entstanden ist. Das geht unwidersprechlich daraus hervor, dass auch noch in dem Schiffskatalog und in der Tele- nuicliie das Di gamma fast durchweg und nicht bloss an gewissen Vers- stellen und in bestimniten Wortverbindungen seine Kraft bewahrt hat, dass hingegen bei Archilochos nur vor ul fr. 28 u. 95 und äya^roc: fr. 1 ein Hiatus steht, hingegen von oJroj; fr. 3. 5. 79, e{)yoy fr. 4. 38. 87, liaro^ fr. 9. 65, äva^rn^ fr. 10. 77. 79, ülxo^ fr. 68. 96, r^^iv fr. 76 sich

l) Die g»ifi£« Stelle de« gitmaen Kritiker» ist sehr leäenswert, namentlich für die sUtistischen Philologen «n^jerer Tage, die mit dem Zilhlen der Formen und Wörter wunder was zu leisten ^Jau}>en«

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keine Spur mehr der labialen Spirans findet ^). Denn wenn man auch einen Teil dieser Erscheinung auf Rechnung des Dialektunterschiedes von Chios und Ephesos und der Forterbung alter Sprachformen in den Rhapsodenschulen bringen will, so reicht dieses doch keineswegs aus, um den bedeutenden Unterschied im Gebrauch des Digammas zu erklären, zumal im 7. Jahrhundert selbst bei den äolischen Dichtern Alkaios und Sappho ioog tldog tötiv e(jyor f^nr^g schon nicht mehr die volle Kraft des anlautenden Digammas bewahrten. Urteilsfähige Leute sollten also endlich aufhören, grossen Männern die Fabel vom Pisistratus als Schöpfer der Ilias imd Odyssee nachzubeten.

Mit der sprachlichen Form hängt der Stil und die Kunst der Dar- stellung eng zusammen. Auch sie sind in die Besprechung der homerischen Frage vielfach hereingezogen worden; man hat auf die Figur der Ana- diplosis in den letzten Büchern der Ilias F371. X 127. V' 641, auf die Häufigkeit und Schönheit der Gleichnisse in den Büchern B E ^ M und ihre verhältnismässige Seltenheit in der Gesandtschaft, in den letzten Büchern der Ilias und in der ganzen Odyssee hingewiesen^), man hat einzelne Partien, wie die Bovlrj y€(}6yra)y im 2. Buch, den Kampf des Aineias und Achilleus im 20., sowie das ganze 7. und 8. Buch der Ilias als Centonen bezeichnet, man hat in den letzten 6 Büchern der Ilias ein auffälliges Nachlassen der poetischen Kraft finden wollen^). Ich bestreite

1) Siehe darüber Fick in Bezzenbergers Beitr. VII 141 und jetzt in seiner homerischen Odyssee p. 8, dem ich aber aus naheliegenden Gründen, die ich in meiner , Ausgabe entwickelt habe, nicht beigetreten bin, wenn er daraus eine äolische Grundform * der ältesten Gesänge der Ilias ableiten zu dürfen glaubte. Wie sehr aber in dem nachhomerischen Epos das Digamma zurücktrat, lehrt Sayce, Sprache der homerischen Gedichte, nach dem sich verhält beobachtetes und vernachlässigtes Digamma in Hesiod wie 3V2:1, in dem Hymnus auf Hermes wie 1 : IV»» in Empedokles wie 1 : 3, in der Batrachomyomachia wie 1 : 6.

2) Wie vorsichtig man sein muss, aus der geringen Zahl der Gleichnisse auf verschiedene^ minder begabte Verfasser zu schliessen, dazu mahnt hauptsächlich der Mangel der Gleichnisse in dem Fundament der Ilias, dem unübertroffenen 1. Gesang. Nicht aus mangelnder Begabung hat hier der Dichter den Schmuck der Gleichnisse weggelassen, sondern weil Gleichnisse nicht in eine Einleitung passen, wie treffend Nutzhom S. 140 bemerkt hat.

3) So Wolf prol. c. 31: quoties in continenti lectione ad VI postremas rhapsodias Iliadis deveni, numquam non in iis talia quaedam sensi, quae, uisi illae tarn mature cum ceteris coa- luissent, quovis pignore contendam dudum ab eruditis detecta et animadversa fuisse, immo multa eins generis, ut cum nunc 'Oaijpixwrrtr« habeantur, si tantummodo in hymnis legerentur, ipsa sola eo8 suspicionibus roS-fittg adspersura essent.

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natürlich nicht die Berechtigung derartiger Beobachtungen und verzichte noch weniger selbst auf den Appell an das ästhetische Urteil in evidenten Fällen, aber eine so verwickelte Frage wie die homerische mit Gründen des Stiles und mit Berufung auf das Schönheitsgefühl entscheiden zu wollen* ist äusserst bedenklich» Schilderungen von Kampf esscenen laden mehr zu Gleichnissen ein als Erzählungen von Gesandtschaften und Reise- erlebnissen; jeder Dichter und Homer wird keine Ausnahme von den Naturgesetzen gebildet haben hat seine guten und seine schlechten Stunden, und die ästhetischen Urteile nicht bloss von oberflächlichen Dilettanten, sondern auch von feinen Kennern weichen nur zu häufig von einander ab, Köchly war mit seinem Ausspruch von zusammen- gestoppelten Versen sehr rasch bei der Hand, Wolf, wie wir sahen, und mit ihm Lachmann und Köchly haben über die 6 letzten Bücher der Ilias ein sehr abfälliges Urteil gefallt, aber Schiller pries in überschwäng- lichen Ausdrücken das 23. Buch ^), Otfr. Müller sagte von der Scene der Zusammenkunft des Achilleus und Priamos im letzten Gesänge, dass sie mit keiner andern in der ganzen alten Poesie verglichen werden könne ^)j und das 22. Buch mit der ergreifenden Schilderung von Hektor, der erst wie ein edles Wild dreimal um die Mauern von Achilleus ge- hetzt wird und den dann^ an den Wagen des Siegers gebunden, die jammernden Eltern von dem Thurme der Stadt aus zu den Schiffen der Achäer schleifen sehen, setze ich kühn jedem auch der gepriesensten Gesänge der Ilias an die Seite. In anderen Dingen freilich werden alle übereinstimmen, wie dass die Götterschlacht im 21. Gesang weit hinter ihrem Original im 5. zurücksteht, dass das 19. und 20. Buch viele matte und langweilige Partien haben, dass in dem 13. Buche die Handlung einen allzu langsamen Fortgang nimmt, dass der aufzählende Charakter des Kataloges mit seinen fünfzeiligen Strophen nicht zur lebens- vollen Frische des übrigen Epos stimmt, dass viele Verse und Gleichnisse an der zweiten Stelle minder zutreffend wiederholt sind. Aber alle diese Dinge sind mehr wichtig, um den früheren oder späteren Ursprung ein-

1) Siehe Lebrs de Ari»t^ p- 4;id.

2) Otf. Müller, Geflchichte der gricchiBchen Literatur I, 84; über die abweichenden Be- urteilungen elnzeber Bücher Überhaupt vergleiche Mahaffj S. 18 f und Nutzhom S. 251.

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zelner Partien zu erweisen, als dass sie für die Annahme verschiedener Verfasser des eigentlichen Stockes der Ilias ein entscheidendes Gewicht in die Wagschale werfen könnten. Jedenfalls dürfte dem Verlauf der homerischen Frage kein günstiges Horoskop gestellt werden, wenn sie sich auf ästhetische Urteile, dem Tummelplatz der subjektiven Mei- nungen, stützen oder dieselben gar zum Ausgangspunkt nehmen wollte. Den Ausgangspunkt müssen vielmehr die Untersuchungen über den in- neren Zusammenhang der Teile der Ilias xmß Odyssee, über die Fugen, Risse, Widersprüche in den beiden Dichtungen bilden, und an ihnen hat sich auch thatsächlich die weitere Entwicklung der homerischen Frage seit Wolf fortgesponnen, zu deren Beleuchtung wir nun übergehen wollen.

Die homerische Frage seit Wolf.

Gradlinig ist die homerische Frage nach Wolf nicht verlaufen, viel- mehr führte Wolfs Kühnheit wieder zu einer rückläufigen Bewegung, indem sie die Classe der Unitarier hervorrief, als deren Fahnenträger von Köchly^) mit Recht G. W. Nitzsch bezeichnet wurde, an dessen Werke, Meletemata de historia Homeri, 1830 und Sagenpoesie der Griechen, 1852, sich die Arbeiten von Bäumlein ^), Nutzhorn, Volkmann, Kiene, Gerlach ^) u. a. anschlössen. Man würde unbillig sein, wollte man jenen Unitariern alles Verdienst für die richtige Erkenntnis Homers absprechen. Sie haben die Kehrseite des Bildes hervorgehoben, indem sie den Blick auf die Gleichheit in der Charakterzeichnung der Hauptpersonen*), die Ueber- einstimmungen in der Chronologie und Sage % die Conformität in Versbau

1) Köchly in seiner prächtigen dissertatio III de Iliadis carminibus, jetzt in dessen Opus- cnla philologica I 49 sqq.

2) Bftumlein, commentatio de Homero eiusque carminibus, 1847, praefatio der Tauchnitzer Iliasausgabe, Philol. XI 405—30 etc.

3) Nutzhorn Entstehungsweise der homerischen Gedichte, 1869, Volkmann Geschichte und Kritik der Wolf sehen Prolegomena, 1874, Kiene die Komposition der Ilias des Homer, 1864, Leop. Gerlach, Einheit der Ilias im Philol. XXX. Gegen den Kern von Wolf*s Hypothese sind auch die einschlägigen Abschnitte in Otfr. Müller's Griech. Literatur^schichte und Mure 's history of the litterature of ancient Greece gerichtet.

4) So Herakles durchweg gedacht als /juf y^^^i raJ>' T^fcuixc?^ ngoyeriar^gos (vgl. O 638 u. (p 21), so die Vorstellungen von Laomedons Söhnen gleichmässig festgehalten in Y 237, O 419 526. 576, Z 28 u. a.

5) So steht, um nur einiges hervorzuheben, ngwpvyity Z 502. H 309. A 340. X 107. / 325 im Sinne von tntxipvytir, ist im Gegensatz zum späteren Sprachgebrauch iKyiofAai Txw yBo/nai 6vta

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und Sprache ^), die Aehnlichkeit in der Kunst der symmetrischen An- lage und episodischen Eindichtung lenkten. Sie haben ferner eindring- licher auf die gegenseitigen Rückbeziehungen, die ausgesprochenen wie die versteckten*), aufmerksam gemacht und die Spuren eines einheit- lichen Planes nachzuweisen gesucht Aber der Zusammenklang der Teile der Ilias und die Gleichheit der Sprache und des Stiles war auch Wolf nicht verborgen geblieben; sagte er doch geradezu 'in Universum idem sonus est omnibus libris, idem habitus sententiarum orationis nu- merorum* und 'testis est poeta ipse h. e. carmina, in quibus tanta con- spicitur unitas et simplicitas argumenti et dispositionis, ut de re quam quaerimus pro auctore suo responsum dare videantur . Aber Wolf liess sich durch jene zutageliegenden Einheitszeichen nicht tauschen über die offenbaren Widersprüche innerhalb der beiden grossen Dichtungen, über die vielen unvermittelten Uebergänge, über die mangelnde Harmonie der Teile, kurz über die mannigfachen, von mir in den Paragraphen 23 36 meiner Prolegomena besprochenen Mängel in der Durchführung desjenigen Planes, der von dem Dichter selbst in dem Proömium ausgesprochen zu sein schien. Wolf war ausserdem ein zu klarer und unbefangener Kopf,

über 100 Mal in Rias und Odyssee mit dem reinen Accusativ verbunden, ist durchweg /dnorvoof nach der 2. statt fingrvg nach der 3. Decl. gebraucht, findet sich gleichmässig in Ilias und Odyssee der später erloschene Oonjunctiv mit kurzem Themavokal u. a.

1) Für die symmetrische Anlage verweise ich insbesondere auf den Parallelismus der Re- tardierung der Handlung um 12 Tage im ersten und letzten Gesang (^ 425 u. i2 31), des Scenen- wechsels im Eingang und am Schlüsse der Patrokleia (/I 1 u. ^ 1), der Ueberlegenheit der Achäer in r—H und der der Troer in ^ O, der Flucht der Achäer in B 343 345 und der der Troer in

0 1 3, des Grabenüberganges von Seite der Troer in M 84 und von Seiten der Achäer in vi 47, der Verdrossenheit des Aeneas über Hektor in N 459 und der der AchäerfÜrsten über Agamemnon in iV 114, des Verbotes des GGtterfürsten sich an dem Kampfe der Menschen zu beteiligen in O

1 ff. und der Aufforderung desselben an dem Kampfe teilzunehmen in Y' 1 ff. Ebenso zeigt sich die Kunst der episodischen Einlage unter Benützung eines zeitlichen Zwischenraumes in der Haupt- handlung in gleicher Weise in der Teichoskopie r 121 244, im Waffen tausch des Diomedes und Glaukos Z 119—236, im Kampfe der Wagenlenker des Patroklos P 426—542, in der Fahrt nach Chryse ^ 430-487, ii^der Absendung des Patroklos A 596—848 und O 390— 40o.

2) Von diesen Rückbeziehungen hebe ich besonders hervor /7 61 auf / 650, M 336. S 521. O 469 auf e 328, 0 5 auf O 605, 0 110 auf >' 518. Andere stehen im 4. Kapitel meiner Pro- legomena. aber überall gilt es hier erst zu untersuchen, ob die betreffenden Verse echt oder unter- geschoben sind. Denn schon der Umstand, dass Homer sonst dem cyklusartigen Charakter seiner Gesänge entsprechend Rückbeziehungen meidet, muss gegen die Echtheit der betreffenden Stellen von vornherein einnehmen.

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um in der Ilias und Odyssee die Verkörperung grosser sittlicher Ideen zu finden, welche theologische Weisheit in die einfachen Produkte ech- tester Volks- und Naturpoesie hineingehaimselt hat^). Endlich haben Wolf, Bemhardy und andere, welche von einer homerischen Sängerschule sprachen, nicht so gering von dem Talente der Jünger gedacht, dass sie ihnen die Fähigkeit absprachen, sich in den Geist der alten homerischen Dichtung hineinzuleben und das Werk des Meisters in dessen Geiste weiterzuführen, wie dieses ja auch geschichtlich bezeugt ist von den Vollendern unserer grossen Dome, welche die Entwürfe der ersten Meister nicht einfach ausführten, sondern zum Teil auch ausschmückten und er- weiterten. Mit blossen Lobreden auf die glückliche Einfügung der Pres- beia oder den herrlichen Abschluss der Ihas durch die Leichenspiele und die Lösung Hektors ist noch nicht viel gethan, da eine solche Kunst auch den Homeriden, den Jüngern des Meisters, zugetraut werden kann. Um die Einheit des Verfassers zu erweisen, müssen erst die Widersprüche und die Abweichungen der Sprache beseitigt werden, die jener Annahme entgegenstehen. Ich halte mich daher bei jenen Einheitsaposteln hier nicht länger auf, zumal ich unten noch Gelegenheit haben werde auf einige ihrer Sätze zurückzukommen, und die einsichtsvollsten unter ihnen, insbesondere Nitzsch in seinem postumen Werk, Beiträge zur Geschichte der epischen Poesie, durch Annahme grösserer Interpolationen ein gutes Stück den Wolfianern entgegengekommen sind.

Den Gedanken Wolfs hat am konsequentesten und scharfsinnigsten K. Lachmann in seinen Betrachtungen über Homers Ilias, 1837 41, weitergeführt. Er hat vor allem die innere Seite der Frage, die Wolf beiseite gelassen hatte, von der aber allein eine endgiltige Lösung des Problems erhofft werden konnte, scharf ins Auge gefasst und durch sorg-

1) Eine sittlich relif^öae Idee suchten in der Ilias und Odyssee besonders Nitzsch und Bäum lein; auch Ritschl, Alex. Bibl. p. 70 (Opusc. I, 60) nimmt für seine zweite Periode der Entwicklung des homerischen Epos eine sittliche Idee an, und mein Freund Carriere führt in dem Werke, die Kunst im Zusammenhang der Culturentwicklung I 50, den Gedanken einer sitt- lichen Grundlage des homerischen Epos so schön durch, dass man fast wünschen möchte, dass er auch wahr sei. Mit Recht hingegen hat sich gegen diese ganze Auffassung Nutzhorn S. 260 ausgesprochen, da sie der einfachen Natur des naiven Volksepos widerspricht. Eher wird man in den homerischen Epen einen historischen Kern, und mit Osk. Meyer, Quaest. Homer. 1847, selbst auch einen mythologischen Hintergrund suchen dürfen.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak d.Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 19

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fältige Analyse der Ilias unter Vergleichung ähnlicher Erscheinungen des deutschen, altfranzösischen und altspanischen Epos 1 5 alte Lieder heraus- gelöst, die ursprünglich selbständige Schöpfungen verschiedener Dichter gewesen sein sollen und die erst ein späterer Ordner benützt habe, um aus ihnen zusammen mit den letzten Rhapsodien -2* S2 unsere heutige Ilias, die Ilias des Pisistratus zu schaffen. Jene 15 Lieder hat dann der geistvollste Anhänger Lachmanns, Arnim Köchly, auch gesondert, und zwar scholaruin in usum, herausgegeben in seinen Iliadis carmina XVI, Lipsiae 1861, indem er seiner kleinen Ilias das stolze Motto vorsetzte vrinioi uviih laaaiv oatp nltov rjuiav navxog. Er ist dabei fast durchweg in die Fus&tapfen Lachmanns eingetreten und hat den 15 'Liedern seines grossen Vorgängers nur noch den letzten Gesang, die ^'Exroffog Xvr^a, als gleichfalls altes Lied hinzugefügt. Die Begründung seiner Ansichten unter schneidiger Bekämpfung der Gegner der Liedertheorie entwickelte Köchly in seinen klassischen dissertationes de Iliadis carminibus, de Odys- seae carminibusj die jetzt in den 1. Band seiner Opuscula philologica aufgenommen sind und in denen Lachmanns Theorie auch auf die Odyssee ausgedelmt ist. Ueberhaupt aber hat der divinatörische Scharfsinn Lacht iianns einen wahren Bann über nah- und fernstehende Geister aus- geübt, so dass sich eine ganze Literatur an die Betrachtungen anschloss und der von dem grossen Forscher betretene Fusspfad zur wahren Heer- strassG erweitert wurde. Im weiteren Verlauf der Besprechung ward dann die I^iedertheorie auch auf die Gesänge 2 X, die noch Lachmann in einem Zug hatte gedichtet sein lassen, ausgedehnt, zuerst von Ad. Holm in seiner Abhandlung, ad C. Lachmanni exemplar de aliquot Iliadis carminum compositione p. 20 und dann eingehender von Mor. Schmidt in seinen scharfsinnigen Meletemata Homerica 1878 u. 1879. Homer selbst aber, dem schon von Lachmann Fleisch und Knochen ge- nommen waren, verflüchtete sich unter den Händen seiner Nachfolger voll- ständig zu einem Phantom, dem vom Zusammenfügen der Name gegeben sei, so dass sich andere noch ein Verdienst um den guten alten Homer erwerben konnten, indem sie ihn wenigstens noch als 'Gesell', als 'Reprä- sentant einer Dichtergenossenschaft' gelten Hessen ').

J } So ö. Uurtiu8, de nomine Homeri; über die andere zuerst von Holtzmann aufgestellte und

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Würdigen wir unbefangen Lachmanns Betrachtungen und die Schriften seiner Anhänger ^), so räumen wir gerne ein, dass durch den glänzenden Scharfsinn des einzigen Mannes die Risse in der Erzählung, die ursprüng- lichen Grenzen der einzelnen Gesänge, der lockere Zusammenhang ein- zelner Teile, der jüngere Ursprung des Mauerbaus, der Gesandtschaft, der Absendung des Patroklos an Nestor, der Leichenspiele, der Hoplo- poiie mit Sicherheit aufgedeckt und für alle Zeiten festgestellt sind. Aber gegen den Hauptsatz seiner Liedertheorie von der ursprünglichen Selbständigkeit der alten Lieder bleiben die gegen Wolf erhobenen Be- denken in ihrer ganzen Ausdehnung fortbestehen. Auch mit den kleinen Modificationen, wie sie insbesondere Schömann in seiner ausgezeich- neten Abhandlung de reticentia Homeri, 185:^ aufgestellt hat^), werden die Haupteinwände nicht gehoben. Homer, den die Homeriden als ihr Haupt verehrten, braucht nicht der Verfasser der ganzen Ilias und Odyssee gewesen zu sein, aber er muss etwas mehr gewesen sein als der blosse Zusammenordner alter Lieder; er kann auch nicht einfach alte Volks- lieder in sein neues Werk herübergenommen haben, ein Dichtergenius, wie den Homer die Tradition aller Zeiten auffasste, war kein blosser Compilator und Ordner, er hat, wenn er auch ältere Lieder benützte,

durch Vergleichung mit dem indischen Vjäsa gestützte Deutmig des Namens siehe jeztDüntzer, Die homerischen Fragen S. 13 33.

1) Ausser Haupts Zusiltzen zu Lachmanns Betrachtungen, zu denen jetzt noch die be- treffenden, aber wenig relevanten Abschnitte in Haupts Leben von Beiger treten, erwähne ich Köchlys klassische Dissertationen, Wold. Ribbecks gehaltvolle Aufsitze im Philologus, Fleckeisens Jahrbüchern und Rhein. Museum, und die zahlreichen Abhandlungen des betriebsamsten Lachmannianers Benicken, dessen soeben erschienenen und vom Verfasser gütigst mir verehrten 'Studien und Forschungen auf dem Gebiete der homerischen Gedichte und ihrer Literatur', zwar zunächst nur das 12. u. 13. Lied zum Gegenstand haben, aber fast alle Seiten der Liedertheorie vom Standpunkt Lachmanns aus beleuchten. Die Anschauung Lachmanns auf die Spitze treibend^ spricht dieser Gelehrte neuerdings geradezu ans jedes Lied habe seinen eigenen Verfasser'.

2) Ausser Schömann verdienen noch hervorgehoben zu werden die in dem Geiste von Wolf- Lachmann geschriebenen Werke von Jacob, Entstehung der Dias und der Odyssee, 1856, Lauer, Geschichte der homerischen Poesie, 1851, Gau er, Urform einiger Rhapsodien der Ilias, 1850. Auch Ritschi, dessen Unterscheidung von 6 Perioden in der Entwicklung der homerischen Poesie (s. Opusc. I. 59) überhaupt nicht viel bedeuten will, geht mir nicht weit genug, wenn er im Einklang mit Bernhardy, Griech. Lit. P, 130, die zweite seiner 6 Perioden folgendermassen beschreibt: Aus einer reichen Fülle epischer Einzellieder wählt der hervorragende Geist Homers eine Anzahl, verschmilzt sie mit eigenen und verknüpft sie kunstgemäss zu einem Ganzen*. Ein blosses Auswählen alter Einzellieder mag sich für einen handwerksmässigen Bänkelsänger schicken, passt aber nicht zur Grösse des Vaters der griechischen Poesie.

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wie dieses nachweislich die Verfasser der kleinen Ilias und der Nostoi gethan haben ^); dieselben umgegossen und mit seinem Geiste beseelt. Von dieser uralten Vorstellung des Dichters Homer dürfen wir nicht ab- gehen, wenn uns nicht dazu die Beschaffenheit der erhaltenen Werke und der Verlauf der griechischen Poesie geradezu nötigen. Diese aber, weitentfemt die Liedertheorie zu unterstützen, führen uns umgekehrt ganz deutlich auf einen Dichter, der einen grossartigen Plan zu einem grossen Epos im Geiste entworfen hatte und diesem Plane die einzelnen Lieder, denen er nur wegen des oben besprochenen praktischen Bedürf- nisses eine möglichst in sich abgeschlossene Gestalt gab, als Glieder eines grösseren Ganzen unterordnete. Denn ein grosser einheitlicher Gedanke zieht sich ganz unverkennbar durch alle Gesänge der Ilias durch, ein solcher wird aber zu allen Zeiten nur durch eine grosse Persönlichkeit ins Leben gerufen, nicht vom Volke erzeugt noch erst hintendrein in fertige Lieder hineingetragen. Einen solchen Dichter von grossem Schnitt und kühner Conception setzt aber auch der ganze weitere Verlauf der griechischen Poesie voraus. Nur einem Homer, der nicht alte Lieder zusammengereiht, sondern ein grosses eigenes Werk geschaffen hatte, konnte sich eine Sängerschule, und konnten sich die Dichter des epischen Kyklos, Arktinos, Lesches, Stasinos anreihen.

Den Gegensatz zur Liedertheorie, die getrennte Lieder an den Anfang und die Zusammenordnung der ursprünglich selbständigen Lieder zu einem grossen Epos an den Schluss setzt, bildet jene Auffassung, welche von einer kleineren ilias als ursprünglichem Kern ausgeht und aus dem- selben durch Erweiterung, Zudichtung, Interpolation allmählich die jetzige Ilias entstanden sein lässt. Es hatte diesen Gedanken, wie bereits oben angedeutet, schon Wolf (Kleine Schriften I, 211) ausgesprochen: certum est tum in Iliade tum in Odyssea orsam telam et deducta aliquatenus fila esse a vate, qui primus ad canendum accesserat. Aber deutlich aus-

1) So hat z. B. der Dichter der kleinen Ilias die Erzählung der Odyssee 6 240—258. 271 bis 289. X 508-537, und der der Nostoi die Erzählung der Odyssee y 130—200. 254—312. 6 351 bis 386 benützt, wie ich in meinem Aufsatz, Noch eine Art von Interpolationen bei Homeros, in Jahrb. f. Phil. 1881 S. 434 flf. nachgewiesen habe. Aehnlich hat Panyasis des Kreophylos 0«/«X/ftf uXu^ci^ und Pisander eine ältere Herakleis ausgenutzt, worüber man sehe Kinkel, epic. poet. fragm. p. 249 u. 254.

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gesprochen und zu Faden geschlagen hat ihn erst G. Hermann in seiner klassischen Abhandlung de interpolationibus Homeri a. 1832 (jetzt im 5. Band der Opusc), die ich als das Vernünftigste und Besterwogene bezeichne, was je über die homerische Frage geschrieben worden ist. S. 70 ist die Quintessenz dieser Auffassung zusammengefasst in den Worten: dissipari dubitationes et solvi ita, ut conciliari cum Wolfii placitis possint, si statuamus multo antiquiore tempore, quam visum sit Herodoto II 53, ac potius, ut Cicero dixit de senect. c. 15, multis ante Hesiodum seculis Homerum duo non magni ambitus carmina de ira Achillis Ulixisque reditu composuisse, quae deinceps a multis cantata paullatimque aucta atque expolita Homeri nomen ad posteros ut poetae vetustissimi propa- gaverint Aber wo haben wir jenen Kern zu suchen? Ist er unter- gegangen unter der Fülle der Erweiterungen, so verliert jene ganze Hypothese für uns ihren Wert; ist er aber in der erweiterten Ilias er- halten geblieben, dann zeige man ihn uns! Darauf hat Hermann keine Antwort gegeben weder in jener Abhandlung noch in dem Aufsatz über Homer und Sappho (Opusc. V, 79 sqq.), wo er zwar Homerica Ante- homerica und Posthomerica in unserem Homer unterscheidet, aber doch keine Sonderung im Einzelnen vorzunehmen unternimmt. So blieb erst den Nachfolgern der Versuch vorbehalten, jenen Kern aus unserer Ilias herauszuschälen; aber sobald man diesen Versuch zu machen begann, zeigte es sich, dass man es mit dem 'non magnus ambitus' nicht so genau nehmen darf, dass mit anderen Worten selbst die ältesten Partien der Ilias, um von der Odyssee ganz zu schweigen, auf eine längere Ex- position von mehreren Gesängen, nicht auf eine so kurze Zusammen- fassung wie die Meleagrossage in II. IX 529 599 angelegt sind. Darauf sind alle hinausgekommen, welche die alte Ilias oder Odyssee aufzufinden suchten, Voss ^), Grote, Friedländer, L. Kayser, Geppert, Bern. Thiersch, Bergk, Naber, Kirchhoff, Kammer, Niese, Heimreich, ja ich möchte fast sagen, alle Homerforscher mit Ausnahme der eingefleischten Lach- niannianer. Denn auch mehr nach links stehende Unitarier wie Nitzsch,

1) J. H. Voss, Antisymb. II 234 fiP. nahm eine ursprüngliche Ilias von 6—8 Rhapsodien an, mengte aber Abenteuerliches hinzu, indem er sie nach Thessalien, statt nach Kleinasien versetzte, während heutzutag wohl darüber Uebereinstimmung herrscht, dass höchstens die Anfänge der hexametrischen Poesie und zwar die sakralen von den Aeoliern und Thessaliem nach den Kolonien Kleinusiens mitgenommen worden waren.

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Düntzer, Minckwitz, Virchow und mehr nach rechts stehende Wolfianer, wie Schömann, Bernhardy, Hiecke, La-Roche, G. Curtius, Bonitz stimmen darin überein, dass die trotz aller Mängel wunderbare Einheit der Ilias und Odyssee ohne einen festen einheitlichen Kern undenkbar ist; die meisten erkennen auch offen an, dass alle oder doch fast alle Gesänge der Ilias nicht erst nachträglich von irgend einem Anordner an die ihnen heute zugewiesene Stelle gesetzt, sondern von vornherein von ihren Ur- hebern für die betreffende Stelle bestimmt worden sind. Auseinander gehen sie nur in Bezug auf die Grösse jener alten Ilias und ihrer Stellung zum Mythus oder zur Volkspoesie. Es ist schwer, unter diesen Vari- ationen bestimmte Kategorien zu unterscheiden; doch will ich den Ver- such wagen, freilich ohne alle Nuancierungen erschöpfen oder überhaupt mehr als einige Grundlinien geben zu wollen.

Am wenigsten entfernen sich von der Ueberlieferung die Vertreter der Interpolationstheorie, welche annehmen, dass lUas und Odyssee von einem Dichter nach einem bestimmten Plane gedichtet seien und dass jene alten einheitlichen Werke bloss im Laufe der Zeit, von Homer bis Pisistratus, eine Reihe massiger Zusätze und Zudichtungen erfahren haben. Im wesentlichen war dieses die Ansicht von Nitzsch, wie sie uns aus seiner Sagenpoesie und seinen Beiträgen zur Geschichte der epischen Poesie entgegentritt Denn er nimmt hier keinen Anstand die Herakles- episode T 95 133, die Erzählung des Nestor A 664 762, einen grossen Teil der Nekyia l 565 627, ja die ganze Doloneia als späte Zusätze zu verwerfen und auch sonst starke Verwirrungen durch jüngere Inter- polationen anzunehmen. In ähnlicher Gedankensphäre bewegt sich auch mein Freund Jak. La-Roche, über die Entstehung der homerischen Gedichte (Ztechr. f östr. Gymn. 1863 S. 161 202), nur dass er in der Annahme von Zudichtungen erheblich weiter geht. Im Grund genommen war dieses aber auch schon der Standpunkt von Zenodot, Aristophanes und Aristai'ch, von denen z. B. der erstere den Schild des Achill 2 483 608 verwarf, Aristarch das letzte Buch der Odyssee, den Schluss der Nekyia und ausserdem mehrere Hunderte von Versen der Ilias und Odyssee als unecht nachwies^). Man kann nicht leugnen, dass die Aus-

1) Geppert, Ursprung der homerischen Gedichte I 51 zählt 851 Verse in der Dias und 315 in der Odyssee, welche die alten Grammatiker athetierten.

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Scheidung einzelner Verse das leichteste Mittel, die lenissima mediciiia ist, über die Schwierigkeiten hinwegzukommen, und dass die Annahme erheblicher Zusätze namentlich für uns, die wir eine jahrhundertlange mündliche Ueberlieferung annehmen, an und für sich ohne jegliches Bedenken ist Aber bedenklich wird das Mittel, wenn, wie in dem 8. Gesang der Ilias oder dem 13. der Odyssee ein Vers über dem andern der Interpolationstheorie zum Opfer fallt und man gar keinen Grund absehen kann, der einen Nachdichter zum Zusatz jener vielen Dutzende von Versen habe verleiten können. Namentlich ist der eigentliche Inter- polationsfanatiker Düntzer mit den Klammern so rasch und so oft hintereinander bei der Hand, dass man sich viel leichter zur Annahme der späteren Zudichtung eines ganzen Gesangs als zur Billigung jener massenhaften Interpolationen verstehen wird. -Ausserdem lassen sich mit der blossen Ausscheidung einzelner Verse und Versgruppen die grössten Anstände nicht beseitigen, es bleibt die verwirrte Chronologie der Odyssee, die Zusammenhäufung der massenhaften Ereignisse der Bücher y/ 84 ^ /7 777 auf die paar Stunden des Nachmittags, die Vernachlässigung der Gesandtschaft in dem Eingang der Patrokleia, die sich widersprechenden Anschauungen vom Laufe des Skamander und der Lage Trojas in den verschiedenen Partien der Ilias, die Vermengung der Lykier des Pan- daros und des Sarpedon und vieles andere der Art. Also mit <ler An- nahme kleiner Interpolationen ist uns nicht ausreichend gedient, so wenig wir auch in einzelnen Fällen auf besagtes Auskunftsmittel verzichten wollen. Mit der Verwerfung des ganzen 10. Gesanges der Ilias ist eigentlich schon Nitzsch aus dem Kreis der Interpolationstheorie herausgetreten. Denn wiewohl G. Hermann und andere nach ihm das Wort Interpolation auch von der Zudichtung ganzer Gesänge gebrauchten, so versteht man doch in der Regel unter Interpolation nur die Zufügung einzelner Verse und Sätze, nicht die ganzer Bücher, und wird man auch in der Dar- stellung der homerischen Frage gut thun, die Einfügung einzelner Verse und Verspartien (Interpolation), von der Zudichtung ganzer Lieder und Liederkomplexe (Erweiterung der alten Ilias) zu scheiden. Die Aus- scheidung nun solcher später eingedichteten Lieder bildet das eigentliche Tummelfeld der höheren homerischen Kritik seit Lachmann, in der man von der Verwerfung einzelner Gesänge, wie der beiden letzten Bücher

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der Hoplopoiie, der Presbeia bis zur Ausscheidung ganzer Gruppen von Gesängen gegangen ist. Zugrunde liegt diesem ganzen Verfahren die gewiss richtige Anschauung, dass die Ilias und Odyssee keine eng ge- schlossenen Einheiten in dem Sinne dramatischer Dichtungen oder auch nur moderner Epen, wie der Gerusalemme liberata und der Messiade, bilden, sondern vielmehr aus Cyklen von Liedern bestehen, welche in freier Folge ohne ängstliche Rückbeziehung einen Grundgedanken durch- führen, der wie ein roter Faden durch das Ganze hindurchgeht und dem Dichter von vornherein vorschwebte, dessen Ausführung im Detail aber sich erst im Laufe der Zeit ergab und von mehreren Dichtern vollzogen werden konnte. Wie z. B. der Streit zwischen Achill und Agamemnon das Gruödthema der Ilias bildet, das nirgends ganz verkannt ist, da auch in den Gesängen, in welchen der Entschluss des Zeus den Achill zu rächen, ganz vergessen zu sein scheint, in den Büchern li H Achill sich weder an den Beratungen noch an den Kämpfen beteiligt. Ist so aber auch die Grundsituation überall beibehalten und hatte gewiss der Dichter des 1. Gesanges gleich im Anfang den Plan, auch die Conse- quenzen des Streites, die Niederlage der Achäer in Folge des Fernbleibens des Achill zu besingen, so fragt es sich doch, wie weit der Dichter von vornherein seinen Plan im einzelnen durchgedacht und dann selbst auch ausgeführt hat. So wird z. B. jedermann geneigt sein, die Aussendung des Patroklos noch in den ursprünglichen Plan hineinzuziehen und die- selbe bereits im ersten Gesang ^307 durch Erwähnung des Menoitiaden angedeutet zu sehen, leicht aber zweifeln, ob Homer auch schon Hektors Abschied, den Mauerkampf, die. üeberlistung des Zeus, die Lösung Hektors, die Waffenschmiedung, die Leichenspiele, die Gesandtschaft, oder auch nur Achill's Rache in seinem Plane gehabt und selbst im Laufe der Ausarbeitung hinzugedichtet hat.

Es verträgt sich aber auch die Theorie von einem nach und nach erweiterten Lydercyklus recht gut mit der weiteren Annahme, dass inner- halb jenes Cyklus wieder einzelne Lieder enger zur Einheit eines kleineren Liederkomplexes zusammenzufassen sind. Lag es doch in der Natur der Sache, dass die Kunst nicht vom Einzellied gleich zu so umfassenden Werken, wie die Ilias ist, überging, sondern zuerst mehrere Lieder zu einem kleineren Complexe zusammenzuweben begann. Ganz deutlich

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treten uns aber solche Liedercomplexe in der Odyssee entgegen, wo sich ganz offenbar die 4 ersten Gesänge zu einer Teleniachie zusamraenschliessen, und die Erzählung von den Irrfahrten des Odysseus ein eigenes Ganze bildet, 80 zwar dass die Odyssee weit eher, was in der Hauptsache übereinstimmend Düntzer (Jahrb. f. Phil. 64), 126, Hennings^), Kirchhoff und Fick annehmen, aus mehreren Epyllien, dem Nostos, dem Freiermord, der Telemachie, als aus einzelnen Liedern zusammengesetzt zu sein scheint. Aber auch in der Rias, wiewohl hier die offenbar ältere Form von Ein- zelliedern, mehr zur Geltung kommt, lassen sich leicht mehrere grössere Gruppen unterscheiden. Schon der Name Patrokleia führt uns auf eine engere Zusammenschliessung des 16., 17. und der ersten Hälfte des 18. Ge- sanges, woraus sich ein geschlossenes Epyllion von über 1900 Versen ergibt. Sodann hat schon Lachniann, Betr. S. 80 sich dahin ausge- sprochen, dass die 5 Bücher -5* X aus einem Stücke seien und so in allem übereinstimmten, dass sie deutlich einen einzigen Dichter verriethen. Aber noch viel mehr stimmen mit einander überein und folgen in ge- schlossener Reihe auf einander die Bücher ^ ^ M N S ü. Endlich hat Grote^) richtig gesehen, dass die Bücher B H^ oder, wie Düntzer vorzogt, r H^ ein besonderes Epyllion bilden, in dem die Erzählung der Kriegs- thaten mit einem Zweikampf eröffnet und mit einem Zweikampf ge- schlossen wird.

Selbstverständlich aber ist es für die Anhänger jener Lehre von einer in einem Cyklus von Liedern sich abschliessenden Einheit, dass

1) Hennings in dem scharfsinnigen methodischen Aufsatz über die Telemachie in Jahrb. d. Phil. Suppl. m, besonders S. 143 u. 205.

2) Grote, history of Greece t II in dem vortrefflichen Abschnitt Homeric poems, der in Deutschland durch Friedländers Büchlein, die homerische Kritik von Wolf bis Grote, 1853, zur allgemeinen Geltung gekommen ist.

3) Düntzer, das dritte bis siebente Buch der Ilias als selbständiges Gedicht, in seinen gesammelten Homerischen Abhandlungen. Die Ansicht desselben ist am präcisten ausgesprochen S. 241: 'wir nehmen weder die Zusammensetzung aus einzelnen umlaufenden Liedern an, noch glauben wir die ursprüngliche Einheit der beiden grossen Gedichte aufrecht erhalten zu können, sondern sind der Ansicht, diese seien aus einigen grösseren Gedichten und einzelnen kleinen Liedern gebildet, die wir wieder herzustellen suchten, so weit es bei den durch die Zusammen- ordnung nötig gewordenen Umgestaltungen und den Veränderungen möglich ist, die sie in der üeberlieferung der Rhapsoden erlitten haben. Schon Nitzsch, Sagenpoesie S. 273 sprach den allgemeinen Gedanken aus, dass Homer innerlich eng verbundene Gruppen von Liedern allmählich gedichtet habe.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. I. Abth. 20

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wenii auch verschiedene Dichter die einzelnen Partien dichteten, doch dieselben von einander Kenntnis nahmen in der Art, dass die jüngeren unter ihnen ihre neuen Lieder von vornherein zur Einreihung in den bereits bestehenden Cyklus an einer genau bezeichneten Stelle bestimmten. Damit aber unterscheidet sich vornehmlich diese Klasse von Homerikern von den Wolfianern und Lachmannianern, welche eine Wechselbeziehung der einzelnen Lieder nicht anerkennen wollten und die Zusammenordnung derselben erst einem späteren Redactor zuschrieben. Am beredtesten aber hat jenen Gedanken, dass der Autor jedes späteren Gesanges Beziehungen zu den älteren Gesängen gesucht und für sein neues Lied eine bestimmte Stelle in dem Liedercyklus ins Auge gefasst habe, neuerdings Beruh. Niese in seinem Buche, Die Entwicklung der homerischen Poesie, 1882, ausgeführt^). Und wie dieser Gedanke zunächst in den Untersuchungen über die Composition der Ilias zur Geltung kam, so haben sich auch in den Analysen der Odyssee die neueren Forscher^ auf einen ähnlichen Standpunkt gestellt, wenn sie von einem jüngeren in den alten hineinge- dichteten Nostos oder von einer Fortsetzung der alten Odyssee, das ist eben jenes alten Nostos durch die Dichtung vom Freiermord reden. Selbst die vier aetates, welche Naber in seinen scharfsinnigen Quaestiones Homericae unter Anlehnung an die Lehre von den geologischen Schichten annimmt, sind von ihrem Urheber so gemeint, dass die folgende Periode immer an die vorausgehende anknüpft und auf derselben aufgebaut ist. Freilich machte sich auch bei den Vertretern dieser Richtung mehr oder minder der Einfluss Lachmanns geltend, indem namentlich Hennings die ein- zelnen Epopöen, welche später die Odyssee bildeten, ursprünglich eine selbständige Stellung einnehmen Hess, so dass bei ihrer Zusammenordnung bedeutende umfangreiche Zusätze notwendig gewesen seien. Dabei hat aber jener Gelehrte, wenn er erst um die solonische Zeit die einzelnen homerischen Epopöen durch Ausfüllung der Lücken, Einschaltung von Zwischengliedern und Ausscheidung des Widersprechenden zur Einheit ver- bunden werden lässt, es unterlassen nachzuweisen, dass die vielen Hunderte,

1) Aehnliche Gesichtspunkte hat schon zuvor Kammer in seinen trefflichen Abhandlungen Zur homerischen Frage, namentlich I 81 ausgesprochen.

2) Kirchhoff, die homerische Odyssee, 2. Bearb. 1879, dem fast durchweg Fick in seiner homerischen Odyssee, 1883 folgt, und Kammer, Die Einheit der Odyssee. 1873.

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ja Tausende von Versei), die er erst später hinzugefügt sein lässt, in ihrem sprachlichen Gepräge eine der langen zeitlichen Kluft entsprechende Ver- schiedenheit tragen. Aug. Fick aber, der allemeuestens in seinem Buche, die homerische Odyssee in der ursprünglichen Sprachform wiederherge- stellt, Göttingen 1883, diesen Punkt nachzuholen suchte, hat wesentliche sprachliche Unterschiede zwischen dem Gros des alten Epos und den jungen Verbindungsgliedern wohl aufgestellt, aber keineswegs mit ge- nügender Sicherheit erwiesen. Hingegen haben andere und so auch ich jüngere, von fremder Hand herrührende Verbindungsglieder nur in sehr be- grenztem Umfange aufzuspüren vermocht, so dass es der kritischen Unter- suchung in jedem einzelnen Fall überlassen bleiben muss, zu prüfen, ob erst ein späterer Diaskeuast verbindende Verse hinzugedichtet, oder ob schon von vornherein der Dichter einer erweiternden Partie dieselbe nicht bloss zur Einlage an einer festen Stelle bestimmt, sondern auch für die passende Eingliederung derselben durch Dichtung von Verbindungs- versen gesorgt hat^). Endlich will auch der Diaskeuast Bergks^ nichts

1) Von Bedeutung in dieser Frage ist, dass sich gerade am Schlüsse oder yor dem Anfang der alten. Iliaslieder, wie ich sie in meiner Ausgabe hergestellt habe, ganz offenbare Interpolationen finden, wie z. B. zweifellos die Verbindungs- oder Abschliessungsverse £ 356 368 (schon von den Alten angezweifelt), P 400—423 (404—425 fehlten bei Zenodot), O 367—414 (fast von allen Neueren angezweifelt), iV 345 360 (hängen mit einer alten Teilung des allzu langen Gesanges JV in der Praxis der Rhapsoden zusammen) nicht vom alten Dichter der Ilias herrühren. Auch der Eingang des 2. Gesanges oder der 'AyoQu, wie des 9. Gesanges oder der Presbeia, scheinen, wie ich in meiner Ausgabe auch äusserlich andeutete, erst später zu den alten Liedern hinzuge- dichtet zu sein und zwar offenbar zu dem Zweck einen engeren Zusammenhang der einzelnen Lieder herzustellen. Aber der Dichter der Doloneia, der Leichenspiele, der Hoplopoiie, des zweiten Schlachttages (6 K), der Absendung des Patroklos an Nestor und wahrscheinlich auch der Tele- machie haben schon selbst dafür gesorgt, dass ihre Zusätze sich gut in die schon fertigen Gedichte einfügten, haben mit anderen Worten auch die einleitenden und schliessenden Verse, wie z. B. B 313—482, M 1 2 selbst verfasst. Von besonderem Interesse ist es dabei zu beobachten, dass der Nachdichter nicht bloss für die passende Einfügung seiner Einlage sorgte, sondern zugleich auch an anderen Stellen grössere oder kleinere Partien einfügte, welche auf den neuen Zusatz Bezug nahmen. So gehen aller Wahrscheinlichkeit nach alle Stellen der Odyssee, welche von dem Seher Theoklymenos handeln, wiewohl sie weit auseinander liegen (o 221—286. o 508 549. Q 52—56. ^ 61 166. t; 345 383), auf denselben Homeriden zurück, und hat der Dichter des 2. Teiles des 11. Gesanges von der Absendung des Patroklos an Nestor (A 596 848) zugleich auch die damit zusammenhängenden -Partien S 1 152 und O 390 414 gedichtet, wie wir ein ähnliches Verfahren im Kleinen an der Eindichtung der Phönixepisode in die alte Presbeia be- obachten können.

2) Bergk, Griechische Literaturgeschichte 1872.

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anderes^) bedeuten, als dass die jüngeren Partien von vornherein be- stimmt waren sich an die älteren an bestimmter Stelle anzuschliessen, und dass dieselben nicht erst hintendrein von Pisistratus zusammenge- ordnet und eingegliedert wurden?

War so allmählich durch die Lehre von Liedercyklen, deren Glieder locker an einander gereiht waren und leicht noch andere die Kette er- weiternde Glieder zwischen sich nehmen konnten, ein Boden der Verstän- digung gewonnen, so war doch damit die homerische Frage noch lange nicht abgeschlossen. Denn nun galt es erst, den alten Kern aufzufinden und die späteren Zudichtungen im einzelnen nachzuweisen; das gab sich schon in der Odyssee nicht so einfach, rief aber namentlich in der Ilias die grössten Widersprüche hervor. Denn auf dem Boden jener Erweiterungs- theorie erwuchsen die üppigsten Schösslinge des subjektiven Beliebens: ein Gesang nach dem andern erlag dem Verdammungsurteil, selbst die ältesten Gesänge, wie die ä(}iOTsia ^Ayafiijjivoyos und die ägiOTeia Jio- firidov^ wurden angefochten^, sogar von den engst zusammenhängenden Partien, wie von dem ersten und zweiten Teil des ersten Gesangs {A 1 bis 305 u, ^ 318 bis fin.) imd von der dritten und vierten Rhapsodie scheute man sich nicht die zweite lieber einem späten Nachdichter als demselben Dichter zuzuschreiben. Dazu kam denn noch die Lehre von der Ueberarbeitung älterer Partien und des Ersatzes eines älteren Lied- anfangs oder Liedschlusses durch jüngere Umdichtung, die überall der soliden Forschung den Boden unter den Füssen wegzuziehen drohte^). Xamentlich hat Bergk mit seinem Allerweltsdiaskeuasten das schlechte Beispiel subjektiver Willkür gegeben, von der er sicher bald zurückge- kommen wäre, wenn er statt eine Literaturgeschichte zu schreiben, einen

1) Naber, Quaestiones Homericae. 1877.

2) Die Echtheit der Ueberlieferung des Gesaaages A wird verdächtigt von Geppert, der Schluss des Gesanges E für eine Nachbildung des Buches 0 erklärt von L. Kayser, die schönsten Partien des ersten Gesanges einem Interpolator zugewiesen von Heim reich.

3) Auch mit der Annahme von Lücken hat man zu operieren versucht; aber diese Hypothese entbehrt von vornherein der Wahrscheinlichkeit und hat auch bis jetzt zu keinen irgendwie über- zeugenden Besul taten geführt. Noch weniger freilich will mir der Versuch Lud. Jeeps ge- fallen, der in seinen unlängst erschienenen und mir freundlichst vom Verfasser zugeschickten Quaes- tiones Fridericianae die Schwierigkeiten des ersten Gesanges durch Umstellung (A 317. 430 487. 818 429. 493) heilen wollte, wogegen unbedingt schon das Präsens nifjinovütv V. 390 spricht.

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Text seines Homer zu bearbeiten und in ihm seiner Lehre von der lieber- arbeitung einen festumrissenen Ausdruck zu geben versucht hätte. Wie in Folge dieses leichtfertigen Subjektivismus das Trümmerfeld der ho- merischen Kritik aussieht, kann man am besten aus dem Anhange Hentzes, des getreuen Referenten der verschiedenen Meinungen, sehen, bei dem dann aber auch schliesslich alles fraglich wird und das Heraklitische navxa ^el von neuem auflebt. Nüchterne Männer ziehen unter solchen Umständen sich lieber auf den Standpunkt eines allgemeinen Skepticismus zurück, wie der grosse niederländische Philologe Cobet, wenn er in seinen Miscellanea critica, die im übrigen für die Kritik des homerischen Textes so vortreffliches bieten, sagt p. 402 : 'quo saepius carmina Jonica, quae Homeri nomine feruntur, relego et diligenter omnia considero, eo magis magisque mihi confirmatur sententia eorum, qui haec non unius doidov carmina esse arbitrantur, sed a compluribus cantoribus neque aetatis eiusdem neque patriae elg Ttjy avTr/y vnod^BOiv olim composita et cantata fuisse, deinde in unum collecta et ordine disposita, ut elg er aü)juaTioy coalescerent* und dann weiter p. 403 *plura non addo, quia talia omnia sentiri possunt, sed demonstrari non possunt et nolo videri ultra Lycurgi aetatem indagando procedere velle' ^) Soll die homerische Frage nicht das Schicksal der Frage der Echtheit Ciceronischer Reden, Plautinischer Komödien, Horazischer Oden teilen, das ist schliesslich in Sand verlaufen, so bedarf es eines grösseren Respektes vor der üeber- lieferung, sicherer Kennzeichen des Alten und Jungen, besonneneren Urteils über die Tragweite der vorgebrachten oder vorzubringenden Beweise. Es ist etwas schönes um den Satz des geistreichen Emperius ^) : 'Homeri carminum qualis fuerit antiquissima forma quaeritur et quaeretur quousque philologia erit inter aequales^ aber man will mit der Unter- suchung doch auch etwas vorwärts bringen und wenn auch nur schritt- weise aus dem Zweifeln und dem Meinen zum Wissen kommen. Das war mein Ziel in meiner lliasausgabe und dem sollen auch die folgenden Kapitel gelten.

1) Aehnlich zweifelnd äussert sich auch M. Haupt in der Rede auf Lachmann: 'neque enim sperare licet umquam futurum esse, ut in his antiquissimis carminibus omnia liquida ex- plicentur. Vgl. Beiger Mor. Haupt. S. 136 ff.

2) Emperius im Rhein-Museum N. F. I 447.

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Cbronologrle der homerischen Gedichte.

Um über die Autorschaft der homerischen Gedichte ins Reine zu kommen, ist es vor allem notwendig zu ermitteln, in welcher Reihen- folge dieselben gedichtet wurden. Denn das wird auch der eingefleisch- teste Unitarier zugeben, dass wenn der SchiflFskatalogim 2. Buche steht, derselbe nicht nun auch vom Dichter an zweiter Stelle gedichtet zu sein braucht, oder dass, wenn die Doloneia an 10. Stelle steht und auch von vornherein für diese Stelle vom Dichter bestimmt war, dieselbe doch erst nach dem Mauerkampf, der Patrokleia und dem Tode Hektors, die mehr den Kern der Handlung der Ilias berühren, entworfen sein kann. Auch wird es jeder, der einmal ein grösseres Werk geschaffen hat oder nur der Arbeit eines anderen nachgegangen ist, natürlich finden, dass der Dichter, wenn er hintendrein an vorderer Stelle einen neuen Gesang einlegte, alsdann sich in den schon fertigen Partien Aenderungen und Zusätze erlaubte, welche den später eingefügten Gesang mit den anderen Teilen der Dichtung in engere Verbindung brachten. Man nehme nur an, es liesse sich erweisen, dass Homer oder ein Homeride erst später auf den Gedanken kam, eine Gesandtschaft an den erzürnten Achill schicken zu lassen, musste er dann nicht nachträglich in dem Eingang der Patrokleia auf die hartnäckige Weigerung des Helden Rücksicht nehmen und die ganze Verööhnungsscene zwischen Achill und Agamemnon anders gestalten? Jedermann sieht aber, wie uns ein ganz anderer Einblick in die Werkstätte Homers und die Entstehung der grössten Dichtwerke aller Zeiten vergönnt wird, wenn wir in der That nachzu- weisen vermögen, dass der eine Gesang vor oder nach dem andern ge- dichtet ist. Von selbst wird sich dann auch unsere Anschauung von dem Verhältnis der einzelnen Lieder zu einander modificieren und Mrird der Freiheit der Hypothesen und Vermutungen eine heilsame Schranke gezogen werden.

Aber ehe wir das Lob des Werkes singen, ziemt es sich zuerst zu fragen, ob und wie denn dasselbe zu Stande gebracht werden könne. Denn gar viele Fäden, die ich in Aussicht auf lohnenden Gewinn zu schlingen versuchte, sind mir im Laufe der Arbeit gerissen. Namentlich kann man mit einfacher Zusammenstellung von Rückbeziehungen in dieser Untersuchung am wenigsten vorwärts kommen, da gerade diejenigen

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Stellen, welche eine deutliche Rückbeziehung auf einen früheren Gesang enthalten, am meisten den Verdacht späteren Interpolation wachrufen. So beziehen sich z. B. ganz offenbar die Verse /7 61 ff.

7] rot e(pi]V y€

ov nfflv firiyi&iu.öy xaranavae/Lcsy dkk^ on(xi av 8r\

vfjac, ifiäg dcpixrirai. avTrj re nrokefiog rs

auf die Rede des Achill in der Gesandtschaft / 650

ov yäg nglv nolifioio jue^rjao/iai aifiaroBVTog, tiqLv y vior ügidfioto daicpQovog^ "^'Exroga dlov, MvQfiiSayiov ini rs xliaiag xat yfjag ixiad-ai.

Aber in demselben 16. Gesang zeigen nicht minder deutlich die Worte des Achill V. 72 tolxol xbv cpevyovreg iyavkovg Jikrjaeiar rexviov^ bX fxoi xQBViüv ^AyafiBfivo}v irpita bISbLti, dass der Verfasser derselben noch nichts von einem Ausgleichsversuch des Agamemnon und von der Bittgesandt- schaft an Achill wusste. Es folgt daraus, dass wenn das Verbura Bcprfi/ der ersten Stelle sich doch auf die Presbeia bezieht, die betreffenden Verse /7 60 63 erst später in die alte Patrokleia eingesetzt sein müssen.

An anderen Stellen ist es geradezu unmöglich mit Sicherheit zu entscheiden; welche von den beiden sich scheinbar aufeinander beziehenden Versen den anderen zum Ausgangspunkt gedient haben. So rühmt sich Menelaos P 24 dem Euphorbos, dem Sohne des Panthoos, gegenüber

ovÖb fif.y ovdk ßit] ^YnBQtivoQog innodafxoto

fig Tjßrjg änovriS-^ ora /ll^ ävaro xai fi^ vnBfiBtvBy

xai fi^ B(paj^ Bv Javaolaiv BXayx^^'^^^ nokB/LnöTTjy.

Da nun der Tod des Hyperenor durch Menelaos .T 516 erzählt ist, so möchte man schliessen, dass die letztere Stelle vor der ersten und des weiteren die 17. Rhapsodie vor der 14. gedichtet sei. Aber dieser Schluss wird wieder dadurch zweifelhaft, dass die Stelle im 14. Gesang

*ATQBi^T]g ^ ap' btibiS^ ^YnBfff^voQa noifiira kadiy ovra xard landgrjy, ^la d^ bvtbqu x^^^ äffvoOBV dfioHjag^ ywx^ ^b xai? ovTafiByTjv (otbiItjv Boaur^ inBiyofiBVT], rov Ob axorog oaaa xdXvxffav

durchaus nichts von einer Prahlrede des Hyperenor enthält und bei der

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eiligen Flucht der Troer auch kaum zu einer solchen Platz war, so dass sogar umgekehrt vermutet werden kann, es habe sich die Stelle in P ursprünglich auf eine andere in der Ilias nicht erwähnte Scene des troi- schen Krieges bezogen und es habe erst .hintendrein der Dichter von J', von der Rede des Menelaos in P ausgehend, den Tod des Hyperenor in die Ilias hineingezogen.

Trügerisch und schwankend erweisen sich nur zu oft auch die An- zeichen jüngeren Ursprungs, welche die Sprache zu bieten scheint. Glaubt man z. B. in der ungewöhnlichen Länge der vorletzten Silbe von diSovai 12 425 ein Zeichen des jüngeren Ursprungs der Lösung Hektörs gefunden zu haben, so stellt sich dem bei näherer Umschau die Länge des v von ^evyyvfiev in der alten Patrokleia /7 145 entgegen; und glaubt man die Contraction von Tififjg =z rijui^eii; l 605 und rififjrra = Tiixtievra -2" 475 für das junge Alter der Hoplopoiie und der Rede des Phönix in der Gesandtschaft verwerten zu können, so hält einem ein Homer- kundiger die kontrahierte Form kiorevyra = Iwraevra in der alten Teicho- machie M 283 entgegen und die ganze Beobachtung verliert damit an Bedeutung wenigstens an zwingender Beweiskraft.

So grosser Umsicht und Unbefangenheit es aber auch zur Fest- setzung der Chronologie der homerischen Lieder bedarf, an der Lösung der Aufgabe, wenigstens ihrer hauptsächlichsten Punkte braucht man deshalb noch nicht zu verzweifeln. Einmal gibt in vielen Fällen die Gesamtsituation eines Gesanges eine ganz bestimmte Antwort. Wenn z. B. in M -2" weder Agamemnon noch Diomedes noch Odysseus in den schweren Kämpfen um die Mauer und die Schiffe irgend eine Rolle spielt, so ist dieses ein sicheres Zeichen, dass alle diese Gesänge nach yi, wo jene drei Helden verwundet wurden, gedichtet sind, und wenn bei dem Freiermord der heimgekehrte Odysseus von Eumaios und Philoitios unterstützt wird und an dem Tage der Vergeltung v 162 Eumaios unter der Bezeichnung ^L^e avßiorrig als eine längst bekannte Persönlichkeit eingeführt wird, so setzt dieses voraus, dass die Gesänge v § n () gedichtet oder wenigstens im allgemeinen entworfen waren, ehe die Gesänge vom Freiermord (p x entstanden.

Auch die Rückbeziehungen behalten in unserer Frage ihre hohe Bedeutung, wenn auch bei der grossen Anzahl von Interpolationen

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oder später eingelegten Versen hier mehr wie sonst äusserste Vorsicht not thut. So nötigen uns die Worte des Priamus X 46

yMl yap vvv 3vo naids yivxaova xal UoXvftwQov ov Svvafiai Idhiv Tffiowy elg äarv dkiyrwy

und die ebenso passende als ungesuchte Gegenüberstellung jener beiden Söhne und des Hektor, des Halters der Stadt (X 52 55), zur Annahme, dass die Ma/r] naganordfiiogy * 1 227, und die betreffende Partie des 20. Gesanges, F407 418 oder F 381— 494, vor dem Lied von Hektors Tod gedichtet sei. Ferner l^sen sich die Worte (••) 177 rrimoi di apa Jij rdSs Tsix^a fitixayovoyro dßkrjxQ^ ov^eySacopa aus dem 8. Gesang nicht herausnehmen, ohne dass das halbe Gebäude mit zusammen stürzt; es bleibt also dabei, dass der 2. Teil des 7. Gesanges oder H 313 482, 80 sehr derselbe auch das abfällige Urteil Fäsis (siehe zu H 324) ver- dienen mag, vor dem 8. Gesang und somit vor fast einem Viertel der Verse der Ilias gedichtet worden ist. Des weitern versteht einer die Geheimnisse der Kunst und der poetischen Scjiöpfung schlecht, der da meint in den Versen M 336 ff. 4* ^ iy6ri& AtavTs dvio nQlifiov dxo^TO} ioTaotag TevxQoy xe yeoy xhaiti&sy loyxa iyyv9^€v sei so ohne weiters das Wiederauftreten des Teukros erwähnt und nicht auf die Ver- wundung desselben und die Zerschmetterung der Sehne seines Bogens im 8. Gesang (VIII, 328) Rücksicht genommen, so dass für den Ver- ständigen nur die Alternative übrig bleibt, entweder sind jene Verse interpoliert, oder die Bücher Af bis 0 sind erst nach dem Buche 0 gedichtet. Keine ernste Berücksichtigung verdienen aber in dieser ganzen Untersuchung jene Spiegelfechter, die bei den offenbarsten Rückbeziehungen auf frühere Gesänge, wie bei der Erwähnung des durch Zeus vereitelten Vertrages in H 69 'ogxia fiev KifoyLdrig vipil^vyog ovx hüeaaey' statt an den erhaltenen Gesang der Ilias, hier die 4. Rhapsodie, zu denken, lieber eine Beziehung auf irgend welches Sonderlied, von dem kein Mensch etwas weiss, anzunehmen die Kühnheit haben.

Auf der entgegengesetzten Seite lässt sich annehmen, dass die meisten Stellen und Partien, welche in handgreiflicher Weise eine spätere Scene anmelden und motivieren, erst später gedichtet sind als diejenigen, auf welche sie vorbereiten. Es widerspricht nämlich von vornherein ganz

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVÜ. Bd. I. Abth. 21

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dem oben geschilderten Charakter der homerischen Poesie mid insbe- sondere dem oft geradezu unvermittelten Uebergang zu einem neuen Gesang, dass der Dichter seinen Plan bis ins einzelnste ausgedacht mit sich herumgetragen und weit auseinander liegende Scenen schon im voraus mit der Kunst eines Sophokles oder Shakespeare vorbereitet haben soll. Es sprechen aber auch gegen eine solche Annahme die Ver- hältnisse und die äusseren Anzeichen der betreffenden Partien und Ge- sänge. So dient z. B. der Mauerbau im zweiten Teile des 7. Buches und insbesondere der Groll des Poseidon über die Vernachlässigung der Götter, // 445 465, ganz offenbar zur Vorausmotivierung des später im 12. Ge- sang erzählten Kampfes um die Mauern und der dort, M 13 33, be- richteten Zerstörung der Mauer durch Apollo und Poseidon. Während aber im 12. Gesang alles glatt verläuft und die spätere Zerstörung der in Homers Zeiten nicht mehr sichtbaren Mauer ganz passend dem Gotte des Landes, Apollo, und dem Gotte des Wassers, Poseidon, zugeschrieben wird, häuft sich in jenem Teile des 7. Buches eine Unzukömmlichkeit auf die andere, die Erbauung eines ausgedehnten Werkes in einem Tage, die Befestigung des Lagers im 10. Jahre des Krieges nach einem sieg- reichen Schlachttag, die feindselige Gesinnung des Poseidon gegen seine eigenen Schützlinge die Achäer u. a. Ich schliesse daraus, dass der 2. Teil des 7. Buches erst später, vielleicht von einem ganz anderen Dichter eingelegt wurde, um auf den Mauerkampf vorzubereiten und die Mauer, welche der geniale Dichter des 12. Gesanges mit der Kraft der Phantasie hervorgezaubert hatte, nun auch wirklich vor unseren Augen entstehen zu lassen. Ebenso erregt es Verwundern, dass schon in E 674 f.

icpd^ifwy Jiog vlbv dnoxTCtiLuy o^u x^^^V

der Leser auf den Tod des Sarpedon durch Patroklos im 16. Gesang vorbereitet wird. Aber die ganze Kampfesscene des Sarpedon und Tlepo- lemos, E 627 698, gehört, wie fast alle anerkennen, nicht zum alten Kern der Ilias, welcher die Lykier überhaupt nicht kannte und noch weniger von dem Herakliden Tlepolemos und der Beteiligung der Rho- dier am Kampfe gegen Troja etwas wusste, und ist entweder erst nach dem 16. Buche und dessen Sarpedonscene (/7 419 697) oder gleichzeitig

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mit der letzteren entstanden ^). Ebenso sind in der Odyssee die Verse n 281 298, welche die im 19. Gesang geschilderte BeiseiteschaflFung der WaflFen einleiten sollen, mit Recht schon von Zenodot als spätere Ein- schiebung athetiert worden. Die Einschiebung verrät sich hier deutlich durch die abgeschmackte Wiederholung desselben Formelverses n 281 u. 71 299 äiXo Sb xoi bqblo av cT bvI (pQBo] ßaÜBo afiotv, und es ist also auch hier die Motivierung oder Einleitung der Handlung jünger als die Handlung selbst

Die eigentlichen Bausteine aber unserer ganzen Lehre von der Chro- nologie der homerischen Gesänge bilden die Nachahmungen sowohl ein- zelner Verse als auch ganzer Scenen. Die letzteren anzuführen und zu besprechen wäre bei dem grösseren Interesse, das jedermann in höherem Grade den grossen Umrissen als den kleinen Strichen entgegenbringt, lohnender und vielleicht auch überzeugender. Und leicht wird man ja auch darin übereinstimmen, dass von den Partien, die ohnehin an zweiter Stelle stehen, die rohe Götterschlacht in 4> 383 525 dem grossartigen Götterkampf des 5. Gesanges, der breite, fast ins Komische verzerrte Zusammenstoss des AchiUeus und Aineias in F86 352 der wundervoll anziehenden Scene vom Zusammentreffen des Diomedes und Glaukos im 6. Gesang nachgebildet ist. Auch dass das Göttergespräch vor dem Kampfe des Sarpedon und Patroklos {IT 431 461) eine Nachahmung vom Göttergespräch vor dem Tode Hektors {X 166 187) ist, hat man allgemein Lachmann geglaubt, wiewohl die nachgeahmte Stelle in der Ordnung der Bücher den späteren Platz einnimmt. Aber ob die Ver- sammlung der Troer in O 489 542 die in 2 243 311 zum Vorbild gehabt habe, oder ob das gerade Gegenteil anzunehmen sei, darüber wird man schwer mit sich so ins Reine kommen, dass man aus der bloss ästhetischen Abwägung der beiden Stellen einen sicheren Schluss auf die chronologische Folge der betreffenden Bücher abzuleiten wagen wird. Jedenfalls viel sicherer und leichter zu erkennen sind die Nachahmungen

1) Auch die Stelle M 118—7, die auf N 384 393 vorbereitet, ist vielleicht erst später ein- gefügt worden ; doch stehen beide Stellen nicht so weit auseinander und hängt überdies die Frage der Echtheit jener Verse mit der anderen verwickelten Frage von dem Verhältnis der Bücher M und N zusammen.

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einzelner Verse und selbst Versteile, wenn auch hier eine Schwalbe noch keinen Sommer macht und es wenn auch nicht zu den Wahrscheinlich- keitenj so doch nicht zu den Unmöglichkeiten gehört, dass einmal dem Dichter bei Wiederholung eines früher für einen anderen Fall gedichteten Verses der zweite Wurf besser geglückt ist. Aber um bei solchen Ver- gleichen das Richtige zu sehen, bedarf es hier so gut wie in der Kunst einer besonderen Schärfung des Auges und gilt es nicht bloss auf den Zusaomienhang scharf den Blick zu richten, sondern auch das Kleinste in Sprache und Ausdruck nicht zu übersehen. Ich gehe hier nicht mehr auf Einzelnes ein, da ich in meinen Prolegomena auf Grund meiner früheren Abhandlung über die Wiederholungen ähnlicher und gleicher Verse in der Ilias (Stzb. d. b. Ak. 1880 S. 221—272) die einzelnen Stellen j die sicheren wie die in Frage gestellten, verzeichnet habe und in Ergänzung dazu ein Preisträger unserer Universität Dr. Sittl die Wieder- holungen in der Odyssee behandelt und neuerdings Gemoll im Hermes XVIII 34 96 die gemeinsamen Verse der Ilias und Odyssee sorgfältig untersucht hat. Ich bemerke nur nochmals, dass mein ganzer Versuch die homerische Frage zu lösen wesentlich auf diesem Fundamente beruht und dass die Versuche Kayser's, Lachmann's, Geppert's, Naber's hauptsächhch daran gescheitert sind, dass sie diesem Punkte nicht die notwendige Aufmerksamkeit in erschöpfender Weise zugewendet haben.

Ausserdem habe ich nun aber auch die Sprache und selbst die Er- lahmung der poetischen Kraft zur Bestimmung der Abfassungszeit der homerischen Dicli taugen herangezogen, aber natürlich mit der oben be- gründeten Vorsicht und Rückhaltung und wesentlich nur mit dem Re- sultate, dass wohl einzelne Interpolationen Spuren entschieden jüngerer Sprachbildung an sich tragen ^) und sich auch zwischen Ilias und Odyssee ein wenn auch kleiner Unterschied in der Sprachentwicklung nachweisen lässt, dass sich aber die Hauptpartien der Ilias nach Anzeichen älterer oder jüngerer Sprachbildung nicht mit Sicherheit scheiden lassen. Die Resultate meiner Untersuchungen für die Ilias habe ich in meinen Pro- legomena p. 55 78 und in den ergänzenden Epilegomena zusammen- gestellt; hier will ich, indem ich zugleich über die Ilias hinausgehe, nur die Hauptpunkte hervorheben.

1) Vergleiche meine Prolegomena § 18.

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Yerhältnis der Ilias zar Odyssee.

Die Odyssee ist jünger als die Rias, nur einige Interpolationen der Ilias, wie die Erweiterungen des Schiffskatalogs und der Leichenspiele {V 798 897), sind jünger wie die Odyssee, und einige nicht zum Kern der Ilias gehörige Gesänge, wie die Doloneia und Hoplopoiia, sind un- gefähr gleichzeitig mit ihr. Die Wahrheit des ersten Teils der aufge- stellten Sätze wird durch die Nachahmungen ausser Zweifel gesetzt. Von besonderem Interesse dabei ist es, dass selbst Stellen der Doloneia (AT 243 = a 65, A: 158 = o 45), des Schlusses der 7. Rhapsodie {H 421—3 = S 433—4) und des Schiffskatalogs {B 581 = J 1) dem Dichter der Odyssee, oder wenigstens der jüngsten Partie derselben, der Telemachie, zum Vorbilde gedient haben ^). Von diesen Stellen muss man ausgehen. Denn steht bei ihnen die Nachahmung fest, so kann ohnehin keine Rede davon sein, dass, wie noch L. Kayser öfters annahm, Verse der Odyssee in Rhapsodien und Versen, welche zum Grundstock der Ilias gehören, nachgeahmt worden seien. Dass auf der anderen Seite die Doloneia zur gleichen Zeit mit der Odyssee, vielleicht sogar von demselben Dichter geschaffen sei, macht nicht bloss die grosse üebereinstimmung in Ton und Sprache wahrscheinlich, sondern erhellt auch bestimmt daraus, dass auf der einen Seite AT 212 nach * 264, AT 214 nach n 122, K 265 nach v 161^), und auf der andern Seite a 65 u. o 45 nach K 243 u. 158 gedichtet sind. Aehnlich ist die Stellung der Hoplopoiie, in der die Verse -2*487 9 aus 273 5, und -2" 501 aus y 344, vielleicht auch -2 510 aus y 150 herübergenommen sind. Von sonstigen Versen der Ilias, welche Versen der Odyssee nachgebildet sind, gehören B 629 = o 254 und B 774 = p 168 zu den interpolierten Stellen des Schiffskataloges; von dem Verse T 83 = n 12. ip 133 ist es mindestens zweifelhaft, ob er als ein alter Bestandteil der Rede des Odysseus in dem allerdings jungen Gesänge

1) Dass Gemoll mit Unrecht auch in dem interpolierten Vers T 333 das Original zu Od. n 225 u. T 526 fand, habe ich inzwischen in dem Aufsatz, Zur Chronologie des altgriechischen Epos, Stzb.*1884 S. 5 nachgewiesen.

2) Auch die Stelle K 455—7 scheint dem Dichter von Od. / 328 9 zum Vorbild gedient zu haben. Doch möchte ich lieber den ttberflOssigen Vers / 329 streichen, womit dann der Beweis einer Nachahmung wegfiele.

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oder vielmehr als ein späterer Zusatz anzusehen ist. Am meisten Zweifel erregt der letzte Gesaug der Ilias, da zwar auf der einen Seite /? 318. <y 113. 0 147 50, i' 364 nach £2 92. 507. 283—6. 382 gedichtet sind, auch n 26. 33. 3G9 u. 359 nicht nach ß 433. 5 118 ti 72 u. ;i 393 gedichtet zo sein brauchen, aber der Vers £2 647 (= rj 339. rJ 300) ai t)"" laar tx uByd^oio ddog fisra /«paiv ixovaai offenbar besser in die Odyssee passt. wo nur von den Dienerinnen des Hauses die Rede ist, als in die Iliaa, wo der kriegerischen Umgebung entsprechend in dem voraus- gehenden Verse II 643 neben den dfuma auch die ira^oi genannt sind. Aber hier gut, was ich oben bemerkt, dass eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, und jiaudere ich bei der grossen Zahl entgegenstehender Momente der einen Stelle, zumal ja doch auch an ihr die Nachahmung nicht 90 ganz evident ist, so viel zuzuschreiben, dass ich ihretwegen die Lösung Hektors nach dem Gesänge i? oder gar S der Odyssee setzte ! ^) Die aus den Nachahmungen geschöpften Nachweise des jüngeren Ursprungs der Odysseo bestätigen nur dasjenige, was sich dem vorurteils- freien Leser schon als allgemeiner Eindruck aus der Lektüre der Ilias und Odyssee aufdrängt. Denn während uns "die Ilias die Griechen noch im harten Kampf mit den Barbaren um den Besitz des Bodens vorführt, entrollt uns die Odyssee Bilder des friedlichen Genusses und lebhaften Seeverkehrs, wie sie erst nach Jahrzehnten gesicherten Besitzes denkbar sind '^). Zutreffend ist auch die feine Bemerkung Niese's Entwickelung der homerischen Poesie S. 44, dass während sonst der Dichter der Odyssee geflissentlich jede Gelegenheit sucht die Thaten des Odysseus, auch wenn sie nicht in den Rahmen der Fabel fallen, zu erwähnen und zu preisen, er keiner der Ruhtnesthaten des Odysseus gedenkt; die in der Ilias,

1) Bezpicbnend Rlr flis nahe Berührung der jüngsten Gesänge der Hias mit der Odyssee i.«!t auch das, da^s in der Dolr»neia der kluge Odysseus die Hauptperson spielt und in Rektors Lösung neben Irifi» der (fötterljötin der Rias, auch dem Götterboten der Odyssee, Hermes, eine EoUe augewiesen ui^ ä\vm endlich das Hauptepitheton des Odysseus in der Odyssee noXvt'kag auch Bcbon in den jüngeren Getsängen der Rias 0 97. / 676. K 248. (cf. xXr^fjuuy 'oSvaevs ^' 231. 498) V^ 72^. 778 Torkümnit. Ueber das Ziel schiesst durch unechte Verse verfühi*t Peppmüller in seinem Comuieutar de« 24. Biiuhes der Rias hinaus, wenn er jenes Buch nach Vollendung der Odjaaee, wenigstens ibrer holten Teile (p. LXXXR) und selbst nach Hesiod gedichtet sein lässt.

2) Freilich haben nicht idle sich durch diese Verhältnisse in ihrem Urteil bestimmen lassen; siehe Seneca, de brev. vitae l-H und Lucian, Ver. bist. R 20, femer Bergk Griech. Lit. S. 728 Anm. 1 und Fnedländer Hom. Kritik S. 71.

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namentlich im 2., 3., 10., 11. Buch erzählt sind, offenbar, weil er die- selben als bereits bekannt und genügend gepriesen voraussetzte und ihm das cramben recoquere widerstrebte.

Auch die Sprache der Odyssee, wenngleich sie sich nicht wesentlich von der der Rias unterscheidet und im grossen Ganzen derselben Epoche angehört, zeigt doch vielfach ein entschieden jüngeres Gepräge, auf das ich wiederholt im 2. Buch meiner Prolegomena zu sprechen gekommen bin. Ich will hier nur einige Hauptpunkte verzeichnen.

Die Kraft des Digammas besteht in der Odyssee bei den meisten Wörtern, namentlich bei dem Pronomen pers. der 3. Person, ferner bei foWa pava'^ dpeivog ungeschwächt fort; aber während der Annahme eines Digamma von olvog nur 4 Stellen in der Ilias {H 467 472. / 224. -2* 545) oder, wenn man ein wenig Freiheit' der Conjecturalkritik ein- räumt, nur die eine Stelle -2" 545 widerstrebt ^), ist in der Odyssee das Digamma von olvoi^ 21 Mal vernachlässigt und meistens so, dass an ein Wegemendieren nicht zu denken ist. Aehnlich steht es auch mit dem Digamma von fiövg^ i^d^o/uai, enog, nur dass bei dem letzten Worte durch die Wiederkehr des Formel verses (poyvriaaa^ msa niaifoevra nQo- arivda das Verhältnis etwas mehr zu Ungunsten der Ilias verrückt ist.

Die Vereinigung zweier Vokale durch Contraction oder Synizese liebt die Odyssee so wenig wie die Ilias; doch ist die Odyssee auf dem Wege der Vereinigung etwas weiter vorgeschritten, so dass z. B die Ilias nur die volle Form i'ieirig, die Odyssee auch die contrahierte i'^g kennt und dass sich nur in der Odyssee, wenn auch zum grossen Teil erst in jüngeren Partien die Formen rihog & 271 (sonst ^fAio;;), xoilog x 385 (sonst xoClog)^ 'E(ffifjg f54. i9^ 334. ^435. cd l (sonst ^EQ/ieiüg)^), €U)g ß 148. « 123. [386. p 358] r 530, rscog [o 231]. (o 162 (sonst elog u. reiog), &€(f€vg ^118, yivevg o 535, d^dfißevg co 394, 'O^vasvg co 398, (sonst

1) Ich habe dabei allerdings, wozu man aber auch vollständig berechtigt ist, die Eigen- namen Olytv's und Oiyofiaog aus dem Spiel gelassen.

2) Fick lässt die contrahierte Form 'Egfitjc in der älteren Odyssee nicht passieren, und allerdings stehen ^ 334 u. (u 1 in jungen Partien, ist ^ 54 überflüssig und schon von den Alten verdächtigt und lässt sich ^ 435 einfach emendieren. Auch das einsilbige itas suchte Fick und schon vor ihm Nauck ganz wegzuemeadieren, aber mit wenig Glück ; hingegen lässt sich dasselbe an der einzigen Stelle der nias P 727 sicher auf Grund der Handschriften entfernen.

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Wvafjog, yevsog etc.) ^) ßdkji | 86, (p^iofiey n 383. w 437, (cf. i 168. T 122. a 334.) ß 358. y 218, ßsßiöaa v 14, tb&v(5ti t 331 finden.

Einige aus falscher Analogie entstandene Formen finden sich nur in der Odyssee, wie ijriy r 283. i// 316. ai 343, txavrriog x 4:93,' yeloos » 343 u. 344 2) fiaxeovfisvov l 403. w 113, ^1^0^701 v 358. (o 314, ^lov ;f 146. 274. 446. tp 370. co 501 % ovSor = üfJov q 196.

Mehrere altertümliche, später verschwundene Wörter finden sich nur noch in der Hias, wie (p^ =: log B 144. Z 499, xvvri = ov E 485, Z 262. M 237. 77 64. T 10. 12 465, /paiau«?!/ 19 Mal, ;ca^€To 15 Mal, (T^iog 43 Mal, iavog 9 Mal, i^eßerrog 8 Mal, ayo<; 15 Mal, wozu noch log = elg und ^re = (og kommen, deren Gebrauch in der Odyssee gegenüber der Ilias auf sehr enge Grenzen reduciert ist. Umgekehrt stehen nur in der Odyssee mehrere später weit verbreitete Wörter und Formen, wie fioQipri = eldog i9 170. A 367, ßaora^ü) k 594. (p 405, wg = TiQog p 218, Xvxvog r 34, ägrog p 343. o 120, f]fie(}og o 162, XifW^ 14 Mal, CO rdkay a 327. t 68, (pogoiri i 320, viov ;f 238, wozu noch der häufige Gebrauch von Abstrakten auf iri kommt, wie drayyMit] r 73, 6a if] n 423, ^eviri o) 286, l^eqnjQir] ?y 119 und besonders alri&Biri, von did c. acc. in instrumentalem Sinne & 82. 520. X 276. 282. 437. v 121. r 154. 523, von ovyexa in dem Sinne von ort e 216. v 309. o 42. 71 330. 379, die Anwendung des Optativ in der indirekten Rede, wie Tj 17. 189. X 110. o 423. p 368. r 464, die Construction von fierd mit dem Genetiv i 320. ti 140*).

1) In der Ilias findet sich allerdings auch d^ififvc 0 368, Sä^fvg P 573, ogev^ r 10, aber das letztere ist nur Variante, das erstere ist durch den prosodischen Charakter des Wortes dgifieog entschuldigt (s. Proleg. § 103) und das mittlere in S'^äaeog zu bessern; vgl. Proleg. p. 180. Dass auch bei nalg die Contraction in der Odyssee vorgeschritten, hat an der Hand älterer Unter- suchungen neuerdings 6«nicken, Studien u. Foi^ch. S. 1290 ff. erwiesen.

2) Freilich in einer interpolierten Stelle; die Formen auf wf statt os an den anderen Stellen beruhen auf falscher Ueberlieferung, wie schon Bentley erkannte.

3) Nauck, Bull. 17, 214 bessert ?*« oder ^taay statt flu>y, und allerdings ist fjttt in X 309. 6 427. 433. 572 durch den Vers gesichert und kann der Hiatus aViJ«« «V (x 146 u. 274) zur Not durch den Einschnitt nach dem 4. Fuss entschuldigt werden.

4) Die gleiche Construction findet sich auch 2 Mal in der Ilias N 700. 0 458, aber der erste Vers ist interpoliert, und in dem zweiten hat das den Späteren geläufige ^f^oiy das ursprüng- liche T^f^iy verdrängt. Hierher gehört auch die Beobachtung von Ph. Weber in Schanz Beiträgen zur historischen Syntax der gr. Spr. Bd. H 5 S. 14 u. 223, dass sich in der Odyssee bereits

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Wichtig ist dabei für das Verhältnis der Odyssee zu den jüngsten Partien der Ilias, dass im jüngeren Charakter der Sprache sich vielfach beide begegnen. So z. B. stellen sich nebeneinander die kontrahierten Formen rififjg Tiutjyra rsxyfjoaai xaiQovoaecoy in / 605. -2*475 u, *; 107, 110, yovg in 12 354 u. x 240, xa()i]Ti in 0 75 u. ^ 230. tp 157, luvai] in Z 7 u. ^ 210. 216. 219, rcoy = ramy in K 253 u. ^ 64; so findet sich ferner der Gebrauch des jungen Wortes loyog für f.iv9^og oder hnog an einer der jüngsten Stellen der Ilias O 393 und zugleich in der Tele- machie a 56, ebenso von dklog in K 466 u. v 333, do^a in Ä^ 324 a. iL 344, vnrcooyTsg in S2 344 u. t 48. iv 4, roladeoi in K 462 u- ß 47. 165. x 268. V 258. (p 93, dydaaw mit dem Genetiv in AT 33 u, Ä 276 (Vgl. EUendt Drei liom. Abh. II 38), die figura etymologica ßovltiv ßovleveiy in / 74. K 147. 327. 415. i2 652 u. ^ 61, Bif^dZ^a^m in n 733 u. v 72. / 422, xxBQsa xreQei^eiy in /2 38 u. a 291. j' 285 *)■

Zuletzt gehe ich aber noch einen Schritt weiter und behaupte, dem Verfasser der Odyssee waren nicht bloss die Gesänge der alten Ilias bekannt, er hörte sie auch bereits in der Ordnung, wie sie durch Pisi- stratus auf uns gekommen sind. Ich schliesse dieses aus merkwürdigen Uebereinstimmungen in der Disposition der beiden Gedichte. Schon das Proömium der Odyssee ist eine unverkennbare Nachahmung des Pro- ömiums der Ilias; da aber niemand mehr nach dem herrlichen Aufsatz von Lehrs über das Proömium der Odyssee in Arist.^ p. 420 430 daran zweifeln wird, dass beide Proömien nicht für ein einzelnes Lied, sondern für das ganze Gedicht, hier von Odysseus Irrfahrten und Heimkehr, dort vom Zorne des Achilleus mit seinen tragischen Konsequenzen, bestimmt

7 Beispiele des onatg finale finden, während die Ilias nur mit einem einzigen Beispiel, * 547, ver- treten ist, und dass in der Odyssee bereits die instrumentale Partikel l'yn aus der Be^ieutunif 'wo* zu der wohin' (cf 821. f 55. r 20) vorgeschritten ist.

1) Andere mit dem jüngeren Charakter der Sprache nicht zusammenhängende Beruh ninjErs- punkte bilden die gleichen Phrasen und Verse iroiua tftivxnrat 3 53. t^ 384, aXf^S-nttv urtttiXt^of ü 407. V 297. (> 108. 122. n 226. (f 212. / 420, x«/i«r^ dStixortf tiSe xal rTtry K 98. 399. 471 und fA 281, vCxta 6i' nijiß^oalny K 41. 142. 297. 399. £i 363 und i 404. o 8, ^tol o'i ^^OXtfiaoy ixoioi Sl 427. V299 (£404) und ( 240. S 331. ^ 337. | 394. a 180, iinifin ngos fiaxQor "ölv^Ttoy a 468. 694. und « 307. o 43, nf^og 6' figiyiyfw ifdyn ^o6o6dxtvXog ritoc ü 788. J All u- 18 Mal in Od. Direkt zu der uns hier berührenden Frage gehört die abgeschwächte Bedeutung^ ron ßttcik^ig = Grundherr, Baron 2 556. Y 84 und « 394. ^ 41. 390. tu 179, Xaoi = Leute 2 497. 502. 519. ß 13. y 155. X 676. y 156. g 390 (s. Geppert, Urspr. II 163), noirtyvtiy = besorgen Ü 475. y 430, 6ai<pgußy = verständig n 325. o 314. 356 (s. Buttmann, Lexil. I 201).

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 22

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sind, so muss auch bereits der Dichter der Odyssee die Gesänge der Ilias oder doch wenigstens die hauptsächlichsten derselben als einheit- liches Ganze vorgefunden haben. Doch mehr! die 2. Rhapsodie der Ilias führt uns die Versammlung der Achäer, die 2. der Odyssee die der Ithakesier vor; die 6. der Odyssee das Zusammentreffen der Nausikaa und des Odysseus, die 6. der Ilias den Abschied von Hektor und Andro- mache ; der Schluss der Ilias bringt uns die friedlichen Scenen der Ver- söhnung und der Bestattung der beiden Haupthelden Patroklos und Hektor, der letzte Gesang der Odyssee erzählt die Aussöhnung zwischen Odysseus und den Angehörigen der Freier und führt ims die Seelen der Erschlagenen im Schattenreich vor; dem versöhnenden Abschluss geht in der Ilias unmittelbar voraus die Vernichtung der Troer und die Er- schlagung Hektors durch den wiedererstandenen Achill, in der Odyssee schildern die Bücher (p u. x den Mord der Freier durch den aus den Lumpen und Lappen urkräftig wieder erstandenen Odysseus. Ist das alles zufällige üebereinstimmung ? gewiss nicht; aber ich wage auch zu behaupten, indem ich einen Gedanken von Otfr. Müller, Griech. Lit. 1101 weiter verfolge, dass die Zudichtung der Telemachie in der Odyssee mit der Stellung der Gesänge /i H in der Ilias sich berühre. Denn offenbar dienen beide Partien a J und R J dazu, uns eine Exposition der Verhältnisse zu geben, in der Odyssee von dem Unwesen der Freier im Hause des Odysseus, von dem aufwachenden Mannesmut des Telemachos und der bedrängten Treue der Penelope, in der Ilias von der Stimmung der Achäer, der Grösse der beiden Heere, der begonnenen Reue der Helena und dem Charakter ihrer beiden Männer, der Veranlasser des Krieges, Paris und Menelaos. Zugleich retardieren beide Partien den im Proömium ausgesprochenen Plan der Gesamtdichtung, nur dass dieses in der Ilias mit Geschick, wenn auch nicht ohne Anstoss so geordnet ist, dass wir am 2. Schlachttag zu jenen Scenen gewissern^assen zurück- kehren, welche die Verwirklichung der ßovk^ Jios ausführen, während der minder erfindungsreiche Dichter der Telemachie nichts besseres zu thun wusste, als das ursprünglich für den Anfang des 5. Gesanges be- stimmte Proömium dem ersten Gesang vorzusetzen und dann im Beginne des 5. Gesanges eine ungeschickte zweite Auflage der Götterversammlung zu bieten.

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Eine andere bedeutungsvolle Uebereinstimmung im Ausbau der llias und Odyssee zeigt sich in der Aehnlichkeit der Erweiterungen des alten Grundstocks der Dichtungen; da haben wir in der llias die Einlage der Phönixrolle in die alte Presbeia (/ 168. 169. 432—622. 658—668, 690 2), in der Odyssee die der Theoklymenosepisode in die Telemachie und den Freiermord (o 221—286. 508—549. p 52—56. 61— 166, V 345 383); in der llias die Erweiterung der Schilderung von der Waffenfabrikation des Achill -2" 590 608, in der Odyssee die Weiter- führung der Beschreibung von den Gärten des Alkinoos tj 103 131; in der llias T 91 136 sowohl als in der Odyssee (p 15 41 die Ein- flechtung eines Herkulesmythus; in der llias V^ 798 897 die Zufügung weiterer Karapfesspiele, in der Odyssee die Einlage von Wettspielen in & 83—520; endlich in der llias {X 482 u. X 508, iV^ 114 u. iV^ 116. T 90 u. r 137) und in der Odyssee (rj 184 u. // 228, * 83 u. ^ 521, I 171 u. § 185, n 281 u. n 299, r 1 u. r 51) die gleiche Manier nach Einlage einer Interpolation wieder zu demselben Vers oder Versanfang zurückzukehren, und somit selbst den Weg zur Entlarvung der Inter- polation zu zeigen. Erwägt man dieses alles und nimmt die grossen Uebereinstimmungen hinzu, die, wie wir oben ausgeführt, zwischen der Odyssee und den jüngsten Partien der llias bestehen, so wird man in der Tradition, dass llias und Odyssee von demselben Dichter Homer herrühren, etwas mehr als eine Altweiberfabel finden.

Die Telemachie eine spätere Eindichtnng.

Dass die Telemachie vom Dichter der Odyssee nicht von vornherein in den Plan seiner Dichtung gezogen war, davon ist uns bekanntlich in der Störung der Chronologie ein sicheres, besonders von Hennings ') scharfsinnig verwertetes Anzeichen erhalten. Der Aufenthalt des Tele- machos in Sparta berechnet sich, wiewohl derselbe (T 594 9 die Ein- ladung des Menelaos noch 11 oder 12 Tage bei ihm zu bleiben ent- schieden ausgeschlagen hatte, nichts destoweniger in Folge der zwischen (T und o geschobenen Partien der alten Odyssee auf 31 Tage. Das ist

1) Hennings, über die Telemachie, ihre ursprüngliche Form und ihre späteren Vi?riln- derungen, in Jahrb. f. Phil. Suppl. III. S. 198.

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ein Widersinn, den weder Lehrs und Kammer zu entkräften noch Bergk durch vage Vermutungen wegzuemendieren vermochte^) und der sich nur auf die besagte Weise erklären lässt, womit ich aber durchaus nicht gesagt haben will, dass die Telemachie je ein Epos für sich gebildet habe. Umgekehrt haben wir bestimmte Beweise, dass der Dichter jener Gesänge a d u. o 1 300, die wir der Bequemlichkeit halber unter dem Namen Telemachie zusammenfassen, die eigentliche Odyssee gekannt und schon deshalb auch seine neuen Gesänge zur Einlage in die alte Odyssee bestimmt habe. Dass ihm der Nostos oder die Irrfahrten des Odysseus bekannt waren, geht ohne weiteres aus /? 19 hervor, wo der alte Aigyptios in der Volksversammlung zu Ithaka den Tod seines Sohnes Antiphos durch den wilden Kyklopen erwähnt. Dass er aber auch schon die in den Nostos eingeschobene Nekyia vor sich hatte, erhellt aus den mit Unrecht verdächtigten Versen a 188 193 vom Leben des Laertes, welche aus der Nekyia l 187 196 herübergenommen sind. Dass er endlich auch schon die Gesänge von der Rückkehr des Helden und dem Freiermord kannte, schliessen wir aus folgenden Nachahmungen von Stellen jener Gesänge 2): v 405 Vorbild für o 39, ^ 6 Vorbild für a 426, 235 Vorbild für y 288, 'i 188—90 = n 57—9 Vorbild für a 171—3, p 592 Vorbild für a 157 u. d 70, r 138—156 Vorbild für ß 93 110, (f 350—3 Vorbild für « 356—9, / 331 Vorbild für a 154. Bedenken können nur die Verse a 238—41 = | 367—71 und ß 310 = (p 289 erregen, die an der ersten Stelle mehr am Platze zu sein scheinen. Aber die Verse I 368 71 sind eine lästige Interpolation, wie Kammer, Einheit S. 561 richtig erkannt und nachgewiesen hat, und (p 289 ovx dyanqg o fSxriXog vne(}(pidloiai fied^ fifilv daivvam braucht nicht not- wendig eine Nachbildung von /? 310 ov nwg sariy vnf^cpidkoioi fieS^ Vjuly Saivva&ai x' dxiovxa xal €U(p{)aiyBa9'ai hxtjkoy zu sein, zumal an letzterer Stelle das Digamma von sxrikog vernachlässigt ist, an ersterer nicht.

1) Siehe Kammer, Einheit der Odyssee S. 233 f., Lehrs Arist. p. 424, Bergk, Griech. Lit. 658.

2) Siehe darüber Düntzer, Bedeutung der Wiederholungen für die homeriiche Kritik, in hom. Abhdl. S. 464 ff., Sittl, die Wiederholungen in der Odyssee S. 82 ff. Dass die Verse a 171 3 u. a 356 9 an der späteren Stelle besser passen, haben bereits die alten Grammatiker, speciell Aristarch, angemerkt.

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Auf das Gleiche führen auch die oben S. 165 besprochenen Nach- ahmungen der Ilias, indem die Doloneia auf der einen Seite die alte Odyssee nachahmt (AT 212 nach i 264 K 214 nach tt 122 = a 245, AT 265 nach fl61 = ip 197), und auf der anderen der Telemachie zum Vorbild diente (a 65 nach K 243, o 45 nach AT 158 ')•

Gegenüber diesen aus den Nachahmungen geschöpften Beweisen fallen die übrigen Anzeichen jüngeren Ursprungs der Telemachie weniger ins Gewicht; doch will ich nicht versäumen zur Ergänzung des Gesagten die hauptsächlichsten anzuführen. Bekanntlich "ist nach Thukydides im Eingang seines Geschichts Werkes der Name 'Elldg, der ursprünglich, wie noch 77 595 u. B 683. / 395. X 496, eine Landschaft in Thessalien, nächst Phthia bezeichnete, erst allmählich zur Bezeichnung von ganz Griechenland im Gegensatz zum Lande der Barbaren herangewachsen. Diese allgemeine Bedeutung liegt bereits dem Namen /TayeXlriyeg zu Gnmde, der sich in der jungen Erweiterung des Schiffskataloges Ä 530 und bei Hesiod in einer wahrscheinlich gleichfalls erst später zugefügten Stelle der "£pya 528 findet. Eine Mittelstellung behauptet die Rede des Phönix, indem hier 'Elldg I 447 u. 478, wenn man diese Verse mit AT 266 in Verbindung bringen darf, in einem weiteren, auch Böotien mitumfassenden Sinne genommen ist 2), und die Telemachie mit ihrem öfter wiederholten Versausgang (a 344. J 726. 816. o 80) xa»' "EXka^a xai fieaoy "A^fyog^ da hier "^EXXag zusammen mit '!^()yog ganz Griechenland, also für sich Nord- und Mittelgriechenland bezeichnet.

Sodann hat die Telemachie allein die harten Synizesen nkiwy a 183, (pilelv o 74:, viug o 248, die nach falscher Analogie gebildeten Con- junctive iuH{)iTaL a 41, oTQvyofiey «85, das späte, vielleicht aber weg- zuemendierende oWag a 337, und den Gebrauch mehrerer noch nicht in den anderen Gesängen des Homer, ganz gewöhnlich aber in der

1) So lösen sich die Controversen über das Verhältnis der Doloneia zur Odyssee, welche in neuerer Zeit so viel Staub aufgewirbelt haben.

2) Siebe Gl ad s tone, Homerische Studien, frei bearbeitet von Schuster S. 43. Uebrigens gibt es auch noch zwei andere Wege der Erklärung von K 266 u. / 447, dass man nämlich ent- weder beide Stellen verschiedenen Verfassern zuweist, oder annimmt, dass das 'EA^wV, welches K 266 als Sitz des Amyntor angegeben wird, von der im Schiffskatalog B 500 erwähnten böo- tischen Stadt ^EX«uy verschieden war, und dass es neben dem böotischen Eleon eine gleichnamige Stadt im alten Thessalischen Stammsitz der Böoter gab.

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jüngeren Sprache vorkommenden Wörter, wie l'Jiog y 82. (f 314, *Hlvaiov nidior d 5()3j iiQoßaaig = n^oßara ß 7 b, SifiBg d 644, iunoQog = Pas- sagier ß 319, u) 300^). Das Digamma findet sich zwar meistens noch gewahrt und hat namentlich bei dem Pronomen der 3. Person noch seine volle Kraft, aber der Charakter conventioneller Vererbung alter Ver- bindungen, wie xara äaxv ß 11 xarä oixovg a 375, oaaa ioixs a 278 kjil m.ih^ov ili^dv a 422, ToJf eine a 169 zeigt sich doch darin, dass daneben dieselben Wörter sehr oft ohne Digamma gebraucht sind, wie dnf a 10, 37. 91. ß 331. y 427. o 28. 682, olxog ß 52. 154. d 596. o 21, und der Hiatus überhaupt eine grössere (s. z. B. a 60. 134. 207. 212. 225. 263), nicht mehr durch das Digamma entschuldigte Ausdehnung genommen hat

Aber wenn auch die Telemachie junger ist als die alte Odyssee und erst später in dieselbe hineingedichtet wurde, so ist doch damit noch nicht ausgemacht, dass dieselbe von einem verschiedenen Dichter herrühre. Dafür bedarf es erst neuer Beweise ; an diesen gebricht es aber auch nicht.

Schon der chronologische Anstoss, von dem ich oben ausgegangen bin, ist mir zu gross, als dass ich die beiden Teile, durch deren Zu- sammenfügung derselbe entstanden ist, dem gleichen Dichter zuweisen möchte. Der geniale Dichter der Odyssee, der so kunstvoll die früheren Abenteuer seines Helden in die Schilderung seines Aufenthaltes im Phä- akenland einzuweben verstanden hat, würde wohl auch hier Mittel ge- funden haben, um die spätere Erweiterung des Planes mit der ursprüng- lichen Anlage in Einklang zu bringen. Ganz und gar aber verrät sich das Ungeschick des Nachdichters, der das Werk seines grösseren Vor- gängers wohl zu erweitern, aber nicht umzugiessen verstand, an der Stelle, wo die alte und neue Fassung der Begegnung des Odysseus und Telemachoa im Gehöfte des Eumaios zusammenstösst n 22 9

xai (i' öloipvQOfieyog snea TiTBifOBvxa nQoarivda (sc. Evjxaiogy

1) Ueber die^e und andere sprachliche Eigentümlichkeiten der Telemachie siehe Düntzer, HomeriBche Fragen 8. 153 f. und Lauth, Homer und Aegypten S. 5. Sachlich wichtig ist die ganz verschiedene Voratellung, die sich der Dichter der Telemachie n 374 und der Dichter der Verse C 113 u. t 579 von der Grösse der yt/ij, eines Flächenmasses, gemacht hat, worüber man Hui lach, Metrologie^ S. 41 f. nachsehe.

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aiX äyB vvy fi'afid^f, (piXov rexog, bq>(}a ae Suu(5 TBQipoiLiat bUjoqoiov vbov äXkoD-Bv BViiov Boyra. ov jiiBV yoLQ rt S-aiV dyQov BTifQX^^^ ^^^^ roju^ag, äX'Jj iniiirifiBVBig' üg yaQ vi rot Bva(fB S-vuip «rcTpcSi/ fiyt]aTT^(}ü)v iaoQay diätjlop ouiXoy,

Es war eben in der alten Fassung Telemach als seltener Besuch zum Eumaios aufs Land gekommen, in der Telemachie hingegen bei seiner Kückkehr von Pylos auf dem Wege zur Stadt bei Eumaios eingekehrt; aber der neue Dichter oder der jüngere Redactor liess aus dem alten Epos die drei Verse 27 29 unberührt stehen, wiewohl sie nach dem vorausgehenden riov äXloS-By Bvdov Boyra keinen guten Sinn mehr gaben. So ungelenk arbeitet kein einigeswegs geschickter Dichter, geschweige denn ein Homer ^).

Noch an einer aijdern Stelle zeigt sich das gleiche Ungeschick des Nachdichters in der Verarbeitung des alten Liederstoffes, ich meine in ß 89—110

Tjdri ycLQ T{)irov iarly hog^ rdxa J' bIoi rBTa(JToy, ov drtfjßBi S-v/Lidy ivt azriS-BaaBy ^;<aic5r. ndvxag UBy ^' bItibi xal VTtiax^'^ai ayJpJ ixdoTip dyyBXiag nQoiBiaa' yoog di oi äXka iJ.Byoiv^, fj (fi doXov Tovd^ äXXoy ivl (pQBol jXBQuri^fi^By .... üg TQiBTBg luv bXtik^b doXip xal btibiS-bv *Axotiovg' dXV oTB TBTQaroy r^XS-BV hog xat im^XvS^ov u)Qai, xal roTB dri xig bbitib yvvaixdiy, ^ odcpa jj^Bi.

Hier haben wir nebeneinander den reinsten Widerspruch: das eine Mal stehen wir erst im 3. Jahre der Freiung, und das andere Mal hören wir bereits von dem 4. Jahre, in dem Penelope ihre List gegenüber den Freiem aufzugeben genötigt wurde. Zwar sind die beiden wider- sprechenden Partien von dem Dichter so unterschieden, dass er die zweite

1) Kirchhoff schreibt bloss die beiden Halbverse snti «jT/*© ytji nvXoySe \mdyioy aXXo^ty iyioy soyra und V. 131 xai ix flvXov fAijAov^a mit kleinen Buchstaben, ohne anzugeben, wie denn in der alten Fassung die Verse 24 u. 26 gelautet haben sollen. Mit dieser bequemen Manier ist uns nichts gedient. Auch Hennings genügt hier nicht, der S. 222 einfach die Verse 23. 24. 30—39. 130—153 ausscheidet.

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mit dolor xoyS^ äiloy als eine neue List bezeichnet; aber das ist eitel Blendwerk, da keine List vorausgeht und thatsächlich auch die Sage nur von der einen List der in der Nacht wieder aufgelösten Fäden des Kleides weiss. Die ganze Verwirrung kommt aber einfach davon her, dass der Dichter der Telemachie zwei sich nicht ganz entsprechende Stellen der alten Odyssee v 377 82 und t 138 156 herübergenommen und in kopfloser Weise mit 17 dt dolor rord^ ällor irl (pQeoi fiBQjxriQi^er verbunden hat. Der Widerspruch stand so allerdings schon in der alten Odyssee, aber was dort nicht auffiel und kaum bemerkt wurde, da die beiden Stellen durch mehrere Tausende von Versen getrennt waren ^), das wurde unerträglich dadurch, dass die widersprechenden Stellen un- mittelbar nebeneinander gerückt wurden. Von demselben Dichter kann eine solche Verkehrtheit unmöglich herrühren. Indes ist zuzugeben, dass zur Not auch auf eine andere Weise geholfen werden kann, nämlich durcll Ausscheidung der Verse 93 110, wie thatsächlich Kirchhoff und nach ihm Nauck vorgeschlagen haben.

Dazu kommen schliesslich noch zwei Abweichungen oder Missver- ständnisse, die auf verschiedene Verfasser hinweisen.

Die Insel Ithaka wird bekanntlich durch einen schmalen Isthmus in 2 Teile geteilt, in deren jedem sich ein hohes Gebirg bis zur Höhe von 670 und 807 Meter erhebt. Das höhere Gebirg der nördlichen Hälfte der Insel, an dessen nordwestlicher Abdachung sich die Hauptstadt der Insel befand und Homer sich die Stadt des Odysseus gelegen dachte^, heisst in dem Schiffskatalog /^ 632 und in der alten Odyssee 1 22. r 351 NriQiTog irroaiifvllog. In der Telemachie hingegen heisst / 81 Ithaka vjiori^iog und lässt Mentes a 186, ehe er zur Stadt ging, sein Schiff

1) Man könnte auch daran denken, den Widerspruch durch Conjectur su entfernen, da aich r 377 oT 6fi xttgafTfg fiiyaQor xaxa xoi^yiovaw statt of 6^ tot tgUt^g lesen Hesse ; aber das über- lieferte tgUtfi scheint gerade durch ß 89 geschützt zu werden. Weniger störend, aber doch auch bemerkenswert ist die verschiedene Stellung, welche Eurjkleia als to/m/ij in der Telemachie ß 347 et n 152 und in der alten Odyssee (cf. q 495. r 96 ^ 154) einnimmt, worüber S p o h n , de extrema Odysseae parte p. 6 gehandelt hat

2) Ich bin nämlich keineswegs der Ansicht Hercher's, dass der Dichter der Odyssee gar keine Kenntnis von Ithaka hatte; es müssen in diesem Punkte sehr die verschiedenen Teile der Odyssee unterschieden werden. In Kürze bemerke ich hier nur, dass der Dichter der Telemachie sehr gute, auf Autopsie beruhende Kenntnis der Insel gehabt zu haben scheint.

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zurück iv Ufjiivi ^PeiO^()(p vno Nrjiq) vXiqtvTi. Ist nun etwa mit dem Nriio^ ein anderer Gipfel des Gebirges gemeint, so dass der Ntj^irog den süd- licheren Gipfel von Anoi, der Ni^tog den nördlicheren von Oxoi be- zeichnet? Gewiss nicht,' da der Dichter immer nur von einem bewal- deten Berg der Insel spricht; weit wahrscheinlicher dünkt mir daher, dass der ältere Dichter den Berg Neritos, der Dichter der Telemachie hingegen Neios nennen hörte.

Die andere Abweichung betrifft einen sprachlichen Punkt. In dem 14. Gesang der Odyssee V. 104, wo von den grossen Herden des Odysseus die Rede ist, lesen wir int J^ dvigsg ioS-Xot oQOviai^ das heisst doch nichts anderes als 'edle Männer fahrten die Aufsicht, waren iniovQoi der Herden ; derselbe Halbvers kehrt y 471. wo von dem grossen Miahle im Hause des Nestor erzählt wird, in folgender Umgebung wieder

daivvvd^ el^ofisvoi, eni (V drsQeg ia&Xol 6(}ovrü olvov BVoivoxoevvTsg iyl X9^^^^^^^ dinaaai.

Da kann doch ml ogovro nicht bedeuten 'hielten die Aufsicht', sondern muss von dem Dichter im Gegensatz zu i^ojueyoi als Plural von iuqto gefasst worden sein im Sinne von 'erhoben sich*. Mit diesem Nachweis des Missverständnisses einer nachgeahmten Stelle muss die Sache als ent- schieden gelten und verlohnt es sich kaum mehr anderen kleineren Dis- krepanzen nachzugehen. Wohl aber verdient es noch Beachtung, dass das kyklische Epos Nostoi einerseits in der Telemachie benützt wird, und anderseits schon den Nostos des Odysseus voraussetzt, wie ich in dem Aufsatz, Zur Chronologie des altgriechischen Epos, Stzb. d. b. Akd. -1864 S. 32 34 nachgewiesen habe.

Ich habe nur die eine Telemachie auf die Verschiedenheit des Autors hin untersucht; ob nun alle übrigen Teile der Odyssee von einem Dichter herrühren, oder ob man nicht auch für den alten Nostos auf der einen Seite, und die Nekyia und den jüngeren Nostos auf der anderen, für den Freiermord und den Schluss der Odyssee verschiedene Dichter annehmen müsse, und ob etwa die Dichter jener jüngeren Partien mit dem Verfasser der Telemachie identisch seien, das mögen andere prüfen: mir genügt es, für die Odyssee die Notwendigkeit der Annahme von mindestens zwei Dichtern erwiesen zu haben.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak d.Wiss. XVn. Bd. I. Abth 23

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Die Teile der Ilias.

Drei grössere Liedergruppen unserer Ilias, . die Bücher M O 591 incl., //313 fC incl, B H^ incl. stunden nicht in dem ursprünglichen Plan des Dichters und sind erst später zur alten Ilias hinzugekommen. Die drei Sätze sind im wesentlichen schon teils von Lachmann und Köchly, teils von Grote, Friedländer und Düntzer erkannt und nur in etwas verschiedener Form aufgestellt worden. Leicht und sicher ist der erste und zweite zu beweisen. Im Eingang des 16. Gesangs, wo Patroklos bittend dem Achill naht, erzählt er die Niederlage der Achäer in oflfener Schlacht und die Verwundung der vier Fürsten Agamemnon, Diomedes, Odysseus, Eurypylos, erwähnt aber nichts von der Erstürmung der Mauer und vom Kampfe um die Schiflfe, wiewohl sich hierin doch die grössere Not der Achäer gezeigt hatte. Das ist nur möglich, wenn damals, als die Patrokleia gedichtet wurde, die Bücher M O noch nicht bestanden und die darin erzählten Dinge auch noch gar nicht vom Dichter in den Plan seines Werkes gezogen waren. Damit steht im Zusammenhang, dass in unserer Ilias weit mehr Ereignisse in die paar Stunden zwischen Mittag yi 84 und Nachmittag fT 777 ^ fallen, als je ein vernünftiger Dichter beim Entwürfe seines Planes in die kurze Zeit von 11 bis 4 Uhr zusammengedrängt hätte. Das konnte nur dadurch kommen, dass die Erstürmung der Mauer, der Kampf bei den Schiffen, die Einschläferung des Zeus, die Verwundung Hektors, die Heilung des Helden imd das emeuete Anstürmen der Troer im ursprünglichen Entwürfe keinen Platz hatten und erst später zwischen yi und U eingelegt wurden.

Der zweite Satz von dem späteren Ursprung der Gruppe H'^ K lässt sich noch leichter erweisen und ist bereits so sehr anerkannt, dass Köchly in seiner Ausgabe der kleinen Ilias diese Gesänge ganz und gar aus dem Kreis der alten Iliaslieder ausgeschieden hat. Von der Doloneia haben wir das bestimmte Zeugnis des Eustathius und des Victori- anischen Scholiasten, dass dieselbe nicht einmal im Altertum allgemein unter die Gesänge der Ilias recipiert worden war. Die Presbeia wird in der alten Ilias und speciell in TT 72 völlig ignoriert, so dass dieselbe erst später eingelegt' oder zum Zwecke der Einlage an dieser Stelle gedichtet sein muss; das Buch 0 aber, das mit dem 2. Teil von H enge

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zusammenhängt, enthält so oflfenbare Nachahmmigen von Stellen späterer Gesänge, dass kein urteilsfähiger Mensch daran denken kann, dasselbe der alten ursprünglichen llias zuzuweisen. Namentlich liegt es auf der Hand, dass die Stelle von dem Wägen der Todeslose der beiden Völker, der Achäer und Troer, 0 68 74, eine Nachahmung und eine wenig geschickte Nachahmung des Wagens der Todeslose der beiden Helden Hektor und Achill unmittelbar vor dem grausen Falle Hektors, X 209 bis 213, ist, und dass somit die Kalos jud/^rj oder das Buch 0 erst nach dem Gesänge von Hektors Tod oder nach dem Buche X gedichtet sein kann. Zu den bezeichneten Anzeichen vom jüngeren Ursprung der Ge- sänge unserer Gruppe stimmt nun auch die Störung, welche durch Ein- lage dieser Gruppe in den Plan der llias und in den Fortgang der Handlung gebracht wurde. Der frohe Kampfesmut des 11. Gesanges war nach dem glücklichen Ausgange des ersten Schlachttages /' H oder auch beim Beginne des ganzen Kampfes wohl am Platze, nimmermehr aber nach der schmählichen Niederlage des 8. Gesanges und der trotzigen Zurückweisung der Anerbietungen des Agamemnon durch Achill in der Presbeia. Es ist wahr, dass durch den guten Erfolg des kühnen nächt- lichen Handstreiches der Doloneia der üebergang zur kampfesmutigen, fast siegesgewissen Stimmung im Beginne des 11. Gesanges etwas besser vermittelt wird, aber bei unbefangener Betrachtung wird man nicht verkennen, dass dieses nur eine Notbrücke ist, kein in dem ursprüng- lichen Plane gelegenes Bindeglied.

Am schwersten hält der Beweis für den späteren Ursprung der ersten Gruppe B N^, zumal gerade dieser Teil der llias wegen des liederartigen Charakters und der einfachen, fast naiven Natürlichkeit den Eindruck hohen Alters macht. Auch giebt die Vergleichung der dieser Gruppe und dem 11. Buche gemeinsamen Verse, so gross auch ihre Zahl ist, keinen festen verlässigen Beweis an die Hand, so dass wir uns fast mit dem Zugeständnis begnügen müssen, dass die Vergleichung der ge- meinsamen Stellen auch nicht für die umgekehrte Annahme von der Priorität der Gesänge B H ^ gegenüber den Gesängen y/ FI mit Erfolg verwertet werden kann. Auf der anderen Seite aber spricht für das höhere Alter von y1 die grössere Einfachheit der Verhältnisse, die sich nament- lich darin kund gibt, dass die Bundesgenossen der Troer bei dem Auszug

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und bei der Aufzählung der Heerführer A 56 60 ganz zurücktreten, während im 2. Gesang in der berühmten Stelle /i 123 133 die Bundes- genossen schon das Gros der troischen Heeresmacht bilden. Auch wird man zugeben, dass die troische Sage in ihrer alten Einfachheit weit mehr dazu führte, den Ruhmesthaten des Agamemnon, des gefeierten Ober- königs, als denen des Diomedes, des zwar tapferen, aber doch immer untergeordneten Fürsten einen eigenen Heldengesang zu widmen. Am schwersten aber fällt immer für unsere Aufstellung die unbestreitbare Thatsache ins Gewicht, dass einerseits jene Gruppe B H die Eifc- zweiung von Agamemnon und Achill oder den 1. Gesang zur Voraus- setzung und zum Hintergrund hat, und dass anderseits der durch jene Entzweiung hervorgerufene und mit dem ganzen Plan der Ilias innigst zusammenhängende Entöchluss des Zeus den Achill zu ehren und den Agamemnon zu demütigen durch die Einlage jener Gruppe ungebührlich lange verzögert wird. Zu solch einer Retardierung konnte sich der Dichter wohl nachträglich verstehen, nachdem sein Gedicht ins Grosse ausgewachsen war und auch solch eine Retardierung von 5 Gesängen gestattete; schwerlich aber hat dieselbe von vornherein im Plane des Dichters gelegen. Wenn aber dann trotzdem jene später eingelegten Gesänge das Gepräge hoher Altertümlichkeit zeigen, namentlich in dem kleineren Umfang vieler ihrer Lieder, wie des Zweikampfs von Menelaos und Paris, der Teichoskopie, der Epipolesis gegenüber den schon mehr ins Grosse angelegten Gesängen des 1. 11. u. 16. Buches, so dürfte dieses damit zusammenhängen, dass der Dichter bei jener Einlage mehrere Einzellieder der älteren Epoche des Heldengesanges mit in sein neues grosses Werk hereingezogen hat.

So haben wir also zunächst 3 Gruppen von Liedern, welche sich an den alten Kern des Epos vom Zorne des Achill angeschlossen haben Aber in diesem Epos selbst scheiden sich bestimmt 2 Teile, ein älterer, welcher die Leiden schildert, die in Folge des Streites zwischen Agamemnon und Achill nach Zeus Willen über die Achäer kamen, und ein jüngerer, welcher von der Rache handelt, welche Achill, nachdem ihn Patroklos Fall zur Aussöhnung mit Agamemnon bewogen hatte, an den Troern und an Hektor nahm. Jedem drängt sich dabei die Aehnlichkeit mit den beiden Bestandteilen des Nibelungenliedes auf,

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nur dass in diesem der zweite Teil von Krimhilds Rache nicht so eng mit dem ersten verknüpft ist. Aber man kann doch auch in der Ilias zweifeln, ob der zweite Teil von vornherein im Plane des Dichters lag und ob derselbe nicht ursprünglich mit der äussersten Bedrängnis, welche Patroklos Tod über die Achäer brachte, oder mit anderen Worten mit -2* 242 sein Gedicht schliessen wollte. Wenigstens ist an jener Stelle alles erfüllt, was der Sänger in dem Proömium versprochen hatte: tausend Leiden sind über die Achäer gekommen {fiv(}i^ ^Axcciolg aly^a S^fjxer), viele Helden sind hinabgegangen in den Hades, der Wille des Zeus, der den beleidigten Achill zu rächen versprochen hatte, ist erfüllt {Jwg S^ sreXetero ßovkrj) ^). Jedenfalls ist der zweite Teil der Ilias jünger nicht bloss als der alte Kern (1. 2. 18. 25. 27. Lied meiner Ausgabe), sondern auch als die erste (3. 5. 6. 7. 8. 9.) und wahrscheinlich auch als die zweite (20 24. 10. 11. 12.) Erweiterungsgruppe. Das letztere schliesse ich schon aus manchen ungeschickten Nachahmungen von Stellen des ersten Teils der Ilias, wie Y 414—5 nach J 132 3, Y 445—8 nach E 436 9, 0 53 8 nach y/ 403, mehr noch daraus, dass der zweite Teil die Beraubung des Leichnams des Patroklos durch Hektor und die Schmiedung neuer Waffen für Achill durch den Gott Hephaistos voraussetzt, diese beiden Voraussetzungen aber nicht in den alten Liedern der Ilias. sondern in deren Erweiterungen, namentlich in P 1 261 u. -2" 35 150 gegeben sind. Dieser zweite Teil der Ilias hat nun aber in ganz ähnlicher Weise wie der erste mannigfache Erweiterungen er- fahren, etwas was Wolf und Lachmann nicht beachtet hatten, von den nachfolgenden Kritikern aber, namentlich von Kammer und Mor. Schmidt mit Evidenz nachgewiesen ist. .

In Bezug auf das chronologische Verhältnis dieses 2. Teiles der Ilias zu der erweiternden Gruppe M O des 1. Teiles bin ich somit etwas von meiner früheren, in den Prolegomenis meiner Ausgabe auf- stellten Meinung abgewichen. Noch in einem zweiten Punkte habe ich

1) Die Scheidung dieser beiden Teile habe ich in dem Texte meiner Iliasausgabe durch- geführt, indem ich für den alten Kern des ersten Teiles stehende, für den des zweiten liegende Schrift wählte. Hingegen war mir in den vor dem Text gedruckten Prolegomenis das richtige Verhältnis noch nicht klar geworden, so dass ich weniger passend beide Teile in die eine Kate- gorie der alten Ilias zusammenfasste.

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mich inzwischen entschlossen, dem Gewiclite der meiner früheren Auf- stellung entgegenstehenden Gründe nachzugeben. Es stehen nämlich, wie ich auch bereits in meiner Ausgabe zugegeben habe, 3 Verse oder Vers- teile, welche das 5. Buch mit jener Gruppe IM (J gemeinsam hat, iE 791 = N 107, E 827 = I 342, E 706 = M 140, im 5. Buche minder passend als in den entsprechenden Büchern M N S. Der Beweiskraft jener 3 Stellen möchte ich mich, so sehr damit auch meine Zirkel ge- stört zu werden drohen, nicht länger entziehen, und demnach für den 2. Teil des 5. Buches nicht mehr die Priorität vor den Büchern M O in Anspruch nehmen. Nun hängt aber der zweite Teil jenes Buches so sehr mit dem ersten zusammen, dass beide hintereinander entstanden sind und der »Dichter schon gleich im Anfang, als er den Ares von der Athene zur Seite führen Hess {E 29 36), den Zusammenstoss der beiden Götter im zweiten Teile vor Augen hatte. Es stellt sich demnach die chronologische Folge der 40 von mir hergestellten Lieder der Ilias in folgender Weise ^):

A. Aelteste, locker aneinandergereihte Lieder vom Streite des Achill und Agamemnon und seinen verhängnisvollen Folgen für die Achäer:

1. 2. 18. 25* 27*. 28. 29*.

B. Alte von mir in meiner Ausgabe gleichfalls noch durch grosse, stehende Lettern ausgezeichnete Gruppe von Liedern, bestimmt zwischen den Liedern 2 und 18 der alten Ilias eingeschalten zu werden:

3*. 5. 6. 7. 8.

C. Weitere zusammenhängende, durch die Hereinziehung der Lykier des Sarpedon und der Lagermaueni gekennzeichnete Gruppen von Liedern, durch liegende Schrift von ^ u. ß in meiner Ausgabe imterschieden:

20. 21. 22*. 23. 9. 10. 11. 12. 13. 24. 26.

1) In dem Verzeichnis habe ich mit einem beigesetzten Stern die älteren, mit zwei Sternen die jüngeren, in meiner Ausgabe durch den Druck unterschiedenen Partien der betreffenden Lieder bezeichnet.

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D. Fortsetzung der alten Ilias, von der Rache des Achill, durch liegende Schrift von dem anfänglichen Kerne und dem ersten Teile unterschieden:

29**. 30. 32*. 33. 35. 37. 38.

E. Beruhigender Abschluss der Ilias durch Bestattung der Haupthelden :

[38] u. 40.

F. Jüngere, durch kleine Schrift von mir unterschiedene Erweiterung des ersten Teiles der Ilias:

14. 15. 16*. 19*.

G. des zweiten Teiles der Ilias:

22** 34. 36. H. Episodenartige Zusätze einzelner Gesänge:

17. 31* 39* 4* J. Interpolationen oder kleinere Einschiebungen in die verscliiedenen Gesänge der Ilias, von mir mit kleinen liegenden Lettern gekennzeichnet, insbesondere:

4**. 16** 19** 31**. 39**. 40**.

Die Ilias eine Schöpfung mehrerer Dichter.

Die Frage, ob Homer oder Homeriden, ist am meisten dadurch verwirrt worden, dass kleine Unebenheiten der Darstellung und Ab- weichungen von der uns geläufigen Form einheitlicher Epen gleich zu Beweisen für verschiedene Verfasser aufgebauscht wurden mit Umgehung leichterer und einfacherer Erklärungsweisen ^). Wenn z. B. in einzelnen Liedern auf die vorausgehenden Ereignisse wenig oder nicht in dem von uns erwarteten Umfange Bezug genommen wird, so erklärt sich dieses vollauf aus der selbständigen Stellung, die der Dichter den einzelnen Gesängen gab und geben musste, wenn er dieselben getrennt von den andern als Einzellieder bei einem Gastmahl oder einer Festversammlung

1) Dass die Ansicht von der relativen Selbständigkeit der einzelnen Lieder wohl von der Frage nach der Zahl der Verfasser zu trennen sei, ist besonders von dem Recensenten der Lach- mann'schen Betrachtungen in den Blättern für literarische Unterhaltung vom Jahre 1884 Nr. 126 hervorgehoben worden, wie man in der trefflichen Orientierung über den Stand der homerischen Frage von G. Curtius in Ztschr. f. östr. Gymn. V. (a. 1854) S. 100 ff. nachlesen kann.

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vortragen wollte^). Unter solchen Umständen reicht es selbst zur Be- gründung verschiedener Verfasser nicht aus, wenn Sarpedon am ersten Schlachttage in £ 660 ff. schwer verwundet wird und am überfolgenden Tage in /Vf u. 77 wieder mit ungebrochener Kraft am Kampfe sich be- teihgt, oder Deiphobos, nachdem er am 2. Tage Pf 527 539 am Arm verwundet worden war. am 3. Tage seinem Bruder Hektor in der Todes- stunde beizustehen scheint (X 227 ff.) Denn da jene Gesänge nicht un- mittelbar hintereinander vorgetragen wurden, so mochte der Dichter es seinen Zuhörern überlassen, sich inzwischen die Helden wieder geheilt zu denken. Hatte er doch geflissentlich durch Ausdrücke, wie ndyfP vno firivi&fjiov (IJ 202) i]/j.aTt t(5 crre ((-) 475. O 76) tiot' «ti' Alveiav akourjy {(') 108, § 30) und ähnliche (s. Proleg. § 30) dafür Sorge getragen, dass sich die Hörer die Ereignisse der einzelnen Schlachttage möglichst weit auseinandergerückt denken konnten-). Femer darf es bei der leichten Aneinanderreihung der einzelnen Gesänge des grossen Epos keinen An- stand erregen, wenn nicht alle Teile der Handlung gleich ausführlich behandelt sind und einzelne Gesänge, wie die liyajLts/urovog d^iorsia und Jiog andxri mitten im Culminationspunkt der Handlung abbrechen {O 366 u. ^ 595), so dass z. B. das Zurückweichen der Achäer hinter die schützenden Mauern, das zwischen dem 11. und 12. Buch stattgefunden

1) Treffend spricht hierüber G. Lange, Die poetische Einheit der Iliade» 1826 S. 17: *Der rhapsodische Vortrag bewirkte, dass von den einzelnen Gliedern jedes, wodurch das folgende schon vorbereitet wird, selbständig zu sein scheint und somit alle einzelnen Glieder selbständige Epopöen sein könnten, wenn sie nicht wieder auf eine wahrhaft epische Weise mit dem grossen Ganzen in der schönsten Harmonie stünden' und weiter unten S. 21 : 'ich kann nicht begreifen, wie un- helleniscli und deswegen ungerecht unsere Kritik verfahren konnte, indem sie an eine nach ganz anderen Gesetzen schaffende Zeit Forderungen machte, welche kaum irgend einer der sorgfältigsten neueren Dichter genügend erfüllt*. Es verdienen aber diese Bemerkungen Lange's um so mehr Beachtung, als durch jenes Buch sich Goethe zur Palinodie *Homer wieder Homer bestimmen Hess, was ich oben S. 12 zugleich mit dem Buche Mich. Bernays, Goethes Briefe an Fr. A. Wolf. 1868, hätte erwähnen sollen. In der lichtvollen Einleitung jenes Buches S. 83 hatte seinerzeit der Verfasser die Umkehr Göthes auf Schubarths klägliches Buch *Ideen über Homer und sein Zeitalter, 1821 zurückgeführt; dass aber vielmehr das bedeutendere, Göthe selbst gewidmete Buch von Lange, die Palinodie, wenn man sie so nennen darf, veranlasste, darüber hat mich inzwischen mein verehrter College und Freund selbst aufgeklärt, ist aber auch schon von G. Curtius an der a. St. S. 5 bemerkt worden.

2) Beachtenswert ist, dass sich jene Ausdrücke gerade in den späteren Schichten finden, wahrscheinlich, weil so der Diaskeuast am ehesten die einzelnen Lieder der Cyklen zu einem eng geschlossenen grossen Epos zusammenfassen zu können hoffte.

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haben muss, nicht geschildert, sondern im Eingang des Mauerkampfes als bereits vollzogen vorausgesetzt wird. So darf es denn auch nicht übermässig befremden, wenn in meiner alten Ilias wir vom Kampf in der Ebene (^ ^ unmittelbar in den Kampf vor den Schiflfen (0 592 ff.) versetzt werden und die langweilige Aussöhnungsscene keine ausführliche Darlegung gefunden hat.

Auch ohne die Entschuldigung der relativ selbständigen Stellung der Einzellieder im alten Epos erklärt es sich aus der Freiheit dichterischer Schöpfungen überhaupt, wenn die Aufstellung der Achäer in der Epi- polesis oder die Fünfteilung der Troer im Beginne des Mauerkampfes nicht genau im weiteren Verlauf des Kampfes gewahrt wird ^). Solche Dinge schafft der Dichter, der ja keine Generalstabskarte entwirft, mit dem Spiel der freien Phantasie und lässt sie wieder fallen, wenn er sie für seine dichterischen Zwecke nicht mehr bedarf 2). Nur in den Haupt- linien und in den feststehenden Umrissen des Landschaftsbildes wird man billiger Weise Consequenz und Uebereinstimmung erwarten. Noch weniger darf man sofort auf zwei verschiedene Dichter schliessen, wenn der Klage des Priamos und der Hekabe um den geschleiften Sohn am Schlüsse der 22. Rhapsodie noch ein zweiter Threnos an der Bahre des Hektor in dem letzten Gesänge folgt. Ein so dankbarer Stoff hätte leicht auch den Dichter eines modernen Epos bewogen, das gleiche Motiv in ver- änderter Form nochmals vorzubringen.

Nehmen wir nun noch ferner an, dass sich Homer eines langen reichen Lebens erfreut und die Gesänge der Ilias nicht in rascher Folge hintereinander, sondern in langen Zwischenräumen gedichtet habe und diese Annahme setzt ja durchaus nichts unmögliches oder nur un- wahrscheinliches voraus so erledigt sich eine weitere Reihe von Unebenheiten imd Anständen, welche die Wolfianer für die Liedertheorie und gegen die 'Ammenfabel' von dem einen Dichter Homer in das Feld geführt haben. So mochte der Dichter nicht von vornherein den Fluss-

1) An der Aufdeckung »olcher strategischen Widersprüche, die man allerdings in der Schil- derung eines Historikers oder Militärs nicht übersehen dürfte, hat besonders Wold. Bibbeck seinen Scharfsinn versucht und in Benicken einen gläubigen Anhänger gefunden.

2) Etwas Richtiges ist so selbst an dem Überschwenglichen Preisse der poetischen Freiheit von L. V. Sybel, üeber Schliemanns Troja, S. 8: Jedem Auftritt gehört seine Coulisse; die Coulisse wird eingesetzt nach Bedarf und nach dem Gebrauch zurückgezogen.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 24

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kämpf, den Wolf und Lachmann aus dem Kreis der alten Lieder aus- schlössen, in den Plan seiner Dichtung gezogen haben. Aber warum konnte er nicht im Fortgang der Arbeit, um mehr Abwechselung in das Einerlei der Kampfesscenen zu bringen, auf den Gedanken kommen, vor dem Falle Hektors die fliehenden Troer, von Achill verfolgt, in den Strudeln des angeschwollenen Flusses umkommen zu lassen? Doch den Flusskampf hat überhaupt nur capricenhafte Aesthetik dem Homer ab- gesprochen; begründeter ist der Anstoss, den das Fehlen der Lagermauer in dem einen, das Vorhandensein derselben in dem anderen Teile der Ilias erregt hat; aber die Möglichkeit muss doch auch hier offen gehalten werden, dass derselbe Dichter, der anfangs das achäische Lager gar nicht oder nur durch einen Graben befestigt dachte, später, um die glänzenden Schilderungen des 12. und 13. Gesanges einzuführen, das Schiffslager mit Mauern und Thürmen umgürtet sein Hess. Auch das ist leicht denkbar, dass derselbe Dichter Homer, nachdem er als fahrender Sänger mehr Land und Leute gesehen und an den Höfen der Fürsten mehr Abstam- mungssagen kennen gelernt hatte, noch weitere Könige und Helden in sein Lied vom Zorne des Achill einflocht. Ob man dahin auch die süd- lichen Lykier mit ihren Führern Sarpedon und Glaukos rechnen darf? Das ist eine schwerer zu entscheidende Frage: Diese südlichen Lykier am Xanthos kamen nämlich in Collision mit den nördlichen Lykiern am Aisepos, deren Führer Pandaros schon in der alten Sage vom tro- janischen Kriege eine vielbesungene Rolle gespielt hatte, so dass nun namentlich in das 5. Buch der Ilias durch Verbindung der beiden Lykier eine störende Unklarheit kam. Indess wenn ich die unübertroffene Schönheit des 6. und 12. Buches von Hektors Abschied und vom Kampf um die Mauer, in welche die Lykierfürsten Glaukos und Sarpedon unlöslich verflochten sind, mir vor Augen führe und wenn ich die Geschicklichkeit erwäge, mit der immerhin im 5. Gesang die neuen Lykier neben den alten eingeführt sind, so hält es mir doch sehr schwer die Partien, in denen Sarpedon und Glaukos eine Rolle spielen, dem Homer abzusprechen und die Möglichkeit zu bestreiten, dass auch diese Helden noch von demselben Dichter in das Nationalepos verwoben wurden ^).

1) Auch noch bei anderen Helden ist es bestreitbar, ob sie noch von demselben Dichter in

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Endlich kann auf solche Weise zur Not auch der kleine, neuerdings von Benicken, Studien S. 204 ff. allzusehr aufgebauschte Widerspruch zwischen A 193 f. u. 0 232 5 und die anstössige Häufung der zahl- reichen Schlachtengemälde auf die paai» Stunden des 3. Schlachtentages erklärt werden. Denn durch die Fortspinnung des Fadens und die Ein- lage immer neuer Episodien konnte es leicht kommen, dass dem Dichter unter der Hand das ursprüngliche Gleichgewicht der Teile seines Planes gestört oder, wie in Folge der Eindichtung des VysiQog im 2. Gesang, der ursprüngliche Verlauf der Handlung durchkreuzt wurde, ohne dass er es der Mühe wert erachtete, nun das ganze Gewebe wieder aufzulösen und durch mühsame Umdichtung und Neuordnung den von seinen Hörern kaum bemerkten Fehler zu entfernen. Denn auf der anderen Seite lassen es die natürlichen Verhältnisse für geratener erscheinen, den Bau der Ilias lieber von demselben Meister als von verschiedenen Architekten ausgeführt und erweitert sein zu lassen, sintemal ein begabter Dichter eher Neues und Selbständiges schafft, als Werke anderer fort- führt und überdies die Natur, wie Minckwitz, Vorschule zu Homer S. 308 treffend sagt, nicht leicht viele gleich erste Genies auf einmal oder kurz hintereinander hervorzubringen pflegt. Insbesondere erwartet man, dass ehe die Interpolationslust der Homeriden ihre Verzierungen, Erker und Thürmchen anbrachte, ein grosser, in den Hauptumrissen bereits fertiger Bau vorhanden war. Einen solchen Kern, an den sich die jüngeren Zusätze anschliessen konnten, wird man aber kaum in einer aus bloss drei bis vier Gesängen bestehenden Epopöe zu finden im Stande sein; der alte Homer, der dem ganzen Gedichte den Namen gab, wird viel- mehr mindestens auch die Hälfte der Verse unserer heutigen Ilias ge- dichtet haben.

Man wird aus dem Vorausgehenden sehen, dass ich den Anschau- ungen der Unitarier sehr zugänglich bin und denselben vielleicht sogar über Gebühr entgegen komme. Aber ich halte es für geboten, in dieser verwickelten Frage strenge zwischen blossen Hypothesen und zwingenden Beweisen zu scheiden und nicht blossen Einfällen zulieb den Ruhm des

die Ilias verflochten worden seien. Namentlich erregen gerechte Bedenken die beiden Teilnehmer an den Leichenspielen Eumelos und Epeios; vgl. Proleg. § 21.

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grössten Dichtergenies zu schmälern. Weitaus aber das Meiste, was man gegen die Einheit der Ilias vorgebracht hat, gehört in das Bereich der Täuschungen und der blossen Möglichkeiten. Zur Annahme mehrerer Verfasser werden uns nur zwingen grelle Widersprüche in hervorragenden Dingen, grobe Missverständnisse der eigenen Worte, unvereinbare Ver- schiedenheiten im Sprachgebrauch. Wollen wir sehen, ob es auch solche Anstösse gibt und ob sich dieselben auf keine andere Weise wegräumen lassen !

Sachliche Widersprüche der Ilias.

Pylaimenes, der König der Paphlagonier, erscheint iV 658 9 wieder unter den Lebenden, die Leiche seines Sohnes begleitend, trotzdem er /t) 576 bereits durch Menelaos, gegen den dann in iVder Sohn die Waffen kehrt, zusammen mit seinem Wagenlenker gefallen war. Das ist ein greller Widerspruch, der sich weder mit dem oberflächlichen Gerede von Gerlach im Philol. 33, 23 beschönigen, noch mit irgend einem Kunst- stück weginterpretieren lässt. Denn von einer Homonymität, zu der man leicht bei einem miles gregarius seine Zuflucht nehmen könnte, kann hier keine Rede sein, da Pylaimenes an beiden Stellen ausdrücklich als König der Paphlagonier bezeichnet ist. Eben dieser Umstand lässt aber auch die Lesart des Zenodot Kvlaifievia zu £576 als leere Ausflucht irgend eines sophistischen Grammatikers erscheinen, da es sicher nur einen König der Paphlagonier gab. Endlich lässt sich bei der sonstigen Bedeutung von iXsly (vgl. E 37. 541. J 457. IJ 306. O 328) und bei der Gefährlichkeit einer Verwundung am Schlüsselbein {xara x'Krßda) auch nicht daran denken, dass Pylaimenes am ersten Schlachttage bloss ver- wundet und inzwischen geradeso wie der ebenfalls im 5. Gesang ver- wundete Sarpedon wieder geheilt worden sei. Wenigstens müsste man, wenn man zu dieser bereits in den Scholien aufgestellten Entschuldigung {sUrrp/ ov Tidvrwg drellav) seine Zuflucht nehmen wollte, auch die für die Einheit der Ilias gleich bedenkliche Consequenz ziehen, dass der Dichter von iV die Bedeutung von ikely in E missverstanden habe. Also der Widerspruch zwischen den beiden Stellen besteht und lässt sich in keiner Weise wegdisputieren oder entschuldigen. Aber wir gewinnen auch nicht viel, wenn wir für beide Stellen verschiedene Dichter annehmen,

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ausser wir dürfen zugleich annehmen, dass keiner von dem anderen etwas wusste, und dass keiner sein Lied zu dem des andern in Beziehung setzen wollte. Nun ist aber offenbar, dass der 5. Gesang so gut wie der 13. dazu bestimmt war ein Glied in dem Cyklus der Lieder vom Zorne des Achill zu bilden; denn in beiden glänzt Achill, und gewiss nicht zufällig, durch seine Abwesenheit, und dass überdies der 13. Gesang auf der Voraussetzung des 11. und 12. beruht, bedarf keines weiteren Nachweises. Eher könnte man die Vermutung wagen, dass der Dichter von N seinen Gesang nicht mit dem Buche E oder richtiger mit den Büchern B H zu einem Cyklus von Gesängen vereinigt sehen wollte; denn auch ohne jene Partie Hess sich die Mfjvig Idxii-^og recht gut durch Aneinanderreihung der Gesänge A A M N etc. darstellen. Ansprechender und einfacher aber erscheint mir auch jetzt noch die von mir an einem andern Orte ausgesprochene Vermutung, dass entweder die betreffende Partie des 5. Gesanges E 508 593, oder die strittigen Verse N 656 9 oder beide zusammen jüngere Interpolationen sind. Damit wäre dann freilich die Verschiedenheit der Verfasser von N 658 559 und E zu- gegeben, aber für die Liedertheorie nichts oder nicht viel gewonnen^). Ein ^x^^^^^ IT€(fifiri^eog vlog d(fxog 4^(joxri(joy fällt 0 515 durch Rektors Hand; von ihm lebt ein Doppelgänger, ein ^x^Siog ueyaS-vjtiov ^lipixov vibg <Pü)xria)v ö;^' ä^fiaxog^ Herrscher von Panopeus, wieder auf in P 306, wobei es schwerlich Zufall ist, dass derselbe gleichfalls durch Hektor fällt ^. Der Anstoss ist ein weit geringerer als bei Pylaimenes, da die beiden Schedioi durch die verschiedenen Väter ausdrücklich yon einander

1) Mit Streichung der Verse N 658—9 halfen sich bereite die Alten und insbesondere Aristarch, nur dass dieser den Zusatz machte £< ^^ /Äiyotfy ol axixoi oSroi^ yoriiioy ofjuavvfjiiay elyat. Die verschiedenen Weisen, auf die alte und neue Kritiker sich mit den Versen abgefunden haben, hat eingehend Benicken in Z. f. ö. G. XX Vm (a. 1877) 881—896 und neuerdings in den Studien und Forschungen p. CXV besprochen, indem er als Lachmannianer die Schwierigkeit mit der Annahme von verschiedenen Dichtem für erledigt hielt, als ob nicht auch vom Standpunkt der Liedertheorie zu fragen wäre, ob denn nicht auch jene Homeriden ihre Lieder gegenseitig gekannt hatten und in eine gewisse Beziehung zu einander gesetzt wissen wollten. Allemeuestens hat K. Frey, Jahrb. f. cl. Phil. 1883 S. 723 den Widerspruch zu entschuldigen gesucht durch einen ähnlichen im Rolandslied XXX, wo der Herzog Othon kurz nachdem er unter den Gefallenen aufgezählt war, wieder unter den Lebenden gedacht wird. Aber Homer sicher ist sonst nicht so vergesslich.

2) Anstoss an diesen doppelten Schedioi hat zuerst Spohn in seinem Buche de agro Troiano genommen.

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unterschieden werden. Aber störend ist es doch, dass man sich entweder beide zugleich als Heerführer der Phokeer denken müsste, etwas, was zwar sprachlich möglich wäre ^), aber doch mit dem Schiflfekatalog ß 5 1 8, wo nur 1 Führer angeführt ist, in Widerspruch stünde, oder dass man dem zweiten Schedios, wiewohl er ^mxfiwv oyj ä^iaros heisst, eine unter- geordnete Stellung zuwiese, was hinwiederum wenig zu den Sitten des heroischen Zeitalters stimmen würde, wo der tüchtigste auch der erste zu sein pflegt. Ich halte es daher für wahrscheinlich, dass in den Stam- messagen der Phokäer Kleinasiens zwei Schedioi umliefen, und dass der Dichter der ersten oder zweiten Stelle sich des Gegensatzes wohl be- wusst war. Aber konnte nicht derselbe Dichter, wenn später besser unterrichtet, auch die zweite Gestalt der Sage in seinem Epos be- rühren, gewissermassen, wie später Stesichoros, eine Palinodie singen? Man kann das je nach seinem Gefühl verneinen oder bejahen, einen zwingenden Beweis für die Liedertheorie daraus aber nicht entnehmen ^).

Auffällig ist ausserdem erschienen, dass /7 694 ein Adrestos unter den von Patroklos haufenweis Getöteten erscheint, nachdem Z 37 65 bereits ausführlich und drastisch der Tod eines Adrestos geschildert worden war, und dass ebenso zweimal der Tod eines Troers Peisandros (^ 122 und N 601) und eines Troers Thoon (vi 422 und N 545) ge- meldet wird. Aber so beachtenswert auch die Sache ist, so möchte ich doch hier bei untergeordneten Persönlichkeiten die Ausrede der Namens- gleichheit nicht für ausgeschlossen halten und würde nur dann der Sache eine Bedeutung beilegen, wenn auch noch andere Momente für die Ver- schiedenheit der Verfasser von 77 und Z, wie von N und yi sprächen.

Wie bei der Pylaimenesstelle so lässt sich auch in dem 16. Gesang der grobe Widerspruch zwischen 77 793—804. 815. 846 und P 122— 6.

1) So heisst "06iog E 39 «(»/oV ^^Xi^aiytuy^ wiewohl er im Schiffskatalog neben Epistrophos als Führer der Halizonen aufgeführt wird, und wird O 337 "laaog ^9X^f USti^aiior, O 519 ^i2rof dQX^^ Entiwy genannt, wiewohl doch Menestbeus der eigentliche Führer der Athener und Meges der der Epeier war, zum Beweise dafür, dass bei Homer d^x^^ <Ptuxiiuty nicht bloss 'der Führer, sondern auch 'ein Führer der Phoker' bedeuten konnte.

2) Thatsächlich sind in meiner Ausgabe die beiden Verse O 515 und P 306 mit verschiedenen Lettern gedruckt, aber es waren andere Motive, die mich zur Sonderung der betreffenden Partien^ in denen jene Verse vorkommen, bewogen haben. Ebenso stehen die Verse Z 421 f. und P 575, die sich widersprechen, wenn man nicht einen Doppelgänger Herlußy annehmen will, bei mir in Partien, welche ich aus anderen Gründen mit verschiedenen Lettern drucken Hess.

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186—210. 450. 472. 693. -2* 188. X 323 durch Ausscheidung einiger Verse leicht heben, ohne dass man zu der Annahme mehrerer Dichter, wozu man sich begreiflicher Weise erst in letzter Linie entschliesst, ge- nötigt wird. Der Widerspruch liegt allerdings oflfen zutag und lässt sich mit keinerlei Kunststücken der Interpretation wegdeuten. Im 1 6. Ge- sang zieht Apollo selbst dem sterbenden Patroklos den Helm und den Schild ab und zerbricht ihm den langen Speer in der Hand; an den be- zeichneten Stellen des folgenden Gesanges nimmt Hektor dem Patroklos die Waflfen ab und legt sie dann selber an. Nun hat allerdings Naber, Quaest. hom. p. 188 u. 195 wahrscheinlich zu machen gesucht, dass der letzte Zug erst durch einen Nachdichter in die Ilias gekommen sei; aber der Verfasser der fraglichen Verse im 16. Gesang, namentlich von 77 799 t6t€ ^i Zevg ''ExTO(}i ^(oxiy fi xecpalfj (po()6€ir setzt deutlich voraus, dass Hektor später die Waffen des Hektor anlege. Mit der Annahme von der späten Zu*dichtung jenes Zugs der Patroklossage kommt man also nicht weit; aber ohne Bedenken lassen sich die Verse 77793 804. 815 u. 846 als junge Interpolation eines ausschmückenden Dichters ausscheiden, und selbst Lachmann, Betr. 74, hat hier die Annahme einer Interpolation für wahrscheinlicher gehalten als die Hypothese, dass mit dem 17. Buch eine jüngere, nicht genau ihrem Vorbilde folgende Fortsetzung beginne. Auch aus dem Widerspruch, der zwischen den Versen P 545 6 und P 592 6 besteht, indem an der ersten Stelle Zeus schon seinen Sinn geändert haben soll (J17 yäg voog h^anBi* avzov)^ an der zweiten aber derselbe Gott zornig in Nacht den Ida hüllt und die Achäer in Furcht jagt (yixrjv ^e Tgoieaai didov i(p6ßriaa (P ^Axcniovg)^ möchte ich kein Argument für Verschiedenheit des Verfassers jener beiden Partien ableiten. Jedenfalls ist es eine lenior medicina die beiden Verse P 545 bis 546 allein als späte Interpolation auszuscheiden. Der Fortgang der Handlimg erleidet damit nicht die geringste Unterbrechung und wir treffen auch sonst {S 181 186. -2" 356—368. 0 28—40) Spuren von einem Interpolator, der eine häufigere Erwähnung des Eingreifens der Götter und insbesondere der Abhängigkeit der übrigen Götter vom Vater Zeus in der alten Ilias vermisste *).

1) Damit fällt ein Hauptgrund weg die Scene P 423 592 der alten Ilias abzusprechen, so

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Auch in /T 395 ff. ist die Unklarheit, ja Yerworrenheit in der ganzen SituatioD leicht damit zu beheben, dass man den entbehrlichen Vers 397 VTjuir xal nozauov xal relxBog viprilolo als späte Interpolation aus- scheidet. Hingegen läest sich nicht mit der Ausscheidung von ein paar Yersen der Widerspruch beseitigen, der zwischen A 590 ff. und ^395 ff. bezüglich des Grundes der Lahmheit des Hephaiatos besteht Die Ver- schiedenheit des Mythus an beiden Stellen beruht wohl auf Verschieden- heit des Verfassers der lioplopoiie und der alten Ilias.

Gleichfalls mit der Annahme einer Interpolation oder der Aus- scheidung der Verse // 334—5 suchte Aristarch den Widerspruch zu entfernen, dass hier die Asche der Toten mit nach Hause geuoujmen, an den anderen Stellen in troischer Erde bestattet wird. Aber die Verse geben sonst keinen Anstoss und die lokale Bestimmung JvrB^oy dTiai^t) i'ftör passt so sehr zur Sache, dass es geratener scheint nicht bloss die 2 Veree^ sondern die ganze Partie einem andern Autor zuzuschreiben.

Einen Hauptbeweis für die spätere Zusammenfügung älterer, von verschiedenen Dichtern herrührender und nicht auf einander berechneter Lieder hat man in dem ^ Verse O 653 daaiTiol (T iyu^ovto rec5r Tjfffi iP m^fS^or äxQnt rij^g zu finden geglaubt, da danach erst jetzt die Achäer der Schiffe ansichtig würden^ wiewohl schon 200 Verse zuvor. O 415 ff., von ihnen erzählt worden sei. wie sie von den Schiffen herab die an- stürmenden Troer abgewehrt hätten '). Ich habe in meinen Prolegomena p. 41 ausgeführt, dass diese Bemäckelung auf der falschen Verbindung der Phrase ^latoJioi iyfvoi'iu mit n^ mna yti^mtiat beruhe. Zwar haben schon die Alten, wie man aus der Glosse des Suidas hlmn^or avitnyunuLi*H ersieht, beide Phrasen mit einander in Verbindung gebracht und liegt

daj*s ich iiuHi in meiner Ausgabe Bedenkrn trug» dem Urteile Kfltihlj's, Nabcr'iä und nndorer bei- «utreten. Denn der Vera P 551 iJff 17 Jto^^v^i^ y%^El^ nvi^aea^a It uvj^v dvfjti^ 'A^ixi^r tSvo^ mit «einer einlachen Construction war seweifelsobne Vorbild für die Verse S 161 f., n^t oi xarti ^vfA^^ ätilüZf^ fpatytro ßovXi^^ iXS^tjf nf "Idr^M ^v it^vtfaatfy {dtTvvttäti Bentlej) I" «(Jrij*', in denen entweder dan Dij^amiiin von vemneblassigt ist, oder die H3ji:e der Conatruction, wenn raun die Conjectur Bentley'a anninimf, Änstoss erreget, so dasn man jedcnfalla unsere Scene für älter ul« die Jtö^ anüTti halten musi*. Für die Unjprünglichlceit derselben fipricht aber auch aelir der Um- stand, dass dan Eingreifen des Menelaoe in dem Sebluesdrania der PatroVleia ftm besten durch die aufibrdemde Anrede des Phönix in jener Scene, P 553 ff. motiviert wird.

1) Siebe Lach mann, ßetrticbt *S. 07 und Hentae im Änhanjf zur Stelle.

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in der That ihre Verbindung ausserordentlich nahe, aber der Dichter unseres Verses fand, wie man aus den nachfolgenden Worten ti&qI (V h'n/hH^m^ äx(fai v^eg ganz deutlich sieht, in dem Adjektiv ^laamogy gleichgültig ob mit Recht oder Unrecht, den Begriff ^innerhalb der Lucken zwischen den Schiffen* oder ^Biau) ondjy riuy r€(Sy\ und damit reduciert sich der grelle Widerspruch unsere^ Verses mit der vorausgegangenen Schilderung auf ein Minimum, das zum zwingenden Beweis der Dichterverschiedenheit nicht mehr ausreicht.

Auch ohne Aufstellung einer anderen Wortbedeutung lässt sich der Versuch zurückweisen, aus den Worten des Achilleus y/ 609 vvr mw TiBQi yovyar^ Bfia arr^oeaS-ai l4xctiovg Xiaao^ivovg einen Beweis dafür zu construieren, dass der Dichter dieses Verses die Gesandtschaft nicht ge- kannt, der 9. Gesang also eine späte Zuthat eines jüngeren Dichters sei. Allerdings zeigt sich Achilleus in diesen Versen trotziger und hartnäckif^er, als man nach seinen letzten, schon etwas zur Versöhnung umschlagenden Worten in der Presbeia / 644 655 erwarten sollte. Aber immerhin konnte der Trotz und Zorn wieder heftiger aufwallen, und kann aus jenem Vers ein Beweis gegen die Einheit der Dichtung so wenig geführt werden, dass ein feiner Homerkenner, Kammer ^), gerade umgekehrt Ragt : 'Der Achilles des elften Gesanges ist nur denkbar nach dem vorausge- gangenen neunten Gesang, ohne ihn bleibt sein Verhalten völlig un- verständlich/

Ganz und gar kein Gewicht für unsere Frage ist dem Worte /^/^o> in T 141 /i^/^oi; ivi xkiaiijair vninxsro iflog X)(^vaaevg und 7^195 ;f^/^ör imBarrijuey beizumessen. Lachmann, Betr. 88, wollte bekanntlich daraus schliessen, dass der Dichter jener Verse von der Folge der Handlungen der Ilias eine ganz andere Vorstellung hatte und nach der Verwundung der drei Helden Agamemnon, Diomedes und Odysseus sich die Gesandtschaft an Achill gesetzt dachte. Aber dann wären wir zu dem Schlüsse genötigt, dass der Autor jener Verse unsere Presbeia oder den erhaltenen 9. Gesang der Ilias nicht gekannt habe. Denn so querköpfig dürfen wir uns doch auch den geringsten der Homeriden nicht denken, dass er für die Situation unserer Presbeia die Verwundung des als Gesandten an den Achill ab-

1) Kammer, Zur homerischen Frage III, Programm von Lyck 1><83 S. 10. Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. WisH. XVIT. Bd. I. Abth. 25

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geschickten Odysseus als vorausgegangen angenommen habe. Dass es aber ausser unserer Presbeia noch ein anderes, älteres Lied von der Gesandt- schaft gegeben habe, das ist eine ganz luftige, unter die spanischen Dörfer zu verweisende Hypothese und hilft uns jedenfalls in dem vorliegenden FaUe nicht weiter, da der Dichter von T sicher keine andere Presbeia als die unsere gekannt hat; stimmt doch alles, was er 'von dem Sprecher jener Gesandtschaft und von den Versprechungen des Agamemnon erwähnt, haar- klein mit dem überein, was wir in unserem 9. Buch der Ilias lesen. Statt also einen so gewagten Schluss zu ziehen, muss vielmehr eine besonnene Kritik nach einer solchen Deutung von xd^i^og suchen, die sich mit den Verhältnissen unserer Ilias verträgt; die lässt sich aber einfach dadurch gewinnen, dass wir die Nacht, die dem gestrigen Tage vorausging, im Gegensatz zu der nächstvorangegangenen als die gestrige Nacht be- zeichnet denken.

Mit jenem /l^/^4' also ist gar nichts für die Liedertheorie anzu- fangen; ebensowenig mit der üngenauigkeit in der Rede des Zeus 0 475 ijfiari T(p ot' äv dl f.iby im n()ViLLyrjai ua)(^ü}vrai axhivu iv alvaidjfp 7i«pi Uarffoxkoio nBoovTog. Denn an einen Dichter darf man nicht den Mass- stab gelehrten Kleinkrams legen, ein Homer brauchte sich ängstliche Genauigkeit in Nebendingen um so weniger aufzuerlegen, als er sicher sein konnte, dass keiner seiner mit Begeisterung lauschenden Zuhörer solche Unebenheiten bemerken würde.

Mehr Bedeutung hat der Umstand, dass die Verwundung des Sar- pedon im 5. und des Teukros im 8. Gesang in den Kämpfen des fol- genden und nachfolgenden Tages ignoriert wird; aber ich habe schon oben S. 184 angedeutet, dass bei der relativen Selbständigkeit der ein- zelnen Gesänge ein Schluss auf Verschiedenheit der Verfasser oder auch nur auf ehemaligen Ausschluss der betreffenden Gesänge aus dem engeren Cyklus der Menislieder aus derartigen Dingen nicht gewagt werden darf.

Endlich kann auch der Widerspruch zwischen * 86 und F 92, indem nach der ersten Stelle der Lelegerkönig Altes noch lebt und herrscht, nach der zweiten sein Gebiet bereits von Achill erobert ist, nicht mit Erfolg zum Beweise verschiedener Verfasser verwertet werden, da diejenigen, welche die Aeneasepisode oder das Buch Y noch dem

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Homer zuschreiben wollen, in dem Verse * 86 '^dlrBO) og ABXfysaai (pilöJiToU^oiGiv (ivaöau einfach das Präsens avaaaei in das Imperfekt äyaaatr verändern können.

Sprachliche Terschiedenhelten in der Ilias.

Homer gebraucht schon häufig statt des Dual den Plural, aber nicht umgekehrt weder in der Ilias noch in der Odyssee den Dual für den PluraL Eine Ausnahme von der Regel macht die Presbeia, in der wiederholt (/ 182. 183. 192. 196. 197. 198) der Dual von den 3 Ge- sandten, Odysseus, Äias und Phönix gebraucht ist. Die Stellen, an denen sonst der Dual für den Plural gebraucht scheint, A 567. J 407. E 487. Ö 74, 186. 191. 405. T205, lassen alle eine annehmbare Erklärung zu, indem die Mehreren in 2 Paare oder 2 Abteilungen zerfallen. Eine solche Erklärung schliesst aber in der Presbeia die Dreizahl der Ge- sandten aus. Mit Recht haben also Bergk und andere in dem falschen Gebrauch des Dual ein sicheres Anzeichen gefunden, dass die alte Pres- beia dem herrschenden Brauche gemäss nur 2 Gesandten, Odysseus und Aias gekannt habe, und dass die Verse, welche von Phönix, dem dritten Gesandten, handeln, insbesondere die lange Rede / 432 622, erst von . einem späteren Dichter hinzugefügt worden seien. Die Annahme wird auch noch dadurch unterstützt, dass der Vers / 223 revo^ Atag 4>oivixi, vmiGi dt tyiot; Wvaofvg eine geradezu komische Situation schafft, und dass man von vornherein nicht begreift, wie denn Phönix nach der Entzweiung des Achill und Agamemnon im Lager des Agamemnon hatte zurück- bleiben können ; hier haben wir also festen Boden unter den Füssen und können mit Zuversicht für die verschiedenen Partien des 9. Gesanges oder die Gruppen F u. J (S. 183) zwei Verfasser annehmen.

Die 2. und 3. Person des Dual der historischen Zeiten war im Alt- griechischen unterschieden, wie man aus der gleichen Unterscheidung im Sanskrit bestimmt weiss. Der Unterschied ist bei Homer in der Regel gewahrt, verwischt ist er nach attischer Weise in BneiyBxov AT 361, Siio- AtTQP K 364, iiiv/^fjor iV^ 346, kacpvoasToy -2*583, und in den Varianten »oii^Timta&oy N 30 L /7 218, i(pLxeo&ov N %l^, 'UböS^ov 0 456, nhsa&w V 506. Die letzteren Stellen sind ohne Beweiskraft, da einesteils eine andere Lesart daneben existiert und anderteils die alte Form sad^rjv

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ohne Schwierigkeit hergestellt werden kann. Anders steht es mit der aktiven Endung &top an den vier voranstehenden Stellen, da an denselben die überlieferte Form durch das Metrom gesichert ist. Wir müssen also wohl für die Doloneia, die Hoplopoiie und die Interpolation A' 345 360 einen andern Verfasser als für die alte Ilias und Odyssee annehmen. Ganz verschiedene Bedeutung hat dieselbe Phrase M 125

und / 234

ayJjGtn^^ all' iv vijval iulaiynniv ntofiüS^m.

An der ersten Stelle, mit der \I 106 übereinstimmt^ bedeuten die Worte die Troer glaubten, dass die Achäer nicht mehr standhalten, sondern sich fiiehend in die Schiffe oder in das Schiffslager stürzen würden', an der zweiten hingegen 'die Troer gedachten nicht mehr sich zurückhalten zu lassen, sondern den weichenden Achäern nachdrängend sich auf die Schiffe zu stürzen*. Denn die Gesetze der Grammatik dulden nicht an der Stelle des 9. Gesanges iiitm oder *Ax^iov^ als Subjekt zu o/ria^aB-ai zu nehmen; das müsste nach den feststehenden Regeln der griechischen Sprache lauten qv<P hi ifaah' i/wcft,' 0'/j\m(i&ai ii}X iv vrivaly niatmd^m. Nicht so ganz sicher steht die Bedeutung der Phrase au der dritten Stelle P G37

di Jiov iifVff hifiHQVtti; d3etjj[mT\ ov<P fri ipaair (sc» Mv^mäw^g)

o;f/;fF*fT&\ dliJ iy rrivai ufkaiytimv j^tanaß-at.

Denn hier kann an und für sich fiiyth; und /j^P^^ ebensogut Subjekt als Objekt zu fj/ijfim£^ai sein und verstattet auch eher die Sprache aus dem vorausgeilenden tTfiy u^oajvi^g zu den Infinitiven a/Jpm&ai und maim&m ein Subjekt wie xnvg iJtv^a ioyrctg zu ergänzen. Sehen wir deshalb von der dritten Stelle als einer zweifelhaften ganz ab, so fragt es sich nun, ob es überhaupt denkbar ist, dass derselbe Dichter der gleichen Phrase zwei sich geradezu widersprechende Bedeutungen gegeben habe. Vom zweiten Teil derselben dürfte man das zur Not zugeben, da das neutrale Wort tii,7mAai*>«i 'hineinfallen, darauflosstürzen* mit

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gleicheui RecM von den Fliehenden, wie von den Verfolgenden gesagt werden konnte. Auch stehen in der That der Mehrzahl der Stellen, wo pf}vmv iuTisaely von den Fliehenden gebraucht ist (^ 311. 823. Z 8'2 *9. ßl75) einige andere gegenüber, wie N 742 (interpoliert) und ^/ 297 y wo nur an die eindringenden auf die Schiffe oder die Reihen der Gegner einstürmenden Feinde gedacht werden kann. Aber ganz unglaublich ist es, dass derselbe Dichter in der gleichen Verbindung denn das fallt besonders ins Gewicht ax^oeo&ai das eine Mal im Sinne von 'standhalten, Widerstand leisten^ das andere Mal in dem entgegengesetzten von 'sich zurückhalten, vom weiteren Vordringen ab- stehen gebraucht habe ^). Ich erkenne also in der verschiedenen Be- deutung der Phrase an den beiden Stellen einen Beweis, dass der Ver- fasser von / und M oder der Gruppe C und F verschieden war. Wollte aber wirklich der Dichter der Presbeia nach Analogie der Stelle P 637 ZQ oxHOhiu'^ai als Subjekt fifiäg ergänzt wissen, so muss er erst recht vom Dichter der beiden anderen Stellen verschieden gewesen sein; denn dann sprachen jene hellenisch, er barbarisch.

Eine ähnliche Bewandtnis hat es mit der doppelten Bedeutung von nr^fpava^fif'^f^ai in der Beschreibung der Aegis E 739 alyiSa daivfiv rjv jTf^i UH' ndi'Trj fpoßog iarsipdrcorai und in der Beschreibung des Schildes des Agamemnon*^ 36 t/J (sc. äaniSi) int /uev logya) ßXoavQäjut; iare- tfdytDTf}, (hivoy SfQxofxivri, neQl (Ja Jnuoi; rs 4>6ßog re. An der ersten Stelle nämlich soll oflfenbar gesagt sein, dass der Phobos wie eine Ein- fassung das Rund des Schildes ringsum begrenzte, an der zweiten hin- gegen, dasa die Gorgo auf der Mitte des Schildes oder dem Schildbuckel in getriebener Arbeit wie eine Bekränzimg des Schildschmuckes sich erhob^.

1) Es amd allerdings die beiden Bedeutungen von exofxui nachweisbar, aber doch nur in verschiedener Umgebung. Denn #'/€© heisst 'halte stand* in dem Verse aU.' i^fo XQaitQtof, oxQwe Ji Xaoy anatfTtt U 501 u. P 659, und cx^o heisst *halte ein, lass ab' in der Aufforderung der Here an HephaiÄtos 0 379 "H(pniati ax^o ziKvop, sowie in den Wendungen eV ^ivt^ ax^io eyxof H 246, >* 272, if^x^^** <putyij P 696. W 397. Meistens aber ist ^Z^/^"^ in der zweiten Bedeutung mit einem Genetiv verbunden, wie saxoyro fJtdxns ^ 84 und f^iy^of axn^fo^ai P 504.

2) Franke erklärt die 2. Stelle: *das Bild der Gorgo ging im Kreise umher, d. h. es Mllte die gan^e Rundung des Schildes'; aber wo sollen dann die beiden andern Figuren, Deimos und Phobofl angebracht gewesen sein?

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Die erste Bedeutung ist leicht verstandlich und stimmt auch mit dem sonstigen Gebrauch des Wortes aTeq>av6Bad'ai bei Homer, wie 0 153. -£■ 485. ^ 195, überein; aber die zweite ist so verschwommen und imklar, dass man sie schwer demselben Dichter, der eben noch so klar und anschaulich gesprochen hatte, zuschreiben wird. Aber hier ziehe ich nicht den gleichen Schluss wie oben; denn da die beiden Verse des 1 1 . Gesanges, wie schon Jacob, Entstehung der Ilias und Odyssee S. 242 dargethan hat. auch sonst begründeten Anstoss erregen, indem man sich gar nicht vorstellen kann, wie denn neben den 21 Buckeln die Figuren der Gorgo, des Deimos und Phobos angebracht gewesen sein golleuj so scheide ich lieber diiB Verse A 36 7 als Interpolation eines ausschmückenden Nachdichters aus ^).

Bei den letztbehandelten Stellen könnte man ebensogut wie von verschiedenem Sprachgebrauch auch von ungeschickter Nachahmung sprechen. In dieser Beziehung begegnen nun zahlreiche Stellen, wo die gleiche Phrase das eine Mal sachgemäss und zutreffend, das andere Mal ungeschickt und anstössig angewendet ist. Aber hier thut ganz besondere Vorsicht not, ehe man sich zum Schlüsse auf verschiedene Verfasser fortreissen lässt. Vor allem ist an vielen derartigen Stellen der An- stoss einfach durch Athetese zu entfernen, in der an den meisten schon Aristarch und die Alexandriner vorangegangen sind. Sodann ist es doch auch sehr leicht möglich, dass demselben Dichter die gleiche Wendung bei einem zweiten Fall minder gut glückte, so dass es oft schwer zu enstscheiden ist, ob wir einen sich unglücklich wiederholenden Dichter oder einen tölpelhaften Nachdichter vor uns haben. Ich habe

1) Zu dem gleichen AuHkunftsmittel der Athetese griff Aristarch, indem er die Verse «ß 20 1 tili TiS-ytiora 7ii(), ntgi 6^ aiyiSa nayra xdXvnrey ^iiVfTitfi, i'yn /uif fAiv dnoS^vq>oi k'kxvataiuty

■wegen der unhomeriaclieu Bodeutung von tKiyig verwarf; und allerdings bezeichnet das Wort sonst bei Homer eine "W'affe und speziell einen Schild, während in der fraglichen Stelle der Lösung Hektar« nur an ein um den Körper gewickeltes Fell gedacht werden kann. Das war nun freilich auüht wie man jetzt allgemein anerkennt, die ursprüngliche Bedeutung des Wortes, aber der alte Ffomer biit trots;dera dieselbe nicht gekannt. Man könnte also darin leicht ein Anzeichen des verschiedenen Ursprungs des letzten Gesanges erblicken. Mich macht nur an diesem Schluss die AV^ahrnehmung irr, dnss nach in der jungen Götterschlacht 400, verglichen mit P 43, tayig einen Schild bezeTchneti,

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in diesem Punkte schon viele Erfahrungen an mir selbst und an anderen gemacht und weiss, wie oft schliesslich die Entscheidung von dem Urteil abhängt, das wir aus anderen Gründen über die betreflfende Stelle gefasst haben. So trete iöh z. B. mit Zuversicht dem Urteil des Aristoteles poet. 25 bei, dass der Eingang der Doloneia eine ganz schlechte und unwahre Kopie der ersten Verse des zweiten Gesanges ist und finde darin nur noch weiter die Ueberlieferung bestätigt, dass die Doloneia nicht ursprünglich zu den Gesängen der Ilias zählte. Auf der anderen Seite finde auch ich in Y 445 8

dll^ oT€ ^fj t6 TSTaffTor iniaavTo daifioyi laos, deivä (P oiLtoxkriaag snea nteQoarra 7i()oarjv^a eine sehr ungeschickte Kopie von E 436 9

Tfflg fitv kmiT^ enoQOVOB xaza^czdiutyai fxeysaivtüy, TQlg de ol iaTV(pi'u'§B (paeiytjy aamiP ^AnoXlxDy. äXÜ OTB dri To TBxaQzoy ineaavro dai^oyi laog, deiyd tP ouoxlriaag 7iQooi(pri ixaeQyog jinoiXiay,

entschliesse mich aber doch schwer zum Schlüsse auf Verschiedenheit des Verfassers^). Freilich ist dieses nicht die einzige Stelle des zweiten Teiles der Ilias, die nach dieser Richtung Anstoss erregt ; auch die Verse Y 414 f., Y 495 flf., * 53 f., £1 222 fügen sich an den Originalstellen J 132 f., A 534 ff., A 403 f., AT 99, B 81 weit besser in den Zusammen- hang, so dass derjenige, welcher für die Gruppe D einen verschiedenen Verfasser als für ABC annehmen will, sich nicht ohne Grund auf diese Stellen wird stützen können^.

1) Mit Ausscheidung des Verses 447, den schon die Alten beanstandeten, ist in unserer Frage nichts gethan, da dann die Ungeschicklichkeit der Nachahmung noch grösser wird.

2) Eine besondere Gedankenlosigkeit zeigt sich V 413 ff. in der Wiederholung der gleichen

Wendung:

xoy flaXf fABaaoy nxoyu 7io6agxijf 6io^ W/*XXf i/f,

y£xtt napataaoytof, o^* i*uaTfi()os o^iiff j^Qvaetot avv^xov xai dinXoof riytfto d'tü(}^^.

Denn während in der Originalst^Ie J 132 alles in bester Ordnung Ut, da dort Menelaos von vom verwundet wird, haben wir in V, wo Polydoros am Rücken getroffen wird, einen reinen

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Heteroklita und verschiedene Formen der gleichen Namen:

"Ahcifiog T 392. i2 474. 574 u. 'AhcifiiiJiov IJ 197. P 467,

Xifofnc, B 858 u. X(f6,uiog P 218. 494,

efjßai X 479 u. Orißri A 366. Z 397,

0pi5oc? B 592 u. OQvoBOoa y/ 711,

MvxtivT] ^ 52 . . . u. Mvxfjyai J 376 . . .

«op/a^ E 524, O 171. T 358 u. Bo(f^g I b. V 195.

TQixri, r 202 u. re/;^;??? B 729,

-S'/tJai/fj; ?F 743 u, 2:t(J6vioi Z 289. .^ 84 u. 618. Wer voreilig im Schliessen ist, möchte hier leicht Anzeichen verschie- dener Verfasser finden; den Vorsichtigen hält die Beobachtung zurück, dass auch innerhalb desselben Liedes die Formen -Sapj77?(Toj/o<; und -Sap- nriSovTog, flajQoxlov und /TarQoxkfjüg wechseln. Nur da wo zur Varietät des Namens auch noch dio Verschiedenheit der Quantität wie bei JSMreg V 743, oder der Vorstellung von der Lage des Ortes tritt, ist ein kühnerer Schluss erlaubt. Das letztere ist aber der Fall bei der Stadt Phere, dem Sitze des Diokles. Diese Stadt heisst . E 543 4>rj(}i^ und wird dort mit dem Flusse Alpheios, dem Grossvater des Diokles, in Verbindung gebracht, woraus man entnehmen darf, dass der Dichter sie bei seiner mangelhaften Kenntnis des griechischen Festlandes an dem Alpheios in Arkadien oder Elis gelegen dachte. In / 151 = / 293, sowie in der Odyssee y 488. o 186 finden wir hingegen den Plural 4>f]()al, und sehen die Stadt dahin verlegt, wo wir sie in historischer Zeit wiederfinden, an das Meer zuunterst von Pylos. Die Dichter von E und von / oder wenigstens die jener beiden Stellen müssen also verschieden gewesen sein. Vielleicht ist auch noch an einer anderen Stelle mit der Ver- schiedenheit der grammatischen Determination eine Verschiedenheit der sachlichen Auffassung verknüpft. In den Versen A 305 f.

wg bnoze vicpea 'Qfipvffog arvcfski^n d^yenräo voroio ßaß-fifi KaiXant Tvnnur

Unverstand. Indes kann hier, wie ich in meiner Ausgabe gethan, damit geholfen werden, dass man die Worte «** i'w/rrjpof ox^tg /(n;rT«io# avvfxoy als irrige Interpolation aasscheidet. Auch die anstössigen Averse am Schlüsse des 20. Gesanges, T 49.0 503, sind schon von Früheren und so auch von mir als int^^rpoliert bezeichnet worden. ,

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verbinden nämlich die Herausgeber, offenbar unter dem Eindruck der Anschauung einer einheitlichen Ilias, d(fyeaTäo voroio mit vicpea. Aber nimmt man auf die anderen Stellen keine Rücksicht und folgt lediglich dem sprachUchen Gefühl und der natürlichen Wortstellung, so wird man weit eher ^^cpvffog mit dem Genetiv varoio verbinden. Dann ist ^e(pv()os als nomen appellativum im Sinne von ^^Sturmwind^ gefasst und noch nicht als nomen proprium zur Bezeichnung des Sturmwindes Pfar' iSoxi^y, des WestwindeSj genommen. Dann tritt aber unsere Stelle in schwer zu vereinbarenden Gegensatz zu denen, wo ^i(pv()og nicht blos spezielle Be- deutung angenommen hat, sondern auch schon anderen Winden entgegen- gestellt wird, insbesondere zu <i^ 334 Zsqyuffow xat dffyearäo Nozoio S^vekXa, sodann zu / 5. ?F 195. 208. t 332. Doch scheint es mir geratener, der Stelle durch die in schlechten Handschriften gebotene Umstellung v&(pea ZtifvfjQ^ aufzuhelfen, und dann eine doppelte Bedeutung von L^ecpvQns ab- zulehnen*

Sprachliche und sachliche Missverständnisse der Ilias.

Missverständliche Formen bilden eine besondere Klasse sprachlicher Anstände^ denen mit Recht von den Forschern ein erhöhtes Gewicht bei- gelegt wird. Sie würden unbedingt Verfasserverschiedenheit beweisen, wenn man bei Homer absolute sprachliche Vollkommenheit voraussetzen dürfte. Da aber auch Homer von menschlichen Schwächen nicht frei zu sprechen ist, so bleibt es in vielen Fällen doch sehr zweifelhaft, ob die Stelle oder die Partie mit ihrer sprachwidrigen Form nicht zuletzt doch noch von Homer herrühren könne ^). Ich stelle zunächst einige leichtere Fälle zusammen.

Der Aorist dlro lautet im Conjunctiv regelmässig alexai. Diese Form findet sich auch bei Homer A 192 u. 207. Dagegen haben wir

1) Nafcörlich ist die Emendation der Stelle immer der leichtere Weg, und rate ich so dem, der die Formen dXiiaaSai^ ä(pvaffdufyof, vnat^n (<P 126) beanstandet, uXe^SjLn^ym u. «(fvand/Lnyoc zn schreiben und sich durch eine gelungene Verbesserung von * 126 einen besseren Lorbeer zu holen als durch Einfallen in den Chorus der Liedertheoretiker. Auch O 645 «V tt<sni6og ät^rvyi Titilti) möchte ich lieber die Variante <?Är« mit entschuldbarem Hiatus billigen oder durch Con- jectur aftvy dvdXto herstellen, als eine missvei-ständliche Auffassung von BnaXio als augmentierter Aorist annehmen.

Abb. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVIL Bd. L Abth. 26

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* 536 äüdux ya^f tn) ovlog fivrj(ß *x; zil^og akfjrai einen falsch ge- bildeten Conjunctiv äktifai, der obendrein, da kurz zuvor im Vers 534 avzäij insi ^ ig rir/o^ ayanrivamatv alt y reg vorauggeht, auf einer Ver- wechselung der Wörter ifalrj und alro zu beruhen scheint* Der gerade umgekehrte Fall liegt M 42 vor, wo sich der falsche Conjunctiv ai^^ip^zm statt des sprach richtigen tn^iipritm eingeschlichen hat

gtibIq In dem Vers Ä' 285 anüo fiioi, mg qtb nar^l äfj^ innm Tv9it Sim erregt in doppelter Beziehung Anstoss, einmal, weil die Endung der 2. Person des Imperativs boo m^ nicht fio lautete, sodann weil ianofiTpf aus a^as7i6fif]p entstanden zu sein scheint und demnach das anlautende i auch in den Nebemnodis beibehalten musste. Der aswelte Anstoes ist nicht stichhaltig, da sich überall bei Homer die Formen onho&m anouBvoi; durch andere Wortteiluug herstellen lassen j so dass wahrscheinlich auch im Indikativ Homer i(r7jr\ut}v und nicht ianofiTjy sprach. Aber das falsche ew zu gebrauchen Hess sich der Dichter der Doloneia durch die Ana- logie von alSetü 11 503. i 269 verführen, das selbst indes richtig aus aldmto gebildet war.

ioi statt m steht ausser in der Telemachie fJ 38 nur in JV 495 und ie statt y nur 1 171 i2 134. Der erste Vers A^495 ist mit Recht von Fried länder und Nauck als spurius notiert worden, die beiden anderen Verse der Ilias gehören zu den entschieden jüngsten Partien des Gedichtes. In der That scheint hier eine falsche, kaum dem echten Homer zuzu- trauende Analogiebildung vorzuliegen, indem der Nach dichter das t von m als euphonischen Vorschlag fasste, während es bekanntlich gerade so wie in aio und i^io^ aus üh-io und ifiF-io, thematischer Vokal ist.

TBolo statt Tta in f-/ 37 ing firi Jiapr&i; bkuivrai udvana^iivoio rmXo igt eine Missgeburt, entstanden aus der Confundierung des Pronomen peröonale mit dem Pronomen possessiv um, die allerdings auch in dem lateinischen mei, nostri und im deutschen Genetiv 'meiner, unser' des Personalpronomens vorliegt, von der sich aber bei Homer sonst nirgends eine Spur tindet.

Uu] statt tot nach der Analogie von tirj und IbIti findet sich nur in dem auch aus anderen Gründen als Machwerk eines stümperhaften Nachdichters anerkannten 19. Gesang 7' 209 n^Av Ö' ov jiaig ar ifioi yi ipiXuv xiizä Xatum^ uiri.

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x()dTfn(pt K 156, gebildet nach der falschen Analogie von arij&ia^i ÖQsacpi, in denen eo zum Thema gehört, nicht Genetivendung ist.

a^Bod-er ungebräuchlicher Aor. pass. von eXofiai 0 74, oder wenn man die Lesart h^ia&riv vorzieht, unstatthafter Gebrauch des Dual

vnviuovTB^ £1 344, sowie in der Odyssee f 48 u. ü> 4, statt imroovjfi; falschlich gebildet nach der nicht zutreflfenden Analogie von lii^Aümi'Tfri; und fißu)ovrBg. Die falsche Bildung hat indes ihre Entschuldigung an der

Versnot da vTiyoovTsg ^ nicht in den daktylischen Hexameter am

bringen war.

''/kiogj regelmässig bei Homer B^emininum, ist als Neutrum nach späterem Sprachgebrauch behandelt in der Verbindung Tiiov aluv 0 71. Damit fällt aber nicht der ganze Gesang, sondern ist nur ein weiteres sprachliches Motiv für die Unechtheit der Stelle 0 63 77 gewonnen.

JagSavitoveg // 414 u. 0 154 ist eine falsche Bildung statt des sonst üblichen Jagdavoi, Die Bildung ist falsch, weil sie die Abstaniniung der Dardaner von einem Ahnherrn Ja{}davog voraussetzt. Ein solcher findet sich nun allerdings auch in der jungen Aeneasepisode J' 215 an- genommen; aber der alte, den älteren Gesängen der Ilias allein geläufige Namen des Volkes JagSaroi weiss oflfenbar von einem solchen Ahn* herrn nichts.

trig in dem Vers A7 208

(pvXonii^og jueya BQyov, erjg tu 7i()iy y h{faao^B ist eine entschieden falsche Bildung für rig. Veranlasst ist dieselbe durch die Form des Masculinums oov; aber Homer selbst hat, wie zuerst Buttmann Griech. Gramm. I 299 nachgewiesen hat, nie ooi> gebraucht^ dasselbe ist erst durch eine missverständliche Aenderung des ursprüng- lichen Halbverses oo xUog ov nm oktTrai in den Text gekommen. Aber so gewiss auch trjg falsch gebildet ist und nicht vom alten Homer her- rühren kann, so wenig ist doch damit ein Beweis für verschiedene Ver- fasser der Bücher fi und /7 geliefert. Vielmehr kann jener Vers zugleich mit den Versen 77 200 210 noch recht gut zu dem Verzeichnis der Schiffe der Myrmidonen (77 168 199) gezogen werden, das erwt später in die alte Ilias eingelegt wurde.

Die überlieferte Lesart in /' 3

t]vTf ne{) xXayyt] yf()ayü}r ntUi ovffavm^i tiqo

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beruht auf einem alten Irrtum; 7?po, das nur den Genetiv bei sich hat, konnte unter keiner Bedingung mit einem den lokativen Dativ ver- tretenen Adverbium auf d^i verbunden werden. Der treffliche Ahrens hat in einem berühmten Aufsatz des Rheinischen Museums II, 166 ff. den eingerosteten Fehler dadurch beseitigt, dass er das einzig in den Zu- sammenhang passende Adverbium ngci herstellte. In den sachlichen Zusammenhang der Stelle passt dasselbe vortrefflich, da der Vers

mit seinem rückbezüglichen oQa eine vorausgehende Erwähnung des Morgens (ji^jcü und i)tQiai) fast geradezu erheischt. Die falsche Lesart ovQayod-i TiQo, die in allen unseren Handschriften ohne Variante steht, stammt aber nicht erst aus der Zeit der Abschreiber oder des Pisi- stratus, sie schwebte bereits den Nachahmern vor, wenn sie 0 561. K 12. N 349. .^ 581

TQioo)v xaiovTVDV nvQa (paivero ^/lioß-i ngo' ß-av/iiaQey nvQO. noXkd, xaUio ^/lioß-i n()(r rid-eXe laoy uleod-ai *Ax(xuxoy ^IXiod-i tiqo' fi T£j; TOL xal JiTjög äniipd-iTo UXio&i tiqo

nach dem falschen ovQayo&i /ipo oder nach dem gleichfalls verderbten r)ü)&i n{}6 A 50') ein ^Ihod-i n^fo bildeten, in dem nun nicht mehr durch blosse Aenderung von tiqo in ^pco das Richtige hergestellt werden kann. Freilich hat auch dieses U'uo&t tjqo Ahrens durch die Aenderung ^lUoo 7i()6 in Einklang mit der Grammatik zu setzen gesucht, aber das heisst, fürchte ich, nicht die Abschreiber, sondern den Dichter selbst korrigieren. Rührt aber die Phrase 'Ihod-i tiqo von dem Verfasser jener Verse selbst her, so folgt daraus, dass jene Verse und somit die Gruppe F und die interpolierte Stelle in A^345 360 von einen anderen Dichter als die Gruppe B oder A B C D herrührt.

Der Dichter der Hoplopoiie lässt, nachdem er zuvor verschiedene Metalle, Erz, Zinn, Gold, Silber, in den Schmelzofen gethan, den Schild aus 5 Lagen mit buntem Zierwerk bestehen -2* 481 f.

1) Auch in jenem riw^i ngo A 50. iT 36. f 469 ist zweifellos tiqö in n^tä zu bessern, zweifel- haft ist es mir nur, ob nicht auch noch ijw^/ in nw^fv zu korrigieren ist.

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205 TifVTB (T ap' avjüv eaay oaAfog nrv/jg' ama^ ii^ avrt^

Er dachte sich dabei offenbar, auch wenn die Detailbeschreibung der Kunstwerke nicht von ihm selbst herrühren sollte, das Golcl und Silber zu jenen üaitJala noXla verwendet, zumal er auch nur 4 Metalle nennt^ aber von 5 Schildlagen spricht. Anders dachte sich die Sache der Dichter der Verse Y 270 2

JifFTf JiTi/ag ijkaae xvXXtmoSiojy^ - rag Svo y^ahcua^^ dvo (5" er()W}i xaaair t^ow^

P r^y ^^ ulav /jivafrjv' rji (** w^^^o fiiLktvuv e)^/Oi,\

Das ist doch ein oflfenbares, grelles Missverständnis, hervorgerufen durch den Vers ou ^fi§i adxog' xQ'^^^ Y^^9 hi^vKa>t(^ Juupa xf-tolo. Ich halte es daher für ausgemacht, dass jene Verse nicht von dem Dichter der Hoplopoiie herrühren können. Aber daraus kann man noch nicht auf verschiedene Verfasser der Hoplopoiie und der Aeneasepisode Bchliessen, da sich einfacher mit Ausscheidung der Verse V 2G9 272 helfen lässt*)

Ich spiele den letzten und Haupttrumpf aus: im Eingang der Maxt} Tia^ßanordiLiiag 4> 1 7 heisst es

^Xk^ 07 B J17 noffor l^ov iVQQthog Jiorafxoio ^ayß-üv divri€%'xog, ov d&m^arog rixtro %ev^j tr&a {^lartifj^ag jovg fihv nt^iovSs tJtioxi}' ngog naliy^ t) 7i€() ^Axociol fizvQoiiwot fpoßhovtu fjfiati^ T(p 7i(}0ie(}(p, 0T6 ju^aiy^To (paiJtfiog 'Exiiu^' TfJ ^* oV y'i n^ox^ovTO n^pv^orBg* ^uiahg Jt €<r nmaßby hlXsvvro ßa&iJQ^fmv c(Qyv(}Offlrf]v,

Man erklärt die Stelle gewöhnlich soj dass man einen Teil der von links kommenden Troer über die Furt hindurch auf das jenseitige Ufer nach der Stadt gelangen lässt, während die anderen oberhalb od^r unter- halb der Furt in den Fluss hineingedrängt worden seien. Man läset sich

1) Kiene, die KompoMitioB der Ilias S. 241. nljnmt auch daniti keinen Anatoaet aber wer «ich erlaubt, ohne d&üa irgend eine Handhabe Toni Dichter gejjeben sei, drei Metall a^en aich decken, 7Mei »i«h verengtem %u lassen, wird mit allen Hchwiengkeiten leicht fertig werden-

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zu dieser Noterklärung verleiten, \veil unten * 245 Achill, um die fliehenden Troer zu verfolgen, auf das andere Ufer übersetzt Aber von einem oberhalb oder unterhalb ist nicht ein Sterbenswörtchen im Text« zu lesen, und Lykaon müaste geradezu allen Verstand verloren gehabt haben, wenn er statt aus dem Flusse in der Richtung der Stadt ost- wärts zu fliehen, westwärts auf dem linken Flussufer dem Achill in die Arme gelaufen wäre. Nein, so widersinnig kann Homer die Dinge nicht ge- schildert haben. Denken wir uns aber einmal alles nach dem Verse * 227 äi^ ilTimv T^iüeaoty inwnvro ämpovi (ooc; weg, so kommen die Troer, indem sie auf dem rechten Ufer, wo sich der Dichter von ./ 498 a fi 355 das Lager der Achaer zugleich und die Stadt des Priamos daclite, vor dem grimmen Achill fliehend zur Furt des Skamander und teilen sich hier so, dass die einen auf demselben Ufer weiter der Stadt zu fliehen, die andern sich in den reissenden Fluss zur Rechten drängen lassen. Das gibt eine einfache und klare Vorstellung, die wir ohne Zaudern dem alten Dichter des Flusskampfes beilegen ilürfen. Die Verwirrung kam dann erst durch <len Fortsetzer in unsere Uias, indem derselbe von der falschen Ansicht ausging, dass der Skamander zwischen dem Lager uml der Stadt fliesse, so dass er dann naturgemäss auch den Achill erst von dem einen Ufer des Flusses auf das andere übersetzen liess.*)

Zu den drei bis jetzt erörterten Klassen von Beweisen kämen nun in vierter Linie noch jene, welche auf die Störungen im Plane der Ilia?; und die Dissonanzen zwischen den einzelnen Teilen basieren. Aber so anziehend auch an und für sich die Besprechung dieses Punktes wäre, so Hesse sich doch von derselben kaum ein Druck auf die Meinungen der Gegner erwarten* Es gehen eben die Anschauungen der Leute über das- jenige, was man dem Dichter in dieser Beziehung nachsehen dürfe und

1) Dieweti Hauptpunkt, die vergeh iecJene Vorfiti?lliiTig von dem Laufe cle«? Bkiiniaßfier im Ver- hältnb zu «lern Lager und der Stiidt, hu he ich zuerst entdeckt und eingehend besrp pochen in der Abhandlunjf, Die Hvichlichen Widersprüche der Uiiia, in Sitzuogftbericht der b. Akad. 1881, Öd. H S. 130 ff,, und finde keinen Grund ir|,jeud etflran ^egenHber dem wohlfeilen 8keptifi«mus toji Hercher, Die homerische Ebene fon Troja* und Wold. Ribl»eck, Rhein. Mus XXXV. ßl4 zurÜckzuneJimen. Nur so viel sei hier nodi zur Sache bemerkt, da^a die mit dem Eingang de^ 2L Buche« übereinstimmenden Verae der Jto^ ämliii E 4ii3— 4 nicht mit gleicher Sicherheit fQr die Annahme verschiedener Verfasser verwertet werden können, da hier der Dichter den Hektur nur ohne Not zur Hechten abbiegen, nicht eine volle Verkehrtheit thun lii^'^t.

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müsse, zu weit auseinander. Ich selbst bin ini Hinblick auf die Ent- stehungsweise des alten Epos von der Rigorosität der Liedertheoretiker weit entfernt, habe aber doch auch nicht den guten, alles verdauenden Magen der ünitarier. So stimme ich, um wenigstens einen Punkt zu erwähnen, unbedingt Kammer bei, wenn er in dem zweiten Hefte seiner Studien zur homerischen Frage behauptet, dass die ganz verschiedene Zeichnung des Achill in der matten Aeneasepisode Y 79 352 nicht von demselben Dichter herrühren könne, der in den übrigen Partien der Dias den Achill so grossartig gezeichnet hatte, wie er nach dem Tode seines Freundes Patroklos gleich einem alles niederwerfenden er- barmungslosen Dämon auf die Troer sich stürtzte.

Fassen wir schliesslich die besprochenen Momente zusammen, so gehen daraus zwei Sätze mit Sicherheit hervor, erstens dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Versen und Verspartien erst in späterer Zeit von unverständigen, die Verse des Homer zum Teil missverstehenden Homeriden oder Rhapsoden hinzugefügt wurde, zweitens dass die von mir in meiner Ausgabe kleingedruckten Gesänge, oder die Gruppen F G H I einen anderen Dichter zum Verfasser haben als die alte Ilias oder die Gruppen A B C D.

Reichen wir nun etwa, wenn wir die kleineren Interpolationen oder die Gruppe I ganz bei Seite lassen, mit zwei Dichtern aus? Das nicht, da nichts uns nötigt für sämtliche Partien der Gruppen F G H den gleichen Verfasser anzunehmen, es vielmehr von vornherein weit wahrscheinlicher ist, dass von den episodenartigen Zusätzen der eine von diesem, der andere von jenem Homeriden zugefügt worden sei. Wer wollte z. ß. auch dem trockenen phantasielosen Schiffskatalog denselben Verfasser geben wie der lebhaften gehobenen Schilderung von den Leichenspielen des Patroklos? Aber auch von den in Ton und Sprache sich näherstehenden Partien rühren mehrere nachgewiesener Massen von verschiedenen Verfassern her, wie die Phönixepisode von einem anderen Dichter gedichtet ist als der Kern des 9. Buches, und die Doloneia sich nicht bloss nicht an den Schluss des vorausgehenden Buches anschliesst, sondern auch mehrere sprachliche Be- sonderheiten hat. Wir nehmen also als drittes Resultat unserer Unter- suchung an, dass die kleingedruckten Partien unserer Ausgabe oder die Gesänge der Gruppen F G H nicht alle von dem gleichen Autor herrühren.

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Aber wie steht es nun mit der ersten Hauptpartie oder mit den Gruppen A B C D E? Können wir diese alle ein und demselben Dichter, oder mit anderen Worten dem einen Vater Homeros beilegen? Vieles spricht dafür, nicht am mindesten die gleiche Höhe der Kunstvollendung von Liedern einer jeden dieser vier Gruppen, Auch kann man nach dem Gesagten über die erhobenen Einwände hinwegkommen^ wenn man sich teils lieber zur Athetese einzelner widerstrebender Verse als zur Ausscheidung ganzer Lieder versteht, teils dem Dichter eine grössere Freiheit in der An- einanderreihung der einzelnen Lieder und in der nachträglichen Erweiterung des miäprimglichen Planes zugesteht Aber auf der anderen Seite wird die Vermengung der beiden Lykier und die willkürliche Abbeugmig voni ge- raden Wege zur Furt des S kam ander in Z 433 f. und ^ 1 f . den Gegnern der Einheit eine gewichtige Handhabe bieteUy und wird überdies der Ver- teidiger des zweiten Teiles der Ilias oder der Gruppe D keinen leichten Stand gegenüber denjenigen haben, welche einzelne unleugbare Schwächen dieser Partie betonen. Insbesondere aber können, und ich fürchte mit Erfolg, beim letzten Gesang, oder der Partie E. die groiiisen Ueberein* Stimmungen mit Versen der Odyssee und junger Einlagen der Ilias, sowie die zwei drei sprai' blichen Miss Verständnisse gegen die Annahme aus- gebeutet werden^ dass der Schluss der Ili^ noch vom Dichter des alten Kernes derselben herrühre. Doch über diese Punkte wird wohl die fort- gesetzte Forschung der Zukunft noch sicherere Aufschlüsse bringen- vorerst wird es immerhin ein Gewinn meiner Arbeit seinj die homerische Frage über den Standpunkt der Lach mannischen Lieder theorie und die vage Unbestimmtheit der Wol fischen Hypothese erhoben zu haben.

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tm

N a c h t r ä g: e.

Nachträglich stiess ich bei der Lektüre von Wilaiii ö w itz' Buch über Antigonoa von Karystos, Philol Untersuchungen IV^ 166, auf die Bemerkung, daes dem Verfasser des Wunderbuches, Antigouos, Homer noch der Dichter der Thebais und des Herrn eshymnos ist. Der scharfsinnige Forscher hatte hier zweifelsohne von des Antigonoa iaroi}im¥ na^ad'/t^iny avvaymyr^ die Absätze 7 und 25 im Auge. An der ersteren Stelle wird Homer, der hier, wie noch zweimal in dem Büchlein, kurzweg omnrßrji; heiset^ als Verfasser des Hymnus auf Hermes V. 51 aufgeführt-; an der zweiten wird ihm der Vers novXvnodogy co j^zvov, üy^mv er ar/iif^mt &vfioy zolaiv B(pa(jiioi^Hy beigelegt, der, wie bereits Welker Ep, CycL II 346 erkannt, in neuerer Zeit aber weder Kinkel noch Keller bemerkt hat, aus der kyklischen Thebais, und zwar aus dem ersten Gesang oder der ^Aiufta^^m i^elaoia ig &^ßag stammt. Die Saclie hat für unseren Gegenstand^ ins- besondere für das auf S. 124 6 Bemerkte insofern eine Bedeutung, als man daraus sieht, dass erst Aristarch den Namen Homer bestimmt auf die zwei Werke, Ilias und Odyssee beschränkte, und dass noch ein Menschenalter vor ihm ein hervorragender Pergamener die Hymnen und die Thebais dem Homer zuzuschreiben kein Bedenken trug. Ich füge daran noch die Beobachtung, dass wenn nun auch noch Properzi wie Welcker Ep, Cycl. I 188 aus eleg. I, 7, 1 ff. und III, 33, 45 mit Recht entnahm, dem Homer die Thebais zuschrieb, und Suidas oder Hesychiua von Müet geradeso wie Pseudoherodot unter den Schriften Homers i^^ipid{j€at ji tijy B§ei,aaiav ttjv ig Or^ßag icat rovg vuvovg rovg ig S-Eovg jj€7ioiri^in^ovg aufführt, man darin einen Fingerzeig zur Auffindung der Quelle der Literaturkenntnisse jener Männer erhält. Und zwar dürfte es nach dem, was wir in neuerer Zeit über die Lehrmeister der Römer in der Grammatik und den Ursprung des literarischen Kanon erfahnm haben, nicht befremden, wenn der römische Elegiker Properz in seinen Angaben über Homers Werke mit dem Pergamener Antigonos zusammen- Abh. d. I. Gl. d. k. Ak d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. n

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stimmt. Für den Artikel Suidas weiss ich vorerst nicht mit gleicher Bestimmtheit eine pergamenische Quelle anzugeben; ob nicht Artemon aus Klazomenai, dessen ßiog \)fi^Qov citiert wird, dem Kreise der Perga- mener angehörte?

Auch erst in den letzten Wochen kam ich dazu, zu meiner Schande sei es gestanden, die Abhandlung Robert's Bild und Lied im 5. Heft der Philologischen Untersuchungen zu lesen, die sich vielfach mit den Dingen berührt, die ich in meinem Aufsatz, Zur Chronologie des alt- griechischen Epos, Stzgsb. d. Akad. 1884 S. 1 ff., behandelt habe. Ich erwähne dieses indes nicht, um die dort vorgetragenen Resultate meiner Untersuchungen zurückzunehmen oder zu modificieren; wohl aber sehe ich voraus, dass meine Darlegungen keinen Glauben in den Kreisen zu erhoffen haben, die sich über die literarischen Ueberlieferungen der jüngeren Grammatiker als Legenden und lediglich aus Compendien und Hypotheseis geschöpfte Afterweisheit leichten Fusses hinwegsetzen. Aber was bleibt uns noch von sicherem Boden, wenn man den Lesches, den Sohn des Aischylinos aus der Stadt Pyrrha auf Lesbos, für ein aus den in der Ifoxv erzählten Fabeln abstrahiertes Gebilde des Lokalpatriotismus (S. 227) erklärt, wenn man aus Dionysios arch. I 69, wo der Aithiopis auch nicht einmal andeutungsweise gedacht ist, sich Schlüsse über den wirklichen, von den Grammatikern verstümmelten Inhalt der Aithiopis des Arktinos erlaubt (S. 223), wenn die Uebereinstimmungen der Odyssee mit den Nostoi auf Amalgamierung des Auszugs der Nostoi und der er- haltenen Erzählung der Odyssee zurückgeführt werden (S. 247)? Behaupten freilich lässt sich dieses alles; aber bevor die Ueberlieferung nicht durch strenge Beweisführung widerlegt wird, verbleibe ich bei den Funda- menten unserer Wissenschaft und überlasse andern den Glauben an ihre Phantasien.

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Die römischen Grenzlager

m

Passau, Künzing, Wischelburg und Straubing.

Von

F. Ohlenschlager.

(Mit einer Tatel.)

Abb. d. I. Cl. d. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. I. Abth. 28

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Wenn trotz einer ziemlich umfangreichen Literatur über die römischen Anlagen in Bi^rem Herr Oberst v. Cohausen, der Altmeister in der Kunde römischer Befestigungen in Deutschland, gelegentlich der Anthropologen- versammlung in Trier ^) die Aeusserung thun konnte, „auf der ganzen Länge des rätischen Limes sind bis jetzt keine Castelle nachgewiesen, wie sie der rheinische in grosser Regelmässigkeit aufweist. Die Namen der wahr- scheinlichen castra stativa und anderer der Form nach für römische An- lagen gehaltenen Orte gehören Plätzen an, welche 2V2, 4 bis 12 und 13 km hinter dem Limes liegen, also nicht zur unmittelbaren Besatzung des Limes gedient haben können", so musste mir dies den Gedanken auf- drängen, dass die Arbeiten der bayerischen Forscher auf diesem Gebiete nach aussen nicht genügend bekannt seien und die gelegentlichen in der Tagesliteratur eingestreuten Erklärungsversuche römischer Oertlichkeiten überzeugten mich, dass auch im Lande selbst, sogar unzweifelhafte Er- gebnisse der neueren und zum Teil auch der älteren Forschung noch gänzlich übersehen werden.

Es scheint mir deshalb notwendig, zunächst alles, was über die Haupt- plätze der römischen Provinz, d. h. die grösseren Lagerstellen an der Grenze bis jetzt sich feststellen Hess, mit Uebergehung der durch neuere Funde endgiltig beseitigten Streitpunkte kurz zusammenzufassen und damit die Lokalforscher der Mühe zu überheben, dass sie sich durch eine ziemlich zerstreute oder auch schwer erreichbare Literatur durcharbeiten müssen.

1) Correspondenzblatt f. Anthropologie 1883. S. 12^<. Spalte 1.

2s^

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Ueberdies sind im Laufe der Jahre einzelne Berichte und Pläne in meine Hände gekommen, die zum Teil unvollständig, zum Teil gar nicht bekannt sind und doch zur Klärung und Erklärung der Oertlichkeiten nicht wenig beitragen. Ich gerate dabei zunächst auf ein Gebiet, welches ich nicht wie einen grossen Teil der römischen bayerischen Provinz aus längerer eigener Anschauung kenne, doch würde ich durch blossen Augen- schein auch bei längerem Aufenthalt nicht zu viel anderen Ergebnissen gekommen sein, denn nur die Aufgrabung kann uns diesen neuen Stoff liefern und wird es auch sicher thun und gerade solchen Untereuchungen vorzuarbeiten und bei einzelnen an den verschiedenen geschichtlich wich- tigen Plätzen wohnenden Liebhabern die Lust zur Durchforschung der- selben zu erwecken, ist einer der vornehmsten Zwecke vorliegender Arbeit. Ermutigend wirkt dabei in erster Linie das Beispiel des Herrn Kreisrichter Conrady in Miltenberg, welchem wir die Aufdeckung des römischen Lagers daselbst verdanken und der nun um dessen Zweck und Zusammenhang mit den übrigen Römerspuren der Umgegend zu erklären auf Grund von Berechnungen, alten Sagen und der wenigen bekannt gewordenen Mauerreste im Boden, von Walldürn angefangen bis zum Miltenberger Lager den Zug des Grenzwalls durch Aufgrabung von etwa 20 Wachhäusern feststellte und neuerdings auch von den Lagern zu Wörth, Trennfurt und Obernburg die Grundmauern aufzufinden wusste, obwohl diese an der Oberfläche auch nicht im Geringsten mehr sicht- bar waren.

Ferner der Vorgang des Herrn Pfarrer Schreiner in Eining, dessen erfolgreichen Thätigkeit im Ausgraben wir die Feststellung der römischen Station Abusina verdanken, sowie des Herrn Hauptmann Wimmer, welcher die römische Besatzung von Straubing und römische Bauten daselbst er- mittelte.

Die Feststellung auch nur eines einzelnen Punktes hat in der Regel schon den praktischen Erfolg, dass auch die Auffindung der benachbarten Punkte erleichtert und ermöglicht wird; so ist neuerdings durch Heri'n Dr. Eidam in Gunzenhausen ein Teil der Mauer des römischen Lagers von Theilenhofen aufgedeckt worden und die in Folge dessen auf meinen Vorschlag erfolgte Untersuchung des Kastenfeldes bei Gnotsheim hat be- reits auch dort das Vorhandensein einer Lagermauer ergeben.

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Nur durch solche Untersuchungen lassen sich die sehr dürftig fliessenden Quellen aus dem Altertum ergänzen und die Lösung der Widersprüche anbahnen, welche zwischen den einzelnen Ueberiieferungen vorbanden sind und die zu end- und ergebnisslosen Federkriegen führen und geführt haben, bis man durch zufällige oder beaböichtigte Funde neue und unangreifbare Gründe ins Treffen fähren konnte.

Bis jetzt hatte man sich fast überall und auch in unserem Laude damit begnügt zufällig aufgefundenes weiter zu untersuchen und auch das geschah nur in wenigen Fällen aus Mangel eines Landesconflervatoriuuis; allein selbst, wenn man alle zufälligen Funde verfolgt hätte, würde tües zwar unser Wissen bedeutend bereichert, unsere Saniuilungen bedeutend vermehrt haben, aber zu einem abgerundeten, befriedigenden Wissen wären wir auch dann nicht gekommen. Es genügt nicht, dass wir die Funde an uns herantreten lassen, wir müssen vielmehr dieselben in ihrer Ver- borgenheit aufsuchen, sie zwingen ans Tageslicht zu treten und uns über ihre Zeit zu belehren. Der Mangel eines derartit^en Vorgehens hat denn auch die Folge gehabt, dass wir über manche Strecken bis lieute noch nichts besseres wissen als vor 50 Jahren, ja dass manche der damaligen Errungenschaften ganz der Vergessenheit anheimgefallen sind,

Oeötatten Sie mir also, dass ich den Versucli mache, die Aufmerk- samkeit auf einzelne höchst wichtige Punkte zu lenken , dtimit so in deren Bewohnern oder Nachbarn vielleicht die Neigung erwacht diese Plätze zu untersuchen und dadurch der Forschung neue Quellen xu er- echlieseen und neuen Stoff zuzuführen.

Batavis und Boiodurum. ^}

Nirgends stellen sich der Bestimmung alter Oertlichkeiten so grosse Schwierigkeiten entgegen als an denjenigen Plätzen, wo eine fortdauernde

1) Bataviä schreibt die Notitia. Batiibis appeUabatur op]jidum, öppidum Batabinunn Engippiuä in der vita S. Severini. Der Lokativ (?) Batavis wurde alöo in noiiiiiLati vis eher Weise ak Ortenumf?n gebraucht, während der Nominativ ursprünglich der Volksnaiüe Bat^avi gewesen zu sein Beheint; wäre Caatm zu ergänzen, so würde wahrscheinlich Castni BfttüTina ku lesen sein, denn diese Form des At^jektivs wird von Eugippius, der die gebräuchliche Form noch recht ^ut gehört haben konnte, ständig angewendet.

In der Notitia dignitatum erscheint Batavis ohne Castra depictii; auch ßoioduruni ijst mit einer solelien Ahildung nicht bedacht.

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Besiedelung die alten Spuren oft bis zur Unkenntlichkeit verwischte, wie z. B. in Augsburg, Regensburg und Passau und gleichzeitig die jetzige Ueberbauung eine gewünschte Untersuchung entweder ganz unmöglich macht oder nur an ganz kleinen unzusammenhängenden Plätzen und da oft nur in weit auseinander liegenden Zeiten gestattet, derart, dass die Erinnerung an die früheren Ergebnisse ganz erloschen oder bis zur Un- kenntlichkeit entstellt ist.

Wo dann noch der Zeiten Not und Bedrängnis, Brand, Eroberungen, Wasserfluten u. dgl. mehrmals grosse Verheerungen anrichteten, und bei Wiederherstellung der Kirchen und Wohnstätten ohne Schonung alles vorhandene Baumaterial benützt werden musste, um möglichst rasch den Schaden wieder gut zu machen, da finden sich solche Reste alter Mauern und Grundbauten nur in so geringer Ausdehnung, dass eine deutliche Darstellung des ältesten Zustand es fast unmöglich scheint.

Am schwersten werden diese Uebelstände empfunden an denjenigea Orten, wo die natürliche Lage und Beschaffenheit den alten, wie den neuen Wohnstätten nur einen beschränkten, schwer überschreitbaren Kaum zuwies und jeder Neubau den Untergang älterer Bauwerke mit Not- wendigkeit voraussetzt.

Diese Schwierigkeiten zeigen sich alle in vollem Masse, wenn es sich darum handelt, Stelle und Umfang der römischen Befestigungen und Wohn- stätten in und bei Passau nachzuweisen^), aber gerade deswegen dürfte es angezeigt sein, die jetzt vorliegenden Nachrichten über dieselben zusamiiien- zustellen, um sie dann als die Grundlage für weitere Untersuchungen zu benützen.

Die Stelle, wo der rasche Inn seine grünen Wellen mit der Donau ver- einigt, während von Norden her die dunkeln Wasser der Hz dem mäch- tigen Strome zueilen, scheint sich im Laufe der letzten zwei Jahrtausende in ihren Umrissen nur wenig verändert zu haben und die kräftigen Fel&massen, welche die Ufer bilden, haben mit wenig anderem Aussehen wohl schon zur Römerzeit sich im Flusse gespiegelt. Die malerisch schöne Lage der Landzunge, auf welcher das heutige Passau erbaut ist^)j gleich ge-

1) Siehe Erhard Dr. Kleine Beiträge z. älteren Gesch. Topog^r. vi. J^tutiritik d. 8tadt PasRaiv in den Verhandl. d. hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. IV (1855) S. *^Q.

2) Waither in seiner topischen Geographie von Bayern 8ap:t Seit« 12-^: ,Passuu findet in

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eignet zu raschem Verkehr auf den drei Flüssen, wie zu einem sicherBii schwer angreifbaren Zufluchtsort, hat sicher schon in sehr früher Zeit Ansiedler hiehergelockt und manches Fundstück deutet auf vorrömische Bewohner^), ja selbst der Name Boiodurum^ schoiu welchen die Römer für ihre am rechten Innufer gelegene Befestigung beibehielten, ijelehrt uus, dass eine mit diesem Namen versehene Ansiedelung von ihnen bereite vorgefunden wurde.

Schwerlich blieb der wichtige Uebergang über den Inn, welcher einen Teil der grossen Donaugrenzstrasse bildete, lange Zeit von den Uöniern unbesetzt und ebenso sicher dürfen wir annehmen^ dass die beiden Enden des Flussüberganges sofort von ihnen befestigt und standig be- wacht wurden.

Gleichwohl erscheint auf der ältesten Urkunde über diese Gegend, in welcher man das Vorkommen beider Orte ei warten sollte, nämlich in der Tabula Peutingeriana, nur das Castellum Boiodurum^)^ nicht aber Batavis, ebenso nennt das Itinerarium Antonini auf der Strecke von

Deutschland nur eine Stadt ihres Gleichen, welche die drei Plü<ijäü und den Thafkefisel mitten im Gebirgsdurchbruche und die Bergfeste mit ihr gemein bat: Pasaa.« i^t nämlich d^vs Don !iu-Cob lenz, (Confluens wie das rheinische). Wer die „ewigen* Städte in DeutschLtad kennen vr'iii^ darf nur die Peutingeriana nachschlagen ; jene Römer haben die Punkte ausersebön, aie, deren Niwiie noch nacli sswei Jahrtausenden ihrer Niederlage in unserer Geschichte, in unserer Tüpographie fortberricht.*

1) Drei Kelte von Bronze, in Passau auf der Donauseite ^»ei Anlage einer Wii^t^erleitüng gefunden, befinden sich in der Sammlung des historischen Vereinte för NiGderbayern tai LajidaLtut (siehe Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem V. (1856) S. 297 n, *itU), ebenso eine schöngcritfeltf? Schwertspitze und ein Hohlkeit von Bronze, gefunden bei Kanal iaieranR' der Stadt Passau 1857. (a. a. 0. S. 297 n. 299.)

2) Boiodurum = Boii (nicht Boiorum) castellum (wegen durum s. T^^n^A. Grammatica Celticii 1853 p. 30; 1871 n. 24.), wie Epomanduodürum = Epomandiii <ii4ellüm ( Gltkk, \in\. AnK* München 1854 Sp, 63. Note 98). Augustodürura = Augusti ca,4k'lhnii. iKrhiird. Ö. 144.)

3) BoioSovQoy schreibt Ptolemaeus 2, 12, 2; Boiodoro das hin. Ant/m. p. 249 {nach dem Cod. Escor., die übrigen Handschr. haben Boiodoro od. Bolodero) Boiotloro die Nnlit, clignit. p. 1<X>^ Boiotro Eugippius c. 22. 3(i. statio Boiod (urensis) eine Inschrift im V. J. L. 111- 5121 und endlich Boiiduru die Inschrift des drei Meilen unterhalb Piissau gefundeniMi Müüea^tein^ (C. J. L. III. 5755) aus d. Zeit des Caracalla (M. Aurellius Antoninus pius Felix Ang, Purtli, maxlm. Brit. max. al«o aus den Jahren nach dem Tode seines Vaters 211—217).

Wenn auch die Tabula Peutingeriana im Original und mich iV^jardin« Ay>:giibe giiui deut- lich die Lesart Castellum Solodurum aufweist, so fallt diese, bei der unzweilelb;iftt?n Ijleit.ldii^it der Oertlichkeit und der ziemlich späten Abschrift der Tabula, gegenliJur deii anderen C'eb erlief t^rungen, namentlich aber gegenüber den oben erwähnten Inschriften nicht m^ U^vwicht. 1 V^L Braunmülkr, Bemerkungen gegen die neuen Petrensia in den Verhandl. d. hif^toi'. V'cr* t Nif^dm-iiiLyerit Bd, XV IL S. 377 und: Seefried, die neuen Gegner von Jovisani und Petreunibu;^ e^fendi» lld, XVlll. S, 4^^5.1

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Vindobona nach Brigantia nur Boiodorum, nicht BatÄvis, das auch bei Ptolemaeus nicht vorkommt und zuerst in die Notitia utriusque imperii finden wir neben Boiodurum, wo ein tribunus einer ungenannten Cohorte seinen Sitz hatte ^) auch den tribunus cohortis novae Batavorum.^) Sollte Jemand annehmen wollen, der Tribun von Batavis sei derselbe mit dem von Boiodurum, so verweisen wir darauf, dass der Tribun von Boiodurum unter dem dux Pannoniae primae et Norici ripensis stand, während der Tribim von Batavis dem dux Raetiae primae et secundae untergeben war.^)

Seither war man nun geneigt aus dem Nichtvorhandensein des Namens im Itinerarium und in der tabula Peutingeriana zu schliessen, es habe zur Zeit der Herstellung dieser beiden Quellen das Lager zwischen Inn und Donau an der Stelle des heutigen Passau noch nicht bestanden und die castra Batava seien erst nach dieser Zeit also im fünften Jahr- hundert angelegt worden. Allein wenn wir die Natur der beiden ge- nannten Quellen ins Auge fassen, wird uns dieser Schluss hinfällig oder wenigstens nicht sicher begründet erscheinen. Beide Quellen sind nämlich Verzeichnisse der Haltstellen für die im Staatsdienst reisenden Offiziere oder Beamten und für diese genügte es, wie heute bei den Haltestellen der Eisenbahnen, von zwei dicht beisammenliegenden Ortschaften nur eine genannt zu haben"*).

Für das frühere Vorhandensein eines Lagers am linken Innufer, Boiodurum gegenüber, spricht dagegen die Lage und die Notwendigkeit den Innübergang an beiden Enden zu decken, und dann, wenn auch in weniger dringlicher Weise, der Umstand, dass die Cohorte, nach welcher Passau seinen Namen erhielt, die neunte Batavische, bereits im Regens-

1) Notitia dignit. occident. ed. Böcking p. 100.

2) Ebenda p. 102.

3) H. Kiepert (Lehrbuch d. alten. Geographie (1878) S. :^67. Anm. 1.) macht bei Erwähnung von Boiodurum und Castra Batava folgende Bemerkung : ,Die beiden Orte sind bekanntlich durch den Inn (Aenus) angeblichen Grenzfluss Rätiens und Noricums getrennt, was nicht so wörtlich zu verstehen sein kann, dass schon die Vorstadt Boiodurum einer andern Provinz, der norischen, an- gehört hätte.* Diese Vermutung wird meiner Ansicht nach wenigstens für die Zeit der Notitia entschieden dadurch widerlegt, dass die Besatzung von Passau unter dem dux Raetiae primae et secundae ötand, der Tribun der Cohorte zu Boiodurum' aber zu den Truppen des dux Pannoniae primae et Norici ripensis gehörte, eine Angabe, mit welcher die Annahme, dass beide Lager zu einer Provinz (Raetia) gehört hätten, sich nicht vereinen lässt.

4) Auch der Meilenstein C. J. L. TU hlhb. gibt nur Boiodurum, nicht Batavis als Strassen- endpunkt an.

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burger Militärdiplom ^) vom Jahre 166 einen Bestandteil des räti^chen Heeres bildet.

Unter den vorliegenden Verhältnissen haben wir es also siclier mit zwei daselbst liegenden, unter verschiedener Führung stehenden AIj teilungen zu thun und dürfen also auch nach römischer Sitte zwei ver- schiedene Lager erwarten, denn selbst wenn zwei unter verschiedenem CJommando stehende Truppenkörper neben einander lagen, wurden die Lager getrennt, nicht innerhalb desselben Walles geschlagen, wie wir dies an den in kurzer Entfernung von einander liegenden Legionslagern von Deisenhofen noch heute sehen, und namentlich an den beiden Lagern von Irnsing und Eining (Abusina), welche die Bestimmung hatten, den Uebergang der Grenzstrasse über die Donau zu decken.

Wollen wir nun nach den Ueberresten jener langdauernden Besetzung suchen, so ist es wichtig, genau den Platz zu kennen, an welchem die römischen Lager sich befanden, weil nur in denselben oder deren nächster Nähe die anzustellenden Untersuchungen uns Inschriften, gestempelte Ziegel a. dergl. als willkommene und untrügliche Geschichtsquellen zu liefern versprechen. Diese Stellen sind nun bis jetzt systematisch noch nicht gesucht worden, sondern man hielt die von der sogenannten Uönier- wehr eingeschlossene Altstadt für die Stelle des Castrunis der Bataver^ und die heutige Innstadt für das Lager von Boiodorum.

Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass damit ini allgemeinen das richtige getroffen ist, so war andrerseits der Umstand, dass man sich damit begnügte, vielleicht mit Schuld daran, dass bis aul" den heutigen Tag so wenig römische Fundstücke aus Passau vorhanden und bekannt sind, und dass man versäumte Nachforschungen anzustellen^ um an die rechten Fundplätze zu kommen und nach der Stelle des eigentlichen römischen Lagers, (der Kasernen, wenn ich so sagen darf, nicht bloes der in deren Umgebung entstandenen Niederlassung) zu suchen. Wir wollen daher in folgendem versuchen, nachzuweisen, dass trotz des jetzigen Mangels an äusseren Kennzeichen die Möglichkeit, diese Plätze genau festzustellen, noch nicht ganz verschwunden ist.

1) Ohlenschlajjrer, Das römische Militärdiplom von Regensburg in den SitÄtmgHber. d. Akad. phil.-histor. Ol. 1874. S. 143 f.

Abb. d. I. Cl. d. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. I. Abth. $^

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Sehen wir zunächst, was bis jetzt, wo auf die Trennung zwischen dem Lager und der zugehörigen Niederlassung kein Gewicht gelegt wurde, über die Lage der beiden Orte mitgeteilt ist.

Die Geschichte von Bayern, herausgegeben von der Akademie der Wissenschaften zu München 1785. Bd. L S. 12 sagt:

„Beim Zusammenflusse der Donau und des Inns kamen die Bojer herüber. Hier erbauten sie eine Stadt, welche sie die Inn- oder bayerische Wasserstadt (Boiodurum) nannten, imd von da aus ver- breiteten sie sich durch Vindelizien und Norikum bis nach Ober- pannonien, und zogen südwärts nach dem Lande auf und über den Gebirgen, welches Rhätien hiess. Und bauten Flecken und Städte an den Ufern der Flüsse und auf den Hügeln, deren Namen noch heut- zutage auf „Dunum" oder „Durum" oder „Bona" endigen."

Buchner, Geschichte von Bayern Bd. I. S. 51. sagt:

„Die wichtige Stelle bei der Mündung des Inns wurde durch zwei Castra vertheidigt, Batava und Bojodurum. Jenes an der Stelle, wo die heutige Stadt Passau steht, ward gegen das Ende des 4. Jahr- hunderts erbaut und zur Bewachung der neunten (neuen?) Batavischen Gehörte anvertraut; diesem gegenüber am rechten Ufer gelegen, war ein altes, wohlbefestigtes Bergschloss von den Bojern angelegt zur Zeit, wo sie an dieser Stelle zum erstenmale über die Donau in ihr bis auf unsre Tage noch immer glücklich erhaltenes Vaterland ein- rückten (8 Jahre v. Chr.); auch hier lag ein Tribun mit seiner Cohorte in Besatzung."

Präsident v. Mulzer setzt dann in den Niederbayer. Verhandlgn. 1 (1846) S. 29 noch hinzu: „Buchner denkt sich unter Bojodurum anfangs ein Bergschloss, woran er jedoch die Idee von Castra knüpft, während Zschokke (der bayerischen Gesch. 1. Band. Aarau 1813 S. 20.) das alter- tümliche Bojodurum tief im Thale drei zusammentretender Flüsse zwischen Strom und Fels liegend (Innstadt des heutigen Passau) beschreibt." Seite 30. fährt er dann fort: „War auch in den ersten Jahrzehnten der neuen Zeitrechnung Boiodurum nur ein Castell auf der Höhe oberhalb der St. Severinskirche, oder wenn man solches dem Ausflusse des Inns noch näher setzen will, auf dem jetzigen Hammerberge, so ist solches

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wahi'scheinlich bei der Ausdehnung der römischen Befeetigung^wrerke nicht isolirtas Caatell geblieben, sondern entweder mit grösseren Befestigungs- werken auf der Seite Noricums oder mit Castra batava verbunden worden, "

„Nachgrabungen auf diesen genannten Höhen würden vielleicht jetzt noch auf Entdeckungen führen,"

„Wenn nun das Alter von Boiodurum bis zum Ende der alten Zeit- rechnung hinaufsteigt so ist dies allerdings das älteste Werk aus der Röinerzeit im Ünterdonaukreise, dessen Lage mit Wahrscheinlichkeit be- stimmt werden kann. Zur Bestimmung des Punktes jedoch, wo das älteste Castellum Boiodurum gestanden hat, fehlen die Spuren*"

Gerade der letzte Satz ist es, welcher vielleicht weitere Nachfor- schungen verhinderte und wir wollen sehen, ob der völlige Mangel an Spuren, der zu Mulzer's Zeiten 1846 vorhanden war, auch jetzt den ge- steigerten Hilfsmitteln gegenüber besteht.

Betrachten wir zunächst die Stelle des Innübergangs, so werden wir zugestehen müssen, dass dieselbe zu keiner Zeit beträchtlich anders gewesen sein kann als heutigen Tages und aus der Lage der Brücke können wir auch auf die Lage der zu ihrer Deckung dienenden Castelle schliesBen^ deren eines, das westliche, oberhalb der Brücke zwischen Inn und Donau, das andere unterhalb der Brücke am rechten Inn- oder Donauufer so angelegt sein müsste, dass von demselben aus die Brücke und deren Zngang, die Donaustrasse, beherrscht und geschlossen werden konnte.

Noch lange nach Mulzer's Zeit war man fast übeiMÜ der irrigen Meinung, dass die Römer für ihre Lager die Höhen hätten suchen niüssenj und Niemand hätte in der Ebene dicht am Fluss eine Lagerstelle ver- mutet, am wenigsten aber dann, wenn eine benachbarte Höhe eine scheinbar weit günstigere Stätte bot.

Allein die ausgedehnten Funde neuerer Zeit haben in der Regel daa Gegenteil als Thatbestand ergeben, indem die Lager von Miltenberg, Pföring, Künzing u. a. in der Ebene sich vorfanden j häufig nur so weit von benachbarten Flüssen entfernt, dass sie gerade beim Hoch- wasser noch zugänglich blieben und wie das Lager von Miltenberg

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I!

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und Enns-Lorcli (Lauriacum) *) in unmittelbarer Nähe von beherrschen- den Höhen,

Es war den Römern ofienbar mehr daran gelegen, dase die Trupi>en leicht und schnell Jiacli und von dem Lager gelangen konnten, als diese selbst vnr jedem Angriff an einem schwer zugänglichen Platze gänzlich sicher xu stellen, wodui'ch aber, falls die Truppen in der Naclibarschaft verwendet werden mussten^ an Sclinelligkeit der Bewegung etw^a eine halbe Stunde oder eine Stunde eingebüsst worden wäre. Wir werden deshalb nicht notwendiger Weise, wie man früher that, das Lager auf der Höhe suchen, sondern am Fusse derselben, aber auch von der jeden- falls mit Wachen versehenen Höhe nicht weiter entfernt, als dass im äussersten Falle die Höhe noch als Stützpunkt für das Lager mit benutzt werden konnte, und daas es dem Feind schwer möglich war sich zwischen Höhe und Lager einzudrängen. Ein solcher Punkt ist aber hart an der Dnnaustrasse bei der sogenannten Rosenau, da wo die im Jahre 1160 gegründete, jetzt zu Wohnungen eingerichtete St Egidiuskirche steht,

„Dort wurden ums Jahr 1840 im Garten des ärarialischeu Baustadels unweit des Leprosenhauses ein Stück Mosaik, ein Bruchstück einer Urne aus roter Siegelerde, ein T h r ä n e n f 1 ä s c h e n und ein Schmink- tö))fchen, welches noch etwas rote Schminke enthielt ausgegraben. Ferner hat man in der Nähe der ehemaligen uralten St Egidiuskirche römische Münzen gefunden und ist bei Ausgrabungen an mehreren Stellen in einer Tiefe von (> 8 Fnas auf ein steinernes Strassen- pflaster gestossen**)*^

Ganz in der Nähe wurden dann im Jahre 186r> wieder Stücke von römischen Töpfen aus terra sigillata ausgegraben und von Herrn Dr. Alex, Erhard der Sannnlung des historischen Vereins zu Laridshut übergeben,^) Auf einem mit diesen Fundstiicken dem historischen Verein überschickten niatte bezeichnet der um Passau's üei^chiehte hochverdiente, leider ver- storbene l)r, Erhar'd eine Stelle unmittelbar südlich bei der ehemaligen

Ij Gäigberger .Tqj^., Laiiritwjum imd »eine römischen Aiterthümer, in dem Bericht über da» Mtweutü t'nincisco-Carolinum 1846. 8. mit ^ Tafeln,

21 Erhard Dr. Alexand.. Gesch. d, Studi Pusmu IL Bd, (1864) ^. 12^.

II) Verband]. cL hif^ton Wi?r. f. Niederbayern Bd. XV. TIKTO) S. 2^ n. 5i77.

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St Egidiuskirche als eine „wallartige, in der Mitte vertiefte, viereckige Erhöhung" und dort müssen sich, wie ich sicher glaube die Reste den Lagers von Boiodurum im Boden finden. Dieser Glaube wirt! auch durch eine Stelle der Monumenta boica^) bestärkt, nach welcher der l*lat/., wo die Egidiuskirche gegründet wurde, früher Biburch hiess. Der Name „Biburg" findet sich nämlich in gleicher Weise zur Bezeichnung einer römischen Lagerstelle verwendet bei dem Limes-Castell zwischen Pföriug und Forchheim und neben dem Ausdruck „Biber" öfter zur Bezeicljnung uralter Befestigungen^); ich erinnere hier nur an das römische Castell zu Niederbiber.

Nachgrabungen an dieser Stelle oder auch nur Untersuchungen mit (lern Erdbohrer würden darüber bald Gewissheit verschaffen und die dort. wie in allen Grenzlagern, sicher vorhandenen Ziegelstempel würdt?u uns über die bis jetzt unbekannte und auch in der Notitia verschwiegene Be- satzung jenes Lagers belehren, denn die wenigen sonstigen Ueberl)lBib8elj welche die Innstadt aufzuweisen hat, bestehen nur aus einem röniisclien Grabsteine eines gewissen Faustinianus ^), der schon zu Aventins Zeit in

1) Monum. ßoica XX VIII. t. 2. p. 115. n. XV u. XVI: fundum cuiusdam capelU- super ripam eni fluminis in loco, qui Biburch in vulgo vocatur, secus pataviam super reliqnlHi^ beati Egidü in cuius honore eadem basilica a duobus fratribus nostris constructa est.

2) Schon F. X. Mayer macht in den Verhandl. d. bist. Ver. f. Oberpfalz Bd. LS. 117 ituf- merksam, ,das8 eine Menge Ortschaften, wo man Spuren von dagewesenen Lagerplätzen und Ver- schanzungen antriflPt, diesen Namen fuhren", setzt aber ganz unbegründet hinzu, Biburg odtr Biber bedeute in der keltischen Sprache einen Lagerplatz. Als Beleg für das Zusammentreffen de^ Namens Biberg mit (meist römischen) Schanzen mögen folgende Beispiele dienen: Apiaii, Tojiü- graphie von Bayern S. 69, 6 erwähnt: Theining pag. templ. Vestigium antiqu. nominatum. Aul'

. der Biburch (SW. X. 3, eine der Schanzen bei Deining. Ohlenschl.). Bei Mendorf 1 Öt. ^^ü<^l. des Limes liegt Biber mit 4 eckiger Schanze. NO. XXXV, 1. Nach einem handschrittlichrn Üiplomatarium von Niedermünster ist in der Gegend der Ringschanze zwischen Post^srtiil uml Abbach ein Gehölz mit Namen Biber in alten Urkunden verzeichnet (Schuegruf in den Yorlviindl. d. bist. Ver. f. Oberpfalz X. S. 189. Anm.). Bei Biberg NO. IX. 52. ist eine römische Bcfestigiin^r nach Lamprecht, Karte des Matichgaus. Nach den Katastern und Aufiiahmen finde ieli ntK'h i NO. II. 12. Biberg heisst die 4 eckige römische Schanze bei Forstinding. NO. VII. lo. Biberg' bei Walpertskirchen mit einem Schanzfeld in der Nähe. NO. XXV. 16. Biberg mit virrei-ki^^er Schanze. NO. XXXL 27. Römerschanze im Biburger Holz bei Biburg. NO. XXXIIL ^S. Diia Feld, worin die römische Schanze südlich von Lohe liegt, heisst Biberfeld. NO. XXX VI. SJlJ, liegt eine römische Schanze im Hubinger Bibergarten. SO. I. 34. Biburg (Bibing) mit dem Reste einer viereckigen Schanze Va St. westlich von Margarcthenberg a. d. Alz. SO. XX. ib findet sich eine Biber bei Brannenburg.

3) Die Inschrift ist veröffentlicht bei J. v. Hefner, Das römische Bayern (3. Aufl.J n. 2\}6.

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der fit. Severinskirche zu Passau links vom nördlichen Eingange sich befand, auch heute noch dort als Weihwassergefass dient und die Id-

schrift trägt:

D M

B' Ar S T I N I A N 0 ^E C T ILLY R . VIL I N G E N V S FIL ET FELIX > SC . EX VIK EIVS . B M P P

Derselbe, aus dichtem Kalkstein, ist 120 cm hoch, die Schriftfläche 44 cm breit, die Inschrift sehr gut erhalten und mit Auflösung der Ab- kürzungen folgendermassen au lesen: D(is) M(anibu8} t austiniano vect(igalis) Illyr(ici) vil(ico) Ingenus fil(iu8) et Felix (contra) sc (riptor) exvik(ariü) eius b(ene) m(erenti) p(atri) p(atrono). Zu Boioduruni befand sich nämlJch ein Zollamt des Illyrischen Zolles (statio vectigalis lUyrici). denn Noricum ripense war nach der Notitia dignitatum ed. Böcking S. 10* eine der sechs Provinzen von lUyricum. Hier war Faustintanns Zollbeamter (vilicus, Einnehmer) und Felix sein Gegensclireiber (Con- troleur) und gewesener Stellvertreter. Diese Statio Boiodurensis wird uns ausdrücklich bezeugt durch eine zu Hrastnik in Kärnten gefundene, jetzt zu Lfiibach im Museum befindliche Inschrift (C. I. L. III. 5121).

D I M

EVTYCHES

IVLIOR

C P P SEK > SCR

STATIONIS BOIOD/

EX VIK BENIGNI VIL

STAT ATRANTIN

ARAMCVM SIGNO

LVNAE *

EX VOTO POSVIT P-R-S-TCLA-SENILL

L^ooli ni^^ht ^iiz völlig richtig erklärt, dann im C J. L. III. o691 ; a^g^bildet bpi Heirier h.. a. 0. IVr. IV- Fi^'. IT, und mit den übrigen römischen Denkmälern von Pa«aau in den Verhandlungen d*'j^ bUtor. Vereins f. Niederbayem. Bd. I Hft. I. Taf. II. III.

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deren Wortlaut unverkürzt folgender ist: D(eo) i(nvicto) M(ithrae) Eutyches Julior(uni) c(onductorum) p(ortori) p(ublici?) 8er(vu8 contra) scr(iptor) stationis Boiod(uren8is) ex vik(ario) Benign! vil(ici) 8tat(ioni8) Atrant(inae) aram cum signo Lunae ex voto po8uit p(rocuratore) r(ationuni) 8(ummarum) T. Cla(udio) Senill(o?). Morainsen nimmt mit grosser Wahr- scheinlichkeit an, dass dieser Altar von Eutyches. der zum Gegenschreiber nach Boiodurum befördert worden war, vor seinem Abgang von seiner früheren Stelle (der Statio Atrantina, jetzt Trojana bei St. Oswald) gesetzt worden sei.

Dann ein Denkstein, welcher in einer Gartenmauer vor der Innstadt in Passau eingemauert war und dann von Bischof Heinrich herauB- genommen und im Domkreuzgang aufbewahrt wurde.

Derselbe zeigt in halberhabener Arbeit drei Brustbilder, dem Costüme nach alle von Männern und darunter eine Anzahl im Zusammenhang unleserlicher Buchstaben, und endlich ein steinernes mörserartiges GefäsK. oben mit 4 Masken verziert, welches in der Egidienkirche aufgestellt war und sich jetzt in der Sammlung des historischen Vereins zu Landshut befindet. Man hielt dasselbe früher für unbestritten römisch, während es mir eher den Eindruck eines alten Taufsteins machen wollte.

Der Name Boiodurum ebenso wie das Boitro des Eugippius aber hat sich, wenn auch entstellt, bis auf den heutigen Tag erhalten, denn der Beiderbach, welcher das an die Innstadt südwestlich angrenzende Thal^ Beiderwiese genannt, durchfliesst, kommt 1144 unter den Namen rivulus Patera vor*), die jetzige Beiderwiese wird im Jahre 1253 Boytra, dann 1431 in der peytra, in späteren Urkunden in der peuten genannt, ebenso das Severinsthor Peichterthor und noch 1499 d ie Lederergasse Peichtergasse.*^)

Nicht viel besser steht es mit den römischen Resten in dem gegen- überliegenden Passau. Nur eine einzige Inschrift ist uns hier erhalten, die im Hause n. 238 am Stein weg in Passau eingemauert war, sich jetzt in der städtischen Sammlung befindet und folgender Massen lautet:

1) MoD. Boic. IV. p. 312.

2) Erhard, Gesch. v. Passau. II. S. 19^.

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D M

IVL . PRIMITIVO VETEKANO VI XIT . A . LX . MEMO R . EIIVS . TITVLE NIA . IVSTINA . C ONIVNX FC

Auch diese Inschrift gibt uns über die Geschichte von Passau nicht den geringsten Aufschluss und bekräftigt nur durch ihre Anwesenheit das auch sonst genügend überlieferte Vorhandensein einer römischen An- siedehnig an der Stelle des heutigen PaBsau, als deren bedeutendster Rest die jetzt sogenannte Römerwehr angesehen wird,

Von dieser gibt uns Dr. Erhard*) folgende Beschreibung:

Die Römerwehr.

„Wer sich vom Neumarkte oder Graben durch das Thor bei der Pfarrkirche zu St. Paul in die innere Stadt begibt, wird rechts eine hohe Mauer bemerken, welche über alle Häuser emporragt und schon durch üire äussere Gestalt ihr hohes Altertum beurkundet. Schon in den ältesten Urkunden wird ihrer erwähnt und eine uralte Tradition schreibt ihre Erbauung den Römern zu. Dafür sprechen auch ihre kolossalen Dimen- sionen, ihre feste, noch vielen künftigen Jahrhunderten trotzende Bauart und die vielen daselbst gefundenen römischen Altertümer.

Diese noch gut erhaltene Mauer bildet einen Teil des römischen, von der batavischen Cohorte besetzten Castells, welches hier von den Römern zur Verteidigung der Grenze ihres Reiches angelegt wurde.

Die Zeit ihrer ersten Erbauung ist unbekannt, fällt aber jedenfalls in die ersten 4 Jahrhunderte der christlichen Zeitrechnung. Megiserus be- hauptet, sie sei unter Philippus Arabs von 246 253 erbaut worden. Nach der alten Reimchronik, welche vor mehr als 200 Jahren ge- schrieben wurde, soll an der Stelle des Paulusbogens im Jahre 305 das Stadtthor gewesen sein.

1} Erhard in den Verhandl. des hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. IV. (1855) Hft. 2. S. 5^» un«! fsiflt jflmi'h in der Gesch. von Passau II. S. 89 f.

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Als das Castell um das Jahr 477 von den wilden Thüringern mit stürmender Hand erobert und nebst den Wohnungen der Colonisten der Zer- störung preisgegeben wurde, trotzte sie allein der feindlichen Verheerung.

Bischof Erchenfried von Lorch, welcher sich am Ende des 6. Jahr- hunderts vor den Einfallen der Hunnivaren nach Passau flüchtete, xmd dort viele Jahre lang aufhielt, soll die beschädigte Römerwehr und die zerstörten Häuser der Einwohner restaurirt haben. ^)

Unter Bischof Otgar von Lorch, seinem Nachfolger (von 624 639), welcher sich ebenfalls öfters in Passau aufhielt, kömmt urkundlich eine Kirche des hl. Stephan unterhalb der alten Stadtmauer zu Passau vor.^) Sie schützte die Stadt gegen die verheerenden Streifzüge der Ung9.rn im 10. Jahrhunderte, konnte aber der Belagerung und Erstürmung durch Herzog Heinrich von Bayern um das Jahr 975 nicht widerstehen, wobei über 100 Bürger ihr Leben verloren haben sollen.

In einer Urkunde Bischof Berthol d's vom Jahre 1252 wird die an den Domplatz grenzende westliche Stadtmauer Dwer, die Wehr, ge- nannt und dabei ausdrücklich bemerkt, dass sie schon von jeher so genannt wurde.

Der passauische Bürger Friedrich der Chamerer schenkte im Jahre 1360 sein Haus, „gelegen im Nev^nmareht, niden in der lantstrazz bei der Wermawer und den Garten dabei zenaeehst der Wer- mawer" dem St. Johannisspitale am Rindermarkte.

Bischof Leonhard Hess im Jahre 1432 die Fleischhackerhütten „an dem Rindermarehte unter der Wermawer" abbrechen, um mm mehr Raum für die Strasse zu gewinnen. Der noch gegenwärtig be- stehende ansehnliche Rest der Römerwehr hat eine Länge von beinahe 400 Schritten und erstreckt sich in der Richtung von Norden nach Süden vom ehemaligen Kirchhofe der Stadtpfarrkirche bis zum Hause Nr. 5. auf dem Domplatze. Die Mauer ist ungemein fest, durchaus von Granitsteinen erbaut, hat eine Dicke von 8 bis 12 und eine Höhe 40 bis 50 Schuhen. Gegen Osten begrenzt sie ein sich sanft abdachender Erd- wall, auf welchem uralte Linden wachsen, welche schon im 16. Jahr-

1) Wigul. Hund metrop. Salisburg. I. 193.

2) Monum. Boic. XXVIII. n. 2. pag. 35.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XVH. Bd. I. Abth. 30

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hundert urkundlich genannt werden; nach Westen gegen den Neumarkt fällt sie steil ab. Die an ihren Fuss angebaute Mauer scheint neueren Ursprungs zu sein.

Von den angrenzenden Gärten der ehemaligen Domherrnhöfe ist sie durch einen freien Platz getrennt, welcher mit Obstbäumen bepflanzt ist. Sie war früher viel höher als jetzt und mit Zinnen versehen, welche auf einer Abbildung der Stadt Passau vom Jahre 1576 noch vollkommen erhalten erscheinen. Gegenwärtig sind nur noch wenige Spuren der- selben sichtbar.

Es dürfte keinem Zweifel unterliegen, dass die Römerwehr vor vielen Jahrhunderten einen viel grösseren Raum einnahm, als gegenwärtig. Warum sollte der Hügel, auf welchem der grösste Teil der Altstadt liegt und welcher gegen Nord und Süd gegen beide Ströme ziemlich steil ab^ fällt, nicht auch durch eine starke Mauer gegen feindliche Angriffe ge- schützt gewesen sein? Viele Schriftsteller haben daher mit Recht ange- nommen, dass sie zur Ilömerzeit und vielleicht, noch später die ganze Stadt umgeben habe und erst später bei der allmähligen Vergrösserung der Stadt, um Raum zum Bauen zu gewinnen, nach und nach bis auf den gegenwärtigen Ueberrest demolirt worden sei. Es ist höchst wahr- scheinlich, dass sie noch um die Mitte des 12. Jahrhunderts sich bis zur Domkirche erstreckte. Denn als Bischof Conrad gemäss vorliegender Urkunde vom 30. April 1155 aus 3 Höfen und einem Garten den Dom- platz bildete, schenkte er den Kanonikern den ganzen Grund, welcher innerhalb der Mauer lag, die sich von der Ostseite des Domes längs der Nord- und Südseite desselben bis zur westlichen Stadtmauer erstreckten. Auf der schon öfter erwähnten ältesten Abbildung der Stadt vom Jahre 1493 sieht man an der Stelle, welche heutzutage das Theater und den Redoutensaal einnehmen, noch ein grosses Stück der Römerwehr, welches sich bis zur alten bischöflichen Residenz erstreckt und einen Ausläufer bis zum Innstrome herabsendet.

Es ist daher gar nicht unwahrscheinlich, dass die ganze Häuser- reihe auf der Südseite des Domplatzes und der nördlichen des Steinweges vom Paulusbogen bis zur Pfaffengasse und vielleicht noch weiter hinein auf römischen Grundmauern stehen."

Wenn durch die oben gegebene Schilderung auch keine völlige Ge-

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wissheit über die römische Abkunft der Römerwehr erbracht ist, so ist dieselbe durch die frühe Erwähnung doch sehr wahrscheinUch ; sehr fraglich erscheint mir dagegen Erhards Behauptung, „diese noch gut erhaltene Mauer bildete einen Teil des römischen von der batavischen Cohortß besetzten Castells u. s. w., sowie die Aufstellung Mulzers: „Das alte Batavis, der Sitz des Tribuns und einer Cohorte, lässt sich erst in der Gegend der Stadt entdecken, wo die Jesuitenstrasse anfängt. In diesem Teile der Stadt bis zur Landspitze hin finden sich bei Nach- grabungen die Spuren des römischen Ursprungs."')

Betrachten wir zunächst, ehe wir der Frage über den Platz des römischen Lagers der Cohors IX. Batavorum'^) nahe treten, welche Funde sonst noch in Passau gemacht worden sind.

Der älteste erwähnte Fund ist derjenige, welcher unter der Re- gierung des Fürstbischofs und Cardinais Joseph Dominikus Grafen von Lamberg (1723 1761) beim Graben eines Eiskellers auf der Römerwehr gemacht wurde.^) Bei dieser Arbeit fand man viele römische Götter- bilder, Abbildungen von verschiedenen Thieren, Lampen, Löffel, Leuchter und andere Hausgeräte, alles von Bronze; ferner die Büste eines römischen Imperators von Marmor^), einen kleinen metallenen Opferaltar mit ver- schiedenen Opferwerkzeugen, Münzen, Waffen u. s. w.^).

1) Verhandlungen des histor. Vereins f. Niederbayern. Bd. 1. H. I. S. 35.

2) Dass Cohors nona, nicht nova ßatavorum, zu lesen sei, ist auf Grund des Regensburger Militärdiploms durch Herrn Pfarrer Dahlem nachgewiesen worden. Ohlenschlager, Die römischen Truppen im rechtsrheinischen Bayern. Programm d. k. Max.-Gymn. in München 1884. S. 66.

3) Erhard, Gesch. v. Passau. II. S. 28; vgl. Verhandl. des histor. Vereins f. Niederbayern. I. H. 1. S. 38.

4) Der Zufall brachte die Büste, nachdem sie als Privateigentum mancherlei Schicksal gehabt, in v. Mulzers Hände; dieselbe wird jetzt in der Sammlung des bist. Vereins zu Landshut aufbewahrt und v. Mulzer bemerkt dazu: „Die Büste ist aus einem einförbigen grauen marmor- artigen Steine gearbeitet, war früher in zwei Stücke gebrochen und ist ziemlich gut wieder zu- sammengesetzt. Sie ist eine Arbeit aus guter Zeit, die zu irgend einer Verzierung im alten Batavia gedient haben mag. Aussser dieser Büste ist von Kunstsachen aus der Bömerzeit nach vierjährigen Bemühungen in Passau von mir nichts aufgefunden worden. Mehrere römische siK beme und kupferne Münzen, welche man teils in der Römerwehr, teils in anderen Gegenden der Stadt zu verschiedenen Zeiten gefunden hat, waren übrigens das Resultat aller Aufforderungen um Nachforschungen. Der königl. Ingenieur Hofstetter, welcher durch eine lange Dienstzeit in Passau ausgebreitete und verlässige Kenntnisse dieses Platzes hat, versichert, dass bei den vielen Nachgrabungen im oberen Teile der Römerwehr, wo jetzt die Wasser-

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„Als im Jahre 1824 von dem k. Regierangsgebäude angefangen durch den Hofplatz und die Jesuitengasse eine Wasserleitung nach der Bräuerei des Jakob Härtl geführt wurde, hat man bei Einlegung der Deichen in der Tiefe von etwa 3 ^Fass obigen Platz und Gasse durch- graben und dabei vom Regierungsgebäude Haus-Nr. iy2 an der Zenger- gasse dem Dom südlich gegenüber bis zum Anfang der Jesuitengasse Haus-Nr. 155 lehmartige Erde ausgegraben. Von der Mitte des besagten Hauses angefangen, wurde längs der ganzen Jesuitengasse bis zum Hause Nr. 144 einschliesslich, namentlich aber innerhalb der Strecke von Nr. 147 bis Nr. 155 ausgegraben: Verwesene Kohlen, Aschen und schwarze Erde, worunter sich verschiedene Gegenstände von metallenen Geschmeiden und einigen Münzen, jedoch sehr verdorben imd kaum kennbar befanden. In der Strecke von Nr. 144 146 wurden bei obiger Erdnrt mehrere Trümmer von gebrannten feinem rotem Thon an einer Seite glatt, an der andern mit Figuren geziert, von der Form einer Urne gefunden." Ueber diese Fundstücke, welche Ingenieur Hofstetter dem Bierbrauer Härtl übergeben hatte, wusste letzterer schon 1846 keine Auskunft mehr zu geben. ^) Ferner wurden 1848 bei der Ausgrabung des Fundaments zu einem neuen Mautgebäude am Fischmarkt in einer Tiefe von 20 Schuh

leitunKen durchlaufen, seit zwanzig Jahren nichts von römischen AltertQmern gefunden worden sei*. Verhandl. d. bist. Vereins f. Niederbayem Bd. I. H. I (1846) S. 39. Die Münzen sind zum Teil verzeichnet in den Verhandl. d. hist. Ver. im Unterdonaukreise Bd. I. (einzigen) Hft. 3 (1835) S. 10—21.

5) Lenz glaubt, «dass diese Büste mit allen im fQrstlichen Archive zu Passau verwahrten Altertümern unter der Regierung des Kardinals t'irmian von Passau weggebracht worden, sowie allerdings richtig sein mag, dass die Armut' an römischen Altertümern in Passau zum Teile dem Umstand zuzuschreiben ist, dass der fürstbischöfliche Stuhl und das Domkapitel daselbst früher grösstenteils mit Adeligen aus Oesterreich und Böhmen besetzt waren, in welche L&nder auch ihr Nachlass mit manchen Altertumsschätzen stetshin ausgewandert ist.* Siehe VerhandL d. hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. I. (1846) S. 39. Nach Erhard, Gesch. v. Passau II. (1864) S. 28. Hess Fürstbischof Joseph Maria Graf v. Thun alle diese, sowie auch die unter seinen Vorgängern gefundenen römischen Altertümer sammeln und in einem eigenen Antiquarium in der bischöflichen Residenz aufbewahren, welches bei der Säkularisation des Fürstbistums Passau 1803 nach München gebracht wurde, und daselbst aus 212 Nummern bestehend, unter dem Namen Thun*8che «Sammlung* einen wertvollen Bestandteil des k. Antiquariums (jetzt zum Teil National- museums, 0hl.) bildet.

1) Bericht des Ingenieurs Hofstetter, Passau 14. Novbr. 1829, im hist. Vereine in Landshut bei Mulzers Zeichnungen, von Mulzer in den Verhandl. des hist. Vereins f. Niederbayem. Bd. I. Hft. I. (1846) S. 36.

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mehrere Silber- und Kupfermünzen, ein altdeutsches (?) Schwert und mehrere Schlüssel von ungewöhnlicher Form gefunden^), welche deutliche Spuren der Einwirkung eines Brandes an sich trugen.

Ausser diesen werden von Kleinfunden nur noch einige Penaten er- wähnt, die bei einer Ausgrabung in einem Hause von St. Nikola bei Passau zum Vorschein kamen.^)

Keiner der bisherigen Funde lässt voraussetzen, dass man auf die Stelle des römischen Lagers gestossen sei, zu dessen Umfassung in der Regel lange Mauern angelegt wurden und in dessen Innern die Ziegel mit den Stempeln der Abteilimgen nicht gefehlt haben werden. Wohl hat hinter der Mauer, welche schon seit langer Zeit Römerwehr genannt wird, zur römischen Zeit eine Ansiedelung gelegen, aber das römische Lager war höchst wahrscheinlich nicht innerhalb dieses Raumes, sondern vor demselben im Bereich des heutigen St. Nikola oder der Gegend des jetzigen Exercierplatzes und Neumarkts.

Zwar heisst der Teil von Passau, welcher östlich der Römerwehr liegt, die Altstadt, und dieser Name deutet an vielen Plätzen die Stelle des früheren Römerlagers an, z. B. bei Miltenberg, Rückingen u, 0., allein die Lage auf der völlig isoHerten, damals wahrscheinlich noch durch einen Donauarm abgeschnittenen Landzunge wäre nach Analogie der übrigen bekannten römischen Lager eine ungewöhnliche, da die Römer in der besseren Zeit sich niemals hinter hohe feste Mauern verkrochen, denn auch damals schon galt der Grundsatz, dass eine Armee, die sich ver- steckt, schon so gut wie besiegt sei, und selbst in der spätesten Zeit erwarteten die römischen Truppen den Feind nicht hinter den Mauern, sondern zogen ihm vor dieselben entgegen, wie wir dies aus der Stelle bei Eugippius, vita Severini Cap. XXVII schliessen dürfen:

Eodem tempore mansores oppidi Quintanensis creberrimis Alaraan- norum incursionibus iam defessi, sedes proprias relinquentes, in Batabis oppidum migraverunt; sed non latuit eosdem barbaros confugium prae- dictorum. Qua causa plus inflammati sunt, credentesj tjuod duorum po-

1) Verhandl. d. hiator. Verein» f. Niederbayern. IV. Bd. 1855 S. 50 und Erhard a. a. 0. IL S. 31. A. 9.

2) a. a. 0. Bd. IL Hft. 4. S. 34. n. 188.

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pulos oppidorum uno impetu praedarentur. Sed beatus Severinus orationi fortius iucumbens llonaanos exemplis salutaribus multipliciter hortAbatur, praenuntians hostes quidem praesentes dei auxilio superandos, sed post victoriam eos, qui coatempnerent eius monita perituros. Igitur Romani omnes sancti viri praedictione firinati, spe promissae victoriae adversus Alamannos instruxerunt aciem, non tarn materialibus armis, quam sancti viri orationibus praemuniti. Qua congressione victis ac fugientibus Ala- mannis, vir dei ita victores alloquitur. u. s. w.

Ein weiterer Grund, das Lager der Bataver westlich der Römerwehr zu suchen, besteht in der frühen Erwähnung einer Kirche, wahrscheinlich an der Stelle des jetzigen Domes St. Stephan. Als der hl. Severin, ein- geladen von den Bewohnern des oppidum Batabis, dorthin kam, fand er schon zwei Kirchen mit Priestern und den Gottesdienst in schönster Blüte; die eine dieser Kirchen stand in Passau selbst, die andere jenseits des Innstroms im Orte Boitro, dem alten Boiodurum, wo noch heute die den Namen des Heiligen tragende Pfarrkirche steht, und wo er für sich und einige Mönche ein kleines Kloster erbaute.^)

Die Errichtung einer Kirche innerhalb eines römischen Lagerplatzes war aber auch in so später Zeit ungewöhnlich, wenn nicht völlig un- möglich, weil aus demselben alles fern gehalten wurde, was nicht unmit- telbar zu militärischen Zwecken notwendig schien und wenn wir uns die Kirche ausserhalb des Lagerraumes, und die Lagerstelle trotzdem in der jetzigen Altstadt denken wollen, so bleibt neben der Kirche kaum ein Platz übrig, der für Anlage eines solchen genügend gewesen wäre, denn das Lager einer Milliarcohorte, und eine solche war die batavische, bedurfte, wie uns die Lager von Pfünz und Pföring belehren, mindestens eines Platzes von 300 Schritt Länge und 220 Schritt Breite, ein Raum, der sich nur an der breitesten Stelle der Altstadt findet und selbst da kaum den nötigen Vorraum zum Kämpfen bot.

Wir können also Dr. Erhard nicht beistimmen, wenn er (IL S. 29.) „den höchsten Punkt der Stadt als die Stelle bezeichnet, welche das be-

1) Siehe Erhard, Gesch. v. Passau. Bd. I. S. 18 u. Anm. 35. und Eugippius, vita s. Severini C. XIX. C. XXn. und Huber A., Gesch. d. Einführung u. Verbreitung des Christentums in Südost- deutschland. Bd. I. S. 401.

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festigte Lager Castra batava und höchst wahrscheinlich wie aus En- gippius zu entnehmen ist, auch eine für die christliche Einwohnerschaft erbaute Pfarrkirche einnahmen", sondern es scheint notwendigj wenn wir die erwünschte Gewissheit über die Besatzung und Lage des Castells haben wollen, ausserhalb der Altstadt im Neumarkte und am Fasse der Höhen des Spitzberges nach den Spuren des Lagers zu suchen.

Ehe ich Passau selbst gesehen hatte, war ich geneigt, ^len heutigen kleinen Exerzierplatz bei der Kaserne mit Bestimmtheit als den Platz des römischen Lagers anzusehen. Seit ich aber in diesem Herbste die Stätte selbst besichtigt, sind mir darüber einige Zweifel aufgestiegen. Zwar wäre die Lage des Exerzierplatzes zu einem römischen Lager sehr geeignet, allein dieser Platz wurde beim Eisenbahnbau in seiner ganzen Breite durchgraben, ohne dass ein Fund von Mauern u. dgl. gemacht worden wäre; auch sah ich selbst, als auf diesem Platze im September dieses Jahres die Vorbereitungen zum landwirtschaftlichen Feste das Ein- schlagen einer grossen Anzahl Stangen und Pfähle nötig machten, dass an diesem Platze der Lehm, welcher den Boden dort von Anbeginn bedeck te^ noch fast unberührt unter der Rasendecke liegt.

Auch bei der Anlage des Bahnhofes sei man, wie mir versichert wurde, auf keine römischen Ueberreste gestossen.

So bliebe also nur der Platz des heutigen Neuniarkt als ehemalige Lagerstelle übrig, doch sind bis jetzt keine Funde dort gemacht, welche diese Annahme bestätigen oder einen Fingerzeig für weitere Untersuch- ungen abgeben könnten. Möglicherweise Hessen sich auch hier in den Kellern der Häuser ähnlich wie in Regensburg noch Teile der alten Römischen Mauern als Grundmauern benützt, wieder auffinden, wenn man der Mühe des Suchens sich unterziehen wollte. Jedenfalls sollten Ver- suche vorgenommen werden, die alte Lagerstelle aufzufinden und nament- hch jede Gelegenheit bei Tiefbau, Rohrlegungen u. dgL eingriffen werden, um mit verhältnismässig geringem Kostenaufwand den nicht überbauten Stadtboden in der Tiefe zu untersuchen.

Dass alle, auch die kleinsten Fundstücke, Topfscherben, Backsteine und Bronzebruchstücke an einem sonst so fundarmen Platze beachtet werden müssen, bedarf keines besonderen Nachweises, und das im Anfang begriffene städtische Museum wäre die geeignetste Stelle, wo solche Alter-

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tiimer aufbewahrt werden und zugleich die Besucher belehren könnten, auf welche Gegenstände etwa bei vorkommenden Bauten u. dgl. ein Augenmerk zu richten sei. Dass der jetzige Mangel an Funden nicht vom Nachsuchen abschrecken darf, wird am deutlichsten durch die Funde von Künzing und Straubing gelehrt, wo bis vor kurzem ebenfalls keine römischen Funde bekannt waren.

Quintanis.

Sobald wir Boiodurum verlassen haben, setzen sich dem Weiter- gehen sofort neue Schwierigkeiten ernstlicher Art entgegen. Die beiden Quellen, in welchen die rätischen Ortschaften mit ihren Entfernungen verzeichnet sind, weichen erheblich von einander ab und bieten folgende Angaben:

Tabula

Peutingeriana : Itinerarium Antoninianum :

castellum Boiodurum i

Boiodoro

xvm

p. rensibus?

XXIIII

Quintianis XXXII

1 Sorvioduro

XX

XXVIII

Augustis XXIIII

Regino

Regino

Der erste der beiden Strassenzüge zeigt eine Gesammtsumme von 78, der zweite eine solche von 68 milia passuum.

Nehmen wir nun zunächst an, wie man das bis jetzt zu thun gewohnt war, Regino sei Regensburg, und die beiden als Endpunkt genannten Regino bezeichneten die gleiche Oertlichkeit, so ist die im Itinerar ange- gebene Gesammtentfernung von Boiodurum nach Regino entschieden zu kurz angegeben, denn dieselbe beträgt in der Luftlinie etwas über 15 geographische Meilen, also schon mindestens 75 milia passuum. Zieht man aber die nötigen seitlichen Abweichungen, sowie die namentlich gegen Osten zu vorhandenen bedeutenden Hebungen und Senkungen

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des Weges in Betracht, so wird auch der üeberschuss von 3 iiiilia pas- Buum, welchen die längere Gesammtstrecke aufweist, knapp ausreichen, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, und es ist deshalb für die eine Strecke sicher, für die andere mit Wahrscheinlichkeit eine Aenderung der Entfernungen vorzunehmen.

In welcher Weise diese Aenderung vorgenommen werden inuss, lässt sich bei aller Achtung vor den von Braunmüller und Seefried *) gemachten Versuchen durchaus nicht ermitteln, ehe wir durch weitere Funde sichei- gestellt haben, ob es sich um zwei verschiedene Strassenzügej oder nur um verschiedene Stationen derselben Strasse handelt, und zu diesem Beweis reichen unsere jetzigen Hilfsmittel noch nicht aus; doch kann ich nicht unterlassen, hier aufmerksam zu machen, dass die zwischen Regino und Boiodurum angelegten Stationen gegenüber den Donau aufwärts und abwärts liegenden die ungewöhnlich grossen Abstände von 18 32 milia passuum aufweisen, während auf der ganzen übrigen Strecke von V^indo- bona bis Aquileia 3 milia passuum den geringsten und 23 den grössten Abstand bildet, so dass recht gut zwischen je zwei der hier genaimten Stationen noch eine Zwischenstation angebracht werden könnte

Ich will aber die Zahl der Vermutungen hier nicht noch um eine weitere vorläufig unfruchtbare vermehren, sondern mich dem im Itinerar genannten Quintianis zuwenden, weil dieses, wie ich glaube, jet/>t sicher bestimmt ist.

Ausser in dem Itinerar begegnen wir diesem Namen noch bei Eu- gippius, vita Severini c. 1 5. Quintanis appellabatur secundarum m u n i - cipium Raetiarum super ripam Danubii situm huic ex alia parte parvus fluvius, Quintana^) nomine, propinquabat Is. crebra inundatione Danubii superfluentis excrescens nonnuUa castelli spatia, quia in pla- num fundatum erat occupabat, ecclesiam etiam loci eiuy mansores

1) BraunmüHer^ Der Nattemberg I. m den Verhandlgn. d. hist. Vereins f* Niederbayeni. Bd. XVII (1872) S. 38 ff. Nachträge zu Natternberg I. und namentlich genauere Nachforac hangen Ober unsere Römerstrassen , ebenda S. 300. Bemerkungen gegen die neuen Fetren^^ia auf den Höhen von Pleinting, ebenda S. 370 f. Seefried J. N., Das municipium Jovis ara m den Ver- handlungen d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. XVIl. (1872) S. 220 f. Die neuen Gegner you Jovisara und Petrensibus, ebend XVIII. S. 429 f.

2) Einige geringere Handschriften haben Businca nomine.

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 81

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extra uiuros ex lignis habuere constructaui, C, 27. eodem tempore mansores oppidi QuintanenBis creberrimis Alainannorutn incursionibus jaui defessi, sedeB proprias reliiiquentes in Batabis oppiduiii inigraverunt

Nach der Notitia hatte zu Quintanis, welches auch unter den castris depictis erscheintj der praefectus alae primae Flaviae Raetonim seinen Aufenthalt*

Da die im Itinerar angegebene Entfernung von Boiodurum aus mit 24 röniischen Meilen, gleich 9% Stunden, so ziemlich auf Künzing passt da zudem die Lage in der Nähe der Donau und an einem Flüsscheü (Quintana) ebenfalls vorhanden ist und überdies der heutige Name Kunzing mit dem alten Namen Quintanis viel Aehnlichkeit hat, so wurde schon ziemlich früh Kiinzing für den im Itinerar genannten Ort gehalten, wie- wohl es auch nicht an Stimmen fehlte, welche Osterhofen, Pleinting und andere benachbarte Plätze dafür ausgaben.*) Denn ziemlich lange Zeit waren von Kiinzing gar keine römischen Funde bekannt, so schreibt

l) Schon Ayentin im zweiten Buche deiner Chronik o* 49 (p. 701*) verlegt QuiutAna niich Kintzen und Philipp Apian (t ir>8yi spricht sich im Anschlnws an At entin folgend erroa^^n dvi^:

Langen Kyntzn p. iJuinUen, vulgo KynUen p.. tempU Eoque loeo Quintianam RomÄoorum coJonmm extitisse, retnfitft et peranfciqua numismutii Kümanaj aurea, argen tea, aerea quoque plnrinift ibi inventa teatantur. Supra hunc pagnm rivus scaturit» Kintzenpach dii:tuiä ; per patentem campara delatus, e re^fione Tici HoHcirchen in Danabi um labitmr. Ibidem in loco pal ns tri sal*iam ebullire aqiiam, accolae aftirmant. Apian, Topographie von Bayern im Bd. XX XIX. de« Oberbiijer. Archiv, S. 2^j1., vgl. S, 352,t4, wo derselbe Bach ^uintiana« rivui genannt wird.

Henner und nach Beinern Beispiel Manaert ((Tengraphie der Griechen und Eönier. Bd IH. S. 699 J nimmt Ost-erhofen an,

Böcking, Notitia dignitat. occident. p. 7bSJ i\, nennt ausser den voratebenden noch andere Korejcher. deren Angaben aber meitt sich an eine der vorgenannten Vermutungen an:ichli eisten mi(f auf denselben beruhen.

Buchner Andreas, Dokumente zur Geschichte von Bayern, H. 45. n, 99 ; und Reisen auf der Tenfelsmaueri IlL S. *> 9, versetzt Quintianis merkwürdiger Weise nach Wischelburg. Er sagt an der erwtang^ihrten Stelle: ,Quintianiä im Itin. XX. M. P. von Aiij^fUsstis und XX II 11. M. P. von Bojoduro, heutzutage WiacheUmrg an der Donan 4 5 Stunden unterhalb Straubing/ Die Ent- fernung Ton Wifichelburg nach Pas.iati (Innutadt) betrügt aber minderten lb^l2 Poststunden = .59 rflmiache Meilen. Da Büchners Miissangabe falach i^t, auf dieser allein aber seine Vermutung hieruhti ao ist auch diese selbst unhaltbar. Ebenso scheint auch Erhai*d, Kriegägeschichte von Bayern S. lA'i, durch Büchners Vorgang üo der Angabe verleitet worden sein: ^Qnintanis Knnaing noch gegenwartig sind mehrere Bauemböfe ^Wiacbelburg* von den Bewohnern ge- nannt, aber nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen OrtacbafTt Wischelburg, oberhalb in einer gut erhaltenen römiöchen Schanze nahe dem Strome eingebaut." Höfe d^a Namen?^ Wi.ichelburg »sind in der Nähe von Künzing überhaupt nicht vorhanden.

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im Jahre 1829 v. Mulzer: „In Künzing, als ein Hauptort innerhalb der Castra Quintana von den Geschichtsforschern bezeichnet, ist jede Spur von römischen Altertümern verschwunden."*)

Auch Westenrieder (1788) sowie Buchner und Pütter (1819 und 1820), welche die Gegend von Künzing selbst durchsucht haben, be- richten gleichfalls, dass hier nicht die geringste Spur vom Aufenthalt der Römer übrig geblieben sei.

Und noch 1874 konnte Spanfehlner^) schreiben: „Von Schanzen findet man in Künzig selbst keine Spur."

Doch wird schon von Westenrieder eine bedeutende Münzsammlung der dortigen Pfarrer erwähnt, über deren späteres Schicksal Mulzer nichts erfragen konnte.^)

Eine römische Inschrift aber, als deren Fundort noch J. v. Hefner^) Künzing bezeichnet: CES . || lARSE VIX || ANN . L . P . IVL || SVCCESSA / CON II IVGI . B . M . gehört nach Karansebes (in limine claustri Sebesiensis)

1) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern. Bd. I. Hft. 1 (1846) S. 50.

2) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. XVÜ. S. 204.

3) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. l. S. 51. Präsident v. Mulzer legte im Jahre 1830 ein Tagebuch an mit der Aufschrift: Ueber geschichtliche Forschungpn und Erhaltung der Altertümer und Kunstdenkmäler 1880 fol. 87 Seiten, 1831 mehrere lose Blatter (lui histor. Verein in Landshut), dem der grösste Teil des im obengenannten Bande gedruckten eot- nommen ist. Er föhrt an der erwähnten Stelle fort:

, Westenrieder in seinen Beiträgen zur vaterländischen Historie, München 1788, Bd. l, S. 60. giebt schon ein Resultat seiner Nachforschungen^ woi*au8 zu ersehen ist, dass bereits im Jahre lT6ij keine Altertumsreste mehr bei Künzing vorhanden waren.

Professor Buchner und Professor Kaspar Pütter, welche in der Münchener allgemeinen Literaturzeitung (Jahrg. 1819, S. 80. 88. 112. 120, dann Jahrg. 1820 S. 831 ihre Nachforme huuijen über Castra quintana bekannt machten und die Gegend von Künzing selbst durchsucht haben, sAgen gleichfalls, dass hier nicht die geringste Spur von dem Aufenthalte der Römer Übrig ge- blieben sei. Das Nämliche bestätigen die amtlichen Berichte des Landgerichts Vilshofen.

Da jedoch die Sage immer noch eines Römerbades in den Wiesen bei Künzing erwfihnte. 80 wiederholte ich im verflossenen Sommer die Nachforschungen an Oit und Stelle, welche aber zum nemlichen Resultate führten, dass von römischen Altertümern keine Spur sichtbar in^h Die Vernehmung der ältesten Leute in Künzing gab nur die Bestätigung der früheren Behüuptung. dass bei dem Umgraben der Felder manchmal alte Münzen gefunden worden waren, sowie ich denn auch einige römische Münzen aus dieser Gegend erhalten habe.

Wohin die von Westenrieder am angezeigten Orte angegebenen bedeutenden Münzensamm- lungen der genannten Pfarrer gekommen seien, konnte durchaus nicht erfragt werden, jedoch lat höchst wahrscheinlich, dass solche sich in der königlichen Münzsammlung zu München befinden^*

4) Das römische Bayern in seinen Schrift- und Bildmalen. 3. Aufl. S. 222. n. 271.

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und ist nur durch einen Irrtum von Lazius in seinen commentarii ed. 1598. p. 1060 nach „Kuntzingen supra Pataviam" versetzt worden.*)

Ferner liegt bei den von Mulzer in den Jahren 1829 30 gesam- melten Zeichnungen von allerlei historisch wichtigen Gegenständen^ ein von dem Ingenieur Feigele gefertigter Plan von Künzing, worin er einen 4 Fuss breiten geraden Strich durch des Ammerbauers Acker bezeichnet, auf welchem das Getreide allezeit schlechter steht und vermuten lässt, dass eine Mauer in der Tiefe sei. „Vielleicht, bemerkt Feigele, war hier das Kastell, wenigstens ist dort noch ein Graben, auch habe man beim Ackern in den Kaltenbach-Aeckern alte Eisenstangen und andere lieber- bleibsel gefunden."

Gleichzeitig mit Mulzer bemühte sich auch v. Mussinan^) um die .römischen Altertümer des Unterdonaukreises und erhielt durch Emeram

1) Corpus Inscript. Latinarura. tom. III. n. 1-554.

2) Dieselben befinden sich in 2 Mappen im historischen Verein zu Landshut.

3) Joseph Ritter y. Mussinan, Direktor des Appellationsgerichtes für den Isarkreis ; Mitglied der k. Akademie der Wissenschaften, früher Justizrat in Straubing, schrieb im Jahre 1830 eine Abhandlung: Die römischen Alterthümer in und um Straubing. Fol. 51 Blätter mit 28 Zeichnungen.

Ein Inhaltsverzeichnis dieser Abhandlung hatte ich im Kreisarchiy Landshut kennen gelernt, einen Auszug davon im VI. Bande von Starks handschriftlichem Nachlass im historischen Verein för Oberbayern gefunden und suchte mehrere Jahre lang nach der Urschrift, bis sie im Jahre 1880 in der Registratur des k. Ministeriums des Aeussem zum Vorschein kam und von dort an die k. Hof- und Staatsbibliothek fibergeben wurde, wo sie jetzt als Cod. germ. Mon. 5380 sich befindet.

Die Zeichnungen sind nicht mehr dabei, auch bis jetzt von mir nirgends angetroifen worden, doch konnte ich aus den verschiedenen Andeutungen über dieselben folgendes fast vollständige Verzeichnis der Abbildungen zusammenstellen:

Nr. 1. Karte, Römerstrassen.

Nr. 2. Schnattinger Schanze. (Schneidinger Schanze? Ohlenschlager.)

Nr. 3. 4. Unbekannt.

Nr. 5. 6. 7. Schanzen von Oberau, Zeitldom und Rinkham.

Nr. 8. Perkham.

Nr. 9. Säule zu Mitterast.

Nr. 10. 11. 12. 13. Grundriss, Aufriss und perspektivische Zeichnung von Wischelburg.

Nr. 14. Grundriss von Eünzen.

Nr. 15. Grundriss von Langenkünzen.

Nr. 16. Grundriss von Niederkünzen.

Nr. 17. Münzen, zu Künzen gefunden.

Nr. 18. Zeichnung einer hölzernen Tafel mit den Worten: Hie olim civitas Quintiana nuncupata renovierit. 1717. P.

Nr. 19^ Untersuchung des Sulzbrunnens zu Künzen.

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Spielhofer, ehemaligen Prior in Niederaltaich , der die Gegend genau kannte, brieflich eine Reihe von Nachrichten, die hier im Auszuge folgen sollen :

„An diesem Orte, schreibt Spielhofer, haben die Hirten und Acker- leute Münzen, Ringe mit Edelsteinen gefasst gefunden, aber leider sind dieselben immer nur in die Hände der Goldarbeiter oder Gürtler ge- kommen. Ich selbst fand vor mehreren Jahren zu Künzen einen Grab- stein, auf den man noch lesen konnte

Miles leg. dec : IL** Das Uebrige war schon zerstört. Gerne hätte ich diesen Stein mit ins Kloster genommen, allein feindselige Hände raubten mir den aufgefun- denen Stein. Der verstorbene Dechant Klopfer übergab Herrn v. Stuben- rauch eine Menge hier gefundener Münzen. Meine hier gesammelten Münzen wurden bei unserer Auflösung alle nach München geschleppt^ imd was ich seitdem sammelte, überschicke ich Ihnen (Mussinan) hiermit. Es sind neunzehn Stück, von denen nur zwei von Silber."

In einem zweiten Schreiben teilte Spielhofer ferner mit ; Eine gute Viertelstunde von Künzing, zu Lamburg, findet sich noch der römische Begräbnisort (bustum), der von den dortigen Ackersleuten noch immer unkultivirt gelassen wird.*) Dass die Heerstrasse von Passau über Pfarr- kirchen und Plainting nach Künzen geführt habe, stütze ich darauf. Wäre sie von Vilshofen nach Künzen angelegt gewesen, so würde man sicher bei Anlegung der neuen Landstrasse Spuren der alten Römer- strasse entdeckt haben, welches aber nicht der Fall war."

Nr. 20. Profil, Zeichnung und

Nr. 21. 22. Perspektivische Zeichnung von Oberpöring.

Nr. 23. Bogenberg.

Nr. 24. Boioaria aetate Bomana.

Nr. 25. Beilage dazu.

Nr. 26. Stein von Straubing mit Inschrift.

Nr. 27. Verzierte Bruchstücke römischer Geschirre von Atzelburg.

Nr. 28. Schanze bei Tunzenberg und Grabhügel bei Heiling. Der Verlust von einigen dieser Zeichnungen, namentUch n. 17 und 27 ist sehr zu beklagen» und es würde mich freuen, wenn diese Zeilen etwas zu deren Auffindung beitragen würden.

1) An einer andern Stelle von Mussinans Abhandlung f. 46 sagt Spielhofer dagegen: »Süd- lich von Lamburg zeigen sich mehrere zerstreute Hügel, welche ich eher für den Begräbniaort der Deutschen halten mOchte.'

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Die erste entscheidende Entdeckung aber wurde erst im Jahre 1830 gemacht, indem Herr Kreisbaurat v. Pigenot auf die Mitteilung des Försters Donat hin, dass in dem Holzgarten des Grafen von Preysing-Moos an der Chaussee zu Brück ^) Grundmauern von ungeheurer Dicke unter der Erd- schicht sich befänden^, daselbst eine Ausgrabung vornahm und die Grund- maaem eines röm lachen Gebäudes bioslegte, dessen Grundriss, soweit er aufgedeckt wurde, nach einer Handzeichnung v. Pigenot's und deren Ver- öffentlichung in den Verhandlungen des historischen Vereins für Nieder- bayem hier folgen soll.

Der erste Teil v. Pigenot's Ausgrabungsbericht wurde nie veröflFent- licht und deshalb war der im I. Bande der Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayem enthaltene zweite Teil nicht recht verständlich. Der erste Teil, dessen Original jetzt im Kreisarchiv zu Landshut auf- bewahrt wird, möge deshalb hier seinen Platz finden:

„Der 4 5 Fuss unterdem angrenzenden Terrain ausgegrabene Raum beträgt in seiner Länge 78 Fuss und in seiner grössten Breite 31 Fuss. Die mit A bezeichneten Grundmauern haben eine Breite von 3 4 Fuss und eine Tiefe von 4 Fuss, bestehen aus Bruchsteinen von Granit und das Binde- mittel aus gutem Kalkmörtel mit klein zerschlagenen Stücken von Back- steinen vermengt. Die mit B bezeichneten Mauern aber bestehen aus Ziegelsteinen und zum Teil auch aus solchen Platten. Die Mauerdicke be-

1) Dajs Dorf Brui'k ist westlich an Künzing, ohne Zwischenraum angebaut.

2) Verhandi. <1. histor. Ver. f. Niederbajern. Bd. I. Hft. IL (1847) S. 2.

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trägt 3 Fu88, deren Höhe aber nur mehr am Tage 1 y2 Fuss, Die einzelnen kleinen Mauerteile bei C und D bestehen erstere blos aus Ziegelsteinen, letztere aus Bruchsteinen mit kleinen Ziegelplättchen begränzt ; inwieweit diese einzelnen Mauerteile mit dem Ganzen zusammenhängen, lässt sich nicht bestimmen.

Die Flächen E bestehen blos aus fester Erde, die Räume F aber sind Estrichböden von rötlicher Farbe, jedoch ist es auffallendj dasSj wie sich an einigen Stellen durch Aufgrabung überzeugt wurde, Vs Fues unter diesen Böden wieder ein Grundpflaster von Ziegelplatten, und so ab- wechselnd bis zu 2 Fuss 8 Zoll Tiefe befindet, von den ausgegrabenen Platten haben einige 22 Zoll; sie bestehen, und zwar besonders jene, welche eine rötlicht gelbe Farbe haben, aus sehr feinem gebranntem Thon.

Die kleinen mit G bezeichneten Vierecke sind 8 Zoll im Gevierte und mit Lehm aufeinander befestigte Ziegelplatten, wo bei den meisten nur mehr drei, bei einigen aber noch deren sieben aufeinander lagen^ und sohin kleine Peiler formiren, welche in der bezeichneten Richtung im Durchschnitt 10 Zoll auseinander stehen.

H ist wieder eine Bruchsteinmauer von 2 Fuss Höhe, welche aber, mit 5 7 Zoll breiten Kanälen durchschnitten ist.

An bemerkenswerten Gegenständen wurde Nichts aufgefunden, doch fand sich in dem Zwischenraum J E eine bedeutende MasBe Asche und Kohlen, welche sich auch an mehreren Stellen untermengt mit der den Estrich bedeckenden Erde, vorzüglich aber zwischen den kleinen Pfeilern G vorfand, in welchen auch mehrere Wärmerröhren ausgegraben wurden, die sich auch in der Nähe der kleinen Mauer bei C zeigten; auch fand man mehrere Stücke von einzölligen gemodelten Ziegeltrünimern*

Das Ganze zeigt, dass eine gewaltsame Zerstörung stattfand, indem mehrere Ziegelplatten und Steine in ganz schiefer Richtung sich unter dem Schutte befanden, und auch die ungleiche Höhe der stehengeblie- benen Mauern nicht eine ruhige Abtragung derselben vermuten lässt-

Am 24. Mai 1831 wurde die Ausgrabung fortgesetzt und Pigenot berichtet darüber: „Die mit 0 bezeichnete Grundmauer, 3 Schuh in der Breite, scheint die Fortsetzung der schon früher mit D bezeichneten zu sein, und so würden die Flächen P für sich Quadrate bilden und jedes Gemach somit von dem andern getrennt erscheinen.

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Auf der Stelle P hört der geschlagene Estrich auf, und bei einer Tiefe von l*/a Schuh fängt eine Bruchsteinmauer an, deren Breite oder Tiefe noch nicht bestimmt werden kann; selbe ist mit den mit H be- zeichneten Mauern in Verbindung.

Bei Q^) hat benannte Mauer die Höhe des Estriches, dacht sich aber links und rechts auf Vs Fuss ab.

Die Mauern H gehen noch immer fort, bei R liegen Ziegelplatten von 1 Fuss im Quadrat 5 6 Zoll auseinander auf diesen und in Waaßlehm versetzt.

Die Fläche S wurde bis zur Höhe der mit G bezeichneten Pfeiler abgetragen, übrigens keine Spur von einer Plattenbedeckung gefunden.

Bei der Ausgrabung wurde nichts Bemerkenswertes gefunden.*'

Durch Auffindung dieser Grundmauern war der Haupteinwand be- seitigt^ welchen mau früher gegen die Gleichstellung von Künzing mit Quintana vorgebracht hatte, dass sich näinlich dort noch keine römischen Bauüberreste gefunden hätten. Trotzdem waren seit dem Jahre 1831 keine weiteren Nachforschungen gemacht worden, bis im Jahre 1874 Herr Job, Mich, Schtnid, damals Cooperator in Künzing, jetzt Expositus zu Frohnstetten, an der Südseite des Ortes in den zum Ammerhofe ge- hörigen Feldern nur wenig unter der Erde verborgen auch die Um- fassungsmauer des ehemaligen Lagers auffand imd darüber im XIX. Band der Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern berichtete.*)

In nebenstehendem Plan zeigt A die Stelle, . wo das vorher be- schriebene Gebäude ausgegraben wurde; B die Stelle, wo der Volkssage nach das in der vita S. Severini erwähnte Kirchlein stand ; C das römische Lager, dessen Beschreibung mit Schmid's eigenen Worten folgen soll:

„Das Castell selbst, sowie es jetzt noch in den unter der Erde be- findlichen, ununterbrochen fortlaufenden Grundmauern erkenntlich ist, bildet ein längliches Viereck, dessen 4 Enden indessen nicht rechtwinklig, sondei'n in einer Halbrundung zulaufen. Die beiden (östliche und west-

1) Diemr Buchstabe fehlt in der Originalzeichnung.

2} Noch Erhard, Krlegjij^e&chichte von Bayern 1870, schrieb S. 14S: Die vielen Verschanz- un^en {^s sind drei. Der Verf.h welche Apian hier noch angezeigt, hat seitdem die Donau ver- fehl ung^n.

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liehe) Langseiten sind jede 566 Fuss = 165,20 m lang^), die beiden (nördliche und südliche) Querseiten, jede 483 Fuss = 140,96 m breit, zusammen also 2098 Fuss = 612 m im Umfang haltend.

Kiinzing

M- 1: 5000

Die Grimdmauer ist nicht überall gleich breit; im allgemeinen hat sie eine Breite von 5 7 Fuss. Das Material besteht meist aus kleinen Bruchsteinen von Gneis, vermischt mit Kalk und Kieselsteinen; häufig ist noch die römische Gussmauer zu finden; die äussere aus grösseren Stücken bestandene Umkleidung (Stirnmauer) fehlt; diese Steine scheinen gleich Anfangs bei der ersten Umgestaltung des Bodens ausgegraben und zu den Bauten verwendet worden zu sein. Dort, wo das nordöstliche

1) Auf dem zur Abhandlung jjehörigen Plan gibt Herr Expositus Schmid als Länge des Castells 156 m, als dessen Breite 135 m an (als Umfang demnach 582 m), und dieselben Masse teilte mir auch Herr Bahngeometer Maier mit, wesshalb ich diese für die genaueren halte. Abb. d. I. Gl. d. Ak. d. Wiss. X\TI. Bd. I. Abth. 32

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Eck des Castells zu suchen ist, wurden noch vor 25 Jahren, so sagte mir ein beim Baue selbst beschäftigt gewesener Maurer, so grosse Steine zum Wiederaufbau des abgebrannten Ammerhofes ausgegraben, dass mehrere Mann dieselben nicht heben konnten. Die Pfarrkirche und die Friedhofmauer weisen dieselben Steine (Gneis und Glimmer) auf und stammen sicher von der Mauer des niedergerissenen Castells.

Die Mauer liegt meistens nur 1 Fuss tief unter dem Boden und reicht 3 4 Fuss tief hinab, genau bis dahin, wo die feste Lehmschichte beginnt; tiefer hinein geht die Grundmauer an keiner Stelle. Aussen an der Mauer ringsherum war ein breiter Graben, welcher noch jetzt in der auf allen Seiten wahrnehmbaren tieferen Bodeneinsenkung er- kennbar ist, aber allmählich eingeebnet wurde.

Das Castell wird von der von Vilshofen nach Osterhofen führenden Staatsstrasse in der Richtung von Osten nach Westen durchschnitten; diese Strasse wurde aber erst vor ungefähr 100 Jahren von der Kapelle in Künzing angefangen, durch Brück führend, neu gebaut (vgl. den Plan) ; die alte Strasse führt durch das Dorf (die jetzige Dorfstrasse).

Mitten durch das Castell, in der Richtung von Norden nach Süden, führt ein Fussweg von Künzing nach Girching, der das Ammerfeld in zwei Teile trennt. Mit Sicherheit ist anzunehmen, dass dieser Weg schon von jeher bestand und wohl durch die nördliche und südliche porta des Castells entstanden ist. Innerhalb der Mauern des Castells sind in heissen Sommern noch andere Mauerspuren sichtbar, so namentlich auf der Ost- seite, fast inmitten derselben, eine in das Feld sich hineinziehende Spur von 75 Fuss Länge und 30 Fuss Breite.

Römische Münzen wurden in Künzing in Menge gefunden, doch von den Landleuten, welche dieselben nicht kannten oder für wertlos hielten, häufig wieder verworfen oder verschleudert."

Herr Expositus Schmid teilte dem historischen Vereine für Nieder- bayern ein Verzeichnis der in seine Hände gekommenen 27 Münzen mit^ (es waren 17 aus Kupfer, 9 aus Silber und eine silberplattirte), welche sich auf die einzelnen Kaiser folgender massen verteilen: Nero 2, Traianus 1, Hadrianus 4, Antoninus Pius 2, Faustina d. ältere 1, M. Aurelius 1 (Silber)^ Septimius Severus 2 (Silber), Caracalla 2 (1 plattirte), Alexander Severus 5 (Silber), Constantius H. 3 (Kupfer), 6 waren unkenntlich.

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Ueber frühere Münzfunde zu Künzing geben uns die Verhandlungen des historischen Vereins für Niederbayern einige, wenn auch spärliche Nachrichten, So wird Bd. I. Hft. 2. S. 1. eine Goldmünze erwähnt, aber nicht beschrieben, und die Jahresberichte melden als Zugang zu den Sammlungen: 1 Vespasianus, 1 Traianus, 2 Hadrianus, 2 L. Verus, 1 S. Severus, 1 Caracalla, 1 Diocletian, 1 ConstantinJ)

Ausser den Münzen fand Herr Expositus Schmid, wie er mir brief- lich mitteilte, mancherlei Gefasstrümmer, meist aus terra sigillata, glatt oder mit dem Eierstab und andern Verzierungen, auch mit Pflanzen-, Tier-, Menschen- und Göttergestalten versehen, gut lesbare Töpferstempel, nur 3 S 33 ATI . lOLLIM . ITIVSFEC f und einige eingeritzte Namen und Buchstaben. Ferner einen Schlüsselgriff von Bronze, Schlüssel von Eisen, Nadeln von Bronze und Elisen, Ringe, mehrere Lanzenspitzen, Nägel, eine (vielleicht neuere) Sphinx von Bronze, auch einige Bruchstücke vbn starkem Glas, dann Dachziegel, Fussbodenziegel, leider aber keine mit Legionsstempeln.

Der Mangel der Militärstempel erklärt sich wohl daraus, dass nur die aus Bruchsteinen gebauten Umfassungsmauern, nicht aber Backstein- mauern aufgegraben wurden, in denen natürlich allein die gestempelten Ziegel vorkommen können. Dass diese Grundmauer wirklich einem römischen Grenzlager angehört hat und nicht etwa die Umfassung eines grossen Anwesens ist, erhellt aus den Ausmassen, welche eine Länge von 165 (resp. 156 m) und eine Breite von 140 (resp. 135 m) ergaben, also fast genau dieselben Masse, welche das Castell zu Wiesbaden zeigt, und deshalb können wir diesen Platz auch jetzt schon, noch ehe die mili- tärischen Stempel gefunden sind, als das Lager der ala I flavia Rae- torum betrachten.

Der Name Quintanis oder Quintianis kommt nirgends in der No- minativendung vor, sondern. auch da, wo man den Nominativ erwarten sollte, ähnlich wie Batavis, im Ablativ, wie dies auch mit deutschen Namen häufig der Fall ist (Z'eresingen), auch findet er sich nirgends in

1) Verhandl. d. bist. Vereins f. Niederbayern. Bd. II. Hft. 4. S. 38 f. n. 8, 11, 13, 17, 24, 33, 43, 59, 70, ferner S. 59 f. n. 4. 39, 51. Dieselben Münzen nocbmals aufgezählt im Bd. XII. S. 24 f. n. 612, 616, 618, 622, 629, 636, 643, 664, 675.

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einer Zusammensetzung mit castra, wie es die meisten Schriftsteller ge- brauchen; wollte man nach Analogie des italischen gleichnamigen Ortes und einiger andern vindelikischen Orte, z. B. ad Novas verfahren, so hätte man im Nominativ Quintanae zu lesen, denn der italische Ort heisst ad Quintanas, offenbar mit Auslassung von mansiones; allein mir scheint, hier haben wir eine Namensbildung, die wie Castra Regina, ihren Ur- sprung dem vorbeifliessenden Gewässer verdankte.^)

Denn wenn wir auch von dem Flussnamen Quintana bei Eugippius absehen, weil die Lesart nicht sicher steht, so gibt uns der noch be- stehende Name des Flüsschens Kinze ein Recht, an diese Ableitung zu glauben, die auch von Mussinan als Quelle für den Namen des jetzigen Dörfchens Künzing mit Recht annahm.^

Dieser Bach hat seinen Ursprung in der Nähe des Damenstiftes Osterhofen, südlich in den Feldern. Die Hälfte des Wassers treibt, ab- geleitet nahe dem Dorfe Brück, eine Mühle, fliesst dann am Dorfe Künzen nördlich vorbei und ergiesst sich eine Viertelstunde davon in die Donau.

Dieser keltische (?) Flussname findet sich noch öfter in Deutschland ; ich erinnere hier an die badische Kinzig, die hessische Kinzig oder Kinz und unsere schwäbische Günz.^)

1) Schon Welser, Rerura boicanim lib. III. (p. 90 der Ausg. v. 1682) sagt über Regens bürg: Regen fluvius id loci manet (sie), in castrorum nomen adoptatus, caiusmodi ad Quintana Quin- tanica etiam amnis fuit.

W. V. Christ: Das römische Milit^diplom von Weissenburg S. 442. dachte bei der Ableitung des Namens an die via Quintana eines dort befindlichen. Lagers, andere an eine Besatzung durch eine Cohors Quinta z. B. Bracaraugustanorum. Härtl, der Quincingau in den Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. Bd. 3. Hft. 1. S. 53. wollte den Namen herleiten von einer „dort stationirten legio Quintana oder legio Quintanorum* !

2) Mussinan Jos. v., Die römischen Altertümer in und um Straubing. Handschrift Cod. germ. Mon. 5380 fol. 31 f. Vgl. auch Klämpfl, Jos., Der ehemalige Schweinach- und Quinzingau. n. S. 10. Anm.

Den Nachrichten Apians, Aventins u. a. gegenüber macht Hr. Expositus Schmid die auffallende Bemerkung: .Dieser Bach bildet sich oberhalb Künzing aus zwei Armen, von denen der eine von Brück („kalter Bach* genannt), der andere von Langenkünzing herfliesst. Er wird niemals anders als ,0h* genannt. Einen Bach oder Fluss mit Namen „Künzig*, wovon Aventin, Härtl und selbst noch Spanfehlner fabeln, gibt es hier nicht.* Ich bin nicht im Stande, hier diesen Zwiespalt zu lösen, bin aber Apian und Klämpfl, sowie Eisenmann gefolgt, weil dieselben unabhängig von ein- ander mitteilen, dass der Bach Einzig heisse.

3) In der Erwartung, vielleicht irgendwo einen Nachweis zu finden über die Bedeutung des Namens, dessen Stamm nach Förstemann noch unerklärt ist, habe ich nach ähnlich lautenden

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Seefried hat deswegen, weil Eugippius und die Notitia Quintanis lesen, dagegen im Itinerar Quintianis sich findet, einen Unterschied zwischen beiden angenommen; wir können aber diese Annahme über- gehen, weil sie auf der irrigen Ansicht beruht, dass die Entfernung von Boiodurum bis Kunzing nur XX mil. pass. betrage, während die- selbe auf genauen geometrischen Karten im grossen Massstabe etwa 33,7 km beträgt, also nahezu 23 mil. pass., die sich durch Zurechnung der zahlreichen Hebungen und Senkungen des Weges zwischen Passau und Pleinting leicht auf 24 mil.. pass. und darüber erhöhen, also dieselbe Entfernung, welche im Itinerar für Boiodurum-Quintianis angegeben ist. ^)

Wisehelburg.

Nehmen wir die heutige Richtung der Landstrasse von Künzing nach Straubing als die wahrscheinliche Richtung der Römerstrasse an, so ge- langen wir mit 58 km von Boiodurum aus nach Westen zum Ortsver- bindungsweg zwischen Lohe und Gänsdorf (Altenbuch), wo sich der Rest einer Schanze befindet,* die der Gestalt nach zu den römischen Weg- schanzen gehört, obwohl sie nach einer Tradition erst im Jahre 1740 soll aufgeworfen sein und sich die Bauern mit deren Zerstörung bereits 1819 beschäftigten. 2) Doch ist von dortigen Funden nichts bekannt ge- worden, während man beim Bau des Schulhauses in Lohe auf unter-

Fluss- und Ortsnamen gesucht. Obwohl ich dabei nicht an das gewünschte Ziel gekommen bin» soUen doch die gesammelten Namen, die sich noch vermehren liessen, hier Platz finden: die Günz ist ein Nebenfluss der Donau, Gonsbach ein Weiler bei Regensburg, Ginsbach eine Ortschaft in Oesterreich ob der Enns, Künzbach im Würtemb. Jaxtkreis und bei Pähl am Ammersee, Kinzen- bach ein Dorf in Preussen, Kinzach eine Mühle bei Hall in Tirol, Kinsach (Kymbsach) ein Fluss der bei Lennach in die Donau geht. Bei Apian in oberbayer. Archiv Bd. XXXIX. S. 343. 344. Kinsau ein Dorf im Landger. Schongau, Kinzelbach, Bach und Weiler bei Erding, Einzig, ein Neben- fluss des Mains, ein Nebenfluss der Mümling im Odenwalde und ein Nebenfluss des Rheines, dann ein Dorf in Luxemburg und endlich Kinzen ein Weiler bei Sterzing in Tirol und eine Einöde im Landger. Mühldorf.

Unter den französischen und englischen Orts- und Flussnamen habe ich bis jetzt vergeblich nach einer ähnlich lautenden Form mich umgesehen, wesshalb mir die Annahme keltischer Her- kunft fflr den Namen immerhin bedenklich erscheint.

1) Niederb. Verhandl. Bd. XIX. S. 42.

2) Andreas Buchner in der Münchener allgem. Literaturzeitung 1819. S. 104.

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irdische Gewölbe stiess^) und bei einem Bauern ein Stein mit 15 unge- forniten Menschengesichtern war, welcher der Sage nach als Gefass beim Götzendienste gebraucht wurde.^

Etwa eine halbe Stunde von dieser Wegschanze nach Norden, etwa 10 Minuten von Lohe entfernt, liegt eine gewaltige Schanze, welche bis jetzt noch sehr wenig bekannt und noch gar nicht untersucht ist, die Wisclielburg.

Schon Aventin erwähnt dieselbe in seinen Annales ^) mit den Worten: „Agger portae moenia integra sunt intus villae cubant incolae Wischel- burg appellant, referunt ponte marmoreo ibi Danubii ripas conjunctas fuisse fornicumque bases adhuc conspici cum aqua plus solito brevior est." Und in seiner Chronik*) erzählt er: „zwischen Pogen und Meten ist auch ain römisch Reichtat und Besezung gewesen P i s o n i u m genant, wie dan des auch zeugnus geben die alten brief zu Meten im closter; haisst der g^main man nun Wischelburg, der aufgeworfen graben und das tor sten noch ligt ein dorf darin: Etlich sagen es hab alda ain mer melstainene pruck iiber die Thonau gehabt und so das wässer etwan ganz ciain sei sech man noch die gruntvest der schwipogen. " ^)

Apian spricht sich ähnlich aus und erwähnt noch eines tiefen Brun- nens daselbst.^) Nach ihm hat zunächst wieder Büchner*^) über die Wischel- burg geschrieben, die er sonderbarer Weise für Quintana der Römer hielt, unter der Angabe, sie sei XXIV mil. pass. von Boiodurum entfernt, ob- wohl diese Strecke thatsächlich fast 44 römische Meilen beträgt

Auch für die Wischelburg hat uns Mussinan unter den frühern Forschern in seiner schon mehrerwähnten Handschrift^) das brauchbarste tmd reichhaltigste überliefert. Hören wir ihn selbst:

„Die an einigen Stellen 54 Fuss hohen Wälle zwischen welchen das

1) Bemerkungen über Altertümer etc. im Landgericht Straubing; handschriftl. Bericht im topogr, Bureau von M. Lori, Camerallandgeometer.

2) Verhandl. des hist. Ver. f. Niederbayem. Bd. I. Hft. 2. S. 168. 3J Annal. lib. II. C. V. n. 21.

4) Chronik, Buch II. Cap. 49.

5) Aventin, Chronik, Buch Tl. Cap. 49. (S. 701.)

6) Apian, Topograpie von Bayern im XXXIX. Bd. d. Oberbayer. Arch. S. 227.

7) Buchner, Reise auf der Teufelsmauer. III. S. 7.

8) Mussinan J. v., Die römischen Altertümer in und um Straubing, cod. germ. mon. 5380. f. 27 f.

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Dörfchen liegt, sind noch im guten Zustande. Besonders zeichnen sich die Stellen an der Nordost- und Südwestseite aus. Der Wall an der Donauseite beträgt in der Länge beiläufig 450 Schritte und ist in der Mitte von einem Wege durchbrochen, der vom Dorfe zur Donau führt, wo noch einige Fischerhütten stehen. An der Westseite macht der Wall verschiedene Krümmungen, indem jener an der Donauseite in gerader Richtung fortläuft und windet sich zuletzt südöstlich, bis er mit einem anderen welcher das Dorf auf der Ost- und Südseite einschliesst in einem s])itzigen Winkel endet.

Jeder Wall hat in der Mitte seiner Höhe eine kleine Abstufung, wie eine Verschanzung, die gleichsam mitten an dem Walle einen Graben bildet "^

Bei einem leider nur zu kurzen Besuche, den ich diesem weithin sicht- bjiren und eindrucksvollen Befestigungswerke in diesem Herbste abstatten konnte, fand ich im Ganzen Mussinans Schilderung zutreffend. Da seine iieiclmungen verloren sind, so gebe ich hier die Aufnahme, welche im Jahre 185f> Herr Lieutenant Hey berger für das topographische Bureau anfertigte, nebst vier Profilen, die von Herrn Bauamtmann Ponzelin herrühren.

Im Ganzen lässt sich die Verschanzung als ein Viereck bezeichnen, dessen eine nordwestliche Seite stark nach Aussen gebogen ist.

Die längste, die Donauseite nach NO hat auf dem Wallkamme ge- messen etwa 270 m (925 Fuss = 370 Schritt). Die gekrümmte NW- Seite misst in der Sehne etwa 195m (c. 670 Fuss = 270 Schritt). Die SW-Seite. die ebenfalls leicht nach aussen gekrümmt ist, etwa 225 m (c. 7S0 Fuss = 310 Schritten.)^) Die SO-Seite hat jetzt noch 195 m, war aber frülier länger und ist bei Anlage von Gebäuden und neuerdings beim Bau dt;r gerade durchgeführten Strasse nach Stephansposching ab- gegraben worden. Von der SO-Seite an fehlt der Wall etwa 60 m lang bis zu der tlurch die Schanze führenden Strasse.

An der Stelle, wo der Wall abgegraben ist und wo er im gi'össten Teil seines Durchschnittes vor Augen liegt sah ich, dass derselbe nur

11 V^rl; iiuch Braunmuller's jfute Beschreibung in den Verhandl. d. bist. Vereins f. Nieder-

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aus Lehmerde mit Kies gemischt, ohne Mauerkern bestand, und auch an den übrigen Stellen, längs der SW-Seite, wo der Wall durch Anlage von Sandgruben leider zerstört wird, Hess sich kein Mauerrest wahr- nehmen.

Die Schanze ist nicht von Menschenhand aufgeworfen, sondern sie bildet das westliche Ende einer niedrigen Hochebene, von welcher sie durch einen 6 10 m tiefen sehr breiten Graben abgetrennt wurde.

Die übrigen Seiten der Schanze sind durch den natürlichen Abhang gebildet, der nur künstlich abgeschürft und geglättet und mit einer Mittelstufe (Berme) versehen wurde, um das Abrutschen der oberen Erd- teile zu verhüten. Die Schanze wird gleichlaufend mit ihrer SO-Syite von einem breiten Fahrweg durchschnitten, der dieselbe in zwei ungleich grosse Teile zerlegt und an dessen Rande die Häuser des Dorfes steheiL Der nicht von Haus und Hof in Anspruch genommene Innenraum dei^ Schanze ist als Garten und Feld angebaut. Die Brustwehr der Schanze hat nur nach SO, wo der künstliche Graben ist, eine beträchtliche Höhe bis etwa 5 m; an den übrigen Seiten ist dieselbe kaum 1 m hoch oder ganz unsichtbar geworden.

Die Höhe des Walles von dessen Fuss bis zur Krone ist sehr be- trächtlich, an den Seiten mit natürlichem Abhang 12 14 m hoch, an der Seite des künstlichen Grabens 6 10 m hoch. Die Böschungen sind 80 steil, dass man an den meisten Stellen dieselben nur mit Mühe be- steigen kann, an ein erfolgreiches Berennen derselben aber in voller Rüstung mit Schild und Lanze kaum zu denken ist.

Mussinan, der recht wohl wusste, von welcher Wichtigkeit häufig örtliche Sagen selbst in ihrer Entstellung durch die stets umgestaltende mündliche üeberlieferung für die späteren Forscher werden können, hat auch diese Ergebnisse seines Fleisses aufgezeichnet und mitgeteilt.

„Die Bewohner des Dorfes Wischelburg", berichtet er^), erzählen verschiedenes von diesem Orte, dabei immer sich auf ein Buch berufend, welches die Schicksale dieses Ortes enthalte."

„Die schon achtzigjährige Wirtin von Irlbach erzählte mir, sie habe in dem erwähnten Buche das Lesen gelernt und es auf Ansuchen ihrem

1) Mu88inan a. a. 0. f. 27 f. Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 33

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damaligen Gutsherrn, Freiherrn v. Leoprechting, gegeben, dem es 1780 beim grossen Brande in Straubing zu Grunde ging." ^)

„Einige Dorfbewohner sagen, es sei früher eine bedeutende Stadt gewesen, die den Namen Pisonium führte und so gross war, dass das V4 Stunde von Wischelburg südöstUch liegende Dorf Lohe mitten in der- selben gestanden habe.^ Diese Stadt sei von den Hunnen zerstört worden, und als sie hierauf zum Teil wieder aufgebaut und Rosenbusch ^) genannt wurde, wieder neuerdings von einem Grafen zerstört worden, und so sei denn endlich das Dorf Wischelburg entstanden."

„Ausser dem Dorfe Lohe war der Marktplatz gewesen, auch befindet sich in dieser Gegend ein Acker unter dem Namen „alter Markt" (Markt- platz)*) und von diesem östlich ein anderer, wo die Gerichtsstätte ge- standen, unter der Benennung Galgenacker. Die Bewohner von Wischel- burg finden an jenem Orte, wo sie nur immer in die Erde graben, Bruchsteine, Trümmer alter Gefässe, auch Eisen und Knochen von ungewöhnlicher Grösse."

„Dem Wirte daselbst fiel erst vor ein Paar Jahren ein Bündel läng- licher Eisenbleche nach der Gestalt der Eisenschuppen eines Harnisches in die Hände, die er unbeachtet wegwarf."

„Der Benefiiziat von Irlbach fand vor 15 Jahren zu Wischelburg eine römische Silbermünze von beträchtlicher Schwere, ebenso ein Bauer vor einem Jahre eine andere von gelbem Erze in der Grösse eines Zwölfers. Beide gingen wieder verloren." Nur eine bei Wischelburg gefundene Silbermünze des Geta ist näher bekannt, dieselbe befindet sich in der Sammig. des hist. Ver. zu Landshut. ^) Auch Graf Hundt sprach einmal

1) Dürfen wir aus den Angaben der Dortbewohner schliessen, so scheint dieses Buch Aventins Chronik gewesen zu sein, worauf namentlich die Angabe des Namens Pisonium hinweist.

2) Andr. Buchner in der allgemeinen Münchener Litei*atur-Zeitung 1819 S. 96. setzt hinzu : ,und die Einwohner so reich, dass einst einer mit goldener Pflugschar die Erde brach.*

3) Auch an einer späteren Stelle äussert sich Mussinan nochmals ausdrücklich und gewiss nicht ohne triftige Veranlassung: „Wischelburg ist hier bei den ältesten Menschen unter dem Namen Rosenburg bekannt.* Jetzt scheint dieser Name verschollen und selbst der beste Kenner der dor- tigen Gegend, der geschichtskundige Abt von Metten, P. Benedikt Braunmüller, konnte mir darüber keinen Aufschluss geben.

4) Der alte Markt ist das Feld unmittelbar südlich von der SOecke der Wischelburg.

5) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern Bd. IL Hft. 4 S. 41. n. 27 (= Bd. XII. S. 24. n. 631). Vorders. GETA CAESAR PONT(ifex) COS. Rucks. FELICITAS AVGVsti Weibl. Figur mit Schlangenstab und Füllhorn.

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„über Auffindung mehrerer Römermünzen in der Wischelburg* doch ist dieser Vortrag nicht gedruckt worden." ^)

Herr Steigenberg, ehemaliger Pfarrherr von Stephansposching, will im Kloster Metten erzählen gehört haben, es hätten sich schon vor dem bairischen Kriege in den Jahren 1740 1741 zu Wischelburg einige Spuren von altem Gemäuer und Gewölbe vorgefunden, die Ortsbewohner hätten nämlich den Schutt hinweggeräumt und den öden Platz dann bebaut, wobei sie Inschriften ausgegraben, welche sie beim Aufbauen der Backöfen in dieselben vermauert oder aus Unwissenheit zu allerlei Sachen verbraucht haben. ^

Jetzt ist, mit Ausnahme eines angeblich römischen Schlüssels, kein Fundstück aus Wischelburg in einer öffentlichen oder Privatsammlung und was etwa in Stephansposching oder Metten gesammelt worden war, ging dort durch die Schweden, welche 1632 alles verbrannten, zu Grunde oder wurde bei Gelegenheit der Säcularisation verschleudert. In Folge dieses Mangels an Fundstücken sind wir nun leider auch nicht im Stande die Erbauer und Benutzer der Wischelburg zu bestimmen; man hat zwar seither ihre Entstehung ohne weiteres den Römern zugeschrieben, allein es sind bis jetzt keine Anzeichen vorhanden, welche zu dieser Annahme zwingen; denn die seither beliebte Behauptung, dass nur die Römer ein solches Werk hätten ausführen können, reicht als Beweis für römische Herkunft nichj) aus, seitdem wir grosse und wohlangelegte Werke kennen gelernt haben, die nicht von den Römern herstammen können.

Auch die wenigen römischen Münzen liefern keine ausreichende Be- gründung, unbestreitbar ist nur, dass die Römer auch die Gegend der Wischelburg in ihrer Gewalt hatten.

Die Gestalt der Schanze gibt keinen Anhaltspunkt, da sie keine geraden Seitenlinien hat und sich der Bodengestalt anschliesst, und ist

1) Jahresber. d. bist. Ver. f. Oberbayern XXVIII. (1865) S. 41. XII.

2) Mussinan a. a. 0. Dagegen versicherte mir Abt Braunmüller: ^Mauern sind weder in diesen Wällen der Wischelburg, noch in den benachbarten Wällen gefunden worden. Ich habe selbst darnach gesucht, es sind nur Erdwälle, in denen sich hie und da ein Granit st ein be- findet, sowie auch wieder Holzstöckchen. Ueberhaupt ist mir da altes Mauerwerk nicht bekannt geworden.**

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überdies an Flächenraum weit grösser als die sonst bekannten römischen Lager von Pföring, Pfünz u. s. w., wenn sie auch hinter Regensburg und Augsburg an Grösse zurücksteht. Auch der Umstand, dass Heyberger auf dem Aufnahmsblatt des topographischen Bureau's zwischen Wischel- burg und Irlbach die Worte einschrieb „Römischer Leichenacker", was er gewiss nicht gethan hätte, wenn er nicht selbst dort entsprechende Funde gemacht oder von solchen gehört hätte, ist nicht beweisend für unsere Frage weil man zur Zeit der Aufnahme (1856) noch jeden alten Fund, jeden Grabhügel u. s. w. mit dem Beiwort römisch zu bezeichnen pflegte. Mein Wunsch, über die Gräber etwas zu erfahren, ist bis jetzt unerfüllt geblieben. Dieselben stehen aber vielleicht im Zusammenhang mit einem Schädelknochen und einer Pfeilspitze, die einst von Irlbach aus an den historischen Verein in Landshut eingeliefert wurden.^) Der angezeigte Platz selbst, östlich von Irlbach, wo die Wege nach Lohe und Wischelburg auseinandergehen, wäre für Reihengräber sehr geeignet. Wir werden also den Beweis, dass Wischelburg ein römisches Lager war, noch zu erwarten haben und auch hier wird der Spaten allein die ent- scheidenden Funde liefern können.

Schon im frühen Mittelalter, um 950, hatte Perahtold, filius Arnulfi in Wisciliburg dem Kloster Metten eine proprietas gegeben mit Land und Leuten; da aber Bertholds Schenkungen durch seine Aechtung un- giltig geworden waren, so wurden dieselben 976 durch Kaiser Otto regali potentia ans Kloster zurückgegeben^) und daraus ist \^ohl zu schliessen, dass Wischelburg wahrscheinlich Staatsgut war, also aus dem römischen Staatsgute in das bajuvarische und fränkische übergegangen war.^)

Die Quelle des von Aventin gebrauchten Namens Pisonium ist un- bekannt, wahrscheinlich aber ist derselbe wie so manche andere Namen von Aventin selbst geschaffen und dem benachbarten Posching entlehnt. Auch der Name Wischelburg ist noch nicht überzeugend erklärt, denn die Ableitung aus Castra Visellii (oder gar Vitellii) bietet mir zu wenig Wahrscheinlichkeit dem Umstand gegenüber, dass noch eine Anzahl anderer

1) Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayern. Bd. IL Hft. 4. (1852) S. 24. n. 56.

2) Mon. Boica. XL 439.

3) Braunmüller, im XVIL Bd. d. VerhandL d. bist. Ver. f. Niederbayern. S. 44. A. 1.

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Ortschaften ähnlichen Namen tragen z. B. Wisselsing bei Osterhofen, Wisseisberg im Landgericht Vilsbiburg, Wieselburg (Zwieselburg) Ortschaft in Oestreich u. d. Enns und in der Wieselburger Gespannschaft (Mosony) in Ungarn. Nicht mit Unrecht erinnert Braunmüller an den Namen Viscellis, der auf der tabula Peutingeriana zwischen Ovilia und Viruno zu finden ist, zur Zeit aber ebenfalls noch der Deutung entbehrt.^)

Straubing. Sorviodurum ?

Gehen wir von Wischelburg etwas mehr als 1 0 römische Meilen, etwas über 2 deutscheMeilen nach Westen, so erreichen wir Straubing.

Diese Stadt wurde schon ziemlich lange mit dem Servioduro der Tabula Peutingeriana in Verbindung gebracht, wegen der daselbst an- gegebenen Entfernung von XXVIII römischen = öVs deutschen Meilen von Regino (Regensburg), eine Entfernung, die mit den 11 Poststunden der jetzigen Landstrasse fast völlig gleich ist^J, und weil auch die auf 50 römische Meilen angegebene Entfernimg zwischen Sorviodurum und Boio- durum (Innstadt bei Passau) mit den 21 Poststunden der jetzigen Land- strasse nahezu übereinstimmt.^)

Diese Vermutung entbehrte aber bis vor zwei Jahren der Bestäti- gung durch Funde von römischen Bauresten innerhalb des Stadtgebietes.

1) a. a. 0. S. 42. A. 1.

2) Schon Cellarius, Notitia orbis antiqui 1731 tom. I. p. 419: Sorviodurum in tabula XXVIII. ab Regino, quod intervallum ducit ad nobilem urbem Straubingam.

'S) Aventin, welcher die Tabula Peutinger. noch nicht kannte, schuf aus der östlich der Strau- binger Altstadt liegenden Azelburg die Castra Acilia, s. Aventin Chronik, Buch II. c. 49 (p. 700.) : ,Bei Straubing, da die Ala in die Thonau feit, so noch, in der alten stat haist, ist auch ain alte römische reichstat gewesen, mit namen Augusta Acilia, war in unser Sprach Azelburg, alda auch noch ain herrenheusl und schlos den Namen behelt/

Dieser Name Castra Acilia aber entbehrt jeder urkundlichen Begründung und erscheint zudem ein zweitesmal bei Aventin, Chronik Bd. II. c. 49 (p. 687) als Name fttr die Altenburg bei Neuburg a/D. : „Oberhalb Neuburg an der Thonau sein auch zwai alte zerprochene burgstal ist das erst gnant von den Römern Galeodunum oder Callatinum (das ander Atilia) nent jetzt der gemain man Calladin oder Eejserburg und Altenburg.*

Braunmüller glaubt Serviodurum in Haindling suchen zu müssen. Verhandl. d. histor. Ver. f. Niederbayem. XVII. (1872) S. 35.

Man vergleiche auch Schuegraf, Urkundliche Nachrichten über Straubing und Atzlburg in den erwähnten Verhandlungen. Bd. VIII. (1862) S. 277 f. und Burger, Ueber die Azlburg (Castra Acilia) bei Straubing, ebenda Bd. IV (1855) Hft. 1. S. 59—64.

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Zwar hatte schon Buchner mitgeteilt^) ein Gärtner in der Altstadt Straubing nordlich vom Kloster Azelburg habe ihn in seinen 1813 er- bauten Keller gefuhrt und ihm dort die starke, dicke, aus gehauenem Granit verfertigte Grundmauer des ehemaligen Castells gezeigt, allein für die römische Herkunft dieser Mauer wusste und brachte er keinen Beweis.

Auch war im Garten des Elisabethiner-Nonnenklosters zu Azelburg, als man bei Erbauung eines Waschhauses nach Sand grub, eine Urne gefunden worden, die auf einem Steine stand und in welcher sich Gebeine und eine Lampe befanden. Die Urne war aus grauem Thon imd hatte dreiHandhaben, durch die sich ebensoviele Schlangen wanden, dazwischen, nahe -den Handhaben, bemerkte man hinaufkriechende Frösche. Die Urne wurde von dem Arbeiter leider zerschlagen, die Gebeine zerstreut. Die Lampe war sehr gut erhalten, aus rotem Thon und trug am Boden das Wort „Fortis."^ Man hatte hier also unzweifelhaft ein römisches Grab gefunden und auch römische Münzen kamen nicht allzu selten dort und im Bereiche der Stadt zum Vorschein.^)

Eine weit reichere Ausbeute an Fundgegenständen aber lieferte das östlich von der Stadt liegende, von dieser durch das Alatflüsschen ge- trennte und nach Hofstetten zu sich erstreckende Osterfeld, welches un- mittelbar östlich an die Azelburg stösst. Bei einer ganzen Anzahl der bei Straubing gefundenen Münzen wird ausdrücklich das Osterfeld als Fundort genannt und ebenso sicher gehört hieher ein grosser Teil, deren Fundstelle „bei Straubing" gewesen ist. Diese Münzen reichen von Kaiser Otho bis auf Gratianus 378, während eine Münze nicht mit Sicherheit dem Kaiser Justinus zugeschrieben wird.*)

1) Dokumente zu Buchners Geschichte von Bayern. I. S. 45. n. 98 b.

2) Mussinan, Ritter, Joh. v., Die römischen Altertümer in und um StrauJbing. Cod. lat. mon. 5380. fol. 17 f.

3) Nur eine Silbermünze wird bestimmt mit dem Fundort bei Azelburg bezeichnet: Av (L. Sept. Sev. Pe)rt Aug. Imp. II. Der bärtige, lorbeerbekränzte Kopf nach rechts. Rev.P . M Tr . P . IL Cos. n. P.P. Stehende kriegerische Gestalt, rechts die Lanze, links den Schild. Verhandl. des bist. Ver. v. Niederbayern. Bd. IV. Hft. 2. S. 23. n. 27.1 Im Garten der barmherzigen Brüder in der Altstadt fand sich eine Bronzemünze des Kaisern Trajan, die im J. 1880 in die städtische Sanünlung zu Straubing kam. Av. IMP . CAESAR TRAIANVS, Kopf nach rechts. Rev. Opfernde Gestalt, (Wimmer Ed., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 91. n. 73.) Doch mögen noch eine Anzahl hier gefundener unter den bei Straubing gefundenen versteckt sein.

4) Verhandl. d. histor. Vereins f. Niederbayem. Bd. II. Hft. 4. S. 74. n. 127.

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Ausser den Münzen wurden auf dem Osterfelde eine grosse Anzahl von Gefassbruchstticken gefunden mit und ohne Verzierung mit Figuren von Menschen, Thieren, Bäumchen, Blättern und sonstigen Ornamenten, dann Räucherschalen, Lampen, Urnen, Töpfe, Becher, Mischkrüge, Reibschüsseln und Spinnwirtel, aus samischer Erde, mit schwarzem lackartigem Ueber- zug, aus rotem oder gelbem Thone, sowie aus grauer graphitreicher Erde und aus Glas; ferner Ziegelplatten, worunter einige mit Militärstempeln, Ziegel mit Rand, Fussbodenplatten, Hypokaustenziegel, bemalte Gesims- stücke, Mörtelbrocken, Bruchstücke von Kalkschiefer, die als Dachplatten gedient hatten, dabei Messerklingen von Eisen, Nägel, Ringe und sonstiges Eisenwerk, Nadeln von Eisen und Bronze und Stücke von Bronzever- zierungen ^). Diese Fundstücke im Einzelnen zu betrachten, würde zu weit führen, nur die Namen der Töpfer, welche auf den Gefässen sich finden, sollen unten in einer Anmerkung Platz finden. 2) Die Hauptfund- stelle auf dem Osterfelde ist ein Platz an der sogenannten Kling zwischen der Altstadt Straubing und Hofstetten in der Nähe der Pilmosmühle, wo in einer Kiesgrube, die im Jahre 1879 wieder in Benützung genommen wurde, eine etwa 1 m starke, weithinreichende Schicht von aufgefahrenem Brandschutt sich zeigt. Schon Mussinan und Lori hatten dort Funde gemacht, von denen aber nur ein Teil sich in der Landshuter Sammlung befindet.

Grundmauerreste finden sich nicht darunter und fast der erste Blick lehrt uns, dass die Gefassreste u. s. w. nicht an der Stelle liegen, wo sie zuerst als unbrauchbar weggeworfen wurden, sondern, dass wir es mit Brandschuttmassen zu thun haben, die an anderer Stelle weggefahren und hier abgelagert sind.

1) Die l^indstücke sind einzeln genannt in den Verhandl. d. hist. Vereins f. Niederbayern. Bd. IL Hfl. 4. S. 28. n. 45 61 und Wimmer Ed., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing S. 88. 124. 208. 413. 418. Einige der gefundenen Gefässbruchstücke sind nach einer von Herrn Pfarrer Dahlem gütigst mitgeteilten Zeichnung auf der beigegebenen Tafel abgebildet.

2) Die bis jetzt aufgefundenen Töpferstempel, welche Herr Hauptmann Wimmer in den Sammelblättem z. Gesch. d. Stadt Straubing n. 23. S. 89. n. 104. S. 413 und n. 156. S. 623 f. mit- teilte, sind folgende: APRIO (Ofßcina); A. ILLIVS; CASSIVS F; CESORINVS F; CIÄN CIANl od. CIAM; CINTVGNATV(S); COCILL . M; DAMINI. M; fELIOIS MAN; FIDIILIS F: FTf .M; GERMANI; lANNV; lANVS; MAIANVS FE; MAMMI; MARCELLVS F; MATERNI ; MERCA ; MERC; MONTANVS; SECVNDINVS SENAS; SILVINVS F; VAIEN(?)j VENICARVS; VERVS (R und V verbunden) vERVS . V . F . F; VTEVOS F; . . . DVS; . . DIANI; . . VLTIO F.

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Diese Schiattmassen liessen nun mit Sicherheit eine grosse Anzahl von Gebäuden in der Nähe voraussetzen und mussten die Hoffnungen und den Eifer des Forschers lebhaft anregen

Auch war bereits im Jahre 1812 in der Nähe von St. Nikola^) auf dem Osterfelde der Bürger Andre Krieger beim Pflügen auf einen Stein mit Inschrift gestossen, den der Landgeometer v. Lori herausnehmen und aufs Rathaus bringen Hess; unter demselben fanden sich einige rauhe Steine, Ziegeltrümmer, Mörtel u. s. w., die zuerst den Glauben erweckten, man werde auf die Grundmauern eines Gebäudes stossen, was sich aber bei weiterer Nachgrabung nicht bestätigte.*)

Der Stein war das Bruchstück eines Altars aus dichtem, weissem Kalkstein auf 2 Seiten mit Inschrift versehen; die beiden Inschriftseiten waren etwas über 23 Zoll, die inschriftlosen 18 Zoll breit, der Stein 2 Fuss 1 Zoll hoch. Auf beiden Seiten waren 2 Zoll breite Lisenen. Die Verzierung des Deckels bestand aus einer Kranz- und Riemleiste und einem Stäbchen. Die hintere Seite hatte die nämliche Ansicht. Auf der einen Nebenseite war eine Füllung jedoch ohne Inschrift eingehauen, die andere hingegen ganz flach.^) Die Inschriften waren nur noch zum Teil erhalten und lauteten:

Erste Seite. Zweite Seite.

LICHEN IIIIDVSAPK

)S AL VE L E S L E L I A

^NVETE N 0 C 0 SQ VI

ICAMA BVSPR^^^

Der Stein selbst wurde im Jahre 1819 wieder mit andern Bruch- stücken zur Ausfüllung in das nördliche Widerlager der Donaubrücke geworfen, so dass bei dem Mangel einer genauen Abschrift auch die Er- gänzung der nicht zahlreichen fehlenden Buchstaben sehr erschwert wird.

Eine Abschrift des Steines bei Stark, Handschr. VI. fol. 468 gibt von der ersten Seite nur die drei ersten Zeilen. Von der zweiten deutlich

1 ) Straubinger Wochenblatt 1824. S. 182.

2) Siehe Bericht Lori's in Stark's Nachläse. Bd. VI. f. 468. (Handschr. im histor. Ver. f. Oberbayem.)

3) Zaohokke, Miszellen für die neueste Weltkunde. 1812. S. 331.

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das halbe 0 und SALVTE, von der dritten NVETE, vor dein N noch den Rest eines 0 P oier R; von der zweiten Seite ist Zeile 2. LELIA (nicht wie bei Lori AELIA) gegeben.

Die auch von Hefner benützte Zeichnung im historischen Verein zu Landshut gibt auf der ersten Seite Zeile 2 : sALVE mit Auslassung des T und Zeile 3 NETE mit Auslassung des V im Ganzen auch nur die drei ersten Zeilen; dagegen zeigt Seite II in der 4. Zeile die Buchstaben BVS PR'^T-^, welche Mommsen im C. J. L. III 5973 zu PRAest (vielleicht besser PREST) meiner Ansicht nach richtig ergänzt.^) Stichaner( n ) bei Zschokke, Miscellen für die neueste Weltkunde 1812. S. 331. gibt II. Zeile 2. LAELIA und I. Zeile 3. PNVETE, auch hat er zu Seite I die vierte Zeile IC mit dem Zusätze: „die weiteren drei Buchstaben scheinen ein AM und A gewesen zu sein. Wie schon gesagt, fehlen jeder dieser Zeilen zwei Buchstaben am Anfange." Versuchen wir die letzte bis jetzt un- erklärte Zeile zu ergänzen. Die vorletzte Zeile, welche mit VETE (rani, der Plural, weil kein Eigenname vorausgeht) endigt, lässt in der folgenden Zeile den Namen einer Heeresabteilung vermuten und mit Ergänzung von COH würde sich die letzte Zeile zu COHICAMA gestalten, eine Lesung, bei welcher sich uns die Cohors I Canathenorum unwill- kürlich aufdrängt. Die Abänderung des M in N ist eine sehr gering- fügige, zumal da die Buchstaben der 4. Zeile nicht sicher und deutlich erkennbar überliefert sind.

Das Consulat des (M. Pontius) Laelianus fallt in das Jahr 163 n. Chr.

Die Inschrift lautete also wahrscheinlich, wenn wir in jede Zeile 8 Buchstaben setzen:

I . 0 M . 1 1 1 1 D V S A P R

DOLICHEN LESLELIA

PROSALVE NOCOSQVI

IMPNVETE BVSPREST

COMIC AN A

d. h. Jovi optimo maximo Dolicheno pro salute imperatoris nostri veterani cohortis primae Canathenorum. III. idus apriles (11. April) Leliß^no consule (163 p, Ch.) quibus praeest

1) Heftier J., Das römische Bayern. S. 248. n. CCCXV wollte Quintus Vibius praefectusV lesen. Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. I. Abth. 34

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Die fünfte Zeile mit dem Namen des Präfekten war durch den Bruch des Steines unkenntlich geworden oder stand ausserhalb des Inschriftfeldes im Gesimse.

Das Datum des 11. April bietet, auch wenn man die übrigen Dolichenusinschriften zu Rate zieht, keine geschichtlichen Ergebnisse, dagegen möge es gestattet sein, zu erwähnen, dass der Aushebebezirk der Canathener (Canatha, die östlichste unter den zur Dekapolis ge- hörigen Städten der Peraea) nur wenige Stunden südlich von Heliopolis am Libanon lag, wo Kaiser Antoninus dem Sonnengotte unter Jupiters Namen einen prachtvollen Tempel errichtet hatte ^), und ein Hauptplatz des Dolichenuskultus war, den gerade die Canathener vielleicht an die Donau gebracht hatten.

Zur Heranziehung des Namens der Canathener, bei Erklärung der vorliegenden Inschrift, berechtigt uns aber nicht blos die Gewissheit, dass gegen Ende des zweiten Jahrhunderts deren Cohorte in Rätien lag^), sondern auch die wichtige Thatsache, dass mehrere Stempel dieser Abteilung auf dem Osterfelde gefunden wurden, denn im J. 1879 grub Herr Hauptmann Wimmer ^) an der Kling am Schanzelwege 3 Ziegel- stücke aus mit dem Stempel:

OH ION

d. i. Cohors I. Canathenorum (die Länge der Buchstaben beträgt 3 cm, die Breite des vertieften Grundes 3,5 cm) und im J. 1882^) fand er im Brandschutte ebendaselbst ein Randziegelstück mit dem Stempel:

. . NAT i

den wir unbedenklich derselben Cohorte zuteilen können.

An der nämlichen Stelle lagen auch noch Stempel der Legio tertia Italica

LEGmITAL

1) Seidl, üeber den Dolichenuskult, in den Sitzungsber. d. philos.-histor. Classe der kaiserl. Akad. d. Wiss. in Wien. Bd. XII. (1854) S. 44.

2) 0hlen8chlager , Die römischen Truppen im rechtsrheinischen Bayern, Programm des k. Maximilians-Gymnasium in München 1884. S. 54.

3) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 88.

4) Ebenda S. 208.

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(Höhe der Buchstaben 1,2 cm, Länge des vertieften Stempelgrundes 7,7 cm, Breite desselben 1,7 cm^); nicht blos ein Beweis dafür, dass Teile dieser Legion auch hier sich aufgehalten haben 2), sondern auch, dass der Brand- schutt in der Kling erst nach 170, dem Stiftungsjahr der Legio tertia Italica dort abgelagert sein kann.

Nicht minder erfreulich war die Auffindung des Stempels einer Cohors Raetorum im J. 1879, weil man zwar aus dem Weissenburger und Regensburger Diplom wusste, dass die I. und IL Cohorte der Räter im J. 107 und 166 n. Chr. dem rätischen Heer angehörten, ihre Stand- orte aber nicht bekannt waren. Auch der erste Stempelfund gab darüber noch keinen Aufschluss, weil ihm die Zahlbezeichnung der Cohorte fehlte, und erst vier Jahre später, im J. 1883, erschienen endlich bei der Azel- burg vollständige Stempel der Abteilung und zwar der Cohors IL Raetorum :

N frü ATT-r '/

h.

HRAET

i\

In einem Garten des nordöstlich der Azelburg gelegenen Hauses Nr. 789 wurde schon im Herbste 1882 ein massiver roter Betonboden gefunden, etwa 2 m unter der jetzigen Erdoberfläche samt ansehnlichen Resten von Grundmauern, die Brandspuren zeigten. Das Haus Nr. 789 ist höchst wahrscheinlich das in „Buchners Dokumentep zur Geschichte von Bayern" I. S. 45 n. 98b gemeinte, dies dürfte die aus massiven Kalksteinen (nicht Granit, wie Buchner meinte) gebildete Kellermauer beweisen, welche Buchner für römische Befestigungsüberreste hielt. ^) Im November 1883 erbot sich dann der Besitzer des Hauses, Hr. Gärtner Söldner, bei Anlage einer Grube zur Ueberwinterung der Früchte un- mittelbar neben dem erwähnten Betonboden mit Sorgfalt so tief zu graben, bis der Anschluss an die genannte Grundmauer wieder gefunden wäre. Nach Wegräumung vielen Brandschuttes trat in einer Tiefe von etwa 2 m eine von der Thür des Gärtnerhauses 17 Schritt südlich ge-

1) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 413.

2) Die übrigen bis jetzt bekannten Stempelfundstellen der leg. III. Ital. sind : Regensburg^ Abbach, Alkofen, Eining, Westheim b. Augsburg, Liezheim. Siehe Ohlenschlager, Die römischen Truppen. S. 31.

3) Wimmer, Sammelblätter. S. 208.

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legene, von Südwestsüd nach Ostnordost laufende 110 cm dicke Mauer von Kalkt uff steinen zu Tage. Sie ist durch eine etwa 6 cm dicke, senkrecht aufgeführte rote Betonschicht von dem etwas tiefer gelegenen Beton- boden getrennt.

Unter den im Mörtel äusserst fest gebetteten Kalktuffsteinen fand sich längs der senkrecht aufgeführten Betonschicht und zum Teil als deren Grundlage verwendet, eine. Reihe von grossen Ziegeln mit Militär- Stempel u. Sechs derselben wurden sorgfältig herausgestemmt. Dieselben haben eine Länge von 33 36 cm, eine Breite von 17 18 cm, die Dicke beträgt 3 cm. Parallel zur Langseite ist auf jedem Ziegel einmal der oben erwähnte Stempel 3 5 mm tief eingedrückt. Der Stempel ist 1 7 cm lang, 5 cm breit. Die Buchstaben sind 3 cm lang, 1 cm breit und nicht ganz 3 mui dick.

Dieser Fund ist von höchster Wichtigkeit für die Frühgeschichte von Straubing. Wir erfahren dadurch nicht blos den Garnisonsort der Cohors Becunda Raetorum, sondern wir haben damit den ersten festen Punkt gewonnen, von wo aus nach den übrigen Resten römischer Bauten, namentlich aber nach der Stelle des römischen Lagers mit Erfolg ge- fahndet werden kami.

Denn das gefundene Gebäude war wegen der Verwendung gestem- pelter Militärziegel wahrscheinlich ein Militärgebäude imd sicher nicht sehr weit von dem römischen Lager entfernt.

Ob dasselbe aber bei St. Peter in der sogenannten Altstadt gelegen, wie manche vermuten, am linken Ufer der Alat, oder rechts derselben östlich von der Azelburg, im Osterfelde, lässt sich noch nicht mit Sicher- heit sagen. ^J

Für die Altstadt und zwar den Winkel bei St. Peter spricht die günstige Lage mit den sturmfreien Ufern der Alat und Donau, ferner die Auffindung einer Unzahl von Urnen, Gefässen mit Kohlen und Menschenknochenresten, welche beim Bau des neuen Schulhauses in der Altstadt im J. 1875 zwischen der Heer- und Donaustrasse 500 600 m südwestlich von der Kirche St. Peter ausgegraben wurden; (diese Be- gräbnistätte lag etwa 1 y2 m tief), und endlich der Name der Altstadt

1) Wimmer E., Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 419.

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selbst, mit welchem in mehreren Fällen die Oertlichkeiten genannt wur- den, wo römische Lagerstellen sich befanden. \)

Die Annahme, dass das Lager auf dem rechten Alatufer bei der Azelburg gewesen sei, welche auch Hauptmann Wimmer jetzt für wahr- scheinlich hält, stützt sich zunächst auf die Funde in der Kling am Schanzelweg, auf die obenerwähnten Gmindmauerfunde und dann auf eine alte Sage, dass die Stadt viel grösser gewesen sei und sich bis gegen den Hofstetter Hof erstreckt haben soll; auch sollen beim Hofstetter Hof beim Ackern mehrmals Spuren von Mauern sich gezeigt haben, in deren Nähe ein dumpfer Widerhall gehört wurde, als wenn Gewölbe unter der Erde wären. ^)

Auf Grund der Bodenbeschaffenheit spricht Hr. Hauptmann Winimer die Vermutung aus, dass in der Kling, dem ziemlich hohen und steilen Abhang des Osterfeldes gegen die Donau die nördliche, in dem etwa 410 Schritte von der Ostfront der Azelburg entfernten, etwa 280 Schritte langen, meist über 2 m betragenden Terrainfalle, der sich sodann etwa 210 Schritte in einem Kreisbogen südwärts zieht, die östliche und süd- liche Begrenzung des Lagers zu suchen seien. Dieser Terrainfall fülirt überdies den auf eine Befestigung deutenden Namen Burzelgiaben (d. i. Burgstallgraben), und wurde, wie mir Hr. Hauptmann Wimmer mündlich mitteilte, „sittlichkeitshalber" eingeworfen.^)

Die Westgränze dürfte parallel zur Ostfront der Azelburg gedacht werden und das entdeckte römische Gebäude mit den Ziegeln der zweiten rätischen Gehörte entweder zum Lager selbst gehört, oder keinen sehr grossen Abstand von dessen Westgränze gehabt haben.*)

1) Altatatt heisst die durch Altertümer ausgezeichnete Gegend bei Weisaenburg. wn diese Stadt ehemals gestanden haben soll, und die bedeutenden Trümmer einer römischen Niederlasäimg bei Rottweil liegen auf der sogenannten Altstatt. Julius Leichtlen, Forschungen im Gebiete der Geschichte, Altertums- und öchriftenkunde Deutschlands. Erste Folge 1818. S. 109. Die Stelle, wo im J. 1876 das römische Lager bei Miltenberg aufgefunden wurde, hiess seit undenklichen Zeiten die Altstatt, obwohl dort seit Jahrhunderten keine Gebäudespur mehr zu sehen war» und auch zu Rückingen bei Hanau ttihrte das Feld, in welchem das römische Castell lag, ^mi undenk- licher Zeit den Namen Alteburg. "* (Siehe das Römerkastell und das Todtenfeld id der Kinj-äg- niederung bei Rückingen. 1873. S. 4.) Ebenso heisst bei Rottenburg a. N. der Pliitz^ wo daa Römerkastell liegt ,auf der Altstadt."* (Allgemeine Zeitung 1884. n. 288. S. 4247.1

2) Straubinger Wochenblatt 1820. S. 108.

3) Vgl. auch Straubinger Wochenblatt 1820. S. 110.

4) Wimmer, Sammelblätter z. Gesch. d. Stadt Straubing. S. 41V).

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Einstweilen müssen wir uns mit der neuen und wertvollen Er- kenntnis begnügen, dass bei Straubing sicher römische Gebäude und Gräber vorhanden sind, und dass die Legio tertia Italica, die Cohors L Canathenorum und die Cohors IL Raetorum hier ihren Aufenthalt hatten.

Eine systematische Aufgrabung, vielleicht nach vorausgehender Unter- suchung mit dem Bohrer würde hier sicher zum Ziele führen, und wenn diese Zeilen etwas beitragen können, eine solche Untersuchung herbei- zuführen und zu fördern, so ist die darauf verwendete Mühe reichlich belohnt.

Zum Schlüsse aber fühle ich mich verpflichtet, allen denen, welche an der Förderung vorliegender Arbeit lebhaften Anteil nahmen, bestens zu danken, besonders aber den Herren Pfarrer Dahlem in Regensburg, Abt Braunmüller in Metten, Bahngeometer Maier in Landshut, Haupt- mann Wimmer in Straubing und Expositus Schmid in Frohnstetten für Mitteilung von Material, Herrn Prof. Ernst Fischer in München für Unter- stützung mit Rat und That bei Anfertigung der nötigen Zeichnungen.

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Anfang und Ursprung

der lateinischen und griechischen rj^thmischen Dichtung.

Von

Wilhelm Meyer

aus Spey«r.

Abh. d. [. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. II. Abth. 85

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Die Anfänge der lateinischen rytlimisclien Dichtung.

Bei der Darstellung der Formen der lateinischen Rythmen des Mittel- alters (in den Sitzungsberichten unserer Akademie, philos.-philol. Gl. 1882 S. 1 192) habe ich über den Ursprung derselben fast nicht gesprochen. Diese Lücke, welche Gaston Paris mir vorgehalten hat (Revue critique 1882, 11. Sept.), hatte ich mit Absicht gelassen. Denn ich fühlte zwar, dass die gangbaren Ansichten darüber falsch seien; allein auf die Frage, wie kamen die Lateiner dazu die Verse nach dem Wortaccent zu bauen, fand ich keine mich befriedigende Antwort; darum schwieg ich damals. Jetzt glaube ich die Antwort gefunden zu haben.

Die Thatsachen, dass bei Commodian um 250 n. Chr. die Quantität stark missachtet ist, dass aus dem 1. Jahrhundert vor Christus bis zum 3. Jahrhundert n. Chr. einige von Soldaten oder von gewöhnlichen Leuten gesungene trochäische Septenare sich erhalten haben, in welchen der Wortaccent meistens mit dem Versaccent zusammen fällt, bis endlich mit Augustins Psalmus contra partem Donati das erste Gedicht auftritt, in welchem die Quantität gar nicht, aber der Wortaccent ziemlich beob- achtet ist, wurden gewöhnlich so erklärt: während früher bei der Aus- sprache der lateinischen Wörter auf 2 Dinge in gleichem Grade Rück- sicht genommen wurde, 1) ob die Silbe lang oder kurz zu sprechen sei, 2) ob die Silbe mit starkem oder schwachem Ton zu belegeij sei, habe die Menge von Barbaren im römischen Reiche im Anfange der Kaiser- zeit eine Verschlechterung der lateinischen Aussprache in der Richtung bewirkt, dass man sich nichts mehr darum gekümmert habe, ob die

Silbe lang oder kurz, sondern nur darum, ob sie mit starkem oder mit

85»

Diäitfeärfby V3'00QIC

268

schwachem Tone zu sprechen sei; dann habe man im Verse an die Stelle der vom Versaccent getroffenen langen Silben die mit starkem Wortaccent gesprochenen Silben gerückt und an Stelle der nicht vom Versaccent ge- troffenen langen oder kurzen die mit schwachem Wortaccent gesprochenen und habe so die Zeilenarten der alten quantitirenden Dichtung nach- gebildet. Gaston Paris (Lettre ä M. Leon Gautier sur la Versification Latine rhythmique, 1866 p. 23) schildert zunächst jene gewöhnliche Ansicht 'Donc, pour eux aussi, la versification rhythmique est une de- formation de la versification metrique: la quantite s'effagant peu ä peu, a Tepoque de la decadence. et son affaiblissement rendant Paccentuation de plus en plus marquee, on imagina de faire des vers on calquait les vers metriques en substituant des accentuees aux longues (dans les temps forts), et ce fut gräce ä ces essais que la versification nouvelle prit conscience d'elle-meme, et, se degageant de ces imitations serviles, finit par se creer ses propres lois/ Dieser Ansicht stellt G. Paris seine eigene mit folgenden Worten entgegen: Pour moi, je pense au contraire que la versification rhythmique est d'origine toute populaire, qu'elle n'a d^autre source qu'elle meme, qu'elle a existe de tout temps chez les Romains, qu'elle ne doit rien ä la metrique, et qu'elle est avec eile precisement dans le meme rapport que la langue populaire, le sermo pleheim^ avec la langue litteraire de Rome. Toutes deux ont eu la meme destinee: la langue lettree et la versification metrique, mortes reellement avec l'empire, ont conserve chez les savants une vie artificielle qui dure encore; la langue populaire et la versification rhythmique ont continue ä vivre, et se sont developpees et ramifiees dans les langages et dans les poesies des nations romanes. La versification populaire notamment, meprisee et obscure au temps de la grandeur romaine, con- servee ä peine en quelques fragments par des ecrivains amateurs d'anec- dotes qui ont sacrifie la dignite ä la curiosite, acquit avec le christia- nisme un domaine immense et une inspiration nouvelle, et produisit bientot avec une richesse inouie de quoi porter pendant dix siecles toute la poesie de plusieurs grands peuples: c'est veritablement le grain de seneve de la parabole, vile semence, dedaigneusement jetee en terre, qui devient un arbre aux mille branches, verdoyant et touffu, sur lequel chantent les oiseaux du ciel. G. Paris' These ist unstreitig sehr bequem.

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Diese verschiedenen Ansichten über den Ursprung der rythmischen Dichtungsform der Lateiner sind durchaus ungenügend. Mit der An- nahme von G. Paris, dieselbe sei die ursprüngliche Form der lateinischen Volkspoesio gewesen, steht in Verbindung die Annahme von Bentley, Ritschi und von Anderen, in dem Bau der so ausserordentlich häufigen altlateinischen jambischen Senare und Sept^nare und der trochäischen Septenare oder im Schlüsse der '^Hexameter Virgils und seiner Nachfolger sei neben dem herrschenden Gesetze der Quantität doch in gewissem Grade auch der Wortaccent berücksichtigt. Diese letztere Annahme glaube ich in der Abhandlung über die Beobachtung des Wortaccents in der altlateinischen Poesie (cf. 1883, Abb. 17. Bd., 1. Abth.) genügend widerlegt zu haben. Die Annahme von G. Paris entbehrt zunächst völlig jeden Beweises; denn vor der Kaiserzeit findet sich auch nicht das kleinste Bruchstück, welches nach dem Accent und nicht nach der Quantität der Silben gebaut wäre. Das ist ein sehr gewichtiger Grund gegen G. Paris. Plautus hatte offenbar Freude an den mannigfaltigsten Versarten, und es wäre fast imbegreiflich, wenn er die gangbare Dichtungsform des niedrigen Volkes nicht nachgeahmt hätte. Das, was für G. Paris spricht, das Gefühl des modernen Menschen, der sich kaum vorstellen kann, wie ungebildete Menschen ihre Dichtungen anders als nach dem gewöhnlichen Wortaccent betonen konnten, wiegt wenig gegenüber dem gänzlichen Mangel an Beweisen Doch lassen wir den Unterschied zwischen G. Paris und den übrigen Gelehrten bei Seite: die verschiedenen Ansichten vereinigen sich darin, dass im Laufe der Kaiserzeit eine Art der Dichtung zur Herrschaft kam, in welcher an Stelle der vom Versaccent getroffenen langen Silben die vom Wortaccent getroffenen traten. Diese Regel ist ausserordentlich ein- fach und die jambischen wie die trochäischen Zeilenarten der quanti- tirenden Poesie lassen sich so auf das leichteste nachbilden. Allein in den Gedichten selbst stossen wir auf höchst befremdende Erscheinungen. Erstlich sind jene bis zum üeberdruss oft citirten wenigen Verse bei Sueton nur nach der Quantität gebaut. Drei derselben (Sueton. Caesar cap. 49 milites illud vulgatissimum pronuntiaverunt):

Gällias Caesar subegit, Nicomedes Caesarem: ecce Caesar nunc triumphat qui subegit Gallias, Nicomedes non triunlphat, qui subegit Caesarem.

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270

sind reine spätlateinische trochäische Septenare mit nur einer Kurze in der 1. Senkung jeder Dipodie. Die andern (bei Sueton Caes. cap. 51 und 80):

U'rbani, servate uxores, moechum calvum addücimus;

aürum in Gallia eflfutuisti, hie sumpsisti raütuum. Gällos Caesar in triumphum dücit, idem in cüriam;

Gälli bracas deposuerunt, latum clavum sümpserunt. Brutus quia reges eiecit, cönsul primus fäctus est:

Hfc, quia consules eiecit, rex postremo factus est. sowie die Senare im Augustus des Sueton (cap. 70) Pater ärgentarius, ego Corinthidrius. Postquäm bis classe victus naves perdidit, aliquändo ut vincat, lüdit assidue aleam. sind zwar ausdrücklich als durchaus volksthümliche Spottverse bezeichnet (Caes. 51 'disticho iactato a militibus per triumphum*. 80 *üla vulgo canebantur. 'subscripsere quidam statuae Caesaris'. Aug. 70 'ad statuam adscriptum est*. *epigramma vulgatum est*), allein es sind ganz regel- rechte altlateinische quantitirende Verse mit 1 oder 2 Kärzen oder 1 Länge in jeder beliebigen Senkung, mit häufigen Elisionen, ja sogar mit aufgelösten Hebungen. Dass die meisten derselben trochäische Septenare sind, kann nicht auffallen, da ja Plautus selbst ebenso viele trochäische Septenare als jambische Senare hat, d. h. von beiden je über 8000. Dass der Wortaccent oft (nicht immer) mit dem Versaccent zusammen- fällt, ist die unvermeidliche Folge der einförmigen Betonungsgesetze der lateinischen Sprache. So finden sich auch unter den Spruchversen des Publilius Syrus, der ebenfalls zu Caesars Zeit lebte, eine Reihe von troch. Septenaren, in denen die Wort- und Versaccente zusammenfallen; so U 32. F 22. I 22. C 6. 41. F 19. 20. M 71. N 5. 9. 0 4. P 30. Q 61. S. 23. 48. U 34:

U'bi peccatum cito corrigitur fäma sölet ignoscere.

Feminae natüram regere desperare est ötium.

Tracündiäm qui vincit hostem süperat mäximum. Bei Publilius wird aber Niemand Stücke accentuirter Volksdichtung Hinnehmen wollen.

Ebenfalls kurz nach Caesars Zeit entstanden, aber ebenfalls reine,

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quantitirand gebaute altlateinische troch. Septenare sind die Spottverse (SchoL Juven. 5, 3 a populo dicta):

'Aliud scriptum habet Sarmentus, aliud populus voluerat. digna dignis: sie Sarmentus habeat crassas cömpedes. rüstici ne nihil agatis, äliquis Sarmentum älliget. Abgesehen von dem reinen troch. Septenar (Sueton Calig. cap» 6): 'Salva Roma, salva patria, sälvus est Germanicus' bleiben also nur die auf Kaiser Aurelian gedichteten Verse (cantilena) bei Vopiscus cap. 6 u. 7:

Mille mille mille mille mille decoUavimus. ünus homo mille mille mille decoUävimus. mille mille mille mille vivat, qui mille occidit. tantum vini nemo habet, quäntum fudit sanguinis. Mille Sarmatas mille Francos semel et semel occidimus mille mille mille mille mille Persas quaerimus. Diese Verse sind zunächst unsicher, da die schief gedruckten Wörter in den Handschriften fehlen; so sehr femer die eine Zeile 'tantum vini nemo habet quantum fudit sanguinis' den Gesetzen der accentuirenden Poesie entspricht, so wenig die andere 'mille Sarmatas mille Francos semel et semel occidimus*. Die bisher besprochenen Verse ergeben also keine Stützen für die gangbaren Ansichten über die Entstehung der accentuirenden Poesie.

Commodian (um 250) hatte schon vor jenen Liedern auf Aurelian seine Hexameter gebaut. Im Anfang der Zeile und nach der Caesur hat er die Quantität der Silben, aber ebenso sehr auch den Accent derselben durchaus vernachlässigt; im Caesurschluss und im ZeilenschlusB beob- achtet er Regeln, aber nicht die dgs Accentes, sondern nur die der Quantität; z. B.

ostendit quae pötörat quoniam deum nemo quaeröbat.

iam paene medlötas annorum sex milibus Ibat.

pete et dabo tibi et habebis gentes heredes.

ut exaltaretur sola sempiterna maiestas.

sit licet descriptum non sit nobis cura de lUis.

in scelere coöpit versari gens omnis humäna.

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Wie war ein solcher Versbau möglich, wenn dem Commodian eine Dichtungsform vor Augen stand^ in welcher die quantitatslangen, vom Versaccent getroffenen Silben einfach durch die vom Wortaccent ge- troffenen ersetzt wurden?

Betrachten wir nun diejenigen Dichtungen, in welchen die Quantität völlig missachtet und der Wortaccent beachtet ist, so müssen zu- nächst diejenigen trochäischen Zeilen ausgeschieden werden, in welchen nach jeder Dipodie Wortschluss eintritt. Da es nemlich vermieden wurde, <len Schluss durch ein einsilbiges Wort zu bilden, so müssen hier die Wortaccente 2 Trochäen bilden; z. B. dpparebit repentina; für obscura velut nocte; ite dicit rex ad dextros. Aber in denjenigen trochäischen Zeilen, welche nicht nach jeder Dipodie Wortende haben und in allen scheinbar jambischen Zeilen tritt jene sonderbare Erscheinung auf, welche ich an anderer Stelle (Rythmen S. 54. 55) hervorgehoben habe: sobald man die lateinischen Wörter nach ihrem Accente spricht, hat nur der Zeilenschluss den gleichen jambischen oder trochäischen Tonfall, dagegen die Silben vor dem Schlüsse haben jeden beliebigen oder vielmehr jeden möglichen Tonfall. So stehen sogleich in dem ältesten lateinischen ryth- mischen Gedichte, dem Psalm des Augustin, Zeilen mit dem verschieden- sten Tonfall nebeneinander: Bonus auditor fortässe quaerit qui ruperunt rete Homines mültum superbi qui iüstos se dicunt esse Ut peius committant scelus quam commiserunt et ante. Bonos in väsa misörunt reliquos mdlos in mare. In dem von Aurelian um 550 erwähnten und von Beda als Muster eines rythmischen Gedichtes citirten Hymnus 'Rex aeterne' finden sich die Zeilen Rerum creätor ömnium. Cui tüae imägini. Vültum dedisti similem. Nöstrae videns vestigia. Wie in diesen ausser- ordentlich zahlreichen Gedichten, so ist auch in den seltenen rythmischen Hexametern keine Rede von einer Nachbildung des metrischen Tonfalls:

Cur flüctuas animä | moerörum quassata procellis.

nee casus honoris | sed ruinas änimae plöra.

'Ego näta düos | patres habere dinöscor

me pater ignitus | ut nascar creat urendo. Im Halbzeilen- und Zeilenschluss ist der Wortaccent stets richtig; nur Dichter, welche der quantitirenden Dichtungsweise sehr gewohnt waren, haben (äusserst selten) im Schluss der accentuirten Zeilen ein

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Wort nach der Quantität betont, z. B. exitiüm und cor piüm gereimt (vgl. Rythmen S. 118), und in (nicht vielen) Gedichten der rohesten Art ist auch im Zeilenschluss nicht auf die Gleichheit der Accente geachtet (vgl. Rythmen S. 51); so lautet in der Berner Handschrift no. 611 (saec. 8/9 fol. 80) die erste von 19 Strophen:

'Agius atque igneus Spiritus sanctissimus antequara fieret mündus pätri aequälis filius trinum refiilgens ünicus omoüsyon kyrius. Das sind aber nur einzelne Ausartungen; im Allgemeinen steht die Regel fest: im Halbzeilen- und Zeilenschluss wird Gleichheit des Tonfalles beobachtet, vor demselben aber nicht. Einen Ausweg allerdings haben unsere Gelehrten gefunden: die sogenannte schwebende Betonung. Sie nehmen ein metrisches Schema und setzen nun in den rythmischen Zeilen die Accente ebenso wie in den quantitirenden, also z. B.

ostendit quae poterat quoniam deum nemo quaerebat

in scelere coepit versari gens omnis humäna.

Bonus aüditör fortasse. Reliquos malös in märe.

Cui tuae imagini. Vultüm dedisti similem.

Cur fluctuäs animä moerörum quassäta procellis.

'Ego näta duös patres habere dinoscor. So brachte man der lieben Theorie halber ein Ding fertig, wie jenes Messer ohne Klinge, an dem der Griff fehlt: nach dem Wortaccent ge- baute Verse, in welchen der Wortaccent nicht beachtet wird (vgL meine Rythmen S. 56)^). Ob man es wohl wagen wird, diese Theorie auch in die griechischen Rythmen einzuführen und also Zeilen, wie VJüJi/ o ßkinioy

1) Ernst Voigt ist noch weiter gegangen. Er hat in der deutschen Literaturzeitung (1883, 17. März) meine Ausgabe des Ludus de Antichristo recensirend von den 4 Schemata, welche ich für die 300 Dreizehnsilber und die 38 Elfsilber aufgestellt habe, nur 2 anerkannt, nemlich -' w sj J- sj -L- för die sechssilbigen und -'- ^ -i- w -^ w -^ für die siebensilbigen Halb- zeilen. Da mir nun 170 von jenen 300 Versen sich in dieses Schema nicht zu fQgen schienen, fing ich bei Voigt an; seiner Güte verdanke ich die Antwort, dass er durchaus nicht jene 170 Zeilen für falsch erkläre, sondern dieselben nur nach seiner Art l>etone, also z. B. Quös volünt infmicf. Venerünt gentds dei (so V. 131 nach Voigts Coiyectur). Ülciscatür manüs. Qua fruentür mecüm. Römani iüdicis. Süb forma väritäs. D^cendit da caelfs. jßxcelläns est in armfs. Die Meisten werden mir verzeihen, wenn ich diese nagelneue und noch nicht begründete Betonungs- weise der lateinischen Wörter nicht weiter bekämpfe. Ich werde hier auch keine Rücksicht nehmen auf die wissenschaftlich begründeten Theorien von Hadley (in Curtius Studien 5 S. 409), von Hilberg (Das Prinzip der Silbenwägung 1879 S. 273) und von Haussen (Rhein. Mus. 37, 1882, Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. II. Abth. 36

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ndyra und M^yalvvo) aov owtcq und 'AL&(]p r^y xe(paki^y fiov^ alle in gleicher Weise zu betonen?

Nein, das Wesen, die Kraft und die Schönheit aller accentuirenden Dichtung besteht darin, dass in derselben die Wörter ebenso betont werden, wie in der täglichen Rede der Menschen. Dann aber muss für die gesammte lateinische rjthmische Dichtung von ihrem frühesten An- fange an die Regel anerkannt werden, dass in den sich entsprechenden Zeilen sich entsprechender Tonfall nicht beobachtet wird, dass also auch in den rythmischen Versen der Tonfall der metrischen Vorbilder, seien dieselben nun Hexameter oder Trochaeen oder Jamben, nicht festgehalten ist Daraus folgt, dass das Grundgesetz der lateinischen Rythmik mit der gewöhnlichen Ansicht, wornach an Stelle der vom Versaccent ge- troffenen langen Silben die vom Wortaccent getroffenen Silben getreten seien, durchaus in Widerspruch steht.

Die rythmische Dichtung der Griechen ist zuerst von Pitra und W. Christ in den Kreis der wissenschaftlichen Untersuchung einge- führt worden. Wie ist dieselbe entstanden? Von einer ursprünglichen Existenz derselben als Dichtungsform des ungebildeten griechischen Volkes kann keine Rede sein, da auch nicht die geringste Spur sich davon fand. Auch die andere Hypothese, mit der Ausbreitung der griechischen Sprache über fremde Völker sei in der Aussprache nicht mehr die Länge oder Kürze der einzelnen Silben, sondern nur noch die stärkere oder schwächere Betonung derselben beachtet worden und sei so die Dichtungsform ent- standen, in welcher nur die vom Wortaccent getroffenen Silben an Stelle der vom Versaccent getroffenen langen traten, auch diese Hypothese lässt sich bei den Griechen nicht festhalten.^) Denn jene Verderbniss der Aussprache begann schon unter den Nachfolgern Alexander des Grossen; die Spuren der neuen Dichtungsform sind abet sehr viel später. Babrius^

S. 252) über die Betonung der griechischen Wörter. Hadly meint, die griechischen Accente hätten nur hohen und tiefen Ton, nicht starken, bezeichnet; dazwischen habe es einen nicht be- zeichneten mittelhohen Ton gegeben, der z. B. in <rai^«r« cörpora auf ßn und po fiel ; H i 1 b e r g folgt Hadleys Spur und meint, in früheren Zeiten (d. h. vor dem Aufkommen der Accentpoesie) seien die griechischen Wörter wie die lateinischen betont worden, d. h. nie auf der letzten Silbe, stets auf der vorletzten langen, in drei und mehrsilbigen nie auf der vorletzten kurzen; Haussen endlich stellt die Regel auf: ist die Ultima lang, so hat die Ultima den Ictus (den verstärkten Wortaccent), ist die Ultima kurz, so hat die Paönultima den Ictus.

1) Vgl. meine Abhandlung *zur Geschichte des alexandrinischen und lateinischen Hexameters'.

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wohl im Ende des 2. Jahrhunderts, setzt zwar stets auf die vorletzte Silbe seiner Verse Paroxytonon, aber sonst sind seine Verse nach den fein beobachteten Gesetzen der Quantität gebaut. Methodius um 312 n. Chr., welcher nur den quantitirenden Versbau kennt, hat zwar die Gesetze der Quantität in einer für seine Zeit unglaublichen Weise missachtet, allein von einer Rücksicht auf den Accent der Silben ist bei ihm keine Spur. Erst Gregor von Nazianz hat 125 Zeilen gedichtet ohne jegliche Rück- sicht auf die Quantität und mit dem festen Gesetze, dass die vorletzte Silbe den Wortton hat. Nun wäre der Zufall fast unbegreiflich, dass erst gegen das Ende des 4. Jahrhunderts und bei Griechen und Römern gleichzeitig in Folge der verderbten Aussprache ein so merkwürdiges Ereigniss, wie der Uebergang der quantitirenden zur accentuirenden Dichtungsform es ist, sich vollzogen habe. Dass ferner auch bei den Griechen nicht die accentuirten Silben an Stelle der vom Versaccent getroffenen langen Silben getreten sind, das wird später gezeigt werden. Demnach ist 1) durch Nichts wahrscheinlich zu machen, dass bei den Griechen oder bei den Römern die rythmische Dichtungsform ur- sprünglich sei, aber in den Zeiten vor Christus nur noch vom gemeinen Mann angewandt worden wäre; ja diese Annahme ist fast mit Gewissheit als falsch zu erklären, da in den so vielartigen und zahlreichen Resten der alten Literatur sich von Dichtungen jener Art auch nicht der kleinste Rest mit Sicherheit nachweisen lässt. Es ist 2) in hohem Grade un- wahrscheinlich, dass dadurch, dass die Aussprache verschlechtert war und nicht mehr die Länge oder Kürze, sondern nur die starke oder schwache Betonung der Silben beachtet wurde, im Laufe der Kaiserzeit im Versbau die stark betonten Silben an Stelle der vom Versaccent ge- troffenen langen und die schwach betonten Silben an Stelle der vom Vers- accent nicht getroffenen langen oder kurzen gesetzt worden seien. Denn nach diesem einfachen, für uns Deutsche zuletzt von Opitz wieder entdeckten, Gesetze wäre die Nachbildung der jambischen und trochäischen Zeilen sehr leicht gewesen. Allein da in den frühesten rythmischen Dichtungen der Griechen und Römer kein bestimmter jambischer oder trochäischer Tonfall festgehalten ist, so erhellt, dass die Dichter jenes einfachen Ge- setzes sich nicht bewusst waren. Widerspricht diese eine EigenthümJich- keit der rythmischen Dichtung geradezu den gewöhnlichen Ansichten

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vom Ursprung derselben, so haben andererseits die alten und die ältesten lateinischen Rythraen eine Reihe von Eigenthümlichkeiten geraeinsam, deren Ursprung sich nach jenen Ansichten nicht erklären lässt Da ich den Bau der Fünfzehnsilber, der Achtsilber und der seit 1100 unter- gegangenen Zwölfsilber mit jambischem Schlüsse und anderer Zeilenartan schon früher ausführlich dargelegt habe (Rythmen S. 45 109), will ich hier einige seltnere Arten als Beispiel behandeln.

Verschiedene rythmische Hexameter.

Nicht weit verbreitet und früh untergegangen sind die rythmischen Nachbildungen des Hexameters (vgl. Rythmen S. 190 192). Eine An- zahl von Grabinschriften longobardischer Fürsten und hoher Geistlichen aus den Jahren 700 750 ist in Versen der Art geschrieben: Si meritis iacentum | piis laus datur sepulchri hie tumulus laudandus j manetque (quem?) funere tanto inclitus confessor | dei Damianus beavit civiumque (qui) lumen [ extitit et gloria vatum. Oder: Hie Sacra beati j membra Cumiani solvuntur cuius coelum penetrans | anima cum angelis gaudet. Diese Verse, an den Hauptstätten der damaligen Schulbildung ver- fasst, hätten den Todten und den Dichtern nur Spott und Schande eingetragen, wenn sie quantitirende Hexameter sein sollten; sie können nur das sein, als was eine Handschrift des 9. Jahrhunderts die Grab- schrift des Damian durch den Zusatz RITHM . bezeichnet , nemlich nach dem Wortaccent betonte Nachbildungen des quantitirenden Hexa- meters. Deren Auftreten erregt keine Verwunderung; denn es herrschte damals Freude an der rythmischen Dichtung und die geschicktesten Dichter machten bald rythmische bald quantitirende Verse.

Die Dichter der rythmischen Hexameter geriethen allerdings in be- sondere Schwierigkeiten. Denn das Grundprinzip der rythmischen Dichtung verlangt Gleichheit der Silbenzahl in allen sich entsprechenden Zeilen und Halbzeilen: der Bau des Hexameters verlangt Ungleichheit Der Tonfall des Hexameters Hess sich nicht nachbilden; denn lauter reine Daktylen durften nicht genommen werden und Spondeen können in der

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lateinischen Rythmik fast nicht gebildet worden; und selbst, wenn sie die Nachbildung des Tonfalls auf den Schluss der Zeile und der Halb- zeile beschränkten, kamen sie nicht durch. Denn die männliche Caesur wie 'arma virumque cano' oder Italiam fatö kann in der rythmischen Poesie nicht nachgebildet werden, da jedes lateinische Wort den Haupt- accent auf der vorletzten oder drittletzten Silbe hat, nie auf der letzten oder viertletzten. So ist es nicht zu verwundern, dass fast jeder dieser Dichter seine besonderen Eigenthümlichkeiten hat, je nachdem er mehr die Silbenzahl oder den Tonfall oder, wie einige, gar noch die Quantität im Auge behielt.

(Silbenzahl.) Die longobardischen Inschriften haben vor der Caesur nie bloss 5 Silben, sondern meistens 6 oder 7, selten 8; nach der Caesur meistens 8 oder 9, selten 7 Silben. So beträgt die Gesammt- zahl der Silben meistens 15, selten 14 oder 16 und sehr selten 13 oder 17.

Was den Tonfall betrifft, sind zunächst die Schlüsse zu betrachten. Der Zeilenschluss liess sich leicht nachbilden, und so haben die letzten 5 Silben aller rythmischen Hexameter den Tonfall -^ « « -^ « ; einsilbige Schlusswörter sind natürlich auch hier gemieden. In der Mitte liess sich Xiur der seltene weibliche, nicht der regelrechte männliche Caesurschluss nachbilden; dess wegen gehen hier die Gedichte am weitesten auseinander; die einen schliessen mit -^ w mültos, die andern mit -^ w ^ hömines, die meisten wechseln mit beiden Arten. In den Stücken vor diesen Schlüssen wird der Tonfall des Hexameters nicht mehr nachgeahmt, z. B.

inclitüs confessor | dei Dämianus beavit

sümpsit säcerdötiüm | et verba mystica plebi.

In grege dominico | pdscens oviculas Christi.

Hie Sacra beäti { membra Cümiäni solvuntur. Nur scheuten manche Dichter in diesen Stücken (durchaus nicht im 5. Fuss) die Verwendung dessen, was ich rein daktylischen Schluss ge- nannt habe (Rythmen S. 123 128), d. h. der Wörter die mit 2 unbe- tonten Silben schliessen. Im Gedicht auf den heil. Cumian vom Jahre 736 ist im 4. Fuss überhaupt der daktylische Tonfall vermieden, indem von den 16 Zeilen (abgesehen von dem unsichern 8.) 3 mit ^ -^ s^ ut felix modo credatur, die andern 12 mit -^ w - w membra Cümmni solvuntur

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beginnen. In den meisten Gedichten geht dem 5. Fasse wohl eine be- tonte und 2 unbetonte Silben voran, allein dieselben sind stets auf zwei Wörter vertheilt, wie päscens oviculas Christi und nur einmal bilden sie Wortschluss, in gubemrfcWa tenuit regni.

Im Schlüsse der rythmischen Hexameter ist, wie bemerkt, der Ton- fall des 5. und 6. Fusses nachgebildet, wie 'datur sepülchri . münere data . nimium plüres . pläcidae mänus\ In manchen Gedichten wird hier eine sonderbare Art von Quantität beobachtet. Denn während die Hebungen des 5. und 6. Fusses unbedenklich mit Kürzen gefüllt werden, wie tenuit aüdax . bellica dücem, sind die Senkungen des 5. Fusses zwar durch Naturlängen, aber nicht durch Positionslängen gebildet, also wohl moribus prudentiä poUens, praestantissimö nato, allein nicht 'dätür se- pülchri' 'nimiom plures*. Von den longobardischen Inschriften haben nur die kleinen auf Ansprand von 712 und auf Audoald von 718 diese halbe Quantität im 5. Fusse beobachtet; allein später werden sich andere Beispiele bieten*).

Der Versbau der sechszeillgen Räthsel (Beilage No. III).

Mone, Riese und E. Schenkl erkannten nicht den Bau dieser Zeilen. Es sind, wie M. Haupt kurz sie bezeichnete, rythmische Hexameter. In Hinsicht auf die Silbenzahl hat der Dichter die Nachbildung des quantitirenden Hexameters fast ganz aufgegeben und dem Gesetz der rythmischen Dichtung gehorcht: Seine Zeilen haben durchaus gleich viele

1) Dass diese besondere Art von Metrik weiter verbreitet war, zeigen die Gedichte Albars (um 850), auf die L. Traube mich aufmerksam machte. Albar rühmt seine Verse als heroische oder ipetrische, nicht rythmische; allein er meidet es nur, die Kürzen des Daktylus durch Positions- oder Consonantenlängen zu füllen, föllt sie aber oft genug durch Vokallängen; z. B.

Et pedibus metricis rithmi contemnite monstra

Que segnis harrans floxus sie rancide sannas

Devio mugitu pangit ut cantica turpet

Ecclesiae, plevis quae semper fulgida claret. Er schreibt ofb in stärkster Keimprosa. Das kann er aus der früheren lateinischen Literatur geerbt haben; er kann es aber auch direkt aus dem Arabischen gelernt haben; denn in einer merkwürdigen Stelle (im Indiculus lumin. bei Migne 121, 556) spricht er davon, wie ungeschickt die Christen Lateinisch schrieben, wie geschickt sie dagegen die Reimkünste (finales clausula» unius Htterae coartatione decorent: Tiradenreim V) der Araber nachmachten.

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Silben, 6 in der 1., 8 in der 2. Halbzeile. Wo mehr Silben zu stehen scheinen, werden 2 Vokale zusammengezogen; so in dem Stücke zu 6 Silben 28, 3 exiguos conläpsa, und in den Stücken zu 8 Silben: 14, 5 sie creant ülii nepotes. 19, 3 gladio divellor a ventre. 25, 3 fa^ies et nomina multa. 32, 3 si non absorbuero matrem. 45, 5 miros eflScio sapores. 52, 3 concrescunt hlii latebris. 57, 2 longa per atria ingiens. 60, 5 faciem sed cuncti mirantur.

Was die Hauptsache, die Betonung betrifft, so ist der Dichter hierin sehr peinlich. Die Schlüsse sind streng und regelmässig gebildet. Im Zeilenschluss haben die letzten 5 Silben stets den Tonfall -^ w yj -^k,; imCaesurschluss hat der Dichter, wie ich schon Rythmen S. 1 9 2 be- merkt hatte, für nur einen festen Schluss, den trochäischen ^), sich ent- schieden. Bücheier und Brandt haben das nicht beachtet; denn die Schlüsse 19, 3 dum nascor gladio. 54, 6 nam stantes minimum. (59, 5 imber nix glacies. Brandt S. 104) sind nur ihre irrigen Vermuthungen. 22, 3 ist die von Brandt angenommene Lesart der Handschrift B modicos operans cibos egena requiro (vom Schafe) nur ein recht ungeschickter Schreibfehler für das richtige oberrans der andern Handschriften.

Vor diesen gebundenen Schlüssen ist der Tonfall frei gegeben, jedoch nur unter gewissen Bedingungen. Der Anfang der 1. Halbzeilen hat in der Regel den Tonfall -i- w -^, wie ego nata duos; tertia me mater; et in nüUo patris. Aber in 55 Versen unter den 372 ist der Ton auf die 2. Silbe gerückt und zwar so, dass in etwa 26 Versen ein ein- und ein zweisilbiges Wort den Anfang bildet, wie me päter ignitus, in etwa 22 ein viersilbiges florigeras fero. dissimilem sibi, nur in 6 ein ein- und ein dreisilbiges 11, 2 dum iäceo multos (vgl. 1, 4. 31, 4. 35, 4, 57, 4. 59, 1). Dagegen sind unmittelbar im Anfange der ersten wie der zweiten Halbzeile die dreisilbigen Wörter merkwürdigen Regeln unterworfen. Im Anfange der 1. Halbzeile ist ein dreisilbiges in der Mitte betontes Wort, wie surrecta, verboten, im Anfange der zweiten Halbzeile sind nur diese gestattet und die dreisilbigen daktylischen Wörter, wie ömnia, ver-

1) Ich weise nicht, ob nicht hieraus entwickelt ist die im Grossen und Ganzen mir unver- ständliche These von Seb. Dehner (Hadriani Reliquiae, Bonner Dissert. 1883 These no. 7) : Sumuia hexametri yul^ris lex est non depravatio heroici hexametri sed commixtio rythmi dactjlici Cpoeiie- riore hemistichio) cum rythmo trochaico (priore hemistichio) simul accedente verborum accentti.

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boten. Denn im Anfange der 1. Halbzeile von 14, 2 und 15, 4 ist, wie öfter, zu betonen annis que peractis; nüUum que de ramis; der Vers 7, 3 implettis invisis domus sed vacua rebus ist mir überhaupt unver- ständlich; in 16, 6 acetum eructant exta (reclusa) saporem wird, da auch das Metrum dagegen ist. Niemand mit Brandt acetum = acidum nehmen, sondern acidum corrigiren. So bleibt nur 33, 3 extremos ad brumae me prima confero menses, wo zu stellen ist ad extremos brumae.

Im Anfange der 2. Halbzeile sind nur 2 Silben frei; diese haben bald den Tonfall ^ -^, bald '- ^: ut ndscar creat urendo; älter qui mörte finitur; der letztere Tonfall scheint sogar beliebter; denn ich sehe keinen andern Grund für die häufigen sonderbaren Stellungen:

4, 4 plures fero libens, | meo dum stabulo versor.

5, 4 vestibus exutam | turpi me modo relinquunt. 11, 1 mortua maiorem | vivens quam porto laborem. 20, 5 milia me quaerunt, | dies sed invenit una.

Dagegen dreisilbige Wörter mit eben diesem daktylischen Tonfall sind an dieser Stelle verboten: Also ist 27, 3 die Lesart der Handschrift L vestibus sub meis [ non queo cernere solem (non quero A V) der von B nequeo unbedingt vorzuziehen. Nur in den Versen

6, 6 et amica libens | öscula pörrigo cunctis 28, 2 qua repleta parva | vülera magna produco. 38, 6 et aestivo rursus | ignibus trädo coquendos. hat der Dichter sich Ausnahmen gestattet, die kaum angetastet werden dürfen, wenn auch die interpolirte Handschrift F 28, 2 produco vellera magna und 38, 6 den quantitirenden Hexameter 'rursus et aestivo co- quendos ignibus apto* bietet.

Höchst merkwürdig ist die Berücksichtigung der Quantität im 5. und 6. Fusse.^) Die fünfte Hebung ist frei gegeben, also findet sich auch cr^at urendo. conc/pio prolem. Dagegen für die sechste Hebung hat der Dichter quantitätslange Silben gesucht. Bei den dreisilbigen

1) Brandt (8. 105j drückt sich 80 aus: In quinto et sexto pede legitimi hexametri valet memoria, cuius modo procul habeas iustam syllabarum quantitatem, illi semper referunt speciem. sed ne illa quidem plane neglecta: paenultima enim versus syllaba semper sive natura sive positione longa exceptis bis locia . . . en Toces dissylabas, quales maxime inclinare solebant ad eam licentiam.

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Schlusswörtern (vier- oder mehrsilbige kommen auch bei diesem Dichter nicht vor) versteht sich das von selbst; denn wenn sie den Wortaccent auf der vorletzten Silbe haben^ muss dieselbe auch von Natur lang sein ; allein auch unter den 234 zweisilbigen Schlusswörtern finden sich nur folgende mit kurzer vorletzter Silbe: 4, 1 locis. 7, 2 vetor. 9, 1 ego. 9, 6 loco. 10, 6 valet. 15, 5 edit. 16, 5 caro. 42, 4 cupit. 49, 4 vias. 59, 0 nocent. 61, 1 locis, während im Schluss der ersten Halbzeile unter 270 zweisilbigen Wörtern 105 mit kurzer vorletzter Silbe stehen. In den Senkungen des fünften Fusses wird die oben (S. 278) bezeichnete halbe Quantität beobachtet: es stehen hier naturlange, aber nicht positions- lange Silben ; so sind ganz gewöhnlich die Fälle, wie morte ftnitur. cuncti requirunt. visu mirantur; dagegen die Ausnahmen sind sehr selten: in 5, 6 ist die Lesart von B per anguZos versant (statt angula der übrigen Handschriften) wohl nur Correctur eines ängstlichen Grammatikers; 27. 2 haben statt des columna virdisco von B die andern Handschriften c. viresco und 14, 6, ist statt dolons salutem sicher dolori zu lesen. Dagegen müssen, so leicht sie auch zum Theil zu ändern wären, wohl unangetastet bleiben die Ausnahmen in 5, 5 pro bonis mala r^rfduntur; 23, 1 generat mater; 26, 6 produco cordis saporem; mafer figuram; (48, 1 gerens figuras); 61, 6 mxmquam videbit.

Der Hiatus^) wird von diesem Dichter fast gänzlich gemieden (auch 9, 1 ist wohl aevo Heva statt Eva zu schreiben); doch dürfen die wenigen überlieferten Fälle (47, 4 vocem non profero uUam; 61, 2 sine radice immenses. 61, 4 viae ego) nur desshalb nicht geändert werden.

Diese Gesetze vermochte ich im Bau dieser Zeilen zu erkennen. Gruppirt sind dieselben so, dass immer zwei zusammengehören und nach jedem 2. wie 4. Verse völliger Sinneschluss stattfindet, welcher stets durch einen Punkt bezeichnet werden kann. Durch dieses Paar- gesetz allein schon werden manche Versumstellungen widerlegt, die früher versucht worden sind. Ich habe die rythmischen Hexameter longobardische genannt (Rythmen S. 190), weil ich sie nur in lom- bardischen Inschriften von 700 750 n. Chr. fand. Wie später gezeigt

1) D. h. schliessender Vokal vor anfangendem; denn schliessendea m vor Vokalanfang wird von keinem rythm. Dichter vermieden.

Abb. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 37

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wird, weist der Inhalt dieser Räthsel ebenfalls in die Lombardei und passt die Sprache gut in das 8. Jahrhundert; in diese Zeit passt auch der Versbau, dessen hervorstechendste Merkmale die Gleichheit der Silben- zahl, die Betonung des Schlusses der 1. Halbzeile, die Behandlung der dreisilbigen Wörter im Anfang beider Halbzeilen, die Beachtung der Quantität in der 5. Senkung und in d^r 6. Hebung und endlich das Paargesetz der Zeilen sind.

Versbau der Exhortatio poenitendi (Beilage No. IV).

Einfpich sind die Gesetze dieser rythmischen Hexameter, welche auch Haussen (de arte metrica Commodiani) erkannt hat. Die Langzeile zer- fällt in zwei ungleiche Halbzeilen. Die erste zählt entweder 6 oder 7, die zweite entweder 8 oder 9 Silben. Wenn die erste Halbzeile 6 Silben zählt, so hat sie trochäischen, wenn 7, jambischen Schluss, also immo puniendo oder mens confusa taediis. Die letzten 5 Silben der zweiten Halbzeile bilden den Tonfall des Hexameterschlusses ^ ^ w w nach, also lüce percurris. Vor diesen Schlüssen ist der Tonfall frei gegeben ohne weitere Feinheiten; also neben ^immo pümendo' auch \ihiecit te mundus^, neben mens confusa taediis^ auch ^cur flücfuas anima*; dann neben Htinera devia carpens* oder ^quae impie gesserat diem' auch ^sensus tui cöUige gressus', aber neben ^subdücta lüce percurrunt' nur 'cörde di- vülsa propellas*, während ein rein daktylisches Wort, wie in 'dominus poenam minatur*, auch in diesem Gedicht nicht den Anfang der 2. Halb- zeile bildet.

Hiatus ist wenig gemieden; 8 Mal findet er sich zwischen den Halbzeilen, 16 Mal innerhalb derselben. Die Quantität der Silben ist nirgends beachtet, auch nicht im 5. oder 6. Fusse. Die üngebundenheit, mit welcher dieser Dichter arbeitete, zeigt sich auch in der Gruppirung der Verse. Denn unbestreitbar herrscht die Regel, dass immer 2 Verse zusammengehören und nach jedem Paare Sinnespause stattfindet. Dass dieses Fanrgesetz so oft verletzt ist (V. 28. 88. 102.. 129. 142. 153. 158. 161), möchte ich nicht der Unsicherheit des Textes zuschreiben, so gross diese auch noch ist, sondern der Üngebundenheit des Dichters. Die

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Bemerkungen über das Gedicht selbst werden ergeben, das Nichts da- gegen spricht, auch dieses Gedicht in die Zeit der longobardischen In- schriften zu setzen.

Lamentum poenitentiae (Beilage No. IV).

Der Bau rythmischer Hexameter war eine Verirrung, da dieselben dem Hauptgesetz der rythmischen Dichtung, der Gleichheit der Silben- zahl, zu sehr widerstreben. In den zahlreichen rythmischen Gedichten der alten Zeit galten die strengen Gesetze, die ich an anderm Orte (Rythmen S. 45 64) dargelegt habe. Als Beispiel derselben sei hier kurz das 'Lamentum poenitentiae' besprochen, die Fortsetzung der Exhortatio poenitendi (Beilage No. IV).

Diese 330 Zeilen haben stets 15 Silben, die in 2 Halbzeilen, zu 8 und zu 7, sich scheiden. Die 1. Halbzeile hat stet« trochäischen, die 2. jambischen Schluss. Vor diesen regelmässig betonten Schlüssen ist, dem Wesen der lateinischen Sprache gemäss, der Tonfall meistens trochäisch, allein er wird auch oft genug gewechselt, und zwar in allen möglichen Spielarten ohne Vermeidung daktylischer Wörter oder Wortschlüsse. So finden sich in der 1. Halbzeile neben den (218) regelmässig betonten Fällen, wie pülso rögans tota die, die Variationen: accipite dicens illis (39 V.), peccävi tibi peccavi (10 V.), hdbeain münere tuo (63 V.); in der 2. Halbzeile findet sich neben den (241) regelmässig betonten Fällen, wie vocem fletus elevans, in 89 Versen die einzige mögliche Variation, wie liquesco formidine. Hiatus ist auch hier wenig gemieden; er steht zwischen den beiden Halbzeilen 1 5 Mal, innerhalb einer Halbzeile 2 1 Mal. Diese fünfzehnsilbigen Zeilen sind, wie oft, in Strophen von je 3 Zeilen gruppirt und diese Strophen haben die fortlaufenden Buchstaben des Alphabets als Initialen, hier mit der seltenen Häufung, dass mit A 60 Strophen, mit B 7, mit C bis L je 2, mit M 3, mit N 7, mit 0 bis R je 2 und mit S bis Z je eine Strophe beginnen.

Die alten rythmischen Gedichte in lateinischer Sprache haben also in den sich entsprechenden Zeilen und Halbzeilen gleich viel Silben und gleich betonte Schlüsse; vor diesen Schlüssen ist der Tonfall frei, d. h. die Silben werden nur gezählt. Die Zeilen sind meistens zu Strophen

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gruppirt; die Initialen bilden oft das Alphabet oder bestimmte Wörter; die Zeilenschlüsse sind oft durch allerdings unvollkommenen Reim ge- bunden.

Augustins Psalm oontra partem Donati.

Von diesem ältesten Denkmal der lateinischen rythmischen Dichtung (vgl. meine Rythmen S. 89) sagt Augustin (Retractationes I, 20) selbst: Psalmus contra partem Donati; liber unus. Volens etiam causam Dona- tistarum ad ipsius humillimi- vulgi et omnino imperitorum atque idio- tarum notitiam pervenire et eorum quantum fieri posset per nos in- haerere memoriae, Psalmum qui eis cantaretur, per latinas litteras feci (a. 393/394), sed usque ad V litteram. tales autem abecedarios appellant. tres vero ultimas (d. h. die nicht lateinischen X Y Z) omisi; sed pro eis novissimum quasi epilogum adiunxi, tanquam eos mater alloqueretur Ecclesia. Hypopsalma etiam quod responderetur et prooemium causae quod nihilominus cantaretur, non sunt in ordine litterarum: earum quippe ordo incipit post prooemium. ideo autem non aliquo carminis genere id fieri volui, ne me necessitas metrica ad aliqua verba quae vulgo minus sunt usitata compelleret. iste psalmus sie incipit: Omnts qui gaudetia de pace modo verum iudicate, quod eins hypopsalma est.

Wegen der besonderen Wichtigkeit dieses Psalmes ist ein möglichst sicherer Text zu wünschen. Die Benedictiner hatten ihn herausgegeben 'denuo recognitum ad antiquiores editiones Joannis Amerbachii, Des. Erasmi ac Lovaniensium theologorum et ad variantes lectiones veterum codicum Belgicorum Cambronensis ac Endoviensis'. Du Meril, Poesies popul. a. 1843 p. 12Q, druckte ihn aus der Benedictinerausgabe ab, doch mit Fehlern (so fehlen in Strophe D nach der 5. Zeile Cum Carthagineni venissent episcopum ordinäre die 2 Zeilen: Invenerunt Caecilianum | iam ordinatum in sua sede | Irati sunt quia ipsi | non potuerunt ordinäre) und mit eigenen, meist unwahrscheinlichen Aenderungen. Ich hätte gern einen möglichst nach Handschriften gereinigten Text dieser Abhandlung beigegeben, allein trotz alles Suchens gelang es mir nicht eine Hand- sclirift dieses Psalmes zu finden; in den Catalogen der grossen Biblio- tlieken fand ich Nichts und spezielles Suchen in den Bibliotheken von

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Briissel, Paris, Vatican und Montecassino hatte ebenfalls keinen Erfolg. Es wäre also dringend zu wünschen, dass wo auch nur immer eine Handschrift dieses Stückes gefunden wird, dieselbe besonderer Aufmerk- samkeit gewürdigt werde.

Die Bestimmung der Silbenzahl macht hier besondere Schwierig- keiteo. Die durch den Reim e kenntlichen Langzeilen zerfallen stets in 2 Halbzeilen. Liest man dieselben wie die übrigen rythmischen Zeilen, so ergeben sich neben der Mehrzahl zu 8 Silben eine grosse Zahl zu 1> und eine kleine zu 10 oder gar zu 11 oder nur zu 7 Silben. Den rich- tigen Weg zeigt die Bildung der Schlüsse. Dieselben sind fast in allen Zeilen trochäisch; in einigen neunsilbigen finden sich Schlüsse, wie datum est; in etwa 22 neunsilbigen Zeilen finden sich die Schlüsse hödie, veniat, nescio, sententiae, iudicio etc., d. h. ein (unbetontes) i mit einem andern VokaL Dagegen findet sich kein Schluss, wie efficit.') Hieraus erhellt, dass Augustin sich 2 Freiheiten gestattet hat: 1) Vocalverschmelzung, 2) Elision. Durch Anwendung dieser beiden Freiheiten werden erstens alle Schlüsse trochäisch, dann von jenen Halbzeilen, die 9, 10 oder 11 Silben zählen, sehr viele achtsilbig. Wir müssen, um das zu er- reichen, etwa 120 Elisionen annehmen, von denen 4 Mal je 2 in einer Halbzeile stehen, wie B 10 factum altare contra altare, und etwa 22 mit Vocalverschmelzung in demselben Verse, wie E 9 inde alios infa- maverunt. H 5 sed haec tam iniusta petitio. F 8 fieri altare contra altare, Vokalverschmelzung ist, um achtsilbige Halbzeilen zu ge- winnen, in etwa 90 Fällen anzunehmen. In etwa 13 Fällen ist e oder u (F 8 videamus, N 4 gaudeamus, 0 12 palea, S 4 ideo, C 7 suis, D 7 potuerunt, epil. 19 suum; vgl. I 6. L 9. M 9), in allen übrigen Fällen i mit einem folgenden Vocal zu verschmelzen. Besonders gehäuft sind diese Verschmelzungen in L 9 habeat paleas area vestra, M 9 et postea moriatur inde. 22 fallen, wie oben erwähnt, in den Zeilenschluss, wie 0 4 misit in'messem operarios, R 4 vobis communicant hodie, T 1 talis si quis ad te veniat. In 19 Fällen finden sich in derselben Halbzeile noch 1 oder 2 Elisionen, wie I 6 ut quod postea iudicatum est. H 8

ll Uenn B 11 spem ponimt in liomine, R 6 Legite quomodo adu/(en ^ puniantur in sancta ksf^, Epil, 12 Jussit me apostolus sind wohl verdorben.

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Caecilianum cum illo audire. epil. 17 missuri essent dona ecclesiae; die contrahirten Vocale fallen durch Elision weg in H 11 hie petitio illa probatur und S 6 quia ipsam formam habet sarmentum. Zwei Ver- schmelzungen in derselben Halbzeile finden sich M 7 quia scriptum est reconde gladiuni.

Durch die Annahme der Vocalverschmelzung und der Elision wird so eine grosse Zahl von neun-, zehn- und elfsilbigen Halbzeilen zu acht- silbigen. Anderseits gibt es eine Anzahl achtsilbiger Halbzeilen, welche nur dann achtsilbig bleiben, wenn wir Vocalverschmelzung oder Elision nicht annehmen. So etwa 22 Verse, wie A 2 voluit nos praemonere, A 11 quando retia ruperunt, D 9 impii fures superbi. Dieser Fall ist minder auffallend, da ja auch in den altlateinischen Versen mens tuus bald ein- bald zweisilbig ist. Auffallender ist dass, um den achtsilbigen Vers nicht zu einem siebensilbigen zu machen, in etwa 11 Zeilen die EHsion nicht angenommen werden darf; so D 5 episcopum ordinäre, D 7 irati sunt quia ipsi, K 9 quare ergo consensistis; vgl. G 8. M 11. Q 2. R 10. 11. S 6. T. 8. Epil. 3.^)

Wenn wir aber auch All' dieses thun zu Gunsten der achtsilbigen Halbzeilen, dass wir, um 9, 10 und 11 silbige Zeilen zu vermeiden, Eli- sionen und Vokalverschmelzungen annehmen, und wiederum, um 7 silbige zu vermeiden, Elision und Vokalverscbmelzung nicht annehmen, selbst dann kommen wir mit der gangbaren Ansicht nicht durch, dass Augustin achtsilbige Halbzeilen verfasst habe. Das zeigen die Halbzeilen, die sicher 9 oder 7 Silben haben: Die Repetitio: Omnes qui gaudetis de pace (9). B 3 Sic fecerunt scissuram (7). B 11 spem ponunt in homine (7, wohl falsch). E 1 Ecce quam bonum et quam iucundum (9 = Psalm. 132, 1). E 10 Per illos caeteri erraverunt (9). F 2 Non iudices sederunt (7, con- sederunt Erasmics). G 12 cum totum vellent perturbare (9). I 2 Quod postea fecit (6, sicher falsch). I 5 Quid curritis ad schisma (7). I 9 Et nunc et vos totum nescitis (9). M 2 Vel legem regis referebat (9). N 5 Si qui mali sunt in ecclesia (9). 0 6 ecclesias impleuerunt caste (9).

1) Zu betonen scheint, um einsilbigen Schluss zu vermeiden : 0 3 Quod illos tamquam aream suam und Epil. 4 Et dicunt: o filii mßi. P 1 Pone in corde areas duas ut possis quod dico in corde videre ist wohl zu ändern Pone areas duas ut possis quod dico in corde videre.

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P 2 Gerte et priores habebant sanctos (9). Q 3 Habet enim domini ex- enapluin (9). Q 10 Ut quando non possunt excludi (9). R 6 Legite quomodo adulteri (9, wohl falsch). T 12 Et tarnen Christianum talem audes rebaptizare (8 + 7 oder 7 -f- 8)- Epil. 2 potestis et considerare (9). 12 Jussit me apostolus | pro regibus mundi orare (6 oder 7 -f- 8, wohl falsch). 14 Si filii estis, quid invidetis, | quia auditae sunt preces meae? (9 + 8). 29 Cantamus vobis, fratres, | pacem si vultis audire (7 + 8). Das sind etwa 14 Halbzeilen zu 9 und 7 zu 7 Silben, wo man Zeilen zu 8 Silben nicht herstellen kann, wenn man nicht zu solchen Mitteln, wie considrare, greifen will. Demnach bleibt der Schluss, dass, obgleich viele scheinbar neun-, zehn- oder elfsilbige Zeilen durch Annahme von Elisionen und zum Theil sehr harten Vokalverschmelzungen, und ziemlich viele siebensilbige durch Annahme von Hiatus oder Nichtannahme von Vokalverschmelzung sich als achtsilbige erklären lassen, dennoch neben der grossen üeberzahl der achtsilbigen Halbzeilen manche neunsilbige und einige siebensilbige von Augustin selbst zugelassen sind.

Die Anwendung der Elision ist bei Augustin nicht auffallend, da ja die Dichter seiner Zeit sie noch häufig anwendeten. Sehr auffallend ist aber die übergrosse Anwendung der Vokalverschmelzungen. Da dieselben in dieser Fülle und Härte selbst bei den altlateinischen Dichtern auf- fallend wären, aber bei dem seltenen Gebrauche der Vokalschmelzung bei den spätlateinischen Dichtern sich durchaus nicht erklären lassen, so muss ein anderes Beispiel vorliegen, das Augustin nachahmte. Ver- gleichen wir den Gebrauch des Augustin mit den Rythmen der älteren Zeit, so glaube ich (Rythmen S. 51 u. 83) nachgewiesen zu haben, dass Elision sich in denselben nicht beweisen lässt; dagegen ist Vokal Ver- schmelzung noch in der Karolingerzeit häufig (vgl. Rythmen S. 50/51); nicht selten wird die regelmässige Silbenzahl überschritten (ebenda S. 50. 60), hie und da vielleicht nicht erreicht (ebenda S. 60/61).

In Rücksicht auf den Tonfall ist zunächst der Schluss der Halb- zeilen zu betrachten. Wie oben bemerkt, steht fast immer der Accent auf der vorletzten Silbe; die 22 Schlüsse wie veniat iudicio stehen in neun- oder mehrsilbigen Zeilen, sind also mit Verschmelzung der beiden letzten Vocale zu einer Silbe zu lesen, so dass hier ebenfalls trochäischer Schluss entsteht. Die drei Schlüsse homine, adulteri und apostolus (B 11. R 6.

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Epil. 12) stehen in sieben- oder neunsilbigen Halbzeilen, sind also wohl falsch überliefert; L 4 Quibus si et nos non credimus, | erit rixa sine fine ist wohl credemus zu schreiben. Vor dem trochäischen Schluss ist der Tonfall völlig frei und, da die zahlreichen in Elision oder Vokalver- fichmelzung stehenden Silben doch auch noch gehört werden mussten, muss die Melodie, nach der diese Langzeilen gesungen wurden, ziemlich dehn- bar gewesen sein. Von Beobachtung der Quantität ist auch im Schlüsse keine Rede, höchstens dass die zweisDbigen Schluss Wörter mit langer vorletzter Silbe bedeutend zahlreicher sind als die mit kurzer (mare oft, ßcelusj reuSj erat, mali, vetet, habet, vocant, cruce, vale, erant, fide, datum, dare, bonum, viros, vide, mei).

Was die Gruppirung betriflft, so bilden je 2 Halbzeilen eine Lang- Äeüe, deren Schluss mit dem der andern Langzeilen reimt. Der Anfang des Gedichtes fehlt uns (prooemium causae, quod nihilominus canta- retur); wir haben ausser der Refrainzeile noch 266 Zeilen, die zusammen- gestellt sind in 20 Strophen zu 236 Zeilen und einen Epilog zu 30 Zeilen. Von jenen 20 Strophen bestehen 18 aus 12, 2 (C und Q) aus 10 Zeilen, die Initialen dieser Strophen werden durch die Buchstaben A bis V ge- bildet (Abecedarius). Innerhalb dieser grossen Strophen vermochte ich keine weitere regelmässige Gruppirung der Zeilen zu erkennen.

Fast die merkwürdigste Eigenthümlichkeit dieses Gedichtes ist der Reim: alle 267 Langzeilen endigen auf e (oder ae), ohne Rücksicht ob dasselbe lang oder kurz ist.

Der Versbau Commodians.

Gennadius (De scriptoribus ecclesiasticis um das Jahr 500) schreibt: Commodianus dum inter saeculares literas etiam nostras legit, occasionem accepit fidei. factus itaque Christianus et volens aliquid studiorum muneris offerre Christo, suae salutis auctori, scripsit mediocri sermone quasi versu libruni adversus paganos . . vili satis et crasso ut ita dixerim sensu. Wir haben von Commodian etwa 2000 Zeilen. Das eine Tausend, die Iftstructiones, eine Sammlung kleinerer Gedichte, nach Dombarts Unter- suchungen (Hilgenfelds Zeitschrift f. wissenschaftl. Theologie 22, S. 36) kurz nach 250 veröffentlicht, ist seit zwei Jahrhunderten (a. 1649)

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bekannt, das andere Tausend, ein etwa 249 n. Chr. entstandenes zu- sammenhängendes Gedicht, worin die Hauptlehren der Christen dargelegt und die Lehren der Juden und Heiden widerlegt werden, wurde von Cardinal Pitra gefunden und im 1. Bande seines Spicilegium Solesmense 1852 mit dem Titel Carmen apologeücum zum ersten Male veröffentlicht. Da der Text der Instructiones sehr schlecht, dagegen der des Carmen apologeticum besser überliefert ist, und ich durch die besondere Güte des künftigen Herausgebers, des Herrn Dr. Bernhard Dombart, die neue Vergleichung der einzigen Handschrift im Midlehill benützen durfte, so entschloss ich mich, dieser Untersuchung über Commodians Versbau nur das Carmen Apol. (Vers 1 1020) zu Grund zu legen. Für die Erklärung dieses Gedichtes ist Besonderes geleistet in Roensch's Ausgabe (ZeitBchrift für historische Theologie 1872, 163 302), für den Text in der Ausgabe von E. Ludwig (Teubner, 1877), welche ich citire. Die meisten Einzel- heiten des Versbau's hat Friedr. Haussen, de arte metrica Commodiani, (Strassburger Dissert. 1881 = Dissertationes philol. Argentor. V p. 1 90) richtig erkannt; es sind aber nach meiner Ansicht nicht nur manche Eiu- zelheiten nachzutragen, sondern auch die Thatsachen selbst anders zu erklären als sie von Haussen erklärt sind.^)

Die Zeilen Commodians zählen 13 bis 17 Silben, sind also eine Nachahmung des Hexameters; die wenigen Zeilen, welche weniger oder mehr Silben enthalten, sind falsch; so 231. 479 (circumveniamus iusto si qui nobis gravis esse videtur). 504. 643 (post XXXVIII annis para- lyticum surgere iussit). 960; oder 123. 421 (0 mala progenies. subdola fronte). 802 (ecce ianua pulsat et cogitur esse). In der weiteren Nach- ahmung des Hexameters ist nur dessen Hauptform mit Caesur nach der 3. Hebung festgehalten und darnach die Langzeile in zwei Htdbzeilen getheilt. Die erst« Kurzzeile zählt, entweder, den Hexameter mit einer

Länge in der 2. Senkung (-1-^=^-' ^), nachbildend, 5 (selten) oder

6 Silben mit vorletzter langer Silbe, wie Mactabant iustos. Nunc exai-

1) Im Jahresber. d. class. Alterthumsk. XI, 1883, S. 451 bemerkt Hanssen 'Fraglich er- scheint mir nur, wie weit die in der Natur defi Vulgärlateins begründeten Regeln durch UntUhig* keit des Dichters gestört worden sind. In der taktischen Durchfuhrung der Gesetze mit Hilfe der Textkritik mag ich zu weit gegangen sein .

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 38

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tabor. Quis potent unum. Errabam ignarus, oder, den Hexameter mit 2 Kürzen in der 2. Senkung nachbildend (j-^^ -l. s. w ), 6 oder (häufiger) 7 Silben mit vorletzter kurzer Silbe, wie Induxerat eos. Plus eram quam päl6a. Cui summus divitias. Et rüdes edöc6o. In der Halbzeile nach der Caesur kommt es auf die 3. und 4. Senkung an; je nachdem beide mit Längen, oder die eine mit einer Länge, die andere mit 2 Kürzen, oder beide mit je 2 Kürzen gefüllt sind, - , ^ w ^ oder w w -, w w -i- w w , zählt auch das Nachbild bei Commodian 8, 9 oder 10 Silbeo. Wäre schon in rein quantitirenden Hexametern diese stete Beobachtung der nemlichen Caesur auffallend, so hat Commodian die Theilung der Langzeile in 2 Kurzzeilen dadurch noch schärfer markirt, dass er die letzte Silbe der 1. Kurzzeile, obwohl sie eine Hebung repräsentirt, wie Zeilenschluss behandelt, d. h. ihre Quantität nicht beachtet; z. B. 5 Plus eram quam paleä | levior quasi centum adessent, 6 in humeris capitä | sie praeceps quocunque ferebar. 652 Tunc iussit implerö | hydrias ve- locius aqua, 653 quod prius gustavit | et sie ministrari praecepit

In der Prosodie hat Commodian Manches gemeinsam mit andern quantitirenden oder rythmischen Dichtern, Manches ist ihm eigen. Ge- meinsam ist z. B., dass in vielen Eigennamen die Quantität nicht mehr beachtet wird und in den semitischen die letzte Silbe betont werden kann; eigen ist ihm der Gebrauch von aqua und quöque mit vorletzter langer Silbe (Haussen S. 39); deus steht im V. 398 400 488 663 787 954 984 am Schlüsse der ersten Halbzeile so, dass die vorletzte Silbe lang sein müsste ; wenn nun auch &e6^ bei den Griechen und deus bei den spätem lateinischen Rythmikern öfters die Freiheiten eines Eigennamens geniesst, so ist dieses doch bei Commodian nicht wahrscheinlich, da sich deus so im 6. Fusse nicht findet; desshalb ist an all diesen Stellen an- zunehmen, dass die Abschreiber ds und diis verwechselt haben (vgl. Haussen S. XX), was ja noch Pitra passirt ist, z. B. in 696 737 774 954. Hiatus ist durchaus gestattet, was schon Versschlüsse, wie Nomine adsit. humilem adsit. cura de illis. fallacia hostis, zeigen. Elision kommt nur selten bei est vor, was Versschlüsse wie ^Causa resecta est. Victus a summo est' zeigen. Auch Vokalverschmelzung kann, wenn nöthig, angenommen werden, was Versschlüsse, wie ^proflüvio sanäta est filii Judaei* beweisen. Die rythmischen Schulgesetze für den Bau

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des Hexameters (vgl. meine Abhandlung über die Beobachtung des Wort- accents S. 9) hat Commodian gut gekannt und besonders im Schlüsse des Hexameters genau beobachtet Im Zeilenschluss hat er nie 1 einsilbiges Wort und nur in 131 ardua res est (und 124 quaerere fas est) 2 ein- silbige; nur 4 Verse schUessen mit einem viersilbigen, 8 mit einem fünfsilbigen Worte. So stehen im Zeilenschlusse 490 zweisilbige und 500 dreisilbige Wörter. Die 5. Hebung wird nicht durch die Endsilbe eines Wortes gebildet; denn 971 'hyranos per iter deo cantant' hat die Handschrift 'hymnos pariterque decantant*; 320 'morimur stirpis eins omnes Idem' ist mit der Handschrift in 'morimur sie et omnes idemque* zu ändern; in 737 'dominum, quem gentes adorabunt* ist entweder orabunt (vgl. Instr. 1, 41, 14 Christus, quem semper oratis) oder gentes quem adorabunt zu schreiben und in 66 recolligit se sub antro hat man schon sese gebessert; so sind regelmässig die 22 Schlüsse, wie vox mea tantum. et pedes ipsi. (pax vobis inquit 550. 556), und die einzelnen 422 qui nie negarent. 608 si quis evitet.

In Rücksicht der Quantität ist die Hauptfrage, ob Commodian dieselbe genau gekannt hat. Das beweisen die zweisilbigen Wörter im Zeilenschluss. Unter den 65 zweisilbigen Schlusswörtem der Exhortatio poenitendi (vgl. S. 282) finden sich putes. roga. dies. dei. deus. viros. cadunt. bono. erit. Student, pigent. amat. pius: ganz anders steht es mit den 490 zweisilbigen Schlusswörtern des Carmen apologeticum. In V. 16 Nil sibi proponunt | cognoscere; more ferino 17 quaerunt quod rapiant ' aut quorum sanguinem bibant hat die Handschrift das metrisch noth- wendige sanguine, also ist quorum sanguine vi van t zu schreiben. V. 754 Indisciplinati j clementiam dei refugant^ 755 Strenui sectantes | quasi sola vita sit, istam (Strenia und ipsa cod.) ist wohl zu schreiben: Indiscipli- nati I clementiam dei refutant, Terrena sectantes | quasi sola vita sit ipsa. V. 22 quod promptius edunt ist gänzlich unsicher. So bleiben nur die 2 Verse: 547 Et quia de tumulis | resurgeret tertio die und 390 Sed, quia sunt semper | spreti, quod cruenti fuerunt, 391 contra suum do- minum I rebellant dicere magum (magnum cod. magum dicentes Ludw.). Da Commodian, der doch sonst die Quantität der Silben so gründlich missachtet, unter 490 Fällen nur 2 Mal sie vernachlässigt hat, so ergibt sich, dass er die Quantitätsgesetze sehr wohl gekannt hat und,

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dass da, wo er dieselbeti missachtete, er dies mit voller Absicht ge- than hat.

Im Schlüsse der 1. Halbzeile ist die letzte, der 3. Hebung ent- sprechende, Silbe dem Zeilenschluss gleich behandelt, d. h. nach Belieben lang oder kurz; dagegen in der vorletzten, der Senkung des 2. Fusses entsprechenden, Silbe ist die Quantität beobachtet. Nach dem, was vorher (S. 290) bemerkt ist, kann also diese Halbzeile aus 5 oder 6 Silben mit vorletzter Länge und 6 oder 7 Silben mit vorletzter Kürze bestehen; aber Halbzeilen zu 5 Silben mit vorletzter Kürze oder zu 7 Silben mit vorletzter Länge sind ebenso regelwidrig, als quantitirende Hexameter- anfänge mit '- s. -- oder w w - w -- unmöglich sind. Fünfsilbige Halbzeilen mit vorletzter Kürze kommen keine vor, doch, wenigstens in den Aut^gaben, manche siebensilbige mit vorletzter Länge. Die meisten derselben sind leicht zu beseitigen oder durchaus unsicher: so ist V. 78 nee accepit eusdem nur schlechte Conjektur. 80 Qui monetur aut ille: monet codex. 277 Nee pater esset dictus: est cod. 209 agonia immittit: agoniam mittit cod. 257 Inventum est ut ipse: ventum cod. 915 Vix tarnen Invenitur | illi retributio digna: codex adinvenit, was wohl nach dem V* 913 Nee se adinveniunt verschrieben ist statt Vix tamen ad- veniet i, r. d.; vgl. 919 Et merces adveniet (advenient cod.) meritis partita locorum. 172 Nemo deum sciebat: seibat Haussen, vgl. 46 Et nemo seibat codex. 303 Aut si perseveraveris horrescis ipse vivendo: wohl Aut si persenueris. Nur in 2 Versen spricht Nichts als der Vers- bau gegen den Wortlaut: 447 Et in libro psalmorum | de domini morte claiiiatur und 785 Quo tempore nos ipsos | spero iam in litore portans. Aber auch wenn Commodian sich diese 2 Ausnahmen gestattet haben sollte, wird durch die sämmtlichen übrigen Verse die Regel genügend gesichert, dass Commodian nur die männliche Caesur nach der 3. Hebung nachgeahmt hat, also erste Halbzeilen zu 5 Silben mit vorletzter Kürze und zu 7 Silben mit vorletzter Länge vermieden hat.

Wenn die vorletzte Silbe der 1. Halbzeile kurz ist, so müsste eigent- lich auch die drittletzte Silbe kurz sein, da auch quantitirende Anfönge, wie - « oder - w ^ _:_ _ ^ -i-, unmöglich sind. Doch hat Com- modian sowohl am Schluss der ersten, wie der zweiten Halbzeile ein merkwürdiges Gesetz beobachtet. Während nemlich in den vorletzten

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Silben beider Halbzeilen die Quantität streng beobachtet ist, hat Com- modian in der drittletzten Silbe der ersten und in der dritt- und viert- letzten Silbe der zweiten Halbzeile die Quantität nur halb beachtet. Es sind hier von Natur lange Silben unbedenklich zugelassen, dagegen po- sitionslange Silben fast gänzlich gemieden, eine Art Prosodie, die wir oben schon (S. 278) beobachtet gesehen haben (vgl. Haussen p. 48 und unten bei der Geschichte des Reims über Pseudo-Cyprian de resurrectione)* Durch Position lange Silben sind aus der drittletzten Silbe der ersten und aus der dritt- und viertletzten Silbe der zweiten Halbzeile von Haussen durch künstliche Mittel beseitigt worden (S. 54 68), durch Wegfall von schliessendem s, m, n, durch Vokal Verschmelzungen, durch Ausfall von Vokalen; jedoch Hess er selbst S. 53 einige Ausnahmen zu. Gehen wir jedoch die Verse im Carmen apol. durch, die in Ludwigs Ausgabe in den Senkungen des 5. Fusses positionslange Silben haben, so brauchen wir jene künstlichen Mittel Hanssens nicht; die Verse sind fast alle entweder unsicher überliefert oder schlecht geändert und nur in sehr wenigen Versen muss man zugeben, dass Commodian sich die Aus- nahme einer positionslangen Silbe gestattet hat. So ist die Lesart der Handschriften V. 47 Sed deus ut vidit hominum nimis ut pectora clausa in Sed deus ut vidit | hominum nimis pectora clausa zu bessern. V. 52 Sed multos adhibuit testes qui illud declamant: qui de illo declamant codex. 164 sed altera clades accessit: adhesit codex. 206 Quid foria egredimur | adulteri pompam sequentes: pompa sequentes codex richtig» 245 und 246 sind von Haussen berichtigt: Praedictum fuerat | illis ab Esaia (Esaiam cod.) propheta Et Danihelo | similiter perdere (pendere cod.) terram. 338 sed erat Deus curans pro nobis: cura corf., caro Pitra. ^389 sie erit et falsum de illo: falsa cod., erunt? 391 Contra suum do- minum [ rebellant magum dicentes: dicere magnum cod.^ dicere magum oder magnum Pitra. 407 Ut parvulus lactans ' sine pugna praedas teneret. intre* cod , iniret Pitra. 415 Et in vestimentis | meis, dixit, sorteni miserunt: sortemque codex; que steht bei Commodian öfter, wo es kaum zu erklären ist. 417 Fuerunt et tenebrae | factae tribus horis ad sextam: a 1. Hand, ad Correctur im Codex, a sexta Roensch. 479 Hat die Hand- schrift Circumveniamus iusto si qui nobis gravis esse videtur, also vier Silben zu viel; vielleicht Circumveniamus; | nobis gravis esse videtur.

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507 Cum iustum tarn clari et insigni reges bearunt: cum isti tarn clari et insigni reges eorum codex. 591 Uli ferunt laudes | et illi victoriam damnis: ille und victoria codex j vielleicht: et ille victoria damna, jene tragen durch den Sieg Ruhm und dieser Schaden davon. 688 iterum tricesimam quaerit: tricesima querit codex. 696 Unum quaere dominum | qui quaerit hostiam nuUam: ostia nulla codex. 702 Semper homicidae | manibusque semper cruentis : semper manibusque ruentis codex, 794 Cedet dolor omnis | a corpore, cedet et vulnus: vulgus codex, ulcus Püra. 856 Suscitatque solo | immortales factos de morte: facti codex, suscitanturque Haussen. 877 Scrutanturque diu | exsecratas victimas ducunt: scrutaturque . . exsecratos victima codex 901 Inmites et agiles [ qui nesciant ullum dolorem: uUi dolore codex, velli dolore? 984 Ex* orant deum | pro mortuis ut resurgant: uti codex. An all diesen Stellen sprechen schon andere Gründe gegen Zulassung einer positionslangen Silbe in den Senkungen des 5. Fusses. Anders steht es mit folgenden Stellen: 11 misero vacillanti tandem adluxit. 33 quid profuit lucem vidisse. 94 Qui pater et filius | dicitur et Spiritus sanctus, 184 Tempore par- tito i miseratus est tandem ablato. 264 gentes sperabunt in ipsum, 343 IJon erit acceptum | mihi sacrificium vestrum. 445 fili prophetae ascendo. 647 Et quatuör milia | iterum de VIT refecit. Wenn sich auch 264 leicht durch Umstellung heilen liesse, so wird man doch an- nehmen müssen, dass Commodian das Gesetz, welches er in 1000 Vei^sen beobachtete, in etwa 6 Versen verletzte.

Auch in der drittletzten Silbe der ersten Halbzeile ist die Regel einige Male verletzt. Nicht zu rechnen sind Eigennamen, wie 287 Ex- urget in Israel. 341 Hoc Malachiel canit 620 Et canem ut Simoni; wohl aber 437 Propter vos nomen meum | blasphematur in gentibus in- quit. 444 Nee dabis sanctum tuum | interitum quoque videre. 634 Et ventis inperat \ placidum ut redderet aequor. 853 Et pereunt ibi | ho- mines Septem milia plena. 889 Et si quis occurrerit | illi mactabitur ense> Hier wären nur V. 634 und 853 leicht durch Umstellung regelrecht zu machen. Doch scheint vielmehr Commodian selbst seine Regel, dass in den Senkimgen des 5. und in der 1. Senkung des 2. Fusses keine positions- lange Silbe stehen solle, in einzelnen, allerdings sehr seltenen, Fällen nicht festgehalten zu haben. '

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Dagegen hat Comtnodian an den bezeichneten Stellen von Natur lange Vokale und Diphthonge zugelassen und zwar in den Senkungen des 5. Fusses oft, seltener in der 1. Senkung des 2. Fusses; so in häufigen Zeilenschlüssen, wie iüos iratus, iustw cvadunt, datas a summo, universa quae dixit,, angelis ipsis, disciplinae caelestis, nesciebamus. In der dritt- letzten Silbe der 1. Halbzeilen wird erstens ein schliessender Vokal mehr- silbiger Wörter kurz gebraucht, nemlich a in 104 (in primitiva sua). 566. 709. 925. 939, e in 597 (et, si prave gerat), ae in 281 (quid quod prophe^oö canunt) und in 664, i in 290 (manifestan eum). 107. 344. 441. 448. 576. 857. 895. 900, o in 115 (inde pugiUo suo). 323. 379. 818. 998; einmal os in 923 ad seducendos eos. Dann stehen hier statt Kürzen die einsilbigen Wörter: 224 et patitur quo modo, 254 quando et quo duce; 338 hie homo iam non erat; 389 quod provenit de eis. (727 dividuntur quae bona); vielleicht auch 756 sie recedunt a deo, wo die Handschrift redunt hat; (vgl. 214 a lege dei recedebat). Endlich stehen hier statt Kürzen die drittletzten Silben der Wörter: filius 94. 516. 647, milia 647, cogitant 495, nomine 296. 378, finitimae 891.

Haussen hat nun (S. 48) für diese halbe Prosodie die Regel auf- gestellt, alle von Natur langen Vokale, welche nicht vom Wortaccent getroffen werden, gelten als kurz. Dieses Gesetz wäre für den lieber- gang von der quantitirenden Dichtung zur accentuirten so wichtig, dass man natürlich fragen muss, wie es mit den Gründen steht. Mit diesen aber steht es schlecht Zunächst ist die Fassung der Regel, dass alle vom Wortaccent nicht getroffenen langen Silben für kurz gelten, ent- schieden unrichtig, wie wir unten bei Betrachtung derjenigen zweiten Halbzeilen sehen werden, die aus 8 oder aus 10 Silben bestehen. Aber selbst wenn die Regel so beschränkt würde, von den langen Silben können diejenigen, welche vom Wortaccent nicht getroffen werden, als lang, aber auch als kurz gebraucht werden, lässt sie sich bei Gommodian nicht durchführen. Die Senkungen des 5. Fusses können hiebei Nichts beweisen. Denn da seit Virgil und Ovid die 5. Hebung nicht durch Wortende und die 6. Senkung nicht durch ein einsilbiges Wort gebildet wurde, so fiel im 5. und 6. Fusse der quantitirenden Hexameter fast stets der Wortaccent mit dem Versaccent zusammen. Diesen charakteristischen Tonfall des 5. Fusses wollte Gommodian in seiner Nachbildung nicht zer-

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';- stören; desshalb sind Hexameter, welche in den Senkungen des 5. Fusses

eine lange und zugleich betonte Silbe haben, wie praebere laudes. augere

"' quaerunt. pax vobis inquit, bei ihm äusserst selten; fast immer stehen

auch bei ihm in diesen Senkungen Silben, die den Wortton nicht haben. Dagegen kann die erste Senkung des 2. Fusses beweisen. Hier fanden

r wir oben statt einer Kürze gebraucht: in 22 Fällen Wortschluss bildende

lange Vokale, und in 1 Fall die lange Endung os. Diese Fälle stimmen

I zu Hanssens Regel. Dagegen lassen sich schon die kurz gebrauchten

fe Wörtchen quo, non, de, quae, a schwer nach derselben Regel erklären;

f entschieden widersprechen ihr die Wörter filius, railia, cogitant, noraine,

finitimae, von denen freilich Haussen die meisten durch Annahme von filjus, milja, nomne wegerklärt. So wenig man aus dem Umstände, dass von den als kurz gebrauchten langen Endsilben 22 mit einem Vokal und nur 1 mit einem Consonanten schliesst, die Regel folgern dürfte, dass nur die mit offenem Vokal schliessenden langen Endsilben kurz gebraucht werden durften (vgl. den 5. Fuss), ebenso wenig, ja noch viel weniger darf man daraus dass von diesen als kurz gebrauchten langen Silben etwa 23 den Wortton nicht haben und mindestens 8 ihn haben, die Folgerung Hanssens ziehen, die langen Silben, die der Wortaccent nicht trifft, gelten dem Commodian alle oder doch wenigstens zum Theil als kurz.

Die dargelegten Thatsachen erklären sich vielmehr auf eine andere Weise. Die Bildung des Schlusses war Commodian die Hauptsache. Die letzte Silbe der beiden Halbzeilen, in welche er sich die Langzeile des Hexameters zerlegt, ist von ihm als Zeilenschluss behandelt und frei gegeben. Dagegen ist ihm die Bildung der vorletzten Silbe die Haupt- sache. Diese ist so gut wie immer quantitirend richtig gebildet. Was dieser vorletzten Silbe unmittelbar vorangeht, wird verschieden behandelt. In den ersten Halbzeilen, deren vorletzte Silbe lang ist also die ganze Senkung des 2. Fusses repräsentirt, wird im Vorangehenden gar keine Rücksicht auf Quantität mehr genommen. In jenen ersten Halbzeilen aber, deren vorletzte Silbe kurz ist, also nur die 2. Senkung des 2. Fusses repräsentirt, wird die dazu gehörige erste Senkung, also die drittletzte Silbe, imd in den zweiten Halbzeilen werden die Senkungen des 5. Fusses, also die dritt- und viertlezte Silbe nur noch mit der halben Strenge

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behandelt, wie die vorletzte Silbe. Für diesen halbstrengen Bau hat sich Conimodian die merkwürdige Regel erfunden, dass die positionslangen Silben nicht statt der kurzen stehen dürfen, wohl aber die von Natur, d. h. durch den Vokal oder Diphthong langen. Diese merkwürdige Regel, die wir schon oben (S. 278) in späteren Gedichten fanden, erinnert an jene nur für das Auge berechnete Prosodie der Byzantiner, wornach alle Silben mit a i v lang oder kurz, und allein b und o oder t] und w nur kurz oder nur lang gebraucht wurden. Im Lateinischen hätte diese Scheinprosodie in jenen Zeiten einen Sinn gehabt, wo die Diphthonge ae und oe nur als e geschrieben wurden; bei Commodian aber muss sie einen andern Grund gehabt haben.

Dieser Regel, wornach die Quantität der Silbe desto weniger be- rücksichtigt wird, je mehr die Silbe vom Schluss entfernt ist, ent- spricht es, dass in den Silben, welche den besprochenen vorangehen, dieselbe fast gänzüch missachtet wird. Hanssen meint, in den ersten Halbzeilen mit vorletzter Länge sei in allen der vorletzten, und in den ersten Halbzeilen mit vorletzter Kürze sei in allen der drittletzten Silbe vorangehenden Silben, also in den Silben, welche den 1. Fuss imd die 2. Hebung des Hexameters repräsentiren, die Quantität gänzlich miss- achtet, ebenso in den Silben, welche der viertletzten Silbe der 2. Halb- zeile vorangehen, also die Senkung des 3. Fusses, den 4. Fuss und die 5. Hebung repräsentiren. Das ist irrig. Betrachten wir zunächst die fünfte Hebung, Dem obigen Gesetze, wornach in den Senkungen des 5. Fusses die Prosodie noch halb beobachtet wurde, entspricht es, dass auch in der 5. Hebung die Länge des Hexameters einigermassen fest- gehalten wurde. Unter den 1020 Versen finden sich nur 45, deren 5. Hebung durch eine Kürze gebildet ist (7 Mal Formen von deus, 5 Mal von süus und mens, dann ödium. hümilis. dätus. düce. tüba. cruce. märi. ibi. üti. ab. lües. genui. gemere. patitur. praepösuit. Oceani. sacrificia. miseria. paenituit. vituperatur. prolöquia. proflüvio proficiet). Dann hat Commodian auch im Anfange der beiden Halbzeilen offenbar die Quantität des Hexameters in einigen Fällen nachzubilden gesucht. Die erste Halb- zeile beginnt auffallend oft mit einem einsilbigen Wort; dann herrscht keine Regel. Doch etwa 400 Verse beginnen mit mehrsilbigen Wörtern; von diesen haben aber nur 27 die 1. Silbe kurz, wie Bonum. Venite.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. X Vü. Bd. U. Abth. 39

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Aperiunt Das kann nicht Zufall, sondern nur Nachbildung des quanti- tirenden Hexameters sein.

Noch merkwürdigere Gesetze herrschen im Anfang der zweiten Hiüb- zeile. Wenn dieselbe aus 9 Silben besteht, was in weitaus den meisten Versen der Fall ist, so entspricht sie dem schwankenden metrischen Vor- bild w W-' , w «-^vy oder '- s. w, w S.-V.. Diesem schwankenden Vorbild gegenüber scheint Commodian jede Rücksicht auf Quantität auf- gegeben zu haben. Dagegen die 2. Halbzeilen zu 8 und zu 10 Silben können nur ein festes metrisches Vorbild haben. Commodians Carmen Apologeticum hat im Ganzen etwa 160 zweite Halbzeilen zu 8 und etwa 140 zu 10 Silben. Nun haben von jenen 160 achtsilbigen Halbzeilen

144 die zweite Silbe lang, von diesen 140 zehnsilbigen 125 die zweite Silbe kurz. Das kann kein Zufall sein, sondern fordert zu genauerer Prüfung heraus. Von den achtsilbigen Halbzeilen, deren quantitirendea Vorbild ist '- , A v^ ^ ..^^ beginnen bei Commodian etwa 92 mit drei Längen, wie mollescunt sero gehenna. aut quorum sanguine vivant. ferrum non pustula surget. qui non vult dicto parere, 21 mit einer Kürze und 2 Längen, wie honores addidit altos. probetur quis deo dignus, ut iW credere possint, 26 mit zwei Längen und einer Kürze, wie snevire victus a summo est. sed tota terra gemebat. tunc sie et ipsa maiestas, tnks f/ocere deberent. Nur sehr wenige und fast lauter unsichere beginnen mit o v^ : 66 recolligit se (sese edd.) sub antro. 357 cum esset mvidus hostis. 561 Extendit palmas; | ot (et oder ast edd.) ille tangere coepit. 879 statuta (statutaque?) tempora complet 907 Cumque (quo oder hoc?) redeuntes | in urbe (urbem?) mente mutata.

Diesen 144 achtsilbigen Halbzeilen, in denen die 2. Silbe lang ißt, stehen etwa 16 sichere gegenüber, deren 2. Silbe kurz ist; 92 niagnuui et 193 legem in. 274 lignum in. 716 illum ex. 987 (quondain adveDit).

145 tunc erit. 196 depretiatur (?). 435 unä (his una edd.) qui, 532 cre- dimus dicto (ex dicto edd.). 567 multä, quae. 594 vox adornata. 697 Bür- gere. 774 deus in terris. 858 sed magis intra. 911 eius adpareat 920 Victor in.

Stellen wir den zweiten Halbzeilen zu 8 Silben sogleich die zehn- silbigen gegenüber, deren quantitirendes Vorbild ist^^ wv,-i^v-w ^j so haben von 140 Zeilen der Art 125 die 2., der 2. Senkung des 3. Fusses

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entsprechende, Silbe kurz. Aber auch für die Silben, welche dieser voran- gehen und folgen, zeigt sich eine Regel. Von den 125 Halbzeilen haben 84 die beiden ersten Silben kurz und die 3. lang (v. u ), wie in cupidi tota mente devoti. fuerat qui praedictus ab illis. quod aves sua tempora norunt; in 31 steht statt der 1. Kürze eine Länge (— ^ *-), wiQ in unus audit et excutit alter, viverent donec ipse veniret. sie erat modo credere fas est tunc erit nee oblatio Christo. Dagegen sind die Fälle, in denen statt der 4. Hebung eine Kürze steht, wenige und nur zum Theil sichere; zuerst (w v/ i): 2 tulerit ab errore nefando. 152 diabuli detergeret omnes = zabuli). 607 copria iudicatur ab ipsis. 834 quoniam illi cre- dere nolunt; zweitens (- ^ .i): 40 fortia Pharaone decepto. 107 unica (unici?) super angelos omnes. (327 suavia dei summi praecepta: suaviter eod. richtig). 425 tangere librum Deuteronomum. 427 omnia supra dicta rebelies. 801 septima persecutio nostra.

Diesen 125 Fällen stehen 15 gegenüber, in denen die 2. Silbe lang ist imd zwar 1) (^ —±): 395 nee intellegant. 415 meis dixit. 927 pro-

phetae. 2) ( ~): 370 et praeter te. 454 ignorantibus. 484 a nobis.

495 ducti sunt. 535 pleni iam desperate. (940 non est sed neque). 438 blasphematur. 900 Chaldaei Babyloni. 3) (v t): 341 propheta

qui. 369 tu es deus. 904 tres Caesares; 4) ( w): invisibilem esse

videndum.

Demnach hat Commodian die zweiten Halbzeilen zu 8 Silben so ge- bildet, dass die 2. der 4. Hebung entsprechende, Silbe in der Regel eine lange war, und auch die 1. und 3. Silbe, welche der 3. und 4. Senkung entsprechen, meistens lang waren; dagegen die 2.. Halbzeilen zu 10 Silben so, dass die 2. und 3. Silbe, welche der 2. Kürze des 3. und der Hebung des 4. Fusses entsprechen, in der Regel durch eine Kürze und eine Länge gebildet wurden und auch die erste der 1. Senkung des 3. Fusses ent- sprechende Silbe, wenigstens meistens durch eine Kürze gefüllt wurde. Allein diese Regeln sind nicht mit der Strenge festgehalten, wie die andern, dass die 6. Hebung eine lange Silbe sein soll.

Zudem betragen die zweiten Halbzeilen zu 8 und 10 Silben, in deren Anfang die Quantität einigermassen beachtet ist, nur 300. In den über 700 zweiten Halbzeilen zu 9 Silben vermochte ich in den 4 ersten Silben keine Rücksicht auf die Quantität zu erkennen; so wechseln alle

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300

Möglichkeiten, z. B. vel quaiiter singula fecit. prospidt ubiqxxe de coelo. hortor ab errore recedant. fadet ut muta loquantur. herbas incantajido malignas. conculcantur neque coluntur.

In der ersten Halbzeile ist, wie oben (S. 297) bemerkt, wenn ein mehrsilbiges Wort den Zeilenanfang bildet, die 1. Hebung meistens durch eine Länge nachgebildet; sonst ist auch hier vor dem Schlüsse die Quantität der Silben völlig frei, wie in Ipse redit iterum. Sed olera tantam. Agricola doctus. Cui summus divitias. Turbantur caelicolae.

Beobaehtung der Wortaeeente bei Commodian.

Commodian hat die Quantität der Silben an einigen Stellen des Hexameters streng, an andern halb nachgebildet, etwa an ebenso vielen aber gar nicht beachtet Vielleicht hat er das, was hier fehlt, auf andere Weise ersetzt. Man nennt meistens die Hexameter des Commodian ryth- niische und versteht darunter nach dem Wortaccent gebaute. Haussen gibt als Resultat seiner Studien (S. 23): Magni est momenti apud Commodianum accentus grammaticus, quamquam certis legibus non tenetur nisi quibusdam in sedibus; ubi vero tenetur, haud quaquam semper congruit cum ictu metrico, ita ut appareat neque accentus gram- matici rationem successisse in locum rationis syllabarum quantitatis, ne- que in accentus grammatici reverentia sola versum positum esse. Sehen wir zu!

In der ersten Halhzeile sind die Versaccente in keiner Weise durch die Wortaeeente nachgeahmt; ja, da diese Halbzeile fast ausnahmslos durch ein mehrsilbiges, also auf der vorletzten oder drittletzten Silbe vom Wortaccent getroffenes, Wort geschlossen wird, diese Silben aber stets der Senkung des zweiten Fusses entsprechen, so stehen im Schlüsse der 1. Halbzeile Vers- und Wortaccent stets in scharfem Gegensatz, also Quis poterit unüm. Plus eram quam päleä. Aber auch abgesehen von einer Nachahmung der Hexameterfüsse lässt sich in der 1. Halbzeile nicht irgend eine regelmässige Setzung der Wortaeeente nachweisen, wie wir sie z. B. in den Räthseln (vgl. S. 279) gefunden haben.

Gibt vielleicht die zweite Halbzeile eine accentuirte Nachahmung der Hexameterfüsse? Haussen meint 'Accentus grammaticus in quarto pede

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congruit cum ictu metrico in eis versibus, qui inciduntur caesura bucolica* z. B. quod imminet ante videte oder tradüntur vivi gehennae. Diese Regel ist zum einen Theil nutzlos, zum andern Theil falsch. Denn da jedes lateinische Wort auf der vorletzten oder drittletzten Silbe betont ist, so muss, wenn vor der 5. Hebung Wortende eintritt, ein vorausgehendes mehrsilbiges Wort selbstverständlich trochäischen oder daktylischen Schluss haben; z. B. criminosis denique Marsus. nee süfßcit vox mea tantum. aut quorum sanguine vivant. So weit sind diese Thatsachen keine Regel, sondern nur Nothwendigkeit. Falsch aber ist die Regel, wenn vor der bukolischen Caesur ein einsilbiges Wort steht oder zehnsilbige Halbzeilen der Art sich finden: spätia»^ spe captus inani. ferrww non pustula surget. dömin«i5 vitae nostrae repertor. tangere librum Deuteronomi (so betont Haussen). Ebenso wenig ist eine andere Regel für die Wortaccente zu erkennen für jene Fälle, wo vor der 5. Senkung kein Wortende eintritt. In all den Theilen also, welche dem 5. Fusse vorangehen, hat Commodian sich um den Wortaccent durchaus nichts gekümmert.

Anders steht es im fünften und sechsten Fusse. Hier hat, wie oben (S. 290) bemerkt, Commodian die Schulregeln ^), welche seit Virgil und' Ovid für den Bau des Hexameters galten, sorgfältig beobachtet: die 5. Hebung wird nicht durch Wortschluss, sondern höchstens durch ein- silbige Wörter gebildet, und die 6. Senkung darf nicht durch ein ein- zelnes einsilbiges Wort gefüllt sein. Die Folge dieser Regeln ist, dass in dem 5. und 6. Fuss stets die Wortaccente mit den Versaccenten zu- sammenfallen, abgesehen von den nicht seltenen Schlüssen, wie 6 dea certe. aüt ubi flävo, wo der Wortaccent in den Senkungen verloren geht, Schlüsse, deren sich bei Commodian 22 finden, wie vox mea tantmn. quis deo dignus. et pedes ipsi. päx vobis inquit. Bei Virgil, Ovid und ihren Nachfolgern war die Wirkung jener Regel über die Bildung der 5. Hebung und der 6. Senkung, in Folge deren im 5. und 6. Fusse die Versaccente stets mit den Wortaccenten zusammenfielen, nicht beab- sichtigt, sondern zufällig. Allein wie nach der Bemerkung von 0. Crusius

1) Wie diese Regeln über den Hexametersciüuss bei den Lateinern entstanden sind, ver- suchte ich zu entwickeln in den Untersuchungen zur Geschichte des alexandrinischen und lateini- schen Hexameters.

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Babrius darauf achtete, dass die lateinischen Choharaben stets den Wort- accent auf der vorletzten Silbe hatten und darnach auch in seinen griechischen Choliamben nur solche Wörter in den Schluss stellte, deren vorletzte Silben den Wortaccent hatten, so hat auch Commodian stets in die 5. Hebung eine Silbe gerückt, welche den Wortaccent hatte. Wenn also auch die für die Senkungen des 5. Fusses geltende halbe Quantität Schlüsse, wie raaturis aevo. humanae gentes, gestattet hätte, so hat er sie vermieden, weil hiedui'ch in die 5. Hebung eine Silbe ohne Wortaccent gerückt worden wäre und nur in 37 praebere laudes und 602 augere quaerunt scheint er sich solche Ausnahmen erlaubt zu haben. Demnach findet sich bei Commodian nur die eine Rücksicht auf den Wortaccent, dass er, wie die quantitirenden Dichter, in die 5. Hebung stets eine Silbe rückte, welche den Wortaccent hatte, während es ihm nahe lag, das nicht zu thun. Dies ist der einzige Fall, von dem man sagen darf, dass Commodian sich um den Wortaccent mehr gekümmert habe als Virgil oder Ovid. Aber desswegen dürfen seine Zeilen nicht rythmische genannt werden, wenn dies den Sinn haben soll, dass in ihnen die Wortaccente nach bestimmten Regeln gesetzt seien.

In Betreff der Aussprache denkt Haussen, wie wahrscheinlich die Meisten, nur an die 6 Füsse des Hexameters; darnach betont er nicht nur die Verse der Exhortatio poenitendi (oben S. 282), sondern auch die Commodians. Also

Sed perseverantiä | tartari tormenta formida.

Jüdicem futurum | time perdentem iniquos.

Qul paenituisse | mala perpeträta probäntur.

Jäm paene medietas | annorüm sex milibus ibat.

Nön natus ante patrem moritür ibi neque dolores

Uno volo titulo | tangere librum Deüteronömum. Diese geschmacklose Betonung darf man wieder unsern Theoretikern überlassen; der Dichter der Exhortatio hat nicht daran gedacht, da er sich überhaupt nicht um Quantität, sondern nur um Wortaccente küm- merte, also auch nur nach diesen seine Zeilen gesprochen haben wollte. Commodian hat sich allerdings nicht um den Wortaccent gekümmert., doch auch nur wenig um Quantität. Er hat sich die Langzeile in 2 Kurz- zeilen zerlegt, wobei die wichtige 3. Hebung zu einer gleichgiltigen End-

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silbe wird; diese Kurzzeilen sind nur gegen den Schluss quantitirend ge- baut; die vorangehenden Silben sind mit wenig Ausnahmen nur gezählt. Spondeen oder Daktylen sind keine von Commodian gebaut; was be- rechtigt also, solche zu sprechen?^) Die Silben können aber auch nicht in gleichem Ton gesprochen werden; es bleibt also nur übrig, dass man sie so spricht wie gewöhnlich, d. h. mit dem gewöhnlichen Wortaccent Dann ist allerdings das, was von Quantität sich noch findet, fast nur todter Zierrat; allein solche Erscheinungen sind besonders in Uebergangs- Zeiten nicht selten. Läuft ja auch in der feinen arabischen Poesie und nach W. Christ's Wahrnehmung in den Kanones des Johannes Damascenus accentuirender und quantitirender Bau der Zeilen neben einander. In diesem Sinne kann man mit Recht die Verse Commodians rythmische nennen: sie sind nicht nach dem Wortaccent gebaut, aber sie wurden nach dem Wortaccent und nicht nach dem Versaccent gesprochen.

Akrosticha, Reim- und Versgruppen bei Commodian.

In einem jeden Gedichte der Instructiones ohne Ausnahme bilden die Anfangsbuchstaben der Zeilen Wörter oder Sätze, welche sich auf den Inhalt des Gedichtes beziehen; das letzte gibt so den Namen des Dichters wieder. Mit diesen Akrosticha steht in engem Zusammenhang, dass in zwei Gedichten jede Zeile auf ein und denselben Vokal endet (Instr. II, 8. 39). Diese Art des Reimes findet sich ebenso im Psalm des Augustin. Gegenüber dem streng durchgeführten Gesetze der Akrosticha

1) Auch im Rhein. Mus. 38 (1883) p. 223 hält Haussen an der Betonung fest VincTte mälignüm || püdicäe | femYnae Christi' oder *in dandü divYtYäs jl vesträs | ÖstendYt^ cunctäs' und stellt die Regel auf Tor weiblichen Caesuren und weiblichem Versschluss wird Uebereinstimmung von Accent und Versictus gesucht» vor männlichen Caesuren [und männlichem Versschluss] ist Widerstreit von Accent und Versictus Gesetz*. Dies Gesetz ist allerdings unumstösslich. Denn da abgesehen von einsilbigen Wörtern, von denen natürlich auch Haussen absehen muss kein Wort der lateinischen Sprache mit einer betonten Silbe endigt, so kann Haussen sein Gesetz auf die gesammte quantitirende Poesie der Lateiner, aber ebensogut auf die gesammte Prosa^ aus- dehnen. Da kein Wort Oxytonon ist, so wird in jedem Worte, das den Quantitätsictus auf der letzten Silbe hat, Widerstreit, in jedem Worte, das den Quantitätsictus auf der vorletzten Silbe hat, Uebereinstimmung des Wortaccents und des Quantitätsictus sich linden. Diese Betonungs- verhältnisse der lateinischen Wörter sind also pure Naturnothwendigkeit und keine mit Bewusst- sein geschaifene Regel dieses oder jenes Dichters.

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in den Instructiones war mir die Ungebundenheit des Carmen Apolo- geticutn auffallend. Endlich fand ich das Gesetz, welches Commodian hier beobachtet hat. Es ist das Paargesetz, das ich dann auch in den Räthseln und der Exhortatio durchgeführt fand (vgl. S. 281 u. 282). Stets sind 2 Langzeilen durch den Sinn zu einem zusammengehörigen Paar verbunden, nach welchem also eine stärkere Pause eintritt. Dieser Parallelißinus ist dem ähnlich, den man früher in den Psalmen annahm: Die beiden Zeilen können einen Satz, sie können zwei verschiedene Sätze bilden, aber immer hängen sie enger unter sich, als mit den anstossenden Paaren zusammen.

Für die Richtigkeit meiner Beobachtung hatte ich einen auffalligen Beweis. Ich hatte 6 Stellen des Carmen apol. notirt, wo mir ein Vers fehlte (nach 275. 387. 415. 561. 611. 645). Als ich dann Dombart um Einsicht in die neue CoUation der Handschrift bat, siehe, da hatte Pitra an 4 Stellen je einen Vers ausgelassen (nach 274. 279. 387. 611) und an einer 5. einen Vers (412 steht nach 563) um volle 150 Verse ver- Btallt,*) An der -6. Stelle wird Niemand zweifeln. Denn wenn es bei der Schilderung der Wunder Christi heisst:

641 Mutum loqui fecit | et surdum audire praesertim et caecum ex utero j natum, ut videret in auras. Post XXXVIII annis | paralyticum surgere iussit, quem admirarentur | grabatum in coUo ferentem. 645 Cuius vestimento | tacto profluvia sanat^ est.

Quinque panes fregit | hominum in milia quinque et quatuor milia | iterum de Septem refecit. 80 ist sicher vor 645 ein Vers ausgefallen. Verstösse gegen das Paar- gesetz, wie in 563

561 Extendit palmas; | at ille tangere coepit

et manum in latere, | fuerat quod lancea fixum, Misit et exinde | prostravit sese precando: tu deus et dominus | vere mens, contra quem ille: Haec quia vidisti, | credidisti; sed illi felices posteri qui credunt | audito nomine tantum.

1) Vgl. jetzt Dombart in Wiener Stzber. 1884 S. 793. Also haben die Abschreiber vom 3. bis 9. Jahrhundert 1 Vers ausgelassen, der des 19. Jahrhunderts 4.

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sind mir sonst nicht vorgekommen. Dagegen ist dieses Gesetz ein ebenso wichtiges als erwünschtes Hilfsmittel zum Verständniss dieses schwierigen Dichters. Es zeigt ohne Weiteres, dass die Umstellimg des Verses 115 Ubi facies aut etc. nach 118 falsch ist; ebenso die Umstellung von 490 morte. Movebant und 491 suspensa dicentes; ebenso die Flickversuche in 537 540:

Si nobis obsistunt, | patet et resistere istos Summo, qui voluit \ nobis bonus esse. Nee illud Respiciunt servi | cervicosi setis erectis Qui semper innocuos | cruciarunt, lege vetati, wo vielmehr eine Lücke anzunehmen und mit der Handschrift zu schreiben ist:

Si nobis obsistimt, | putant et resistere summo, ,

qui voluit nobis bonus esse **? Nee illud respiciunt | cervicosi setis erectis quod semper innocuos | cruciarunt lege vitata. (rectis, quid, innouos codex). An vielen Stellen ist der richtige Sinn nach diesem Gesetz durch andere Interpunktion zu gewinnen. So V. 215 218:

Ad quos emundandos ' saepe deus misit alumnos, ut illos corrigerent | depravatos denuo summo. Excipere numquam j voluerunt dicta divina, sed voluntate sua j servierunt semper inepti, wo die Ausgaben 'depravatos. Denuo Summi excipere* verbinden. Dann 426 Uno volo titulo , tangere librum Deuteronomum: in Caput eritis, | gentes; nam increduli retro. Si respuunt certe | omnia supra dicta rebelies, scite, quid opponunt, | cum res tam aperte dicatur. *nam increduli retro respiciunt. Certe* haben die Ausgaben. Ebenso scheinen, um nur einige der schwierigsten Fälle zu berühren, folgende Stellen behandelt werden zu müssen: V. 523 u. 524 Infatuant stultos ' magis evanescere dictis, quod crucifixus [erat], | cum sie oporteret eimdem. infatuan und maius cod., erat fehlt. Dann V. 615 618

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 40

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Hie crudele nefas | imperat de unico nato, ut probaret Abraham, j cui dixit 'parce' e caelo. Angelus et deus est [ hominem totidemque se fecit et, quicquid voluerit, ; faciet ut muta loquantur. Dann V. 716 719 vom entarteten Sohn

Nee facit heredem | illum ex asse suorum, quem (quae?), si prius poterit | consuraere, gaudet in illo. Impium et saevum [ sobolem reisve tyrannum nee obvium patitur | genitor, eoramotus ab illo. 717 in illum codex. 719 nee = ne obvium quidem. Dann V. 751 und 752 von den Kindern der Welt:

Dieentes adieiunt | 'Nihil est post funera nostra; dum vivimus, hoc est^, | et incumbunt more suillo. Dann 836 und 837

De qüibus quam multi | quoniam illi credere nolunt, supplieat iratus | altissimum, ne pluat inde. inde = exinde V. 885.

Dieses Paargesetz ist von Commodian aueh in einigen längeren Ge- dichten der Instruetiones neben den Akrosticha beobachtet.

Die Dichtungsformen Commodians haben also im wesentlichen fol- gende Eigenthümlichkeiten : Die Langzeilen der quantitirenden Poesie sind, der in späten Zeiten streng beachteten Caesur entsprechend, in Kurzzeilen zerlegt. Die sich entsprechenden Zeilen sind in der Weise gleich gebildet, dass die Zeilenschlüsse die bestimmte gleiche Bildung haben, dagegen in den vorangehenden Theilen fast kein Gesetz beob- achtet wird ausser eine bestimmte Silbenzahl. Dann bilden bald die Anfangsbuchstaben der Zeilen oder Strophen Akrosticha oder gar (Instr. II, 8. 39) die Endvokale Reimketten, bald sind die Zeilen in regelmässige Strophen gruppirt. Diese Hauptmerkmale von Commodians Dichtungs- formen sind aber zugleich auch die Hauptmerkmale der ältesten ryth- misehen Dichtungen in lateinischer Sprache.

Die Frage ist jetzt natürlich: woher hat Commodian diese Dicht- ungsformen? Für die Akrosticha gibt es, wie später auszuführen, vor

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Commodians Zeit nur wenige lateinische Beispiele. Zu Strophen wurden wohl die Verse gleichzeiliger lyrischer Gedichte gruppirt, in späterer Zeit auch nach jedem Distichon regelmässig eine stärkere Sinnespause geschaffen, allein in fortlaufenden hexametrischen Gedichten, wie das Carmen Apolog. eines ist, ist eine solche Strophenform ohne Beispiel. Die Spuren also, welche vor Commodian sich finden, sind so schwach, dass ihnen gegenüber das breite, auffallige Auftreten der commodianischen Dichtungsformen unerklärlich ist, zumal Commodian nicht etwa mit Vor- liebe und Gelehrsamkeit die heidnischen Dichter studirte und nachahmte, sondern sie verachtete.

Doch, auch von den Akrosticha und der Gruppirung in Strophen abgesehen, bleiben die andern Dichtungsformen Commodians, deren Ur- sprung aus der älteren lateinischen Dichtung nicht erklärt werden kann. Vom Reim ist nirgends eine Spur; denn Wilh. Grimms Sammlungen be- ruhen nur auf Selbsttäuschung. Der Zeilenbau des Commodian selbst ist völlig ohne Beispiel. Accentuirende lateinische Gedichte mit Silben- zählung aus älterer Zeit, die den Commodian zu diesem halbquantitirenden Zeilenbau hätten verlocken können, gibt es keine. Woher also nahm Commodian auch nur den Gedanken an solchen Versbau, woher die Kühnheit, denselben zu wagen und in 2000 Zeilen durchzuführen?

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Die Anfänge

der pythmischen Dichtung der GrriecheiL

In der Entwicklung der rythmischen Dichtung der Griechen treten dieselben Stufen hervor wie in jeder Entwicklimg, zuerst Unklarheit und Unbeholfenheit, dann Feinheit. Zwischen den Lateinern und den Griechen herrscht in dieser Hinsicht im Anfang merkwürdiger Parallelismus. Commodian und Methodius haben von den Gesetzen der Quantität nur einige festgehalten, die meisten preisgegeben; daneben zählen sie haupt- sächlich Silben. Augustin (im Psalm) und Gregor von Nazianz (in den 2 nachher zu besprechenden Gedichten) haben die Gesetze der Quantität gänzlich aufgegeben; ihre rythmischen Dichtungsformen sind aber noch sehr unbeholfen. Von Nachahmung bestimmter metrischer Füsse ist Nichts bei ihnen zu merken. Allein von da an ist die Entwicklung der lateini- schen Rjthmen weit verschieden von der Entwicklung der griechischen.

Die lateinische Rythmik vom 6. bis 11. Jahrhundert beschränkt sich, abgesehen von den Sequenzen, fast durchaus auf die Nachahmung klassi- scher Zeilenarten und bringt fast nur gleichzeilige Gedichte (Nachahm- ungen der jambischen Senare, trochäischen Fünfzehnsilber, jambischen Achtsilber u. s. w.) und die einfachsten Odenformen hervor. Dagegen sind ffleicheeilige rythmische Gedichte bei den Griechen vor dem Jahre 1000 sehr selten; so die beiden Gedichte des Kaiser Leo und des Photius, wohl Nachahmungen anakreontischer Zeilenarten. Nach dem Jahre 1000 kamen dann die sogenannten politischen Verse, wohl eine Nachahmung des jambischen Septenars in Gebrauch und wurden bald das Alles be- herrschende Versmass. Dagegen war vom 6. bis 11. Jahrhundert die dichterische Kraft der Griechen besonders gerichtet auf die Dichtung

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von Hymnen, welche, ihrem Ursprung nach lyrisch, oft durch einge- flochtene Gespräche sich dem Drama oder durch ausführliche Erzählung dem Epos nähern. In ihrer feinen Ausführung, welche gewiss von der hohen Kunstfertigkeit der spätgriechischen quantitirenden Dichter beein- flusst war^), leuchtet von neuem der griechische Geist auf.

Der Hymnus des Methodius.

Ein merkwürdiges Denkmal der christlichen Poesie der Griechen ist der Hynmus, welchen Methodius Martyr (f 311) in das 11. Buch seines Symposiums eingefügt hat. Leider steht es mit dem Texte sehr schlecht. Zuerst wurde die Schrift fast gleichzeitig herausgegeben von L. Allatius (Rom 1656) und von P. Possinus (Paris 1657). Seitdem wurden keine neuen Handschriften benützt weder von Alb. Jahn (Halle 1865) noch von Christ (Anthol. S. 33), und auch ich suchte umsonst nach besseren Hand- schriften. Die einzige pariser (Cgr. 946) endet nach einer gütigen Mit- theilung von Delisle schon mit yctQ tri. nsifileinovtai (ed. Paris 1657 p. 131); die Handschriften in Rom, von denen mein Freund De Boor mir Nachricht gab, sind alle jung und werthlos (Barb. IV, 9 saec. XVI in 4^: B; Barb. IV, 45 saec. XVI in 4^ wohl aus Vatic. 1451 ab- geschrieben; Vatican. graec. 1451 saec. XVI: V; Ottobon. 135, sehr jung: 0; Ottobon. 59 ist am Ende unvollständig). Eine bessere Grundlage des Textes, als diese Handschriften und die darnach gemachten Ausgaben sie bieten, wäre dringend zu wünschen.

Dem Hymnus schickt Methodius die Worte voran: Taina elnovaav eipr^ xekevaai Jidaag^ draarfivai rfiv ^A^ferriv ^ 0eondT(ja xal ndaat; vnb r^r ayvor avxc^ifiOTTKfioy vfiror nffsnorrwg dpajieiiitpai reo :>cv(ji(p' iSdif^Biv dt xriv Qixlav xai n()ov(pr]yelaS'ai' log ovv dysarrjaay, r^y OtxXav jusoriv ^tv rwy naQ&iyvjy icpri, ix deiiüy de rfjg !/4()€Tfjg azäaay xoofiioyg ipdXleiy, rag (ff /iotndg iy xvxkq) xa&dne{} iy ;fopot' axTjiuari avordaag vnaxoveiy amf^. Thekla singt also den Hymnus, in welchem bald Christus (der Bräutigam), bald die Kirche (die Braut) gepriesen wird. Der Gesang besteht aus

1) Vgl. die BemerkuDgen über die vermeintlichen Vorläufer der rythmischen Dichtung der Griechen in der Abhandlung zur Geschichte des griech. Hexameters.

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24 Strophen, deren Anfange von den 24 Buchstaben des Alphabetes ge- bildet werden. Der Bau. der Zeilen war lange Zeit unbekannt: Pitra erkannte nur, dass im Refrain jambischer Rythmus herrsche; doch schon vor ihm hatten G. F. Rettig und A. Jahn gefimden, dass das Gedicht nach der Quantität der Silben gemessen und in Jamben geschrieben sei, zu deren Herstellung sie mit dem überlieferten Texte allerdings sehr ge- waltsam umgingen; (vgl. S. 126 von Jahns Ausgabe). Christ folgte dem Texte Jahns, leider ohne zu wissen, mit welch gewaltsamen Mitteln der- selbe hergestellt war. Die Strophen bestehen meistens aus 50 Silben, die sich in 3 Langzeilen zu 14 und 1 Kurzzeile zu 8 Silben gliedern. In einigen Strophen stehen entschieden mehr Silben; so geht in A und M der ersten Langzeile ein Stück von 8 Silben, in H und N ein Stück von unsicherer Länge voran.

Schon die Zeilenart von 14 Silben = 7 Jamben ist sehr auffallend

(vgl. Christ, Metrik § 410). Ich finde etwas Aehnliches nur bei Gregor

von Nazianz in dem Gedicht eh iavroy (Sectio I, 30 Caillau II p. 870;

Migne vol. 37 p. 1290). Dieses Gedicht besteht aus 113 Langzeilen, wie

V/ noXXä noXXä yiyveTai uaxfjip ßi(p ß()OTolg.

^Eyd yap, ag ftuv ea^oy iy ieyfi noXei ndXag

Diese Zeilen Gregors zerfallen stets in 8 -f- 6 Silben. Im Dimeter ist der Dipodie halber die 2. und 4. Senkung rein; vgl. 31 xo yyvjgifioy S^äxifioy wg ra noXXa rvyx^^^^^- I^ der Tripodie ist des Zeilenschlusses halber die 3. Senkung stets rein, desswegen aber die 2. gegen das Dipodiengesetz hie und da lang; vgl. 56 ägiar^ ^(ffioofiiyoy ; 58; 60. Die letzte Silbe des Dimeters wie der Tripodie ist frei; vgl. 13. 95. 103. 130. 177. 181. Aus der trefflichen Florentiner Handschrift (Plut. VII, 10; vgl. meine Not^n zu den beiden Gedichten des Gregor), wohl der besten Hand- schrift von Gregor's Gedichten, hat Herr Dr. A Herzog mir folgendes Scholion zu diesem Gedicht mitgetheilt *7bi>ro fiirpor dSiaipoQoy iari lajußixoy fiiyroi jvyx^^^^- '^^ fiivroi n(Junoy roy arixoy {rdry arix(oy?) dixa- raXriXToy l/or* tüv de devxBQoy rQixajaXrixxoy fi^iafißoy. roy Je reXeureioy (so) avXXaßrjy ecp^ ixatiQoig %6ig arixoig ddidcpoQoy Ti&riaiy^ eire lafißog etre nvQifixiog. firiTig ovy fioyoanxicty rovto y^fdiipfi' OipdXXerai yap og jovto noiTjoei^ Das soll wohl heissen: 'Dieses Versmass bildet gleiche Zeilen und hat jambischen Tonfall. Der ersten Halbzeile fehlen 2, der zweiten

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3 Jamben zu einem richtigen Trimeter, so dass hier ein halber Trinieter bleibt. Die letzte Silbe beider Halbzeilen ist frei. Schreiben soll man das Gedicht in Langzeilen, nicht in Halbzeilen.'

Diesen Zeilen Gregors sind die Zeilen verwandt, in denen dei^ Hymnus des Methodius geschrieben ist. Als Beispiel will ich 5 Strophen geben, deren Text ich nach Kräften hergestellt habe.

'YnaxoTj. l4yy€vu} aoi scai Xaixnadag (paeacp6(fOvg scgaiovaa vvfKpie vnavravo) aoi,

(»garova \ vnayuiytü aoi yvfitpU.'i)

'l4ycD&ey naQ&ivoi ßof^g

iye(jaiv€}C(jog rj^og ^XS-e yvfi(pi(p Xiywy

naaavdi* vnayiaytiy Xsvxalaiy iy aroXalg

xat kafindai 7T(j6g dyroXag. eyQaa&s ngly (p&dafi

jLioXely eiOü) &vgüiy äyaS.

'YnaTcoTj, l4yyeva} ooi xal Xajun. etc.

1 Borig om. ed. Ällatii. 3 Xfvxataiy B: Xsvxiaty VOAll. Po88. 4 iytoXaf O fpSttaji B: ff&dcfi VOAll. Po88, Bei Jahn und Christ lautet die Strophe:

ayutSfr, naq&iyoi, ßo^f iyfgaiykXQog ^/of

fjX&^y yv/4<pi(fi naaavSi vnayiayfiy Xsvxaiciy {Xfvxaiat Tf) ^

xai Xa/Anaai ngos aytoXdf. fyQta&e ngiy <p&dafi /ÄoXeiy i

sttTttß ^vQüiy aya(, "

BgoTioy noXvareyaxroy bXßov ixipvymaa xai "

ßiov TffV(prjy tjdvy r' sgcora aaig vn dyxdXaig l^ü)ri(p6(}0ig no&d) axmsa&ai xal ßXeneiy t6 aov xdXXog diriyfxCg fiaxag. ^Ayy^vo) aoi xal Xa/in. etc.

2 tQVip^y nSvy t BQiata Meyer, rgv^ns ddoydg igutta VB et (rQo^tjf?) 0, t^v^^^ Ipiüra Jahn, TQv^^s iQ*ma (xutQoy Christ. 2. 3. dyy, iofiq>, VO.

rdfiü)y Xinovaa &yriTd XexiQa xal ** dofioy

äya§y ^id a^ 7ioXvx9^(^oy ^X&oy daniXoig

iy eXfxaaiy onivg (p&dao) xdyo) naroXßiwy

&aXdfi(oy uoo) avy aoi fioXdy.

liyyevio aoi xal Xafin. etc.

Jahn und Christ.theilen ab: 1. rdgAtüy . . «V«^ (14 Silben), 2. Sin . . (V/4aaiy (16 S.), 3. o;»uif , , dakdiAmy (13 S.), 4. tXava avy aoi (AoUXy (aya^ add. Christ). €V/4aat codd.

''Yfiyoig, udxai(}a S^eoyvucpB, &aXafiri7i6Xoi ai aal ye^ai^fouey ae yvy, a&ixre na{}&iye,

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■^

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ixxlTjöia xiovoao}^e xvavoßoarQixB

^AyvBvuo aoi xal Xafin. etc.

1 yfdrvfitpf B Po88, 2 ai aal Meyer, ai ai VOB All, Poss.

Vakliov To xacröy äaua vvr x^9^ ^^ naQ&iviov xa&iaravei 7i(j6g ovfjavovi;, ävaaaa, (pan; oItj, iareiuufyog Xsvxolg x^fLvoiv xdXv^i xal (pXoyag X^(f<fi OBkaöcpoQotg (peQiov. liyrevo) aoi xal Xafin.

2 <püiq oAij Meyer aa<p£g öXfi codd. AU. Poss,, üatpaig oXoc Joikn, ^lugtpoQog (?) Christ

Wie in diesen Strophen, so finden sich im ganzen Gedichte unbe- greifliche Verstösse gegen die anerkannten Gesetze der quantitirenden Dichtung. Der ersten Zeile gehen, wie oben erwähnt, öfter kleinere oder grössere Zeilenstücke voran; die Zeile von 14 Silben hat sehr oft nicht die Caesar nach dem 4. Jambus. Dreisilbige Füsse sind vielleicht anzunehmen in /' 4; T l; F 3, sonst werden die Silben der Zeilen ge- zahlt. Hiatus und eine Länge in der 2. Senkung der Dipodie ist zwar sehr selten, (denn Messungen, wie ßianog, l^iorjroxog sind wohl auf andere Weise zu entschuldigen); allein die Hauptgesetze der Quantität sind stark verletzt, indem die Hebung sehr oft nicht nur durch a v i^ sondern sogar durch f und o gebildet wird; so AT 2 ov^viov eari TioiJia, M 3 lexxQa ßiaivjg, /' 2 (fia ae nolvxifvaov etc. Im Anfange des 4. Jahr- hunderts kann ein so hervorragender Schriftsteller, wie Methodius, so schwere Fehler gegen die Regeln der quantitirenden Poesie nicht aus Unwissenheit zugelassen haben; er muss sich derselben bewusst gewesen sein und muss sie aus einer bestimmten Ursache mit Absicht gesetzt haben. Von irgend einer Rolle, die der Wortaccent in diesem Gedichte spiele, ist durchaus Nichts zu merken. Ich finde für die aufiEallenden Erscheinungen im Verbau des Methodius keine andere Erklärung als für

1) Ausserdem dürfte noch in folgenden Stücken der Text von Jahn und Christ zu bessern sein: J 1. 2 Jolov^ 6paxoa^of [fkS-oy] in^vyovca ^i^iotc, Jfaxo^, ^€iUri}^A>iff. HXtjf^ 6f xai nt^i ^loya, K 2 tilge y«r^ mit All. A 1 ^iafin^c aor (tfor ro»» Pöss,, et tor AJl,) Sara^^ JßiX n^xrvnitr, M 1 Miy$€wor «^A©r nywtmc ««^rf^c 9ov ntuf, Xoyi, *luw^fp ayfi^to' | r%'r^ y<r^ ai-t 6r tif aStöfiu Xixr^ ßtai'mf Et^Uf-y <fXoyüvfiirm so AB, Poss,

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die bei Commodian. Das stolze Bewussts^n, dass neben dem einheimischen Prinzip der quantitirenden Dichtung die fremdsprachlichen Christen ein ganz anderes, kräftiges Dichtungsprinzip besassen, führte zunächst zui^ Geringschätzung und zum theilweisen Aufgeben der Gesetze der quanti- tirenden Poesie. Die Stücke, welche solche Dichter aus den Gesetzen der quantitirenden Poesie festhielten oder welche sie im Hinblick auf jene andere Dichtungsweise sich neu ersannen, waren natürlich bei den verschiedenen Individuen verschieden. So werden die Formen des Com- modian wie die des Methodius begreiflich.

Die beiden rythmisehen Gedichte des Gregor von Nazianz.

Die nächste Stufe in der Entwicklung der rythmisehen Poesie der Griechen bilden die beiden Gedichte des Gregor von Nazianz (ge- storben 389), welche gewöhnlich Exhortatio ad virginem und Hymnus vespertinus betitelt werden; (siehe Anhang No. I). Was den Gregor bewogen hat, neben der gewaltigen Masse von Trimetern, Hexametern, Pentametern und mehreren jambischen und anakreontischen Zeilenarten diese wenigen Verse ohne Beobachtung der Quantität zu dichten, darüber gibt es weder eine Nachricht noch eine wahrscheinliche Vermuthung. Ueber die Formen des Hymnus hat Santen zu Terentianus Maurus S. 165 u. S. 185, über die beider Gedichte Christ Anthologie S. XIII XV gehandelt.

Meine abweichende Auffassung gründet sich auf die Beobachtung folgender Thatsachen: Beide Gedichte lassen sich in Langzeilen abtheilen, von welchen jede auf der vorletzten Silbe betont ist mit Ausnahme von Exhortatio Vers 23 6()ei 2ivä und 34 fii] OT^kr] nayfjg aloi^: (den 1. Fall entschuldigt der Eigenname, den 2. wohl das Citat); dann Hymnus 1 koye S-aov, 4 zo (pd)g, 13 aa()x6g. (und 24 nviVf^iari. 25 ^Auriv: Doch sind solche Schlussformeln stets frei gebildet).

Von den 125 Langzeilen zählen 75 je 14, 43 je 15, 7 je 16 Silben. Jede Langzeile lässt sich, was schon die Handschriften an- deuten, in 2 Halbzeilen zerlegen von je 7 oder 8, selten von 9 Silben; die erste Halbzeile endet bald mit einer betonten, bald mit einer unbe- tonten Silbe, die zweite hat, wie erwähnt, fast stets den Accent auf der

Abb. d. 1. t:Jl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. IL Abtb. 41

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vorletzten Silbe, so dass sich folgende Verbindungen ergeben, 7 w -^ -|- 7 r 28 X in Exhortatio, 6 X im Hymnus; 7 - ^ + 7: 33 X in Exh., 8 X im H.; 8 w + 7: 7 X in Exh., 2 X im H.; 8 - u + 7: 24 X in Exh., 4 X im H. ; dann von den seltenern Arten : 7 ^ -j- ^ ^^ Exh. Vers 1 6. 55; H. 24; 7-^^+8: in Exh. V. 1. 43; H. 11; 7 w-^ + 9: im H. 12; 8 . +8: in Exh. 44. 54. 73; 9-^+7: in Exh. 9; H. 5. 7: also im Ganzen 76 Verse zu 7 + 7. 37 zu 8 + 7, 3 zu 9 + 7 ; 6 zu 7 + 8, 3 S5U 8 + 8 Silben.

Die Quantität der Silben wird nirgends beachtet, der Accent, wie erwähnt, nur in der vorletzten Silbe der Langzeilen; sonst fallen die Äccente in allen möglichen Spielarten; ja ziemlich oft stossen schwere Accente aufeinander, wie 49 ayyrir Träfet. 53 avxij.rj^äy ^cofirjr, 55 xalov äy&og. 80 fiix^ä axent], Hymn. 5 (pcürt xriarjg und zwischen den Halb- zeilen 40 7i()oaevxcit öax^va. 74 Trarr/p äXlog. Hymn. 17 iXacpffov vnvov.

Hiatus ist innerhalb der Halbzeilen selten: in Exh. 15 Tfj elxoru 55 T] aWiog. 66 o otpig, (72 xal indym). 94 ayia; zwischen den Hiilbzeilen finden sich 5 (33. 43. 61. 77. 96); dagegen 21 zwischen An- fang und Ende der Langzeilen. Im Hymnus findet sich Hiatus innerhalb der Halbzeilen, abgesehen von dem formelhaften Schlüsse (V. 24 u. 25) in 2 Tiysijua b§. 11 xmI Tjue()ay. 20 xoIttj evoeßalg; keiner zwischen den Halbzeilen, aber 3 zwischen den Langzeilen.

Clirist hat schon hervorgehoben, dass nach jeder Langzeile eine gewisse Sinnespause eintritt; es ist hinzuzufügen, dass in der Exhortatio nach jeder 2. Langzeile eine starke Sinnespause eintritt, ebenso wie im Carmen apologeticum des Commodian; im Hymnus dagegen scheint nach jüder dritten Langzeile eine starke Pause stattzufinden. Auch Cosmas citirt in seinen Erläuterungen zur Exhortatio jedesmal ein vollständiges Vei^paar: 23 und 24; 33 und 34; 47 und 48; 81 und 82; 85 und 86.

Aus diesen Thatsachen ergibt sich, dass die beiden Gedichte in Lang- zeilen von 14 16 Silben geschrieben sind, welche in 2 Halbzeilen zer- fallen, deren erste aus 7 oder 8, selten aus 9 Silben besteht, während die 2. meistens 7, selten 8 Silben zählt. Quantität und Tonfall ist durch- aus frei gegeben, nur muss die vorletzte Silbe der 2. Halbzeile betont sein. Fragen wir, ob hier eine Zeilenart der quantitirenden Dichtung nachgeahmt ist, so könnte nur der Hexameter in Betracht kommen; der

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wechselnde Schluss der 1. Halbzeile würde die wechselnde männliche oder weibliche Caesur im dritten Fuss, der Paroxytonon im Schluss der Langzeile den schliessenden Spondeus oder Trochaeus des Hexameters nachbilden. Dass die Silbenzahl der 1. Halbzeile nicht wie im quanti- tirenden Hexameter auf 5 oder 6 herab, die der 2. nicht auf 9 oder 10 Silben hinaufsteigt und die Silbenzahl der ganzen Zeile nicht sich zwischen 13 und 17 bewegt, braucht nicht zu befremden, da ja die Errichtung derartiger Schranken bei den rythmischen, d. h. Silben zählenden Dichtern natürlich ist, und desshalb bei den lateinischen Dichtern von accentuirenden Hexametern verschiedene Spielarten gefunden werden. Die Langzeilen treten in der Exhortatio in Gruppen von 2, in dem Hymnus in Gruppen von 3 Zeilen zusammen, ein Gesetz, das nur durch V. 16 des Hymnus verletzt wird.^) Akrosticha oder Reime binden die Zeilen nicht. Demnach ist in diesen beiden Gedichten Gregors die Quantität gänzlich missachtet ; sie sind also der rythmischen Dichtung zuzurechnen und als deren älteste Erzeugnisse anzusehen. Der Accent ist nur so weit beachtet, dass die vorletzte Silbe der Langzeilen accentuirt ist, sonst sind durchaus keine metrischen Füsse durch den Wortaccent nachgebildet, also auch hier ist es Nichts mit jenem erdichteten üebergange der quantitir enden zur accen- tuirenden Poesie, in welchem die accentuirten Silben an die Stelle der vom Versictus getroffenen langen Silben getreten seien. In den Lang- zeilen sind die Silben gezählt, die Langzeilen selbst zu bestimmten Oruppen zusammengestellt. Von einem Akrostichon, wie bei Methodius, ist hier keine Spur. 2)

1) Merkwürdig ist der (auch von Christ Anthol. S. 28 gedruckte) quantitirende vf^yog feV Xgiatoy. Hier laufen 2 Regeln nebeneinander: 1) sind die Verse in Gruppen von je 8 zusammen- gestellt, 2) wechseln die reinen jonischen Dimeter, wie 66g ayv/uyiiy 66g dfi6uv und die ge- brochenen, wie 6i oy ayyiXkty ;|fo(></a, regelmässig mit einander ab in den Versen 1 7. 10 16. IM 51, so dass dies offenbar Absicht ist. V. 9 und 8 Hessen sich leicht imistellen, allein bei V. 17 und 18 kann so nicht geholfen werden. Es ist eben hier wie im Hymnus vesp. eine Aus- nahme von der gewöhnlichen Regel gemacht.

2) Durch diese Resultate wird das alte und seit Valckenaer viel benprochene Scholion der besten Handschriften Gregors, 'ffV tovxt^ rw Xoyt^ toy IvQttxovaiov Zai^^oya (AifAitidi. olrog ya(ß fidvog notfiTüiy Qv9-/ioig riai xai xtaXotg e/QijattTo fierpiXrjs dyaXoyiag xata<pgoyij(Tttg* nicht aufgeklärt. Allein mir wenigstens ist es unmöglich, in den Bruchstücken des Sophron (zusammengestellt von Botzon im Programm des städtischen Gymnasiums zu Marienburg 1867) bestimmte Lang- oder

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lieber die gleiehzeiligen rythmisehen Gedichte der Griechen und über den Takt Wechsel.

Obwohl die bis jetzt veröffentlichten aus gleichen Zeilen bestehenden Gedichte nur wenige und dazu später gedichtet sind als die meisten der nachher zu besprechenden Hymnen, so will ich sie dennoch schon jetzt behandeln, da sich mit der Untersuchung derselben leichter die wichtige Frage verknüpfen lässt, in wie weit in den rythmisehen Gedichten der Griechen ein bestimmter Tonfall beobachtet ist.

Das 'Sla^aQioy xaravvxrixov jl^ovrog rov ßaoikecog, bei Matranga (Anecdota graeca II p. 683) und Christ (Anthol. p. 48 vgl. S. XXVIII) gedruckt, umfasst bei Matranga 189, bei Christ 150 Zeilen zu je 8 Silben, deren vorletzte stets betont ist. Je 6 Zeilen bilden eine Gruppe; die Anfangsbuchstaben der Gruppen werden durch die Buchstaben des Alpha- betes gebildet. Der "V/tirot; ix tiqooujjiov /iaaiXaiov deanorov 4>u)tLov rov Tiarpmp/oi; (bei Christ Anthol. p. 50; vgl. S. XXVIII und LXXXIX) zählt 100 Zeilen von je 7 Silben mit dem Accent auf der vorletzten Silbe; je 4 Zeilen bilden eine Gruppe; die Anfangsbuchstaben der Gruppen sind auch hier durch die Buchstaben des Alphabetes gebildet.

Sowohl die achtsilbigen Zeilen des Leo als die siebensilbigen des Photius haben stets einen Accent auf der vorletzten Silbe. Wie steht es nun mit den Accenten auf den 6 oder 5 vorangehenden Silben? Ist hier ein bestimmter Tonfall beachtet oder nicht? In der lateinischen Ilythmik haben wir von Anfang bis zu Ende die auffallende Erscheinung, dass, wenn man die Wörter so betont wie gewöhnlich in der Prosa, in den sich entsprechenden Zeilen zwar die Schlüsse ( ' « hömines selten fäctus est, noch viel seltener ältus mons, oder ' « peccatori: denn andere Schlüsse gibt es in der lateinischen Rythmik nicht) gleich betont sind, dagegen die vorangehenden Silben sehr oft verschiedenen Tonfall haben. Viele unserer Gelehrten helfen sich über die Schwierig-

Halbzeilen nach Art der gregorianischen zu entdecken; ebenso wenig irgend eine Beachtung der Wortaccente. Das eine ist sicher, dass auch Sophron um die Quantität der Silben sich Nichts gekümmert hat. Ausserdem mag in den Dialogen eine gewisse Gleichförmigkeit der Reden und Gegenreden sich ergeben haben.

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keit hinweg durch die Theorie von der sogenannten schwebenden Be- tonung, d. h. sie betonen die dastehenden Silben eben nach dem Schema, ohne Rücksicht darauf, dass die gewöhnliche prosaische Betonung hiebei gänzlich verletzt wird. Da aber ein wichtiges, ja vielleicht das wich- tigste Merkmal aller rythmischen Poesie gerade darin besteht, dass die Wörter hier ebenso betont werden wie im täglichen Leben, so habe ich diese Annahme als unnatürlich zurückgewiesen; vgl. die lat. Rythmen S. 56. Dagegen stellte ich die Theorie vom Taktwechsel auf, d. h. ich behauptete, vor dem Schlüsse sei die Betonung der Silben frei gegeben, unter der einen Bedingung, dass nicht 2 schwer betonte Silben auf einander stossen dürfen. Nun ist freilich wahr, nach dem einförmigen Betonungsgesetze der lateinischen Sprache können schwer betonte Silben überhaupt nur dann zusammenstossen , wenn ein schweres einsilbiges Wort vor betonten Wortanfang zu stehen kommt, wie ältus möns im- minet, ein Fall, der sich nicht häufig gibt. Da nun die Dichter der Blüthezeit der lateinischen Rythmik, d. h. des 12. und 13. Jahrhunderts, diesen Fall theils gänzlich, theils ziemlich meiden, da sie anderseits ein feines Bewusstsein der rythmischen Vorgänge zeigen, indem sie z. B. den Taktwechsel bald überhaupt meiden, bald nur an bestimmten Stellen zu- lassen, z. B. in der ersten Hälfte der Vagantenzeile, wie ut dicant cum venerint, aber nicht in der 2., wie ängelörum chori, die meisten endlich die beim Taktwechsel entstehenden 2 Kürzen nicht daktylischen Wort- schluss bilden lassen, also wohl ut dicant cum venerint oder mons altus incümbit gestatten, dagegen ut dngeli dicerent oder s.ng6lici chori ver- meiden, so ist offenbar, dass sie sowohl des gesetzmässigen Tonfalles als auch im Gegensatz dazu der Unregelmässigkeit des Taktwechsels sich bewusst waren, und wenigstens wahrscheinlich, dass sie jene zusammen- stossenden Hebungen mit Absicht mieden. Dagegen die Dichter lateini- scher Rythmen vor dem 12. Jahrhundert zeigen wenig Sinn für feinere rythmische Gesetze und jener Fall, dass ein schweres einsilbiges Wort vor betontem Wortanfang steht, ist weniger gemieden. Wenn also Jemand behaupten würde, in der ersten Periode der lateinischen Rythmik seien vor dem Schlüsse die Silben nur gezählt worden, und meine Beobachtung, dass in den lateinischen Rythmen fast nie zwei Hebungen zusammen-

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stossen, sei kein mit Absicht festgehaltenes Kunstgesetz, sondern nur eine aus dem einförmigen Betonungsgesetz der lateinischen Sprache unver- meidlich sich ergebende, allerdings sehr erfreuliche Thatsache, so wusste ich kaum einen tüchtigen Grund dagegen vorzubringen.

Wie steht es in der griechischen Rythmik? Werden bestimmte Füsse wie in der quantitirenden Dichtung streng festgehalten ? Auch hier lautet die Antwort: nein. Christ (Anthol. p. LXXXVIII. LXXXIX u, XCVIir) bemerkt hierüber: pedum divisionem spernebant . . haec erat praecipua lex melodis christianis (graecis) proposita nee umquam violata, ut singula cola uno saltem loco syllabam acutam haberent; neque pauci versiculi in tropariis byzantinis occurrunt, quorum accentus uno exceptt) oninee fluctuant . . modorum indoles in clausulis colorum maxime conspicua fit. Die Thatsache steht fest, dass in der griechischen Rythmik nicht wie in der quantitirenden bestimmte Füsse festgehalten sind.^) Demnach fällt auch für das Gebiet der griechischen Literaturgeschichte jene Theorie, wornach die rythmische Poesie sich auf dem einfachen Wege gebildet habe, dass nur an die Stelle der vom Versictus getroffenen langen Silbe die vom Wortaccent getroffene getreten sei. Die Frage bleibt nur^ ob vor dem Zeilenschluss, wie bei Gregor, gänzliche Freiheit herrschte unri nur Silben gezählt wurden, oder ob gewisse Schranken beobachtet wurden. Diese Frage kann nur durch eine genaue Untersuchung der Gedichte beantwortet werden. Dieselbe verspricht bei den griechischen Gedichten schärfere Resultate als bei den lateinischen, da viele Wörter auf der Endsilbe vollen Accent haben, so dass z. B. Hebungen, wie in aotpvi^ kfysi, leicht zusammenstossen können.

Vorher muss auf einige allgemeine Regeln hingewiesen werden. In jedem drei- und mehrsilbigen Worte kann jede Silbe, welche durch 1 oder durch 2 unbetonte Silben von der Silbe, die den Hauptaccent hat, getrennt ist, einen Nebenaccent bekommen; diese Regel gilt für die lateinische und griechische Rythmik in gleicher Weise; für die deutsche (wegen der Stammsilben) nur zum Theil: angelorum chöri; ool (Tolrtr dvantjunu), höhere Gewalten. In den gleichzeiligen Gedichten, auch in den einfachsten Strophenformen der Hymnen, steht an derselben Stelle bald der volle Accent, bald der Nebenaccent So steht z. B. ipvxfj kaunpä

1) Mit der Theorie von der schwebenden Betonung auch alle griechischen Rythinen m das Joch bestimmter Schemate zu zwängen, hat bis jetzt noch kein Gelehrter riskirt.

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(filoxake = darfga ^ei^aq ae Xa/xngoy =z vnsQJtQovaav xaXXoyaii^ = ttjv xalXovriv Ti]v fxxqitov u. 8. f. In den künstlichen, für feinen Gesang be- stimmten Hymnenstrophen wird dagegen fast stets ein Unterschied ge* macht, ob die Silbe mit dem vollen oder mit dem Nebenaccent belegt wird; doch ist dieser Punkt noch schärfer zu untersuchen. Desshalb theilen die Griechen die Schlüsse sachlich ganz richtig ein in oxytone, paroxytone und proparoxytone {loyiofiog, (agdiov, d^iXovaa)\ für die poli- tischen Verse und ähnliche fällt freilich der Unterschied zwischen den oxytonen und proparoxytonen weg und der Schluss &i^aav(jolg steht dem Schlüsse ri&rixe gleich. Das Natürliche ist, dass bei jambisch-trochäischem Tonfall volle und halbe Accente mit einander wechseln, da ja in allen drei- und mehrsilbigen Wörtern dieselben ebenfalls abwechseln, dass da- gegen bei anapaestisch- daktylischem Tonfall die Hebungen durch voll accentuirte Silben gefüllt werden; so haben in dem nachher zu be- sprechenden Gedichte des Romanos die 5 Jamben der 5. Zeile meisten& die Accente ^ - w - « w :- w oi fiiv rtp ydftip ino^vffovraiy dagegen die Anapaeste meistens volle Accente Tolg rov ßlov re(j7iroig Bvtfrtri'Qot' Aoyiauip d-ecoQCJV rd yivofieya.

Sodann können, wie in der rythmischen Dichtung anderer Völker^ die Hilfs Wörter der Sprache (Pronomina, Conjunctionen, Präpo- sitionen, Hilfszeitwörter) als unbetont behandelt werden; der griechischen Rythmik ist eigen, dass diese Wörter als freies Material behandelt und beliebig accentuirt werden können, z. B. auch tovtwv dia xara u, s. f Ebenso können, wie in der lateinischen Rythmik, die Eigennamen, besonders die fremder Völker, also vor allem die hebräischen, ferner in wissenschaftlichen (medicinischen, grammatischen) Gedichten die be- sprochenen Wörter und Wortformen ohne Rücksicht auf den Accent gesetzt werden. Endlich kann in aller Rythmik bei jambisch -trochäi- schem Tonfall von drei, aufeinanderfolgenden schwer betonten Silben die mittlere die Stelle einer unbetonten vertreten, so 'Berg Thal Meer ; bei anapästisch -daktylischem Tonfall ist es in der deutschen Rythmik nicht sehr selten, dass ein einsilbiges oder ein zweisilbiges Wort mit einer schwer betonten Silbe in den Senkungen steht, z. B.

Hört wie die Wachtel im Grünen schön schlägt. Fliehet von einem in's andre grün Feld.

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In der lateinischen Rythmik kommt dieser Fall kaum vor, in der grie- chischen selten. Die meisten Fälle fand ich in dem alten Grabgesang des Romanos (Pitra Analecta I p. 44), den Pitra leider unglücklich edirt hat, indem er die Lesarten der besten Handschriften A B (C) nicht in den Text gesetzt hat, ja manche weggelassen zu haben scheint. Diese durchaus anapästisch angelegte Strophe hat für die Zeilen 1 4 das Schema v. w -^ « ^ .^ v. w -^ w ' z. B. roTg rov ßiov T€()Jiyolg ivrfreviQov, Unter den vielen regelmässigen Zeilen finden sich auch folgende: 1) OvSl eya ßgordiv svqov älvnov y. ''Iva di avyslwy sinio anavra &. '^Pvnov ßiov xaXiog dnetpvyerB ly. Aeysi naXiv JiQog as' ov yag dvvaaai xß, 2) (Karsa&icoy avrov näaav vnag'^iv d), ^S2g elSwg rag y^aifag €/(ü xavxVf^^ '^- (Ev^ov rov äfineXdiyog 6 xvgiog xy). 3) (rfp kvl yaQ dum näoiy ecpTjOey /a). TV ovy o aXievg nixQog e/ua&ey /r. Udoi), äiXog fiTj xafiv(JDy 7iga)r€V€i oov if)^. 4) (iXXov xa/uyoyrog äXXog evipQaiyexm S) ricok^aor oov ra nayxa xai enov uoi la. /copav rip noyriQip urj jia^fex^Tf X. Hoaoi s^co&ey i^txaicoß-rjaay xa. Das Schema der 6. Zeile ist u Kj -^ yj Kj ^^ Kj -^ sj V w oder v;w--uu - ^ kj v^oi dafür findet sich T(}0(p7]g ;fap/y xai l^dlrjg xaracpifoyovai c nach den besten Hand- schriften und IXrivxoy e&ei xa) nXovaioy rfi (p()oyi^a€i xt]. Das Schema der 7. Zeile ist ^v— .»u uw— v.w— ; dafür steht: i^ avriöv yap «l/i/. xar firideig Isyu juoi. la. {älXog xd/nvei fxoxS^iSv, ä'klog \pallH no&wy u\ Kai rvipviaag avrovg yeXä nQÜixog avrog itj. Eine derartige Missachtung betonter Silben ist allerdings so häufig wie hier sonst in der griechischen Rythmik kaum zu finden.

Ueber den Tonfall in Leo's und Photius' Gedicht sagt Christ p. XXVIII 'Anacreonteorum formam accentibus syllabarum imitantur; tantum autem aberät, ut omnes pedes horum carminum auctores accen- tibus exprimerent, ut inpaenultima syllaba nusquam non acu- enda acquiescerent, quod similiter Gregorium Nazianzenum in hymno vespertino instituisse demonstravimus. Eine genaue Prüfung ergibt andere Resultate.

Zählen wir die festen Accente, so haben von den 150 Versen Leo's (I) 29 Verse das Schema -^ ^ ^ -'- s^ ^ -^ ^ yala dixu ^rjyyv/Lieyt] (1. 8. 9. 14. 18. 24 u. s.- f.), (II) 20 Verse das Schema . -- v. - v . ' . i(^an' xoXdoftg &()r]yi^aco (6. 7. 15. 19. 25. 31 u. s. f.). Die 56 Verse, welche

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auf den beiden ersten Silben unsichern, auf der 4. Silbe festen Accent haben -- ^-i- ^ ^ ' o, wie ir avarffoipfi ue ZecpvQov, dxa()iai(og änoLoei (2. 3. 4. 13. 16. 22. u. s. f.) können nach der L oder IL Art betont werden. Dagegen ist von den 150 Versen kein einziger auf der dritten oder fünften Silbe voll betont, ausser dem Verse 88 SiSofiBvov vkrjg ^izrjr. Hieraus ergibt sich, dass Leo der betonten 7. Silbe stets 2 unbetonte voran gehen Hess. Demnach sind die 39 Verse, welche nur auf der 2. und 7. Silbe volle, auf der 4. und 5. Silbe unsichere Accente haben u o -- ^ V. wie (p(fix(0(f€ig dnoyvjurovaa, b äyQiog aiuonojTjg (10. 20. 26. 30. 34. 38 u. s. f.), nach der IL Art auf der 4. und nicht auf der 5. Silbe zu betonen, und ebenso die beiden Verse, welche nur auf der 1. und 7. Silbe feste Accente haben, nach der I. Art: 11 /cüpofj; rovg rvy xezevd-iierovg und 100 vixvag dvaacpaiQioet, und in dem einen Verse 5 IV onuyg fis jag /aerovaag, wo nur die 7. Silbe einen festen Accent hat, muss sicherlich die 4. betont werden. In den beiden Versen 21 ß^v/si uaijuq aairei xs(fxoy und 23 xaranuTv niXQog axcikri^ bilden aaiyei und mxQog die unbetonten Silben des Anapästes; wenn man in V. 88 nicht dieselbe Ausnahme mit der weiteren unnatürlichen Betonung didofjLtyov vJLTjg dixriv annehmen will, so ist zum mindesten die Wortstellung falsch. Leo hat also 2 Schemate durch die Wortaccente ausgedrückt: I-:-^^-'.^^-^.^, II ^_i-^^^^_:_^. Hiemit hat er nach meiner An- sicht eine bestimmte Zeilenart der quantitirenden Poesie nachgeahmt. In den anakreontischen Zeilenarten ist bei den Byzantinern der Wechsel des Tonfalles gewöhnlich. In den Langzeilen der xovxovlha steht bald

o w V w/ , w o , bald - w w V. V. - , - o ^ ^ {^bda vaQxiaaov

fX,^y, niSg xoviv eoxov und 17 ndgog dyd-oipoQog axrjtpiv i(peif()eg). So wechseln in dem oben (S. 315 Note 1) besprochenen Gedichte Gregors

von Nazianz regelmässig die 2 Zeilenarten v. ^ ^ ^^ —^ und .. v>

^ _ V. ^ ((Ji* ov alwy6(, änavaroi und Si oy rihog ngokafinei). Diese

Zeilenart ^ u u v. hat nach meiner Ansicht Leo nachgebildet ;

zunächst hat er die Umbildung genommen, die in den xovxovklia ganz gewöhnlich war: I v^ v.-^w ^ -' ^\ dann, da das Zusammenstossen von 2 betonten Silben sich in der rythmischen Poesie nicht in ganzen Gedichten durchführen lässt, worüber später zu handeln ist, also die rythmische Nachbildung von regelmässigen Jonici, Bacchien und ähnlichen metrischen

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. 11. Abth. 42

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Füssen unmöglich ist, die Zeilenart v^ ^ k, ^ ^ mit v-^u-^u v ^

vertauscht. Leo hat also ganz bestimmte Füsse gebildet und mit den- selben wahrscheinlich eine bestimmte metrische Zeilenart nachgeahmt.^) Anders steht es bei Photius. Die 100 Verse sind auf der vor- letzten Silbe voll betont; (V. 71 ^avXeveiv aoi (pvXa^oy ist natürlich falsch). Da von diesen 100 Versen (I) 3 dem Schema v^ -^ ^ '-^-l-^ folgen: l^ivp 6 ßliniDv ndvra (33. 53. 69) und 66 dem Schema w u ^-^w: aol do^av äramjiiTiü) (2. 4. 6. 7. 11 18. 20 24 u. s. f.), so ist unzweifel- haft das nächste Vorbild des Dichters gewesen die gewöhnliche ana- kreontische Zeile zu v v ^ ^ (7V aoi &iXeig yevsa&ai; Vvxtjv ififjv iQiorw). Allein hier mischen sich fremde Dinge ein. 11 Verse haben (II) auf der 1. Silbe schweren Accent, wie BdS-og aov rfjg aocpiag. yti&(p rriv xBipakrir /llov (5. 8. 9. 25. 26. 28. 30. 41. 43. 85. 96), so dass man von den 9 Versen, welche nur die 4. und 7. Silbe stark betont haben, wie *0 ix firjT(fog xoiXiag. Twv iyrokwr aov TQcßoy (1. 3. 35. 39. 62. 66. 74. 97. 100), nicht entscheiden kann, ob sie nach der I. oder II. Art zu betonen sind. Ja 5 Verse haben sogar (III) auf der 3. Silbe schweren Accent, wie To aov vtpiars xQarog, Jvyaardiy Ss iy fxiatp (10. 27. 29. 45. 95), so dass hier also weder die 2. noch die 4. Silbe betont sein kann. Wir sind also in Ungewissheit, nach welcher Art die 6 Verse, welche nur auf der 6. Silbe sichern Accent haben, wie "^^Jxav afjg dvya- azeiag. "^Üxi wg (fvyarog uoi (19. 32. 47. 57. 58. 77), zu betonen sind. Kurz, wir sehen: mit dem Streben bestimmte Fasse der quantitirenden Dichtkunst durch die Accente nachzubilden, welches bei Leo noch völlig herrscht, kämpft bei Photius mit ziemlichem Erfolge eine fremde Macht, die von dem Festhalten bestimmter Füsse nichts wissen will. Allein so weit, wie bei Gregor, zum blossen Silbenzählen, ist es bei Photius nicht gekommen. Obwohl in den hundert Zeilen bald die 1., bald die 2., bald die 3., bald die 4. Silbe schweren Accent hat, so stoasen doch nie- mals 2 schwere Accente auf einander; denn V. 29 S^ei daanüra ndyjüiy bildet keine Ausnahme, da 9Bog, wie /p/cTi:^' und ähnliche Wörter, willkürlich betont werden darf

1) Die bei Matranga mehr stehenden Verse fu^n sich alle ebenfalls den beiden von mir aufgestellten Schemata.

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Das häufig dem Johannes Damascenus, häufig dem Jüngern Simeon Theolog. zugeschriebene Gedicht l4no (wnagwy ;f€iAfCüi/ (Daniel Thesaurus III, 94 und Migne Cursus- 96, 853) zählt 135 Zeilen ohne Akrosticha oder Abtheilung in bestimmte Gruppen. Unter denselben ist keine, in welcher die 2. oder 4. Silbe vollen Accent hat (in 22 not J/ Tzapaa/f fioi nodag ist na^jan/e und in 37 noiffra uov kviffiörd fiov ist noirjTd zu schreiben), dagegen hat bald die 1., bald die 3., bald die 5. vollen Accent und die 7. stets, so dass das Schema ^ - v^ -- ^ ^ sich ergibt: <ye§ai dhtiaiv Xifiari /uov. ij/naQjoy vmQ Ttjy noQyrjv. ui) roifg loyovg fii) Tovg TQonovg. rovrovg roluriQivg dkeiipai. yeyQafXfiiya aoi ri;y;fai/6/.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass hier die anakreontische Zeile ^ ^_'-^_^^_i-^ rythmisch nachgeahmt ist; die schwere Betonung der 1. Silbe, welche in 17 Zeilen sich findet, kann nicht sehr befremden, da auch unter die quantitirenden Zeilen zu « w w w w {ro $o(for ro Tioy i()iJjTU)y) sich andere, wie niyuDUBy 6cß(}a yeXwyrfg. ariifjoy ovy jus xat i.v(}i^ü}y, mischen. Völlig gleicher Art sind die bei Matranga Anecd. II, 675 gedruckten "^JSxLxoi rov Kar()d(}ri elg roy ey (piXoooipoig (fUoaoipoy xai {frfioQixunajoy NhUpvxoy dyaxQeoyjBioi^ 219 Zeilen der Art: Usn'kaafxiya ndvra y/p«/. Tig ovx eWe rixyy dndyTivy. "Evd-ovg yiyerai xat xai(}€i. "ETOifidg na&Hy wy ndyra. Noch strenger sind die Zeilen des Xqioto- (poQov d, arix()lTov bei Matranga Anecdota II gebaut; S. 667' 100 Zeilen zu w-:^w-:^w w darunter . nur 4 zu v^ - u -- ^ nifd^ei xal i9€ix)(}ia% dann 47 zu w x. w ^, darunter nur 2 zu ji-u— u^w {li&ovg Swdexa von).

Um diese wichtige Sache näher zu beleuchten, will ich noch eine einfache Strophenart der Hymnen untersuchen. Dieselben waren zum Gesang oder zu gesangartiger Recitation bestimmt ; also konnte die Melodie der Betonung gewisser Silben mehr, der Betonung anderer Silben weniger Widerstand leisten. Pitra Anal. I S. 419 431 gibt 119 Strophen, welche alle nach folgender Strophe gebaut sind:

1) Olxog rov ^EtpQaS-d 2) 17 noXig f} dyia 3) räy 7i()0(pr]r(vy tj ^o^a 4) €VT(ffniaoy rov olxov 5) iv (o ro S-eloy rixTsrai: also 119 (1.) Zeilen zu 6 Silben mit oxytonem Schluss, 357 (2. 3. u. 4.) Zeilen zu 7 Silben mit paroxytonem Schluss und 119 (5.) Zeilen zu 8 Silben mit propar- oxytonem Schluss oder 595 Zeilen, deren 6. Silbe vollen Accent hat und

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bei denen nun die Betonung der 4 ersten Silben in Frage steht. Nun haben weitaus die meisten Zeilen (325) entschieden (I) jambischen Ton- fall, wobei die 2. Silbe festen, die 4. Silbe selten schweren, meistens Neben- oder unsichern Accent hat, also selten ^ ^ ^ (-f- ^ -^3, v. -i- u 13? ^-^^^14): BgoTog (parstg &e6g, <t>aid{}av idelv fifii{}av. Kai iQwvxiov VTivov vnviDoag; meistens ^ ^ ^ - (~f- ^ ' 48, ^ v^ 183, ^ »^ w 64): 'O axvXog 6 OTS^gog. ^agicl netter firjS-rjg. '£2g naXeia eni^gafie Ein wenig seltener als die 2. und 4. haben (II) die 1. und 4. zugleich schweren Accent: -i- ^ u (+ v> ' 1, ^ - ^ 15, w - ^ c 1): <f>(Sg ix (piorog x9^^^og. ^ÜQovg l^ijofjg äyS^()(6noig. Nojuov axiay cpcori^oyTa. So gehören der I. oder der IL Art die (102) Fälle an, in denen nur die 4. Silbe festen Accent hat - - w ' (-|- o 0, u ' V. 82, o w w 20): 4>ilavS-()u}mag koye. '0 XvxQonrig xal xvQiog. Nicht zahlreich (35) sind (III) die Zeilen, deren 3. Silbe vollen Accent hat; selten hat dann auch die erste Silbe vollen Accent - ^ ^ (+ ^ - 2, ^ -i. ^ 0, ^ ^ ^ 1): p. 419, 5 Uolov axoixa fi vovg. 21 j'AcÖTT« hvTiJog ßgorioy, p. 424, 48 Sdiaai S-ikvor rov ärS-Qunov ; meistens geht der betonten 3. Silbe in der 1. Silbe unsicherer Accent voran -^ « ^ w (-|- w ^ 0, ^^ ^ 24, v^ -^ u w 7): *0 axj^adavTog nv^og. Ovrjiiokujy To zleog. UoifAeva^/^riv xaTsarrjae. Nach der IL oder IIL Art sind die (67) Zeilen zu betonen, welche zwar in der 1. Silbe vollen, aber in der 3. und 4. unsichere Accente haben -±- u (+ .. -i. 58, ^ ~ w 5, v^ ' w w 4): 4^e()eig JieQiro/uriy. ElSoy xal yoLQ aov acoreg. Eldog ro narv- nt^kauTjQoy. Demnach sind wir über die Betonung der (38) Verse, deren 4 erste Silben keinen festen Accent haben, wie (-{- ^ 8, w w 27, w -1- w w 3J: \) St diVTiv^aS-eig, To djioxexQViJLfiiyoy, Jio ae jitaxagi- <Qofity^ gänzlich im Unklaren; nur dürfen wir nach der Thatsache, dass die meisten Zeilen entschieden jambischen Tonfall haben, als wahrschein- lich folgern, dass auch diese unsicheren Zeilen jambisch betont werden sollten. Immerhin steht die Thatsache fest, dass neben den Zeilen, welche auf der 2. oder 4. Silbe feste Accente haben, sicher die 1. Silbe 87 Mal und die 3. Silbe 35 Mal mit festen Accenten belegt ist. Demnach ist nur im Schlüsse ein fester Fuss festgehalten ^ —^ ^A^, w-^^w«; da- gegen in den 4 ersten Silben kann keine Rede davon sein, dass feste Füsse wie in der quantitirenden Dichtkunst eingehalten wurden. Allein desshalb kehrt dieser Versbau doch nicht zu dem blossen Silbenzählen

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des Gregor von Nazianz zurück. Die merkwürdige Thatsache, dass in den fast 600 Zeilen nur 1 Mal (p. 423, 47 x^9^^s är ov Tolfj.d)'^ rf/g nfjg y.o()vcpfjg ipavaai; denn p. 428, 27 i9e6y x^(^^^^ und 67 xi^tartw Hv^iov sind nicht zu rechnen) schwere Accente zusammenstossen, zeigt, dass diese Vermeidung der zusammenstossenden Hebungen eine absichtliche und gesetzmässige ist. In den kunstreichen Strophenformen ist aus ver- schiedenen Gründen der Tonfall der einzelnen Kurzzeilen in der Regel streng festgehalten und nur an bestimmten Stellen, zumal solchen, welche Namen oder lobende Beiwörter der Besungenen enthalten, wird wie die Silbenzahl so auch der Tonfall verletzt. Die letzte Schöpfung der grie- chischen Rythraik, der sogenannte politische Vers, ist die Nach- ahmung einer Zeilenart der quantitirenden Poesie, des jambischen Tetra- meters w_w w w , w w_^_w, welche seit dem Anfang des 11. Jahrhunderts sich imiper mehr verbreitete und bald die gesamnite mittelgriechische Poesie beherrschte^), da sie das Bedürfniss eines epischen, für längere Gedichte brauchbaren Versmasses bequem ausfüllte. Wer auf dieses Versmass zuerst verfallen ist, das gehört noch zu den Räthseln der Literaturgeschichte, aber jedenfalls war es ein Gelehrter. Desswegen findet sich in den gelehrten Dichtungen dieses Versmass durch den freien Ton- fall der rythmischen Poesie nur an einer Stelle regelmässig beeinttusst, indem im Anfang der beiden Halbzeilen ebenso oft ^ -l. als ^ ^ stobt: Elg kß-yr] (pikoTioke/uog, (piXorexrog elg naiSag, Utffariv aoßn ror nnßa^uVj ap/f/ T/}y Baßvhöya. Dies sind die gewöhnlichen Formen bei den bessern Dichtern; bei wenigen findet sich die andere Art des Taktwechßela ^ ^ ^ _i_ « _i-j oder ^ w -^ w w ' .> z. B. im Lexicon schediogr. (Bois* sonade Anecd. IV p. 366) V. 26. 32. 96. 148. 187 etc. und 25. 39. 44 etc.

1) Als alter Dichter von politischen Versen spukt bei manchen Griechen uml DeutHchen (z. B. Rhangabis, Jidtpo^a non^finra Athen 1837 S. 414; bei Mullach Conject. ßjx.) ein */'«Ärj^r, der um 1050 politische Verse gemacht habe; dahinter steckt Psellos, der in politiischea Veraen das hohe Lied, umschrieb. Die von Vielen nachgeschriebene Verwechselung E^tumiiii wohl au» Thierschs Rede *über die neugriechische Poesie, besonders über ihr rhythmischew und dichterisches Verhältniss zur altgriechischen. München 1828. S. Vi: Von jambischen Versen sind die ältesten^ dem jambischen Tetrametron entsprechend und gleich mit ihm mit dem Ein^clinttt nach der H. Silbe, von Psaltes, um 1050 nach Christus, der eine Umschreibung des hohen Liedes in ihnen liefert oder wie er es ausdrückt Ey dnXovaiBQaiq Xi^foi xai xaTfjfÄaifv^iyaig'. 'IJr?XiTtKoii iff^it&ttiAtv

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z. B. ^EnriQ&To ro tjvx^o rjja (piXs fiov y(fd(f€; der Art sind die meisten von Henrichsen-Friedrichsen, üeber die sogenannten politischen Verse bei den Griechen 1839, S. 65 71 angeführten Ausnahmen. In den volks- thümlichen Epen aber sind oft vor dem Schlüsse alle Rücksichten auf bestimmte Füsse weggelassen, nur Silben gezählt und oft genug schwer betonte Silben neben einander gesetzt. So finden sich in den 48 politi- schen Versen, welche dem Simeon Metaphrastes zugeschrieben werden (Migne Cursus 114 S. 132; 24 mit den Buchstaben des Alphabetes an- fangende Paare), mindestens 10 der Art Nvxrog nffd^eig riyanriaa, (pmro^ e()ya fiiariaag; dann auch FToTaiuot ^^svyrjdrjxmoay elg xa&aQOiv xaxwy fiov. Demnach ergeben diese Untersuchungen über den Tonfall innerhalb der Zeilen folgendes Resultat : in der ältesten Zeit werden nur die Schlüsse der Langzeilen nach einem bestimmten Tonfall gebildet; vor diesen Schlüssen werden die Silben nur gezählt; die Accente mögen fallen, wie sie wollen. Für den feinen Sinn der Griechen, welche Verszeilen ohne bestimmte Füsse nicht kannten, war es natürlich, dass auch in der ryth- mischen Dichtkunst bald mehr oder weniger bestimmte Füsse eingehalten wurden. In den gleichzeiligen Gedichten waren dies besonders die Füsse bestimmter nachgeahmter Zeilenarten der quantitirenden Dichtung, in den Hymnenstrophen waren sie durch die Melodie der meistens sehr kurzen und scharf zu markirenden Zeilen gebunden. Allein auch in dieser Zeit hoher Formvollendung bricht je nach dem Belieben des Dichters jene alte Freiheit der rythmischen Poesie wieder durch, welche von bestimmten Füssen Nichts weiss; aber der strenge Tonfall der quantitirenden Dicht- ung hat diesen freien Tonfall der rythmischen Dichtung dahin verfeinert, dass dann wenigstens gemieden wird, schwer betonte Hebimgen zu- sammen stossen zu lassen.

Ueber die ungleiehzeiligen Strophen der religiösen Gesänge

der Griechen.

Die Zahl der erhaltenen kirchlichen Lieder der Griechen, der ge- druckten wie der ungedruckten, ist eine sehr grosse. Die alten und neuen Venediger Drucke der verschiedenen liturgischen Bücher der Griechen enthalten viele Stücke jener Lieder, jedoch in schlechtem

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Texte. Da eine Sammlung der griechischen Lieder, die sich mit Mone's Sammlung der lateinischen vergleichen Hesse, noch nicht voi'hanflen ist, benutzte ich die Anthologia Graeca carminum Christianorum von W. Christ und M. Paranikas (Leipzig 1871) und den 1. Band der Analecta Sacra des Cardinais J. B. Pitra (Paris 1876). Pitra hat ein altes, doch schon frühzeitig wieder ausser Gebrauch gekommenes liturgisches Buch, das Tifonoloytov^ eine Sammlung von Liedern, von denen sonst theiis gar Nichts, theiis nur einzelne Strophen erhalten sind, wieder gefunden. Wenn auch Pitras Methode und Ausnützung der Handschriften nicht genügt, so hat doch sein Eifer für die Sache und der Reichthuni der ihm zu Gebot stehenden Handschriften diese Arbeit zu einer grund- legenden gemacht.^)

Die Dichter der kirchlichen Gesänge nennen sich oft in den Akro- sticha der Strophen; fehlt dieser Führer, dann lässt sich selten der Dichter bestimmen. Schon im 5., besonders aber im 6. und 7. Jahr- hundert blühte diese Dichtung.

Von den vielen Arten von Gesängen, welche der vielgestaltige grie- chische Ritus sich schuf, sind uns besonders 2 wichtig. Die eine, yMv- Toxior, welche ich Hymne nennen will, besteht aus einer Reihe von oft 20 bis 30 gleichgebauten Strophen (rgonaffia), denen als Einleitung eine, seltener 2, sehr selten 3 kleinere Strophen von verschiedenartigem Baue vorangeschickt werden; alle Strophen haben den gleichen, regelmässig 1 2 Kurzzeilen umfassenden Refrain. Eine ähnliche verschiedene und kleinere einleitende Strophe geht auch oft in den altitalienischen Laude einer Reihe von kunstreichen, unter sich gleichen Strophen voran. Der I. Band von Pitra's Analecta enthält fast nur alte Lieder dieser Art. Die Gesänge der andern Art, die Kavoveg, sind aus 8 oder 9 verschie- denen Liedern zusammengesetzt, von denen jedes seinen besonderen Bau hatte und ursprünglich aus mehr, später meistens nur aus 3 oder 4 Strophen bestand.

1) Vgl. über den ganzen von Pitra gebotenen Stoft* die eingehende Abhandlung von J. \*. Jacobi in der Zeitschrift für Kirchengeschichte V, 1882, S. 177—250.

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Bau der Strophen.

Uns geht hier besonders der Bau der einzelnen Strophe (r()(ma()ior) an. So oft eine neue Strophenart beginnt, wird wie noch in modernen Kirchen- oder Studenten -Gesangbüchern mit Trpo*; to die Melodie ange- geben, nach welcher die Strophen gebaut sind, der €i()fi6g. Mit diesen citirten Liedern steht es wie bei uns: meistens werden es die Lieder sein, mit denen die Melodie neu geschaffen wurde, allein mitunter nur das berühmteste Lied, das nach dieser Melodie aufgebaut ist. Die Freude, mit dem neuen Liede auch eine neue Strophenart zu schaffen, muss be- sonders in den ersten Jahrhunderten rege gewesen sein; später begnügte man sich, aus dem vorhandenen Reichthum zu wählen.

Da der musikalische Vortrag, wie die katholische Kirche zeigt, sich im Lauf der Zeiten sehr ändern kann, so scheinen Schlüsse aus der Vortragsweise der heutigen Griechen unsicher. Die musikalischen Noten der älteren Handschriften mögen meistens die richtigen und ursprüng- lichen sein, doch wird nach der Zeit der Entwicklung und nach der wechselnden Verwendung in der Liturgie, endlich nach der musikalischen Begleitung und dem Orte der Vortrag sich bald der Recitation, bald dem Gesänge mehr genähert haben. Da jede Strophe der Hymnen einen Refrain hat, so wurden sie jedenfalls von Einzelnen vorgetragen, denen ein Chor den Refrain wiederholte. Untersuchen wir den Wortlaut der Gesänge selbst, so zeigt sich ein gewaltiger Unterschied vom Strophenbau des mittelalterlichen lateinischen und des neueren protestantischen Kirchen- liedes. Während diese in sehr einfachen Formen sich bewegen und an bestimmte überlieferte Versfüsse und Zeilenarten sich binden, sind dort alle Schranken gefallen. Selten sind einfache Strophen, häufiger umfang- reiche, die bis zu 20 und mehr Kurzzeilen steigen, von denen wieder jede wechselnden Tonfall haben kann, so dass man diese Formen mit den freien Strophen der lyrischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts, manchen Opernarien oder auch Goethe's dithyrambenartigen Dichtungen, wie 'Gränzen der Menscheit' oder 'Der Strom', vergleichen möchte. Der Schöpfer der Melodie wollte nicht bestimmte Füsse und Zeilen wieder- geben, sondern er folgte frei dem musikalischen Gefühle; dies allein be- stimmte den Tonfall und die Länge der Kurzzeilen und die Gruppirung

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dieser Kurzzeilen zu Langzeilen oder Absätzen und zum ganzen Gebäude (olxog) der Strophe.

Von der richtigen Untersuchung dieser Punkte hängt das Verstand niss des ganzen Strophenbaues wesentlich ab. Die richtige Erkenntniss ist hier viel schwieriger als in der lateinischen Poesie, wo der Keim das Zeilenende klar markirt. Christ hatte in der Abtheilung der Strophen mehr auf die Langzeilen geachtet. Pitra hat während des Druckes des 1. Bandes der Analecta mehr und mehr erkannt, welch bedeutende Rolle in diesen Strophenformen die Kurzzeilen spielen; vergl. z, B* seine Abtheilung von 'H naif&evog auf S. 1 und auf S. 677. Allein es ist natürlich: wenn man sieht, wie in 20 bis 30 Strophen desselben Gedichtes genau an derselben Stelle Wortende eintritt, so kann dasselbe nicht Zu- fall, sondern muss Absicht sein. Als Beispiele mögen die beiden zu Prooemien verwendeten Töne '// naiff^tvog (Pitra S. 1, 662 und 677) und "O vtpu)9eig (Pitra S. 507, mein Muster S. 666) dienen.

1 'H TiaQ^evog 1 w w -i- ^

ai^fUQoy -1- ^ _:_

Toy V7JB()ovaior rixihi ^ ^ j^ ^ ^ ^

4 Kai ri Y^l 4 ^ w '

To onriXaiov TW dnQoairip 7i(}oaayei

7 'AyybXoi 7

doioXoyovan' 10 Mayoi öt 10 ^

juerä doTBQog oSoiTioQOvaty

13 Ji' iifi&g ycLif 13 « « «

iyeyvi]9^ri w ^ - w

naiSior vbov w w '- w

o TiQo aiüßviov &eog, ^ ^ ^ _i_ ^ ^ ^

Dieser 75 Silben umfassende Ton ist im 1. Bande von Pitra's Ana- lecta 21 Mal angewendet. Unter diesen 21 Fällen finden sich folgende mit abweichenden Theilungen: Zeile 1 und 2 sind getheilt zu ^ - -

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 43

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+ w ^ w ('// (fCfiJpa Jiayriyv()ig p. 630. 648. 668). Zeile 4 und 5 sind sehr oft wie oben zu 3 4" ^ getheilt, seltener zu 4 + 3 «-i-w -f^ ^ _^: T^;; r^idi^og fvd-eoi; p. 542. 666. 668. 669).' Zeile 13 und 14 sind verbunden p. 461 zu: (10) ''H/iagror* ivwniov aov* ndT€(f olxriQfiioy (cf. p. 462 /(fiart oIxtL(}ihov) ^^ (13. 14) Js^ai \ub fisrayoovvra. p. 666 (13. 14) -2V (pvka^ er roig ä'vkoig. p. 668 (13. 14) Kai &ebv TBTVxt]xarfg.

1 ^Or oi ngoiffixai xai Mütofui 1 -^.i-w w w-i-

kv Tip rofiü) w w ^ w

3 Mwaiay iy^axpay tvQwy 3 ^ s. ^.—

uvoToXtxra s^ ^ '- w

5 ^Yioy &eov ixri^fv^ag 5 -^ « - w w

Tolg TibQaOi ^ j- y, ^

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9 T(}ißov xai9v7if(f6i§ag 9 ^w w «

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(T/« yrjOThiag _:_ _ w -i. «

lyJieve fpikinne ^ -^ w « ' ^

Dieser 86 Silben umfassende Strophenbau findet sich bei Pitra, der ihn nur zum Theil erkannt hat, 13 Mal. Eine solche Menge von Kurz- zeilen, welche allerdings dem Vortrage des Gedichtes ein eigenthümliches Gepräge gegeben haben muss, oder, vielleicht richtiger, durch das eigen- thümliche Gepräge des Vortrags allmählich ausgebildet wurde, hat an und für sich nichts AuflFallendes. Bei den lateinischen, romanischen und deutschen Dichtern des Mittelalters finden wir eine Fülle von ähnlichen Strophen. Z. B. Carmina Burana No. 11 S. 8 und No. 57 S. 149 (in Schmellers Ausgabe).

1 Vitae perditae 1 _:_ ^ _:_ ^ .-_

me legi ^ -_ ^

subdideram « w '-

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331

4 minus licite 4 ~ ^

dum fregi ^ -i-

quod voveram «

7 et ad vitae vesperam 7

corrigendum legi

9 quicquid ante perperam 9

puerilis egi. 1 Dum prius inculta 1 (w w)

coleret virgulta

aestas iam adulta

hieme sepulta

5 vidi 5

viridi

Phyllidem sub tilia

8 vidi 8 -^

Phyllidi

quaevis arridentia 10 Invideo 10 ^ ^

dum video

sie capi cogit sedulus 13 me laqueo 13

virgineo

cordis venator oculus Dass in unseren Strophen Kurzzeilen beobachtet sind, mehr als Christ annahm, ist sicher. Pitra hat ziemlich viel Mühe darauf ver- wendet, durch Vergleichung vieler Strophen desselben Tones die Kurz- zeilen zu erkennen. Allein er ist darin stecken geblieben; die Strophe ist ihm nur aus diesen Kurzzeilen zusammengesetzt; vgl. S. LII und LXI seiner Einleitung *meminisse iuvat diu me coUuctari mecum, ne tot breves versiculos tragico cothurno aptarem neu praeterea amplum acathi?^tuin exiguas in lacinias dispertirer. stetisse me firmum in dispescendi consiiio laetor.' Auch auf S. LXXXIV LXXXVI kommt er nicht weiter. Aber allerdings wäre die Schönheit dahin, wenn diese Strophen nur aus einer planlos zusammengehäuften Masse von verschiedenartigen Kurzzeilen be-

43*

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stünden. Es begriffe sich nicht nur schwer, wie hie und da 2 Kurzzeilen verbunden sein können, sondern man stünde auch Strophen, für die man nur 1 oder 2 Beispiele hat, wie einem Chaos rathlos gegenüber, gleich Pitra S. LXXXIV: 'anceps ac dira crux quemcunque torquebit, ubi troparium per se stat, ab alio quocumque liberrimum, uti innumera idiomela/ So schlimm steht es nicht ; der Aufbau dieser Strophen ist künstlerisch voll- endet und es gibt Wege, sogar ohne Hilfe der musikalischen Noten diese vom Dichter gewollte Gliederung des Strophenbaues einigermassen wieder zu erkennen. Wenn Bickell, (Zeitschrift der deutschen morgenl. Ges. 1881 S. 416 u. 420) von den hebräischen Strophen sagt Mer hebräischen Poesie ganz eigenthümlich ist die streng durchgeführte Verbindung der metrischen Form mit dem Gedankengang, indem nicht nur die Stichen mit den Sinnesabschnitten, die Strophen mit den Ruhepunkten der Dar- stellung zusammenfallen, sondern auch immer je 2, in einem bestimmten Falle je 3, Stichen enger zusammengehören und inhaltlich eine Parallele bilden^ oder 'Gruppen zu 7 und mehr Zeilen zerfallen in grössere Gruppen, welche in jeder Strophe desselben Liedes und in allen Liedern desselben Schemas an der gleichen Stelle wiederkehren müssen,* so ist der Ausdruck 'der hebräischen Poesie ganz eigenthümlich' entschieden un- richtig. Jede Melodie braucht Ruhepunkte, die natürlich in allen gleichen Strophen die gleichen sind; mit denselben muss der Dichter, wenn er nicht allen Gefühles entbehrt, Ruhepunkte im Sinne seiner Worte ver- binden. Man untersuche irgend ein heiteres oder ernstes Lied, so werden regelmässig mit den Ruhepunkten der Melodie auch Ruhepunkte des Sinnes zusammenfallen, und so innerhalb des Ganzen der Strophe grössere Absätze sich ergeben, deren jeder eine Anzahl Kurzzeilen vereinigt. In den Strophen der mittelalterlichen und modernen Dichter markirt der Reim mehr oder minder deutlich diese Absätze; allein Bickell wird sie ebenfalls in den künstlicheren Strophen der Syrer finden, und in den griechischen Strophen liegen sie so klar zu Tage, dass schwer zu ver- stehen ist, wie Pitra sie so sehr übersehen konnte. In den obigen Strophenarten '// naQ&fvos und 'Öv oi n^fOipFixai (= 'O vtpw&elg) sind diese Absätze deutlich. Dort bilden die Zeilen 1 6, 7 12, 13 1& drei grössere Abschnitte, innerhalb deren sich kleinere ergeben : 1 3 : 4—6; 7—9: 10—12; 13—16. Hier 1—6, 7 10, 1 1 1 4 mit klemeren

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333

Pausen nach Zeile 2, 4 und 8. Pitra wäre durch die Erkenntniss der kleineren und grösseren Absätze der Strophen vor manchem Missver- ständniss und vor mancher falschen Interpunction bewahrt worden. So bestehen z. B. die einfachen Strophen des Grabgesanges (S. 44) aus 4 Absätzen, nach Z. 2, 4 und 6. Demnach ist z. B. die 6. Strophe S. 45 zu schreiben:

(1) ^AlfxvQo. rfjg &aXdaorig ra vdara

yi-vxBifa rfi xoikia ra ßifa^fiaxa $

(3) Piipoxivdvvoi nkiovair avS-Qwnoi

fi yaorriQ yaQ avrovg xaTtjrdyxaae t (5) Wv^dg aavioiv eumarBvoarreg

TQOipfjg xa()iy xal l^äkrjg xaratpQovovaiv *^* (7) ^A)X v/lkSv fi yalf^VT] d/ji/j^aarog (6g lijueya yap v^iov «/«t« ro dXlTjkov'Ca. Einen äusseren Beweis für diese Gliederung der Strophe In Absätze und der Absätze in mehrere Kurzzeilen giebt das alte Gedicht bei Pitra Anal. I S. 476, dessen 2. Strophe lautet:

I 1 "Ex(xi(f€y fi xziaig im ool* &wv 6(f(vaa* inl nuikov xaSr^teroy. II 4 ZiSrra yap «V evoBßBia'^ rd ßifiqifj vurovai os.

III 6 ^Hfiug dt ßoiojuir aoi* ^S2oayyd vU Javid.

IV 8 0Bog diipd-rig iv dyS-ganoig* ndvxcjy ßaaiksvcov* xal Kaiy tlg

rovg alwyag.

X -I— ^ _!_ I ^ -1- w -- w -^ J w -^ w -^ O K^ \J -' w w « l

-1- v^ -1- I

So sind es 6 Strophen zu je 4 Langzeilen, deren Anfänge durch die fortlaufenden Buchstaben des Alphabets gebildet werden^); vgl ähn- liche Gedichte bei Pitra Anal. S. LXXVIII und Hymnographie p. 18-20.

4— \--^v^-^U-^w ö

1) Die 8. Zeile aller Strophen ist. bei Pitra durch Ck)njekturen neunsilbig gemacht; ävicH in Strophe 6 Zeile 9 6 ßaaiXiiiay ist natürlich nach der Handschrift ndytutv ßaa. (= Str. 2) wieder herzustellen.

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334

Diese für alle Strophen desselben Schemas giltigen Pausen können leicht bestimmt werden, wenn man eine Anzahl Strophen vergleichen kann; stehen aber nur wenige oder nur einzelne Strophen zur Ver- fügung, so könnte, wenn die einzelnen Kurzzeilen ziemlich selbständige Sätze bilden, ohne Kenntniss der Melodie die Bestimmung der Abschnitte schwierig sein. Es gibt nun noch ein anderes Hilfsmittel, auf das auch Christ S. CIV CVII, doch nicht mit dem gebührenden Nachdruck, hin- gewiesen hat, so dass Pitra auch dieses Mittel nicht einmal erkannte. Die natürliche und desshalb auch bei allen Völkern zu aller Zeit ge- wöhnlichste Art^) eine Strophe aufzubauen besteht darin, dass ein musi- kalischer Satz wiederholt und dieses Paar von gleichen Sätzen durch einen dritten, verschieden gebauten, zu einem harmonischen Ganzen ab- geschlossen wird, was man mit der Figur aa b ausdrückt. In dieser Weise baut sich die Melodie unserer meisten Lieder auf, in dieser Weise gliederten sich schon die Chöre des griechischen Dramas in Strophe, Antistrophe und Abgesang. Diese Grundfigur aa b wird natürlich mannig- fach erweitert und verändert; gewöhnlich zu aa bb c oder aab ccd; seltener finden sich nur die wiederholten Sätze, ohne den abschliessenden Satz, wie in dem oben ausgeschriebenen Gedichte der Carmina Burana *Vitae perditae^ das nur aus aa bb besteht. In den meistens gleich- zeiligen Strophen der andern Völker ist diese Wiederholung ohne Kenntniss der Noten schwerer zu erkennen; ziemlich leicht in den ungleichzeiligen Strophen unserer Hymnen. Betrachten wir die oben citirte Strophe 1 '// 7ia{}&evog* otj/ueffoy* ror vnsifovaiov rixrsit 4 Kai ri yfi* rb OTiTjkaiov* rtp dnffoolrq) n^oaayei*^ 7 "AyyBXoi* /Lura noi/isrwy* SoioXoyovairt 10 Mayoi ^e* fierot daT€(fog* 6Soino(fovair** 13 Ji' fiuäg yap* iyevyri&Ti* naidiov vioy* 6 7i()6 alcirioy S^eog,

^ \^ sy ^ J yj i- v> —1- 7 1- u L- u v/ ' u ^

^ KJ ^ 7 —1- ^ vy i— SU 7 ^ '— ^ —'- w O

1) Dagegen Christ Anthol. S. CVII: haec similitudo verauum non tarn de graeco fönte quam de hebraiconim canticorum parallelismo quem dicunt derivanda esse videtur.

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335

Hier wird offenbar die 1. Langzeile in der zweiten, die 3, in der 4. repetirt und die beiden Paare durch die 5. abgeschlossen. Eine andere Wiederholung bietet die Strophenart 'Öv ol n^foipfixai:

1 ^\)v ol 7i(fO(pi]rai xal M(oafjg* er xw rofiipt 3 Msaaiar ly^atpar^ bvqcjp * jicvaroXexTa t

5 Yloy d-eov ixi^(fv^ag* rolg ne^aai *^* 7 Uayrag iniaT(f8ipag ^t * iS o^ov daeßsiag t 9 TQißov za&vniifet^ag* r^g xali]g /uerayolagt

11 7]y (fio^€vaai* xal ^UBlg xaXag* ^lä Pfjoreiag* Ixhive ^iliTiTin,

•l _! 1- \j -1— Kj —1— yj —I— j u v^ i- Kj a

O _!_ •_. yj _L_ ^ _!_ v> —1- ? v-» o -1— ••» a

^ . . , » , . h

V ^ w ' \* * « w w * w w ^ w C

*/ ^ W * W * W * « W W ' W ^ ^ S^ C

Achten wir nur auf die Silbenzahl und den Schiusa iler Langzeilen^ so besteht jene Strophe aus 15 ^ .. -|- 15 ' ^ ; li ^ kj -\~ 15 ^ ^ -{- 20 ^ '-, diese aber aus 12 -^ ^ + 12 -- ^ + 12-^ ^ -; 14^ w + 14-^ ^ + 22^m -.

Diese Wiederholung findet sich in den grossen zu ganzen Liedern verwendeten Strophenarten minder häufig. Geradezu charakteristisch aber ist sie für die einzelnen einleitenden Strophen, ein bemerkenswerther Umstand, welcher vielleicht mit dem Vortrag derselben zusammenhing. Jedenfalls gibt die Erkenntniss der Langzeilen auch die Erkenntniss der Hauptgliederung der Strophe. So Pitra S. 101 (aab)

Tay (Jt* '^fxäg aravQw&eyra* Sems ndyxeg* VjuyfjamjLUvt Amby yotQ yMTBldsy Ma(fla * im ^kov * xal ilt^n^ t

El xal arav()6r vnofieyeig * av V7id(fxeig *

o viog xal &€6g juov.

Da die beiden ersten Langzeilen offenbar gleich sind, ist entweder die erste {^id?) oder die zweite (yap del.?) zu bessern, also 16 {oder 17) ^v/ -|-16(17)-^v.— -1-19-^v. Auffallend gross ist die repetirte Zeile bei Pitra S. 157, was schon Pitra durch die Worte 'gravitas prooemü grandiusculo metro ordientis* anzudeuten scheint:

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^JJt6 )iaTaß(i(;* Tag ylajOGag ovr^x^e^ dteu^(}i'Qfy i&yi] 6 vwiarogt are rov 7iv(f6g^ Tag ykiooaag (hievet uey^ flg iyoTtjTa uayTag ixdlfoeU xal ovjU(pi6yü)g (^o^dl^wuey^ t6 nayayiov nvevua, also 23^w- + 23-^s.- + 8-w- + 7-:-..

Da viele dieser Prooemientöne hJiouüa sind, d. h. nur in einer ein- zigen Strophe sich finden, es also oft schwierig ist, ihren Bau zu er- kennen, so will ich eine grössere Anzahl derselben, welche im 1. Bande von Pitras Analecta vorkommen, hier erklären, indem ich zuerst die Strophen mit einem Paar, dann die mit zwei Paaren gleicher Langzeilen aufzähle.

Zwei gleiche Zeilen zu 6 ^ v. _^ eröflFnen die kleine Strophe p. 178 nginEi. 2 zu 8 u .!_ aa p. 516 dqf ov, wo i^iQog und Ttkeov wiederum 2 gleiche Langzeileu zu beginnen scheinen. p. 671 bilden Oi iv ßaadvoig* dqiöXEvaavTEg% und /.ai Iv atecpdvoig* nayxoafAioi sicher 2 gleiche Langzeilen, so dass wohl in der 2. eine Silbe weggefallen ist. S. 367 2 Langzeilen zu 1 1 _i- w 'ßt T^g y^g aov nQoq>av£tca fj 'Aaqa% = S. 369, wo wohl Tf^g oo(fiag rov tzoi'aiXov Isi^tjva zu ändern ist.

S. 517 (og noXvTifirjTov 12 »- _:_ aa. 13 Mal findet sich der Ton intqdvrfi 12 _:_ ^ aa : vgl. unten t<^5 ^e(^ 12 _f_ v aa -f- bb. 19 Mal der Ton xd avto 13-^ ^ ._ aa; S. 316 ist d'Biov zu tilgen; S. 473 ist wohl 7req)dvtoiai und S. 588 i(pdv(oaag zu schreiben; S. 480 xai 6 doXiog'i; S. 328 weicht stark ab. 11 Mal der Ton tijV ev ngeaßeiaig 13 _i. «^ aa, dessen Schluss dem des vorigen gleicht, ja einige Male (p. 298. 559. 527) mit denselben Worten gebildet ist; desshalb ist S. 532 r^g im Refrain mit cod. T zu tilgen ; S. 319 imd 667 ist der Schluss der Strophen wohl stark inter- polirt; S. 555 ist hixQayiv richtig. 10 Mal der Ton t(^ (paeiv(lj 14_i. ^ ^ aa; S. 663 ist Tov Tov xQ^^ov zu ergänzen. S. 535 irgoavaala 14 _:- w _i_ aa. S. 447 ist wohl xat zu streichen und zwei Langzeilen zu 14«-'_:_(^ w_l.»^, v ^ * ^ j- ^^ -- ^ -L-) herzustellen. Die Strophe S. 92 äearrorov beginnt mit 2 Lang- zeilen zu 14 _'_ w ; vielleicht wird auch der 2. Absatz dXXd TOiavTtjg durch die wieder- holte Melodie 5 -i- '^ bb eröflnet. S. 538 l^QyjOTQdrrjye v^eov * XeiTOVQyi x^eiag do^g* Tiüv dyyiXwv odtjyi* xal dgx^yi doiüfidrojv (15 _:_ v a: 14j_ vy a) ist xai entweder in der 1. Langzeile zuzusetzen oder in der 2. zu streichen. S. 186 Oi TQelg 15 -i_ V aa. 2 Langzeilen zu 16 oder 17 ^ v _l. S. 666 td riov ßhxaqrfnAwv, wo entweder dvianaaag oder eher i^eKdXvtpag falsch ist.

Häufiger sind die Strophen mit zwiefach wiederholten Sätzen nach den Figuren aa b cc d ; aa bb c u. s. f. So S. 92 t^) ^gov^t 7 w_i.aab-|-8_i_w_^ccc + d.

Die 1. Strophe S. 499 Iv %6Xnoig hat 9^ v^ _ ccc; auch die 2. Str. S. 499 geht wohl nach demselben Ton, nur hat ZI. b 2 Silben zu viel und die erste Zeile c 2 Silben zu wenig. Die grosse Strophe S. 646 dywvag beginnt mit 7 _i- « aa + b ; dann eröflFnen nach der Moskauer Handschrift 2 gleiche Langzeilen zu 17-:_v^ . cc

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den 2. Absatz dXka xal vvv d^ Tag aiQeaeig * yial twv ix^Qf^y to q>Qvayf4a J iv Tolg negi twv ßaaiXiwv * inorayrivaL nQeaßeve J Der 5 Mal vorkommende Ton (og inaqxag S. 165 beginnt mit 8 -i- w ^ aa + b ; dann folgt 7 -i. w cc + 6 _l- ^ _•_ dd + e. Hübsch ist die Strophe S. 579, die zu schreiben ist lHaviv xqioxov* wael &WQaxa * iydov Xaßiiv * ev xagdiif aov J rag hanixtg dvva^eig * •Katenatr^oag * noXva&ke *^* xat atiq^ei ot^W^; J iaTeq)d'fjg alcovicog^ (og di^TTrjrog. S. 493 beginnt der 1. Absatz Tay dnooToXtüv mit 9^ ^ aa + b; der 2. besteht, wenn man cpOQOvaa annimmt, aus 13-f_ v^ ccc. d. S. 140 beginnt die Strophe ry (pikonqdy^ovi mit 9 ^^ ^aa -f- b; auch der 2. Absatz scheint mit 2 gleichen Langzeilen zu beginnen avyxexXeiaiaivtJv ydq Twv &VQWV* (ig (ai)?) elaijlx^eg aiv Toig Xoinolg, so dass die 1. oder 2. Zeile zu ändern ist. S. 116 beginnt der 1. Absatz mit 10-1-^-^ Tijg exd'Qag"^ iXvx^rj* ro TVQawov * Ttjg &^ag* inavO^t]'* ddnQvov ^ did tov ndd^ovg aov* cpikdv^QioTte* XQiovi 6 ^eog *^* Der gleiche Parallelismus der Worte zeigt, dass auch der 2. Absatz iv avT(^ ydq 6 &av(x)v * dvaxexaiviaTai J di avzoi di 6 Aijarijg * elaoinlCerai * ^ovog XoqevEL 6 Idödn mit 2 gleichen Langzeilen zu 12 oder 13 _:_ v , je nachdem man dvax&iaiviavac oder elaoixU^evai ändert, zu beginnen ist. S. 53 besteht der 1. Ab- satz (og dkfi^cjg aus 10 u -^ aa + 7 v/ -i- bb, der 2. aus 12 -i. ^ ^ cc + 7 ^ -i, b, S. 545 Strophe datiqa besteht aus 11 _i- ^ -i_ aa + 18 -^ ,^ ^ b ; 13 i, ^ ^ cc + 13 w d. S. 517 beginnt die Strophe TifAiog mit 11-l.w _:. aa, wenn iu der 2. Zeile o getilgt wird; der 2. Absatz beginnt mit 10_l-v^ cc, wenn in' dnoaiolutv apostrophirt wird. S. 61 besteht der 1. Absatz der Strophe f^erd xhidwv aus 11 j^ <- . . aa + 7 ^ j- bb; der 2. beginnt ebenso, wie S. 517 mit 2 Langzeilen von je 2 Mal 5^ <>. S. 165 beginnt der erste Absatz mit den gleichen Langzeilen 12 -i_ v _ aa {(ig ihi^fitßv* vnd(fxwv* xpiare o ^e6g% zdg twv fiaQVVQCJv* amiotig* iöqoainag) -j-l^^ bb; der 2. beginnt mit 13-i-wcc. Mit der gleichen Langzeile zu 12.-^^ aa (5 ^ o 4- 7 -^ w -:-) beginnt sowohl die 1. {el xal) als die 2. (utatakaßovaat) Strophe S. 124, während das, was folgt, verschieden ist: dort beginnt der 2. Absatz yvvaifi mit 14-'- w ^ cc (7-Ji-^ + 7jl^ -L.), hier derselbe mit 18^ w^ {l^^a «jc^/r?;* 6 avXij&eig* in r^g aifiOQQOv* Tijy caaiv J aqa i^yeQt^tj* 6 rtgounu^v* nal nqo toi Tidd'ovg* rijV eyeQOiv *). Die 2. Strophe S. 107 tüv tpoßeqüp und die 3. Str S, 141 Tijv ix vexQwv aov sind sich im Bau fast völlig gleich; nur beginnt S. 107 die L und 2. Langzeile mit 4 w _:_, S. 141 mit 5-i- v>, so dass dort 11 ^ ^aa, hier 12 *- _:_au entsteht; der zweite Absatz beginnt mit 2 Paaren von 8_:^ v _:_, so dass S. 108 Pitra's Conjektur dva^iojg idtiXiaaa sicher falsch ist. Die Strophen S. 651 Toig rt^v ai^aTiDv und S. 586 Ty tov dfii^nTov gehen nach demselben Tone, der durch 2 Langzeilen zu 12 _i_ v> _:_ aa eröffnet wird; während der 2. Absatz S. 586 aus 10^ w ^ bb + 12 -i. ^ -^ c besteht, besteht er S. 651 aua 10 _ ^ ^ , 12 ^ v . , 10-1- w _:_, 80 dass vielleicht die Zeile avz^g ydq middxei tu atr^Qiypa in Parenthese vor 6 dovg zu stellen ist. Schön baut sich die Strophe ^ tqv nQodQOfiOv S. 17H auf: Der 1. Absatz (zu 42 Silben) besteht aus 12 v. - aa + 7 -l ^ bb + 4 ^ v. ^ c; der

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 44

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T^

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2. (ebenfalls zu 42 Silben) aus 17-:- v . dd (^pijmr^t/ oty ^HQwdiag* avofiov q)6yoy ahrjOaaa J ot; fioi'Oi' ya^ tov tov d-eov * CcSvra aic^i^a i^yarrtjoev) + 8 .i. « ^. S. 370 TT^o^ Toig dvo^ovg beginnt der 1. Absatz mit 12 _i. « aa + b; der 2. scheint mit 9 -1- w zu beginnen, so dass der Aecent von ika^iTtQvvag falsch wäre. Die Strophe xeiQoyQaqyov S. 185 und 490 beginnt den ersten Absatz mit 12-^ w aa -|- b; den 2. mit 11-1- w cc 4- d, so dass wohl S. 490 y^al xhxiovaat zu ergänzen ist. Die Strophe S. 218 Oi TTjV yoQ^^ beginnt den ersten Absatz mit 12-i- « aa+ b; den 2. mit 9 _!_ w cc + d. Die 16 Mal vorkommende Strophe Tf]5 d-et^ ano fitjtQag besteht aus 12_:_ w aa + 12-1. w ^bb + c; cler Ton ist sehr verwandt mit dem ijteqHxvfjg oben bei aab 12 _i. « ; S. 577 und 615 ist wohl TcarrJQ r^f,^(üv zu schreiben; in der Strophe S. 668 Tovg aveqqovg ist x(^^^''^^^ zu schreiben. Der mit 12_:_ « aa beginnende Ton 6 vipcüd^elg ist schon oben behandelt; S. 275 ist wohl tiJv vor x^Q^^ zu tilgen, nach r^eliit stark, vor avt^ (4nki]?) leicht zu interpimgiren ; S. 394 Uqccqx^^ ^. ^- 1- richtig; S. 433 xat ayiav ^r^tiqa richtig; S. 507 iv rg zu tilgen; S. 581 ^^codwpijTwg richtig. Der 6 Mal vorkonmiende Ton y,oq6g ayyekixog besteht aus 13-i- ^ aa + 7_:_^-:-b + 8_^ ^ _i-c; der 2. Absatz, welcher wiederkehrt im Ton otav eld-gg (22 .i. w _i.aa) besteht aus 13 -^ w dd + 7 _:_ w _:_ e. Die 2. Strophe S. 140 6 xov Qwfia beginnt offenbar mit 2 gleichen Langzeilen zu 13 oder 14 -j_ « , so dass wahrscheinhch 0 rov QtofAa öiatay^og * iiiaxig dfAq>tßoXog {civaiAq)ißolog Pitra) % (pxovofiriihjy oiorriQ* oyriog ßovhqaei aov zu schreiben ist. Der 6 Mal vorkommende Ton rijv i'TtiQ iqfiwv beginnt den 1. Absatz mit 13-i- ^ aa (5 + 3 + ^)i eleu 2. (pvdafi6(>ev) mit 9 _i_ ^ _:_ ccc (4 + 5 cc + 9 c) ; die S. 600 zugesetzte Langzeile naaav at^- Ttdv* TOV xoofAOv* '^aTaliTTCvveg ist gleich den beiden ersten Langzeilen; S. 667 fehlt in iv (iidalg xal vinvoig und rr^JJ deonozr^ xQavyd^ovveg je eine unbetonte Silbe. Der Ton T^i intq^axii^ kommt bei Pitra S. 250. 263. 300. 613 vor; da Pitra die schon von Christ Anthol. S. 140 richtig gegebenen Langzeilen wieder zerstört hat, gebe ich die Strophe mit den Kurzzeilen

T(Ji ineq^dyii) * OTQatrjyip * rd vmtjTtjQia log XvTQ(üO^€7oa* rwv äsivcuv* evxctQiOtrJQia

dvayqdq)io aoi* ^ noXig as* ^eoroxe. ^iXk^ log eyovaa t6 TLQdrog* dnqoa^dyrftov ix ftavToiiov f4e xiväcviov* iXevd^eQwaov iVa 'KgdCw aoi XOtlQB vv^q)T] dvvfiq^evTe, also 14_i. - _:_ aa + 13 j_ V. b; 13 ^ v. j. cc + 13 ^ - ^ d. S. 300 hängt die

3. und 4. Zeile dem Sinne nach eng zusammen; auch die 5. Zeile, die in der Hand- schrift den richtigen Tonfall hat : rrQog Trjv Xarjv dyioyriv avrovg %ai aaKrjCiv, entbehrt hier der Theilung; S. 613 ist in Z. 4 wohl TtQog tov xvqiov zu schreiben, fehlt Z. 1 eine Silbe; sonst ist der Strophenbau richtig. Der bei Pitra 7 Mal vorkommende Ton Tcf &€6ß(ivTa beginnt den ersten Absatz mit 14 j- « aa (5 + 5 + 4)i d«^ 2. (xa£ OTvXog) mit 12 .^ w bb (3 + 2 + 7): also ist richtig S. 349 xaztJQdevaag

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(== Baalleu); 354 xai aivXog rputog; S. 583 ist wohl Trjv tr^g TQiddoc: zu stellen und S. 655 valg vor yviu^iaig zu tilgen. Die Strophe 'Iwaxelfi S. 198 bildet den ersten Abstatz aus 14 _^ w aa + 9 _^ ^ _i. bb. Die 3. Strophe S. 29 o fA'qiQavy verwandt, aber nicht gleich der Strophe x^Qog dyyeh'Kogy beginnt den ersten Absatz mit Ib -L- ^ - aa, den 2. {dH*) mit 14 _^ w ^ , so dass wohl ßaaiXiag (= iv noXi- ftoig) zu schreiben ist Die Strophe S. 514 6 tiqo hooq>6qov scheint den 1. Absatz mit 15 « -j- aa zu beginnen 6 7iq6 6(oaq>6QOv* ix TtarQog d^niTioQ yevvrji^eig * i/rl {Trjg del.?) yijg dnaTioQ* iaaQxtid'rj af^fneQOv ix aov, den 2. mit 12 _i. ^ cc. Die Strophe 17 na^O-ivog, wo auf 15 -l. w aa der 2. Absatz 13 -i. w bb und ein dritter zu 13-i_ »^ + Refrain zu 6, 7 oder 8 Silben folgen, ist schon oben behandelt; demnach ist S. 202 der Refrain O^eov T^g ;fa^trog richtig, vgl. S. 542 ; S. 320 ist dndarjg Trig nQoqnjveiag zu schreiben. In der grossen, gut 114 Silben umfassenden Strophe S. 85 xar«xotaa beginnt der 1. Absatz mit 16_i_ v _i. aa (t((J vor eldozi scheint falsch); "der 2. (nüg aoi) mit 21 _^ w _^ (6 -|- 4 + 7 + 4). Fast ganz aus Kurzzeilen zu w _j_ w baut sich die hübsche Strophe S. 76 ov^izi (pXoyivt] ^OfAcpaia auf; der 1. Absatz besteht aus 18 w _i_ aa; der 2. aus \& j- ^ ^ (öi nach ijiiotrjg ist wohl zu tilgen) nebst Refrain zu 8 .^ ^ ^. In dem Tone oxav kVdjig S. 35. 487. 604 beginnt der

1. Absatz mit 22 - ^ _i- aa (4 + 3 + 7 -f 8), der 2. mit 13 -£_ ^ cc; dieser 2. Theil ist dem von yoqog cyytki:^6g (13 -^ w aa bb) gleich. Die Strophe tr^v aio^anxT^y S. 23. 549. 666 beginnt mit 25 _^ v> aa 6 + 7 + 5 -(- 7); der 2. Absatz besteht aus 12-'^ ^ ~ bb (7 + 5), der 3. aus 31 Silben; S. 549 ist wohl zu schreiben iyti^Qv^av dwfivovvveg ae.

Wir haben gesehen, wie sehr das Gesetz der wiederholten Melodie den Aufbau der Prooemien beherrscht; anderseits lehren einige Blicke in den ersten Band von Pitra's Analecta, wie unsicher der Text ist; zum Nutzen künftiger Forscher seien einige Vermuthungen beigefügt: S. 501 beginnt der 2. Absatz (iVa oxav) sicher mit 12 ^ w ^ cc (8 + 4), der 1. wohl mit 10 ^ w aa (5 -f- 5). Der öfter (S. 169. 459. 589. 628. 644. 653. 665. 668) vorkommende Ton xovg datpaleig beginnt den 1. Ab- satz mit 12 ^ w _!. aa (4 + 5 + 3), den 2. mit .12 ^ w _i_ (7 -f 5). Die Strophe S. 547 (ig avXog beginnt den 1. Absatz mit 13^ w ^aa. Der S. 177. 366. 438. 582. 670. (636?) befolgte Ton 0 oocpiaag beginnt den 1. Absatz mit 13 ^ -i-aa, den

2. mit 13 oder 14 __ - _i. cc (7 oder 8^-_:_ + 6-^w_i.). Wenn man S. 373 die Strophe im Text und in der Note verbindet, ergibt sich für den Anfang des 1. Absatzes V6 j- ^ aa {rov fUTaaTovra evotßwg^ ix twv nqoaxaiqvjv * iv talg axrjvalg tüv i/AcxrcSv* f^sid äixauov * dvdnavoov xqiaxe 0 Oeog, Die Strophe S. 12 rijy TÜv dvoftiov scheint mit 16_^ w aa zu beginnen. S. 332 scheinen die beiden ersten nqüzog zwei gleiche Langzeilen von vielleicht 22 _l- w ^ aa zu binnen.

Nach den gegebenen Beweisen ist klar, dass der Aufbau der Pro- oemienstrophen hauptsächlich durch Wiederholung von Langzeilen be- wirkt wird. Die Töne, in welchen die zahlreichen Strophen der Hymnen

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selbst gedichtet sind ^), sind meistens umfangreicher und kunstvoller auf- gebaut. Doch auch hier spielt die Wiederholung der Zeilen eine grosse Rolle, was einige Beispiele beweisen mögen. Das alte Gedicht auf Adam, Pitra S. 447, besteht aus 22 Strophen nach folgendem einfachen Ton: 1 ^vyaXyTjOoy * na(fd^€ta€ 3 r(5 XTTjTO(}L* 7iT0)xfvaavTi, 5 xal T(p ijx^p oov ruiv (pvkkioy ixhtvaov T(5 nkdorrj

8 ^Elerjjiioy* ilerjoov* roy na^amnovra, 1 *^-^w-^, v-^o-^, o w-^w-^, w-^u-^ aaaa

ü V vy -^ V -^ w/ -^ v^ o u V -^ \j \ \j -^ \j 7 \j -^ V. -^ D c a

Ref r. 8 v^-^k^-^, w w-^, - -^u-^w aad

Die 1. Zeile ist selten ^ ^ ^ j:^ yvv ovv awxriq betont; in der 6. Zeile ist Takt- wechsel gestattet: denn etwa 8 Strophen haben den Tonfall w _^ ^ _:_ w _i_ « Jxe- tevaov r^J tvIAottj, 2 die unsichere _:_w^_i_w_l.^ (5 ^elvrj äve(^yf.uvog und 23 naQide äfaaQTiag); die übrigen « _:_ ^^ w _l. ^ dveativa^e laiya.

Sehr häufig angewendet ist der Ton TTjy 'E^eu^ nach welchem auch folgende Strophe (Pitra S. 9 Str. 21) gebaut ist.

I. 1 ^Yno TMjy änkayviy* ju^dywy ravia iXfyero, 3 V7i6 ^8 rfjg ae/uy^g^ ndyra ineoipfßayi'QsTO,

5 xv(}ovyrog rov ß(fe(povg* td nüy dfi(poTt(my. II. 7 rfjg /tuy (^etxyvyrog* uerd r^y j^&yyrjaiy"^ rriy /Lt^vQay dfiiayroy^ 10 Tc5y ^t ^eixyvyzog* /lezd rfjy slevaty* äfiox&^oy roy yovy* üaneif rd ßrif^iara*

III. 14 ovSug yap rovrioy* VTieairj xonoy,

16 (og ovx ijLioxd^^oey ikd^ioy* ö l4fij3axovfi 7T(fbg Jaytijl'

IV. 18 o (payetg ydQ n^fOiprjTaig* 6 avzog iipdyt] udyotg Refr. 20 naidloy yioy^ 6 tiqo alioyuDy dsog.

1) Au8 der Liste dieser Töne, welche Pitra S. LV gibt, ist Klasse I No. 14 Eliae cvx i^Xtipe S. 298 zu streichen. Pitra hat nicht bemerkt, dass dies Gedicht des Elias S. 293 mit seinen 2 vorangehenden (S. 289 u. 291) wie den Bau des Prooemium, so auch den der Strophen gemeinsam hat, nemlich ivyotiüoy Klasse 11 No. 11.

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W 1 V -i-

5 w-^ow-^^ 6 sj -^ \. ^-^u bb.

V v>

II. 7 -^ 1

1}

13 i. V -'- V cdfg III. 14w 1 w w 15 V— 1 w v> hh

::l

Refr. 20w o-i-w 21— w-^-ww-^-. no

Diese schöne Strophe baut sich aus Langzeilen auf, welche theils aus gleichen Kurzzeilen bestehen, theils unter sich gleich sind. Mit dem Ende der Langzeilen fallen schwächere, mit dem Ende der Absätze stärkere Sinnespausen zusammen, so dass Inhalt und Form sich gegen- seitig beleuchten. Besonders Romanos arbeitet die einzelnen Stücke alle kräftig aus und achtet genau auf alle schwächeren und stärkeren Pausen. Andere, welche grosse schwungvolle Perioden lieben, beachten oft die schwächeren Pausen weniger, wie z. B. Josephus bei Pitra S: 382. Allein auch bei diesen sind Theilungen unmöglich, wie sie Pitra z. B. S. 326 dem Domitius zutraut, wo es von Johannes dem Täufer heisst (21 Z. 10) xal ir rfi /HT^rQq^ art ^(fvnTo/nsrog^ XQoi^Bi ov (pcorfj^ äXka oxiQXTifiaai*^^ (III, 14) TTir sctiaiv Ovnu)"^ e/(b xarel^ovt xal nQOfir[yvco aoi rov aov* drißiovQYov xal XvxQiDxriv f saltibus convocat creationem'), während natür- lich vor xriv xxiatr kräftig eingeschnitten und xrir xxioiv ovnio xaxeldov, wie in der folgenden Strophe xbv xoafioy ovx eWe, verbunden wer- den muss.

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Bemerkenswerth ist besonders, wie hier im Anfange der Langzeilen halbbetoüte Silben oft mit voU betonten wechseln. Eigentb'cher Taktwechsel findet sich bei Romanos nur in der letzten Zeile (vor dem Refrain), der 19., wo selten die 2., oft die 3- Silbe accentuirt ist: arvijxarc ovi äq)d7j. iyewi^xhjg evdoxr^aag. Andere haben die 2- und 4. Zeile ebenso behandelt wie cias 1. Stück des poh tischen Verses, indem sie neben _w w__w_L.^_:_ auch ^_^ _w_i.w_:_ gestatteten ; YgL z. B, Pitra S* 202 noi^iva -Kai öiddaxaXov, Tovg oQvag xaleod/Aevog.

Das auflEallendste Beispiel von Wiederholung der Langzeilen bietet der berühmte Ton äyyekog n^ioroaraTrig. Dieser Ton ist am feinsten aus- gearbeitet in den 13 Strophen des Akathistos bei Pitra S, 263—272- Ich setze die 2. Strophe hierher:

I. 1 'AyybXoi ovQavo&iv^ rfjy ariv xvrjnti' nalm^ dyvfirqoai^ Tfßp- 9^ey€ d^icog* 4 xat yvy Ttjy ie^fdy xal asTirriv^ fie^* ^)fiU}y rtör xdfw^ hv-

II.

aeßiSg * xoifirjair

8 ^o^doovaiv ir äafiaoiv* xfßavydl^orrBg ?rpö^* ai roiavia:

III. 10 /cf^p« X^(f^S* "^^ dv&ffi'nvjy ßifVL^Oig* 11 x^^if^ apag* Tcir n^foyorcoy kvaig,

IV. 12 /celp« doQarov^ Tiatffbg rv fiept] äifS^u^B' 13 yalQB ovraydQx^^* ^^oi) fi^rsf) äyarS^^,

V. 14 /«rp« xUfia^ draipeQovaa^ dno yfjg dg ovQayoy*

16 X«rp« yicfv^a eladyovaa* elg naifdSHftoy tt^nym\

VI. 18 /«rp« ort x^9^^ ^** dyvfiyovaiy oi ävoj-

20 /«!(>€ oTi ß^oroi a«* jiQoaxvyovatr oi xdrui.

VII. 22 /atp« dyyrj* na{}&iyiüy to xavx^f^^ci*

24 /«7p« ae/LLyri* ae/aydjy dyakkiafia.

Vin. 26 /atp« (fi Tjg* (fdlay^ (pevyBi. daifiovüjy*

28 /«tp« dC T]g* (pvaig /«/pai ai/^p(ju.^üjr,

Refr. /a?p« vvfKprj dvvfKpavxe.

I.

\J w

IL 4(ww-^w)lv ww— 5v,w w V 6

8 o -i- V -^

\J \J

-1- fj \j -^ \j -^ s^ -LI- sj J—

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IXX« J, U \j \j w \j —- \j \j ot

11' ' * ' ' a

X X w \j w w %j w Cb

IV. 12 ^ - - . -^ - * ^ ^^ . ^^ b

1 a , . , * , , V,

X '—— \J \j w w w w w IL/

V. 14^v^v^w-^--* „„-'-„^„-^ c

Iß*....* ,., p

X V w ^ \j \^ \j w sj w v>

I v/ ^ V, I

vr ift ' ' * , , A

T X O -^ o w w \j w w w w w vX

90 ' ' _i_ * ' ' f\

£i\ß w ■^— w w -*— w w ^ w w w vX

V J.J.. ^ ^ ^ ^ w ^ w w -^ w ^ 6

/ 9A ' ' * ' fl

ÄTt w w w w w w ö

V 111. aO -^ Vrf w -^ w w -^ w w '- w I

4^0 w w ^ I w w w w X

•:1

w w

Refr. ^ V

Das bezeichnete Gedicht bei Pitra Anal. I S. 263 enthält diesen Ton in der reinsten Form. Denn abgesehen Ton Z. 4, welche nur bei diesem Dichter jambisch anfangt w_l.o_i_w^w w_i_ falso ist Str. 5 iatdfievov atvyvov xaTr]q>rj das Rich- tige), ist sowohl die Accentairung als die Theilang der Kurzzeilen hier am reinsten durchgeführt. Die Zeilen 15 und 17 sind frei von dem sonst vorkommenden Takt- wechsel; Z. 22. 24. 26. 28 und der Anfang von 10 imd 11 haben stets den vollen Accent im Schlüsse. Am merkwürdigsten ist dieser Ton dadurch, dass von manchen Dichtem die Kurzzeilen öfter mit einander verbunden werden. Unser Dichter trennt stets die Zeile 5 9 (Str. 12, 7 ist rtQoOvfiog zu schreiben) und theilt Z. 10 und 11 stets in 4 + 6, Z. 12 und 13 stets in 6 + 7 Silben. Der Reim und die gleiche rhetorische Gliederung der entsprechenden Zeilenstücke ist auf den Höhepunkt geführt. Dies geht so weit, dass in Z. 12 und 13 auf x^^Q^ stets ein Genitiv folgt (wie doodtov 2. 3. 6. 8. 10—13 oder wie dXtj&eiag 4. 5. 7. 9), in Z. 14 und 16 ein Substantiv im Nominativ wie xXifia^ (mit Ausnahme von Str. 6. 13 und 5), Zeile 18 und 20 stets mit x^^^ ^^ ^^d Z. 26 und 28 (mit Ausnahme von Str. 5 und 7) mit x^^^ dt* ijg oder nQog ^v beginnt.

Die Vergleichung der anderen in diesem Ton gedichteten Hymnen ist besonders für die folgenden Untersuchungen über die Freiheiten in diesen Dichtungsformen wichtig. Weit berühmt ist der Akathistos des Sergius, dessen Anfang ayyeXog nqioxootatrig auch dem Ton den Namen gab; es sind 24 Strophen, von denen aber 12 nur die Verse 1—9 umfassen; bei Pitra Anal. I S. 250 und Christ Anthol. S. 140. Der

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Unterschied zeigt sich besonders in der Accentiürung und in der Verbindung der Eurzzeilen. Die 4. Zeile besteht stets aus 3 Anapästen. In Z. 15 und 17 tritt statt « w _!. w _:_ w _i_ auch mit Taktwecbsel -l--l. w _:_ « w _^ ein (4, 15 öi' ^g xarißr] d^eog. 20, 15 Tovg avXrj&ävrag tov vovv\ 17 Toig ovXXrjfpd^evzag alaxqüg). Viel auf- fallender ist die Verbindung der Kurzzeile 5 mit 6 und 8 mit 9, welche sich bei Sergius allein findet und die Verbindung der Stücke von 10 und 11, 12 und 13, welche sich noch bei Romanos findet. So sind 5 und 6 verbunden zu 7 + 2 in Str. 5 ihg ayQov VTtiöeiiev ^dvv, 10 el nat öovlov ilaße fiOQq>i^v, zu 5 + 4 in 7 xai xleipi- ya^ov vTtovocjv; Zeile 8 und 9 sind statt zu 8 + 9 Silben zu 7 + 10 verbunden iu Str. 5 {roig d-ilovai d^egi^eiv \ acoTriQiav h rqi xpdXkeiv otkwg)^ 8 (del. ^^S?), 10, 11, 12, 15 (ßovXo^evog elxvaai \ nqog ro vipog rovg avrip ßowvrag, wo t6 natürlich richtig ist) und 16. Z. 10, 11, 12 und 13 lassen sich in keine bestimmten Kurz- zeilen zerlegen; z. B. Str. 10, 10 x«'^« daviQog ädvrov ^^tbq, 11 x^^Q^ ^^Pl HvaTinilg i^fdiQag; 14, 12 x^^^ dvaavaaecjg xvnov exkafurrovaa, 13 x^'^Q^ ^^^ dyyiXcov tov ßiov i^q)aivovaa. Hieraus erhellt zur Genüge, dass der oben besprochene Akathistos (Pitra p. 263) und dieser von Sergius verfasste nicht von demselben Dichter herrühren können.

Merkwürdig ist das Gedicht des Romanos mit den Akrostichon eig %ov Iwar^fp Pcjfaavov^ 18 Strophen bei Pitra Anal. I p. 68. In der Theilung der Halbzeilen zeigt sich gegen Sergius ein Fortschritt, indem zwar noch wie bei jenem Z. 10 und 11, 12 und 13 nicht in bestimmte Kurzzeilen zerlegt werden können und in V. 15 und 17 der Taktwechsel ^ _:. v ^ v. . ^ ziemlich oft eintritt (15 in Str. 3. 7. 8. 13. 16, 17 in 3. 13. 16), dagegen die Z. 5 und 6, 8 und 9 stets, wie bei dem Anon. p^ 263 und sonst, geschieden sind. Merkwürdig ist dieses Gedicht besonders wegen des langen Refrains (ort navza iipoqä * x6 äxoi^rjrov o^^a) und des Anfanges der Zeilen 10—28, welche in den übrigen Gedichten dieses Tones alle mit xcrl^e anfangen, bei Romanos aber mit beliebigen Wörtern, so dass die erste Silbe dieser Zeilen bei Romanos oft tonlos ist. Es scheint undenkbar, dass Romanos das Gedicht des Sergios mit dem alle architektonischen Glieder so scharf kennzeichnenden und desshalb von den übrigen Dichtem festgehaltenen Worte x^^Q^ gekannt habe und dennoch in seiner Näch- bildung diese signifikante Versstelle so gänzlich bei Seite geschoben habe.

Das Gedicht bei Pitra Anal. I p. 300 (2 ganze Strophen und 1 unvoUständige) stinmit abgesehen von Z. 4 mit dem oben gegebenen Muster des Anonymus S. 263: Z. 15 und 16 haben stets den Tonfall «-'v_l.w_:_o_i_(so Str. 4, 14 x^^Q^ ^^"^" fiOTtav natürlich &ai^(tva naqado^a 15 htQyüv xaiyonQe7iu)g); Z. 5 und 6, 8 und 9 sind geschieden; Z. 10 und 11 in 4 -J- 6, Z. 12 und 13 in 6 + 7 zerlegt; in Z. 12 und 13 folgt ebenfalls auf x««^« ein Genitiv, in Z. 18 und 20 ebenfalls ort.

Die 1 vollständige und 1 imvollständige Strophe bei Pitra S. 612 stimmt mit dem Muster des Anonymus S. 263; nur die 5. Zeile scheint abweichend betont zu sein.

Die Strophen (2 vollständige und 1 unvollständige) bei Pitra S. 613 sind sehr schlecht erhalten und im Bau unregelmässig. Abgesehen von andern ünregelmässig-

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keiten fehlt in Str. 2 die 11. Zeile; sonst sind hier Z. 10 und 11 in 4 -{- 6 zerlegt, also ist in Str. 4 x^^Q^ ncttriq zu accentuiren. Z. 15 und 17 haben keinen Takt- wechsel (4, 15 accentuire xoi Tronfayaore nati^Q). Die Z. 18 und 20 beginnen ebenfalls mit x^^Q^ Sri, doch die Z. 19 und 21 haben sonderbarer Weise die Form der Z. 15 und 17 erhalten.

In so durchgreifender Weise wie in den beiden besprochenen Strophen- arten T^v 'E^e/Li und '^^yyeXog n^wtoaxaTrig ist die Wiederholung der Zeilen allerdings kaum in andern Strophenarten zum Aufbau des Ganzen benützt. Doch von allen zu Hymnen benätzten Strophen arten haben wir ja ziem- lich viele Beispiele zur Untersuchung und können so aus den Sinnes- pausen leicht die grösseren und kleineren Absätze erkennen, in welche das Ganze der Strophe sich gliedert. Wenn wir überschauen, wie un- betonte, halbbetonte und vollbetonte Silben zu Kurzzeilen, die Kurzzeilen zu Langzeilen, die Langzeilen zu Absätzen, die Absätze endlich zu dem Ganzen der Strophe sich harmonisch vereinigen, erst dann können wir die Kunst des Dichters und Componisten gebührend würdigen.

Die Freiheiten im Bau der Hymnenstrophen.

Bei den Anmerkungen zu den oben erwähnten Strophenarten habe ich öfter Unregelmässigkeiten erwähnt. Dieselben verletzen entweder die Silbenzahl oder den Tonfall, welcher in den entsprechenden Zeilen ja gleich sein soll. Am wenigsten auffallend ist eine solche Verschiedenheit, wenn sie durch alle Strophen desselben Gedichtes festgehalten ist, wie z. B. die 4. Zeile des Tones äyyeloi; nifimoararri^ in dem Gedichte bei Pitra Anal. I S. 263 stets mit 3 Jamben anfängt {iora/Lifi^oy arvyrov xarriipfi)^ dagegen in den übrigen in diesem Ton verfassten Gedichten mit zwei Anapästen (o '^ar ovaQ (pavslg ßaaikev^). Solchen Veränderungen waren in den griechischen Hymnen besonders der Refrain, dann die Zeilen ausgesetzt, welche den Namen des Heiligen und Lobwörter desselben ent- halten. So ist z. B. die Strophenart Trjy "Edii^t in 21 verschiedenen Gedichten bei Pitra Anal. I angewendet; 10 Mal ist der Refrain sechs- silbig mit dem Tonfall v^ ' ^ -^ ^ [f^eov r^g ;fap£T04,), 8 Mal sieben- silbig mit dem Tonfall - .... v. {kauji^fvyofierT] (po)ii\ 2 Mal mit dem Tonfall ^ w ^ - ^ {ua{fxvQO}v ro aTri()iyua\ 1 Mal achtsilbig (log eva rviv uio9^t(oy aov). In dem 19 Mal vorkommenden Prooemiumston Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wi88. XVII. Bd. II. Abth. 4^'

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la (iyio lautet eine Begrüssungszeile y^yoyag oatf: dieser Tonfall - « w : ^ _!. ist häufig, doch daneben findet sich auch nicht selten - ^ -l. ^ j. oder v^ -1- w w {top (füo^ftjaouevoy, rfjy uXyXriy oa^B, ro-O^elov del.? iyxaXliüniafia p. 316), doch auch r&juroueyoi; o(Uf und (fo^rig xarrj^iiooby kommt vor (S. 575 und 642). In der letzten Zeile (vor dem Refrain) des Prooemiumtones Jip ^tin dno uriT()ag wechseln Zeilen wie T€(}aTov(fye. ^laoy uaxfx(), 'lka(fiiJoy, ojuoloyTjTd. aocpe ^Ecpifaifi. ^Avamaaia. AO-fjyoyt-yes u.s.f. Diese Fälle geben wenig Anstoss; der nachgeahmte Ton ist für das ganze betreffende Gedicht einfach in dieser oder jener Silbe abgeändert; und wie oft und wie leicht das geschieht, weiss Jeder von unsern Volks- und Studentenliedern her.

Auffallender ist es, wenn innerhalb desselben Gedichtes die nemliche Zeile in verschiedener Fassung vorliegt. Hiebei wird immer zuerst nach der Richtigkeit des Textes gefragt werden müssen. Die meisten dieser Lieder waren weit verbreitet und wurden viel gesungen. So finden sich in den Handschriften oft mehrere Fassungen neben ein- ander, von denen jede dem Sinn und der Form nach möglich ist; oft aber sind auch durch die Tradition oder die Nachlässigkeit der Schreiber die ursprünglichen Worte entschieden verdorben.

Die Unregelmässigkeiten im Strophenbau, an deren guter Ueber- lieferung nicht zu zweifeln ist, werden selten die Silbenzahl verletzen. Geschieht dies dennoch, so wird in vielen Fällen ein Eigenname oder ein wörtliches Citat aus der Bibel die genügende Entschuldigung bieten. Sonst ist der Fall noch der häutigste, dass statt des daktylischen Schlusses '- ^ choriambischer ^ ^ s. ^ eintritt, so dass z. B. als 2 gleiche Zeilen stehen fTayayia 7ia(f&eye dvvfuptvTh, ^H rexovoa xoy koyov iy SovXov uo(}(ffi. Freilich wird gerade diese Unregelmässigkeit so oft durch ^u(5y^ fliulr, fjuä^, Formen von d^eog, /(fiaroi;, narfiQ^ duriy gebildet, dass man schliessen möchte, diese Wörter hätten nicht nur, wie oben bemerkt, beliebig accentuirt, sondern auch im Zeilenschluss als einsilbig behandelt werden können.^)

1) Eine Ausnahme macht das alte Gedicht bei Pitra S. 482 "Ag^orttg 'Eßgaiutv (vgl. Beilage J99. II), 24 Strophen zu je 2 gleichen Langzeilen. Jede dieser 48 Langzeilen besteht aus 2 Kurz- seilen. Die 2. K^urzzeile besteht fast stets (ausser r 4. P 4. 0 4) aus 8 Silben mit dem Tonfall w w _'.'-' ^_!_^_!_» welche sich fast stets in 4 + 4 zerlegen. Dagegen besteht die erste Kurz-

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Viel häufiger finden sich innerhalb des nemlichen Gedichtes ent- sprechende Silben verschieden accentuirt. Die einfachste Art ist die, dass halbbetonte Silben mit vollbetonten wechseln. Im politischen Verse und überhaupt in gleichzeiligen Gedichten ist, wie oben S. 318 gezeigt, dieser Wechsel völlig freigegeben. Dagegen in den Hymnen- strophen sind feinere Gesetze beobachtet. Im Zeilenschluss werden dak- tylische Schlüsse, wie -^ o Xoyi^erai, und jambische wie w ^ avk- loyia&üg oder w -^ w -^ TiarrKf ootpog sehr selten mit einander vertauscht; die Dichter und Componisten scheuten sich an dieser stark in das Ohr fallenden Versstelle die halben und vollen Wortaccente zu tauschen. Dagegen im Anfange der Kurzzeilen und insbesondere im Anfange jener, welche eine Langzeile beginnen, wechseln oft halb mit vollbetonten Silben ( •_ mit _!_); im Innern der Kurzzeilen geschieht dies seltener. Im All- gemeinen reihen sich die halben und vollen Accente von den festen Accenten des Schlusses rückwärts gerechnet nach dem Wesen der Sprache: bei jambischem und trochäischem Tonfalle folgen die voll- und halb- betonten Silben sich abwechselnd w-^^ w w-i- oder ..-:-.. -i. w .. -^, bei anapästischem und daktylischem Falle stehen vor und nach den zwei unbetonten Silben meistens vollbetonte.

Ein besonderer und seltener Fall ist der, dass statt einer sicher unbe- tonten Silbe d. h. statt einer solchen, welche unmittelbar neben einer betonten steht, eine vollbetonte gesetzt wird. Ich rechne nicht den Fall hierher, wo neben der ganzen Schaar von Zeilen mit dem Tonfall ^ w '- w w -^ « sich die eine /Lia&ijral fiXd^ov äcpyo) findet; hier ist, wie oben S. 320 nach- gewiesen, ^Id^oy unbetont zu sprechen. Mitunter aber wird die Zahl solcher Fälle grösser. So beginnt in dem oben besprochenen Akathistos (bei Pitra S. 263) die 2. Hälfte der 12. und 13. Zeile in 8 Strophen mit ^ -, ^ .. -i- w xoirov* &{}oyt nv^ivs. ß(}ordjy* eyxaXlwniaua^ und nur in 5 Strophen so, wie in allen andern Gedichten dieses Tones, mit

zeile zwar meistens aus 6 Silben mit dem Tonfall _i_ ^^ _:_ w _:_ ^ oder \y j_ u w _^ v^ ; aber aus 7 Silben mit daktylischem Schlüsse inZl. /l. 3. /71. 21. XI (vgl. O, 2) und mit trochäi- schem Schluss in Y 1, ja aus 8 Silben in Z 3 und Y 3. Allein dieses Gedicht ist ein gleichzeiliges und gehört nicht zu den Hymnen. Es lässt sich also ganz mit den Gedichten des Gregor Naz* vergleichen, in welchen ja auch die Silbenzahl schwankt und nicht der Schluss der Langzeile, wohl aber der Schluss der ersten Halbzeile freien Tonfall hat.

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y, ^ sj w -i- w nvififxo^oy oxtifia. In den 23 Strophen des Romanos bei Pitra Anal. I S. 92, welche nach einem seltenen Tone gehen, ist die 5. und 6., 7. und 8. Zeile siebenmal so gebildet s. ^^s. ^-l-s.— ayaidiaraTB (ptXaQyvfßs, aber 39 Mal so, dass nach der 3. Silbe Wortende eintritt, die 3. Silbe stets und die vierte oft schwer accentuirt ist w w -^, j- ^ ^ _'- V. iv /fpaiv, s'xctiy /p?;/töTa. Diese Erscheinung ist schon oben erklärt. Manche Dichter erlauben es sich hie und da zwei sonst geschiedene Kurzzeilen zu einer einzigen zu verschmelzen; so haben wir oben gesehen, dass die bestimmten Theilungen in Z. 5 und 6, 8 und 9, 10 14 des Akathistos von Sergius und zum Theil auch von Romanos öfter vernachlässigt werden. Ebenso hat der Anonymus im Akathistos S. 263 ffl. die 2. Hälfte der 12. und 13. Zeile in 2 Kurzzeüen o -* .'L. ^ ^ s. zerlegt, aber diese neu eingeführte Theilung selbst einige Male vernachlässigt. Dasselbe ist der Fall in dem Gedichte des Romanos S. 92; denn in derselben Strophenart S. 285 (10 Strophen eines Ky riakos) ist die 5. und 6., 7. und 8. Zeile stets so getheilt w w -i-* •- w w - w •- mit Ausnahme von Strophe 7, 7 avy Ma{fi(f d>g (p&tyyoiLieyai. Dagegen hat Romanos die 13. Zeile derselben Strophe (mit Ausnahme von Str. 22 avTov xal ^lovdag «^^iwa«) stets zerlegt in ^ s^ _ (^ _:_ ^ _:_)-[- _i. ^ ^ avv rfj /fipi* navra avy^xorra, während Kyriakos S. 285 keine Scheidung beachtet und demnach anderen Tonfall hat ^ s. ' ^ s. -l- s. - fuyaho (f6ß(p avyexojuayog.^) Diese wechselnde Th eilung und Verbindung der Kurzzeilen bewirkt dann eine Veränderung des Tonfalles, wenn die getheilten Kurzzeilen im Schlüsse der ersten und im Anfang der zweiten volle Accente haben, wie xoiyov &{f6ye nv(}iy€, von denen bei

1) Die reinere Form dieses Tones bei Kyriakos Pitra Anal. I S. 2b4 lautet: I. 1 KXniovaai xal txfiBvovaat* al nf()i JftttQ&ay lot^ oixrift/Aoytt* Sgiaiayro* ixS'a/ißoi unayTf^^ II. 5 xai TttCTüii* nXfivj iriQiaßtvoy 7 wf klxog* tavxa (pSiyyofjLfyot,

III. 9 (poÜg ^fiiy* iXa/4ipfy angoaitoy 11 fiXinoyref* ^fia xal na^dSo^a'

13 ogtoyteg ta aytxdvfyijTa.

IV. 14 '0 yap tvtpXovf fpattlaag* xal tovs Xfngovg xaS-dgag* xal tovtoy ytxgtud^iyTa*

17 ayaxatyicag fvcnXayx^itf

18 ontug g>ayfQa}&S ^^(fß tfj yfj V. 19 ICvQtog ayiog dyaQX^f* ^oyog S-sov

Refr. 21 6 '^'Atdrjy /f i(*wa«^f i'of * 22 <^ -^ v u * u .

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der Verbindung natürlich einer verschwindet: nv{}ifio{f(poy o^/j^« oder 7ivQifi6(f(pa)y (JXTjiita.

Anderer Art ist der Fall, dass die Silbe, die in der einen Strophe betont wird, in der andern unbetont ist, dagegen die zunächst stehende Silbe, die in der einen Strophe unbetont ist, in der andern betont wird- Ich habe diesen Fall Taktwechsel genannt und sein Vorkoiiimen in den gleichzeiligen Gedichten oben (S. 320 326) besprochen. Die alte Freiheit, dass nur der Schluss gleichförmigen Tonfall ( ^ ^ oder ^ j_) hatte, vor demselben aber die Silben ohne alle Rücksicht auf den Accent nur gezählt wurden, ist in diesen gleichzeiligen Gedichten meistens bei* behalten und nur dadurch beschränkt, dass nicht 2 vollbetoiite Silben zusammenstossen dürfen. In den Hymnen kommt der Taktwechsel ziem- lich selten' vor. Von den Prooemienstrophen sei eine erwähnt; der 2. Absatz von ra &BoßQvxa beginnt mit 2 gleichen Zeilen zu 12 ^ w bb: 3 -j- 2 -f- 7 _L_ ^ {xal arvkog^ nvQog^ d^fd-o^o^iag Xa^unmr .^ _^ ^ * w _^ *

I. 1 _L- w _:i. w _!_

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20 22

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* V* .

16

Die einzige von Pitra benützte Handschrift ist lückenhaft und Terttchrieben, der Text von Pitra selten glücklich hergestellt. Die 23 Strophen des Romanos (Pitra AnaL I S, *J2) weichen von dem obigen Schema besonders in folgenden Zeilen ab: Z. 2 hat vom eine unbetonte Silbe zugesetzt, also v>v:i.o_^v_ii.v_i_o^. Z. 3 und 4 sind in Htr- 10, Z. 5 und 6 in Str. 10- 25. 17. 20, Z. 7 und 8 in Str. 10. 11. 17, Z. 9 und 10 in 22 mit einander Terbundenj dagegen lat Z. 13 in 4 + 6 zerlegt (also = Z. 3. 4). Die Betonung wechselt: in Z, 9 und 11 j_ w ■_ und in Z. 13 ^ j^ ^ j_ und v _l_ ^ _i. und 20 v _i_ v/ _^. . Z. 14 beginnt in ^tr. 11 mit und Z. 17 in Str. 15 und 16 mit w v _i_ v/ v^ j^.

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fl

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_:_ .^ ^-/ _i_ v^ _A_ v^); hier kann 7 _l_ v-^ ebenso gut durch ^ w > ^ v,» > v^ gebildet werden; so schliesst S. 346 die 1. Zeile mit ö(}&o^oSiag ka/nTrwv, die 2. mit ix rijg Jikayrjg Uqhov, umgekehrt S. 583 die 1. mit Tfjg r^iadog TTjr nioTiy, die 2. mit eWu)lixrjr i$a(}ag. Von den eigentlichen Hymnen- strophen hat z. B. die oben S. 340 erwähnte nur in der vorletzten Zeile bald v^ _'_-_•_ ^ _!_ >^ bald _i_ ^ .^ n^ ^^ _!_ ^- {ixhfvnöy rip nkaortj oder äyearfva^e jn^ya). Der ebenda besprochene Ton rrjv *E(Jhi hat nur in der 19. Zeile bald ^ ^ j ^ i ^ .j_ ^ bald ^ ', - _l. ^ ^-^ _'_ ^ {iy^yy^i- S^g Bvdoxriaag oder avvtjxare aii mpdri). Der Ton äyyelog TipaiTocrranji; hat nur in der 15.^ und 17. Zeile statt ^ ^ _jl. ^ _•_ ^ '. auch _:. >^ _'_ ^ y^ _' (jovg ex yfjg 7i(}6g ovQavov, rV rjg xarJßrj O-eog) und das nur bei Sergius und Romanos; vgl. oben S. 343 u. 344. Die (S. 348 in der Note besprochene) Tonart Tig dxovoag beginnt die 1. Zeile statt mit ' ^ ^ _!_ yj ^ jL^ sj •_ selten mit ./_'w_l_vw_'^ {otdixe äarogye änjioydt oder Tig üSe nodag vinrofievoy) und die 17. statt mit _• ^. ^ ' v^ \. v. . v. bei Romanos selten mit i_ ^ „'. w o ^'^ ^ » ^ {aviKfioyovuiym tküXovubvv) oder art/ui^ov tijliti kaketrat). Diese Thatsachen sprechen klar. Die Dichter waren sich der Freiheit des Taktwechsels völlig bewusst; sie wendeten denselben in den künstlichen Hymnenstrophen nur selten an und nm* in ganz bestimmten Theilen derselben. Diese sind stets der Anfang einer Kurzzeile und zwar meistens einer Kurzzeile, welche entweder die Strophe beginnt oder einen Absatz abschliesst.

Die geschilderten Freiheiten kann man den Dichtern nicht als Fehler, sondern nur als Vorzüge anrechnen. Zu grosse Regelmässigkeit wird leicht eintönig. Wie die Freiheiten der quantitirenden Poesie, die Auf- lösung der Hebungen, die Zusammenziehung oder Vergrösserung der Senkungen, die verschiedene Bildung der Caesuren, von den alten Dichtern verschieden benützt wurden, in den gleichzeiligen Stücken der Komiker fast im Uebermass, in jenen der Epiker, der Tragiker imd Lyriker mit weisem Masse, endlich in den ungleichzeiligen Stücken der Lyriker und Tragiker in sehr bescheidenem Masse, so dass Horaz hier fast bei der gleichen Silbenzahl der entsprechenden Stücke angelangt ist: so haben auch den Wechsel des vollen und halben Accentes und die Verschiebung des Accentes die gleichzeiligen rythmischen Gedichte der Griechen häufig, die ungleichzeiligen nur selten sich gestattet.

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^

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Um diese Theorien praktisch zu zeigen, zugleich auch um zu beweisen, wie schlimm es mit Pitras Methode steht und mit welch umständlicher Vorsicht man das von ihm Gebotene und Behauptete aufnehmen muss, will ich eine Strophenart hier metrisch interpretiren. Bei Pitra S. 148 I. 1 2 Td T^g y^g inl T^g y^g* naraliTTOvzeg^ 3 i Trjg tiipQag T(j5 xolf* Tropaxcü^ovvTeg,

5 6 7 det^e, ävonnqxfHa^ev * xat elg vipog irtdQWfi&f * Ofifiava xal votificna. IL 8 9 nerdatofiey tag oipeig*^ ofiov xal Tag alad^aeig 10 11 STtt Tag otQoviovg* niXag^ oi &vrjToL

III. 12 13 vofiiaiüfiev elvai* tov iXaiaivog elg ogog^ 14 15 xat drev/feiy* Tqi XvTQOVfiivqf 16 17 irtt veq>iX7jg'^ i7toxovfiiv(p.

IV. 18 19 ineid^ev yccQ 6 xvQiog* elg ovQovovg äviÖQafiev, 20 21 evTev^&f 6 q>iX6d(OQog* Tcg dwQedg dUveifiev ^

22 Tolg anoGToloig avrov, ^

V. 23 24 xolaycevaag (og tuoti^q* xat OTr^ql^ag avTotg,

25 26 odfjyrjaag log vlovg* xal li^ag nQog avTOvg, ^^

VI. Refr. 27 28 ov x^Qt^Ofiai vfiwv* iyd elfii ^uc^' vfiwv* 29 xat ovdetg xa&^ vfiwv.

Dieser schön aufgebaute, 180 Silben umfassende Ton findet sich bei Pitra S. 148—157 in 18, *S. 472 in 1, S. 540 in 2, S. 599 in 5 Strophen befolgt. Die 18 Strophen S. 148 bilden das Akrostichon tov TaTveivov Piofiavot, geben also ein vollständiges imd echtes Gedicht des Romanos; desshalb behandle ich hauptsachlich dieses. Zur Ausgabe benützte Pitra 2 Handschriften, eine der Gorsinischen Bibliothek (C) und eine Turiner (T). Ich übergehe die zahlreichen, oft sehr starken Varianten i

der Handschriften imter einander und berühre nur Pitras klare Fehler.

I. 1 "^'Ote Tavra 6 x^icrrot; l 6 ^ ^ ' s^ ~

Bine Tolg (piXoigy

3 diavevei t6 Xoinov TÖig aqxayyiXoig^

5 %va eToifidaioai

Toig dyvoig cwtov ßi/jfAaaiv ^ w-^w w-^^--

avodov ddiodevTOv, ._ ^ _^ _i_ ^ _- ^ _•-

Zeile 2: Der Anfang ^ -^ ist sicher in Str. 4 und 17 {twv koywv tovtiov), _i_ u in 7, 10 13, also hat in 19 Pitra ovrio q>Qov(wvTeg fälschlich umgestellt. Ebenso ist in Z. 4 der Anfang v j- sicher in Str. 6 Ttaqiaxt Xvnrpfy ^ ^ v in 4. 5, also ist

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auch in 15 Pitra's Conjektur vfivovvreg elTtov für ipaXXovreg eiTtov unnöthig, in 17 die Umstellung ailrjXoig elnov statt eiTtov dXktjloig falsch. In Z. 5 hat auffallenden Accent Str. 10 qiofia xaivov qaaxe; Pitra, der dies nicht änderte, durfte darum auch nicht 17 ovtitig tilgtoI ficcQTvQeg zu o. ju. n, umstellen. In Z. 7 ist wesentlich, dasa weder die 3. noch die 4. Silbe vollen Accent erhalten und der Schluss daktylisch ist; es ist also falsch, wenn Pitra Str. 10 ^'venev ifiwv yivetai zu ^veney yivexai iiim umstellt. Dieselbe Zeile hat Pitra in Str. 15 verdorben, wo 5. 6. 7 nach den Hand- Schriften lauten ovtmg dvaßeßrjxev* 6 ^eog sv dlaXayfnp''^ xvqiog iv qxsßv^ odXmyyog, das stimmt wortlich mit Psalm. 46, 6 dvißri 6 ^eog iv dlaXayfulß, xvQiog iv gwyß adXniyyog^ und dies wörtliche Citat entschuldigt völlig in Z. 6 den Schluss -i. ^ _ statt ^ v^ ^ und in Z. 7 den Zusatz einer Silbe und die Nichtbeachtung des Accentes in qxov^. Pitra citirt die Stelle, scheut sich aber dennoch nicht, zu ändern und den falschen Vers xvQiog adXrciyyog qxov^ zu machen.

IL 8 liq>Big fj^og^ olyLxiq^coVj v/ u w - w

ravxa ydq dtg odevwv ^~ "^ l

(

Die Z. 8 und 9 einerseits, 10 und 11 anderseits gehören dem Sinne nach meistens enger zusammen, so dass sie 2 Langzeilen füllen. In Z. 8 und 9 ist der Anfang u ^- ^ '- selten, so 17 el fAr} yoQ eidov zovrov, 12 oi xüv dyytXwv nqwtoi, noch seltener der Taktwechsel 18 eHmofiev iraq^rfliq^ ganz unnöthig hat Pitra 7 o 7cQurcog ^ficiv Tlirqog umgestellt und 10 statt xat dC dndvroiv r^k&ov (did ndvtunf CT) das unnatürliche did xai n, ?}. gewagt. In Z. 10 ist _ ^ _• ^ ^ _l. w sicher in 4. 6. 12. 14. 19, -l. «^ «^ __ ^ _l_ ^ in 5 aCvexe yvutce ravta und 20; demnach war 15 das handschriftliche (lia dyyiXiov ^evykrj nicht anzutasten, ebenso nicht 17 ovTL av TcatijXx^ov xaTco, was C und T haben, wenn ich Pitras wirre Angaben richtig deute. In Z. 11 ist der Taktwechsel ^ _ w .. _i_ von Pitra selbst gelassen in Str. 6 {iq^d^iy^io fifiiv), 7. 10. 17. 19, also ganz unnöthiger Weise in 8. 11. 20 die Ueber- lieferung nQoixQivccv ae, nag ro/tog fieotog, rovg Xoyovg avTUßv angetastet.

III. 12 'EnaQoze nvXag ^ -^ w »^ ' «

aal iycTtetdaaTe dvqag "^ ~ l

^ J 14 Tag oiqaviovg

Y.al inido^ovg' 16 0 yaQ deartorrjg

Ttjg do^fjg q)x^dvei.

Die Zeilen 12 und 13, 14 und 15, 16 imd 17 sind unter sich durch den Sinn stets enger verbunden, so dass sie 3 Langzeilen bilden. In Z. 13 ist die Betonung

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des Anfangs u _i. o sicher in 19 (pwm(; otpiyAav nn o^ei, in (16? und) 7 ovraiuuv ozt OB evQ€, wo Pitra fälschlich ae ora stellte. Der Anfang w _i_ v ist sicher für die Z. 15 in Str. (4.) 8. 9. 14 iiQoriXdBv avio, für Z. 16 in 14 /Oßci/y ftvqiviav und für 17 in Str. 7. 12. 16 aAtjraJg äixaiiov.

IV. 18 NtqifXai vnooTQiouaie 18 w *> « ^

viova xtTf emßalvovTC ^ j:. ^ .li. I

f - -

rot dia 00 V bdeiovii' «^ - ^^ |

\> v# - - I

22 dvoiyßr^TB ovqavol ' 22 « *---— I _

Die Zeilen 18 nnd 19, 20 und 21 treten dem Sinne nach zu 2 Paaren zu- saniiuen, wesshalb auch der Taktwechsel nur in dem 2. Stücke jedes Puares erlaubt ist. Derselbe ist sicher für Z. 19 _'- v^ ^ in Str. 4. 5 aXvBaig'Aai ev/TQin:eia, 0. (7V). 12. 14 h:oifiog yaq 6 ^Qovog aov, 15. 16 (Hkiag f.iiv to nvqivov 19 aq^ia eriiKa^ri- //ei'og). 19. 20, von welchen Versen Pitra 5, 14 und 16 fälschlich geändert und 19 und 20 fälschlich angezweifelt hat; für Z. 21 ist der Taktwechsel j^. ^ ^ sicher in Str. 5 kHaf-iiffig Aadiog yiyqaTitai, 10 aXKai diAauov yiiÄOvaai. 11 ovitüg Y,ai orx rjU.Oiiouai, 13 k'fpege ttiv ßaard^ovoav, (17 tovrov fdr^low ayyeXoi), welche alle Pitra geändert hat (18 tijV effege ßaata^ovaav !); in Str. 20 ist Pitra das Unglück paasirt» dass er die Z. 21 im Text ganz wegliess, aber in den Noten als Variante au« T an* führte (nQeaßeiaig crjg zexovorjg ae). Die Verbindung der Z. 22 ist merkwürdig: oft ist sie selbständig (4. 6. 7. 8. 12. 15. 17.), oft hängt sie mit der vorangehenden Zeile zusammen (3. 9. 10. 11. 13. 14. 16. 18. 19.), selten mit der folgenden (5; wo jedoch die folgenden Zeilen unsicher, die 24. und 26. sicher falsch sind; 20). Der Tonfall - ^ o .1. V V _!. findet sich in Str. 4. 7. 10. 11. 12. 15. 17. 18. 20; %j ^ j_ Kj s. _!_ 14: 'Aal q)^aoov KLoXnovg naTQÖg, In Str. 6 ist der richtige Sehlus« «X yaQ Tov nvBVfjiaxog ftov (v^ ^ - ) von Pitra durch sy. y. r. /lor nrecfiaiOi; ver- dorben worden.

V. 23 OvQavoi rwv oiqavAv 23 ^ - !- ^ _ »^

w - v# I

25 ovi (pOdvBL 7rQ6g if.iag 25 ^ w w " w

0 Xiy(x)v %6lg avtoi. w ^ -^ ^ I

\J - w - - I

Kefr. 27 ov ^w^'C^^A'^* ifttov, 27 ^ « '-^_^

iyii elfii fAeO^ vfiüv ^ w ^ - w

'Aal ovdeig Aab^ v^iwv. «www

Abb. d. I. Cl. il. k. Ak. d. Wi«s. XVII. Bd. II. Abth.

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Die Verse 23 mid 24, 25 und 26, und der Refrain 27. 28. 29 bilden dem Sinne nach 3 Gruppen. In Str. 19 ist Z. 23 betont ^ w _i. v ^ v. _/. tf hdvi^ vo^o^ qy^ dagegen ist in Z. 25 der richtige Ton aus C herzustellen ij xai 7ihiQaüa Mma^v. In Str. 20 ist Pitra verwirrt gewesen und hat den völlig richtigen Text der Hand- schriften 25 aJJ^ aoßr^aov oiJrov* oqp' ^f^wv 6 elntiv verdorben. Der Takt Wechsel tritt auch hier je im Anfang des letzten Stückes der Langzeile, also in Z. 24. 26 (und 28) ein. So lautet Z. 24 ^ w _i_ v v. _:_ in Str. 3 xai azrj^i^ag amoig. 7. 8. 10. 15. 16 (carr. xai d'eog ^HXiov). 18, dagegen ^ _i_ w _^ ^y ^ in Str. 4 xal li^ag TTQog avTOvg, 6. 8. 9 {iarrjoato d^eog). 11. 12. 13. 17. 20. In der entsprechenden Z. 26 hat Pitra die Betonung v> _'_ ^ _^ o ^ in Str. 3. 6. 7. 9. 12. 16. 17,^19, da- gegen hat er hier die Betonung v v^ _i_ v w _i_ verfolgt und die richtige Ueberliefemng in 4 aya/rijcrare' fie, 10 xai hx^ßavo) ifiag. 11 aal iv {dioiu vf.uüv getilgt, in 13 c Tolg q)lloig elnwv und 15 6 ßorjoag vfiiv mit unnützen Conjekturen belästigt.

Also ist die gleiche Silbenzahl der entsprechenden Kurzzeilen ätets streng fest- gehalten und nur einmal (Str. 15, 7) in einem wörtlichen Citat verletzt. Die Mehr- zahl der sich entspreche den Kurzzeilen haben gleichen Tonfall; hiebei wird in den meisten Stellen der Unterschied zwischen voll und halb betonten Silben scharf be- achtet. Taktwechsel findet sich verhältnissmässig oft, doch stets in der Kurzzeile, welche eine Langzeile schliesst: meistens im Anfang dieser Kurzzeile, wo ^ ^ mit ^ _L. wechselt (vgl. Z. 2. 4. 11. 19. 21), seltener so, dass das Innere des Verses er- griflfen wird, wie in 24. 26 (und 29) wo v^ v/ -i- ^ v/ -i- mit ^, _;_ u -^ u -^ wechselt. Am Schlüsse der Langzeilen werden schwächere, am Schlüsse der Absätze stärkere Sinnespausen sorgfaltig beachtet, so dass alle die kleinen und grösseren Glieder des wohlgebauten Ganzen deutlich hervortreten. Das entspricht, wie oben bemerkt, dem Charakter des Romanos.

Die übrigen Gedichte, welche diesem Tone bei Pitra Anal. I folgen, werden von ihm demselben Romanos mit mehr oder weniger Bestimmtheit zugeschrieben. In der S. LIX gedruckten Strophe ist Z. 6 imd 7 theils in der Handschrift, theils durch Pitra verdorben ; Z. 22 ist eng mit 23 verbunden. Z. 24 und 20 haben den Tonfall Kj ^ Kj ~ \^ ^1 29 hat eine Silbe zu viel, was in solchen Schlüssen nicht selten ist, o vy -1- u ~ ^-r ^. Pitra's Note zu V. 24 : ijg^ce^ijv tov vfjivdr 'in archetypo ipso versus variatur ac modo sex modo septem syllabis constat; fort, vüv aQ^ofjai tov t'/i- veiv' ist falsch. Die schwächeren imd stärkeren Pausen sind richtig beobachtet. So- mit weicht dieser Strophenbau von dem des Romanos nicht ab.

Str. S. 472. Z. 8 eadtoavo 7cea6vTag ist metrisch vollkommen richtig (Pitra 'laeso rythmo*). Z. 28 weicht in Silbenzahl und Ton ab x^^Q^^9 aiav^ Z<^07T0ti^ was im Refrain erlaubt ist. In den Absätzen I, II und III sind die richtigen Pausen beachtet; in Absatz IV und V nicht, indem hier Z. 20 24, 25—29 in Gruppen zu* sammentreten. Dies allein spricht gegen die Autorschaft des Romanos.

S. 540 Str. 2 und 3, von Pitra nach 2 Handschriften (M und V) edirt, Z, I schliesst Pitra in beiden Strophen mit j- kj ; dafür werden wir später ein Beispiel

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finden, allein hier ist die Ausnahme von der Regel falsch. Denn in Str. 2 axaTa- IriTtTog oiaa hat Hscht. V dxaTdXfjnTog aaqxüg und in 3 ^/uj; ovQavov d^elq hat Hscht. M (mfjirj ^el(f ovqavov, also in beiden Fällen richtige Accente. Z. 6 hat in Str. 2 die 1. Silbe schwer betont (piUna devveQa deUvvoi. Z. 9 und 10 sind in beiden Strophen unsicher. Z. 11 in Str. 2 dio rov Mixai]X hat eine Silbe zu viel, wie es bei Eigennamen gestattet ist, Z. 12 Str. 3 abweichenden Ton aniQQiipev etg yfjv, Z. 15 den Taktwechsel - ^ w _i_ w yijv xaTea&ietv. Z. 20 Str. 3 /uc^' ov xal arga- Tevfiava ist natürlich tcJ zu ergänzen. Z. 22 Str. 3 tov TtaQefißaXeiv oieQQwg ist 7iaQ€f4ßd}Xeiv zu schreiben. Z. 26 ist in beiden Strophen siebensilbig TOtg hqov' ya^ovrag ovti^. Von den Pausen des Tones ist nur die hauptsächlichste vor Absatz IV Z. 18 gewahrt, die andern sind öfter verwischt. Die Autorschaft des Romanos ist also nicht wahrscheinlich.

S. 600 602 Vji Strophen aus der Turiner Handschrift. Z. 1 und 3 haben in allen Strophen abweichenden Ton im Schlüsse j^ ^ .::- ^ v^ -i- v loxvQol iv nolifioig. ijhov dvatilkeL Z. 7 in Str. 12 die seltene Betonung _i.v.-i-w ^^ j^ y., Toig xo xqiog iveyxaai. Nicht zu begreifen ist, warum Pitra Z. 10 in Str. 7 xat xoHu)- ^ivxag Tuiazei zu nolX. tb niacei änderte. Z. 11 in Str. 7 und 9 hat eine Silbe zu viel T([f acjvriQi fjutSv, xot twv oXiov &€((), in 6 Wechsel der halben und vollen Accente: awaydiletai. Z. 22 ist in allen Strophen unsicher und von Pitra gewiss nicht richtig verändert. Z. 26 hat ungewohnten Taktwechsel in Str. 2 tdei^e vixTjTdg. 6 x^eiag fiaQ^oQvyag, 12 BQQiipav 7roTaf4tJi; falsch ist in Str. 9 6 evoBßA^ aqi^fjiog von Pitra 6 zugesetzt. Die Refrainzeile 28 do^av in twv ovqavwv hat ebenfalls Takt- wechsel. Die schwächeren und stärkeren Sinnespausen am Ende der Langzeilen imd Absätze sind alle beachtet. Gegen die Autorschaft des Romanos spricht also haupt- sächlich die starke Verschiedenheit der 1. und 3. Zeile, minder die freie Behandlung der 11. und 26. Zeile.

Reim und Akrosticha in den griechischen Hymnen.

In den früher besprochenen Gedichten des Methodius und Gregor, sowie des Photius und Kaiser Leo, endlich in den mittelalterlichen poli- tischen Versen der Griechen findet sich der Reim nicht. Aber dass in den frühen Zeiten der rythmischen Poesie den Griechen der Reim be- kannt war, das geht aus den Hymnen unbestreitbar hervor. Die beiden Akathistoi (Pitra Anal. I p. 250 und p. 263) des Sergius und des Ano- nymus sind von Anfang bis Ende voll solcher Reime, wie sie die oben (S. 342) ausgeschriebene Strophe zeigt. Auch Romanos bedient sich gerne des Reimes; ich führe aus dem Gedichte bei Pitra S. 93 nur einige Verse an:

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roy i/S-Qoy* rfit; svanXayx^'^^^ ^^^ xal yvfivov* rijg evXoyiag aov, vyjcoaag"^ roy nrioxov xa^iaaaaiVy riv^aag"^ rby olzTQoy dü){fr}uaaiyy inkovrioa^:* xal ifiaxdffiaag. In dem alten Gedichte bei Pitra S. 447 heisst z. B. die 8. Strophe flaffdihioe'^ 7iayd(}tT€* naydyte* navokßie

fV ^Addu TTBipvjevjLieys'^ rV Evay xexksiaufyf^ .7(0;; xkavaio at; damit vgl. S. 459 das Prooemimii, S. 493 das ganze Gedicht, S. 666 (über Gregor) und S. 678. Der Reim ist hier zu weit gegangen; er bindet nicht nur die Schlüsse der entsprechenden Zeilen ; sondern oft ist er in die Zeilen eingedrungen und bindet auch die Stücke der ent- sprechenden Kurzzeilen. Er ist insofern nur ein rhetorisches Kunstmittel; allein die überwältigende Fülle der Reime zeigt, dass die Dichter sich desselben wohl bewusst waren. Sie kamen nicht dazu, denselben nur im Schlüsse der Zeilen und massvoll anzuwenden. So starb er wieder aus, wie es ja auch nicht auffallend sein würde, wenn der Reim bei den lateinischen Dichtern im 9. und 10. Jahrhundert ausgestorben wäre. Erst seit dem 15. Jahrhundert wurde der Reim aus der romanischen Dichtung wieder in die neugriechische eingeführt.

Die Akrosticha spielen in dieser Dichtungsform eine grosse Rolle; sie sind vielfach die einzige Quelle, aus welcher wir die Dichternamen kennen. Gewöhnlich sind es keine eigentlichen Akrostichen, sondern die Anfangsbuchstaben der Strophen. Dieselben bilden selten die Reihe des Alphabets von A bis 12 oder von 11 bis A^ häufiger den Namen des Dichters oder des gefeierten Heiligen oder Festes. So lauten die Akro- sticha, welche die Gedichte des Romanos im 1. Bande von Pitra's Analecta geben: 'fov ransiyov Piouavov vjuyog. Tovro Pcouayov to enog. Tov runsiyov PiOfiavov TO enog. Tov raneiyov Pcouayov ipakuog ovrog. Eig ra ßaia Piouayov. Eig Toy /(joGTjip Ptouarov. Tov lantiyov Piojtiayov 7ioit]ua. Tov raneiyov I\ouayov aiyog. Eig ro naS^og iffakjLcog Ptouayov. O aivog Piouayov. H mdri Piüuayov. Aiyog xai o ipaXuog PiOfiayov. Avrrj t] iodt] tov eXa/jarov Ptouarov. Aiyog ranttyov Pcouayov Big ra yfyf&lia. Selten sind die Akrosticha durch die Initien der Langzeilen gebildet; vgl. oben S. 46. Nur Johannes Damas-

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cenus hat derartige gebildet in seinen Kanones, die in Trimetern geschrieben sind: die Anfangsbuchstaben der Zeilen, aus welchen die 9 Oden des ganzen Kanon bestehen, bilden oft ein Epigramm von 2 Distichen.

In der oben geschilderten Weise vereinigen betonte und unbetonte Silben, Kurzzeilen, Langzeilen und Absätze sich zu dem Bau der Strophe, und dieses schöne Ganze wird mit strenger Regelmässigkeit wiederholt, so dass das Ohr immer schärfer die Weise auffasst und an der Wiederkehr der einzelnen Glieder sich erfreut. Erwägen wir die Schwierigkeit der ganzen Dichtweise und die Strenge, mit welcher die Gesetze bewahrt sind, so müssen wir gestehen, .dass die rythmischen Dichter der Kunst der quantitirenden nicht nachstanden, ja dass sie viel- leicht mit denselben, welche damals sich neue strenge Regeln geschaffen hatten, zu wetteifern strebten. Die Anzahl dieser rythmischen Dichtungen war aber eine ausserordentlich grosse, wie die erhaltenen gedruckten und ungedruckten Trümmer beweisen. . Die Byzantiner ehrten und pflegten diese Dichtungen ausserordentlich. Mir scheint dadurch eine Lücke im geistigen Leben der Byzantiner einigermassen ausgefüllt zu sein, nemlich der unerklärliche Mangel an Poesien von dem Anfang des 7. Jahrhunderts bis zum Ende des elften. Diese kirchlichen Gesänge scheinen es gewesen zu ^in, in denen das Volk seine dichterische Kraft zum Ausdruck brachte. So viel ich urtheilen kann, brauchen die griechischen Dichter dieser Zeiten den Vergleich mit den gleichzeitigen lateinischen Dichtern der verschiedenen abendländischen Völker nicht zu scheuen. Um so mehr sollten sie erforscht werden.

Die lateinisehen Sequenzen.

Die griechischen Kirchengesänge sind auch dadurch besonders wichtig geworden, dass sie die geistliche Poesie anderer Völker stark beeinflusst haben. Die slavischen und russischen Kirchenlieder sind zum Theil aus dem Griechischen übersetzt; bis wieweit, das wird die Aufgabe einer ebenso nothwendigen als dankbaren Untersuchung sein. Allein ich kann auch für die lateinischen Sequenzen nur diesen Ursprung annehmen. Christ

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hat (Antholog. S. XXV) auf die zahlreichen Spuren griechischen Einflusses hingewiesen, welche in der lateinischen Liturgie und Kirchenmusik der Karolingerzeit hervortreten. Nachdem zur Zeit Justinians die lateinische Welt, besonders durch die Gesetzgebung, stark auf die griechische gewirkt hatte (damals besonders entstanden die lateinisch-griechischen und griechisch - lateinischen Glossare), kam im 8. und 9. Jahrhundert die theologische Gegenströmung aus der griechischen in die lateinische Welt; die Lateiner waren sich bewusst, dass die Evangelien griechisch geschrieben waren und dass die frühesten und hervorragendsten Kirchenväter Griechen gewesen seien; sie gingen sogar so weit, das Vaterunser und einige Hauptstücke der griechischen Liturgie in griechischer Sprache herüber zu nehmen und die damals angesehensten Schriftsteller prunkten wo nur möglich mit griechischen Brocken. Die Form dieser Sequenzen erhellt aus fol- genden Beispielen:

Petri cantoris Mettensis circ. 790 'Metensis minor; verba Notkeri. Schubiger Exempla No. 1 ex Cod. S. Galli 546 Prolog. Laude dignum Sanctum cänat Othmarum

Talis nati profectu

Hie velut sidus eximius caligines praeceptis subvenit vitae

Hie Hie

Inter fraternas

Jesu Christi eins membris

Nunc suae perfectae

Debiles

atque

Svevia

mater

gratulans

semper

pläcidus

deo

rutilans

micat

päruit

prömptus

minimis

largus

se testem

exhibet

fovendo

supplices

sanctorum

cüncti precemur

liet

domino deo

curändo Nunc iam coetibus i Ut nos fragiles semper conciliet

Epil. Qui regnat trinitas summa.

In der vorletzten Zeile ist wohl zu stellen: conciliet semper. Romani melodia 'Romana' circ. 790. Verba Notkeri. Schubiger Exempla No. 2 ex Cod. S. Galli 546 Prolog. Johannes Jesu Christo multum dilecte virgo Tu eins amöre carnälem

In navi parentem liquisti

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Tu leve cöniugis pectus respuisti Messiam secütus Ut eins pectoris sacra meruisses fluenta potare

Tu que in terra positus gloriam conspexisti filii dei

Quae solum sanctis in vita creditur contuenda esse perenni Te Christus in cnice triümphans mätri süae dedit custödem

Ut virgo mrginem servares atque curam suppeditares

Tüte carcere flagris que fräctus testimönio pro Christo ea gavisus Idera mortuos suscitas inque Jesu nomine venenum forte vincis Tibi süinmus tacitum caeteris verbum süum pater revelat Tu nos omnes precibus sedulis apud deum semper commenda Epilog. Johannes Christi chare.

Romani melodia 'Amoena' circ. 790. Verba Notkeri. Schubiger Exempla No. 3 ex codice Einsiedl. Fr. 1. Prolog. Carmen suo dilecto Ecclesia Christi cänat ob quam pätrem matremque deserens

Dens nostra se vestit natura et synagogam respuit

Christe tüo säcro lätere sacramenta manarunt illiua Tui ligni adminiculo conservatur in salo saecuU

Hanc ädamans cöniugem clauderis Gazae sed portas efiFractürus illius Hanc etiam hostibus eruiturus es congressus tyranno Goliath

Quem lapillo prostemens unico Ecce sub vite amöena Christe lüdit in pace omnis eccleaia

Tute in horto resurgens Christe hör tum florentis paradisi tuia Epilog. Obstructum diu reseras domine rex regum. Sequentia de ascensione domini. Notkeri Balbuli melodia '^Dominus in Syna in sancto' et verba. Schubiger Exempla No, 21 ex codice S. Galli 546 Prolog. Christus hunc diem iocundum cunctis concedat esse Chris tianis amatoribus suis.

1. Christe Jesu fili dei mediator natiirae nöstrae ac divinae

2. Officiis te angeli atque nubes stipant ad patrem reversurmn

1. terras deus visitasti aeternus aethera novus hömo transvolans

2. sedquimirum cum lactanti adhüc Stella tibi servirtt B,nge\i

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Tu hodie

Terrestribus rem növam et dülcem dedisti dömine sperandi coelestia

Te hominem non fictuin levando super sidereas metas regum domine

Quänta gäudia tüos replent apöstolos

Quis dedisti cemere te coelos pergere

Quam hilares in cöelis tibi occürrunt növi ordines

In humeris portanti diu dispersum a lupis gregem Epilog. Unura quem Christe bone pastor tu dignare custodire.

Abgesehen von Prolog und Epilog sind es Paare von gleichen Lang- zeilen, zwischen welche selten eine einzelne Zeile eingeschoben ist. Die sich entsprechenden Langzeilen haben nach der Regel nicht nur gleich viel Silben, sondern auch gleichen Tonfall, ja sogar gleiche Wortformen; diese wenig beachtete Gleichheit der Wortformen, welche an die Versus anacyclici des Porfyrius erinnert, ist wenigstens in den 3 ersten Ge- dichten, wo Notker frühere Melodien mit Wörtern füllte, dann auch in manchen seiner eigenen (vgl. K. Bartsch, Die lateinischen Sequenzen S. 71) z. B. Psallat ecclesia (nur vivunt und angeli weichen ab) und Cuius pater (nur in secula und laudantes weichen ab) noch strenger durchgeführt als in den griechischen. Notker, der 912 in St. Gallen starb, und als der Schöpfer dieser wichtigen Dichtungsgattung angesehen werden muss, schreibt in der Widmung seiner Sequenzen:

*Cum adhuc iuvenculus essem et melodiae longissimae saepius me- moriae commendatae instabile corculum aufugerent, coepi tacitus mecum volvere, quonam modo eas potuerim coUigare. interim vero contigit, ut presbyter quidam de Gimedia nuper a Nordmannis vastata veniret ad nos, antiphonarium suum secum deferens, in quo aliqui versus ad se- quentias erant modulati, sed iam tunc nimium vitiati. quorum ut visu delectatus, ita sum gustu amaricatus. ad imitationem tamen eorundem coepi scribere 'Landes deo concinat'.. quos cum magistro meo Ysoni obtulissem, ille studio meo congratulatus imperitiaeque compassus, quae placuerunt, laudavit, quae autem minus, emendare curavit, dicens 'singuli motus cantilenae singulas syllabas debent habere, quod ego audiens ea quidem quae in ia {vom AUeluia) veniebant ad liquidum correxi, quae vero in le vel in lu quasi impossibilia vel attemptare neglexi, cum et

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illud postea usu facilliraum deprehenderini' etc. Dann heisst es in Ekke- harti (IV) Casus S. Galli cap. 47 (ed. Meyer von Knonau in St. Gallische Geschichtsquellen Bd. 15 u. 16) Fecerat Petrus ibi iubilos ad sequentias, quas Metenses vocat, Romanus vero Romanae nobis e contra et Amoenae de suo iubilos modulaverat, quos quidem post Notker, quibus videinus verbis ligabat; Frigdorae autem et Occidentanae quas sie noininabat iubilos illis aniraatus etiam ipse de suo excogitavit. Demnach waren für die iubili, d. h. für die langgezogenen Modulationen des AUeluia vor Notker verschiedene, vielverschlungene und schwer zu merkende Melodien vorhanden, von denen einige von 2 römischen Mönchen Petrus und Romanus herstammen sollten. Notker, der jene langen Melodien kaum im Gedächtniss festhalten konnte, sah sie einmal mit Worten unterlegt ujid versuchte zuerst eine Modulation des ia mit Worten zu versehen, dann ging er weiter. Er legte nicht nur vorhandenen Melodien Texte unter, so denen des Petrus und Romanus, sondern ersann neue Modu- lationen, welchen er selbst auch wieder Worte beifügte. Diese ganze Procedur ist genau so, wie bei den griechischen Dichtern. Bald ersannen sie neue Texte zu alten Melodien, bald neue Melodien und den Text dazu. Dass Notker hiebei nur auf den Wortaccent achtete, dass die Absätze genau in die gleichen Wortgrössen mit den gleichen Accenten zerlegt wurden, das entspricht so genau der griechischen Art, dass es jener nachgeahmt sein muss.

Schwierig ist die Frage über die Form der Sequenzen. Die erste Frage ist, ob schon in den alten textlosen Modulationen des Alleluia vor Notker alle einzelnen kleinen Sätze doppelt gesungen wurden. Das ist wenig wahrscheinlich. War es wirklich nicht der Fall, dann stammt diese auffallende und folgenreiche Aenderung von Notker, und es ent- steht die andere Frage, warum er diese Neuerung vorgenommen habe. Bartsch (S. 18) sucht den Ursprung dieser Wiederholung ilarinj dass die Sequenzen von verschiedenen Chören vorgetragen wurden; allein das würde weder für die ursprünglichen textlosen, noch für Notkers mit Text unterlegte Alleluiamodulationen diese merkwürdige Einrichtung er- klären. Möglich wäre auch hier griechischer Einfluss, auf welchen zu- nächst der Name einer Melodie 'Graeca' sowie die Sitte deutet, dass der Anfang der befolgten Melodie vorangesetzt wurde, wie bei den Griechen

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wi.s. XVII. Bd. U. Abth. 47

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mit 7i(j6i; ro. Hiebei dürfte man weniger an die Form der Kanones denken, in welchen 8 9 Abtheilungen von je 3 4 gleichen Strophen waren, sondern vielmehr an Hymnenstrophen, in denen sich viele Paare gleicher Langzeilen finden, wie in dem oben behandelten, weit berühmten Tone äyyekog nffoJTooTdrrji; von Z. 10 an nur solche Paare gleicher Langzeilen vorkommen. Nicht befremden könnte, dass nur 1 Strophe dieser Art gedichtet wurde, während die griechischen Gedichte bis auf 30 Strophen steigen; denn von diesen sind in die Menaeen meistens auch nur das Prooemium und die 1. Strophe aufgenommen. Doch wenn auch nicht hierin, so zeigt sich der griechische Einfluss sicher darin, dass man es wagte Gedichte zu schaffen, welche sich nicht in den wenigen damals noch gebräuchlichen Zeilenformen der alten lateinischen Poesie bewegten (vgl. meine Rythmen S. 72. 79. 106), sondern dem Tonfall frei aufge- bauter Melodien sich anschlössen, und die Art und Weise, wie dies ge- schah. Notker war hierin ziemlich streng; doch bald ward den Abend- ländern die Genauigkeit lästig, welche die Griechen achtsamer festhielten. In den spätem lateinischen Sequenzen ist nicht nur in den entsprechenden Langzeilen die Gleichheit der Wortformen vernachlässigt, spndem oft sogar die Gleichheit des Tonfalles im Innern und im Schluss der Zeile und die Gleichheit der Silbenzahl. Diese Einführung der Sequenzenform war von dem wichtigsten Einfluss auf die lateinische und so auch auf die romanische und deutsche Dichtung des Mittelalters. Sie forderte zu freiem Schaffen von Strophenarten heraus, und wie der von Notker ge- legte Keim aufblühte, das zeigt die wunderbare Fülle von Formen, welche die abendländischen Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts schufen, in welchen zum Theil die unmittelbare Nachbildung der Sequenzendichtung zu Tage liegt.

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Der Ursprung

der rythmischen Dichtung der Lateiner und

der Griechen.

Der Ursprung der griechischen Hymnen-Strophen*

In den Handschriften wie in den Drucken wurden der Raumei^parniss halber die griechischen Kirchengesänge fortlaufend geschrieben und die Zeilenschlüsse durch Punkte markirt, wie Aehnliches noch in uasern Gesangbüchern geschieht. Diese Punkte wurden dann oft vergessen oder versetzt, und so kam es, dass das Bewusstsein, die Lieder seien aus Strophen, die Strophen aus Zeilen mit bestimmtem Tonfall zusammen- gesetzt, bei den Griechen mehr und mehr verschwand. Cardinal Pitra hat in seiner Hymnographie de l'eglise Grecque (Rome 1867) S. 3 10 eine lange Reihe von Gelehrten aufgezählt, von denen keiner des Baues der Strophen sich bewusst gewesen sei. Dann schildert er in dramatischer Weise, wie er selbst in Moskau entdeckt habe, dass jene Gesänge aus Strophen und die Strophen aus Zeilen von gleich viel Silben beständen, und dass diese Zeilen durch Punkte in den Handschriften gekennzeichnet seien. W. Christ hatte dann entdeckt, dass die entsprechenden Zeilen nicht nur gleich viel Silben, sondern auch gleichen Tonfall haben (Autho- logia Graeca carminum Christianorum Leipzig 1871 S. LXXVII— LXXX); worauf Pitra erklärte (Analecta Sacra I, 1876, S. LH), dass auch er diese Entdeckung selbständig gemacht habe. Ich bedauere, den Ruhm dieser Entdeckungen schmälern zu müssen durch den Hinweis, dass man ehe Neumechen noch in unserem Jahrhundert der Strophen, der Zeilen, der gleichen Silbenzahl und des gleichen Tonfalles der Kurzzeilen sich be- wusst waren. Das geht ganz klar hervor aus dem, was der hochgeachtete

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griechische Philologe Konstantin Oikonoinos in seinem Werke /Tfpt ti]<, yyijaiag n()0(po()äi; Ttjg ^Eli.7]yixfjg yXioaaTjg (Petersburg 1830) S. 667 669 über die Strophen, deren Gliederung und Betonung sagt. Die Freude über die vermeintliche Entdeckung hatte aber doch die besten Folgen. Dieser ungebührlich vernachlässigte Theil der Literatur wurde wenigstens von einigen Gelehrten genauer erforscht.

Den Ursprung der christlichen Strophenformen suchte Christ in den lyrischen Strophen der alten quantitirenden Poesie; (vgl. S. 88 90. 95. 104). So sagt er S. 88 omnes lyricorum et scenicorum poetarum versus byzantinis modis aptari posse confido. neque equidem dubito, quin veterum cantilenarum uiodos, ut qui carminibus ipsis superstites esse soleant, byzantini melodi imitati sint, et servatorum modorum luce tenebrae veteris artis si minus discutiantur, at certe rarescant S. 95 97 führt er eine Reihe von Zeilen an, 'ut byzantinos melodos veterum poetarum versus suo more imitatos esse demonstrarem.* Doch was die byzantinischen Strophen mit den altgriechischen lyrischen gemeinsam haben, das haben sie mit den ungleichzeiligen Strophen aller Sprachen gemein: Hebungen, die bald durch 1, bald durch 2 Senkungen getrennt sind. Dagegen haben sie Vieles mit jenen nicht gemein; sie haben keine zusammenstossenden Hebungen, also keine Füsse wie ~ -^ , ^ -^ , _'_ V. w ^ -i- w w -^ etc., keine aufgelösten Hebungen, keine zusammen- gezogenen Senkungen. Dagegen findet sich von den charakteristischen Eigenthümlichkeiten der byzantinischen Strophen, den Akrosticha, den Refrains, dem hie und da vorkommenden Reime nichts in den alt- griechischen. Desshalb ist dieser Ursprung schon an und für sich un- wahrscheinUch.

Fitra hatte in seiner Hymnographie 1867 S. 33 bemerkt: Ne fau- drait-il pas penetrer dans Phymnographie des Syriens, des Chaldeens, des Armeniens, des Coptes, qui ont pu, si non preceder les melodes Byzantins, du moins conserver plus fidelement les anciens chants de Teglise. Qui sait si, parmi les debris des liturgies Nestoriennes et Jacobites, la science ne . decouvrira pas des melodies primitives, enfouies sous l'epaisse couche (i'heresies quinze fois seculaires? Saint Ephrem n'est sans doute pas le seul ni le premier, qui se soit empare des hymnes de Bardesane et d'Epiphane, pour leur opposer, sur le meme metre et le meme mode,

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ses poetiques apologies. II importerait enfin de se rendre compte de rhymnographie biblique, des chants de l'antique Israel, auxquels nos Premiers melodes auront fait plus d'un emprunt. N'est-ce point de que viennent, non seulement les acrostiches, les stances alphabetiques, les refrains, les alternances, les parallelismes, mais tous les secrets de cette prosodie syllabique, dont nous avons parle? N'est-ce point notre terrain primitif, dont les puissantes assises plongent des Macchabees aux proph^tes, des prophetes k David, ä Moyse, aux patriarches? Et avant les cantiques du Pentateuque, n'y avait-il pas dejä des psaumes et des hymnes? La science nous dira-t-elle un jour nettement ce qu'il y a sous les lettres gigantesques du mont Sinai et panni les Hieroglyphes de l'Egypte? In den Analecta Sacra I, 1876, S. LIII zählt Pitra die von ihm formulirten Gesetze des Strophenbaues auf und schliesst 'Quid si cum nostris confertim ea omnia connecterentur, quae proxima et gemina sunt in vicinis Orientalium linguis, in Syrorum, Chaldaeorum, Slavorum, Hebraeorum fortasse et Armeniorum carminibus?* Wie wenig sicheren Boden Pitra bei diesen weitausschauenden Vermuthungen unter sich fühlte, zeigen andere Stellen, welche doch wieder die altgriechische Dichtung hereinziehen: Anal. S. LXVII Hactenus selecta, hirmorum paradigraata: nee mirarer, si eadem aut similia ab omni aevo circumsonarent inter Syros, Chaldaeos, Armenios, Coptas, Nestorianos et Jacobitas, cum hirmus sit omnium gentium haud cantu mutarum. Etiam floruisse apud veteres Graecos et inter profana theatra palam erit, ubi de ephymnio dicemus. S. LXXXI spricht Pitra von den Prooemienstrophen und, da er keinen andern Ursprung dieser Sitte findet, erklärt 'neque id peritum fugerit lectorem, stare nos in vetustissimo hellenicarum Musarum exordio, cum primi omnium aoidoL solemnem hunc morem habuerint praeludendi . . Nee mirum, si tot saecula iungamus. priscis enim Christianorum aoedis haud ingratum neque insuetum fuit, vetustissimas veterum melodias suos in usus pios parce detorquere. Also haben wir die Wahl, wir können die byzantinischen Strophen von den verschiedensten orientalischen Völkern oder von den alten Hebräern, aber auch von den alten Griechen, endlich auch aus der Natur alles Gesanges ableiten. Solche weitbauchischen Ge- danken haben selten Kraft und Wirkung. Hier aber fügte es der Zufall. B i c k e 1 1 , der gründliche Kenner der altsyrischen Poesie und durch

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die Ausgabe des Carmina Nisibena des Ephrem mit den Formen dieser syrischen Hymnen genau vertraut, untersuchte, durch Pitra's Publikationen angeregt, die griechischen Hymnen und erkannte die Verwandtschaft der- selben mit den syrischen; vgl. auch Gerbert de cantu et musica sacra I, 200. Diese Entdeckung schrieb er Pitra zu; z. B. in den Regulas metrices Biblicae Innsbruck 1879 S. 3: rectam viam iam a. 1868 Pitra in libro 'Hymnographie' demonstraverat. Dum enim odas Graecorum ecclesiasticas metris constare et a madraschis Syrorum derivatas esse probabat, has ipsas e sacra Hebraeorum poesi ortum habere coniectavit. Bickell war es hauptsächlich um ein anderes Ziel, die Erforschung d^r hebräischen Metra, zu thun; desshalb gab er sich keine Mühe, den Zu- sammenhang der syrischen und griechischen Hymnenstrophen genauer darzulegen. Seine Ansichten über den Bau der syrischen Strophen des Ephrem sind besonders dargelegt in Ephrem, carmina Nisibena, 1866 S. 32 und 39, Regulae metr. bibl. 1879 S. 73 und in der Zeitschrift der deutschen morgenl. Gesellschaft 35, 1881, S. 416. 418. 419.^) In Wahr- heit kann, wer die Hymnenstrophen des Ephrem mit den byzantinischen vergleicht, an der engen Verwandtschaft nicht zweifeln. Natürlich haben die syrischen, als die älteren, einfacheren Bau. So finden sich z. B. nach Bickells Untersuchungen in den Carmina Nisibena meistens gleichzeilige Gruppen, (so Gruppen zu 5 Mal 5 Silben, 6 X 5, 4 X 6, 5 X 7, 6 X 7, 7x7, 8x7 und 10 X 7); dann einfach zusammengesetzte Strophen 7 , 4. 7 . 4; 6 Mal 5 + 7 + 5 Mal 5; endlich künstlichere wie 567 44445; 44449 77774 7710; 7778 7774 77778; 6446444444 558. Im Bande der von Lamy edirten Hymnen und Sermonen des Ephrem finden sich unter anderen Strophen 87748817. 8889555569. 87748877 6 Mal 5 + 10 + 888. Vor dem Gesang ist der Ton, nach welchem er geht, angegeben, wie bei den Griechen mit 7i(fog xo. Alle Strophen haben den gleichen Refrain. Die Initien der Strophen bilden das Alphabet, häufig auch den Namen des Dichters, selten andere Worte,

U Den Grund eu diesen Forschungen hat Aug. Hahn gelegt; vgl. Bardesanes Syrorum prinuia hymnologua 1^19 (S. 46); Kirchenhistorisches Archiv 1823 Heft HI S. 52—106; weiter ge- führt hat aie besonders Pius Zingerle, 'Ueber das gemiachte Metrum in syrischen Gedichten", Zeiti^ebr. f. Kuntle den Morgenlandes VIT, l 24. 185 196 und Zeitschr. d. d. morgenl. Ge^ell- fichaft X, llü— 12Ö.

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wie 'Unsere Stimme seufzt o Nisibener ; vgl. Geiger in der Zeitschrift d. d. morgenl. Ges. 21, 1867, S. 469 u. Bickell ebenda 26, 1872, S. 810. Regelmäfisiger Reim kommt bei den Syrern erst nach dem Jahr 1000 vor und ist dann aus dem Arabischen eingeführt; aber der oben in den griechischen Hymnen nachgewiesene rhetorische Reim findet sich schon in den syrischen; vgl. Pius Zingerle in Zeitschr. d. d. niorgenl Ges. X, 112 u. 115. Der Inhalt berührt sich oft nahe. Pitra kann das drama- tische Leben in den byzantinischen Gesängen nicht stark genug hervor- heben und findet hier den Ursprung der mittelalterlichen geistlichen Spiele. Nun, dann muss er bis auf die Syrer zurückgehen. Schon Aug, Hahn hat (im kirchenhistorischen Archiv 1823, 3. Heft S. 71) in den Hymnen Ephrems '2 Arten Wechselgesänge unterschieden, eigentlich so genannte, dem Carmen amoebaeum der Griechen und Römer verwandt, wo wie im Drama verschiedene Personen sich aussprechen^ und andere, die im weiteren Sinne zu den Wechselgesängen gezählt werden können/ Im Hymnus (No. 31) auf den Tod einer Hausmutter, den Aug, Hahn und dann Zingerle (Ausgewählte Schriften des Ephrem 4. Bd. S, 61) übersetzt haben, werden redend eingeführt: zuerst wohl ein Klageweib, <las über die Leiden des Todes und die Krankheit der Verstorbenen klagt, dann die Todte mit ihrer Rede vor dem Sterben, dann die Kinder, endlich die Verstorbene aus dem (^irabe; mit einem Gesänge der ganzen Versammlung schliesst das Gedicht. Nach diesen Merkmalen ist un- zweifelhaft, dass die griechischen Hymnenstrophen der syrischen Literatur oder besser den Dichtungen des Ephrem nachgebildet sind,

Dass die syrische Poesie ohne Ausnahme nicht nach der Quantität gebaut ist, also nach dem Wortaccent gesprochen wurde, das ist sicher. Wichtig wäre es nun, den Tonfall der Zeilen zu kennen, z. B, ob in den Zeilen bestimmte Füsse beobachtet wurden, oder ob wenigstens im Schlüsse ein scharfer Unterschied zwischen jambischem und trochäischem Tonfall festgehalten sei, endlich ob vielleicht in den sehr zahlreichen gleich- zeiligen Gedichten mehr Freiheit, in den Ungleichzeil igen Strophen mehr Strenge des Tonfalls herrschte. Syrische Handschriften mit muöikaliftchen Noten sind bis jetzt keine gefunden, und es ist auch nicht zu hoffen, dass noch welche gefunden werden. Somit sind wir nur auf die Aus- sprache angewiesen. Von einem der besten Kenner erhielt ich nun die

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Autwort, wir wüssten nicht, wie die damaligen Syrer ihre Wörter betont hätten. Bickell hat auch in seinen Carolina Nisibena noch nichts vom Ton- fall gesprochen.*) Dagegen hat Bickell in seinen neueren Schriften über die hebräische Metrik des alten Testaments öfter von der syrischen /wie hebräischen) Poesie behauptet, dass stets eine betonte Silbe mit einer unbetonten wechsle, dass es also bei den Syrern nur Jamben und Trochäen, nicht wie bei den Griechen auch Anapäste und Daktylen gebe (Regulae 1879 p. 4. Suppl. p. 73; Zeitschr. d. d. morgenl. Ges. 35, 1881, S. 416. 418. 419). Der Weg, auf welchem Bickell zu diesem Resultat gekommen, ist bedenklich; das Resultat selbst ist noch bedenklicher. Die syrische Sprache hat viele Hilfsvokale, die bald Silbe bilden können, bald nicht; diese bereiten bei der Bestimmung der Silbenzahl der Zeilen grosse Un- sicherheit (Carm. Nisib. S. 33). Die Halbvokale seien zuweilen ausnahms- weise silbenbildende ; er nimmt nun dasjenige Schema, bei welchem diese ausnahmsweise silbenbildenden Halbvokale in die unbetonte Silbe rücken. So seien die letzten Silben in der Regel unbetont, nur in der Verbindung von 7 + 4 Silben überwiege das Stück zu 7 Silben w « _^ ^ ^ , so dass auch das Stück zu 4 Silben jambischen Tonfall ^ __ w _ erhalte. Noch bedenlicher als dieser Weg ist das Resultat. Ich will nicht besonders betonen die schreckliche Einförmigkeit eines Gedichtes, in deni betonte und unbetonte Silben stets im gleichen Takte wechseln, eine Einförmig- keit, welche, wie später zu bemerken ist, in gleichzeiligen Gedichten der

1) Auch Zingerle, Zeitschr. d. d. morgenl. Gea. X S. 111, sagt 'über den Ton im Syrischen. 80 viel ich wenigstens weiss, gibt es keine sichern Regeln*. In einer Note hiezu bemerkt Fleischer unter Anderem 'mit der höchst geringen Anzahl wirklicher Kürzen war es den syrischen Dichtem unmöglich, einen prosodischen Rythmus, einen trochäischen, jambischen, oder gaV daktylischen und anapästischen Silbentanz durchzuführen*. So herrsche hier Eintönigkeit und Schwerfälligkeit steter Spondeen, blosses Zählen gleichwiegender Silben und OonsonantenüberhäufHmg ; der Rythmus

syrischer Verse beruhe ausschliesslich auf zweizeitiger an- und absteigender Silbenbetonung '_

und j, ; die absolute oder relative Silbenquantität und der gewöhnliche Wortaccent kämen

dabei ebenso wenig in Betracht, wie z. B. in französischen Versen. Es ist nicht klar, wesshalb Fleischer im Syrischen einen solchen Mangel an Kürzen annimmt. Wenn die syrische Sprache zu den musikalischen gehört, so können die Stammsilben den Ton verlieren, wie im Lateinischen pello, pepuli, pellebam. Aber auch von der Quantität hängt, wie das Lateinische und noch mehr das Griechische zeigt, der Wortaccent nur zum geringen Theile ab, dagegen zum grössten Theile von Regeln, deren Grund uns z. B. im Griechischen nur wenig klar ist. Wenn wir nicht aus den Accenten wüssten, wie das Altgriechische, oder aus der festen Tradition, wie das Lateinische be- tont war, vermittelst der Theorie könnten wir es nicht erkennen.

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muBikalischen Sprachen unausstehlich wäre; solche Dinge sind zuletzt Sachen des Geschmackes und da lässt sich stets streiten. Allein Biekell nimmt ja selbst an, dass die griechischen Strophenarten aus den syrischen stammen. Nun sind aber doch nicht die nach Silben gezählten Scheinate z. B. 7-4~5 + 3-|-4 + 6 Silben von den syrischen Dichtern den griechischen etwa schriftlich gegeben worden, sondern die Melodien. Wenn wir also in den Hymnen der Griechen keine einzige Strophe finden, in welcher nur Senkungen von einer Silbe angewendet wären, so ist es selbstverständlich, dass solche auch bei den Syrern sich nicht fanden. Man denke sich endlich eine reich entwickelte, nur für den Gesang bestimmte Poesie in ziemlich frei gebildeten Strophen, deren Melodien die Hebräer und das syrische Volk lange bezaubert haben sollen , die aber nur in dem steifen Tonfall (^)^w o ^^u sicli bewegt und nie Senkungen von 2 unbetonten Silben gehabt haben soll. Desshalb scheint Bickells Lehre über den Tonfall in den syrischen und, um das vorweg zu sagen, in den hebräischen Versen vom historischen und sachlichen Standpunkt aus höchst unwahrscheinlich. Die Sache selbst aber scheint wichtig und von Seite der Kenner des Syrischen und Hebräi- schen ernster Untersuchung würdig. Vielleicht könnte bei diesen Unter- suchungen die syrische Handschrift des Vatican (No. 105) wesentliche Dienste leisten; sie enthält Uebersetzungen von jambischen, hexametri- schen, epigrammatischen, auch anakreontischen Gedichten des Gregor von Nazianz, welche jedenfalls für den Text dieser Gedichte wichtig sind, aber auch rasch Aufschluss geben könnten, wie sich die alten Syrer zu der wechselnden Silbenzahl der daktylischen Verse und mancher Trimeter stellten, welche dann durch Vergleichung über die Stellung oft wieder- holter Wörter vielleicht auch die Frage über die Betonung dieser Wörter und über Beachtung oder Nichtbeachtung bestimmter Füsse in den gleich- zeiligen Gedichten der Beantwortung näher bringen könnten.

Der Ursprung der lateinischen und griechischen Rythmik

aus der semitischen.

Das syrische Vorbild der griechischen Hymnenstrophen kann nur Ephrem gegeben haben. Allein die überraschende Erscheinung, welche

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diese Hymnen plötzlich im 6. Jahrhundert bieten, ein völlig neuer, kühner und doch feiner Versbau, in dem von dem antiken keine Spur zu sehen ist, kann nur allmählich sich ausgebildet haben. In der That reichen die Anfänge der lateinischen und griechischen Rythmik in die Zeiten vor Ephrem hinauf. Ueberblicken wir noch einmal die Haupt- merkmale der rythmischen Gedichte vor Ephrem und aus der ihm nahe- liegenden Zeit. Die Quantität ist bei Commodian und Methodius stark, bei Gregor und Augustin gänzlich missachtet, eine Thatsache, die gerade bei so gebildeten Männern doppelt unbegreiflich ist und natürlich nicht in der Ungeschicklichkeit derselben, sondern nur in einer bestimmten Absicht ihren Grund haben kann. Diese Verse können natürlich nicht mehr nach der Quantität, sondern nur nach dem Wortaccent gesprochen werden; aber dennoch ist nicht der Wortaccent an die Stelle der Vers- accente getreten; im Gegentheil, bei Commodian und Methodius wird der Wortaccent gänzlich missachtet, bei Gregor und Augustin nur in den 2 letzten Silben beachtet. Dagegen wird die Silbenzahl der Zeilen berechnet und mit einigen Schwankungen eine bestimmte Zahl festgehalten. Das kann nicht aus der quantitirenden Poesie stammen. Dann finden sich Akrosticha bei Commodian in überwältigender Fülle und Ahcdarien bei Methodius und Augustin; die 1000 Hexameter in Commodians apo- logetischer Schrift gruppiren sich paarweise, ähnlich die Langzeilen Gre- gors; in grössere Gruppen treten die Zeilen des Methodius und Augustin zusammen; endlich tritt bei Commodian und Augustin der Reim auf.

Akrosticha finden sich schon früher in der quantitirenden Poesie. So sagt Cicero (de Divin. II, 54, 111) von einem Gedichte der Sibylla 'Non esse Carmen furentis declarat . . ea, quae dxifoarixis dicitur, cum deinceps ex primis primi cuiusqtie versus*) literis aliquid conectitur, ut in quibusdam Ennianis Q. ENNIUS FECIT. Die Worte schon zeigen, dass die Fälle selten waren ^j, und wie sie hier in Dichtungen vorkamen.

1) Da die Akrosticha hier durch die ersten Buchstaben der sich folgenden Zeilen gebildet werden und die guten Handschriften ex primi versus literis haben, so ist wohl die alte Aenderung 'ex primis versuum literis' richtig: vgl. Dümmler Poet. lat. medii aevi I p. 118: tu vero meum . . nomen . . in versuum primis litteris lege.

2) Aurelius Opilius, etwa 100 vor Christus, nannte sich nach Sueton (grammat. 6) in para- stichide libelli, qui inscribitur Pinax.

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in denen Nachahmung fremdländischer Art sehr erklärlich ist. so kommen sie dann im 1. Jahrhundert nach Christus vor, wo solche Einflüsse leicht möglich waren. So beginnt das in Jamben geschriebene geographische Gedicht mit dem Akrostichon Jiovvaiov rov yMlXitpiovrog, das in Hexa- metern geschriebene hat von Vers 109 an das Akrostichon «,a/y Jiopvoiov ro)v eyrog 4>a(fov und von 513 an &€og e()UT]g em a^(fiayov. Eine Reihe von Argumenta des Plautus geben im Akrostich den Namen des behan- delten Stückes, die Ilias Latina beginnt mit dem Akrostichon Italiens und schliesst mit Scripsit. Doch gegenüber diesen wenigen Beispielen aus einer Zeit, die Künsteleien hold war, ist die Ueberfülle bei Com- modian räthselhaft; Abcdarien sind in der früheren quantitirenden Poesie noch keine nachgewiesen; ebenso wenig die paarweise Gliederung der Hexameter oder ähnlicher Zeilenarten; unerhört ist der Bau der Zeilen und Strophen bei Methodius. Der Reim endlich, welcher bei Commodian und Augustin auftritt, ist ohne Beispiel in der quantitirenden Poesie. Die beiden gangbaren Ansichten über den Ursprung der rythmischen Dichtung der Lateiner oder der Griechen sind unhaltbar. Wenn in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit allmählich die Aussprache so ver- darb, dass die Quantität der Silben nicht mehr beachtet wurde und der Accent allein regierte, so mussten die Wortaccente die Stelle der Vers- accente einnehmen; allein das ist in keiner Hinsicht geschehen; dabei blieben noch die andern neuen Eigenthümlichkeiten der rythmischen Dichtungen unerklärt. Die andere Ansicht hat man nicht einmal mit aller Entschiedenheit durchgeführt, dass nemlich die rythmische Poesie mit den dargelegten Merkmalen seit Urzeiten existirt habe und aus der Verborgenheit, in welche sie bei den Lateinern durch die herrschende Poesie, eine Nachahmung der griechischen, gedrängt war, in der Kaiser- zeit von den Christen wieder hervorgeholt worden sei. [Ich habe schon öfter darauf hingewiesen, wie unmöglich es sei, dass von einer solchen Volkspoesie so gar keine Spur erhalten sei, dass selbst bei Aristophanes und bei Plautus, der doch sogar punisch sprechen lässt, nie darauf angespielt werde. Aber abgesehen von diesen Unmöglichkeiten, wie wäre es zu erklären, dass diese Formen zuletzt nicht einfach hervortraten? woher diese unbeholfenen Versuche auf einem unbekannten Boden, welche Commodian und Methodius zeigen? Endlich wie ging es zu, dass die

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unbeholfenen Anfönge der Rythraik sich bei den Griechen und Lateinern fast zu gleicher Zeit regten? Die Verse, welche Commodian machte, waren den Griechen kaum bekannt, und selbst wenn, so dachte Nie- mand daran, sie nachzuahmen. Ebenso wenig konnte der Zeilenbau des Methodius oder des Gregor je einem Lateiner den Gedanken einer Nach- ahmung erregen. So lange wir also einheimischen Ursprung der lateinischen und griechischen Rythmik annehmen, kommen wir nicht heraus aus Räthseln, Widersprüchen und Unmöglichkeiten.

Die rythmische Dichtung der Lateiner und der Griechen ist nicht im eigenen Lande von selbst entstanden, sondern der Dichtweise eines fremden Volkes nachgeahmt. Der Weg, auf welchem die Strophenformen der griechischen Hymnen eingewandert sind, ist nicht erst in dieser ver- hältnissmässig späten Zeit eröffnet worden. Die patristischen Studien lehren ja jeden Tag mehr, in welch inniger Verbindung die frühe christliche Literatur der verschiedenen Völker stand, und wie das Christenthum die Schranken der Nationen und der verschiedenen Sprachen fast nieder- gerissen hatte. Von den semitischen Christen, welche der Quelle des Christenthumes näher standen als die Griechen und Lateiner, ist mit dem Christenthum die rythmische Dichtungsform zu den lateinischen und griechischen Christen gewandert.

Das wäre Jedem leicht glaublich, weim gewiss wäre, dass die poe- tischen Stellen des hebräischen alten Testamentes in bestimmten, ver- wandten Dichtungsformen geschrieben waren, und dass diese Dichtungs- formen in den ersten Jahrhunderten der Kaiserzeit noch bekannt waren. Leider herrscht hierüber unter den Kennern gerade jetzt heftiger Streit» Durch das Alphabet gebildete Akrosticha sind in der hebräischen Poesie sicher. Durch den ganzen Inhalt der Psalmen, wie durch manche An- gaben in denselben und noch mehr durch die oft vorgesetzten Angaben über die umsikalische Begleitung und über den Ton, nach welchem dieser oder jener Psalm gehe, fühlte man sich auch stets gedrängt, bestimmte Formen in demselben zu finden. Am ehesten sind natürlich Strophen zu erwarten. Nach Anderen hatte Merx (Hiob 1871 S. LXXV. bes. LXXXIII— LXXXVIII, dann im Liter. Centralblatt 1876 S. 1050 u. 1051) hierüber geurtheilt: 'Lyrik als gesungen bedarf der Strophe . . . Hiernach wäre für die lyrische Poesie die Form die der Strophe, bestehend aus

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Stichen mit bestimmter imierhalb elastischer Grenzen veränderlicher Silben- zahl/ Die Forschmigen, welche durch Merx angeregt Bickell führte, fasst er so zusammen: 'Die hebräische Metrik beruht auf denselben Grundlagen wie die syrische und die aus dieser entstandene christlich - griechische : nemlich auf Silbenzählung, Nichtberücksichtigung der Quantität, regel- mässigem Wechsel betonter Silben mit unbetonten, Identität des metrischen und grammatischen Accentes, Zusammenfallen der Verszeilen (Stichen) mit den Sinnesabschnitten und Vereinigung gleichartiger oder ungleichartiger Stichen zu regelmässig wiederkehrenden Strophen . . . Normalstrophe in der üeberschrift, Refrain, alphabetische u. s. f/ Er scheidet 1 ) Gedichte ohne Strophenbau aus gleichen Zeilen (zu 5. 6. 7. 8. 12 Silben) bestehend, 2) Gedichte in bestimmten Gruppen von 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 10 gleichen Zeilen (zu 5. 6. 7. 8. 12 Silben), 3) (ziemlich wenige) Gedichte aus un- gleichen Zeilen zusammengesetzt, oft aus den Zeilen zu 7. 5. 7. 5 oder 7. 4. 7. 4 Silben, selten aus andern. Diese Ansichten hat Bickell in vielen Abhandlungen, Ausgaben und Uebersetzungen der poetischen Stücke des alten Testaments dargelegt. Von den andern Gelehrten, welche Strophenbau annehmen, weicht Bickell besonders in 2 Punkten ab. Erstens behauptet er auch für die hebräische Poesie, dass stets eine unbetonte Silbe mit einer betonten abgewechselt habe, will also ebenfalls diese Gesänge, die mit grosser musikalischer Begleitung vorgetragen wurden, in denselben einförmigen Tonfall zwängen, wie die syrischen; vgl. oben S. 368. Unnatürlich ist das bei den Hebräern ebenso sehr, als bei den Syrern; ob es mit dem Sprachaccent sich vereinigen lässt, haben die Sprachkenner zu entscheiden.

Zum andern verlangt Bickell für die sich entsprechenden Zeilen völlig gleiche Silbenzahl, und gestattet nicht wie Merx Schwankungen um 1 oder 2 Silben in der Zeile. Die Entscheidung, wie viel Silben eigentlich in der Zeile stehen, ist im Hebräischen wie im Syrischen gleich schwierig wegen der Halb- und Hilfsvokale, die bald Silben bilden bald nicht. Es ist wahr, eine hoch ausgebildete Dichtkunst, wie die der griechischen Hymnen, wird völlige Gleichheit der Silbenzahl erstreben; aber unbedingt noth wendig ist sie nicht; jeder Sänger der kungtreiehsten Opernarien kann 1 oder 2 Silben leicht zusetzen oder weglaasen; aucli in den Zeilen der silbenzählenden Romanen wird, wie unten bemerkt

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durch Kunstmittel die Silbenzahl variirt und in unsern deutschen Liedern steht oft in der einen Strophe eine Senkung von 2 Silben, wo in der Senkung der andern Strophe nur 1 Silbe stehtJ) Es wäre das im Hebräischen um so eher möglich, weil die von Bickell selbst angenom- menen Strophenformen sehr einfach sind und fast alle aus gleichen Zeilen bestehen. Den Hauptanstoss aber erregte Bickells Strophenherstellung hauptsächlich desshalb, weil er dieser völligen Gleichheit der Silbenzahl zu Liebe ziemlich viele Aenderungen vornahm. Diese Fragen zu erledigen, ist natürlich Sache der Kenner des Syrischen und Hebräischen; am meisten zu wünschen wäre, dass die Frage über die Betonung besonders der Schlüsse bereinigt würde. Im Allgemeinen scheint die Annahme von be- stimmten Zeilen und häufiger strophischer Gruppirung derselben sehr wahrscheinlich. Ist sie richtig, dann müsste sie, wie die enge Verwandt- schaft der syrischen Dichtungsformen bewiese, in den ersten Jahrhunderten des Christenthums bekannt gewesen sein; dann aber wäre es bei der Autorität der viel gesungenen Psalmen sehr begreiflich, dass die Christen Versuche machten, jenes fremdartige Dichtungsprinzip nachzuahmen. Dass den Juden das Bewusstsein der poetischen Formen ihrer alten Poesie später abhanden kam, wäre nicht auffallend;^ ist es ja doch den Neu- griechen fast geradeso gegangen; und die hebräische Poesie der spätem Zeiten hat sich so sehr den poetischen Formen der betreffenden Zeiten und Gegenden angeschmiegt, dass sie mehr als jede andere Poesie, sogar mehr als unsere neuere deutsche, eine bunte Musterkarte der verschie- densten poetischen Formen bietet.

Ueber die religiösen Dichtungen der semitischen Christen aus früher Zeit haben wir nur wenig Nachrichten. Von Wichtigkeit ist jedenfalls, was in Philo's Buch De vita contemplativa vorkommt. Darin wird das Leben einer asketischen Sekte, der Therapeuten^ geschildert. Nach der Auffassung des Eusebius hat Philo unter diesem Namen Christen

1) Auftauend ist die Thatsache, dass in den frühesten lateinischen und griechischen Rythmen (bei Commodian,) Gregor, Augustin und dem oben S. 346 erwähnten Gedichte bei Pitra Anal. T S. 482) die Silbenzahl der Zeilen ebenfalls um 1—2 Silben schwankt. Es hängt das wahrschein- lich zusammen mit der stark variirenden Silbenzahl der quantitirenden Zeilen, allein es könnte auch mit Freiheiten der nachgeahmten semitischen Poesie zusammenhängen. Auch in den lateini- schen Sequenzen ist nicht selten die (regelmässige) Gleichheit der Silbenzahl vernachlässigt.

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der frühesten Zeit geschildert; dagegen Lucius (die Therapeuten, Strass- burg 1880) erklärt die Schrift 'als eine etwa am Ende des dritten Jahr- hunderts unter dem Namen Philo's zu Gunsten der christlichen Askese verfasste Apologie/ Ein wenig Romantik ist jedenfalls dabei. Dennoch müssen in der folgenden Schilderung zum grossen Theii Zustände dar- gestellt sein, welche vor Eusebius wirklich vorhanden waren. In der Versammlung o äyaozäg vfivov adn 7i€7ion]/x€yoy elg tov d-coy, ^ xaivoy avTos 7i€7ioirix(og fj olqxolIov riva ruir naXai noitiraiy' uhga yag xal fiekrj xaTaXeh)L7iaoi nokka indiy TQijuhQWv^ 7iQoaodiü}y, vfiywyj naifaanoydnwv, na(faßü)fiiwyy araaifiwv, /opiPfciJi' ar(fO(palg nokvarQotpoig ev ^iaiLtefieTQrj- fiiyojy. /nsd^ ov xal oi äkkoi xaxä xa^ng iv xoofiip TiQOorjxoyTi, nayuov xara nükkijr ijat;//«^ axf}oo}fiiv(x}y, nktjy onore axQoxekevria xal icpvjbtvia (fSeiv (fior xuxe ya(f i^rixovai navxBg xe xal näoai.

Besonders bei den Gnostikern scheint die geistliche Dichtung ge- blüht zu haben; vgl. darüber Gerbert, de cantu et musica sacra I 68; dann Pitra Hymnographie S. 40 und Christ Anthol S. XXL Die glän- zendste Gestalt war Bardesanes, der etwa von 150 220 n. Christus lebte; (vgl. Macke in der theol. Quartalschrift 56, 1874, S. 36—40 und Aug. Hahn, Bardesanes Gnosticus Syrorum primus hymnologus 1819 und Ueber den Gesang in der syrischen Kirche im Kirchenhist. Archiv 1823, 3. Heft). Von ihm singt Ephrem selbst 'Er dichtete Lieder und band sie an Töne, Er fertigte Psalmen und führte ein Maasse; Nach Längen und Schweren vertheilt er die Worte, Und brachte bei den Einfältigen das Gift mit der Süssigkeit, Kranken, die nach Speise nicht begehrten, die gesund ist. David wählt er sich zum Vorbild, durch seine Schönheit sich zu schmücken, durch sein Bild sich zu empfehlen. Hundert und fünfzig dichtete auch er Psalmen; Seine (Davids) Wahrheit hat er ver- lassen, Brüder, und nachgeahmt seine Zahl.* Freilich ist noch nicht klar gestellt, was eigentlich Bardesanes erfunden oder geneuert hat; auch Bickell scheint die Erörterung dieser für ihn wichtigen Sache unterlassen zu haben. Hahn und Andere lassen von Bardesanes und seinen Nach- folgern die poetischen Formen förmlich ab ovo erfunden werden. Doch soll denn das syrische Volk in seinen früheren glänzenden Zeiten der eigenen Dichtung entbehrt haben? Und wie kann dann die Ansicht, dass die Dichtungsformen der Syrer von den Hebräern stammen, an dem Eck-

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stein des Bardesanes vorbeikommen? Doch wie dem auch sei, so viel ist sicher, dass die Dichtungen und Melodien des Bardesanes starken Eindruck gemacht haben. Ephrem selbst ahmte noch Weisen des Barde- sanes nach (wie eine Beischrift besagt finiti sunt septendecim hymni ad modos Canticorum Bardesanis, Hahn Bard. p. 33). Ja, obwohl fast 150 Jahre verflossen waren, so waren es doch die Dichtungen des Barde- sanes, welche die Dichtungen des Ephrem hervorriefen, und von ihnen bekämpft wurden. Der Biograph des Ephrem berichtet (bei Hahn k. Archiv S. 63) 'Der Streiter Christi waffnete sich und kündigte der Schaar der Gegner Krieg an, vornehmlich der Gottlosigkeit des Barde- sanes und seiner Schüler. Und als der fromme Ephrem sah, dass alle Menschen zum Gesang hingerissen wurden, da erhob sich der fromme Mann gegen die Spiele und Tänze der jungen Leute, führte herbei und sammelte Töchter des Bundes (d. h. heilige Jungfrauen, die das Gelübde der Keuschheit abgelegt hatten) und lehrte sie Lieder, sowohl Stufen als Wechselgesänge und verfasste diese Lieder in Worten hohen Sinnes und geistlicher Weisheit auf die Geburt und Taufe und Feste und das ganze (Erlösungs-) Werk Christi, das Leiden, die Auferstehung und Himmel- fahrt; und auf die Märtyrer, die Busse und die Hingeschiedenen hat er ebenfalls Lieder gefertigt. Und jedes Mal versammelten sich die Töchter des Bundes in den Kirchen an den Festen des Herrn und jedem Sonn- tage und den Märtyrerfesten ; und er, wie ein Vater, stand in ihrer Mitte als Lehrer des geistlichen Citherspiels und ordnete ihnen die verschie- denen Gesänge und zeigte und lehrte ihnen den Wechsel der Gesänge, bis dass sich zu ihm versammelte die ganze Stadt und sich schämte und zerstreute der Haufe der Gegner. Wer möchte nicht erstaunen, wenn er diesen Streiter Christi sieht in der Mitte der Chöre der Töchter des Bundes, welche erhabene und entzückende geistliche Lieder aller Gatt- ungen singen. Und Gott hat versenkt das ganze Land Syrien in Ephrems göttliche Lehren.* Wie verbreitet der Ruhm des Ephrem selbst war, zeigt sich darin, dass seine Schriften uns ebenso gut griechisch wie syrisch erhalten sind, und dass seine Dichtungen noch heute die syrische Kirche beherrschen. Die kirchliche Dichtung und der Kirchengesang war in dem religiösen Leben und der religiösen Literatur eine solche Nebensache, dass wir nur wenige Nachrichten darüber haben. Diese

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Bruchstücke können uns aber doch einen Begriff von dem Ganzen geben.

Als ich erkannt hatte, wie ähnlich die ältesten Rythraen der Lateiner und der Griechen einander in vielen innem und äussern Stücken seien, wie aber dennoch weder gleichzeitiger einheimischer Ursprung noch üebergang der rythmischen Dichtung von den Lateinern zu den Griechen oder um- gekehrt angenommen werden könne, war ich lange in peinlicher Unruhe ; endlich bekam ich Licht, als ich dieselben Formen in den Dichtungen der semitischen Christen aus frühester Zeit wieder fand und mir ver- gegenwärtigte, wie lebhaft in den ersten Zeiten der geistige Austausch der Christen der verschiedenen Nationen war, und immer fester wurde die Ueberzeugung, dass weder die lateinische noch die griechische Rythmik ein einheimisches Gewächs sei, sondern dass das Grundprinzip der ryth- mischen Dichtung nebst manchen auffallenden Aeusserlichkeiten mit dem Christenthum von den Semiten zu den Lateinern einerseits und zu den Griechen anderseits übergangen sei. Durch jenes semitische Vorbild wurden diese Völker angeregt, die Quantität der Silben nicht mehr zu beachten, woraus die Aussprache nach dem Wortaccent sich von selbst ergab, da- gegen auf die Silbenzahl zu achten, die Zeilen in Gruppen oder Strophen zu schliessen, die Gruppen oder Strophen durch Akrosticha oder Reim zu binden. Diese Elemente finden wir fast alle schon bei den Syrern.

Nur der Reim macht einige Schwierigkeiten. In der lateinischen imd griechischen Literatur liegen folgende Anfänge vor: bei Commodian und bei ÄugiAstin enden Reihen von 13, 26 und 267 Zeilen mit dem nemlichen Vokal. Dann zeigte sich bei den Sammlungen, welche Wölfflin im Archiv für lateinische Lexikographie I S. 359 389 verwerthet hat, dass von allen andern lateinischen Schriftstellern diejenigen geschieden werden müssen, welche aus semitischen Ländern stammten, insbesondere aber diejenigen, welche für das Christenthum schrieben. Bei diesen findet sich schon in früher Zeit der Anfang der Reimprosa, welche dann, gepflegt bei den Spaniern und Iren, zuletzt im lateinischen Mittelalter fast ebenso grosse Ausbreitung fand als bei den Arabern; (vgl. meine Rythmen S. 64).

Es ist nun die Frage, ob diese Anfänge des Reimes bei den Lateinern selbst entstanden sein können, ob man also, wenn es gilt den Ursprung

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des mittelalterlichen Reimes nachzuweisen, vielleicht 'mit dem Lateinischen allein auskommen kann*, wie Wölflflin für möglich hielt, oder ob man den auswärtigen und zwar semitischen Einfluss annehmen muss, auf welchen ich Wölfflin hingewiesen hatte. Für diese Frage ist ein Blick auf die griechische Literatur entscheidend. In mehreren der alten Hymnen des Romanos sehen wir (oben S. 356) den Reim alle Glieder der Zeile in solcher Fülle durchdringen, dass dadurch allein schon die Kenntniss dieses poetischen Kunstmittels bewiesen ist. Allein der Reim war den Griechen schon viel früher bekannt. Im Epilog des Briefes ad Diognetum, welcher von den Theologen später als der Brief selbst, nemlich in das 3. Jahr- hundert, gesetzt wird, finden sich neben andern folgende Sätze:

77ap6/ot;aa yovv tpave^fovaa uvarri{}ia. (fiayyekkovaa xaiQOvg. j^alQOvan im niOToig,

hJii^rjTOVOi (fiOQov/xivTj. olg

oQia nioxBtDg ov d-Qaver ai. ov^i oQia naregiov 7ia()0()i^€Ta i.

elra tpoßog vofiov qSsrat, xal ngocptiTiSy /«pi<? yiyciaxer ai.

xai €vayy€liü}y niarig Wgvxai, xal dnoarolcjy na^ddooig (pvXana et ai. Dann ganz am Ende:

(Lv ocpig ovx OLUTSjai' ovS^ nXdvt] fJvy;fpcoW^€Ta i.

ovSt Eva (pd-eiQBT ai, aX'kd nag&Bvog nioxtVBrai.

xal acDTTjQioy ^eixyvr ai. xal dnoazoloi avycTil^oyrai,

xal To xv()iov Tiaa^a 7ipo/p/«Tai.

xal XTKfol avyay o yrai. xal fierd xoauov d^jAoC, ovrai,

xal diddaxvoy dyiovg 6 loyog evcpQaiy Bxai. di ov naxriQ do'iaC^T rtt.

(p fj (Tola dg roi)4; alcvyag, 'AjUTjy.

Ich bin überzeugt, wer sucht, wird bei den griechischen Kirchen- schriftstellern ähnliche Reimprosa oft finden.

Demnach haben die Griechen schon in sehr früher Zeit den Reim gekannt. Nun ist es nach dem ganzen Gange der Literatur unmöglich, dass die Griechen den Reim von den Lateinern angenommen hätten. Ebenso ist es fast unmöglich, dass der so stark ausgebildete Reiui bei Commodian und Augustin den bescheidenen Anfängen des griechischen Reimes nachgemacht sei.

War dagegen die semitische Dichtweise das nachgeahmte Vorbild, so klärt sich Vieles auf. Dass der Reim bei den Semiten gekannt und

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beliebt war, daran ist kein Zweifel. Ebers findet (Zeitschrift für ägypt. Sprache S. 45) in altegyptischen Schriftstücken ^wirkliche, übrigens auch im Hebräischen (und zwar in alten biblischen Texten) nachweisbare Reime' vgl. ebenda 1878 S. 51 55, wo Ebers einen strophisch angeordneten Text von einer Mumienbinde behandelt, in dessen erstem Abschnitt 'man selbst an ein gewisses Metrum oder doch an Silbenzählung denj^en könnte.* Dann haben die Araber schon um 500 n. Chr. den Reim ausserordentlich ausgebildet, so dass z. B. in einer langen Reihe von Versen nicht nur die letzten, sondern die 3 letzten Silben gleichen Klang hatten. Allein die Araber waren damals noch so isolirt, dass nicht daran zu denken ist, von ihnen hätten Commodian oder Augustin ihren Tiradenreim gelernt Bei den Hebräern (vgl. Schlottmann in der Zeitschr. d. d. morg. Ges. .33, 268 und Wölfflin S. 362) und bei den Syrern (vgl. A. Hahn, Bardesanes S. 42 und P. Zingerle in der Zeitschr. d. d. morg. Ges. 10, 110) finden sich Reime, doch nur in solcher Ausdehnung, dass man darnach wohl die Reimprosa und den Reim in den Hymnen der Griechen sich erklären kann. Dagegen kann der auffällige Tiradenreim bei Commodian und Augustin, sowie die ziemlich ausgebreitete Reimprosa der Lateiner aus den geringen Ansätzen der Hebräer und Syrer, welche wir kennen, nicht erklärt werden. Wir können uns einstweilen mit der Thatsache begnügen, dass der Reim den Semiten offenbar sehr bekannt war, und können es künftigen Entdeckungen überlassen, nachzuweisen, welches Volk am nächsten liegt der Gedanke an die afrikanischen Provinzen der Römer dem Commodian oder dem Augustin das Vorbild zu ihrem Tiradenreim bot. Das aber ist sicher, dass mit der silbenzählenden Dichtweise und ihren übrigen Merkmalen auch der Reim von den Semiten zu den Griechen und zu den Lateinern übergegangen ist.

So erklärt der Ursprung der lateinischen und griechischen Rythmik sich einfach und natürlich. Das Christenthum brachte dieselbe herüber und christlich bleibt ihr Wesen. Jahrhunderte lang findet sich kein rythmisches Gedicht, weder bei den Griechen noch bei den Lateinern, welches einen weltlichen Gegenstand, geschweige denn einen heidnischen, z. B. alte Mythologie, behandelte. Die Dichter der frühesten Rythmen waren Christen und waren in semitischen Gegenden geboren oder in solchen ansässig.

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Die Entwicklung der rythmischen Diehtweise.

Die rythraische Dichtung wurde nicht mit einem Schlage und fertig von den Semiten zu den Lateinern oder den Griechen verpflanzt, sondern ihre Geschichte ist bei jedem dieser beiden Völker ein Werden. Commodian und Methodius tasten noch im Dunkebi. Bei CJom- raodian wird die Quantität nur noch in dem Schlüsse jeder Halbzeile festgehalten, sonst ist sie so gut, wie aufgegeben; Silben werden gezählt, doch schwankt die Zahl bis zu den Grenzen, welche der Hexameter lässt; die Hexameter der Instructionen sind durch aufi^allende Akrosticha und selten durch Reim gebunden, jene des Lehrgedichtes stets zu Paaren zu- sammen gestellt. Noch unklarer ist der Versuch des Methodius: die Quantität ist oft und an jeder Stelle stark verletzt, noch mehr der re^l- rechte Bau der Zeilen und Strophen; die Strophen haben alphabetisches Akrostichon und Refrain.

Gregor und Augustin sind schon viel weiter. Dass diese Männer sich in den rythmischen Formen versuchten, hängt wohl zusammen mit dem glänzenden Auftreten Ephrems. Augustin (Confess. IX, 7) berichtet, im Jahre 386, als für die Gemeinde in Mailand sehr schwere Zeiten gekommen waren, habe Ambrosius die Gläubigen auch des Nachts in der Kirche versammelt gehalten; 'Tunc hymni et psalmi ut canerentur secundum morem orientalium partium, ne populus meroris taedio contabesceret, institutum est, et ex illo in hodiernum retentum, multis iam ac paene omnibus gregibus tuis imitantibus.^ 'Quantum flevi in hymnis et canticis tuis suave sonantis ecclesiae tuae vocibus commotus.* Damach Isidor (off. eccl. 1, 6) 'hymni Ambrosiani vocantur, quia eins tempore primum in ecclesia Mediolanensi celebrari coeperunt, cuius cele- britatis devotio dehinc per totius occidentis ecclesias observatur.' Wenn wir das oben über Ephrem Berichtete bedenken, so bleibt kaum ein Zweifel, wo die orientales partes zu suchen sind, aus welchen der feurige Neuerer Ambrosius diese neue Art von Kirchengesang entlehnt hat; vgl. Gerbert de cantu et musica sacra I, 199. Ambrosius dichtete auch selbst; doch sind die Hymnen, welche mit Gewissheit ihm zugeschrieben werden können, streng nach der Quantität gebaut (vgl. meine Abhandlung üeber die Beobachtung des Wortaccents S. 116); allein jene Nachricht kann

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für die Geschichte der Musik wichtig sein. In der griechischen, wie in der lateinischen Kirchenmusik sind noch manche unverständliche Partien- Da nun Ephrems Lieder von den Griechen und Lateinern mehr oder minder genau nachgeahmt sind, so kann damit auch ein Stück syrischer Musik eingedrungen sein. Durch Ephrem wahrscheinlich wurden Gregor und Augustin veranlasst, die rjrthmische Form für einige Lehrgedichte zu wählen. Von Quantität ist keine Rede mehr; die Silbenzahl schwankt bei Gregor von 14 zu 16 Silben, bei Augustin ist sie fester.^) Gregor hat Versgruppen, Augustin Strophen mit alphabetischem Akrostichon und mit Refrain; dazu schliesst Augustin alle Zeilen mit dem gleichen Tiradenreim e. Der Accent wird nur im Schluss der Langzeile beachtet, wo stets die vorletzte Silbe betont ist.

Damit war die rythmische Dichtung bei den Lateinern wie bei den Griechen lebenskräftig geworden. Bei den Lateinern entwickelte sie sich jetzt weiter, lange Zeit unabhängig von ausländischem Einfluss. Wie die späte quantitirende Dichtung der Lateiner an Formen arm war, 80 auch die frühe rythmische. Dazu kaim fast die Mehrzahl der z. B. bei Boetius de consol. Philos. vorkommenden quantitirenden Zeilenarten in der rythmischen Poesie nicht nachgebildet werden. Desshalb plagten sich die rythmischen Dichter wenig mit Hexametern und bildeten mehr die bequemen trochäischen oder jambischen Zeilen nach, besonders den trochäischen Fünfzehnsilber, den jambischen Senar und in Hymnen be- sonders eine achtsilbige Zeile mit jambischem Schlüsse, welche in der quantitirenden Poesie seltener angewendet wurden. In diesen beachteten sie nach damaliger Sitte streng die Caesuren, zerlegten also den Fünf- zehnsilber in 8 -\- 7, den Senar in 5 + 7 Silben, beobachteten die ent- sprechenden Accente im Schlüsse der Halbzeilen, mieden auch mehr oder minder den Hiatus, aber im Uebrigen waren sie um den Tonfall unbe- kümmert und zählten nur Silben. Die Verse bildeten regelmässige Gruppen, sehr oft mit alphabetischem oder anderm Akrostichon.

1) Die ausserordentlich vielen und harten Vokalverschmelzungen bei Augustin (vgl. S. 285) sind parallel den vielen Halb- und Hilfs vokalen im Syrischen und andern semitischen Sprachen, welche ja dort auch das Silbenzählen oft unsicher machen (vgl. S. 368 u. 373), ja vielleicht ist hiedurch Augustin dazu verleitet worden.

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Die Fortentwicklung des Reims in den lateinischen Ländern.

In vielen Gedichten gesellte sich zu den übrigen Merkmalen der rythmischen Dichtweise noch der Reim. Da derselbe damals die Bahnen einschlug, auf welchen er das ganze Mittelalter hindurch bis in die neuere Zeit immer mehr Herrschaft gewann, so will ich dieselben hier kurz behandeln, wobei ich jedoch keinen Unterschied mache zwischen den Gedichten, welche nach dem Wortaccent, und denen, welche nach der Quantität gebaut sind. Beide Wege der Entwicklung treten hervor in dem Gedichte de Resurrectione mortuorum, das, in sehr alten Hand- schriften unter dem Namen Cyprians vorkommt; (406 Hexameter, am besten im Cyprian von Hartel III p. 308 edirt). Es ist adressirt an Flavius Felix. Die alten Handschriften und der Inhalt des Gedichtes (V. 339 343) machen es fast sicher, dass dieser Flavius Felix jener Dichter der Anthologie ist, welcher um 500 bei den Vandalen in Afrika lebte (TeuflFel R. Lit. § 476) und von dem wir ein Gedicht haben, in dem die Künstelei des Akrostich im üebermass (zugleich im Anfang, in der Mitte und im Schluss der Zeilen) angewendet ist. Unser Gedicht ist zunächst merkwürdig wegen der Scheinprosodie: in den Hebungen und Senkungen können von Natur lange und kurze Silben beliebig stehen, z. B. Si quis humäno suas. Et prohibent seras paenitentiae fündere voces. Ditia per nemorä semper amöena vireta, dagegen dürfen positionslange Silben nicht in den Senkungen als kurz gebraucht werden^); (vgl. früher S. 278 u. 293). Dass der Dichter diese Scheinprosodie in den 5 ersten Füssen mit Absicht angewendet hat und der genommenen Freiheiten sich vollständig bewusst war, zeigt die richtige Bildung der 6. Hebung, in welcher nur wirkliche Längen stehen.

Wichtiger ist die Beobachtung des Reimes. Beliebig grosse Reihen von Versen haben den gleichen Schluss. Zu diesem gesellt sich oft

1) Die wenigen Ausnahmen bei Hartel sind Verderbnisse oder falsche Conjekturen : 40 Si quYs veUt scheint nur Druckfehler statt qui. 75 ETa p^rsuäsa mal^ ist yielleicht durch den Eigen- namen entschuldigt; 130 wohl Solque cadit supero se refertque lumine claro (superoreferique codd.}; 296 u. 297 wohl: Et ideo fructum capitis (capietis codd.) sementis iniqui Noscitis (Non scitis codd.) ecce diem quem vos videre soletis. 306 Atque procellosas ructabunt (fluctuabunt Hartel) aequora flammas. 809 Atque omnis (omnibus codd.) facibus torrens armabitur orbis. 896 Ac veniam primis suplices (suppl. codd.) rogate delictis.

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Innenreim, meistens in der 3. Hebung, oft auch in der 2. oder 4. Hebung. So schliessen Z. 1 14 mit as; vor diesem Schlüsse haben die meisten Zeilen as in der 3. Hebung, (Z. 3 u. 12 in der 2., Z. 14 in der 4., Z. 11 in der 2. u. 4. Hebung)^), nur in Zeile 7 fehlt der Innenreim auf as; dazu haben Zeile 1 6 in der 4. Senkung imd Z. 7 in der 4. Senkung einen 2. Innenreim auf i. In ähnlicher Weise haben Z. 15 19 Caesur- und Schlussreim auf o, Z. 20 25 auf is (nur in 25 fehlt der Caesur- reina), Z. 43 54 Schlussreim auf um oder us und fast alle auch diesen Caesurreim. Dagegen die 4 Verse 114 117 haben nur den Schlussreim auf is, die 5 Verse 138 142 nur den Schlussreim auf i.

Schon bei Commodian waren 13 und 26 Verse und bei Augustin 267 Verse durch den gleichen Vokal geschlossen. Bei Pseudocyprian ist nicht mehr das ganze Gedicht hindurch stets der gleiche Reim fest- gehalten, sondern Gruppen von beliebiger Grösse haben denselben Reim. Diese Reimart, der Tir adenreim, ist demnach die älteste Form des latein. Reimes; sie findet sich bis in das 11. Jahrhundert häufig bei den Völkern, welche den Reim besonders pflegten, bei den Spaniern, Iren und Franzosen. Die spanischen Dichter mögen später von der arabischen Reimkunst beeinflusst worden sein (vgl. die Bemerkung des Alvarus oben S. 278 Note); doch schon vorher finden sich z. B. bei Eugenius von Toledo und in der im 7. Jahrhundert zusammengestellten Liturgie der Gothen viele Reime. So finden sich in dem Prolog des Mauricus zu den gothischen Hymnen^) 5 Zeilen mit a, 5 mit o, 3 a, 3 ens, 4 os, 3 amus im Zeilenschluss ohne Innenreime, und grössere Reimgruppen in dem Hymnus S. Mattei; ja die 40 Zeilen des Hymnus de nubentibus schliessen alle mit a. Die Tiradenreirae bei den Iren und Franzosen, besonders in den Gedichten des Gotschalk und seiner Genossen, habe ich schon an anderra Orte (Rythmen S. 68 70) hervorgehoben.

Von den wohl im 7. Jahrhundert entstandenen Formulae Senonenses (jetzt Monum. Germ. Formulae I S. 223) zeigt besonders die 4. grössere

1) Das ist wichtig; denn es beweist, dass in den vielen Versen vom 7. 11. Jahrhundert, wo die 2. oder 4. Hebung oder andere Versstücke mit dem Schlüsse reimen, der Reim beabsichtigt ist und dem gewöhnlichen leoninischen Paarreim in der 3. Hebung und im Zeilenschluss gleich steht.

2) 40 rythmische Hexameter, welche an die formlosesten der longobardischen Grabschriften erinnern.

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Reimgruppen. In Deutschland scheint der Tiradenreira kaum angewendet worden zu sein. Denn diejenigen Gedichte der Cambridger Sammlung (No. 8. 9. 19. 20. 25. 27. 29. 30 bei JafiBö), in welchen er herrscht, können auch in Frankreich entstanden sein.

Dagegen zeigt schon das Gedicht des Pseudocyprian eine Verarmung der Reime nach 2 Richtimgen. Viele Verse haben gar keinen Reim. Dem entspricht die Thatsache, dass bis zum Schlüsse des XI. Jahrhunderts nur sehr wenige Gedichte sich finden, welche in allen Zeilen gereimt sind, dagegen fast in jedem Gedichte hie und da ein reimloser Vers unter- läuft. Zum zweiten finden sich beim Pseudocyprian viele Verse, wie 392 394 Aetemisque deum precibus placate tremendum Pessima cuncta bowi^ cedant mortalia vit^ Conservate novam iam iam sine crimine Yitam, d. h. die Reimgruppe ist auf den geringsten Umfang herabgesetzt, der möglich ist, nemlich auf zwei Stellen. Diese Form, der Paarreim, wurde bald zur wichtigsten. Denn sie war vortrefflich für den Hexameter geeignet, wo sie den Caesur- und Zeilenschluss band: die eigentliche leo- ninische Form. Ausserdem wurden besonders Paare von Achtsilbern mit jambischem Schlüsse durch den gleichen Reim gebunden; (vgl. meine Rythmen S. 94 96). Diese Reimform war sehr häufig bei den übrigen Völkern, und in Deutschland wurde sie fast allein angewendet.

So erklären sich die Reimformen, welche die ältesten Dichtungen der Spanier, Franzosen und Deutschen an sich tragen. Der Tiradenreim der Spanier und Franzosen ist nur die Fortbildung der ältesten lateini- schen Reimform; in der deutschen Dichtung wurde der Tiradenreim nicht angewendet; sondern durch Otfried, dessen Reimpaare den gewöhn- lichen Paaren von Achtsilbem mit jambischem Schlüsse sehr ähnlich sind, wurde der Paarreim eingebürgert.

Gegen Schluss des 11. Jahrhunderts regte sich der Sinn für schöne Formen, welcher im 12. und 13. Jahrhundert so herrlich sich ausbildete, dass eine ähnliche Freude an schönen Formen nur bei den Griechen wieder zu finden ist. Damals wurde der zweisilbige Reim gesetzmässig. In der Dichtung äusserte der Formensinn sich besonders in dem Schaffen von Strophenformen; (vgl. meine Rythmen S. 178 ffl.). Hiebei spielte der Reim eine Hauptrolle. Oft wurden Reimstrophen gebildet, d. h. Reihen von gleichen Zeilen wurden nur durch die Reime in kunstreiche

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Strophen gegliedert^); viel häufiger wurden die Strophen aus den ver- schiedenartigsten Kurzzeilen aufgebaut und die Schlüsse der Kurzzeilen durch die mannigfachsten Reimstellungen geschieden und verbunr^en. Mit dem Tiradenreim war da natürlich so gut wie nichts zu machen, wenig mit dem Paarreim. Diese Formen wurdön in den erzählenden Dicht- ungen verwendet, wo die Spanier und Franzosen den Tiradenreim und den Paarreim, die Deutschen nur den Paarreim verwendeten. In den Strophen der lyrischen Dichtung wurden die Reime auf das mannigfaltigste ge- kreuzt und gewechselt und Strophen der Art dann auch in manchen erzählenden Gedichten angewendet. Wie in der lateinischen Dichtung nur der zweisilbige, so wurde besonders in der deutschen Dichtung jener Zeit der Reim oft mit einer Reinheit angewendet, wie seitdem nicht mehr. Diese Anwendung des Reims hat ihren natürlichen Grund. In der quantitirenden Poesie der alten Griechen und Römer waren die Dicht- ungen bis in ihre kleinsten Bestandtheile, Silben und Füsse, genau bestimmt und ausgearbeitet. Dagegen in den einfachen Zeilen der ryth- mischen Poesie, wo nur Silben gezählt werden, und selbst in den kunst- reichen Strophen, wo der regelmässige Bau der Füsse doch mehr oder minder oft verlassen wird, sind gewisse Marksteine der Zeilen fast noth- wendig, damit die Gliederung des Gedichtes dem Gefühl des Hörers fassbar wird und nicht Alles in einander verfliesst wie in der Prosa. Die Syrer und Griechen banden meistens nur die Initialen der Strophen durch Akrostichon; desshalb ist auch die Gliederung dieser Strophen nicht immer klar; ja, ebendesswegen hatten die späteren Griechen selbst fast gänz- lich den kunstreichen Bau ihrer Strophen vergessen. Für silbenzählende Dichtweise ist also der Reim ein fast nothwendiges Hilfsmittel, in der Blüthezeit der mittelalterlichen Dichtung diente der Reim allerdinga nicht nur dazu, die richtige Gliederung des dichterischen Baues klar zu machen^).

1) Im Hexameter konnte das Streben nach Mannigfaltigkeit der Formen fast nur in den zahl- reichen Spielarten des Innenreims sich zeigen; den ausserordentlichen Reichthmu i^olcher Formen habe ich in der Abhandlung über Badewins Theophilus und die gereimten Hexiiinet^r (ätjE^ber. 1873 I) darzulegen versucht.

2) In der quantitirenden Dichtung war der Reim nicht nur unnöthig, sondern durch die iii starke Betonung einzelner Verstheile zerstörte er den ursprünglichen Charakter der Ver^e. Dagegen war der Reim seit Beginn des 12. Jahrhunderts ein so unfehlbares und in den fnlhi-rn Jahr* hunderten ein so häufiges Merkmal der rythmischen Dichtungen, dass schon diese Thataachp dii' Ableitung des Wortes Reim von rythmus sicher stellt.

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 11. Abth. ÄÖ

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sondern auch dazu, den Wohlklang der Worte zu erhöhen, so dass mit seiner Hilfe die mittelalterliche Rythmik Formen von ähnlicher Vollendung schuf wie die altgriechische. In der silbenzählenden französischen, ita- lienischen und spanischen Dichtung hat sich desshalb der Reim bis auf unsere Tage gehalten. Er hielt sich auch in der deutschen Dichtung, so lange sie nur Silben zählte; als seit Opitz der Bau der einzelnen Fasse wieder genauer ausgearbeitet wurde, wurde der Reim wieder entbehrlich und fehlt desshalb seit Opitz in vielen Gedichten.

Fortentwicklung der griechischen und lateinischen rythmisehen

Dichtung;

Die rythmische Dichtung der Griechen entwickelte sich ganz anders als die der Lateiner. Ephrems Beispiel wirkte hier kräftigst ein und seine Strophenformen wurden für die einheimischen Kirchengesänge zum Vorbild genommen. Und wie die quantitirende Dichtkunst damals auf dem Höhepunkt der Verfeinerung stand, so wurden die übernommenen einfachen Formen in überraschender Weise zu jenen vielgestaltigen und bis in die kleinsten Theile geregelten Gebäuden von Strophen und Ge- dichten (vgl. die Kanones) ausgebildet, die wir oben näher betrachtet haben. Diese geistlichen Gesänge wurden nicht nur in die Liturgie zu- gelassen, sondern ihnen darin sogar eine hervorragende Stelle gegeben. So war das Schaffen in dieser Art von rythmischer Dichtung Jahrhunderte lang ein sehr reges. Dabei herrschte darin stets die feine Schriftsprache. Zu einfachen gleichzeiligen Gedichten wurde die Rythmik nur selten benützt. Was wir bis jetzt davon kennen, sind Nachahmungen kleiner anakreontischer Zeilen. Erst nach dem Jahre 1000, als das Reich mehr und mehr aus den Fugen ging und der Occident kräftiger auf die ein- heimische Bildung stiess, regte sich die Volkssprache und eine Zeilenart kam in Gebrauch, von der seit der altgriechischen Komödie nichts mehr zu sehen war, der jambische Fünfzehnsilber mit Einschnitt nach der 8. Silbe. Diese Zeilenart beherrschte nicht nur die gelehrte Poesie der folgenden Jahrhunderte (in dieser stand neben ihr noch der schlecht gebaute quantitirende Trimeter), sondern merkwürdiger Weise bis in unser Jahrhundert sogar die lyrische und dramatische Poesie. Erst in

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unserem Jahrhundert begann die rythinische Dichtung der Neugriechen altgriechische oder fremdländische Zeilenarten nachzuahmen. Der Reim ist nur in den ältesten Hymnen und da selten angewendet, später gänzlich aufgegeben;, erst seit dem 16. Jahrhundert wurde er von Nachahmern der romanischen Dichter wieder hie und da gebraucht.

In den Dichtungsformen des lateinischen Occidents war unter- dessen eine gewaltige Umwälzung vor sich gegangen. Notker und seine Nachfolger hatten im 10. Jahrhundert begonnen, in den Sequenzen freie Strophen nach Art der Griechen zu dichten, und an die überlieferten Zeilen- und Strophenarten sich Nichts zu kehren. Diese Neuerung gefiel* Die Fesseln, in welchen die armseligen und wenigen überlieferten Zeilen- arten die lateinische Dichtkunst bisher festgehalten hatten, wurden zer- brochen und sowohl in der lateinischen wie in den nationalen Sprachen allseitig gewagt, Neues zu schaffen. So haben die Dichter des 12. und 13. Jahrhunderts einen wunderbaren Reichthum von schönen Formen ge- schaffen, die sich würdig neben jene stellen können, welche die Bau- meister geschaffen haben. Den übrigen waren die Franzosen und die Deutschen voran. Das Grundprinzip der rythmischen Dichtkunst wurde natürlich festgehalten und verfeinert. Die entsprechenden Zeilen hatten gleich viel Silben; die zum Singen bestimmten, aus ungleichen Zeilen bestehenden Strophen hatten fast in allen Silben gleichen Tonfall, da* gegen die in längeren Reihen auftretenden gleichen Zeilen hatten nur im Schlüsse gleichen, vor demselben angenehm wechselnden Tonfall. Eine Hauptrolle erhielt der Reim; er wurde wenigstens in der lateinischen Dichtung volltönend und beherrschte stets 2 Silben und war der unent- behrliche Zierrat der rythmischen Dichtung in allen Sprachen.

Foptent Wicklung der romanisehen u. deutsehen Diehtungsformen.

Nach dem 13. Jahrhundert erstarb dieses freudige Schaffen neuer Formen; es folgte eine Verarmung, und heut zu Tage haben die romani- schen wie die germanischen Völker nur noch einen bescheidenen Theil des damals erworbenen Reichthums im Gebrauch. Das Aufblühen der klassischen Studien veränderte in den romanischen wie in den germani- schen Ländern gewaltig den Inhalt der Dichtungen. Dagegen wurden

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dui'ch dieselben in den romanischen Ländern die Formen der Dicht- ungen wenig beeinflusst. Der Bau der Zeilen hatte sich schon im Mittel- alter unter dem Einfluss der damaligen lateinischen Rythmik festgestellt und blieb wie er war. Auch darauf, dass von den verschiedenen romani- schen Nationen diese oder jene Zeilen- und Strophenarten besonders bevorzugt wurden, hatten die humanistischen Studien wenig Einfluss und nur selten veranlassten sie die Nachahmung antiker Muster.

Anders ging es in der deutschen Dichtkunst So viel bis jetzt erkannt ist, wurde in der deutschen Dichtkunst seit den ältesten Zeiten der Wortaccent beachtet; zuerst wurden in die entsprechenden Zeilen gleich viel betonte Silben gesetzt, ohne Rücksicht auf die Zahl der un- betonten, so dass also die entsprechenden Zeilen nicht gleich viele Silben, aber gleich viele Hebungen zählten. Zu diesem Zeilenbau gesellte sich bei Otfried der Reim und blieb von da an bis in die letzten Jahr- hunderte ein festes Stück der deutschen Dichtkunst. Dieser nur Hebungen zählenije Zeilenbau blieb in der epischen deutschen Dichtung des Mittel- alters. Dagegen die zum Gesang bestimmte lyrische Dichtkunst wett- eiferte mit der lateinischen und romanischen lyrischen Dichtung; so galten hier dieselben Gesetze wie dort: Silben wurden gezählt und die entsprechenden Zeilen gleich betont. Das Schaffen von neuen Zeilen- und Strophenarten, welches, durch die Sequenzen angeregt, auch die deutechen Minnesänger fröhlich geübt hatten, starb zuletzt ab in den pedantischen Gebilden der Meistersänger. In den folgenden Zeiten wurde die Gleichheit der Silbenzahl auch auf die epischen Gedichte übertragen; dabei wurde aber in epischen wie in lyrischen Gedichten der Tonfall nicht nur im Innern der Zeilen (wie *So viel Stund in der Nacht, = So oft mein Herz erwacht^) sondern auch im Schlüsse der Zeilen nicht mehr beachtet, so dass bei dem eigenthümlichen Charakter der deutschen Sprache die Zeilen allerdings oft schrecklich klangen.

Zur Zeit von Opitz vollzog sich der Umschwung. Es wurden be- tonte und unbetonte Silben wieder geschieden, wie im Mittelalter, und nach dem Muster der Alten festgesetzt, dass jede Zeile, auch in epischen oder dramatischen Dichtungen, bestimmte Fasse haben müsse. Damit war ein kräftiges Dichtungsprinzip gefunden : das urdeutsche, die Zählung der Hebungen, geregelt dadurch, dass auch die Senkungen berechnet

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wurden. Mit diesem Prinzipe wurden zunächst für die dramatische und epische Poesie nur sehr langweilige jambische oder trochäische Zeilen- arten geschaffen, vermeintliche Nachbildungen romanischer Muster. Ein bischen besser stand es in der lyrischen Poesie; hier wagte man es dem natürlichen Gefühl so weit zu folgen, dass man auch freiere antike Zeilen- arten, wie die daktylischen Zehnsilber (vgl. Aennchen von Tharau) oder die von den alten Melodien gebotenen freieren Zeilen- und Strophenarten unserer alten Volkslieder benützte. Durch Klopstock wurden jene un- natürlichen Fesseln durchbrochen, und seit dieser Zeit hat die gewaltige Kraft des jetzigen deutschen Zeilenbaues sich frei entwickelt und fast Nichts unversucht gelassen. Es ist damit hie und da Regellosigkeit ein- gerissen; allein im Ganzen bietet der jetzige deutsche Versbau den Dichtem reichlich die Mittel, ihre Gedanken und Gefühle zum richtigen Ausdruck zu bringen. Allerdings ist sowohl der Bau der Zeilen neu geschaffen, als auch die Formen, mit Ausnahme mancher Volkslieder- strophen, von auswärt« entlehnt. Dem Zeilenbau der alt- und mittel- hochdeutschen epischen Gedichte stehen wir beinahe ebenso fremd gegen- über, wie die jetzigen Griechen und Italiener dem quantitirenden Zeilenbau der alten (i riechen und Lateiner. Die romanischen Nationen dagegen erfreuen sich alter Betonungsgesetze und Formen, welche im Laufe von 6 oder 7 Jahrhunderten zu echt nationalen geworden sind. Wollten wir desshalb ebenfalls zu jenen Formen unserer alten Dichtung zurückkehren, die Senkungen über Bord werfen und nur Hebungen zählen, so wäre das ebenso thöricht wie schädlich. Wir würden doch wieder nur Stückwerk erhalten; denn der Zeilenbau, den Opitz und Klopstock uns geschaffen haben, herrschte schon bei den Minnesängern. Was von selbst geworden ist, hat ein Recht zu existiren, und die grosse Verschiedenheit des Zeilen- baus der jetzigen romanischen und deutschen Dichter hat ihren berech- tigten Grund in den verschiedenen Betonungsgesetzen dieser Sprachen.

Der Versbau der musikalisehen und der logisehen Sprachen.

Opitz versuchte Neuerungen, weil er die schönen Formen der romani- schen Dichter beneidete: mit Unrecht, denn der damalige deutsche Zeilen- bau war demjenigen sehr ähnlich, welchen die romanischen Dichter damals

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hatten und noch heute haben. Wiederum klagen jetzt Viele, wenn sie z. B. die italienischen Stanzen, die französischen Alexandriner, die spanischen Achtsilber und ähnliche Zeilen in deutschen Uebersetzungen anhören, über die ermüdende Einförmigkeit dieser jambischen oder trochäischen Zeilen. Daran sind aber nicht die Dichter der Italiener, Franzosen oder Spanier schuld, sondern unsere deutschen Uebersetzer. Seit Opitz haben wir uns gewöhnt, die romanischen Zeilenarten vom Schlüsse aus rückwärts zählend sofort als Jamben oder Trochäen uns zurecht zu legen. Die romanischen Dichter denken nicht daran; für sie sind es nur Zeilen von so und so viel Silben; sogar diese Gleichheit der Silbenzahl besteht nur in der Theorie; denn schliessender und anlautender Vokal zählen theoretisch nur als eine Silbe, werden aber in Wirklichkeit doch beide gesprochen, und im Zeilenschluss werden die Silben, welche auf die letzte betonte folgen, nicht gerechnet, so dass also ley, wie dado oder varios nur als eine Silbe zählen; der Tonfall dieser Zeilen ist aber völlig frei und durchläuft alle möglichen Spielarten in fortwährender und er- frischender Abwechselung. Würden aber die romanischen Dichter in jenen jambischen oder trochäischen Zeilen dichten, in welchen die Deutschen sie übersetzen, so würden die gleichzeiligen Dichtungen jener nicht nur ebenso eintönig klingen wie die deutschen Uebersetzungen, sondern noch schlechter.

Man hat nemlich mit Recht gesagt, die deutsche Sprache sei viel ge- eigneter als die romanischen^) zur Nachahmung der antiken quantitirenden Dichtungen. In Wirklichkeit haben die Dichter der romanischen Sprachen nur selten versucht, die antiken Dichtungen mit Beibehaltung der Füsse zu übersetzen, noch seltener, in Zeilen mit festen Füssen zu dichten. Die Neugriechen haben aus Patriotismus seit etwa 40 Jahren viele accentuirte Trimeter, Hexameter und Aehnliches geschaffen und sind noch nicht im Reinen, nach welcher Seite (ob zur silbenzählenden oder zur Füsse bildenden Dichtweise) sie sich wenden sollen, wenn auch die meisten volksthümlichen Dichter durch starke Silbenverschmelzungen sich die Sache erleichtem.

1) Im Folgenden kommt natürlich die französische Sprache wenig in Betracht. Denn wegen ihrer eigenthümlichen Betonung ist von vornherein an die Durchführung bestimmter Füsse in der französischen Dichtung gar nicht zu denken.

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In Wahrheit lehnt das Wesen des ganzen Sprachengeschlechtes, za welchem die griechische und lateinische und die romanischen Sprachen gehören, sich dagegen auf, dass längere Reihen von gleichen Zeilen mit dem gleichen, jambischen oder trochäischen, anapästischen oder daktylischen Tonfall auftreten; dagegen vertragen solche Reihen gleicher Zeilen von gleichmässigem Tonfall sich gut mit dem Wesen jenes Sprachengeschlechtes, zu welchem die deutsche Sprache gehört. Rhangabis {JidtpoQa noitifxaxa 1837 p. 416) klagt, die Nachbildung der antiken Metra sei so schwierig, weil die modernen Sprachen viel weniger betonte Silben besässen, mit welchen die Längen der antiken Metra nachgeahmt werden mussten. Das ist nicht richtig. Denn wenn wir z. B. ein Stück der Iliade oder Aeneide ryth misch lesen und die nach den Gesetzen der rythmischen Poesie sich ergebenden voll- oder halbbetonten Silben zählen, so ist deren Zahl ' nur um wenige geringer als die Zahl der quantitätslangen, und in der dramatischen Poesie kann z. B. f/«T« nur 1 Länge und 1 Kürze ersetzen, während es in der rythmischen Poesie als «/«rf 2 Längen und

1 Kürze (^ ^ -), oder 1 Länge und 2 Kürzen {'- ^ ^) ersetzt. Also: besondern Mangel an betonten Silben haben diese Sprachen nicht. Antike Metra nachzubilden und überhaupt Reihen von gleichen Zeilen mit gleichen Füssen zu bilden, ist vielmehr für alle jene Sprachen nur desshalb so schwierig, weil es ihnen schwierig ist zwei, und fast unmöglich drei betonte Silben zusammenstossen zu lassen. In all diesen Sprachen hat ein Wort und, mag es auch gross sein, nur einen Hauptaccent und die möglichen Nebenaccente sind vom Hauptaccent stets durch 1 oder

2 unbetonte Silben geschieden. Der Hauptaccent haftet nicht an der Stammsilbe, sondern er wird nach andern Gesetzen, (grösstentheils nur Gesetzen des Wohllauts, wesshalb diese Sprachen auch musikalische ge- nannt werden), hin- und hergeschoben, sowohl in abgeleiteten Formen (ämo, amämus, amabämus, amaverämus) als in zusammengesetzten Wörtern, welche ohne Rücksicht auf die Tonsilben der Stammwörter ihren Accent erhalten, der sofort wieder auf andere Silben wandern kann; so wird äy&(fW7iog und l^oQcpi^ zu dyS^(}iün6iuo(Mpo(; imd dies wieder zu avS^iforno- /LtoQifov. In Folge dieser Wellenbewegung der Haupt- und Nebenaccente ist es in diesen, musikalischen, Sprachen unmöglich, dass im Innern eines Wortes 2 oder mehr betonte Silben auf einander stossen. Dagegen in

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der deutschen und in den verwandten Sprachen^) haftet an einer Stamm- silbe unauslöschlich ein starker Ton, (wesshalb diese Sprachen logische genannt werden). Dieser starke Ton der Stammsilbe bleibt auch in Zu- sammensetzungen z. B. Gebetläuten, und selbst, wenn 3 oder noch mehr Stammsilben zusammenstossen, wird die mittlere nie so gering betont, wie jene, welche man unbetonte zu nennen pflegt, z. B. Gebetbuchblätter, Gebetbucheinband. Demnach können in diesen, logischen, Sprachen inner- halb eines Wortes leicht 2, ja auch 3 und mehr starkbetonte Silben auf- einander stossen. Die nächste Folge davon ist, dass in den musikalischen Sprachen der Unterschied zwischen den betonten und unbetonten Silben minder gross ist als in den logischen. Damit mag zusammenhängen, dass Romanen die unbetonten Endsilben der deutschen Wörter für unser Ohr zu sehr betonen, und dass in unserer Sprache selbst die Endimgen rasch verwittern.

Dagegen können 2 betonte Silben auch in der Weise zusammen- stossen, dass ein Wort mit einer betonten Silbe schliesst und das nächste mit einer solchen anfängt, wie * Gebet reinigt', und 3 in der Weise, dass ein einsilbiges Wort dazwischen tritt, wie *Gebet hört Gott.' Diese Mög- lichkeit ist in den musikalischen Sprachen an und für sich ebenso gross, wie in den logischen, so aoipbg koyo^. dvcfffog vovg key€i. Jedoch ist auch sie in Wirklichkeit dort vielfach eingeschränkt. So am meisten in der barytonen lateinischen Sprache, wo kein zwei- und mehrsilbiges Wort den Accent auf der Endung hat, also nur in der einzigen Verbindung, wie nöbis mors imminet 2 betonte Silben zusammenstossen können. Sie ist ferner dadurch beschränkt, dass auch in den meisten andern musikalischen Sprachen die Endungen der Nomina und Verba meistens volle Silben sind und doch selten accentuirt werden, während im Deutschen diese Endungen vielfach fehlen oder mit der Stammsilbe verschmelzen z. B. gehört, geschehn, so dass im Deutschen sowohl die Zahl der einsilbigen schwer betonten Wörter, als der Wörter, welche mit betonten Stamm- silben schliessen, wie Zeit, flink, fliegt; Gethier, gering, gethan, gegen- über den musikalischen Sprachen eine viel grössere ist.

Demnach können in den musikalischen Sprachen nie innerhalb eines

1) Die engliflche zeigt auch hier ihren Charakter als Mischsprache.

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Wortes 2 oder 3 betonte Silben zusammenstossen; dies kann geschehen, wenn betonter Wortschluss und betontes Wort oder betonter Wortanfang zusaminenstösst, doch auch hier verhältnissmässig selten. In den logischen Sprachen dagegen, besonders in der deutschen, stossen sowohl innerhalb eines Wortes als in der Verkettung der Wörter sehr leicht 2 oder 3 betonte Silben zusammen. Hierdurch haben die musikalischen Sprachen in der gewöhnlichen Rede und in der Prosa einen grossen Vorzug vor den logischen. Die regellos zusammenstossenden schwer betonten Silben sind es hauptsächlich, welche in der deutschen Sprache den wohlklingenden Fluss der Rede hemmen und zerhacken. Ein Beispiel geben auch die zusammengesetzten Bezeichnungen technischer Dinge. Wir pressen meistens mehrere schwere Stammsilben in ein Wort, um die Sache möglichst voll- ständig zu bezeichnen, und denken dabei nicht an den Klang. Dagegen die entsprechenden Wörter der romanischen Sprachen, mögen sie auch aus ebenso viel Wörtern zusammengesetzt sein und mehr Silben zählen, haben nur eine schwer betonte Silbe und die Silben mit dem Nebenton sind durch 1 oder 2 unbetonte Silben von der schwer betonten getrennt, so dass das ganze Wort wohlklingenden Fluss hat; desshalb ist es oft nicht nur üble Vorliebe für das Fremde, wenn solche Fremdwörter bei uns sich einbürgern. Demnach wird der Wohlklang der prosaischen Rede durch die Betonungsgesetze der musikalischen Sprachen sehr gefördert, durch jene der logischen Sprachen sehr beeinträchtigt.

In der Dichtung ändert sich dieses Verhältniss. Die musikalischen Sprachen können nur mit Mühe 2, fast gar nicht 3 betonte Silben neben- einander bringen. Folglich können in diesen Sprachen Zeilen aus den Füssen u - , v> , sj j- ^ , w w -- •-, __ w w - w w so gut wie nicht gebildet werden, da stets zwischen die beiden Tonsilben ein Wort- ende fallen müsste; wer möchte solche Cretici wie 'perit lex, manet fex, bibit grex' in Reihen anhören? Sodann, und das ist die Hauptsache, ist es unmöglich, in diesen Sprachen unter die Jamben und Trochäen, Ana- päste und Daktylen Spondeen zu mischen; denn hier müssteu sich mindestens 3 betonte Silben folgen, (z. B. Xsyei aoipog rovg &eiOi; ruilr

«« ww>_);80 viele können aber in den musikalischen Sprachen

so gut wie nicht zusammengebracht werden. Da nun die alten Griechen und Römer ihre jambischen und trochäischen, anapästischen und dak-

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVU. Bd. II. Abth. 51

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tylischen Zeilen stets mit vielen Spondeen gemischt haben, so ist klar, dass in den musikalischen Sprachen auch diese quantitirenden Zeilen- arten nicht nachgebildet werden können. Die Alten haben aber recht wohl gewusst, warum sie in jene Zeilenarten viele Spondeen einmischten. Jene reinen Jamben, wie Phäselüs ill6 quem videtls hospites, welche CatuU und Genossen in wenigen Gedichten den mit allen möglichen Füssen überladenen altlateinischen Senaren entgegen stellten, hatten wohl bei den Griechen kein Vorbild und fanden bei den Lateinern keine Nach- ahmer; denn sie klingen schlecht und langweilig. Schlecht und lang- weilig klingen die neugriechischen Verse, die aus gleichen Füssen be- stehen, wie

'12 adeX(pfis 'Iou7jvf]g (pUij scscpakTJ i^§ev(feig rtva twv OldtnoSög xaxvjy im 'Qio^g jJ^ag Siv /tag enefiipsy 6 Zsvg. oder WäXe rov äpd(fa &Ba rbv nokvxifonor oorig Toaovrovg rönovg (fi^Xi9€ no(f97]aag rfig T(fotag r^v h'vdo^ov noXiv /io(fag ^eWer drß'(f(Ana)y Jiokkag x'ifiekhijoiv ijdi] xUig &akaaatag Jikaytjaeig vns(pB()e kvnag uv^tag d^ikwy avTog va acod-fi xal rovg iptkovg rov d-skuii' adiarj. Das sind reine Jamben und reine Daktylen; denn x^^if^s ist kein Spondeus, sondern ein Trochäus, also ein falscher Fuss. Ebenso eintönig, wie diese neugriechischen Reihen von reinen Füssen, würden die lateini- schen und romanischen klingen, wenn die Dichter sich dazu hätten verleiten lassen.

Ganz anders steht die Sache in der deutschen Sprache. Opitz, der die Romanen beneidete, hat unbewusst den deutschen Versbau über sie hinausgeführt Die deutschen Zeilen haben nicht nur gleiche Silbenzahl wie die romanischen, sondern auch Reichen Tonfall und bestimmte gleich- förmige Füsse. Da in der deutschen Sprache leicht 2 und 3 betonte Silben zusammenstossen können, so kann die ermüdende Einförmigkeit fortlaufender Reihen von Daktylen oder von Anapästen durch die ange- nehme Abwechselung der Spondeen vermieden und die schwächliche Ein- tönigkeit reiner Trochäen oder Jamben durch eingemischte Spondeen gekräftigt, können endlich auch bacchische, choriambische, jonische und ähnliche Metra gebildet werden, in denen 2 betonte Silben regelmässig

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zusammenstossen. Das BedenkeD, dass z. B. in Zickzackweg die mittlere Silbe nicht ganz so stark betont sei wie die einschliessenden, also kein voller Spondeus entstehe, widerlegt sich durch den Hinweis, dass zwischen den quantitätslangen Silben der antiken Dichtung noch grössere Verschieden- heit herrschte, z. B. in moestus zwischen moe und stus, wenn das letztere durch Position gelängt wurde. So ist der jetzige deutsche Zeilenbau, nach welchem die Zeilen aus bestimmten regelmässig wiederkehrenden Füssen gebildet werden, für die logischen Sprachen und insbesondere für die jetzige deutsche Sprache durchaus geeignet. Die vielen betonten Silben, welche in der Prosa regellos zusammenstossen und den wohl- klingenden Fluss der Rede zerstören, werden in der Dichtung durch die feste Regel der Füsse zu einem harmonischen und doch kraftvollen Ganzen gefügt.

Dagegen ist klar, dass auch der so stark verschiedene Versbau der Romanen, wie er sich im Laufe vieler Jahrhunderte gebildet hat, in dem Wesen der betreffenden Sprachen fest begründet ist. Wollten sie längere Reihen von Zeilen mit gleichem Tonfall bauen, so sollten es nur solche sein, in deren Schema wenigstens Jamben mit Anapästen oder Trochäen mit Daktylen gemischt wären, wie z. B. in den sapphischen und alcäischen Strophen. Aber alle gleichzeiligen Gedichte, in welchen nur einer dieser Füsse durchgeführt würde, wären in diesen musikalischen Sprachen eintönig und langweilig. Das ist der einfache und höchst ver- nünftige Grund dafür, dass in den romanischen Dichtungen keine be- stimmten Versfüsse eingehalten werden, sondern der Tonfall frei gegeben, d. h. der Kunst und dem Gefühl des Dichters überlassen ist.^)

In allen meinen mühsamen Untersuchungen über die lateinischen und griechischen Rythmen habe ich nachgewiesen, dass von Anfang bis zu Ende dieser Dichtungsweise vor dem Schluss der Zeilen keine be- stimmten Füsse beobachtet wurden. Ich hoffe, dass jetzt auch die ein- gefleischtesten Theoretiker die Lehre von der schwebenden Betonung auf-

1) Sollten deutsche Uebersetzer diesen freien Tonfall der romanischen Dichter nachbilden wollen, so müssten sie, um den wohlklingenden Tonfall der romanischen Sprachen einigermasseu wiederzugeben, sich wenigstens die Regel aufstellen, dass nur selten schwer betonte Silben auf- einander stossen dürften; vgl. meine Abhandlung über die lateinischen Rythmen S. 134.

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geben, jene Zeilen nach dem Wortaccent sprechen und den Wechsel des Tonfalls nicht als Unregelmässigkeit hassen, sondern als Wohlklang loben werden. Denn was der romanischen Dichtung gegenüber billig ist, das ist es auch gegenüber derjenigen Dichtung, von welcher die Romanen ihren Zeilenbau gelernt haben. Aus demselben Grunde habe ich auch a priori die Ueberzeugung , dass die einförmigen Reihen von Jamben oder Trochäen, in welche Bickell die ganze alte syrische und hebräische Dichtung binden will, nicht existiren und dass in jenen gleichzeiligen Gedichten dieselbe Freiheit des Tonfalles herrschte, wie in denen aller andern musikalischen Sprachen.

S e h 1 u s s.

In den ältesten Zeiten des griechischen Volkes, als in der Aus- sprache der Wörter die Zeitdauer der Silben mindestens ebenso sehr, vielleicht noch mehr bemerklich war als der auf sie fallende Ton, ist entweder ein sinnreicher Grieche darauf verfallen oder ist von einem fremden Volke her die Gewohnheit angenommen worden, in der dich- terischen Rede die Zeitdauer, nicht die Betonung der Silben zu berück- sichtigen. In den ältesten Dichtungen der Lateiner tritt ebenfalls nur dies Gesetz hervor, die Zeitdauer der einzelnen Silben zu unterscheiden. Ob sie dasselbe schon in den frühesten Zeiten von den Griechen oder anders woher bezogen haben, lässt sich kaum entscheiden. Darin, wie diese langen und kurzen Silben zu Füssen, die Füsse zu Zeilen, die Zeilen zu Strophen oder Gedichten gefügt wurden, hat sich in wunderbarer Ent- faltung eben so sehr die Erfindungsgabe als der Schönheitssinn der Griechen offenbart.

Andere Völker waren auf eine andere Form der dichterischen Rede verfallen. Sie suchten die Gebundenheit und Gleichmässigkeit, welche die Grundlage der Schönheit sein muss, in der gleichen Silbenzahl der einzelnen Zeilen. Dies Gesetz drang aus den semitischen Ländern unter dem Schutz des Christenthums im 3. und 4. Jahrhundert in die Länder ein, welche von der aus langen und kurzen Silben aufgebauten griechischen und lateinischen Dichtweise beherrscht wurden. Die neue Dichtweise fand den Boden vorbereitet. Denn durch die Vermischung mit den Barbaren war die

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Aussprache weit und breit verdorben und das Gefühl dafür, welche Silben lang und welche kurz seien, geschwächt oder geschwunden. So war jenes Dichtungsgesetz, womach die Silben nur gezählt zu werden brauchten, höchst willkommen. Gesprochen mussten diese silbenzählenden Zeilen werden; sie konnten nur nach der damals herrschenden Art des tag« liehen Lebens, d. h. nach dem Wortaccent gesprochen werden.

Doch die alten Dichtungsformen der Griechen und Lateiner waren zu vollkommen, als dass sie sich gänzlich umstossen liessen. Sie nahmen den Sieger gefangen. Die lateinische rythmische Dichtkunst bis zum 1 2. Jahr- hundert bewegte sich nur in Zeilenarten, welche der alten quantitirenden Dichtkunst nachgeahmt sind. Die Melodien der griechischen Kirchen- hymnen sind ursprünglich den Syrern entlehnt; allein die strenge Beob* achtung des Tonfalls und der grosse Reichthum an neugeschaffenen Formen zeigen den Einfluss der quantitirenden Poesie, welche damals besonders strenge Regeln und Formen sich geschafiFen hatte, und sind so das letzte Aufleuchten des feinen griechischen Geistes.

Mit dem Prinzip des silbenzählenden Zeilenbaues war auch der Reim zu den Lateinern gekommen. Auf diesen zwei Grundlagen, der gleichen Silbenzahl und dem Reim, beruht die wunderbare Entwicklung der Dichtungsformen, welche der lateinische Occident im zwölften und drei- zehnten Jahrhimdert zeigt. Von hier haben die modernen romanischen Nationen die Gnmdlagen ihres Zeilenbaues, ihre Zeilen- und Strophen- arten und den Reim überkommen, von hier haben die germanischen Nationen wenigstens beträchtliche Stücke ihrer Dichtungsformen erhalten.

Denn der silbenzählende lateinische Versbau war bei den germani- schen Völkern auf ein anderes Prinzip gestossen, wornach in den ent- sprechenden Zeilen nur gleich viel betonte Silben gesetzt wurden, ohne Rücksicht auf die Zahl der unbetonten. Das lateinische Prinzip siegte in der lyrischen Poesie, so dass hier die deutschen Minnesänger mit den lateinischen und romanischen Dichtern wetteiferten. In den folgenden Jahrhunderten gewann auch in Deutschland der silbenzählende Zeilenbau überhaupt die Oberhand, bis zur Zeit von Opitz nach dem Vorbild der alten Griechen und Römer die Silben in verschiedene Arten, aber nicht nach der zur Aussprache erforderlichen Zeitdauer, sondern nach der Stärke oder Schwäche des auf sie fallenden Tones, geschieden wurden.

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Dabei wurden die schwach betonten so gut wie die stark betonten ge- zahlt und berechnet. So wurde dieser jetzt in Deutschland herrschende Zeilenbau ein Seitenstück des alten quantitirenden.

In den Zeiten und Gebieten, welche bei diesen Untersuchungen in Betracht kamen, treten also 3 Arten des Zeilenbaues auf: der quantitirende. welcher die Länge oder Kürze der Silbe abwägt, der rythmische, welcher die Silbe einfsich zählt und der in den romanischen Ländern den quanti- tirenden schon längst verdrängt hat, endlich der germanische, welcher früher nur die stark betonten Silben zählte, jetzt aber die stark und sohwacli betonten Silben unterscheidet und beide berechnet; diese Art findet sich , auch bei den meisten neugriechischen Dichtem. Neue Zeilen- und Strophenarten wurden besonders in zwei Perioden geschaffen, bei den Griechen vor Alexander des Grossen Zeit, dann im lateinischen Occideiit im 12. und 13. Jahrhundert Von dem Reichthum der letzteren Periode zehren noch heutzutage die romanischen Literaturen; die deutsche hat ihn zum grössten Theil verloren und durch die Nachahmimg der alt- griechischen oder fremdländischer Formen noch keinen befriedigende» Ersatz gefunden.

Die Regeln für den Versbau sind in den meisten Zeiten und Völkern nur Nachahmungen fremder Vorbilder, die bei der Nawjhahmung oft sonderbare Umgestaltungen erleiden, wie z. B. der altlateinische sowie der spätlateinische Senar oder Hexameter seinem griechischen Vorbilde oft geradezu widerspricht. Allein auch in den Zeiten, wo neue Zeilen- udJ Strophenarten und Regeln dafür geschaffen werden, wie bei den Griechen vor Alexander und in der lateinischen Literatur des 12. und 13. Jahr- hunderts, wirken neben dem Schönheitsgefühl andere äussere Dinge, dann Mode und Zufall viel zur Schaffung der Formen und Gesetze mit. Schon ein berühmtes Gedicht, eine glückliche Melodie kann eine Form ein* bürgern, welche sonst bald verschwunden wäre. Alle Regeln und Vor- bilder geben keine Gewähr für die Schönheit einer Dichtung. Sie sind eben nur Schranken, innerhalb deren der Dichter sich bewegen m\m, um seinen Zeitgenossen verständlich und angenehm zu sein. Wie der Schriftzeichen, so gäbe es auch der Dichtungsformen unzählige, allein Jeder muss sich derjenigen bedienen, welche in seiner Umgebung gebräuchlich sind. Doch da ein Volk bei der Herübernahme der Formen von einem

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andern Volk dieselben oft stark verändert und in Jahrhunderte langer Weiterbildung und Ausbildung derselben seine Eigenart und seine Vor- züge zeigt, so ist die Erforschung und die Geschichte der Dichtungs- formen ebenso wichtig, ja wegen des edleren Inhaltes wichtiger, als die Geschichte der architektonischen Formen.

Eine angenehme und für die Entstehung der modernen Dichtungs- formen wichtige Untersuchung war es mir, die wundervolle Mannigfaltig- keit und Schönheit der mittelalterlichen lateinischen Rythmen darzulegen.^) Allein das Wesen einer Erscheinung kann erst gewürdigt werden, wenn der Ursprung klar liegt. Die gewöhnlichen Ansichten über die Ent- stehung der lateinischen oder der griechischen rythmischen Poesie schienen mir unhaltbar. Die genauere Erforschung der griechischen Rythmen führte mich auf den richtigen Weg. Es galt zuerst nachzuweisen, dass weder bei den Lateinern noch bei den Griechen die rythmische Dichtung sich von selbst aus der quantitirenden entwickelt habe, was ich für die Lateiner in der Abhandlung über die Beobachtung des Wortaccentes in der altlateinischen Poesie^), für die Griechen in der Abhandlung zur Ge- schichte des alexandrinischen und lateinischen Hexameters gethan habe.^)

Die Aufgabe der vorliegenden Untersuchungen war, die Eigenthüm- lichkeiten der ältesten lateinischen und griechischen Rythmen in helles Licht zu setzen, dann zu zeigen, wie die wichtigsten dieser Eigenthüm- lichkeiten und das ganze Prinzip des Zeilenbaues schon früher bei den Semiten vorhanden waren, dann, als die christliche Dichtung in semitischen Ländern Auffallendes geleistet hatte, imter dem Schutze des Christen- thums von den Lateinern und Griechen nachgeahmt wurden und im Kampfe mit der quantitirenden Dichtung und unter dem Einfluss der- selben sich als christliche Dichtungsformen ausbildeten. Ist diese Auf- gabe glücklich gelöst, dann ergibt sich das Resultat, dass wie in unserer ganzen modernen Kultur, so auch in den Dichtungsformen, die jetzt Europa beherrschen, griechisch -lateinische und semitisch -christliche Be- stand theile gemischt sind.

1) Sitzungsber. der Münchner Akad. philos.-philol. Cl. 1882 I. Heft.

2) Abhandl. I. Cl. 17. Bd. 1. Abth. 1884.

3) Sitzungsber. philos.-philol. Cl. vom 1. Dez. 1884.

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Beilage I.

Die rythmisoheii Gedichte des Gregor ron Naziani.

Die beiden folgenden Gedichte, in denen auf die Quantität der Silben offenbar keine Rücksicht genommen ist, sind verfasst von Gregor von Nazianz (f 389); sie sind also bis jetzt die ältesten griechischen Gedichte der Art. Ich verwendete deeshalb ziemliche Mühe auf die Feststellung des Wortlautes. Das erste, gewöhnlich Erhortatio ad virginem betitelt, ist zuerst gedruckt in Gregorii Naz. Opera Basel 1550 (ed. Erasmus) p. 187 als Prosa; in Langzeilen in den Opera (ed. Bill) Paris 1611 II p.299; Paris 1630 n p. 299; Cöln 1690 II p. 299; bei CaiUau Paris 1840 II p. 378. Migne Curs. Patrol. 37 p. 632. Christ Anthol. Gr. p. 29. Das zweite, der Hymnus vespertinus, wurde zuerst 1696 in J. Tollii Insignia itinerarii Italici S. 96 in Halbzeilen gedruckt; dann ebenso im Persius ed. 0. Jahn, Proleg. p. CI nach Tollius; Gaillau tom. II p. 290. Migne tom. 37 p. 511; unvollständig ist das Gedicht gedruckt in Poetae gr. 1614 II p. 189, = Daniel Thesaur. hymn. III p. 14 u. Christ Anthol. p. 29.

In der Beurtheilung der Handschriften ging ich lange irr; denn obwohl ich durch die besondere Güte von verschiedenen Gelehrten *) die Vergleichungen sehr alter Handschriften erhielt, so fanden sich doch in den meisten dieselben starken Fehler. Endlich sah ich, dass die Handschriften, in welchen diese beiden Stücke unter die prosaischen Predigten gesetzt sind, allesammt, mögen sie auch noch so alt ^in (die Pariser P ist mit Uncialen geschrieben), auf ein und dieselbe Handschrift zurückgehen, in der schon starke Fehler waren; so fehlt hier V. 84 ganz, V. 24 das Wort keiTOVQywv ; V. 23, 40, 52 und andere zeigen starke Interpolationen. Dagegen ist der Text in den Handschriften, in denen diese 2 Stücke unter den Gedichten atehen (iv noUolg ßtßXioig 6 Xoyog ovrog h TOig eneai XBizai sagt das Scholion im Codex F, der offenbar nach einer solchen Gedichthandschrift an einigen Stellen ver-

1) Die Vergleicbung der pariser Bandschrifben danke ich den Herren Delisle und Omont, die der unter Ä zusammengefassten Wiener Hm. Prof. Th. CromperZy die von D Hm. Joh, Huemer, die 4er Venezianer Hm. Dr. Martin Thomas und die der Florentiner Hrn. Dr. Aug. Herzog.

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bessert ist), durchschnittlich besser. Die Citate des im 8. Jahrhundert lebenden SchoUasten Cosmas stimmen, wenn man dem Teilte Mai's hier trauen darf (carminum fragmenta siile editionum subsidio vix sanari potuissent, bekennt er selbst), nur in unwichtigen Dingen mit den Predigthandschriften (v. 33. 87), in wichtigen mit den andern (v. 23. 24. 87). Die Ausgabe der Exhortatio von 1550 beruht auf dem Text der Predigthandschriften; Bill aber benützte eine treflFliche Handschrift der Gedichte; Combefis, Caillau und Christ haben aus schlechten Handschriften nur wenig Förder- liches mittheiien können; ich bin fast durchaus zu dem schon von Bill abgedruckten Texte der Gedichthandschrifben zurückgekehrt. In dem Hymnus war wenig zu ändern, da bereits ToUius die treflfliche Florentiner Handschrift benützt hatte.

Rufinus Aquil. schreibt (Histor. ecclea. 2, 9): Exstant Basilii et Gregorii in- genii monumenta magnifica tractatuum, quos ex tempore in ecclesiis declamabant. ex quibus nos denas ferme singulorum oratiunculas transfudimus in Latinum. Da ich nun in drei florentiner Handschriften, unter den Uebersetzungen des Rufinus auch unser Gedicht ad virginem fand, bat ich meinen Freund Pio Rajna um Abschrift und setze die-?en lateinischen Text unter den griechischen. Diese Uebersetzung kann aber nach meiner Ueberzeugung nicht von Rufin herrühren. Denn der Text schliesst sich ganz an den schlechten Text der Handschriften an, in denen dies Gedicht unter den prosaischen Predigten steht. Doch, wenn dies auch schon 100 Jahre nach der Abfassung möglich gewesen wäre, so finden sich in dieser Uebersetzung grobe Fehler, deren ein Mann wie Rufin nicht in solcher Menge und Stärke fähig war. Endlich weicht diese fast wörtliche üebersetzungsweise von der Uebersetzungsart des Rufin ab, der umschreibend und erklärend übersetzt. Darauf fühi-t auch die handschriftliche Ueberlieferung. Die Handschrift in Bamberg B, IV, 13 saec. X enthält: Prol. I oratio apologetica. II oratio in Christi nativitatem. III de Epiphania. IV de Pente- coste. V Cum rure rediisset. VI ad Nazianzenos vel ad Imperatorem. VII de unitate monachorum. VIII de grandine. In B IV. 6 saec. XI fehlt No. IV und, wie es scheint, der Prolog, die andern Stücke stehen in der gleichen Reihe. In Wien No. 759 = Denis I No. 198 saec. XI, fehlt Prol., steht I bis VIII, dann folgt IX de Pascha. In Bern 374 saec. XII steht No. I. VI. VII. VIII. Ein anderer Zweig der Ueberlieferung liegt vor in der münchner Handschrift 3787 (ehemals in Augs- burg) saec. X: Prol. I. II. HI. UV De fide. IIP De fide Nicaena. IV. V. VI. VII. VIII. VIII* Contra Arrianos. In dieser Handschrift, mit welcher die Ausgaben (zuerst Argentinae Knoblouch 1508) völlig stimmen, steht also nicht nur nach VIII die Rede contra Arrianos mehr, sondern auch nach III der lange Tractat de fide und der kurze de fide Nicaena. Für diese Tractate, in denen Bibelstellen vom Text der Vulgata abweichen, ist bis jetzt kein griechischer Text gefunden, und sie kommen fast mit demselben Wortlaut unter dem Namen des Phoebadius vor (Migne Patrol. lat. tom. 20 p. 31 u. 47), dem sie auch innere Gründe zusprechen. Die fiorentiner Handschriften des Gregor-Rufin stammen sämmtlich aus dem XV. Jahrhundert. Plut.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 52

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17, 31 (L) enthält Prol. I bis Vni. Dann IX (de Pascha). X de martyribus. XI Epist. adCledonium. XII ad virginem; Fesulauus 44 (F): Prol. I. II. III. V. VI. IV. VII. Vm. III' (nicht IIP). VIII'. Anderes. Dann IX. X. XI. XI' ad Cledonium secunda. XII. Aedili VII (E) bat: I. IL III. V. VI. IV. VII. VIII. III'. De inventione capitis Joannis Bapt. narrat Josephus. IX. X. XI. XII. Gadd. 113 hat: I bis VIII (= Bam- berger). Die lateinische Handschrift in München 463 saec. XV: I bis IV. lll" V bis VIII. VIII' IIP.

Daraus scheint hervorzugehen, dass zu den von Rufin gefertigten üebersetzungen gregorianischer Predigten von Anderen die üebersetzungen einiger anderen Stücke zugesetzt wurden. Man könnte daran denken, dass die in den florentiner Hand- schriften sich mehr findenden Stücke erst in der Humanistenzeit übersetzt und zuge- setzt worden seien; allein der Gebrauch von a statt quam nach dem Comparativ * (V. 4 und 96) , dann die gemeinsamen Schreibfehler der Handschriften deuten auf frühere Entstehung. Dann müssen wir wohl auf die nächste thätige üebersetzer- periode, das 9. und 10. Jahrhundert, zurückgehen. Für die üebersetzer jenes Schlages passen auch die groben Fehler.

HEPI nAPOENlAS.

naq^ive vv(.i(pr^ Xqiotov, \ do^a^i aov top vvfjq^iov' 2 del xdi^aiQe aaimji' | ev Xoy(p xai aoq>i</, ''ha Xa^trrQCc ri/) Xa^unQiii ! avtrflyi; tov aiojya'

Beati Gregorii Nazanzeni ad virginem (L = Laurent. Plut. 17, 31 saec. XV f. 123); Secunda epistola Gregorii Nazanzeni ad Cledonium ex- plicit feliciter. Incipit epistola eiusdem ad vir- ginem {F = Laurent, cod. Fiesol. 44 saec. XV

fol. 237); Explicit epistola Gg. Dedomum. In- cipit epistola eiusdem ad virginem {E = Laurent. EdiL 7. p. 89).

Virgo sponsa Christi, glorifica tuum (glori- ficatum LFE) sponsum ; (2) semper munda te

Codices F = Laur. Flut, 7, 10 /*. 165 ; G = Paris. CoisUn. 56 saec. XIV /'. 1926; D = Vindob. graec. 43 f. 109 = 101 theolog, Lambec. IV jyag, 19, P = Paris, gr. 510 f, 214 a unciali charactere sci'iptus; V = Venet. Marc, gr. 70 f. 435; M = Ma .b .c; Ma -^ Venet, Marc, gr, 74 f. 303; Mb = 72 f, 182; Mc = 75 f. 200; L = La ,b; La = Laur. Flut, 7, 22 f. 420; Lb = Laur. Plut. 7, 7 f. 289; Ä = Aa.c.d.e, Aa = Vind(^. graec, 16 /". 333, Suj)pl. Kcllarii {tom. I p. 145) ; Ac = iheot. 79 /*. 310; Ad = theol, 80 /).327; Ae =^- ilieal. 84 f.^hb numerus adscriptus est fji6 in D, KJ in P. SchoUasta Cosmas exscripsit versus 23. 24; 33. 34; 47. 48; 81. 82; 85. 86; 87. 88; Titulus: nt(»l nu^f^i- rittf FD (Cosmas); 7f(>of nn^S-^yoy na^airfrtxoc

PVLMA. Bill, nqos mtgS'iyoy TiagaiytriKos xai TffQi nagS'fvittg C.

Scholia praemissa: Ey rovrw r^ Xoyü» loy IvQaKoiaioy £(u<pQoytt uifAHTui, oiros yä^ (ioyoe^ noifjKuy (^v&f40tg rtni (ritty K, ri Bül,) xai xtoXot^ ^XO^^nro fikjfitxr^g (noii^rfx^c C) (Bill,) nyaXoying xaTa<fQoi'r,tt€ts FCV (Bill.) 'Ey noXXoi^ ßtßXioig 6 Xoyof oviof iy rotg iniai xiirm V In codd. FC (et in editione Christii) ab hemistichio quo- que, in codice D et in editione Bülii et in se- quentihus a versibus meis noca linea incipitur; in ceteris codicibus (et in editione a. 1550) omnia nt prosa scripta sunt, sed nonnusquam, ut semper in P, versus punctis dislinguntur,

1 aou in marg, V. 2 *Mi xaSagt; Bül,, fut. KdS'ftQf edd. anvif^y CDP; Aa m. 2; Bill.

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4 'AQeiaaiüv yog avvrj nolv \ vijg fp&aQtrjg ov'ivyiag,

^Ev odfiOTi rag voegag \ dvvafjeig €^iifn]oiü' 6 dyyeXix.rjv enl y^g \ fABxijky>Bg TroXireiav,

Jeofiog ivtav^a xal Xvaig \ xal aco^at^ h. aiofAOTiov, 8 OVO) d^exdatr^ jjovag \ or/ror« Xvoftivt],

Ol nqüioi (fiqovaiv äxtlva | z^g xad^aQag ovaiag, 10 nvetfiara xai ttvq, keirovQyol I tc5v O^eov TrQogTayftdtcoy.

"Yhj di fii^iv e^evQeVy \ del ^iovoa (piaig^ 12 2? ftizQov lüQiae &e6g \ ydfAOv vo/JOv^errjOag.

2v d^tQyov iXrfi qwyoiaa \ toig dvoj avvrjQfjoaO^rjg, 14: (ig voig og^ioCerai voi \ irijV x^eiav dgitoviav,

Kai oa^Ki noXt^ioiaa \ ßor^^eig xg eluovi, 16 {fcvori yoQ tqng x^eov \ tip xEiQOvt, avvdaO^eiaa),

^'Iv €x ndlrjg xal vrArjg \ t6 axiffog OTtoldßfjg, 18 dv(o ^elaa xal zov xovv \ xaküg mrorayevta,

Alveiat^vj aoi xal ydftog, \ ttqo ydftov d'dq>^0Qia' 20 ydfiog avyyvwfAtj ndö-ovg^ \ dyveia di hx^nQOxrjg.

rd^tog narr^Q dynov, \ dyyeia di XaxQela'

(mundantem LFE) et ipsam in verbis et sa- pientia, (3j ut splendidior splendidis coinivas in aetemum: (4) verior enim ista multo u cor- mptibili coniunctione. (5) intellectuales in cor- pore virtutes imitata es, (6) ad angelicam trans- lata 68 Buper terram (= P) conversationem. (7) et ligatio et Bolutio corporalis et corporum est (V); (8) »unsuni antem unaquaeque unitas indissolubilis. (9) qui primom snstinent radium raundiBsimae trinitatis P; (10) spiritus et igni» ( = P) terminata fministra?) sunt dei prae- ceptionibus. (11) seniper autem effluens natura materiae commixtionem invenit, (12) cui men-

suram deu» legem statuit nuptiaiuni. {\\\\ tu autem opus materiae tugiens 8uperiorii>üH cö- aptate (coapta teV), (14) quemadmoduin luenH aptatus menti divini concentu«. i 15) et carai repugnanä adiuvas imaginem, (IBi flutu eninr creata es dei etiam deteriori coUigata, (17) ut luctaminis et victoriae coronam posKiw accipere, (18) sursum ponens ment^m bene Mubiectani spiritui (— P). (19) proponantur tüii et nuptias (et nuptiae om. LFE: tibi om. K) et (= Pj quae ante nuptias est incorruptio ; {20) nuptias indulgentia passionis: castitas autpni splendor. (21) nuptiae (nuptae L) parent*^« sauctorum :

(ttttvxv^v F etc. 3 martt Sr^iSfs Combefi^. 4 xQtia- noy FCD noXv FCD BiU,: nontZ PVLMÄ r?f <3P*. 7ioX%üi Lb. (') int yr,g fj^r. FCD (BUl.): u,€ y. PVLMA. 7 otofÄftT FC (BUL), awfiuttt PVLMAy fjüifiarog D; « om. Lb. 8 avu) 6': ttvwv F, nyto 6i P. M. Acde, 9 ol' DMA iptQova BiU. 9 ovaiag FCD BiU. : igid6og PVLMA cf. 2, 1, 45 (paHyrii '^httty ex rgiaSoc fftJiaf uTfXfToy. 10 nyfvfJiattt CD PV Bül.\ Ttyivfire FLMA; nZ^ om. FCD: habent PVLMA Bill. Utroigyd FC rwy tov &tot Lb; cf. 2, 1, 32 yofg $Xtt<jf>goi TJvg xui nreviAara, . . fifynXjjaiy

vTroS^tjaooKfiy eiftrfitctg. 11 s$yjv(ifi' P, Ma.Act, 12 ^/Atrf(}oy F. 13 o6y FC Sf MA, Lei, ow, D vXfiy FCD. 14 yo6i BiU. 17 tr' FCDV, Tya BiU., üate PLMAcde unoXäßfi? FCDV, dnoXavfiS Bill., (irtoXaßily PLMA. IH jtai om. PLMA vnotayiyftt FCD Bill., vTinjffyiyTa tti Ttyfi'utai. VLMA et (r^ om.) P. 19 ^ir ^^CD. BiU.: Xid rtQo PVLMA 6'd(p$'0ii(u BUL: ^t- tt^Sogag p", d(piho(/i€e PLMA, 6i' «yj#öpflt«f C* 6i''d(f&€t(i<riay 2), tiffSagaiu V. j'«w* (Jvy. TtuS^. in marg. V uyyiutg CD. 21 «y*'*i'«f ClJ, Bill. Xfcxfjfiic (sc. röiy dyiujy) FCD, BUL: 9i^iu

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22 TavTtjv Aal rore yiaiQolg \ kxipiwv iv evd'itoig^

l4da^ iv Tta^adelai^), \ Mwaiig iv oqei ^iv^, 24 keiTOv^wv 2kxxciQiag, \ 6 noTfJQ %ov nqodQO^iov*

rd^iog xai naQx^eviag j ^/Ca t^g d^eiji (plXrjg^ 26 dXX toxi vofiog aaQxog \ nat ßqao^atog iovXeia,

^'Ot r\v vofiog xal axidi \ nat TZQoaxmQpi XaTQ€latf 28 tot' elxB nqwva 'Aal yciftog \ log fv ti vrj/ridjdeg.

"Oc iS^jXd^e TO yQctfjfja, \ vo nvedfua ä'^dvteiarjx^^^ .*^0 Aai XQiazog k'naO^s aagyu \ nqotk^oiv ix, naq^ivov

Tox i^elafAipev dyveia \ avvxef.ivovaa xov 'Aoa^ov, 32 ov ixei dei fjexaßrivai j xqioxili avvaveX&ovxa.

KaXwg odeietg, naq^ivB, | eig oqog aTtoodtov 34 /<jj nqog JSodo^a ffUilfijg, \ /uj axriXrj 7ray[jg alog.

Mrjde Xiav ae aaqxdg \ ij (fiaig exqH)ߣitto, 36 firjdi O^aQqriajjg äyav^ \ üaxe nox ixXvd-ijvai.

^niviyr^Q dvdnxei xaXd^ttjv, \ aßivvvOL d^vdwQ ffloya 38 i'x^ig (fdQftaxa noXXd \ x^g ae^ivijg naq^^evlag,

@eov ae cpoßog nrjyvvxaiy \ vr^oxeia ae xevovxiü,

c&stitate autem ante indulgentiam passionis (in- terpolirt?) (22) congruis sunt quidam honorati temporibus (23) Adam in paradiso, Moysis legem rectitudinis ponena (= P), (24) Zacharias (= P) praecursoris pater. (25) niiptiae et virginitatis radix, dei sponaae (= P). (26) sed est tarnen (= P) cooperimento camis servitus. (27) quando erat lex et umbra et temporales dei culturae, (28) tunc (cultura et tunc L) habebant primatnm et nuptiae qnemadmodom adhuc (= P) para- bolae; (29) quando autem explosa est littera et

PVLMÄ, 22 xai : 6k D eV F. Cosmas ad v. 23: tois CD. Bül. PVLMA. 23 et 24 laudat Cosmas iy oQii 2t¥^ Cosmas FCD Bill.: y6fA(o nQoauyuiv PVLMÄ. 24 Uaov(ßyiüy Cosmas. FCD. V (in manj. Aa): om. PLMA 6 Z«/. Bül. 25 ;««(»- ^iyius FCD. Bill.: nug$^ivi€( PVLMA. 26 kau yofdog CD Bül., iauy yo/aof F (cf. 2, 1, 201 aagxof anintfAipe rofxovs): iauy o/iwg PVLMA. 27 ötf PVLMAede axtu F xai om. La. 28 rorf P VM. Lb. Acde i'y u yrjTtuSdff FCD : in {iau P) yfinu66r,( PVLMA. Bül. 2.) ör' e'^^XSt F: ore S'iSn^Sf CD, ore d'v'/r^^^X^f PVLMA. Bül. t6 nyfvfAtt 6^dyTnaiix^V' ^o nyfvfi'ayT. FCD. Bül., dwinanx^'n ^^ ^o nyivfia PVLMA. 31 rorf PVLMA kXagAtpiy Bül. avyrff4ovaa F xoy xoafioy

subintroductus spiritvii« ^-K)) et Christua pertulit camem (came oder in carnem?) prücedens e% ex virgine, (31) tunc iv?^plenduit ca^tittH adbr^* vians mundum solum, (uoyor?) (32) ibi tranämü- tari oportet cum Chri.^to ancendentibu«. |3H) bene iter agens, virgo, in njnntem nalvaiu t*^ fac, (34) non ad Sodomaiu i.-oarteriiü, nc congele^^o« in statuam salis. (35) non valde credit te CAm^ natura, (»36) nee multurn rursiim praeäuma^, ut possis aliquando dissalri. VSl) »cintilla at^ceadit cannetum, extinguit autcün fliLnniia^ nf^ua. (38) h\-

0

avytifÄyovaa i. e. properiins ad ornatum. -^2 0f om. LM. Aace avyaytX&6yfi BilL 33 et IM ^nwh^ Cosmas; ttynatoCov C, rTi^üi atiS^ov Bill, l66o^'n^G- ßXiiPfii FCD. Bill, {non Vo.^mafieic^ cf, 2, -l h^

yijafi 2'tif},ri xai Xttxiti^. et 2, ö, »>9 ft^ ki&nf nrtyÜ^ nXog. 35 fjitfi'f . , fjLfi^k FiJD, BiJL u^tt.. ii^it ceteri ^ tp, ix^oß. FCD €t {fftt^oß,) Biti. : ttffß. iptaig, cm. ij, PVLMA. 36 Str^^tfiff^i F Jf*'* PVLMA wat' ejtfir' D kknl^^r^yttt 1), ix^h- S^yui C, ixnXaytj»^»fft BiU. 37 cf. 2, 2, tkJ U * r(ioi4ifif, XttkdfÄtiy antt'Sijg iin rtT^«V tiiarmt, Qu {tau. ofÄßQOf aytu&ft' xt Tuypt'ifi tfloy^ tiaü^V aßiyyiai 6' FCD. V: ^.i^ytt^tii PL^fA, m t^r ^ntiag Bül. 3940 dy^vulm CD Tt^oatv/aifCD.

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405

40 ayQCTivia 7€Qoatvxctt \ daxgva yafievvia,

"Egiog oXog TtQdg &edv j yvr^aiatg Tetafiivog 42 navxa noifii^tov jro&ov \ diXorgiov tüjv avio,

*0 /cBOiüv iyeiQea&ü), \ 6 vavaywv iXeeiad'io^ 44 av d*evnX6eiy ro iotiov \ Trezdaaaa tf^g ihtidog,

Ov iwv xarcu zo lUJttBiv^ \ twv d'avw rpegofitvioy 46 oliyoi TtieQOQgvovan', \ ol nXdovg d' evögofnoiaiv.

''Eneaev HoacpoQog, dXX' ovgavog dyytXiov 48 ^loCöag r^v TTQodoTrjg, 1 oi d' n'dexa Xafjjtif^Qeg.

Movov oXr^v atavtr^v | ayviqv Tif^ei, nagO-erey 50 fiij 7rov ^nioatjg Xqiotov \ tov aomXov yaüva,

''0/14 ^ta aov aio^ovehiü, j yXfZaaa /rag^^evsviTio' 52 juij votg TcoQvevoiy ftrj y^Xiog, j /n] 7ioi'g ataxTa ßamor.

Tfjv Ttivagdv aToXr\v aov \ xai rijv avxf^ijQciv TtOfAtjv 54 fiaXXov aidov/jai /lagydgwv | xat Tilg ^r^giov evxoofiiag.

KaXov ävO^og rj aldcug \ Kai fniyag xoa/nog lixQOtrjg 50 Kai nXiyfta xaXov 7rQaaig dgeraig aiBq^avova&ai,

be« (babens LFE) multa inedicamina pudicae virginitatis. (39) timor dei te corroboret, ieiunia eTacuent, (40) congruae atque aptae (— P) vigi- liae, lacrimae, ciibile terraruui. (41) aiuor tibi 8it ratio vigilana (o Xoyo^ statt öAof ?) ad deum apte disposita (42) et obdormiscere faciens amo- rem alienum. sureum (43) qui corruit elevetur.**

(44) tu autem bene naviga vela spei expandens.

(45) non eoruin qui deorsum sunt qui (quod?) decidunt: sed eorum qui Hursura feruntur. (46) ad quod (om. F) reliquorum (aliquoruiu ?) quidem pennae defluunt, multi autem prospere cumint (percurrunt L). (47) cecidit Luoifer: sed non

Bül.: Ktti nQocfixn V Ad (Aam, 2.\ TiQogxaiQog PLMAace x^l^^^^^^ ^'^ Bül,: /a/4fi;Wo* CD PLMA, 41 Cf. 2, 2, 69 Kai yv/^fa infXfdtüytti i^iüf 6^ öXof dfAipi aytfxra. Toi« , , tpaQfjLtfxa, 6X(og V TftayfAiyog La in corr,y Lb w. i., Ma, Aa in. i., Ae. 43 Tttatoy FCD, Bül.: ninituy PVLMA 6 vftv, bX, suppl. in marg, ViXtova^to D. 44 Si C Ttkiäoitg F, ayaniueanau V %fi iXnihi C, r^f /iV x^^^^^ iknihoi F. Aa m. rtc, 45 cf, 2, 2, 673 Xtoioy jliffofifyuiy nXfoytoy ninzfiy tiydg . . ij* /«r^a^f JVf/fii'f ly 6fi6i6xag, fÄtf nov Jizfqoy eis X&oyn ^tvaii. ninroy FCD 6i PVLMA tSy iT D

horao, angelus autem erat (der üebersetz^er las dXX* ovx äyog statt ftXX'' ovQayo^y (48) Judas traditor fuit, undecim autem luminaria. (4i*) to* tarn te solumraodo castam custodit virgo, (fiO ne (nee 10 coinquinet {inefi und arttlainfj Ja« der üebers.?) immaculatam dei tunicam. {^A} pudicua (impudicuB L) obtutus^ virginalis sit tibi lingua. (52) ne mens fornicans (= P), ne petiilans riauä, ne pedum inordinatus incessus. (53 J tuagia in te revereor laboriosam vestem et siccam atque squiiH- dam comam (54) quam gemmarum et siricae veatis omatum (55) bonum : flos verecundia et ma^nus decor est pallor (56) et {om. F) magnam ei qüi-

(pf^jLtiytoy F. 46 nXhiotg FCD. Büt„ nXfi^ta PVLMA de PM. Lb, Acde. 47 et 48 laadai Cosmas; cf. 2, 2, (580 683. dt PLMA, 49 fAoytjy Mbc öXwf Ma aavtiiy PVLMA dy- yeiy D. 50 ttov FCD. Bül.: 7i/üf PVLMA QVTiwafig FCD. Bül.: antXwafi^ PVLMA. 51 <roü FCD. Bill.: aoi PVLMA. 52 /ui,^' oJ^P <-f. 2, 2, 74—82; 2, 6, 32—36. Ttogyevoi F, rto^yivn 0 Bül., Ttogyftei D, nogyoq PVLMA cf, 2, 6, 35 »Xeig toüi xtioS^to fitj6e nogyevoi yiXtj»f. 53 at^X^w aov FCD Bül.: aov aroX^y PVLMA, 55 naxe^- Tr,g D. 56 Trdattig dgerats aretpayovad'ttt FCD,

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406

58 niva^ e^npiyot; aiywv \ x,aTi^yo{jog tcjv l'vdov,

d' ijg sxeig evfiOQq>iag | ve7iQovai>cj aoi t6 nksiatov. 60 xctiXei di la^/te i/'t'X^5 ! ^^ ^«o*^ xoo/novfievr^,

^'Oipiv d' oQQiviov q)evy€f \ ei x^iftig ycal aioqiQÖvwv^ 62 ^ij ^ov TrAij&jg fj TiXfjygg \ ix fttifiov %qv BeXiov.

^'OpipiaT^ o^fiaai ^ij dovlov, \ fiijd^ fAxe Xoyov Xoyqf 64 ^1] naQEia naqEiaig \ didovw rraQQtjafctv,

Mrjdiv aoi xa* rp yeiaet \ ^vkov tov Karax^Qizov, 66 fu} ae ^kov r^g C^^c; | 6 oq^ig t^w ßihß,

Kai tovxo Ttei&ov, naqd^evB' \ fiiq avvoUei TVQoaxaxjjy 68 Xqio'cov e'xotoa wfAq^iov \ l^rikoi oov tr^v ayveiav,

Ti fioi aaQKag (pvyovaa \ TtQog aaqiaag iniacgdifr]; 70 Ol; ndvveg avdQag Tijy aijV | anXözrjza ycogovoiv.

^£2g ^odov h dxdvx^aig^ \ oikiog iv fioHolg oiqiq^ 72 xai kTtdvvj novrjQÜv \ nayidwv dtaßaivBig,

*0 fiiv iyeiQei Tvaavddag, \ iq d' exxo filmet vt/wy/of

dam (siquidem?) coronam plectunt univeröae vir- tutes (= P). (57) -adulterent alii (P) coloribus ima^nem, quam ex (P) deo habent. (58) ani- raata ac depicta imago horribilia (P) est rerum presentium accusatrix. (59) tibi vero etiani eam quam habes pulchritudinem multum mortificari necesse est. (60) splendifica (P) autem pulchri- tudinem animae a deo adomatae (P). (61) faciem virorum fuge si possibile est etiam castorum, (62) necubi vulnereris uel ictus sagicte (X, ictus agitate FE; ictu aagittae? BiXiov = ßiXovg? Uebers,) (63) non des (P) oculos oculis. neque

protrahas verbis verba, (64) nee genis ad genas fiduciam praestes. (65) nihil tibi et gusto (gustu F\ ligni adiudicati i66) ne (adiudicatione LFE) a vita te serpen« foras emittat. (67) illud etiam tibi persuadere necesse est, virgo, ne cui com- maneas quasi patrono (68 ) Christum habens spon- sum. zelatur etenim tuam castitatem- (69 1 quid (quod L) mihi carnem fugienti ad camem iterum retorqueri. (70) non omnes splendorem {P) tuum capiunt (cupiunt F). (71) sicut rosa in medio spinarum, sie inter multos enutriris (t{*^(p¥i?i (72) et supra doloses pertransis laqueos. (73) alius

BUh: aQfTtti naaai ai atf^ctt'ovattt PVLMA {sed ttl aQiJ. Ad.f et om, F, atftfafovai Ma, cTf<pa9^ot'aiy P. La. Mb. Acde.) 57 aXXii FCD. Bül.i aXXog (Aiy PVLAM {Mc. om. f^ir) tiiy ^iov FCD. Bül: rijV ex aeoZ PVLMA. 58 <ri- yc5y FCD. Bül, : aiaxQOf PVLMA ; cf. 2, 2, 87 iUovti aiüx^cci Max^oav^fi^ atr^kai ff xal ov XttXioyrfg ^yxoi. iySoy, e'ytavS'tt La, Mab. Aace, iyrtvSf Lb 59 6f PVMA. La. 60 xdXXn 6k XtifÄfif FCD. Bill: xaXXof 6( Xäfinpvyf PVLMA {Xafingvyia&üi Lb), xofffiovfiiyyj FCD. BÜL: xoa- fÄOVfdiytic PVLMA. 61 otptig Lb. 62 nXii^ig Mb ij nXtiymy 2>, tj TiXi^y^ Bill, ix: xny V BhXlag C {ex fifXiov La), BfXia Bül. 63 ofA/nai^ o/uifjam FCD. Bül: ofÄfia 6'ofÄfiaai PVMAL {6e Lb)

6ovXov FCD. Bül: 6idov PVLMA fAij6' iXxt Xoyoy Xoyat FCD. Bül : /i^'^' ITiXf Xfiytft Xoyoy F, ,iiij nXixf Xoyta Xoyoy PLMA cf. 2, 2, 93 'Ö/i- fiara 6*ojLtfjifc(Ti fAiayt Xoyta Xoyoy. 2, 6, 33 iVif x6 ßXinttf^ai, rw ßXineiy Stj^ivi fiota 64 na^eiäi 7ta(}. Fy ntt(Jia TtaQiatc V. 66 rot' om. FD, tov ^vXov TOV PVLMA. 67 tovtm VMb nfi&ovaa CD, Tif/S^ov av Bül üvyoixH FCD, Bül. : avyot- xijüai PVLMA ngotrittTfiy V. 68 l/f/f CD cot F. 69 aa(jx(t PVM. La. Acde. cf.2, 2, 103 ei 104. (ptvyovan CD iniüTitifpu FCD: dninTpe^ti^* Bül, vno<TTQi(pHf PVLMA. 70 ayd^sg om. PVLMA tinXoT^Ttt FCD. Bül: XttfinQOTijTa PVLMA. 71 cf. 2, 2, 209. 72 sn. noy. FCD. Bül.: n.f. {recte?) PVLMA cf 2, 2, 869. 73 fify ydg iy.

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407

74 aXXog yivevat /rcrrij^, | aXkog d^anmg di}QOii}g.

^'Oaov üOKOv adiveg \ driXeaioi TtolXiyitg; 76 oaoq di ^^log avl^vyov \ xXanrjvai nov (fikiav;

^Eüx^giipai di xat naidsvaai, \ srteiT' ait^aü^ijpat 78 xai nixQcig dnohxßeiv \ twv novtav dyitöooBtg;

2ol de fitQiftpa naaa \ ngog &tdy ftot^ov iili7rin'- 80 1] XQtia d'£<yr' oXiyr] \ ^aCa i^ai ^avi^d axrnr^.

l4qi* i)g TteiQav xal XqiaiQ \ TTQog^yay' 6 nei^Uü*', 82 Uxf^ovg attiüv elg agrovg \ neivaivia ft€taatq€^}ai

fiv f.iri TtOi^^ l've'Aa firjdiy \ tcov atj^?*^*' i^tofuivfjg. 84 Ol; yeiQiüv el neveivtav \ axeiicog iQgqottivi^v^

Olh iy.lelilfei aoi xa/mlfdxrjg \ eXaiov riiarevoiCfi' 80 liOQa^ ae ^Qeipei Aaiyantq \ ^HUav iv fQi^ftt^*

^OQ^g @€7iXay fx nvQog \ xat &f]Qiwv yt/otncrt', 88 Ilavkov fteyav nBivüvva \ yf.ai ^lyolvta irqoi}i^imgy

^'Iva av /udO^fjg^ naqd^kVBy \ TrQog ^eüv ttovov fiXi7t€ti\ 90 ck; iv €^i2)U(^o tqi(ftiv ' oiÖB xal fiiQtddag.

MaQaivEtai to xdHog, \ ij do^a na^ai^txw

enim erigit tbalamum, altera iungit sponso (?); (74) alter fit etiam pater alter avus. (et add. E) inspice {tt&Qtt statt u&Qouts ?) (75) quantum in bis nialum sit. imperfecti frequenter atque infruc- tuosi dolores sunt. (76> coniugium (coniugum?) zelas furori (sorori E, furariV) non numquam (Unicitias (77) enutrire etiam filios edocere et postea contemni (78) et amaras recipere dolorum retributiones. (79) tibi autem una (P) cogitatio est: deum semper (P) aspicere. (80) necessarius autem modicus victus et parvulum operimentum

(aper. E). (81) per baec etiam ChrJHto teata- tionem tentator etiam obiecit (82) petena ab ewuriente in panen uaxa converti. (83) nun quam preter (propterVJ Uaec aliqaid turpe suÄtinen^, (84 nm. ^ P! 85) Non defidet tibi eredenti capsaci» olei tui* (HO) corvus te pa!¥cet aieut Heliam in deserto. ^87) noTi (7-*) Tet'lam (fecl* bam LFE) et ignera et u ferie effu^fisse. 83 disce (ex 89) Paul am (paublum LFE) prompte non solum esurieotem, verum etiam algentem, (Ö9) ad deum titntuni virgo aspice, l90) qui \P) in he-

Ad. iiyuiff F n 6Uxx, PVLMAi 6 6'exx. FC, 6 6i X. D Bill. 74 d' om. PVLMA. 76 oao»' Bill. 6f FC, DV. Bill.: om. PLMA evCvyov FC, VP.: avityov D, LMA nov om. C (piXiay VAc, Bill. : ifiliu FCD, PLM. A ade. 77 infn' CD. PLb, Aa. Bill.: inniu F' etc. 78 aytiXa- ßfty D, ttJioXttvfiy Bill, 79 «f« om. C ««a« FD: fiia PVLMA Bül: nucu fiia C fioyoy FCD: Uli PVLMA Bill. cf. r. 89. bO cf, 2, 4, 13 Md(a atfyij aoi xui axinti t6 tfoQfiop. iai^ FD: rcTtü C. PVLMA Bül. fid(at C; V in marg. ngtot, (fvQafiu. Hl et 82 laudat Cosmas HQoarjyay FX: ngoaiiyciyfy Cosmas. PVLMA. Bill., inri- yaytrD. 82nuyuiyn€CosM. FCD.BUl. V: Tifiytav-

rurf P, Tiutüiytt LMA; ef. 2, 2, 214 ft^t^tgitpru Cosmas. Aa. BUl., 6t€t»g(i^€n CD. 83 ^i} ho^ D BUl: f4t.r C, Tt^f' 1-, ,«*; ^t>rf PVMAL {noi' Lb} /4fi6€Lb r* iwy PVLMA iärtof^iy^i BUL 84 hatte cersum hatieni FCD. Bülr. omiitunt PVLMA, ed. 1560 /oi'titt.*' ^ C ^ nfTtymf D. 85 ei 8S latidat Ctwmas xafitf/Uia 1?, xtt^^dxnt PA. La, Mab. HG fl* Sut&fitA^rn V, ^x&^itpit Büi., ^gi^ti at C; 4. ^2, 2, 172. Hl et ^ laadai Cosmwi; cf. 2, 2, 190, flpBf FCD, Cosm. Bilt.: o/J«c P VLMA 9^ n^^ " ix 'f vyo v aar FC, ^rf^C t'xrf fvyov' aay D, {non Cosmas). BS, cf\ 2, 2, 202 ßiyuif nuy. F Cosm.: t^w ^iyatf nety, Bül.^ rd*' uiya Tiftv. Dt Jitit\ r^v 4*^7«*' PVLMA ^lyaty^a

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1

408

92 o nXovTog aiiiaxov ^pia^ \ to dvvaa^at d' okiyujy,

2v de Tov nlavov xoofiov \ zag OTQoqHxg ixqtvyotaaj 94 eiarikxfeg elg ta ayia \ xüv äyiiov yeluiaay

Kai avv ayyiXoig xoQevBig \ njv anavatov xog^iaw, 96 XQBioaova xonov hxxovaa \ viüv %ai O^vyaxi^tav,

!^IX* w TiaQd^svoi XQiOTOv I ^bvoixe yQtjyoQoiaai 98 xai qfaiÖQaig zov vv^q^iov | di^aa&e taig XafinaGiv^

^'Iva avveiaeX^ovaai \ xctiXog zov vvf4q>iov 100 idt]Te xat fiiy^ra | zolg avco ^varijQiOig,

remo pascere milia hominum novit. (91) mar- cescit pulchritudo, transcurrit gloria. (92) divitiae infideles res sunt, potestas ad modicum est. (93) tu autem miserabilis (P) mundi delitias (CD) fugiens (94) intra (P) in sancta sanctorum exultans. (95) et cum angelis choros ducens ( duces ? ) incessabile tripudium, ( 96 ) meliorein sortita locum a (et E) filiis et filialms. (97) sed

o virgines Christum amitinöte vigUant«« f^f et splendificatissponsnm inffcipit^i lu.m|iadibus(99}ul (et LFE) ingrediente."^ cum eo decorem thalami (P 100) videatis et h\a rjuiie Muraum »unt p^- sitis misceri mysttniis. Explicit beati Gregorii Nazanzeni ad virf^ineiti Li explicit epistök ür» N. ad V. E: Beatirtflimi Ur. N* ejqilicit opus- cula F.

DP. Lb. Ma. Vm. 1. Aa m. 1. 90 oq: dtog FCD. Bül. ol6(y P Mab. Aac. 92 6i VLMA oXiyoy La. 93 nXdyov FCD. Bill.: jttntit'ov PVLMA atQO(pas FPVMA. Lb.-. rpoy«V La, tQv(pdg CD. Bül. 94 ugtiX&n FCD. Bill.: ftgeXSe PVLMA. 95 xoQ^vfif FCD: /ogivois F, XO(f€iafig LMA. Bül, P corr., x^gevcig P ante corr. 97 /Ahirf VP, fAkytixh D, /^iyowSt La, fiirfirt Bül 98 (pmdguif D Si^aaSt FCD. Bül. : SixfoS'f VP. Lb. Ae. Ma m. 1. Aa m. 7, Sexoia&f La. Acd. Mbc. Ma corr. Aa corr. 99 yvfi^iov FCD. Bül: yvfjKfüiyog PVLMA. 100 ttdr^xi P. Aa. Subscriptio in V ÜQog na(i&ipoy itfC" patyf fixog.

Hymnus extat in codicU)tt8 PVLMA. FCD. deinde in Ab = Vindob. theol 19 f. 95; B = Monac. 216 f. 336; G = Monac. 416 f. 169. Fxhortationem sequitur nullo spatio intermisso in PLMA; exhortatio neque 2^<^cedit neque se- quitur in Ab. BG. ^ Jac. Tollius *Insignia iti- neris Italici 1696 p. 96 primus ex codd. F et D hymnum edidit; cf. Santen ad Terentiannm rers.

1633, quem e.vcerpftii Mnlittvh Gramm, p. 71. In 'Poetae graeci ceierv^t (Wr*». Alloht'. lüH tom. II p. 189, iif Thfinui'ii htimn. Dattitlit^ 111 p. 14 et in Anthaiogiti \V. Chriittii tantummmfn versus 1 14 edtti »nnt; cf, codicem Vindob^ theolog. 101 No, 109 et 110 et 94. l^tuU: vfiyog kantQiyog F^ v^rog Itm^infog ifr« ffp*f t<p tiXft ii()fijLteyof fifiowg i(fi ni{fi TirtitStna^ t\ vfiyog lanf-Qiyog tlii tiqu^ tu teTlo^ i^gij^fAtyof. ovtog ÖfJioiog tw rtf^l rtaijO-iyov^ D; tov txi'ior vfjiyog ianf(Jty6s. ifuta^ßüt (^fiiu^ßot?) 0, ^fir^ kankQiyog. Jo^oXoyUt (Ttt Jtot'fij^: in fine Jo^o* Xoyia: item in in di ff itrnettiis.ni fnl 4 Joioloyia V, ubi initio hymni athcriptum e^t ^(tttTTOPot, *i*^ inde maiusctdis htterls zai nvto^ öfioio^ isti tf 7i(i6 ixvTov. Jo^uXfjytct B *"'/»( *'t)itr*t"W '^^''■ Hymnus ut p^'osa Hcriptujt enf in PVLMA {in P versus punctis notnti ^ttnt}, itova liitea iir- cipitur ab hemistichw qtmquf in Fi\ a r/rnfriu* meis in BDG, ita ut efiam fincs muHnrüiH k*^ miMichiorum puncih notafi stnt.

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409 YMN02; ESnEPlNOS.

2i xat vvv evXoyovftev, \ XQuni fiov loye ^eov,

qxHg ex qxorog ava^ov \ xat nvevfta i^ ävafxov, 3 TQiTTOv (pctnog elg fiiav J d6§av a&QOitppiivov^ *Y)g ekvaag to axorog, \ dg vniaxrjaag ro qpcSg,

Jy' h qxaxl xTiajjg rd navta \ xai tijV aarccTov vXtjv 0 OTtjajjg jioQipdiv elg xoa^v | xat ttjv vvv evxoafilav^

*Y)g vovv iqxitioag dvd-Qwnov \ Xoyi^ %e xal aoq)i<f

XaftnQOTtjZog z^g avw \ xal xotco d-etg eixova, 9 IVa q>€JTi ßXinrj to (pwg \ xai yivrjftcai q)Cug olov,

2v qxaaxf^qaiv ovqovov \ xaTf/vyaaag noixiXoigy

av vi^xa aal f^^i^av \ älXrihaig eixetv iqniiog 12 eta^ag vopiov Tiftwv \ adehpcrxrjfxog xal g>iliag.

Kai T^ fjiev ertavaag xonovg \ r^g noXvpioxd^ov aaQxog,

Tj d^i^yeiQag elg ^gyov \ i^ai nQo^eig Tag ooi q>ikag^

%va %d axoTog q)vy6vTeg \ (px^aata^ev elg iq^iigav, 16 iq^iQccv xr^v fAtj wxxi \ tj axvyvfj Xvo^ivrjv,

Sv fiiv ßaXoig iXaq)Qdv \ vrrvov e^oig ßXegxxQOigy

(ig ^rj yXdaaav vfiv(pd6v \ enl noXv vexQOva&ai 19 ^iJt' dvxiqxüvov dyyihav \ TvXdafta aov iqavxd^sLv,

2vv aol de xoixrj evaeßelg \ iwolag ha^ixct)

fiifjd^ evi xtav ^naQwv \ rj^i^ag vv^ iXiy^ 22 lÄtjöe naiyvia wxxog \ hinvia d^Qoeitw.

Novg de xai ad^iaxog dixa \ aoly d'ee, nQogXaXeiTCJ,

X(^ naxqi xal T(p vl(^ \ xat xi^ oy/<^ Ttvev^axi, 25 ([f Ti^ij do^a x^oTog j elg xovg altivag, ^(x^v,

1 xni om. D ^bov (aov V. 2 nyel/Ätt i{ cibus omnibus, ifiigay om, Lb. 17 ßdXkots DV,

ayuQXov (sc. nyfvfiaro^) F {Poet.): ny^vfiatog Mc. BG, ßaUig PL. Ade. Mab. 18 t^fAyijSoy

ayägxov CD, nyfv^atos xafjLia PVLMA BG. La. Ae. Aa. m. 1; P m. 2. 19 ^^'r« PL. Mab.

3 fit fJiiay: uyuQxov CD. 5 iy t(p ^*ozi VB Aacde, fiiq 6^ V ^üvxälay DAb: ijcrv/cefo« FC.

om. D ndyta xtiaßs D, xt^ajis del. Christ. BG. PVLMAacde. 20 svüfßfh FC. BG. Abd:

7 of: lic P. Mab. Aa m. 1; Ace. 8 triy aya» fvcffins D, ivaißeiag PVLMA ace. 21 fi>i6^ hi

P. Ma. Ace. Aa. m. 1. 9 ßXinei G; ßXennrai FDP, (Jiffii ri ceteri iXiy^ot B. 23 6k om.

€pmg V oXos Ab. 10 Xttifivyavcag Lb. 11 cv PLMAcde. Aa m. 1. Sf^ PLBMAce, t^ *fw

om. PLMA: habet FCD. Ab. BG. n^fty G, Ad (Aa m. 2.) 24 ry ter om. PLBMAaede.

ftxtjy P. 12 cr^cX^porj^Tf D, (id€Xg>iXfjg g>iX(as 25 ^ t. d. xQdros om. PLBMAaede f«V t- «<•

Christ. 13 ro fiiy D nokvfAogtpov D. 14 to 4' D t&y aioiytoy. 'Jf^r^y V, yvy xat nee xai fis rovr

6k PABM fif om. B igya Ab. 15 Kpd'daofiiy D. aitSyac rtSy aUiyiuy. dfiijy Ab. 16 versus delendus esse videtur; adest in codi-

Abh. d. I. CL d. k. Ak. d. Wi88. XVII. Bd. II. Abth. 53

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Beilage 11.

Der altertliümlichen Formen wegen gebe ich hier den Gesang, welchen Ktra Analecta Sacra I p. 481 ans Cod. Vatican. 771 fol. 183** gedruckt hat. Ktra be- merkt, dass nach jeder Strophe dieses Gesanges ein Vers des 118. Psahnes ge- schrieben sei. Wenn auch die Formen (vgl. oben Note zu S. 346) sich mit Ghregor von Nazianz nicht vergleichen lassen, indem die 2. Halbzeile einen festen Tonfall hat^ so herrscht doch so viel Freiheit, dass ich es nicht wagte, den Text aus metrischen Gründen zu ändern. Am Schlüsse jeder Langzeile steht in der Handschrift: '^

Kai Tt^L&exai 6 li^iog atctvQog x,at nQoaxwovvTeg xpdiXofiev zov dlqxxßrjrov

j

TovTOv, fix. y.

a ^jx^vTfig ^EßQaicjv. (DaQiadioi iraQcivofiOi'

Kord Tov oaniJQog' Tcovrjqd eßovXevoavto'

BaQaßßäv ^vi^aavto' oi q)Oveig rov 6fi6g>QOva'

Tov^ öi eveQytTrjv axav^tad^xw exQccvya^ov.

riyovag i^axaQa' kxovaiwg ftaxQod'i'ide'

tva^ i^ayoQdajjg' ix.^ t^g vLavaqag tov av&QWTtov.

^ijfiog ziüv '^Eßoaivjv* (navQUßd-r^Tw ixQavya^ov.

aov de vipuj^evTog' ol 7cea6vTeg dviavrjaap.

ß! *Ev fxiaij) dvofiiDV* tov tov^ vofAOv gwXd^avra'

^kip TCQoariXwaav' ^lovdaioi naqdvo^oi.

ZflXov dveÖT^aaro' Kaidg>ag 6 avofiog*

ßovl^^ avfißovXevodjievog* dveXeiv as dd-dvave,

^'HXoig TCQoarjkvi^r^g' dve^Uaxe Kvqu,

6* Talg adig nakd^atg' iihaoTovqyr^aag tov dvd-qtaTCOv.

Qavdzov iyevao)- d^avartiaag tov &dvaxov*

xai TQvg zed'vsohag' dg vfcvov dvaarriaag.

1 ^poff statt toy Pitra. 4 toy tov hat die Handschrift.

2 Ty P. 5 ßovXfi ist vielleicht zu tilgen.

3 «f del. Pitra; cf. Strophe P. 6 6 Pitra vgl. Str. S, nai Hdschr.

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411

/. ^lovdag ij^^ijacrro* o XfjaTtjg (ofioXoyriae,

yvfjLvov d-eaadfAevog' rov Tr^v xTiaiv xoaim^aavTa, Ktiaig idovelzo'' xat zag TtaTQag dUQQrj^e, fiij q>iqovaa ßlirteiv tov deanotrjv atavQOVfievov. ^oyxj] T1JV TcXevQav aov' ol noQavofioi ew^av. ccvtog de tag nvXag' TcoQadeiaov avi(f)^ag. Meaotarjg iq/Äigag' aweaxotaaev ijXiog. fÄtj q>€Qwv OQov 06' ^€T* dv6fAU)v avcevQOVfievov, 'd Naov öieQQayr] to* q>aidQ6v xaTaniTaa/ia.

%r(v ToXfiav iUyxov twv otovqovvtwv a«, kvqw SvXii» TiQoaTjhji&rjg ' dve^iyiane tciqu. 6 Talg aaig naXdfÄaig' TtXaoTOVQyi^aag tov avd^Qwnov. **0^og iv T^} (snoyyi^' xal xoAijv ae inoTiaav. TOV iv yjj dvvÖQqf' noTafAOvg avaßXvaavta' TlikaT(^ TvaQedwxav tov aunf^qa di ävofAOi. TOV dtdovra vofÄOV ^ij q>oveveiv tov dUaiov, i, ^Paniapia idi^cj syLOvalcog fAoxQO&vfÄe,

%va^^ i^ayoQaarjg' ix Tijg dovXeiag tov avd^Qwnov. 2TavQ(^ ae uQoarihjjaev' 6 Xaog 6 rvaqavo^og. avTog de tol xXeid-Qa' tov d^avoTOv owiTQiipag, TaqpijV xaTedi^iü' hxovaicjg fAOXQodvfie. %va k% TOV TOLipov* dcpaQndajjg tov dvd^QWTtov ^Yxpw&Big ijti ^vXov iv xqavi^) d&dvoTe' inoQxhjoag tov d^dvoTOV t<^ d-avdTqp aov KvQie, 0dßg xai dq>&aQoiav 6 OTavQog aov ißXdaTrjae. TOV ^ ^ dwfAvelv aa dd^dvoTe, 0 Xaog 6 7caQavofÄOg. iv iQJii^({^ o/ÄßQUJavTa, Tijv ^x Tdq>ov aov iyeQaiv, daiy'qTCjg öo^di^Ofiev.^^ xai cpddvd-QCJTtog xtQie' dwfjLvovvtag Ta ndi^i} aov.

q)WTi^(üv Ta edyrj' XoXrjv ae^* inoriaev' TOV avTolg to fidwa' WevdovTai ^EßQoior rpf ndvTa Ta sdyrj- 'ßg^* d-eog olxTiQfianf aüaov Tovg iv TtiaTei'

7 iSoyeho PUra, iiofjuixoi Hdschr.

8 ro ist verblichen.

9 l6ü)Xtty Pitra.

10 Tr* schrieb und ix tiljfte Pitra; vgl. Str. r.

11 tov tilgte Pitra.

12 <yf tilgte Pitra; vgl. Str. O.

18 So^a^ojiAiy, nicht SoJ^aj^ofAfSu Hdschr.

14 Vielleicht ^.

53*

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Beilage m.

Sechszeilige Bftthsel in rythmischen Hexametern.

Die folgenden Riithsel sind bis jetzt in 5 bis 8 Handschriften gefunden worden.

By codex Bemensis 611 saec. VIII, eine Sanunelhandschrift, enthält auf Bl. 92 ein Inhaltsverzeichniss, in welchem vorkommt: XVIII de olla de lucema de sale de mensa de calice de litteris (Titel von Räthsel 1. 3. 2. 5. 6. 25); auf BU. 73 78 stehen die Räthsel: 3, dessen Anfang noch fehlt, 2. 5. 6. 8. 9. 12. 13. 11. 14. 15. 17 27. 29. 30. 32. 34. 35. 36; dann fehlen Blätter; auf Bll. 79 u. 80 steht ein Stück von 56, dann 57—60. 62. 61. Die Räthsel 4. 7. 10. 16. 28. 31. 33 hat also sicher der Schreiber von B weggelassen.*) Verglichen von Hagen bei Riese, von üsener bei Brandt und von mir.

i, die Handschrift Rep. I. 4. 74 der leipziger Stadtbibliothek saec. X, eine Sammlung antiker und frühmittelalterlicher Gedichte, enthält von Bl. 15 an die Räthsel 1 62 , dann ein prosaisches Räthsel De ove und zum Schluss ein sechs- zeiliges De vino, von ähnlichem Bau, wie die unseren. Die Handschrift beschrieb M. Haupt (Ber. d. sächs. Ges. d. Wissenschaften 1850 p. 3 u. Opusc. I, 286), er- wähnte Riese Anthol. H. p. LXVII, und verglichen C. Schenkl, H. Zimmern für Brandt imd ich.*)

A^ Handschrift des Klosters Admont No. 277 saec. XII, enthält vor den Origines des Isidor auf Bll. 1 7 die Räthsel 1—28. 30. 29. 31 62; dann das prosaische

1) Die 30 Rubriken Bl. 19 ^Capüulacio triginta capUum, I qui natus fuerit vitalis erü. II mediocris erü, III morosus erü. bis XXVIIII honus et providus erü. XXX neglegentias mvAtas facü. enthalten nicht, wie Hagen meint, den Eapitelindex eines Buches Me hominis viiüs et virtutibus', sondern eine Tabelle für die 30 Monatstage zum Zwecke von Nativitätsbestimmung.

2) Vgl. über die Händschrift noch L. Müller im Rhein. Museum 25 S. 453 und Baehrens Poetae lat. minores lY p. 9. Den Werth des darin enthaltenen Fragmentes von Oyids Metamor- phosen in, 131 252 hat Gl. Hellmuth nachgewiesen in den Sitzungsberichten der Münchener Akademie Yom 5. Mai 1883.

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413

Rathsel de ove gleich L; das halbpoetische Räthsel de vino fehlt, dagegen folgt ein 2. prosaisches *£W res aUqua etc. Die Handschrift wurde verglichen von C. Schenkl und von mir.

F, Handschrift der Wiener Hofbibliothek No. 67 saec. XII, enthält fMch den Origines des Isidor auf Bll. 168 170 die Räthsel 1 28. 30. 29. 31—62; dann de ove gleich LA; de vino (L) fehlt hier wie in il; den Schluss bildet wie in A das prosaische Räthsel ^E^ res dliqua! Der Text ist abgedruckt von Fr. J. Mone in seinem Anzeiger 1839 S. 219 229; verglichen wurde die Handschrift von C. Schenkl, von C. Wessely fElr Brandt und von J. Huemer fOr mich.

t;, Handschrift der Wiener Hof bibliothek No. 2285 saec. XIV, stimmt im Inhalt durchaus mit V. Erwähnt ist sie von Mone, verglichen von Wessely für Brandt, theilweise von Huemer fElr mich.

Par., Riese Anthol. 1 p. 296 erwähnt zu Räthsel 2. 5. 6 Lesarten der pariser Handschrift 8071 saec. X. fol. 57, und

P Anthol. 2 p. LXVI zu Räthsel 25. 50. 13. 6. 1. 5. 35. (Bährens Poetae IV p. 16) Lesarten der pariser Handschrift 5596 saec. IX. fol. 165.

C No. 1825 der Bibliothek von Thomas Phillips zu Middlehill, jetzt in Chelten- haro, saec. XI enthält nach den Instructionen des Commodian, wie Prof. P. Enoell in Wien mir freundlichst mittheilt, zunächst Gedichte : Adam et Eva *Eva coliunba* (Migne Patrol. 60 p. 90, 61 p. 1075); dann In aula S. Dei genetricis Mariae *Hic veneranda rudis sacrantur culmina templi^ dann 62 lateinische Räthsel; dann Eugenii Toletani *Rex deus inmensus' (Migne 87 p. 359); ein Gedicht, das beginnt 'Altithronus sacra rutilans de sede supemus' und schliesst 'Abluas ut noxas probrosi sanguinis ostro. Von den Räthseln hat Enoell die 3 ersten abgeschrieben; es sind No. 1. 3. 2 unserer Sammlung; von den 3 letzten hat er notirt: De penna. De spongea. De speculo Nulla mihi certum est. NuUa est peregrina figura. Pulgor inest intus divini syderis inaestur. nihil ostendit nisi quod viderit ante. Dies letzte Räthsel ist von Sjmphosius (No. 69 ; divini sideris instar ebenso in der historia ApoUonii statt radianti luce corus- cans) und es ist wohl auch de penna = Symph. 85 de pema und de spongea = Symph. 63. Es scheinen also Räthsel unserer Sammlimg imd des Symphosius gemischt zu sein, wie oben in P (Par. 5596), wobei nur auffallend ist, dass die Zahl dieser ver- mischten Räthsel 62 betragen soll, genau so viel, als unsere Sammlung allein zählt. Die Stellung von Räthsel 3 vor 2 (= B) und die Lesarten in Räthsel 1 3 lassen eine Untersuchung der Handschrift wünschenswerth erscheinen.

Werth der Handschriften.

Die Handschriften BLAY gehen auf eine verlorene Handschrift zurück, welche schon durch Fehler, wie 13, 3 *dum, 34, 3 parvus in genere für parvo sim genere, entstellt war. Aus derselben stammt B einerseits, anderseits das verlorene Original von LAV.

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414

Die Bern er Handschrift (B) ist nachlässig geschrieben; das zeigen Fehler der Art: 5, 4 turpUer me modo für turpi m. m.; 22, 3 operans für oberrans; 32, 5 gravis- simum für gravis sum; dann ist der 6. Vers von R. 32 vor den 4. gestellt; besonders oft fehlen Wörter: so 11, 5 avis; 20, 3 semd; 26, 3 sublimi; 34, 5 utero; 35, 6 signa; 32, 4 hanc ego genero; 15, 6 der ganze Vers.

In dem verlorenen Original von LÄV stand nach R. 62 das prosaische Räthsel De ove ^Unum nomen nuncupatur (bei Mone gedruckt); der Text war schon vielfach entstellt; so hatte dasselbe 12, 4 simtUttim für sepuUum B; 12, 5 tumor (L) oder ümor (AV) für tmMÜor B; 19, 3 vale (LA) oder vaMe (V) für gladio B; 21, 6 dim- tiarum für dulce B; 34, 5 u. 6 doctorem und parturientem für dolorem und parturiefUi BJ 35, 5 donentur für figantur B; 60, 3 mirantihus für mirandas B; Wörter fehlten z. B. 20, 5. 41, 5. 43, 6; schwanken kann man 3, 5 zwischen ntdlus (nuUum) me cofUinget von B und nolo me contingat von LAV.

Aus dieser verlorenen Handschrift stammen einerseits die Leipziger, ander- seits das Original von AV. L ist zwar an manchen Stellen schlechter als das Original von AV; z. B. ist verschrieben 2 Titel lucerna für scde; 24, 3 falsa für tensa BAV;

29, 1 praelucem für praelucens BAV; 29, 6 diverso für de vero BAV; weggelassen ist

30, 5 volo (BAV) und 14, 5 der ganze Vers (BAV)\ durch Verschrei bung oder grobe Interpolation sind Worte zugesetzt in 60, 2; das nach dem prosaischen Räthsel De ove zugesetzte Räthsel De vino ^Pulchrior me ntdlus\ welches nur in L steht, ist zwar kaum echt, zeigt aber im Bau doch noch einiges Bewusstsein vom Bau der echten Räthsel.

Das verlorene Original von -4F, in welchem die Räthselsammlung in der Nähe der Origines des Isidor geschrieben war, hatte nach dem ersten prosaischen Räthsel ein zweites prosaisches ^Est res aliqm; dann war das 29. Räthsel nach dem SO. ge- setzt- Der Wortlaut selbst war in dieser Handschrift schon mehrfach verdorben. So 12, 2 ähor (A) oder et teror (V) für ä tormenta BL; 17, 2 extra (AV) für exta L; 26, 4 magnari me ptttant (A) oder magnae reputant me (V) für ignari me putant BL; 62, 3 paretur (A) oder queat {V) für conetur BL. 8, 1 war zu 7, 6 gezogen und der Titel von 8 vor 8, 2 gestellt; 25, 2 war nos, 46, 3 die Worte versa mihi pedum viee (L) weggelassen.

Die Admonter Handschrift ist durch mancherlei Nachlässigkeiten entstellt; so 12 tit. urhano statt grano BLV; 36, 3 atU vemi statt atUumni BLV; 18, 1 fehlt maneo (BLV); 41, 5 ist efficior zugesetzt. Allein von dem sonst ihr nahestehenden Originale von Vv, das jetzt verloren ist, trennt sie vor allem ein Merkmal. In dieser Handschrift waren, wahrscheinlich um quantitirende Hexameter (vgl. 38, 6. 40, 6. 41, 5. 62, 5) herzustellen, die Wörter ausserordentlich oft umgestellt. Auch sonst finden sich in Vv die Spuren eines kecken und nicht ungeschickten ümarbeiters ; so hat er z. B. 12, 6 die Lücke von LA richtig erkannt und mit fruäu ausgefüllt; ebenso kann ich die mit B stimmenden Lesarten 35, 1 u. 2 commendat und honesta nur auf Gonjektur dieses Ümarbeiters zurückführen, da die Lesart commendet und

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415

anusta in L und Ä beweist, dass schon die gemeinsame Vorlage von LÄV diese Les- arten gehabt hat; ebenso steht es mit aduror 19, 4 (BV) gegen adustor (LA). Von den sonstigen Fehlern notire ich nur den ausgefallenen Vers 53, 6.

Die beiden Wiener Handschriften stehen sich au&serordentlich nahe; die Haupt- unterschiede haben die Hände der Correctoren geschafiFen; so hat 10, 6 F valdiü, V auf Rasur vcUet; 13, 1 ist tma in V und v zu um gebessert; 50, 1 u. 3 u. o8, 5 hat in V der Corrector das Richtige an den Rand geschrieben. Sonst halten sie sich die Wage: hat v z. B. die schlechteren Lesarten in 1, 5 sum statt possum; 6, 2 nuroM statt miros; 7, 1 sequar statt sequor; 11, 1 vivo portans statt vivens porto, so Imt dafür an andern Stellen V die schlechteren z. B. 14, 2 annis superhos peractis statt ammquc peractis superhos; ist z. B. 39, 5 propriis erecta in v umgestellt zu ereda proprik, so ist es in V noch verschlechtert zu surreda propriis. Eine glückliche Conjektur machte der Schreiber von v in 16, 3 constringo statt confringo.

Schon hieraus erhellt, dass eine Anzahl von Handschriften verloren oder ver- schollen ist: die gemeinsame Vorlage von B. LÄV, dann die von LÄV, die vou AV und die von Vv, Hat man überhaupt die Gedichte des frühen Mittelalters biß jetzt wenig beachtet, so konnten besonders solche anonymen Stücke leicht übersehen werden. Desshalb ist zu erwarten, dass noch ein und die andere Handschrift auftaucht und die Verbesserung des Textes ermöglicht. Das ist zu wünschen, da besonJers die Räthsel, welche nur in den Handschriften XJ. F überliefert sind, noch viele schwierige Stellen bieten. Ich habe die Lesarten der Jfferner, leipziger und -Ädmonter Hand- schrift vollständig mitgetheilt; da, wo die Bemer Handschrift fehlt, habe ich die Lesarteil der Wiener Handschriften (7 und v) vollständig, sonst nur in Auswahl notirt; dagegen habe ich die Umstellungen der Wörter, welche in V und v von Anfang bis Ende äusserst zahlreich sich finden, fast nirgends angegeben, da dieselben nur mUssige Erfindungen dessen sind, der das Original von V und v geschrieben hat. Wer die sämmtlichen Varianten von Fund v kennen will, kann sie in Brandt's Ausgabe finden.

Sprachgebrauch. Ort und Zeit des Dichters.

Ausser Eigenthümlichkeiten, welche bei lateinischen Schriftstellern der .spüteisten Zeit des Alterthums mehr oder minder häufig begegnen, wie z. B. patria ^ terra, finden sich in diesen Räthseln entschiedene Barbarismen. Einige seien liier hervor- gehoben.

Von den Substantiven ist zu bemerken R. 16 cedria = italienisch cedro; 28 dt sirico = Seidenraupe; 31 nimpha = Röhrenbrunnen mit Drücker; 5, 6 per amjula; 19, 6 plurem lucrum (?); 34, 1 cmgusto alvo; 36, 2 stfb tellure. Ausser der sonnst nicht seltenen Comparativbildung 49, 2 maior a patre und 9, 1 senior ah aevo findet sich 26, 1 muUo sum parvtdo parvus und 57, 3 nuUa mihi vehx avis inventa volatu. Nullu^ hat den Genitiv nuUi in 22, 2 opes ego nulli guaero, sed confero cundis und 53, 3 äfmm nuUi guaero; den Dativ nüUae in 5, 5. Nee ullus = nullus steht 2, 6. 42, L 43, 4.

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nee umquam = nnmquam 35, 3. Von den Yerba scheint gebraucht 12, 2 tris- tent ^ tristentur; 42, 1 me durescere vcM transitiy; ebenso 44, 5 vilescii In 42, 6 torpescere pulckros und 61, 5 pulchriar torpentem vuUu non despidt scheinen die Stämme torp und turp yerwechselt zu sein. Von den ConiuncHanen ist dum fast überall für ctim gesetzt; 29, 5 schein licet mit Indikativ verbunden zu sein. Post- quam hat die Bedeutung von postea und steht sogar am Ende des Satzes, so 32, 4 quae me concepü, hanc ego genero postquam; ygl. 24, 5. 52, 5. Et steht oft für sed. Sed und nam stehen willkürlich im Anfang der Wörterreihe oder spater, n am hat meistens gar keine Bedeutung wie 9, 5. 14, 5. 16, 3. 23, 2. 39, 2. 40, 6. 51, 4. wie atdem steht es in 19, 4 c(iesa vivü maier, ego nam flammis aduror, ähnlich 17, 5. 5, 3; unklar ist 22, 6 und 24, 1. Nee ist weggelassen in 55, 5 amrna nee cato nee cetera membra, ebenso in 41, 6 und in 59, 5 imber, nix, pruina, gl(Kies nee fulgora nocent. Von den Präpositionen ist In weggelassen in 18, 1 u. 2 maneo süvis tmd habUo campis. Infra steht wo man intra erwartet; so in 53, 1 venter mihi nuOus, infra praecordia nuUa; ebenso 8, 4. 19, 1. 36, 5. 52, 3. Sub findet sich neben der gewöhnliehen örtlichen Bedeutung in den Verbindungen nuUo sub pondere 7, 4 u. 24,6; pondere sub magno 60, 4; muUo sub numero 54, 1; nomine sub uno 54, 2; nuüa sub arte 61, 3. De steht besonders bei den Ausdrücken des Erzeugers (3, 1. 19, 2. 23, 2. 38,1. 50,1. 51,1. 52,1), dann ähnUch ßr (15, 3; 4. 16,4. 20,1. 24,2. 33,5. 43, 2; 3. 47, 3); endlich in den Verbindungen 15, 5 <2e meis fructibus edit; 44, 4 vaem de luce referta; 56, 6 tedos de peph.

Diese Dinge sind zum Theil der Art, dass in den Zeiten, wo die lateinische Sprache noch einigermassen lebendig war, kein Dichter sich dieselben gestatten konnte. Sie verweisen also die Entstehimg der Räthsel in das 7. oder 8. Jahrhundert. Die von Brandt S. 106 109 angeführten Aehnliehkeiten mit den Räthseln des Symposius, Anselm und Tatwin geben kein Lieht für die Zeit unseres Dichters, da nicht klar ist wer Vorbild, wer Nachahmer war. In die Zeit nach Justinian weist die genauere Eenntniss von den Seidenraupen in Räthsel 28 und 43.

Wenn ich also in der Abhandlung über die lateinischen Rythmen S. 192 die rythmischen Hexameter in die Lombardei um 700 versetzt habe, so stimmt damit zimäehst die Sprache dieser Räthsel, dann aber auch der InhaU, Denn mit Ausnahme der fruchttragenden Palme in R. 15, welche nach Afrika (locis desertis) zeigt, passen einerseits die Erwähnung von Schnee und Eis (R. 38. 42. 59), anderseits die genauere Schilderung von Pflanzen und Früchten, wie Reben und Wein (R. 13. 50), Oliven R. 14, der grossen Qtronen (cedri) R, 16, Senf R. 26, Papyrus R. 27, Crocus R. 36, süssen Kastanien R. 47 , sowie der Seidenraupen R. 28 und 43 , durchaus auf das Land zwischen den Alpen und der Küste von Genua.

Ueber den Versbau siehe oben S. 278—282.

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417

Die Ausgaben.

Zuerst druckte Mone in seinem Anzeiger für Kunde der teutschen Vorzeit VIII, 1839, S. 219—229 den Text der wiener Handschrift (V) ab; dann notirte M. Haupt 1850 das Vorkommen der Räthsel in der Leipziger Handschrift (L); 1869 gab Riese in der Anthologia lat. I p. 296 (praef. p. XL VI) den Text der Bemer Handschrift nach der genauen Abschrift H. Hagen's und im 2. Band (1870) p. LXVI Nach- träge nach Mones Abdruck. 1880 veröffentlichte K. Sehen kl im 2. Bande der Wiener Studien ausgewählte Lesarten der Leipziger, Admonter und Wiener Hand- schriften. 1883 endlich gab P. Brandt im Tirocinium philologum sodaUum .r. seminarii Bonnensis p. 101 133 die Räthsel selbst nach der Berner, Leipziger und den beiden Wiener Handschriften heraus. Obwohl er die Ausgabe mit Besonnen- heit gemacht und vielfach dasselbe gefunden hatte wie ich, hielt ich doch die Ver- öffentlichung meiner Arbeit für nützlich. Die Bemer, Leipziger und Admonter Hand- schriften habe ich, Dank der Güte der Bibliotheksvorstände, selbst vergleichen können ; der Güte des Herrn Dr. Joh. Huemer verdanke ich die Vergleichung der Wiener Handschrift No. 67 (7) und eines Theils von No. 2285 (v). Wie oben bemerkt, gebe ich sämmtliche Lesarten von BLA; die Lesarten von V sind fast stets gleich denen von v; ich habe sie, da wo B erhalten ist, nur in Auswahl, sonst vollständig notirt, doch fast niemals die äusserst zahlreichen Wortumstellungen.

De olla Ego nata duos | patres habere dinoscor;

prior semper manet, | alter qui morte finitur. Tertia me mater | duram moUescere cogit, et tenera gyro | formam adsumo decoram. NuUum dare victum | frigenti corpore possum, calida sed cunctis | salubres porrigo pastus. 2 De sale Me pater ignitus, | ut nascar, creat urendo et pia defectu | me mater donat ubique. Is, qui dura solvit, | hie me constringere cogit. nuUus me solutum, | ligatum cuncti requiruut. Opem fero vivis | opemque reddo defunctis; patria me sine | mundi nee ulla valebit.

QÜESTIONES ENIGMATÜM RETHORICAE ARTIS L Incipiunt queationes enigmatum rethoricae artis claro ordine dictatae AVv, (sed artis reth. Vv, dictante Ä) Enigmata in dei nomine Tullü 0. 1 LAfFjP 2 prior qui s. m. a. qui mortem f. P alterque V (Brandt) morte: uita C 3 duram Endlicher (in catcUogo codd. Vind.J: duinim C dura LÄPV coget C 4 giro ÄPC formam ex formata corr, L adsummo 0, assumo A V formata summo figura P; cf, 3, 2. 5 nulli P ingente P 6 calidas et A, calidos et iunctis V sed om. P porrego PC pastos PC. 2 BLA Par. Aenigma 2 post 3 ponit BC (Brandt) tit. De lucerna i 1 Me mater LC ingenitum L 2 Epia C defectum C mater me A mi Par, C 3 His Par, duram Par. soluet A durat

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 54

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3 De lucerna He mater novellam { vetus de germine finxit

et in nullo patris | formata sumo figuram. Oculi non mihi | lumen ostendere possunt, patulo sed flammas | ore produco coruscas. Nolo me contingat | imber nee flamina venti, dum amica lucis | domi deleetor in umbris.

4 De scamno MoUibus horresco | semper consistere locis;

ungula nam mihi | firma, si caute ponatur. NuUum iter agens | seasorem dorso requiro, plures fero libens, | meo dum stabulo versor. Nolo frena mihi { mansueto iuveni pendas, ' caleibus et senem | nolo ne verberes ullis.

5 De mensa Pulchra mater ego, | natos dum coUigo multos.

cunctis libens trado, | quidquid in pectore gesto. Oscula nam mihi | prius qui cara dedemnt, vestibus exutam | turpi me modo relinquunt. NuUae sicut mihi j pro bonis mala redduntur; quos lactavi, nudam | pede per angula versant.

6 De calice Nullius ut meam | lux solam penetrat umbram

et natura vili | miros postpono lapillos. Ignem fero nascens, | natus ab igne f atigor; nuUa me putredo | tangit nee funera turbant. Pristina defunctus | sospes in forma resurgo et amica libens ] oscula porrigo cunctis.

solue G constringire B coget Par, C 4 Noli C solutum ligatum (äe nomine masculini et neutrius generis genus masctUinum, feminini gentis femininum in aenigmate adhibetur): solutum legatum Par,, solutam ligatam (leg. B) BLÄVC (Brandt) cunctique A 6 sine me patna AV fine Par. mundus L. 3 (B)LA(V) Aen. 3 ante 2 habet BC (Brandt) 2 formam L; cf, 1, 4 3 michi A hie et ubique mei C . . dire posaunt codex B incipit possum C 4 patolos et Ä, patulaa et F 5 nolo et contingat LAVC (cf. 4, 5): nulluni et continget 5, nullus et contingit Riese hymber C flamma L, flamine AV 6 Sum Biese delegor Hagen; cf, 30, 4 umbria V (umbra Brandt), umbras BLAC. 4 LA(V) 1 mollibus Meyer (Brandt): mollior LAV; cf. 15, 1. 61, 1. 2 nam om. AV ponitur L 5 mansuetudo A (v) 6 senem A, semen i, senum V yet- beres Meyer : uerberer LA V (senex . . verberer Gercke). 6 BLA Par. P 1 natus A coUego B Par. Ego mat. ornata d. collego multus P 2 Cuctis B lib. tr. qu. PV: tr. q. 1. B Par. LA 3 Oscola B 3 6 Oscula nam quae cara expoliata uestibus quos ego lactaui nuda me pede per angula uersant P 4 turpi (LAV): turpiter B 5 nuUae B Par,, nulli LAV redd. m. p. b.? reddunt AV 6 nuda me p. P, L m. 1; nudam pede me V angula LVP: ungula A, angulos B Par. 6 BLAP Par. De vitro P 1 nulUus Riese: nullus BLAVP Par. uti V Nulli sicut Hagen meam : mea P, mequam L sola A V Par., om. L. umbraignem P 2 post 3 P natural! uili miri Par. bile.P miror B labellus P 3 ferro P faticor Par. 4 putride B tegit L 5 pristinam defunctis Par., prestinam P suspis B, suspes P formam P 6 oscola BP porrego BP Par. 7 LA(V) aenigma equidem nondum intellcri 1 uisica A, L m. 1 2 uerbere A V

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7 Pe vesica Teneo liquentein, | sequor membrana celatum; verbero nam cursu, | visu quem cemere vetor. Impletur invisis | domus sed yacua rebus permanet, dum vicem | nullum sub pondere gessi. Quae dum clausa fertur, | velox ad nubila surgit, patefacta nullum | potest teuere liquentem. 8 De ovo Nnti mater ego, | natus ab utero mecum.

prior illo non sum, | semper qui mihi coaevus. Yirgo nisi manens, numquam concipere possum, sed intaeta meam | infra concipio prolem. Post si mihi venter | disruptus ietu patescit, moriens viventem | sie possum fundere foetum. 9 De mola Senior ab aevo | Eva sum senior ego,

et seneetam gravem | nemo currendo revincit. Vitam dabo cunctis, | vitam si tulero raultis. milia prostemo, | manu dum verbero nullum. Satura nam victum, | ignem ieiuna produco et uno vagantes | possum conprendere loco.

10 De scala Singula si vivens | firmis constitero plantis,

viam me roganti { directam ire n^abo. Gemina se soror | raeo si lateri iungat, coeptum valet iter | velox percurrere quisquis. Caput pede mihi | nisi calcaverit ille, raanibus quae cupit, | numquam contingere valet.

11 De nave Mortua maiorem | vivens quam porto laborem.

dum iaceo, multos | servo, si stetero, paucos. Viscera si mihi | foris detracta patescant, vitam fero cunctis | victumque confero multis. Bestia defunctam | avisque nulla me mordet et onusta currens | viam nee planta depingo.

8 sed: si? Brandt 4 uicem L, cibum ÄV nuUo Brandt sub: de V. 8 BLÄ(VJ v. 1 priori aenigmati adiunxit et tit. ante v. 2 posuit Ä V (tion BLJ 2 prius B que L m 2 coauus A V 3 concipire B 4 intactam A intra Hagen 5 patiscit B 6 fundire fetuni B 9 BLA tit. om. A (habet V) 1 aeuasura L, euasym A (euasi V); HevaV 2 senecta AV 3 multos, i aupra o scripta A 5 uictu L 6 uacantes BAV, cauantes L conprehendere LAV, conpraehendire B loco Biese: locum BLAV, 10 LA(V) tit. om. A (habet V) significantur scälae, non quae muro arbori etc, apponuntur, sed duplices, quae sibi ipsae opponuntur 1 Singula AV: singulis L 3 86 Meyer Brandt: sed LAV lateii Meyer (Brandt): latere LAV, latera Schenkt 5 Caput pede mihi Meyer: subito pedem mihi LAV, subito pede me Brandt (me pede poscit rythmus) 6 qui A capit Schenkt corrigere A V. 11 BLA inter 13 et 14 })ositum est, in B 3 viscera = merces patiscant B 4 c/*. 9/ 3 5 bestea B defuncta B, decunctis L m. 1 auis om, B quae B fnordebit F, memordit BL, momordit A. 12 BLA tit. De urbano A (grano 7) 2 et

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12 De grano Mortem ego pater | libens adsumo pro hatis

et tormenta simul, | cara ne pignora tristem.

Mortuum me cuncti | gaudent habere parentes,

et sepultum nullus | parvo vel funere plangit.

ViK subt-erreua | pusillus tumulor urua,

sed maiore possum | post mortem surgere forma. 13 De vite Uno fixa loco | longinquis porrigo victum.

Caput mihi ferrum | secat et brachia truncat.

Lacrimis infecta | plura per vincula neetor,

simili damnandos | nece dum genero natos.

Sed defuncti solent | ulciaci liberi matrem,

sauguine dum fuso | lapsis vestigia versant. 14 De oliva NuUam ante tempus { trilustri genero prolem

annisque peractis | superbos genero natos.

Quos domare quisquis | valet industria parvus,

cum eos marinus | iunctos percusserit imber.

Asperi nam lenes | sie creant filii nepotes,

tenebriä ut lucem | reddant. dolori salutem. 15 De palma Pulchra semper comis | locis consisto desertis,

ceteris dum mihi { cum lignis nulla figura.

Duicia petenti | de corde poma produco

nuUumque de ramis | cultori confero fructum.

Nemo qui me serit, | de meis fructibus edit,

et amata cunctis | flore sum socia iustis. IG De cedria Me raater ut vivam, | spinis enutrit iniquis,

faciat ut dulcem, { inter acumina seryat.

Tereti nam forma | camem constringo rubentem

et incisa nuUam { dono de corpore guttam.

tormenta: et hör Ä^ et teror V nee L tristem Hagen: tristent BÄV^ tristant L 3 -ps^rentem AV 4 flimultum LA V nuUis A 5 tumolor B, tumor L, timor A V urita A 6 maiori LA V sur- gire B forma om. LA, fruetu V. 13 BLAP uinia P 1 Una f. locum longinquos porref?:o uictos P Una Vm. 1. porrego B. 2 ferum seccat P 8 infectam A plorat P oincla B

4 simeli damnanda B, simile damnandus P, aimili donandos A nee L natos P 5 sed: giqae P 6 sanguinem dum furum P lapis L uersaret L, 14 BLA 1 nullam BV: nulla LA tri- lustri vel trilustre Meyer, lustri B, inlustrem L, illustrem AV 2 amnisque L 3 donare B quis LAf quiuis V panrus Hagen: paruos BLAV 4 iunctos Brandt: iunetus LAV, iunctis B

5 a^perrimam lenes B lenis AV filio (o erasa) B in L deest 5 versus, cuius loco leguntnr verba Tenebris ut lucem reddant Herum in sequenti versu scripta, 6 dolori Riese: doloris BLV, odoris A. 16 BLA 2 ceteris «. h m, 1. B 3 patenti L 4 cultore B, nullo et cultore Riese 5 de meis BV, meis de L, de am. A aedit L 6 versum om, B amita A, 16 LA(V) cedri nee pix nee fructus lälus significari potest; significari mihi videlur pomum citri (citriaej, qw>d Itali cedro vocafU; cf. Bapt. Ferrarius, HesperideSy 1646, tob. 59 63, 73, l versum priori aemg-

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Mellea cum mihi | sit sine sanguine caro, acidum eructant | exta reclusa saporem.

17 De cribro Patulo sum semper | ore nee labia iungo.

incitor ad cursum | frequenti verbere tactus. Exta mihi nulla; | manu si forte ponantur, quassa mitto currens, | minuto yulnere rupta. Meliora eunetis, | mihi nam vilia servans; vacuumque bonis | inanem cuneti relinquunt.

18 De seopa Florigeras fero | comas, dum raaneo silvis,

et honesto vivo | modo, dum habito campis. Turpius me nulla | domi vernacula servit, et redacta vili | solo depono capillos. Cuneti per horrenda | me terrae pulvere iaetant, sed amoena domus { sine me nulla videtur. 19 De piee Dissimilem sibi | me mater coneipit infra. et nuUo virili | creta de semine fundor. Dum nascor sponte, | gladio divellor a ventre; caesa vivit mater, { ego nam flammis aduror. NuUum elara manens | possum concedere quaestum, plurem fero lucrum, | nigro si corpore mutor. 20 De melle Lucida de domo | lapsus diffundor ubique, et quali dimissus | modo, non invenit uUus. Bisque natus inde | semel in utero cretus, qualis in conceptu, | talis in partu renascor. Milia me quaerunt, i ales sed invenit una aureamque mihi | domum depingit ab ore. 21 De apibus Masculus qui non sum, | sed neque femina, coniux filios ignoto ] patri parturio multos.

mati adiunxit A (non V) enutrit F, nutrit LA 3 teretinam LAV forma Brandt: formam LAV camem Meyer: ceratam LAV, ceram Brandt constringo v: confringo LAV 4 incisam A 6 acidum et reclusa Meyer: acetum et clausa LAV extra AV; exta sed Brandt. 17 BLA 2 ad: in LA cursu L tactus: ictus L 3 extat B, extra A nullam A manus Bücheier

4 quassa mitto Meyer: quas (quos V) amitto BLAV rupta Meyer: ruptus BLV^ ructus A

5 servo? 6 inane B, 18 BLA scupa B 1 gero B maneo om. A (non V) 2 honesto: habito A 3 seruis X 4 et om, B uile B 5 horrendam A in corr. terra B per horrendam me terram Hagen puluire B, pulvera? 6 amenta A 19 BLA concepit BL intra Hagen 2 uirile B creata B 3 Quae dum? nascor om, A (non V) gladio: uale LA (ualde V) Dum nascor gladio sponte (contra rythmum) Brandt a matre Hagen 4 aduror B V, adustor LA 5 concedire B, concere L 6 plurimum f. lugrum B; lucrum; Plurem f. quaestum? cf, 24, 1, 2 nigrum LA muto L. 20 BLA 1 lapsu V 3 idem V (ed, MoneJ; rede? semel in om. B 4 concoeptu X, concepto B parto B 5 alis LA, alis s, l, m. 1. B sed om. LAV 21 BLA 1 mascolus B qui Hangen (q: B), que AV, quoque L 2 lillos L patre B 3 tantum BLAV

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Uberibus prolem | nullis enutrio tantam; quos ab ore cretos | nulla de venere sumpsi. Nomen quibus unum | uatisque conpar imago, meos inter cibos | dulci conplector amore. 22 De ove Exigua mihi | virtns, sed magna facultas; opes ego nulli | quaero, sed confero cunctis. Modicos oberrans | cibos egena requiro et ieiuna saepe | cogor exsolvere censum. Nullus sine raeo | mortalis corpore constat pauperaque multum { ipsos nam munero reges. 23 De igne Durus mihi pater, | dura me generat mater; verbere nam multo 1 huius de viscere fundor. Modica prolatus | feror a ventre figura, sed adulto mihi | datur inmensa potestas. Durum ego patrem | duramque mollio matrem, et quae vitam cunctis, | haec mihi fünera praestat. 24 De membrana Lucrum viva manens | toti nam confero mundo

et defuncta mirum , praesto de corpore quaestum. Vestibus exuta | multoque vinculo t^nsa, gladio sie mihi | desecta viscera pendent. Manibus me postquam | reges et visu mirantur, miliaque porto j nullo sub pondere multa. 25 De Utteris Nascimur albenti | loco sed nigrae sorores; tres unito simul \ nos creant ictu parentes. Multimoda nobls { facies et nomina multa meritumque dispar | vox et diversa sonandi. Numquam sine nostra | nos domo detinet ullus, nee una responsum | dat sine pari roganti. 26 De sinapi Me si visu quaeras, | multo sum parvulo parvus, sed nemo maiorum | mentis astutia vincit.

4 cretu8 LAV nullo de uentre (o ex am? carr. B) BLAV\ sumsi B-, n. d. viscere s. Brandt. n. d. ventre resumsi Büch^hr, nulla de venere s. Hagen, 6 me LA V dulce -B, diuitiarum LA V. 22 BLA 2 nullius AV 3 operans contra rythmum B aegena BL 4 sepem A exsoluire B 6 ante 3 posuit Riese pauperaque F, paupera quem B, pauper atque L (Brandt) , pauperamque A, pauper ego Hagen. 23 BLA tit. ante 22, 6 in A (non in V) 1 igni Jj Durum LA (hon V) germinat X. 2 uerbera B uiscire B, uiscera L 3 figuras L 4 mensa A facultas F. 24 BLA 1 lugrum B viva Biese: uita LV rede = in vitaV cf. 18, 1, uitam BA manes L toto L. tota AV 3 tensa: falsa L 4 defecta A pandent A 5 vers. ante 1 posuit Biese uiso B, uisum A. 25 BLAP tit. }X)st 25, 1 ponit A 1 albenti loco Meyer, Brandt: albentibus locis BLAlP sororis P 2 uniti F, uno A nos om. AV icto B 3 cf 4 om. P multa moda A

5 detenet B 6 pari: p P. 26 BLA tit, om. L 1 paruolo paruus B; cf. 57, 3 2 astucia B 3 sublimi om. B umero B, humore A 4 magnari me A; magnae reputant me F 6 corde

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28 De sirico

Cum feror sublimi | parentis humero vectus, simplicem ignari | me putant esse natura. Verbere correptus | saepe si giro fatigor, protinus occultum | produco cordis saporem. 27 De papiro Amnibus delector | molli sub cespite cretus et producta levi | natus columna viresco. Vestibus sub meis | non queo cernere solem, alieno tactus | possum producerev lumen. Filius profundi { dum fio lucis amicus, sie quae vitam dedit | mater et lumiua tollit. Arbor una mihi | vilem quae conferet escam, qua repleta parva | yellera magna produco. Exiguos conlapsa | foetos pro munere fundo et ales effecta | mortem adsumo libenter. Nobili perfectam | forma me Caesares ulnis I infra supraque mirantur. praelucens texerit umbra, devota porrigo vultus. I vivos non genero natos, diffimdo visu figuras. Exiguos licet | mentita profero foetos, sed de vero suas | yidenti dirigo formas. Nullo firmo loco | manens consistere possum et vagando vivens | nolo conspicere quemquam. Vita mihi mors est, ) mortem pro vita requiro et volanti domo | semper amica delector. Numquam ego lecto | volo iacere tepenti, sed vitale mihi | torum sub frigora condo.

29 De speculo

eflferunt et reges Uterum si mihi proprios volenti Talis ego mater | sed petenti vanas

30 De piscibus

Brandt, 27 BLÄ 1 omnibus Ä cispite B 2 leue B airdisco B 3 non queo X, non quero ÄV, nequeo B cemire B 4 tactus Schenkl: tectus J5, testis LAV; aliena tectus Biese pro- ducire B 5 filios B profundo Hagen fior B (Brandt), figor AV, fio, litera post o erasa, L 6 que AV, qui BL, 28 LA(V) serico AV; hoc nomine gen, fem. non polest non significari bombyx. 1 qui L conterat V (Brandt) 2 parva Meyer, paruua i, paruis A V (Brandt) uellere A produco uellera magna F, rede? 3 exiguus LAV 4 et talis V 5 perfectam Meyer (Brandt), perfectus LAV formam AV 6 effertur A infera L. 29 BLA Aen. 29 post 30 pofiunt AV (non BL) 1 Utur si L praelucem L umbram AV 2 uolente B porrego B 3 Tales LV (Brandt) 5 Exiguus LA (non V) mentia L faetos B 6 Sed diuerso L. 30 BLA praecedit aen, 28, sequitur 29 in AV pisce L (Brandt) 1 firmo LAV, firmusV, firma B (Brandt) con- siitire B 2 uacando LAV nolo Brandt (Meyer): nollo B, nullum LAV conspicire B quae- que AV 3 est et BLA V, et del. Riese 4 uoluenti LA V (Brandt) 5 volo oni. L, uolo lecto A 6 sed om, L uictale, c deleta B ; vitalem Hagen thorum A V frigora LA^ figura B, frigore V. 31 LA(V) De nimfa i, Desiphone? Brandt; nomine 'nirapha siphonem sigmßcari puto 2 ebriura

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31 De nympha Ore mihi nuUa | petenti pocula dantur,

ebrius nee nuUum | reddo post inde fluorem. Versa mihi datur | vice bibendi facultas et vacuo yentri | potus ab ima defertur. PoUice depresso | conceptas denego limphas et sublato rursum | diffusos confero nimbos. 32 De spongia Dissimilem sibi | dat mihi mater figuram;

caro nuUa mihi, | sed f viscera vacua latebris. Sumere nil possum, ] si non absorbuero matrem, et quae me concepit, | hanc ego genero postquam. Manu capta levis, { gravis sum manu dimis^, et quem sumpsi libens, | mox cogor reddere sumptum. 33 De viola Parvula dum nascor, | minor eflfecta senesco et cunctas praecedo I maiori veste sorores. Extremos ad brumae | me prima confero menses et amoena cunctis j verni iam tempora moustro. Me reddet inlustrem | parvo de corpore sumptus et viara quaerendi | docet, qui nulli videtur.

34 De rosa Pulchram in angusto | me mater concipit alvo

et hirsuta barbis | quinque conplectitur ulnis. Quae licet parentum | parvo sim genere sumpta, honor quoque mihi | concessus fertur ubique. Utero cum nascor, | matri rependo decorem et parturienti | nullum inäigo dolorem.

35 De lilio Nos pater occultus j conmendat patulae matri

et mater honesta | confixos porrigit hasta. Vivere nee umquam ; valemus tempore longo et leviter tactos { incurvat aegra senectus. Oscula si nobis | causa figantur amoris, reddimus candentes | signa flaventia labris.

nee ullam . . fluore Schenkt 4 imo V 5 pollice X, police J., poblice V 6 diffaso Ä V njmbos Ä 32 BLA spunfpa B 1 pater LAV 2 sed membra vacua? vaga Hagen, yasta Biese, cava Schenkl; sed deL? Brandt; conferunt Symphosii 68, 2 Viscera tota tument patulis diffusa cayemis 3 sumire B nihil BLA mater L 4 hanc ego genero om, B 5 gravissimum B demissa BA V 6 quem Meyer, quae BLAV sumsi B reddire sumptum B. 33 LA{V). 3 Ad extremos? prima Meyer: primo LAV mensis LA, mense V 4 uinctis L 5 reddit V 6 qui (sumptus?): qua Schenkl, quae (via)? 34 BLA 1 pulchram Meyer Brandt: pulchra BLAV concepit B conc. mater A 2 irsuta A 3 parvo sim Hagen, parvus in BLA V sumta B 4 fertor B 5 utero om, B dum A V doctorem LAV 6 parturientem LA V nullo B. 36 BLAP de liliis Brandt 1 commendet LA {non V) patola matre P 2 onusta LA (non V) confixos Meyer Brandt: con- fixus LAFV, coniux B porregit BP 3 uiuire B tempora longa P 4 in B vers, 6 ante 4 positus est, leviter et ? tactus B 5 oscola B causa figantur B : causa donentur A V, donentur

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36 De croco Parvulus aestdvas | latens abscondor in iimbras et sepulto mihi | membra sub tellure vivunt. Frigidas autumni | libens adsuesco pruinas et bruma propinqua | miros sie profero flores. Pulchra mihi domus | manet, sed pulchrior infra modieus in forma | clausus aromata vineo.

37 De pipere Pereger externas | vinetus perambulo terras

frigidus et tactu | praesto sumenti calorem. NuUa mihi virtus, | sospes si mansero seraper; vegeo nam caesus, | confraetus valeo multura. Mordeo mordentem, | morsu nee vulnero dentum. lapis mihi finis, | simul defectio lignum.

38 De glacie Corpore formata | pleno de parvulo patre,

nee a matre feror, | nisi feratur et ipsa. Nasci vetor ego | nisi *genito patre et creata rursus | ego concipio matrem. Hieme conceptos | pendens *servo parentes et aestivo rursus | ignibus trado coquendos. 39 De hedera Arbor mihi pater, | nam et lapidea mater;

corpore nam moUis | duros disrumpo parentes. Aestas me nee ulla, | nee ulla frigora yincunt. bruma color unus | vernoque simul et aestu. Propriis erecta | vetor consistere plantis, manibus sed alta | peto cacumina tortis. 40 De muscipula Vinculis extensa | multos conprendo vagantes et soluta nuUum { queo conprendere pastum. Venter mihi nuUus, | quo possint capta reponi, sed multa pro membris | formantur ora tenendi. Opes mihi non sunt, | sursum sed pendor ad auras. nam fortuna mihi I manet, si tensa dimittor.

causa L amori AV Osculum in nobis feruntur causas amores P 6 reddemus P, sed red- dimus AV signa om. B in labris P 38 BLA 1 pafvolus B 2 sepultum LAV tellore B tollere L 3 autumni : aut uemi A (non V) pruinas : brumas B 4 brumae codd, ; propinquam A V ; bruma aut propinquus Meyer ; ahlat, seil, aetate Brandt 5 intra Hagen 6 modieus LA V, modioos B ; modica sub f. ? clausos B, clausis AV. 37 LA(V) 2 frigidis A 3 sospes om. V 4 vigeo V 5 uulnere A dentum Schehkl: dentem LAV; cf. Symposium de cepa (44) Nemo timet morsura, dentes quia non habet ullos. 6 Lapsis L. 38 LA(V) formatam AV plena L {Brandt) S congenitoV, post gen. Brandt 4 creata Riese^ creatam LAV 5 conceptos V: concoeptis L, conceptis A conservo V 6 coquendis L ; coquendos ignibus apto F. 39 LA( V) edera L V 1 pater manet? lipidea L 2 dirumpo AV 3 nee ulla, nee ulla Meyer: n. u. ulla nee LA, n. u. dura nee Brandt; Nee ei me ulla nee uine. fr. dura V 4 ealor A aesto LAV 5 Surreeta propriis V (erecta pr. r). 40 LA( V) 1 eonprehendo LA vacantes LA V 2 conprehendere LA V Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 55

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41 De vento Velox nascens curro | grandi virtute sonorus;

deprimo nam fortes, | infirmos allevo snrsum. Os est mihi nullum, { dente nee yulnero qaemqoam, mordeo sed cunctos | silvis campisque morantes. Cernere me nequit \ quisquaro nee tendere vinclis, Macedo nee Liber | vineit nee Hercules umquam.

42 De glacie Arte me nee nlla | valet durescere quisquam;

efficior dura, | multos quae facio molles.

Cuncti me solutam cara per oscula gaudent

et nemo constrietam | manu vel tangere cupit.

Speciem *mihi | pulchram dat, riget et auctor,

qui saevus f abire | iubet torpescere pulchros. De vermiculis Innumeros f coneipi amitto de nido volatus siricis for- corpus et immensum | parvis adsumo de membris. matis Mollibus de plumis | vestem contexo nitentem,

et texturae sonum | aure nee concipit uUus.

Si quis forte meo | videtur vellere tectus,

* * * excussam | vestem reicere temptat. De margarita Conspicuum corpus | arte mirifica sumpsi;

multis Cava modis | genunarum ordine nector.

Publicis concepta | locis in abdita nascor.

vacua de luce | referta confero lucrum.

Nullum mihi frigus | valet nee bruma vilescit,

sed calore semper | mollis sopita fatigor. 45 De terra Os est mihi patens; | crebro si tunditur ictu,

reddo libens omnes | escas, quas sumpsero lambens.

3 Verter A nulus A possint Rkse: possim LAV 4 firmantur AV 5 sed: si Brandt tendor? 6 n. mihi f. remanet dim. si modo tensa F. 41 LA{V) 1 curro nascens A sonorum X, sonos AV 2 reprimo V relevo V S dentem A 4 cunctos: plures V 5 nequit Schenkly BücheUr: om, LAV\ cernere nee quisquam valet Bratidt quisquam efficior nee A ex 42, 1 et 2 quisquam vinclis quoque neque teuere V tendere Meyer (Brandt): teuere LAV\ cf, 24, 3 vincula tensa; 40, 1. 6. 6 Herculis LA. 42 LA(V) Item de glacie LV 1 mea nulla L. m. 1, decrescere L 2 quae Monei qui LAV 3 id est bibunt 4 contristam A 5 Speciem qui mihi? pulchram pater dat Bücheier rigor F; rigor et äuget Brandt 6 seuos F saevos havere Bücheier cf, 62, 5. 43 LA{V) sericis A 1 concepi A F; In. ego mitto Brandt 2 paruius A 3 et vestem e plumis F 4 auro A, auribus F 5 videtur Meyer (Brandt) : uideatur LA V textus, c super x, A vellere tectus om. I, in margine & tectus L 6 Protinus suppl. Meyer, Brandt excusam L vestem statim reic. F. 44 LA(V) tu. om, AV S concoepta L abdito Brandt (Meyer) 5 umbra L vigescit Riese; vilescit, scü. me?; cf. 42, 1 durescere 6 molli F (Brandt). 45 (44 A) LA(V) Brandt: 'tu. falsus, de mortario oel coticulo conlato Aldhelmi pentast, de coticulo (cf. Plin, N. H. 31, 100; Isidor IV, 11, 7)*. 1 cf. patulae matri 35, 1 si Meyer: qui LAV, que Brandt 3 sitim quoque V sentio : sitio L (Brandt) nulla A 5 eflfecta A ; per miros eflfecta F 6 quaeque mihi gelidum F.

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427

Nulla mihi fames | siidmque sentio nuUam, et ieiuna mihi | semper praecordia restant. Omnibus ad escam | miros efficio sapores gelidumque mihi | durat per secola corpus. 46 De malleo Una mihi toto | cervix pro corpore constat et duo libenter | nascuntur capita coUo. Versa mihi pedum | vice dum capita currunt, lenes reddo vias, | calle quas tero frequenti. Nullus mihi comam | tondet nee pectine versat; vertice nitenti | plures per oscula gaudent. 47 De castanea. Aspera, dimi nascor, | cute producor a matre et adulta crescens | leni circumdor amictu. -Sonitum intacta { magnum de ventre produco et corrupta tacens | vocem non profero ullam. Nulius in amore | certo me diligit umquam, nudam nisi tangat | vestemque tulerit omnem. 48 Quattuor has ego { f clausa gerens figuras, pandere quaa paucis | deposcit ratio verbis. Himüda sum sicca, { subtili corpore crassa, dulcis et amara, | duro gestamine mollis. Dulcis esse nulli | possum nee crescere iuste, nisi * amaro { duroque carcere nascar. 49 De pluvia Hirantibus cunctis | nascens infligo querelas; efficior statim | maior a patre qui nascor. Me gaudere nullus | potest, si terrae coaequor; superas me cuncti | laetantur carpere yias. Improbus amara | diffundo pocula totis, et videre quanti | volunt tantique refutant. 50 De vino Innnmeris ego { nascor de matribus unus

genitusque nullura | vivum relinquo parentem.

46 (45 A) LÄ{V) cf. 53; Brandt: 'tit, mdlim de pistillo conl. Symposii 87* 2 libenter = saepeV 8 Versa mihi pedum v. habet X, am, AV vice Meyer, Brandt: uitae L capita Meyer: capiti LA F, capite? Brandt pedum . . curro an pedes . . currunt? Brandt, 47 (46 A) LA( V) 2 vigens V 3 In tactu son. de v. profero magnum V 4 et F, sed?, om, LA vocem quoque prof. nullam F nee ullam prof. vocem Brandt 6 et vestem F 48 LA{V) tit, et numerum om, LAV; de nuce coni. Meyer, Brandt 1 has, supra lin, en iatas F, enixas v sum clausa gerens figuras Meyer; Quattuor clausa gerens enixas ego figuras Brandt 2 verbis Meyer, Bücheier: bis L, lambis A. breuis F 3 et (= etiam) om, V 6 nisi sub amaro Meyer, In amaro nisi Brandt renascar A, 49 (47 A) LAiV) 1 infligo F, infligor LA quaerelas L 2 deficior A, deficio F a = quam quo (caelo)? 3 quo aequor L 4 cunctis A 5 Inprobis v in ras, 6 vol. quanti F. 60 (48 A) LA{V)P De vinum P 1 ergo P, om. F 2 et genitus F qui P vivum Biese: uiuo P, uiuentem LAV nullam vivam? Meyer relinco P, linquo F parentum P. 3 multae nascentes F, nas-

55*

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Multa me nascente | subportant vulnera matres, quarum mihi mors est | potestas data per omnes. Laedere non possum, me si quis oderit, umquam et iniqiia reddam | me quoqiie satis araanti. 51 Multiplici veste | natiis de raatre producor

nee habere corpus | possum, si vestem amitto. Meos, ubi nascor, | in ventre fero parentes; vivo nam sepultus, | vitam et inde resumo. Superis eduetus | nee umquam crescere possum, dum natura corpus | facit succedere plantis. 52 De rosu MoUis' ego duros | de corde genero natos ;

in conceptu numquam | amplexu viri delector. Sed dura infra meis | concrescunt filii latebris, meum quisque nascens | disrumpit vulnere corpus. Postquam decorato | velantes tegmine matrem saepe f diligati | frangunt commune fortes.

53 Venter mihi nullus, | infra praecordia nulla. tenui nam semper | feror in corpore siccus. Cibum nulli quaero, | ciborum milia servans. loco currens uno ' lucrum ac confero damnum. Duo mihi membra | tantum in corpore pendeut, similemque gerunt | caput et planta figuram.

54 Duo generarunt | multos sub numero fratres, nomine sub uno | divisos quisque naturam. Pauper atque dives | pari labore premuntur.

Centern P niatria P 4 morte mihi pot. Schlenkl omnis P 5 oderam X 6 me quoque Meyer, Büchelen meoque LA; meo reddam quoque F. 61 (49 Ä) LA(V) tit. om. LAV; De ovo M^ytr (cf. 8), De cepa Brandt 1 uestem -4 a F 8 meos ubi Gercke: meo subito LAV 4 nam- que L 5 dedüctus F; Utero productua? 6 succendere F planctis A. 62 (50 A) LA(V) tit. om, L. Item de rosü F 1 molles . . duro (Brandt) de corpore L 4 hascena L disrumpit vuhiere MoHf. disrumiM) (dirurapo AV) uulnera LAV 6 diligati L, deligati -4, religati F frangant A üomne L Saepe delicati frangunt acumine fortes = vulnerant spinis (cf, 16, 2) Bücheier; si aiffnificatur fruiex msae, ex qxio spinae erumpunt, in v. 5 velantem (floribtis et foUis) scribendum eMse mdetur. 53 (51 A) LA{V) tit. om. LAV; De libra Brandt; Meyer, De pistillo, de quo cf. Symix>Mi aen. Bl Vna mihi cervix, capitum sed forma duorum. Pro pedibus caput est: nam cetera corpore non sunt. 2 siccus Brandt: siccum LA, sicco F 3 quero L 5 pendent F, pendunt LA {Brandt) 6 versum om. F. 64 {num. om. A) LA(V) tit. om. LAV; De librae lancibus Brandt, qui tu, minime plncet 1 Quo A generarunt Meyer, generantur LA (Brandt), generant F multo Brandt 2 divisiiB Brandt natura Meyer, Bratidt: naturam LAV 3 Prospere atque A, pauper ac V 4 Pauper Meyer, Brandt: pauperea AV, pauperes et L habet F: habent A, habeant L difea quae Meyer: diues que X^ (Brandt), diuites quam V requirit? 6 cf. 11, 2 Minimum nam stantcH M. BMnujHncr amiciM, Nam stantes minimum (contra rythmum) Bücheier portent A cf 11, 2^ Ott {nam. om. A) LA(V) 1 Nomine A concreta F creatus enascorV 3 Verberibus Bücheier

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pauper semper habet, | dives quae saepe requiret. Caput Ulis nullum, | sed os cum corpore cingunt. nam stantes f enim { iaeentes plurima portant. 55 De sole Semine nee ullo | patris creata renascor,

ubera nee matris | suxi, quo crescere possem. überibus ego | meis reficio multos. vestigia nulla | figens perambulo terras. Anima nee caro | mihi nee cetera membra. aligeras tarnen | reddo temporibus umbras. 56 De verbo Una mihi soror, | unus et ego sorori.

coniux illa mihi, | huius et ego maritus. Numquam uno simul | toro coniungimur ambo, sed a longe meam | pregnantem reddo sororem. Quotquot illa suo | gignit ex utero partus, cunctos uno reddo | tectos de peplo nepotes.

57 De igne Prohibeor solus | noctis videre tenebras

et absconse ducor | longa per avia fugiens. Nulla mihi velox | avis inventa volatu, cum videar nuUas | gestare corpore pennas. Vix auferre praedam | me corara latro valebit, publica per diem | dum semper competa curro.

58 De rota Assiduo multas | vias itinere currens,

corpore defecta | velox conprendo senectam. Versa vice rursum | conpellor ire deorsum et ab ima redux | trahor conscendere sursum. Sed cum mei parvum | cursus conplevero tempus, infantia par est | simul et curva senectus.

59 De luna Quo movear gressu | nullus cognoscere temptat,

cemere nee vultus 1 per diem signa valebit.

egro A uberihusque meis e. saepe ref. V b de voce nee omissa cf. 41, 6; Non caro nee an. mihi sunt V 6 Attamen V, 66 (wum. om, Ä) (B) LÄ(V) titutum falsum putantes cani. (De vemoV), De anno Hagen, De sole (anno) et luna (mensibus) Bücheier, De caelo et terra Brandt; at verbum nominis soror et maritus est et connectit singulas voces sentottiarum, (substantiva, adiec- tiva, pronomina etc.) 2 cuius V 3 Nnmquam uno simul toro Meyer, Brandt; Nam numquam (Non nunquam A) uno sed multorum LAV 4 de longe F a voce reddo redit codex B 5 suo Hagen, suos B, suus LA gingit B partos B 6 uno: meo? peblo X. 57 BLA igni L-, Brandt *tit, falsus. De luce'. De igne solis? 2 (longe Brandt) peruia fugens L fiilgens Brandt

4 oidar L corpori pinnas B 6 conpeta B, competo L versus posuit Biese 57, 5. 58, 2 || 58, 1. 3. 4. 5. 57, 6. 58, 6. Schenkeli dispositionem non intellego. 68 BLA cf. ad 57, 6. 1 itinere B 2 uelux conpraehendo B: conprehendo LA 3 renim LAV iure L 4 reduxi Av , conscendire B

5 mein L cursus B: cursum LAV conpl. temp. s. L m. 1. B 6 par Brandt: pars BLAV est om, B, 69 BLA 1 quomodouear L gressu V: gressum BLA (Brandt) cognuscire B(V): ag-

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Quotidie currens | vias perambulo multas et bis iterato | cunctas recurro per aDnam. Imber nix pruina | glacies nee fiilgora nocent, timeo nee ventum | forti testudine teeta. 60 De caelo Promiscuo per diem | vultu dum reddor amictos, pulcher saepe est, sed | turpis, qui semper habetur. Innumeras ego | res eunetis fero mirandas, pondere sub magno | rerum nee gravor onustus. Nullus mihi dorsum, | faciem sed euneti mirantur, et meo cum bonis | malas recipio tecto. 61 De umbra Humidis delector | semper consistere iocis et sine radice | inmensos porrigo ramos. Mecum iter agens | nulla sub arte tenebit, comitem sed viae | ego conprendere possum. Certum me videnti | demonstro corpus a ionge, po^itus et iuxta | totam me numquara videbit. 62 De stellis Milia conclusae | domo sub una sorores.

minima non crescit, | maior nee aevo senescit. Et cum nulla parem | conetur adloqui verbis, suos moderato | servant in ordine cursus. Pulchrior torpentem | vultu non despicit uUa odiuntque lucem, | noctis secreta mirantur. .

noscere LA 2 cemire B uelebit L 3 cottidie BAV 5 frigora A 6 forte B tecta B(Y)\ tectus LA. 60 (58 A) BLA 1 promiscuos LA V uulto B, uultu8 LA V vultu per diem errore transposuit et diem tnonosyllabum putavit Brandt 2 pulcher Hagen: pulchrum BLAV est add. Meyer: om, B {qui habet sed turpis); sepe qui AV, sepe reddet amictus qui L; Pulchrum saepe reddo, (acü. noctis vultumj turpis qui Brandt 3 mirantibus LA V ß me B maus L tectu B. 61 (69 A) BLA in B (Brandt) 61 post 62 positum est 1 ümedis B; humili .. loco? con- sistire B 2 radices B (Brandt) porrego B 4 ego viae Brandt conprehendere LA, conprae- hendire B 6 numquam BLA, neque 4^, nemo Brandt? 62 (60 Ä) BLA 62 ante 61 posuit B (Brandt) stillis B 2 seniscit B 3 partemJX paretur J., queat V alloqui B 4 moderatos LAV 5 'pulchrior L turpentem LA, turpem V vultum LAV dispicit B, displicit L ullam LA, (pulchrior et vultum turpem non despicit ullum V metrice) 6 nocte B secreta secuntur V. In codicibus LAV sequitur aenigma prosaicum editum a Mone Anzeiger 1839 p. 228. De oue A. Item de oue LV (multos vestit: plures v. L; fortitudinem LAV), Beinde in L scriptum est aenigma, quod simili, non eodem quo cetera rythmo compositum est:

Item de vino Pulchrior me nullus versatur in poculis umquam,

Ast ego primatum in Omnibus teneo solus,

Viribus atque meis possum decipere multos.

Leges atque iura per me virtutes amittnnt.

Vario me si quis haurire voluerit usu, Stupebit ingenti mea percussus virtute.

Huius aenigmatis loco in codd. A et V cdterum pros. additum est, a Moneo editum (ad nullum gignitur A cibimi edit A tota uia sua A capiat quam non potest A),

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Beilage IV.

Exhortatio poenltendi.

Die hier zu behandelnden rythmischen Hexameter haben in neuerer Zeit ein ungünstiges Schicksal gehabt. Pitra fand in einer Handschrift zu Laon ein Gedicht, welches in einer jetzt in Madrid befindlichen Handschrift den Namen des Verecundus trägt ; es beginnt *Qui3 mihi moesta dabit lacrymosis imbribus ora/ Diesem, in quanti- tirend gebauten Hexametern geschriebenen Gedichte des Verecundus geht in der Hand- schrift zu Laon unsere Exhortatio poenitendi voran. Da in deren Schluss sich die Verse finden

Sequentia vero | carmina constructa lamentis suspirando lectita, { nonnunquam plorando decanta, da ferner Isidor in dem Buche De viris illustribus berichtet: 'Verecundus Africanus episcopus (circ. 550 nach Christus) studiis liberalium litterarum disertus edidit carmine dactylico duos modicos brevesque libellos, quorum primum de resurrectione et iudicio 8cri|isit, alterum vero de poenitentia, in quo lamentabili carmine propria delicta de- plorat', so schloss Pitra unbedenklich, dass die beiden Gedichte der Laoner Handschrift, erstens die Exhortatio poenitendi, dann das in der Madrider Handschrift bezeugte 'Quis mihi moesta dabit^ die von Isidor bezeichneten beiden Gedichte des Verecundus seien, und hat dieselben unter dessen Namen in dem Spicilegium Solesmense IV p. 132 143 gedruckt.

Diese Hypothese Pitras, der Baehr gefolgt ist, ist durchaus unrichtig.*) Denn den Ausdruck 'carmine dactylico* hätte Isidor kaum gemeinsam gebrauchen können

1) Damit diese Erörterung nicht ohne Nutzen auch für Verecundus sei, bemerke ich, dass in der Berliner Abschrift (vgl. Neues Archiv v. Wattenbach VI, 1881, p. 316) der Madrider Hand- schrift am Schlüsse des Gedichtes 'Quis mihi moesta dabit' folgende echte Verse stehen, die in Pitras Ausgabe, ich weiss nicht durch wessen Versehen, fehlen:

facta gravant curaeque homines et verba caducos.

Sordida peccandi triplex via panditur usu.

Eu mihi pervigiles avertunt somnia curae

Atque per occultos nocturna silentia planctus

Increpo perpetuas cupiens extinguere flammas

Nullam palpebris requiem delicta ministrent

Innuet infundens resoluto corpore membra

Ante fugit pressos requies quam tangat ocellos.

Espliciunt versi penitentie.

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von den so verschiedenen rythmischen und quantitirenden Hexametern. Dann mag wohl das 2. Gedicht dem von Isidor gegebenen Inhalt entsprechen, allein das erste handelt nicht de resurrectione et iudicio, sondern enthält nur eine Ermahnung zur Busse. Den Hauptbeweis gegen Pitras Hypothese gibt die Gewissheit, dass die Ex- hortatio pbenitendi zu andern Schriften gehört. In den Isidorausgaben (seit Du Breul, Paris 1601) stehen drei Schriftstücke hintereinander, 1. die Exhortatio poenitendi in rythraischen Hexametern, 2. das Lamentum poenitentiae in rythmischen Trochäen, 3. die Oratio pro correptione vitae et propter flenda semper peccata in Prosa. Diese 3 Stücke stehen in Du Breuls Ausgabe und in der St. Gallener Handschrift 269 zusammen am Ende der Synonyma des Isidor. Dass diese handschriftliche Tradition die richtige ist, ergibt vor Allem der Inhalt der Gedichte. Die Exhortatio enthält eine an einen Sünder gerichtete Ermahnung Busse zu thun mit der Versicherung der Gnade Gottes. Dem am Schluss angekündigten Gedichte

Sequentia vero | carmina constructa lamentis suspirando lectita | nonnumquam plorando decanta entspricht genau das folgende Gedicht, dessen Stropheninitialen das Alphabet bilden, das Lamentum poenitentiae, wo stets ein Sünder zu Gott seine Sünden bekennt und beklagt. In dem 3. Stück, der prosaischen Oratio pro correptione, wird auf die beiden vorangehenden Gedichte Bezug genommen: 1) Auf die Exhortatio in den Worten *dum in grabato multorum peccatorum saeculi huius mortifero quodam iacerem sopore depressus, misisti gratiam tuam cum flagellorum strepitu suscitare danmabili torpentem segnitia, ut apertis oculis expergefactus, dum nihil in me victus boni operis recognos- cerem, venirem ad te'; dann 2) auf das Lamentum in den sich anschliessenden Worten 'Idcirco consurgens lamentationum clamoribus prece multifaria pietatis tuae pulsans (pulsavi?) auditus per alphabetum, quod praemisi singulas eins literas rigans flumine lacrimarum'. Dasselbe bezeugen die gleichen Ausdrücke, welche sich in den 3 Stücken finden und die ich zu Theil in den Noten zur Exhortatio und zum Lamentum notirt habe. Demnach ist es zweifellos, dass diese 3 Stücke von einem Verfasser herrühren, und dass die Exhortatio nicht von Verecundus gedichtet sein kann, wie Pitra meint. In den Handschriften, in welchen diese drei Stücke den Synonyma des Isidor angehängt sind, werden sie auch dem nemlichen Verfasser zugeschrieben. Bei Arevalo, Isidoriana cap. 81, 19 ffl., ist die Streitfrage über die Autorschaft des Isidor ohne festes Resultat erörtert. Einigen Anhalt gewährt die Eigenthümlichkeit des Stiles. Bei der Lektüre der rein grammatischen Zusammenstellungen in den Synonyma Ciceronis kam dem Isidor der Gedanke, hiernach ein neues rhetorisches Kunstmittel zu bilden, nemlich den gleichen Gedanken 3 und 4 Mal, nur jedes Mal mit andern, doch ver- wandten Wörtern auszudrücken. So beginnt also die Schrift ^Anima mea in angustiis est, Spiritus mens aestuat, cor meum fluctuat. Angustia aninii possidet me, angustia animi affligit me. Circumdatus sum omnibus malis, circumsaeptus aerumnis, circum- clusus adversis'. Dieses geschmacklose rhetorische Gesetz, wodurch wahrscheinlich die einzelnen Gedanken den Hörenden fester eingeprägt werden sollten, die Vorstufe zum

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Litanei- und Rosenkranzbeten, findet sich auch in der Exhortatio, dem Lamentum und der Oratio pro correptione. Vgl. Exhort. 100 ffl.

Sic denique poteris | evadere, qaidqoid exoptas, quidquid claudit, obligat, | officit, affligit, obumbrat; et ad dei gratiam | hoc modo redire gaudebis. Quamvis sis peccator | impius, malignus, iniquus criminis omnigeni { contagio dudum pollutus etc. Ebenso finden sich in dem Lamentum und der Oratio so viele synonyme Wörter oder Sätze, dass man trotz der sonst gedrungenen und bilderreichen Sprache dieser Stücke bei Lektüre derselben wegen der Wörtermassen fast keine Gedanken festhalten kann. Allein während jenes rhetorische. Gesetz in den Synonyma des Isidor von Anfang zu Ende beständig durchgeführt wird, ist es in diesen 3 Stücken in manchen Partien beobachtet, in vielen aber nicht. Damach ergibt sich der wahrscheinliche Schluss, dass diese Stücke nicht Arbeiten des Isidor selbst, sondern eines Nachahmers sind. So erklärt sich einerseits die Stellung dieser Stücke als Anhang zu den Syno- nyma des Isidor, andererseits steht nichts im Wege, die hier angewendeten rythmischen Hexameter den rythmischen Hexametern auf den longobardischen Inschriften, also dem Anfange des 8. Jahrhunderts, nahe zu rücken

Handschriften und Ausgaben. Du Bretd (Paris 1601) sagt, er habe eine Abschrift benützt *quam ex codice bibliothecae S. Mauri Fossatensis quondam regularis Nie. Faber transcribi curavit'. Pitra^ Spicilegium Solesmense IV p. 132—137, gab die Exhortatio heraus *Ex codd. Duac. 240, Paris. S. Mart. 82, Montepessul. 137, collatis cum cod. S. Mauri Fossat. penes Breuliura; singulis assignata sunt A, B, C, D\ Damach sollte man meinen, die Reihenfolge der Buclistaben entspräche der Reihe der genannten Handschriften; allein Pitras Note zu 120 Sicque Cyprianus: *Surius Cy- prianus C^ wo bei Du Breul der bekannte Legendensammler Surius in den Text ge- rathen ist, zeigt, dass Pitra mit C den Text Du Breul's bezeichnet. Wiederum gibt die Vergleichung Du BreuKs mit Pitra's Text den Beweis, wie nachlässig Pitra's kritische Noten sind. Das ist zu beklagen, weil die von ihm benützte Handschrift Ä offenbar manche richtige Lesarten allein enthält. Mir blieb nichts übrig, als Pitra^s Noten ihrer Unsicherheit willen nur in Klammem anzufüliren. Haussen (Dissert. philol. Algentor. V p. 75 84) wurde zwar durch Pitras kritische Angaben zu irrigen Ansichten über die Handschriften verleitet, hat aber die meisten Gesetze des Vers- baues erkannt und darnach manche Stellen gebessert. Ich habe mit Benützung dieser Vorarbeiten und mit Hilfe zweier alten Handschriften den Text nach Kräften sicher gestellt. Doch sind noch manche Stellen unsicher und es*bleibt zu wünschen, dass dieselben durch Benützung weiterer Handschriften, deren sicherlich noch manche zu finden sind *), hergestellt werden. Ueber den Versbau der Exhortatio siehe oben S. 282.

1) Die von Gesner Bibliotheca unter Isidor erwähnte Züricher Handschrift findet sich nicht mehr in Zürich.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 56

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Das Lamentam poenitentiae füge ich bei, weil es die Fortsetzung der Exhortatio ist und mit dieser enge zusammenhängt, und weil es ein belehrendes Beispiel fär den Bau der alten Rythmen bietet; vgl. über seinen Zeilenbau oben S. 283.

EXHORTATIO POENITENDI oum eonsolatione miserioordiae dei ad animam

flitura iudioia formidantem.

Cur fluctuas anima j merorum quassata procellis? 2 usque quo multimoda | cogitatione turbaris?

Mens confusa taediis | itinera devia carpens 4 tramites caliginis | subducta luce percurrit.

Non ablatas reculas { mundi fascesque suspires, 6 nee casus honoris | sed ruinas animae plora.

Non haec defunctoria | doleas exitia carnis, 8 sed perseuerantia | Tartan tormenta formida.

Nee aerumnas carceris | ambigas qua fine carebis, 10 sed iuges Avemi | miserias prospectans evita.

Quae hie quidem redimi j facili compendio possunt, 12 si mundi affectus j in amorem Christi conuertas,

Et tete non neglegas j ab iniquitate priuari, 14 cuncta peccatoria corde diuulsa propell&s.

Quae penitus respue | saltimque percussus abhorre, 16 ut sinceritate rudi | uel sero nitescas.

Abiecit te mundus, | percussit proscripsit derisit: 18 quare non consideras, | quid a te Christus exquirit?

Non humana manu { talia te perpeti putes: 20 sed haec provenisse | diuino iudicio crede.

Inritasti contra te dominum offensa delicti,

E = Cod. lat. mmac, 14843 aaec. IX fol, 68 68 post Lamentum sine titulo. G = God, S. GalU No. 269 pag. 130—149, ex quo cod. S. QalU 223 f. 87—94 saec XII et cod, Findoö. 794 f. 17 saec, XII descriptos esse vidi, titulum om. E. poeniteDtia E, et misencordia E, ex miseri- cordia Nicd, Antonius,

1 Quur E anima ahlativus, non vocatious. S itineris Br, Pi, 4 tramitem (Ä) percurri» G. Pi, ') res cellolas E, Br, 7 defectoria G deleas G. E ezitio camis : et ista non camis (B, D).

9 aerumnis E abigas Br, qua: quas G. E, (A), quibus (B) Br., quae Pi, carebnnt (A.) Pi.

10 lugens infemi^ s, l. vel Avemi {A), 11 hie om, G, quidem om. Br, facile E, 12 amore G. E. 13 tete E (A) Pi. : ut te ö, te Br,, aeterna (B, D) aequitate {B, D) piari G. 14 peccata a Br., peccatori. a E corda (G) procellas G, propelles (A). 15 quae (ABD) Pi.: quas E, quasi G, re* iniquas Br. penitus {A,) Br. Pi: spematus (B. D), penatus E, pennatus G respue (A) Pi, : renue G {B, D), rennue E, remove Br. perculsus E, 16 ut: et {AB) Pi nitescas (A) Pi: renitaseas E^ renitaseis G, reniteas Br,; sine, eruditus vel serenus ea« (B. D). 17 proscripsit {A) Pi: que pro- scripsit (B), que rescripsit E, G, Br. 18 ad te -E. 19 te perp. talia G. 20 pervenisse (A) Pi

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22 qui te flagiis argnens { corripit coercet affligit.

Flagelli irapendio | monet ut errata cognoscas ' 24 et agnita penitens | corrigas distringas emendes.

Hoc sentire debes, | quod instans verbere plagae 26 pulsat, ut benivolus * * *

* * * * I malo segregatus existas 28 et perniciosa | respuens innoxia quaeras.

Vult contritionis | nunc examinare Camino, 30 quo conflatus pristinas | vitioruni sordes amittas.

Cur ergo perquaquam | diflFusus mente vagaris? 32 ad callem examinis ! sensus tui collige gressus.

Discute cor tuum, | cautius interroga raentem; 34 quid ludibriosum | retinet vel gessit, exponat;

Quid saevum, quid noxium | concepit vel operit, pandat; 36 et, dum est licentia, ' totum praedamnare festina.

Ecce pei-petrata J cuncta coram oculis adstant 38 et secreto murmure | mens universa proponit.

Quid admissa crimina ' nisi lamenta requirunt? 40 quid vult facti vulnus I nisi malagmata fletus?

NuUum sceius aliter | nisi poenitendo piatur, 42 immo puniendo, \ ne sit jam ultra, deletur.

Ergo si ruisse | nequiter vivendo displicet, 44 surgere decenter | melius agendo percurre.

Judiceni futurum j times perdentem iniquos: 46 nunc illum post crimina | opere iustitiae placa.

Atros ignes inferi, quod est mors secunda, pavescis: 48 sed admissa poenitens j puni peccatum et vives.

In hac vita lacrimis extingue tartari Üammas

21 te om, G deum G. 22 flagris urgens Roensch, Philo/, Anzeiger XII p, 309 coercit E, 24 distin- guas E (Ä) emendas G. 25 inatanti (B. C) plagae {A) : om. cet, 26 pulsat in fine F. 25 Pi. inatanti verbere pulsatus, ut ben. a malo Br. ben. ut Pi {A. B. C?)\ b. nialo ut Hanssen. 27 cf. Oral, pro corrept, 42 segregasti me a peccatis. 28 pemeciosa G. 29 nunc te Br. Pi, exam. : exaestuare {B. D\ cf, Orot, pro corrept, 33 proba me in camino bumiliationis, quo diutiun indignum examinas. 30 quo conflata sentinas vitiorum sordesque amittas Pi. (BD). 31 Quur E perquaquam : pio qua- que (A) difiFusa Pi. {B. D) uagaris: uacua curris EG Br. {BC); cf. Lamentum 219 Vagus per- quaquam defluxi, cucurri per avia. 32 collem (BD), calcem Br. tui sens. ö, sensum tuum (D). 33 sie EG, Br. at Pitra 'cautius; mens, interroga malum' cum nota 'Interroga, mens, quid BD. aliquid deest in AC. Legesis: Mens interroget'. 34 et 35 loco quid ter habet quicquid E ludi- brium Pi. concipit Pi. 37 constant Br. 39 amissa G. 40 Quic uul G. 41 expiatur EG Br. (BD). 42 cf. V. 48 Orat. pro corrept. cap. 9 homo poenitendo punit quod male commisit. 43 se ruisse (D), servisse (B). 44 surgere E: surge G Br. Pi, percurre G (AB): precurre E Br. Pi. 45 timens Br., time Pi. (D). 46 hunc illum post saeculi crimina Br. 47 pauescis (A): pauesces (-BC) pauesce EG Br. Pi. 48 admissum G peccata Br. Pi. (BC)\ cf. Orat. pro corrept. 10 punire peccatum.. poeni-

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436

50 et necando crimina | vires evacua mortis.

Mors illic non repetit, | quos hie viventes amittit; 52 nam, qui se peccato i dirimit, iustitiae iungit.

Et Spiritus vitae ' obsequens mandata eustodit, 54 peccata repudians | morti servire contempsit,

Ultra iam non moritur | nee mors dominabitur illi 56 neque eum tartarum | excipiet in morte, sed caelum.

Nullatenus dubites | in hoc nee umquam diffidas; 58 nam sie protestantia | divina dicta deeemunt.

Ad re^um profecto | transient cum Christo victuri, ()0 qui penituisse | mala perpetrata probantur.

NuUa te res dubium , de misericordia reddat. 62 nam parcere deus | promptus est clementer indignis,

Atque poenitentibus | veniam libenter donare; 64 tantum sie poeniteas, | ne iam poenitenda committas.

Et ob hoc irrisor i atque subsannator vocatus 66 vertas poenitentiam | in punitionem pericli.

Labor sine fructu est | et spes vanissima valde 68 sie peccata plangere, j ut non desinatur peccare;

Quasi quis instructa | destruat, diruta reformet; 70 si qnod lavat hodie, | polluat et sordidet item.

Sic enim non lotus | habetur sed semper inmundus. 72 nee capit huiusmodi i veniam, sed provocat iram,

quoniam non diluit, | sed dilatat criminum gesta. 74 tu denique cautius | talium exempla declinans

et peccasse poenite | et iam peccare desiste. 76 dissipa praeteritas | lacrimarum opere culpas.

Data elemosyna, \ si habes, redirae probra 78 et sequi vanissima respue, contemne, recusa.

Sit iam abdicabile, | sit abominabile semper

tendo punit. 49 ad flammas Pi. adn. 'Extrema tartari Ä\ 52 iungit: vincit {BD). 53 et spir. obs. vitae qui m. c. ? , mandata qui cuat. (BD), m. c. qui pecc. Q, 54 qui peccato repugnans G mortis opera contemnit (BD), contendit (C). 55 Ille jam ultra (BD), jam om, Pi. dorn, mora 6r, illi (om. Ä). 56 tartarus et mortem (BD), 57 dubites recipi et in hoc (BD). 58 sit E protestantia E Pi. (AB): protestanda Br. (CD), proteatantur Ö. 59 transient Pi. (ÄBD?): tranaierunt G Br., tranaierint E. 60 qui perp. mala poenit. Pi. (ex B?). 61 dubiam (B), 63 libenter om. 0. 64 sie (ÄBD): 81 EG Br, Pi. penitena (A) ne Pi. (AB?): nee EG Br. 65 ob: ab G, om. E atque: et G vocatur (A), 66 uertis G punitione Pi. (A) periculi EG. 69 quod ai Pi. (A ?) diruta EG Br. : directa Pi. (AB?) reformet EG Br. (BC): deformet Pi. (A?). 70 ai EG Br.: et Pi. (AB?) lauet G itemPi. (il?): cr&a EG Br. (BC). 72 non Pi. (A?) hoc modo? 74 deciinsaisEG Br.(AG): declina Pi. (B?). 75 Et iam p. Br., Sed p. BD penitet jam Pi. (ex codd.?), penitere Br. 76 operi E. 11 Da EG Br. elemoainam EG Br. 78 contempnere cura E Br. (curam) G. 79 ait iam abom. (A).

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80 peccatura, quod caelo | distrahit, inferno deponit.

Melias eit regni | gloriam nitore capere, 82 quam regni iacturam | sordium horrore perferre.

Conversus ad dominum | posfc tenebras arripe lucem 84 amplectensque vitam | mortalia facta relinque.

Uli confitere; | compungere, plangito, roga; 86 die *peccavi nimium^ | 'parce, miserere' proclama.

Curva cordis genua \ prostratus corpore terrae, 88 obsecrans assidue | profusis lacrimis ora,

lenias ut humilis, | quem exasperasti superbus.

Nam dei clementiam | humiles et flentes acquirunt, 91 non ridentes impetrant | neque contumaces exorant.

Certo te poeniteant, | perpere quaecumque gessisti, 93 nt odiens horreas, { quidquid indecenter amabas.

Quod pudore congruo | rubor verecundus aspemit, 95 rite demum veniam | lacrimarum prece requiras.

His namque fomentis | animae peccata medentur 97 et omnia vulnera { priscam sanitatem receptant.

Sic namque divinum | sedabis cito fuj*orem; 99 sie profecto capies, | quidquid lacrimando deposcis;

Sic denique poteris | evadere, quidquid exoptas,

quidquid elaudit, obligat, | offieit, affligit, obumbrat; 102 et ad dei gratiam | hoc modo redire gaudebis.

Quamvis sis peccator | impius, malignus, iniquus, 104 crijninis omnigeni | contagio dudum pollutus,

Pete deo veniam { haesitans nequaquam in fide, 106 qui omni peecamine | eunetos poenitentes expurgat.

Omne demit facinus | vera poenitudo delicti. 108 nee est crimen ullum, | quod nequaquam lacrimae tergant.

Quamvis de iustitia | terreat iudicii dies,

80 in infemum EO Br, 81 carpere Br., captare Hansseny habere?, cupire Boensch, 82 errore E perferre EG Br.: praeferre PL (ex ABB?). 03 deum G corripe G lucem EG Br, (D): lumen Pi. {ex ÄB?y, 85 illi conf. (ÄB)\ conf. Uli EG Br, Pi, roga om. E, 86 peccaui domine nimium G. 87 Cordis gemitu curva c. g. G terrae Pi. {ex Ä) : terram (5), in terra EG, in terram Br, 88 ob- secrans Pi, {ex ABB?): obsecra EG Br, profusis EG Br.: perfusis Pi. {ex ABD?); obsecra ass. perfdsTis lacrimis ora? 89 linias EG exasperasti EG Br, {B): exacerbasti Pi, {ex J.?) 90 hu- milis E, 91 non rid. non irap. {A), 92 te {om. A) poeniteant Pi, {ex AB): poeniteat EG Br, perperam Br., perpetrasti G, 93 indecent E, 94 rubor {am, B) aspemit Br,: aspemetis {AB), ' aspemens EG (D), 95 denm {B), 96 medetur Br, 97 pristinam G. 98 sedabis Pi, {ex A?): sedas EG Br, {B), 100 quidquid exoptas om, Br, 108 iniq. mal. G, 104 criminosos G omni genere EG Br. dudum: que Br. 105 a deo EG Br, 106 purgat {B), 107 demit Pi. {ex A?): dimittit EG Br, {B) *vere penitendo A, certa poenitendo A', sie Pi, {cf. v. 110). 108 ullum

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110 nunc misericordiam | certa poenitudo potitur.

Nulluni delinquentem { deu8 de praeterito damnat, 112 si bonus ex malo { fuerit extremo repertus;

Ut dicitur impio, si impietates relinquens 114 opera iustitiae \ faciat extremo con versus,

Impietas illius | omnis oblita dematur 116 mortique sublatus | aetema per saecula vivat.

Sic denique Paulus ' fidelis ex infido f actus 118 cuncta caret crimina. | quae impie gesserat olim.

Sic ex publicano | fit evangelista Matthaeus, 120 sicque Ciprianus ex mago sacerdos et martyr.

Sic et Augustinus | ardentior carnis amator 122 fit ex mamchaeo | mundi probatus magister.

Sic et Ninivitae | impia, obscena, nefanda 124 deflentes flagitia | vitam poenitendo merentur.

Manasses, qui idolis { templum repleverat dei 126 et de caelo pridem | datam profanaverat legem,

Post amisso regno | captivus et ferreis multis

vinculis ligatus | deum poenitentia placans

129 regno restitutus est | nexibus culpisque solutus.

130 Dayid stupri culpam | homicidiique redemit. et Achab similiter ' caelitus pendentem evasit

132 iram, de quo cominus | dixerat ulciscere deus.

133 Petrus fide lapsus | rursus poenitendo resurgit. Sic et eyaugelii | meretrix ac publicanus

135 parvis fusis lacrimis | multo se piaculo mundant.

Et plurimi porro | quos dein scripturae declarant 137 post crimina caelites | factos poenitudine viros.

Sic e contra polo | labentes tartaro cadunt, 139 qui bona priora ] malum adpet«ndo relinquunt.

Ut dicitur iusto: | si ab aequitate digressus

iniquus extiterit, : omnis iustitia eius

crimen G lacr. non tergant G. 109 diem (AB), 110 misericordia GBr,(B). 111 nullum om.Br, 112 poetremo G, 113 relinquas Br, 114 operas E, operatus iustitiam (A). 115 abolita G de- matur EG (BD): deraitur Br. (A). 118 cuncta c. crimina Pi. (ex ABD?): conctis c. crimini E, cunetis c. criminibus G Br. 119 fit P*. {ex A?): venit EG Br. (B). 120 ex: et (AB). 122 pro- batus mundi G, 123 et om. Pi. (cum D?). 125 manases E dei repl. G. 127 ferr. vinc. mult. Br. 128 dominum Br, 130 Sic David omnes; sie dei. Haussen ; stupri culpam sfc Davfd? 131 Ahab (AB), Achaz Br,, Acaph G. 132 comminus EBr., se comminus G ulcisci Br., uicisci se {B) com- minans dixerat ulciscere (= ulcisci se)? 133 mranm EG. 134 euangelica G. 186 porro: alii Br. dein Pi, {ex A?), olim E Br., dei? 137 caelites E, caelitus G {A), caelibes Br., coelitas Pi. (ex BD?), 188 tartaro EG (B), tartara Pi, {ex A?). polum habentes ad tartara c. Br. 139 non

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142 oblita depereat | et ipse morte damnetur.

Sic et Judas olim | subito malignus effectus 144 omne bonum perdidit, | quod dudum beate peregit.

Sic et Salomoni | nihil inputatur ex bono, 146 quod antea gessit, { sed extrenio malo damnatur.

In qua voluntute | quispiam postreioo vel actu 148 fuerit inventus, | in hac iudicandus et erit.

Sicut de hoc ipso | dominus locutas est dicens: 150 in quo te invenero, | in hoc * te iudicabo.

Et si credis amplius | hos ipsos diligit deus,

qui post pravitates | esse rectiores studebunt 153 ac sese post vitia | virtutibus magnis exercent,

Quam qui mala gravia | numquam perpetrasse noscimtur 155 et bona praecipua | torpentes agere pigent.

Sicut quispiam dominus | illum magis serrmn amplectit,

qui post damna quaedam | potiora lucra reportat, 158 quam qui nihil perdidit | et nihil fecit augmenti.

Sicnt imperator | illum magis militem amat,

qui post fugam remeans | hostem prosequendo prostemit, 161 quam qui numquam fugit | et nil umquam fortiter fecit.

Sicut et agricola | illam terram amplius amat, 163 quae uberes illi | post spinas aflferet fruges,

Quam illara, quae tribulos | vel spinas numquam nutrivit 165 et fertilem messem { numquam aliquando produxit.

Non desperes veniam, | sed potius spera salutem, 167 si facturus optima | pessima damnare decemes.

Corrige delictum, ( muta mores, renova vitam, 169 et nulla te plecti | dolebis postea poena.

petendo G. 140 Ut EGBr.(B): Et Pt. (ex Ä?) iniquitate egrfessus Br. 141 iniquis (ul). 142 ob- lita Pi. (ex AB): om, EG Br.\ cf, Ezechiel 33, 13 omnes iustitiae eiua oblivioni tradentur et., morietur; cf.Orat, pro corrept. cap. 20. 143 sie et P*. (ex A?)i sicut EG(BD)^ sicBr. 145 Sicut et (BD), ex ow. G Salomon E. 146 male G (B), 147 In EG Br,: ex Pi. (ex codd,'^) post. quisp. Br. 148 et Pi, (ex codd.?): om. EG Br. 149 hoc om, G, 150 te ante inv. om. E hoc enim te EG, hoc et te Haussen, 151 Ut Pi, (ex codd.?) hoc G. 152 rectores (Ä) studebunt Hanssen: student codd. edd, 153 ac sese (AD), ac sie se EG Br., ac sie sese Pi. (ex B?) 155 praecipue EG Br. piget Br, 156 quisnam EG deo minus (A) servum magis G amplectitur EGBr. 157 quaedam om. Arevalo et Pi. 158 nihilum perdidit et nihilum (r. 161) fortiter fecit, omissis ceteris (A) fecit augm. Hanssen, augm. fec. codd. edd. augmentum E. 159 sie Br. magis illum Pi, (ex codd.?). 160 lugans E. 161 numquam: nihil G fort. umq. G fecit: egit G. 162 Sicut et Hanssen: sicut EG (B) sie Br, sie et Pi. (ex AD?) amplius Pi. (ex ABD?): plus EG Br. 163 quae illi post sp. huberes G affert G Br. (B) fructus Pi. (ex A?). 165 perduxit Pi. (ex ABD) 166 disperes E. 167 decemis Pi, (ex codd.?): discernas G. 169 nulla: multa Pt. (ex codd,?)

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440

Null erit in crimine, | quem poenitet ante fuisse, 171 nee dicetur impius, | qui fuerit denuo pius.

Sequentia vero | carmina construeta lamentis 173 suspirando lectita, { nonnuraquam plorando decanta.

Nam potens est dominus | transferre in gaudio luctum 175 et adversa omnia | in prosperitate mutare.

Quem aeternis laudibus | glorificant incolae caeli 177 et summis honoribus [ cultores efferunt mundi.

170 crimini E, 171 quia (Z>) denuo om. E. 174 potest et ^udium Br. 175 prosperitatem Br. (B). 176 ine. glorif. G incolae: in coelo Br.

Inoipit LAMENTUM POENITENTIAE dupliei alfabeto editum exoeptis tribus litteris AB et N, in quibus aliquantis versibus multiplieatur, ubi exoravit

pro indulgentia peoeatorum.

Audi, Christe, tristem fletum | amarumque canticum,

quod perculsus et contritus | modulatur spiritus. 3 ceme lacrimarum fluctus | et ausculta gemitus.

Ad te multum vulneratus | vocem fletus elevans

alta de profundo cordis | emitto suspiria, 6 preeibus si forte velis | placätus ignoscere.

Alleva calamitatis | importunae pondera,

quae me diütius premit | et elidit impie 9 nee diseedit, ut resumam | vitae respiraculum.

Abläto consolatore [ quadro clausus lapide,

gemo lugens et suspiro | ^miserere* clamitans. 12 pulso rogans tota die, | sed tu semper dilatas.

Ad iuventütis delictum | et ad ignorantiae

non me teneas, exoro; | sed misericorditer 15 praetermissum hoc dispone | iam indigno parcere.

Ab antiqua pietate | ne declines, obsecro.

nam iustitiae rigorem | si me sequi iubeas, 18 mille sum debitus poenis. | mille dignus mortibus.

Aspice iam, deus clemens, | aerumnas quas tolero;

remove contritiones | et flagella prohibe,

E = Cod. Monac. (S. Emmerami) 14843 f. 54—63. G = Cod. S. Galli 269 pag. 130—149. Br, = Isiäo^ri opera ed. Du Brcul Paris 1601 p. 336.

Lamentatio E alfeb^tc G id est AB Br, E super Un. ubi : tibi G ezorabit G, exorat Br. l triste EG. 2 percussui G modulatus G. 3 flnzus E. 7 inportuna G, 15 praetermisso?

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441

21 ne me, precor, indignatus | opprimas et conteras.

Annos meos in dolore | vitam in gemitibus

vilis factiis consummavi; | parce mihi, deprecor. 24 iam non possom sustinere; ] da dextram et eripe.

Adgravasti manum plagae { super me validius

camem dira flagellorum { ultione conterens 27 caede ferro sorde peste ] tenebrarum carcere.

Auges tempora pressurae, | luetus addis onera,

diflferens afflicto valde | dare mihi requiem. 30 contra quod grates rependo, | non resultaas murmuro.

Abes, dico veritatem, j ut occidas impium,

sed, rögo, post disciplinam \ da plaeatus veniam, 33 quia non mortem iniqui { sed vftam desideras.

Accü-40 me, non excuso | laudans te, quod mitis es;

iuxta modura delictorum | parva datur ultio; 36 haec et ampliora, clamo, | dignus sum excipere.

Ad remedium malonmi | aeterni iudieii

saiius est nunc flagello | temporali percuti 39 quam perennibus futuro ) dari cruciatibus.

Adhibe, si placet, adhuc | tonnentorum stimulos,

quibus defluant veterna | putridaque crimina: 42 Salus tantum, vita demum | subsequatur morbidum.

Adhibe, sed non iratus, | ut sit tolerabile,

quod me propter mea iubes { perpeti facinora, 45 quatenus correpto rursum [ sis mftis post verbera.

Amärum est hoc, sed leve, [ quia pertransibile;

sed amarius et grave, | quod inrevocabile, 48 quo poenarum non est finis | nee dolori requies.

Ardens illic urit flanmia { dampnatorum corpora.

ultra reditum non sperat, | quem fUa susceperit. 51 cuius pavöre tabesco, { liquesco formidine.

Arbiter et testis aequus | ipse dum adveneris

iustam reddere mercedem | singulorum meritis, 54 quo me salvare decemas, | opus non invenies.

Adeo districtum cernens | exämen iudieii

duco vitam in moerore | iugiter et gemitu; 57 iustum iudicem visurus | iam pavesco territus.

17 rigore E, 18 debitor Br. 24 dexteram EG. 25 ualidus E. 28 augis E honera E. 30 re- pendo : refero G, 31 Habes G. 33 iniquo E. 38 aatis G nunc [est] Ärevalo, 41 aetema E. 45 quatinus G uulnera G. 46 hoc est et leve Br. 47 amarus E. 48 quod EG. 49 illa G. 55 A Deo Ärev. 61 A: EG^. 65 dextram G. 69 perimeris E. 71 perdebis EG: tu perdes Br., Abh. d. I. Ci. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. U. Abth. 57

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442

Amärus et pavidus tunc | vultus tuus impiis,

per quem nulliis inpunitus | erit Habens crimiua, . 60 nisi qui läcrimis illa ( nunc vivens absterserit.

A tranquillitate tua { tu numquam mutaberis;

sed mftis parebis iustis, | terrfbilis impiis, 63 quos habuerit de culpa | reos conscientia.

Ab iniquis iustos oranes | segregans velociter

pones haedos ad sinistram ; et agnos ad dexteram. 66 hos aeternae luci dabis, { illos autem tenebris.

Ab fra furoris tui j quis non conturbabitur?

quae a nulla creatura | cohiberi poterit, 69 cum peremeris iniquos | oris tui gladio.

Amputans verbo, non ferro f cervices peccantium

perd^bis in tempestate | festinanter impios, 72 vitae sempiternae iustis | conlaturus praemia,

'Accfpite*, dicens illis, | Vegnum quod paratum est

vobis pro fructibus iustis | et misericordiae^; 75 bis et illis, quae fecerunt, | cuncta tu testificans.

Adstabunt ante tribunal | tuum omnes animae,

quidquid in came gesserunt, | narräntes ad singula. 78 quid pro tarn nefandis raiser { fcriminibus respondeamV

Assertio falerata | iustum nullum faciet;

actus boni tantum facta | non verba recipies, 81 data singulis talenta | cum usuris expetens.

Abäctis et refutatis | excusationibua

en hömo tantum dicetur { et öpera illius; 84 quae praecemens ut meretur ! confestim recipiet.

Arcäna tunc secretorum \ omnis conscientiae

sie lustrabis, velut vultus | cernitur in speculo. 87 heü mihi, qui parebo | peior omni pessimo!

Ad personam non convertes | visum, sed ad merita

nee natalibus insignem, { sublimem prudentia 90 facies tfbi consortem, | sed insontem opere.

Abominäbilis erit | coram te iniquitas;

nuUus enim inmundorum | tibi sociabitur. 93 quomodo tunc fetens hircus | mundis iungar ovibus?

disperdes? festinantes Br. 73 dicet Br. quod om. Br. iustitiae Br, 75 fecerunt G: feciBtis E Br. testificas? 77 gesserit ^r., gesserint in came Ärevalo. 78 tarn pro G Br, nefanda m. crimina^. 79 nullum iustum G. 84 qua G percemens E. 86 vultum £G qui cernitur G convertens Sr, 88 ad (ante merita) am. E. 89 praesentia E. 93 tunc: te G. 96 qui nee ipai EO, qai si iusto Br., etsi iustus forte ÄrevaJ. 97 decemens EG. 101 cogitatiönesque Meyer, cogitatione«

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443

Ante te iüsti nee erit | secüra iustitia, quam si distrfcte perquiras, | et fpsa peccatum est; 96 quin et ipsi nisi parcas, { vae, periciitabitur.

Arguens in veritate ] decernes iudicinm,

et in aequitate tua | iustus vix salvabitur. 99 ubi tunc ego parebo, peccator et impius?

Annalibus reseratis | nudabuntur publice

omnium höminum facta | cogitationesque ; 102 in statera tu librabis | omnia in pondere.

Adpenso bono vel malo, | pars haec operariuui

vindicabit, quam momenti | lances declinaverit. 105 quid ägam, si pondus mali | me laeva iactaveritV

A,iustitia diverti | nullo modo poteris

nee personam acceptabis | nee Ulla munuscula, 108 sed reddes unieuique | iuxta sua opera.

Aspfcient mali iustos, | cum beatitudinem

gloriae promeruerunt, | et dolebunt aeriter, 111 quod non vixerint sie iuste, | ut sie essent liberi.

A dolore in dolorem | nequiorem transient,

cum ^abite, maledieti' | illis ipse dixeris, 114 'in (gnem, qui est paratus | vobis et diabolo.

A requie beatorum, | vita vel eonsortio

se sublatos intuentes | iunetosque diabolo 117 ut aetemis cum eodem { dentur erueiatibus.

Adlevabunt ululatum | et rugitum f inmanem

planetum magnum facientes, { amarum et validum, 120 quäle numquam fuit factum | nee dfetum vel vigiim est-

Ad gentem gens, vir ad virum | peetora pereufcient»

tribus ad tribum et regnum ; contra regnura ferient, 123 viri denique seorsum et seorsum feminae.

Angeli tunc eopulabunt | scelere consimiles.

quos cürsim praeeipitantes { dabunt flammis inferi, 126 ut par poena semper urat, { quos par culpa sociat.

Abfbunt vfta praeeisi > sublatique gaudio

quo perennis erit luctus { dolorque perseverans 129 et consolÄtio nuUa I nee umquam reversio.

ac ittttitiae G et (iustitia) E, cogitatus impii Br, 102 in ante etat. om. G. 104 qua G lünce Br^ declinayerint ? 107 personal ullius munera Br. 108 sed unic. reddes? 110 promeruerimt EG Br, 112 transeunt G. HS maledictis G dizerit Br, 117 cum eodem aet. G. 11 H nJulntu K in- mane CE. 120 neque Br. uel: ncc G est om. Br. 122 contra regnum tm. K. 124 scelefa K 126 par (bis): per E. 127 Abebunt E, Habebunt Br. uitae E Br. 13' resolveiV ploratum Jv.

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A te quisquam non revolvet | prolatimi iudiciura

nee ab illo requiretur, | quem fpse perdideris, 132 ultione sempitema | pravos omnes puniens.

Adeo praerogativa | mitto precum commoda

fundens lacrimas, dorn vivo, { rogans, dum intellego, 135 ne me iuxta mala mea condempnandum censeas.

Aspera sunt, quae peregi, | acerba et gravia;

propter quae si persequi me iustius decreveris, 138 morti debitus et poenae | novi quod repperiar.

Ad iniquitatem meam | si convertas oculos,

facto poenaque condignum { neminem repperies, 141 cum quo me cremandum putes, \ conburendiim censeas.

Ad * scelerum mensuram \ criminuraque copiam

ipsae poenae tartarorum | vix, credo, sufficient, 144 dum nee talia nee tanta | quis iniquus feeerit.

Anxius ob hoc suapiro, | quod fmpie gesserim;

pessimorum peccatorum | saucius sum vulnere; 147 difficile tantis malLs | esse salvus arbitror.

Artor undique pressuris, | conprimor angustiis;

fluctuat mens in moerore, | cor nätat in lacrimis; 150 nee üUa timore multo | requies est animi.

Arvi polique marisque | non tutabor sinibus.

quin et haec ignis ardore | resoluta defluent, 153 ubi me nuser abscondam? | quo ante te fugiam?

Ab inmensitate tua | mundi girus clauditur.

eaelum terramque tu reples | et sine te nihil est. 156 qui placatum te non habet, | iratum quo fugiet?

Agitur mens aegra passim | diversa eonsiderans

nee elucet evadendi | uspiam eflFugium, 159 sed abs te, doraine, fuga | et ad te reversio.

Arma sumens poenitentis, | saceum et cilicium,

pulso pietatis aures, | viscera elementiae, 162 verba fletus et doloris | ingerens cum lacrimis.

Audi preces, et placare, j mens quas aegra parturit,

consideransque dolores | inpende malagmata,

1:11 uJlo (f rpt^uiretur om. Br. quem tu ipae iudicans perdideris Br, 133 A Deo Br. 186 quae e^i G. lueriia E. 137 iuste Br. 138 debitor G Br. reperies Br, 140 que: quae Br. 142 Ad hancacel/j;' niemiira J5? Ad delictorum mensuram JBr. 143 tartarum -E sufficiant 17. 145 Ab hoc A*. 147 aalviiM p:iHe (i. 150 ulla Arevala: ullo EG Br., multa E. 151 Arua E\ arue G maris, om. que, O inUxhöt EG: turbabor Br. 153 ubi ego miser me absc. G. 154 girum E, gyrum Br.^ ginm G AravtUu. 155 reptes JBr., forte regia Arev. 156 quos E. 158 elucet: aluce G effugium G-

I

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165 quia tua sum factura { tuaque plasmatio.

Adhibe, precor, medelam pessimis vulneribus,

profluentia praestringens | vitiorura ulcera, 168 corrupta redintegrando | sanitate perpeti.

Aufer me de luto faecis | peccatorum omnium;

emundare non contempnas, | antequam discutias, 171 et non ero tunc inmundiis, , si me nunc piaveris.

Accipis et peceatores, | sed quos nunc iustificas;

respicis mültos, ut Petrura, | si deflentes poenitent, 174 sicque lapsos ad inferna , revehis ad aethera.

Apud te redemptio eet | et misericordia ;

qua nfsi propitiatus | parcere decreveris, 177 vae mfhi, quod malos omnes | praecedam ad victimam.

Ac per hoc öpto misellus, ] nee fuissem genitus,

quia et lux ipsa praesens | iam mihi tenebrae sunt, 180 aetemae dampnationis | pavendo pemitiem.

Boni nihil habiturus, | quod' mälis obieiam,

poenarum metu quassata | tremit conscientia, 183 dum forraidat infinita ' suWre discrimina.

Bone deus, perituro | nunc, exoro, subveni,

nunc et ab Ira perenni | et a raorte libera, 186 ut, quem iustftia punit, | tu salves dementia.

Benfgne päter, ignosce, quod agnoscens fateor;

pronüntio malum meura, | non, vfndex, operio; 189 excipe professionem ] et da indulgentiam.

Bonitatis pietate | multis non merentibus

gratis peccäta dimittens | indulsisti veniam. 192 mihi non defraudes uni, quod dedisti plurimis.

Blandftus confessione | placäris humilium

et ad ignoscendum cito | flentis voce flecteris, 195 poenitentis adsuetus | consülere lacrimis.

Brevis non est manus tua, | ut praestare nequeat;

multus es ad ignoscendum; | hinc indulge, clamito. 198 miserere, ne disperdas; | parce, ne interimas.

Biplici, quaeso, flagello [ noli me percutere;

159 et a te G. 165 tuque G. 167 perstringes E. 168 redi integrando E sanitati E perpetim G. 169 me de lato: medulato £*. 170 et mundare G. 174 ad: ?Lh E. 17G qua nisi: quasi, nis.l.E, quia nisi G, quam nisi Br, 177 praec. omn. E. 178 nee (=ne quidem?) EG, ne Br. 179 prae- sens om, G sunt om. G. 180 'paveo forte Arevalo pemetiem G. 182 tremet E, treme G in ras. 184 subv. exoro J5r. 186 tua E. 190 pietatem Br. moerentibus Br., raer. Arevalo, 191 grauia 6^. 192 mihi ow. Br. quod tu dedisti quam plurimis Br. 194 et om. Br. citius Br. flentes G. 196 ne-

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■^'I^^H

446

suspende paululum iram; | habe patientiam, 201 quia multum ego miser. | sed tu plus raisericors.

Conversus ad pietatem { restftue gratiam;

vitam cum peccato simul , ne veli« exidnguere; 204 serva benedictionem | receptandae veniae.

Camem pro peccato suo, { quantum placet, adtere;

piagas enim temporales j Ubenter excipiam; 207 precor tantum, ne perennes | indignatus inferas.

Doloribus hie afflige, | moeröribus affice;

per flagella modo purga, | ne futuro puuias; 210 camis poena, quae deliquit, | redimatur anima.

Deceme clementer pie perditum requirere,

mira qui benignitate ; abiectos recolligis 213 et aversos reconvertis, | aberrantes corrigis.

Errasse me dudura plango | profänus et prodigus,

meretricio amore | bona perdens patria; 216 hinc ad te vilis, egenus | et percussus remeo.

Ego me indignum loco j filiorum clamito,

quod pateiiiitatis tuae { renuens adroonita 219 vagus perquaquam defluxi, | cucurri per avia.

Feci malum miser ego | in insipientia;

provocavi te ad iram | duris facinoribus, 222 quibus rite constematus j magno luctu conteror.

Fletibus tamen revertor | confitendo poenitens;

aufer indignationem | culpae factus inmemor 225 et patema pietate ] sume, precor, errulura.

Grassari si tamen adhuc \ plagis me diiudicas,

feri me, sfcut quos amas, | castfga et argue, 228 sed clementer ut emendes, | non ut interficias.

Graves ut culpae merentur, | non ita desaevias;

tempera severitatem, ; desine percutere, 231 iugi ne pläga contritus desperem et peream.

Hoc interdum te deposco, { ne temptationibus,

quibus subfnde pervertor^ | violenter obruar; 234 victus ne mfeer succumbam, ; da, pr&or, auxilium.

queas Br. 197 hinc om. G. 199 iblici G. 203 uita E. 209 ne in fut. Br. 213 que EO aversw Arevalo: aduersos EG Br. oberrantes G Br. 214 prophanus 6r, pollutus Br. 216 vilis et egenus remeo, perc om. G. 218 rennuens E monita G. 219 perquaqua E, per quaequam Br. 220 in- sipieutiam E. 222 rite EG : digne Br. 225 precor emilum E, pater erulum (?, precor erro- neutn Br.\ emilum coniecit Arevalo. 226 Grassari: punire Br. 227 feri: fer JBr. amas: diligiaBr. 228 ut non interf. E. 230 serenitatem G. 231 iugi:. usque Br. 233 obruat EG. 234 auxilium

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44t

Herudiri me tantundem, | non permittas decipi;

nam sufiFerre temptamenta | daemonum non potero, 237 si desieris eorum { frenäre malitiam.

Inde te, benigne deus, | adclfnis efflagito,

quantuluni eümque placare, | ut et hie indulgeas; 240 nam longa poena subactus | miser valde factas mm.

In dolore sempiterno | carnem ne constituas,

ut crudeliter exire | conpellatur anima. 243 da cruciätibns finem, | requiescat spiritus.

Karpe nioras, visita me, | immo veni, libera,

'surge* dieito captivo, | *prodi foras* misero. 246 revela cärcere trusum, | pande iam absconditum.

Kapnt et reliquos artus | aqua munda dilue

atqne internos squalores | gratia purifica, 249 cunctis ut abire sinas ; defectum feracibus.

Lugeo confusus mala, | quae gessisse memo^o;

fundo preces et laraenta ) contristatus animo. 252 preeor, optatara ne neges | poenitenti veniam.

Lacrimae contra peccatum | non qufdem sufSciunt,

sed quod non väleo parvis | expiare fletibus, 255 oro, pietate demas, | abluas dementia.

Miseratione tua | fac iüstum ex impio,

fulgidum de tenebroso, | nit^ntem ex horrido, 258 innocentem ex iniquo, | viventem ex mortuo.

Miseratus iam omitte | noxas mihi criminis,

eripiens plasma tuum | de manu diaboli; 261 memento figmenti tui | et esto placabilis.

Manus tuae me fecerunt, | formaverunt digiti;

corpus in ventre matemo | per membra delineas, 264 tua yirtute creatam | quo clausisti animam.

Ne des in ruinam mortis ( opus tuum, domine,

propter eamäle peccatum, | quod lamentis elui. 267 possfbile praedixisti | atque veniabile,

Nullum perfre protestans, ] quamvis gravi crimine

E Bt.: ueniam G, 235 Herudire (=erud.?) me tantundem uon E, herudire (re eraa,) me tandem non 6r hen dire me tandem preeor ne Br.; tantundem = tantum? 237 Desiderii eorum malitiam refrena Br. 238 adclines E, acclivis Br. 240 nam et sum : ne et sim Br. 242 ut : et EG, ne Br. comp, exire G, 244. Carpe mores Br. 246 releva Br. 247 Kapud EG. 248 atque: et EG. pnrif, gr. Br, 249 abira E fer actibus G. 250 meraoror G Br. 252 oblatam Br. ne om. E. 253 contra: propter G, 254 non om. E. 257 de om. G. 259 mihi nox&a E. 263 dilaniens m. 7, dilineas m. 2 E, deliniens G. 264 quod E animum G. 265 ruina E. 267 atque vae rairabile Br^

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camäliter polluatur; | si redeat poenitens 270 et non haesitet in fide, sumi posse veniam.

Nuntians per te et tuis | missis et discipulis:

^poenitemipi, caelorum | prope regnum factum est 273 et ömnis peccati datur | in Chrfsto remissio*.

Non in multis iustis ita | te gaudere perhibes,

ut in uno poenitente | peccatis erroneo 270 *veni quaerere, salva^e^ | dicens, 'quod perierat*.

Nulla tarn gr^dis est culpa, { cui non sit venia.

omne facinus peccati | delet poenitentia, 279 si reiectis malis quisquam ! sanus hanc peregerit.

Nulluni est mälum quod nequit | aboleri lacrimis.

omne peccatum dixisti | dimitti hominibus 282 Spiritus * tantum sancti | excepta blasphemia.

Numquid fixum verbi tui | solvetur propositum?

absit hoc, dömine deus, | ut repellas quempiam, 285 qui post malum resipiscens | te conversus sequitur.

Obice benignitatem { et vince malitiam;

praebe moram poenitendi, | tempus mortis dilata; 288 fac, ut Salus subsequatur, | non töllat interitus.

Omnmo confidens credo, | quod nolens perire me

subiecisti me flagellis, | quibus resipiscerera, 291 ut abominando culpam | redirem ad gratiam.

Placeat, Chrfste, dampnatum | reparare naufragum;

de interitus errore | te quaerente redeam 294 atque de maligno dignus | efficiar famuhis.

Peccävi tibi peccavi | et deliqui nequiter,

sed conversum noli perdas | et quae posco tribuas, 297 ut me mundes ante mortem | et dum vivo redimas.

Quis fuerim ne requiras, | sed quis esse cupio;

veteri culpa ne quaeso { reputes dampnabilem; 300 ceme corrigendi votum | et relaxa debitum.

Quamquam de reatu facta { sit mihi confusio,

novi, quod de fine quemquam, | at non de principio 303 aut pro bono tu corones | aut pro malo iudices.

Recipe, dömine pater, fuga lapsum servulum;

270 ^ummi E. 271 pro Br. et post missis om. E. 275 in unum uno w. 1, E penitentem peccatis erroneum EG, in uno erroneo peccatis erroneo turpissimo Br. ; cf. orat pro corrept. fin. 276 ve- nires G v. quaerere et salv. EG Br, dolenB Br. 279 haec G. 282 deeat syllnha; Pforte In spiritom tantum sanctum' Arevalo blasfemia G. 283 tui om. G. 286 bonitatem G Br, 290 me om. Br. 296 nolo Br. 301 facta G: facti E Br. 302 at: iam E, nam G, 303 Aut: Vi G ta (m. ^^

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tolle mortem poenitenti, | te precantem libera, 306 et cum electis ad vitam | agni libro renota.

Reprobari me ne sinas, | quem pro meis meritis

ingenti pressura polis | et limas diutius, 309 sed quem viventem castigas, | recipe post obitura.

Solve, Christe, vincla pedum, | ligamenta criminum; -

resera Ifmen obscurum | tenebrosi carceris; 312 redde iam lüci sepultum, | peregrinum patriae.

Tolle furörem perennem | ab änimo principis;

te propitiante fiant | iam mfhi placabiles, 315 quos adversos diuturna | miser ira tolero.

Veni, Jesu, ne tarderis, | mors äntequam rapiat,

fessum de pulvere leva, | tibi reconcilia; 318 lacrimas iüges absterge, | cor triste laetifica.

Christe, qui diVersitate | gratiarum dives es,

fructum et meritum, precor, | ut viventi tribuas, 321 ne me sterilem praecemens | succldas in posterum.

t Vacare post malum bonum | me permittas, obsecro;

habeam münere tuo | conläta quae offeram 324 quibus a la^va sublatus | transeam ad dexteram.

Zabulo me ne coniungas { ad mortem cum impiis

nee in tartari baratro | patiaris obrui, 327 qui venisti te credentes | de morte redimere.

Gloriam iam vigil canam { alfabetum finiens

tibi patri filioque { inclito paraclito 330 cui laus est et potestas | per aetema saeeula. Amen.

Coronas E iadicas E, 304 famulum Br. 805 morti poenitentem E prec. te O, 306 revoca Br, 307 non E. 309 fatigas E Br, refice E, 311 lumen E. 313 principis = diaboli; «n scrib, daemonumV 314 mihi iam E. 315 raiseria O, 317 tibi: et me Br, 320 at om, Br, uiuentem E, contribuas Br, 321 percemeas G, proc. Br, 322 bono?, Yacera post multa bonum ne G, Macerari rae post mala ne Br, 324 2li e E dextram G. 325 non Br, 326 baratrum E, 327 in te G, 328 Gloria E, 330 est: erit Br,, om, GE per: in G, Amen om, G, In E aequitur Ex- hortatio sine tittdo; in G aequitur: Incipit Orat. cuius supra pro correptione vitae et propter flenda semper peccata. Dens omniam mirabiliam etc.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. H. Abth. 58

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TJebersicht.

I. Die Anfinge der lateinisehen Rjthnik S, 267—807: Die gewöhnlichen Ansichten über die Entstehung der lat. Bythmik S. 267. In den quantitirend gebauten Spottversen ist der Wort- accent nicht beachtet S. 269. In den alten Bythmen Hlllt der Wortaccent nicht mit den betonten Stellen des quantitirenden Schemas zusammen S. 271. Bau der longobardischen rythm. Hexa- meter S. 276, der sechszeiligen Bäthsel S. 278 und Beilage III, der Exhortatio poenitendi und des Lamentum S. 282 und Beilage IV, yon Augustins Psalm S. 284, endlich von Commodians Carmen apologeticum S. 288—306 (Silbenzahl und Halbzeilen S. 289, Prosodie und Hiatus etc. S. 290, Quantit&t S. 291, Scheinprosodie S. 295, Schlüsse der Halbzeilen S. 296, Anfänge der Halbzeilen S. 297, Beobachtung des Wortaccentes S. 300, Akrosticha und Beim S. 308, Paargesetz S. 304).

II. Die Anfänge der grieehiseben Rytbmik S. 808- 862: Hymnus des Methodius S. 309. Die beiden rythm. Gedichte Gregors von Nazianz S. 313 und Beilage No. I. Die gleichzeiligen rythm. Gedichte der Griechen und der Taktwechsel S. 316—326 (die Betonung der Silben S. 318, Gedicht des Kaiser Leo S. 320, des Photius S. 322. Andere gleichzeilige Gedichte S. 323. Poli- tische Verse S. 325). üeber die künstlichen Strophen der griech. Kirchenlieder S. 326 357: Die Kurzzeilen S. 329. Die Langzeilen und Absätze S. 332. Wiederholung der musikalischen Sätze S. 334, besonders in den Prooemien S. 336, dann in den Hymnen selbst S. 339. Freiheiten im Bau der Strophen S. 345—850 (in der Silbenzahl S. 846 und Beilage H, in der Betonung S. 847, in der Verbindung der Kurzzeilen S. 348). Beispiel für diese Regeln S. 851. Reim und Akrosticha in den griech. Strophen S. 855. Die darnach gebildeten lateinischen Sequenzen S. 357 362.

ni. Ursprung der lateinischen und der grieeliischen Rytbmik S. 868—899: Ursprung der griech. Hymnenstrophen S. 363 —369 (ihr Bau nicht erst von Pitra oder Christ entdeckt S. 363, ihr Ursprung nicht altgriechisch S. 364, sondern syrisch S. 366. Betonung der syrischen Verse S. 367). Ursprung der gesammten latein. und griech. Rythmik aus der semitischen S. 369 879 (die Formen sind nicht einheimischen Ursprungs S. 370, sondern semitischen S. 372. Versbau der Psalmen S. 873. Bardesanes S. 375 und Ephrem S. 376. Ursprung des Reims S. 377). Die erste Entwicklung der latein. und griech. Rythmik S. 3S0. Die Fortentwicklung des Reims in den latein. Ländern S. 882. Fortentwicklung der griechischen und lateinischen S. 386, der romanischen und deutschen Rythmik S. 387. Zusammenstossende Hebungen in den musikalischen und in den logi- schen Sprachen S. 391, Folgen hieven für die prosaische und für die dichterische Rede S. 898. Schluss S. 396.

Beilagen. I. Die rythmischen Gedichte des Gregor von Nazianz S. 400 (vgl. S. 313). II. Altes griech. Kirchenlied S. 410 (vgl. S. 346). III. Sechszeilige Räthsel in rythm. Hexametern S. 412 (vgl. S. 278). IV. Exhortatio poenitendi und Lamentum S. 431 (vgl. S. 282).

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Platonische Studien

von

W. Christ.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth.

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Platonische Studien.

Ich liebe es sonst ohne langes Vorspiel direkt auf die Sache loszu- steuern; dieses Mal aber möge es mir gestattet sein meine Untersuchungen mit einigen persönlichen Bemerkungen einzuführen. Ich bin nicht als Platoniker in der philologischen Literatur bekannt, und manche meiner Freunde werden, wenn sie überhaupt von meinen Arbeiten Notiz nehmen, bei der heutzutag ins Ungemessene gehenden Arbeitsteilung sicli ver- wundernd fragen, wie ich denn von Homer und Metrik und Sprachver- gleichung nun plötzlich zu Plato komme. Nun so ganz fremd ist mir seit den Studentenjahren der erhabene Begründer der idealen Weltanschauung nicht geblieben, wenn ich auch bisher über denselben noch nichts ge- schrieben habe. Spengel, Prantl und Trendelenburg haben auf der Universität mich zum Studium der griechischen Philosophie begeistert, und wenn ich mich auch zunächst an Aristoteles hielt, dessen nüchterne* fast möchte ich sagen radikale Strenge der Beweisführung mich in höherem Grade fesselte und mir überdies ein ergiebigeres Feld eigener Forschungen zu bieten schien, so habe ich doch darüber den göttlichen Plato keineswegs ganz vernachlässigt. Später freilich führte mich das Streben das Altertum nach den verschiedensten Seiten kennen zu lernen, auf andere Gebiete der philologischen Thätigkeit, so dass ich Jahrzehnte lang nur vorübergehend bei Plato einkehrte und da nur einzelne Schriften des grossen Philosophen las. Erst vor anderthalb Jahren brachte mich meine akademische Lehrthätigkeit wieder mit Plato in nähere Berührung, 80 dass ich seit dem meine volle Mussezeit dem Studium der Schriften und des geistigen Entwicklungsganges Piatos widmete. Ein Amerikaner

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Namens Shorey kam, von einem meiner älteren amerikanischen Schüler Dr. Sterett empfohlen, hieher, um mit meinem Beirat eine bereits entworfene Dissertation über den ontologischen Gehalt der platonischen Ideenlehre ^) zum Abschluss zu bringen. Ich ersah bald, dass der junge Mann in ganz anderem Grade, als wie wir es an unseren deutschen Studenten zu erleben gewohnt sind, in seinen Klassikern zu Hause war, imd dass er insbesondere jede Schrift des Plato und fast jede Stelle derselben im Geiste gegenwärtig hatte. Da galt es denn für mich selbst wieder fleissig den Plato zu lesen und auch vor dem Domengestrüppe der dialektischen Dialoge Parmenides und Sophistes nicht zurückzu- schrecken. Und als ich dann in den verflossenen Herbstferien auf meinem Tusculum in Agatharied wieder ganz mir und meinen Studien zurückge- geben war, las ich in der Züricher Ausgabe den ganzen Plato in einem Zuge durch und setzte darauf an der Universität in Vorlesungen über Plato und Aristoteles und in Interpretationsübungen über Phädrus und Theätet .meine platonischen Studien fort. War nun dabei auch mein Streben zunächst darauf gerichtet, den Plato selbst genauer kennen zu lernen imd im Verkehr mit dem erhabensten und feinstgebildeten Denker aller Zeiten geistigen Genuss zu finden, so konnte es doch bei einem Philologen, wie ich nun einmal einer bin, nicht fehlen, dass auch allerlei philologische Späne mitabfielen und ein und der andere Excurs in die speciell literargeschichtliche Seite der platonischen Schriftstellerei gemacht wurde. Einige Ergebnisse dieser philologischen Nebenthätigkeit, die mir der Veröffentlichung nicht unwert schienen, habe ich auf den folgenden losen Blättern zusammengestellt und zwar im Gegensatz zu der gerade bei Plato Mode gewordenen Breite in knapper einfacher Form. Diese Einleitung aber habe ich vorausgeschickt, damit die Kenner Piatos mich entschuldigen, wenn sie die platonische Literatur nicht in genügender Weise berücksichtigt finden und vielleicht auch auf Dinge stossen, die, als neu von mir vorgetragen, ihnen selbst längst bekannt sind.

1) Dieselbe ist inzwischen unter dem Titel erschienen, de Piatonis ideamm doctrina atqae mentis humanae notionibus. Monachii 1884.

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455 1. Thrasyios und Derkyllides.

Wir haben bekanntlich bei Diogenes III 56 flf. die Notiz, dass die Schriften Piatos zuerst von dem alexandrinischen Grammatiker Aristo- phanes von Byzanz nach Trilogien, dann von einem gewissen Thrasyios nach Tetralogien geordnet wurden. Wer dieser Thrasyios gewesen sei oder wann er gelebt habe, sagt uns weder Diogenes noch sonst ein alter Schriftsteller. Gewöhnlich (und so auch C. Fr. Hermann in dem bekann- ten Buche, Geschichte und System der platonischen Philosophie S. 358 und 560) versteht man unter jenem Thrasyios den Astrologen ThrasuUus, der allen aus der Geschichte des Tiberius bei Tacitus ann. VI 20 bekannt ist. Aber Tacitus spricht nur von einem Astrologen, der den Tiberius in Rhodos in die scientia Chaldaeorum artis eingeweiht habe, und seine ganze Erzählung lässt uns an alles andere eher als an einen platonischen Philosophen oder Grammatiker denken. Auf Identificierung des Ordners der Schriften Piatos und des Astrologen Thrasyios führt nur eine Notiz in den alten Scholien zu Juvenal sat. VI 576: Thrasillus multarum artium scientiam professus postremo se dedit Platonicae'sectae ac deinde mathesi, in qua praecipue viguit apud Tiberium, cum quo sub honore eiusdem artis familiariter vixit. Aber das ist immerhin eine untergeordnete Quelle, und jedenfalls kann ich das bestimmt beweisen, dass die dem Thrasyios zugeschriebene Einteilung der Werke des Plato schon über 60 Jahre vor Tiberii^s existierte. Bei Varro de ling. lat. VII 37 lesen wir: Plato in quarto de fluminibus apud inferos quae sint, in his unum Tartarum appellat. Hingewiesen ist, wie man längst gesehen, auf den Phaidon des Plato p. 112 sq.; aber was soll das Plato in quarto? Scioppius griff frischweg zur Emendation und schrieb, da es 4 Flüsse der Unterwelt bei Plato gibt, Plato in quatuor fluminibus; ihm ist neuerdings Otfr. Müller gefolgt. Ich bin in der neuesten Ausgabe der varronischen Schrift, welche unser A. Spengel nach den Papieren seines Vaters besorgt, für die Ueberlieferung in IIII o, d. i. in quarto sc. libro eingetreten. Denn sie ist nicht bloss erklärbar, sondern gibt ims auch einen wichtigen Fingerzeig für die Ordnung der platonischen Schriften in der Zeit Varros an die Hand. In unseren Handschriften ^) und Ausgaben nämlich folgen die Werke

1) Siehe darüber Schanz, Studien zur Geschichte d. platonisch. Textes, Würzburg 1874, S. 13 ff.

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Piatos in folgender Reihenfolge aufeinander : Evd^ixpifiav , anoloyLa JScDxgdrovg, ÄTptTCüv, <i>aido}v etc., nimmt also der Phaidon die 4. Stelle ein. Dieselbe Stelle hatte dieser Dialog aber auch bei Thrasylos nach dem Zeugnis des Diogenes, während er bei Aristophanes erst an 14. Stelle stund. Varro folgte also einer Ausgabe des Plato, in der die Schriften in derjenigen Reihenfolge geordnet waren, welche Diogenes dem Thrasylos zuschreibt, und nannte dabei die einzelnen Dialoge ganz sachgemäss Bücher.^) Demnach war entweder der Platoniker Thrasylos, der die Werke Piatos in Tetralogien teilte, verschieden von dem Astrologen Thrasullus unt^r Tiberius, oder es war Thrasylos nicht der erste, der jene Einteilung vornahm und speciell den Phaidon an vierte Stelle setzte. Für die letz- tere Annahme spricht, worauf mich mein Freund Meiser aufmerksam machte, dass der Commentator Albinus, isag. c. 4, die tetralogische Gliede- rung der Dialoge Piatos auf zwei Gewährsmänner, Thrasylos und Derkyllides, zurückführt und dabei den Derkyllides vor dem Thrasylos nennt. Billigt man also den zweiten Teil der Alternative, so erhält man zugleich ein erwünschtes Zeugnis für. die Lebenszeit des Derkyllides, der demnach vor Varro müsste gelebt haben.

2. Aristoteles und die alte Unterscheidung platonischer Schriften.

Diogenes 111 49 berichtet uns auch von einem alten, dem Thrasylos offenbar schon vorliegenden Versuche die Werke Piatos nach ihrem Inhalt und ihrer Darstellungsform zu charakterisieren und zu scheiden. Das dort angegebene Schema ist:

/\ /\ /\ /\

/ \ , ./ \ / \ . / S

fpvaixoi Xoyixoi ijS^txoi nokiuxoi fAuuvitxoi nuQa<ntxoi ey6etXTtxoi avatgentuoi

1) Nachträglich sehe ich, daes meine Weisheit sich nur den Neueren gegenüber mit dem Schein der Neuheit umkleiden kann, dass aber von den älteren Gelehrten schon Victorius var. lect. XVIII 2 und nach ihm Wyttenbach im Commentar zu Piatos Phaidon p. 313 in ganz gleicher Weise das Plato in quarto auf die 4. Stelle, welche der Dialog Phaidon in den tetralogisch geord- neten Werken Piatos einnahm, gedeutet haben.

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Auf eine Kritik dieser durch Thrasylos Ausgabe auch auf unsere Handschriften übergegangenen Gliederung der platonischen Dialoge wollen wir nicht eingehen ; wir wollen nur anführen, was bisher scheint übersehen worden zu sein, dass sich die Anfänge jener Einteilung bis auf Aristoteles hinauf verfolgen lassen, nur dass dieser für V(f>r^rfti7cri einen anderen synonymen Ausdruck, yywQiarixi^^ gebrauchte und den später zur Be- nennung einer Species angewendeten Namen neigaarixi^ zur Bezeichnung der Gattung hinaufzog. Ich beziehe mich dabei auf die Stelle in der Metaphysik III 2 p. 1004^ 25: tibqI xo avrb yivog ar^eiperai ^ aoipiOTixri xat ri dialBXTixrj rfi (piloao(picc , dllä diatpsQBi rijg fi&v T(p r^fOTKp rfjg dxjva/xBOjg, rrjg ^i rov ßiov Tfj TiQoaiffiaei , sari St 17 Siakexrix^ nsi^a- axixri, tibqI oyy fi (piXoaotpLa j^vioqiot ixrj, ^ Si aocpiariXTj (paivojusvrjy ovaa (foij. Den Ausdruck nsiQaazixi^ gebraucht der Stagirite überdies noch öfters in der Topik teils synonym mit SiaXexzixri, wie p. 172* 31 und 183* 39, teils zur Bezeichnung einer Art der Dialektik, wie p. 166' 39, 169^ 26, 171^ 4.

Es dürfte aber diese Unterscheidung der fiid^oSog yvcoQiojixi^ und nBiQaoTixri bei Aristoteles um so mehr auch für platonische Lehre und Schrift Bedeutung haben, als auch sonst sich viel mehr unter der Ober- fläche liegende Beziehungen zwischen den zwei grossen Philosophen finden, als man gemeiniglich annimmt. Ich will auf die Gefahr hin, der Kleinig- keitskrämerei geziehen zu werden, auf ein paar übersehene Aeusserlich- keiten aufmerksam machen.

Bonitz in dem trefflichen Index Aristotelicus bemerkt zu Ko^Loxog usitatum nomen ad significandum quemlibet hominem, so dass Koriskoa eine ähnliche Bedeutung bei Aristoteles wie Gaius bei den römischen Juristen gehabt zu haben scheint. Aber beachtet man die Verbindung von Koriskos mit Sokrates de gen. p. 768* 1 und met. p. 1037* 7, daa Beispiel der Physik p. 219^ 20 ol aoipiaral kafißdyovaiv hsQoy rb KoqIoxov iv AvxBiip elvai xal rb Koffiaxov iv ayoQ^ und den wiederholten Gebrauch von Koriskos zur Bezeichnung eines äv&Qianog fiovaixog (anal. p. 84* 24, met. p. 1015^ 17, 1026^ 18), so scheint jenes Phantom eines unbestimm- ten Beispielsnamen doch schon bestimmtere Umrisse anzunehmen. Die Sache hellt sich vollständig auf, wenn wir den 6. Brief des Plato heran- ziehen, wonach Koriskos zum Kreise der Schüler Piatos gehörte und mit

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Hermeias, dem Freunde und Gönner unseres Aristoteles, enge befreun- det war.

In der Metaphysik IV 5 p. 1015' 25 gebraucht Aristoteles für das drayxalov ov ävBV ro ayad^ov /lltj iy^ex^rai rj elvai ^ yereaS-ai als Beispiel To nXivaai elg Alyivav iV* dnoXdßf] rd xü^l'^^^^* ^i© kommt hier Aristoteles dazu, Aigina als den Ort zu bezeichnen, wo man Geld in Empfang nimmt? Vielleicht hängt damit eine Stelle aus den PoHtien des Aristoteles fr. 436 zusammen, die uns durch den Lexikographen PoUux IV 174 und IX 80 erhalten ist, wonach 1 äginäischer Obol das Aequivalent zu einer sikilischen Litra war. ^) Aber damit ist doch noch nicht der eigentliche Grund jener Anführung des Beispiels gegeben, son- dern höchstens nur ein Wink, der uns auf das Richtige führen kann. Der Wink führte mich auf den 13. Brief des Plato, der uns einen Aegineten Andromedes nennt, welcher so eine Art Banquier des Königs Dionysios von Syrakus gewesen zu sein scheint, und zu dem Plato zu schicken pflegte, wenn er in Gelcjnöten war, um mit dem auf Dionysios gezogenen Wechsel der Ebbe in seiner Kasse abzuhelfen.

Ist es endlich, um einen dritten Beleg anzuführen, reiner Zufall, dass Plato seinen Schüler auf dem Throne, den jüngeren Dionysios, zur Gründimg neuer Städte in Sikilien anspornte, offenbar um in den neuen Gründungen seine politischen Ideale, wie er sie in der Republik und besonders in dem zweiten Teile der Gesetze (Buch 3 12) entworfen hatte, zur Verwirklichung zu bringen, und dass auch dem Aristoteles in dem Verzeichnis des Diogenes eine Schrift ^AU§avdQO(; fj vmQ dnoixidv beigelegt wird?

3. Die Trilogien und Tetralogien des Plato.

Wie bereits im 1. Kapitel angeführt, hat der alexandrinische Gram- matiker Aristophanes von Byzanz die Werke des Plato nach Trilogien, der Platoniker Thrasylos hingegen, und, wie wir oben S. 456 sahen, schon vor ihm Derkyllides, nach Tetralogien geordnet. Da wir noch öfters im Verlaufe dieser Abhandlung auf diese Klassifikation zurück- kommen müssen, wird es sich verlohnen, hier gleich die vielbesprochene

1) Siehe Haltsch Metrologie 2. Aufl. S. 192 and 660.

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Einteilung beider Herausgeber zusammenzustellen. Aristophanes also nahm 5 Trilogien an:

1) Politeia, Timaios, Kritias,

2) Sophistes, Politikos, Kratylos,

3) Nomoi, Minos, Epinomis,

4) Theaitetos, Euthyphron, Apologi'a,

5) Kriton, Phaidon, Briefe.

Die übrigen Dialoge ordnete er nicht zu Trilogien zusammen, son- dern Hess sie gesonderte Werke für sich bilden (ra ^*äki.a xad^ iv xal araxTiog Diog. III G2).

Thrasylos legte der Einteilimg Tetralogien zu gründe und fügte damit als den späteren Ordner sich kundgebend alle von ihm als echt anerkannten Werke des Plato in dieselben ein auf folgende Weise:

1) Euthyphron, Apologia, Kriton, Phaidon,

2) Kratylos, Theaitetos, Sophistes, Politikos,

3) Parmenides, Philebos, Symposion, Phaidros,

4) Alkibiades I, Alkibiades II, Hipparchos, Anterastai,

5) Theages, Charmides, Laches, Lysis,

6) Euthydemos, Protagoras, Gorgias, Menon,

7) Hippias mai., Hippias min., Ion, Menexenos,

8) Klitophon, Politeia, Timaios, Kritias,

9) Minos, Nomoi, Epinomis, Briefe.

Vieles ist, was uns in diesen Anordnungen verdächtig erscheinen muss und was uns bestimmen könnte das ganze System der Ordnung der Werke Piatos nach Trilogien und Tetralogien für die klügelnde Erfindung späterer Grammatiker anzusehen. Die Briefe, selbst wenn sie echt sind, wollte Plato selbst gewiss nie mit Dialogen zu einem grösseren Ganzen zusammengefasst wissen. In beiden Einteilungen finden sich Werke, wie Minos und Epinomis, die zweifelsohne nicht von Plato her- rühren und erst von den Nachfolgern dem Haupte und Stifter der Schule untergeschoben worden sind. Und schon der Umstand, dass der eine der Herausgeber oder Pinakographen ^) von Trilogien, der andere von Tetra-

1) Diese Alternative muss ich nämlich gelten lassen, so gerne man auch gerade bei einem Grammatiker wie Aristophanes an die grammatische Thätigkeit eines Herausgebers ausschliess- lich denken möchte.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 60

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logien ausging, scheint gegen die Echtheit der beiden Einteilungsgründe zu sprechen. Und doch kann kein Zweifel darüber bestehen, dass schon Plato mehrere Dialoge zusammen herausgab oder zu einem grösseren Ganzen verbunden wissen wollte. Denn ganz unzweideutig hat der Philo- soph selbst durch den inneren Gedankengang und die äussere Form der Einkleidung angedeutet, dass er den Theaitetos mit dem Sophistes und Politikos, und ebenso die Politeia mit dem Timaios und Kritias zu einem grösseren Ganzen vereinigt und den Schülern zum Lesen hintereinander empfohlen wissen wollte. Die Sache ist so evident und schon so vielfach besprochen, dass es nicht notwendig ist hier noch ein Wort des Beweises hinzuzufügen. Nur das möchte ich einschränkend bemerken, dass deshalb die drei von Plato zu einem Ganzen vereinigten Dialoge nicht auch unmittelbar hinter einander geschrieben zu sein brauchen. Umgekehrt hat es grosse Wahrscheinlichkeit, dass die Abfassung der Politeia und vielleicht auch die des Theaitetos von ihren zwei Genossen durch die Kluft eines längeren, mehrere Jahre umfassenden Zeitraumes geschieden sind. Aber das vermag ja natürlich nicht die offenbaren Zeichen des engen inneren und äusseren Zusammenhanges umzustossen: Plato schrieb nicht in einem Zuge und erhielt sich wesentlich auch dadurch frisch, dass er nicht immer an demselben Strange zog, sondern eine belebende Abwechselimg zwischen die verschiedenen Seiten seiner literarischen Thätig- keit treten Hess.

Auch den Euthyphron, die Apologie, den Kriton und Phaidon wollte Plato zweifelsohne zu einem Ganzen verbunden wissen; das hat er, wie bereits Albinus isag. c. 4 treffend bemerkt, durch die Scenerie sattsam angedeutet, indem er den Euthyphron vor dem Gerichtssaal der Stoa, die Apologie in dem Gerichtssaal, den Kriton im Kerker und den Phaidon unmittelbar vor dem Tode des Sokrates spielen Hess. Die 4 Dialoge bilden offenbar die 4 Scenen eines der ergreifendsten und erhabensten Dramen der Welt, des tragischen Geschickes des weisen und edlen Sokrates. Auch das ist gewiss nicht zufällig, dass der erste jener vier Dialoge sich um die Gottesfurcht (nef)! evaeßeiag) dreht, auf dass die Tetralogie und die ganze Reihe der platonischen Werke nach altem frommen Brauche mit der Spende an die Gottheit beginne.

Weniger eng zusammengekettet sind die 3 kleineren Dialoge Char-

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mides Laches Lysis, indem hier die Scenerie nicht auf dieselbe Zeit verlegt ist und nur die Aehnlichkeit der Form und die Verwandtschaft des Inhaltes auf eine engere Zusammengehörigkeit hinweisen^). Wahr- scheinlich ist hier der Grund der Zusammenordnung ein äusserlicher, ein buchhändlerischer. Jeder der 3 Dialoge ist zu klein, als dass er für sich passend ein Buch gebildet hätte; alle 3 zusammen sind nicht viel grösser als der Phaidros und Protagoras und stehen sogar an Umfang dem Gorgias und Timaios nach. Das mochte der Anlass sein, dass die- selben frühe und wohl schon zu Piatos Zeit zu einem Bande vereinigt wurden^, wie das gleiche nasch weislich auch bei den Reden des Lysias und Demosthenes geschehen ist^). Vermutlich hatte derselbe äussere Umstand die Vereinigung des Euthyphron, der Apologie und des Kriton zu einem Buche herbeigeführt, noch ehe Plato in gereifterem Alter jener Trilogie als viertes Stück den Phaidon zufügte. Das letztere Verhältnis lässt uns denn auch die Bedenken zerstreuen, die uns aus dem Wider- streit der beiden Systeme, der Ordnung nach Trilogien und der nach Tetralogien, zu entstehen schienen. Plato hatte offenbar anfangs nur die Apologie und den Kriton kurz nach einander zum ehrenden Andenken an den grossen Lehrer und zur Verteidigung desselben gegenüber den gottlosen Anklägern und den sophistischen Verteidigern des Justizmordes geschrieben. Später fügte er den Euthyphron hinzu und schuf so die erste geschlossene Trilogie; noch später als er sich bereits über

1) Dem Inhalt nach berührt sich mit dem Charmides und Laches auch der Theages, indem alle drei Dialoge den Eltern die Schule des Sokrates für ihre Söhne empfehlen wollten. Wenn derselbe aber erst von Thrasylos mit jenen drei Dialogen zu einem Ganzen vereiniget wurde, so lag der Grund davon wohl darin, dass die älteren Kritiker den läppischen Dialog nicht für echt hielten.

2) Wenn Plato selbst jene 3 Dialoge in der feststehenden Reihenfolge Charmides Laches Lysis zu einem« Buche vereinigte, dann ist freilich schwer zu erraten, was ihn gerade zu dieser Ordnung bewog. Die Abfassungszeit schwerlich; da die grössere Ungelenkigkeit der Darstellung im Laches uns vielmehr vermuten lässt, dass derselbe vor dem Charmides und Lysis mit ihrer wundervollen scenischen Einkleidung verfasset wurde. Auch die Aehnlichkeit der Scenerie hätte eher zu einem engeren Anschluss des Charmides an den Lysis geführt. Vielleicht wollte Plato dem Charmides, seinem schönen und liebenswürdigen Vetter, den Ehrenplatz geben; vielleicht bewog ihn auch der Umstand, dass der Laches auf eine jüngere Heldenthat des Sokrates in der Schlacht bei Delion, der Charmides auf eine ältere in dem Feldzug gegen Potidäa Bezug nimmt.

3) Siehe darüber Blass, Geschichte der attischen Beredsamkeit I 371 und meine Abhand- lung, die Attikusausgabe des Demosthenes S. 77 ff.

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den engen Gesichtskreis der kleinen Dialoge erhoben und über Sokrates hinausgehend die Lehre der Pythagoreer in sein philosophisches Denken aufgenommen hatte, fügte er zum Abschluss noch einen vierten Dialog, den Phaidon, hinzu und erweiterte so die Trilogie zur Tetralogie. Zu Tetralogien sollten aber auch die beiden anderen Trilogien, Theaitetos Sophistes Politikos, und Politeia Timaios Kritias, erweitert werden und schwebte dieser Plan dem Philosophen schon vor, als er an die Ausarbei- tung des zweiten Stückes jener beiden Gruppen schritt. Denn im Eingang des Sophistes kündigt er als viertes Stück den Philosophos und im Timaios in ähnlicher Weise den Hermokrates an. Warum der Plan nicht zur Ausführung kam, ist eine andere Frage, die uns hier zunächst nichts angeht. Bezüglich des Hermokrates scheint der Tod oder die unerwünschte Wendung in den Verhältnissen Sikiliens ^) einen Strich durch die Rechnung gemacht zu haben, da selbst das dritte Stück jener Tetralogie, der Kritias, unvollendet blieb ^). Auf den Philosophos werden wir unten noch einmal in einem eigenen Abschnitt zurückkommen.

Diese tetralogische (Komposition der Dialoge Piatos haben nun bereits die Alten, wie man aus Diogenes 111 56 sieht, mit den Tetralogien des Dramas in Verbindung gebracht. Und was war auch natürlicher als dies, da

1) Siehe darüber die Vermuthungen von Zell er, Gesch. der Phil. II' 467. Nicht erwiesen ist die Annahme Schaarschmidts, die Sammlung der platonischen Schriften S. 158, dass der Kritias dem Verfasser des Politikos vorgelegen habe. Die beiden Stellen Kritias p. 109 0 und Politikos p. 272 E berühren sich nur, eine gegenseitige Entlehnung ist unerweisbar.

2) Da der Kritias zwar nicht mitten im Satze, aber doch unmittelbar vor einer mit icai l^vyayt({iag flrtff angekündigten Rede des Zous abbricht, so könnte man leicht auf die Vermutung kommen, das*« an der Unvollständigkeit dieses Werkes nicht eine Verhinderung des Verfassers, sondern ein Unfall der üeberlieferung schuld trage. Die handschriftliche Ueberlieferung schliesst die Annahme, dass der zweite Teil des Dialoges durch Wegfall der letzten Blätter des Archetypus zu gründe gegangen sei, zwar nicht aus, ist ihr aber auch nicht günstig, insofern die beiden Stämme unserer Handschriften des Kritias, der cod. Paris. A und ein cod. Vindob. als Vertreter der zweiten geringeren Klasse, wie mir Professor Schanz auf meine Anfrage in zuvorkommendster Weise mitteilte, mit demselben Worte ^In^y schliessen. Jedenfalls müsste der Schluss schon frühe verloren gegangen sein, da bereits Plutarch nur noch den Torso des Buches vor sich hatte ; s. Plut. vit. Sol. 32: otpi 61 ag^afifyof (sc. tlXaimy Kqtttov) uqoxtitiXvae toZ ipyov top ßioy^ oüüf fin'XXok fi'^Qctiyu ttt TtQoyfygttfifiiyttj roaovTtp fiuXkop loig anokutpS-tiaiv €(yueüag. Auf die Anführung des Rhetor Menander, der n^^i t'ntStixnxwy c. 5. (rhet. gr. ed. Spengel III 337) einen in unserem Kritias nicht enthaltenen Aus^spruch anführt, lege auch ich unter solchen Umständen keinen Wert; S.Hermann System d. plat. Phil. An. 709. Eher könnte die unten> Kapitel 10 angeführte Angabe des Platonikers Krantor über den Kritias zur Annahme berechtigen, dass jener Platoniker von dem Kritias noch mehr als unser Fragment besessen habe, was indes gleichfalls Suckow, Form der plat. Schriften S. 159 bestreitet und wohl mit Recht.

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die einzelnen Dialoge selbst dramatische Kunstwerke sein wollten und im vollendetsten Masse auch sind? Mit der Vereinigung mehrerer Dialoge zu Trilogien und Tetralogien aber ist Plato noch eine Stufe höher gestiegen und hat in glücklichem Wetteifer mit Aischylos die grandiose Kunst der älteren attischen Dramatik auf die Philosophie übertragen. Ja leicht wird man dem Plato selbst vor Aischylos die Palme reichen, wenn man den Abschluss der Oresteia durch die Eumeniden mit dem Schlussdialog der platonischen Sokrateia vergleicht. Denn so versöhnend und reinigend auch die Lösung des tragischen Conflictes durch die Frei- sprechung des Orestes und den Abzug der zu Eumeniden umgewandelten Rachegötter auf unser Gemüt wirkt, mehr doch werden wir zu Thränen des Mitgefühles imd der Bewunderung zup^leich gerührt durch die ergrei- fende Weise, mit der Plato seinen Helden gelassen und gefasst voll guter Hoflfrmng aus dem Leben scheiden lässt.

Dass also Plato mit dieser Compositionsart die Kunst des attischen Dramas nachahmte, um auch nach dieser Richtung hin für die aus dem Philosophenstaat verbannte Tragödie einen höheren Ersatz zu bieten, muss ohne Zaudern anerkannt werden. Aber ich gehe noch einen Schritt weiter. Ist in der Literatur die Tragödie dem prosaischen Dialoge vor- angegangen, so ist umgekehrt der Name Tetralogie von den Dialogen des Plato erst auf die Dramen des Aischylos übertragen worden. Das beweist das zweite Element des Wortes r^rpaAo^^ta ; denn loyoi J^vDXQaxtxoL hiessen bekanntlich die Dialoge des Plato, während die Tragödien wohl loyovi; enthielten, selbst aber nie loyoi genannt wurden.. Es könnte also nur ein Zweifel darüber aufkommen, ob das Wort Tetralogie zuerst von den Dialogen des Plato oder den Redeentwürfen des Antiphon gebraucht worden sei; aber wer möchte den unbedeutenden Reden des untergeord- neten Rhetor einen gleichen Einfluss beilegen als den bewunderten Werken des vielgelesenen Philosophen?

4. Unausgeführte Tetralogien. Drei grosse Trilogien oder Tetralogien hat also Plato geschrieben Euthyphron, Apologie, Kriton, Phaidon, Theaitetos, Sophistes, Politikos, (Philosophos), Politeia, Timaios, Kritias, (Hermokrates).

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Denn die Reihe, Charmides Laches Lysis, bildet keine Trilogie im höheren Sinne des Wortes, sondern beruht nur auf einer durch den Seitenumfang bedingten buchhändlerischen Zusammenfassung, so dass man mit dem gleichen Rechte auch die 3 olynthischen Reden des Demosthenes als eine Trilogie bezeichnen könnte. Diese Aussonderung ist von Wichtigkeit weil sich aus den 3 echten Tetralogien ergibt, dass die Kunstform der tetralogischen Komposition dem höheren Alter des Philosophen angehört. Denn zählen auch die Apologie und der Kriton zu den frühesten Schriften Piatos, die nicht lange nach dem Tode des Sokrates oder nach 399 abge- fasst sind, so föUt doch der Phaidon, der erst die Tetralogie schuf, in eine weit spätere Zeit ^). Dass sodann der Timaios dem hohen Alter des Plato angehört und in die Zeit nach der zweiten sikilischen Reise des Philo- sophen fällt, ist gut bezeugt und wird von niemanden bestritten ^). Endlich reift jetat immer mehr die Einsicht, dass die beiden dialektischen, des Glanzes der künstlerischen Darstellung fast ganz ermangelnden Dialoge Sophistes und Politikos dem Greisenalter des Plato angehören % jener unerquicklichen Zeit der geistigen Verschrumpfung des grossen Philosophen, aus welcher der Dialektiker und Logiker Aristoteles, der eben von 367 347 den Plato hörte, hervorgegangen ist.

Wird nun zugegeben, dass die tetralogische Form dem höheren Alter Piatos eigen war^), so ergeben sich daraus kritische Ausblicke nach vorwärts und nach rückwärts. Sehen wir von Thrasylos, der alle Dialoge Piatos in die tetralogische Jacke zwängte, ganz ab, so hat schon Aristo- phanes ausser den von uns bezeichneten Dialogen auch noch den Kratylos zusammen mit dem Sophistes und Politikos zu einer Trilogie verbinden wollen. Wir müssen diese Kombination schon deshalb abweisen, weil

1) Auf die Abfassungszeit des Phaidon werden wir unten zurückkommen.

2) Zwischen die 2. und 3. sikilische Reise oder zwischen 368 und 361 setzt den Timaios und den Beginn des Kritias Z e 1 1 e r Philosophie der Griechen 11' 467.

3j Auch darauf werden wir unten in Kap. 8 zurückkommen.

4) Dieser Satz vereinigt sich auch recht wohl mit der abnehmenden Kraft scenischer Erfin- dungsgabe im höheren Alter des Plato. Denn worin die platonischen Dialoge so ganz unübertroffen geblieben sind, besteht ja in der mimetischen Scenerie, wie wir sie zumeist im Protagoras und Symposion bewundem. Solche Proömien zu allen Dialogen zu schaffen, mochte eine übergrosse Aufgabe sein, zumal für den alternden Plato; die tetralogische Form überhob den Autor der Notwendigkeit zum zweiten und dritten Stück neue Prologe zu dichten.

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Plato selbst im Eingang des Sophistes ganz unzweideutig den Theaitetos und nicht den Kratylos als denjenigen Dialog bezeichnet, der mit dem Sophistes und Politikos zu einer grösseren Einheit zu verbinden sei ^). Aber auch alle Versuche der Neueren andere Dialoge wie den Phaidros, das Symposion und den Phaidon^, oder, was man mit grösserer Plausi- bilitat ausführen könnte, den Gorgias, Menon und Protagoras zu einer Trilogie zu vereinigen, werden wir ohne Umschweif auf sich beruhen lassen.

Wichtiger ist eine andere Frage, die sich nach den vorausgegangenen Erörterungen von selbst aufdrängt. Dürfen, ja müssen wir nicht auch von den anderen Werken, welche Plato gleichfalls nachweisbar im höheren Alter schrieb, annehmen, dass sie ursprünglich darauf angelegt waren, Glieder einer grösseren Untersuchung zu bilden, so dass sie nunmehr in ihrer Vereinzelung nur halbwegs verständlich sind, jedenfalls nur mit Rücksicht auf die zu ihrer Ergänzung in Aussicht genommenen Dialoge erklärt werden müssen? Bezüglich einer hier in Betracht kommenden Schrift haben wir für unsere Auffassung geradezu das Zeugnis der nächsten Schüler Piatos. Die Gesetze hat Plato selbst mit keinem ande- ren Werke zu einem grösseren Ganzen verbunden; aber schon bei Aristo- phanes erscheinen dieselben als Glied der Trilogie Minos Nomoi Epinomis. Als Verfasser der Epinomis aber wird uns ein Schüler Piatos, Philippos von Opus genannt % dem zugleich von der Tradition die Herausgabe der unvollendet hinterlassenen Gesetze zugeschrieben wird*). Entfernt sich

1) Wahrscheinlich war es das Interesse der Grammatiker, das den Grammatiker Aristophanes bestimmte, das erste Werk über Sprachphilosophie in die bevorzugte Klasse der trilogisch geordneten Bücher Piatos aufzunehmen. In ähnlicher Weise mochte das Interesse der Literar- historie für die Aufnahme der Briefe bestimmend gewesen sein.

2) Diese Zusammenstellung hat Steinhart aufgestellt; gegen dieselbe spricht Rettig in seinem Commentar zum Symposion S. 42.

3) Dieses wird uns bezeugt von Diogenes III 3 und Suidas unter <ptX6co<poc; vgl. Her- mann System S. 422 f. imd Zeller Gesch. d. Phil. IP 895. Den Minos setzt üsener in dem trefflichen Aufsatz, Organisation der wissenschaftlichen Arbeit S. 20 nach einer im Dialog selbst enthaltenen Andeutung in das Jahr 339.

4) Zweifellos, worüber alle einig sind, gehören die Gesetze dem höchsten Alter unseres Philo- sophen an. Die Anspielung auf die Vergewaltigung der epizephyrischenLokrer durch den jüngeren Dionysios in den Gesetzen p. 638 A zusammen mit der Nachricht des Athenaios XII p. 541 über jenen Vorfall führt uns in die Zeit nach 356. Dass das Werk aber nicht vollendet ist und Plato durch den Tod verhindert wurde die letzte Hand an dasselbe zu legen, darüber herrscht so allge- meine Uebereinstimmung, dass sich die neueren Untersuchungen von Bruns, Piatos Gesetze vor

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nun auch die Epinomis und der Minos weit von dem Geiste und der Kunst des göttlichen Plato, so wäre es doch immerhin leicht denkbar, dass die Verfasser dieser Dialoge insofern den Plan des Plato selbst ausführten, als derselbe die Nomoi nicht für sich herausgeben, sondern mit anderen Dialogen zu einer Trilogie verbinden wollte.

Ausser den Gesetzen kommen aber hier noch zwei andere, gleichfalls in das höhere Alter Piatos fallende Dialoge, Philebos und Parmenides, in Betracht. Von diesen lasse ich hier den ersteren beiseite, gehe aber des Näheren auf den Parmenides ein, weil sich vielleicht auf unserem Wege die grossen, gegen seine Echtheit erhobenen Bedenken heben und richtigere Einblicke in das Wesen und das Ziel des Dialoges gewinnen lassen. Im ersten Teil des Parmenides nämlich wird bekanntlich die Ideenlehre von dem italischen Philosophen auf das schärfste bekämpft, und weicht nicht bloss Sokrates vor den einzelnen Angriffen zurück, son- dern wird auch im weiteren Verlaufe des Dialoges kein Versuch gemacht die Fundamente der Ideenlehre, jener Grundsäule der ganzen platonischen Philosophie, zu retten. Denn selbst wenn es gelänge den zweiten Teil des Dialoges oder die dialektische Begründung der Einslehre für die Sicherung der Ideenlehre zu verwerten, so muss doch jedenfalls zuge- geben werden, dass Plato selbst keinerlei aufklärende Andeutung über eine solche Wechselbeziehung der beiden Teile gegeben hat ^). Die Sache ist aber um so fataler, je schwerer wiegend die von Parmenides gegen die Ideenlehre erhobenen Einwände sind. Zum grössten Teil eignet bekanntlich Aristoteles in der Metaphysik sich dieselben unbedingt an, ohne aber zu erwähnen, dass dieselben schon in jenem Dialoge von Plato selbst vorgebracht worden seien^). Aristoteles also, der scharfe Denker, hielt

und nach ihrer Herausgabe durch Philippos von Opus löSO, und Bergk, Piatos Gesetze, in fünf Abhandlungen zur griech. Philosophie und Astronomie 1883, nur um die Ermittelung der dem Philippos vorliegenden Bestandtheile des platonischen Manuskriptes und der Thätigkeit des Redac- tors drehen.

1) Vollständig unterschreibe ich die Einwände, welche Peipers, ontologia Platonica p. 356 gegen Zell er erhoben hat, namentlich den Satz: dubito num satis explicatum sit, quomodo unitas altera dialogi parte ita probaretur, ut prioris partis dubitationes evanescerent.

2) Erwägung verdient dabei auch noch der Umstand, dass die Bekämpfung der Ideenlehre im ersten und vorletzten Buch der Metaphysik teilweise nur eine Wiederholung der von Aristoteles schon in einem Jugendwerk, in dem Dialoge m^l (fiXoaoffutg vorgebrachten Argumente ist, etwas was nach den Andeutungen des Aristoteles p. 1076* 28 der Commentator Alexander p. 86, 32 und 756, 17 bezeugt und neuerdings Blass im Rh. M. XXX 481 flp. näher ausgeführt hat.

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die Gegengründe für durchschlagend und glaubte damit die ganze Ideen- lehre über den Haufen werfen zu können. Aber auch uns wird es schwer fallen die Einwände zu widerlegen oder auch nur die Kraft derselben abzuschwächen; ich wenigstens gestehe offen mein Unvermögen ein, habe aber auch noch keinen andern kennen gelernt, dem eine volle Wider- legung der gemachten Einwürfe gelungen sei. Hat nun vielleicht auch Plato an die Wahrheit der Gegengründe geglaubt und in höherem Alter mit jenem Dialoge selbst die Ideenlehre aufgegeben? Das gewiss nicht; aus Aristoteles sehen wir sonnenklar, dass Plato bis zu seinem Ende und ebenso seine nächsten Nachfolger, Speusippos und Xenokrates, unverbrüch- lich an der Ideenlehre festhielten. Und dann hat Plato im Pannenides selbst durch sein iaa)i; und (paiverai genügend angedeutet, dass er den Einwänden wohl einen grossen Schein der Wahrscheinlichkeit, aber doch keine innere Wahrheit, keine obsiegende Kraft beilege. Er hat aber zu gleicher Zeit p. 133 B ausgesprochen, dass die Widerlegung nur einem sehr geschickten Dialektiker und diesem nur vermittels weitausgreifender Deduktionen gelingen könne: el fiij no)Jkaxig rvxoi ejUTidQog wv 6 ä/LKpi' oßrjTivy xal firi d(pvrig, id-iXoi ndyv noXld xal noffOwS-ev nQayixaTBVOfiivov Tov iy^eixvvjuivov an^a&ai. Hat nun Plato sich jener Aufgabe unter- zogen und durch eingehende Beweisführung das Unrichtige an jenen Einwänden nachgewiesen? Im Parmenides selbst nicht, aber auch in keinem anderen Dialoge. Nicht blos wiederholt Plato in der Republik die Begriffe juid^e^tg und elxior, ohne auch nur im geringsten auf die im Parmenides gegen dieselben vorgebrachten gewichtigen Bedenken Rück- sicht zu nehmen; auch in dem Timaios und selbst im Philebos sehen wir keinen ernstlichen Anlauf zur Widerlegung der Angriffe des Parmenides gemacht Was folgt daraus? Bekanntlich haben nicht blos tumultuarische Skeptiker, wie Schaarschmidt und Krohn, sondern hat selbst ein so feiner und behutsamer Kritiker wie Ueberweg in seinen Unter- suchungen über die Echtheit und die Zeitfolge platonischer Schriften S. 176 ff. die Echtheit des Parmenides angefochten^). Aber so auffallig

1) Die sprachlichen Einwände, die Dittenberger im Hermes XVI 324 gegen die Echtheit des Parmenides erhoben hat, sind vorläufig noch viel zu irrelevant als dass sie zum Beweise ausreichten; auch ist es gewiss minder kühn das falsche ytvfi&vtattai p. 141 E in yi^ijaftat zu korrigieren als daraus auf nichtattischen (!) Ursprung zu schliessen.

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. II. Abth. 61

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es auch ist, dass Aristoteles den Parnienides ignoriert ^) , so spricht doch Sprache, Kunst der Dialektik, und vor allem der bestimmte Hinweis des Plato selbst im Sophistes p. 217 C unwiderieglich für die Echtheit des Dialoges. Für mich bleibt daher nur ein Erklärungsweg: Plato wollte den Parmenides nicht allein für sich stehen lassen, er gedachte in einem oder zwei nachfolgenden Dialogen die Einwände, die im Laufe der Zeit gegen die anfangs allzu naiv aufgestellte Ideenlehre vorgebracht worden waren, in streng dialektischer Beweisführung zu widerlegen. Unser Parmenides mit anderen Worten ist entweder der Torso einer nicht ausgeführten Trilogie oder es sollte auf ihn, der nup ein Nebenwerk zum Sophistes war, im Philosophos geantwortet werden 2).

5. Die alphabidtische Anordnung in dem Yerzeichnis des Thrasyios.

Aristophanes stund der echten und guten Ueberlieferung in jeder Beziehung, nicht blos zeitlich, sondern auch sachlich näher als Thrasyios. Er hat, von dem Kratylos und den Briefen abgesehen, nur solche Schriften in das trilogische Verzeichnis aufgenommen, welche vom Autor selbst und seinen unmittelbaren Nachfolgern zur trilogischen oder tetralogischen Ver- bindung bestimmt waren; er hat dabei nur durch Hereinziehung zweier fremder Bestandteile, des Kratylos und der Briefe, die Ordnung in kopf- loser Weise verwirrt. Thrasyios, indem er Tetralogien statt Trilogien zu gründe legte, hat gleich im Anfang in der ersten Reihe, Euthyphron Apologie Kriton Phaidon, die Hand Piatos hergestellt. In der 2. Reihe ist er dem Vorgange des Aristophanes in der Art gefolgt, dass er dem Theaitetos Sophistes Politikos noch den verwandten, wenn auch nicht zum tetralogischen Zusammenhang bestimmten Dialog Kratylos zufügte. Aehnlich ist er bei Nr. 5 und 8 verfahren, indem er die alten Gruppen, Charmides Laches Lysis und Politeia Timaios Kritias, durch Zufügung zweier verwandten, aber unechten Dialoge, des Theages und Klitophon,

1) Vielleicht hat Aristoteles nur deshalb diesen Dialog ignoriert, weil er ihm, oder vielmehr seinem Hauptteile keinen Gefallen abgewinnen konnte. Dafür könnte man nftmlich die Stelle in der Metaphysik p. 1089» 1 geltend machen, wo er das Zurückgehen auf die Einslehre des Parmenides als etwas altfränkisches (dno^tjaai a(>/a«xa;f) bezeichnet.

2) Eine ähnliche Gedankencombination scheint Bergk, Fünf Abhandlungen zur g^riech. Philosophie und Astronomie S. 9 geleitet zu haben, wenn er den Parmenides eine unvollendete Arbeit nannte.

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zu Tetralogien erweiterte. Auch bei der letzten Tetralogie half er sich auf ähnliche Weise, nur dass die angehängten Briefe weder nach Form noch nach Inhalt etwas mit den gesetzgeberischen Dialogen Minos Nomoi Epinomis zu thun haben.

Bis dahin ist Thrasylos, wenigstens in der Hauptsache, alten und rich- tigen Schultraditionen gefolgt. Er ging nun aber über seinen Vorgänger Aristophanes und über die Wahrheit dadurch in verkehrter Weise hinaus, dass er auch die übrigen Dialoge zu Tetralogien verband, wiewohl die- selben vom Verfasser selbst nicht zu solcher Verbindung angelegt waren. Was hatte er nun hiebei für Gesichtspunkte? Es wird, um sich das klar zu machen, gut sein, nochmals die betreffenden unechten Tetralogien des Thrasylos herzusetzen:

3) Parmenides, Philebos, Symposion, Phaidros,

4) Alkibiades I, Alkibiades II, Hipparchos, Anterastai,

6) Euthydemos, Protagoras, Gorgias, Menon,

7) Hippias mai., Hippias min., Ion, Menexenos.

Am ehesten möchte man hier bei der 6. Reihe einen sachlichen Ge- sichtspunkt vermuten, da die vier Dialoge Euthydemos Protagoras Gorgias Menon sämtlich gegen die Sophisten gerichtet sind und überdies der Menon gleich im Eingang an die Lehrthätigkeit des Gorgias in Thessalien anknüpft, so dass sich so auch einfach zu erklären scheint, warum Thra- sylos den Menon auf den Gorgias und nicht umgekehrt den Gorgias auf den Menon folgen liess. In der 3. Reihe wird man nur zwischen dem Sym- posion und Phaidros einerseits, die beide den Eros zum Gegenstand haben, und dem Parmenides und Philebos anderseits, die beide die dialektische Methode teilen und von Plato im hohen Alter geschrieben simd, eine innere Beziehung erkennen, aber kaum begreifen, was die Vereinigung der beiden Paare zu einer Tetralogie veranlasste. Vollends wird man keinen Ausweg finden, wenn man bei der 4. und 7. Tetralogie den Faden eines inneren Zusammenhanges aufzuspüren sich bestrebt. Stellt man sich aber einmal die Namen der Dialoge griechisch zusammen liXxißidJfjg a\ ^Ahcißiadrig (f, "innaQX^S, \/4yreQaoTai], "^Innlag fiBi^vjy, 'Inniag fieiwv, "/cor, Meve^erog, so springt einem sofort, die alphabetische Ordnung in die Augen. Nur die liyT€Qaarai fallen aus der Reihe heraus, und man wird nun, nachdem

einmal der Faden gefunden, auch leicht zugeben, dass die i^i^r^paarat,

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ein unechter Dialog, in dem Original, dem Thrasylos folgte, vielleicht in der Tafel des Derkyllides noch nicht unter die Schriften Piatos aufge- nommen war. Noch evidenter aber wird es jedem erscheinen, dass die Ordnung der Reihen oder der dieselben enthaltenen Volumina gestört ist, und dass ehedem Nr. 7 auf Nr. 4 folgte und beide noch nicht durch Nr. 5 und 6 von einander getrennt waren ^).

Ich hatte mir ehedem viele Mühe gegeben, den Grund zu erraten, warum in den zur 3. und 6. Tetralogie vereinigten Gruppen die Folge

riaiffi BvLdi]g 4>tXrißog

J^v/unooioy ^^aT^Qog

Ev&vdriuog UifvaTayoQag

ro^iag Mevcov

eingehalten sei. Ich dachte an eine chronologische Anordnung und hoffte daraus Kapital für Aufhellung dunkler Punkte der Abfassungszeit plato- nischer Schriften zu schlagen. Bedenken erregte mir jedoch der Umstand, dass der Phaidros nach dem Symposion steht, während doch selbst ein Blinder, wenn ihm nicht durch grammatische Statistik der Blick getrübt wird, sehen muss, dass das Symposion erst nach dem Phaidros ge- schrieben sein kann. Später nachdem ich in den 7 Dialogen der 4. und 7. Tetralogie die alphabetische Ordnung entdeckt hatte, gab ich alles weitere Nachsinnen auf, und erkannte auch in der Ordnung jener 4 Paare die alphabetische Folge als leitendes Motiv des Thrasylos oder seiner Vorgänger.

Die Leser werden sich wohl mit mir des Lichtstrahles freuen, der so über die Anordnung des Thrasylos ergossen ist. Leider fällt das Licht nur auf" die äusserliche Thätigkeit eines grammatischen Akademi- kers, nicht auf das innere Wesen der platonischen Philosophie. Aber wir Philologen müssen froh sein, wenn uns auch nur der Ueberlieferung Dunkel aufzuhellen gelingt.

6. Die Bacheinteilnng bei Plato and Aristoteles.

Die Werke des Plato ähnelten einander auch äusserlich in den ver- schiedenen Perioden seiner Schriftstellerei. Anfangs schrieb er Dialoge

1) Beachtenswert ist, dass die anderen von Diogenes a. a. 0. angeführten Einteilungen gleichfalls auf Verkehrung der Reihen hinauslaufen.

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von massigem Umfang, so dass später leicht mehrere derselben, wie wir dieses vom Charmides Laches Lysis sahen und von anderen, wie Apologia Kriton Euthyphron Ion Hippias min., vermuten dürfen, zu einem Buche verbunden wurden. Später vom Menon an, also etwa seit 395 liebte es Plato, seinen Dialogen neben einem grösseren Gesichtskreis der Unter- suchimg auch einen grösseren, etwa dreimal so grossen äusseren Umfang zu geben, natürlich jedoch so, dass er nicht nach der Elle schrieb und sich nicht an ein festes Mass band. Nur wird man bei allem Schwanken des Umfanges und selbst wenn der Autor manchmal auf die Hälfte herab- ging ^), ein gewisses Gleichmass zwischen dem ersten und letzten derartigen Dialoge, dem Menon und Philebos, nicht verkennen dürfen. Nur in 2 Dialo- gen ging er weit über dieses Mass hinaus, in seinem letzten, unvollendet hinterlassenen Werke, Nomoi, und in der Politeia. Dabei ist es aber bezeichnend, dass eben diese Politeia erst aus mehreren Teilen zu ihrem grossen Umfang angewachsen ist. Denn diese Thatsache ist nicht blos durch die bekannte Ueberlieferung des Gellius noct. att 13, 3, wonach Plato die Republik zuerst in 2 Büchern herausgab^), verbürgt, sondern noch entschiedener durch die viel besprochenen Fugen in dem erhaltenen Werke selbst bestätigt ^). Nicht ohne Interesse ist es dabei, dass derjenige Bestandteil, der sich am leichtesten als eine spätere Erweiterung nach- weisen lässt, Buch 5. 6. 7, mit 3664 Zeilen, ungefähr dem Umfang des

1) Genaue Angaben gibt Birt, Das antike Buchwesen S. 440; danach hat, um nach der mutmasslichen Zeit der Abfassung zu gehen. Menon 1656 Zeilen, Gorgias 3734, Phaidros 2516, Kratylos 2932, Euthydemos 1684, Protagoras 2360, Symposion 2356, Phaidon 3002, Theaitetos 3737, Sophistes 2998, Politikos 8084, Parmenides 1862, Timaios 3434, Philebos 3132.

2) Sehr schwer ist es freilich zn sagen, welche Teile unserer Politeia unter jenen duobus fere libris, qui primi in volgus exierant, zu verstehen seien. Schon das fere indes zeigt, dass man an ein volles Zusammenfallen mit unseren 2 ersten Büchern nicht zu denken hat. Am meisten Wahrscheinlichkeit hat mir immerhin noch die Ansicht Krohn's, Der platonische Staat 73 f. 384 f., dass jene erste Ausgabe im wesentlichen die 4 ersten Bücher unserer Politeia enthalten habe, ohne datss deshalb nicht manches erst später hinzugekommen und überarbeitet worden wäre. Es wird eben der Hauptinhalt jener vier Bücher in der ersten Ausgabe beiläufig 2 Bücher umfasst haben. Nusser, Piatons Politeia S. 103 nimmt doch die Sache zu leicht, wenn er in der Notiz des Gellius nur eine oberflächliche Vermutung der späteren Zeit erkennen will.

3) Ich weiss nicht, ob schon jemand zur Widerlegung der Meinung, dass die Verspottung der Weiberherrschaft in den Ekklesiazusen des Aristophanes nicht auf Plato, sondern irgend welchen anderen Idiologen gehe, auf die Stelle im Timaios p. 18 C hingewiesen hat, wo das ^*« rijv a^S'Hav roiv Xf/^i»^<u>' evfiyrifioysvToy sc. ro nt^l r^i nai6o7toiittg deutlich zeigt, dass Plato der eigentliche Erfinder der Weibergemeinschaft war.

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Theaitetos gleichkommt und die beiden Dialoge, mit denen man den- selben in Verbindung bringen wollte, den Sophistes und Politikos, nicht erheblich an Grösse übersteigt.

Jene beiden Werke nun, Staat und Gesetze, sind wegen ihres über- mässigen Umfangs in Bücher geteilt, die Politeia in 10, die Nomoi in 12. Die Einteilung fand bereits Thrasylos nach Diogenes III 57 vor; sie lag aller Wahrscheinlichkeit nach auch der Attikusausgabe unseres Philoso- phen zugrunde, auf die unsere Handschriften mit ihren stichometrischen Angaben zurückzugehen scheinen. Aber von wem ist sie ausgegangen? Birt in seinem trefflichen Buche über das antike Buchwesen spricht sie nicht blos dem Plato ab, er bestreitet auch S. 477 die Richtigkeit der Ueberlieferung bei Suidas s. v. (pdococpoi;, dass Piatos Schüler, Philippos der Opuntier, die Nomoi in 12 Bücher eingeteilt habe, und geht sogar

5. 447 so weit, aus den obenbesprochenen Nachrichten über die Eintei- lung der Werke des Plato nach Trilogien durch Aristophanes von Byzanz zu schliessen, dass jener Grammatiker noch die Politeia und die Nomoi als je 1 Buch angesehen habe. Die letzte Annahme steht auf sehr schwachen Füssen und geht entschieden zu weit; aber das andere ist richtig, dass weder Plato noch Aristoteles selbst ihre Werke in Bücher eingeteilt haben. Das geht unwiderleglich aus den störenden Fehlern der überlieferten Buchteilung hervor ^). Ich vermag dafür drei sichere Fälle anzuführen. Vor allem sind die Bücher der Politeia Piatos so grundverkehrt abgeteilt, dass die Abteilung unmöglich von Plato selbst herrühren kann. Ich spreche das nicht zuerst aus, den Nachweis haben bereits Hermann, Steinhart und andere mit zutreffender Sachkennt- nis gegeben. Das 6. und 7. und ebenso das 8. und 9. Buch hängen auf das allerengste miteinander zusammen, indem im ersten Falle der Vergleich der Wahrheit mit der Sonne schon vor dem Schlüsse des

6. Buches, und im zweiten Falle die Schilderung des Tyrannenlebens schon vor dem Ende des 8. Buches begonnen hatte. Plato selbst hätte nimmermehr durch Buchtrennung die Darstellung an diesen Stellen

1) Ohne Beweiskraft, aber doch nicht ohne Bedeutung ist der Umstand, dass die Grösse der einzelnen Bücher der Politeia und Nomoi mit ca. 1150 Zeilen erheblich hinter der Grösse der je 1 Buch bildenden Dialoge zurückbleibt. Schon dies weist auf verschiedene Grundsätze oder Uebungen bei der Bucheinteilung und somit auf verschiedene Zeiten hin.

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zerrissen. Auch das 3. Buch beginnt nicht an rechter Stelle, da ein neuer Abschnitt vielmehr vor dem Schlüsse des 2. Buches p. 376 E anzunehmen war, an welcher Stelle die naideia (fvkaxcor beginnt. Endlich hängt auch das 5. und 6. Buch so zusammen, dass kein Anlass zur Bildung eines neuen Buches gegeben war. Kurzum unsere Einteilung in 10 Bücher ist von einem Librarius gemacht, dem es wenig auf den Sinn, um so mehr aber auf gleichen Umfang der einzelnen Bücher ankam.

Aus Aristoteles, dessen Bücher indes im allgemeinen viel zweck- mässiger abgeteilt sind, führe ich zuerst einen Fehler der Metaphysik an. Die letzten Bücher dieses Werkes M N bilden eigentlich ein Ganzes und würden am besten gar nicht geteilt worden sein. Sollte aber geteilt werden, so musst^ das Buch N bereits vor dem Schlusskapitel des Buches M p. 1086* 18 begonnen werden, wie bereits der alte Commentator Syrianos unter Zustimmung von Bonitz richtig bemerkt hat. Denn an dieser Stelle geht der Philosoph von der Untersuchung der Ideen und der mathematischen Dinge an sich zur Erörterung der Elemente und Anfange derselben über. Noch nicht bemerkt ist, dass auch in der Schrift von der Seele das 3. Buch an unrichtiger Stelle beginnt, so dass die überlieferte Abteilung der von Aristoteles selbst aufgestellten Dispo- sition entschieden widerspricht. Denn die Darstellung der sinnlichen Wahrnehmung {ala&rjoig) grejft aus dem 2. Buch in das 3. über; der neue Abschnitt von der denkenden Seele beginnt erst mit dem 3. Kapitel des 3. Buches, weshalb ich auch vor 2 Jahren mit diesem Kapitel im philologischen Seminar die Interpretation beginnen liess. Der Grund der falschen Teilung ist aber auch hier in der Rücksicht auf möglichste Gleichheit der Bücher zu suchen. Nach Birt hat das erste Buch 846 Zeilen, das zweite 1074, das dritte 895. Wäre also das zweite bis zu seinem richtigen Ende, bis III 3 ausgedehnt worden, so hätte es noch unverhältnismässiger das erste und dritte an Umfang überragt.

Ein zweiter, aber minder durchschlagender Beweis für den spä- teren Ursprung* der Bucheinteilung liegt in den Zeugnissen über die verschiedene Zahl der Bücher ein und desselben Werkes. Bei Plato gibt es keinen derartigen Zwiespalt. Denn alle Angaben stimmen in der Zehnzahl der Bücher der Politeia imd der Zwölfzahl der Bücher der Nomoi überein. , Aber zahlreich sind die Abweichungen bezüg-

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lieh der Einteilung von Werken des Aristoteles. Dieselben hat Birt S. 453 ff. zweckmässig zusammengestellt. Ich will hiezu zwei Nachtrage oder vielmehr Berichtigungen anderweitiger Angaben geben. Unsere erste Analytik umfasst 2 Bücher; dagegen führt das Verzeichnis bei Diogenes V 1, 23 an n^forh^iov dralvrixiov a ß' y (T % z ^' ij' ^), hiezu fügt dann noch Heitz Griech. Lit. II 2 S. 284 eine Angabe von ava'Jiirrixdiy Ji ßißkia bei Joannes Philoponos in cat. p. 39' 20. Diese Divergenz aber muss durch eine paläographisch sehr leichte CSorrectur beseitigt werden, da ,a einfach aus tj verlesen oder verschrieben ist, wie nns diese Verwechselung zu hundert Malen in griechischen Minuskel- handschriften des Mittelalters begegnet. Ebenso ist das Verzeichnis des Diogenes mit 7i€()l n^foßlrifxaxiüy a (unmittelbar nach den Analytiken), fiB&odixa 7] und mifl iQionxdiy ß mit unserem Bestände, der bekannt- lich 10 Bücher ronixa oder 9 Bücher Topika und 1 Buch aoipianxol kT^y/oi aufweist, sicher in Einklang zu bringen. Denn einmal ist /ueS^o- dixa nur ein Doppeltitel für ronixdj wie man längst aus Aristoteles selbst rhet 1 2 p. 1356^ 19 erkannt hat, wo auf unsere Topik mit den Worten aianeff er xdig jtiaS-o^ixolg ei^prjrai Bezug genommen wird. Sodann ist von irgend einem Grammatiker nach einer von Aristoteles selbst angedeuteten Gliederung das 1. Buch der Topik als allgemeiner, die logischen Probleme einleitender Teil unter dem speciellen Titel .^6pt nQoßXrjfiaTwy abgesondert worden. Endlich überschreiten die coipiarixot ilfyX^^ erheblich den Umfang der Bücher der eigentlichen Topik und konnte ein Grammatiker sehr passend mit dem 16. Kapitel einen anderen Abschnitt oder ein neues Buch beginnen, wie denn auch thatsächlich in dem cod. Laurent. 89 und in älteren Ausgaben die Schrift in 2 Bücher geteilt ist.

Zum Schlüsse will ich noch auf einen Punkt aufmerksam machen, den ich gelehrteren Mitforschern zur Beachtung und Lösung empfehle. Bei der Zählung der Bücher des Plato ist von dem g Gebrauch gemacht worden; ebenso in dem von Diogenes verzeichneten lAdex der Werke des Aristoteles. In unseren Handschriften und Ausgaben des Aristoteles und ebenso im Kommentar des Alexander Aphrodisiensis zur Metaphysik

1) Eine sehr ansprechende Vermutung Über jene Einteilung in 8 Bücher oder vielmehr Abschnitte (r^ij/im«) gibt Birt S. 454.

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wird gleich von E zu Z übergegangen; von Alexander wird die Bezeichnung des 10. und 11. Buches als Buch AT und y/ ausdrücklich als die bei den Peripatetikern übliche hervorgehoben ^).

7. Der 13. Brief des Plato echt.

Seitdem Bentley mit unübertroflFenem Scharfsinn die Unechtheit der phalerideischen Briefe nachgewiesen hat, ist auf dem Gebiet« der griechischen Brief litteratur mit dem Messer der Kritik, das der gi'osse Britte geschliflFen hatte, viel Missbrauch getrieben worden. Weil die Fälschung und Unterschiebung von Briefen im Altertum in unverschäm- ter Weise betrieben wurde, war man nur zu rauch bei der Hand auch ohne den Scharfsinn und die Gelehrsamkeit von Bentley die über- kommenen Briefe griechischer Redner und Philosophen zu verdächtigen und alles ohne Unterschied in einen Topf zu werfen. Das gilt nicht zum wenigsten auch von den Briefen des Plato, auf denen jetzt so allge- mein in Deutschland das Anathema der verwerfenden Kritik liegt, dass man seinen Ruf riskiert, wenn man an ihrer Unechtheit nur zu zweifeln wagt. Und doch müssen bei der Frage nach der Echtheit die einzelnen Bestandteile, aus denen unsere Sammlung von 13 Briefen besteht, strenge von einander geschieden werden, und bedarf die ganze Unter- suchung einer einschneidenden Revision. Was Steinhart, dessen Ein- leitung zu den Briefen die jetzt herrschende Meinung repräsentiert, von den Brieffalschungen in den Schulen der Sophisten und den unplatoni- schen Charakter der überlieferten Briefe spricht, gehört teils nicht zur Sache, teils beruht es auf Verkennung des Briefstiles und auf unkriti- schem Vorurteil über den persönlichen Charakter des Philosophen. Aristo- phanes von Byzanz, um 200 vor Christus, hatte bereits die Briefe in seine Ausgabe oder seinen pinakographischen Abriss aufgenommen^, und alle Declamationen über die Schulübungen der Sophisten fallen damit als fremdartiger Aufputz weg. Im übrigen brachte Steinhart zu derartigen Fragen nicht die nötige Unbefangenheit mit. Ich liebe

1) V. Wilamowitz, curae Thucydideae p. 8 belehrt mich, dass auch noch der einzige Codex des Clemens bei der Buchzählung das Stigma oder Vau übergeht.

2) Ob alle 13 Briefe, ist freilich von Diogenes nicht gesagt, aber ebensowenig ist das Gegen- teil gesagt oder auch nur wahrscheinlich.

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 62

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und bewundere den Mann; solche Männer von flammender Begeisterung und Liebe für das Grosse im Altertum bedarf unsere griesgrämige, im literarischen Kleinkram sich gefallende Zeit. Aber ein Kritiker bedarf vor allem Unbefangenheit und darf auch vor der Aufgabe eine bewun- derte Grösse von der Höhe ihres Piedestals herabzuziehen nicht zurück- scheuen. Steinhart war zu sehr von Bewunderung der idealen Grösse Piatos durchdrungen, als dass er noch ein Auge gehabt hätte für die Niedrigkeit der Lebensbedürfnisse und die LappaUen des täglichen Lebens, über die auch der idealst angelegte Mensch sich nicht immer wegsetzen kann. Die schweren Anklagen, welche bereits das Altertum gegen den persönlichen Charakter des Philosophen, gegen seine malignitas und dicacitas erhoben hatte, fanden ohnehin bei ihm keinen Glauben, kaum nur Gehör. Und doch wäre Plato ja nicht der erste, der in seinen Schriften anders erschiene als in dem tagtäglichen Leben. Gibt man aber zu, dass ein Mann, der in seinen Dialogen nur in der Welt der Ideale lebte, im Leben sich auch mit Geld und Aussteuer und Ver- wandten befassen musste und in seiner einflussreichen Stellung zu einem mächtigen Könige weder Zudringlichkeiten von Empfehlung suchenden Hofleuten, Gelehrten und Künstlern sich entschlagen, noch über Rück- sichten der höflichen Aufmerksamkeit gegen den königlichen Freund und seine Familie sich wegsetzen konnte, so fallen alle oder doch nahezu alle Einwände, die man gegen die Echtheit des 13. platonischen Briefes, zu dem wir uns nun speciell wenden, erhoben hat. Nichts hat dieser Brief, was auf Schul mach werk und Sophistenweisheit hinwiese, nichts von Gemeinplätzen, nichts von Verbrämung historisch berühmter Persönlich- keiten, nichts von politischen oder literarischen Tendenzen, nichts endlich von philosophischer Geheimniskrämerei. Dieses sind Dinge, welche auf den ersten Blick den Briefwechsel des Plato mit Dion und seinen Anhängern, den grossen 7. und 8. Brief nicht ausgenommen \), verdächtigen. Unser 13. Brief, der auch äusserlich durch seine Stellung am Schlüsse ge- trennt von den übrigen Briefen an Dionysios auf das bestimmteste von jener Brief Sammlung sich abhebt, hat einen ganz anderen Charakter: gewöhnliche Dinge des Privatlebens im reichsten, kaum zu erfindenden

1) Diese beiden war Böckh de graec. trag, princ. p. 163 geneigt für echt zu halten.

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Detail bilden seinen Inhalt; wer und in welcher Absicht sollte dieselben fingiert haben? Sehr gut sagt der von deutschem Hyperkriticismus nicht angekränkelte Engländer Grote in seinem Buche über Plato I 220: nor does it surprise me to find Plato in epist. 13 alluding to details which critics, who look upon him altogether as a spiritual person, disallow as mean and unworthy. his recommendation of the geometer Helikon of Kyzikus to Dionysius and Archytas is to me interesting: to make known the theorems of Eudoxus, through the medium of Helikon, to Archytas, was no small Service to geometry in those days. i have an interest in learning how Plato employed the money given to him by Dionysius and other friends: that he sent to Dionysius a statue of Apollo by a good Athenian sculptor named Leochares, and another statue by the same sculptor for the vrife of Dionysius in gratitude for the care which she had taken of him when sick at Syracuse; that ho spent the money of Dionysius partly in discharging his own public taxes and litur- gies at Athens, partly in providing dowries for poor maiden among his friends; that he was too beset by applications, which he could not refuse, for letters of recommendation to Dionysius, as to compel him to signify by a private mark to Dionysius, which among the letters he wisched to be most attended to. Wenn dagegen Hermann, System d. plat Phil. S. 591, in den Commissionen, Einkäufen und Geldgeschäften, von welchen unser 13. Brief handelt, nur eine afifektierte Vertraulichkeit finden will, so ist das eitel Gerede ohne Beweis ^); einem gesünderen Urteil folgte Bentley, der in den Remarks upon a late discourse of free thinking ebenso wie später Wesseling in epist. ad Venemam und Wyttenbach zum Phaidon p. 108 gerade unseren 13. Brief für echt hielt. Kein Moment der Sprache und Geschichte spricht für die Unechtheit des Briefes, umgekehrt dient manches der Bestätigung der Echtheit.

Der Brief ist geschrieben nicht lange nach der Rückkehr Piatos von seinem ersten Besuche am Hofe des Dionysios II, also entweder noch in der 103. oder doch in den ersten Jahren der 104. Olympiade, etwa

1) Mehr Beachtung verdient Hermann, wenn er zwischen Teilen unseres Briefes einen Unterschied macht. Namentlich möchte man gern den Absatz p. 858 b 13—18 der Züricher Ausgabe von der besonderen Marke für die ernstlich gemeinten Empfehlungsbriefe in dem Schreiben des Philosophen missen. Doch wage ich nicht die Scheere anzusetzen.

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ol. 104, 1 oder 364 v. Chr. Wenn nun Plato in demselben von einer Apollostatue des Leochares, eines veov xal dya&ov drifiiovQYov^ spricht, so stimmt das so gut, wie man nur verlangen kann, mit Plinius, der bist nat. XXXIV 50 den Leochares in der 102. Olympiade leben (florere) lässt^). Die kleine Abweichung ist um so weniger relevant, als Leocha- res, worauf mich Herr Professor Brunn aufmerksam machte, noch in den letzten Jahren Alexanders thätig war, also auch noch ol. 104, 1 ein junger Künstler genannt werden konnte. Wenn sodann in unserem Briefe Plato den Erasos nach Aigina schickt, um von einem gewissen Andro- medes Geld holen zu lassen, so stimmt das, wie ich bereits oben S. 458 ausgeführt habe, merkwürdig zu einer von Aristoteles in der Metaphy- sik p: 1015* 25 vorgebrachten Angabe. Auch dass die Mutter Piatos noch am Leben ist, ihrer Auflösung aber entgegengesehen wird, schliesst nichts unmögliches in sich. Die Mutter muss danach allerdings ein sehr hohes Alter erreicht haben; aber nehmen wir an, dass sie den Ariston in ihrem 16. Lebensjahre heiratete, und geben wir zu, dass von den drei Geschwistern des Plato der eine, Adeimantos, älter als Plato war ^, so war sie zur Zeit des Briefes ca. 80 85 Jahre alt; kann man da sagen, die Mutter des Plato müsste steinalt geworden sein? Ebensowenig ergibt sich eine Schwierigkeit aus der Erwähnung der Schule des Bryson noch daraus, dass der von Plato empfohlene Geometer Helikon ein Schüler des Astronomen Eudoxos war und auch mit einem Schüler des Isokrates Verkehr gepflogen hatte. Umgekehrt stimmen die Personen und Zeiten ganz vortrefflich zur Situation des Briefes und der platonischen Akademie, in die um diese Zeit Eudoxos seinen Einzug hielt. Wenn es dann gegen Schluss von einem Syrakusaner Tison heisst o^ tot« od^ fifisig dnenkiofitv inoUayofiBi, so sehen wir hier eine Sachkenntnis, die bei einem Fälscher, wie wir einen in den Urkunden der Kranzrede des Demosthenes kennen lernen, geradezu zu verwundem wäre. Denn das Amt eines nokiayofiog treff'en wir speciell in Unteritalien und Sikilien, wie bereits der Epigra- phiker Keil aus den Tafeln von Heraklea erwiesen hat. Endlich auch

1) Siehe Brunn, Geschichte der griech. Künstler I 886 f.

2) Das schliesst man, und so auch Steinhart, Platon's Leben S. 42, aus dem Verhältnis der beiden Brüder in der Apologie p. 34 A.

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die Sprache, die schon im Altertum, wie wir aus Olympiodor sehen ^), am meisten Verdacht gegen die Echtheit der Briefe erregte, zeigt gerade in diesem Briefe am meisten platonisches Colorit. So hat z. B., um Einzehies zu erwähnen, der ungewöhnliche Genet partitivus rwy rivd^ayo- ()HU)y niunoi aoi seine Analogie an der Stelle in der Republik p. 485 B, und kehrt die kühne dem Homer nachgebildete Ellipse p. 363 C är TW &(6(faxa 7] äU.0 ri ary iniarikiM} mjunfjg^ äy juty avrog tu) ßovXjj^ fi fifj, Triffilkcp (fog in ähnlicher Fassung wieder im Protagoras p. 311 D. Aber, wird man mir zuletzt einwenden, ein direktes Zeugnis aus dem Altertum, ein Scholion, das am Schlüsse des 12. Briefes steht, aber auf unseren oder den nachfolgenden 13. Brief bezogen wird, ^dyrikeyeTai (og ov Illaxvoyog spricht gegen die Annahme der Echtheit. Aber auch wenn jenes Scholion mit Recht auf den 13. Brief bezogen wird und auch in das Altertum zurückdatiert werden muss, da es sich schon in dem cod. Paris., einer Handschrift des 10. Jahrhunderts, findet, so ist doch in demselben nichts anderes als das Urteil eines Grammatikers oder Akademikers enthalten, der dem mysteriösen philosophischen Brief- wechsel mit Dion und seinen Verwandten den Vorzug gab vor diesem, der einfachen Wirklichkeit sich anschmiegenden Briefe. Ein gesundes Urteil wird gerade nach der entgegengesetzten Seite hin entscheiden^).

8. Schlüsse aas dem 13. Briefe auf die AbfaNSungszeit platonischer

Schriften.

Ist nun der 13. Brief echt und ca. 364 geschrieben, so ergeben sich daraus die belangreichsten Schlussfolgerungen für die Abfassungszeit pla- tonischer Dialoge. Ausdrücklich ist in dem Briefe des Phaidon oder des Dialoges über die Seele Erwähnung gethan p. 363 A: y€y(faiujU€yüg yd(j

1) Siehe Olympiodor prol. 26 6 Stiog llQoxXog xtu rag dniütoXds izßäXXft dui t6 unXovy

2) Bezüglich der übrigen Briefe will ich hier in den Noten gelegentlich die Vermutung aussprechen, dass vielleicht schon Antigonos von Karystos den 5. Brief kannte; was nämlich Athenaios XI p. 506 £ und 508 £ an Antigonos über das Verhältnis des Perdikkas und £uphraios berichtet, steht mit dem £mpfehlung8brief, den Plato dem £uphraio8 an Perdikkas, den KOnig von Makedomen, mitgab, in Zusammenhang. Umgekehrt hat Aristoteles den zweiten Brief noch nicht gehabt, da sonst nicht Alexander Aphrosisiensis im Commentar zu Arist met. p. 48, 11 und 45, 10 die Darstellung des Aristoteles unter Berufung auf die Briefe bekämpfen könnte.

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ioTi KeßriQ ir rolg ^wxffctreioig loyotg jusra Sififxiov JSojxQarei dia- XeyofiBvog iv x(p nBQi y/vxfjs ioy^ ^). Im Jahre 364 war also der Dialog bereits ediert und in aller Hände, so dass uns ein fester terminus ante quem für die Abfassungszeit gegeben ist. Zugleich ersieht man, wie die Wahl des Kebes als Sprecher des Dialoges mit freundschaftlichen Be- ziehungen zusammenhängt, welche Plato mit demselben unterhielt und auch auf die Töchter desselben ausdehnte.

Weit wichtiger aber ist eine andere Stelle des Briefes p. 360 B, welche von zwei neuen Werken eine leider nur dunkel gehaltene Anspie- lung gibt. Nachdem nämlich Plato im Eingange des Briefes den Dionysios an einen Ausspruch erinnert, worin derselbe die geistige Förderung, welche er durch den Verkehr mit Plato in der Philosophie erfahren habe, dankbar anerkannte, fahrt er also fort xal iy(b vvv ro avro Tiapaasceva^iov rwy re rfv&ayo^iHijDy nefinoi aoi xat rmv diai^iasioy xal äv^()a, äoTief} bSoxh fifiir TOTSj (p yh av xal ^AQXvrrig, bItisq rjxsi na^a ae 'AgxvTTjg, /pijfai^-ai dvvaioS^av. Fragen wir zuerst, was hat er unter Abschnitten aus dem Tlvd^ayog^m verstanden? Dachte er vielleicht an ein, wenn auch apokryphes Buch des Pythagoras selbst? Gewiss nicht; denn abgesehen davon, dass wir von einem solchen Buche aus der alten Zeit nichts wissen^, wäre es doch auch sonderbar, wenn sich Dionysios ein Buch des Italikers Pythagoras auf dem Umweg über Athen hätte kommen lassen, imd sich nicht wegen eines solchen Buches an den Pythagoreer Archytas, der mit den Königen von Syrakus in nicht minder vertraulicher Beziehung wie Plato stund und dessen Besuch am fürstlichen Hofe, wie man aus dem Briefe sieht, schon angemeldet war, gewendet hätte. Aber überhaupt erwartet man dem ganzen Zusammenhang nach kein fremdes Buch, sondern ein Buch des Plato selbst; das war von vornherein das natürliche und darauf weist bestimmt die Anerkennung hin, welche Dionysios dem persönlichen Verkehr mit Plato zollte. Ich gebe mir daher keine Mühe, die Vermutung,

1) In dem Ausdruck nt^l «^/5f hat Steinhart S. 323 ein Zeichen der Unechtheit finden wollen, weil Plato und AriBtoteles den Dialog nach der Hauptperson *Pai6iuv betitelten. Aber wer sagt ihm, dass der Sachtitel nfftl i/^w/ijf erst lange nach Piatos Zeit aufgekommen ist?

2) An die zff^"^ ^^^ Uv^ayogov wird wohl niemand denken, auch wenn er sich nicht durch die gelehrten Untersuchungen Nauck's in der eben erschienenen, von dem Verfasser mir gütigst 25ugeschickten Ausgabe des Jamblichus vita Pythagorica p. 201—242 von dem ürspnmg dieser Spruchsammlung aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Überzeugen Hess.

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dass vielleicht das Buch ITv&ayoQBia des Xenokrates, eines Schülers des Plato, von dem wir durch Diogenes IV 2, 13 Kenntnis haben ^), gemeint sei, ernstlich zu erwägen und zurückzuweisen. Vielmehr gehe ich un- mittelbar davon aus, dass jene üv^ayo^ieia unter den Werken Piatos selbst zu suchen seien. Bedenken wir nun, dass Plato diejenigen Dialoge, in denen die Lehre des Sokrates vorgetragen wird und Sokrates der Träger des Dialoges ist, ^cjXQaxelovg koyovg nennt, so konnte derselbe leicht ein Werk, in welchem eine von Sokrates beiseite gelassene Sparte der Philosophie von einem Anhänger der pythagoreischen Schule vor- getragen wird, ITv&ay6(}€ioy koyov oder ITv&ayoQSia nennen; das war aber natürlich kein anderes Werk als der Timaios mit seiner Darlegung der pythagoreischen Kosmogonie. Ich erinnere dabei besonders an Gellius noct. att. III 17: Timon Platonem philosophum contumeliose appellat, quod impenso pretio librum Pythagoricae disciplinae emisset exque eo Timaeum, nobilem illum dialogum, concinnasset. Bei der ganzen Weise aber, mit der Plato seine Schriften und Meinungen in ein gewisses Halb- dunkel zu kleiden und seine Person hinter die fremden Leiter des Dialoges zu verstecken liebte, darf es uns gar nicht wundern, wenn er in einem Briefe an Dionysios, den Freund des Pythagoreers Archytas, seinem Timaios den Namen flv&ayoifeiog koyog beilegte. Aber warum schickte er dem Fürsten nicht den ganzen Timaios, sondern nur Teile daraus? Darauf ist die Antwort einfach; weil er im Jahre 364 noch mit der Aus- arbeitung jener Schrift beschäftigt war und erst einzelne Partien vollendet hatte. Das wenigstens ist die nächste und natürliche Lösung; es gibt indes auch noch einen andern Ausweg. Den fürstlichen Dilettanten mit den Tiefen der Kosmogonie, die ja auch uns noch so viel Kopfzerbrechen machen, zu befassen, wäre gewiss übel angebracht gewesen. Dagegen enthält der Timaios auch einige Stellen allgemeiner Weisheit und erhabener Sittenlehre, wie über die Erziehung p. 87 C 90 D, über die Erschaffung des Kosmos durch den Weltschöpfer p. 29 E 34 B, über die Schöpfung

1) Was der Inhalt dieser flv&ccyoQfi« gewesen sei, erfahren wir nicht; vielleicht enthielten sie die Kosmologie des stark an Pythagoras anstreifenden Akademikers (s. Zeller Gesch. d. Phil. II* 872) und berührte sich so inhaltlich mit dem Timaios des Plato. Dieses Buch scheint Jam- blichus Tit. Pyth. II 7 benützt zu haben, über welche Stelle sich der neueste Herausgeber Nauck allzu skeptisch ausdrückt.

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des Menschen p. 42 E 47 D. Diese mochte Plato für besonders geeignet zur Lektüre eines philosophisch gebildeten Königs halten und für den Dionysios gesondert abschreiben lassen, wie denn auch später ein gekrön- ter Autor, der Kaiser Julian, in seiner Schrift gegen die Christen p. 172 sqq. ed. Neumann gerade solche Partien des Timaios wegen ihres allge- meineren Interesses heraushob.

Grössere Schwierigkeiten bereitet der zweite Buchtitel &iaiQfmig^ der uns auf ein viel umstrittenes Gebiet drängt^). Es fragt sich nämlich hier, ob man bei den diaigeaeig jenes Briefe an uns erhaltene Dialoge Piatos denken muss ist dieses der Fall, so bieten sich von selbst zwei Dialoge dar, deren ganzer Gang auf der Begriffsteilung (divisio äiaiQemg) beruht und die daher passend imter dem Titel J^iaip/a^i«» zusammengefasst werden konnten, der Sophistes und Politikos oder ob man berechtigt ist anzunehmen, Plato habe in jenem Briefe ein Werk im Auge gehabt das den speciellen Titel ^laiQfoeig führte, nicht aber auf uns gekommen ist und schon im 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung durch ein unechtes, nun gleichfalls verloren gegangenes Machwerk ersetzt worden war^. Zur Entscheidung dieser Frage muss zunächst auf die Deutung dreier Stellen des Aristoteles eingegangen werden. Zweimal nämlich spricht der grosse Schüler Piatos von den ^laiffeaeig seines Lehrers: de gen. et corr. II 3 p. 330 b 15: (oaavriog ^s xal oi TQia k&yorregj xa&aneQ Illariov iv ralg diaigiataiv ro j^ap fxiaov /ily/iia noul xat a;f€(Tor ravrä Ifyovaiy oi' n dvo xal oi r^ia noiovvTsg, nlriv ot /uir (sc. ol dvo ItyovTeg) rifivovaiv fU dvo (sc. atga xal vdioQ) fieaov, ol dt (sc. ol rgia XfyorTeg) tv ftwov noiovaiy (i. e. «V ri i^ degog xal vdarog uixrov)^ met. IV 11 p. 1019 a 4 tc fiiv dt] ovTü) keysTac ngoreffa xal voTfQa, ra de xara ipvoiv xal ovaiar, Zaa ivdix^iai elvai ayev aXlivr, ixelya de ävev ixeiywr /itj, i) diaigeaei exQTjaaTo nidrcoy' wozu dann noch eine dritte Stelle kommt: de part.

1) Zuletzt haben, soweit mir bekannt, von den itatgiaeig gehandelt: Ueberwegf Unter- suchungen platonischer Schriften S. 155 f., Susemihl, Genetische Entwicklung d. plat. Phil. H 546 ff. und Zeller Phil. d. Griech. 380 ff.

2) Nach Philoponos zu Aristoteles de gen. et corr. II 3 p. 330 b 15 behauptete Alexander von Aphrodisias, dass die zu seiner Zeit unter Piatos Namen* in Umlauf gesetzte Schrift 6uuQiüft( unecht war; und bei der Umsicht und Sachkenntnis dieses trefflichen Erklärers dürfen wir voUst&ndi^ der Richtigkeit seines Urteils in dieser Sache vertrauen.

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anim. I 2 p. 642 b 10 la/ußdrovoi d^kvioi xb xa9^ sxaaTov JiiaiQovfievoi To yivog slg dvo dia(po{)ag. xovro dHari rfj jutr ov ^aiüiov^ rfi cT'acTi; i/crror. ivioiv ya^f earai (fiatpopa ula fiovri^ ra d^älka Tifp/^py«, olor vnonovr dinovv ax^'Qonovv änovy. avTt] yag /tioyt] xvgia. hi (^f ngoatj^cei fti; diaanär ixaarov ysrog , olor rovg ognS-ag rovg fiiv er r/ycTc, rovg (f^ir äXlfi diaiQBOei^ xad^dnef) e/ovair al yeyffaijjLuyai ^laiQeosig. ixsl yap rovg iiiv jusrä Tay iyv^ffwy avjLißaiyei (fifjfftjoS'ai, rovg dHy äXX(p y^ysi.

Gehen wir von der letzten Stelle aus, so muss man aus dem Zusatz yeyQaujueyai ^laigioeig notwendig schliessen, dass es neben schriftlich abgefassten Teilungen {^laigiaiig) auch noch mündlich überlieferte gab, woraus aber natürlich noch nicht folgt, dass an den beiden anderen Stellen, weil der Zusatz y^y^auueyai fehlt, nun notwendig an blos münd- liche Traditionen zu denken sei. Aber an der zweiten Stelle ist doch diese Deutung nicht blos zulässig, sondern wenn man von der Lesart iXQ^ß^ des cod. Par. E ausgeht, geradezu notwendig. Indes hat der cod. A^ mit dem vielleicht auch der Commentator Alexander von Aphrodias übereinstimmt, den Aorist ixpi^aaro, so dass es gut sein wird, diese Stelle wegen der zwiespältigen Ueberlieferung ganz ausser Spiel zu lassen* Hingegen führt uns an der 1. Stelle die ganze Fassung und insbesondere das Präsens noieX wieder auf eine schriftliche Ueberlieferung, auf ein Buch Piatos hin, in welchem jene Lehre von 3 Elementen verzeichnet war ^). Können nun diese beiden Stellen, de gen. II 3 und de part. an. I 2j auf die uns erhaltenen Dialoge Sophistes und Politikos bezogen werden? Die letzte legt von vornherein eine Bezugnahme auf unsere Dialoge nahe, da in denselben immer von der Dichotomie oder der Teilung des yeyog in 2 (fiacpo^ai ausgegangen wird. Aber auch der von Aristoteles speciell gerügte Fehler, dass die Anhänger der dichotomischen Teilung genötigt würden, von den Vögeln einige in die Klasse des yiyog rwr iytdifwy l^(v(oy zu stellen und dort weiteren Proceduren dichotomischer Teilung zu unterziehen, andere einem ganz anderen yeyog, dem der Erd- und Lufttiere zuzuteilen und hier auf das Prokrustesbett der Dichotomie zu spannen, passt so gut nur immer möglich auf die beiden von Plato im Sophistes p. 220 und Politikos p. 264 ff. versuchten diai^eoeig 'Qwm:

^j Hierin muss jeder Unbefangene Zeller im Streite gegen üeberweg an den genannten Stellen beistimmen.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. II. Abth. 63

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Sophistes p. 220.

nt^ii yfvarixfi oder Byvygn

Politikos p. 264 sqq.

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riTijy« Tit^n

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Denn nach der eisten Teilung fällt ein Teil der Vögel unter die fvvyQa, wofür Aristoteles nach seinem Sprachgebrauch iyvd()a sagt, nach der zweiten wird ein anderer Teil der Vögel unter die ^Qoßarixa gestellt Zeller, der den Fehler bei Plato nicht finden will, hat, wie es scheint, zu frühe aufgehört, die Stelle des Politikos zu vergleichen; sonst inüsste er, wenn er den Abschnitt von p. 264 bis p. 267 herangezogen liätte, auf denselben gekommen sein. Ich lege dabei aber auch noch Wert auf die vorausgehende Bemerkung des Aristoteles, dass es aller- dings nur 1 richtige Teilung, vnonovv ütjovv^ gebe und dass die Teilung vnonovp (JiTTovy ox^'Qonovi^ anovr ungehörige {tj^qi^qy^) Glieder enthalte. Denn Plato ist eben im Politikos in dieser Beziehung richtig verfahren und hat den Fehler, in den andere gefallen zu sein scheinen, geschickt vermieden, indem er zuerst die Tiere in Tif^a und nTtjyd (d. i. änoda) teilte und dann erst unter den ntCa teils diTioSa und rtrQUTioSa^ teils

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fiivyvxa und oxiora unterschied. Ich halte es nach allem dem für aus- gemacht, dass Aristoteles de part. an. I 2 unter den yej^QafiiLierai cTmi- (fiofig die uns erhaltenen Dialoge Sophistes und Politikos gemeint hat. Nicht so glatt läuft die Sache mit der zweiten Stelle de gen. II 3 ab. Verständigen wir uns zuerst über die Sache, so kann es auch nicht einen Augenblick zweifelhaft sein, dass Aristoteles an jene Lehre Piatos von den Elementen gedacht hat, die wir im Timaios p. 31 B und 53 A vorgetragen finden. Denn dort wird den 2 zuerst aufgestellten Elementen, Feuer und Erde, ein drittes, welches zu jenen zweien das geometrische Mittel bilden soll (^röp : r^irov = rifizor : yi]) hinzugefügt; jenes dritte aber ist Wasser Luft als ein Ganzes gedacht, so dass sich diese Lehre thatsächlich nicht von der des Parmenides und anderer unterschied, welche zwischen Feuer imd Erde zwei mittlere Elemente, Wasser und Luft, annahmen. Hätte also Aristoteles xa&dnsif FIXariDv iv tm Ti/Ltaiip statt aV raii; diaiifiaeai gesagt, wie er de coelo I 10 p. 280' 28 mit üons{) iv Ti5 Tiuai(p sich auf jenen Dialog bezieht, dann wäre alles in Ordnung. Kann nun aber Aristoteles mit iv ralg ^iai^eaeai den Timaios meinen, oder gibt es auch eine Stelle im Sophistes oder Politikos, in der jene Lehre vorkommt? Das erstere scheint mir Zeller mit Recht in Abrede zu stellen; dachte Aristoteles wirklich an die angeführten Stellen des Timaios, so wäre ich eher geneigt zu einem Gedächtnisfehler des Philosophen oder einer Verwechselung des Timaios mit dem Sophistes meine Zuflucht zu nehmen. Nun ist aber ein solcher Notbehelf über- haupt nicht notwendig, da es wirklich eine Stelle im Sophistes p. 242 C gibt, auf die schon von Bournot ich entnehme dieses aus Susemihl die Stelle des Aristoteles bezogen wurde und auch wirklich bezogen werden kann: /tivd^ov nva ixaaiog (qc. nagfuri^rit; xal nag oang nwnore inl '/{fioiy w()jiLrjO€ rov wra dio^fLoaaS-ai nooa re xat noia ioriy) (fai- verai juoi diriyBia&ai naialv (og ovoiv rjuiy^ 6 utv (og T()ia ra orra, noXe^n dt dkXtjloig iriore avrwv arra nji, rore ^i xal ifiXa yiyro^ueya ydjjLovg re xal Toxovg xal T{fO(fdg tcöv ixyoyiuy na^fi/^trai, <fvo Jf sTeQog elnary, vy{)oy xal ^(foy . . . To de TiaQ fjuioy 'Ektarixoy t&yog, dnb Seyo(pdyovg re xat en TiQoö&ty ä^'idutyov (og irog oyxog rwy ndynoy xakovjuiycoy ovru) du^^Q/^erai Tolg fnv&oig. Der Sinn der Stelle würde uns zwar ohne die ausführliche Erörterung im Timaios nie klar geworden sein; nun aber, wo wir den

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Timaios daneben haben, werden wir einsehen müssen, dass die rp/« des Sophistes mit den 3 Elementen des Timaios identificiert werden können und müssen. Ebenso wird ims aber auch eine Betrachtung des ganzen einschlägigen Kapitels des Aristoteles, namentlich der Stelle, wo die Ver- treter zweier und dreier Elemente nebeneinander gestellt werden, begreif- lich machen, dass Aristoteles recht wohl die Stelle des Sophistes im Auge haben konnte und wohl auch gehabt hat.

Unter den yeyQajUjLurai, (T/a/p/a^/^ des Plato im Gegensatz zu den mündlich in der Praxis der Schule fortgepflanzten diai(ßto€ic: verstand also Aristoteles die beiden Dialoge Sophistes und Politikos, und an sie und an nichts anderes dachte Plato, wenn er in unserem 13. Brief Abschnitte aus den J/a/pfa^/t; für den König Dionysios dem Briefe beizu- legen verspricht. Dann ist die Folge, dass im Jahre 364 Plato mit jenen beiden Dialogen beschäftigt war oder sie eben damals zum Abschluss brachte.

Aber gegen diese Datierung scheint eine andere Combination zu sprechen, die wir jedenfalls noch zur Sprache bringen müssen. Leon. Spengel hat zuerst in einer Recension von Rettigs Prolegomena in rempubl. in Münchener gelehrte Anzeigen 1846 S. 653 und später in dem Aufsatze, Isokrates und Piaton im Philologus XIX 595, die Vermu- tung ausgesprochen, dass Plato den im Eingang des Sophistes und Poli- tikos ausgesprochenen Plan, auf den Sophistes und Politikos einen dritten Dialog Philosophos folgen zu lassen, später nur insofern aufgegeben habe, als er in anderer Form eine Darstellung des Philosophen zu geben suchte, nämlich ohne die dürre, ermüdende Dichotomie der Eleaten in der phanta- sievollen Weise des wahren Philosophen, des Sokrates, in dem 5,, 6. und 7. Buche der Politeia. Die Ansicht Spengels hat von vornherein sehr viel bestechendes, namentlich da man noch deutlich erkennen kann, dass jene Bücher erst nachträglich zu dem früher entworfenen und ausgeführten Werke vom Staate hinzugekommen sind. Ich mache auch kein Hehl daraus, dass sie nicht blos beim ersten Lesen mich vollständig gefangen nahm, son- dern mir auch noch lange nachher als fester Anhaltspunkt in der Chrono- logie der platonischen Dialoge gegolten hat. Aber auf der anderen Seite muss doch zugegeben werden, dass man eine ganz andere, viel strengere imd nüchternere Darstellung des Gegenstandes erwartet als sie in den Büchern

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der Republik gegeben ist. Sodann ward es mir, je mehr ich mich in die letzte Geistesrichtung Piatos hineinlebte, desto zweifelhafter, ob dem Philosophen zur Zeit, als er den Sophistes und Politikos schrieb, noch eine mehr poetisch schöne als beweisstarke Darstellung, wie sie die Politeia bietet, genügt hätte. Dazu kam mir noch der Zweifel, ob der Parme- nides, der im Sophistes p. 217 C in Aussicht gestellt wird und damals gewiss bereits entworfen war, vor der Politeia mit ihrer unbedingten und unbeschränkten Ideenlehre könne geschrieben sein (s. oben S. 469). So war schon mein Vertrauen auf die Hypothese Spengel's stark ins Wanken gekommen; da kam noch die aus dem Verhältnisse des 13. Briefes zu jenen Dialogen resultierende chronologische Schwierigkeit hinzu. Denn die Politeia war schon vor der Reise Piatos an den Hof des jüngeren Dionysios abgeschlossen; die Dialoge Sophistes und Politikos sind erst einige Zeit nach der Rückkehr Piatos ausgegeben worden. Also kann der im Sophistes in Aussicht gestellte Dialog Philosophos nicht in einer Einlage der Politeia gesucht werden. Damit sage ich mich von der geist- vollen Hypothese meines verehrten Lehrers und Meisters definitiv los ^).

9. Historische Bezugnahmen in der Politeia und dem Phaidon und Theätet»

Ich habe bei meinen platonischen Studien neben Plato auch Xeno- phon gelesen, um durch gleichzeitige und zusammenhängende Lektüre mir über das Verhältnis der beiden Geister zu einander und über den historischen Hintergrund der platonischen Dialoge ein eigenes Urteil zu bilden. Dabei glaube ich einiges bisher Uebersehene erkannt zu haben, was der Beachtung nicht unwert sein dürfte.

Das 5. Buch der Politeia enthält p. 471 einen schönen und kräftigen Mahnruf an die Hellenen, Krieg nur gegen die Barbaren zu führen, es aber nicht so zu machen wie jetzt, wo sie sich unter einander bekrieg- ten, Hellas mit ihren eigenen Waffen verwüsteten, die Häuser in Brand steckten und die Bewohner eingenommener Städte alle insgesamt, Männer

1) Dabei sei noch der Wunsch ausgesprochen, es möge von der neu gewonnenen Grundlage aus das Verhältnis der Politeia zum Politikos einer erneuten Untersuchung unterzogen werden. Interessant ist mir in dieser Frage von vornherein, dass ein tüchtiger Forscher Hirzel im Her- mes VIII (1874) von ganz anderem Ausgangspunkte aus auf das gleiche Resultat, dass der Politi- kos auf die Politeia folgte, gekommen ist.

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Frauen Kinder, als Feinde behandelten: ovxovy rriv TjQog rovg ^'EHijyai; (iiaipoQOLV (og olxeiovg araaiv riytiaopTai xal oväe ovofiaaovai nolefioy, . . svfiardßg J^ awcpQoviovoiv crux im dovluq, xolaQoyrsg ovS" in oi/ö^pw, awipQoyiaral bvxeg ov noksfiioi. otJJ* «pa rrjy "^EkXdda^Ellrivsg oyxeg xegovaiv^ ov^i olxrjoaig ifinQrjOovoiv ov^e o/uoloyrjaovaiy iv ixaarj] noXst navxag ixS-QOvg avToig elvai, xal äyifgag xal yvvalxag xal naldagy äX)! oliyovg del ix^^QOvg rovg alriovg rfjg Siacpo^äg, xal did ravra ndyxa oike rrjy yrjy i&€lriaovai XH{faiy avrwy cog (pikojy rwy noildiv , ovts olxidg äyaigi- TiBiv . . . iyd fiiy , h'(pr]^ baoloydi ovrio ^sTy ngog rovg iyayriovg rovg fi^BrBQOvg Tiolirag n^foacpiQto&ai , n^og Si rovg ßagßagovg (og yvy oi ^'EkXriVBg 7i{fbg akXrilovg. Das sieht nicht aus wie ein Gemeinplatz, das sind Töne und Farben, wie sie die Gegenwart und die Wirklichkeit an die Hand gibt. Sieht man sich nun in der Geschichte nach einer Zeit um, auf die jene Schilderung passt, so war der Krieg der Hellenen unter einander durch den Frieden des Antalkidas i. J. 387 beigelegt oder doch auf einige Zeit sistiert worden; von da an war im wesent- lichen Ruhe bis zum gewaltsamen Ausbruch der Streitigkeiten zwischen Theben und Sparta oder bis zum Jahre 376. Auch dann blieben Athen und Attika, wenigstens in den ersten Jahren, von den Leiden des Krieges unberührt, doch spielten die Kämpfe an ihrer Grenze und traten bald Ereignisse ein, welche die grösste Aufregung in Athen hervorriefen und zu Vermittlungsversuchen zwischen den streitenden Staaten führten. Die Athen befreundeten Städte Platäa und Thespiä nämlich wurden von den Thebanem eingenommen und mussten die ganze Härte und Grausamkeit ihrer gefühllosen Feinde, der dvaio&rjxoi 07]ßaloiy fühlen. Die von Haus und Hof verjagten Platäer und Thespieer flüchteten nach Athen und baten schutzflehend ihre ^ alten Bimdesgenossen um Hilfe. Diese ent- schlossen sich zwar noch nicht zum Kriege, schickten aber Gesandt- schaften nach Theben und Sparta, um den Frieden zwischen den Käm- pfenden zu vermitteln und dem Kriege der Hellenen untereinander ein Ende zu machen ^). Das ist genau die Situation , auf welche die ange- führten Worte des Plato passen und aus der heraus sie geschrieben sind. Im Jahre 374 also denn in dieses Jahr fiel die Einnahme von Platäa

ly Siehe Xenophon hell. VI 3, Diodor XV 41. 46, Pausanias IX 1, 3.

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schrieb Plato am 5. Buche der Politeia, also an jenem Abschnitt des Werkes (Buch 5, 6, 7), welcher zugleich mit dem Schlüsse zuletzt vom Philosophen ausgeführt wurde und in welchem L. Spengel den Ersatz für den ver- sprochenen Dialog Philosophos finden wollte.

Im Eingang des Phaidon lesen wir: xal yap oike raiy nokiriny fpkiaaiujy ov^alg navv ri CTri/copm^ft ra vvv ld&r]vaQB^ ovra ng ^irog dqnxjai /poyot; av/yov ixeiS-ey^ oartg ay ^fily aa(peg ri ayysi'kai olog r^r^v TjeQt TovTwy, nXtjy yk ^tj oti (paQuaxoy mcoy anoS-ayoi, In welche Zeit führen uns diese Worte? Das natürlichste scheint zu sein an die nächste Zeit nach Sokrates Tod zu denken und das x(f^^^^ avxyov auf den Zeitraum von ein paar Monaten oder Jahren zu deuten, die sich Plato seit dem tragischen Ereignis verflossen dachte. Aber in so früher Zeit iot der Dialog nicht ge- schrieben — das bedarf keines Beweises es könnte daher bei dieser Deu- tung nur davon die Rede sein, dass Plato nicht blos den Dialog selbst, sondern auch die Einkleidung desselben in eine frühere Zeit verlegt wissen wollte. Mit dieser Annahme können wir uns auch zur Not bei diesem Dialoge so gut wie beim Theätet beruhigen. Aber dann müsste sich doch Plato einen grossen Anachronismus, einen fast noch grösseren wie in der Poli- teia, erlaubt haben. Denn davon kann ja keine Rede sein, dass damals schon, kurz nach 399 Echekrates gelebt und den nach Phlius gekoni- menen Sokratiker Phaidon nach den letzten Stunden des grossen Toten gefragt haben kann. Derjenige Echekrates nämlich, von dem allein wir Kenntnis haben und den schon Wyttenbach in seinem vortrefflichen Coni- mentar des Phaidon p. 110 sq. unter dem Echekrates unseres Dialoges verstand, wird im Jahre 399 schwerlich nur geboren gewesen sein. Denn derselbe gehörte zu den jüngsten Pythagoreern, welche nach Dioge- nes VIII 46 der Aristoteliker Aristoxenos noch gesehen hatte, und wird im 9. Briefe des Plato an Archytas, der sicherlich erst nach der Rück- kehr Piatos von seiner 1. Reise nach Sikilien geschrieben ist, ausdrücklich ein Jüngling (ymyioxog) genannt ^). Will man aber auch diesen Brief für unecht erklären, so wird man doch immerhin zugeben müssen, dass sein Verfasser über die Zeitverhältnisse und das Alter des Echekrates besser als jeder von uns unterrichtet war. Nötigt uns nun die Herein-

1) '£/fX(;«roi'ff 6i xat vvv imiAklkiav ^x^h^^^ ***' *'^ '®*' Xoinov x^ovov i'^ofitv xai 6ia ak xai diu Tov naziyu aitov 4>gvv(ujva xai 6id nixov tov votviaxov.

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Ziehung des Pythagoreers Echekrates zur Annahme, dass Plato Personen und Ereignisse weit auseinander liegender Zeiten in seinem Phaidon zusammenzuführen sich erlaubte, so dürfen wir doch noch einmal fragen, auf welche Zeit die Bemerkung über den jetzt (ra vvv) unterbrochenen Verkehr zwischen Phlius und Athen am besten passe. Es waren aber vernehmlich zwei Zeitpunkte, in denen der Verkehr zwischen den beiden Städten eine Störung erlitt; einmal im korinthischen Kriege, in dem Phlius eine neutrale, zuwartende Haltung einnahm, und dann bei der langen Belagerung und schliesslichen Unterwerfung der Stadt Phlius durch den spartanischen König Agesilaos im Jahre 379, von der uns Xenophon in den Hell. V 3, 21 ff. erzählt Die zuvor angedeute- ten Lebensverhältnis^ des Pythagoreers Echekrates, der, nachdem er in Folge der Auflösung und des Verfalls der Schule der Pythagoreer, Italien und Rhegium verlassen hatte, nach Phlius seiner Heimat zu- rückgekehrt zu sein scheint % werden uns von vornherein der zweiten Annahme günstiger stimmen, so dass wir im Eingang des Phaidon eine Anspielung auf die durch den Zug des Agesilaos herbeigeführte dauernde Entfremdung von Phlius und Athen erblicken imd die Abfas- sung des Dialoges in die Zeit nach 379 verlegen. Auf diese Zeit führt uns aber auch noch eine andere Stelle, die uns zu einer grösseren Digression nötigt.

Im Eingang des Theätet begründet der Autor die neue Methode, das Gespräch unmittelbar vorzuführen und nicht durch langweilige Zwischensätze zu unterbrechen, auf folgende Weise: iyfjayjautjr ^i di) ovTCDol ibv Xoyov, ovx i/Ltol 2ü)X(}dxr] ditjyovjiieyor log SiTjyHTO, akka dia- kayojueror olg e(p7] diaksxO^rai . . . iVa ovy tv rfj yifOL(pfi ufj nügi/oiBr n^ayfiaxa ai ^lera^ rdty koywr diriyriaetg Tiepl avrov tb bnore Uyoi o JSwxQarrjg, olov, xqyu Bcprjv ^ xal iyib dnoy, i] av m^l rov dnoxQivofiivov, oTi ovvicpT] fj ovx (ojuokoyei, rovriav evexa (6g avzbv avrolg diaUyouBvor fygayja i^ekcjv xa roiavra. Aus diesen Worten könnte man schliessen, dass alle Gespräche mit den Zwischensätzen BcpTjv, xal lyib elnov^ ovye<fr],

1) Jedoch nur scheint, da von den beiden Schriftstellern, die gemeinsam aus dem Berichte des Aristoxenos schöpften, Diogenes VIII 46 darüber nichts bestimmtes überliefert, und Jamblichus vit. Pythagorae c. 35 nur im allgemeinen, wenn wir der Verbesserung der Stelle durch Roh de und Nauck folgen, angibt, dass die Pythagoreer, nachdem sie sich anfangs nach Rhegium zurückgezogen, später auch diese Stadt und Italien überhaupt verlassen haben.

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ovx (OfAoXoyBi vor dem Theätet geschrieben seien, und diesen Gedanken hat in der That bereits Schleiermacher in seiner Uebersetzung zu Theätet S. 489 gefasst und neuerdings Teichmüller in Reihenfolge der platonischen Dialoge 1879 und Literarische Fehden I 10 als eine grosse neue Entdeckung aufgestellt^). Aber derselbe wird schwerlich so unbedingt durchzuführen sein, da selbst im Parmenides noch Plato jene anführende Gesprächsform, wenn auch in sehr beschränktem Masse anwendet. Auch war es gewiss in erster Linie der besondere Charakter der Dialektik mit ihren kurzen Fragen und Antworten, welche den Philosophen bestimmte im Theätet sowie im Sophistes und Politikos die Sprechenden direkt einzuführen. Aber derselbe muss sich doch im Eingang des Theätet auf lästige Unbequemlichkeiten beziehen, welche die andere Form mit sich gebracht hatte, vielleicht auch auf tadelnde Aeusserungen, welche von Seiten der literarischen Kritik gegen dieselbe gefallen waren. Lästigere Störungen brachte aber jene Form zumeist in jenen Werken mit sich, in denen das eigentliche Gespräch in ein anderes einleitendes Gespräch eingerahmt war. Nun hat Plato diese künstlichere Form von Dialogen mit einleitendem Prolog in seinen früheren Werken noch nicht gekannt. Im Laches Kriton Euthyphron Ion Alki- biades Meuon Gorgias Kratylos haben wir kein Vorspiel, und beginnt gleich direkt der eigentliche Dialog. Im Phaidros geht allerdings eine Art von Prolog voraus, der uns zu jener wundervollen Scene am Kephissosbach, zum Quell unter der beschattenden Platane führt, aber deshalb beginnen doch gleich im Anfang Sokrates und Phaidros direkt mit einander zu sprechen und der Unterschied besteht nur darin, dass sie plaudernd erst zu der Stelle kommen, wo der eigentliche Dialog gehalten wird. Die indirekte Form begegnet uns zum ersten Mal in den kleinen Dialogen Lysis und Charmides, und dann in dem Hauptwerk des Plato, in der Politeia, und ich muss sagen, dass mir das ewig wieder- kehrende itpriv Byo), ri d' og schon in diesen sonst so formvollendeten Büchern immer als etwas anstössiges erschienen ist. Aber diese Dialoge hatte schwerlich Plato im Theätet speciell im Auge. Denn abgesehen

1) Dieses Verhältnis richtig gestellt Ton Schanz im Jahresbericht der Altertumswissen- schaft 1879 S. 197. Vergleiche auch Rieh. Schöne: lieber Platous Protagoras S. 8 ff., und was unten im 10. Kapitel darüber von mir bemerkt wird.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. IL Abth. 64

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davon, dass der Lysis und Charmides einer erheblich früheren Periode anzugehören scheinen, entbehren auch sämtliche eben genannten Schriften des dialogischen Vorspiels, das erst die Inkonvenienzen der indirekten Erzäh- lungsform des Hauptdialogs grell hervortreten Hess. In die Klasse dieser letzteren Art von Dialogen fallen nun aber bekanntlich das Symposion, der Protagoras, der Euthydemos und der Phaidon, und auf sie wird Plato im Theätet speciell Bezug genommen haben. Im Protagoras aber und Sym- posion fallt jene Form mit Zwischensätzen weniger auf, da der lange Vor- trag des Protagoras und die langen Reden der Tischgenossen im Symposion aus dem Rahmen des Gesprächs überhaupt herausfallen. Es bleiben also der Euthydemos und der Phaidon; von diesen aber hat der letztere ent- schieden die grössere Verwandtschaft mit dem Theätet. Beide Gespräche versetzen uns in die letzte Lebenszeit des Sokrates, der Phaidon in den Sterbetag selbst, der Theätet in die Zeit unmittelbar vor Einbringung der Klage des Meletos (s. p. 210 D). Beidemal auch wird das Haupt- gespräch referiert von einem Schüler des Sokrates, der die Kunde von der Weisheit des Meisters nach aussen trägt. Wahrscheinlich endlich knüpfen beide Dialoge auch an die Gründung von Philosophenschulen durch Schüler des Sokrates, hier in Phlius, dort in Megara, an, und enthalten zugleich Reminiscenzen des Plato an die traurige Zeit, die er nach dem erschütternden Tode des Sokrates fem von der Vaterstadt Athen zubringen musste. Also der Phaidon und der Theaitetos stehen in naher Beziehung zu einander und der letztere ist nach dem ersteren und wahrscheinlich nicht lange nach demselben geschrieben. Wer diesen Schluss billigt, wird aus der Abfassungszeit des Theätet sich zugleich einen Rückschluss auf den Phaidon erlauben dürfen. Für den Theätet aber hat man in unserer Zeit zwei historische Thatsachen zu verwerten gesucht. Zuerst stellten Ueberweg, Untersuchungen über die Echtheit platonischer Schriften S. 229, und Th. Bergk, in der ersten der nach seinem Tode von Hinrichs herausgegebenen fünf Abhandlungen zur griechischen Philosophie, indem sie einen Gedanken von Munk aufgriflfen, die Ver- mutung auf, dass die im Eingang des Dialoges erwähnte Verwundung des Theätet in der Schlacht bei Korinth sich nicht auf die berühmte Schlacht im korinthischen Krieg des Jahres 394, sondern auf das sieg- reiche Treffen der mit den Lakedämoniern verbündeten Athener unter

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Chabrias im Jahre 369 beziehe. In der That scheint der Ausspruch des Eukleides p. 142 C, der Theätet, der sich bei Korinth so herrlich als Mann bewährte ^ sei bei dem Tode des Sokrates oder im Jahre 399 noch ein Knabe (ficiQaxior) gewesen, besser auf eine Zeit zu passen, die vom Tode des Sokrates 32 Jahre, als eine, die nur 5 Jahre entfernt lag. Aber auf der anderen Seite lässt der Optativ eXjisQ dg rihxiav kld-oi durchblicken, dass Theätet nicht alt geworden sei, und erregt der Umstand Bedenken, dass im Jahre 394 eine grosse Schlacht bei Korinth, im Jahre 369 nur ein kleines Scharmützel stattfand, das allerdings Diodor XV 69 grösser aufbauscht, aber Xenophon hell. VII 1, 19 nur einer ganz beiläufigen Erwähnung wert erachtet ^). Jedenfalls blieb es daher sehr erwünscht, dass noch ein weiterer und sicherer Anhaltspunkt für die Abfassungszeit des Theätet aus der Geschichte gewonnen würde; den haben aber in neuester Zeit unabhängig von einander zwei um die griechische Literaturgeschichte gleich verdiente Männer gefunden, Rohde Abfassungszeit des platonischen Theaitetos In Jhrb. f. Phil. 1881 S. 321 326^) und Bergk in der oben citierten Abhandlung. Beide wiesen nämlich mit glänzendem Scharfsinn nach, dass unter den p. 175 A bespöttelten Lobreden auf Könige, welche ihr Geschlecht durch 25 Stufen auf Herakles zurückführten, Enkomien auf den spartanischen König Agesi- laos, der nach Herodot VIII 131 und Pausanias III 7 in 23. Linie von Herakles abstammte, zu verstehen seien und dass demnach, da Isokrates in dem im Jahre 374 geschriebenen Euagoras c. 8 sich rühmte, die erste Lob- rede auf einen berühmten Mann der unmittelbaren Gegenwart geschrieben zu haben, der Theätet erst einige Jahre nach 374 geschrieben sein könne.

1) Im Einganfif unseres Dialoges wird offenbar von der Situation ausgegangen « dass der verwundete Theätet bis Megara zu Schiff transportiert und von da aus erst nach Athen zu Land weiter gebracht wurde. Das muss in den Stellungen der beiden feindlichen Heere begründet gewesen sein und ich stellte daher in diesem Jahre die Sache zur Diskussion im philologischen Seminar. Einer der Commilitonen, E. Dahl, wies hübsch nach, dass der Landtransport Ton Korinth nach Megara i. J. 394 mehr gehindert war als i. J. 369, indem nach Xenophon IV 5, 19 die Lakedämonier auch noch nach der Schlacht bei Korinth die Plätze Sidus und Krommjon, welche den längs der Küste von Korinth nach Megara führenden Weg beherrschten, mit starken Besatzungen besetzt hielten.

2} Einen Nachtrag dazu gab Rohde im Jahrb. f. Phil. 1882 S. 81— 90 und in Göttingische gelehrte Anzeigen 1884 S. 13 flf.

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Der Beweis bis zu diesem Punkt ^) ist evident und verspricht, wenn auch noch einige Nachteulen dem Lichte der Wahrheit sich verschliessen, ein neuer Grundpfeiler in der Chronologie des Plato zu werden 2). In meine eigenen Combinationen passt der Beweis nach allen. Seiten. Der Sophistes setzt den Theätet unmittelbar fort und zwar so, dass die Fiktion aufge- stellt wird, der Dialog über den Sophisten und Politiker sei an dem Tage darauf gehalten worden. Das ging doch kaum an, wenn einerseits, wie wir oben nachwiesen, der Sophistes im Jahre 364 und, der Theätet, wie man gewöhnlich annimmt, schon schier 30 Jahre früher, bald nach 394 geschrieben und veröffentlicht worden wäre. Ich hatte daher früher, als mir die Abhandlungen von Rhode und Bergk noch nicht zu Gesicht gekommen waren, an eine doppelte Redaktion des Theätet gedacht, so dass der Dialog, wie wir ihn heute lesen, erst in jener späteren Zeit, als Plato demselben den Sophistes und Politikos anfügte, entstanden sei. Da uns dazu aber sichere Anhaltspunkte fehlen, so gebe ich jetzt, wo uns Rohde's Nachweis gestattet, ja zwingt mit dem Theätet so weit herab zu gehen, gern jenen früheren Einfall auf. Um dann nochmals auf den Dialog, von dem wir ausgegangen sind, den Phaidon, zurückzu- kommen, so verweise ich noch auf die Stelle im 10. Buch der Politeia p. 608 D, wo Glaukon sich so gebärdet, als habe er noch nie etwas von einer Unsterblichkeit der Seele gehört; denn unter solchen Umständen kann ich unmöglich glauben, dass damals bereits der eigentliche Unsterb- lichkeitsdialog geschrieben und schon von den Komikern, wie Theopomp, auf die Bühne gezogen worden war ^). Alles aber geht gut zusammen und

1) Bergk geht nämlich noch weiter und verlegt den Theätet in die Zeit nach dem Tode des König» Agesilaos oder nach d. J. ^7 ; aber von Anspielungen auf den Agesilaos des Xenophon findet sich bei Plato keine Spur, und Lobreden auf Agesilaos konnten auch zu dessen Lebzeiten geschrieben werden, wenn gleich dieselben erst nach dessen Tod wie Pilze emporschössen. Zu den von Roh de in G^tt. gel. Anz. gegen Bergk vorgebrachten Einwänden kommt auch noch die oben von mir im 8. Kap. über die Abfassungszeit des Sophistes und Politikos ermittelte Thatsache. Denn da beide Dialoge um 364, jedenfalls vor der 3. Reise des Plato an den Hof des jüngeren Dionysios geschrieben wurden, so kann der ihnen vorausgehende Theaitetos nicht erst 357 geschrieben sein.

2j Die Einwände Teichmüllers gegen Roh de und seine eigenen phantastischen Deutungen der fraglichen Stelle des Theätet auf den sikilischen Historiker Philistos im 2. Bande seiner literari- schen Fehden S. 328 fP. sind zu luftig, als dass sie mich zur eingehenden Widerlegung und Anfügung eines neuen Excurses veranlassten.

3) Nach Diogenes ÜI 26. Nie aber hätte man bezweifeln sollen, dass die Verse iy ya(t €(juy ov6i i'y, tu di 6vo fioXig iy iüiiy &s ^f^oty UXäTtay sich auf eine andere Stelle als auf

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auch die Lebenszeit des Theopomp macht keine Schwierigkeit, wenn wir den Phaidon in das dritte Jahrzehnt des 4. Jahrhunderts v. Chr. zu setzen berechtigt sind.

10. Abfassungszeit des Protagoras.

Die sämtlichen vier im vorausgehenden Kapitel wegen ilires einlei- tenden Vorspiels besprochenen Dialoge, Protagoras Symposion Euthydemos Phaidon, werden voraussichtlich nicht blos in der Form der Gesprächs- einkleidung sich gleichen, sondern auch der gleichen Periode schriftstelleri- scher Thätigkeit Plato's angehören^), und somit, da das Symposion um 384 fällt, in dem nächsten Jahrzehnt nach Rückkehr des Plato von seiner ersten Reise nach Italien und Sikilien geschrieben sein, also in einer Zeit, in der Plato auf der Höhe der Kunstvollendung stund. Dieser Annahme steht, so viel ich sehe, in keinem der bezeichneten Dialoge etwas ent- gegen. Wenn viele den Protagoras früher angesetzt und einige sogar denselben unsinniger Weise welcher Unsinn ist aber nicht all bezüg- lich der Chronologie der platonischen Dialoge vorgebracht worden? in die Zeit vor dem Tode des Sokrates zurückdatiert haben ^, so sprechen dagegen schon, um von dem grossen Fortschritt in der künstlerischen Anordnung und der zielbewussten planmässigen Diskussion^) ganz zu schweigen, historische Beziehungen imd literarische Anspielungen.

Phaidon p. 96 E beziehen, wie Meineke com. graec. fmgm, I 238 und II 2, 797 richtig nach- gewiesen hat. Auch die Zeit macht selbst bei unserer Annahme keine Schwierigkeit, indem der Komiker Theopomp nach Meineke 's Nachweisen über Ol. 100 hinaus gelebt und geschrieben haben muss.

1) Dieses hat zuerst Rieh. Schöne in der gleich näher zu besprechenden Schrift über Protagoras S. 11 ausgesprochen.

2) Sauppe, auf den man sich gerne bezüglich der frohen Abfassung des Dialoges bezieht, hat doch nur so viel festgestellt, dass die Politeia mit ihrer entwickelten Theorie von den vier Cardinaltugenden später als der Protagoras geschrieben ist. Damit ist uns aber noch ein weiter Spielraum gegeben, wenn man nicht mit Teichmüller Liter. Fehden I die 5 ersten Bücher der Politeia um 392 abgefasst sein lässt.

3) Schon Bonitz, Plat Studien S. 250 hat diese Vorzüge des Protagoras richtig hervor- gehoben, wenn er sich auch noch nicht von der herkömmlichen Meinung über die frühe Abfassungszeit des Dialoges losmachen konnte. Vortrefflich durchgeführt hat sie Rieh. Schöne in der für das Verständnis der stilistischen und künstlerischen Seite der platonischen Schrift- steUerei mustergiltigen Schrift, Ueber Piatons Protagoras, 1862. Was dort über die höhere Reife des Protagoras gegenüber dem Gorgias, in dessen Verurteilung der leitenden Staatsmänner noch stark

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Die besondere Erwähnung der Pel tasten in unserem Dialoge p. 350 A weist, wie bereits andere gesehen und erörtert haben *), auf die Zeit hin, in der im griechischen Heerwesen durch Einführung der leichtbewaffneten Peltasten ein vielgepriesener Umschwung bewirkt worden war. Derselbe war aus dem Reformwerk des genialen Feldherm Iphikrates hervor- gegangen, und zeigte sich zum ersten Mal in glänzender Weise im Feldzug des Jahres 392, wo die athenischen Peltasten den peloponnesi- schen Hopliten so gewaltigen Schrecken einjagten (s. Xenophon hell. IV 4, 16). Demnach kann der Protagoras nicht vor dem Jahre 392 geschrieben sein^.

Noch weiter herab führt uns die Schilderung der Lakonentünielei im Protagoras, welche sich in der Nachäffung spartanischer Lebensweise und Tracht kundgab. Diese steht nämlich im besten Einklang mit dem grossartigen Aufschwung Spartas und des lakedämonischen Einflusses nach dem Frieden des Antalkidas (387), wie ihn uns Xenophon in den Hellenicis schildert. Man stelle nur einmal nebeneinander Xen. hell. V 1, 36 ot Aaxeiiaifiovioi, nokv imxvdaaxsifoi iyivovro ix zfjg in livralxidov elQTivrig xakovjueyrig. n(}oaTaTai yaQ yero^evoi rijg vno ßaOiXewg xara- TiBfAcpS-eiarig 6l(}^yrig xat rrjv amovouiav raig noXsai TiQaTTOvreg ngoaekaßoy

die Verstimmung über die Tötung des Sokrates durchklingt, und über den Fortschritt des Prota- goras gegenüber dem Menon nicht blos in stilistischer Beziehung, sondern auch im philosophischen Ideengang bemerkt ist, ist mir ganz aus der Seele gesprochen, so daas ich jeden nur auf die Lektüre jener trefflichen Schrift selbst verweisen kann. Auch die dort aufgestellte chronologische Reihenfolge Protagoras Symposion Parmenides Politeia Phaidon stimmt im wesentlichen zu meinen eigenen Ermittelungen. Schöne hat nur dadurch seine Untersuchungen in starken Misskredit gebracht, dass er nicht 3, sondern nur 2 Arten der stilistischen Composition Piatos annahm und so sonder- barer Weise die Nomoi an den Anfang statt an den Schluss der literarischen Thätigkeit Piatos stellte.

1) Zuerst hat dieses Moment geltend gemacht Kroschel in der Anzeige von Croups Ausgabe des Protagoras in der Zeitschrift ftlr das Gymnasialwesen 1866 Bd. 20 Heft 5; neuer- dings ist dasselbe ausführlich hervorgehoben worden von Teichmüller, Literarische Fehden I 20 fL

2) Mein verehrter Freund Christ. Cron wendet dagegen in seiner Entgegnung auf Kroschel in Z. 1. G. 1867 Bd. 21 S. 403 und in seiner Ausgabe des Protagoras ein, dass in der angeführten Stelle des Protagoras eine bestimmte Beziehung auf die Reformen des Iphikrates nicht notwendig gefunden werden müsse. Ich muss das 'nicht notwendig* zugeben, begnüge mich aber auch mit dem Zugeständnis grösster Wahrscheinlichkeit; über diese werden wir aber in den meisten literarhistorischen Fragen, wo uns kein Geburts tagsschein vorgelegt werden kann, überhaupt nicht viel hinauskommen.

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fxkv ^v/j^jLiaxoy KoQivS'OV^ amovofiovg dt ano jivy (Jjjßaiioy rag ßotiOTid'ag nolsig inoiriaav, ovnsQ ndkai, ine&VfiovVy snavaar dt xalld^tiovs Kofiiy&oy aq)eTeQil^o/Li6yovg^ und Plat. Prot. p. 342 C: oi iy ralg noleai kax(üyi^oyTtg oL /Liiy ima tb xatayyvyxai fiUfiovfieyoi avrovg xat luayrag 7ie{fiBiXLtxoyrai Aui (pikoyvfiyaOToikJi xal ß(fax^ic[g dyaßolag (poQovat, cog dtj romoig x^faTovr- rag riSy ^Eklriywy jovg AaxBdaifioviovg. Jeder wird da geneigt sein in jener Lakonentümelei des Protagoras nur eine Wirkung des von Xeuo- phon geschilderten Ansehens der Lakedämonier nach dem Frieden des Antalkidas zu finden. Dazu kommt nun noch als dritter Moment die ver- steckte Kritik einer Schrift des Xenophon im Protagoras p. 347 C: xal yd{) ÖoxbI fioi xo nspl noirjatiog diakiyea&ai buoioxarov alvai xdig avjLiTioaiotg xolg xdry (pavXwy xal dyo()aia)y dy9'()W7i(Joy. xai yd(} ovroi did lo ^ij dvyaoS-ai dkkriXoig di iavxivy avveiyai iy xi5 norw firjdi cTia xfjg iainrny (pü}yi]g xal x(5y XoyoDV xiSy iavxdiy vnb dnaidtvoiag, xifiiag noiovai tag avlr}X()idag noXkov fiia&ov^evoi dklox()ia)y (pwyrjy xtjy rdiy avkdiy xal Stä x^g ixsiyajv qxoyfjg dkki^koig avyeiair. onov di xakol xdya&ol avjujiojat xal ntnaidevjLtiyoi slaiv, ovx dv cdotg om avkrjfTQvSag ovxe off/ijax^üJag ovx€ xpakxQiag x. r. i. Ganz passend verweist Cron zur Erläuterung der Stelle auf die Flötenspielerin und Tänzerin im Gastmahl des Xenophon und fügt zugleich bei, dass Plato in seinem Gastmahl p. 176 E diese Art der Gelage als eine niedrige und der Gebildeten unwürdige bekämpfe unter Wiederholung der Worte des Protagoras: xriy juiy äifzi elaekd-ovaay avkT]X(}ida /a/peiy iäv . . rj/uäg da did koycjy dkktjkotg avyslyai xo xrjfifijQy, Nun wird heutzutage so ziemlich allgemein zugegeben, dass Plato mit seinem Gastmahl ein Gegenstück zu dem des Xenophon habe schreiben wollen^), um zu zeigen, wie man einen solchen Gegenstand in einer des Philosophen und Sokrates würdigen Weise behandeln müsse. Wir gehen nur einen kleinen Schritt weiter, wenn wir behaupten, Plato habe, bevor er im Symposion ein wirkliches Gegenstück gegeben habe, schon im Protagoras seine abfällige Kritik über die Behandlung des Themas durch seinen Rivalen vorausgeschickt, wobei es vielleicht auch nicht Zufall ist, dass das Gastmahl des Xenophon und der Protagoras des Plato im Hause des reichen Kallias spielen. Wir glauben daher den Protagoras möglichst

1) Heber den Stand dieser Streitfrage eiehe jetzt A. Hug in der 2. Auflage von Platona Symposion p. XXV sqq.

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nahe an das Symposion heranrücken zu müssen und etwa auf 385 fest- setzen zu dürfen ^).

Ueber das zeitliche Verhältnis des Protagoras zum EuthydemoB wage ich keine Vermutung; nur sei eine kleine Aeusserlichkeit erwähnt, n&mlich die, dass im Protagoras p. 329 A und Euthydemos p. 300 B der langanhaltende Ton der Schellen zum Vergleiche herangezogen wird, wohl weil dieselben gerade damals in Athen aufgekommen und in den Läden der Metallfabrikanten zur Schau aufgestellt worden waren. Dieselben sind im Euthydemos von Eisen, im Protagoras von Kupfer oder Bronze; in welchem der Dialoge die richtigere Angabe enthalten ist, der ist offenbar der spätere; aber welche Ansicht ist die richtigere und welche korrigiert die andere? Ganz nichtig aber sind die Gründe, die neuerdings Bergk, Fünf Abhdl. S. 27 £F. vorgebracht hat, um den Euthydemos dem Jahre 365 oder ol. 103, 4 zuzuweisen.

11. Zeit des Phaidros und Eathydemos.

Die Meinungen über die Abfassungszeit und die Reihenfolge der platonischen Dialoge bilden ein solches Chaos, dass nur durch Fixierung einzelner fester Stütz- und Anhaltspunkte eine allmähliche Verständigung erhofft werden kann. Einen solchen Punkt festgestellt zu haben ist das

1) Die Abhandlung war abgeschlossen, als mir der 2. Band von Teichmüller's Literarische Fehden im 4. Jhrh. y. Chr. zukam. In demselben wird S. 126 f. und 218 ff. der Versuch gemacht, einen neuen Anhaltspunkt für die Abfassungszeit des Protagoras zu gewinnen. Der Verfasser der sophistischen Schrift StaXil^uc, welche in unserer Zeit Blass und Bergk zugleich mit überzea- genden Beweisen aus der Umgebung pythagoreischer Schriften losgerissen und der Zeit der Eristiker des 4. «Thrh. zugewiesen haben, soll nämlich im 6. Abschnitt auf den Protagoras de^ Plato Bezug genommen haben, und es soll sich demnach für die Abfassungszeit der SutHifts das Jahr 392 und für die des Protagoras das Jahr 394 ergeben. Aber abgesehen davon, dass von der Zeit jener nunmehr dem 4. Jhrh. vindicierten Schrift sich nur so viel mit Bestimmtheit sagen lässt, dass sie nach der Schlacht von Aigospotamoi und nicht lange nach derselben abgefajsst sei, sind auch die Sätze über die Lehrbarkeit der Tugend so allgemeiner und trivialer Natur und Btimmen zum grösseren Teil so wenig zu den Beweisen im Protagoras des Plato, dass man sich in den beiderseitigen Schriften nur auf den gleichen Boden der Streitfragen jener Zeit versetzt fühlt, ohne bei nüchterner Betrachtung eine direkte Bezugsnahme auf der einen oder anderen Seite za find^. Es ist aber reine Taschenspielerei, wenn Teichmüller seinen Schuster Simon in dem Satze Toi dk rnvTa Xiyoytfs raivSe anoSfi^fvi /^(u^^raA, cJf otl/ otoy r* «ny, ay mx^ naQaSoiiHj tovto avro ht i^fy auf Plato Prot. 319 E aXXa i6i<f ^fiiy ol eoiptantToi xai apiaroi rtjy noXijtay rmvtv tfjy aQfrrjy ijV i^ovaiy ovx oloi xf aXko^g nagaStSotai bezug nehmen lässt und dann das Kunst- stück, das in der Verkehrung der gleichen Worte oloy re und ixovai nugaSidoyai besteben soll, in weitschweifiger Breite auseinandersetzt.

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anerkannte Verdienst Leonhard Spengels in der Abhandlung, Isokrates und Piaton (Abhdl. d. bay. Akad. I. Cl. VIL Bd. v. J. 1855). Aus der Vergleichung des Schlusses des Phaidros , wo Plato , noch die besten Hoffnungen auf den jungen Isokrates setzt und ihn noch ganz für die Philosophie zu gewinnen hofft, mit dem Schlüsse des Euthydemos, wo der nicht mit Namen genannte, aber deutlich gekennzeichnete Isokrates schon offen seine feindselige Stellung gegen die Philosophie kund gibt) von Plato aber mit ' gerechtem Stolz in das Nicht« seines . aufgeblasenen Halbwissens zurückgewiesen wird, zieht Spengel den unanfechtbaren Schluss, dass der Euthydemos nach dem Phaidros geschrieben sei, nach- dem inzwischen Isokrates sein kleinliches Wesen enthüllt und seine politische Rhetorik als die eigentliche Weisheit auszugeben die Stirne gehabt hatte. Weiter spricht sich der vorsichtige Mann nicht aus; er deutet nur noch an, dass das günstige Urteil über Isokrates und die auf ihn gesetzte Hoffnung in sehr frühe Zeit falle und dass also eine geraume Zeit zwischen den beiden Dialogen verflossen sein müsse. Wenn dagegen Ueberweg, Untersuchungen S. 258 einfach meint, 'bald schon nach Herausgabe des Phaidros mag Plato sich überzeugt haben j dass seine idealistische Voraussetzung einer philosophischen Anlage bei dem ganz unphilosophischen Isokrates ihn getäuscht hatte*, so setzt dieses entweder eine ganz oberflächliche Kenntnis des Isokrates von Seiten des Plato oder einen auffälligen Mangel an Scharfblick des Philosophen voraus. Davon ist das eine mit den Nachrichten über die nahe Be- kanntschaft des jungen Plato und Isokrates (Diogenes III 8) und mit der ganzen Darstellung im Phaidros unvereinbar, und schlösse das andere einen Tadel der geistigen Befähigung des Philosophen in sich, zu dem uns nichts berechtigt, alles Einsprache erhebt.

Auf der anderen Seite hat es seine Schwierigkeit den langen Zwischen- raum zu finden, namentlich wenn man von der Voraussetzung ausgeht, der Euthydemos gehöre zu den 'früheren Erzeugnissen der platonischen Muse' (Hermann, System S. 452) und sei jedenfalls vor der ersten Reise des Plato nach Sikilien geschrieben. Auf solche Weise liesß sich neuerdings mein lieber Freund Usener in dem nicht minder durch Feinheit als Kühnheit der Schlüsse bemerkenswerten Aufsatz über die Abfassungszeit des platonischen Phaidros, im Rh. M. XXXV 131^151

Abb. d. I. CL d. k. Ak d. Wies. XVH. Bd. 11. Abth. 65

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unter lebhafter Zustimmung von Wilamowitz in Phil. Unt I 38 und 213 S. zu der Annahme verleiten, dass der Phaidros, den allerdings schon die Alten für ein Jugendwerk des Philosophen ausgegeben hatten,^) schon vor dem Tode des Sokrates im Jahre 402 geschrieben imd heraus- gege\)en worden seL Diese Hypothese aber steht mit allem, was man von dem geistigen Entwicklungsgang Piatos bisher angenommen hat, in so grellem Widerspruch, dass die Fäden der literarhistorischen Combinationen sehr stark sein müssten, wenn sie mich zu der neuAi Meinung herüber- ziehen sollten. Nun aber kann ich keinem der vorgebrachten Beweise eine überzeugende Kraft beimessen, und finde mich darin einmal in gleicher Gesellschaft mit Susemihl, die Abfassungszeit des plat. Phaidros, in Jahrb. f. Phil. 1880 S. 707—724, und Teichmüller, Literarische Fehden I 57 ff. imd 296 f., zusammen. Wenn Antisthenes seine Polemik gegen Isokrates an einen Process'des Jahres 403, in welchem sich Lysias und Isokrates als Logographen gegenüber stunden, anknüpfte, so lässt sich daraus nur durch ein Ahnen, wie Usener selber sagt, etwas für die Abfassungszeit des platonischen Phaidros gewinnen^. Wenn sodann sich die abfällige Aeusserung eines Staatsmannes im Phaidros p. 257 C wirklich, wie Sauppe ep. crit. p. 128 zuerst erkannt hat und auch mir glaublich ist, auf die Verhandlungen über das Bürgerrecht des Lysias im Jahre 403 bezieht, so ist damit nur ein Anzeichen für die Zeit der Scenerie, nicht auch der Abfassung gegeben^). Endlich über die Zeit, in der Lysias seine Lehrthätigkeit und seine epideiktische Schriftstellerei aufgab, sind wir, wie Susemihl des genaueren ausführt, nicht genau genug unterrichtet, um darauf sichere Schlüsse bauen zu können, und würden daraus, selbst wenn wir es wären, nur für die Zeit der Scenerie

1) So Diogenes III 38 Xoyos 6$ ngmov y^ä^/jcu avroy roy *Pttt6^oy, xai ytt(j T/Ca (LUt^axuSSif tt x6 n(j6fiXiifia. Ji<aia^^og 66 xai xoy XQtfnoy j^g yQtt(p^f öXoy iTUf^ifitpnat wg (jpoguxoy. Aber dass hier keine reine Quelle der üeberlieferung fliesse, sondern nur eine Folgerung aus dem Inhalt und Stil vorliege, hat Usener selbst bemerkt und durch die wiederhergestellte Lesart Xoyos 6b (Xoyoy alii) erklärt

2) Dabei will ich noch gar nichts davon sagen, dass wenn Isokrates den Xöyos afiaQXvgos im Jahre 408 für seinen Klienten schrieb, er denselben noch nicht in demselben Jahre, oder unmittel- bar danach herausgegeben zu haben braucht.

3) Auf dieselbe Zeit der Scenerie weist der meines Wissens noch nicht beachtete Hinweis p. 244 D auf die unlängst erfolgte Neuerung in der Schreibweise oder die Einfährung des joni- schen Alphabetes unter dem Archon Eukleides hin.

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einen strikten Beweis ziehen können. Solchen feingesponnenen Combi- nationen gegenüber wiegen bei mir mehr die grossen, wenn auch groben Umrisse der Verhältnisse des Dialoges selbst, die entschieden auf eine spätere Zeit hinweisen. Ich will dabei nicht des weiten und breiten auf die schon viel besprochenen Spuren ägyptischer und pythagoreischer Weisheit zurückkommen, nicht auch nochmals des näheren die weit über Sokrates hinausgehende Entwicklung der Ideenlehre und die höhere Vollendung der künstlerischen Darstellung hervorheben, ich betone nur, dass Plato rücksichtslos und feige zugleich gewesen wäre, wenn er seine, offenbar von persönlicher Feindschaft beeinflusste Abkanzelung des Lysiaa seinem Lehrer Sokrates zu dessen Lebzeiten in den Mund gelegt hätte, zumal wenn die Frage, ob Lysias selbst das erbärmliche Machwerk über den Eros geschrieben, oder es ihm nur Plato nach unverlässigen Diktaten von Schülern untergeschoben habe, noch als eine offene betrachtet werden muss. Das stellte sich aber gleich ganz anders, wenn der Dialog erst nach dem Tode des Sokrates und mehrere Jahre nach demselben ge- schrieben ward. Dann gehört Sokrates nur zur künstlerischen Staffage des Dialoges, und tritt Plato mit seiner eigenen Person voll und ganz für den Inhalt des Dialoges und speciell für die Polemik gegen Lysias ein^). Auf der anderen Seite hat in den Bemerkungen von Wilamowitz das eine Eindruck auf mich gemacht, dass Plato nach dem tragischen Ende des Lehrers 10 Jahre das Lachen verlernt habe. Ja gewiss eine Lobrede auf den Eros mit dem erotischen Sokrates im Hintergrund und ein Dialog, in dem keine Verbitterung nachklingt, über den die ganze Heiterkeit einer wonnevollen Empfindung ausgegossen ist, konnte von Plato nicht geschrieben werden, so lange er sich das Bild seines Lehrers nicht zurückrufen konnte, ohne dass ihn Schmerz und Ingrimm über das demselben angethanene Unrecht übermannte; und dieser Schmerz wird sobald nicht, sicher nicht bevor er ihm in der Apologie, dem Kriton, Menon und Gorgias Worte lieh, aus dem Gemüte des Plato gewichen sein. Aber müssen wir deshalb bis vor den Tod des Sokrates

1) Wer durch Aeusserlichkeiten Useners Meinung stützen will, den verweisen wir auf die vielen Varianten und Fehler, welche auf Verwechselung der Buchstaben e und ij, o und «« zurückgehen. Verlohnen würde sich eine darauf gerichtete Vergleichung des Phaidros mit anderen Dialogen jedenfalls.

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oder vor 399 zurückgehen? Der von Spengel gelegte Boden wird gewahrt, wenn wir zwischen die beiden Dialoge die erste Reise Piatos nach Unteritalien und Sikilien legen und annehmen, Isokrates habe inzwischen eine eigene Schule errichtet und sei mit seinem Programm der von Plato vertretenen Richtung der reinen Philosophie in den Weg getreten. Steht dem etwas entgegen? Es kommt hier vor allem die Rede des Isokrates xara rior aoipiarviy in Betracht, in der derselbe sein Programm darlegte und seiner Schule vor der des Eristikers Antisthenes imd versteckt auch vor der seines ehemaligen Freundes Plato den Vor- zug zu verschaffen suchte. Dieselbe muss nach dem Phaidros geschrieben sein; selbst wenn man sich sträubt in § 17 und 18 der Rede mit Usener eine direkte Entlehnung aus Phaidr. p. 269 D anzuerkennen^). Denn nach dem Bekanntwerden jener Rede konnte sich selbstverständlich Plato keiner Täuschung mehr über die Richtung des Isokrates hingeben^). Sie ist aber auch aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Euthydemos geschrie- ben, da dieser Dialog gewissermassen die Antwort auf die Angriffe ent- hält, welche der Rhetor von dem Wortgezänk der Eristiker {t.(5v ne^l rag e(}i^ag diaxifißoyxioy § 2) und der Grosssprecherei der Tugendlehrer (rcSy Ti]v dffSTTjy xal ^vdai^ovLay naQadidovrvjv § 6 und 7) ausgehend gegen die Philosophie selbst erhoben hatte ^. Denn indem Plato die Klopf- fechterei der Eristik des Antisthenes in ihren zwei älteren Vertretern Euthydemos und Dionysodoros in köstlichster Weise verhöhnt, zeigt er zugleich, wie deshalb noch nicht die Redemeister, welche wie Isokrates in jener Rede gegen die Sophisten sich in das Gewand der Staatsweis- heit kleideten und Redner und Philosophen zugleich sein wollten, das Recht hätten, sich über die wahre Philosophie wegzusetzen. Nun nötigt uns nichts den Euthydemos vor die sikilische Reise zu setzen, umgekehrt führt uns schon der in den beiden vorausgehenden Kapiteln besprochene Zusammenhang mit den Dialogen Phaidon Protagoras Symposion auf die

1) Da» Verhältnis ist in, fast möchte ich sagen querköpfiger Weise umgekehrt von Bergk» Fünf Abhandlungen S. 32.

2) Nicht davon überzeugten sich Schultess, Platonische Forschungen, und Suse mihi, Jahresbericht der Altertumswissenschaft y. J. 1875 S. 300.

8) Freilich spricht Isokrates auch später noch und später schärfer seine Antipathie gegen die reine Philosophie aus, aber der gleich zu besprechende Logograph Isokrates hindert uns an spätere Reden des Isokrates zu denken.

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Zeit nach der Rückkunft. Auch ist mit dieser Zeit der Umstand ver- einbar, dass Isokrates im Euthydem (s. p. 304 D) noch als Logograph und Verfasser von Gerichtsreden einen Namen hatte. Denn die Thätig- keit des Isokrates als Verfasser von Gerichtsreden reicht nachweisbar bis mindestens in das Jahr 390 herab ^), und erst nach der Herausgabe des Panegyrikus oder nach 380 konnte Isokrates nicht mehr als Schreiber von Gerichtsreden bezeichnet werden, wäre wenigstens die Vernachlässigung der neuen und bedeutenderen Richtung der Redeschreiberei des Isokrates eine grosse Ungerechtigkeit gewesen. Von der Rede des Isokrates gegen die Sophisten sagt der Autor selbst 7i€()l dvTidoaaioi; § 195, er habe sie in der Blütezeit des Lebens (dx/id^ior) als jüngerer (rewTSffog^ nicht veog) Mann verfasst. Bedenkt man, dass er zur Zeit, wo er die Rede über den Vermögenstausch schrieb, 82 Jahre alt war, so wird man der Annahme, der Rhetor habe jene Programmrede gegen sein 40. Lebens- jahr oder um 387 geschrieben^), nicht die vorbezeichnet^n Ausdrücke entgegenhalten. Was endlich den Phaidros anbelangt, so muss uns jede Möglichkeit denselben näher an das Symposion und weiter ab von dem Tode des Sokrates rücken zu dürfen erwünscht sein, und werden wir uns zufrieden geben, wenn wir zwischen Phaidros und Euthydemos nur einen und den anderen Dialog einschieben können. Nun zwingt uns zunächst der Charakter der Apologie, des Kriton, Menon.und Gorgias, die noch von Erbitterung über die ungerechte Verurteilung des Sokrates und von Zorn über die Verteidiger jenes Justizmordes überströmen, mit dem Phaidros unter jene Schriften oder mindestens imter das Jahr 395 herabzugehen. Auf der anderen Seite zieht nicht blos die von uns oben besprochene Rede des Isokrates gegen die Sophisten, sondern auch der im Jahre 388 gehaltene loyog Vw/jimaxog des Lysias eine Grenze. Denn mit den Worten dieser Rede § 3 iyct} rjxo) ov ^iixQoXoyrinofiBvog ovde m^i Twr örofidxtov fiaxovfAsvog, ^yovfiai yap ravta t{fya juhy elvai aoipiazüv XLav dx^OTOjy scheint Lysias den Spott des Plato und speciell den Vor- wurf, als ob er sich nur um die ovoiuaTa bemühe (Phaedr. 234 C und

1) Siehe Blass, Attische Beredsamkeit II 15 und 215.

2) Auf 390 setzt sie Usener und sein Schüler Dr. Reinhardt, de Isocratis aemulis p. 6 an, was ich gleichfalls gelten lassen kann; ich meine nur, dass die neue Aera des Fried enn der Erö&iung einer Schule g^Onstiger war. Auch erklärt sich für das Jahr 387 Sauppe, Ztscbr. f. Alt 1835 S. 407—8.

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257 A), zurückgegeben zu haben. Also die Jahre 394 bis 389 werden uns zur Wahl frei stehen. Auf diese Zeit, etwa das mittlere Jahr 391, passt nun auch noch das Verhältnis, in das unsere beiden Redemeister als Schreiber von Gerichtsreden zum Hause des Alkibiades, des mächtigen Freundes des Sokrates und seiner Genossen, getreten waren. Isokrates hatte um 398 mit der Rede 7T€(fl rov ^avyot^g vniff ^A'kxißiadov den jüngeren Alkibiades verteidigt, und Plato war gewiss von der glänzenden Schilderung der Verdienste des Vaters des Angeklagten sympathisch be- rührt worden. Dagegen war Lysias dreimal, mit 2 Reden i. J. 395/4 gegen den jüngeren Alkibiades aufgetreten ^) und hatte bei dieser Gele- genheit die heftigsten Vorwürfe auch gegen den alten Alkibiades erhoben, wie sie besonders I 30 zu lesen sind. Nicht lange Zeit wohl nach diesem Prozesse, nachdem inzwischen auch noch Lysias in eitler Selbstüberhebung der Apologie des Plato seinen Xoyov vne(f SioxQotrovg nQog noXvxQaxi]v entgegengestellt und so den Rivalen zur vergleichenden Kritik der Imbe- cillität des Redekünstlers und der Hoheit des Philosophen herausgefordert hatte, tauchte Plato den Griffel in das Gift, mit der im Phaidros die Polemik gegen Lysias geschrieben ist.

Bei der ganzen Besprechung über die Abfassungszeit des Phaidros habe ich die feinen sprachlichen Bemerkungen Dittenbergers, die Chronologie der platonischen Dialoge, im Hermes XVI 321 345 unbe- rücksichtigt gelassen. Nach ihnen soll der Phaidros, namentlich weil in ihm die von Plato in den früheren Dialogen gar nicht, in den späteren häufig gebrauchte Wendung tL jutjv 1 1 Mal vorkommt, der zweiten Periode der platonischen Schriftstellerei oder der Zeit nach der ersten sikilischen Reise angehören und nach dem Symposion geschrieben sein. Aber so fein auch die Beobachtungen Dittenbergers über den Gebrauch von /Lttjy xaS^ansQ tcog sind und so sehr auch denselben, wenn andere Momenten hinzutreten, Beachtung gebührt, so wenig kann ich solchen sprachlichen Eigentümlichkeiten, wenn sie nicht auf der naturgemässen Fortbildung der Sprache beruhen, sondern auf stilistische Angewöhnungen und unbe- wusste Liebhabereien zurückgehen, ein höheres Gewicht beilegen als den Gründen, welche aus der gesamten geistigen Entwicklung einer Persön-

1) S. Blase, Att. Beredsamkeit I 485.

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lichkeit und aus seinen Beziehungen zu den feststehenden Thatsachen der Geschichte genommen sind. Und in dieser Beziehung ist mir eine Theorie gerichtet, die wegen des Gebrauches einer Partikel den Phaidros nach das Symposion oder gar den Euthydemos vor den Phaidros setzt. Wie unsicher aber auch an und für sich derartige Beweise aus dem Gebrauche einzelner Partikel sijid, hat sehr belehrend A. Frederking durch den Hinweis auf den Gebrauch anderer Partikeln bei Plato nach- gewiesen in Jahrb. f. Phil. 1882 S. 534 flf. Auch Roquette, der neuerdings seine übrigens vortreffliche Darstellung der vita Xenophontis wesentlich auf Grund des Gebrauchs der Partikeln aufbaut, muss doch selbst, so sehr er sonst dem Boden der Dittenb erger 'sehen Methode vertraut, hin und wieder zu weit gehenden Schlussfolgerimgen ent- gegentreten.

12. Allerlei zu Plato.

Um das Dutzend voll zu machen will ich schliesslich in einem 12. Kapitel noch ein paar literarhistorische Kleinigkeiten zu Plato's Leben und Schriften zusammenstellen.

Der Kritias ein historischer Roman, lieber die Quelle der Erzählung des Kritias ist ausser der Angabe des Autors eine merkwürdige Notiz des Platonikers Krantor im Commentar des Proklos zum Timaios p. 24 auf uns gekommen: tov 7i€{}l rwr "AxXavxivioy avfinavTa rovzor Xoyov oi jLiir iaro^iav ipik^r eJrai (paaiv ^ äane{} 6 n{}ü)Tog rov UkaTiorog i^riyrjxrig KffavTO)^, og (f^ xal axamTBO&ai fiiv (paair avTor vno xdiy raie iog ovx avTOV ovra xrig noXixeiag 6V(f€xriv ällct fiexayffdipavxa Alyvnxiioy, xoy de xooovxov Ttoirjoaod'ai xov xöiv axionxoyxcov koyov, äaxe ini Aiyvn- xiovg dvamfixfjai xTjr ne^l ji&rjyaiiov xal ^AxXavxivoiv xavxrjr ioxo(}iav, wg xwy lid-rp^aiioy xaxd xavxrjy ttjoarxioy nori X7]v nolixeiay. f^ia^rvQovai dt xal oi 7i()(Hpi]xai xioy Alyvnxiioy iv axriXaig xalg hi owl^o/jevaig xavxa yBy()d(p&at Xeyoyxeg. Die nächsten Nachfolger * Piatos in der Akademie nahmen also die Angabe des Plato, dass sein Ahne Solon jene Märe von der Atlantis aus dem Munde ägyptischer Priester in Sais vernommen habe, für bare Münze und beriefen sich dabei auf das Zeugnis ägyp- tischer Priester, welche die "Wahrheit jener Erzählung aus noch erhaltenen Urkunden nachwiesen. Unsere skeptische Zeit hat von jener Ueberliefe-

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rung ein Steinchen nach dem andern abgebröckelt, bis zuletzt Suseinihl, Gen. Entw. II 473 f. und Roh de, Der griech. Roman S. 199 in der Erzählung von der Atlantis nur noch reine Fiction und freieste Dichtung erkennen wollten. Das ist wohlfeile Weisheit; hätten die Skeptiker die Berichte über Funde ägyptischer Papyri verfolgt, sie wüssten den Lesern mehr als harten Stein zu bieten. Jenes in Prosa geschriebene Epos nämlich von der Invasion Attikas und der Binnenländer des Mittelmeeres durch ein mächtiges Volk, das weit im Westen auf einer grossen Insel des atlantischen Oceans seinen Stammsitz hatte, ist allerdings wie jedes Epos in der Ausschmückung des Einzelnen ein Produkt poetischer Phan- tasie, hat aber ebenso wie jedes echte Volksepos einen historischen Hintergrund ; den haben wir erst durch die Hieroglyphentexte des Denk- mals von Karnak, publiciert von Du mich en, Hist. Inschr. II 5, kennen gelernt, welche de Rouge in der Revue archeologique 1867 und sodann Chabas in den Etudes sur l'antiquite historique p. 191 flF. übersetzt und erläutert haben, und von denen ich selbst zuerst durch einen Vortrag des Herrn Professor Lauth Kenntnis erhielt. Keiner aber von den genannten Gelehrten hat dabei an die Atlantis im Kritias des Plato und die ägyp- tischen Stelen des Krantor gedacht, offenbar weil ihnen dieselben nicht gegenwärtig waren; aber jene Berichte von einer grossen Conföderation der Völker des westlichen Libyens (Lebus) und der Inseln des westlichen Mittel- meeres (Schekulsha = Siculi und Schardana = Sardones), welche Aegyp- ten mit Krieg überzogen, aber nach heftigen Kämpfen total geschlagen und vernichtet wurden, waren gewiss 1000 Jahi^e später noch den Priestern Aegyptens bekannt, und konnten, dem Solon oder Plato erzählt, recht wohl den Hintergrund bilden, auf dem der Dichterphilosoph sein poeti- sches Gemälde aufbaute.

Eratosthenes der grosse Polyhistor Alexandriens hatte nach Suidas die Beinamen Btjra, (fevreQog rj viog IHaxcor, UivraS^lov. Den Grund des ersten Beiwortes gibt Suidas selber an diä to detneifBVBiv ir narrt udei naideiag, von der Bedeutung des dritten Beiwortes nivra&Xov schweigt er, und weder er noch einer der Neueren, so viel mir bekannt, weiss etwas von dem Zusammenhang jener Beiwörter mit einem Dialoge Piatos; und doch ist derselbe evident. In den Anterastai nämlich lesen wir mit Bezug auf die Verwechselung des Philosophen mit dem Viel-

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wisser p. 135 E sq. ^o^ceTs f^oi X^yBiv top ipiXoaoipov olov iy rtj dyiuyitf flaly oi TiiyxaS^Xoi JiQog to^)*; d{}Ofiiag fj rovg TraXaiardg. xal yap ix^yoi TOVTioy fxty keinovrai xarä rd rovrioy dO-Xa xai devrf^ifoi bIoi n^fog rovrov^^. riöy ^f äXkwy dS^ltitiov nQwroi xal ytxwaiy avxovg. rdx dy ioiog rotoviuy Ti Xeyoig xat to (piXoaoipny dniQyaX,ead-ai rovg mtTr](f€voyrag rovio tu iTHTTj^eviLia' rwy jiiiy nQVJTioy eig ^vyeaiy tts^I rag xixyag iXlei7jea&&t, td ds (fevT€()eia ^'kxoyrag rwy äXXioy nhQisiyai^ und p. 139 D norf^for ovy xal 7i€()l xavTa XiyvDfuy niyrad-Xoy avroy dtly elyai xal VTiaxQoy^ td devT^Qtia sxoyra ndyTO)y roy (piXoaoipoy ; der Zusammenhang der beiden Stellen mit dem dritten Beinamen des Eratosthenes liegt auf der Hand> zugleich aber auch wird man zugeben, dass der Beinamen nach dem Dialog erfunden, und nicht der Dialog aus Anlass des Beiwortes ge- schrieben worden ist. Demnach war der Dialog Anterastai, von dem wir oben S. 471 nachgewiesen haben, dass er erst nachträglich den anderen Dialogen Piatos zugefügt worden ist, schon in der Zeit des Eratosthenes und somit vor Aristophanes in Umlauf.

Lebensalter des Plato. Hauptquelle dafür ist Diogenes III 2: yiytrai nxdxwy ^ üg (pr]Oiy linoXXoi^iv^fog iy ^Q^^'^^^^y oydofi xal oy^of}- xüorfi oXv/tiiiid^i OaQyriXidjyog iß^o/uf], xad^ tjy JrjXioi roy IdJioXXioya yeywd-ai (paaly. reXevrq (^\ dig (p)]Oiy "^'EQUinnog^ ty yditioig (^emycoy, t(ü n^ditp hn rijg oydorig xal ixaroaTfjg oXvuniddog ßiovg erog ty 7i(jög roTg üydoi]yMVTa, jVedy&r]g dt (pqaiy avroy T6TTd(jcoy xal oydofjxoyra reXtvifiaai irdäy, ionr ovy 'laoxQazovg yeajTt()og irtoiy t§. 6 uty yd() inl ylvoifid^ov, nidruay (T in 'Ejiajiitlyoyog ytyoyey. Diels in dem gelehrten und scharfsinnigen Aufsatz, Chronologische Untersuchungen über Apollodors Chronika, im Rh. M. XXXI 41 f. schreibt dem Neanthes den Ansatz der Lebensdauer unseres Philosophen auf 81 Jahre zu und ändert demnach frischzu das überlieferte r«rra(>a>r xal oyöorixoyra in iybg xal dySoiixoyia, Dass der doppelte Ansatz von 81 und 84 Lebensjahren Piatos auf eine Verwech- selung der Zahlzeichen 77 A und 77 J zurückgehe, ist auch mir nicht verborgen geblieben. Aber deshalb darf doch nicht an unserer Stelle T^TTaptüi/ in iyog korrigiert werden, da Diogenes offenbar den Ansatz des Neanthes der geläufigen und unmittelbar zuvor gegebenen üeber lieferung, dass Plato 81 Jahre alt geworden sei, entgegensetzen will. Ob nun aber Neanthes selbst den Irrtum begangen habe oder ob derselbe erst durch

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. II. Abth. 66

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einen Fehler der Abschreiber und Excerptoren in sein Werk gekommen sei, das muss ich dahin gestellt sein lassen. Auf der anderen Seite steht mir nicht so sicher, wie Diels, Steinhart und anderen, dass in unserer Stelle des Diogenes die Angabe über das Todesjahr des Plato von Her- mippos herrühre. Vergleiche ich die parallele Stelle des Diogenes V 9 über die Lebensjahre des Aristoteles, wo alle Zahlenangaben dem einen ApoUodor zugeschrieben werden, und ziehe ich den anekdotenmässigen Charakter der Biographien des Hermippos in Betracht, so deucht es mir viel wahrscheinlicher, dass von Hermippos nur die Notiz über den Tod des Philosophen bei einem Hochzeitschmause (iv ydfioig demrcSy) her- stammt.

Reiterdienst des Plato. Reisen nach fernen Ländern, myste- riöse Zusammenkünfte und wunderbare Ereignisse weixJen erdichtet, nicht regelmässige Erfüllungen bürgerlicher Pflichten. Es zeugt daher von unkritischer Skepsis, wenn man die Nachricht von der militärischen Dienstleistung des Plato bei Diogenes III 8 und Aelian var. hist. VII 14 verwirft, zumal dieselbe auf einen so verlässigen Gewährsmann wie Aristoxenos zurückgeführt wird. Freilich scheint sich in dem Bericht xal avTov (prjaiv liffiaro^evog r{}lg iar^farevaS^aiy ana§ jLifr dg TayayQav, davreifov d^ig K6()iv&or, rfftroy im Jrjklq) Wahres mit Falschem gemischt zu haben. Denn schon die abweichende Form im JtjIiw sonst rich- tiger 4' c. acc. macht den letzten Absatz verdächtig und legt die Vermutung nahe, dass derselbe aus der Erzählung von dem Heldenmut des Sokrates bei Delion herrühre. Aber richtig wird es sein, dass Plato in den Jahren 395 und 394 seine Bürgerpflicht bei den Auszügen nach Böotien und Korinth erfüllt habe. Wenn ich nun die Vermutung bei- füge, er habe in der Reiterei diese Feldzüge mitgemacht, so stütze ich mich dabei auf die ausserordentliche Pferdekenntnis, die Plato im Phai- dros p. 253 E bei der Beschreibung des guten und schlechten Pferdes zeigt. Einer der nicht viel mit Pferden umgegangen ist davon habe ich mich im Wintersemester bei der Interpretation der Stelle im Seminar überzeugt kann nicht so sachkundig die guten und schlechten Eigen- schaften eines Pferdes herausfinden. Schade dass der Hermannus eques philologus nicht mehr lebt; dem würde ich am liebsten diese und die anderen Fragen der Abhandlung zur Entscheidung vorlegen.

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Ergänzend zu Seite 461 sei noch bemerkt, dass für die Weise^ wie Aristophanes und Tbrasylos die Werke PlatoB aufgeführt und geord- net haben, uns das im cod. Par. gr. 1853 erhaltene Scholion zum Frag- mente der Metaphysik des l'heophrast (bei Brandis in der Ausgabe der Metaphysica Aristotelis et Theophrasti p. 323) einen wichtigen Fingerzeig gibt. Dasselbe lautet: Toiyro ro ßißXioy *Avd{}ovixog fxtv xal ^'E(}fit7i7ios ayvoovatv oviJf yaQ finiay avrov okiog TiBnoirjvrai iv rfj ävay^mp^ rmv QtoipQaaTov ßißkicoy. Eine solche ävayQaiptj rtSy ^A^iOToni'kovg ßißliiot^ werden also auch Aristophanes und Thrasylos verfasst und dabei der Aufzeichnung die Zusammengehörigkeit einzelner Werke zu Trilogian und Tetralogien zu gründe gelegt haben. Denn der Umfang der meisten hieher gehörigen Dialoge, wie insbesondere der Politeia und der Nomoi, war doch zu gross, als dass man füglich an eine Vereinigung derselben in einer nach Trilogien angelegten Ausgabe der Werke Piatos denken dürfte.

Noch gerade vor Thorschluss kommt mir das 4. Heft der Jahrbücher für Phil. 1885 zu Gesicht, welches ein Aufsatz von H.Sieb eck, zur Chronologie der platonischen Dialoge, eröffnet. Ich hebe aus demselben nur 3 zur vorstehenden Abhandlung direkt gehörige Punkte hervor: 1) Das 10. Buch der Politeia lässt Siebeck mit Zeller und Schul tess nach dem Phaidon geschrieben sein, da die Worte o apri loyag Kai oi äXXoi Xoyoi (p. 611 B) und nxt noXveiörig nie fjiovoBidrig (p. 612 A) eine Rückbeziehung auf den Phaidon enthalten, wohl richtig. 2) Die Worte im Protagoras p. 361 E elaavd^is urav ßovlrj ^li^ifisy sollen den Menon und Gorgias ankündigen; mir nicht überzeugend, da die beregten Fragen auch in jenen Dialogen nicht ziun Austrag kommen und jene Worte Protagoras nicht Sokrates spricht. 3) Der Phaidros soll nach der Rede des Isokrates gegen die Sophisten geschrieben sein, da Plato in dem- selben eine Berichtigung und vornehme Zurechtweisung einiger Sätze der Programmrede des Rhetor gegeben habe. Die neu zugefügten Wechsel- beziehungen beider Schriften sind t^ils zu unbedeutend teils zu unsicher; eine wenn auch wohlmeinende, so doch zurechtweisende Kritik des Isokrates passt nicht in einen Dialog, der am Schlüsse eine so glänzende Lobprei- sung des Isokrates gegenüber dem Lysias enthält.

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[Register.

Aegyptische Nachrichten in Piatos Kritias S. 507 f.

Aristophanes, Anordner der Werke Piatos: S. 461. 470. 511.

Aristoteles, Beziehungen zu Plato : S. 457 f., be- kämpft die Ideenlehre ohne Berücksichtigung des Parmenides : S. 468 f., seine Werke später in Bücher geteilt: S.475f., falsche Buchteilung in Metaphysik: S. 475, de anima: S. 475, ver- schiedene Buchteilung der Analytik und Logik S.476; met. III 2 p. 1004b 25: S. 457, met. IV 5 p. 1015* 25: S. 458, met. IV 11 p. 1019» 4 S. 484 f., de gen. et corr. 11 3 p. 3801» 15 S. 484 f. u. 487 f., de part. anim. 1 2 p. 642^ 10 S. 484 f.

Derkyllides vor Thrasylos: 456.

JittXf^ttg Beziehungen zu Piatos Protagoras: S. 500 An.

Diogenes Laert. III 2: S. 509. 111 38: S. 502, III 49: S. 456 f., III 56: S. 455 f.

Echekrates aus Phlius Pythagoreer: S. 491 f.

Eratosthenes, Deutung seiner Beinamen: S. 508 f.

Ionische Schrift, ihrer Einführung gedacht im Plato: S. 502 An. 3, 503 An. 1.

Isokrates Beziehungen zu Plato: S. 501 f.. Rede gegen die Sophisten nach Piatos Phaidros: S. 504 f. u. 511.

Koriskos, Schüler des Plato und Genosse des Aristoteles: S. 457.

Leochares, seine Lebenszeit: S. 480.

Lysiaa Beziehungen zu Plato: S. 502 ff.

Plato diente in der Reiterei : S. 510, seine Werke in Trilogien und Tetralogien geteilt : S. 455 f. 458 ff. 470 f., Trilogien zu Tetralogien erwei- tert: S. 464, alphabetische Anordnung eines Teiles der Dialoge: S. 470 f., Form der Dia- loge: S. 492 ff. 497 An. 3, sprachliche Indicien der Zeitfolge der Dialoge : S. 506 f. Anterastai unecht: S. 471 f., Beziehung zu Eratosthenes: S. 508 f.

Briefe nicht alle unecht: S. 477 ff., 13. Brief echt: S. 477 ff. 458, geschrieben ca. 364: S. 479 f., 5. Brief: S. 481 An. 2, 9. Brief: S. 491.

Euthydemos nach Phaidros: S. 501.

Kritias unvollendet: S. 464 An. 2, ein histo- rischer Roman: S. 507 f.

Nomoi: S. 467 An. 4.

Parmenides Fragment einer Trilogie : S. 468 ff.

Phaidon im 13. Brief erwähnt: S. 481 f., nach 379 geschrieben: S. 491 f. 511.

Phaidros vor Euthydemos geschrieben: S. 501, nicht vor Piatos Tod: S. 501 f., ca. 391 ge- schrieben: S. 506. 511.

Politeia allmählich erweitert: S. 473, später in Bücher geteilt: S. 474 f., Buch V p. 471 geht auf die Ereignisse d. J. 374: S. 489 f., Bücher V VII sollten nicht den Dialog Philosophos ersetzen: S. 488 f.

Protagoras, seine Abfassungszeit: S. 497 ff. 411.

Sophistes und Politikos hatten auch den Titel StaiQ^afig: S. 482 f. 484 ff.

Theages unecht: S. 463 An. 1.

Theätet nach 374 geschrieben: S. 495 f., der Eingang nimmt auf Phaidros Bezug : S. 500 f., bezieht sich auf korinthischen Krieg: S. 495.

Timaios verfasst ca. 364 : S. 482 f., auch Xoyo^ nvSityoQfiog genannt: S. 482 f. Tetralogien von den Dialogen Piatos auf die

Dramen übertragen: S. 465. Theopomp der Komiker bezieht sich auf Phaidon:

S. 496 f. Thrasylos, Ordner der Werke Piatos nach Tetra- logien: S. 455. 461. 466. 470 f. Varro de ling. lat. VII 37: S. 455. Xenophon hell. V 1, 36 hat Beziehung zu Piatos Protagoras: S. 498, sein Convivium berück- sichtigt in Piatos Protagoras und Symposion: S. 499.

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Die

troische Aera des Suidas.

Von

Georg Friedrich Unger.

Abh.d.I.Cl.d.k.Ak.d.Wi8s.XVII.Bd.III.Abth. 67

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Die troische Aera des Snidas.

In fünf literargeschichtlichen Artikeln des Suidas, unter 'Affxxlyogy Avxovffyog 6 27ia(fTidTrig, 2ißvlXa ^Anokkuivog xal AafiLag, 2ifiiüvLdrig K(fiy€w Ufiopylyog, fpcoxvki^rjg wird die Blüthezeit dieser und anderer Schriftsteller^) durch Zählung der seit Troias Fall verflossenen Jahre bestimmt und so eine Anzahl von Daten überliefert, deren Besitz bei der Mangelhaftigkeit der andern uns noch über sie zu Gebote stehenden Zeitangaben von hoher Wichtigkeit wäre, wenn man wüsste, welche von den vielen Zeitbestimmungen der troischen Epoche den Daten des Suidas oder vielmehr seiner literarhistorischen Quelle, des Hesychios von Miletos zu Grunde liegt. Man hat sich gewöhnt das durch ApoUodoros zu weiter Verbreitung gebrachte eratosthenische Datum 1183 bei Suidas voraus- zusetzen, um so mehr als in dem Artikel ^Ü,aiypog 6 noitiTTjg Melrprog das Ereigniss in der That 407 Jahre vor Olymp. 1 gesetzt wird; zu dieser Voraussetzung durfte man sich indess nur so lange berechtigt glauben, als man noch nicht begonnen hatte, die hesychischen Stücke auszu- scheiden und von den Zusätzen sei es des Suidas oder seiner Abschreiber zu sondern. Gerade das grosse, von ian ^i 17 rov yiyovg ra^ig bis Evqvq>wy xal Geolaog reichende Stück jenes Homerartikels, welches die Worte ired-f] (fi avrf] fiera rry T^oing aXvoaiv iyiavrolg vaisifoy vC^ ent- hält, wird von Flach (Hesychii Milesii quae supersunt 1882 p. 152) als nicht hesychisch eingeklammert und die Richtigkeit seines Urtheils er- hellt ausser den von ihm im Rhein. Mus. XXXV 198 dargelegten Gründen auch aus einer Vergleichung mit dem Inhalt der ächten Partien des

1) Verfasser einer schriftlichen Gesetzgebung wird Lykurg a. a. 0. genannt.

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Artikels. Eine solche gleich hier am Anfang anzustellen veranlasst mich die grundlegende Wichtigkeit dieser Frage; ihr weiteres Ergebniss wird sein, dass das eingelegte Stück nicht, wie Flach meint, aus Porphyrios und andern Schriftstellern zusammengestellt, sondern ein der ächten Partie so gut es gieng angepasster Auszug aus Charax ist, was zu er- kennen man nur durch unrichtige Bestimmung der Zeit dieses Historikers verhindert worden ist.

Die unächte Einlage besteht aus fünf Theilen. Der erste gibt einen langen, 14 Glieder aufzählenden Stammbaum des Dichters xara rov ia- ro^ixov Xdifaxa, welcher sicher nicht von Hesychios mitgetheilt war: denn in der ächten Partie ist schon Charax citirt, dort aber dem Plan des Hesychios gemäss nur das letzte Glied, die Aeltem genannt 2) Die Heimat des Dichters. Während Hesychios nur vier Varianten über die Aeltern und, da zwei von jenen nach Miletos weisen, drei über das Vater- land Homers kennt oder erwähnenswerth findet, werden hier der letzteren nicht weniger als 20 aufgeführt und nachdem Hesychios bereits beide Kategorien auf einmal angegeben hatte, weil mit den Aeltem ja schon die Heimat angezeigt wird, macht der Auszügler, um die Hinzufügung jener Variantenmenge zu rechtfertigen, den Uebergang zu ihr mittelst der spitzfindigen und verkehrt begründeten Scheidung: ofioitog (fi xal rijr narifUJa d/KpißoXog Jm äniari]d'TJyai oiLcos* elvai d-yijroy T(p /asyed-ei Tfig (pvosiog. 3) Diejenige von den 20 Varianten, welche er selbst billigt, ist eben die des Charax: denn der ursprüngliche Name des Dichters war dem Glossem zufolge Melesigenes, wegen seiner Geburt am Flusse Meles xard Tovg 2jLiv(}yaloy avroy yeyeakoj^ovyrag; nach Charax war er in der That ein Smymaier, aber nicht, wie Hesychios sagt, ein Sohn des Fluss- gottes Meles, sondern des Maion, also nur, wie bei dem Auszügler, am Meles geboren. 4) Gebui^tszeit 57 Jahre vor Ol. 1, nach Porphyrios da- gegen 132 vor Ol. 1, anderen zufolge 160 nach Troias Fall. Porphyrios ist also nicht die sei es einzige oder Hauptquelle der Einlage, sondern in jener nur citirt gewesen und zwar, wenn Charax später geschrieben hat, von diesem. Derselben Hauptquelle des Glossems gehört auch, weil sie als Ansicht des Schreibers auftritt, die Datirung der troischen Epoche: 407 Jahre vor Ol. 1; dass diese auch von Porphyrios anerkannt war, kann bei der weiten Verbreitung derselben nichts beweisen. 5) Gattin

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und Descendenz des Dichters. Damit wird der aus Charax mitgetheilte Stammbaum nach unten fortgesetzt. Der Schwiegersohn Stasinos gehört als cyklischer Dichter frühestens dem achten, Euryphon, Homers Sohn, als Urgrossvater des Terpandros keinem späteren als demselben Jahr- hundert an: beides passt zu dem in Nr. 4 vorgezogenen Geburtsdatum 833 V. Ch.

Die Ansicht, dass der Historiker Charax mit dem von Marc Aurel erwähnten Philosophen Charax aus Pergamon identisch sei (Müller fr. bist. III 636) beruht lediglich auf der Autorität des Hesychios Milesios, der aber keine Angabe über das Zeitalter des Geschichtschreibers vor- gefunden imd ihn mit dem Philosophen nur aufs Gerathewohl identificirt hat. Bekannt ist ihm bloss das Werk des Historikers, keine Schnft oder Lehre des Philosophen, Suidas Xapa|] Byifaipev ^EkXrivixdiy tb xal f ioTOQiiJjv ßißkia /i; von der Existenz des letzteren wusste er nur aus dem Buch eines andern Schriftstellers und die Gleichnamigkeit verführte ihn zur Identification, Suidas XdQa§ ITeQyaurjvos ieffcifs xat (pd6ao(pog, wg BV{foy er ÄQx^^ ßiß^V imyQajLifia ovriog exov Elul Xd(fa§ i€(}evg ytQaiffig ano IlB^duov äx^Tjg; in jenem Buch war derselbe offenbar als Philosoph be- zeichnet. Um das ihm nicht genannte Zeitalter des Mannes aufzufinden, las er das Geschichte werk, machte aber, da sämmtliche 40 Bücher durch- zunehmen zu viel Zeit und Mühe gekostet haben würde, der Lektüre vor dem VUI. Buch ein Ende, ohne ans Ziel gekommen zu sein, Suid. sazi cT* T(5v xar^ Avyovarov nokl(p ysiore^fog' uiixvijtai yovy iy rip /?' tcöv ßißliwy Avyovarov (vg ndkai yeyofiiyov Kaiaa^og xal iy t(5 ^ Ni{fioyog xai T(3y fier avroy ßaaiUvadvitoy. Charax schrieb in der zweiten Hälfte des IV. oder der ersten des V. Jahrhunderts, ein bis zwei Jahrhunderte nach Porphyrios. Zuerst citirt ihn das geographische Onomastikon des Stephanos von Byzantioh und er kennt bereits die neue Reichshauptstadt Constantinopolis: denn die Benennungen, welche sein 18. Fragment (bei Malala p. 175) den einzelnen Theilen des Circus gibt, sind dem von Constantin d. Gr. geschaffenen byzantinischen Hippodrom entlehnt: dort hiess wie in dem Bruchstück der Platz wo die Meta stand atpBydoyrj und der weiche Boden der Pferdebahn nilfxa, s. Ducange. Constantinopolis Christiana II 1, 9. Aecht neubyzantinisch ist die Einmischung lateinischer Fremdwörter in das Griechische, fr. 14 bei Eustathios zu Dionys. Per. 689

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fi€fiß(}dyaig und fr. 18 intä anaria (die VII spatia des Circus), mit welcher Eigentllümlichkeit auch die vorgebliche Kenntniss des Altitalischen in fr. 22 (Etymol. M. 25) zusammenhängt: raifg yeojgyovg oi 'Irakot (zur Zeit des Gottes Dionysos) xokciyavg ixdlovy. Eine andere Eigenthümlich- keit der Byzantiner ist die geschmacklose Allegorisirsucht, welche in fr. 18 den Circus auf das Weltgebäude, seine 12 Thüren auf die 12 'Häuser' des Zodiakus, das Pelma auf die Erde, die Wendestelle an den Thüren auf den Aufgang, die an der Sphendone auf den Untergang der Sonne, die 7 Spatien auf die Bahn der 7 Planeten bezieht; ebenso albern und alles geschichtlichen Sinnes baar zeigt sich die Deutung des Zieles der Argonautenfahrt auf die Absicht, die Pergamentgoldschrift in ihrer Heimat kennen ^u lernen.

Das eratosthenische Datum der troischen Epoche in dem Homer- artikel des Suidas gehört also dem Charax, nicht dem Hesychios an; was auch aus seiner Fassung hervorgeht. Die troischen Data des letzteren haben dreimal die Form fisrä (rerffaxoGia) sttj rdßy T^vaixöiy^ einmal rtSy T(f(Oixdiy uerd erri t., einmal t^^ T(}a}iXTjg dkiuaecüg uerd exr] t.; dagegen in dem Glossem heisst es juerd ttjv Tgoiag akioaiy iyiaircolg vaT€(}oy v^ und nur der Abwechslung wegen dann uhrd (fi iytavrovg zfjg 'Ikiov diaoaeujg, Dass aber Hesychios ein andres als das eratosthenische Datum der troischen Epoche im Auge hat, folgt schon aus den unüberwindlichen Schwierig- keiten, welche bei der herkömmlichen Voraussetzung entstehen: es ist noch Niemand gelungen, seine Jahrzahlen mit den anderweitigen An- gaben oder Anzeichen über die Zeit der treffenden Personen ohne Text- änderung in Einklang zu bringen. Nur jene Voraussetzung trägt aber die Schuld, dass man eine von Hesychios selbst gegebene Andeutung verkannt hat: er setzt Arktinos 410 Jahre nach Troia und in Olymp. 9 = 744/0 V. Ch.; sein troisches Datum fallt also 1154/50. Ebendahin führen aber, wie unten gezeigt wird, die Ergebnisse der Untersuchung bei den anderen Daten. Theognis, welcher mit Phokylides von Suidas 647 nach Troia gesetzt wird, hat, wie aus einer seiner Elegien hervor- geht, 507 oder 506 v. Ch. geschrieben. Simonides von Amorgos (und Archilochos), 490 nach Troia, blühte der besten Ueberlieferung zufolge 664 V. Ch. Die Sibylle, 483 n. Tr., durfte einem ihrer Orakel zufolge 672, 671 oder 670 v. Ch. gesetzt werden.

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Diesen Paralleldaten zufolge fiel die troische Epoche des Hesychios auf 1154 oder 1153. Um das Vorhandensein einer Bolcheo nachzuweisen, musste die Untersuchung auf alle im Alterthum gangbar gewesenen Data der Zerstörung Troias ausgedehnt werden; ihre Ergebnisse und deren Begründung sind vollständig mitgetheilt, nicht nur weil die chronologische Behandlung das erfordert, sondern weil auch die Textfrage bei Lykurg nur auf diesem Wege erledigt werden kann. Eines von jenen Daten fiel in der That auf das attisch gerechnete Jahr 1154/3: Hesychios setzte demnach Theognis und Phokylides 507, Simonides und Archiiochos 664, die Sibylle 671, Arktinos 744 v. Chr.; für die corrupte Zahl des Lykurgos wird sich bei diesem troischen Datum eine gefällige und mit den besten Zeugnissen harmonirende Verbesserung finden lassen,

Theognis.

Suidas: ^CDXvli^rjg MiXrjaiog (piXoaocpog, avyxQ^^^^ Oto^ytSog* r)r (Jt ixdreQog juera xt^^' ^^^ TgaiixcSy, okvfinidtfi yfyoyoTig v&\ Derselbe; OioyyiQ Meya^Byg nJjy iy ^ixekia /Vfiyapair, yejrorwg iv rfi yß^ olvamdSi^ Die 647 Jahre nach Troia würden nach Eratosthones das J, 537 v- Ch. ergeben; um Ol. 59 = 544/0 zu gewinnen, hat Rohde Rh. Mus. XXXIII 170 //i', Gutschmid bei Flach xf^Y zu schreiben vorgeschlagen, Hesychios denkt aber, wie Rintelen de Theognide p. 13 erkannt hat, bei ytyoymBg und demgemäss auch bei yeyovwg an die Geburt, sonst würde yEyovöThg neben riy zwecklos dastehen; Suidas selbst mag immerhin das Particip in der anderen, häufigeren Bedeutung aufgefasst haben. Neben dem Datum 647 nach Troia = 507/6 v. Ch. für die Blüthezeit lasst sich Ol. 59 gar nicht anders als auf die Geburt beziehen: denn an eine Contaniination Verschiedener Quellen, hervorgegangen aus gedankenloser Uebertragung ihrer Data, ist desswegen nicht zu denken, weil wir bei Hesychios, dem Verfasser eines grossen geschichtlichen Werkes^ dessen erste Abtheilung bis zur Einnahme Troias reichte, Sicherheit in chronologischen Dingen und ein festes Datum der troischen Epoche annehmen müssen, Wohl aber ist denkbar, dass er das y^yoye einer literarhistorischen Quelle, welche beide Dichter in die Zeit des Harpagoskrieges setzte, in jener Weise umgedeutet hat, um es mit dem andern Datum in Einklang zu bringen.

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Ueber die Zeit des'Phokylides geben seine Fragmente keinen Auf- schluss: vielleicht hatte Theognis ihn oder er diesen als Zeitgenossen bezeichnet; davon dass Isokrates II 43 und Theophrast b. d. Schol. zu Ar. eth. Nikora. V 1 (bei Rose, Hermes V 356), wie Flach Gesch. d. gr. Lyrik p. 391 behauptet, beide als Zeitgenossen betrachten, ist im Texte jener Stellen nichts zu lesen. Die zeitliche Scheidung der zwei Dichter ira Kanon des Eusebios fällt, wie aus Suidas hervorgeht, erst dem Kirchen- vater oder seinen Abschreibern zur Last; sie erklärt sich daraus, dass die Anmerkungen eiue ganze Reihe berühmter Männer, ausser jenen beiden noch Pherekydes, Simonides, Xenophanes u. a. mit dem Harpagoskrieg verbinden mussten. Er setzt Phokylides in Ol. 58 (so Kyrillos, der älteste Ausschreiber des Eusebios) oder 59, 1, Abrah. 1473 (die Hdschr. SMP des Hieronymus und der armenische Uebersetzer), den anderen Dichter in Ol. 59 (Kyrillos, = Abr. 1476 P und Armen.), indem er offenbar einem Literar- historiker folgte, welcher beide dem ionischen Krieg des Harpagos gleich- zeitig dachte und auf diesen Theogn. 775 orQaxhv vßffiaTTjv Mi^<fwy ansQvxe und 764 jor Mridijt)v ^cKfiaifQ nokcuoy bezog. Man konnte freilich, wie Hiller Jahrbb. 1881 p.456 richtig bemerkt, diese Stellen auch auf einen späteren Perserkrieg beziehen und es ist daher wahrscheinlich, dass sich in dem vollständigen Werke des Theognis noch andere Stellen fanden, welche bestimmter auf den Harpagoskrieg zu führen schienen, z. B. kann der Dichter an das Schicksal solcher Städte erinnert haben, welche wie Phokaia, Teos von jenem Kriege hart betroffen wurden, während er von Miletos, Eretria und anderen in den Perserkriegen des V. Jahrhunderts eroberten schwieg. Eine zwingende Beziehung jedoch auf jenen Krieg, in dessen Zeit die meisten Neueren Theognis setzen, hat sicher keine Stelle desselben enthalten: vielmehr führen die thatsächlich vorhandenen Andeutungen in eine spätere Zeit.

Die in den angeführten Versen ausgesprochene Furcht vor einem Angriff der Perser auf Megara lässt sich aus den politischen Verhält- nissen vor dem letzten Decennium des sechsten Jahrhunderts nicht be- greifen. Als Kyros Sardes eroberte, baten die hellenischen Städte des kleinasiatischen Festlandes Sparta um Hülfe, dagegen in Samos, Chios, Lesbos, Tenedos herrschte keine Furcht vor den Persern (Her. 1151) und auch der Fall Joniens bewog sie nicht an Ergebung zu denken. Was

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Herodot I 169 in dieser Beziehung von den Samiern und Chioten meldet, mag seine Geltung von den festländischen Besitzungen derselben haben; die Inseln selbst blieben selbständig, Her. III 90. 139. Thuk. I 13, unter Kyros und Kambyses beherrschten die Inselionier das Meer, Thuk, I 13, und erst 517 wurde, nachdem 526 vorübergehend Polykrates die Ober- hoheit des Kambyses anerkannt hatte, Samos, 493 Chios, Lesbos, Tenedos, 492 Thasos unterworfen, während die Cykladen ihre Unabhängigkeit bis 490 behaupteten. So lange diese Inseln frei waren oder wenigstens so lange die Samier das Meer beherrschten, bis 517 sicher fiel es keiner Stadt von Althellas ein, einen AngriflF der Perser auf ihre Freiheit zu besorgen. Selbst diesen ganz unwahrscheinlichen Fall aber angeDoinmen lassen sich die Worte des Theognis auch dann nicht auf den Harpagos- krieg beziehen. Wären die Megarer wirklich so feige Seelen gewesen, wie wir dann annehmen müssten, so hatten sie ja ein ganz einfaches und leichtes Mittel in der Hand, ihre Existenz und persönliche Freiheit, ihre Habe und sogar die Autonomie zu retten: sie durften nur thun, was das stolze Miletos und viele andere der ihrigen mindesten gleich- stehende Städte gethan hatten, nämlich Erde und Wasser geben, und alle Furcht war gehoben. Eben dieser Umstand lehrt aber, dass auch an keinen spätem Rache- oder Eroberungskrieg der Perser, an den von 498, 492, 490 oder 480 zu denken ist: Megara hatt« sich, nachweislich wenigstens, in keiner Weise gegen die Perser vergangen, keinen Abfall von denselben begünstigt, keinen Herold vergewaltigt, keinerlei Beind- seligkeit begangen; alle Städte, welche sich gutwillig ergaben, wurden ^ach den Gesetzen des Völkerrechts behandelt; wofür und wovor Bollten sie denn die Angst hegen, welche die Verse des Dichters aussprechen. Diese Besorgnisse erklären sich einzig aus den besonderen Verhältnissen der Zeit, in welche das Gedicht durch eine andere Stelle gewiesen wird- Diese für die Zeitbestimmung des Theognis massgebende Stelle lautet 891 fif. oi /tioi draXxiirjg' ano utv Kri^ivd-oa olio'uy yirfkavxw J' dya&oy XHQBrai olyon^doy^ oi d^dyad-ol tpsvyovai noXiv ^i xaxol dunovatv^ tm ^h KinpekidHoy Zevg okeafie yivot;,. Sie bezieht sich, wie Hertzberg in Prut2 liter. Taschenbuch 1845 p. 354 zuerst erkannt hat, auf den berühmten Freiheitskrieg der Athener im J. 507 oder 506, welcher den Chalkidieni das lelantische Gefilde kostete, Herod. V 77. Diodor X 24, 3. Aelian var,

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 68

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bist. VI 1. Die von Vischer Götting. Gel. Anz. 1864 p. 1361 flf. erhobenen Einwände sind zum Theil schon von Duncker VI 576 widerlegt, hier ist nur nöthig von Kerinthos zu sprechen. Dass dieser im Norden der Insel auf der Ostküste gelegene Ort seit lange oder von jeher zu Histiaia, nicht zu Chalkis gehört habe, geht aus Strab. 445 keineswegs hervor: dort heisst es nur, dass EUops der Gründer von Ellopia auch Histiaia, Perias, Kerinthos, Aidepsos und Orobiai erworben habe; dagegen wird von Skymnos 576 (d. i. von Ephoros) vorausgesetzt, dass Kerinthos der grösste Ort des chalkidischen Gebiets war. Führer der ionischen Gründer von Chalkis war nach Strab. 445 (vgl. Plutarch quaest. graec. 22) Kothos; wenn Skymnos von ihm Kerinthos gründen lässt, so erklärt sich dies daraus, dass er die Gründung der Stadt Chalkis selbst in eine frühere Zeit versetzt, indem er sie einem Sohne des Erechtheus beilegt: als Schöpfung jenes Oikisten nennt er daher den bedeutendsten Ort ihres Gebiets. Dunkel bleibt nur, aber auch bei jeder andern Auslegung, die Erwähnung der Kypseliden und jedenfalls hat man keinen Grund, mit K. F. Hermann Rh. Mus. 1832 p. 94 unsere Stelle auf den zwischen Eretria und Chalkis um das lelantische Gefilde geführten Krieg zu beziehen und sie desswegen dem Theognis abzusprechen. Dass Periandros oder ein anderer Kypselide an demselben theilgenommen, ist weder bezeugt noch wahrscheinlich: die Betheiligung anderer Staaten war nach Thukydides 115 nur verhältniss- mässig eine starke, und aus Herodot V 99 ist zu schliessen, dass ausser den beiderseitigen Colonien und einzelnen Freiwilligen wie dem von Plut amatorius 17 genannten Thessaler nur Miletos den Eretriern, Samos den Chalkidiern zu Hülfe gekommen war. Aus der Theilnahme der thrakischen Colonien hat Hermann den triftigen Schluss gezogen, dass jener Krieg frühestens in den letzten Decennien des VIII. Jahrhunderts gespielt hat; der bei seinem Anfang abgeschlossene Vertrag, sich ferntragender Waffen zu enthalten (Strab. 448), fällt geraume Zeit vor Archilochos, welcher diese Enthaltung bereits als Sitte der Euboier ansieht und jene Ursache ihrer Entstehung gar nicht kennt, fragm. 3 bei Plutarch Theseus 5. Der Krieg hat demnach um 700 v. Ch. stattgefunden. Nachkommen des Kypselos in weiblicher Linie gab es auch in Athen: der Philaide Miltiades, Sohn des Kypselos, ist wohl ein Enkel oder Urenkel des Ty- rannen gewesen, vgl. Herodot VI 35 mit VI 128. An seinen Stiefnefifen

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Miltiades, den MarathoDsieger, erinnert Gutschmid bei Flach, Lyrik S. 410; freilich liess sich dieser erst beim Misslingen des ionischen Aufstandee in Athen nieder. Man könnte etwa an Isagoras, den Urheber des von Theognis gemeinten Krieges denken: der Name seines Vaters Tisandros kehrt im Philaidenhause wieder (Herod. VI 128); gehörte er durch seine Mutter zu diesen, so würde sich auch seine hervorragende Stellung in Athen während der Abwesenheit des Miltiades passend erklären.

Die Hertzbergsche Deutung hat ausser Duncker und Gutschmid nur wenig Anhänger gefunden, offenbar desswegen, weil die auf einen drobentlen Perserkrieg hinweisenden Stellen nicht zu ihr zu passen schienen. Und doch fehlte gerade damals nicht viel, so wären die Perser den Megarern feindlich ins Land gekommen. Als der König Kleomenes OL 73, L 508/7 mit Schimpf und Schande aus der Akropolis Athens, welche ihm Isagoras in die Hand gespielt hatte, abziehen musste, da wussten die Athener, schreibt Herodot. V 73, dass ihnen ein schwerer Krieg mit Sparta bevor- stand; sie mussten sich auf den Heranzug des peloponnesischen Bundes- heeres gefasst machen, ja die Spartaner knüpften auch mit Boiotien und Chalkis Unterhandlungen an, welche zu einem gleichzeitigen Angriff auf Attika von drei Seiten her führen sollten. Aus solcher Noth glaubten die Athener nicht anders Rettung zu finden als durch Eingehung eines Bundes mit den Persem. Eine Gesandtschaft gieng nach Sardes zu dem Bruder des Grosskönigs, sie erhielt das Versprechen der Hülfe, aber nur unter der Bedingung, dass sie Erde und Wasser reichten. Schweren Herzens sagten nach gepflogener Berathung die Botschafter zu. Heim* gekehrt ernteten sie schwere Vorwürfe, Her. V 73 alriag /ueyalag f/;for; dies mag geschehen sein, nachdem die Athener gerettet waren, ohne die persische Hülfe zu bedürfen; möglich auch, dass bei der Heimkehr der Gesandten Athen schon geborgen war. Im andern Fall haben die Athener gewiss nicht verfehlt, nach aussen sich des mächtigen Bundesgenossen zu rühmen und vielleicht war auch die Absendung der Botschaft mit Ostentation betrieben worden. Die Feinde Athens mussten jetzt fürchten, dass die asiatischen Barbarenhorden, dass die Meder, deren blosser Name damals schon hinreichend war, Hellenenherzen zittern zu machen (Herod. VI 112), mit den Athenern in das Bundesgebiet einfallen und Greuel aller Art verüben würden: welche Stadt des peloponnesischen Bundes

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würde dann eher den Anprall solcher Feinde zu fühlen bekommen als Megara, das an Athen unmittelbar angrenzte und nicht wie die andern den korinthischen Isthmus zur Deckung nehmen konnte. Die Gefahr war um so grösser, als selbst innerhalb des Bundes Athen gegenüber keine Einhelligkeit der Absichten bestand, wie denn eben durch das Wider- streben der Korinther der Feldzug des Kleomenes ins Stocken gerieth. Auf diese doch wohl schon vorher sich verrathende Gesinnung und auf die zwischen den zwei Spartanerkönigen bestehende Uneinigkeit einerseits, auf das unbillige und zugleich unpolitische Vorgehen des Kleomenes andrer- seits lässt sich Theogn. 780 beziehen: ^ yap fyioye dfdor/ dcpQa^iijv iaoQwy xal oraaiv ^Ekki^rtoy Xaoifd^oQov,

Die Zeit des Einzugs der Spartaner in die Akropolis Athens und ihrer Capitulation steht dadurch fest, dass Isagoras das Amt des ersten Archonten, welches ihm Gelegenheit gab, die Burg zu verrathen, Ol. 73, 1. 508/7 bekleidet hat, Dionys. Hai. ant. V, 1. Dem nächsten Jahre ver- muthlich gehören die von Theognis berührten Verhältnisse und Vor- gänge an: dieses aber liegt genau 647 Jahre, wiei Suidas angibt, nach der troischen Epoche 1154/3. Hiezu stimmt auch, was sich über die Zeit einer andern Schrift des Theognis mit Wahrscheinlichkeit annehmen lässt, Suid. eyijaxpey ikfysiay elg rovg aatS^tyrag rivy 2v()axovaiu)y iv tfi noUo^xiq, Aus jenen Zeiten ist nur eine Belagerung von Syrakus be- kannt, veranstaltet durch Hippokrates, welcher 498 491 über Gela herrschte und sich viele Sikeliotenstädte unterwarf, Herod. VII 154. Sie mag 495 oder 494 stattgehabt haben: der spätere Tyrann Gelon, welcher sich bei ihr und anderen ähnlichen Gelegenheiten als Leibwächter des Hippokrates ausgezeichnet hatte, erfuhr die Beförderung zum Hipparchen, welche er diesen Leistungen verdankte, nicht lange nach der Thron- besteigung desselben, Her. VII 154 /tera ov nokkoy xif^^^^-

Simonides I und Archilochos.

Suid. 2:tfifx)yidri(; K^ivBW Ufio()yivog] yfyore ^s fxeia vq hi] xmy TQwtxäv. Aus den vorherg. Worten kr rw dnoixiOfKp x'^g 'A/Lioffyov iardXt] xal avtog 7]yeuwy vno 2:a^iio}v zieht Gutschmid bei Flach Hesych. p. LXXI den triftigen Schluss, dass in der Quelle auch von Archilochos (über welchen

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Suidas keinen Artikel bietet) und seiner angeblichen Gründung auf Thasos die Rede gewesen war; ohne Zweifel war wie Theognis mit Phokylides, so Archilochos mit dem älteren Simonides in gleiches Jahr gosetztj was bei Eusebios wirklich der Fall ist, und Clemens ström. I 333 andeutet: 2:i(Liü}vi^rig xar ji(JXUoxoy (ff gerat; eben desswegen wollte Volkmaon ovyxifovog i/p/zAo/oi; nach avrog einsetzen. Die troische Epoche des Eratosthenes bei Suidas voraussetzend vermuthet Rohde Rli. Mus. XXXVI 559 vqc oder vqf, woraus die 500 Jahre anderer abgerundet seien, Tatian 35 ert^fm avv ^Aq/jXox^ j^eyoysrai top ^'OiLtr]{}oy, o tti- 'Ai^yikoxo^ ijx/iane ni(fl olvfimada lifiriiv xai elxoarriy xarä rvyrjy rny ^ivdoy rwv ^Ihfixöjy vaTf(ßoy neyraxonioig; Eusebios can. Abr. 914; Synkellos p. 339; denn von 1183 habe Niemand mit 500 Jahren auf Ol. 23 = 688/4 v. Cb, gelangen können. Doch war dies in der That möglich bei inclusiver Zählung, oder wenn man, was auf dasselbe hinausläuft, mit Hieronymus (quingentesimum annum) das letzte Jahr unvollendet nahm, auch schreibt Synkellos vorsichtiger Weise ^«r« erri (p nov: das 500. Jalir seit 1184/3 ist Ol. 23, 4. 685/4, vgl. den Schluss dieses Abschnitts. Es sind also eigentlich 499 Jahre gemeint und mit diesen lassen sich die 490 sehr wohl in Einklang bringen. Die erwähnten Bibelgelehrten Iiaben den Anfangsterminus miss verstanden : Theopompos, welcher unter den hi€^m zu verstehen ist, gewann die runde Zahl 500 dadurch, dass er statt der Eroberung Troias den 9 volle Jahre früheren Anfang der Belagerung zum Ausgangspunkt nahm, Clemens ström. I 389 Oeonounog tr t/J rtnaa^xi- Xüorfi TiftTfi rdiy <PiUn7iiX(by /uera h'rq neyiaxoaia rioy inl IXioy (vulg. *llUo) orgaTtvaoyraty yeyoyfyai roy^Üjurjffoy iaroQu. Theopompos gebrauchte also die nämliche Aera und folgte in Betreff des Archilochos der näm- lichen Quelle wie Hesychios; doch ist die Aera nicht die eratosthemsche gewesen: die alten Bibelforscher haben hier und anderwärts \) bei Er- wähnung der troischen Epoche vorschnell das ihnen geläufige Datum 1184/3 vorausgesetzt und hienach theilweise auch die ihnen vorliegenden Angaben umgeändert.

Bei der Epoche 1154/3 bringen die 490 Jahre die Blüthe des Simonides und Archilochos in Ol. 29, 1. 664/3 = Abrah, 1353 des

J) Vgl. über Arktinos und zu Epoche 1096.

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Eusebios: in dieses Jahr setzt Hieronymus (MPR) die eusebische Notiz, deren griech. Text bei Synkellos ^Aqx^^^X^ ^^^ ^i/iwri^rjs xal ^Agiaxo^^vog oi fiovaixol iyvwffi'Corro lautet; die Varianten 1351 AF Armen, und 1352 B widerlegt der älteste Ausschreiber Kyrillos, da er Ol. 29 angibt. Dasselbe Datum hatte vermuthlich auch Nepos im Sinn, Gellius XVII 21 Archi- lochum Nepos Cornelius tradit Tullo Hostilio regnante fuisse poematis darum: Tullus regiert nach ihm 669—637, s. Rh. Mus. XXXV 20. Es ist wohl zunächst aus Eratosthenes oder ApoUodoros, den Nepos auszu- schreiben pflegt, geflossen; seine erste Quelle aber ist jedenfalls Aristoxenos, der Schüler des Aristoteles, eine literarhistorische Autorität ersten Rangs : denn die letzten Worte der Notiz sind oflfenbar mit Gutschmid bei Flach in xar ^AifiaTo^evov rov uovaixor zu verbessern, woran schon Karl Müller gedacht hatte : lambographen werden nicht als Musiker bezeichnet, ebenso wenig Komiker wie Aristoxenos aus Selinus, auf welchen man die Notiz hat beziehen wollen; auch ist Selinus erst 626 (nach Diodor 650) ge- gründet worden, und der Komiker wahrscheinlich mit Flach Gesch. d. Lyrik 253 fg. in das VI. Jahrhundert zu setzen. Gyges, ein Zeitgenosse des Archilochos nach fragm. 25 bei Aristot. rhet. III 17 und Plutarch de tranquill. 10 oi) fioi rvyeo) rov noXvx^vaov fieksi, regierte nach Herodot 716 678, nach Julius Africanus in den Excerpta Barbari 697 661, nach Eusebios im Kanon, welcher wahrscheinlich dem Eratosthenes folgt {Kyaxares und Astyages p. 13), 699 663; dass Euphorion bei Clemens Strom. I 389 seinen Anfang 708 setzt, erklärt sich daraus, dass Archilochos irrig zum Gründer von Thasos gemacht wurde, s. Geizer Rh. Mus. XXX 251. Alle diese Ansätze erscheinen zu hoch: laut der Keilinschrift bei Geizer a. a. 0. 231 empörte sich Gugu, König des Landes Ludi im Bund mit Pisamilki, König von Muzur (Aegypten) gegen die Oberherrschaft Assur- banipals von Ninive; dieser regierte 668 626, Psarametich aber wurde im Jahr 664, welches in den niedrigsten der obigen Ansätze schon in das Ende des Gyges fällt, erst Herrscher eines kleinen Theils von Aegypten, und mit Recht vermuthet Geizer einen Zusammenhang jener 'Empörung' mit dem mehrjährigen Aufstand, welcher um 650 im assyrischen Reiche stattfand. Die Sonnenfinsterniss endlich, welche Archilochos fr. 14 bei Stob. flor. 110, 10 Zevg naxriQ 'Okvjbtmwr ix fiearnußfflrjg s9i]xe vvxx dnoxifvtpag cpdog ^Xiov Xd/anovrog erwähnt, kann nach Oppolzer Akad.

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Sitzungsb. Wien 1882. Bd. 86, 1 flf. keine andere als die vom 6. April 648, nach seiner Berechnung um 9 Uhr Morgens, gewesen sein.

Die Blüthezeit des Archilochos fällt hienach um 645, womit das Datum des Aristoxenos 664 keineswegs in Widerspruch steht* Aas der Gleichzeitigkeit mit Gyges Hess sich ein bestimmtes Jahrdatutn für die Blüthe des Archilochos nicht gewinnen; nur als Nothbehelf, wenn kein anderes Anzeichen vorlag, würde, wie das in andern Fällen geschehen ist, die Versetzung des Dichters in das erste Jahr des Königs gedient haben; für dieses ist aber 664 doch wohl zu spät. Dagegen besass man bei Simonides ein sicheres Datum seiner Thätigkeit: das der Saiiiier- wanderung nach Amorgos, welches ohne Zweifel in den Jahrbüchern ((OQoi) der Samier verzeichnet war und den aus ihnen gezogenen Werken eines Eugaion u. a. entnommen werden konnte. Mit Bergk sehen wir daher das Blüthenjahr beider Dichter für das Datum jener Gründung an. Nur scheinbar verschieden ist das Datum beider bei Proklos in Photios cod. 239 idjLtßioy noiTjzai ^A(f/Ji.oxog xal JSifiiovi^rjg xai Unjubra^^ mv o für 7i(}dhog inl rvyov 6 (fi in "Avaviov rov MaxB^orog ^InnäraS^ iJb xatd JaQcloy ijxfial^e. Unter den makedonischen Königsnamen des VIII. und VII. Jahrhunderts: Karanos, Koinos, Tyrimmas, Perdikkas, Argaios, Phi- lippos, Aeropos kommt dem corrupten liraviov der fünfte am nächstenj und ist daher mit Clinton in U(fyaiov zu schreiben. Die von Manchen befremdlich gefundene Nennung eines makedonischen Königs, mit welchem Simonides aller Wahrscheinlichkeit nach persönlich nichts zu schaflfen ge- habt hat, lässt sich blos daraus erklären, dass in der von Proklos be- folgten Zeittafel das Blüthenjahr des Archilochos mit dem Reglerungs- anfang desselben zusammenfiel. Letzteren setzt Julius Africanus und der falsche Eusebios bei Schoene I app. 90 in Ol. 23, 4. 685 (Eusebios ein Jahr später); dies ist aber nach eratosthenischer Aera das 5()0, Jahr nach Troia, in welches die Späteren Archilochos und ohne Zweifel auch Simonides gesetzt haben.

SibyUa.

Suid. 2:ißvU.a jin6lkix)vog xal Aafiiag wg di ^'EiffiinnOi;:. (-hoämffQV 'E(w&^ia äkXoi ^ajuiay id(4aaav. y^yora di xolg /p6i/0£4; t^^; T^vjixiig akeioeiog uerä errj vny xal ovrexa^aro ßißkia Tavra' n€(}l nakuwi', //A^,

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X(f^(Jliiovg. Derselbe: ^HifoipLla rj xal JSißvkXa ^Eifvd-Qaia, 06O(fi6()ov S^vyairiQ. Wie die 483 Jahre mit der troischen Epoche 1183 in Einklang ge- bracht werden können, hat Niemand gezeigt; die Epoche 1153 führt auf Ol. 27, 2. 671/0. Dieses Datum hat wohl auch Eusebios vorgefunden, ob- gleich die Varianten seiner Ueberlieferung auf einige Jahre später fähren: AF Abr. 1349 (= Ol. 28, 1. 668/1), B 1350, MPR 1351, Armen. 1353. Aus Julius Africanus gibt Leon bei Gramer Anecd. Par. II 264 unter König Josias 672 641: xaxa rovrovg rovg xQovovg Sißvila «V JSdiiip iyywQi^BTo )cal rb ßvl^avTiov Ixxia&ri, also zwischen 672 und dem Gründungsjahr von Byzantion 661. Die Erklärung des Datums suchen wir bei Solinus 2, 18: hanc Herophile Erythraea insecuta est Sibyllaque appellata est de scientiae parilitate, quae inter alia magnifica Lesbios amissuros Imperium maris multo ante praemonuit quam id accideret Nur das Ende, nicht den Anfang der lesbischen Seeherrschaft hatte sie vorausgesagt, lebte also zur Zeit derselben und zwar, weil sie das Ende sehr früh verkündet hatte, am Anfang; da durfte die Sitte, einen Schriftsteller nach dem ersten Jahr einer zeitgenössischen Herrschaft zu datiren, wohl angebracht er- scheinen. Die lesbische Thalassokratie dauerte nach dem armen. Eusebios 96 Jahre; die 69 des Hieronymus sind, wie das Datum der nächsten lehrt, verschrieben. Ihren Anfang setzen die Varianten um Abr. 1346 = Ol. 27, 2. 671, nämlich F 1344, B Armen. 1345, A 1346, MPR 1347; ein Vergleich mit den Daten und der Dauer der vorhergehenden und nachfolgenden Thalassokratien lehrt, dass 1345, 1346 oder 1347 das Ursprüngliche gewesen ist.

Arktinos.

Suid. *A{}XTlvog TriXeo) rov Nclvtbvd dnoyoyog, MiltjOtog^ BJionoiog, (LtadTjx'^g 'üiu,ri()ov (vg Ity^i b Kka^ofiiviog 'A(JTefia)y iv rd) ne(fl 'ü/i^poi', y^yoroig xard rijy &' oKVfiniada fiträ ferffaxooia irrj rwv T^wixdir. Statt T€T(fax6nia schreibt E vi; V, die eine der zwei besten Hdschr., vi und über der Zeile i. Um die Olympiadenzahl mit der troischen Epoche 1183 in Uebereinstimmung zu bringen, schreiben Rohde und Bergk vfi hri; Sengebusch hatte a bXvuniada und vrl erri verlangt. Denselben Zweck verfolgte wohl schon der Schreiber des V, wenn er, wie vermuthet werden darf, die 30 zu 410 addirt wissen wollte; um so gewisser ist es dann,

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dass er in seiner Vorlage vi! gefunden hat. Die Wahrscheinlichkeit spricht hier wie überall, wo Versehensfehler vorliegen, dafür, dass die einfache Ziffer aus der zusammengesetzten, v aus vi hervorgegangen ist; bestätigt wird es dadurch, dass die eusebische Notiz U^xriytßg Milrioio^ inoTioios in den besten Hdschr. (AMP nebst R) der besseren, A. i* der lateinischen Uebersetzung bei Abr. 1242 = Ol. 1, 2. 775/4 steht ^); offenbar hat Eusebios oder sein Vorgänger dies Datum gewählt, weil es dem 410. Jahr nach der troischen Epoche des Eratosthenee entspricht; vgl. p. 525. Hesychios meint 410 Jahre nach 1154/3, also Oh 9, L 744 3. In oder um diese Zeit setzt Eusebios den von Suidas nicht behandelten Eumelos: Eumelus Corinthius versificator agnoscitur, Annen. 1272, MR 1273 (= Ol. 9, 1. 744), APBF 1275; die 9. Olympiade steht aue Kyrillos fest. Eumelos wurde aber mit Arktinos in gleiche Zeit gesetzt, Euseb. zu 1257 (Var. 1254 1255) Eumelus poeta qui Bugoniam et Europiam, et Arctinus qui Aethiopida composuit et Iliu persin, agnoscitur. Eumelos war der Dichter des ProcessionsUedes, welches der Messenierkönig Phiut^tö zu Ehren des Gottes von Delos singen liess, Pausan. IV 4, 33. V 19; unter dem Sohn und Nachfolger desselben, Androklos brach 743 der messenische Krieg aus. Auf die Abfassungszeit jenes nffoaofhoi^ daua könnte sich das frühere eusebische Datum des Eumelos beziehen, 763/760 v, Ch. Das andere bezeichnet wohl sein spätestes nachweisbares Auftreten; er erlebte noch die Thaten des Archias, Clemens ström. I 338 Evuf]loH 6 KoQLvd-ios (Ifyerai) inißsßXrjxeyai ^Aifx^ff ^(p ^vffaxovaag xiioavTi. Damit ist nicht nothwendig gesagt, dass er noch während der Gründung von Syrakus (Ol. 11, 4. 732) oder bei ihr thätig gewesen ist: der angebliche Sturz der Bakchiaden, welchen der Frevel des Archias an Aktaion herbei- führte, bestand in der Aufhebung des Bakchiadenkönigthuuis (Philologas XXVIII 414 fif.), diese aber fällt nach Ephoros (s. Epoche 1136) 90 Jahre vor Kypselos, also Ol. 8, 2. 746. Bei diesen Wirren könnte Eumelos eine^ vielleicht vermittelnde Rolle gespielt haben; ihre schliessliche Lösung fanden sie in der Auswanderung des Archias und Chereikratee,

Ueber die Zeit des Arktinos besitzen wir ausserdem nur ein Zeugniss, aber das eines Schülers des Aristoteles, Clem. ström. I 338 ^avda^ n^i TtQTiaydQov rid-elg yisax^jr tbv Ataßioy IdQ/jluxov vswriifop ip^pa tov

1) BF Armen. 1241; Kyrillos Olymp. 1. Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth.

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Te(f7iay^Qoy^ (Jirifii'k'kfia&ai dt ror Aeaxt]^ jigxxivfp xal revixrixiyai, Ter- pandros siegte in dem ersten musischen Agon der lakonischen Eameien Ol. 26. 676/3; nach der parischen Chronik wäre er sogar noch 644 thätig gewesen; Phaneias müsste demnach zu denen gehört haben, welche die Epoche des Gyges und mit ihm des Archilochos in die letzten De- cennien des VIII. Jahrhunderts versetzt haben. Doch fragt es sich, ob der Text des Clemens in Ordnung ist. Wirkte Lesches tiqo Tegnavi^v^ so war dieser nicht bloss i/p/iAo/oi;, sondern auch Aeaxov yecirsQog, und umgekehrt: war Terpandros Uqx^^X^^ veansifog, so durfte Phaneias nicht bloss den Lesches, sondern musste auch Archilochos 7i{}b TBQnavdffov setzen: warum drückt Clemens oder Phaneias zwei identische Begriffe in so abweichender Form aus, anstatt sie zu coordiniren? Das formale Ver- hältniss der Prädicate zu einander passt nur, wenn ihre Bedeutung ver- schieden ist; wir vermuthen daher 'A^x^loxov vswrfQor ipign rov 7>p- navd{f(jv. Dann erhalten wir die Aufeinanderfolge, welche den besten Zeugnissen entspricht: Lesches und Arktinos (744) vor Terpandros (676), dieser vor Archilochos (664 oder später).

Lykurgos.

Suidas: yivxov(fyog 2:7iaQnaTrig, yofiod-BZTjg, og yiyoys xwv TQvoixm jjBrä STT] V . f\y dk dslog 7i(f6g naxQog Xa^iXaov rov ßaaikevaayrog ^nagrrig^ Evyofiov ddeX(pog^ xat ixQarrjas rwy ^naffjiarwy hrj ußf^ otb xal rovg vofiüvg e&ero, iniTQontvoiy rov dd€k(pidovy, xal avrog^) ds' ißaailevasy hrj irj, fieS^ oy NixayÖQog hr] Xrf. Bygaipe rojuovg. Statt des troischen Datums / gibt cod. V vermöge einer häufig vorkommenden Verwechslung t/, der aus gleicher Quelle schöpfende Scholiast Piatons (VI 359 Herrn.) schreibt Avxoi{fYog Ysyarf rdiy Tfßwixdiy fiexa stt] y&\ Die eratosthenische Epoche voraussetzend vermuthet K. F. Hermann v&'j weil von 1184/3 aus bei inclusiver Zählung Ol. 1, 1. 77 6/5 das 409. Jahr ist; jedoch hat Nie- mand die Olympienstiftung, an welcher Lykurgos betheiligt war, zur Bestimmung seines Blüthenjahrs benützt, und gerade der Buchstabe r, welchen Hermann ändert, wird durch die üebereinstimmung beider Les- arten geschützt Eine andere, zur eratosthenischen Epoche besser passende CJonjectur ist von Niemand aufgestellt worden, auch schwerlich eine solche

1) D. i. oirof, wie Said. 'E^arwr^ertig, Stob. serm. 84, 9 u. a.

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ohne Gewaltsamkeit zu erzielen. Die Ziffer des Jahrhunderts ist aus- gefallen. Mit 259 359 459 würden wir, die Epoche 1183 vorausgesetzt, die Jahre 925 825 725 erhalten, von 1153 aus die Jahre 895 795 695. Offenbar ist nur tv9^ zulässig: die höchsten Datirungen des Lykurgos reichen nicht bis 895 hinauf und die niedrigsten nicht herab bis 725. Das Datum 825 föllt zwar in die Zeit, welche manche ihm angewiesen haben, entspricht aber keinem Epochenjahr desselben; dagegen zu 795 stimmt die Notiz des lateinischen Eusebios Abr. 1221 = 796/5 v. Chr.: Lycurgi leges in Lacedaemonem juxta sententiam ApoUodori hac aetate susceptae. Dass die Variante 1223 (BFR Armen.) falsch ist, beweist der Text des Armeniers: Lycurgi leges Lacedmone apud ApoUodorum XVIII anno Alceminis und die auf irl zurückgehende Corruptel bei Synkellos IdnoXlodio^og Avxov^yov rofiifia iv rip rf ^Alxafifvovi^: denn das 18. Jahr des Alkamenes trifft im Kanon eben auf Abr. 1221. Um die 1 Jahr betragende Abweichung des Hesychios (795/4) zu erklären, würde es an sich genügen, das 18. Jahr vollendet zu nehmen; doch findet sich die- selbe Abweichung bei dem Ende der 42 Jahre des Lykurgos und ist die Ursache beider in Vertauschung der lakonischen Jahrepoche mit der attischen zu suchen.

Dass ApoUodoros die Gesetzgebung Lykurgs 90 Jahre nach seinem ersten Auftreten gesetzt haben soll, hat viel Anstoss erregt, aber ändern lässt sich an dem Zeugniss nichts; es fragt sich nur, wie das Datum zu erklären ist. Dieses muss sehr gut verbürgt gewesen sein, wenn es Auf- nahme in ein System finden konnte, mit welchem es sich ohne eine künstliche Hypothese nicht vereinbaren lässt: vielleicht half man sich mit der Annahme, die endgültige Anerkennung der Gesetze sei erst nach oder (wofür sich einiges vorbringen Hess) bei dem Tode ihres Schöpfers erfolgt. In Wahrheit entspricht dasselbe lediglich der älteren, bis in den Anfang der Diadochenzeit alleinherrschenden Chronologie des Lykurgos^ welche zu Gunsten neuer über die Epoche seines Zeitgenossen, wofür Homeros galt, aufgekommenen Ansichten zuerst von Ephoros, dann von Sosibios und später, nachdem inzwischen Timaios mit der Unterscheidung eines älteren und jüngeren Lykurgos, Kallimachos aber mit der einer ersten und zweiten Olympienstiftung (828 und 776) Vermittlungswege eingeschlagen hatten, unter Modification der Hypothesen des Ephoros und

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Kallimachos von Eratosthenes um fast ein Jahrhundert erhöht worden ist. Ob bei dem Leobotes, dessen Vormund Lykurgos von Herodot genannt wird, an den vierten König der älteren Linie zu denken ist, steht dahin ^); sicher ist nur, dass die Einsetzung der Ephoren, welche Herodot dem Gesetzgeber zuschreibt, der Mitte des VIII. Jahrhunderts angehört; Thukydides 118 stellt die Einführung der neuen Ordnung kurz vor 804, d. i. von den zwei Ansichten, welche über ihre Zeit bestanden, theilt er die, welche sie in den Anfang der Vormundschaft verlegten, während das Datum 795 an die Heimkehr Lykurgs von der grossen Reise an- knüpft. Zu denen, sagt Plut. Lyk. 1, welche Lykurgos als Genossen des Iphitos in der Gründung der olympischen Spiele bezeichneten, gehört der Philosoph Aristoteles, welcher zum Beweis den seinen Namen aufzeigenden Diskos zu Olympia anführt^. Diese Scheibe wurde noch zu Pausanias (V 20, 1) Zeit dort vorgezeigt und alle auf uns gekommenen Schrift- steller, welche den Iphitos erwähnen, erklären ihn für den Schöpfer der Ekecheirie und der Spiele des Jahres 776; desgleichen meldet der viel- belesene Athenaios p. 635, dass Lykurg und Iphitos nach allgemeiner Angabe die erste gezählte Olympienfeier abgehalten hätten.

Der Diskos allein war es nicht, was den Philosophen in seiner An- sicht bestärkte; seinem Geist schwebte, wie die Andeutungen in der Politik II 6, 8 u. a. lehren, ein Gesammtbild der Geschichte vor, die sich in der Peloponnesos um die erste Hälfte des achten Jahrhunderts abgespielt hatte; von dem chronologischen Rahmen derselben hat, aller- dings unverstanden und entstellt, Hesychios ein Stück erhalten. 18 Jahre regierte Charilaos, 42 Lykurgos. Dies sind, wie Rhode Rh. Mus. XXXVI 540 bemerkt, zusammen die 60 Jahre, welche in Diodors Liste Charilaos allein hat; der Scholiast Piatons gibt die 18 Jahre dem Lykurg als

1) Auch von den Königen der jüngeren Linie Anaxandrides, Archidamos, Anaxilaos, Leo- tychides, Hippokratidea, Agis bei Herodot VIII 131 wissen die anderen Verzeichnisse nichts.

2) Dass das später xn Olympia aufgestellte Bildwerk nur den Iphitos von der Ekecheiria bekränzt zeigte (Pausan. V 10, 10), beweist nichts gegen die Theünahme des Lykurgos ; als Gesctai- geber war er laut der grossen Rhetra (Plut. Lyk. 6) wie Solon, die Decemvim u. a. zugleich Regent des Staates und Träger seiner Hoheit; dass erst 716 ein Stadionike aus Sparta genannt wird, beweist nicht, dass vorher kein Spartaner an den Spielen theilgenommen hat, und es erkl&rt sich zum Theil daraus, dass die 776 behauptete Hegemonie ihnen bald nachher von Pheidon ent- rissen wurde, wa,hrend des messenischen Krieges aber sie mit anderen Dingen beschäftigt waren, vgl. Philol. XXIX 245 flf.

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Vormund, was Rohde vorzieht und zu einer gewaltsamen Transposition im Texte des Suidas benützt; der Scholiast vergass aber, dass die Jahre der Vonnundschaft nicht dem Vormund, sondern dem Mündel zählen. Gutschmid bei Flach Hesych. p. LXX rechnet die 42 Jahre auf die Vor- mundschaft und Gesetzgebung Lykurgs und lässt sie wegen Thukyd. 118 und Eusebios Abr. 1197 im J. 819 beginnen; Thukydides hat aber ein späteres Jahr im Sinn, wenn er die Gesetzgebung wenig über 400 Jahre vor dem Ende des peloponnesischen Krieges setzt: 419 würde dem An- fang desselben näher gewesen sein als dem Ende, und Eusebios hat nur ' den von einem Vorgänger ausgesprochenen Synchronismus Lykurgs mit dem Ende des assyrischen Reichs, welches Velleius I 6 in das J. 843 setzt, auf sein Datum dieses Ereignisses übertragen. Nicht besser be- gründet ist, was Gutschmid hinzufügt: z. B. dass Ephoros Lykurgs Gesetz- gebung in das J. 870 verlegt habe, s. unten zu Epoche 1136. Von den 18 Jahren des Charilaos kommen im Sinn der älteren Ueberlieferung nur die ersten auf die Vormundschaft des Lykurgos: als Lykurgos von der grossen Reise zurückkehrte, fand er den Charilaos als Tyrannen vor, Aristot. pol. V 10, 3; dieser war also der Unmündigkeit bereits ent- wachsen. Lykurg stürzte denselben vom Thron, schreibt der Compilator

des Aristoteles, Herakleides pol. 24 rvQavvixdjg äif^ovra /tiereaTtjae; dann ^

wurde ihm, fügen wir ergänzend hinzu, mit Genehmigung des delphischen 4

Gottes die Regienmg auf unbestimmte Zeit als voiuoS^hrii; übertragen. Erst die Späteren haben ersoimen, dass Charilaos beim Tode seines Vaters

noch nicht geboren war: so konnte das Königsregiraent, welches Lykurg '

ausgeübt hatte, wenigstens auf 8 Monate (Plut. Lyk. 3) ihm zukommen,

ohne dass er, das Ideal eines gerechten Mannes, Jemandes Rechte verletzte, ^

und da auch 18 Jahre später Charilaos zwar Vater (Plut. Lyk. 3 extr.) }

aber noch nicht mündig war, der zurückkehrende Oheim wieder als Vor- mund die Regierung ohne den bei Aristoteles vorauszusetzenden Bürger- krieg übernehmen.

Das Datum 795 (lakonischen Stils, anfangend mit Oktober 796) ent- spricht ohne Zweifel dem ersten der 42 Regierungsjahre Lykurgs: die i Gesetzgebung wurde verschieden bestimmt. Der Anfang des Charilaos und damit der Vormundschaft Lykurgs fallt dann 813; dies ist also wohl das von Thukydides gemeinte Jahr. Die 42 Jahre seiner Wahl-

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regentschaft endigen 753, genauer in dem mit Oktober 754 beginnenden Olympiadenjahr 6, 4 lak. Stils: wer diese Olympiadenzählong annahm, ohne die 9 Monate betragende Verschiedenheit der vulgären, nach atti- schem Kalender berechneten Olympiadei^jahre zu beachten, dem gestal- tete sich für die Gesammtrechnung das Datum in 753/2 um; wer auf jenen Unterschied achtete, aber gewohnt war, die attische Jahrform zu Grund zu legen, der durfte es vorziehen, die Olympiadenjahrzahl 6, 4 durch 6, 3 zu ersetzen. Jenes Jahr bezeichnet den Abschluss der lykurgischen Regierung und Gesetzgebung mit der Einführung der Ephoren. Diese wurden nach Plut. Lyk. 7 i'reai nov fiakiara rffiaxorra xal ixaroy fiexa jivxov^ov eingesetzt, also, da Plutarch (Lyk. 1) dem Eratosthenes und ApoUodoros folgt, um Ol. 6, 2. 755/4 oder 6, 3. 754/3, je nachdem man ihr Datum der Vormundschaft (885/4) oder der Gesetzgebung (884/3) zu Grund legt. Das Datum des Eusebios ist unsicher und wie viele andere verschoben: Abr. 1260 = Ol. 5, 4. 757/6 gibt ABR(M?), 1259 P(M?) Armen., 1257 F; doch ist ein Anzeichen vorhanden, welches auf das Richtige führt. Hieronymus fugt hinzu: fuit autem sub regibus Lace- daemon annis CCCL, eine Bemerkung, welche der Armenier nach dem letzten Jahr des letzten von Eusebios verzeichneten Königs Alkamenes, also scheinbar richtig unter Abr. 1241 =01. 1, 1. 776 anbringt, eben dadurch aber sich der eigenmächtigen Aenderung überführt; wie Hiero- nymus dazu gekommen wäre, sie von dort zur Ephorenepoche zu ver- schieben, ist nicht zu ersehen. Eusebios hat diese zu seinem System (dorische Wanderung 1101 v. Ch.) nicht passende Notiz schlechtweg aus Eratosthenes- ApoUodoros übernommen: von der Wanderung 11043 führen 350 Jahre in Ol. 6, 3. 754/3; das VoUkönigthum von Sparta aber wurde in dem Augenblick definitiv in die Erbfeldherrnschaft verwandelt^ welche wir in späterer Zeit vorfinden, als die Regierung des Staats an die Ephoren übertragen, die Datirung der Ereignisse an den Namen ihres Vorstandes geknüpft wurde. Das Richtige findet sich insofern bei Syn- kellos (s. zu Epoche 1171), als er den letzten König Alkamenes bis 754/3 regieren lässt und dort die Bemerkung über die 350 Jahre anbringt; in ihrer Versetzung auf 776 oder 775 ist dem armenischen üebersetzer aus gleichem Grunde bereits Africanus vorangegangen.

Die Einführung des Ephorats ist nominell ein Werk des Königs

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Theopompos, die Initiative aber sicher nicht von ihm ausgegangen: ab- gesehen von der Unwahrscheinlichkeit einer spontanen Selbsterniedrigung für jenen bildet sie den von Lykurgos vorgesehenen Schlussstein seines Gebäudes; seine ganze Verfassung ist ohne jene Behörde nicht denkbar. Wer dem Königthum die Regierung abnimmt und seinen Einfluss in dem Inneren auf die Mitgliedschaft im Rathe beschränkt, der muss noth- wendig eine andere Regierungsgewalt einsetzen. So lange Lykurgos als Gesetzgeber wirkte, war er selbst Regent des Staates: die grosse Rhetra (Plut. Lyk. 6) beauftragte ihn, von Sommer zu Sommer (äffag «1 aiifag) Volksversammlung abzuhalten und dort Anträge zu stellen auf Einführung oder Abschaffung von Einrichtungen; die Einberufung und Leitung dieser Versammlungen setzt schon voraus, dass er Inhaber der Regierung ge- wesen ist, und an einer ausserhalb des später zurechtgemachten Systems, welches Plutarch im Lykurgos vorträgt, stehenden Stelle im Solon 16 heisst er auch bei diesem ßsßaaiXevxivg str] noXXä rrjg AaxBdaLfjLovog. Erst durch die Fälschung, welche den Gesetzgeber um fast ein ganzes Jahrhundert zu früh ansetzte, eine Verschiebung welche das Ephorat wegen der chronologischen Fixirung seiner datumgebenden Inhaber nicht mitmachen konnte, erst- dadurch ist es von Lykurgs Gesetzgebung abgelöst und diese in einen lebensunfähigen Torso, die Ephorenschöpfimg in ein unverständliches Fragment verwandelt worden. Weder bei Aristoteles pol. V 9, 1 noch bei Piaton leg. 692 wird durch die Zurückführung des Ephorats auf Theopompos der innere Zusammenhang mit dem Plan der lykurgischen Gesetzgebung ausgeschlossen und Herodot I 65, Xenophon Laced. 8, 3, Satyros bei Diog. La. I 31, [Piaton] ep. 8 erklären geradezu Lykurgos für den Schöpfer jener Behörde; sie meinen auch nicht etwa, was in der Geschichtsfälschung des Kleomenes bei Plut. Kl. 10 der Fall ist, ein am Anfang untergeordnetes und unbedeutendes Amt, sondern das RegierungscoUegium geschichtlicher Zeit. Dem wahren Sachverhalt ent- sprechend schreibt Aristoteles II 6, 15 vom Ephorat: avyexei rtj^ nokireiay To affx^l^y toCto' '^av^d^Bi yctQ 6 ^fjfiog ^lä t6 fistix^iv rfig fisyiöTrjg ^(fX'^^9 üKTT* Bits (fiä tbv vofio9^€TT]y eire ^la rvxV^ rovro avfimnrvDXB, avfKfBQovxiDg bxbi tolg nffdyfiaai: Lykurgos ist ihm der eigentliche Schöpfer der Behörde, ungewiss lässt er nur, ob auch die angegebene Wirkung ihres Bestehens von ihm geplant und vorgesehen war. Und

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unter den lakonischen Einrichtungen, welche II 7, 1 als jüngere Seiten- stücke der kretischen bezeichnet und aus dem Aufenthalt des Lykurgos in Kreta erklärt werden, wird § 3 auch das Ephorat genannt.^)

In die Lücke, welche durch den Zui*ücktritt Lykurgs von der früher dem Königthum zukommenden und von jenem thatsächlich in könig- licher Weise geführten Regierungsgewalt entstand, trat die neugeschaflfene Ephorenbehörde ein: nachdem zuerst die Könige und andern Geronten, dann das Volk die ganze Verfassung beschworen und die Pythia der- selben die göttliche Sanction ertheilt hatte, trat er ab (Plut Lyk. 29): er konnte auf die Macht der Erziehung vertrauen, welche auf mehr als eine ganze Generation umbildend eingewirkt hatte. Jetzt war der junge Theopompos König: er erhielt und vollzog den Auftrag, für die zur Nach- folge in der Regierung ausersehene Behörde die seinerzeit auch bei Ly- kurgs Einsetzung eingeholte Empfehlung des pythischen Gottes zu erwirken, Lykurgos hätte das vor seinem Abgang noch selber thun können; es lag aber für die Zukunft viel daran, dass jener das VoUkönigthum definitiv beseitigende Akt von einem Könige selbst vollzogen worden war. An dem jungen Theopompos, dessen Familienoberhaupt überdies eben Lykurgos war, fand er oflfenbar ein willigeres Werkzeug als an Alkamenes. An die Stelle seines abgesetzten Grossvaters Charilaos war 795 sein Vater Nikandros getreten, welcher den Titel eines Königs 38 Jahre lang führte, also 757 (Ol. 5, 4 lakonisch = Okt. 758 bis Okt 757) abgieng, so dass Theopompos bei Einsetzung des Ephorats seit 4 Jahren König war. Als später die einer Tyrannis stark ähnelnde Regierung Lykurgs auf die Vor- mundschaft beschränkt und seine Epoche zurückgeschoben wurde, fügte man seine 42 Jahre zu den 18 des Charilaos, behielt aber trotzdem die 38 des Nikandros bei; die 64 Jahre des Charilaos bei Sosibios beruhen vielleicht auf Zusatz der 4 Jahre, welche von Nikandros Tod bis zum Abgang Lykurgs vergangen waren, also auf Verdopplung. Wenn somit die Regierung des Theopompos durch die ihm in unserer Ueberlieferung beigelegten 47 v. Chr. auf 757 710 Jahre zu stehen kommt, so ent-

1) Für Sokrates bei [Plat.] Minos 318 d sind Lykurgs Gesetze ovSirnu {naXai6rara\ ictug hfl TQiaxoata 5 oUytp rovTuty nXtiuß. Vom Abschluss der Gesetzgebung (754/3) bis zum Verkehr des Alkibiades mit Sokrates (c. 434/3) verlaufen 320 Jahre. Der Dialog wird von Boeckh dem illtesten Sokratiker, Simon zugeschrieben.

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spricht das den besten Nachrichten, welche wir über ihn besitzen. Er wohnte dem ganzen messenischen Krieg 743 724 bei, dessen glückliche Beendigung sein Verdienst gewesen ist; an dem Kampfe um Thyrea nahm er nicht mehr theil, wegen hohen Alters und noch mehr aus Kummer über den Tod seines Sohnes Archidamos, dessen Sohn sein Nach- folger wurde (Pausan. III 7). Eusebios setzt diesen Krieg Abr. 1298 = OL 15, 4. 717 (nach PB Armen.) oder 1297 FR(M), 1296 A(M).

Zeitgenossen, auch Freunde Lykurgs nannte die gute Ueberlieferung zwei Dichter: Homeros, dessen Geburt die ältesten Chronologen in das J. 833 verlegten (s. Epoche 1059) und den hie und da mit dem Milesier Thaies oder mit Thaletas verwechselten Kreter Thaies (Demetrios Magnes bei Diog. I 38. Strab. 482. Plut. Lyk. 4. Sextus Emp. p. 239), dessen Datum Ol. 7 = 752/48 von Phlegon bei Suidas und seinem Nachtreter Eusebios missverständlich auf die Blüthe bezogen worden ist: es geht, wie uns Leon d. i. Africanus b. Gramer An. par. II 263 bezeugt, seinen Tod auf Tenedos an. Andrerseits erhellt die Unrichtigkeit der von Ephoros und seinen Nachfolgern aufgestellten Königsdata aus der auch von ihnen, wie aus Diodors Geschichtserzählung und den Notizen des eusebischen Kanons hervorgeht, anerkannten Zeit des ersten messenischen Kriegs (743 724), dessen Theilnehmer Alkamenes seinen Anfang, Theo- pompos sein Ende nach ihrer Rechnung nicht mehr erlebt haben würden.

Die Data der troischen Epoche.

Die Einnahme Troias wurde in den vorletzten oder letzten attischen Monat, also in den Mai, Juni oder spätestens Mitte Juli gesetzt^); daher bei der Reduction auf Jahre vor Christi Geburt das Datum (z. B. 1183) um eine Einheit niedriger fällt als der Anfang des attischen Jahres (Juli 1184), der bei kurzer Ausdrucksweise auch die Zahl (1184) für das ganze (1184/3) zu liefern pflegt. Den 8. Thargelion nannten 'einige' bei Kallisthenes, s. Schol. Eur. Hek. 892; den 12. Thargelion unser ältester Zeuge für das Tagdatum, Hellanikos nebst Duris bei Tzetzes Posthom. 778, derselbe Hellanikos und der Argiver Dionysios bei Clemens ström. I 321, Ljsimachos nach Schol. Eur. a. a. 0. Für den 23. Thargelion stimmen Kallisthenes ebend., einige Atthidenschreiber bei Clemens a. a. 0., ferner

1) In die Mitte Novembers von Aischylos Agam. 800. Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth. 70

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Dionysios Hai. ant. I 63; für den 24. Thargelion die Chronik von Faros, für denselben oder einen ihm entsprechenden nichtattischen Monatstag Damastes, Kallisthenes, Ephoros und Phylarchos nach Plutarch Camill. 1!>, doch ist dies in Betreff des Kallisthenes zufolge der Auseinandersetzung desselben bei dem Scholiasten ein Irrthum. Andere bei Clemens nannten den 23. Skirophorion. In den Anfang des attischen Jahres scheint das einzige nichtattische Datum zu fallen, der 23. Panemos der Argiver Agias und Derkylos bei Clemens, sofern der argivische Panemos gewöhnlich dem Hekatombaion entsprach, Akad. Sitzungsb. München 1879, II 185; doch konnte im attischen Schaltjahr der Skirophorion* mit ihm zosammen- treflfen und ein solches ist wenigstens bei Dionysios v. Halik., d. i. in der troischen Epoche des Efatosthenes vorausgesetzt, da er den 23. Thargelion sehr spät, nur 17 Tage vor der Sonnenwende setzt. Wie man zu dem 23. (oder 24.) Monatstag gekommen ist, offenbart Kallisthenes bei dem Scholiasten: nach der kleinen Ilias wurde die Stadt eingenommen, als der Mond um Mitternacht aufgieng; also beim letzten Viertel, welches, wie er hinzufügt, am achtletzten Monatstag eintrifft.

An Jahrdaten sind überliefert: 1333 für Timaios und Dijris, 1290 (?) für Aretes, 1270 Pseudoherodot, 1207 parische Chronik, 1193 Thrasyllos, 1183 Eratosthenes, 1171 Sosibios; von Clinton, Boeckh, Fischer, Karl Müller u. a. wird Herodots Epoche auf 1263 (oder 1256 1254), die des Demokritos um 1150 gesetzt und durch "Hinzufügung von 80 Jahren zu den Daten der dorischen Wanderung eine Reihe anderer troischer Epochen für Isokrates (1146 1136 1120), Ephoros (1170 1150), Phaneias (1129) aufgestellt. Die nachstehende Untersuchung kommt zu anderen Ergebnissen. Die niedrigsten und daher, insofern nur sie zur Generationen- zahl der bis zur dorischen Wanderung und weiter zurückreichenden Stamm- bäume passen, ältesten Data sind 1059 (Pherekytles) und 1096. Frühzeitig aber wurde, besonders unter dem Einfluss auswärtiger Scheinsynchronismen, die Epoche in höhere Zeit verlegt: auf 1147 schon vor Demokritos, 1153 von Hellanikos, auf 1236 vor Herodotos, 1231 von Ktesias, 1136 wählte Ephoros, 1197 Manetho, 1171 Sosibios, 1333 Timaios, 1207 die Chronik von Paros. Alle diese Epochen, auch die am meisten verbreitete von 1153, wurden in den Hintergrund gedrängt durch die des Eratosthenes, weil seine Zeit- tafel in ApoUodoros, Dionysios u. a. einflussreiche Bearbeiter und Fort-

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setzer erhielt; doch haben viele, besonders die von 1153 1171 1096 noch in römischer Zeit ihre Liebhaber gefunden. Neue wurden jetzt wenige mehr aufgestellt: die des Thrasyllos geht vielleicht auf Aretes zurück und die von Orosius vertretene: 1167 ist unbekannten Ursprungs*

1333 Timaios.

Von Troias Fall bis zum Uebergang Alexanders nach Asien unter Archon Euainetos Ol. 111, 2. 335/4 zählte Duris 1000 Jahre, Clemens ström. I 337. Zum Vorgänger hatte er seinen älteren Zeitgenossen Timaios. Diesem fiel die Ansiedlung der Korinther unter Chersikratea auf Kerkyra tuhrä art] i^axoaia rwy T()(Oixwy, Schol. ApoUon. Rhod. IV 1216; die Gründung von Syrakusai aber durch Archias, welcher mit Chersikratea auswanderte, fallt um oder in Ol. 11, 4. 732. Bis zum Ende des heiligen Krieges 346 v. Ch. zählte er fast 1000 Jahre, s. zu Epoche 1236^ und von der dorischen Wanderung bis Archon Euainetos 820 Jahre, Clemens a. a. 0. Diese bringen (inclusive gerechnet wie gewöhnlich bei Clemens) die Wander- ung in 1154/3 und lassen von den 1000 Jahren 180 als Entfernung derselben vom Falle Troias übrig; das sind die 180, welche nach Clemens a, a. 0. manche auf diese Entfernung rechneten, lieber die Entstehung des Datums 1333 s. zu Epoche 1236; über anderes zu 1290 und 1153.

1290 Aretes (?).

Censorinus 20, 8 aus Varro: ad olympiadem primam (ab excidio Troiae annos) Sosibius scripsit esse CCCXCV, Eratosthenes autem septeni et quadringentos, Timaeus CCCCXVII, Aretes DXIIII. Timaios zählte in Wahrheit 557 Jahre; an der Zahl 417 ist trotzdem nichts zu ändern: das ihr entsprechende troische Datum 1193 v. Ch. findet sich wirklich vor, bei Thrasyllos; nur konnte Varro es diesem nicht beilegen, weil Thr. erst nach ihm unter Augustus und Tiberius blühte. Dagegen die Zahl 514 lässt sich nicht belegen und ist auch wegen ihrer Höhe auf* fallend, s. zu 1270. Beide Schwierigkeiten werden gehoben, wenn man annimmt, dass die Zahlen des Timaios und Aretes mit einander ver- tauscht sind, und DXIIII in DLVII verwandelt: die massgebende Hand- schrift verwechselt oft V mit II (z. B. p. 40, 13. 43, 14 Hultsch), auch L mit X (p. 33, 19).

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[1270 Herodotos].

Der vorgebliche Herodot, welchem wir die längste unter den Bio- graphien Homers verdanken, zählt c. 38 130 Jahre von dem Troerkrieg (aTTo T% ds "Ilioy ar^arHag) bis zur Gründung der Städte auf Lesbos, von da 20 zu der von Kyme, 18 weitere, im Ganzen 168 bis zur Geburt Homers bei der Gründung von Smyma, von da 622 bis zum Uebergang des Xerxes über den Hellespont, also bis Ol. 74, 4. 481/0. Die angegebenen Zeitabstände sind, den letzten ausgenommen, unver- dächtig: die Lesbierstädte waren in der That die ältesten, Smyrna eine der jüngsten Colonien in Aiolis, und der Abstand 130 für Lesbos lässt sich nachweisen, s. zu Ep. 1153. Aber die Zahl 622 ist viel zu hoch: die Data 1270 für Troia, 1140 Lesbos, 1120 Kyme, 1102 Smyrna wider- streiten der allgemeinen, auch von dem Verfasser (c. 7. 16. 17 u. a.) getheilten Voraussetzung, dass die aiolische Wanderung mit der ionischen ungefähr gleichzeitig gewesen sei, da die ionische von Niemand höher als in die Mitte des XI. Jahrhunderts gesetzt wurde und der Abstand von 130 Jahren zwischen Troia und Lesbos zu dieser Voraussetzung stimmt: die Wanderungen nach Kleinasien konnten, weil sie die letzten waren, nicht so stark von ihrer ursprünglichen Zeit entfernt werden wie die dorische und boio tische oder gar der Troer krieg: wer diesen auf 1270 stellen wollte, hätte den Abstand von ihm bis zur Gründung der Lesbier- städte um ein ganzes Jahrhundert erhöhen müssen. Je höher das troische Datum, desto grösser seine Entfernung von der dorischen Wanderung und das Intervall von dieser zur ionischen, z. B. von Troia bis zur dorischen Wanderung zählte Timaios (tro. Epoche 1333) 180, ein anderer 120, Eratosthenes (Epoch. 1183) 80, Sosibios (1171) und Ephoros(1136) 67, Pherekydes (1059) 10 Jahre; von Troia bis zur ionischen Philochoros 180, Eratosthenes 140, Ephoros und Sosibios 127, der Schöpfer der Epoche 1096 100, Pherekydes (1059) 63 Jahre.

Als angeblicher Herodot musste der Biograph das herodotische Datum der Einnahme Troias seinen Daten zu Grund legen: diese setzt der Ge- schichtschreiber II 145 wenig über 800 Jahre vor seiner Zeit {k Bfii). Eusebios erwähnt Herodots Blüthe zu Abr. 1549 = Ol. 78, 1. 468; ähn- lich Hesychios (Suidas), wenn er Herodot vor dem Tyrannen Lygdamis

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nach Samos fliehen und dort sein Werk abfassen lässt, die Blüthe seines Vetters Panyasis aber, welcher Lygdamis ermordete, in Ol. 78 setzt. Mit 802 oder inclusiv zählend 803 Jahren von da bekam er 1270. Wie die Data gelautet hatten, welche er auf diese neugeschaffene Epoche um- setzt, verräth Hieronymus (der Armenier hat hier eine Lücke) zu Abr. 1031 = 986/5 V. Chr.: Samus condita et Smyma in modum urbis am- pliata^). Die letzten Worte sollen wahrscheinlich zur Uebersetzung von 2uv(}va inoXia&rj dienen: Smyma wurde von den Aiolem nicht erst ge- gründet, sondern den Barbaren (nach Aristoteles Lydern) entrissen; bis dahin war es also ein oflfener Flecken {xw^rj) gewesen, denn zu den Unterscheidungsmerkmalen zwischen Barbaren und Hellenen gehörte, dass diese in Städten, jene in Flecken und Dörfern wohnen. Von 986/5 mit 168 Jahren zurückzählend erhalten wir aber die troische Epoche 1154/3. Diese also hat der falsche Herodot vorgefunden und es ergeben sich daraus die Gründungsdata 1024 für Lesbos tmd 1004 für Kyme, deren späte Zeit auf eine gute, alte Quelle des Biographen hinweist und, da die aiolische Wanderung bei den besten Schriftstellern für älter galt als die ionische, für diese ein nach 1024 liegendes Datum vermuthen lässt

1236 bei Herodot.

Von Troias Fall bis zur Abfassung seines Werks zählt Herodot über 800, unter 810 Jahre, II 145 Tlavl toJ ix ITrjyslojiTjg xal 'E(}ubu) sXaaaü) i'red iaxi räv T()ü)ix(ov, xarä rot oxraxoaia itidkiara ig i/Lti. Die Geburt Paus von Penelope wurde in die Zeit der Irrfahrten des Odysseus ver- legt; frivoler Witz erfand auch die Namensableitung von der Vaterschaft 'aller^ Freier. Kirchhoffs Hypothese von der successiven Entstehung des herodotischen Werkes ist von vielen, zuletzt von Rühl Philologus XLI H. 1 mit guten Gründen bestritten worden; die schliessliche Redaction setzen wir in 87, 4. 429/8. Grosskönig ist Artaxerxes I (Her. I 130. VL 98. VII 106), gestorben März 424; die Battosdynastie in Kyrene be- reits untergegangen (IV 163), bestanden hatte sie 200 Jahre lang (Schol. Find. pyth. 4, 1) seit 632 (Eusebios); der üeberfall Plataias (VH 233)

1) Der syrische Auszügler Dionysios von Telmahar: anno MXXX urbs Samos condita est et Smyma condita est anno MXXXIV. Bei Hieronymus datirt M 1030, R 1032.

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und die Vertreibung der Aigineten (VI 91) ist 431, die Hinrichtung spartanischer Sendlinge in Athen (VIT 137) September 430 geschehen. Andrerseits weiss Herodot V 3 noch nichts von der Herrschaft der Odrysen über ganz Thrake saramt den Nachbarstaaten und ihrer furcht- baren Machtentfaltung, welche im Herbst 429 alles Volk bis zu den Thermopylen in Angst und Schrecken versetzte; er kennt IX 73, wie der Aorist lehrt, nur eine einzige Verheerung von fast ganz Attika: aiysouBrrjy rtfy aXXriv Idmxriy AaxBdaifioviovg cbtoax^cf&'cth also die von 430, nicht die zweite dieser Art im Juni 428, geschweige denn die voll- ständige von 427. Demnach setzte er die Geburt Paus auf 1228, die des Herakles (900 Jahre vor seiner Zeit) 1328. Nach Eusebios zu Abr. 823 erreichte Herakles ein Alter von 52 (nach andern 82) Jahren, Velleius I 2 setzt seinen Tod 40 Jahre vor Troias Fall (andere 53 oder 24), welcher auf diese Weise 92 Jahre nach Herakles Geburt = 8 vor Pan, d. i. auf 1236 gebracht wird.

Die herrschende Ansicht geht von Herodots Angaben über die Lyder- könige aus, obgleich von ihnen kein bestimmtes, noch weniger ein sicheres Ergebniss zu erwarten ist. Er gibt den Mermnaden 170 Jahre, setzt also, da die Einnahme von Sardes dem Spätjahr 546 angehört, den Anfang des Gyges 716; den Herakleiden gibt er 505 Jahre, der Anfang des Agron fällt hienach 1221. Gibt man nun den Ahnen desselben, Herakles, Alkaios, Belos, Ninos, je 33y3 Jahre, so kommt der Anfang des Herakles auf 1354, und hieraus hat man die Data 1254 für Pans Geburt und 1262 für Troia, in ähnlicher Weise die verwandten bekommen. Dabei wird aber die Blüthenepoche (bei Königen der Regienmgsanfang) mit der Geburt verwechselt (denn jene, nicht diese, ist bei dem Datum 1221 des Agron gemeint) und man hätte vielmehr auf ein um zwei oder mehr Jahrzehnte höheres Datum für Herakles, Troia und Pan kommen müssen, was freilich aus anderen Gründen nicht statthaft war. Ob Herodot bei seinen Angaben über die Lyderkönige auch an jene mythischen Data gedacht hat, wissen wir nicht; that er es, so konnte er z. B. folgender- massen rechnen. Während jener 505 Jahre regierten 22 Herakleiden nach einander, immer der Sohn Nachfolger des Vaters (I .7), jeder also durchschnittlich 23 Jahre, ein Durchschnitt, welcher billiger Weise auch ihren Ahnen beigelegt wird. Dann begann die Reife des Ninos 1244,

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des Belos 1267, Alkaios 1290, Herakles 1313 und sie war von diesem (1328 geboren) im 16. Lebensjahr erreicht worden : gewiss nicht zu früh für ihn, dessen Hand schon in der Wiege Schlangen zerdrückt hatte*

Dass Herodot einen Theil seines Werkes schon 454 geschrieben und seine meisten Reisen vor diesem Jahr oder wenigstens vor 448 gemacht habe, ist nicht wahrscheinlich. Der ägyptische Aufstand, nach welchem er Aegypten bereiste, ist erst 453 beendigt worden (Philologus XLI 117); auch nach dieser Zeit durfte Herodot, der Angehörige eines zu Persien in Kriegverhältniss stehenden Reiches, welches noch 449 den Empörer Amyrtaios in Aegypten zu unterstützen suchte, in persisches Gebiet sich nicht eher wagen, als bis der Friede geschlossen war, dessen Verhand- lung frühestens Winter 449/8 begonnen und, da Kallias mehrmals hin- und herreisen musste, kaum vor Winter 448/7 geendigt hat. Ob er erst bei der Gründung von Thurioi Ol. 84, 1. 444 oder schon zwei Jahre früher bei dem Wiederaufbau von Sybaris nach Unteritalien gewandert ist, bleibt zweifelhaft; einige Jahre brauchte er doch wohl, um sich dort einzuleben, und hat seinen Besitz nicht eher auf Jahre hinaus verlassen, als bis die Verhältnisse desselben festgegründet waren. Wir halten es daher für das Wahrscheinlichste, dass seine Reisen dem letzten Jahrzehnt vor dem peloponnesischen Krieg angehören.

Die troische Epoche Herodots scheint nicht von ihm selbst herzu- rühren: er bezeichnet sie nicht, was er in solchen Fällen zu thun pflegt, als sein geistiges Eigenthum, gibt auch die Rechnung nicht an, auf welcher sie ruht, setzt also, da er von ihr wie von einer feststehenden Thatsache spricht. Bekanntheit ihrer Elemente voraus; überhaupt haben wir die Urheber neuer Data der troischen Epoche nur in Schriftstellern zu suchen, welche das Ereigniss im Rahmen geschichtlicher oder wenigstens chrono- logischer Darstellung behandelt haben. Nachweisbar ist sie bloss bei ihm ; denkbar wäre indess, dass die wunderliche Epoche des Timaios durch ein naheUegendes Missverständniss aus ihr hervorgegangen ist. Den Troer- krieg fast drei ganze Jahrhunderte früher zu setzen als es die Generationen- rechnung (angewandt auf den Stammbaum der angeblichen Nachkommen seiner angeblichen Theilnehmer) erlaubt, war eben nur er im Stande^ ver- möge einer Schwäche, welche ihm nicht ohne Grund im Alterthum nach- gesagt worden ist, seiner ^siai^aifiovia: ein Ausspruch des delphischen

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Orakels z. B. musste ihm für unfehlbar gelten und ein auf das Datum des Troerkriegs bezüglicher wird in der That gerade von ihm angeführt Wie Timaios bei Tzetzes zu Lykophron 1141 erzählt, war 3 Jahre nach der Einnahme Troias und dem Schiffbruch des Aias Seuche und Hungersnoth in Lokris (dem östlichen) eingetreten und als die Noth nicht wich, in Delphoi die Weisung erholt worden, der Pallas in Ilion zur Sühne der Schändung Kassandras 1000 Jahre lang zwei' Mädchen alljährlich zu schicken; beim Ablauf des Jahrtausends, nach dem phoki- schen Kriege wurde diese Opfersendung eingestellt (in Wirklichkeit war die Sitte 1 2 Jahrhunderte vorher eingeführt Avorden, fTsffauJy rjir^ imxQarovyrcoy, Demetrios von Skepsis bei Strabon 601). Der göttliche Be- fehl hatte hienach verlangt, die Sendung bis zum 1003. Jahre seit Troias Fall zu machen. Flüchtigkeit des Auszüglers gibt sich daran zu erkennen, dass beim Ende des phokischen Kriegs, Spätsommer 346, noch nicht, wie er voraussetzt, 1003 sondern erst 987 Jahre seit Troias Fall verflossen waren. Vielleicht hat Tzetzes auch über die 3 Jahre nicht genau be- richtet. Das Motiv ihrer Erfindung erscheint bei ihm unverständlich; die ausserordentliche Härte der Sühne, welche auferlegt und willig über- nommen wurde, setzt eine ebenso ausserordentliche Landesnoth voraus; der geschichtliche Hintergrund jener 3 Jahre ist wohl, dass dies der Betrag ihrer Dauer gewesen war, und die Mehrung von 1000 auf 1003 Jahre erklärte man daraus, dass der mit dem Eintritt der Noth ange- kündigte göttliche Zorn 3 Jahre lang unbeachtet geblieben war. Im Sinn des Timaios würde, wie sein troisches Datum lehrt, das Ende der Opfersendung Ol. 112, 1. 332/1 eingetreten sein; beim Aufhören der- selben fehlten noch 14 Jahre und es fragt sich nun, wie die vorzeitige Einstellung zu erklären ist.

Bei der grossen Werkfrömmigkeit und Götterfurcht der alten Völker ist es sicher, dass dieselbe nicht eigenmächtig sondern auf Grund gött^ lieber Genehmigung geschehen ist: hatten die Lokrer das Opfer, wenn auch nicht 986, aber doch immerhin fast 200 Jahre lang bringen können, so würden sie sich der Last um blosser 14 Jahre willen nicht leicht- sinniger und frevlerischer Weise entledigt haben; sonst hätte der göttliche Zorn von neuem und in solcher Weise ausbrechen können, dass die ganze frühere Leistung vergeblich gewesen sein würde. Die 14 Jahre sind

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ihnen geschenkt worden, zum Lohn für ihre Gottestreue. Sie waren vom Anfang bis zum Ende des heiligen Krieges die eifrigsten Vertheidiger des delphischen Heiligthums gewesen, dabei aber ungleich stärker als ihre Verbündeten geschädigt worden: zu der allgemeinen Einbusse an Gut und Blut war bei ihnen der Verlust mindestens des halben Gebietes gekommen. Wurden nach dem Ende des Krieges die Missethäter aufs Härteste bestraft, so war es wohl auch billig, den am schwersten mit- genommenen Getreuen eine Schadloshaltung zu gewähren : sie bestand in dem Erlass der noch schuldigen Mädchensendungen; man konnte ihn sogar, obgleich es nicht nöthig ist, das anzunehmen, damit begründen, dass die Lokrer zuerst 3 Jahre durch die Seuche und Hungersnoth, und zuletzt 11 (nach der längsten Berechnung, Diod. XVI 14) durch die Leiden des heiligen Krieges bereits verbüsst hätten. Sollten nun aber die Exe- geten der göttlichen Offenbarung wirklich vorausgesetzt haben, dass Troia schon 1333 zerstört worden war? Gewiss nicht; vielmehr wird das Orakel, wie viele andere, einen zweideutigen, leicht irre leitenden Ausdruck ent- halten haben. Das Bussjahr, welchem wir im Mythus z. B. des Apollon nach dem Morde Pythons, des Kadmos nach der Erlegung des Drachen begegnen, war ein sog. grosses Jahr, d. i. eine Ennaeteris (Censorin 18), weil das Mondjahr erst nach achtmaliger, von 3 Schaltmonaten begleiteter Wiederholung zur dnoxardaiaais, zur Wiederkehr seines ursprünglichen Verhältnisses zur Sonne gelangt, s. Apollodor bibl. III 4, 2. Plutarch defect. oracul. 21. Das Mondjahr ist Menschenwerk: Selene schafft bloss den Monat; Gottesjahr (fVos* xard d^eov) ist bloss das solare, welches aber in Hellas nicht eingeführt war; die Erneuerung des 8jährigen Schalt- kreises bedeutete also eine Wiederkehr des Jahres zur Gottheit. So wird auch durch die Busse des Mörders sein früheres Verhältniss zu den Göttern wiederhergestellt. Also 14 grosse =112 gewöhnliche Jahre nach 108, 3. 346/5 waren gemeint und die 1003 würden Ol. 136, 3. 234/3 zu Ende gegangen sein; ihr Anfang war mithin 1237/6.

1231 Etesias.

Die Verzeichnisse assyrischer Könige von Ninos bis Sardanapallos, welchen der Meder Arbakes stürzte, gehen sammt den Listen welche das Königthum der Meder mit diesem beginnen, alle auf Ktesias zurück, ob-

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 71

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wohl sie über die Dauer beider Reiche und das Datum ihrer Anfangszeit in mannicbfachster Weise von einander abweichen. Trogus bei Justinus I 2 gibt den Assyrern 1300 Jahre, ebenso ^andere* bei Eusebios I 67; man hält diese Zahl, betreflFs der letzteren wenigstens sicher mit Unrecht, für Abrundung wegen Diod. II 28 trtj nleiio xwy ;f/A££Oj/ xai rffiaxooiiüy und zwar aus 1306 wegen Agathias II 25 4* JS.ap(Tara7FaUoi/ t^ rs xal rgta- xoai(x)y ij^rj tiqo^ rolg //A/ois* ^ctl oUyü) Tiletoycoy irojy TiaQipxv^OTwy al ov ra TfQioTa o Niyoi^ rujy iy.el xarsax^ Ti^ay/uarcoy, ovtu) yap Krriaiq, rw Kyidiio rovg y^{}oyüV<^ dyayQa^'aiuyu) xal Ji6i^a)(}og ^vu(priaiy o ^ixsltujrrjg. Seltsamer Weise wird dabei sowohl der Zusatz xal oUyip nkeioytoy, welcher deutlich auf Fehlerhaftigkeit des f'c und Entstehung aus einem Zehner {j-'irixoyra = ^) hinweist, missachtet wie der Text des Originals, in wel- chem dieser Zehner wirklich steht: Diod. II 21 «Vry nlsiü} rioy //A/a>*' xal r()iaxooiojy hi (T tirjxoyra, xaf^ane^f (ftjal Kjriaiag 6 Kvidiog, Diese mehr als 1360 Jahre lassen sich auch noch nachweisen: es sind 1366 oder 1365.

Bis zum Falle Troias und dem Ende des Königs Teutamos verlaufen 1012 Jahre. Mindestens 1010 verflossen bis zur troischen Epoche nach Diod. II 22 TtVTafiov ßaatltvoyxog cpaai tovi; uer '^ya/HB/uroyog ^'Eklrjyag im T(JOiay OTfjarevaai jfjy r^ye/Lioylay iyoynoy rfjg *Aaiag rdiy ^AaavQiayy krt] n'KHü) Tioy /lAiüir. Die bestimmte Zahl liefert Kephalion bei Euseb. I 64 postea singillatim refert (Ctesias), quomodo Teutamus auxilii ei suppetias miserit ducemque exercitus Memnonem Tithoni filium, quem Thettalii insidiis factis occiderunt. deinde singulatim dicit: Millesimo decimo tertio anno fit rex Assyriorum Sardanapallus. Im letzten Satz ist mit Brandis rerum Assyriarum tempora p. 58, da nach Teutamos noch 10 Könige

folgen, eine Lücke anzimehmen: anno fit rex Assyriorum ( anno

fit rex Assyriorum) Sardanapallus. Hienach ist in Kephalions Angabe b. Eus. I 62: slg a iraly aQifhuny hätten 23 Könige nach einander ge- herrscht, ohne irgend eine kriegerische Unternehmung auszuführen, deren Namen man bei Ktesias selbst nachlesen möge, zu schreiben dg HTi' irioy aQi&uuy: er meint die unkriegerischen Könige von Ninyas bis Teutamos excL, deren wirklich 23 sind: zieht man von 1012 die 52, 42, 32 des Ninos, der Semiramis und des Teutauios ab, so bleiben 886 = an (elg) 900. Derselbe Fehler noch einmal a. a. 0.: a (Jf irdiy dno 2eui^aixevDg elg

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MiTffaioy ßaatXfa ava^fi&^ovvri ^) JieffirekXoufrioy Mi^^fia Kol/l^; dyBX(opT]aBr Alyiiag; Mitraios ist der Vorgänger des Teutamos, seine 35 (Exe. Barb.; 27 die andern, mehr verkürzten Listen) Jahre nebst den 52 des Ninos und 32 des Teutamos von 1012 abgezogen ergeben 893 Jahre von Semiramis bis zum 1., 900 bis zum 8. Jahr des Mitraios, in welches Ktesias (falls die Zahl 35 nicht auch verkürzt ist) die Flucht der Medeia setzte. Die Summe 1012 verhilft uns auch zum Verständniss einer An- gabe des Thallos. Um zu beweisen, dass die ältesten Götter der Griechen gar nicht sonderlich alt seien, verweist Theophilos an Autolykos III 29 auf das Epochendatum des Belos, dessen Zeitgenosse Kronos gewesen sei, bei Thallos: Ti^foyf-vtajb^fog tvifiax^rai rov ^IXiaxov noXifxov irsai rxß' ; die Zahl 322 wird von Lactantius inst. I 23 bestätigt und als Termin, wie das folg. jfig UXiov dXioaecüg lehrt, die Zerstörung Troias verstanden. Dieser Belos ist in Wahrheit kein anderer als der 18. König des Ktesias, der von Kephalion Beki/uag, von Bion und Alexander Polyhistor bei Agathias BeXeoig, von Synkellos Brj'loxog, von Pseudeusebios ^) BrjXoxoog genannt wird ; die Uebersetzer des Eusebios und Africanus geben Belochus (armen. Belokhus). Die Menge der Namensformen rührt zum Theil daher, dass derselbe auch bei Schriftstellern welche von Ktesias unabhängig waren (z. B. Bion) vorkam; unter seiner Regierung lässt Ktesias den Perseus in das assyrische Reich kommen, Kepheus aber, dessen Tochter Andromeda von diesem gerettet wurde, ist bei Herodot VII 61 u. a. ein Sohn des Belos. Von jenem schreibt Kephalion a. a. 0.: h^^ioy Jt ovxuov reaaaffdxovrd nov xal /' BiXi^og ißaoiXevaey *Aaav()ia)r xat dipixynrai TTsQOBvg. Die 640 Jahre sind wie bei Mitraios von Semiramis ab ge- rechnet und ergeben mit den 52 des Ninos 692: nimmt man sowohl bei 640 wie bei den 322 des Thallos inclusive Zählung an, so erhält man (691 und 321 =) 1012 Jahre bis zur Zerstörung Troias, welche dem- nach ebenso in das letzte (32.) Jahr des Königs verlegt ist, wie (in der Regel) in das letzte des Agamemnon und Menestheus.

Von Teutaios, dem Nachfolger des Teutamos, bis Sardanapallos zählt

1) So schreibe ich statt av agi&fAoito,

2) XgoyoyQttcpHov avyrofioy dx ttov Evafßiov rov TletfAcpiXov rtoytifiätioy bei Mai scriptorum vetenun nova collectio I 2. 1 flP, und aas diesem bei Schoene Euaeb. I App. 63 flf.; geschrieben im J. 854 und von Eusebios unabhängig.

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Eusebios im I. Buch 356, im Kanon 355 Jahre: mit 1012 verbunden würde dies die Summe 1307 oder 1368 ergeben; der Barbarus (s. zu Epoche 1197) ergibt 363, hat aber einen Textfehler, bei dessen Hebung 353 bleibt; Synkellos 362, nach der Schlussdatirung in 358 zu verbessern; Pseudeusebios 364. Man sieht, dass die grosse Verkürzung, welche sich die Chronographen erlaubt haben (z. B. Eusebios auf 1240 Jahre), an dieser Partie nicht vorgenommen worden ist: die ächte Gesammtsumme 1360 mit einem Ueberschuss, um 1012 vermindert, lässt 349 357 er- warten. Ausser der Verkürzung haben jene nämlich auch noch, um ihre troische Epoche zu gewinnen, das Ende Sardanapals mehr oder weniger bedeutend herabgesetzt: ebendadurch aber wurde es ihnen möglich, die ächte Summe der nach Troia verlaufenen Jahre wenigstens im Ganzen und Grossen beizubehalten oder gar zu erhöhen; der Kanon des Eusebios schiebt auch noch die troische Epoche vom 32. Jahr des Teutanios in das 25. zurück. Die Bezugnahme des Schlusstermins auf diese Epoche erlaubt einen Schluss auf die wahre Zahl dieser Theilsumme. Von 1197, der troischen Epoche des Manetho verfliessen 354 Jahre bis 843, in welches Jahr Abydenos bei Euseb. I 53 und der Barbarus, wahrscheinlich auch Velleius I 6, 1 das Ende Sardanapals setzen (67 Jahre vor Ol. 1), ebenso der Gewährsmann des Synkellos, welcher 283 Jahre der Meder- könige zählt (560 v. Ch. + 283 = 843). Von der eratosthenischen Epoche 1183 führen 354 Jahre bis 829, Anfangsjahr des Arbakes bei Africanus. Von der troischen Epoche des Sosibios und Kastor 1171 erhält man mit 354 Jahren 817 v. Gh.: Eusebios im 1. Buch setzt Ar- bakes 816, im IL Buch auf 819, Orosius 64 J. vor Rom = 818/7, der Chronist von 886*) auf 818. Hat Dikaiarchos die Zerstörung Troias 1211 gesetzt, so ist mit ihr das Datum des Arbakes 858 bei Euseb. I 67 (298 Jahre ^ der Meder) zu verbinden: Abstand 353.

Die ächte Summe des Ktesias ist hienach 1365 oder 1366 imd hie- mit Aemilius Sura im Text des Velleius I 6 7 zu vergleichen, wo von Ninos bis zur entscheidenden Niederlage des Antiochos Megas bei Magnesia, d. i. bis varr. 565, v. Ch. 189 (Proconsulat des Scipio Asiaticus) 1995 Jahre

1) *EjiXoy^ lüxoQmy bei Gramer Anecd. Paris. II 165 ff.

2) Aehnlich Alexander Polyhistor bei Agathias a. a. 0. 300 Jahre

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gezählt werden. Dies ergibt für Ninos Anfang 2183 v. Chr. und für die troische Epoche des Sura 1171 (= 2183 1012). Ktesias selbst zählte den Mederkönigen von Arbakes bis Astyages excl., wie die Posten bei Diodor II 32 34 ergeben, 282 Jahre; die fehlenden des Astyages dürfen wir, weil Diodor II 35 bei diesem auf die hellenische Ueberlieferung, d. i. nach II 32 Herodot verweist, aus diesem auf 35 ergänzen. Dann hat Ktesias das Ende der Assyrer 317 Jahre vor 560, also 877, den Anfang desselben 2143 oder 2142, die troische Epoche 1231 oder 1230 gesetzt. Hiefür gibt es eine Bestätigung. Nach Clemens ström. I 320, wiedergegeben von Eusebios praep. X 12 fiel Mosis Auszug und die Epoche des Inachos bei Ktesias in das 402. (sehr. 302.) Jahr des Assyrer- reichs, das 32. des 8. Königs Beluchos. Letzteres ist in allen Listen das 302. seit Ninos und gleicht sich nach Obigem mit 1942 oder 1941 v. Ch. Die Zeitbestimmung hat Clemens wahrscheinlich aus Dionysios v. HaK oder ApoUodoros, d. i. aus Eratosthenes: bei diesem begann Inachos 1942 oder 1943. Dies entscheidet bei Ktesias für 2143 und 1231.

1211 Dikaiarchos?

Dikaiarchos bei Schol. Apoll. Rhod. IV 276 yLvetat dno JSeaoyx^^^^^ inl Trjy N'eikov ßaaiXeiav errj ß(p\ (dno Jt Tfjg N'eilov ßaaiXeiag ent rriv 'Ikiov akioaiv hr] ^,) dno (fs ri]^ 'IXiov alioaeüog int t^v a oXvfxnidSa vkc. ofiov ß^fiy (laur. ßX^y\ Das Eingeschlossene ist ein scharfsinnig erdachter Zusatz Heinr. Keil's, welcher die troische Epoche auf 1212/1 att. Stils bringt, vgl. S. 548. Nur ist, da der Dichter bloss von Seson- chosis und Neilos spricht und der Zweck der Zeitbestimmung, welcher allein die Erwähnung des troischen Ereignisses veranlasst haben könnte, schon durch die Angabe des Abstands von der 1. Olympiade erreicht wird, nicht zu begreifen, warum der Erklärer auch noch von Troia spricht, zumal bei einem so winzigen Abstand von 7 Jahren neben 2500 und 436. Es bleibt daher die Frage offen, ob nicht jß(p aus ßipX und *lXiov dkioasivg aus Neikov ßaaikeiag verdorben ist: war einmal NdXov in UUov übergegangen, so lag es nahe, ßaailsLag in dltjjoeiDg zu verändern.

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1S07 in der Chronik von Faros.

Die Marmorchronik ^) von Faros setzt, wie Lydiatus, Boeckh, Karl Müller u. a. erkannt haben, für die attischen Könige vor Troias Fall die von Eusebios angegebene Regierungsdauer voraus, datirt sie aber um 25 Jahre höher. Die ihr zu Grunde liegende Liste lautete also: 1581 Kekrops 50. 1531 Kranaos 9. 1522 Amphiktyon 10. 1512 Erichthonios 50. 1462 Pan- dion 40. 1422 Erechtheus 50. 1372 Kekrops II 40. 1332 Pandion II 25. 1307 Aigeus 48. 1259 Theseus 30. 1221 Menestheus 23. 1206 Demophon. Troias Einnahme setzt sie nicht wie Eusebios in das letzte, sondern in das 22. J. des Menestheus (1208/7) und zählt von ihr 945 J. bis Diognetos. Die Fortsetzung dieser Liste glauben wir bei Pseudeusebios zu erkennen, welcher ihr eine verkehrte Datirung gegeben hat (vgl. zu Epoche 1171): 1206 Demophon 33. 1173 Oxyntes 31 (sehr. 10). 1163 Thymaites 10. 1153 Melanthos 37. 1116 Kodros (ergänze: 21. 1095 Medon) 20. 1075 Akastos 38. 1037 Archippos 16. 1021 Thersippos 41. 980 Phorbas 33. 947 Megakles 30. 917 Diognetos 26. 891 Pherekles 19. 872 Ariphron 33. 839 Thespieus 40. 799 Agamestor 21. 778 Aischylos 23. 755 Alkmaion 2. (753 die 10 jährigen Archonten bis 683). Die parische Chronik stimmt insofern nicht hiezu, als sie Pheidon 894 unter Pherekles setzt; wahr- scheinlich hat der falsche Eusebios oder sein Abschreiber einen bei ihm und bei dem Barbarus häufig vorkommenden Doppelfehler begangeh, indem er einen aus der angegebenen Summe erkannten Postenfehler an unrechter Stelle zu verbessern suchte. Vielleicht hatte ursprünglich Diognetos 23 und Agamestor 24 Jahre. Die verstümmelte Zahl der ionischen Wanderung kann auf 813 oder 763 ergänzt werden; die kleinere Zahl (= 1026 V. Ch.) ziehen wir vor, weil die von den Herausgebern gewählte grössere einen bei dem hohen Datum der troischen Epoche zu geringen Abstand von dieser (nur 132 Jahre) ergeben würde.

1197 Manetho, Africanus.

Das von Manetho gemeinte Jahrdatum ist des Genaueren nur aus dem System zu erkennen, welches Julius Africanus auf dasselbe gebaut

1) nire Jahrzählung ist bekanntlich bis zum Tod des Sokrates inclusiv (das Schlussjahr, Ol. 129, 1. 264 Arch. Diognetos also mitgerechnet), nachher exclusiy.

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hat; die von mir bereits in der Chronologie des Manetho p. 224, jedoch mit dem Fehler eines Jahres (1198) aufgestellte Epoche hat Geizer Afria p. 138 ff. verworfen und mit Boeckh das eratosthenische Datum für Africanus, ja auch für Manetho, obgleich dieser vor Eratosthenes schrieb, angenommen; dies nöthigt mich hier ausführlicher auf diese Frage einzu- gehen, lieber andere Differenzen grundlegender Natur s. meine Anzeige des Gelzerschen Buchs Philol. Anz. XI 82 fg.

1. Africanus. 1. Seine jüdische Rechnung. Die Auszügler setzen den ganzen Troerkrieg unter Eli, welcher bei ihm 1210 1190 regiert Geizer gibt dies zu, verweist aber auf die Latinerliste der Excerpta Barbari (in Schoene's Eusebius I): regnavit Eneas nono et decimo post vastationem Solls (HXiov statt ^Illov) in diebus Heli sacerdotis et Samuhelis prophetae, indem er (ohne weiteren Anhalt) die Hypothese aufstellt, Afri* canus habe während der ersten 20 Jahre 1190 1170 diesen neben Eli regieren lassen, so dass auf letzteren im Ganzen 40 Jahre gekommen wären. Dies ist unrichtig, s. Nr. 5; aber auch die Richtigkeit ange- nommen, würde damit nichts bewiesen sein, weil das J. 1164 oder 1165 (= 19 Jahre nach 1184/3) nicht mehr in die Zeit der angenommenen Mitregentschaft fällt. Zur jüdischen Richterliste vgl. Nr.' 2 am Ende.

2. Attische Liste. Die des Barbaras ist nach sicheren Anzeichen, wie auch anerkannt wird, aus Africanus entlehnt Die Posten liefern von Kekrops bis zum Ende des Troiakämpfers Menestheus 384 Jahre; mit den 9, welche der ausgefallene Kranaos überall hat, erhalten wir 393. Somit fällt das Ende des Menestheus 1197: denn Kekrops beginnt nicht 1596 wie G. behauptet sondern 1590, nämlich wie der Barbaras schreibt 907 Jahre vor dem ersten jährigen Archonten (683, s. zu Ep. 1153) und 814 Jahre vor Olymp. 1, 1; die 907 bezeugt Jo. Malala p. 62 aus- drücklich für Africanus. Demnach ist das 208. Jahr nach dem Auszug Mosis (1796/5 Gh.), welches er gleichfalls als Datum des Kekrops gibt, in 206 zu verwandeln und der Weise des Barbaras entsprechend vollendet zu nehmen: bei Joannes Antioch. fr. 16 zählt Africanus 206 Jahre von von Ogyges bei Kekrops; die ogygische Fluth setzte er aber in dasselbe Jahr wie den Auszug. In Geizers Rechnung stellt Africanus das Ende des Menestheus 22 Jahre vor Ausgang des troischen Kriegs, in dessen letztem Jahr Homer ihn noch auftreten lässt; die Ausflucht, Afr. habe

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in seiner redlichen Weise eine zu seinem System nicht passende Liste wiedergegeben, kann über diesen Widerspruch nicht weghelfen. Mit solcher Redlichkeit hätte jener kein System zusammenbringen können und eine Gedankenlosigkeit dieser Art lässt sich ihm nirgends nach- weisen; von ihr kann bei dem Schöpfer eines Systems nur da die Rede sein, wo er, wie Africanus die Bibel und Manetho, eine Quelle citirt.

Seine attische Liste ist aus dem Barbarus folgendermassen herzu- stellen: 1590 Kekrops 50. (1540 Kranaos 9). 1531 Amphiktyon 40 (sehr, mit allen Listen 10). 1521 Erichthonios 10 (sehr. 50). 1471 Pan- dion 50 (sehr. 40). 1431 Erechtheus 40. 1391 Kekrops II 53. 1338 Pandion II 43. 1295 Aigeus 48. 1247 Theseus 31. 1216 Menestheus 19. 1197 Demophon. Um 1197 fällt also die Einnahme Troias, denn sie wurde in das vorletzte oder letzte Jahr des Menestheus oder in das erste Demophons gesetzt. Als Jahrsumme der Könige gibt der Barbarus 492 an, ebenso Africanus bei Malala 62, Jo. Antioch. 16 und Kedrenos I 145; das Ende des Kodros und der Anfang des Medon fällt also in 1098 und von Demophon bis dahin sollen 99 Jahre verlaufen, die Posten ergeben jedoch 18 mehr. Die Zahlen der zwei letzten Könige sind durch die Uebereinstimmung mit fast sämmtlichen andern Listen gesichert, die 1 und 9 des Apheidas und Thymaites kehren bei Synkellos (s. zu Epoche 1153) wieder, auch der in der attischen Liste am meisten zu Africanus stimmende Pseudeusebios spricht dafür, sofern er zwar Apheidas weg- lässt, aber dem Thymaites 10 gibt. Wir geben daher dem Demophon 21 (bei Synkellos 23) statt 35 und dem Oxyntes 10 wie bei Synkellos und Pseudeusebios statt 14, welches wie Barb. p. 41a 18 Dittogramm aus dem darauffolgenden XIV ist. Also: 1197 Demophon 35 (sehr. 21). 1176 Oxyntes 14 (sehr. 10). 1166 Apheidas 1. 1165 Thymaites 9. 1156 Me- lanthos 37. 1119 Kodros 21. Lebenslängliche Archonten: 1098 Medon 20. 1078 Akastos 39. 1039 Archippos (19 nach den andern Listen. 1020 Thersippos) 40. 980 Phorbas 33. 947 Megakles 28. 919 Diognetos 28. 891 Pherekles 15. 876 Ariphron 30 (zu ändern nach Synkellos: xaia St ^Aipifixavoi^ kiT] /.«'). 845 Thespieus 40 ( := Synk. xara Si älkovg fi'). 805 Agamestor 26 (zu ändern nach der dritten und letzten Variante des Synkellos: xarä (fe äXi.ovg x^'). 778 Aischylos 22 (= Afric. im Chron. pasch, p. 193; der Barb. schiebt hier den oben ausgefallenen Thersippos

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ein). In seinem 2. (vollen) Jahr die 1. Olympienfeier. 755 Alkmaion 10 (Dittogramm statt 2). 753 der erste von den sieben 10 jährigen Ar- chonten; 683 der erste jährige.

Andere, wie sein Citat lehrt aus Philochoros entlehnte Ansätze gab Africanus im III. Buch, s. Euseb. praep. X 10. Synk. 131. Kedn 1 26, nämlich: von der ogygischen Fluth (1796) 189 jährige Oede bis Kekrops, dieser regiert 50, Kranaos 9 Jahre; Summe 248; ebenso viele von MoBie Auszug bis Deukalions Fluth. Also 1607 Kekrops, 1557 Kranaos, 1548 Amphiktyon. Ferner setzen viele Auszügler Kekrops in das 50., die deukalionische Fluth in das 77. Jahr des Richters Aod; indem Gelxer mit einigen von ihnen dem zweiten Vorgänger desselben, Gothoniel ge- mäss einer Lesart der Septuaginta 50 Jahre als Zahl des Afr. gibt, während Kedrenos, der einzige der bei Aod die richtige 80 st. 50 über- liefert, und Pollux mit der besseren Ueberlieferung der LXX 40 schreiben, erhält er eine dritte attische Rechnung des Africanus: 1597 Kekrops 50; 1547 Kranaos 9. Dies streitet aber doch gegen alle Wahrscheinlichkeit Allerdings scheinen 10 von den 490 Richterjahren des Afr. zu fehlen, wenn Gothoniel bloss 40 bekommt; aber Afr. hatte auch den Samegar in die Richterliste aufgenommen, für welchen eine besondere Regierungs- zeit im Deborahlied Rieht. 5, 6 ausdrücklich anerkannt und Rieht. 3j 31 stillschweigend vorausgesetzt wird: eine Spur des Sachverhalts findet sich in der confusen Angabe des Synkellos p. 331, Afr. habe das an den 450 Richterjahren des Ap. Paulus fehlende Jahr dem Samegar gegeben. Er gab es vielmehr dem Samanes, einem Lückenbüsser der letzten Richtei - zeit, welchen Synk. mit Samegar verwechselt hat. Die Auszügler, welche Samanes mit 1 J. gegen Africanus' bloss auf Erklärung gerichtf^te Ab- sicht in dessen Liste aufgenommen haben, bringen in Folge dessen die Anzahl der Richterjahre unrichtig auf 491. Vielmehr setzte Africanua: 1692 Gothoniel 40. 1652 Eglon 18. 1634 Aod 80. 1554 Samegar 10. 1554 Jabin u. s. w., so dass Aod 27 bei ihm auf 1607 = Kekrops 1 bei Philochoros fiel, und während in dieser Rechnung er die Fluth Deukalions an das Ende des Kranaos brachte, hat er in der von Philo- choros abweichenden Hauptrechnung den Namen Deukalions bei dieser Fluth gestrichen (Chron. d. Manetho 187. Geizer Afr. 128) und sie als thessahsche Fluth in das 1. Jahr des Kranaos gestellt.

Abb. d. 1. OL d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. III. Abth. 721

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3. Die Liste der peloponnesischen Könige, a. Die von Argos, später von Mykenai. Aus dem Barbaras erhalt-en wir: 1901*) Inachos 50; unter ihm Moses geboren. 1851 Phoroneus 60; in seinem (vollendeten) 55. Jahr Mosis Auszug (= Africanus bei Synk. 11-^, und zwar 1020 Jahre vor Olymp. 1, 8. u.). 1791 Apis 35. 1756 Argeios 70. 1686 Kriasos 56. 1630 Phorbas 35. 1595 Triopas 66. 1529 Krotopos 31 (XXXI, das erste X von gleicher Hand getilgt). 1498 Sthenelos 11. 1487 Danaos 50. 1437 Lynkeus 41. 1396 Abas 23. 1373 Proitos 27 (sehr. 17). 1356—1325 Akrisios 31. Proitos hat in allen Listen 17 Jahre: der Schreiber er- kannte an der Summe, welche im Original angegeben war, dass er 10 Jahre zu viel gegeben hatte, und strich sie am unrechten Ort, bei Krotopos. Dass es sich so verhält, lehren die Suramen dej* Inachiden und Danaiden, Synk. 234 tan (x^oyog) xara tovs noklovg dno ju^y rov 7i(}(üzov Uydxov fuyg rov iydzov 2&eyiXov hwy viy. xoy (fs I^S-iyeXoy Jayaog ixßaXiby ix^fdrrjoe rov "AQYOvg, dg ua^frvQoyai ndyreg inroQixoi, avy TÖig dnoyoyoig eif] (fiß\ ouov err] (poa dno *Iydxov inl yixQiaioy nifinroy dno Jayaov ßaoiXfvog. Diese ganze Stelle ist aus einem älteren Chronographen von Synkellos gedankenlos abgeschrieben: sein eigener Kanon zählt den Danaern nicht, wie man wegen fia{fTV{}ovni ndyreg iaro()ixoi erwarten sollte, 162 sondern 178 Jahre; aber Kastor, Eusebios, Pseudeusebios und (laut der angegebenen Correction im Barbarus) Afri- canus geben 162. Von den Hauptquellen des Synkellos ist, da auf Pano- doros vermuthlich sein Kanon zurückgeht imd mit Kastor Eusebios die Inachiden anders behandelt, zunächst an Africanus zu denken; für diesen beweist die Fortsetzung über Oinomaos, femer der Schluss von Abschn. b oder 3,b und die Summe 575. Die Inachiden haben bei Kastor und Euse- bios 382, bei Pseudeusebios 312, bei Synkellos selber 372, mit der in dem Excerpt angegebenen Summe 413 lässt sich bloss die bei obiger Cor- rection aus dem Barbarus hervorgehende: 414 vereinigen; dasselbe Ver- hältniss findet sich bei der Jahrsumme aller Argoskönige: 544 geben Kastor und Eusebios, 478 Pseudeusebios, 550 Synkellos, dagegen 574 die Posten des Barbarus, nur um 1 Jahr verschieden 575 das Excerpt des

1) Am Schluss werden 718 und 407, also im Oanzen 1125 Jahre von Inachos bis Olymp. 1 gezählt.

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Synkellos. ') Diese Abweichung erklärt sich aus einem bekannten Dualismus des Africanus, der aber nicht, wie bisher angenommen worden ist, 2 Jahre, sondern eines beträgt. Bei Eusebios praep. X 10 gibt er von der Ogyges- fluth bis zur I.Olympiade 1020, von da bis Kyros und Ol. 55, L 560 217, von Ogyges bis Kyros 1237 Jahre, dagegen bei Synkellos p. HS 120 (ebenso Jo. Antioch. fr. 1 ohne Quellenangabe) von Ogyges bis Kyros 1235. Die 1237 beruhen, wie die Zahl 217 beweist und Trieber (den Geizer mit Unrecht tadelt) erkannt hat, auf inclusiver Zählung statt 1236* Die um 1 Jahr höhere Rechnung ist auch beim Barbarus vorausgesetzt; in der von Synkellos vorgezogenen setzte Africanus die B'luth 1795, Inacboa 1 also auf 1900; in den Posten ist die Differenz vielleicht bei Kriasos zum Vorschein gekommen, dem Synkellos in seiner eigenen Rechnung 55 Jahre gibt.

Die Fortsetzung des Barbarus ergibt auf den ersten Anschein fol- gende Data: 1325 Pelops 38. 1287 Atreuä und Thyestes 45. 1242 Aga- memnon 33; m seinem 18. Jahr Troias Fall. Dieser würde somit in 1224, nicht weniger als 27 Jahre vor 1197 liegen, oder es sind, da sich das nicht annehmen lässt, inzwischen 27 Jahre ausgefallen. Letzteres ist in der That der Fall. Synkellos, welcher mit der oben ausgeachrie* benen Stelle offenbar eine Darstellung nicht seiner eigenen, sondern älterer Rechnungen beginnt, spricht in der Fortsetzung zunächst von dem Dynastie Wechsel und von Pelops, dann schreibt er p. 235 ir t^t Tüig 7i(>o avTov kreai (fiaipcoi^eiTai errj xl^\ xarä Olvouaov lau;»' vituvoovu^va^ liUtaxB&Har](; rfig ap/^g dg Mvxrivag iut 'Ax^intoy km EvQva&im^. Eine solche Lücke ist nach Akrisios auch in Synkells eignem System, aber sie beträgt nur 3 Jahre (s. zu Ep. 1171), ferner in dem des Euaebioa eine solche von 6 Jahren (Abr. 705 711), auch erwähnt keines von beiden den Oinomaos; wohl aber schreibt der Barbarus nach Akrisios; post hunc'^) Pelops regnavit cum Nomaum ann. XXXVIII. Den verdorbenen Namen hat Scaliger richtig hergestellt, aber den Sinn der Stelle nicht verstanden, wenn er cum Oenomao corrigirt: Pelops hat ja dem Mythus zufolge nicht mit Oinomaos zusammen regiert, sondern durch Besiegung

1) Eratosthenes gab den Inachiden und Danaiden 572 Jahre (1942 Inachos bia 1370 Pisräeua) oder ähnlich.

2) Verkehrter Zusatz wie p. 38 a 16. Vgl. S. 560.

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desselben im Wettkampf die Regiermig gewonnen. Das Original hatte also ^iBT Olvouaov gelautet, was der Uebersetzer in seiner Weise ganz richtig wiedergegeben hat: so schreibt er auch p. 16 Froneus rognavit cum Inachum {übt lyaxov), vgl. p. 41 Latinus, cum quibus (/le^' cor st. f^e^* oy) regnavit Eneas. Africanus meinte also, dass die leeren 27 Jahre mit Oinomaos als Vorgänger des Pelops in Pisa ausgefüllt werden könnten, setzte aber Oinomaos nicht in die Liste ein sondern erwähnte ihn (wie Nr. 3 b Aristodemos) bloss nebenbei. Die Fortsetzung des Barb. ist demnach so zu datiren: 1325 (Lücke 27). 1298 Pelops 3-8. 1260 Atreus und Thyestes 45. 1215 Agamemnon 33; 1197 in seinem 18. Jahr Troias Fall; nachher regierte er noch 15. 1182 Aigisthos 7. 1175 Orestes 28. 1147 1125 Penthilos 22. Auf diese 200 Jahre 1325 1125 :des Africanus beziehen wir Synk. 334 fj rdjy Mvxrjyaicoy OL^XV ^otTelvd-Tj dia^fxiaaaa /povof 4; o xara rivag, xara ^i äkkovg Tjtrovag. Der Barbarus oder vielmehr der von ihm übersetzte Chronist folgte für seine Person, wie aus seiner biblischen imd italischen Rechnung be- kannt ist, nicht dem Africanus, diesem entlehnte er nur, nicht ahnend, dass er zwei grundverschiedene Systeme contaminire, die auswärtigen Dynastien; seine troische Epoche ist die des Eratosthenes (s. Nr. 5), welche er denn auch, wo Africanus den Fall Troias erwähnt oder an- deutet, gewaltsamer Weise auf dessen Rechnung zu übertragen sucht, so hier und Nr. 4; während in Nr. 2, wo eine solche Andeutung fehlt, die Rechnung des Africanus unangetastet geblieben ist. Demgemäss fügt er bei Agamemnon die Bemerkung ein: coUiguntur nunc ab Ichano (d. i. Inacho) rege usque ad desolationem Solis quod est octavodecimo Agamemnonis anni septingenti XVIII. a Solis devastatione usque ad primam olympiadam anni CCCCVII. et Porfyrius autem in historia philo- sofiae sie dixit Von Inachos 1 = 1901 v. Ch. sind in der That 718 Jahre bis 1183 und von da 407 bis Olymp. 1: hierauf stützt sich die Ansicht, welche dem Africanus die troische Epoche des Eratosthenes und Por- phyrios beilegt; dass jedoch die Zahl 718 eine Fälschung ist, geht aus ihrem verkehrten Ergebniss hervor. Vom Falle Troias bis zum Ende der Dynastie, d. i. bis zur dorischen Wanderung liefern die Posten 72 Jahre und dass sie kritisch unantastbar sind, lehrt der Schluss: coUiguntur vero Argiorum regna simul anni septingenti XC: denn jene 718 werden durch

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die 72 auf 790 erhöht. So wird denn die dorische Wanderung auf 1111 und ihr Abstand von Troia auf 72 Jahre gebracht, während Por- phyrios jene auf 1103 gestellt und einen Abstand von 80 Jahren ange- geben hat. Geizer ändert bei Pelops 38 in 59, bei Penthilos 22 in 32 um, beides ohne Gewähr für Africanus und das zweite auch in un- gelöstem Widerspruch mit der Postensumme 72.

3, b. Die Könige von Sparta. Sie beginnen nach dein Barbaras im 20. Jahr Sauls, als ihre Jahrsumme gibt er 325 an, ihr Ende fällt in prima olympiada, in primo Achaz regi Judae in quo tempore prima olympiada a Grecis adducta est. Bei Africanus regiert Saul von 1120 an und Olymp. 1, 1 ist ihm = Achaz 1 ; die Dynastie regiert demnach in moderner Weise ausgedrückt 1100 775, nicht 1101 776: denn das 20. Jahr Sauls und das 1. des Achaz ist dem Sprachgebrauch des Bar- barus gemäss vollendet zu nehmen und den Schluss einer Dynastie be- zeichnet er mittelst Angabe ihres letzten vollen Jahres: das 325, Jahr ist Ol. 1, 1 = Achaz 1. So lässt er p. 45 a Astyages und die Meder Ol. 54, 4 endigen, nicht 55, 1, wo Kyros anfängt, indem er nach antiker Weise bloss mit ganzen Jahren rechnet: 54, 4 ist das letzte des Astyages, 55, 1 das erste des Kyros; nach moderner Datirungsweise herrscht Astyages bis in 55, 1. So regieren die Lyderkönige a principio primae olympiadis und man sollte daher, weil er ihnen 232 Jahre gibt, als ihr Ende Ol. 59, 1 (544) genannt zu finden erwarten, er setzt es aber in olympiada LVIII. Vgl. ferner p. 45 a 21. 42 a 12. 41a 27. Die Datirung im Einzelnen ist also: 1100 Eurysthenes 42. 1058 Agis 2 (sehr. 1). 1057 Echestratos 34 (Compensationsfehler st. 35). 1022 Labotas 37. 985 Doryssos 29. 956 Agesilaos [30. Cemenelaus] 44. 912 Archelaos 60. 852 Teleklos 40. 812—775 Alkamenes 27 (sehr. 37). Die behufs Her- stellung der Summe 325 gemachten Aenderungen beruhen zunächst auf den Listen des Eusebios und Synkellos, welche ebenfalls die Smtime 325 haben, wie auch nicht bloss sie sondern alle Königsverzeichnisse von Sparta Archelaos zum unmittelbaren Nachfolger seiner Vaters Agesilaos machen. Zur Bestätigung dient Malala p. 90 ißaailevat xt^v AaxtSta- fioviwv TiQfmog Ev()vaß^€vs (Barb. Erystheus) ht] fiß' xal äkloi ßaaiXhiq uei^ avTop 1]. ojicov eßaaiXevaav ezr] Ofig' xal 6 ^'Ahcfjiaivog (Barb» Alca- manus) IVi; >L^'. xal xartfieiver fi ßaadeia Aaxsdaifioviiov xa jiayza Kxri

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i7t^' (42 4" 246 -f- 37 = 325), ihq li(p()ixav6g 6 ocxpwTaTog awey^mtparo. Um die andere Summe 350 (s. u.) herauszubringen und den Cemenelaus zu retten, erklärt Geizer die Zahlen 246, 37 und 325 für falsch und verwandelt die 27 des Alkamenes bei dem Barbarus mit Brandis in 32, beruft sich aber doch wieder auf Malala's rf als Beweis der Aechtheit jenes eingeschobenen Königs, ohne welchen der ungenannten Könige bloss 7 sein würden. Malala hat nur den Fehler begangen, den letzten König, welcher in seiner Vorlage mit eingezählt war, von seinen Vorgängern zu sondern, weil er dessen Regierungsjahre besonders vermerkt fand und das eüog derselben missverständlich im exclusiven Sinn nahm: jene hatte wahrscheinlich ähnlich gelautet wie Mal. 161 iy MaxfdovLa n^fdizog eßaai- kevoey ö K^ayaog xat koinoy ißaaikevaay äXloi xy (ohne Philippos nur 22) hi}}g fPikiTiTiov; 68 rivy ^ixvwyiojy ißaaikevae ngiSrog 6 Alyiakevg hr] vß> xal ro koinov akkoi ßanilelg xg' (ohne Zeuxippos 25) f^tog Zev^innov xov ßaaiUvaavTog avrioy Iß'; indem er in Folge dessen die Zahl 37 des Alkamenes von 283 abzog, erhielt er 246. Genau denselben Fehler macht er p. 90 rioy Ko^fiyS-itay ißaaikevae rate ^Akrjrfjg hri ke xat äkkoi ßaoikeig la (vielmehr 10) hri aol^ (sehr. anX!) xai tate^oy eßaalkevaey"^ (AvTOfXtyTjg einzusetzen) erog a , xarea/e (fe ^ ßaaikeia KoQiy&itJDv ndi^ra hri Tiy (sehr. rxy). Auch diese Zahlen stammen aus Africanus. Nach dem Barbarus bestand die Dynastie 323 Jahre lang vom 21. (so Geizer, die Hdschr. 31.) Jahr Sauls bis zum 15. (Geizer statt 16.) Jothams; es regierten also 1099 Aletes 35. 1064 Ixion 37. 1027 Agelas 37 (cod. 33). 990 Prymnis 35. 955 Bakchis 35. 920 Agelas II 30 (cod. 34, com- pensirend). 890 Eudemos 25. 865 Aristomedes 35. 830 Agemon 16. 814 Alexandros 25. 789 Telestes 12 (cod. 9, compensirend). 777 Auto- menes 1 (cod. 4). 776 die jährigen Prytanen. Summe und Posten wie bei Eusebios. Geizer behält die Fehler des Barbarus bei und fügt am Schluss noch den spartanischen Automedos (s. u.) mit seinen 25 Jahren hinzu, um entsprechend den 350 der Spartaner 348 für die Korinther zu gewinnen.

Der Cemenelaus des Barbarus ist, wie Scaliger gesehen hat, aus xal Meyekaog hervorgegangen und von Brandis, Geizer, Rohde in verschie- dener Weise benützt worden, um die vermeintliche Lücke in Diodors Liste, welche irrig (s. zu 1183 imd 1136) auf ApoUodoros zurückgeführt

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wird, zu ergänzen, obgleich sich nicht leicht annehmen lässt, dass ein alter Chronograph zwischen der 60 jährigen Regierung des Archelaos und der 44- oder 30 jährigen seines Sohnes noch einen König mit 30 (44) Jahren eingeschoben haben würde. Die Unächtheit dieses Postens geht schon aus seiner Form hervor: die ächten Regenten werden in den Listen des Barbarus in derselben Weise wie in andern Tabellen asyn* detisch ohne Conjunction angeschlossen, deren Dienste durch die Eröff- nung einer neuen Zeile, in vielen zugleich durch den Vortritt einer Ordinalzahl überflüssig gemacht werden. Der Interpolator erinnerte sich in seiner Afterweisheit, dass auch der Gemahl der Helena König von Sparta gewesen war, und schrieb daher den vermissten am Rande hinzu, ausgestattet mit der runden Regierungsjahrzahl 30, welche der letzte Schreiber mit der des Agesilaos (44) vertauscht hat, ein Versehen welches ihm öfter begegnet ist, vgl. Nr. 2.

Zwischen dem Ende der Mykenaier (1125) und dem Anfang der Spartaner (1100) klafft nunmehf eine Lücke von 25 Jahren. Hiemit hängt es zusammen, dass der Barbarus am Schluss noch eine zweite Dynastiesumme bringt, welche gerade um 25 Jahre höher ist als die erste (325): simul reges Lacedemoniorum permanserunt in regno annos CCCL, ferner dass ihr als angeblich eilfter und letzter König ein Auto- medus mit abermals 25 Jahren voraufgeht. Die älteren Chronologen haben, wie zu 1136 1171 1183 1096 gezeigt wird, die dorische Er- oberung der Peloponnesos nicht auf einen Schlag vor sich gehen lassen : mit gutem Bedacht nahmen sie an, dass der Landvertheilung und da- mit den neuen Städte- und Dynastiegründungen ein langer Krieg voraus- gegangen war, während dessen die Eroberung in successiver Weise er- folgte; die Dauer dieser Uebergangszeit wurde verschieden bestimmt; 25 Jahre finden wir zuerst von Sosibios ihr beigelegt. Africanus setzte also 1125 1100 den dorischen Krieg; im Text wird er ähnlich wie in der argivisch - mykenäischen Liste eine Lücke von 25 Jahren gelassen und zuletzt in einer Anmerkung wie dort Oinomaos so hier AristodemaSj den Vater des Eurysthenes und Prokies, als Lückenbüsser vorgeschlagen haben.

4. Die Assyrerliste des Barbarus enthält kein sicheres Anzeichen africanschen Ursprungs; da aber von den in der jüdischen, dem Ex-

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cerptor eigenen Chronographie wiederkehrenden Listen abgesehen alle bloss in der Dynastientafel vorkommenden Verzeichnisse, deren Ursprung sich nachweisen lässt, auf Africanus zurückgehen, so entsteht die Prä- sumption, dass dies auch bei den andern der Fall sei. Die angegebene Jahrsumme 1430 ist verdorben; die Posten ergeben 1377 oder vielmehr, da Atossa, welche im Barbaras 23 Jahre hat, von Eusebios als Mit- regentin ihres Vaters Belochos II bezeichnet und diese Eigenschaft auch in Kephalions Auszug aus Ktesias (Euseb. I 62, 16) und von Synkellos, wie wir aus ihrer Nichteinzählung schliessen, vorausgesetzt wird, nur 1354; dass der Barbaras sie besonders zählt, ist ähnlich zu erklären wie sein post hunc (S. 555). Ferner sind bei den letzten Königen, wie Brandis, de temporum graec. antiquissimorum rationibus p. 34 gezeigt hat*), 10 Jahre abzustreichen, um den zwischen der troischen Epoche 1183 und dem Schlussjahr 843 nöthigen Abstand von 340 Jahren zu er- reichen, wodurch sich die Postensumme auf 1344 verringert. Statt 1430 ist also mit Karl Müller und Brandis 1340 zu schreiben und zu diesem Behuf noch irgendwo ein Abstrich von 4 Jahren zu machen. Bei Afri- canus beginnt der Meder Arbakes, welcher das assyrische Reich stürzte, 829 (Barb. 45 a); hat jener 1340 Jahre gezählt, so setzte er den Anfang des ersten Königs Belos auf 2169; die Posten des Barbaras er- geben von ihm bis zum Ende des Königs Tautamos, in dessen letztes Jahr Ktesias die Eroberung Troias verlegte, 972 Jahre, wodurch sie in 1197 V. Ch. gebracht wird, also genau in das Epochenjahr des Africanus. Die erwähnte Präsumption erscheint hiemit gerechtfertigt und das Zuviel von 4 Jahren ist bei einem König nach Tautamos zu suchen.

Die Erwähnung der troischen Epoche veranlasste den Excerptor wieder zu einer auf Herstellung des Datums 1183 berechneten Inter- polation. Die zu Tautamos gehörende Note: anno isto tricensimo secundo (Tautamos regierte 32 Jahre) confixus est Sol ab Acheis schob er um eine Stelle herab, zum nächsten König Teutaios (mit 40 Jahren); eine offenbare Fälschung, denn die Assyrerlisten gehen auf Ktesias zurück und dass Tautamos der König war, welcher sich durch ein Entsatzheer am Troerkrieg betheiligte, stand aus ihm ebenso fest wie die Theilnahme

1) Er gibt dem Sardanapallos mit den andern Listen 20 Jahre statt 30.

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Agameranons aus Homer. Dadurch rückte die Epoche zunächst um 32 Jahre herab, d. i. um 18 Jahre zu tief, von 1197 auf 1165. Andrer- seits entnahm er aus einem andern Chronisten das Datum, welches er dem Ende der Assyrerdynastie gibt, 67 Jahre vor OL 1, das jener z. B. bei Eusebios I 53. 189 finden konnte; es liegt. 14 Jahre vor dem des Africanus. Damit war sein Zweck bereits erreicht: denn ein König hatte in Folge eines von ihm vorgefundenen Fehlers 4 Jahre zu viel, z. B. der von Africanus aus Kastor entnommene letzte, Ninos II, kann statt 19 ursprünglich 15 gehabt haben: ß und O tauschen oft miteinander. Statt 368 Jahre (1197 829) erhielt er dann, da 10 ein Schreiber aus Ver- sehen hinzugefügt hat, 340 (1183—843).

Ninos I beginnt in dieser Rechnung 2107, also 311 Jahre vor der Ogygesfluth und dem Auszug Mosis, übereinstimmend mit Africanus bei Synkell. 119 7rp(5ro<; fuf'is Nivog anaorig x^g "Aaiag nXriv ^Ivdibv ereoL Tifia- xoaioig ov nokv n{}6Tt{fov liyvyov: denn der corrupte Text dieser Stelle meint doch wohl: nicht viel über 300 J. früher als Ogyges; nach rpia- xooioig ist xal einzusetzen. Mit Unrecht schliesst hieraus Geizer, Afr. habe mit Ninos angefangen und den Belos, welchen der Barbarus mit 62 Jahren vor ihm nennt, nicht oder wenigstens ohne Jahrzahl genannt: er bezeichnet Ninos nicht als ersten Assyrerkönig überhaupt sondern als ersten Eroberer und Weltherrscher. Unbrauchbar ist Synk. 236 ov /hol doxel xakiog 6 'Acp^ixavog iv y l6y(p rioy ImoifiiXßV avxov (pdvai xriv Idif- yeiiov ßaaiXflay rip a hti rfjg Idaai^iiov ßaüikeiag agiaaS-ai ml "AifHov nifjtnxov ßaaiUvjg ^jiaav(}iü}y. Das 200. Jahr der Assyrer fällt allerdings, den Belos mitgezählt, in die Zeit des 5. Königs Areios; aber dieser regiert nach obiger Rechnung 1975 1945, nicht 1901, wo Inachos an- fangt. Dieses Jahr ist das 270. seit 2169; Africanus hat also ao ge- schrieben, Synkellos aber den Fehler a schon vorgefunden und während Afr. bloss die Jahrzahl angegeben hatte, Namen und Zahl des Königs selbst hinzugefügt.

Geizer sucht bei dem Barbarus Kastors Rechnung (über diese s. zu 1171), die des Africanus aber bei Pseudeusebios , welcher ebenfalls den Ninos II hinzufügt. Auf Grund der eben angeführten corrupten Synkellos- stelle lässt er Ninos I 2100 v. Gh. beginnen, 1271 Jahre vor dem Ende der Dynastie (829) und gewinnt diese Summe aus dem falschen Eusebios,

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. III. Abth. 73

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indem er die 1196 Jahre der von diesem angegebenen Posten durch Hinzufügung nicht blos der in der That ausgefallenen Könige Armamithres mit 38 und Sosares mit 20 sondern auch der Mitregentin Atossa mit 17 Jahren (so Eusebios im I. Buch) auf 1271 bringt. Der Ausfall betragt jedoch nicht 75 sondern 100 Jahre: die Posten liefern 1441, die an- gegebene Summe ist 1541 Jahre, welche durch das Anfangsdatum des ersten Königs Belos, Weltjahr 3239 und die Datirung des letzten, Asar- haddon gesichert ist; aus den Synchronismen dieses Königs und der andern Nachfolger des Ninos II mit den Königen Juda und Israel bei Pseudeusebios geht mit Sicherheit hervor, dass jene 100 Jahre zwischen Belos und Ninos II ausgefallen sind. Ueberhaupt ist es nicht erweislich, dass dieser Chronograph auf Africanus fusst: was Gutschmid in diesem Sinn anfuhrt, die Gleichung von Ol. 1, 1 mit Weltj. 4725 (bei Afr. viel- mehr 4727) beruht auf den vom Vf. selbst zur Begründung beigebrachten Elementen: Christi Tod Weltj. 5533 (Afr. 5532) und Ol. 202, 4 (Afr. 202, 2); das letzte Jahr voll nehmend erhielt er 202 Olympiaden = 808 Jahre, welche von 5533 abgezogen 4725 ergaben. Ebensowenig stammt seine Rechnung der letzten jüdischen Könige aus Africanus: dieser zählt dem Herodes 34, Pseudeusebios 26 Jahre.

5. Die italische Rechnung. Nach Synkellos p. 400 hätte Afr. von Brutus bis zu den Consuln von 221 n. Chr. 725 Jahre gezählt, also die ersten Consuln 504 v. Chr. gesetzt, was zu seinen Angaben über die römischen Könige nicht passt. Geizer corrigirt 727, aber ein zweiter gegen 504 sprechender Grund trifft auch das Jahr 506: die unverdächtigen Consuln- listen bringen, je nachdem sie 2 oder 3 Decemvirn , 4 oder 5 Anarchie- jahre zählen, das erste Consulat nur in 510, 509 oder 508. Aus paläo- graphischen Rücksichten empfiehlt es sich, eine Vertauschung von E und Ö anzunehmen: mit 729 Jahren erhalten wir 508 v. Chr. Den römischen Königen geben die Auszügler theils 245 Jahre, so Leon und Theodosios, welchen G. folgt; theils 243: so Symeon Logotheta in der Pariser Hds. fol. 70 b laut Mittheilung des der Wissenschaft vor der Zeit entrissenen Ad. Laubmann, Kedrenos u. a. Auszügler. Da die Listen der guten Ueber- lieferung 239 244 Jahre bieten, so ziehen vrir 243 vor und erhalten für Roms Gründung 751 v. Ch. Von Aineias bis dahin waren xar 'A(pQi' Tcavoy xal Kaaro^fa xal (Euaeßioy) rov fTaiKpilov hr] ^ xal i scal v

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verflossen, Laur. Lydus de magistrat. I 2. Diese Zahl gehört (was G. wegen seiner Ansicht von dessen troischer Epoche bezweifeln musste) dem Kastor, s. zu 1171; Eusebios gibt im I. Buch 427, im Kanon 426 Jahre; auch Africanus muss, weil er Troias Fall viel früher setzte als Kastor, eine höhere Zahl als 417 gehabt haben. Vielleicht stimmte sie mit Eusebios und zwar mit dessen erster Zahl, so dasef ihm der An- fang des Aeneas 1178 v. Ch. fiel, was im Datum auch zum Kanon stimmt (Abr. 839). Dann zählte er von Troia (1197) bis dahin 19 Jahre. So viele gibt in der That der Barbarus; seine Rechnung freilich ist nicht die des Africanus, aber auch keiner anderen Ueberlieferung entlehnt, sondern willkürlich auf die troische Epoche 1183 zugestutzt, um von ihr auf das verkehrte Datum des Brutus 512 v. Ch. (so Hieronymus zu Abr. 1507, Malala p. 188, Kedrenos I 289) zu gelangen.

Der Barbarus gibt den Latinem 402, den Römern 251, zusammen 653 Jahre, welche mit Ol. 66, d. i. in Ol. 67, 1. 512 ablaufen und Aeneas auf 1165, Romulus auf 763 bringen. Diese Rechnung bringt er sowohl in der Dynastientafel als in der jüdischen Chronographie, die Zahlen der letzteren aber entsprechen dem bis Africanus herrschenden System, welches die im 1. Jahr Kyros' ablaufenden 70 Jahre der baby- lonischen Gefangenschaft mit der Zerstörung Jerusalems anfieng und diese demgemäss auf 630 v. Chr. stellte; mit den in der Bibel angegebenen 475 476 Königsjahren brachte sie Davids Anfang auf 1105 oder 1106. Dem entspricht es, dass Barb. 27 a mit Olymp. 1, 1 das 11. (Africanus das 1.) Jahr des Achaz gleicht; die Abweichungen von der Bibel, welche manche seiner Königszahlen aufzeigen, sind als Schreibfehler zu behandeln: von der Heil. Schrift abzuweichen erlaubte sich kein Chronist. Sauls 20 Jahre beginnen also 1125 oder 1126, die 20 des Samuel 1145 (1146), die gleichen des Eli 1165 (1166). Desswegen konnte er in der Dynastien- tafel (vgl. Nr. 1) schreiben: regnavit Eneas nono et decimo'post de- vastationem Solis in diebus Heli et Samuhelis; das (vollendete) 19. Jahr seit 1183 ist 1164; von den 38 Jahren, welche er Aeneas gibt, kommen also 18 19 auf Eli, die übrigen auf Samuel. Wenn er gleichwohl in der jüdischen Chronographie die Zerstörung Troias unter Eli setzt, welchen er doch erst 17 18 Jahre nach 1183 zur Regierung kommen lässt, so erhellt, dass er diesen Synchronismus blindlings einem fremden System

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eatlehnt hat; er kannte aber, wie seine gedankenlose Entlehnung der Nebendynastien aus Africanus beweist, ausser dem in seiner Hauptrechnung adoptirten kein anderes als eben das des Africanus. Daraus schliessen wir, dass er die 19 Jahre diesem entnommen hat.

IL Die Epoche 1197 befolgte der Chronograph, welchem Velleius, Abydenos u. a. das Datum 843 für den Ausgang der Assyrer und den Anfeng des Arbakes verdanken (S. 548). Ferner vielleicht Trogus Justin. XVIII 3 Tyron urbem ante annum Troianae cladis constituerunt, vgl. zu 1153 und 1096. Carthagos Gründung, 38 J. vor Ol. 1 nach Timaios bei Dionys. ant. Rom. I 74. fand 144^) Jahre 8 Monate nach der Betheiligung des Königs Hirom von Tyros an Salomos Tempel bau, diese 240^) Jahre nach der Gründung von Neutyros, letztere also 1198 v. Chr. statt, Josephos antiq. VIII 3, 1; g. Apion I 17 18. Vgl. zu Ep. 1147.

Manetho erklärte Thuoris, den letzten König der XIX. Dynastie und des II. Tomus für den Polybos der Odyssee, dessen Gastfreund Menelaos wurde, und Hess ihn 1202 1195 regieren. Um auch bei ihm die (von Eratosthenes, vgl. S. 539, also erst nach Manethos Zeit geschaffene) Epoche 1183 nachweisen zu können, lässt Geizer den III. Tomus trotz der über- einstimmenden Ueberlieferung beider Zeugen, des Africanus und Eusebios mit Dyn. XIX beginnen und sucht auf diese Weise die handschriftliche Jahrsumme dieses Tomus: 1050, bei welcher sein Anfang auf 1395 t. Chr. zu stehen käme, gegen Boeckh's Verbesserung 850 zu schützen. Er ver- gisst jedoch, dass diese Aenderung durch den cyklischen Charakter der ganzen Rechnung nothwendig gemacht wird (Chronol. d. Man. 64) und kann auch nach Einbeziehung der XIX. Dynastie in diesen Tomus die Summe 1050 nur dadurch erreichen, dass er der XXI. Dynastie auf Grund der zum Theil verdorbenen Posten 114 Jahre gibt, während die Angabe der Summe bei Africanus und Eusebios übereinstimmend auf 130, bei Pseudeusebios auf 131 lautet. Und auf welchem Zeugniss beruht jene Verlegung der XIX. Dynastie in den dritten Tomus? Lediglich auf den Worten des Barbarus: usque ad septimam decimam potestatem secundum

1) 143 J. 8 M. zählt Josephos, aber beim 12. Jahr Hiroms; hiezu ist eines zu fögen, weil die 240 vom 11. Jahr Hiroms zurückzählen.

2) Nur cod. N der armen, üebers. des Eusebios (Abr. 745) 241 ; Chron. pasch, p. 148 r^m- xoaiotg niyvt xai hi scheint verschrieben aus diaxociotf nfyrijxoyTa.

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scribitur ^) tomum, ut docet numerum habentem annos mille quingentos XX, welche nach Geizer auf das Ende des ganzen zweiten Tomus gehen, ob- gleich für diesen die Jahrsumme 2121 feststeht, von der XVIL, nicht der XIX. oder XVIII. Dynastie die Rede ist und die Form der Schluss- bemerkung zum ersten Tomus (hec fihis de primo tomo Manethoni habens tempora annorum duo milia C) von der hier vorliegenden verschieden ist. Die auflfallende Thatsache, dass der Barbarus den dritten Tomus gar nicht hinzugefügt hat, wird erst daraus begreiflich, dass auch der zweite nicht zum Ende geführt ist. Jene 1520 Jahre führen in der That bis zum Ende der XVII. Dynastie (Chron. d. Man. 70) und, da der zweite Tomus und Dyn. XII im J. 3314 anhebt, bis zum Jahr 1795, dem Anfahgsjahr des Amosis, zugleich dem Jahr der ogygischen Fluth und nach Africanus auch des Auszugs Mosis. Mit diesem grossen Epochenjahr der ägyp- tischen, hellenischen und biblischen Geschichte begann er, laut seiner eigenen Erklärung bei Euseb. praep. X 10, die synchronistische Behand- lung der jüdischen Geschichte, indem er von hier an die profanen Gleich- zeitigkeiten an Ort und Stelle beifügte; die früheren Data der auswärtigen Geschichte fand sein Leser in den vorher mitgetheilten Dynastieverzeich- nissen. Der vom Barbarus übersetzte Excerptor hat nur die an einem Ort zusammengestellten ägyptischen Dynastien I XVII ausgezogen; die Mühe, von 1795 ab an 13 verschiedenen Orten die späteren zusammen- zusuchen, hat er sich erspart. Weiter hat G. weder die Beweise (Man. 169 ff.), welche den Anfang der XVIII. Dynastie auf 1795 bringen, berücksichtigt noch den Umstand, dass jenes auffallend hohe, von Africanus nur durch gewaltsame Hypothesen erzielte Datum des Auszugs Mosis sich eben nur aus seinem Synchronismus mit dem Untergang der Hyksosherrschaft, welche den Uebergang von der XVII. Dynastie zur XVIII. und zu Amosis bildet, erklären lässt, und wenn er, um diesem Einwand zu entgehen, meint, Africanus habe auf Manetho gar keinen sonderlichen Werth ge- legt, so setzt er sich nicht nur mit aller Wahrscheinlichkeit sondern auch mit seinem eigenen Versuch, für Manetho dieselbe troische Epoche zu erweisen wie für Africanus, in Widerspruch und muss trotzdem auch im concreten Falle (Afr. 207) zugestehen, dass bei Africanus die Könige der

1) D. i. roy 6evTtQoy dyay{iatptxtti rofioy^ näml. o* '^tp^ataroc»

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XVIII. Dynastie in der von mir bezeichneten Zeit angesetzt sind, was bei der 'redlichen Weise des Africanus eben doch nur aus Vorgang des- jenigen Aegypters erklärt werden kann, von dessen Werk allein er einen Auszug* veranstaltet hat.

Zum Schluss noch eine Probe. Armais, welchen Eusebios u. a., ohne Zweifel nach dem Beispiel des Africanus, mit Danaos identificiren, regiert nach dem Manetho des Africanus (in d. Chron. d. Man. 157 fg. mit C bezeichnet) 1496 1491; dazu stimmt, dass Danaos bei Africanus 1487 bis 1437 in Argos regiert^); ähnlich Eusebios, bei welchem die Zeit zwischen seinem Sturz in Aegypten und der Thronbesteigung in Argos 9 Jahre ausmacht. Bei Geizer wird Armais 1410 gestürzt, 66 Jahre vorher aber Danaos in Argos zum König erhoben.

1193 bei Thrasyllos.

Eine Reihe DatÄ von 1533 bis 776, welche auf dem troischen Datum 1193 beruhen, verzeichnet Clemens ström. I 335, vgl. Müller fr. hist. III 502 und oben zu Epoche 1290. lieber Kastor s. zu 1171.

1183 Eratosthenes, ApoUodoros.

Bei Clemens ström. I 336 zählt Eratosthenes von Troias Einnahme (1184/3) bis zur Herakleidenheimkehr 80 Jahre (1104/3); von da bis zur Gründung Joniens 60 (1044/3); weiter bis zur Vormundschaft Lykurgs 159 (885/4); bis zum Vorjahr der ersten Olympienfeier 108 (777/6). Von dieser Olympienfeier (1, 1. 776/5) bis zu Xerxes Heerfahrt 297 (75, 1. 480/79); von dieser zum Anfang des peloponnesischen Krieges 48 (87, 1. 432/1), zu seiner Beendigung und der Niederlage der Athener 27 (93, 4. 405/4), zur Leuktraschlacht 34 (102, 2. 371/0); nach ihr zum Ende Philipps 35 (111, 1. 336/5), darnach zum Abscheiden Alexanders 12 (114, 1. 324/3). Die zu Grunde gelegte Jahrform ist die attische: nur bei ihr konnten auf Alexanders Regierung (12 Jahre 10 72 Monate, Philol. XLI 83) 12 statt 13 Jahre gezählt werden. Die den Alten ge- läufige inclusive Zählungsweise, welche beide Grenzjahre einrechnet, lässt

1) Dadurch bestätigt sich die Theilung der 576 (576) Jahre in 414 (413) der Inachiden und 162 der Danaiden, s. I 3, a.

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sich, wenn wie hier eine ga,nze Reihe von Abständen vorgeführt wird, nur bei dem ersten anwenden; die auffallende Erscheinung, dass sie hier vielmehr bei dem fünften Intervall (776 480) angewendet wird, erklärt sich daraus; dass die alten Chronologen, wie Varro bei Censorinus 21 angibt, zwei grosse Zeiträume unterschieden: einen mythischen und einen historischen; ihre Grenze bildete die erste Olympienfeier. Troias Fall war nur eine späte Epoche des ersteren, Eratosthenes verzeichnete auch die fabelhaften Könige aller Reiche, welche lange vor jenem anhoben; das troische Datum bildet also nur eine Fortsetzung und ist daher in exclusiver Weise berechnet.

Zuerst benützt findet sich das neue System in der bis 144 v. Chr. geführten Chronik, von welcher Skymnos 23 ff. spricht, für die troische Epoche; dann von Aristarchs Schüler Aristodemos aus Elis und von Polybios für die Behauptung, dass die Olympienstiftung Lykurgs 884 falle, Synkell. 370. Um 70 (Philologus XLI 602 ff.) schrieb der Gram- matiker ApoUodoros aus Athen eine metrische Bearbeitung desselben (Plutarch. Lyk. 1. Solinus 1), welche selten (nachweislich nur in Ansehung Homers) Abweichungen, wohl aber Zusätze und eine Fortsetzung bis in seine Zeit enthielt und selbst wieder von Cornelius Nepos und Diodoros ausgeschrieben, von Lutatius Daphnis (bei Solin. 1), Cicero, Plutarchos, Clemens von Alexandreia, den zwei pseudoplutarchischen Homerbiographien, Proklos u. a. benützt wurde ^). Als Anhänger (ant. rom. I 73), dann als Bearbeiter und Fortsetzer der eratosthenischen Chronographie trat unter Augustus Dionysios von HaÜkarnassos auf 2), der auch die Fortsetzung ApoUodors nicht verschmähte. Manche haben die drei Hauptepochen der halbhistorischen Zeit: Troias Fall, die dorische und ionische Wanderung nach Eratosthenes oder ApoUodoros bestimmt, im Uebrigen aber sich

1) Wie Eusebios dazu gekommen ist. das Datum von 1184/3 auf 1182/1 zu bringen, erklärt Gutschmid, de temporum notis quibus Eusebius utitur in chron. can. 1868.

2) Da er I 68 das Jahr der troischen Epoche als ein Schaltjahr behandelt (S. 358), so haben manche, Metons Cyklus voraussetzend, dasselbe für 1185/4 erklärt; das Richtige gibt Em. Müller Jahrbb. 1869 S. 390. Eratosthenes, gestorben um 194, verbesserte die Oktaeteris, ist also wahrschein- lich Schöpfer des (oder eines) Schaltkreises, welcher durch Weglassung eines Schaltmonats in je 160 Jahren die Oktaeteris auf Jahrhunderte hinaus lebensföhig machte: in diesem musste 1184/8 mit 224/8 correspondiren, weil die Entfernung 6 mal 160 Jahre beträgt; in letzterem Jahre aber fiel bei richtigem Ealendergang der 28. Skirophorion auf den 9. Juni 223, welcher genau wie das- selbe attische Datum bei Dionysios 17 Tage vor der Wende lag.

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freie Hand behalten: so z. B. Velleius^), welcher den Tod des Herakles nicht mit letzterem 53 sondern 40 Jahre vor Troias Zerstörung setzt. Wenn Varro bei Censorinus 21 von Troia bis Olymp. 1 paulo plus CCCC (annos) zählt, so geht offenbar auch er von dem Datum des Era- tosthenes aus, doch liegt, was gewöhnlich verkannt wird, dem Intervall CCCCVII, welches er ebend. als das von Eratosthenes aufgestellte be- zeichnet, eine andere als die attische Jahrform zu Grunde. Von 1184/3 bis 776/5 sind attisch 408 Jahre, 408 gibt auch Diodoros I 5 und der- selbe bei Euseb. I 221 aus Apollodoros an. Wer aber nach römischer Weise das Jahr mit dem 1. Januar oder auch mit Roms Gründungstag 21. April anfieng und jene Epochendata auf dasselbe übertrug, der er- hielt von (Juni) 1183 bis (August) 776 nur 407 Jahre. Dieselbe Zahl erhielten diejenigen, welche wie die Bewohner Syriens und Kleinasiens das Jahr nach makedonischer Weise im Herbst (um 1. Oktober) oder wie später die Byzantiner mit dem 1. September anfiengen. Daraus er- klärt es sich, dass Tatianus 41, Porphyr ios bei Eusebios I 189 und andern, Charax bei Suidas *^O.a?ypo<; und der Chronist von 886 bei Gramer An. par. U 188 ebenfalls 407 angeben, Porphyrios sogar unter Berufung auf Apollodoros: Tatian war laut seiner eigenen Erklärung (c. 41) ysy^t]- O^elg iv rij rviv l4oav(}iu)y yfj^ Porphyrios ein Tyrier, die zwei zuletzt genannten citiren den Porphyrios und schreiben zur Zeit des September- neujahrs. Aus der syromakedonischen Jahrepoche erklärt es sich auch, dass Porphyrios bei Eus. I 249 die Thronbesteigung des Seleukos, ge- schehen im Frühjahr 312 nach der Schlacht bei Gaza, in Ol. 112, 1 (ihm Oktober 313 bis Oktober 312) und ebend. I 231 die Regierung der Olympias, Herbst 317 bis Frühj. 316, in Ol. 116, 1 = Kassanders erstes Jahr setzt. ^) Jedoch ist solche Rücksicht auf die Verschiedenheit der

1) Er setzt die dorische Wanderung 80 Jahre nach Troia; da er, wie Kritz erwiesen hat, II 49, 2. 65, 2 u. a. für Roms Gründung 01. 7, 2. 751 voraussetzt und seine Handschrift viele Zahlenfehler enthält, so ist unbedenklich in seinem Datum des Romulus I 6 septima (statt sexta) Olympiade post V (st. II) et XX annos und post Troiam annis CCCCXXXIIl (st. CCCXXXVII) zu schreiben.

2) Gleiches gilt aus gleichem Grunde für Phlegon (Akad. Sitzungsb. München 1882. I d02) und Kastor (s. zu 1171): die dorische' Wanderung setzt dieser und Porphyrios 1103 (d. i. 1104/3 beginnend mit Oktober), Eratosthenes 1104 (d. i. 1104/3 beginnend mit Juli), die ionische föUt bei jenen 1048, bei diesem 1044. Vgl. über Ephoros zu 1136.

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Jahrepoche nicht von allen Römern und Asiaten, auch meist nur da geübt worden, wo das Monatsdatum eines Ereignisses beachtet wurde: in anderen Fällen ist Pörphyrios von der Olympiadenzählung älterer Schriftsteller wohl ebenso wenig abgegangen, als dies Africanus und Eusebios gethan haben, welche für ihre Person und in der von ihnen selbständig bearbeiteten Geschichte ebenfalls das syromakedonische Jahr voraussetzen.

Den Anfang des Inachos setzte Eratosthenes, wie p. 549 aus Clemens' Angabe über Ktesias geschlossen wurde, auf 1942 oder 1941. Eben* dahin verlegt Clemens a.a.O. den Auszug Mosis; und der nämliche schreibt ström. I 321 = Eus. praep. X 12: 'Moses findet sich 604 Jahre vor der Gottwerdung des Dionysos, wenn anders diese, wie es in Apollodors Chronik heisst, in das 32. Jahr des Perseus fällt. Von Dionysos bis zu Herakles und den Argonauten ergeben sich 63 Jahre; von der Argo- fahrt^) des Herakles bis zu seinem und des Asklepios Gottwerden 38 nach dem Chronographen Apollodoros. Von hier bis zu Kastors und Polydeukes Apotheose 53 Jahre; hier ungefähr {kyrav&a tiov) auch die Einnahme Ilions.' In der Ilias V 243 glaubt Helena irrig, ihre Brüder seien noch am Leben; Apollodoros setzte also ihren Tod in den Anfang von 1184/3 oder in 1185/4, das 32. Jahr des Perseus 154 Jahre vorher auf 1338 oder 1339, Mosis Auszug und Inachos 604 Jahre früher bei inclusiver Zählung auf 1941 oder 1942, bei exclusiver auf 1942 oder 1943; wegen Ktesias ist 1942 vorzuziehen. Perseus beginnt dann 1370 und dazu passen die vorhandenen Zahlen der Könige, deren Namen aus dem eratosthenischen System Tatianos und, mit wenigstens den meisten Zahlen Pseudeusebios überliefert: 1370 Perseus 59. 1311 Sthenelos 32. 1279 Eurystheus 45. 1234 Atreus und Thyestes 33.'^ 1201 Agamemnon 18 (so auchTatian 39. Clem. ström. I 321). 1183—1176 Aigisthos 7. Wie Eratosthenes die noch übrigen 72 Jahre bis zur dorischen Wanderung berechnet hat, ist nicht bekannt.^) Die 53 Jahre von Herakles Tod bis 1185 oder 1184 vereint mit den 80 oder 81 von da bis zur dorischen

1) ano tris 'ügaxXiovg iy 'Agyal yavtiXlas schreibe ich statt ano r. *H(>. eV ^AQyti ßittsiXila^^

2) So Sjnkells Kanon; Pseudeusebios mit Kastor 65. Malala und Eedrenos geben Atreua 12, Thyestes 20 Jahre, aber Eratosthenes Hess sie gemeinschaftlich regieren.

3) Velleius gibt dem Orestes 70, seinen Söhnen 2 8 Jahre.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. III. Abth. 74

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Eroberung ergeben, wie Rohde gesehen hat, gerade 4 Generationen, 133 134 Jahre; diese werden vertreten von den Herakleiden Hyllos, Kleodaios, Aristomachos und dessen Söhnen Temenos, Kresphontes und Aristodemos. Wer zuerst so rechnete, dem endigten die 133 Ys Jahre seit Herakles Tod = 80 seit Troias Fall mit dem Ende der Temenos- generation, also nicht mit der dorischen' Einwanderung d. i. dem Anfang des dorischen Krieges (p. 559) sondern mit seinem Abschluss, dem Ent- stehen der Städte und Dynastien Korinth, Sparta und Argos; den Fehler, die dorische Wanderung mit der späteren Gründung von Sparta und dem Anfang des Eurysthenes in gleiches Jahr (1104) zu setzen, hat wahr- scheinlich Eratosthenes zuerst begangen.

Africanus und Eusebios setzen das Ende des neunten Spartakönigs älterer Linie Alkamenes in Olymp. 1, 1; dasselbe hatte schon Eratosthenes gethan: denn Agesilaos, der sechste, regierte nach ApoUodor bei Clemens Strom. I 327 zur Zeit Homers (944) 100 Jahre nach der ionischen Wan- derung, wurde also von ihm ganz oder fast ganz so datirt wie von Eusebios: 947 903 v. Chr. Ferner das 18. Jahr des Alkamenes fiel nach ApoUodoros wie bei Eusebios auf 796 (p. 531). Die 328 Jahre von 1104 bis 776 bedeuteten in diesem System wohl ziemlich die ganze Regierungsdauer der 9 ersten Könige: 322 gibt ihnen EphorosL, 325 Africanus und Eusebios. Die Unrichtigkeit dieser Datirung leuchtet von selbst ein: denn Alkamenes starb erst im messenischen Kriege. Die Königszahlen der jüngeren Linie bei Diodoros (s. Eusebios I 223) gehören sammt denen der älteren dem Ephoros; die eratosthenischen lassen sich aber vielleicht mit Hülfe derselben wiederherstellen, weil wir sein An- fangsdatum des Lykurgos, d. i. des Charilaos besitzen. Dieses setzte er um 2, das des Prokies aber um 35 Jahre friiher als Ephoros, zählte also hier 33 Jahre mehr; diese Generationszahl wird er dem von Ephoros übergangenen Soos gegeben haben. Also 1104 Prokies 41. 1063 Soos 33. 1030 Eurypon 51. 979 Prytanis 49. 930 Eunomos 45. 885 Polydektes und in demselben Jahr Charilaos. Hier kam wohl die Zählungsdifferenz zwischen der attischen und der römisch - makedonischen Jahrform zum Austrag. Sowohl Cicero^) rep. H 10 als Tatianos 41^ stellt Lykurgs

1) Dass er die apollodorischen Data aus Nepos hat, läset sich nicht erweisen: ep. ad Att.

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Gesetzgebung 108 Jahre vor Olymp. 1: für Cicero, d. i. Apollodoros ist dies das zweite Jahr des Charilaos und Lykurgos, für den syrische q Gewährsmann Tatians aber das erste, von Oktober 885 bis Oktober 884 laufend; eben in dieses Jahr aber setzt der Apollodoros des Porphyrios bei Euseb. I 189, d. i. . Apollodors auf makedonische Jahrform umge- setzte Rechnung den Anfang der Vormundschaft Lykurgs, Da in dem attischen Jahr 885/4 zuerst Polydektes regiert hatte, so mugste die dem Charilaos gehörende spätere Hälfte desselben in das makedonische Jahr fallen, welches im Oktober 885 anfieng.

Das troische Datum des Eratosthenes liegt 500 volle Jahre vor dem Anfang der attischen Jahresarchonten. Seine dorische Epoche 1104/3 ist dem Sosibios entlehnt; dadurch, dass er nicht wie dieser 67 Jahre (2 Generationen) sondern mit älteren Vorgängern 79 von Agamemnons Ende bis dahin zählte, erhielt er für Troias Fall 1184 3. Indem er die dorische Einwanderung mit dem Ende des von ihr eingeleiteten Kriegs zusammenwarf, dem Ephoros und Sosibios aber die Zuriickschiebung Lykurgs entlehnte, verdarb er die spartanische Rechnung noch ärger als diese und gab zu dem Irrthum Anlass, das Jahr 776 habe nicht bloss chronologisch sondern auch geschichtlicli Epoche gemacht.

1171 Sosibios, Eastor.

I. Nach Varro b. Gens. 21 hat Sosibios 395, dagegen Eratosthenes 407 Jahre von Troia bis Olymp. 1 gezählt; nach attischer Jahrfonn fiel ihm die Epoche in 1172/1. Clemens ström. I 327 schreibt: 'der Lakone Sosibios^) setzt in seiner Chronik (h^ x^m^mv druyfimpfi) Homeros in das 8. Regierungsjahr des Charilaos, Polydektes' Sohnes (366); nun regiert Charilaos 64 Jahre (873 809), nach ihm sein Sohn Nikandros 39 (809 770); in dessen 34. Jahr wurde die \. Olympiade gefeiert/ Wenn Cato von Troia bis Roms Gründung 432 Jahre zählte» so folgte er, da letztere ihm in 739 v. Chr. fällt, dem troischen Datum des Sosibios,

Xn 23 will er auf Apollodoros selbst zurückgehen und den Archilochoa beatimnit er anders als Nepos.

2) Seine Handscbiiften und Eusebios ^xaroV, der ältere Auaachreiber Clemeni Umotf ni^wri- xoyra; aus H ist wie sonst oft iV geworden und dies vor rofioStrsi uusgefallen.

1) Er schrieb unter Ptolemaios II Philadelphoa.

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8. Rom. Gründungsdata. Rh. Mus. XXXV 30. Dasselbe gilt verrauthlich von Aemilius Sura (p. 548) und von dem Chronisten, nach welchem Strabon p. 239 vom Antritt des Ascanius bis zur Geschichte von Amulius und Numitor, d. i. bis zur Geburt des Romulus 400 Jahre verlaufen liess; wie Eusebios in den Notizen zum Kanon so setzt jener die Gründung von Alba longa in den Anfang des Ascanius: xal tovtov {xov Aaxivov) TfXturi^aarrog xal tov noTQog rov "Aaxaviov ^'AXßav xriaai.^) Femer von Lactantius instit. I 23 ab excidio Troianae urbis coUiguntur anni MCCCCLXX = epit. 24 sunt ab Ilio capto anni MCCCCLXX. Er schrieb 298 oder 299, epit. 43 Christus ante annos CCC natus (nämlich 2 v. Chr.), vgl. inst. IV 10, 18, und um dieselbe Zeit wie sein Lehrer Arnobius, der ebenfalls 300 Jahre seit Christus zählt (I 13. II 71); wozu es stimmt, dass er dessen Werk nicht kennt: er citirt es nirgends und gibt eine im apologetischen Interesse zugestutzte Zeitbestimmung des Gottes Saturnus, in welcher er sich auf Theophilos beruft, über die in gleicher Absicht von Arnobius gegebene aber nichts zu sagen weiss. Die Epoche 1171 setzt femer Joannes Antioch. fr. 72, 15 voraus: elal Ja dno rwy TifwixfSv inl ^lovXiov KaLaaga iriaurol x^^^^*^ Qxd*.

Synkellos setzt Troias Einnahme auf Weltjahr 4331 = v. Chr. 1171 und zählt von da bis zur Gründung Roms Ol. 8, 1. 747 424 Jahre, s. Rom. Gründungsdata p. 5. Hiezu stimmt, ein paar leichte Aenderungen voraus- gesetzt, auch seine Peloponnesierliste: 1810 (Weltj. 3692) Inachos 56. 1754 Phoroneus 60. 1694 Apis 35. 1659 Argos 70. 1589 Kriasos 55. 1534 Phorbas 25. 1509 Triopas 36. 1473 Krotopas 24. 1459 Sthenelos 11.— 1438 (Weltj. 4064) Danaos 58. 1380 Lynkeus 35. 1345 Abas 37. 1308 Proitos 17. 1291 (Weltj. 4711) bis 1260 Akrisios 31. Wenn Syn- kellos p. 294 als das letzte Jahr des Danaos unrichtig 4743 statt 4741 nennt, woraus ein Scholion mit einem neuen Missverständniss (4743 als erstes Jahr des Nachfolgers nehmend) die falsche Jahrsumme 551 seit Inachos ableitet, so hat er vergessen, dass zwischen Akrisios und dem ersten Mykenaier eine Lücke liegt (p. 555), welche bei ihm 2, eigentlich aber 3 Jahre beträgt: er setzt erst Weltj. 4244 Pelops 35. 4279 Atreus 33.

1) Vgl. Arnob. II 71 apud Albam regnatum est axrnie CCCC et prope bis denis. Roma ducit annos L et M aut non multum ab bis minus. Beide datirten etwa: 1164 (p. 576) Ascanius und Alba's Gründung, 764 Romulus Geburt, 747 Roms Gründung.

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4312 Agamemnon 18. 4330 Aigisthos, erhält aber dadurch 433 D statt 4331 für Troias Fall. Der ihm vorliegende Kanon hatte die Zahl 4245 (v. Chr. 1257) für Pelops, welche wegen der vorhergehenden Lücke, wenn deren Betrag nicht angegeben war, leicht verdorben werden konnte. Wir setzen also 1257 Pelops 35. 1222 Atreus 33. 1189 Agamemuon 18. 1171 Aigisthos. Hier begeht Synkellos einen neuen Fehler, indem er Aigisthos bloss 5 Jahre gibt und so für Orestes den nunmehr doppelt falschen Anfang Weltj. 4335 (statt 4338) erhält. Das Richtige ist: 1171 Aigisthos 7. 1164 1141 Orestes 23. Die Nachfolger des Orestes hat Synkellos übersprungen; es folgt gleich von Weltj. 4423 ab die ältere Herakleidenlinie von Sparta mit derselben Jahrsumme 325 und denselben Posten wie bei Africanus und Eusebios: 1079 Eurysthenes 42. 1037 Agis L 1036Echestratos35. 1001 Labotes 37. 964 Doryssos 29. 935 Agesilaos 44. 891 Archelaos 60. 831 Teleklos 40. 791—754 Alkamenes 37. Vom Ende Agamemnons bis zur dorischen Epoche, dem Anfang des Eurysthenes in Sparta verlaufen hier 92 Jahre (1171 1079), ein befremdlich scheinender Abstand, der aber seine Erklärung darin findet, dass Synkellos p. 334 neben jenen 325 Jahren gerade so wie Africanus und Eusebios noch eine zweite Jahrsumme 350 für das Königthum von Sparta (und Korinth) gibt; das Mehr von 25 Jahren ist vor Eurysthenes und Aletes einzustellen (p. 559), es entspricht der Dauer des dorischen Eroberungskrieges. Dass er sie weder aus Africanus noch aus Eusebios sondern aus einem besseren System entlehnt hat, erhellt aus der Güte seiner Datirung. Nimmt man die 25 Jahre von den 92 weg, so verbleiben für den ungestörten Bestand der Mykenaierherrschaft nach Agamemnon 67 Jahre = 2 Generatio nen, derselbe Zeitbetrag wie bei Ephoros, und das Datum, welches sich für den Anfang des Dorierkriegs, die Einwanderung ergibt, ist (1171 67 oder 1079 + 25 =) 1104 v. Chr.^). Damit wird Sosibios als Vorgänger des Eratosthenes in Aufstellung dieser dorischen Epoche erwiesen; zu- gleich erhellt, dass dieses Datum derselben von Sosibios richtig auf die dorische Einwanderung beschränkt worden war; während ferner bei Era- tosthenes, Africanus, Eusebios das Ende der 350 Jahre unrichtig auf einen früheren Zeitpunkt fällt als das Ende des letzten Vollkönigs AlkanieneSj

1) Vgl. zu Epoche 1153.

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ist die ursprüngliche und ächte Gleichzeitigkeit beider Schlusstermine nur hier zu finden: im attischen Jahre 754/3 endigen die 350 Jahre und die Herrschaft des Alkamenes.

IL Kastor (61 v. Chr.) hat Troias Eroberung weder, wie früher Gut- schntid wollte und jetzt noch Geizer behauptet, auf 1193 noch, wie Brandis und jetzt Gutschmid will, auf 1 183 gestellt sondern das Datum des Sosibios angenommen, im üebrigen aber sich ziemlich selbständig verhalten.

L Seine Peloponnesierliste gibt Eusebios I 177 flF. Die Jahrsumme der Inachiden und Danaiden von Argos gibt er, übereinstimmend mit den Posteiij auf 382 und 162, zusammen 544 an; die der Pelopiden 105 ist verdorben und in 160 zu verbessern: ein Abschreiber verwechselte RT mit PE. Auf den letzten Argiver Akrisios folgt bei ihm sogleich dessen Ururenkel (zur Motivirung vgl. Gramer Anecd. par. II 191) Eurystheus mit 45 J., dann Atreus und Thyestes 65, Agamemnon 30, Aigisthos 17, Orestes Tisamenos Penthilos und Kometes 58 bis zur Eroberung der Peloponnesos durch die Herakleiden (1103 v. Chr.), von da 60 zur ioni- schen Wanderung (1043), von dieser 267 bis zur 1. Olympiade. Hienach würde die Jahrsumme der Pelopiden 170 betragen haben und Aga- memnons Ende in 1178 v. Chr., die Einnahme Troias aber, wenn wir das 18. Jahr Agamemnons, in welches Eusebios a. a. 0. dieselbe setzt, mit Gutschmid für eine Angabe Kastors halten, in 1191 oder (18 voll genommen) 1190 gefallen sein. Mit Recht erklärt Gutschmid, wie andere vor ihm, die Zahl 17 des Aigisthos für einen Textfehler statt 7: an dieser von Homer überlieferten Zahl konnte ein Grieche ebenso wenig rütteln wie ein Jude oder Christ an den Zahlen der Bibel. Indem Gut- schmid weiter die 30 Jahre Agamemnons in 33 verwandelt und den Zusatz des Eusebios: cuius tempore anno XVIII Ilion captum est für Ueberlieferung Kastors hält, gewinnt er für diesen das troische Datum 1184/3. Gegen die Aenderung ß3 spricht jedoch der Umstand, dass die Jahrsumme der Pelopiden durch sie auf 163 kommen würde, eine Zahl aus welcher 105 schwerlich verdorben ist; auch konnte die Behauptung, dass Agamemnon nach der Einnahme Troias noch 15 oder (bei der über- lieferten Zahl 30) 12 volle Jahre gelebt habe, wohl später ein Bibel- gelehrter wie Africanus oder Eusebios aufstellen, nicht aber der Rhetor von Rhodos; muss dieser um Homers willen dem Aigisthos 7, nicht 17,

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Jahre gegeben haben, so kann er aus demselben Grund auch dem Aga- memnon nicht mehr Jahre nach Troias Fall gerechnet haben als es die Odyssee erlaubt. Jene Notiz ist vielmehr ein Eigenthum des Eusebios, Was dieser aus Kastor im Wortlaut mittheilt, sind fast bloss die Sum- marien: diesen wörtlichen Auszügen lässt er in der Regel eine Andeutung, dass sie das sind, vorausgehen oder nachfolgen, s. I 53, 35 55, 26, 173, 22. 177, 10. 183, 10; bei der AuflFührung der einzelnen Könige, welche den Summarien von Sikyon, Athen, Argos-Mykenai folgt, thut er das nicht, hier lassen sich mit Sicherheit bloss die Posten auf jenen zurückführeix, während die synchronistischen Zusätze von Eusebios her- rühren: z. B. die Regierung Josephs in Aegypten unter Apis, der Auszug Mosis unter Triopas waren offenbar nicht von Kastor angegeben; diese vde alle anderen Synchronismen treflfen zum Kanon des Eusebios, sind demselben entlehnt und dort steht auch die Notiz vom 18. (bei Hieron- verdorben 15.) Jahr Agamemnons als Datum der Einnahme Troias.

Die peloponnesische Rechnung Kastors lautete also: 1852 Inachoa 50. 1802 Phoroneus 60. 1742 Agis 35. 1707 Argos 70. 1637 Kriasos 54. 1583 Phorbas 35. 1548 Triopas 46. 1502 Krotopas 21. 1481 Sthenelos 11.— 1470 Danaos 50. 1420 Lynkeus 41. 1379 Abas 23. 1356 Proitos 17- 1339 Akrisios 31. 1308 Eurystheus 45.— 1263 Atreus und Thyestes 65. 1198 Agamemnon 30. 1168 Aigisthos 7. 1161 Orestes und Nach- kommen 58. 1103 Eroberung der Peloponnesos. 1043 ionische Wan- derung. Das Datum 1103 (und 1043), statt wie bei Synkellös 1104, erklärt sich daraus, dass bei diesem, nach der Uebereinstimmung mit Eratosthenes zu schliessen, die attische Jahrform zu Grunde liegt, während Kastor im Gebiet des makedonischen Kalenders schreibend, Ol. 1, 1 vom Herbst 777 bis Herbst 776 laufen lässt: sein Jahr der dorischen Er- oberung beginnt demnach Okt. 1104, vgl. p. 568. Bei Josephos g. Apion I 22 setzt er die Schlacht von Gaza, welche um März 312 geschlagen wurde, in das 11. Jahr seit Alexanders Tod und in Ol. 117, 1, rechnet also wie Porphyrios dieses Jahr makedonisch vom Okt. 313 bis Okt* 312. Die Frage, wie sich sein Todesdatum Agamemnons 1168 mit der troischen Epoche 1171 verträgt, wird in Nr. 5 beantwortet.

2. Der falsche Eusebios nennt wie Kastor bei Euseb. I 55 als Nach- folger Sardanapals einen zweiten Ninos und legt damit die Venuutbung

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nahe, dass er auch m andern Punkten jenen benützt habe. Seine Assyrier- liste ist durch Lücken und andere Verderbnisse unbrauchbar gemacht (p. 562); bessere Dienste leistet der Anfang seiner Latinerdynastie: Weltj. 4273^), V. Chr. 1235 Faunus 29. 1206 Latinus 27. 1169 Aeneas 5. 1164 Ascanius 39. Kastor rechnete 417 Jahre von Aineias bis zur Gründung Roms (s. Epoche 1197 I 5) und setzte diese Ol. 7, 1. 752 (Okt. 753 bis Okt. 752): Eusebios I 295 zählt von Brutus bis Caesar 460 Jahre oder 95 Olympiaden, beginnend nach Ablauf von Ol. 67 (= 508 V. Chr.) und endigend mit Ol. 183, 1. 48, den Königen aber gibt er 244, beiden Zeiträumen zusammen 704 Jahre =176 Olympiaden und beruft sich dann auf die Uebereinstimmung mit Kastor; in dem Sum- marium desselben, welches er dann ausschreibt, stehen richtig 244 Jahre der Könige; dagegen die 460 Jahre der Republik sind von einem Ab- schreiber, welcher nicht bedachte, dass Kastor bloss bis 61 v. Chr. ge- gangen war, an Stelle der ächten 447 gesetzt. Aineias begann demnach bei ihm genau in dem Jahre 1169, welches der falsche Eusebios an die Hand gibt. Weiteres unter Nr. 5.

3. Das post bellum Troianum (Euseb. I 5) beginnende und mit Xerxes Heerfahrt endigende Verzeichniss der seebeherrschenden Völker, welches Diodoros bei Euseb. I 225 mittheilt, jpflegt man auf Kastor zurück- zufuhren, welchem Suidas ßine eigene Schrift solchen Titels beizulegen scheint; sein Text enthält jedoch einen Fehler, welcher folgendermassen^ zu verbessern ist: eyifatps Ja drayQaqy^y ßaaiXitüv (die Hdschr. Baßvlwvog) xal rwr S-aXaaaoxifaTriaavxwv h ßißXioig ß>. Unter dva^Qacpri BaßvhSrog könnte nur etwa ein Stadtplan von Babylon verstanden werden; bei Clemens ström. I 336 haben aber die Hdschr. zweimal Baßvkwrog statt ßaaiXewr. Kastor gestaltete den Titel seiner Chronik desswegen so weit- läufig, weil die meisten Rubriken ihres Kanons Königsnamen aufzahlten,

1) Die Weltjahre des Pseudeusebios vorchristlicher Zeit sind durch Subtraction ihrer Zahl von 5508 auf modernes Datum zu reduciren : Arbakes beginnt Weltj. 4692 = v. Chr. 816, ent- sprechend den 256 Jahren, welche er den Medem gibt; Kyros 4948 = Ol. 55, 1. 560; Alexand» regiert 12 Jahre 5172—5184, d, i. Ol. 111, 1. 336—114, 1. 324. Die Jahrform ist aber die by»n- tinische, so dass der vorherg. 1. September die Epoche bildet: erstes Jahr des Seleukos d. l der Seleukidenära 5197 = 01. 112, 2. 311, genauer Sept. 312 bis August 311.

2) Die Verbesserung ist schon von Gutschmid bei Flach zu Hesych. Ktiattufj vorweggenommeo; statt ß' schreibt er ?\

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eine aber, die Liste der Seeherrscher, nur Namen von Völkern enthielt, vgl. Ausonius profess. 22, 7 quod Castor cunctis de regibus ambiguis, quod ediderat Rhodope, nota tibi. Das erste seeherrschende Volk, die Lyder, stellt der armenische üebersetzer des Kanons unter 1169 (Abr. 948), Hieronymus dagegen unter 1177 v. Chr. ein. Die Abweichung zwischen beiden Uebersetzern wird bei der Datirung der folgenden Thalasso- kraten noch grösser, nur ihre Dauer an sich ist textkritisch sichergestellt. Mit den 92, 85, 79, 23, 25 (zusammen 304) Jahren der Lyder, Pelasger, Thraker, Rhodier, Phryger erhalten wir für den Anfang der Kyprier, je nachdem wir das eine oder das andere Datum der Lyder zu Grund legen, entweder 865 oder 873 v. Chr.; im armenischen Kanon fehlen die Kyprier, aber Hieronymus bringt sie unter 865, d. i. unter dem Datum, welches genau dem armenischen der Lyder entspricht. Dies scheint dafür zu sprechen, dass um 1169 das ächte Datum derselben fällt, Kastors troische Epoche also auf oder kurz vor 1169 gestellt war.

4. Die Athener. Das Summarium Kastors bei Euseb. I 181 fg. gibt den Erechtheiden von Kekrops an 450, dem Melanthos und Kodros 52, den lebenslänglichen Archonten 209 Jahre. In der darauffolgenden Auf- zählung der einzelnen Archonten finden diese Summen keine Bestätigung, obgleich wir erwarten müssen, dass wie in dem sikyonischen und argivisch- mykenäischen Verzeichniss so auch in diesem zwar die beigegebönen Syn- chronismen von Eusebios selbst, die Königsnamen mit ihren Regierungs- zahlen aber von Kastor herrühren. Diese Abweichung erklärt sich der Hauptsache nach daraus, dass an vielen Stellen die Abschreiber die ihnen aus dem Kanon als eusebisch bekannten Zahlen an die Stelle der bei Kastor anders lautenden gesetzt haben; die attische Liste war solcher Verderbniss am meisten ausgesetzt, weil sie den bekanntesten und vor- nehmsten griechischen Staat betraf und daher grössere Beachtung ^) fand als die anderen. Bei den lebenslänglichen Archonten jedoch ist auch die Zahl des Summarium verdorben: der erste von ihnen, Kodros' Sohn Medon würde dadurch erst in 962 v. Chr. zu stehen kommen. Man verwandelt 209 in 309; aber diese Summe lässt sich mit den Posten ohne Gewalt-

1) Tatianos 39 dnoSfiKytTni rovto ovrui^ t/oy ano rt rtjc rtSy *AtTiX(ov ßaatXf<av diaSo^rif JUttxfdoyixüiy re xai UroXeuaiKüiy in 6e xai ^Avrioxtxvüv; Afiicanas bei Euseb. praep. X 10» 4 5.

Abb. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. m. Abth. 75

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anwendung nicht in Einklang bringen. Ebenso sanft wie 309 ist die Aenderung 290: wie bei Kekrops (Eus. I 183, 1) 5 aus 50 geworden ist, so kann 9 aus 90 entstanden sein. Und diese Summe ergibt sich in der That, wenn man bei jeder Verschiedenheit zwischen der armenischen üebersetzung und den griechischen Excerpten die zum eusebischen Kanon stimmende Lesart als gefälscht verwirft. Dann erhält man folgende Datirung: 1043 Medon 8 (armen. 20, nach Zohrab jedoch 9, über der Zeile 20). 1035 Akastos 36. 999 Archippos 19. 980 Thersippos 41. 939 Phorbas 30. 909 Megakles 30. 879 Diognetos 28. 851 Pherekles 19. 832 Ariphron 20. 812 Thespieus 7 (griech. 27). 805 Agamestor 17. 788 Aischylos 23; in seinem (vollen) 12. Jahr die 1. Olyrapienfeier. 765 Alkmaion 12 (armen. 2). 753 die sieben zehnjährigen Archonten 70. 683 Kreon der erste jährige Eponymos. Bestätigung: nach Pausan. VII 2. Aelian var. VIII 5 u. a. veranstaltete Neileus die ionische Aus- wanderung schon unter Medon und zwar desswegen weil dieser ihm als Nachfolger des Kodros vorgezogen wurde; dieselbe fällt demnach in den Anfang des Medon. In vorstehender Liste trifft Kastors Datum der ioni- schen Wanderung 1043 genau auf das 1. Jahr Medons.

Die Zahlen, welche Kastor den (eigentlichen) Königen gegeben hat, lassen sich im Einzelnen aus Eusebios nicht herstellen, weil alle Ab- weichungen vom eusebischen Kanon durch die Abschreiber verwischt sind. Geizer, Kastors attische Königs- und Archontenliste (in der Festgabe an E. Curtius, Histor. u. philol. Aufsätze 1884) hat die 450 Jahre der Erechtheiden treffend gegen die Abweichungen, welche das Summarium in der Ueberlieferung des eus. Kanons aufzeigt, vertheidigt, hätte aber consequ enter Weise auch die 52 des Melanthos und Kodros der aus Eusebios eingeschwärzten Variante 58 vorziehen sollen; freilich braucht er die 58, um sein troisches Datum Kastors, 1193 v.Chr., zu gewinnen. Die 450 findet er bei Pseudeusebios wieder, dessen Königszahlen von Kekrops bis Melanthos exclusive zwar nicht die Summe 450 sondern 449 ergeben, bei Einsetzung des fehlenden Apheidas aber, der überall 1 Jahr regiert, in der That auf 450 kommen. Dieser Einsatz ist jedoch keineswegs so sicher und noth wendig, wie er glaubt: nach Nikolaos von Damaskos fragm. 50 (d. i. nach Ephoros) ist Apheidas der ihm gebühren- den Nachfolge nicht theilhaftig geworden. Immerhin könnte er bei Pseud-

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eusebios ausgefallen sein; aber die Summe 450 würde dabei doch nicht

erreicht: denn dann ist sein Jahr in einem andern Posten mitgezählt. Die Posten der attischen Liste des Pseudeusebios stimmen nämlich genau mit der Summe 849 zusammen und diese wird dadurch bestätigt, dasa ' als Anfang der Dynastie und des Kekrops das 10. Jahr der Moabiter- herrschaft, als Ende aber Weltjahr 4812 und (dazu stimmend) das 32. Jahr des Manasse angegeben ist: das 10. Jahr der Moabiter entspricht nach der trefflichen Ergänzung der jüdischen Rechnung des Pseudeusebios, welche Gutschmid geliefert hat, dem Weltj. 3963, von wo 849 Jahre bis 4812 verlaufen. Diese Summe 849 ergibt sich vollkommen genau auch aus den Posten, wenn man die 3 Jahre des Erechtheus und die 17 des Archippos im griech. Texte Mai's als Druckfehler ansieht und mit dessen üebersetzung 50 und 16 an ihre Stelle setzt. Es dürfen also nur solche Aenderungen vorgenommen werden, welche an der Summe keine Aen- derung hervorbringen: wenn z. B. Apheidas wirklich ausgefallen sein sollte, dann ist sein Jahr in den 10 seines Nachfolgers untergebracht, welchem andere Listen 9 Jahre geben. Eine Compensation dieser Art ist nachweislich bei Kodros und Medon vorgekommen. Keiner von beiden kann in der Liste gefehlt haben; diese gibt aber bloss Korax (d. i. Kodros) mit 20 Jahren, d. h. die 21 des Kodros und der Name des Medon sind ausgefallen, die 21 finden sich aber bei Oxyntes wieder, dem Pseudeu- sebios 31 Jahre gibt: er hat bei Synkellos und wahrscheinlich bei Afri- canus 10, bei Eusebios 12; der Abschreiber vereinigte offenbar die 10 mit den 21 zu 31. Hieraus folgt, dass Pseudeusebios den Erechtheiden weder mit Kastor 4 50 noch auch 449 sondern 428 Jahre gegeben hat, eines weniger als Eusebios; seine attische Liste ist in Wahrheit von Demophon ab ^) dieselbe, welche in der Chronik von Paros vorausgesetzt wird, s. unter 1207.

Der Gedanke Geizers ist an sich gut, nur zu weit ausgedehnt: die Zahlen der Könige vor Demophon bei Pseudeusebios stimmen nicht zu den Daten der parischen Chronik und würden, Demophons Anfang auf 1206 gestellt, den des Kekrops auf 1602 bringen. Dass sie von Kastor

1) Der JJeherg&Tig zu einer andern Liste und der Abstrich eines Jahres (Nr. 5) hängt wghl mit dem Datum der ZersU^rung Troias zusammen.

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herrühren, beweist das Datum, welches er dem Kekrops gibt: Weltj. 3963, V. Chr. 1545. Hat Eastor den Anfang der lebenslängUchen Ar- chonten auf 1043 gestellt, so muss ihm Melanthos (52 Jahre früher) 1095, Kekrops aber (450 Jahre vorher) 1545 v. Chr. begonnen haben. Aus Pseudeusebios gewinnen wir dann folgende Datirung: 1545 Kekrops 30. 1515 Kranaos 9. 1506 Amphiktyon 10. 1496 Erichthonios 53. ,1443 Pandion 40. 1403 Erechtheus 50. 1353 Kekrops II 43. 1310 Pandion II 29. 1281 Aigeus 48. 1233 Theseus 34. 1199 Menestheus 29. 1170 Demophon.

5. Die Troiafahrer Agamemnon und Menestheus endigen bei Kastor

1168 und 1170; Aineias, der bald nach dem Falle Troias in Italien landet, wird bei ihm 1169 Latinerkönig; die erste, ebenfalls bald nach jenem Ereigniss entstandene Thalassokratie scheint er auf dasselbe Jahr

1169 gestellt zu haben. Das alles führt darauf, dass er sich in Beziehung auf jene Epoche an Sosibios angeschlossen hat. Die 5 Jahre (1169 bis 1164), welche Pseudeusebios d. i. Kastor dem Aineias als Latinerkönig gibt, finden wir bei Dionysios ant. I 64 fg. insofern wieder, als dort Aineias in Latium 2 Jahre über die Troer, 3 nach Latinus Tod über beide Völker regiert, und schon vor diesem bei dem Annalisten Cassius Hemma (Solinus 2, 14), welcher ihn 2 Jahre mit Latinus, 3 allein regieren Uess. Bei Cassius und bei Dionysios landet Aineias 2 Jahre nach Troias Fall: wenden wir diese auf das Datum Kastors für seine Landung an (1169), so erhalten wir für Troia wirklich 1171. Das nämliche Datum ergibt sich, wenn Kastor den Fall Troias, was die parische Chronik wirklich thut, nicht in das letzte sondern vorletzte Jahr des Menestheus = 1171 gesetzt hat. Diese Abweichung von der herrschenden Ansicht rührt viel- leicht davon her, dass man neu entstandene Sagen berücksichtigte, nach welchen Menestheus von Troia weg vor seinem Tode noch verschiedene Städte gegründet hatte: Elaia im nachmaligen Aiolis (Strab. 632), Sky- lakion in Unteritalien (Strab. 261); manche Hessen ihn auf Melos sterben andere führten ihn bis nach Hispanien. Aehnliches gilt von Agamemnon: auf Kreta stiftete er nach Velleius I 1 die Städte Mykenai, Pergamon, Tegea, nach Zenobios V 50 und Steph. Byz. Lappa. Hiezu würde an sich ein Jahr genügt haben, aber bei Kastor fällt Troias Eroberung in das drittletzte Jahr Agamemnons. Dies beruht auf einigen Stellen der

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Odyssee, welche in Widerspruch mit anderen die Ermordung des Aigisthos durch Orestes nicht 7 sondern 9 10 Jahre nach Troias Fall setzen. Im 10. Jahr der Irrfahrten des Odysseus wird in der Götterversammlung dieses Ereigniss als die Neuigkeit des Tages besprochen, « 43 vvy (T dS^Qoa navj änhiaey, vgl. die Erklärer über a Sb (og xai vvy At/ioS^og u. s. w. Menelaos, der am Tage der Ermordung heimkam, ist in demselben 1 0. Jahr so eben eingetroffen, j' 318 xelvog yap äXlo&ev ellrjlovd^ev. Da die wider- strebenden Stellen keine ausdrückliche Angabe entgegensetzen, so hat man wohl auch sie in diesem Sinn interpretirt, z. B. die 7 jährige Raub- fahrt des Menelaos (tJ 80. y 305), in deren Zeit Agamemnons Ermordung fiel (/ 303. ^ 90), konnte man mit einem gewissen Schein nach seinem kretischen Aufenthalt anfangen lassen, wofür die Erzählung y 291 301 im Zusammenhalt mit der Aufzählung der geplünderton Küstenländer (^ 83 85 einigen Anhalt bot, und (T 82 rjyay6iu]y musste dann im Sinn von mecum portavi, nicht von reportavi erklärt werden.

Wie Sosibios so zählt auch Kastor 68 Jahre vom Jahr der Ein- nahme Troias bis zur dorischen Epoche*): zu den 65 nach Agamemnon kommen jetzt noch die drei letzten desselben. Auch die 25 des dorischen Krieges bei Sosibios finden wir vielleicht bei ihm wieder. Den Karneios- priestern von Sikyon zählt er 33 Jahre, den Betrag einer Generation, 1161 1128, Euseb. I. 176 fg., und schreibt von Charidemos, dem letzten: ovx vno/iisiyag rrjy (fandyrjv h'cpvye. Wenn dessen Vorgänger den Auf- wand 1, 1, 4, 6, 9, 12 Jahre lang hatten aushalten können, warum nicht auch er, da doch für den einen wie für den andern durch Zuweisung eines TijLisyog gesorgt sein musste. Es war eben die Stadt jetzt in die Hand der Dorier gefallen, deren Führer Phalkes Temenos' Sohn sich dem König Lakestadas als Mitregent aufdrängte (Pausan. II 6); die fürstliche Ausstattung desselben kam dann wohl zum grösseren Theil auf Kosten des Hohenpriesters zu Stande. Hienach entfällt bei Kastor 1171 die Zerstörung Troias, 1128 die dorische Einwanderung, 1103 der An- fang der Könige von Sparta; wie bei Eratosthenes kommt bei ihm dann der Tod des Alkamenes in eine frühere Zeit als die Einführung des Ephorats.

1) Nur das8 diese (llOi/3) bei Sosibios den Anfang^, bei Kastor das Ende des Dorierkrieges bildet.

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1168 bei Orosius.

Rom Ol. 6 gegründet, 414 Jahre nach Troia, Oros. II 4; Roms Ein- nahme durch Alarich (24. Aug. 410) im 1164. Stadtjahr, Or. II 3. VII 40. Die Gründung also^) Olymp. 6, 2. 755/4 (21. Aprilis), der Fall Troias 1169/8 und Helenas Raub (430 Jahre vor Rom, Or. I 17) 1185, genauer gesprochen 1185/4. Dieser war nach Homer £1 765 im 20. Jahre vor Troias Fall geschehen, das Intervall von bloss 16 Jahren bei Orosius setzt einen Gewährsmann christlicher Zeit voraus, vgl, das 13 jährige des Chronisten von 886 bei Gramer An. par. II 197. Die zahlreichen Data mythischer Zeit, welche Orosius beibringt, haben viel Aehnlichkeit mit den eusebischen, sind aber keineswegs mit diesen identisch oder aus ihnen entstellt, vgl. zu 1059. Die Ogygesfluth 1040 Jahre vor Rom (I 7), also 1795 wie bei Africanus; das Ende Sardanapals 64 vor Rom (I 19), d. i. 819 wie im eusebischen Kanon. Das troische Datum entspricht dem Todesjahr Agamemnons bei Kastor.

1153 (Hellanikos).

Aus dem Kanon des Synkellos gewinnen wir folgende Liste attischer Regenten: 1539 Kekrops 50. 1489 Kranaos 9. 1480 Amphiktyon 10. 1470 Erichthonios 50. 1420 Pandion 40. 1380 Erechtheus 50. 1330 Kekrops II 40. 1290 Pandion II 25. 1265 Aigeus 48. 1217 Theseus 31. 1186 Menestheus 33. 1153 Demophon 23. 1130 Oxyntes 10. 1120 Apheidas 1. 1119 Thymaites 9.— 1110 Melanthos 37. 1073 Kodros21.— 1052 Medon 20. 1032 Akastos 35. 997 Archippos 19. 978 Thersippos 40. 938 Phorbas 30. 908 Megakles 28. 880 Diognetos 28. 852 Pherekles 19. 833 Ariphron 20. 813 Thespieus 27. 786 Agamestor 17. 769 Aischylos 14. 755 Alkmaion 2. 753 die 1 0 jährigen Archonten 70. 683 Kreon der erste jährige Archon. Das letzte Jahr des Menestheus, in welches Syn- kellos (p. 325) die Zerstörung Troias setzt, ist 1154, genauer 1154/3. Die Datirung, welche er den Königen gibt, ist verkehrt (s. u.) ; die obige beruht darauf, dass die Jahresarchonten Ol. 24, 2. 683 eingesetzt worden

1} Wie bei Vergilius u. a., s. zu 1096. Nach Obenstehendera sind die p. 539. 54S auf Grund der varronischen Gründungsepoche Olymp. 6, 3 angesetzten orosischen Data um 1 Jahr hinauf- zurucken.

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sind. Dieses bisher allgemein anerkannte Datum wird von Geizer (Kastors att. Königs- und Archontenliste, 1884) in Frage gestellt und nur für die parische Chronik (420 Jahre von Kreon bis Diognetos incl.) und Eusebios (Abrah. 1334) anerkannt, ein besonderes Gewicht aber darauf gelegt, dass Synkellos nur Ol. 19 und 25, nicht Ol. 24 als Varianten für Kreons Zeit anführt; diesen habe Pausanias 687, Dionysios v. Halik. und Africanus 682, Kastor 681 gesetzt. Wir finden keine andere Abweichung von 683 als die des Synkellos und wie wenig diese selbst im Sinn Geizers werth sein kann, geht daraus hervor, dass auch die angeblichen Data 687, 682 und 681 weder in Ol. 19 noch Ol. 25 fallen. Die attische Liste des Africanus im Barbaras gibt 907 Jahre von Kekrops bis zum Ende des letzten 10 jährigen Archonten, den Kekrops aber setzt sie 1590 (p. 551); bei Synkellos p. 400 ferner zählt Africanus 903 Archonten von Kreon bis zu Philinos, unter welchem er schrieb, und zum Consulat des Gratus und Seleucus (221 n. Chr.). Philinos regierte aber 220/1, nicht 221/2: Geizer hat übersehen, dass Afr. zugleich das dritte Jahr Elagabals angibt, welches vom 16. Mai 220 bis 15. Mai 221 läuft, und die 250. Olympiade, auf welche sich G. beruft, fängt bei Africanus, dessen Jahrform die syro- makedonische ist (Philol. Anzeiger XI 83) im Oktober 220, nicht Juli 221 an. Nicht berücksichtigt hat er den von Africanus und Eusebios unabhängigen Chronisten von 886, welcher Kekrops 1558 stellt und von da 775, von Olymp. 1 aber 83 Jahre bis Kreon zählt, Gramer II 188. Wenn Dionysios, ohne Zweifel nach Eratosthenes Vorgang, den Anfang der 10 jährigen Archonten nicht 753 sondern 752 setzt, so folgt daraus nicht, dass bei ihm Kreon 682/1 regiert sondern dass einer der 10 jährigen, Hippomenes nach Nikol. Dam. fr. 51, (1 Jahr) vor Ablauf seiner Zeit abgesetzt worden ist. Pausanias, der wie bekannt viele falsche Data gibt, hat aus Flüchtigkeit oder in Folge von Benutzung einer fehler- haften Liste die 4 Archonten einer Olympiade zweimal gezählt: Chionis, dreimal Stadionike Olymp. 29, 30 und 31, siegt bei ihm (IV 23, 5) Ol. 29 zum zweiten und (III 14, 3) Ol. 31 zum vierten Mal. Endlich Kastors Rechnung wendet G. unrichtig auf die älteren Archonten des Pseudeusebios an (p. 579) und bringt auch hiebei Kreon nur dadurch auf 681, dass er das Ende des Menestheus (in Wahrheit 1170) auf die ver- meintlich kastorsche Epoche Troias 1193 stellt.

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Syiflcellos setzt den Anfang des Kekrops auf W*eltjahr 3945, d. i. 1557 V. Chr.: denn das Weltjahr 1 der vorchristlichen Zeit fällt ihm, wie schon Boeckh sah, auf 5501 v. Chr. und Olymp. 1, 1 vergleicht er mit dem 50, Jahr des jüd. Königs Ozias (üsia) 4726. Mit den 786 Jahren, welche er den lebenslänglichen Regenten zählt, kam er djiher für die zehnjährigen auf Weltj. 4731 und mit den 70 Jahren derselben für Kreon auf 4801 (die Hilschr. falsch 4804), d. i. auf 701 v. Chr., was der von ihm angegebenen 19. Olympiade (704 700) entspricht. Wenn er dazu alg Variante Ol. 25 anzugeben scheint, so ist das als Schreibfehler st. 24 anssusehen: denn selbst wenn es Varianten gegeben hätte, würde er doch Oh 24 als die am stärksten vertretene genannt haben, um so mehr als er diese in mindestens zwei seiner Hauptquellen (Africanus und Eusebios) vorfand. Zu seiner falschen Datirung ist Synkellos dadurch gekommen, da SS er seinen Kanon aus Listen verschiedenen Ursprungs zusammen- - setzte, ohne zu erkennen dass die Schöpfer derselben nicht die gleiche troische Epoche voraussetzen: indem er die für Ilions Fall massgebende Liste, die argivisch-spartanische dem Sosibios entlehnte, dessen troisches Datum 1171 er richtig mit Weltj. 3331 gleicht, dem entsprechend aber auch das Ende des attischen Königs Menestheus auf Weltj. 3331 (statt 3349, V. Chr. 1153) brachte, bekam er für diesen und damit für die ganze attische Liste eine um 18 Jahre zu hohe Datirung, Kekrops kam auf 1557 und Kreon auf 701 v. Chr.

Im VI, Jalirhundert n. Chr. fanden wir die Epoche 1153 von Hesy- chios, etwa im IL von dem falschen Herodot benützt; die nächste sichere Spur derselben bietet Trogus Pompeius bei Jordanes Get. 10, nach welchem vom Tofle des Telephos, d. i. vom letzten Jahr des troischen Krieges bis zu dem unglücklichen Massagetenkrieg des Kyros fast 630 Jahre ver- Hossen sind. In der Phoinikergeschichte des Trogus ist eine zweite troische Epoche (1197), in der latinischen ein drittes Datum (1096) vor- ausgesetzt; letzteres scheint sein eigenes zu sein, die zwei andern sind der jeweiligen Quölle entlehnt. In seiner Persergeschichte ist, wie Wolff- garten gezeigt hat, Deinon mindestens stark benützt; die Meinung, dass EphoroB dort seine Hauptquelle sei (Otto Neuhaus, Progr. Hohenstein 1882 und 1884), passt nicht zu dessen troischer Epoche. Deinons Zeit- genosse Theopomps bedient sich, wie bei Archilochos gezeigt wurde, eben-

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falls der Epoche 1153; vielleicht auch Deinons Sohn Kleitarchos. Nach Clemens ström. I 337 hätte dieser mit Timaios 820 Jahre vom Hera- kleidenziig bis Archon Euainetos (111, 2. 335/4) gezählt, also vielmehr die dorische Epoche auf 1154/3 gesetzt. Das ist von Kleitarchos nicht glaublich. So hoch hinauf konnte diese bloss setzen, wer wie Timaios dem Falle Troias das unsinnig frühe Datum 1333 gab; dieses ist von Timaios zuerst und wahrscheinlich nur in Folge Missverstands aufgestellt worden, Kleitarchos aber schrieb*) vor Timaios. Auch ist schwer zu begreifen, wie er dazu gekommen sein soll, die Heerfahrt Alexanders , mit der dorischen Wanderung zu vergleichen. Clemens will das hohe Alter der jüdischen Geschichte gegenüber der hellenischen verweisen, insbesondre das ihres staatlichen Anfangs, der Wanderung unter Moses, gegenüber dem Anfang der dorischen Geschichte. Das Datum des letz^teren gibt er in der Form seines Abstandes von Alexanders Zug, gleichfalls dem Ursprung eines neuen Weltreichs, aus vier Schriftstellern, deren ge- schichtliche oder chronologische Werke mit oder vor dem Dorierzug an- fiengen: aus Ephoros und Timaios, Phaneias und Eratosthenes. Wenn er den Duris, welcher doch die Jahrrechnung des Timaios angenommen hatte, nicht in Verbindung mit diesem sondern als Zeugen für die Ent- fernung des Troerkriegs von Alexanders Heerfahrt anführt, so erklärt sich diese auffallend erscheinende Abweichung offenbar daraus, dass Duris nur die Geschichte von 370 bis in seine Zeit beschrieben und beim Jahr 334 den Alexanderkrieg passend mit dem Troerkrieg in Parallele gesetzt hatte. Nach dem Heereszug des Xerxes, welchen Herodot und andere als einen grossen Völkerkampf zwischen Europa und Asien mit dem in gleicher Weise vom Schiffkatalog aufgefassten Troerkrieg verglichen hatten, war jetzt ein dritter Weltkrieg dieser Art geführt worden, der aber dem troischen noch näher kam als der Perserkrieg, weil in jenen beiden Europa der angreifende Theil war. Kleitarchos beschrieb, die Persergeschichte seines Vaters gewissermassen fortsetzend, die Geschichte Alexanders; auch er hatte keinen Anlass, die Dorierwanderung, um so

1) Nach 804, wie aus Arrian anab. VF 11, 8 erschlossen worden ist, und, wie aus derselben Stelle wahrscheinlich wird, ehe die von König Ptolemaios I verfasste Geschichte der Feldzüge Alexanders erschienen war; Timaios schrieb nach 264, dem Schlussjahr seines Werks.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 76

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besseren aber, den Troerkrieg in Vergleich zu ziehen. Die 820 Jahre abeFj welche von der troischen Epoche 1153 bis 334 verflossen, hat Cleuiens, getäusclit dadurch dass 820 Jahre auch Timaios, aber von dem Herakleidenzug bis dahin gezählt hatte, irriger Weise auf denselben Aus- gangspunkt übertragen; auch die 774 Jahre, welche er den Eratosthenes von der Wanderung bis Alexanders Zug rechnen lässt, beruhen wohl auf einer Verwechslung dieses Ereignisses mit der alles entscheidenden Arbela- ßcblacht (1104—331 incl.).

Bei Thukyd. V 116 weigern sich Sommer 416 die Dorier von Melos die Freiheit ihrer Stadt, noUiüg inraxoaia hri ij^rj olxovjueyi]g, an Athen preiszugeben ; hienach hätte der Geschichtschreiber die Gründung von Melos in oder (die 700, zumal in einer Rede als runde Zahl genommen) um 1115 gesetzt. Die Auswanderung nach Melos wurde in der dritten Generation seit dem Dorierzug in dem nämlichen Jahre wie die ionische Wanderung und die ^) der Dorier nach Rhodos ins Werk gesetzt, Konon 47 bei Photios cod, 18G. Hienach würde Thukydides, da er 112 die dorische Eroberung der Peloponnesos wie Eratosthenes in das 80. Jahr nach Troias Fall und wohl auch wie Ephoros, Eratosthenes und Kastor 60 Jahre später die ionische Wanderung set^t, die troische Epoche auf 1254 ge- bracht haben; was wir nach dem unter 1270 Gesagten für durch- aus unwahrscheinlich halten müssen. Thukydides hat, wie uns scheint, U^xuata geschrieben, was auch an andern Orten, z. B. bei Plutarch. AgesiL 31 in turaxoGia verdorben ist. Dann liegt auch bei ihm die troieche Epoche 1153 zu Grunde und ist für die dorische das Jahr 1074, für die ionische 1014 vorausgesetzt. Auch Isokrates scheint, wenn er im Archidamoß c. 4 von dem «V enraxooioig treai erworbenen Ruhm und in der Rede vom Frieden c. 32 von dem inTaxooiois eieai genossenen Glücke Spartas spricht und beidemal die leuktrische Schlacht zum End- punkt nimmt, also die Gründung des spartanischen Staates um 1071 setzt, für die dorische Eroberung das Jahr 1074 ins Auge zu fassen; doch könnte er auch an 1069 (troische Epoche 1148) gedacht haben. Uebrigens vgh zu 1096.

Wem verdankt Thukydides die oben erwähnten und die andern Data

1) Dieae galt wie die ionische für eine Folge der Aufopferung des Kodros, Strab. 653.

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der älteren Geschichte, welche er in der Einleitung seines Werkes vor- trägt? Nach U. Köhler, Archaiologie des Thuk. (Comraentatt. in hon* Mommseni 1877) dem Hellanikos, dessen Atthis er I 97 citirt. Seinen Hauptgrund zwar vermögen wir nicht stichhaltig zu finden: wenn I 8 die Erklärung der Atreidenherrschaft über Mykenai mit Xiyovai xal oi ra aaipiörara UtXonovvrioiiDv f^y^j^fi na^a töjv nQOTBQov ch(feyfi€i'oi ein- geleitet wird, so scheint hier nicht ein Lesbier wie der Vf. der Uqhui TTjg "H(}ag sondern ein Peloponnesier, am ersten ein Argiver und xwar Akusilaos gemeint zu sein^); indess der Umstand, dass nur hier die Quelle angedeutet wird, während über andere von Thukydides als unbezweifelte Thatsachen behandelte Punkte z. B. über das Datum der Wanderungen die stärksten Differenzen bestanden, scheint darauf hinzuweisen, dass er seiner gewöhnlichen Quelle hier untreu geworden ist und sich daher mit einer betreffs dieses Punktes höheren Autorität zu decken sucht. So citirt er auch den Hellanikos I 97 nur, weil er dort von ihm abweicht^), und lässt uns vermuthen, dass in anderen Dingen ihm sein Ansehen um 80 höher stand. Jedenfalls hat Hellanikos^) die Zerstörung Troias in die Mitte des XII. Jahrhunderts gesetzt: in dieses fällt die Epoche des Phi- listos, welche der seinigen nahe stand oder gar mit ihr identisch war

m

(s. zu 1147), und die Ansiedlung der Aioler auf Lesbos setzte er 100 Jahro nach dem Tode des Orestes, fr. 114 bei Tzetzes zu Lykophr. 1374, Diese geschah dem Schöpfer der Epoche 1153 zufolge 130 Jahre nach der- selben, 1024 V. Chr., und es ist schon p. 541 bemerkt worden, dass dieses Datum sammt den verwandten der andern aiolischen Stadtgrünilungen einen guten Gewährsmann verräth; man darf auf einen Aioler rathen, einen Vorgänger des Ephoros, welcher ihm zu Gunsten Kymes Opposition zu machen scheint. Aigisthos regierte 7, Orestes nach Synkellos (wahr- scheinlich Sosibios, p. 573) 23 Jahre, dazu die 100 bei Hellanikos von

1) üeber ihn vgl. C. Frick, Beiträge zur griech. Chronologie. Progr. Höxter 18S0. Die Ogygesfluth hat er, wie eine genauere Betrachtung von Euseb. praep. ev. X, 4—5 lehrt, entweder gar nicht oder anders als Hellanikos (1020 J. vor Oljmp. 1) datirt.

2) Die Quellen anzuführen hatte er dort, in der Geschichte der Pentakonteteris, keinen Anlasa.

3) Die Aufstellungen von Brandis, temp. ant. gr. rat. 12 sqq. über Hellanikos und Philo* cboros ermangeln einer bezeugten Grundlage und die hiefür verwendete attische Rechnung, welche er dem Barbarus beilegt, ist unrichtig.

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seineni Tod bis zur Landung des Gras auf Lesbos, so erhalten wir die 130.')

Das Datum dieser Epoche liegt 400 Jahre vor Einfuhrung der Ephoren in Sparta Ol. 6, 4 lakon. Stils = Okt. 754 3, durch welche die Beschränkung des Herakleidenkönigthums verewigt wurde, und dem ähnlichen Vorgang Ol. 6, 4 att. St. = 753/2, welcher die lebenslängliche Regierung der Kodriden in eine zehnjährige umwandelte.

1147 (1148) bei Eutropius.

Eutr, I 1 Romulus urbem constituit olympiadis sextae anno tertio, post Troiae excidium*^) trecentesimo nonagesimo quarto. Philistos setzte in der ersten, bis 363 reichenden Abtheilung seiner Geschichte Siciliens die Gründung Carthagos 50 Jahre vor Troias Einnahme, Appian Pun. 1 (ohne Angabe des Gewährsmannes, welchen Eusebios zu Abr. 803 nennt). Das wahre Datum der Gründung, 38 Jahre vor Olymp. 1, hat erst Tiiiiaios ermittelt, Chronol. d. Man. 214; der Irrthum des Philistos er- klärt sich (Rh. Mus. XXXV 31) aus der Bedeutung des Ortsnamens: er verwechselte die 'Neustadt' bei Utica mit der Neustadt von Tyros und dass diese gemeint ist, beweisen die Gründernamen: Zoros (Zor = Tyros) und Karchedon bei Appianus und Eusebios: diese werden überall durch Personification nicht der Metropole sondern der neuen Niederlassung her- gestellt Neutyros wurde 1199 oder 1198 gegründet (p. 564). Wer wie Ephoros die dorische Epoche 1069 setzte, von ihr zurück zu Troias Fall aber mit Thukydides das 80. Jahr zählte, der kam mit jenem Ereigniss in 1148. Nach Philistos bei Dionys. ant. I 22 wanderten die Sikeler im achtzigsten Jahr vor dem Troerkrieg aus Unteritalien nach Sicilien; also in der dritten Generation vorher, in welche diese Wanderung aus- drücklich von Hellanikos versetzt wird, s. Dionysios ant. a. a. 0. Ohne

1) Melanthos siedelte nach Hellan. fr. 10 bei Schol. Plat. p. 376 'HQaxXftSöSy iniovxujv aus Meaaene nach Athen über, während bei Synkellos er schon 1110, also 36 Jahre vor der dorischen Wanderung (1074) hier König wird. Man kann indess an einen der früheren Herakleidenzüge gegen die Peloponnesos denken.

2) Er setzt hinzu: ut qui plurimum minimumque tradunt, d. i. nicht mehr und nicht weniger Tgl. X 18 Joviimus decessit aetatis, ut qui plurimum minimumque tradunt, tertio et trigesimo anno.

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Zweifel^) haben beide Schriftsteller das gleiche Datum im Auge; war dies der Fall, so lag auch die troische Epoche des Philistos nicht weit von der des Hellanikos oder sie war mit ihr identisch. Das älteste von Philistos erzählte und datirte Ereigniss lag über 800 Jahre vor der Eroberung von Akragas (Ende 406), Diod. XIII 103, also vor 1206; dies ist aber wahrscheinlich die Sikelerwanderung gewesen: denn die der Sikaner scheint nicht genauer bestimmt gewesen zu sein, manche hielten sie für Autochthonen. Das 80. Jahr vor Anfang des Troerkriegs wäre dann 1237. Bedenklich erscheint, dass die Notiz des Eusebios und Synkellos: Kafjxrj^oya (prjal 4>iliaTog xrioS^^vai vno Zcopoi; zal Ka^xridovog Tiöy TvQicoy von Hieronymus (der Armenier hat sie nicht) imter Abr. 803 = 1214 V. Chr. (bei dem Syrer Dionysios unter 802) steht; doch ist hier jedenfalls eine der zahlreichen Verschiebungen anzunehmen: denn 50 Jahre nach 1214 findet sich keine troische Epoche und die nächste Notiz (Olympienstiftung 430 Jahre vor Ol. 1, 1) steht bei Abr. 805 ebenfalls am unrechten Orte.

Möglicher Weise gehört hieher die dorische Epoche des Isokrates (1069? p. 586), und wahrscheinlich die troische des Demokritos, welcher laut Diog. La. IX 41 seinen kleinen Diakosmos 730 Jahre nach Ilions Einnahme verfasst zu haben versicherte. Hat Hellanikos die Epoche 1153 geschaffen^), so lässt sich an diese nicht denken, obgleich sie ein pas- sendes Abfassungsjahr (424) ergeben würde: denn das hier einschlagende Hauptwerk des Hellanikos, die Herapriesterinnen von Argos, reichte min- destens bis 429 einschl., vgl. fr. 52 bei Steph. Xaoyia mit Thuk. II 80, Müller fr. bist. IV 635. Zu der Lebenszeit des Demokritos (493 404) passt aber ausser jener Epoche nur noch die von 1148, welche die Ab- fassung des Buchs in 418 bringt.

1) Thukydide8 VI 2 setzt die Wanderung um 10'33.

2) Schon vorgefunden hat er sie schwerlich: es stehen ohnehin fflr die sehr alten Epochen 1096, 1147, 1236 nur wenig Schöpfemamen zur Verfügung; einer von ihnen ist jedenfalls Hippym von Rhegion als Vf. der ältesten allgemeinen Chronik; auf Hekataios könnte die von 1236 zurück- gehen; von Akusilaos, den Localchronisten und älteren flomerforschern wissen wir nicht, ob sie eine neue troische Epoche geschaffen haben. Um so wahrscheinlicher ist letzteres von Hellanikoü dem ersten Verfasser einer Art von allgemeiner Weltgeschichte.

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1136 Ephoros.

Ein Ungenannter (Poseidonios?) bei Appianos Mithrid. 53 setzte die Zerstörung Ilions durch Fimbria, geschehen Ol. 173, 4. 85 v. Chr., un- gefähr 1050 Jahre nach der alten; ein Excerpt bei Synkellos p. 501, welches 800 Jahre von Troia bis Alexanders Anfang 111, 1. 336 zählt, ist auf Ephoros zurückzuführen, Philolog. XLI 85. Er rechnete 2 Ge- nerationen von da zur dorischen Epoche und 67 Jahre liegen zwischen 1136 imd 1069; in dieses Jahr aber setzt Diodors Liste der Herakleiden Sparta's bei Euseb. I 222, welche man irriger Weise aus ApoUodoros statt aus Ephoros abzuleiten pflegt, den Anfang derselben, Philol. XL 95. Das Jahr fieng bei ihm nach lakonischem und makedonischem Stil im Herbst an, ebend. XL 48 ff.

Diodors Verzeichniss der jüngeren Königslinie Sparta's ist lückenhaft und, wie die Uebereinstimmung der Summe 290 mit den Posten lehrt, in diesem Zustande schon von Eusebios (I 222. 224) vorgefunden worden. Bei Gutschmids scharfsinniger aber apollodorischen Ursprung^) voraus- setzender Ergänzung lautet es: Prokies (41. Soos 34. Eurypon) 51. Pry- tanis 49. Eunomos 45. Charilaos 60. Nikandros 38. Theopompos 47, wodurch, das 10. Jahr des Theopompos mit Diodor auf Ol. 1, 1 gestellt. der Anfang des Prokies auf 1103 kommen "würde. Anzuerkennen, weil Cicero de divin. II 91 dem Prokies 1 Jahr weniger gibt als dem Eury- sthenes und die Dynastiestifter gewöhnlich in allen Listen gleiche Jahr- zahl haben, sind die 41 Jahre des Prokies; aber das Anfangsdatum muss dasselbe sein wie das des Eurysthenes und daraus folgt dass Soos gai' nicht einzusetzen ist; dann aber stimmt alles: 1069 Prokies (41. 1028 Eurj^on) 51. 977 Prytanis 49. 928 Eunomos 45. 883 Charilaos 60. 823 Nikandros 38. 785 738 Theopompos; sein 10. Jahr 776. Wie SooB sswischen Prokies und Eurypon von Herodot VIII 131 nicht an- erkannt wird und Piatons Kratylos 412 b von ihm wie von einem Privat- mann spricht, so schreibt Strab. 366 "fiyo(>oc (prjai xaltlad^ai rovi; Eu^v- jiüirrtf)V)fi; ano EvQvniuyTOi; rov UQoyleovg; er fand ihn bei Ephoros (s. u.) nicht als König aufgeführt.

l\ Gegen diesen zeu^ die Abweichung der zwei vorhandenen Data (p. 570).

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Nach Ephoros bei Strab. 482 ging Lykurgos vor Ablauf der Vor- mundschaft auf Reisen und traf, uig ipaoL riyeg (was aber auch seine eigene Ansicht ist», auf Chios mit Homer zusammen. Damit vgL Hiero- nymus zu Abr. 1104: in latina historia haec ad verbum scribta rep- perimus: Agrippa apud Latinos regnante Homerus poeta in Graecia claruit, ut testantur ApoUodorus grammaticus et Ephorus (die Hdschr. Euphorbus) historicus, ante urbem Romam conditam ann. CXXIIII et ut ait Cornelius Nepos ante olympiadem primam ann. C. Nepos setzte Roms Gründung Ol. 7, 2. 751/0; die 124 Jahre sind also entweder dem Gründungsdatum des unbekannten Chronisten oder dem des Hieronymusj welches in der That auf 7, 1. 752/1 traf, entnommen. ApoUodoros war von Nepos, Ephoros vielleicht von Apollodoros citirt; dieser wich in Betreff Homers von Eratosthenes, welcher ihn 1084 setzte, ab und hatte daher Grund genug eine Autorität anzurufen. Auf 944 (100 Jahre nach der ionischen Wanderung) stellte er, wie Tatianos 31 (rjxuaxfyai) und aus gleicher Quelle Eusebios zu Abr. 915 (fuisse = Synkell. 339 ysyo- VBvai, dies nach dem Zusammenhang = floruisse) behaupten, die Blüthe, in Wahrheit aber die Geburt Homers, Clemens ström. I 327 mare im- ßaXeiy avtip Avxov^fyoy kri vior ovra. Clemens las den Apollodoros selbst, Tatianos und Eusebios compiliren nur einen Leser desselben und y^yn- vivai konnte leicht missdeutet werden. Zu Clemens stimmen zwei Be- nutzer ApoUodors: Nepos, der die Blüthe des Dichters bei Solinuä 40, 17 138 Jahre ^) vor Ol. 1 (914 = 30 Jahre nach 944) und bei Gellius XVII 21 ungefähr (circiter) 160 Jahre vor Roms Gründung setzt, und Cicero (vgl. p. 570) de rep. II 10 Homerum qui minimum dicunt Lycurgi aetati tri- ginta annis anteponunt fere (914 885 = 29), qu. Tuscid. V 3 Lycurgus, cuius temporibus Homerus etiam (= etiamtunc) fuisse dicitur. Das Jahr 876, in welches Ephoros Homers Blüthe setzte, ist nach obiger Rechnuug das achte des Charilaos (883 876): eben in dieses achte setzte aber Sosibios den Dichter und meinte, wie Rohde Rh. Mus. XXXVI 525 bemerkt hat^ das Jahr seiner Zusammenkunft mit Lykurgos.

l) Die 272 Jahre nach Troia (= 912/1), welche Solinus beigibt, sind, wie Rohde erkannt hat, aus bestimmter Autfassung der 160 Jahre vor Rom (752/1) unter Miasachtung de« circiter berechnet. Welcher troischen Epoche Euthymenes und Archemachos huldigten, welche bei Clenu ström. 327 Homer einen Zeit- oder Altersgenossen {avyaxfjidaavTtt) Hesiods nennen und «eine Geburt oder seine Blüthe (yif(a&at) um das 200. Jahr seit Troia setzen, ist gänzlich unbekannt.

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In dem Dialog riQmyog p. 318 schreibt Philostratos : 'Horneros sang, wie einige behaupten, 24 Jahre ^) nach dem Troerkrieg; wie andere, 127 Jahre nach demselben, als die Athener die Ansiedlung in lonien gründeten; manche setzen ihn und Hesiodos 160 Jahre nach dem Troer- krieg, als beide am Wettgesang in Chalkis theilnahmen/ Diese Stelle pflegt beachtet zu werden, nicht aber die parallele, in welcher dieselbe Person (der Winzer) spricht, also keine abweichende Ansicht ausgesprochen sein kann, p. 287 oi juiv T^oiag alovarjg oi (fi oXLyaig ol (T oTCim yeyeal^ voTfQoy Bnid-ho&ai avrov rfj noiTjoei Ifyovair. Die erste dieser Varianten ist offenbar dieselbe wie die erste p. 318 (24 Jahre nach Troia), auch die zweite hier dieselbe (127 Jahre = fast 4 volle Generationen oder 133 Vs Jahre) wie die zweite dort (wenige Generationen); also müssten auch die 8 Generationen den 160 Jahren entsprechen, was aber nicht der Fall ist. Aus acht Generationen fünf (160 Jahre = fast 5 volle Gen. oder 167 Jahre) zu machen ist wegen oXiyais unmöglich: bei nur einer Generation Abweichung konnte nicht bloss auf der einen Seite von wenig gesprochen werden, wodurch auf der andern der Begriff der Vielheit hervorgebracht wird. Vielmehr ist p. 318 statt 160 zu schreiben 260: acht volle Generationen sind 267 Jahre. Zu denen, welche Hesiod einen obzwar älteren Zeitgenossen {avyx(f^^^^) Homers nannten, gehörte Ephoros (fr. 164) und der von ihm etwas modificirte älteste Stammbaum beider setzte sie 8 Glieder nach den Zeitgenossen des Troerkriegs (s. zu 1059): von 1136 bis 876 verlaufen aber genau 260 Jahre. Philostratos hat also die dritte Variante dem Ephoros entnommen, 1136 als dessen troische wie 876 als seine homerische Epoche ist dadurch bestätigt; auch die 127 Jahre dürfen nunmehr auf Ephoros zurückgeführt werden: mit 67 Jahren von Troia bis zur dorischen Epoche und 60 von da zur ionischen erhalten wir 127, die ionische hat er also auf 1109 gestellt.

Den mit (paoi eingeleiteten Bericht über die Aiolerwanderung bei Strabon 582 leiten wir ebenfalls aus Ephoros ab. Den Aioler verräth die Behauptung, die aiolische Colonie sei ganze 4 (der Amplification wegen inclusive gezählt statt 3) Generationen älter als die ionische: um diese Prahlerei wahrscheinlich zu machen wird die bereits von Hellanikos

1) Vgl. zu 1059.

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•aufgestellte Behauptung aufgewärmt, schon Orestes habe sie unternommen, im Unterschied aber von jenem, welcher Orestes auf Lesbos landen» sein Unternehmen aber folgenlos verlaufen Hess, angegeben, Orestes sei auf dem Weg in Arkadien, ebenso sein Sohn Penthilos 60 Jahre nach Troia in Thrake gestorben, dessen Sohn Archelaos bis in ^ie Gegend von Kyzikos und erst der jüngste Sohn des Archelaos, Gras (der wahre Auswanderer der älteren Tradition) nach Lesbos gekommen. Schon zur Zeit des Penthilos aber hätten auch Kleues und Malaos, gleichfalls Aga- memnoniden (welche aber sonst nicht als Söhne des Orestes bekannt sind) ein Heer zusammengezogen, nur sei der andere Heereszug desswegen eher in Asien angelangt, weil sie in Lokris und am Gebirge Phrikion zu lange blieben; später übergefahren hätten sie (dies wieder in Uebereinstimmung mit der älteren Ueberlieferung) Kyme, das so zum Beinamen Phrikonis gekommen sei, gegründet. Diese Version will offenbar Kyme, die Heimat des Ephoros, älter machen als Lesbos, dessen Städte dem Lesbier Hella- nikos, aber auch den andern als die ältesten der Aiolis galten. Die Berichte Strabons über die Gründung der hellenischen Staaten imd Wan- derungen sind betreffs Althellas wenigstens durchweg dem Ephoros ent- lehnt; der unsrige aber hängt auf das Engste mit dem des Ephoros bei Strab. 401 2 über die Aiolerwanderung nach Boiotien zusammen.

Schwierigkeit macht in dieser Darstellung eine Jahrzahl, Str* 582 ITfy&iXoy n{)OBkS-Biy fiexifi 0()qxr]g i^xovra ereai rwv TQixnxvjy vaii^y vn avTTjv rrjr rivy '^HQaxXsidoiy dg flslonoyvrjaov xa&oSoy ^ sofern Nie- mand sonst zwischen der troischen und dorischen Epoche 60, Ephoros vielmehr 67 Jahre ansetzt, vtio aber als circiter zu nehmen durch avtriv verboten wird. Aber in Verbindung mit Begriffen von längerer Dauer kann es vom Eintritt während derselben angewendet werden, z B. vnu vvxra im Laufe der Nacht, und so ist es hier zu verstehen: 7 Jahre vor Abschluss des Krieges (p. 559), welcher die Wiedereinsetzung der Herakleiden in alle einst von Herakles erworbenen Theile der Pelopon- nesos herbeiführte. Nur daraus, dass Ephoros den Abschluss desselben, die Landvertheilung mit den Staaten- und Stadtgründungen eine Reihe von Jahren später setzte als die Landung am Rhion, erklärt sich die auffallende Erscheinung, dass Soos nicht als König anerkannt wird. Das p. 590 angeführte Citat des Ephoros bei Strab. 366 ist ungenau; im

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVU. Bd. m. Abth. 77

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Stammbaum erkannte er (und wahrscheinlich auch Herodots VorgängerjP Soos an als Sohn des Prokies und Vater des Eurypon, aber nicht als König: bei Strab. 482 setzt er Lykurgos in das sechste Glied seit Prokies (2. Soos, 3. Eurypon, 4. Prytanis, 5. Eunomos Vater des Polydektes und Lykurgos). Soos war also der älteren ^) Version zufolge (die jüngere bei Plutarch, d. i. Eratosthenes nennt ihn König) im Mannesalter vor seinem Vater Prokies gestorben, und zwar nach bedeutenden Thaten: zu den berühmten Männern zählt ihn Piatons Kratylos, bei Polyainos steht er unter den Schöpfern von Kriegslisten, in Plutarchs Agesilaos wird er geradezu der grösate Held der jüngeren Linie vor Agesilaos genannt und von seinen Thaten Bericht erstattet. Hieraus folgt, dass Ephoros die 41 Kegierungsjahre seines Vaters Prokies und die 42 des Eurysthenes nicht von dem Tode des Aristodemos, welcher unmittelbar vor der Ein- schiffung in Naupaktoe und gleich nach ihrer Geburt gestorben war (Horod* VI 52 Pausan, II 1)» sondern erst von der Gründung Spartas und der spartanisclien Dynastie ab, die vorausgegangene Vormundschaft des Theras aber auf die Dauer des langen Eroberungskrieges gerechnet hat. Auch Agis der Sohn des Eurysthenes ist wenigstens nur 1 Jahr lang König gewesen, hat also die von Ephoros bei Strab. 365 ihm beigelegten Thaten zum Theil unter seinem Vater vollbracht. Die Gründung von Sparta und Arges geschah erst lange nach der dorischen Einwanderung durch die mündig gewordenen Zwillinge und den Sohn des Temenos, Ephoros bei Strab, 483 Kiaoov rov rb 'Aifyos xrioayjog tibqI roy avxov X^ovuv i]riyM n^^uxUi^^ (nm* dieser wird genannt, weil von seinem Nach- kommen Lykurgos die Rede ist) rr/r JSjidffrrjy avyioxil^e; Temenos lebte zwar damals noch-), hatte aber den Kissos zum Mitregenten angenommen (Ephoros bei Strab, 389), nachdem sein Schwiegersohn Deiphontes, der für ihn Krieg geführt hatte (Pausan. II 19), getödtet worden war.

67 Jahre nach Troias Fall fand also bei Ephoros nicht die dorische Wanderung sondern das Ende des dorischen Krieges statt und von hier aus

1) Die aua guten IJuelleD geschöpfte Geschichte der dorischen Spartakönige bei Pausanias III 7 läast nicht erkennen» ob Soos König war oder nicht.

2] Wie gegen die Aioler von Korinth die Dorier des Aletes von Solygeia aus (Thuk. IV 42) den Krieg venaittelst eines sjurfixtofiog führten, so Temenos gegen die Mykenaier des Tisamenos Youi Temeßion avii^, wo er auch begraben wurde (Pausan. IV 88).

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ergibt sich die Möglichkeit den Widerspruch, welcher über seine dorische Epoche zwischen Diodor und Clemens besteht, besser zu lösen als das im Philologus XL 99 versucht worden ist Die dorische Einwanderung mittelst der Landung am Rhion geschah ungefähr oder fast {ox^Sm\ Diod. XVI 76) 750 Jahre vor der Belagerung von Perinthos 340 (incl,) also 1089 oder um dieses Jahr; dagegen die von Clemens str. I 337 angegebenen 735 Jahre bis 111, 2. 335/4 incl. sind auf die Gründung der dorischen Dynastien 1069 zu beziehen. Ephoros hat wohl 20 Jahre auf den Krieg gerechnet, die Dauer der Regierungsunfähigkeit des Zwil- lingspaares: 20 jährig trat man zu Sparta wie zu Athen in das Heer und die Bürgergemeinde ein, so alt war Telemachos als er die Zügel der Regierung in Haus und Staat ergriff, so alt wird ohne Zweifel auch Orestes zu der Zeit gedacht, als er mit der Rache an Aigisthoa die Pflichten und Rechte des Haus- und Staatsoberhauptes auszuüben anfieug (50 Vell. I 2). Zu den 47 und 20 Jahren 1136—1089 1069 vgl. p, 598,

1096 bei Isokrates.

Gades war nach Pomponius Mela III 46 während des Troerkrieges gegründet worden: annorum queis manet ab Iliaca tempestate priucipia sunt; dieser setzt also ein späteres Datum der troischen Epoche voraus als Strabon p. 48, nach welchem die Phoinikerstädte jenseit der Herakles- säulen und an der Mitte der libyschen Küsten inixffoy r(Sv T{)ix)ixm* va- regov entstanden waren. Utica 287 Jahre vor Carthago (814/3) gebaut, Mirab. auscultat. 134, also 1101/0; zur Zeit des Plinius (bist. XVI 216), 77 n. Chr. stand Gades 1178 Jahre, also seit 1102 oder 1103/2. Velleius I 2 ea tempestate Tyria classis Gadis condidit, ab iisdem post paucos annos Utica condita est denkt bei ea tempestate an die Gründung von Megara nach dem vergeblichen Angriff der Dorier auf Attika; diesen aber setzt er eodem fere tempore mit der vorher angeführten dorischen Wanderung (1104/3, p. 556). Hienach fällt Gades' Gründung 1103 2 und bei Mela das Ende des troischen Kriegs frühestens 1102, spätestens IÜ94.

Nach Trogus stand Alba 300 Jahre an der Spitze von Latiuui, Justin XLIII 1; Livius I 3 setzt ungefähr 30 Jahre zwischen Laviniums und Albas Gründung und gibt I 29 dieser Stadt 400 Jahre bis zu ihrer Zerstörung durch Tullus Hostilius, zählt also ebenfalls 300 bis zur Ent*

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stehung Roms, von welcher 100 bis zu ihr gerechnet wurden (Rhein, Mus. XXXV 8). Mit Varro gibt er den römischen Königen 244 uod fier Anarchie 5 Jahre, aber den Decemvirn 3 statt 2, das Gründungsdatum, welches die von ihm, Trogus und Mela, auch (s, u.) Vergilius, vorge- fundene Rechnung voraussetzt, war also um 1 Jahr höher als das var- ronische: wenn Livius gleichwohl nicht Ol. 6, 2. 755/4 sondern 7, 2. 751 0 (Mommsen röm. Chronol. 121) zu Grund legt, so kommt dies daher* dass er die 4 Dictatorjahre inissverständlich ausgemerzt hat Die Gründung von Alba setzen wir daher im Sinne seines Gewährsmanns auf 1085/4. Das Intervall von Troia bis dahin lernen wir aus Vergilius kennen. Auch dieser zählt Aen. I 265 von Lavinium und dem Ende des Aeneas bis zur Gründung Albas 30, von da bis Romulus 300 Jahre; jenes luter- vall aber berechnet sich aus ihm auf 12. Nach der Eroberung zieht sich Aeneas in die Berge zurück (II 804); dort saannielt er allmählich einen grossen Theil der Entronnenen, holt Götterspriiche ein und baut eine Flotte (III 5 8); mit Frühlings Anfang sticht er in die See, IH 8 vix prima inceperat aestas. Bei Dido erscheint er von Sicilien kommend 6 volle Jahre später, I 755 te iam septima portat omnibus erranteni terris et fluctibus aestas, also im 8. Jahr seit Troias Fall Bei ihr bringt er den Winter zu (IV 193); als er dann zum zweiten Mal auf Sicilien landete, war ein volles Jahr seit der Abfahrt von der Insel verflossen (V 46. III 710), woraus hervorgeht, dass V 626 septima post Troiae excidium iam vertitur (läuft ab) aestas, cum freta cum terras oinnes emensae ferimur nicht sepfima post sondern septima cum feriinur unmittelbar zu verbinden und aestas als poetischer Ausdruck für annus zu nehmen ist. In Latium landet Aeneas zur Zeit der Obstreife (YII 111), also im Juli oder August, im Anfang eines neuen attischen Jahres. Von hier bis zur Gründung von Lavinium und zu Aeneas Tod sind 3 Jahre (I 265). So zählt auch Synkellos 9 Jahre von Troia bis zur Landung in Latium (Weltj. 4331 4340) und 3 Regierungsjahre des Aineias. Die Zerstörung Troias fällt hienach in das attische Jahr 1097/6.

Isokrates legt im Panathenaikos eine niedrigere troische Epoche zu Grund als in den p. 586 citirten Reden; ihre Erkenntniss ist durch einen groben Textfehler verdunkelt, c. 59 (paiyerai 6 ^fjuog javrtj (r/] noXtnit}} XQüßjueroi; ovx ekarroy ;fiAtW h(oy /LtsxQi ttjq ^olojyog ^uh fjXixiag fTnai-

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aTQarov da dwaajBiag. Hienach würde Theseus die Republik im XVI. Jahr- hundert eingeführt haben, ein halbes Jahrtausend vor der Wanderung der Herakleiden, deren flüchtigen Urgrossvater er in Attika aufgenommen hat! Statt ;fiA£W ist i^axöoicDy zu lesen: die zwei Bedeutungen der Ziffer X sind wie bei Josephos g. Ap. I 16 mit einander verwechselt worden, vgl. Chronol. d. Man. 172. Gutschmid zu Euseb. ehr. I 160. Die Willkürherrschaft des Peisistratos, an welche laut den Worten nolkä jfjv noXiv IvfirpfOLu^yog xal rovg ßekriarovg rtSr noXndiv ixßakcjv gedacht ist, begann (de bigis c. 10) 551, Jahrbb. 1883 p. 384; zu dieser Zeit denkt auch Herodot I 29 und Herakleides bei Plut. Sol. 32 den Gesetz- geber noch lebend. Die Einführung der Volksfreiheit wurde von denen, welche sie dem Theseus zuschrieben, in den Anfang seiner Regierung ver- legt, Plut. Thes. 22, was trotz panath. 50 6/coy TTjr ßaaiXeiav bv fi nolla xat - xaXä dianBTi^aYfjihvog rjr auch für Isokrates anzunehmen ist: die Herakles- söhne nahm Theseus lange vor, den Adrastos kurz vor dem Troerkrieg auf, paneg. § 54, vgl. panath. c. 70; Theseus hat also lange Zeit regiert- Von 1151 1145 bis 1097 verfliessen 48 54 Jahre: die parische Chronik zählt 54 von Einführung der Volksfreiheit bis zum Falle Troias; auf die Regierung des Theseus und Menestheus zusammen rechnet Synkellos 64^ Kastor 63, Africanus 50, Eusebios 53. Während in den zwei andern Schriften Isokrates darauf ausgeht, Sparta's Glück und Ruhm durch Hervorhebung seiner langen Dauer zu verherrlichen, verfolgt er hier den entgegengesetzten Zweck; daher schreibt er c. 82, mit Bezug auf das Abfassungsjahr 110, 1. 339: Snagriarag irrav&a xaroixelv ov nXeiio (pt]- novo IV h(Sv BJiiaxoöiiJDy, setzt also die Gründung des dorischen Staates Sparta frühestens in 1039/8; höher zu gehen verbietet der Ausdruck Ol) nXeiio; auch an ein niedrigeres Datum ist kaum zu denken, weil in diesem Fall der Effect durch Wendungen wie 'nicht einmal 700* noch hätte gesteigert werden können. Die 57 Jahre 1096 1039 entsprechen den 57 bei Africanus vom Tod Agamemnons bis zum Ende seiner Dynastie. 15 Jahre später liegt das Datum der Gründung von Lesbos 1024; dazu trifft (durch Zufall?) Velleius I 2 exclusi ab Heraclidis Orestis liberi quinto- decimo anno sedem cepere circa Lesbum.

Phaneias, Schüler und Freund des. Aristoteles, zählte 715 Jahre von dem Herakleidenzug bis 111, 2. 335/4, s. Clemens str. I 337, setzte also

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den Zug 1049. Mit diesem Datum hängt wohl die abgerissene Notiz des Eusebios zu Abr. 869 = 1148 v. Chr.: secundum quosdam Heraclidarum descensns zusammen; den vollständigen Text hat Synkellos gerettet, welcher p. 334 an chronologisch gleicher Stelle schreibt: 'II(faxl€i^(oy xa9-o(tog ^'YlXov Tov nQsaßtjTBQOV naidbg ^ÜQaxXsovg fiyovfiiyov rfjg xara nehmov- rrjoicoy fio^x'^S, ^^S inex^artjaBv Ixaroig ereai fiera^ Ileixmoyyrjaicov xai rdyy ^HQaxXeiS(5v; die 100 Jahre, welche nach Herodot IX 26 von dem unglücklichen Kampf des Hyllos auf dem Isthmos bis zu der glücklichen Landung am Rhion verflossen, sind hier auf 1148 1049 gestellt Von 1049 bis zur Gründung des dorischen Sparta verlaufen, wenn wir Phaneias mit Isokrates verbinden, 10 Jahre: 1049 1039; sie erinnern an die 10 Jahre, auf welche bei ApoUodoros bibl. II 8, 3 der Herakleide Hippotes bei der Landung verbannt wurde. Sein Sohn Aletes gründete im Sinne dieser Sage ohne Zweifel nach Ablauf des 10 jährigen Exils Korinth, dessen Entstehung, ursprünglich gleichzeitig mit der von Sparta, dann, als diese mit der dorischen Wanderung zusammengeworfen ward, 1 2 (bei Velleius 6) Jahre nach ihr, immer aber geraume Zeit später als die Wanderung gesetzt wurde. Die 10, nach Didymos bei Schol. Pind. ol. 13, 17 30 Jahre sind nur Varianten der 20 und 25, p. 595. 573; die 47 Jahre 1096 1049 entsprechen den 47 des Ephoros 1 136 1089 p. 596. Aristoteles^) hat die ionische Wanderung ungefähr ein Jahrzehnt vor Smymas Colonisirung gesetzt. Zur Zeit da Neleus die Wanderung leitete, so meldet die erste der zwei pseudoplutarchischen Homerbiographien aus Arist. neqü noiririxfjg, wurde ein Mädchen aus los, Namens Kritheis von einem Dämon schwanger; von Seeräubern dem Lyderfürsten Maion in Smyrna zugeführt, welcher sie heirathete, genas sie eines Knaben, wel- chen jener adoptirte und aufzog. Bald starb Maion; die Lyder aber, von den Aiolern bedrängt, beschlossen auszuwandern und als der Herold männiglich zum Auszug einlud, da rief der Knabe {hi vrpiiog üjy\ er wolle auch mitgehen {bfiriQBiv)^ davon wurde er Homeros statt, wie bis- her, Melesigenes genannt. Smyrna wurde von den Aiolern nach guter Ueberlieferung (s. zu 1270) 986 gegründet; das kürzeste unter den auf

1) Er und Aristoxenos, vielleicht auch Phaneias setzte Troia's Fall, wie uns scheint, 1059, jedenfalls hatte die dorische und die ionische Wanderung bei dieser Epoche dasselbe Datum wie bei der Ep. 1096.

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uns gekommenen Intervallen zwischen Troias Fall und der ionischen Wan- derung ist das von Aristarchos bei Euseb. zu Abr. 915 = Synkell. 339 überlieferte: 100^). Jahre. Diese reichen von 1097/6 bis 997/6, dem niedrigsten und damit besten Datum der lonierwanderung, welches sich ermitteln lässt; aus ihm ist wohl auch die tr. Epoche 1096 (3 Genera- tionen vorher) gebildet worden. Vom letzten Jahr des Menestheus, in welches den Fall Troias die meisten setzten^), bis zum Anfang des Medon, in welchem nach der älteren Ueberlieferung die Wanderung vor sich gieng, verlaufen bei Africanus (p, 552) 100, bei Synkellos (p. 582) 102 Jahre. Nach Kreophylos bei Athenaios VIII 361 hatten die lonier, welche Ephesos gründeten, vorher 21 Jahre lang auf Samos gehaust; nach Malakos bei Athenaios VI 267 waren es Unterthanen {^ovXoi) der Samier, welche von ihren Herren abfielen, sich in den Bergen der Insel festsetzten und dort einen Raubkrieg führten, bis sie im 6. Jahr einem Orakel folgend vertragsmässig abzogen und Ephesos besetzten. Unter den Samiern ver- steht er offenbar die Einwanderer, welche der lonier Prokies aus Epi- dauros dahin geführt hatte: die neuen Ephesier wandten sich nach Pausan. VII 2 und 4 unter Androklos gegen Leogoras, den Sohn des Prokies, und verjagten ihn sammt seinem Volk; ein Theil desselben wan- derte nach Samothrake, mit dem andern setzte sich Leogoras in Anaia fest und gewann 10 Jahre später die Insel den Ephesiem wieder ab; darnach zog Androklos zum Entsatz von Priene gegen die Karier und fand dort in siegreichem Kampfe den Tod. Samothrake wurde nach ApoUodoros bei Schol. AD zu II. iV 12 fierä diaxoaioaxov xal eyaror (D bloss diaTcoaioarby) hog rdHy TQwixiör, also 975/4 gegründet.

Wir datiren demgemäss: 1039 Gründung von Sparta, Argos, Korinth, 1024 von Lesbos, 1004 von Kyme; 997 Wanderung der lonier, von welchen sich ein Theil unter Androklos auf Samos niederlässt; 986 wer- den diese von den Epidauriern unterworfen, aus Smyrna von den Aiolem

1) Die 140, welche Tatianus 31 und Clemens ström. I 327 statt 100 angeben, sind aus ihrem, dem eratosthenischen System interpolirt; ähnlich haben sie dem Homerdatum des Philochoros mit- gespielt, vgl. p. 525.

2) Die parische Chronik in sein vorletztes, Dionysios von Argos bei Clemens ström. I 321 in das erste Demophons und dieses ist auch in dem Citat des Schol. Eur. Hek. 892 aus Lysimachos anstatt des vierten herzustellen.

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die Barbaren vertrieben; 981 empören sich die lonier des Androklos, gründen 976 Ephesos und werfen 975 die Epidaurier aus der Insel, die 965 von diesen wiedergewonnen wird; Samothrake 975 gegründet.

1059 (Pherekydes).

'Die Pythagoriker Androkydes in dem Buch negl t(Sv av/ußoXioy und Eubulides, ferner die Biographen des Pythagoras Aristoxenos, Hippobotos und Neanthes bestimmen die Dauer einer Seelenwanderung auf 216 Jahre ^) als den Kubus der seelenzeugenden Zahl 6 : nach so viel Jahren sei Pytha- goras wiedererstanden; dem entspricht die Zeit, nach welcher er die Seele des Euphorbos erhalten hat: fast genau (eyyiatä) 514 Jahre zählt man von den Troika bis zu dem Physiker Xenophanes und den Zeiten des Anakreon und Polykrates, ferner der Belagerung und Auswanderung der lonier, bei welcher die Phokaier Massalia besiedelten; welchen allen Pythagoras gleichzeitig war. Nimmt man die 216 doppelt, so bleiben die 82 (= 514 432) Lebensjahre desselben.* So schreibt lamblichos theologum. arithmet. 40; seine unmittelbare Quelle ist wohl Androkydes, die älteste der mittelbaren Aristoxenos, Schüler des Aristoteles. Die an- gegebenen Synchronismen sollen offenbar alle einem und demselben Jahre angehören, Ol. 58, 3. 546/5, von wo 514 Jahre in 1060/59 führen.^ Etwa im November 546 eroberte Kyros Sardes, zog nach kurzem Ver- weilen wieder ab, indem er dem Mazares die Unterwerfung der noch unabhängig gebliebenen Theile des Lyderreiches auftrug, und schickte, als dieser gleich im Beginn des Feldzugs starb, als Nachfolger den Har- pagos (Herod. I 162); letzteres ist wohl im Frühling oder Sommer 545 geschehen. Polykrates Regierung begann 58, 2. 547/6, Diog. La. II 2.

1) Vom Tod des Vorgängers bis zur Geburt des Nachfolgers, Diog. La. VIII 14 uvros cV Tfj yif€tq)fi (pfiat 6i inta ^xaidtxay xai ditptoaitoy ßriuty i$ aidfuj na^ayfyfyrjaSm ig av&gtonovs (das Vorhergehende laut Citat, das Nachfolgende laut Porphyr. Pyth. 22 aus Aristoxenos). Diese Lehre konnte zwischen Euphorbos und Pythagoras nur ^in Glied annehmen; was jene angeblich von Pyth. verfasste, gewiss aber sehr alte Schrift wirklich that, s. Schol. Apoll. Rhod. I 645. Sie und Aristoxenos setzten vermuthlich: 1060 Tod des Euphorbos; 844—784 Sohn des Hermes und einer samischen Nymphe; 568 494 (493) Pythagoras.

2) In die 10. Generation nach den Troika wurde die Gründung der ersten Hellenenstädte Siciliens (01. 11, 3. 783) nach Strab. 267 von Ephoros gesetzt (vgl. Skymn. 272), was zu dessen Epoche 1136 nicht passt; vielleicht hatte Ephoros nur die Meinung des Antiochos von Syrakusai angeführt. Die 10. Generation nach 1060/59 umfasst die Jahre 760—727.

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Aristoteles erkannte Melanthos, den Vater des Kodros, nicht als König Athens an, polit V 8 hvyjrc^voy r-^g (ßaOiXeiag) oi fitv xara noXefior xoiXvaarTcg dovlevsiv woneQ Kodgog^ vgl. Plutarch exil. 18 KoSgog rivog wv ißaaiXsvasy; ov MekavS-ov (pvyaSog ix Meaai^vrig; streicht man die 37 Jahre, welche Africanus, Eusebios, Pseudeusebios (mit der parischen Chronik, s. zu 1207) und Synkellos (Hellanikos) d. i. alle^) bekannten Listen ihm geben, so sinkt die Epoche von 1096 auf 1059 herab und Kodros, nicht Melanthos erwarb den Thron der Erechtheiden 1018 durch die siegreiche Abwehr der Boioter.

Homer kennt während des Troerkrieges und noch im 1 0. Jahr nach diesem keine Dorier in der Peloponnesos; dagegen die Boioter sitzen dem SchifiFkatalog zufolge, wie auch iV 683 vorausgesetzt wird, spätestens seit dem Jahr, das dem Troerkrieg vorausgieng, bereits in dem nach ihnen benannten Lande. Die Hypothese, welche Thukydides I 12 zu Hülfe nimmt, irni Homers Darstellung mit der Ansicht, welche den Fall Troias 59 60 Jahre vor der Boioterwanderung setzte, in Einklang zu bringen, ist offenbar eine Ausflucht der Verlegenheit; wer Homers Angaben für historisch hielt, musste, wenn er wie Thukydides 20 Jahre zwischen der boiotischen Wanderung und der dorischen zählte, jene unmittelbar vor den Anfang des Troerkriegs und diese gleich nach der 1 9 Jahre späteren Heimkehr des Odysseus setzen^; wenn die ersten Chronologen die dorische Wanderung 1049, die boiotische also 1069 setzten, so dauerte ihnen der troische Krieg 1068 1059. Diese Rechnung ist vielleicht vorausgesetzt, wenn Diodor IV 58 nicht wie Herodot 100 sondern nur 50 Jahre von dem unglücklichen Kampfe des Hyllos bis zum Einzug der Dorier in die Peloponnesos verlaufen lässt. Ein guter Theil der 50 Jahre geht dem Troerkrieg voraus: geraume Zeit nach jenem Kampf (^«ra rivag ;fpovoi;<;) wird Likymnios der Oheim und Tlepolemos der Sohn des Herakles in Argos aufgenommen; später tödtet dieser den Likymnios und flieht nach Rhodos; dort gastlich aufgenommen hellenisirt er die Barbaren der Insel,

1) Nur bei Kastor hat er möglicher Weise 32; doch kann das Weniger von 6 Jahren (p. 577) statt seiner den Kodros getroffen haben.

2) Der Entstehungsgang hat wahrscheinlich den umgekehrten Weg eingeschlagen: die dorische Wanderung wurde 20 Jahre nach der boiotischen gesetzt, weil dies das kürzeste mit den 19 für den Troerkrieg und Odysseus Irrfahrten von Homer vorausgesetzten Jahren verein- barliche Intervall war.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 78

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gründet mit ihnen drei Städte und wird zum König erhoben; endlich xara rovi: vaT€()or ;fpoi/of^ betheiligt er sich an Agamemnons Heerfahrt gegen Ilion Aehnliche Verkürzung des Intervalls zwischen Hyllos imd der Dörfer Wanderung zeigt die verwandte Darstellung des jüngeren Apollo- doros bibl. II 8, 3, wo Dymas und Pamphylos, die Söhne des Aigimios, welcher Hyllos den Sohn seines Freundes Herakles adoptirt hatte, bei der Einwanderung im Kampfe mit Orestes' Sohn Tisamenos den Tod finden. In ihrer ursprünglichen (von Diodor und ApoUodor bereits con- taminirten) Fassung hatte diese Version vielleicht Pherekydes gegeben: bei ihm ist nicht Theseus sondern sein Sohn Demophon, der in den Listen ein paar Jahrzehnte vor der Dorierwanderung stirbt, der Beschützer und Bundesgenosse des Hyllos und der andern Heraklessöhne gegen Eurystheus, nach dessen Niederlage und Tod Alkmene in Theben aus dem Leben scheidet (fr. 39 bei Anton. Liberalis 33, vgl. Apoll. II 8, 1); auf ihn geht wohl auch die Angabe des Trogus zurück, Demophon sei der (unmittelbare) Nachfolger des Theseus gewesen, Justin. H 6, 15.

Pherekydes, Hellanikos und Damastes gaben nach Proklos, vita Homeri, dem Dichter folgenden Stammbaum: 1. Orpheus, 2. Dorion, 3. Eukles, 4. Idmonides, 5. Philoterpes, 6. Chariphemos, 7. Epiphrades, 8. Melanopos, 9. Apelles, 10. Maion, sein Bruder Dios, 11. Homeros, sein Vetter (Dios' Sohn) Hesiodos. Denselben, mit unwesentlichen Abweich- ungen (2. Dres, 6. Euphemos) überliefert Charax bei Suid. 'Üfirjgog, welcher Hesiods Linie seines Zweckes wegen übergeht^ vor Orpheus aber noch dessen Ahnen anbringt: 1. Linos Sohn der Thrakerin Aithusa, 2. Pieros, 3, OiagTOS. Die volksthümliche Sage hielt Orpheus für einen Zeitgenossen d^r Argonauten, manche rechneten ihn auch zu denselben; aber die or- phische Mystik fand es in ihrem Interesse gelegen, ihn in eine frühere Zeit zu versetzen, daher schon Herodoros, Zeitgenosse des Sokrates, zwei Orpheus unterschied; den älteren setzt Hesychios 11 Generationen vor dem Troerkrieg und hält, was der Schöpfer obigen Stammbaums schwer- lich gethan hat, ihn für den Sohn des Oiagros, Suid. \)(fcp. Aeißi^&güyv ; andere ebenda gaben Orpheus eine so lange Lebensdauer, dass die Trenn- ung in zwei Personen unnöthig wurde. Rohde Rh. Mus. XXXVI 384 ff. benützt die Meinung des Hesychios für seine Ansicht, dass die ältesten Homerbiographen den Dichter in die Zeiten des Troerkriegs gesetzt

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haben, legt solche Datirung des Dichters auch dem Urheber des Stamni- baums bei (der im Sinne des Hesychios ihn freilich noch eine Generation vor dem Troerkrieg bringen würde), lässt aber bloss Hellanikos^ welcher neben dem späten Kleanthes allein als Vertreter jenes Stammbaums im Certamen Homeri et Hesiodi genannt wird, als Zeugen gelten: die Nen- nung des Damastes werde durch vita Homeri VI: SiyMtov avTov dno Mov- aaiov iprial yc'yorsyai Jafidarris als unrichtig erwiesen, dadurch aber auch die des Pherekydes mindestens, zweifelhaft gemacht. Diese Athe- tese scheitert an dem Umstand, dass von den zwei im Alterthum unter Damastes Namen gehenden Schriften, in welchen Homers Abkunft be- handelt gewesen sein kann, die eine von der Mehrzahl wiö hier sich zeigt mit Recht dem Polos beigelegt wurde, Suid. Udiko^] f^pae/^^ yerealoyiay rdiv ini ^'Iliov arifarevaavTVJV "^EkXrjViJJV re xai ßa^ßa^mv xat 7i(Sg sxaazog anrilla^s* iivig dh avro Ja/udarov irny^atpovai. Der Sophist Polos von Akragas war ein Schüler des Gorgias (Plat. Gorg. 448 u. a.)i dieser aber hatte Homeros von Musaios abgeleitet, Proklos a. a. 0.: /bp- yiag Jf o Aeoyjlvog elg Movadloy avrov avdyei, eine Meinung, welche sich demnach auch sein Schüler angeeignet hat. Der ächte Damaates folgt, wie seine Fragmente lehren, meistens dem Hellanikos: das hat er also auch in seiner Schrift nsQi noirirdiy xal aotpiarvoy gethan.

Schöpfer des auf Orpheus zurückgehenden Stammbaums ist hienach Pherekydes, der 1 2 Generationen vor Hellanikos geschrieben hat; weder er noch seine Nachfolger hatten Anlass einen Stammbaum auf- zustellen, in welchem nicht nur Homer sondern auch sein gleichaltriger, nach manchen älterer Vetter Hesiodos, wie Rohde annehmen muss, in die Zeiten des Troerkriegs gestellt war: weniger als 160 Jahre nachher hat diesen Niemand gesetzt; wer Homer jenem Kriege nahebrachte, dachte sich denselben viel älter als Hesiod und verwarf den genannten Stamm- baum. Orpheus wurde, wenn wir von den Neuerungen der Orphiker und ihrer Nachbeter absehen, 2 Generationen vor dem Troerkrieg ge* setzt, Suid. *0()(ptvg Kixoyalog] Svo yeyeaig ngateffog röjy TQwrAiuy; dess- wegen Hessen die, welche demselben ein ungewöhnlich langes Leben bei- legten, ihn 9 Generationen hindurch wirken, wodurch der 11 Menschenalter vor dem Troerkrieg lebende mit dem nur 2 Generationen vor diesem, was die Zeit der Argofahrt ist, thätigen vereinigt werden konnte, Zeit-

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genösse des Troerkriegs ist also der Enkel des Orpheus, Eukles, dieser steht aber um 8 Glieder höher als Homeros im Stammbaum; die Glieder- 2ahl hat später Ephoros um eine vermindert, aber den alten Zeitbetrag mit 260 Jahren (p. 592) ungefähr beibehalten. Wie sich Pherekydes die Geburt eines Sängers thrakischer Abkunft in Smyma erklärte, lehrt Charax bei Suidas ^i)firi()og, indem er zu Maion bemerkt: dg ^X&er afia talg l4ual^6aiy er JSjxvqvi] xal '/tjuag Ev/ir^rir rriv Evsnovg xov Meh]ai' ylvois inoajosy ^Üur]()ov. Wie dieser Zusatz mit Recht von Rohde auf die älteste Darstellung des Stammbaums zurückgeführt wird, so gehört ihr auch das Geburtsdatum des Dichters bei Charax a. a. 0. an: yeyove jifjo Tov itdrivai r^v a olvfiniada n^o iviavrdiy y^, also 833/2.^) Setzte Pherekydes seine Blüthe, für deren Bestimmung man keinen geschicht- lichen Anhalt hatte, 40 Jahre nach der Geburt, so fiel sie 793/2: von da aber sind 267 Jahre, also genau 8 Generationen bis 1060/59. Nahm Pherekydes wie Ephoros 260 Jahre, so kam er auf 800/799, wo Homer 33 Jahre alt war. Auch diese Zeit, die Generationsdauer, ist zur hypo- thetischen Bestimmung des Blüthenjahrs verwendet worden. Wer Homers Blüthe 24 Jahre nach Troias Fall setzte (p. 592), dem fiel seine Geburt offenbar auf den Anfang des Krieges.^)

Die Amazonenzüge in Asien hängen mit den Zügen der Kimmerier zusammen: weil die Zerstörung des Artemisheiligthums in Ephesos bald den Amazonen bald den Kimmeriern zugeschrieben wurde, werden beide von Eusebios, Orosius, Synkellos als Bundesgenossen vereinigt, vgl. Geizer RIl Mus. XXX 258. Rohde ebend. XXXVI 393; die Amazonen unter Sinope gründen die Stadt gleichen Namens, Skymn. 941, nach Herodot IV 12 wohnten zuerst die Kimmerier dort. Vor den bekannten Zügen der letz- teren im ML Jahrhundert findet sich ein einziger genannt, in der Zeit der Gründung Sinopes durch die Milesier, Skymn. 948; er ist wahr- scheinlich derselbe, welcher zur Zeit des Gyges ein Gegenstand künst- lerischer Darstellung war, Nikol. Dam. fr. 62. Eusebios setzt 756 v. Chr. die Gnmdung von Trapezunt, welche von Sinope ausgieng ; die von Sinope

1} Von Sosibios, um das Blüthendatum zu bestimmen, um 33 Jahre erhöht (866).

2) Der Chronist von 8b6, der einzige welcher Homers Lebensdauer angibt, lässt ihn unter Berufung auf Diodor bei der dorischen Wanderung 1103 im 90. Lebensjahr sterben, der Troer- krieg beginnt ihm also 1192 im Geburtsjahr des Dichters.

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selbst führt er nicht an, sie hat jedenfalls erheblich früher stattgefunden.^) Die alten Chronographen hatten ohne Zweifel sowohl die Gründung von Sinope als den mit ihr zusammenhängenden Zug der Amazonen-Kimmerier nach Westkleinasien verzeichnet. Manche setzten Homers Geburt, andere seine Blüthe in die Zeit desselben, Strab. p. 20 ar£ ol^ey (Ü/irjQog rovg KiuuBQiovg), oi xQ^^^if^^^^ ^rjkovaiy i] uix{)ov ngb amov TTjy rdSv Kifi- fi€()iü)y BipoSov rj xar amov dvayQonpovreg; zwischen beiden Ansichten schwankt Strabon selbst, p. 149 und p. 6 xax atxov fj uixqov nffo avzov fi€X(fi ^lioviag insi^ifafior TTjy yfjy. Zu den ersteren gehört Pherekydes, zu den andern Herodot II 53. Durch Pherekydes, Hellanikos, Damastes und die von Strabon gemeinten Schriftsteller war dieser Zug so eng mit dem Namen Homers verknüpft, dass manche, die Homer in eine andere Zeit setzten, auch den Heereszug in diese verlegten. Daher kommt es, dass Eusebios um 1146 v. Chr. die Verbrennung des ephesischen Tempels durch die Amazonen, um 1077 den Heereszug der Amazonen mit den Kimmeriern in Kleinasien setzt: einige Zeit vor jenem Datum, um 1160 merkt er Homers Blüthe an und nicht lange vor dem andern, 1084 setzte Eratosthenes dieselbe. Orosius I 21 geht noch weiter: 30 Jahre ^) vor Roms Gründung, also 785/4 setzt er einen Kampf zwischen Pelopon- nesiem und Athenern, dessen Ausgang unentschieden blieb, ferner die Verheerung Asiens durch Amazonen und Kimmerier. Der Kampf ist kein andrer als der durch Kodros Opfertod zu Ende gebrachte, welcher in den Notizen des eusebischen Kanons jener Verheerung voraufgeht; Orosius (oder sein Vorgänger) verlegt diese auf 785, weil er den von Tatianos 39. Euseb. Abr. 915 u. a. Erwähnten folgt, welche den Dichter 400 Jahre nach Troia, wenige Jahre vor Olymp. 1, also 784 (785) setzten; in seiner Unwissenheit lässt er auch den Kampf der Peloponnesier und Athener mit dahin wandern, obgleich er ihn schon vorher (I 18) an seinem Orte erwähnt hat.

1) Vor 776: die fortlaufende Reihe seiner Notizen beginnt mit Olymp. 1.

2) Der Laur. von erster Hand 300, eine Verwechslung von trecentesimo mit tricensimo; die Ordnung der Ereignisse verlangt 30. * '

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Handelsvertrag

zwischen der

Republik Venedig und dem Eönigreich (rranada

vom Jahre 1400.

Eingeleitet and herausgegeben

▼on

Oeorg Martin Thomas.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. lU. Abth. 79

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Vorgetragen in der Sitzung der philos.-philol. Classe am 4. Juli 1885.

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Einleitung.

Wenn man die Bewegung des Handels und den Gang des Verkehrs verfolgt, welchen im Mittelalter der Westen nach dem Osten genoimnen und bis zu einer weltgeschichtlichen Ausdehnung und Bedeutung ent- wickelt hat eine der mächtigsten, recht ernster Einschau und genauer Erfassung würdigen Wirkungen der Kreuzzüge, Wirkungen, deren Kraft und Grösse noch lange sich zu erkennen gab, nachdem gewaltige Ereig- nisse und Umgestaltungen im Osten und gleichzeitig neuentdeckte See- wege, wie eine neue kaum geahnte Welt, den Eifer und die Gewinnsucht der arbeitenden Menschheit, des rastlosen Occidents allmählich auf andere Bahnen des Handels und der Schiffahrt ablenkten so tritt uns in dem Verhältniss und in den Wechselbeziehungen der christlichen Handelsstaaten des Westens, vornehmlich der italienischen Städte oder Republiken, zu den raoslimischen Herrschern in Asien und Afrika eine beachtenswerthe^ für Handels- und Völkerrecht stoff- und lehrreiche Erscheinung entgegen.

Es lag diesen thätigen und aufstrebenden See- oder Handels- und Fabrikplätzen, früher Amalfi, dann Pisa, Genua, Venedig, dazu, aber etwas später, Florenz in grossem, erst in neuester Zeit wieder bekannterem Um- fang, sehr viel daran, mitten im religiösen und bald mehr weltlichen Ansturm des christlichen Abendlandes auf das vom Islam rasch und tapfer gewonnene, und muthvoU und sicher behauptete Morgenland, dem eigenen Leben und natürlichen Drang des Schaffens und Wirkens, dem freien oder möglich ungehinderten Verkehr und Austausch von Boden- und Kunst- erzeugnissen, dem Handel und der Schiffahrt gesicherte Wege, festen Anhalt und geschützte Stätten im ganzen Bereich des Mittelmeerbeckens, dieses uralten Trägers des Verkehrs, der Bildung und Gesittung, an seinen

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Küsten und durch seine Hinterländer zu gewinnen, nicht durch Gewalt- thätigkeit und feindlich-störenden Eingriff, sondern auf dem Wege fried- licher Abmachung und gegenseitiger Anerkennung.

Es ist für denjenigen, welcher in der Geschichte den Geist der Nationen herausfühlt, und die Natur der Kräfte, welche dieselben ins Spiel bringen oder zu bringen sich anstrengen, zu erkennen strebt, ein fesselnder, ermunternder und lohnender Anreiz, Schritt für Schritt auf historischer Grundlage, d. h. in den Quellen, nachzugehen, nachzusehen, wie jene italienischen Handelsstädte, voraus Venedig, gleichsam ausser- halb des politischen Kreises, in welchem sie eine grosse und tiefe allge- meinere Bewegung gebannt, gebunden oder beschränkt hält, gleichzeitig Mittel und Wege suchen und solche auch* finden, um auf anderer Seite, frei und selbständig, <iie Ziele ihrer eigenen nothwendigen Entwicklung zu ihrem besonderen Nutzen und Vortheil und ohne sich und anderen dabei wiederum untreu zu werden, klug, wachsam und sicheren Blickes zu erreichen.

Man begegnet daher schon in den ersten Jahrzehnten des dreizehnten Saeculum für Venedig unter dem Dogen Pietro Ziani (1205 1229), welcher die Erbschaft seines Vorgängers des grossen Heinrich Dandolo, des Begründers venezianischer Herrlichkeit, venezianischer Weltherrschaft, mit Würde, Kraft und Klugheit antrat und dann immer häufiger und in stetiger Folge im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert einer An- zahl von Handelsverträgen, welche die christlichen Staaten des Westens, wie früher mit den lateinischen Feudalstaaten in Syrien oder den Königen von Armenien (Cilicien) , so mit den Gewalthabern von Aegypten (Babylon), von Tunis und Tripolis, und den Beherrschern Asiens, mit Arabern, Persern, Mongolen abschlössen, von Privilegien, worin ihnen be- sondere Gunst oder Freiheit im Handel und Wandel zugestanden wurde.

Diese merkwürdigen Zeugnisse eines grossen und lange währenden internationalen Verkehrs, von den Häfen des tyrrhenischen und adria- tischen Meeres nach den Gestaden der Levante und von diesen aus land- einwärts nach Innerasien, hat ein frischer und reger Forschungseifer in neuester Zeit aus den öffentlichen Archiven und aus Einzelnsammlungen der betheiligten Staaten und Städte hervorgezogen und zur Unterlage einer geschichtlichen Darstellung dieser hohen Bildungsepoche der menschlichen

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Gesellschaft, dieser Völkerbündnisse des späteren Mittelalters, ans Licht gefördert und bereit gestellt.

Die Erkenntniss, dass eben in jenem internationalen Völkerleben, in jenem durch Recht, Sitte und Vertrag gesicherten Handels wesen des Mittelalters eine der vorzüglichsten Vorbereitungen zu demjenigen Stand der menschlichen Gesellschaft gelegen sei, welchen wir die „Neue Zeit" zu nennen gewöhnt sind, hat treffliche Männer der Wiseeoschaftj Philo- logen, Orientalisten, Historiker, Geographen r^g j^ecay^affiag ro nltov iarl 7i(fdg xäg /p^/aff rag noXirixag sagt schon Strabo, gleichsam der Vater dieser Studien zu schönem Wetteifer angespornt und in ausharrender Thätigkeit gehalten.

Die Archive von Paris, von Montpellier und Marseille, die von Pisa und Genua, von Florenz und Neapel wurden zu diesem Zweck durch- sucht und ausgebeutet) die Urkundensammlungen von Amari, von Mas- LatriCj von Joseph Müller in Turin liegen neben den grossen Veröffent- lichungen akademischer Anstalten als rühmliche, reichhaltige Werke vor Augen, und haben in einem gewissen Sinn so zu sagen eine halbvergessene, lange vergrabene Welt wieder aufgeschlossen und ins Leben der Gegen- wart zurückgerufen.

Mit vollem Recht müssen hier noch die ausgezeichneten Leistungen besonders angeführt werden, mit welchen gleichzeitig und in naher Ver- wandtschaft und inniger Beziehung zu besagten Erforschungen die SocieU de V Orient Latin unter Leitung des Grafen Riant die wissenschaftliche Welt erfreut und bereichert und die Kimde jener Jahrhunderte, des Zeit- alters der Kreuzzüge, glänzend erweitert: noch wirkt der Geist des grossen Du Gange mächtig fort.

Für Venedig, für die grösste und mächtigste Handelsrepublik, die besagten wissenschaftlichen Forschungen und Arbeiten zu unternehmen^ dazu hatten wir. Gottlieh Lineas Friedrich Tafel und ich vor fünfund- dreissig Jahren uns entschlossen, nachdem uns bei einem Besuche Wiens Joseph von Chmel die Reichthümer des dortigen Archivs für diese Pro- vinz gezeigt und zur Ausführung des angeregten Planes durch die Aus- sicht auf Mitwirkung der Kais. Akademie der Wissenschaften ernmntert hatte. Diese wurde denn auch damals raschen Entschlusses und in Wür- digung der Angelegenheit freimüthig zugesagt. Von dem ^ Urkundenbuch

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zur älteren Handels- und Staatsgeschichte der Republik Venedig, mit beson- derer Beziehung zur Levante^ erschienen in Wien drei Bände, den Zeitraum vom 9. bis 13. Jahrhundert umfassend, in den Jahren 1856 und 1857.

Nach einer längeren Unterbrechung nicht sowohl der Studien, als der zur Vollendung je eines Theiles unerlässlichen, in die Feme und Weite gehenden Nachforschungen eine Unterbrechung, welche durch den Tod des eigentlichen Trägers des stets wachsenden, an Stoff an- schwellenden Planes {Tafel, unersetzlich als Gelehrter und als Genosse, starb schon 1860) veranlasst, und alsdann durch persönliche Umstände und Verpflichtungen, noch mehr aber durch den Strom der Ereignisse geboten war übernahm die „Deputazione Veneta per gli studi di storia patria" die Drucklegung des Urkundenwerks, von welcher sich die Wienör Akademie glaubte zurückziehen zu müssen, zu dürfen.

So erschien denn der 4. Band unter dem Titel Diplomatarium Veneto- Levantinum sive Acta et Diplomata res Venetas Qraecas atque Levantis illu- strantia a. 1300 1351^ im Jahr 1880, und nunmehr ist es mir geglückt, im heurigen Frühjahr den 5. oder Schlussband, vom Jahre 1351 1453 reichend, druckfertig zu stellen. Dieses Ziel, die Einnahme von Con- stantinopel durch die Osmanen, war von uns gleich anfangs als der Ab- schluss dieses Diplomatariums festgestellt worden; mit dem Einzug des Grossherm in die Kaiserpaläste von Blachernae und Bukoleon war ein grosses Geschick erfüllt und ein gi'osses Geschick vorbereitet:

un grand destin s'acheve un grand destin commence.

Der 29. Mai des Jahres 1453 ist die Peripetie im grossen welt- geschichtlichen Widerspiel zweier grundverschiedener Welten, des Orients und des Occidents, als eine solche gleich damals durchgefühlt bis ins Herz Europas, und seit dem vier Jahrhunderte lang diesen Erdtheil bewegend, erschütternd, durchzitternd, ein Drama, welches eben in un- seren Tagen zu einer neuen, wer kann es voraussagen, zu welcher Ent- wicklung sich anschickt.

Ich sagte „es ist mir geglückt", denn ich fragte mich gar oft, ob ich, seit zwanzig Jahren ganz auf mich allein gestellt, ohne jede Unter- stützung von aussen her und ohne das geringste Entgelt für allen Auf- wand an Zeit, Kraft und Anstrengung und klingenden Auslagen würde

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im Stande sein, zu leisten und zu vollenden, was ich der wissenschaft- lichen Welt mit versprochen, was ich für eine abzutragende Schuld an- gesehen hatte.

Es ist mir gelungen, eine Lebensaufgabe ist im wesentlichen er- füllt, und ich darf dabei ohne Erhebung bekennen* dass gerade unser Beginnen vornehmlich dazu beigetragen, den Kifer solch historischer Forschungen zu erwecken, namentlich in Venedig selbst die Grossthaten der Ahnen frisch und seelenvoll ans Licht zu stellen, und die rüstio:en Genossen zu vermehren, so zwar dass ein Mitglied unserer Akademie, aus den reichen Quellen schöpfend und mit langjährigem sicheren und umfassenden Fleisse sammelnd und sichtend uns in der „Geschichte des Levantehandels im Mittelalter" ein Werk zur Verfügung vorgelegt hat, welches den besten Hervorbringungen der Zeit beizuzählen ist und dem deutschen Namen weithin Ehre und Ansehen erworben hat

Wenn gleich nach Erscheinen des ersten Bandes der vornehmste Gewährsmann in diesem Bereich vor 30 Jahren aussprach: „Wir wissen wahrhaft nicht, bedarf es noch eines besonderen Fingerzeigs, oder weisen die hier zusammengestellten Documente über die Ausbreitung des alt- venezianischen Handels und über die Wege, die derselbe in kluger Wahl getroffen, nicht gleichsam von selbst auf die Bahnen hin, in welche sich die stürmische Thätigkeit der Europäer in dem sich neu erschliessenden Orient auch künftig wieder drängen wird?" so hat der Drang der Begebenheiten, deren Zeugen wir seit jenem Zeitpunct gewesen sind, mit ehernem Griffel das volle „Ja" in die Tafeln der Geschichte eingegraben, und die altvenezianische Handelspolitik, das einzige Vorbild, ist, mit Stolz und Ruhm sei es gesagt, vom Friedensgenius des neuen deutschen Reiches kräftig und herrlich vor allen anderen Gewaltigen vertreten und sieg- reich behauptet.

Ich habe oben ausgesprochen, Verträge zwischen den christlichen Handelsstaaten mit den Moslimen am libyschen Nordrand, am Nil und in Asien seien in stattlicher Anzahl vorhanden; das gleiche hatte mit den Türken statt, als dieselben von Kleinasien aus mehr und mehr sich des illyrischen Dreiecks, des byzantinischen Reichs und der in demselben gegründeten lateinischen Theilfürstenthümer bemächtigten.

Es ist bekanntlich Venedig gewesen, welches den wilden Kriegszügen

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der furchtbaren Eroberer am meisten zu trotzen hatte, es hatte auch am meisten* zu leiden und zu verlieren; das eigensüchtige, sich selbst bekämpfende Abendland brachte es, wie man weiss, nie mehr zu einem entscheidenden und gemeinsamen Vorgang gegen die* „Ungläubigen".

„II Signor castiga i maligni, sono 1000 anni la fede nostra e mai cristiani ha potuto far nulla ne unir una lega di cristiani; sappi Dio ha dato la spada in man al nostro profeta; si lege in le scriture vechie: pocho numero di gente ha frachassato gran numero quando h il voler de Dio" so ein Muselmann zum venezianischen Bailo Piero Bragadin in Constantinopel am 30. März 1525 Marino Sanuto Diarii t. XXXVIII Manuscript.

Ebendesswegen hielt man in Venedig an den alten Grimdsätzen der Vorfahren, auch gegenüber den Türken fest; man suchte ein gerechtes und friedliches Abkommen zu treffen, um dem Lebensquell der Republik den Zufluss möglich zu erhalten: der venezianische Bailo am goldenen Hörn war ein erlesener Vertrauensmann bei den Kaisern und nachher bei den Grossherm in ihren Berichten liegt auch ein kostbarer Stoff der Geschichte geborgen. Der Schlussband des Diplomatars wird alle Türkenverträge aufführen, welche bis zum Fall von Constantinopel ab- geschlossen worden sind.

Nun aber hatte Venedig nicht bloss seine orientalischen Linien, welche in regelmässiger Ausrüstung befahren wurden, die nach Alexan- dria, nach Beirut, nach Constantinopel und den Pontus Euxinus, sondern auch eine westliche, das berühmte Viagium Flandriae; die Schiffe dieses Geschwaders berührten ausser anderen Ländern auch die spanischen Häfen; so mussten gewiss auch die Verhältnisse zu den maurischen Königen von Granada in bestimmter Weise geordnet sein. So gut als uns mit den Königen von Aragonien Verträge vorliegen, ebenso ist es zu erwarten, dass mit den Nasriden, mit dem lange Zeit glänzenden Hof der Alhambra, welchem die andalusischen Seeplätze gehörten, sichere Abmachungen statt- gehabt haben.

Um einiges aus meinen Auszügen betreffs des ersteren Pimctes anzu- führen, gewährt ein Patent Johanns I. König von Aragonien 13. Januar 1390 den Venezianern freien Zugang in seinen Staaten des Handels wegen (Commemoriali VIII, 148); ein Salvoconductus von Valencia 1422

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Freiheit von allem, was andere Itali bezahlen 'ob vetustam amicitiam' (Commemoriali XI 85); ein Salvoconductus des Königs von Portugal Johann 18. Juni 1399 welchem ein Schutz- und Gunstbrief vom 28. Mai 1396 vorausgeht erhöht diese Gunst und sichert den Galeren Flanderns für Personen und Waaren Recht und Freiheit (Commemoriali IX, 30). Von Seite Frankreichs erlässt König Karl V. 19, Februar 1377 und Karl VI. 1. Juli 1395 und 3. Februar 1401 zu Gunsten der Signoria und des venezianischen Handels im Lande bestimmte Verordnungen (Commemoriali VIII, 13; IX, 16, 130.) Auch Englands Könige bleiben nicht zurück, Richard IL 17. September 1399, sein Nachfolger Heinrich IV. 4. October 1399, 4. August 1400, 3. December 1400 erweisen sich den Venezianern gewogen, und öffnen ihnen ihr Reich (Com- memoriali IX, 93. 96. 111. 152).

Dagegen ist mir während meiner langen und eingehenden Forsch- ungen in den archivalisehen Sammlungen Venedigs doch nur ein authen- tischer Handelsvertrag zwischen der Republik und dem Königthum von Granada aufgestossen, gerade aus dem Beginn des fünfzehnten Jahr- hunderts, und zwar in den grossen Copialbüchern der Commemoriali, im IX. Band. Ich habe mir von dem merkwürdigen Stück gleich beim ersten Begegnen selbst Abschrift genommen, obwohl es ausser den Rahmen unseres ürkundenbuchs fällt, aber eine gewisse innere Verwandtschaft machte mir doch den Besitz dieser Verträge werth.

Es mag nun an der Zeit sein, dieses Document zu veröffentlichen, zumal, nachdem die Hegesten der Libri Commemoriali mit dem jüngsten Band bis zu diesen Jahren vorangeschritten sind und zur allgemeineren Kenntniss vorliegen. Dieselben, von Herrn Professor R. FredelU mit löb- lichem Fleiss und braver Sachkunde ausgearbeitet, erscheinen unter den 'Documenti* der Deputazione Veneta di storia patria*

Ich habe meine vor mehr denn zwanzig Jahren gern achte Abschrift im heurigen Frühjahr nochmals verglichen, und dabei noch eine andere Copie des Privilegiums in einem Codex der Marciana beigezogen, auf welche ich mittlerweile durch eine Hinweisung bei Romunin (11 1, 335) auf- merksam gemacht worden war. Es ist dieses die sogenannte 'Cronaca Magno' aus dem 16. Jahrhundert, der cod. ital. DXVIII, classe VII, cod. 618, reich an verschiedenen geschichtlichen Auszügen, aber nicht leichthin zu lesen.

Abh. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. IFI. Abth. SO

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Dem Pact selbst geht im Liber Commemorialis ein Schreiben des Königs an den Dogen voraus; gleichenfalls im Codex Marcianus; abge- schlossen wurden die Verträge Ende Mai des Jahres 1400, durch Bernardo Contarini, damaligen Consul von Malaga und zugleich Bevollmächtigten der Republik, namens des Dogen Antonio Venier mit Muhammed VII., König von Granada (1392 1408).

Antonio Venier (October 1383 bis November 1400), ein altrömischer Charakter, „der standhafteste Patriot und der eifrigste Verehrer der Ge- setze", führte in schweren Zeitläuften, man denke, dass damals Bajasid der „Blitzstrahl" Sultan war, man denke an Nikopolis ein kräftiges lieilsames Regiment; er wusste vornehmlich auch dem Handel nach der Levante neue Sicherung zu geben, förderte den Verkehr mit Deutsch- land und errichtete neue Handelsconsulate. Er hatte auch seine Augen nach dem Westen gewendet: dieses bezeugen die oben angeführten kurzen Auszüge, dieses bezeugt in hervorragender Weise der hier besprochene Vertrag.

Im Codex der Marciana oder der Cronaca Magno sind aber ausser diesen beiden Stücken noch zwei Briefe Bemardo's Contarini an den Dogen, in seiner Eigenschaft als Consul und Geschäftsträger der Signoria an den König von Granada überliefert; auch diese sind an sich schätzbar: sie geben ein beredtes Zeugniss von der Stellung, welche Venedig damals überall behauptete und von der Achtung, mit welcher seine Sendung in diesem Falle aufgenommen wurde, und schildern uns zugleich eine Seite des Hoflebens und Ceremoniels von Granada.

Im ersten Brief, welchen Bernardo Contarini aus Malaga am 1. Mai 1400 schreibt und durch den Capitaneo der Flandrerfahrer Pietro de Viderio bestellen lässt, meldet er kurz, er sei am letzten April des Jahres 1400 in Malaga gelandet und vom Admiral der Stadt gütig aufgenommen worden. Er werde nach Abgang der venezianischen Galeren seine Reise nach Granada beschleunigen, um die ihm übertragene Gesandtschaft aus- zurichten.

Zwischen diesem Brief und dem andern vom 6. Oktober 1400 welchen der nämliche rückkehrende Geschwaderführer zu Händen erhält liegt der bald erfolgte Abschluss des diplomatischen Geschäftes Contarini's, die Unterzeichnung des Ende Mai abgefassten Handelsvertrags.

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Bernardo Contarini war, wie er schreibt, am 4. Mai von Malaga gegen Granada aufgebrochen und kam am 7. vor dieser Stadt an. Noch bevor er diese betrat, kam ihm ein Alcalde zur besonderen Begrüssung namens des Königs entgegen, mit dem Auftrag den venezianischen Ge- sandten sofort bei der Majestät einzuführen.

Contarini machte dagegen Vorstellung; er sei erstlich wegen der gebirgigen und rauhen Wege reisemüde, dann aber auch nicht in pas- sendem Anzug; er erbitte sich den Einlass zum König für den mor- gigen Tag.

Es gereicht dir, erwiderte der Alcade, zu grosser Ehre sogleich vor des Königs Angesicht zu treten, denn andere Gesandte müssen mehrere Tage verziehen, ehe sie das Antlitz des Herrschers schauen dürfen.

Daraufhin entschloss sich Contarini, in Würdigung der Venedigs Regierung zugedachten Ehre, ohne Verschub vor dem König zu er* scheinen; das Gepäck wurde auf der Strasse geöflfnet und Contarini mit seinem ganzen Gefolge kleidete sich in Staatsgewand. Mit dem Vollniachts- brief des Dogen gieng nun Contarini geraden Weges zum königlichen Schloss; dort fand er den König mit drei seiner Grossen.

Nach schuldiger Ehrenbezeugung überreichte er die Vollmacht und überbrachte die Begrüssung seiner Herrschaft. Beides nahm der König freundlich entgegen und begehrte, der Gesandte solle sofort seine Auf- träge auseinandersetzen. So geschah es. Der König bezeugte durch Miene und Heiterkeit sein Wohlwollen und hörte alles gelassen an, was der Gesandte zu sagen hatte.

Contarini schliesst mit der Bemerkung: es habe ihm geschienen, als hätte der König eine gewisse Vorliebe für das 'idioma latiuum*. Damit bricht die Copie des Briefes im Codex ab, das weitere fehlt.

Ich lasse nun die beiden Briefe des Consuls, welche das Actenstück schicklich beleuchten, diesem selbst hier vorangehen, und bemerke nur hinsichtlich des überlieferten Textes des letzteren, dass die Libri Com- memoriali als solche von historischem Werth und weil dem beglaubigten Original entnommen voranstehen; nichtsdestoweniger hat die spätere Ab- schrift im Codex Marcianus, welche auch im Dialect gewisse Aenderungen aufweist, ihre eigene Geltung, indem dem Abschreiber der Commemoriali einigemal durch offenbares Versehen Auslassungen untergelaufen sind.

80*

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Manchmal möchte man fast annehmen, e8 sei der Copie des Codex Marcianus eine andere Uebertragung der arabischen Urschrift vorgelegen, als jene in den Libri Commemoriali, Es erschien mir desswegen noth- wendig, die wichtigeren Abweichungen unter dem Text anzugeben.

Die Zugeständnisse des Königs zu Gunsten der Venezianer sind in folgende Hauptsätze zusammengefasst :

1. Die Venezianer erhalten einzig für ihren Gebrauch vom König ein Fondaco in Malaga, mit gleichem Vortheil wie die Fondachi der anderen Christen, als sichere Wohn- und Aufenthaltsstätte, sowohl für ihre Personen als für ihre Habe, sammt allen jenen, welche mit ihnen kommen oder von ihnen abgehen.

2. Der venezianische Consul in Malaga empfängt vom König als be- sonderen Ehren- und Standesgehalt jährlich zweihundert Doppel-Ducaten.

3. Die Venezianer können alle Bedürfnisse an Speisen und Trank ohne jede Gebühr in ihr Fondaco bringen, sowie es den Genuesen ge- bräuchlich ist.

4. Alle venezianischen Kaufleute, welche in das Königreich kommen oder es verlassen, gemessen an jedem Ort, wo sie absteigen, vollen Schutz und volle Obhut; keiner darf ihnen zuwider sein. Kauf und Verkauf derselben geht nach dem Brauch vor sich.

5. Verschuldet ein Venezianer irgendwo im Königreich ein Uebles, so darf kein anderer als dieser allein zur Busse stehen; man darf sich an keinen anderen als an den Schuldigen halten, keiner hat für das Vergehen anderer zu leiden.

6. Alle Venezianer, welche mit Waaren ins Land kommen, mögen sie verkaufen, an wen es beliebt, ohne jede Belästigung; die mit den Mauren abgeschlossenen Verkäufe sind giltig und einzuhalten.

7. Gibt es zwischen einem Venezianer und einem Mauren einen Streit auszutragen, so hat niemand über die Venezianer die Zuständig- keit, als der Älcalde der Burg, der Hafiz oder Oberaufseher und der Alcalde der Dogana.

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8. Alle venezianischen Schiflfe sind in allen Häfen des Königreichs beschützt und gesichert.

Leidet ein Schiflf im Hafen oder vor dem Hafen Schiffbruch, so bleiben Menschen und was sich daraus rettet, geborgen und geschützt; keiner darf sie vergewaltigen. Alle Sachen, welche im Fahrzeug gewesen sind, sowohl Kaufgüter als andere Habe, werden, wenn sie gerettet sind^ dem Schiffsherm und den Kaufleuten zurückgegeben.

Zur Ausbesserung der beschädigten Schiflfe dürfen die Venezianer von allen Eisen, Holz, Pech und Werg einkaufen.

9. Hat ein Maure oder sonst ein anderer, wer immer^ Streitigkeit mit einem Venezianer, so ist der Consul allein der Richter, und ent- scheidet den Streit nach Massgabe dessen, was ihm gerecht erscheint.

10. Stirbt ein venezianischer Kaufmann im Königreich, so kommt der Nachlass desselben in die Hände des Consuls oder desaen Stell- vertreters; niemand darf von dem Gute des Verstorbenen sich etwas aneignen.

11. Abgaben an den König haben die Venezianer die gleichen zu leisten, wie die Genuesen; d. h. ausgenommen von Gold, Silber, Perlen und Juwelen, sind zwei Procent zu zahlen und das Herkömmliche für die Dragomanen.

12. Kommt ein venezianisches Schiflf in einen Hafen und ladet die Waaren aus, so braucht die Gebühr nicht eher bezahlt zu werden, als bis die Waare verkauft ist; mit dem Verkauf aber tritt die Zahlung ein.

üebrigens sind die Kaufleute nicht gehalten, ihre Waaren zu ver- kaufen und können innerhalb zehn Monate dieselben wieder frei ruck- verladen; ist aber diese Frist vorüber, so muss die Abgabe bezahlt werden, als wären die Sachen verkauft worden.

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Urkunden.

1. Schreiben Bernardo^s Contarini, Cousuls in Malaga und Gesandten der Republik Venedig, an den Dogen Antonio Venier, d. d. 1. Mai 1400.

2. Schreiben ebendesselben an ebendenselben, d. d. 6. Oetober 1400.

8. Brief Muhammed YII., Königs von Granada, an den Dogen und die Gemeinde von Venedig, d. d. 28. des Ramadan (Ausgangs Mcu) 1400.

4. Verträge z,wischen dem König von Granada und der Gemeinde von Venedig, abgeschlossen durch Bemardo Contarini, d. d. des letzten Ramadan (Ausgangs Mai) 1400.

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1.

Liters misa Yenetijs per galeas partis Flandrie eapitaneo domino Petro de Tidorio 1400 ultimo aprilis serenissimo domino duei.

Supra scriptio: Serenissimo et exctUentissiino domino domino Antonio Venerio dei gratia

inclito duci Venetiarum,

Serenissime et excellentissime domine mi,

per presentes significo dominationi vestre me Malicham aplicuise ultimo Aprilisy et ob reverentiam dominationis vestre ah armirato civitatis fui benigne acceptus. Serenissimus dominus rex est in civitate sua Granata. Separatis galeis vestris aceleraho viam meam versus Granatam pro expeditione lega- tionis mihi impositu per excellentiam vestram.

Ad presens nil habeo dignum relatu dominationi vestre cui me humi' liter recomando.

Bernabdus Contarenus

de vestro ducali mandato ambasiator et consul Maliche,

ibi data primo madij 1400.

Estratto dalla Cronaca Magno. Parte VI. (It. Cl. VII. Cod. no. DXVIIL carte 131.)

2.

Litera misa Yenetijs dominationi per galeas Flandrie ad suam patriam remeantes, eapitano domino Pero de Tidorio die 6. octobris 1400.

Serenissime et excellentissime domine mi,

per unam^ aliam missam per viam Flandrie dominationi vestre significavi de aplicatione mea Malicha, que fuit ultima die mensis Aprilis. De Malicha

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 81

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vero die quarto Madij pro eundo versus Granatam pro expeditione lega- tionis mee discesi et ante non potui me expedire propter tres festivitates tunc hocurentes.

Aplicui Granatam die septimo mensis Madij, et antequam civitatem intrartm, pro parte serenissimi regis ohviam mihi venu quidam archaittiSy nominatus Älolasiij super forensis deputatus et pro parte regis mihi retuht, quod Serenissimus rex miserat eum, ut deberet me introducere ad pre- sentiam regiam.

Ego vero dum essem in venire, recusabani ire ad presentiam serenis- simi regis, quia fesus eram propter montuoxa et aspern itinera, et etiam quia tunc male indutus eram^ aserens, me die crastina ad presentiam regiam accedere; de vero archaitus mihi dicebat: honor magnus tibi est statim ac- cedere ante conspectum regis, quia alij ambasiatores trahunt moram per multos dieSj ante quam accedant ad videndum conspectum regium.

Ego vero his auditis honorem dominationis vestre perpendens disposui sine intervalo ire ad presentiam serenissimi regis, et in üinere aperire feci valigias meas et indui me vestimenta splendida cum omnibus de societate mea, et acepta litera credulitatis ivi recto tramite ad cästrum regium, übt inveni serenissimum regem cum tribus suis magnatibus.

Feci reverentiam debitam serenissimo regi et ei presentavi literam cre- dulitatis, salutans eum pro parte dominationis vestre; qui benigne recepit literam et salutationem vestram, et voluit, quod statim exponere deberem legationem meam. Et ego sie feci,

Vere, domine mi, serenissimus rex leto animo et iocunda fatie vidit me et audtvit pacifice omnia que dicere volui; mihi vero videbatur, quod serenissimus rex aliquantulum diligeret idioma latinum et ... ,

Bernardüs Contarenus de vestro ducali mandato ambasiator et consul Maliche.

Eetaratto daUa Cronaca Magno (It. Cl. VII. Cod. DXVin. carte 131 e 132.)

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Copia litere serenissimi regis Granate Scripte in arabico in papiro rubeo translate

de arabico in latinum.

In nome de dio sia.

De lo re de i Moriy seruo de dio e quelo che crede in dio^ Mahomet fio del signor di Mori fio de Josep fio de lo re de i Mori^ fio del re Äbdely fio del re de i Mori Josep fio del re de i Mori Ismayl fio de Naser dio lo defenda scriue a lo doxe de Veniesia che e forte caualmr e rico t de gran sangue grando como christicmo che sia al mondo homo de veritade in diti e fati

el nobele Anthonio Venier el comun de Veniesia e i zentilomeni che xe in Veniesia dio i guarda e defenda tuti

al doxe e a la comunita saludi assai.

Nu ve scriuemo de lambra alta de Granata dio la defenda e guarda da tuti pericoli gratia sia dada a dio e dia gratia a nu altri

lo me tegno contento de vu altri e per questo [rendo] gratia td doxe, gran signor e al nobele comun de Veniexia, che le vegnudo ad nu el vostro misazier el vechio \t lo honorado] e nobele e lial de tute rortesie, miser Bernardo Contarini dio lo defenda de la carta de la veritade \ ehe el doxe el comun de Veniexia a dado che se^ diebia presentar, man- dassemo che vignisse in le nostre man, el a^ dito tute cose che vu mfin- dasse^ a dir, e tute cose che vu aue ordtnadoy e no a manchado nienie.

El ne a dito de la amistade, che vu aue con nu e io el credo de tu vostra cognosama e amistade.^

Nu semo contento de zo^ cht vu dise e nu re me tegno contenU> de la vostra amistade^ e si o fato tuto qt^elo che vu aue domandado per el uostro ambnsador de tute cose che la dito dauanti di nu.

Io digo'^ a vu altri che me mande a dir de tute cose ehe vu aue di bisogno in tuto el mio regno, e tute cose che vu aue de mestier^ per vodro amor io el fare, che dio ve lassa auer ben.

1 verita Lib. Commem.

2 chel ne cod. Marc. ^ el de a L. Comm.

4 vuj have mandado cod. Marc.

b amistanza e cogfioaama cod. Marc,

6 quello cod. Marc.

7 io re dico L. Comm.

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El re saluda el doxe el coniun di Veniexia cum tuti i zentilomeni. Fnta di , XXV III. de la nostra quarexema in GbäNätä.

a tergo:

AI doxe de Veniexia grande e hon Anthuonio Venier e al comun de Veniexia e a i grandi e a i boni zentilomeni che dio dia sanita e ale- areza a tuti e dio del cielo sia cum elli.

4.

Copia pactorum inter serenissimum regem Granate et comune Yenetiarum trans-

latorum de arabico in latinuin.

In nome de dio sia.

Sapia jsascun che vedera questa carta, e chi la vedera e oldira, che

Nu re de Granata, seruo de dio che crede in dio

El re Machomet ßo del nostro signor Josef fio del re Machomet fio del re signor Josef e fio del re Ismail^ fio de Naser ^ re de Granata e de Malicha e de Ronda ^ e de Zabeltar ^ e de Älmeria e de Bera e de Basta e de Godis, re de Granata e re de i Mori^

chel vene a nu el mesazier del doxe de Veniexia, gran signor nabele 6 ben vouido da tuta la zente e quelo che'^ tuto el mondo parla ben per elo, misier Anttwnio Venier, doxe de Veniexia e vardaor de tuta soa zente^ tl mesazier del comun de Veniexia Bernardo Contarini, a portado carta del doxe e del comun de Veniexia^ scrita in latin con el so segno su la soa letera,

el fo dauanti da nu^ per le parole chel^ ne voleua dir per parte vostra^ e credessemo a la parola del vostro mssazier Bernardo Contarini^

el domanda da nu la paxe e la amistade entro vu e nu, e fi con elo^ la paxe bona e ferma per sempre, e cosa veriteusle^ che no i se puo'^ mudar. e vegna^ seguri tuti i Venetiani in nostra terra e in tuto el nostro

1 Romda cod. Marc. 5 esso cod. Marc.

2 Zubeltar cod. Marc. 6 veriteuel cod. Marc.

3 e quelo per el quaX cod. Marc. 7 non se puo cod. Marc.

4 el cod. Marc, 8 e pero vegna cod. Marc

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regno, per mare per terra, e con le persone e con lumr^ e con tute merca- dantie, e con tuti i vostri nauüij, e con tuti compagni vegmra cum vo^-itri nauüij de vostra terra e de terra stramiera, che sia suxo i vostri nauilij de tute cose che entro vu e nu.

El vostro mesazier ne a dito^ tute, cose che vu domande e domandu nostra cognosama. e nu credenw le parole che^ ne a dito e credemo ehel dixe veritadcy e auemo fato con esso la paxCy e con nw doxe e con el comun de Venieada e con i aentüomenij e con tuta vostra ze'tüe e con tuto HO che sia da vostra parte,

Nu lauemo fato per nu e per nostra zente e per tuti queli che xe de soto del nostro regno. e che non sia algun che osa dir contra vu altri, e comandassemo chel se fesse questa carta.

E nu receuemo le cose vostre soura de nu, conie receue Bemardo Contarini vostro mesazier le nostre cose soura de lu.

E questo fato xe soura de nu re e de vu altri^ io lo receuudo e fato intro nu e vu altri.^

1. La prima rosa che vu domande, sie che nu dehiemo^ far un fon- tego in Malicha a pruo de li fontegi de li altri chridiani^j che sia per Venetiani sola mente, e chi i stia e habita segura mente la soto lomhru de lo re, e tuti sia seguri de le persone e de lauer, e con tuti queli che sera con vUj 0 che se partira da vu, tuti sia seguri per la parte del re e de li pati che entro vu e nu.^

2. E volemo chel consolo che sera qua per vu, habia CG dohle doro da nu per cadauno anno '^, e questo femo per honor e cortesUK

3. E volemo che tute cose che ve besogna per vostro mamnr e per vostro ber, vu le posse meter intro lo vostro fontego senm pagar alguna cosa, como e usama de i Zenouesi

1 clui dito cod. Marc.

2 chel cod. Marc. »

3 e questo fato se fara de nu re et de vu altri si che lo receuudo e fato tuto intro cu et nu cUtri in questo modo cod. Marc.

4 nu ve dehiemo cod. Marc.

5 a pruo dt altri fmiUgi di idiri criaiiani cod. Marc.

6 e questo e di pati cniro vu e nu cod. Marc.

7 hahia al anno da nt^ dtMe ^00 doTQ cod. Marc.

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n

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4. E Uäi i mercadanti che vegna o^ vada per lo nostro regno^ che sia defendudi e guardadi in ogno luogo lache i desmonta, e non sia nesun^ che i ofenda e che i venda e compra^ segondo vsanza.

5. E sei sera algun dt vostri che faza mal in tuto el mio regno, che non sia dada pena a altri cha luy solo, e che non possa domandar a altri cha a colui^ che aaera fato el mal, e che algun non hahia mal per lo pecado de altri.

6. E tuti gmli che vignera con mercadantia, possa vendere a chi^ i plaxera senza algun inpazo. e che i mercadi fati con i Mori sia con- seruadi. ^

7. Anchora sei vegnira alguna deferentia tra Moro e Venetian, chel non sia algun che hahia lihertade soura i Venetiani, excepto lo archayto dd castello, e lafizo, e lo archayto de doana,

8. JE che tuti vostri nauilij sia guardadi e defexi in tuti nostri porti E se algun vostro nauilio naufragasse in porto o fuor de porto, che le

persone e zo che se recatasse, sia salue e segure, e che algun non faza forea. E tute cose che fasse in nauilio '^, cussi de mercadantia, como de auer, tute cose che se recatasse, sia dade al paron e a i mercadanti. e che i possa comprar da tuti feramenta^ ligname, pegola e stopa per reparation de i suo nauilij.

9. E se algun Moro ouer altri, che se sia, auera deferentia con algun Venetian, chel consolo solo sia zudexe, e debia defenir le diferentie, como i parera che sia zusto,

10. E volemo, che se algun mercadante Venetian morira in lo nostro regno, che i beni del 7norio peruegna in man^ del consolo , ouer chi sera per lo consolo, e che algun non possa prender de i beni del morto.

11. E volemo, debie pagar el nostro dreto como paga i Zenou^si^ ex- cepto de oroy arzento, perle e zoye 2 per cento debie pagar del dreto, e la usanza de la turzimania.^

1 over cod. Marc.

2 aJgun cod. Marc.

3 e che i possa vender e comprar cod. Marc.

4 a queJlo cod. Marc.

5 vendere quell a a chi cod. Marc.

6 obseruadi cod. Marc.

7 in el nauilio cod. Marc.

8 in le man cod. Marc.

9 trucimanaria cod. Marc.

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12. E volemo che, sei vegnira alf/un nuuilio al porto che descarga de le mercadantie^ chel ^ non sia tegnudo a pagar el dreto infina che ^ non auera vendudo la mercadantia, e se el vende el^ pciga.

E che i mercadanti non sia streu a vender, e possa recargar le soe mercadantie infina . x . mexi^, e da puo passado el dito termene, debia pagar el dreto, como se le cose fosse vendude.

E al doxe e al comun de Veniexia dixe, che questi e li pati^, che e fati con lo^ vostro mesazier, zentilomo Bemardo Contarini

e atiemo receuudo questo e soura questo e fato la paxe, e femola con tuti del nostro regno'^, e soura questo^ demo nostra verüade, e nu otigne- remo ben e guardaremo la puxe^ e semo certi di questo, e hauemo fato^ scriuer a questi testimonij in . 2 . carte scrite in arabesco, e in tute. do. auemo scrito de nostra man, e femo testimonianza per nu medemi, e in cadauna^^ de le nostre carte auemo messo la nostra bola

e si lauemo fate con testimonianza ^ ^ e scrite con testimonianze del cadi, che e suora tuti i cadi del nostro regno.

E una de le carte saluemo per nu e laltra demo al vostro mesazier. e per questo sia seguro cadaun vostro che vora vegnir al mio regno.

Scrita questa carta del nostro comandamento in Lämbrä ^^ de GbäNäTA del tempo che le fata a ultimo di^'^ del nostro ramadan in anno. 802.^^ segondo usanza di Mori. e testimonij ^^ de nu e del vostro mesazier Ber- nardo^^ Contarini, siando turzimano^'^ veriteuole entro nu el^^ vostro mesor- zier, e a testimoniado qua Laguzi,^^ grando homo apresso el^^ re.

1 el cod. Marc.

2 fina chel cod. Marc.

3 chel cod. Marc.

4 mexi . 10 . cod. Marc.

5 86 pud dire che questi e i pati cod. Marc.

6 ü cod. Marc.

7 e auemo receuudo questo soura de nu e hauemo fato la paxe cum vuj nuj re cum tuti quell che soto el nostro regno cod. Mar.

8 soura di questo cod. Marc.

9 e ado che vu sie piu certi di questo, hauemo fato cod. Marc.

10 zascuna cod. Marc.

11 con testimonianza oin. cod. Marc.

12 in lalta ambra cod. Marc.

13 giorno cod. Marc.

14 ai anni del profcta 802 cod. Marc.

15 e siando testimonij cod. Marc.

16 e/ honorado B. cod. Marc.

17 trucimano cod. Marc.

18 entro vu e nu el cod. Marc.

19 lagrizi cod. Marc.

20 dd cod. Marc.

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E testimonij se di questo Ahenasym} e testimonia sora questo el tesorier del re che nome Anbesuba.^ e testimonia Mahomet Älcnysy^^ cadi sora i cadi. e lo re scriue cum sua man^, tuto esser vero como e scrito.

I sourascriti pati fo fati in Granata in lanno de Christo 1400 adi ultimo mazo.^

1 Abenasim cod. Marc.

2 Anbensuba cod. Marc.

3 Älcham cod. Marc.

4 cadi sora i cadi del notttro regno^ el re scriue de sua man cod. Marc.

5 hoc addit cod. Marc.

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Erläuterungen.

Der König von Granada gibt sowohl in seinem Briefe an den Dogen von Venedig als in der Einleitung zum Text des abgeschlossenen Vertrags, wie es Her- kommen war, seinen Stammbaum an. Man hat dabei Zweierlei zu beobachten:

a) Die in Granada herrschende Dynastie heisst die der Nasriden, weil der Gross- vater des ersten Königs Na$r hiess; jeder einzelne Fürst dieses Hauses nannte sich ibn Na§r, ^den Nasriden";

b) von den zwölf Fürsten Granadas (1237 1492), welche Muhammed hiessen, führte jeder den Beinamen Abu Abdallah ^ Vater des Abdallah**, weil es in der Familie herkömmlich war, dass jeder Muhammed seinen Erstgebornen Abdallah nannte, während jeder, welcher Jüsef hiess, den Beinamen Abul-Haggäg führte, weil er immer seinen Erstgebornen el-Haggäg nannte. Kommt also in einem Document Abü- Abdalläh als Name eines Fürsten von Granada vor, so muss dessen wahrer Eigen- name Muhammed sein.

Im ersten Schreiben nennt sich Muhammed (der VII. dieses Namens und der 12. König in der Reihe der Herrscher Granadas) den Sohn, beziehungsweise den Ab- kömmling der vier Könige Jüsef IL, Abdaly, d. h. Abü-Abdalläh, d. i. Muhammed (V.) und also steht im Eingang des Vertrages Jüsef I. und Ismail I. Weitere Ahnen, die wirkliche Könige waren, hatte Muhammed VII. nicht; um mm aber wissen zu lassen, dass weder er noch seine Väter Usurpatoren waren, sondern Glieder des Herrscherhauses der Beul Nasr „der Nasriden", nennt er sich schliesslich in beiden Schriften noch *fio de Nasr' „den Nasriden* ; er sagt nicht *fio del re Nasr , wie bei den vorausgehenden Ahnen, denn ein König dieses Namens war keiner seiner Vor- fahren. Zwar hiess der vierte König von Granada auch Nasr mit dem Beinamen Abül-Gujüs (Djujüsch), aber dieser gehörte einer Nebenlinie an.

Diese und andere Weisungen verdanke ich einem stets bereiten und trefflichen Genossen, einem lieben ehrlichen Freund.

Es erscheint mir statthaft, sowohl die Reihe der Könige von Granada als den Stammbaum der Nasriden bis auf Muhammed VII., den Urheber dieser Schriftstücke, in einer Beilage am Schlüsse anzufügen, weil unsere Urkunden daraus sich anschau-

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 82

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lieber erklären, die einschlägigen Bücher aber nicht jedem zur Hand sind. Ich benütze dazu „Makkari the history of the Mohammedan Dynasties in Spain by Pascual de Oayangos Vol. II p. XCV (Appendix*), woselbst ein ,6enealogical tree of the Ben Nasr, kings of Granada" gegeben ist und »Inscripciones arabes de Granada par Z). Emilio Lafuente y Alcdntara'^, welche p. 78 fiF. sowohl ,1a cronologia y örden de sucesion de los reyes de Granada *^ als ein ,,Cuadro genealögico de la familia Nasrita" enthalten.

Wenn sich Muhammed VII. im Pactum selbst König von Granada, von Mal^a und Ronda, von Gibraltar und Almeria, von Berja und Bazah und von Gadix nennt, so haben wir damit eine geschichtliche ümmarkung des damaligen maurischen König- reichs, welches schon zur Zeit Abulfedas auf die südlichen Theile von Granada und Andalusien zwischen den Gualdaquivir und die Meeresküste zurückgedrängt worden war.

„En ce moment la plus grande partie de l'Andalos est sortie des mains des musul- mans, et les chretiens s'en sont rendus les maitres. . . II ne reste plus au pouvoir de rislamisme que le royaume de Grenade et ses dependances, telles qu' Algeciras et Almeria. Le roi de Grenade, connu sous le surnom de Ibn-Alahmar, est vivement presse par les Francs, et il n'a de secours ä attendre de personne.* Geographie d'Aboulfeda . . par M. Reinaud tome II. p. 240.

Von Malaga berichtet ebenderselbe (p. 250) : Malaga . . dans la partie meri- dionale de l'Andalos. . . La province de Malaga est entre Celles de Seville et de Grenade, sur les bords de la mer du Detroit ; eile abonde en figues et en amandes.

Von Almeria und Bera (p. 254): Almeria est ime ville . . de TAndalos, entre les provinces de Malaga et de Murcie. C'est une ville muree et situee sur les bords de la mer du Detroit. On peut dire qu'elle est (pour le commerce) la porte de la partie Orientale de la presqu'ile et la clef d'abondance. Elle a un territoire d'argent, une cöte d'or pur et une mer d'emeraude. Ses murs sont eleves, sa citadelle est haute et d'un accös difficile, son air est tempere. La soie qui entre dans ses fabriques de- passe tout ce qui est employe dans les autres villes.

Au nombre de ses dependances sont . . . . la ville de Berja (Berdje) et la ville Andarax (Andarakä).

„All authors agree in saying that the inhabitants of Almeria were at one time the wealthiest people in all Andalus, and those who carried on the most extensive trade.** Makkari (by Gayangos I, 50). »Some of the districts surrounding Almeria deserve mention. One of them is that of Berjah (Berja), when lead is to be found in great abundance. Its capital Berja is situated on a very pretty river whose banks are covered with trees and flowers.** (Ebendort I, 53).

Basta (Baza) wird von Abulfeda unter den von Granada abhängigen Städten auf- geführt (p. 254): nous citerons . . parmi les dependances de Grenade, la ville de Baca (Bägha) qui abonde en eaux ayant le propriete de se petrifier; le territoire de Baca est riebe en safran et en raisins. Wegen der Umgestaltung von Basta in

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Baza s. Gayangos zu Makkari I, p. 345 Note 64: the chanore of st in z is fre- quent in Spanish; so from Basta, Castulo, Sarakosta, Castalla, were made Baza, Cazlona^ Zaragoza, Cazalla.

Ronda zählt Abulfeda zu den Bezirken von Sevilla (p. 235): Seville a sous sa dependance un grand nombre de cantons, dont la plupart sont situes au midi du Gua- dalquivir . . Parmi ces cantons sont ... celui de Ronda. Nach Makkari (by Gayangos I, 42) gehörte Ronda früher zur Gerichtsbarkeit von Cordova: ^the cities formerly belonging to the Jurisdiction of Cordova were Ezija, Bolcun, Ronda" etc.

Der Brief des Königs an den Dogen trägt das Datum ,fato di XXVIII. de la nostra quarexema in Granata*, das Pactum ist ausgestellt ,a ultimo di del nostro ramadan in anno 802 segondo üsanza di Mori* ; der 28. de la quaresima ist der 28. des muselmännischen Fastenmonats Ramadan der ultimo del Ramadan ist der 29. oder 30. dieses Monats; die zweite Urkunde ist also um einen oder zwei Tage später geschrieben.

Nach Dr. Ferdinand Wüstenfelds Vergleichungstabellen der muhammedanischen und christlichen Zeitrechnung p. 34 fällt das Jahr 802 Muhammeds zwischen den 3. September 1399 und 26. Mai 1400; die Urkunden von Granada würden demnach auf die Tage des 24. und 25. Mai zu setzen sein. Dazu s-timmt freilich die Note des Codex Marcianus am Schlüsse des Vertrages nicht ganz, welche aussagt: i soura- scriti pati fo fati in Granata in lanno de Christo 1400 adi ultimo mazo. Es wäre denkbar, dass das Datum 'a ultimo di del . . Ramadan' diese Uebertragung auf den christlichen Monat veranlasst hat.

Was die im Vertrag gegen den Schluss vorkommenden Eigennamen anlangt, so ist der Name des betheiligten Dragoman Laguzi der Codex Marcianus bietet Lagrisi zweifelhafter Natur; die Zeugen Abenasym und Anbesuba sind wohl ehrende Beinamen Abi (= Abu-) Nasim und Abi-Subäh „Vater des Nasim und Vater des Subäh.** Mahomet Alcaysi, der dritte Zeuge und ^cadi sora i cadi' ist Muhammed al-Kaisi, „Muhammed der Kaisid* (aus dem Geschlecht Kais). Die Familie *Kais* wird viel in der Geschichte dieser Dynastie erwähnt: vielleicht war sie dem Herrscherhause selbst verwandt; denn in der Geschichte des Ibn - el - Chatib war Kais der Vater des Nasr, des Stammvaters der Dynastie. Auch hatte der König Jüsef I. zwei Söhne Isma'il und Kais, von welch letzterem wohl auch dieser Ober- richter oder Justizminister Muhammeds VII. abstammen konnte.

Archayto im Artikel 7 ist venezianisch statt alcaito, das spanische alcalde, arabisch al-käid dux exercitus, Heerführer; dann überhaupt Präfect. Lafizo ist das arabische häfiz der Autbewahrer, Oberaufseher : »afice, Zollaufseher auf Seide, arabisch iaiLiI alhäfiz Bewahrer, Aufseher.** Marc. Jos. Müller^ die aus dem Arabischen in das Spanische übergegangenen Wörter, Sitzungsberichte unserer Akademie 18C1. II p. 97. ^Hafiz (haiz, afice) inspecteur le Timpöt sur la soie a Grenade, de jas\,^ (häfidh) qui signifie en general inspecteur.*^ Glossaire des mots espagnols et portugais deriv^s

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de l'Arabe par JR. Doey et W. H. Engelmann p. 283. Lehrreiche Bemerkungen über die Namen der Würdenträger bei den maurischen Herrschern Spaniens gibt die Ein- leitung p. 1 und p. 129 der Artikel ^Algu^cil . . vizir** im genannten Werk.

In anderen Documenten mit Tunis und anderen Staaten heisst der Aufseher der Dogana meistens näeir^ bisweilen auch nwscerif; vgl. Ämari diplomi arabi p. 401, p. 483.

Der diplomatische und Handelsverkehr zwischen Granada und Genua, auf welchen in einzelnen Sätzen unseres venezianischen Vertrages Rücksicht genommen wird, reicht gut auf ein Jahrhundert früher hinauf; einen Friedens- und Handelsvertrag zwischen Abgesandten der Bepublik Genua und dem zweiten König von Granada aus dem Stamme Nasr, Muhammed IL vom Jahre 1278 hat Süvestre de Sacy bereits 1827 in den Notices et Extraits vol. XI, p. 26 32 veröflFentlicht. Unter den Artikeln dieses sehr ausführlichen Instruments, welches mehrfach mit dem venezianischen zu- sammenzuhalten ist, gibt folgender Satz zu den Artikeln 7 und 9 einen Anhalt, er lautet:

Si Sarracenus conquereretur de Januense vel dicto Januense seu qui pro Januense se distringat, quamvis in Janua non habitaret, debeat cognosci et diffiniri questio per consules Janue;

et si Januensis seu qui pro Januense se distringat, conquestus fuerit de Sarra- ceno, forum rei sequi debeat coram Caito doganae, ita quod questiones diffinientur et diffiniri debeant infra dies quindecim a die litis motae seu lamentationis factae (p. 28).

Diese auf einen unparteiischen Entscheid einer Klage abzweckende Rechtsanord- nung zieht sich durch viele Verträge zwischen den Christen und Moslims hindurch.

In einem Vertrag zwischen Pisa und einem König von Fez und Marocco vom Jahre 1358 findet sich folgendes merkwürdige Capitel:

e questo e il capitolo undecimo, lo quäle havete domandato:

che se alcuno mercatante pisano habesse quistione con un altro Cristiano d'altra lingua, che sia la quistione dinanzi del vostro consolo; salvo che se la quistione fasse grande che portasse pondo, che vengha a sententiarla al cadi della terra.

E quando nel luogo non havesse consolo e la detta quistione fusse, che la veggia tra loro lo aveli (i. e. il wäli) de la terra, e sino lo signore del castello. Et habbia- movelo conceduto questo.

£ quando la quistione fusse dal Saracino al Cristiano, che torni alla r^one de' Saracini e de' loro cadi.

Anuvn p. 311 und die Noten p. 476, welcher hervorhebt, dass dieses das ein- zige Diplom der Meriniten von Fez sei, welches sich gefunden hat.

Schon im Vertrag Venedigs mit dem ersten Mamlukensultan Aegyptens, Melek Moys, im Jahr 1254, tritt die obige Rechtszuständigkeit klar und kurz hervor:

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Capittdum. Item quod, si aliquis Sarraceniis clamaverit se de aliquo Veneto, diffmiatur causa ante consulem Venetorum.

Et si aliquis Venetus proclamaverit se de aliquo Sarraceno, diffiniatur ratio ante illum qui fuerit loco Soldani ; et potestatem habeat consul faciendi rationem inter ipsos.

Urkundenbuch von Venedig II, p. 487.

In besonderen Fällen steht der Beschwerdeweg zum Sultan selber oflFen : gleich das nächste Capitel des angezogenen Vertrages von Venedig mit Melek Moys sagt daher:

Item si aliquis Venetus receperit tortum aliquod in terra Alexandriae, consul Venetorum habeat potestatem mittendi suas litteras ad Soldanum de clamore. Et ipse Soldanus praecipiet fieri inde rationem.

Aehnlich bestimmt ein Vertrag zwischen Venedig und dem Sultan Melek Nasser vom Jahre 1302:

Item si alicui Veneto fieret tortum, et consul Venetiarum mittere vellet ad Sol- danum, quod Cadhy dare debeat ei ductorem et litteras, ut consequi valeat rationem suam. Diplomatarium Veneto-Levantinum p. 6.

Noch ausführlicher gibt dieses ein Vertrag vom J. 1345 mit dem Sultan Ismail:

Item, si aliqua molestia seu tortum aliquod in Alexandria fieret Venetis, tunc ille, qui tenebit dominationem ibi pro Soldano seu vicarius suus, ad requisitionem consulis Venetorum seu mercatorum, qui molestiam substinerent, dare teneatmr con- ductorem eidem consuli seu mercatoribus, qui conducat ipsos coram domino Soldano, ut ipsi valeant consequi rationem: qua consequuta per dictum conductorem reduci debeant in Alexandriam; et si praedicti vellent tantum litteras suas domino Soldano mittere, similiter dare eisdem portitorem teneatur. Ebendort p. 293.

Eine besondere Begünstigung der Venezianer enthält der zweite Satz des Ar- tikels 12, in Betreff der Frist, wonach ausgeladene, und binnen zehn Monaten nicht verkaufte Waaren abgabenfrei rückverfrachtet werden können.

Eine ganz gleiche Bestimmung steht mir aus keinem Vertrag zu Gebote ; obwohl über das ^caricare et discaricare' naturgemäss vielfach und allgemein verhandelt wird.

Doch kann zuvörderst beigezogen werden, was den yenezianem in einem Capitel des oben angeführten Vertrags mit Melek Moys (p. 487) zugestanden ist:

Item, si aliquod navigium Venetorum devenerit in terram Aegypti et totum suum regnum, ubi dominatur Soldanus, et habuerit mercimonia, de eo quod ven- diderint, solvant inde dricturam.

Et si vendere noluerint, potestatem habeant eundi; et non toUatur eis drictura aliqua nee ulla ratio, si ipsi non vendiderint.

Am nächsten alsdann möchte kommen, wenn es in einem Vertrag der Floren- tiner mit dem Sultan von Aegypten vom J. 1422 also heLsst:

. . i mercatanti fiorentini . . possino carichare et nullo possa ritenere lo caricho delle mercatantie.

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Et che delle nnri che vengono nelli porti del soldano carichate, possino schari- care queUo ch'elle vogliona. Et di quello che non volessono scharicare, non sieno teiiuti iie aforaati di acharicare.

Et che delle mercatantie che scharichano, non sieno tenuti di pagare lo comerchio, insino che non äuno venduto.

Amari p. 34 L

Es dünkt mir eine ehenso anziehende als fruchtbare Aufgabe för den Fachmann, den Kenner des Handelsrechts, wie Herrn Gölischmidt^ die verschiedenen Satzungen der gesammelten , geÄammt^n Handelsverträge zwischen Christianem und Moslims sowohl ihrem Inhalt nach unter sich zu vergleichen, als nach dem Geist des inter- nationalen Verkehrs und dem Inbegriff des allgemein giltigen Handelsrechts zu be- iirtheilen und einzuordnen \ ich meinte', aus einem solchen Studium mflssten Ergebnisse hervorgehen, welche heute noch schätzbar und verwendbar erscheinen würden.

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Beilagen.

1.

Die Dynastie etr-Ahmar oder Naar nach dem Alinlierrn Okaii ibn Nasr

el Alimar.

1. Muhammed I. Abu-Abdallah 1238 (1232 ausgerufen) 1273.

2. Muhammed II. Abü-Abdallah el-Fakxh 1273—1302.

3. Muhammed III. Abu-Abdallah 1302—1309.

4. Nasr Abul-Djujusch 1309-1314. *5. Ismail Abul-Welld 1314—1325.

6. Muhammed IV. Abü-Abdallah 1325—1333. *7. Jüsef I. Abul Haggag 1333—1354.

8. Muhammed V. Abü-Abdallah

das erstemal 1354—1359. das zweitemal 1362-1391. dazwischen

9. Imaxl II. 1359—1360 und

10. Muhammed VI. Abü-Abdallah 1360-1362. *11. Jüsef IL Abul-Haggäg 1392. *12. Muhammed VII. Abü-AbdaUah 1392—1408.

13. Jüsef lll. Abul-Haggäg 1408—1417.

14. Muhammed VIII. Abü-AbdaUah 1417-1427

und wiederum 1429—1432

und zum drittenmal 1432 1445.

15. Muhammed IX. (As-saquir) 1427—1429.

16. Muhammed X. ibn Osman 1445 1454.

17. Saad Abu 1454—1465.

18. Ali Abul-Hasan 1465—1482.

19. Muhammed XI. Abü-Abdallah 1482—1483.

20. Muhammed XH. Abü-Abdallah 1483-1492.

Bemerkung: Die mit * bezeichneten Fürsten erscheinen in den t'rkimden nl« Ahnen Efiniga Muhammed VII.

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6S8

2. Stammbanm der Nasriden von Granada bis auf Mnhanmied YII.

Nasr Jüsef

1 Muhammed L Abu Abdallah

I

2 Muhammed II. Abu Abdallah

el-Fäklh I

Ismail

3 Muhammed III. Abu Abdallah

Faraj

I I

10 Muhammed VI. Abu Abdallah

4 Nasr Abul- Djujüsch

Abu Said Faraj

I

*5 Ismail I, Abul- welid

6 Muhammed IV. Abu Abdallah

*7 Jüsef I, Abul-Haggäg

*8 Muhammed V. Abu Abdallah

I ♦11 Jüsef IL

Abül-Haggag

*12 Muhammed VIL Abu- Abdallah.

9 Ismatl IL

Kais

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üeber die

Homerreceusiou des Zenodot.

Von

Adolf Römer.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. lU. Abth.

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üeber die Homerrecension des Zenodot.

Eine neue zusammenfassende Untersuchung und Beleuchtung der ersten Homerrecension im Altertum dürfte vielleicht nach den bereite vorliegenden teilweise sehr tüchtigen Vorarbeiten ein sehr gewagtes Unter- nehmen sein. Wenn jiun auch die gegenwärtige Arbeit nicht gerade eine fühlbare Lücke in der philologischen Litteratur ausfüllt, so waren doch manche Gründe für mich bestimmend, dieselbe gerade in dem jetzigen Zeitpunkt aufzunehmen und zu veröffentlichen. So zuerst und zunächst die unverrückbar in mir feststehende Ueberzeugung , dass eine kritische Untersuchung und historische Würdigung der Bedeutung, Wirkung und Nachhaltigkeit der philologischen Tätigkeit Aristarch'e ganz notwendig basirt sein muss auf einer genauen und gründlichen Kenntnise der Leist- ungen seiner beiden Vorgänger sowohl in Kritik, wie Exegese. Nicht als ob die Missgriffe, Irrtümer und Fehler derselben die Richtung der Studien Aristarch's allein und ausschliesslich bestimmt hätten: Seine Tätigkeit war ja eine viel umfassendere ; wohl aber wurde er durch dieselben zu vielen guten und erfolgreichen Untersuchungen angeregt, wovon heute die Scholien des Aristonicus an so vielen Stellen ein beredtes Zeugniss ablegen. Ja auch da, wo dieser Bezug nicht ausdrücklich angegeben, müssen wir in mancher anscheinend unbedeutenden und auf den ersten Blick trivial klingenden Bemerkung uns bemühen, den leitenden Gedanken aufzusuchen und werden da mehr wie einmal auf Zenodot geführt. Aber die Er- reichung dieses Zieles ist nur dann möglich, wenn wir, soweit es die Lückenhaftigkeit unseres Quellenbestandes gestattet, uns eine genaue KenDt- niss von den Vorzügen, wie den Mängeln der Ausgabe des Zenodot, sowie von den ihn bei der Fertigung derselben leitenden Grundsätzen verschaffen.

Aber auch den zweiten, weit wichtigeren Vorteil gewährt eine kritische Durchmusterung sämmtlicher uns überlieferter Lesarten j Athe-

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tesen, Interpolationen Zenodots, dass wir nämlich bei unbefangener Prüfung und Vergleichung der Lesarten desselben mit denen Aristarch's viel eher und leichter ein sicheres und bestimmtes Urteil gewinnen über die hand- schriftliche Autorität und diplomatische Beglaubigung, die den beiden sich entgegenstehenden Varianten zugesprochen werden muss; denn darüber lässt sich durchaus nicht sicher von Fall zu Fall entscheiden, sondern nur von der Höhe eines Standpunktes, der die ganze Methode, das ganze System der kritischen Tätigkeit beider Männer immer im Auge behält und dabei immer erwägt und sich vergegenwärtigt, wie sich die- selben gleich von Anfang an tler handschriftlichen üeberlieferung gegen- über gestellt haben. Da nun über diesen letzteren Punkt in neuerer Zeit Ansichten aufgestellt und auch verbreitet worden sind, die den klar zu Tage liegenden Tatsachen gröblich ins Gesicht schlagen, so hielt ich eine neue Untersuchung um so mehr am Platze, als Laien oder doch solche die den grammatisch-kritischen Studien ferne stehen, an dieses neue Evan- gelium glauben und diesen untrüglichen Glaubensartikel gottbegeistert ver- künden und in die Welt schicken. Bekanntlich hat ja Nauck seinen Feldzug gegen Aristarch damit inaugurirt, dass er der philologischen Welt ein gar feines Mährchen auftischte, in welchem der Vater der ersten Homerausgabe im Altertum die Rolle eines engelreinen, aber dummen und unfähigen Librarius spielt, in welchem derselbe bis zur ruhigen und sicheren Höhe der philologischen Unschuld eines Gulielmus de Moerbecke verklärt ist. „Es ist bekannt, bemerkt Nauck in den Melanges Greco- Romains n p. 323, dass unter den Schreibern der Codices diejenigen, welche gedankenlos den ihnen vorliegenden Text, auch wo er sinnlos entstellt war, wiederholten, im Allgemeinen eine bessere Grundlage für die Kritik bieten, als halbunterrichtete Verbesserer, die auf eigene Hand zu helfen suchten und durch Uebertünchung der Fehler die Auffindung der ursprünglichen Textesgestaltung in den meisten Fällen unmöglich machten. Ganz ähnlich ist das Verhältniss zwischen Zenodot und Aristarch."

In der Homerlitteratur ist man sowohl in der sogenannten höheren, wie in der niederen Kritik an starke Stücke gewöhnt, ich muss aber gestehen, dass ich doch seit Jahren einer stärkeren Leistung nicht be- gegnet war. Ich bebe noch ganz von dem niederdrückenden Gefühle,

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das der krasse Subjektivismus des Zenodot auf mich gemacht hat. Darum will ich vorgreifend nur so viel sagen und ich denke im Folgenden dafür die Beweise zu erbringen: Bei entgegenßtehendeG Lesarten der beiden Kritiker mag vielleicht an einem Dutzend von Stellen die bessere handschriftliche Beglaubigung mit aller Mühe und Not für Zenodot nach- gewiesen werden können. Aber sonst und hier stelle ich mich so gut wie Nauck auf den Standpunkt der modernen Philologie taucht aus der Masse der verfehlt abcorrigirten und übenl reist geänderten Les- arten, aus der Menge der mit niaasßloser Kühnheit ausgesprochenen Athetesen, aus dem Wüste höchst unij^eschickter Interpolationen, aus dem krankhaften und höchst unglücklichen Gedanken der Verkürzung und Zusammenziehung der schönsten homeriechen Verse, kurz aus dein ganzen philologischen Treiben Zenodot's steigt ein ganz anderes Bild vor unseren Augen auf: das Bild der ungesundesten und kühnsten Hyperkritik, die im Altertume an den Werken des göttlichen Sängers geübt wurde. Und diesen Mann stellt man also, um einigen wirklich guten Lesarten desselben Eingang zu verschaffen, auf gleiche Lmie mit einem dummen einfaltigen und darum glaubwürdigen Abschreiberj den Mann, der schon das ganze philologische Rüstzeug mit einer Kühnheit, einer Vermeasenheit, einem Selbstbewusstsein handhabt, die dem Texte unseres Dichters die tiefsten Wunden geschlagen. Ich muss gestehen, ein Philologe, der es heute so machen würde, wie Zenodot es in einer geradezu erdrückenden Ueberzahl von Fällen gemacht hat, er hätte das Recht verwirkt, in unserer Wissen- schaft ernst genommen zu werden*). Und dennoch wir finden heute

1) Wenr wir auch nicht alle Urteile, wie ai« im Altertum gegen Zenodot laut ^jeworden sind, unterschreiben, so muss man doch gesti^hen, dasH die Alten von meiner ganzen Art und Weise eine yiel vernünftigere und richtigere Anschauung gehabt haben, ah sich in dem Urteile von Nauek manifestirt. Schlagender und treffender ist sein Verfahren aber nicht gekennzeichnet worden^ als durch die boshafte Parodie von Dionysius Thrax zu fJ 94. Statt der schönen warnenden Worte des Achilleus:

/Ulf tK" dn^ OvXvjLkTtQio 3tö>f anyittitiatv

ifAßrifi ' fjLoktt Tovg yi ^iln ivdfgyoc 'J^rollmy

dJiXd näkty rpioTidffS-aii d^-^v ifiiüf eV yijt^amy

^ijpf, rot/f 6i t^ idt* nt^Siiiv Petita ^ij^datrS-ai*

Statt dieser schönen durchaus tadellosen Worte Buhrieb Zenodot:

/Lttj ff* dnofjLovytü&^vxa {dnoyvjuyiu&ftna^ ^^ßu ^o^vSaidloi "^aertup

und da war denn Dionysius Thrax der Meinung, er hatte gleich schreibeti kdnni^n: fiif ff* dnof^otyuj&iytfc ddxff ico^v&niaXü^ f^xriu^.

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seinen Namen in jeder adnotÄtio critica, die auf wissenschaftlichen Wert Anspruch erhebt. Nun, ich denke, das mit vollem und gutem Rechte: Zenodot ist ja der erste eigentliche Philologe gewesen, er hat die philo- logische Kritik, möchte ich sagen, aus der Taufe gehoben, in ihm erlebt die schönste und höchste Seite unserer Wissenschaft die Kritik ihre Sturm- und Drangperiode. Also fort mit dem ebenso unwahren, als unglück- seligen Vergleich mit einem armen und verkümmerten Librarius, dem seine Dummheit das Recht auf Glauben erwirkt: Zenodot ist Zenodot, eine feste, ausgeprägte, bestimmt markirte Persönlichkeit, mit Verstand, mit Fleisch und Blut begabt und keine Schreibmaschine. Und wären seine Fehler und Missgriffe auch Legion, Zenodot ist doch der Mann gewesen, der Schäden der Ueberlieferung zuerst erkannt und aufgedeckt, wenn auch meistenteils höchst unglücklich geheilt, der sich zuerst auf dem schwierigen Felde sprachlicher Beobachtungen versucht und gewisse Normen und Grundsätze aufgestellt hat, nach denen er seine Ausgabe eingerichtet.

Diese leitenden Principien und Gedanken, soweit sie noch aus unserem ziemlich traurigen Quellenbestande zu erkennen sind, herauszufinden, und darnach sowohl Lesarten, wie Athetesen zu ordnen, habe ich als meine Hauptaufgabe betrachtet. Einzelnheiten, die da nicht unterzubringen waren, konnten entweder nur gelegentlich zur Besprechung kommen oder mussten in einem eigenen Kapitel abgehandelt werden. Auf Vollständig- keit konnte ich um so eher verzichten, als mein Hauptbestreben ja dahin ging, die kritischen Grundsätze des Zenodot aufzufinden, so dass ich genug getan zu haben glaubte, wenn dieselben durch einige schlagende Beispiele erläutert waren.

Doch bevor wir zu unserer eigentlichen Aufgabe übergehen, müssen wir einige Worte über unsere Quellen vorausschicken, die Werke des Aristonicus und Didymus. Beide Grammatiker participiren jedoch nicht mit gleichen Teilen an dem Quellenbestande, sondern die weitaus überwiegende Mehrzahl der Nachrichten verdanken wir dem Aristonicus, Mit diesem haben wir uns also zuerst und vorwiegend zu beschäftigen und dürften daher folgende Sätze zur besseren Orientinmg am Platze sein.

1) Gestützt auf die Commentare Aristarch's übt Ari- stonicus eine strenge, scharfe, manchmal sogar unge- rechte Kritik an Zenodot, Der Ton der Polemik ist kein besonders

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höflicher. Wie begegnen da Ausdrücken wie j^ekolog 7' 74 yelolor ^100 yekoiujg ß 42 nrri&mg ß 404; ganz gewöhnlich ist der Ausdruck xaxwg ^80 y 362 (T 162 (?) ^ 137 l 249 ete.; äm^dvws A 129 B 299 ani»avw B bb sind noch gnädig. Seine wirkliche oder vermeintliche Ignoranz und Ungeschicklichkeit wird mit folgenden Prädikaten bedacht: ayvoBl Ab^ Ar610 77 243 697, ayvodiv ß 634 JT 274 i?222, riyvoriaB 7 458 N 148 d 379, riyvlrrixs A 158 163 0 138, oiJ yo^aa«; z/ 123 ^^ 297, /ii? voTjOag AT 98, ov ow'eig y 229, ot5 avviSihv y 400^; dSidyorjTov wird seine Lesart genannt 77 153 ^ 413 FT 202 P 51, äkoyov P 153. Lobend erwähnt meines Wissens Aristonicus den Zenodot niemals, nur gelegent- lich greift die Polemik einmal zu einem milderen Ausdruck wie ^339 aavfi(pwv(og Se rfj iniTiki^^ii (paid ifiog av vvv Uyoizo, £128 A^68 crv ÖBovTiDg, 77 748 ßeXriay, a 337. Ganz vereinzelt ist der Fall, dass ein- mal zur Stütze einer Athetese Aristarch's Aristonicus die Autorität des Zenodot angerufen hat, wie Ö 535 . . . 6 Se Zrjrodorog rovg nganovg TQelg ovSi tYQa(pBVj wenn uns hier der Epitomator keinen Streich gespielt, cf. 0 528.

Schon längst hat man erkannt, dass an manchen der hier aufge- zählten Stellen dem Zenodot bitteres Unrecht getan wurde, und es war daher nicht schwer, denselben gegen diese harte Polemik in Schutz zu nehmen und das Unzutreffende derselben nachzuweisen.

Und wer wird denn dem Aristonicus im Ernste glauben, dass Zenodot nicht gewusst haben soll, dass bei Homer der Infinitiv für den Imperativ eintreten kann, wie er tj 222 /'458 bemerkt, dass Zenodot über die Be-

2) Zu den Versen y 400

nag 6* Sq* fvfÄfAeXlijy niMlargatoy, oifxa/jLoy dy^gtoy, OS ol 6t* i^iSfos naiSfoy ^y iy fA§ytt(ioiaiy

wird in den Schollen bemerkt und auch von Lud wich geschrieben: ol a^ot yvyaixag I'/oi;«t<i'. 6i6nfQ ov avytStoy 6 ZrjyoSoroc to ^iXoji^xyoy tov noujTov tovs dvo atixovs nfQiiygatpfy. Wie kann der Umstand, dass der Dichter, um dem Telemachus den richtigen und passenden Begleiter zu geben, den Sohn des so hochbetagten Nestor unvermählt darstellt, ^iXortxyoy genannt werden? Das ist doch ganz unmöglich, richtig scheint dagegen, was hier in imseren Codd. gelesen wird: tftXorexyoy. Nämlich der glückliche Gedanke, die glückliche Fiction von Seite des Dichters, alle andern Söhne verheiratet, nur den Peisistratos unvermählt darzustellen. Das kann doch kaum anders gegeben werden als mit dem Ausdruck (piXdjtj^yoy, der in den Schollen des Aristonicus durchaus nicht vereinzelt ist und auch an einer andern sehr bezeichnenden Stelle gegen Zenodot ins Feld geführt wird B 681 . . . tov 'Of^i^gov (piXotix^***^ taantg n(toot/nialofAiyov ^ , .

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deutung von aikcDg 21 584 nicht im Klaren gewesen sein soll , dass er nicht gewusst haben soll, was atS^ovaa ist F 11 y 399. Ich könnte da noch eine ganze Reihe von Bemerkungen aufzählen, die beweisen, welch niedriger Standpunkt ihm in dieser Kritik angewiesen worden ist. Nichts ist stärker, als der folgende Fall. Zenodot liest nämlich:

iV 609 sy^og* 6 Si (pgealv fioi x^9Vj ,^«y« ^ijknezo vixriv O ^77 (og B(paT* evxo/Lteyog, fieya 3*€xXvb fijjriera Zevg,

Wenn also dem Zeugnisse des Didymus zu trauen ist, liest er in beiden Versen /Ltfya, beidemal falsch nach unserem Ermessen; denn ho- merisch müsste es ja fxdla heissen. Und nun hören wir einmal Dionysius Thrax bei Didymus ß 1 1 1 . , . er yap T(p negl noaatriTiov xadixTirexai Ztjvo- dinov wg riyvorixirtog oti %(jo j^fitya^ dvrl xov fifyaXüig XffiTKfog anoxQffrai. na^i* o Stj xard xiva rdßv vno/iyrjfiaTioy fiereilfjtp&ai rb „ueya*^ dyrt xov fisydixog. Also entweder Didymus hat uns an den beiden Stellen voll- ständig falsch berichtet zu welcher Annahme aber durchaus kein Grund vorliegt, oder aber Aristarch oder vielmehr seine Schüler haben sich die Sache sehr leicht gemacht

Wie weit sich Aristarch selbst diesen Ton angeeignet und damit seinen Schülern voranging, lässt sich bei der Mangelhaftigkeit unserer Quellen kaum mit Sicherheit nachweisen, Pluygers (De Zenodoti canninum Homericorum editione, Programm v. Leyden 1843) p. 4 hat sich wenigstens bemüht, denselben von aller Schuld frei zu sprechen und die scharfen und teilweise ungerechtfertigten Ausdrücke aus der ganzen Anlage der Arbeit des Aristonicus zu erklären: „Quae vero argumenta Aristarchus e diligenti Homerici sermonis observatione petita attulerat, ut lectionem firmaret, quam e pluribus ejusdem fortasse auctoritatis elegerat, rationemque daret, quare a Zenodotea recensione recedendum esse censeret, ea Ari&tonicus, quae quodammodo adversus Zenodotum proposita essent, arj fielov Aristakrchi explicans retulit, et brevitati studens solenni quasi formula Zriro- ^oxog YQd(pBi .... dyyoriaag .... comprehendit." Gerne wollen wir diese Möglichkeit zugestehen, und es soll auch nicht ge- läugnet werden, dass wir doch auch wenigstens einige, wenn auch wenige Anhaltspunkte aus unsern Scholien dafür anführen können. Allerdings

(]

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liegt dabei der missliche Umstand vor, dass wir auch hier nicht mit absoluter Sicherheit über die mehr oder minder wortgetreue Wiedergabe aus einem Commentare Aristarch's entscheiden können.

So 77" 507; iefierovg (poßhaS-ai^ insl Xinev aQfiax^ avaxrmv

a) Didymus: dia rov 7 „kiney*^^ ineiS'^ a^ffiara xäv dyaxxwv ileiipS-riaay, rjiyrifxddifiaav. Ztivodorog dt dta lov ö „Xinor*^ :

b) Ariston.: aii ZrjvoSarog y^aipei j^inel iLnov^^ ayvoäv ori t6 y^Xinev^ yvv ovx sOTiv ivixoyj alXä dyaXoyoy rd) ileicpß^aay rd aff/uaraj dione(} j^xoG/LLTlS-ev^ (r 1) xal j^noifiivog d(pQadijiai duTfiayev"^ (/7'354), dyTi rov diBTfjidyriaay,

, Freilich ist das Scholion des Didymus ein Textscholion , also ver- kürzt, aber es ist doch bezeichnend, dass das Prädikat dyyovlyy nicht gewählt ist.

Auch in dem ausführlichen Scholion des Didymus zu A^ 349 hören wir kein Wort des Tadels; leider können wir das daselbst erhaltene Scholion des Aristonicus nicht heranziehen, weil es zu sehr verkürzt ist; hier hätte er wohl eher Recht gehabt, ein onsif dyyorjoaytsg etc. anzu- bringen, und so mag er auch anderwärts einen viel energischeren und kategorischeren Ton angeschlagen, ein xaxüg, ov xaläg, yskoiivg hinzu- gesetzt haben, wo in seiner Vorlage in ruhigem und gemessenem Tone die abweichende Lesart mitgeteilt und widerlegt worden war.

Aber wie dem auch sein mag, wir dürfen kaum dem Zenodot einen so niedrigen Standpunkt anweisen und müssen uns daher von dieser Art der Kritik freimachen und uns immer nach andern Gesichtspunkten um- schauen, die vielleicht an solchen Stellen für ihn maassgebend und entscheidend waren.

2) Ein zweiter hochwichtiger, aber ketzerischer und verpönter Satz muss zur Orientirung hier ebenfalls hervorgehoben werden: Aristarch war über die Lesarten, Athetesen, Interpolationen des Zenodot vollständig genau unterrichtet und wie mir scheinen will, durch Autopsie, da er die Ausgabe des Zenodot „gewiss nicht bloss von Hörensagen" gekannt hat. Demnach hat derselbe auch in seinen vjiüuyrijuaTa genau darüber referiren können. Daher verdient Aristo- nicus, wenn er diese vno fivrifiai a des Aristarch als seine Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X VH. Bd. lU. Abth. 84

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Hauptquelle betrachtet und secundäre Quellen nicht heranzieht, mehr Glauben, als die Berichte anderer, die sich nicht auf diese Hauptquelle allein stützen, sondern noch andere aus andern weniger verlässigen Quellen ge- schöpfte Mitteilungen geben.

Es muss in der Tat eine etwas eigentümliche Auffassung ganz selbst- verständlicher Dinge herrschen, wenn man nur mit einer gewissen Scheu einen Satz auszusprechen wagt, der sich so von selbst versteht, wie das schwarz schwarz, und weiss weiss ist. Leider muss ich zu meiner Be- schämung gestehen, dass ich selbst durch einen Mann, der diesen Studien vollständig ferne stand , zum Glauben an das Mögliche, Natürliche und Vernünftige bekehrt werden musste. Dieser Mann war der alte Spengel. Bekanntlich gab. er sich in den letzten Jahren seines Lebens viel und ^em mit der Lektüre des Homer ab. Er gebrauchte da die wunder- schöne Ausgabe Wolfs in Grossfolio, üeber die Maassen köstlich waren seine Notamina über die homerische Frage. Ihn, den genauen Kenner der Rhetorik, interessirte und begeisterte vor allem die n^fsaßtia. Ich weiss nicht, was der alte Herr getan hätte, wenn ich eine andere Rede als die dem ri&og des Ajas so wunderbar angepasste für die beste erklärt hätte. Diese Rede musste einem Manne, wie er nun einmal war, weitaus am meisten gefallen. Das Gespräch wendete sich bald auf alte und neue Commentatoren. Da war Spengel nicht wenig überrascht, von niir zu hören, dass weder Aristonicus noch Didymus das Original der Ausgabe Aristarch's in Händen hatten, obwohl er es, wie er sagte, in seinen Vor- trägen immer so genommen. Aber da war Spengel nun auch rasch re- solvirt: „Wenn nun dem so ist, so sind Sie so vernünftig und nehmen den ganzen Plunder und werfen ihn in's Feuer; denn mehr ist er nicht wert*. Das Urteil ist allerdings rasch und hart. Die kaum geniessbaren Ari- stotelescommentare mögen Spengel auch vorgeschwebt sein, aber es ist doch durch und durch gesund und vernünftig! Anders stellt sich aber die Frage bei Aristarch selbst! Dass er nämlich den Zenodot falsch ver- steht, ist möglich, dass er ihn gar nicht versteht, ist auch möglich, dass er ihn aber in allem Ernste nicht ordentlich kennt und über seine Lesarten nicht genau und sicher unterrichtet ist und sich dennoch abmüht und abringt mit der Widerlegung derselben, ist eine reine ün-

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möglichkeit. Dieses Opfer des Verstandes kann ich nicht bringen und bin demnach der Ansicht, dass Aristarch im Besitze der Ausgabe des Zenodot vollständig genau über seine Arbeit unterrichtet war, gegenteilige Nach- richten oder Mitteilungen, woraus man das Gegenteil schliessen könnte, sind als unverbürgt und apokryph abzuweisen. Vergleichen wir daher einmal die üeberlieferung, wie sie in unsern beiden Quellen vorliegt zu

-TS?:

TW ^' oi yoxpeiovTtg din^g xal noXifioio,

Dazu bemerkt Aristonicus : oti Ztivodoxog ygatpsi o^aiovr eg . bXtb dh /jera nolvv XQ^^^^ noQfVOfisvoi ijß^eler axovnv eire jusrä nokvy XQ^^^^ axovorreg, iphvdog' fv&eiog yap dxovaarreg WQfirjaay. xal rb y^6\ffd^ dvelXti- viaxov . ovTu) yap uu)&b Xiysir j^oipt di dtj fieresine^ (H 399). Nach diesem Berichte stellt sich die Sache also: demnach sah Aristarch im Originale der Ausgabe des Zenodot die Buchstaben: OWAIONTES^ Spiri- tus- und Accentzeichen fanden sich an dieser Stelle nicht; denn sonst wäre Aristarch über die Deutung nicht im Zweifel gewesen; wenn er gerecht war und das war er hier, so gab es für die Erklärung dieser Buchstaben nur 2 Möglichkeiten, entweder oxpa lorreg oder oi//' diovrsg. beide sind von Aristarch versucht und beide als unzulässig abgewiesen worden. Und dabei könnten wir uns auch beruhigen. Da kommt uns aber das Scholion des Didymus in die Quere: 'A()iaraQxog (priai Zrjyoäoroy yifacpsiv y^oxpaiovTBg*^ , 6 dt ^Em&hrig UroXs^alog „toJ ^' o% y ov xpav- ovTsg^, xal loyor (prialv exeir rrjr ypayiyv. Also da hören wir auf einmal von einer ganz anderen Variante, von einem wahren Kleinod „ov iffavovreg^. Da giebt sich also der arme unglückselige Aristarch alle erdenkliche Mühe, aus den Buchstaben des Zenodot Worte, aus den "Worten Sinn zu ermitteln: und nun stellt sich auf einmal heraus o Jammer das war vergebliche Liebesmühe: Zenodot hat ja gar nicht so geschrieben und gelesen, sondern ov iffavovreg. Ich will mich darüber nicht lange aufhalten und bemerke daher:

1) Aristarch hat ganz gut gewusst und wie man hier sieht, aus Autopsie gewusst, was Zenodot las. Das waren die Buchstaben oder Worte, die uns Aristonicus überliefert; die zweite Variante ov ^favomeg hat dieser bestimmten Nachricht gegenüber keine Gewähr. Denn wenn Aristarch nicht von vornherein in der glücklichen Lage gewesen wäre, sich über die

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Lesarten seines Vorgängers genaue und richtige Kenntniss zu verschaffeB, dann wäre er auch von Anfang an so vernünftig gewesen, eine so ver- zweifelte Arbeit wie die Widerlegung derselben nicht in Angriff zu nehmen.

2) Die Variante ov xfjavoyreg können wir uns mit der grössten Wahr- scheinlichkeit erklären. Wenn Zenodöt in der oben angegebenen Weise von Aristarch widerlegt war, blieb den Feinden des Aristarch nichts anderes übrig und Ptoleraäus führt ja den bezeichnenden Beinamen o 'Enid^hijg als zu Erdichtungen zu greifen und sie möglicherweise auch in einige Exemplare der zenedoteischen Recension einzuschmuggehi : eine solche und nichts anderes ist das ov tpavorrsi;,

3) Ich habe viele schlechte Sachen von Zenodot gelesen; allein das ov xpavoyjBg traue ich ihm doch nicht zu; denn es ist homerisch ganz unerhört, und wenn der edle Ptolemäus diese Lesart mit der Bemerkung begleitet: xal koyov f/f/, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn der Vater sein Kind nicht verläugnet.

4) Wenn Aristonicus dieser verlogenen Schulweisheit keinen Zutritt in sein Werk gestattete, dann ist das nur zu loben, weil er schon eine sehr vernünftige und anerkennenswerte Kritik geübt hat.

Darum macht er auch seine Mitteilungen über Zenodot mit aller Bestimmtheit, wir lesen immer, in Ilias wie Odyssee, ganz bestimmt, oti Zrivodonog y()d(psi, TJ&frtjxer; nur eine einzige Stelle scheint dem zu wider- sprechen E 249 250 ... doxfl dh ZrivoSarog tovtov scal rov iSfjg i^S-sttj- xivaij aber ich möchte hier für den Auszug nicht einstehen; denn in der- selben unbestimmten Weise spricht sich Didymus aus zu f 500 . . . o ^f *AQiaraQxo^ . . . (^oxn dSsTfly rov SsvreQov arixov, während Aristonicus auch an dieser Stelle mit aller Bestimmtheit spricht.

Indem wir also daran festhalten, dass Aristarch vollständig genau über Zenodot's Ausgabe unterrichtet war, so dass uns Aristonicus mit einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel ausschliesst, über dieselbe be- richten konnte, müssen wir als dritten wichtigen Satz hervorheben:

3) Wenn auch Aristarch über den wirklichen und vor- liegenden Tatbestand vollständig im Klaren war, so war er über die Gründe, die seinen Vorgänger zu Aender- ungen, Athetesen, Interpolationen bestimmten, fast voll- ständig im Dunkeln und musste dieselben meistenteils

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durch Combination zu eruiren suchen und.hat da auch manchmal, wie wir sehen werden, fehl gegriffen.

Die Sache, so auffallend sie scheinen mag, erklärt sich aus folgenden aus unseren Quellen sich ergebenden unläugbaren Tatsachen: Zenodot hat nämlich ausser seiner Ausgabe und seinem Glossenwerke Nichts Schriftliches hinterlassen, das Aristarch und anderen Grammatikern als sicherer Führer hätte dienen können. Dieselben waren daher bei der Eruirung der Gründe so gut, wie wir, auf Vermutungen angewiesen, deren Stichhaltigkeit zu prüfen unser Recht, ja unsere Pflicht ist. Das erkennt man leicht, wenn man folgende Stellen des Aristonicus einer ge- naueren Betrachtung unterzieht: H 127

og TKTtB ^ slffo/ierog fiiy^ iyi^S-eer (p ivl oXxip ndrrwy ^Agysiior b^eiov yeverjv re roxoy re

las Zenodot statt fiey^ syri^sey jueydV karerep (/ifya d^Barevev A, aber schon Spitzner vermutete richtig: jj^sya^) und nun fährt Aristonicus fort: «1 av (pareQOQ iartr drej^yioxiog „/i€i(}6fievog^^ olov aT€(}6fisvog, 6 äs XtfiTjQog t6 u€i(}saS-at ovx im rov ariQea&ai riS-TjOi, dkk^ int xov (xb^L- ^BO&ai ^xal i]fiiav fiBigBo rififjg^ (/ 616). ^Sor ovv BlpSfiBvog, ^(i«rrc3y. Daraus ersieht man, dass Accent- und Spirituszeichen an dieser Stelle fehlten, und dass also erst durch einen Schluss von dem jUB^dk^ BarBVBv die von Zenodot angenommene Lesart fiBiQüiuerog ermittelt werden musste. Nicht anders ist die Sache M 295 ff.

avzixa J' danida /ufv Jigoad^ box^to ndvrod* iiarjv xaXtjr x^^^^^V^ B^rjkarov, i]y «per x^^^^^

TJkaOBV

Hier las Zenodot statt rjkaaBr i^ikaa^ und da ist bei Aristonicus weiter bemerkt: ov (pavBQog iari ro nQoxBiuByov yjikiog dvByvioxcog i^i^karov. (fei Si SaöBiog, %va d^i&iiog ^rjkcoS^fi. Demnach musste auch hier erst durch Combination eruirt werden, wie er das EZHAJTON gefasst wissen wollte und man kann sich da nur freuen^ dass er es nicht so gefasst hat, wie Aristarch. Dasselbe ist auch der Fall mit * 335

Bioojuai iS dkoS-BV /«ÄfTT^r OQOovaa &VBkkay

rj XBV dno T()(oiop XB(pakdg xal tbvx^o. TCtjai

(pkByjua xaxoy (po(}Bovaa.

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Hier schrieb ZQnodot statt bgoovaa ogaaaa. Daraus schliesst nun Ari- starch mit Recht: sx äi rovrov (pavsQog iari dedsyfiByog %o eiaofiai yvaHJOfiai xai to i] xev an 6 Tqwcdv ipiXdig areyycDXiog, ov ßovkerai da yviSvai, a}Xa noQCvd^rai xaraaxevaaovaa.

Indem ich auf M 346 und ^37 verweise, will ich noch K 114 zur Besprechung heranziehen:

fj J' äfjLvdig arriaaaa &eovg jtierä fivS-ov eeiney

las Zenodot S^sovg ^sla ^(ooyrag. Daraus schloss nun Aristarch: «1 ov (pavi(}6g iari xaxa ro ns^iana fitvov dveyvooxwg rj d^ äfivd ig^ %v^ /} «(^, wg ixel rj xal xvav eija iv {^ b28). rjyyotjxB di, ori ini rioi nQOBiQTjfieyoig ri&frat 7ta(/ XfutjQqf ro 17, ovx iv oi(fxfl i^ov. Der Schluss ist ganz richtig und unabweisbar, noch wichtiger aber ist die Tatsache, dass Aristarch einen solchen Schluss machen musste. Man ist daher nicht wenig überrascht, bei Didymus zu lesen . . , „ZrjvodoTog Si nB^fiianaoB xai Bifjilmaav, ^rifia ixde^djiuyog, 6/ioi(og r(p „17 xal xvayfjjoiy*^ {A 528); die Sache kommt allerdings auf dasselbe heraus, aber der Bericht ist doch mindestens in- sofern ungenau, als er in uns eine falsche Vorstellung erweckt von der Ausgabe des Zenodot, wie sie Aristarch vorlag. Auch Herodian spricht M 295 in derselben Weise, wie Aristonicus: 6 Sh Zrjyodorog, ipriaiy (näm- lich 'A()iaTa(}xog)y soixe \pildig n()0(psQea9^ai , ixdexoueyog T17V i^kaafji€yt]y, ovx ev. So las Zenodot y 444:

llBQOevg Sdfiyioy «l/f.

Wenn Aristarch nur die Ausgabe Zenodof s hier ansah, so konnte er gar nicht wissen, wie derselbe las, ob S^ dfiyioy wie wir, oder dduyioy. Darum musste er sich nach einer anderen Quelle umsehen, von der uns Aristonicus berichtet: ZrjyodoTog dt iy ralg dno d ylioaaaig xiS^riai rfjy Xs^iv. Wenn nun also Aristarch an diesen und ähnlichen Stellen durch die Einrichtung der Ausgabe Zenodots gezwungen war, erst durch Con- jectur zu ermitteln, wie und was er gelesen wissen wollte, so werden wir uns dementsprechend nicht wundern dürfen, wenn an einer grossen An- zahl von Versen, die Gründe, die Zenodot etwa bestimmt haben können, nur vermutungsweise von Aristonicus mitgeteilt werden, wie A 63 B 553, 641 J 104, 548, y 230 etc. Im Gegenteil könnte man eher auffallend finden, dass an anderen Stellen wieder mit aller Entschiedenheit und Be-

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stimmtheit gesprochen wird, wie A 117 B 532 579 580 /'27 98 ^88 /'423 etc. Darf man da auch manchmal misstrauen, so muss doch mit W. Ribbek (Philol. VIII p. 653) mit allem Nachdruck daran erinnert werden, dass Aristarch vermöge der üeberlieferung durch Aristophanes denn doch besser über manche Gründe und Motive des Zenodot unter- richtet sein konnte, als wir heut zu Tage. Eine so maasslos kühne kritische Tätigkeit, wie sie durch Zenodot besonders in dem Kapitel der Athetesen und Zusammenziehungen inaugurirt worden war, rausste ja von sich aus schon zur Forschung nach den Gründen reizen, ein so ent- schiedenes und eingreifendes Auftreten geriet nicht so leicht in Vergessen- heit, es muss weite Kreise gezogen haben; und unter solchen Verhält- nissen ist eine Tradition durch Aristophanes sehr wohl denkbar und erklärlich. Darum müssen wir auch an manchen . solcher Nachrichten festhalten, weil ihnen eben noch eine gute Tradition zur Seite stehen kann. Wer könnte heute die Aenderung Zenodots «93 285 /?359 (5^702 KQTftriv für SnaifTriv erklären ? kein Mensch ! Schwerlich auch Aristarch, wenn er darüber nicht eine Art üeberlieferung gehabt hätte, die es ihm eher möglich machte. So hören wir darüber bei Aristonicus zu y 313, wo Nestor zu Telemachus spricht

yMl av^ (pLlog, uri dri&a dofioyy äno ifiV dXdkrjao

mit einer Bestimmtheit, die jeden Zweifel auszuschliessen scheint ovrog 6 Tonos dvensioe Zrjyo^oroy iy rolg tibqI rfjg dnodrifxiag TrjXefiaj^av dioXov TTiy K{)^Trjr ivarn rrjs Sndqrrig noulv, oierai yap ix roi^ury zdry koyio7' xard To aiWTKOjueyoy (?) dxrjxoFvat roy NiaxoQa na^d zov TtjXefiaxov , an xal dkXaxoae 7TS(fi rov nar{fog nsvaofxevog naQsaxBvaaro nXelv. (fio xal iv rfl d ^aipuj^iq (93) iy^aipe j^Tiiiuipa} (T ig K^rfftriy re xal ig Uvlov tj/ua' S-oevTa^ xal fj l4&rirä dkXaxov „n^fiora uh ig TIvXov iXS^s, xslS-ev (\) (J* ig Kq^Tjy TB 7ia(i 'idofABvfia ävaxja, dg yap (fetnaTog ^X&ev Id^oti^v ;faA;fo- Xirwvix}y^ (a 284)^). So hätte ich auch aus diesem Grunde nicht den

3) Wenn Zenodot nun « 284, 285 las :

X€i$-fy 6*4^ l^n^v*' w nag* 'l^ofisr^a awaxta'

80 steht man geradezu vor einem ^tsel und ist sprachlos yor Staunen üher die Kühnheit einer solchen Aenderung. Auch alle Versuche, auf eine andere Art, als die Alten die Sache zu erledigen,.

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Mut, den von Aristonicus so bestimmt angegebenen Grund zu der Athetese von * 538 539

ai ^i n^raa&Biaat TBV^av q>dog ' avrctQ IdnolXiov

dvriog i^^'3^o(f€, Tqohjjv %va koiyor dXahcoi als unifiutreffend abzuweisen, so sehr man sich auch sträubt, seiner An- nahuie zu folgen; üti Zrivodonog rovg arixovg i]&htjxe, yeXoloy fjyovfiBvog (fia nvXrig qnDri^snS-at rriy nokiy rov navrog tonov kvaiS^^fiov ovrog. Xey^i (fi „Tft'^öF (fdüg*^ m*7t rov t^v aantKjiav rolg (pevyovai inoirjaav wg bv rm jfipoojg (P ira^otan^ n^rjxev ävdga ßakcir^ (Z 6). Dabei ist doch auch zu bedenken, dass Zenodot gleichfalls die Worte in 77 95

dkXa Tialiv x^fionäo&aiy in^r (paog iv VTjsnai

gestrichen hat.

Wenn wir nun auch daran festhalten und die Bestimmtheit der Mit- teilungen uns aus dem angegebenen Grunde erklären, so verhehlen wir uns aber durchaus nicht, dass wieder an anderen Stellen Aristarch resp. Aristonicus, wo sie eben rein nur auf Vermutungen angewiesen waren, entschieden fehl gegrififen haben und das selbst an solchen, wo man ihren Ansichten meines Wissens bisher auch nicht den leisesten Zweifel entgegengesetzt hat. Nichts ist bekannter, Nichts ist sicherer, als dass Zenodot äid to dn^f^mg eine ganze Reihe der allerschönsten Verse ge-

erwieäen sich un^ troti^x wiederholter Bemühunfsreti als erfolglos, bis mir eine überraschend ge- ecbeite Antwort einen meiner Schüler eine Handhabe bot. Ja wie kam denn Zenodot nur dazu, dfm IdomeneuH tih ,«<1en n Her letzten** von Troja heimkehren zu lassen? Diese Frage habe ich niir oft rergeblich gestellt. Und nun bin ich auch überzeugt, dass man an eine „Oretica editio** (cf. Düntzer p. HM| nitbt deuken darf, die Lösung ist vielmehr eine viel einfochere und mir auf folgende Weise emiö^lickt worden. Ich stellte nämlich an meine Schüler die Frage, was in der öngirten Erzählung des Ody^seus y 256 286 besonders auffallend erscheinen müsse. Da wurde diijin Hofort hervorgehoben, dass nach der Schilderung 269 und 270 die Flucht des Odysseus rein unbegreiflich aei! Ein anderer aber bekämpfte die Fiction, die in 259 ff. gegeben ist und zwar f^hr geschickt und durchaus logisch. Odysseus also tötet den Sohn des Idomeneus

ovvixä /Äi otiQfaat rjf }>fjf'6os ^&(Xe naa^f T^itß i tc6og

Wie kann dan pausen und diese Argumentation ist schlagend nachdem bereits 10 Jahre nach dem trojamEchen Kriege verflossen sind? Und das und Nichts Anderes hat sich auch 7.enodot vorgehalten: um nun üebereinstimmung zu erzielen, den Idomeneus als den Sfvraioc von Troja s^urüekkebren lassen.

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strichen hat. Aristonicus giebt diesen Grund auch an und die meisten Neueren haben sich ebenfalls seiner Ansicht in Betreff Zenodot's ange- schlossen an folgenden 2 Stellen, ^88 ff. /'423ff. Die Verse ^88 von Athene

Uavdaifov avTi&Bov (fi^TjjLteri], €i nov i(pev(joi.

BV(}e jivxaovoc: viov a/uviuord re x^fareQov rs

hat Zenodot zu folgendem Verse zusammengezogen

ITavSaQov arriS-eor diQri^ivri, bvqb dt rov^s.

Der Grund wird von Aristonicus angegeben: Soxwv ap&^fwnivov ro T^ijtbIv elvai ' xaraXsloine d& xo y,di^7jfi€yTj^. Aber das ist rein unmöglich. Das Scholion hebt ja mit den Worten xaraXiloine dt ro ^SilQrifxivri^ selbst richtig hervor, dass mit der Aenderung der genommene Anstoss durchaus nicht entfernt ist. Darum ist es also ganz sicher falsch, hier als Grund ein dnQtjitg anzunehmen; denn dann hätte Zenodot das di^i]fisyt] ganz gewiss entfernt oder entprechend geändert. Anstössig war ihm entweder die Wiederholung des tvgt in so unmittelbarer Nähe von i(ptv(}oi oder, wie wir später sehen werden, dass dasselbe Wort t(ptv{fOi nicht ganz unver- ändert in der indikativischen Form icptvQt aufgenommen wird. Aber Alles eher als ein dn^tnigl

Aber vielleicht hat es auch mit dem von Aristonicus zu /' 423 so sicher statuirten eine ganz andere Bewandtniss. Die Verse:

d/jKpinoXoi fitv imira S-owg im t(fya r^dnovro^ fi ^elg vipoQocpov &dkafiov xit dla yvvaixior. rfi ^ä(fa diipQOv iXovaa (piXo/ifitidrig ^AtpifoSLiri dvrP *AXt^aySQow &td xartS-rjxe (ptQovaa. kyS-a xa&VQ 'EXtrrjy xovqti Jtog alym^oio

hat Zenodot zu folgenden Versen zusammengezogen:

dfKpLnoXoi fxiv tmira d^owg inl sffya r^dnovro. avrfi S^ävrLov V^tv ^AXe^avS^oio äyaxrog oaae ndXiv xXivaaa noaiv ^^vinant fAV&(p

der Gtund wird angegeben: än^tnig yap atJrcp icpairtto ro Tfj 'EXtyrj rriy jicpQO^iTrjy SiipQov ßaardl^tiy. iniXiXtjarai dt ori j^^at tixaOTai xat xaxnji Tfj fioQipfl TiQoarixoyra n^daati. Ich frage mich und andere, was

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVn. Bd. III. Abth. 85

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niuss dieser Zenodot für ein kurzes Gedächtniss gehabt haben! Ich frage ferner, was wird der gute Zenodot mit den Versen in der Odyssee und besonders im zweiten Teile derselben angefangen haben, wo die Athene so vielfach die Kolle einer Dienerin übernimmt! Das kann also unmöglich der (irund 2U dieser kühnen Aenderung gewesen sein. Nun ich möchte ihr auch nicht das Wort reden, aber die Gedanken, von denen Zenodot aus- gegangen, sind andere und wenn mich nicht Alles trügt, ganz aus- gezeichnete. Von der in eine Alte verwandelten Aphrodite lesen wir /'385ff,:

y^r/t iff utv iixvla naXaiyevBX n^foahmer

i]nxtit' H()ia xaXd, aahara Si /iiv (pikhaxey.

Sie hat also die Gestalt einer Dienerin angenommen; wenn nun der Dichter sagt V. 423

dfKpiTioXoi jiuv ensira S^odig enl i'{yya x^anovro

was hat denn da so argumentirt Zenodot ganz verstandesmässig scharf die Alte noch zu thun, ihre Rolle ist ausgespielt und sie soll dem- nach thuHj was die andern autpinokoi eben auch thun, gar nicht zu reden davon, das» sich vielleicht nach der Ansicht Zenodot's die nun folgende so einzige und so eigenartige Scene besser ohne Zeugen abspielt. Ein finyfnfg war ea aber sicherlich nicht, das denselben zunächst zu dieser Aenderung veranlasste.

Indem wir uns also immer gegenwärtig halten, dass zwar die Alten über manche Punkte genauer unterrichtet sein konnten, wie wir, aber bei dem gänzlichen Mangel von erläuternden, von Zenodot's Hand geschriebenen Coiiimentaren, eben so gut wie wir der Gefahr des Irrtums ausgesetzt waren, werden wir, so gut es geht, entweder an der Hand der Alten, oder durch eigene Combination die Gründe und Motive, die für Zenodot bei der Gestaltung des Textes maassgebend gewesen zu sein scheinen, zu eruiren und unter allgemeinen Gesichtspunkten zu betrachten und zu be- leuchten suchen. Doch müssen wir vorher noch einige Worte über unsere zweite Quelle, über Didymus, vorausschicken. Ich bin nun gerade' kein besonderer Verehrer dieses Heiligen es sollte mich ganz besonders freuen, wenn ich ihn wirklich „entdeckt" haben sollte und meine

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sogar mit Härtung, „wenn es bereits im Altert uin Zöpfe, Perrüken und Haarbeutel gab, so hat Didymus welche getragen" (Vgh Härtung p. 145 zur Androm. 329). Aber gerecht müssen und wollen wir ihm doch werden und setzen darum auch hier einige Hauptsätze, die hauptsächlich den Unterschied unserer beiden Hauptquellen erläutern sollen, zur Orien- tinmg der Leser voraus.

Während also, wie oben bemerkt, Aristonicus den Zenodot nie lobend erwähnt, ja manchmal eine Kritik an ihm übt, gegen die wir Einsprache erheben müssen, ist Didymus, „frei von jedem blinden Autoritätsglauben*'. gescheit und vernünftig genug, auch die V^erdienste des Zenodot lobend' anzuerkennen und wir sind ihm dafür ausser- ordentlich dankbar. Manchmal hat er ja wohl auch ein böses und ver- urteilendes yMxdyg hinzugefügt, ja sich sogar einmal zu einem Y^lmur verstiegen (iV^423), aber dafür hat er auch wieder an anderen Stellen mit seinem Lobe nicht gespart. Dieselben verdienen daher unsere be- sondere Beachtung. So meint er zu x IQ

ifjg iipa/ntjr fiaXaxolai yM&aTnojievo^ Liikamr

wo Zenodot „fialaxolair dusißoiusvoi;^ schrieb; xai ^nn xaiiitnrdit] i^ y()a(p7]' ov xad-ajiTsrai yag avToy, «Aa' ixersmi. Mit einem solchen Schüler- urteile meinte der „grosse" Grammatiker die Sache abgefein: und der soll eine Ahnung gehabt haben von der conservativen und bedeutenden Kritik Aristarch's? Der letztere, welcher das Anf^djiToinru^ gewiss in seinen maassgebenden Handschriften fand und darum ganz natürlich vor einer Aenderung zurückscheute, hatte xat/dnrofiat bei Homer als eine vox mediae significationis statuirt. Cf. Carnuth ß 39 Note und y 345. In der späteren Zeit wird aber yM&dnjBa&ai fast immer ini Kaxov gebraucht und von dieser falschen Voraussetzung ausgehend änderte Zenodot nicht bloss an ;f 70, sondern auch, wie wir hier sicher vermuten dürfen, auch an anderen Stellen und eine solche durch und durch unzulässige Aender- ung nennt der heilige Didymus gar noch eine y^f^Jt^ardr i^ yymp^. 0 306 307

Tifioeg ^t TiQovTVil'av äokleeg, ^p;ff tTä^' "ExrvjiJ

fiaxifd ßißdg

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hat aus irgend einem Grunde (/' 2 flf?) dem Zenodot missfallen und er schreibt dafür jnax^ä ßowy. Aus dem Zusammenhange (n^foikvti/ay) erkennt man jedoch klar, dass ßißag das einzig richtige und mögliche ist Aber diesmal müssen wir uns beugen vor dem Genie des Didymus; derselbe empfiehlt das ßodjy mit den Worten: inel xal iiri^ q)rjaiy „int ^avros ävoe /udka fieya^ (321). Als ich dieses las, habe ich mir an den Kopf gegriffen. Was heisst denn avros an der angeführten Stelle? Verstand Didymus am Ende gar darunter den Rektor? Das wäre wirklich ein starkes Stück! Oder soll nur ein entsprechender Parallelismus der Dar- stellung hergestellt werden? Ich weiss es nicht. Nur soviel ist klar, dass eine unzulässige Lesart mit einem solchen Citate zu stützen, ein Unsinn ist

Anerkanntermaassen ist eine der grössten Sünden, die Zenodot be- gangen, sein Hang, die angeblichen anifenfi im Homer durch Athetesen zu entfernen. Aus diesem Grunde mussten auch FI 667 683 fallen. An vielen Stellen hat Aristarch gegen diese falsche und im Homer durchaus unberechtigte Auffassung protestirt. Aber für einen Kopf wie Didymus hat der grosse Philologe vergeblich gelebt. Man lese allen Ernstes: firpime Se Zriv6doio<; 6{)&d)g i^&hr]X€ tovtovq' naQaXoyov yap rbv duBv9ij Toiavra Siaxoveia&ai.

Ein arges Armutszeugniss desselben müssen wir auch P 149 con- statiren :

71(54; xt av x^evQova (piora aawaeiag /.leO^ ofiiXov

dazu lesen wir: Sia rov v „/leO^ ofiiXoy^, 7ia(fa ^i ZrjyoSorKp ,jf^s9^ b/xi- kov^, xal loyov sx^i, dvtl rov e^o) bfiilov, Aendert man und liest mit Lud wich: Siä rov v r»!^^^ ofiiXov^ xal \byov ex^iy avrl rov e^io builov. jia^ä St ZrjyoSoro) „fisd^ bfiiXov*^, so ist es doch auch unerhört, dass das fied^ ojxilov durch t§co erklärt werden sollte. Lässt man die Worte in unveränderter Stellung, so zeugen sie wieder gegen die Auffassung des Didymus. Zenodot hat ja bekanntlich gar keine Erklärung gegeben, wenn er aber u€&* b/uilov schrieb, so kann er es doch kaum anders er- klärt haben als „mit einem Heerhaufen" „cum tuo agmine", wie es Spitzner genommen.

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659 O 342 wird von Paris gesagt, der den Deiochoa getroffen;

Hiezu ist die Bemerkung erhalten tiv^t; ^iv nvuarmat^. Wenn man nur wüsste, wer die Tivf.<i sind. Aber Ehre macht es dem Didymus, und er könnte wirklich die Empfehlung einer so unerhört dummen Aenderung geschrieben haben: y.al olxelov tovto FlaQidi, Zu y^461

tßXaßtv iv 7itdi(p^ otl xelae ye (pe(jre(}ai fiaar

hat sich doch auch kein Mensch von seiner Weisheit imponiren lasseU; die sich in folgenden Worten vernehmen lässt: Z/yroiSWüs,» Aai 'Ai^iaro' (pavTjg „aV xel&i ys^. xal toriv dyaXoyoiTe^ov. Dass ^492

vvficpag d*sx &akafxoyv Sdtdü}v vno Xafinofuvaoyy

tiyLvbov ava äari*

die Lesart Zenodot's j^k i^aXd/Ltovs^ von dem Brauche der späteren Zeit

diktirt und ungehörig in den homerischen Text eingeführt wurde, hat

man längst erkannt, trotz der weisen Bemerkung des /«i^ffVifpo*,: xal

k'arir ovx ani&avog fj ygaqr^.

Und so wird man sich auch noch lange besinnen^ die Lesarten Zeno-

dot's -^499

^vo ^^äy^(feg evnxtov uvhxa noivfi^

ävSijfOg oino(pd'iixivov

wo er „dnoxTa/uevov und JS* 565

xaaani^ov fjiLa S^oXri dTa^nirbg ijav iiü avtriv

wo er „4' avTTiv^ las, auf die Empfehlung des Didymus hin in den Text zu setzen. Bei der ersteren heisst es bei ihm . . . xal hv rmg nldazaig. xal kariv ovx dni&avog fj yQaipri und bei der zweiten meint er xul ty^tt loyov fi Y^aipri, Eines aber ist vor Allem klar, dass Didymus unmöglich so urteilen konnte, wenn er einen genauen Einblick in das gegenseitige Ver- hältniss der kritischen Methode der beiden Grammatiker gehabt hätte. Davon ist an allen diesen Stellen aber auch keine SpuFj sondern das gerade Gegenteil. Hält man nun diese Urteile zusammen mit denen, die ich in meinem Aufsatze „Zu Aristarch und den Aristo nicusscholien der

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Odyssee" (Blätter f. d. bayr. Gymnasialsch. XXI p. 273—280, 390 ff.) ver- öffentlicht habe, dann kann ich allerdings nicht in das alte Lied von der diligentia, subtilitas, doctrina des Didymus einstimmen, werde aber kaum mehr die Zeit erleben, wo man sich eingesteht, von wem man sich hat eigentlich imponiren lassen.

Auch noch in einem zweiten Punkte, der oben schon teilweise be- rührt worden ist, contrastirt Didymus ziemlich scharf mit Aristonicus, indem er stellenweise nur mit einer gewissen Vorsicht und Behutsamkeit die Lesarten des Zenodot mitteilt. So ^ 97 . . . eoixet' ovv r} «Vfpö Zi]VodoTOV slvai ij ,jOvS^ oys Jiglr koif^ioin ßafifia^ X^^QCii; atpeSei^ J Z oi S( (paat Zriyodirteiov elvai rrjy yQaiprjy. Ist diese Vorsicht von einer gewissen Kritik, die ja durch das vorliegende Material geboten schien, diktirt, so ist sie nur zu loben, hat er sich aber durch sekundäre und inferiore Quellen zu dieser Unbestimmtheit verleiten lasaeDj wie in dem oben angeführten Falle pag. 649, dann war sie über- flüssig und durchaus nicht angebracht.

Als letzter bemerkenswerther Unterschied der beiden Quellen sei noch der folgende hervorgehoben : Während Aristonicus auch nicht an einer einzigen Stelle irgend ein Urteil oder Aus- spruch des Zenodot zu citiren weiss, ist Didymus glück- licher und weiss sogar direkte Zeugnisse desselben bei- zubringen.

Allerdings geschieht das nicht häufig ; aber man ist doch überrascht bei ilim zu lesen 77 667 riS^hei Zrjro^oTog. aronov yotg ipfjOi (?) ror ann^d^fi roiavra diaxovsXv, Befremdlich klingen auch die letzten Worte -2" 39; o TÖJV Nri^ritdu)v ;fop04; (39 49) TiQorif^hriJai xal Tiaga Zr/voifoTa), (hg '11 a lod Biov B^fJ^y /apa;fT^pof. Aber gern wollen wir zugeben, dass das vielleicht auf die Schuld der Abschreiber zu setzen ist, so gut wie bei den Scholien des Aristonicus (5^353?/ 13 i*22 23, über die man jetzt Ludwich vergleichen kann. Anderes derart erklärt sich wieder leicht aus einem Missverständniss, wie der Bericht des Eustathius // 475 bei Ludwich^).

4j Bei Aristonicus würde iT 256 eine einzige Ausnahme machen, wenn man mit M. Schmidt stutt BTti tiytay €niu/uujy lesen würde. Ich kann mich nicht genug wundern, dasa diese falsche

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Also die Auszüge aus den Werken dieser beiden Grammatiker sind unsere Hauptquelle für die Darstellung der Leistungen Zenodot's. Einige markante Unterschiede glaube ich im Vorausgehenden genugsam hervor- gehoben zu haben. Doch muss hier noch eines weiteren sehr bedeutenden Umstandes gedacht werden, der die Beurteilung der Arbeit Zenodot's manchmal sehr schwierig macht. Wie hat man sich nämlich zu ent- scheiden, wenn Aristonicus und Didymus in ihren Berichten sich direkt widersprechen? Zum Glück tritt der Fall nicht gar zu häufig ein; doch liegt ein eklatanter Widerspruch an einigen Stellen vor und kann da kaum durch Emendation entfernt werden. So E 734 736, wo von Ari- stonicus bemerkt ist: oi doT6()iaxoi, ori eyrav&a fitv xakdjg xelrrai^ iv (fe Tfj x6k(p uaxd (O 385) /urjös/xiäg (paivofurtjg d^iaxHag ov Seovrayg. o de Zrivodinog rovrovg fitv dd-ertl^ ixeivovg de xaraXsinei . . . Verschieden davon ist nun das Urteil des Didymus zu O 385 387 . . . rjd^hsi de xal ^AQiOTOipdvrig Zrjyodorog dt ovdt i'yijaipev. Auf Grund dieser Nachricht vermutete Ludwich und man kann ja auch sehr leicht darauf kommen, im Scholion des Aristonicus sei na^aleinfi zu schreiben für xarakeijiei. Dagegen muss man sich aber immer vorhalten, wie auch anderwärts Widersprüche zwischen den beiden Grammatilcern sich finden, die un- möglich durch Emendation entfernt werden dürfen, sodann bildet aber doch das äd^ersl und na^aUinn kaum einen richtigen Gegensatz, gar

Conjectur auch von Ludwich aufgenommen wurde. Die Sache verhält sich nämlich gewiss ganz anders. Zu dem Verse

nargoc ifJiov ngog Swfjia 6at(pQOvog

bemerkt nämlich Aristonicus: ox^ ey ncttn tps^erat ^s/äov*^ dXV ovx ^s/dev*, ofiutg inC tiytoy d Z^vö- 6ojog ini ro /-f t^oy fieiaii^tjat. Nach dem Berichte des Didymus las nun Aristarch -iS' 1 18 nagjog ifioio TtariJQ, Zenodot naxQog ifjifio Tiari^Q, Aristarch 486 f4y^aai nai^og aolo, Zenodot f^y^cai naxQog aiio, ebenso i* 290 Aristarch nntgog Sfdolo, Zenodot dagegen 7iaT(t6g t/u€io. Beachtet man nun die von Aristonicus hier versuchte Argumentation, so sagt er doch genau nur das folgende: In allen Ausgaben, auch in der Zenodot's steht ( 256 ganz richtig df^ov^ das Pronom. possessivum, das Aristarch, wie es scheint, Zenodot gegenüber an vielen Stellen festhielt, auch Zenodot las hier nicht sein sonst übliches Cf^fio^ gar nicht zu reden von ^f^fv, das Aristonicus mit den Worten «AX* ovx ^if^Bv'^ ganz direkt abweist. Wenn nun so ist doch der Gedankengang desselben die Schreibweise des Zenodot an den anderen Stellen berechtigt wäre, so müsste er auch hier der Consequenz wegen ^/*fv lesen, da ifiuo gar nicht in den Vers geht. Darum kann er streng logisch nur fortfahren ofnag ini xivtay, , dennoch ändert Zenodot an einigen Stellen". Und wie sollte denn Aristonicus das „an einigen Stellen*^ anders ausdrücken, als auf die angegebene Weise ? oder höchstens ini uail Es ist nichts anderes, als eine SchlagsteUe, die gegen Zenodot ins Feld geführt wird, wie so oft bei Aiistonicus, cf. Lud wich T, p. 178, 25 ff.

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nicht zu gedenken des wichtigen Umstandes, dass nagalnnBi in den Scholien schwer nachweisbar, zuletzt aber das allergewichtigste Bedenken, dass eben Aristarch auch anderwärts, wie wir sehen werden, in der Kritik der SupoifovfAsvoi von seinem Vorgänger abweicht. Gründe genug, die uns na^aXeinH bedenklich erscheinen lassen. Allerdings ist und bleibt es schwer zu entscheiden, wer uns hier die richtige üeberlieferung bietet; ein sicheres und bestimmtes Urteil wird erst eine genaue Untersuchung über die wiederkehrenden Verse ermöglichen.

Aber das schwierigste imd ein fast unlösbares Problem in einer Unter- suchung über Zenodot's Homerrecension ist und bleibt wohl immer die Handschriftenfrage. Sind wir ja doch nicht einmal über den Bestand seines kritischen Apparates in hinreichender Weise unterrichtet, ganz abgesehen von dem anderen hochwichtigen Umstand, dass wir über das Alter der etwa von ihm benützten Handschriften gar nichts oder soviel wie gar nichts wissen. Auch ein anderer Ausweg, aus den sämmtlichen bei den griechischen Klassikern vor Zenodot erscheinenden Citaten durch Vergleich den Wert oder Unwert seiner Ausgabe zu ermitteln, erweist sich insofern als trügerisch, als die meisten Citate bei den Klassikern aus dem Gedächtnisse gemacht zu sein scheinen und demnach kaum ein stich- haltiges Urteil auf die Güte des ihnen vorliegenden Textes gestatten. So sind wir also hier so ziemlich durchaus auf das schwankende und trügerische Gebiet der Vermutungen gewiesen und seit den Zeiten von Fr. A. Wolf ist man auch gar nicht sparsam damit gewesen. Wir verzichten daher von vornherein, aus einigen kurzen Notizen bei Didymus den eventuellen Be- stand seines kritischen Apparates zu reconstruiren und wenden uns lieber einmal den Varianten zu, wie sie in den Ausgaben xarä noXsig uns über- liefert werden. Ja wie klingen doch diese Namen wie 17 MaaaaXiunixri, 17 li())roXiXTi etc. durch die Weihe der Jahrhunderte empfohlen heilig und ehrwürdig, wenn man sie in laienhafter Unschuld zum ersten Male in seinem Leben hört. Wie würde so ruft man sofort unsere heutige Philologie diese heiligen Urzeugen für den homerischen Text ausgeforscht und ausgenützt haben! Sieht man aber ihre Aussprüche etwas genauer an, so verschwindet der Respekt, den das Unbekannte in der Regel her- vorbringt: insbesondere aber kommt, je länger man sich mit denselben beschäftigt, der Glaube an ihr ehrwürdiges Alter immer mehr imd mehr

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ins Wanken; und die Urteile der Alten, die wir hin und wieder über dieselben lesen, sind auch nicht derart, dass sie den ins Wanken ge- kommenen Glauben wieder aufrichten könnten. So lesen wir heute in unserem Texte N 363

Wir sind über den Vers vollständig im Klaren, nur können wir nicht näher bestimmen, wo nach Homer die Stadt Kabesos zu suchen ist. Aber da kommt uns zur rechten Zeit die ^pyoAi;f/y zu Hilfe, jene Ausgabe, die /' 51 bei Didymus neben den ;fapit(rTTarai genannt ist und liest:

niipve ya() ^OS^QVovfia ^Exaßtjg vo&ov viby mvra

Da brauchen wir also Kabesos nicht mehr länger zu suchen es ist glücklich entfernt, ganz ähnlich, wie unsere librarii unverständliche Eigennamen entweder bis zur Unkenntlichkeit entstellen oder einfach ganz weglassen; denn um kein Haar besser ist dieses Prachtstück von einer Variante! Um von andern sehr gewichtigen Dingen vm schweigen, wenn Homer in dem gleich darauf folgenden Verse von Othryoneus sagt

og $a viov noXifioio fierä xliog d'kriXov&H

80 wird doch jeder so vernünftig sein und fragen, ja woher ist er denn gekommen? Das musste der Dichter sagen und das hat er auch gesagt Kaßriao&Bv evdov Bovta, Das und nichts anderes! Und wie urteilten die Alten über diese Lesart: xal raxa av sit] afia^Ttnia xaz^ äyvoiar Tijg Kaßrjaov.

So bieten die Städteausgaben zu den Versen * 454 X 45 ^tjöeiv^ xal 7i€()dav rTjacoy i'ni Tyjke^andwy

die Variante: ytjaioy eni d^rilvz B^dmy, Dieselbe klang Lehrs so dumm und unverständlich, dass er fragend rTjXvreQdcDy vermutete. Aber sie muss gewiss mit Ludwich gehalten werden und Kallimachus scheint am Ende etwas Aehnliches gefunden zu haben; denn wir lesen bei ihm &iilvtaTov Tia^ioy. Schon die Alten haben sich vergeblich über das i>rfkVTi^dmv den Kopf zerbrochen. Eine Vermutung derselben ging dahin Sut to Afjfxyoy xal "luß^oy vnb ihjkeidiy ßaaiUma&ai. Demnach wäre eine spätere und dem Homer durchaus unbekannte mythologische Version in den Text hineingetragen worden, ähnlich wie Zenodot vielleicht gerade

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wias. XVII. Bd. III. Abth. 86

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hier auf Handschriften fussend den Orestes zu seinem Rächeramte nicht mit dem Dichter aus Athen, sondern nach den Späteren axp ano ^(oxtjwv erscheinen lässt y 307. Richtig ist dagegen auch von den Alten bemerkt: dk'jJ ovx slg Tavrag /biovov inajXovyro. Eine zweite etwas stichhaltigere Vermutung derselben fasst das &rjlvTfQdwv als svyeiwy; vortrefflich ist nun dieser Auffassung die homerische Vorstellung von der Unfruchtbar- keit der Inseln entgegengehalten: aU' „oi; rig [ov yap ng ^ 607] rrjavjy innriXaros ov^^ evlnjjiov " Dennoch werden sie es kaum anders als so verstanden haben und heranziehen kann man höchstens nur 9^lvg if(}ai] {e 467).

Eine der allermerkwürdigsten Nachrichten hören wir über die Aus- gabe von Argos zu a 424, wo es von den Freiern heisst:

(^17 roTS xaxxeiorres eßav olxov St exaarog.

Dazu lautet das Scholion: eyioi „(^17 tot« xoifiriaavxo xal vnvov Sü){)ov eXoyTO^, /Lt^eranoitjSrjyai (ff tpaaiy vtto IdQiOTOcpdvovg roy ari^oy. iy (Tf t/] 'AifyoUxfi n(fooTe&eiTai, Schon längst hatte ich mir in meiner Ausgabe die Sache ebenso zurecht gelegt, wie jetzt Ludwich. Aristophanes muss die Vulgata ^tj rore xaxxeiovxtg e'xaoTog umgeändert haben in ^tj rote xoiixTjaavTo xal vnyov dw^oy ekovxo und dabei ging er wohl von der Vor- stellung aus, dass man von den Freiem, die auch auf den umliegenden Inseln wohnten, nicht wohl annehmen könne, dass sie jeden Abend nach Hause fuhren, mindestens hätte der Dichter erwähnen müssen, dass sie in die Stadt gingen, wie /9 397. Gegen diese Annahme sind nun ver- schiedene Diplen gerichtet wie /? 397

oi S^Bvdeiv djQyvvTO xaxd tixoXiv

oxt ovx ir T/7 ^Odvaaio)g olxlq ixoijudjvxo. Die Worte aber er xfj ligyolixfi n^oax^&eixai können doch kaum anders heissen als „in der argolischen Ausgabe ist der jusTanoiri&eig axixog hinzugesetzt". Aber da werden wir ja zu ganz eigentümlichen Schlüssen geführt. Demnach müssen doch diese Ausgaben der alexandrinischen Philologen rasch in Griechenland Ruf bekommen haben. In Städten, die schon Exemplare aus früherer Zeit hatten, beeilte man sich, davon Abschriften nehmen zu lassen oder die eigenen Exemplare darnach zu revidiren? Ferner ist doch höchst bezeichnend, dass man in der Ausgabe nicht den alten guten Vulgärtext

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entfernte, als man eine Revision vornahm, sondern den von Aristophanes umgebildeten Vers beischrieb. Also müssen sie doch 2 Verse gelesen haben, etwa, wie Ludwich p. 518 die Sache angenommen hat? Oder kann man nQoajbd^Hxai vom Rande verstehen? Was hätte aber Aristophanes zu diesem Verfahren gesagt, das seinem Gedanken durchaus nicht gerecht wurde? Mögen darüber scharfsinnigere Köpfe entscheiden: ich vermag, wie ich die Sache auch wende, aus diesem Berichte, wenn er anders authentisch und unanfechtbar ist, nicht herauszulesen, dass diese Aus- gabe durch besondere Qualitäten oder durch ihr hohes Alter empfohlen wird.

Damit möchte ich nun noch eine andere Variante zusammenstellen, die zu /2 30 erhalten ist:

Dazu ist nun von Didymus folgendes überliefert: na^^ *A{fi.axo(pavBi xai Tioi rdir nokirixdiy „i] oi xe/^aQiofitva cJdJp' dyojLitivs*^ , Weim die Nach- richt also zu a 4i4 richtig ist, so dürfte unter den nolmxai sicherlich auch die Uqj^oXixtj gewesen sein; deim wie es scheint, ist sie auch hier wieder dem Aristophanes gefolgt. Nimmt man aber das umgekehrte Ver- hältniss an und folgte Aristophanes der i^(^oii;^, so wäre schon in dieser Ausgabe das anstössige Wort entweder entfernt worden oder hätte viel- leicht von Anfang an gar nicht darin gestanden. Wäre die letztere An- nahme zutreffend, dann bleibt schwer zu erklären, dass sich Aristarch dabei nicht beruhigt hat Daher kann er dieser Ausgabe kaum einen bedeutenden Wert für die Gestaltung des Textes zugesprochen haben. Wenn man bedenkt, wie tief und lebhaft Homer die Tier- und Menschen weit erfasst und schildert und wie oft wechselseitige Uebertrag- ungen von einer in die andere stattfinden, da wird man doch gegenüber dem Verse 12 82

lp/«Tai cüjurjöTfioir tjV l^O^oi xfj^a (pe^fovaa

die Lesart der eviai rdiv xarä nokeig „«V l^S^oi nfifia (pi^fovaa^ durchaus matt und unzutreffend finden müssen.

Die bisher besprochenen Varianten können kaum ein günstiges Urteil erwecken weder für den Wert noch für das Alter dieser Städteausgaben und wenn wir einige andere significante Abweichungen von der Vulgata

86*

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in den Ausgaben von Massilia oder Chios einer genaueren Prüfung unter- ziehen, so wird man unwillkürlich viel mehr zu der Vermutung gedrangt, dass wirkliche oder vermeintliche Philologen bei der Fabricirung derselben Pathen gewesen, als dass sich dieselben durch ungekünstelte Ursprüng- lichkeit und würdig durch die Weihe des Alters einfuhren.

So wird die Ausgabe von Massilia von Didymus 29 mal erwähnt, aber nur in 5 oder 6 Fällen, in welchen durchaus keine bezeichnenden Verschiedenheiten in Frage stehen, ist Aristarch ihr gefolgt Die Ab- weichungen von unserem heutigen Texte sind an manchen Stellen be- deutend, wie iS 865 Fvifairi U/iiyri IT b9 fisravaariv 127 i(ja)7iy JS* 502 aiJKfxniQoiaiv inoinvvov etc., und doch haben sich von jeher die Heraus- geber der Ilias gesträubt, mit solchen Lesarten ihren Text zu zieren. Leider lassen sich, soviel ich bis jetzt sehe, nur 3 Stellen für unsere Frage verwerten i2 304 T76 77 W 870.

Könnte also" dieser Ausgabe von Massilia vermöge ihres hohen Alters ein ganz besonderer Wert zugesprochen werden, dann müssten die alexan- drinischen Kritiker, dann müssten unsere Handschriften, dann müssten die Versuche der modernen Philologie vollständig schweigen und wir hätten nichts zu thun, als die Erlösung, welche uns diese Ausgabe gebracht, dankbarlichst aiizuerkennen. Untersuchen wir demnach einmal die Variante derselben zu 12 304

X^Qyißov dfKpinoXog n^oxoov S^afia ;f«(M7iy e/ovaa

der Vers wurde bekanntlich von Aristarch athetirt und Aristonicus be- richtet uns: d&BTeixai uii na^d ro avvri&es aiTtp /«pyt/?ov xo dyyBlov To vnodexofiBvov ro v^ujq, ws fifieig* rovxo df. avxog eicad-e xaXaiv Xißijia, xb Sb xaxd xwv /«ipc5^ diSoixevov vSw^ x^(f^^ß^' Statt der Vulgata bietet aber die Ausgabe von Massilia einen ganz anderen Text:

X^QVißoi' d/LKpinokog xa/j^irj fXBxd /epaty B^ovaa

So hätten wir also einen alten ehrwürdigen Zeugen! Lassen wir also unsere anderen Zeugnisse bei Seite und sehen einmal diesem etwas ge- nauer ins Gesicht: ich fürchte, seine Bürgschaft dürfte nicht allzuhoch anzuschlagen sein. Es ist demnach hier ein Anstoss entfernt, der in Xe()yißoy als axevog liegt und an dessen Stelle ;ffpv4/?a gesetzt in dem Sinne, wie es sonst bei Homer vorkommt x6 xaxd xdiv /€ipc5i/ didofjLBvov

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v^wp, also das Händewaschwasser. Leider ist dieser Versuch durch uiid durch unbrauchbar und verstösst in eklatanter Weise gegen die anschau- liche Plastik der homerischen Schilderung, und darum dürfen und müssen wir in demselben durchaus nicht eine Variante erkennen, die aus reiner uralter Ueberlieferung stammt, sondern es scheint der missglückte Versuch eines philplogunculus , der auf diese unzulässige und unglückliche Weise den Dichter mit sich in üebereinstimmung bringen wollte. Einen solchen Versuch dürfen wir kaum zu weit zurückdatiren, dieser Variante wenigstens kann schwerlich das Gepräge ungesuchter und ungekünstelter Ursprüng- lichkeit zugesprochen werden. Reicht aber die Ausgabe weit über Zeuo- dot und die Alexandriner hinauf, dann ist eben nur zu constatiren, dass wir die ersten philologischen Versuche in ihr zu erkennen haben ^ die darum aber auch einer ganz besonders genauen Prüfung zu unterziehen sind. So hat man auch an einer anderen Stelle diesem Zeugen kein Gehör geschenkt, wo die Vulgata einen ganz anderen Text aufweist T76 77:

roXai (Jf xat fierSemer äva'i avSpdv lij^a/^ti/Ltvcor

avTO&ey i^ s^Qrjg ovS* iv fiiaaoiaiv avaardg dafür bietet nun die Ausgabe von Massilia:

Tolai d^dviarafXBvog fieriipri xpeivDV ^^iya/ue/uvioy

/nfjyiv dyaaTevaxo)v xai v(f? thceog aKy^a ndGj(mv Nach meinem Gefühle sind die Worte unseres Textes der Situation vollständig entsprechend. Nur leere Allgemeinheiten und sonst gar nichts kann ich dagegen in den Worten der Ausgabe von Massilia finden, ganz abgesehen von dem wichtigen Umstände, dass sie die Anfangsworte der Rede ihrer guten Beziehung berauben Sio innpsifH ynonawu^vog , kuIov fiiv ioTiv iarwxa (frjfiTjyoQsly, (og drjkoyati xa&i^uevog. Hat man am Ende gar ein änpsnig entfernen wollen, wie in der Chia T 96?

Mehr Anspruch auf Originalität könnte vielleicht die Ausgabe bean- spruchen zu W 870, dort lesen wir heute in unserem Texte:

aneifXoixBvog (J'apa Mr^{fiovrig B§H{)va€ ;f€ipo<;

TO^ov drctQ (J^i) oiOTov ex^v ndhxi wg i&vyey wozu dieselbe die Variante bietet:

(77ifp;fo^fyo^ ö^äpa Mrnfiovrig ine&rjxar^ olaroy

To^ip ' iv yap näaiv kx^r ndkaij wg X&vyev

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Für nanw bieten andere Codd. yj^oir, aber am Ende läset sich das Tiaoiv doch halten „vor allen, vor aller Augen"? Mögen nun auch die Varianten zu dieser ganzen Stelle aus alter Ueberlieferung geflossen sein; aber an Vorzüglichkeit steht diese Gestaltung des Textes der von Aristarch gewählten weit nach BneiyofiBvov ßovlerai rov MrjQiovrjV ixandaai r^g ToiJ Ttvxffov ;f«£po4; ro ro^oy. Und da ist am Ende das i^ei^ae^ was AnstoBs erregte und auf die angegebene Weise entfernt wurde.

Der 1 3 mal von Didymus erwähnten Ausgabe von Chios ist Aristarch nicht ein einzigesraal gefolgt. Ueberblicken wir die bezeichnenderen Yarianten, die hier in Frage kommen können, so bemerken wir einmal zunächst an 2 Stellen ein aatpiatB^ov unserer heutigen Vulgata, I 349, wo sie für das so sehr bezeichnete vxpoa* h^ye unseres Textes das schlechte und matte, aber allerdings deutlichere vxfJCKf vxare, und 12 332, wo sie für h -ifi^ior Jigocpareyre das matte xataßdvre bietet. Nichts anderes aber als eine ganz ungeschickte und willkürliche Aenderung Ji« tu aji^Bnt^ scheint mir T 96. Hier wird von der '^dtTj gesagt:

zal yä(f dri vv nore Zfjy* äoaro, roy ttsq agiarov

Dieses (fant muss hier Anstoss erregt haben und ist demnach durch

eine nichts weniger als schöne Aenderung in cpafiey entfernt worden.

Die allermerkwürdigste Nachricht über diese Ausgabe treffen wir aber

zu den schönen homerischen Versen P 134 136, wo von dem Löwen

gesagt ist:

(p (ki Tf- yrjnC äyovti avyayrrjaooyrai iv vlfi arcTpft,' ijiasnfjQeg' 6 (Tf rs a&iyst ßke/ifiaivsi 71UP iJt rHniaxvvioy yaro) thcerai oaas xalvTirary

in folgender Ueberlieferung: naffä Zrjyo^oTcp xai er t/J Xia ovx 7]aay oi y' ari/uL lamg ^ (paalr hvioi , oxi oi äQOsrsg Xiovreg ov axvjtivaycoyovaiv, dlla S-rfuiai fwrai. xaxa ttt ro aQOBVixov xal im rrjg S-rjleiag rhaTcrai o Iftov. xal mrip inixoiyoy. Ja wenn man nur wissen könnte, warum in der Chia die schönen Verse fehlten. Auch die Alten werden da kaum über Vermutungen hinausgekommen sein. Ist die oben geäusserte Vermutung zutreffend, dann wäre damit das ziemlich junge Alter der Ausgabe con- statirt. Denn die alte Zeit, die naiv die Dichtungen Homers genoss, dürfte

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doch kaum an den citirten Worten Anstoss genommen haben. Nur ein Zeitalter, wo die auf wissenschaftlicher Basis allmählig sich aufbauenden naturwissenschaftlichen Beobachtungen schon Einfluss gewonnen hatten, konnte sein Verdikt sprechen über die schönen homerischen Verse aus einem Grunde, dessen Stichhaltigkeit zu prüfen ich nicht in der Lage bin.

Bei der Dürftigkeit unserer Nachrichten und bei der geringen Anzahl der uns aus diesen Städteausgaben erhaltenen bedeutenderen Varianten können wir diese Ansichten nur mit aller Reserve vortragen und haben auch einen schweren Stand, wenn wir nun von ihnen aus einen Schluss auf die Arbeit Zenodofs machen wollen. Wissen wir ja doch nicht ein- mal, ob sich alle diese Städteausgaben in seinem kritischen Apparate befanden, und es ist ja an sich schon einleuchtend, dass sich die hand- schriftlichen Hilfsmittel im Verlauf von 100 Jahren bis zu Aristarch be- deutend vermehrt haben konnten. Doch dürfen wir vielleicht in Betreff Zenodot's an folgenden Sätzen festhalten: Von den Städteausgaben scheinen sich in seinem Apparate befunden zu haben die Ausgabe von Massilia, der er T 76 gefolgt ist; vielleicht auch die Ausgabe von Chios, die ihin in der Athetese von P 134 136 vorangegangen zu sein scheint. So vielleicht auch die Argolike JS 39 49.

Diesen Ausgaben gegenüber ist er aber doch mit Kritik verfahren; so ist er zwar T 76 in Constituirung seines Textes den Ausgaben von Massilia und Chios gefolgt; hat aber den folgenden Vers, wo beide Ausgaben mit einander übereinstimmten, nicht nach ihnen gelesen, und lieber zur Athetese gegriffen. Insbesondere scheinen aber, wie wir viel- leicht später noch ausführlicher darzulegen Gelegenheit haben, manche dieser Ausgaben für ihn bestimmend gewesen zu sein zu mehr oder minder uuifangreichen Athetesen, wie zur gänzlichen Weglassung von Versen, wie P 134 136 -2*39 49, a 97 98: nQOTiS-erovyTO xar^ evia %(5v dyriygdcpwv oi arixoi, xarä ^f ttiv Maao akiwr ix'^v otJJ' rjoav.

Man würde sich daher eine durchaus falsche Vorstellung machen von der Arbeit Zenodot's, wenn man annehmen würde, dass er überall nur aus rein subjektiven Belieben den müssigen Eingebungen seines Geistes bei der Constituirung des Textes gefolgt sei. Dagegen sprechen die eklatantesten Tatsachen.

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Für die handschriftliche Beglaubigung, wenn auch nicht für die Richtigkeit seiner Versuche scheinen mir folgende Gesichtspunkte maass- gebend zu sein.

1) Sowohl im Altertume, wie in der neueren Zeit hat man bei Be- urteilung der Lesarten Zenodot's mit gutem Grunde auf die älteren griechischen Dichter, auf Stesichorus, auf die Tragiker und andere hingewiesen, die an gewissen Stellen denselben Homertext, wie Zenodot vor sich gehabt zu haben scheinen. Indem ich in diesem Betreff auf Düntzer pag. 45 ff. und auf die vortrefflichen Aufsätze von W. Rib- beck Philologus 8 und 9 verweise, will ich hier nur einige wenige Fälle zur Besprechung heranziehen: Herodian bezeichnet * 575 als Lesart Zenodot's xvvvhxyfiiyy ^ und dann fahrt er fort: yMv Sxriai- XO^o^ Jf EOixsv ovTcog avByvwxivai (prial yovv „dnBiQsaioio xvvvldy' fioio^ (frag. 85 Bgk.). So schrieb Zenodot für OUetg an allen Stellen VJLfi'tf, Hesiod (frag. 771) und Stesichorus (82 Bergk.) und andere Dichter acheinen ihm hier vorangegangen zu sein. Nun hat man Wunder ge- meint, welch einen kolossalen Vorwurf gegen Aristarch erheben zu können, dasa er an solchen oder ähnlichen Stellen seinem Vorgänger nicht ge- folgt, sondern seinen Text anders constituirt! Darüber ist doch wahrhaftig kaum ein Wort zu verlieren. Einmal wird die Nachricht nur unbe- stimmt gegeben {ioixey etc.) und war an dem Homerexemplar des Stesi- chorus, Sophokles etc. nicht mehr zu controliren. Desswegen war in solchen Dingen die grösste Vorsicht nötig, ganz abgesehen davon, dass die Honiertexte dieser älteren Dichter am Ende an Güte denen, welchen Aristarch glaubte folgen zu müssen, weit nachstanden. Noch gefähr- licher aber war dagegen die zweite Klippe, indem man dadurch sehr leicht der Gefahr ausgesetzt war, Umbildungen imd Umformungen, neue Wend- dungen, die diese Dichter rein de suo gegeben, nun in den Homer ein- zuschwärzen.

Ich bin nun seit Jahren der Debatte über ^ 5 olooyolai re Sana ge- folgt und zwar offen gesagt mit Widerwillen! Denn ich musste mir sagen und sage mir heute noch, dass der Nachweis durchaus nicht zu er- bringen ist, dass Aeschylus in seinem Homertexte dalra gelesen, ein Aeschylus, ein Sophokles, ein Euripides die sind natürlich nicht im Stande gewesen, bei Leibe nicht, an einer solchen Stelle aus ihren

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eigenen Köpfen ein dalra zu produciren! Ganz besonders treftend will mir das bei Aeschylus scheinen! Warum gehen wir denn nicht gleich so weit und versuchen, mit Hülfe ihrer homerischen Phrasen uns ihre Homerexemplare zu reconstruiren , eine schönere Variantensanimlung könnte man sich gar nicht träumen lassen. Gut hat denn auch Düotzer p. 111 auf Sophocles Ajas verwiesen 830

^t(p&(Ji xvalv TtQoßlriTog oliovolg &' sl co p

Also schon der arme Sophocles hat einen so erbärmlichen Homer- text gehabt, wie wir und das schöne ^alra nicht gelesen! Auf diesem Wege ist wohl auch das so unhomerisch als möglich klingende uvQog äv&og von einigen in den Text eingeschmuggelt worden. 7 212 bemerkt Aristonicus: oti er riOi ygacperai

avTCtQ inet jiVQog äv&og anenraro^ navaaro Jf tfli)^

Nach der Bemerkung Aristarch's: y^^^^^^ ^^ nvQog av&og mg jJotJYüi' av&og rov Tioiijrov to nv^ ÖBivonoiriaavTog ist doch wohl darüber kein Wort zu verlieren.

2) Ferner scheint sich aber auch noch aus einem zweiten Grunde die Annahme handschriftlicher Autorität für Zenodot zu reclitfertigen, nämlich aus seinen vermeintlichen Interpolationen. Hier muss man meines Erachtens genau scheiden zwischen solchen, zu denen er durch seine minder verlässigen Quellen verleitet wurde und denen, zu welchen ihn seine Beobachtungen und seine Ansichten von der homerischen i{ifajrda geführt zu haben scheinen. Zur Erläuterung des zuletzt Gesagten wähle ich Z 136, wo es von Poseidon heisst:

dXXa fier^ avxovg -^k&e nakaKp (ponl ioixcig

dazu fügte Zenodot noch den Vers:

dyTiS-fqf <Poivixi onaovi IT7]lei(orog.

Handschriftliche Autorität vermag ich dem Verse nicht zuzu- sprechen, glaube dagegen, dass er einer sehr guten Beobachtung und einem teilweise sogar berechtigten Gedanken Zenodot's sein Dasein ver- dankt. Derselbe erinnerte sich eben, wie in den meisten dieser Fälle der Dichter nach einer bestimmten, mehr oder minder bekannten Person-

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wisa. XVH. Bd. III. Abth. 87

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lichkeit greift und er könnte demnach in der überwiegenden Mehrheit der ähnlichen Fälle eine ganz gute Stütze finden. Nichtsdestoweniger müssen wir uns doch sträuben, dem Verse einen Platz in unserem Texte zu gönnen; er verdankt seine Existenz eben doch nur einem Einfalle, wenn auch einem guten; denn der Gebrauch des Dichters ist in dieser Beziehung doch kein durchgängiger und mit gutem Grunde wurde schon von den Alten, die Zenodot's Gedankengang ganz gut errieten, ihm ent- gegenhalten: eOTir ovy (og t6 „arJpi (Tf^aat; slxula^ [ß- 194) xal „^ejuag rfCxTo yvvaixi^ (f 31 cf. y 288 n 157). Aber was für einen Grund sollte er gehabt haben, iV' 805 den Vers hinzuzufügen:

liriv yd(} atpiv naoiv ixex^iro S-d^jae'C noXlip?

Ich wusste keinen aufzufinden, so sehr ich mich auch bemüht habe; darum dürfen wir vielleicht hier annehmen, dass er einer minder zu- verlässigen Quelle gefolgt ist, in welcher der für mich total unverständ- liche Vers enthalten war.

3) Zu einer solchen Annahme wird man aber auch noch aus einem dritten Grunde gedrängt, nämlich durch die genauere Betrachtung seiner Athetesen, worauf im Vorausgehenden schon einmal hingewiesen worden ist. Dieselben sind uns allerdings nur durch Didymus bezeugt, nichts- destoweniger scheinen sie aber Grund zu haben. So hören wir über den Vers ^142

avTog vvv nQoxalBoaai iiov xal TiecpQa^s fivd-oy

ovT€ Id^iaraQX^^ ^^^ ytQiarocpdyrjg ovre Zrivodoxog miaravrai rovxoy rby arlxoy. Nun kann es aber, wie Lehrs^ p. 86 richtig gesehen hat, durchaus kein sprachlicher Grund gewesen, warum speciell Zenodot den Vers ent- fernte. „Nam Zenodotus certe ad vim vocis {niipQads) ne attenderat quidem." Darum bleibt doch da nichts übrig, als mit Lehrs seine Zu- flucht zu den Handschriften zu nehmen. Aber dieser Fall ist durchaus nicht vereinzelt. So lesen wir zu /Vf 175 180: tiS-erovyro de xat naQa lAQiaroifdyH* na^d Zrjyo^orq) ^i ov^t i^gdcpovro. Die Gründe, warum Aristarch die Verse verwarf, kann man bei Aristonicus lesen: einer war sicher auch der, dass Aristarch nur eine innrilajog nvkrj annahm. Nun mag ja wohl auch Zenodot seine Gründe gehabt haben, aber der soeben erwähnte war sicherlich für ihn nicht maassgebend; denn /Vf 340 liest er

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673

ja fidaag ijKpxBTo und nahm doch damit mehrere Thore an. Darum wird man wohl auch bei dieser Athetese sich zu der Annahme hand- schriftlicher Autorität verstehen müssen.

Aber auch eine genauere Betrachtung einiger Lesarten ist vielleicht geeignet, uns zu derselben Anschauung zu bringen. Einer Reihe von Varianten begegnet man bekanntlich bei den Einleitungsversen einer Rede (vgl. Aristarch a. a. 0. p. 280). Dass Aristarch hier willkürlich vor- gegangen und Aenderungen vorgenommen hat, scheint mir aus den dort entwickelten Gründen unmöglich.

Nun hören wir, von Zenodot, dass er M 230 anstatt der Lesart unseres Textes

Toy (T'ap' VTiodga Idvjv n^oaecpt] xo^wS-aioXog "^'Exrio^f

rar (pTJufißsT^ sTieira jusya^ xoQVi9aioXog "Extvd() las (vgl. auch Friedländer zu ^ 148). Man hat auch nach Gründen sich umgesehen, aber dieselben wollen mir kaum stichhaltig erscheinen. Vielmehr will es mir scheinen, dass hier und an ähnlichen Stellen Zenodot, der doch sonst, wie wir , sehen werden , eine sehr grosse Neigung zu dem efi(pavrixajT€(}ov hatte, weniger zuverlässigen Quellen gefolgt ist; denn das dürfen wir denn doch von vom herein annehmen die Neigung desselben, der nachdrucks- volleren Lesart vor der ihm matt erscheinenden den Vorzug zu geben, berechtigt uns dazu dass, wenn ihm an den angeführten Stellen die bezeichnendere Variante vorgelegen wäre, er sicher dieselbe in seinen Text würde eingeführt haben. An solchen Stellen, an denen wir uns von vornherein vielleicht sehr stark variirende Ueberlieferung denken müssen, mag also Aristarch besseren Quellen gefolgt sein. Daneben kann aber auch nicht in Abrede gestellt werden, dass wir umgekehrt wieder an anderen Stellen die bessere handschriftliche Beglaubigung in der Lesart des Zenodot anerkennen müssen. Leider kann ich die rein formalen Varianten beider Grammatiker nicht in die Untersuchung ziehen, weil dieselben besser in einer Schematologie des Aristarch eine Stelle finden. Aber auch bei anderen abweichenden Lesarten werden wir mit Not- wendigkeit zu dieser Annahme gedrängt. Von diesem Standpunkte aus wollen wir einmal iV^ 423 einer genaueren Betrachtung unterziehen. Von dem durch Deiphobos getöteten Hypsenor sagt der Dichter:

87*

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674

züv ftiv B7i€id^ vnodvvTB dvio BQtriQBg ital(}ot

MriXiorevg *Exioio ndig xal ^log lildaicüQ

yfjag inl ykacpvgag (peQexTjr ßagia ax eva^ovra

In einem kürzeren Scholion des Aristonicus ist dazu bemerkt: on Zrivoi^tnog y{m<fti ^axevaxovTa^ ivixdjg. Didymus: ovrcjog ^iä xov s „nrsyd- /OKff", vv Jiö Tov a inl rov vexQov ybXoIov ya^ aii* ml rdiy ßaoTaQuvjün\ Betrachtet man nun die hier vorliegende Ueberlieferung frei von allen falschen Voraussetzungen, so ergiebt sich doch für die Entscheidung der angeregten Frage soviel: orerdxoyra ist die allein handschriftlich beglaubigte Lesart. Das wissen wir mit einer jeden Zweifel auesch liessenden Sicherheit daraus, weil die ganze Stelle wort- wörtlich, wenn auch vollständig unpassend aus 0 331 334 übertragen ist. Unbekümmert nun um den Sinn liess Zenodot die handschriftlich beglaubigte Lesart stehen. Ich denke nun, es macht dem Aristarch alle Ehre^ wenn er diesen Unsinn zuerst erkannte; denn oreydxoyra von einem Toten gesagt ist doch ein Unsinn. Aber hier vergriff er sich in dem Mittel der Heilung, indem er nun, um der Stelle aufzuhelfen, das ganz unzulässige or^vdxoyre emendirte. Denn eine Aenderung, eine Verschlimm- besaerung ist dieser ungehörige Dual, das zeigt uns klar die aus ö an- geführte Stelle: darüber wird und kann man also nicht hinaus kommen. Merkwürdig bleibt dabei allerdings immer das eine, dass Aristarch hier nicht zu dem einzig richtigen Mittel, mit dem er ja sonst gar nicht sparsam gewesen ist, gegriffen hat, nämlich zur Athetese. Ich sehe mich also ausser Stande, den Satz, dass Aristarch nie sich Aenderungen des Textes erlaubt hat, vollständig aufrecht zu erhalten und bis zu seinen letzten Consequenzen zu verfolgen: im Gegenteil, betrachtet und über- denkt man einige seiner überkühnen und gewaltsamen Athetesen, so wird man ja von selbst zu einem Vergleiche und einem analogen Schlüsse in Betreff seiner Textesgestaltung geführt: insbesondere scheinen mir aber gerade diejenigen Lesarten desselben, die bei Aristonicus mit dem festen und ständigen Ausdruck «p/io^fi empfohlen werden, wie A 204 212 xovxo ds Tfl l4&tiy(} tJp^ao^fi diaßeßaiovv^ B 448 otibq ovx aQjLio^ei em dß-a- ydrmy etc. einer erneuten kritischen Untersuchung gerade von diesem Gesichtspunkte aus zu bedürfen.

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Da hätten also auch wir das Nauck'sche Ungeheuer, den Sünder und Textverderber Aristarch glücklich herausgeklügelt. Nun in so starken Ausdrücken wird man der Sache nicht gerecht. Aber ich habe nie be- griffen und begreife wohl auch niemals, dass ein Philologe von der Grösse und Bedeutung Aristarch's auf die conjecturalis emendatio sollte gänz- lich verzichtet haben. Ich weiss auch nicht, welche Beglaubigung das schöne Wort, das uns Porphyrion (ep. 2, 1, 257) von Aristarch überliefert hat „Et hoc vetus esse dictum Aristarchi ferunt, qui cum iiiulta reprehen- derit et in Homero, ajebat neque se posse scribere, quemadmodum vellet neque velle, quemadmodum posset" in Anspruch netmeu kann; aber ein Aristarch, der auf die Conjekturalkritik gänzlich verzichtet, ihr überall und überall aus dem Wege geht, ist mir undenkbar. Den maass- los kühnen Versuchen des Zenodot und den wenig glücklichen Gedanken des Aristophanes gegenüber ist seine Kritik allerdings eine durchaus conservative, ja selbst wenn man sie nicht im Gegensatz zu seinen beiden Vorgängern und für sich allein betrachtet, muss sie auch im Grossen und Ganzen als eine durchaus conservative. bezeichnet werden. Aber das giebt uns denn doch noch lange nicht das Recht, zu behauptenj dass jeder und jeder Lesart seiner beiden Vorgänger, über die er ein hartes Verdikt gefallt, das Gewicht der handschriftlichen Beglaubigung fehlt. Allerdings ist es ein eigenes schweres und schlüpfriges Feld das Kapitel über die Codicum auctoritas bei den alexandrinischen Philologen! Stillschweigend setzen wir da immer 2 Dinge voraus, deren Richtigkeit noch lange nicht erwiesen. Unter dem Eindruck der Schilderung von den reichen und vorher nie gesehenen Schätzen der alexandrinischen Bibliothek werden wir nur zu leicht zu dem unumstösslichen Glaubensatz verführt, dass die Voll- ständigkeit, Zuverlässigkeit des handschriftlichen urkundlichen Apparates, wie er den alexandrinischen Philologen und Halbphilologen vorlag, wohl niemals mehr erreicht worden ist. Allerdings ein Ziel „aufs innigste zu wünschen". Aber wenn nur diese Schilderung nicht übertrieben! Ich fürchte und fürchte immer, dass ihnen am Ende doch das eine und andere hochwichtige monumentum gefehlt hat, gar nicht zu gedenken des anderen Umstandes, dass die „Graecia mendax" den reichen Königen von Alexandria manches zweifelhafte Gut um schweres Geld mag auf- gebunden haben. Sodann huldigen wir, von einer zweiten kaum zu-

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lässigen Voraussetzung ausgehend, dem Glauben, dass auch schon die ersten alexandrinischen Philologen, so gut wie nach einer Arbeit von Jahrhunderten heute die Koryphäen unserer Wissenschaft sich unfehlbar sicher auf dem so schwierigen und schlüpfrigen Gebiete der Beurteilung, Wertschätzung und Kritik der Handschriften bewegen konnten. Aber ob denn diese Voraussetzung so selbstverständlich und also unser Glaube berechtigt ist, dürfte doch noch sehr die Frage sein. Wir kämen vielleicht einen Schritt weiter in dieser schwierigen Frage, wenn nicht das Werk des Didymus in einer so trostlos jämmerlichen Gestalt überliefert wäre. Heute können wir mit den kurzen und leider nur vereinzelt erscheinenden, den Wert oder Unwert der Ausgaben höchst summarisch abschätzenden und rubricirenden Urteilen, wie ai x^^f^^^^'^^h «^ tlxaioTe^fai, so viel wie gar nichts anfangen. Ja manchmal wird man ganz irre an denselben! Wer hat sie mit diesen Prädikaten qualificirt? Kann und muss sein Urteil als ein zutreffendes anerkannt werden? Und das sind Haupt- und Principien- fragen, vor denen Alles andere zurücktreten muss, von denen Alles ab- hängt. Wir müssen schweigen dazu und müssen uns auf gut Glück dem getroffenen Entscheid unterwerfen. Aber auf einen Punkt will ich doch aufmerksam machen, vielleicht regt er scharfsinnige Köpfe an, welche möglicherweise die Frage dem Entscheid näher bringen. Wenn, wie wir an- nehmen, so reiche und uuschätzbare Urkunden in den Hallen der alexandri- nischen Bibliothek aufgestapelt waren, so würde doch damit die moderne Philologie in anderer Weise manövrirt haben, wie Aristarch nach dem Be- richte unserer Quellen, vorausgesetzt, dass dieselben wenigstens im Grossen und Ganzen seinen Gedanken gerecht geworden sind. Betrachten wir z. B. das Kapitel der Athetesen. Greifen wir nun eine heraus, die von der gesammten modernen Philologie anerkannt ist, wie yi 78 83, zu der Aristonicus bemerkt: a&erovvrai orixoi 8§, ori xpsvdog' ov y^Q Svvav- Tai ndvTes top Jia ahiöoS-ai ßorjd-ovvra rolg TQvoaiv, a'kV oi riov ^^Ekkrjvcüv ßorjO-oL xal ro „6 ^t roacpi Uaa&eig rar äilwv dndvBVV&s xa&et^ero^ (og im rainro avvti&^foiOfiBvaiV avrdoy Xiysi, jiffosiQTjxe ät „ot (V äkloi ov atpiv nd- geoav &eoi^ (75) äno re rov 'Ülvjunov ov nagsiodyszai &€a)Qd)r rrjy inl rfig TQoiag fid^riv^ dlV dno rfjg l^rjg^ oSsv did t(Sp i^g (183) fisraßaivsi flg avToy. Diese von Aristarch hier entwickelten Gründe waren für alle Herausgeber überzeugend und soweit kann man sich dabei beruhigen.

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Aber der Einspruch Heyne's zu den citirten Versen bleibt doch bestehen und verlangt auch eine Antwort „Caussae memorantur in Schol. A non, quas velles: rhapsodorum pannum esse, ab aliis ignorari, nee in bonis exeraplaribus esse scriptos". Wenn wir eine Antwort auf diesen berechtigten Wunsch versuchen, so sehen wir uns vor die Alternative gestellt: Entweder war Aristarch nicht im Stande, mit Handschriften zu operiren, weil er ihre Bedeutung für die Kritik nicht recht erkannte und würdigte, oder aber er konnte nicht mit ihnen operiren, weil keine solchen vorhanden waren, in denen die citirten Verse fehlten mit Ausnahme etwa der Ausgaben des Zenodot und Aristo- phanes. Um also bei dem ersten Falle zu bleiben, wenn die Verse in maassgebenden Handschriften fehlten, so hätte ein moderner Philologe kaum sein Hirn zermartert, um sie mit Gründen aus dem Felde zu schlagen: ihm hätte ein desunt in X oder in libris genügt und alle Achtung vor den mit solchem Scharfsinn eruirten Gründen: aber in der diplomatischen Kritik ist doch ein solches Zeugniss viel bedeutender und vollwichtiger, als eine ganze Legion von Gründen, wenn sie auch noch so geistreich und scharfsinnig ausgeklügelt sind. Aber vielleicht führt uns hier ein anderer Weg zu dem hochwichtigen Zeugniss hand- schriftlicher Beglaubigung der Athetese. Zu den Versen lesen wir näm- lich bei Didymus: xwxov^ xal 'Agiatocpayrig ri&hei* naga ^i Zrjro^oTip ov^s iygdq)ovTo, Nun mag der eine und andere Grund auch schon für Zenodot und Aristophanes entscheidend gewesen sein: aber oben S. 672 haben wir gesehen, dass wenigstens Zenodot gewisse Verse aus demselben Grunde, wie Aristarch, nicht kann athetisirt haben und mussten uns auch da für die Annahme handschriftlicher Autorität entscheiden. So kann man sich am Ende auch erklären, dass sich Aristarch, wenn wir anders recht berichtet sind, in diesem Sinn auf seine beiden Vorgänger beruft wie bei Aristonicus 0 535 . . . o ^i Zrpfodoxog rovg tiqcjtovs rgeXg ov^i tYQOLifBV, H b28 6 ^i Ztivodoxog ovdt iyQcttpBv avrov.ij) Unter dieser Voraus- setzung nun, dass das wichtige diplomatische Zeugniss dem Urteile seiner Vorgänger zur Seite steht, hat es dann sicher nichts befremdendes, wenn sich Aristarch auch nach Gründen umsieht, um die handschriftlich gut beglaubigte Athetese auch philologisch gründlich zu rechtfertigen, so gut wie wir etwa heute sagen, diese und diese Worte fehlen in der Haupt-

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handschrift, sind darum unecht, aber auch an imd für sich betrachtet, sind sie null und nichtig. So kann man sich ungefähr diese höchst problematische Sache zurechtlegen und Niemand ist mehr überzeugt, als der Verfasser, damit nur eine Vermutung ausgesprochen zu haben.

Aber auch sonst und das ist nicht weniger merkwürdig hören wir bei allen Widerlegungen unglücklicher und verfehlter Lesarten Zeno- dot's nie auch nur eine leise Andeutung oder einen kurzen Hinweis auf eine Sünde gegen die maasgebenden Handschriften, sondern es sind immer mehr oder minder gewichtige andere Gründe, die gegen ihn in's Feld geführt werden : an manchen Stellen, wenn auch nicht an allen, will uns dünken, hätte ein solcher kurzer Hinweis vollständig seinen Dienst getan. Wenn sich dieses Verfahren aber unter gewissen Voraussetzungen auch leicht erklären lässt, so muss doch auch daran festgehalten werden, dass es Aristarch, wie es scheint, unmöglich war, überall auf Grund von Handschriften gegen Zenodot zu operiren, weil er sich seine eigene und selbständige Meinung von der Textgestaltung gebildet imd dann auch unverbrüchlich und consequent daran festgehalten hat. So ist es ge- kommen, dass die moderne Philologie einige wenige Lesarten des Zenodot mit guten Gründen als die ursprünglichen und handschriftlich besser beglaubigten nachzuweisen im Stande war.

Aber das ist gewiss nur in den allerseltensten Fällen vorgekommen; Dem sonst von Zenodot regelmässig eingehaltenen Verfahren gegenüber hatte Aristarch eine ganz andere bestimmt vorgezeichnete Aufgabe: die Aufgabe einer gesunden vernünftigen conservativen Kritik. Mit so leichtem Blute, wie Zenodot, hat er sich nicht über die Handschriften weggesetzt und denselben vielfach mit schlagenden Gründen zu ihrem Rechte ver- holfen. Denn Aenderungen, nichts als willkürliche Aenderungen oft einer Einbildung oder Schrulle zu liebe gemacht oder dictirt von einer unzutreffenden Vorstellung von der homerischen Sprache und Darstellung muss man doch in den meisten der Lesarten Zenodof s erkennen. Kühn- heit, Gewaltsamkeit, der krasseste Subjectivismus ist die Signatur seiner Kritik. Als einem inonoiog ist ihm ja wohl auch viel eingefallen und war er um dichterische Phrasen durchaus nicht verlegen; nur zu oft hat er in diese Schatzkammer gegrüfen und daraus voll und reich ge- geben. Dass aber die meisten seiner Lesarten nicht von Seite der hand-

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schriftlichen üeberlieferung empfohlen werden, wird sich uns am deut- lichsten zeigen, wenn wir die Gründe, die für ihn bestimmend waren, mit ziemlicher Sicherheit ermitteln können, nicht an einigen wenigen Lesarten, sondern gleich an einer ganzen Reihe, die darum aber auch geeignet ist, die kritischen Grundsätze desselben in gehöriger und zu- treffender Weise zu beleuchten.

So hat den Zenodot, um damit zu beginnen und sein kühnes Ver- fahren zu kennzeichnen, selbst die Notwendigkeit, wegen einer Conjectur auch an einer zweiten Stelle zu ändern, was doch für den modernen Philologen in der Regel ein sicheres Kriterium ist, von einer Aenderung abzusehen, durchaus nicht abgehalten, auch an einer zweiten Stelle seine Weisheit unterzubringen. Nur einmal finde ich dieses Verfahren von den Alten hervorgehoben, nämlich bei Aristonicus zu 77 677: tni Zrivodonog xal rovrov neQijiQrjxB rtj^dy t6 ov/iKpuivov iatnr(3 (666). Dass damit Aristonicus die Athetese Zenodot's bezeugt, wie das Ludwich an- genommen hat, I p. 414, vermag ich nicht einzusehen. In Misskennung eines sehr wichtigen Kunstgesetzes, von dem uns Aristonicus mit den Worten berichtet: ov rerotixav ovr. ort ra roiavja xara to OiioTKOusror ivB^yyovfisya dal Tia^adex^ad^ai , xa&ani^) xal iy roTg indro) Tiegl xfig "'Hffag (432) schrieb er 666

xal ror' ä(/ i^ "l^r/s TiQOoiipri Zevg oy tpiloy vloy

consequenter Weise musste er nun Ff 671

ßi] dt xai^ ^l(taiioy 6{)sa)y ig (pvloniv alyi^y

streichen, das ist das rrKfwy avjLKpuryov iavrw. Oben 666 heisst es bei Aristonicus dieaxsvaxe und nun in demselben Gedankenzusammen- hang: xal TOfCxoy n€(}ijj^r]X6. Aber wenn dies Verfahren meines Wissens auch nur an dieser Stelle von den Alten hervorgehoben worden ist, wir müssen es auch in manchen anderen Lesarten erkennen, mit welchen man bisher nicht fertig geworden ist.

Beginnen wir nun mit (T 162, wo Peisistratus zu Menelaus spricht:

aviäg i/it 7iQoe7]Xt J'e^ftjyiog innora NiariOQ

Tip aua nofiTtüv ento&ai ' iildsro ^d(f ae Idia&ai.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. 111. Abth. 88

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680

Für das unzweifelhaft richtige, gute, allein handschriftlich be- glaubigte *AJfTü hat Zenodot die rätselhafte Lesart ötero. Wir glauben es gern, wenn es im Scholion heisst xaxtog. Aber was soll die Variante bedeuten? Wie kam er dazu? Das ist nun höchst merkwürdig: Er wurde dazu geführt durch eine schbn früher gemachte kühne Aenderung, die oben berührt wurde, zu a 93 etc., wo er für -SWapT^yv regelmässig KQrixr]v schrieb. Aristonicus bemerkt zu y 313, wo Nestor zu Telemachus spricht:

, , j öiEjai ya^ (nämlich Zenodot) ix rovroy rdiy loyiov (besonders /aj) Sri&a) xaza rv aicjncijiieyoy dxrixoivai 7ia(jä rov Ti]i.€/.idxov ori xal dXXa- )^üai Jit^l Tov nar^jog Tievoofuyoc; na^ftaxsvaoxo nXsly . . .: darum ändert er ß 93 und 284 fCfjTjTrjy. Wenn nun Zenodot eine solche Vorstellung von der änotfij^iia des Telemachus hatte und nun von Nestor las y 317

dÄÄ* ig fiiy Merelaoy iytb xelofiai xal ayioya^

80 stand für ihn fest, dass Telemachus nicht freiwillig und schon von vornherein zu Menelaus gehen wollte, sondern von seinem ursprüng- lichen Plane abwich und erst auf den Rat des Nestor die Reise zu Menelaos machte, und wenn er nun gar von Telemachus hörte im Be- richte an seine Mutter p 116:

dllü fiHg ^ATQBiSriy^ Sov{n xXeuov Meyelaoy, Xjinoiai nQovn Bfixp B xai ciffjLLaai xoXXrjToToiy

m war ob ihm klar, dass das itk^ero „er (Telemachus) drückte den Wunsch aus" unter diesen Verhältnissen unmöglich stehen und richtig sein könne; denn Nestor war es ja, so argumentirt er, der ihm diese Reise empfahl und das ist es und nichts anderes, was er mit seiner Aenderung otero bezweckte, Zenodot muss demnach folgenden Sinn darin gefunden haben „er {Nestor, der auch im Vorausgehenden Subject ist) war der Meinung, dass er (Telemachus) dich besuchen sollte". Das ist nun allerdings xa- xwg^ ja meinetwegen sogar xdxioxoy aber ttiqsI to av^Kptoyov iavno. So hat man auch ^ 404 zu beurteilen. Bekanntlich hat man sogar gezweifelt j ob nicht der Lesart des Zenodot, der ^400 für fTakldg Uärfyrj ^oißug 'AnoXXioy schrieb, eine alte sagenhafte üeberlieferung zu Grunde liegt. Ich glaube das nicht und schliesse es aus einer zweiten

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Aenderung, die er desswegen am Texte vornehmen musste. Nämlich 404 schrieb er an Stelle unseres heutigen VerseSj wo es von Aegaeon heisst:

Alyalan^. 6 yag avre ßirj ov TTöTputf äjiiHywy die Verse

Alyai(x)y\ 6 yap avTS ßiij noXv iptQTaTog älltnv

bnnoaaoi yaiov& vno Ta^rafim' t^vi^wn'ia.

Das ist aber ganz sicher eine willkürliche Aenderung, die sich sehr leicht erklärt. Wenn er nämlich Vers 400 las

so war Vers 404 ov nargog absolut unverständlich; denn es sind ja in dem Verse zwei eventuelle patres erwähnt. Darum rripu rb aviufiovor iavT(p\

Dass seine Lesart zu ^439

yrd) d^'O^voaevg^ o oi oiki relog yMiä Kai^HOV tiX&kVy

wo er für rilog ßelog schrieb, trotz der Einsprache Aristarch's Verehrer und Anbeter gefunden hat, ist nicht wunderbar. Dennoch ist sie nichts als eine falsche und willkürliche Aenderung; das erkennt man aus Vers 451, wo Zenodot für

(pßij ae Tslog S-avatoio )Ci/rift^rüi\ ovtf^ vndlv^ag

schrieb ßeXog S-avaroio^ „eine ganz unhomerisclie Redeweise'', dieses „Todesgeschoss", wie W. Ribbeck ganz gut PhiloL IX, p. 47 bemerkt, aber ein sicherer Fingerzeig, dass wir es auch an der ersten Stelle mit einem unzulässigen Einfall zu thun haben - /'/p*? rt» avj^nfmrQV invrq. Und das könnten wir noch weiter verfolgen j wir verweisen aber nur auf y 216 217 und wenden uns lieber zu ;^ 230 und 231

TriXiuax^, ndiov ae enog (fvyir V(i^og uduvjtDv (ieJa d-eog y* id^iXiav xal rrjXoi^hr iivä{m nuwnm

Darüber hören wir: olnog o arixog (2^0) kayagih; ton* fJm (? kaum!) Zrjfyodonog laiog jj^Bre^gatpe „Ttjkiuax' v^^uyui}^ utya rr^ntt, nolor HtTieg^ ;

TOT ^B dBVTB^OV 71BQtt]{)Bl TBi.B(Og Jl« 70 Ua/üiUroy aVTW TO j^tl /JTj ^BOi

ofe i&BloiBv^ (228). Nun es ist nicht wunderbar, wenn er der Consequenz halber zur Athetese greift, wie oben FI 677, Aber das will mir durchaus

^9*

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nicht einleuchten, dass der Vers (231), wie wir ihn heute lesen und auch Zenodot ihn wohl gelesen hat, einen Widerspruch enthalten soll gegen el U7I fi^eol ag i&^kot&y? Auch in der Fassung ovd'' d S^mi mt; ti^fkotn^ vermag ich einen Widerspruch nicht einzusehen! Allerdings liegt aber ein starker, ja sehr starker vor zu den Versen y 216 217, wie sie in unerhörter Aenderung von Zenodot constituirt wurden:

Tig J'olc^' li X8 nori oq)t, ßlag dnor iasai i'k&mv ri av ye fiovvog iaiy fj xal ovunayxBg jixmoi

Mit diesen Versen kann doch der Wortlaut :

^Bla dsog y\ iß^iXoy xal ttiXo&bv äyd^a aatvoat

nicht stimmen. Darum ztiqsI to av^ucpcjyov iavrcol

Und das ist das Verfahren eines engelreinen Librarius, der durch seine Dummheit und Unfähigkeit vor den gewöhnlichen Abwegen ein- gebildeter Gescheitheit geschützt war.

Prüft man ferner vom modernen philologischen Standpunkte aus die von ihm in den Text aufgenommenen Lesarten in Beziehung auf ihre buchstaben massige Aehnlichkeit und Möglichkeit mit den im Alter- tum und auch jetzt gangbaren, so ist er allerdings manchmal dem ductus litterarum gerecht geworden, die meisten seiner Lesarten aber entfernen sich soweit vom Texte, dass man zu der Annahme gedrängt wird, dass Zenodot mit diesem in der modernen Conjecturalkritik öo hochwichtigen Gesichtspunkt gar nicht gerechnet hat. Beispiele der ersten Art sind: So y 217. o yt =1 av ys, 276 a/ua =: drd, A 34 dzimv = dxtwy^ B 299 im =: in, i* 37 oipsLovreg = oipaiovxeg, P 595 Ttjy ^= yfjv^ A 439 451 xilog = ßikog, N" 71 tj^i^ia = i^f^^^^j A^ 643 ITvkai aiv7]g = KvXat- u irrig, ö 207 eldfi = siTifj, 77 515 ndvxo& dxoveiy irarx' iaaseovar. Vielleicht sind auch manche dieser Lesarten in den von ihm befolgten Codices gestanden, wie z. B. P 595 THIV = FHN. Schwerlich aber die folgenden, in denen keine Spur von Aehnlichkeit mehr zu erkennen ist So schreibt er für ineaßoliag J 159 imaro/iiag, für ar*p tzqv Z 285 tpilai^ 7/TOp, für daifioya dioao) 0 166 nor/ior i(pr]0(o, für 'A^T^ing loxiaifia £ 53 d-araroto neXvj^a für nQoaao&Bv Xnnovg 0 533 taxiag 'inTiavg^ für fr/iypfh' igezuay fi Ib Xya afjfia nikono, für &€(oy dixrfti dyaKTWy fi 290 ffikojv dixrjji iraiffioy, für dcpilBa&e ys dovreg ^299 i&iktig difBlia&ai etc. In

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den letzten Fällen hat er, wie man sieht, meistenteils die Heilmig in der Herübernahme anderer homerischer Wendungen versucht; aber auch sonst hat derselbe an die Stelle von ihm missbilligter Lesarten andere Halbverse gesetzt, ein auch von Düntzer p. 144 entschieden verurteiltes Beginnen, wie M 444, N' 148, P 456 0 501 etc. Also vom Standpunkte der Buchstabenähnlichkeit geprüft haben diese Lesarten absolut keine Wahr- scheinlichkeit; ja auch sonst müssen in dieser Beziehung sehr starke Missgriffe, die auf das gröblichste sowohl gegen die Sprache, wie den Geist der homerischen Dichtung Verstössen, constatirt werden.

So schrieb er B 60 70 in den 3 von ihm hergestellten Versen

ähnlich wie -2*210 für äartoi; ix aiptjsifov äaiv norl a(per€(}oy durch und durch unhomerisch, da fiayjo&ai 7i{f6g ti nicht vorkommt. In den von ihm /' 334 heillos misshandelten Versen las er:

djLt(pl J^ap' dijLLoiaiy ßaKsr^ aanida S-vaaavUaaav

^vaarvoBaoa ist absolut unmöglich, es wird vom Dichter nur von der Aegis gesagt.

Nicht besser ist das aus /7 422 entnommene &ooi zu Z 112 und von dem dfivvnov äaxtv Xcißrjy bemerkt Düntzer ganz richtig „ab Homeri usu abhorret" p. 147. So ist zu seiner Lesart F114

^ d^afivdig xaXeaaaa S-wvg ^ela 'Qioovrag

sehr fein und geistreich von Düntzer bemerkt p. 150 „non soUicitus de epitheto ^«la ^wovrag, quod hie, quum de parte tantima deorum agatur, minus aptum videtur."

Höchst unglücklich ist auch seine Lesart X 378

liT()€i^r] TB xal älloi d()iar^eg Flavaxctiwv

und gut zurückgewiesen von Düntzer „at non vidit illum versum (// 327, V' 236) non nisi in principum contione locum habere". D. p. 150. ä:306

avrovg^ dl (poifBovaiv dfivuova ITrikeicaya

hat schon, wie es scheint, Aristophanes an dem ungehörigen avxovg An- stoss genommen und dasselbe durch xalovg ersetzt.

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Dass ZV 609 ^tya ^ijXnero vLxriv und O 377 fity^ (PexXvi das .a*yß ganz ungehörig für /laXa gebraucht ist, wurde bereits oben hervor- gehoben.

Auch die banale Lesart 0 207 ti7i[] schlägt dem regelmässigen Ge- brauche bei Homer in's Gesicht.

So ist auch seine Aenderung ß 55

avTä(} inti ^' rjye()9^sy üiLtriye(}ng x^iyh'oyro von der ßovlri ye^ovriDv gesagt, durchaus unhomerisch. Dass seine Lesart / 88

ivd^a dt nv(} xrjayro, Ti&hvro St dalra &aXiiar

auch dem Gedanken nach durchaus unzulässig ist, wurde schon im Alter- tume richtig hervorgehoben: äronov yap d^alia^eiv rovi; ntv^H ärXrßif %r[y ipvxTjv ßfßXrjjLtivovg.

Dergleichen willkürliche und ungeschickte Aenderungen sind natür- lich nicht geeignet, Vertrauen zu Zenodot zu erwecken. Allein dem gegenüber muss hervorgehoben und anerkannt werden, dass Zenodot denn doch der erste war, der vermöge seines klaren und scharfen Ver- standes Schäden der üeberlieferung entdeckte und ihnen vom philologisch- kritischen Standpunkte aus zu Leibe ging. Wenn nun die Nachwelt seinem grossen Gegner mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen Recht gegeben hat und Recht geben musste, so ist es doch in vielen Fällen weit weniger das positive Resultat, das damit seine Anerkennung fand, als sie vielmehr bei den total von einander abweichenden Wegen der beiden Kritiker denjenigen für den richtigen halten musste, den Aristarch der üeberlieferung gegenüber eingeschlagen hat. Darum müssen wir an einigen schlagenden Beispielen zu zeigen suchen, wie ganz verschieden der Standpunkt Aristarch's von dem seiner Vorgänger w^ar und wählen dazu 0 166 und £2 30.

In der so manches Auffallende enthaltenen Rede des Hektor (9 161 ff. lesen wir unter anderen den Vers

ovSa yvralxag ä^fig iv rrjeaai. na^fog toi ^ai/Liova ddauD

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Zenodot ist der erste gewesen, der den höchst auffallenden Aus- druck bemerkt hat: daifLiova (fviaw und das, denke ich, macht ihm doch alle Ehre. Er war nun der Ansicht, dass hier durch Eraendation zu helfen sei und schrieb dafür noxixov i(priao}. Anders Aristophanes und anders Aristarch. Sie griffen zur Athetese. Mit der Emendation Zenodot's ist allerdings ein Anstoss entfernt, aber auf eine Weise, die, wenn man ihr beistimmt, den Charakter der ganzen mehrfach anstössigen Stelle vollständig alterirt, die uns ferner auch vollständig darüber im Unklaren lässt, wie das merkwürdige und auffallende daiftova ^loau) in den Text gekommen ist. So muss denn auch die moderne Philologie, mag sie nun die Athetese anerkennen oder nicht, dem Verfahren des Aristophanes und Aristarch insofern beistimmen, als sie in ihm eher den richtigen Weg und die bessere Methode erblicken muss. Aber auch von Aristophanes ist Aristarch bei Behandlung ähnlicher Stellen abgewichen; das sehen wir deutlich /2 30 bei der Kritik des famosen Parisurteils

Das Wort ftaxi-oavvij war für Aristarch mit ein Grund, warum er über die ganze Stelle die Athetese aussprach: yMt j^tf fiaxi-oavrt]'^ xoiywg BJil yvyaixög fiayiq' didtJOXB d^avxip ov ravzrjy^ dXkd z^y xaXXioxriy rwy rare 'EXeyrjv. 'Haio^ewg d^ iaily 17 If^i^' ixelyog yd(} n(}diTog ixifTJcfaTo ijjt Tujy n^foLrov d^vyarf()ü)y Aristonicus. Aber Aristarch ist nicht der erste gewesen, der an dem Worte Anstoss nahm, schon Aristophanes fand den Ausdruck durchaus ungehörig und setzte an dessen Stelle „i] ol ;ff;fcfpia- jiieya (TdJp' dyofiTjye.*^ Damit wäre nun allerdings wieder Heilung geschafft. Hätte aber dieselbe Eingang gefunden, dann wäre unser Urteil über die ganze Stelle vollständig verwirrt worden und so muss man auch hier dem Verfahren Aristarch's, der über die sechs Verse die Athetese aussprach, als dem besseren und vernünftigeren beistimmen, mag man sonst auch über die Athetese denken, wie man will, und wir werden uns dabei auch nicht durch das Urteil und die Weisheit des Didymus beirren lassen, der sich hier in bekannter geistreicher Weise über die Lesart des Aristo- phanes äussert: }cal rdxct fi&XXoy ovriog dy exoi' d&erel yd(} AqL- ara()xog (Tia rrjy f.iaxXoavyr]y roy orixoy. Und Aristarch sollte nicht vergeblich gelebt haben für einen solchen Helden!

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So steht also Aristarch gleich von Anfang ganz anders dem Texte gegenüber, als Zenodot und auch Aristophanes , und das muss uns ein wichtiger Fingerzeig sein, ihn von jedem pruritus conjectandi frei zu sprechen.

Auch sonst sehen wir das Verfahren beider Kritiker total verschieden. Ein klarer Beweis ist die Stelle von Pylaemenes A'' 643 656

eyd^a oi viog inäkro ITvlaifisreog ßaail'^og S,

Der offenbare Widerspruch mit £ 576 ist Zenodot nicht entgangen. Er entfernte ihn durch Emendation, indem er E 576 KvXftijuevea schrieb, ein Verfahren, das nahe lag, das wir aber am allerwenigsten aus den oben entwickelten Gründen gut heissen können. Auch hier wich sowohl Aristophanes, wie Aristarch von ihm ab nach dem Berichte der Scholien : ^A()iaTO(pavr]s dß-nel .... äd^erovvTai äfKpirrsQoi (Qb8 659) . . . . fl Jf fievoicv oi arixoi ovroi, yorjTfoy ojuioyvuiay eJyai (E 576).

Wir müssen also daran festhalten, als einem für Zenodot ausge- machten und feststehenden Satze, dass vielen wirklich oder angeblich ver- dorbenen Stellen des Homertextes nur allein auf dem Wege der Emen- dation zu helfen sei, und nun werden wir uns auch nicht mehr wundem, wenn derselbe von dieser Voraussetzung ausgehend viel mehr als nach unseren Begriffen nötig scheint, seine rein subjektiven Meinungen in denselben hineingetragen hat.

Indem wir nun an den von den Alten schon aufgestellten Gesichts- punkten teilweise festhalten, teils uns auch nach neuen umsehen, um unter dieselben die Lesarten Zenodot's einzuordnen und so eine orien- tirende Betrachtung zu ermöglichen, stellen wir denjenigen Gesichts- punkt voran, der den Zenodot vielfach zu kühnen und falschen Aender- ungen geführt hat, aber doch noch den Glauben an eine im Laufe der Jahrhunderte stattgefundene sehr starke Cornmipirung des Homeri- schen Textes durch die avyi]&Bia gestattet. Bei Aristonicus finden wir diesen Gesichtspunkt betont in Ausdrücken, wie ov Xsyei J«, wg fifxslg B 56. ov Xeysi (Tf avytiS-iog fiuly /'206 o dt Zrjyoiforog avyi^S-iog ^uly rhaxf^y.

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J

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So las Zenodot

A^ 10 VBio&kv ix x^fadir^g^ (foßforTO J* ot ypfVfi* ivrog

-2*247 eXffjS^cti* narrag ya^f e/* (poßüg^ ovrex' '^}[illsvg

T 14 Mvifuidovag ^ a^ia jjdj'jag eXtr (foßog An diesen 3 Stellen ist (poßna&at und ffoßog unrichtig und in un- homerischer Weise gebraucht, wie man aus Aristonicus ersehen kann. Aber gerade solche Stellen lassen doch aua leichtesten den Glauben auf- kommen, dass wir es hier nicht mit willkürlichen Aenderungen zu tun haben, sondern dass sich in die vom Zenodot befolgten Codices eben der Gebrauch der avvrj&eia eingeschlichen hat, der von Aristarch entweder auf Grund besserer Quellen oder glücklicher Untersuchung und Beobachtung entfernt wurde.

Zenodot las B 56

xXvT€, (piXoi^ d^eiov jLLot ivvny iov f)kB^^y \)v&f^g So hat er hier das Wort ivvnnot^j das nach Ausweis unserer Lexica bei den Späteren sowohl in Poesie wie in Prosa das gewöhnliche ist, ganz unrichtig in den homerischen Text hineingetragen, wenn man nicht vielleicht auch hier annehmen will, dass das Gewöhnlichere aus der späteren Sprache Eingang gefunden hat in seine Codices* Wenn er / 447 las

Tolov 07 e 7i(}iuT0V linov 'Eklatta xalhyvratxa^ SO hat ihn zu dieser Aenderung unzweifelhaft die falsche Auffassung des viov in dem vorausgehenden Verse bestinimtj zu der er durch die m^rij- &eia verführt wurde.

Wenn man die Lesart desselben zu iV' 627

fiä ip OLjrsoß^or äyovTtg, tnu tftXha&i Jii^f u i rfj betrachtet, so ist man anfangs vollständig im Unklaren, warum er an Stelle der durchaus tadellosen Vulgata öi/ja&^ dvayovTsg nun dieses zweifelhafte Gut in seinen Text eingeführt hat. Rechnet man aber mit dem von uns hier behandelten Gesichtspunkte , so wird wohl die Ver- mutung das Richtige treffen, dass er auch hier der awrß^ia gefolgt, iat^ äyeiy und (pf^tir ist hier das Gewöhnliche, und Zenodot konnte sich dabei auch auf homerische Stellen berufen, wie i' 216

jLii^ ri fioi oXx^v'f^^ xoUT^g im vTjog äyoyrtg, Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wi89. XVII. Bd. III. Abth, 89

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688

Wenn er JS* 492 schrieb

pvfKpag ig f}aXdjitüvg datdiav vno XajxnofiBvaiay^ so ist längst erkannt worden, dass ihn zu dieser Lesart der Gebrauch der späteren Zeit bestimmt hat, in welcher ja das die allgemeine Sitte war.

Wir werden darum auch nicht überrascht sein, wenn die gewöhn- licheren Formen von Nomina wie ß 658 ^HifaxUlog^ von Verben, wie das in der späteren Zeit durchaus übliche (pQaaov -^83, wenn 7 9 ß^ßXtiajo für ßtßoXriaro Eingang in seinen Text gefunden haben. Dasselbe lässt sich constatiren bei dem Pronomen (Lds M 346 348 359, bei xbI&i V^461 etc. Auch die von Aristonicus A 24, E 146 156 329, /' 211 ge- tadelten Constructionen lassen sich unter diesem Gesichtspunkt begreifen. Ebenso die von ihm B 187, Z 34, N 172, a 169 gewählten Verbindungen. Dahin dürfte am Ende auch ^251 a% oi und /7 281 iknojuevai zu rechnen sein.

Unter diesem Gesichtspunkte ist es auch begreiflich und sehr wohl zu verstehen, wenn wir vielfach an Stelle poetischer und gewählter Aus- drücke bei Zenodot die gewöhnlichen und prosaischen finden. Mag man auch ^209 streiten über die Berechtigung von snsi oder cti, die Lesart Zenodot's

ov juev ^^ xoSb finl^ov e/e* xaxoVy t] ore KvxXcDip will mir doch durch und durch prosaisch erscheinen.

So darf man wohl auch bei der Variante i5 299

Tlfjre, (fiXoiy xal fieiyaj^ an ;f(>oyoi'* dlXa xal efinrjg

ganz abgesehen von der Unzulässigkeit der Bedeutung das hi aus der Vulgärsprache erklären, wo es gerade in dieser Verbindung eine Rolle spielte. Doch lässt sich auch hier bei der Leichtigkeit der Verschreibung für int an die Autorität von Handschriften, aber allerdings von schlechten denken.

Eine Vereinfachung und Erleichterung der Construction soll es am Ende auch sein, wenn er Ä^ 153

dXX^ ifii Svjiiog drfjxe noXvrXi^ucüy noXefii^eiy d-d(}asi i^iip. yevtfi Si vsioTaTog eaxov dndvriDV für d^dgasv (o las und es natürlich mit noXs^iL^uy verband.

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So würde man kaum glauben, wenn es uns nicht ausdrücklich überliefert wäre, dass Zenodot 77 697 in allem Ernste las:

Tovg sieg' oi S* äXXoi q>vya^e ßjvcooyjo exaaTog,

Aber im Zusammenhalt mit ähnlichen von ihm bevorzugten Wend- ungen finden wir eine solche Lesart sowohl glaublich j wie begreiflich.

So ist auch F114 die von Aristarch und den meisten Ausgaben festgehaltene Vulgata

17 iP äfxvdig arrjnaaa &eovg fietä fiv&oy eeinsv

aus diesem und kaum einem anderen Grunde durch Zenodot verdrängt und dafür das gewöhnlichere hergestellt worden:

^ S*äfivdig xaXeaaaa d^eovg ^sTa ^looyrag

Ganz vulgär und trivial will uns klingen, wenn an Stelle des bei Homer regelmässig stehenden sWij von ihm nnfj gelesen wird in der Verbindung 0 207

iaS-loy xal ro rhvxrai, or' ä^ysXog aioifia eiufi^

Wie es scheint, ist auch ^841 durch seine Lesart

dXl^ oi?(T' (Lg 7ie{} aeV dueXi^aa} reiQOfiiyoio

der gewähltere und poetischere Ausdruck aelo fiB&riaa} verdrängt worden und auch im Altertum war man dieser Meinimg: noirfiixu}Tt{Hn' Jt to tTBQov. Der Grund mag vielleicht für Zenodot gewesen sein, dass ueS^aca mit einem persönlichen Object vereinzelt ist. Denn gerade in der* gleichen Dingen scheint derselbe ausserordentlich streng und rigoros gewesen zu sein. So hat er /? 404

äXX^ iojuev, utj Sri&d ^lar^ißußjiisy oddlo

athetirt: Zriyodmog smi&iag d&trei Schol. M. Ich habe mich lange ver- geblich hin und her besonnen, was wohl der Grund mag gewesen sein. Mit ziemlicher Sicherheit möchte ich ihn jetzt dahin feststellen, dass der Genet. bei SiarQißBiy bei Homer gar nicht und auch sonst selten vorkommt.

So ist er auch Af 340 mit der Vulgata

xal TTvXfioy' naoai ya(> inw^oro^ rol cTt

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600

durchaus nicht iu's Reine gekommen. Es ist ganz schlechte und ver- werfliche Prosa das udaag j^a^ hnipyjxOy das er an die Stelle gesetzt.

Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, gewinnen nun folgende kritisch vielfach behandelte Stellen ein erhöhtes Interesse. So /' 206, wo Zenodot las

crijs; IVt;?' dyyt^Urjgj avy a^riufikip MsveXonp,

Arietarch

fffu hvhx^ uyy^Xiri^\ avy d(}r]i(pii,(p MeyeXdq)

Man liat in neuerer Zeit keinem von beiden geglaubt und aeV eye;^ uyyiUriv geschrieben. Ich habe dagegen Folgendes zu bemerken:

a) Nach dem obigen von mir dargelegten kritischen Grundsatze besteht kaum ein Zweifel, dass Zenodot auch hier in der Herstellung des Gewöhnlichen, der om^/jd^fia sich vergriffen hat; er wusste und kannte nichts anderes als dyytlu} und nur dieses wollte er bei Homer gelten lassen. Die Lesart otV i'yts^ dyyeXirjv hat als homerische oder besser ge- sagt urhonierische auch nicht einen Schein von Wahrscheinlichkeit; denn hätte dieselbe, wie jet^t angenommen zu werden scheint, in irgend einem Codex oder Urcodex gestanden, dann hätte sie Zenodot, vorausgesetzt allerdings, dass er im Besitze dieses Kleinodes war, ganz sicher acceptirt. Das erhellt sehr einfach daraus, dass er ü 640 las

dyyfXirjv ofjfi'fö;?« ßij] ^HifaxXrittfi,

also mit diesem Sprachgebrauch vollständig vertraut ist.

b) Ferner will mir scheinen, dass denn doch an solchen Stellen, wie /' 206, besonders aber A 140 diese Eigenschaft als äyyeXoi^ dieses schwere persönliche Gewicht, ähnlich oder doch vergleichsweise wie bei den späteren jifieoßeis- vom Dichter hervorgehoben werden konnte.

c) Hat nach den guten Ausführungen von Autenrieth zu /^ 206 und Anhang bei Hentze /'206 die Form dyyeUrjg ihre ganz gute ho- merische Analogie in raairjg, yerjviTig. (Man vergleiche auch Lud wich H p. 1U4 ff.)

Auch die nun vielfach von den Herausgebern gebilligte Form iolo fiir ifjog O 138, A 393, T 342, SI 550 bekommt unter diesem Gesichts- punkt betrachtet eine andere Beleuchtung f, ifjog war, um mit Hartl zu

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sprechen, ein verschollenes, der Sprache so unbekanntes Wort, dass selbst die gelehrten Epiker es wieder aufzunehmen Scheu trugen." Hält man damit zusammen die Art des Zenodot, das Ungewöhnliche durch Be- kanntes zu verdrängen, so wird man kaum das eolo als die ursprüng- liche handschriftliche Lesart statuiren können. Ausserdem klingen an 2 Stellen die Zeugnisse des Aristonicus so bestimmt, dass kaum ein Zweifel gerechtfertigt sein dürfte, ü 138 i^yyorjxs ^e t^v Xi^iv und £1 528 dia dh äyvoiav b Zrjyodonog ^soio^ y(}a(p€i. Zu bedenken ist femer auch, dass sich o450, |505 die Bedeutung des solo gar nicht aufrecht halten und verteidigen lässt. Kein Gewicht will ich auf den Umstand legen, denselben jedoch nicht ganz übergehen, dass wenigstens an einer Stelle ZV 246 der Nominativ ivg von ihm getilgt wurde, wo er für d^BQiXTKov ivg dovQixXvz6<^ geschrieben hat, auch ein r/t; ist von ihm einmal durch eine andere Wendung entfernt worden, P456, wo er für

üg tlnihv Xnnoiaiv iymyevaey fiivog fiv jifiivog 7ioXvd^a(faeg ivfjxey^ gelesen hat.

Gerade diese Kunst, den gewählteren und wenn auch etwas dunkleren poetischen Ausdruck durch einen gewöhnlichen Kalibers zu verdrängen, diese Kunst, die ja auch heute bei uns so sehr im Schwünge ist, hat Zenodot mit Meisterschaft geübt. Das ist denn auch der Fall gewesen «132 und ?? 250, wo er für eXaag die gewöhnliche Lesart ikdaag {v 164) herstellte; dieselbe ist schon im Altertum im Gegenhalt gegen die andere verurteilt worden: oi Si ^Kkoag^' noirjTixwrfifoy yap. Demnach kann ich dem Üdaag auch nicht die Spur handschriftlicher Beglaubigung bei- messen und erkläre mir seine Entstehimg in der angegebenen Weise*).

4) Schwieriger scheint mir dagegen der Entscheid zu Y 138

si 6i X* ^'^(jrjc ^^/w<ri (J^dxns 5 *Poißog *Jn6XXuty, wo wir bei Aristonicus lesen: öu ZrjvoSotog yQ(i(pn j,agxfi<n*. 6 6k "O/jtri^og t6 x«r' ttfi<pori()ü)y xtay oyofiätwy uSi/Ätyoy ^rj/^a itM^i norf, to ijfQoy 7t()0Ta(ag oyofitt, fura^v idaafiy j,^x' ^ocf 2"*- fÄOiig avfAßdXkftoy i)^f IxcefiayS^og* (E 744) xai ^^y^t* /^^^ c<V *Ax^Q^^^^ 11 vgupXkyB&wy xe ^iovai KaSxvTos TB {x 513)' xai xovtto nenXioyaxBy *J}xf4dy, 6t6 xai JXxfdayucoy xaXfitat ovx ort ngtotog avt^ iX9n*fftto, X 513 wird aus Alkman citirt jfKaaTfop taxiioy rttoXtay iXazti^fs xai IloXvd&vXfig*, Aber diese Beispiele beweisen doch gegen Zenodot soviel wie gar nichts; es müsste doch hier mindestens ein Beispiel aus Alkman angeführt werden, wodurch der Plural auch bei der disjunc- tiven Verbindung statthaft wäre. In der citirten Stelle der Odyssee wird unsere Stelle mit dem Plural «(»/wa« neben den anderen angeführt. Waren vielleicht die Alten glücklicher wie wir und konnten Beispiele für die disjunktive Verbindung anführen?

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Mit diesem Bestreben des Zenodot, das Ungewöhnliche und Auf- fallende EU, entfernen und dafür geläufigere entweder bei Homer oder auch anderswo vorkommende Wendungen zu setzen, hängt wieder eine andere Neigung desselben zusammen, an die Stelle von anai €l(}r]fisya üblichere Worte einzuführen. Leider gestattet uns die Mangelhaftigkeit unserer Quellen nicht zu beurteilen, bis zu welchem Grade Zenodot dieses gefährliche Verfahren in Anwendung gebracht hat. Heute liegt aber dasselbe doch unläugbar sicher in folgenden Fällen vor.

So hat ilm gewiss das im Homer vereinzelt stehende Desiderativum J'S? oipdovreg^ zu der von Aristonicus allein uns verbürgten Aenderung in o^faiöVTBg vermocht. Zenodot mag es wohl eher für otf/ diot/reg, als för oipä topTB^^ genommen haben; hören wir doch auch ß 42, wenn anders die Schollen zu der Stelle uns richtig berichten: yekoicog ygoipH Zijro- 3mog „^tor", ano rov dtscv, o kariv äxovBiV,

So steht in dem Verse O 470

vivi}f}v ^i§i(}(}rii€ veoarQOipov^ riv irs^rjoa 7i^üJto)% o(pQ^ ayf^oiTo &afiä d^^fVjaxovTas oiOTOvg

Tifküjiov an dieser Stelle ganz vereinzelt und ist gut verteidigt bei Aristo- nicus „TO J* n^ioiop ioTi 7i(}(oiag* xal yd(} yfyorey ovrwg' rfj tiqo rav- Tt]g ^^fpff vV^^^ ^^ ^^ vevgriyy vd^xrjae di^ (0 328). diars evkoyov ifj i^g ixHVTjg n^wiag (i. e. mane) ivfjcp&ai^. Das Wort wurde ersetzt von Zenodot durch das sonst beim Dichter vorkommende 77 q (6 riv (E 832, n 500).

Aller Wahrscheinlichkeit nach hat auch das in F 11 iiorfjg ali^ovafjOiy BViC,avov, ctg Ju nar^i

ganz vereinzelt stehende iyi^aroy aus diesem Grunde ihm Anstoss erregt und darum scheint er es durch icpi^ayoy ersetzt zu haben, wenn am Ende auch zugegeben werden kann, dass die hier von Aristonicus an ihm ge- übte Kritik kaum eine zutreflFende ist. Manch ee mag ihm auch V 533

üxüir aiffiara '/.aXd, ilavvwy JiQooood^By Xnnovg

anstössig gewesen sein, aber das ganz unerhörte T^^onaoB^By muss doch sein ganz besonderes Missfallen erregt haben; es ist wenigstens in der ungehörigsten Weise ersetzt durch „ikavycuy wyJag Xnnovg^,

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693 Vielleicht ist das von ihm in A^ 551

durch na^amadoy verdrängte schon in seinen Codices gestanden; aber 71 fQiaza^oy, das nur an dieser Stelle vorkommt, ist ihm möglicherweisa auch aus einem andern Grunde anstössig gewesen. Darum würde ich auch Bedenken tragen -S^ 34 ^ei^tg yd(f, firj Xaifioy dnainriaaig atdrigip

das nur noch tp 303 in tmesi vorkommende dnau/jatts durch die Lesart Zenodot's dnatfiri^eis zu ersetzen.

Leicht könnten diese Fälle noch vermehrt werden , aber ich denke, sie werden genügen, um uns diesen bedenklichen kritischen Grundsatz des Zenodot hinreichend zu illustriren. Leider bemerken wir ja auch sonst an anderen Stelle und deren sind gar viele ~ diese Kritik des aa(phars(foy im schlimmen Sinn in einem solchen Uebermaasse von ihm geübt, dass wir hier von einer ihn etwa annähernd oder hin- länglich entschuldigenden Autorität der Handscliriften vollständig ab- sehen und mit einer höchst unglückseligen und eingebildeten Schrulle desselben rechnen müssen. In dieser Beziehung muss man sich auf starke Dinge gefasst machen und wenn man auch anfangs den von den Alten geäusserten Urteilen mit dem grössten Misstrauen gegenüber steht, schliess- lich sieht man sich durch die Menge der einschlägigen Fälle gezwungen, denselben zuzustimmen und sie als wohlbegründet anzuerkennen.

So überliefert uns Aristonicus zu dem Halbverse AM 48

üTi Zrjyodoriog yifdtpei „o de x^Oüaro noXXoy önioavu^. i^yyorjoe &f Sri ra ifinsnriyoTa do^ara rfi danidi dyaxiOQovyjeg ^iartyaaoövaiyj iVö djionmfj. Ganz ähnlich ist der Fall 77 160

xal z' dyekrjffoy iaon' dnb }C(}rjyt]g fiskayv^^uv kdipoyzeg yXiooajjaiy difaiffiiy fiiXay vdw^

OTi Zrjyo^OTog y^dcpei y^Xdipayrtg^ did xov ä. Baoyjm Jf r/Ji; mnwKorfgf xal ixlikvrai 17 i]u(paaig' oi fiey yd^ aiuaxog ifinffföQrßityoi xai &id SLipay oQfKSyieg inl ri^y }C(ri^yriy aio^ovai ro naifdarrjua . inlay ijo e cJ* zbr

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ZrivüSoxov To i^g, de^afifvov dno x^yrjg iaatv ovx i'^ei ^e, äiX elg x^rjvjp/ niofiBvoi noQhVin'rai. Zwar wundert man sich anfangs, dass die Alten dem Zenodot Missverständnisse derart zutrauen; aber wenn sie nun vor dergleichen Aenderungen standen, so blieb eben kein anderer Erklärungsgrund übrig und wir können, wenn wir anders die Neigung desselben zu n)öglichster Verdeutlichung der Worte des Dichters richtig beobachtet haben, ihnen nur beistimmen.

So lesen wir Z 5 1 1 in dem schönen Vergleiche vom Pferde

o (f^ ayldtrjcpi nenoid-iog, (njücpa i yovva (pe()ei juerd r^ ri&sa xal rofiov innwv.

Die Worte, die allerdings an einer Anakolouthie leiden, waren dem Zenodot unerträglich, und sofort ist er mit einer Besserung bei der Hand, wodurch das aacpfOTS^foy allerdings glücklich erreicht ist „^i/icp* id yovva tp^Q^t^ und der Mann ist auch kühn genug, diese Aenderung zu wagen, trotzdem dass es einige Verse darauf heisst

Und so ist von ihm an einer ganzen Menge von Stellen Structur wie Periodisirung des Dichters in ganz eigenmächtiger und willkürlicher Weise gemeistert und corrigirt worden und diesem Principe der Verdeut- lichung im schlimmen Sinne hat er die grössten Opfer gebracht. Ich hebe aus einer reichen Sammlung nur die schlagendsten Fälle hervor und kann dabei die Vermutung nicht unterdrücken, dass er an manchen Stellen, nur um seine eigene Auffassung und Erklärung zu sichern, dem Dichter etwas nachgeholfen zu haben scheint. Darauf wird man geführt, wenn man Lesarten betrachtet wie die zu ^413

lloar (V fr jiieaaoioi, fierd aipiai nfi^a Ti&tyr^g,

Die von Aristonicus vertretene Erklärung wird man kaum billigen können: ov yap Uyei iavroTg nfjjna riS^evTcg oi T(}(5€g, dXkd rip ^üdvoasl. Man wird vielmehr dem Zenodot beistimmen müssen, wenn er nfi^m von Odyeseus versteht Dieser Sinn schien ihm aber in der vom Dichter ge- wählten Ausdrucksweise nicht recht zum Vorschein zu kommen, darum seine Schreibweise

flaar (Vir jusnaoioi fierd acpiai, nfjua (Tf lloar

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und nun war es doch Jedem klar, wie allein nur das nfjua hier gefaset werden konnte. Von der Eigentümlichkeit einer solchen Structur schreckt Zenodot durchaus nicht zuräck, wie man aus i\r 609 erkennen kann, wo er las:

Aus demselben Grunde möchte ich auch der von ihm M 444 ge- gebenen Lesart nicht einen Schein von handschriftlicher Autorität vindi- ciren. Sehr lehrreich ist aber ihre Entstehung. Doch da müssen wir etwas weiter ausholen. Vers 437 heisst es:

7i(}iv yüJ€ (T17 Zevg xvdog vniifTi{fov "Extoqi däxe

n()iafii^fl, og nQonog iai^karo relxog W/ot^cüv.

ijvoev ^e dianifvaiov T^iDsoni ytymvvjg'

y^o{fvvad^j innodafioi T(}(5€g, ^ywaO-e dh isTxog 440

*A()yeiü)y, yal tnjvoly ivihJB ^tamdatg nvif.^

(Lg (pdr^ inar(}vya)y, oi d^ ovaai navTsg äxovov,

i&vaav d^ inl Tel^og äoXXhg, oi jluv eneira

xifoaaavDv imßaivov dxaxf^^yoi ^ov^ar^ ix^yreg.

Da kann nun bei ;^ 439 ein Zweifel entstehen, wer denn eigentlich ruft, Zeus oder Hektor, wer in dem Satze als Subject genommen werden muss. Wir besinnen uns nicht lange und entscheiden uns kurzweg ge- wiss im Sinne des Dichters richtig für Hektor. Anders die Alten, von denen uns Aristonicus berichtet 439: ori im rov Jiög rovro (priaty, ovx ml Tov "^'ExroQog' dio xai ini^yeyxey y^wg ipdr^ i7ior(fvya)y, oi S*ovaai nayng äxovov.^ ^ 442: ati diä rovro evx(}iye(, yiyerai ro r'^g n(}0X€i/bL6yrjg ä/LKfißoliag' ov yap Stj äXliog idvrayro ndyreg dxovsiy, bI jutj 6 Zsvg in€(p(jüy7]osy. So suchten sich also die Alten zu helfen bei einer Sache, die eigentlich für uns gar keine Frage ist. Nun ist es aber interessant zu beobachten, dass Zenodot der erste war, dem ein Zweifel an dieser Stelle aufgestiegen, und das muss man sagen, er hat für alle Zeiten gründlich jedem Missverständniss vorgebeugt, wenn er nun las:

oi fiiy eneira x(}oaoda}y imßaiyov, hntl O-eov k'xkvoy av^Tjy.

Aber das müssen wir doch als eine falsche Auffassung und eine traurige Verirrung der Kritik bezeichnen und werden darum auch bei

Abh. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X Vn. Bd. m. Abth. 90

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der Beurteilung ähnlicher Fälle uns vor einem rasch zustimmenden Ur- teile hüten müssen ; denn diesem oacpianQov im schlimmen ^nn hat er ja auch anderwärts seinen Tribut gezollt So in der schon oben be- sprochenen Stelle ^439

yv(o ^ ^OdvaoBvg^ o oi ovri reXog xara xai^iov rjk&iv.

Aus seiner Lesart zu 451 erkennt man klar, dass es eine willkürliche Aenderung ist. Der Grund ist wohl jetzt auch leicht einzusehen: die Un- klarheit und Zweideutigkeit des Ausdruckes rilog xarä xal^iov sollte durch die Lesart ßilog glücklich beseitigt werden.

Aus diesem Grunde mag er auch die in -2* 485 begegnende Con- struction nicht geduldet haben. Dort lesen wir ohne jeden Anstoss:

iv dh ra rsl(}€a navxa, id t' ov(fay6g iajscpavcoTai.

Dem Zenodot muss aber diese Verbindung unerträglich gewesen sein, er schrieb darum „oiJpayoy iarrKfixxai^ .

So möchte ich auch an 2 Stellen, wo man dem Zenodot unbedenk- lich gefolgt ist, Einsprache erheben gegen die Ursprünglichkeit und Be- rechtigung seiner Lesart. Zuerst Z285:

(pairjv scer (pQsv* areg nov öi^vog ixXeXad^iad^ai.

In diesem Verse müssen nämlich 2 Dinge den Anstoss Zenodot's erregt haben, einmal die vereinzelt stehende Ausdrucksweise äxeg nov, sodann aber auch der Verstoss gegen die Analogie, wenn er das Wort vielleicht dtfQTiov gelesen, da es beim Dichter dre^fn^g heisst Aber haupt- sächlich muss es die Unklarheit der ganzen Phrase gewesen sein, die ihn zur Emepdirung eingeladen, und das aacpeareffoy war nun auch hier glück- lich hergestellt mit den Worten:

(paifjv xey (plXor ^to(i öi^vog ixUXa&io&ai,

Gegen die Unzulässigkeit dieser Schreibweise scheinen mir hauptsäch- lich zwei Gründe zu sprechen. Einmal entfernt sich diese „Emendation** doch zu sehr buchstabenmässig betrachtet von der anderen Variante „ar^p Tiof ", und leider mussten wir im Vorausgehenden constatiren, dass dieser hochwichtige Umstand nur in den seltensten Fällen von Zenodot berück-

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eichtigt wurde. Der Hauptgrund, der dagegen spricht, scheint mir aber der zu sein: Wäre die Lesart (piXor ^op von Seite der handschrift- lichen Autorität empfohlen worden, so wäre auch Aristarch so vernünftig gewesen, ihr zuzustimmen. Nimmt man sie heute in den Text auf, so ist man sich doch wohl klar darüber, dass man eine Conjectur zu Gnaden aufgenommen hat.

So kann ich mich unter diesem Gesichtspunkte auch an einer zweiten Stelle nicht für Zenodot entscheiden und bin kühn genug, nach dem Digamma gar nichts zu fragen. Es ist dies die vielbesprochene Stelle 0 526

Bv^ofiai iXjio/isyog Jii t' äHoiaiv t€ d^eoloiVj

die in dieser Fassung dem Zenodot anstössig war und der sie desswegen also gestaltete:

tknojxai ev/ofierog Ja x äkXoiaiv re &€olair. Dagegen habe ich aber Folgendes einzuwenden:

1) Wenn wir ^ 366 von Poseidon lesen, wo er den Argivern zuruft:

irfpyfloi, xal ^Tj avre ued^iefiev ^'Exroifi vixrjv lT()iajLii^rjj %va v^ag ilj] xat xv$og ä()TiTai; dkX^ o jutv ovTü) (pfjot xal «i;/rrai, ovvtx^ ^Axi-XXBvg vrjvaly im yi.a(fv()fiai uevsi xsxolioueyog r]TO()^

so sind die Worte ohne Anstoss und für Jeden leicht verständlich. Man kann in der Tat gar nicht begreifen, wie sie nur jemals zu Bedenken Anlass gaben. Doch hören wir Aristonicus: ozi Zrjvo^orog y(}d<pei j,xat kXTisrai.^ äfffio^fi zip TT^foawTKp ^vx^rai, xavx(ih:ai. Demnach liest also Zenodot:

dXX^ 6 /Ahv oi/tco (p7]al xai Uneraiy ovvek' 'AxiXXevg.

Aber das ist doch ganz unerhört, schlägt jeder gesunden und ver- nünftigen Auffassung in's Gesicht, so kann Homer an dieser Stelle in diesem Zusammenhang unmöglich gesprochen haben. Desswegen ist das einer ai^ nichts, gar nichts als eine willkürUche und durchaus un- statthaft;e Aenderung des Zenodot! Darüber wird nun wohl bei Niemanden auch nur der leiseste Zweifel herrschen. Warum machte aber Zenodot eine solche Aenderung? Das ist auch klar, wenn wir das oben dargelegte

90»

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698

Ttj^Bi TQ avu(pwyov iavT(5 beachten. Einfach desswegen, weil er oben gegen die Handschriften gelesen und geändert hat:

darum muss es auch hier von demselben Rektor heissen und, wenn wir das traurige Kapitel von der durch Zenodot in den Homer einge- führten Gleichmüssigkeit in billige Berücksichtigung ziehen, kann es nach Zenodot gar nicht anders heissen, als eXnoiLtai evxoinsyog. So gut aber, wie an der zweiten Stelle, ist es auch an der ersten eine durchaus un- gehörige Aenderung, die wir nicht des Digamma's wegen in den Text einführen dürfen. Für mich und hoffentlich nicht für mich allein ist aber diese durch den verhängnissvollen Laut hervorgerufene Kritik gerade an dieser Stelle ein schlagender Beleg, mit welcher Vorsicht man dieses zweischneidige Schwert gebrauchen muss; denn

2) dass Zenodot mit dem Gespenste nicht gerechnet hat, ist ja von vornherein klar, lässt sich aber zum Ueberflusse noch erhärten aus seiner Lesart iV 609

jLieya J' ijXTieTO yixrjy,

3) Gegen ^i-lnofiai evxojLierog^ spricht aber auch die von den Alten bemerkte und mehrfach hervorgehobene Fiction des Dichters, die sich durchaus nicht abläugnen lässt, von der Aristonicus auch zu den Versen i" 45 46 spricht:

iJfiJüi ufj dri fioi Tekeofi enog 6ß()i/iog "^'Extwq, J>^c Tioj^ intjneiXrjaey iyl T()(veao^ dyo()eva)y

oTi ravta dyarff^i^Tai hTÜ ixflya „klTiofiai evxofieyog Jii^ (gegen die falsche Lesart Zenodot's) y.al „jLiyrjjuoavyr] xig enena nv^og drjtoio yH'h&O}^ cüv nv{}l yfjag^ (0 181). i^dxovara (fb iyeyeio naffd rotg noke- niüig^ wg Kai ra 7if()l 'Of^()voyea {IV 375). Vgl. auch Aristonicus / 700. Diese eigentümliche Gestaltung und Fiction des Dichters ist aber nicht aufrecht zu erhalten, wenn man mit Zenodot liest „elnofiai BvxojLieyog^ .

4) Wie diese Fassung der Worte dem im stolzen Siegesbewusstsein sich erhebenden Rektor gerecht werden soll, „ich hoffe, zu den Göttern betend , dass ich . . . von hier vertreiben werde", vermag ich nicht ein- zusehen. Hektor ist doch jetzt in einer Stimmung, wo ihm am Ende

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699

das Gebet des alten Dessauer viel näher läge „die Götter möchten neutral bleiben". Und nun vergleiche man einmal mit diesem lahmen und zahmen Ausdruck seine die stolzeste Siegeszuversicht atmenden Worte in der prächtigen Rede 0 175 ff. Darum muss ich auch dem Urteile des Aristarch einen sehr vernünftigen und guten Sinn zusprechen . . . eknofiai BVxoixBVOi; ov xara rov ^'Exxo^fa roy ovrcog knrnffiivov kiyei, kkni^ü) evxo/Ltsrog rolg &eolg' ijiieixfg Y^Q* rovvavxLov yaQ olxuov fv/o/LLai iXnofievog, ;fai;/c5ua«. Ob man auch ilno/Lisyog Jii t' äXXoiaiv TS S-Boiaiv mit Aristarch fassen muss „ikni^onoioviLierog vnb rov Jibg xal T(jür äXXcoy &b(jjv^ will ich dahingestellt sein lassen. Diese Fassung und Deutung klingt uns allerdings anfänglich sehr befremdlich. Aber ho- merisch lässt sie sich durchaus rechtfertigen, man denke nur an /? 91 von der Penelope „Tiarrag jusr ^' elnei^ und die Datiwerbindung bei Passiven ist ja auch nicht so selten bei dem Dichter. Vor allen Dingen wird aber diese Auffassung der Entschiedenheit und Energie des Rektor gerechter, als die gewöhnliche. Wenn er bereits oben so unzweideutig gesprochen 175 ff.

yiyycoaxü) cT', ori fioi TiQocpifwy xazeyevoe K()oyiu)y yixijy xal fiiya xvdog^ axoLQ Jayaoioi ye Jififia,

so kann man sich doch nicht so leicht mit der gewöhnlichen Auffassung abfinden. So erkläre ich mir also die Aenderung des Zenodot und halte sie aus den angegebenen Gründen für durchaus verwerflich.

Neben diesen hier hervorgehobenen und besprochenen Fällen be- gegnet man noch einer Menge von Lesarten, die sich vielleicht auch unter diesem Gesichtspunkte betrachten lassen M161 246(?), iV198(?), O 134, Z 340, P214(?) etc. Auch das Gegenteil lässt sich an manchen Stellen constatiren wie O 587 und an den von den Alten hervorgehobenen Lesarten mit däidyorjToy H 153, A 413, 77202, P h\ etc. Aber die Fälle, wo er vermöge dieses Grundsatzes glaubte, den Dichter verbessern zu müssen, sind doch die häufigeren, und es scheint mir ganz selbst- verständlich, dass er noch viel mehr, als wir heut zu Tage nachzu- weisen im Stande sind, diesem falschen Grundsatze seinen Tribut gezollt. Würden uns das auch nicht unzweifelhaft überlieferte Lesarten bezeugen, wir hätten auch sonst noch Anhaltspunkte genug, um dies sein Ver-

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700

fahren erklärlich zu finden. So dürfte sich gewiss manches erklären aus dem von ihm vielfach und mit Entschiedenheit festgehaltenen Gesichts- punkte genauer wörtlicher Auffassung und Interpretation, welche die Worte und ihren Zusammenhang aus sich selbst erklärt, ohne sich der bequemen Hilfsmittel der Ellipse, Ergänzung, metaphorischer Deutung etc. zu bedienen. In dieser Richtung ist ja auch Aristarch be- merkenswert und von den vielen hier einschlägigen Stellen zeigt uns kaum eine besser seine Art, als die von ihm A 133 134 vorgenommene Athetese. Dort spricht Agamemnon

ij i&fXeigj (kpQ^ avrog sxUS Y^QOLg, avraQ c'a' avnog Tio&ai ^evo/xeror, xeXsai jue TTjriV dnodovvai)

Die Gründe der Athetese lauten bei Aristonicus: oii evrekslg rfi aw- f^^GSi xai rfi dtaroiq xal utj aQuo^ovr eg Idy a ^i f.iv ov i. Die letzten Worte wollen uns nun gar nicht in den Kopf. Aber das ist leicht er- klärlich j weil wir von Jugend auf an eine ganz andere Interpretation der Stelle gewöhnt siüd, die auch jetzt noch in den meisten Ausgaben Franke ausgenommen gehalten ist. Man ergänzt nämlich aus dem Nonunativ yeQag den Genitiv des Wortes und erklärt demnach „der Ehrengabe oder derselben beraubt". Das konnte aber kaum einem Griechen, das konnte nimmermehr Aristarch einfallen; denn dsvo^isvog ist ihnen ein 80 fester und bestimmter Begriff „dürftig", dass es ihnen gar nicht beikaTHj hier an eine Ergänzung zu denken. Wenn nun Agamemnon im Sinne Aristarch's sprach „aber dass ich nur so dürftig dasitze", so kann raan sein Urteil „;fat fir^ äfffio^orreg ^Aya/Lteuvori^ ganz wohl begreifen. Aber Zenodot scheint doch hierin viel weiter gegangen zu sein und diesen an sich gesunden Grundsatz durch ängstliche Uebertreibung viel- fach zum Schaden des homerischen Textes in Anwendung gebracht zu haben. Beginnen wir mit einem locus classicus, / 131, dort spricht Agamemnon

öcoau) (^ ejirä yvvalxag afivfiova fpya h^viotg jieaßidag^ ag, ore yteaßov ivxriitierrjr eker avrog B^eXojurjr, al xaXXei iiuxcor cfvXa yvvaixwv. rag juev oi (TcürTCü, fierä (V i'aanai, i]r rirr^ ä7Triv(}ü)y, xov(jrj B(}iafjog.

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701

Nun versteht Zenodot das ^bto. 3^ taot im „darunter j dabei wird sein" nämlich unter den inra yvi'alxeg, ohne zu bedenken, dass auch noch eine andere Auffassung möglich ist , die dem Dichter wolil gestattet, die höchste und wichtigste Gabe in dieser selbständigen und bedeutungsvollen Weise hervorzuheben. AUerdi nge bei dem ersten An- blicke muss man es am Ende oder kann es doch wenigstens so fasseiij wie Zenodot. Dadurch kam er aber nun in's Gedränge mit T245, wo es in unserem Texte heisst:

ix J' äyoy alipa yvyalxag df,LVfiova t^a Wula^^ 67it\ aräf) oyt^oarriy BQiariida xaXXiJidpfjor,

Diese Worte konnten nun bei der oben besprochenen Auffassung des Zenodot nicht bestehen, darum änderte er

e% draf) eß^üjjdrrjy B{)iöriLda xaXXind^noif

und vom Standpunkt Adam Riese's ist dagegen auch gar nichts einzu- wenden, aber das ist denn doch ein trauriger Beleg für den krassen Subjectivismus des Vaters der ersten Homerausgabe, wenn er unbekümmert um Stellen wie / 271, 638, wo Aristonicus zu vergleichen ist, nun einer reinen Schrulle zu liebe in so rigoroser Weise den Dichter glaubte meistern zu dürfen. Und das Letztere hat er nur zu oft getan und leider ist dieses Beispiel nicht vereinzelt. Denn dieselbe Wahrnehmung können wir auch machen 0 139, wo wir in unserem Texte lesen:

Tvdudri^ äye cftj airs cpoßoy J' €/f ^tiuyv/^a^ Xnnovg

Zenodot sagt sich hier, wie kann an der Stelle der Ausdruck aötB gerechtfertigt sein! Nestor wie Diomedes sind ja bisher immer siegreich vorgedrungen, darum ist das Wort avre „wieder^ unstatthaft und zu lesen:

äy€ rwi (poßov dk

was, wie Aristonicus bemerkt, sprachlich durchaus unstatthaft ist.

Dieselbe Beobachtung können wir bei avtt machen ^ l 93. Dort spricht Teiresias zu Odysseus

t/tit' avT\ CO dvaxriVB, Iitkov (pdog riikiow rjlv&sg;

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1

702

Auch hier fasst Zenodot das aviB wörtlich, aber da ist es unzulässig, weil Odysseus früher nicht in die Unterwelt gekommen ist, darum änderte er auf gut Glück t/tif' aviws . . . ijXvS^eg^ eine Aenderung, die nicht besser ist, als die zuerst genannte.

Nicht anders wird auch -T 230 zu beurteilen sein

k'yS-a cTf xal tot^ oXovto (^v(ü(^€xa (pdhrsg äQiaroi.

Auch hier muss er xal totb ganz wörtlich genommen haben und da Nichts im Vorausgehenden der genauen Angabe entsprach, so änderte er, indem er sich ziemlich weit von unserm Texte entfernte:

h'&a Sb xovQoi (ikayro dvwd^xa navztg äffiaroi.

Anders wird man sich auch kaum seine Lesart AT 98 erklären können

/titj Tol fihv xa/uarip di^tixoreg rJJf xal vnvtp xoi/ttfjacoyrai, «rcrp (f/vkaxf/g inl Ttayx'^ Xdd-ioyrai,

Der Ausdruck ist durch Aristarch gut und vollständig richtig erkläzt „I'ti Jf xai vvv Xfyo^^v vnvov jueOToy ov xov i^nvioxora^ dlkd roy noit rb vnrcoTixbr iv avr(5 f/^ovra. Das hätte sich Zenodot auch sagen soll^i: dann hätte er die Lesart der Handschriften gewiss nicht angetastet und geändert in

xa/narq) dcffjxorfg ridn vnvcp xoifiriao}vrai.

Aus demselben Grunde müssen wir auch seine Schreibweise zu A 2Si» erklären. Dort spricht Achilleus:

;ff(>ai fny ov roi iyci ye jnaxtiao/iai eirexa xovffTjg ovre aol oikf tip älk(p, inei ^^dipfXw&i ye ^ovreg',

die Worte infi u' dfpfXfaS^f yeSortfg waren ihm, wie es scheint, «ir- stössig, wenn er sie mit den Versen verglich / 366 ff.

of|o/ia/, ofW I7,ax(fv yc yf(}ag (fi jnoi, og 7i«p idcoxer^ avrtg i(fvß()i^ü}y l7.fTo XQnmv Uyajj-ijuvwr

und darnach musste constatirt werden, was auch die Alten getsr „Tce itihv ydp dkXa xaid xXf](füy tlaßsy rriy St Bffiarji^a iSaiQeror nci \4yafiubarorog^ Aristonicus. Darüber war sich auch Zenodot vollstaadir

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703

klar und nun konnte der Halbvers gegenüber der klaren Wahrheit nicht bestehen und musste einer ganz unerhört schlechten Correctur weichen:

ind ^' i&eleig diptkeaS-ai,

Aber so darf man einen Dichter, venu er seinem Helden die Sprache der Leidenschaft in den Mund legt, nicht meistern und richtig ist bei Aristonicus dagegen bemerkt . . . oijyfj J* xotvonoiel elg anavTag^ ^wg fi> tÖv aiTfoy Tfjg a(f^ai()€afü)g dyvoiJiv.

Darum kann man auch Düntzer beistimmen, wenn er die Lesart des Zenodot erklärt iV 546

ovTa& BTiatiag, 8iä Jf ipXhßa nänay kx€(faey

für «710 (fi (pXfßa „cum vena non a b scinderetur , sed dissecaretur" D. p. 137. (Vgl. M79 -2" 210?)

Daraus erklärt sich sehr natürlich und wird begreiflich, dass Zeno- dot aus demselben Grunde auch dem Principe huldigte, der Dichter müsse „Alles" sagen, eine Annahme des xarä rb a Koncifieroy sei unzulässig und abzuweisen. Wenn diesem gefährlichen Inter- pretationsgrimdsatze eine Ausdehnung gegeben wurde, dass man sich leichten Herzens über die schwierigsten Probleme damit - hinweghalf, dann hat Zenodot nur Recht getan, mit demselben nicht zu rechnen, sondern ihn mit aller Entschiedenheit abzuweisen. Anders stellt sich dagegen die Sache, wenn derselbe im Interesse der Textkritik ange- nommen und in bescheidenen Grenzen gehandhabt wird. Desswegen verdient auch Aristarch durchaus keinen Vorwurf, wenn er diesen Inter- pretationsgrundsatz zuerst aufstellte und gegen die Willkürlichkeiten des Zenodot in Athetesen und Lesarten ausspielte. Es berichtet uns darüber Aristonicus zu 4> 17

avid() 6 Siiyytvrig doQV /tiiy XLnBy avrov in^ ox&a

oTi dnoriS-erai fih tu (Topi; ^rjnSg, dyaXafißdyH Jf ov xard xb ^rjroyj dkk^ vaxtQoy {67) avrcp (paiyerai x(f^l^^^og , 17 Jf dyacpoffd 7i(}bg Zriyodojov dyvoovyra, ort nokkd J«t ngoa d ix^f^S^cti xarä rb nirnnW' jL^evov ivBifyov fxtya.

Das Sündenregister Zenodot's in dieser Richtung ist bereits von Anderen verfertigt worden, doch müssen wir der Vollständigkeit halber

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVH. Bd. m. Abtb. 91

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hier noch einiges hinKufügen. So führte ihn dieser Grundsatz zur Athe- tese von FI 432 458 . . . ovx alaS^oiueyog, bemerkt Aristonicus, öri nokXa xaiä avun^^aatta X^yei 6 noiTjTTjg ainmiOfiSvioa ysyoyora xal ov dioy ini^tiTtiVf TtiUi; fj uix^ur Hm^foo&BV (P 79) btiI tov 'Ülvfinov 7ia^axex(0(frixvia vup im rijg '*i^f]g inriv.

Zu einer ungeschickten Aenderung und Athetese wurde er gefuhrt n 666j wo er schrieb :

xal TUT^ ßf^' e^ 'Ifirig nffoaetpr] Zeug oy (puoy vioy

IV ix rrji; "t^r^g npvafpcDyfj xoy iy xw ^eSicp IdnoXXcjya, yeXoloy Jf X()aV' yd^BiV dno r^jg 7J/^t,* roy Jia. ov ysyorixiy ovy, ort xa xoiavxa xaxa Tu aiiunujfteyoy irf(jyoifieya (fei na^adixsa&ai^ xad-djiSQ xal iy rolg inayoj .^tpi j^g ^'H(}ag (432) Aristonicus. Es war nur Consequenz dieser Aender- ung, wenn Zenodot, wie wir oben gesehen haben, den Vers 677 strich.

Aus diesem Grunde erkläre ich mir auch seine Aenderung von 4> 335 Btatmat alo&ey ^aX^niiy oifaovna &v€XXay,

wo Zenodot schrieb: uaouai ii aXo^ey /«ifTiiyv öffoaoa ^veXXay. Dazu bemerkt Aristonicus: bx ^i ruvxov (paytQog inxi ^e^eyfifyog ro eiaofiai yywnoitai. Der Grund scheint mir einzig und allein der gewesen zu sein, dass Zenodot vom Dichter nun auch forderte, dass dieser Gang der Hera, der wirklich auffallend genug bei uns fehlt, nun auch von ihm angegeben und geschildert werden sollte.

Aus demselben Grunde wurde er zu einer Interpolation geführt, P456

wg elnwy Ynnoiai fisyog noXv&aQoig iyfjxsy aVTog OvlvuJi6y(fe .ufr' dS'aydxoioi(?) ßsßrjxei

denn der zweite Vers scheint auf keiner handschriftlichen Autorität zu beruhen und nur von Zenodot allein aus dem angeführten Grunde hinzu- gesetzt worden zu sein. In dieser Beziehung sind auch einige andere Lesarten desselben bemerkenswert, in welchen mir auch dieser Grundsatz, dass der Dichter Alles sagen müsse, noch erkennbar scheint So ß 55

adm^ iuei ^' riY^QS^^y ofiriyfQhg t' iyiyoyxo

Tolai (P äy ioxa /Lieyog jiiexsiprj XQsiojy IdyafiB^ytJDy.

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Auch 7 23 31

iJTOi o y (jjg eljfwr xar^ a p ' bX^t o S-vjuor dj^eviov Toloi (^ av lOT ajji Bvog luereipi] xp«rf(>04; JwiLii^^rjg,

Darum, denke ich, hätte Zenodot, wenn er auch nicht das Zeugniss der Ausgabe von Massilia und Chios für sich gehabt hätte, schon aus diesem Grundsatze geschrieben T 76:

Toloi J* dt^ iora u Bvog fiBricprj XQslioy IdyafiBfj^vvoy,

Auch an zwei anderen Stellen muss man, wie ich glaube, mit dieser Art der Auffassung des Zenodot rechnen. So an einer der Odyssee, wo schon von den Alten darauf hingewiesen wurde, nämlich i9^ 22 23

dsivog r' alSolog re xat ixTBkeaBur äi&Xovg nolkovg, rovg <Paii]XBg ineiQTjaavT^ ^Odvafiog.

Wenn Aristarch den zweiten Vers athetirte, so ist das eine Todsünde gegen Homer. Halten wir aber den Grundsatz des Zenodot fest, so werden wir keinen Zweifel in das Scholion des Aristonicus setzen: (x&btbi Zrivo- dortog' ov yap j,nokkoifg^ BrikBOBy iv 4>aiaxicf^ dkV iSiaxBVOB fiovov.

Dass es aber nach Zenodot auch sonst bei Homer ganz genau nach dem Striche gehen müsse, sieht man klar an einer anderen Stelle, nämlich ^ 225 flf. Die Verse nämlich ^225 234, in welchen sich der Zorn und die Leidenschaft des Achilleus in den stärksten Ausdrücken Luft macht, wurden von ihm unbarmherzig mit dem Obelus versehen, wie uns Ari- stonicus berichtet: on Zqvodofrog rovror tot ronov ti&BTtixBV Bwg rov „yai jud toÖb axfimQov^ (234).

Ich selbst war auch früher mit Düntzer der Ansicht (D. p. 180), Zenodot sei durch die starken Ausdrücke dazu veranlasst worden. Weit gefehlt! Es muss nämlich nach ihm genau nach dem Striche gehen. Wenn daher Athene so argumentirt Zenodot zu Achilleus sagt Vers A 211

«AA' fi TOI BTiBOiv fiiy ovBiSiaoVy (og BOBrai tibq,

60 kann und darf dieser nichts anderes sprechen als

ral jud ioSb ax^7iT()or etc.

91*

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Wenn wir nun in der oben angegebenen Weise diese Kritik des aaifioTBQov im schlimmsten Sinne von Zenodot geübt sehen, so begegnet anderwärts wieder ein Verfahren, das man füglich gut daran anreihen und im Zusammenhalt damit betrachten kann. Denn nicht bloss Deut- lichkeit und Klarheit war es, was Zenodot zu Aenderungen oder Bevor- zugung dieser oder jener Lesart bestimmte, sondern ihm war es auch vielfach darum zu thun, Kraft und Nachdruck das, was die Alten ifKpayrixojreQoy nannten in der Sprache des Dichters zu ihrem Rechte zu verhelfen.

Beginnen wir mit ü i^

Tf^i^oitfyovg (T' int vrjvolv l(^c6y fXirjoey ^Axonov^;.

Dazu berichtet uns Didymus: „tV r/J *A^iaTO(pavovg }cat MaanaAuvrixi] xai "AoYüXixfi ovTu)g i(ph(jfTo ,yXT e irojtiiyovg ^ im vrjvaly iSiüv^, Ver- gleichen wir beide Varianten mit einander, so müssen wir dem Urteile des Didymus unbedingt beipflichten, das er dahin abgiebt: xal ^ariv iuipayrt- xiüT€(}oy Tov ^THQOjiifyovg^ . Aber dennoch werden wir Bedenken tragen, die Lesart in den Text aufzunehmen, wenn sie auch durch die zweifel- hafte Autorität der Maoaakiconxj] und i/(>yoA/x?j empfohlen ist. Denn wenn nicht Alles trügt, lässt sich mit ziemlicher Sicherheit erweisen, dass sie nichts weiter ist, als eine des grösseren Nachdrucks wegen gemachte Aenderung und dass Zenodot gerade in dieser Richtung dem Aristophanes vorangegangen ist.

Man betrachte daher einmal unter diesem Gesichtspunkte folgende Stellen mit den Lesarten des Zenodot. So lautet unser Text / 594

Tfxya (fe r' äXkoi äyovai ßad^v^ioyovg le yvyaXxag.

In dieser Fassung hat den Vers auch Aristoteles gelesen, Rhet. I, 7, 1365* 15, und er ist durch Düntzer gut verteidigt worden mit dem Hinweise auf /' 301

äloxoi ^ äkloiai da^euy,

Zenodot ist der einzige gewesen, der hier Anstoss genommen und zwar an älkoi. Das Wort muss ihm zu schwach und matt erschienen sein und darum ersetzt« er es mit einem significanteren Begriffe und las lixya fJf dri'Coi äyovai.

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?07

Vom dem mächtigen zu Thal eilenden Bergstrom singt Homer A 492

Cüc; S* hn(n% Tikrid^iüv iKna/jog hbSLv^Sb xaxHOi /jtludQffOvg xax* bpeaipir, ona^ousyog Jiog buß^to.

Damit konnte sich Zenodot nicht zufrieden geben, und es unterliegt kaum einem Zweifel, dass ihm für die hier geschilderte Situation das xaT€ioi zu schwach erschienen ist. Er forderte einen stärkeren und kräftigeren Ausdruck und glaubte denselben gefunden zu haben in X 456 und darnach las er auch hier

Tiediovdi dirirai.

So sollte auch die Schilderung noch mehr Farbe und Leben be- kommen P 595

xal tot' ofpa K(foyi(frj(; sler^ alyi&a &vaöavoBoaar /xaQfiaQiriv, "I^tjy ^b xara yecpseaai xdXvipey, doTffdipag (Tf fidka jueyak^ exTvns, r^y ^i rlya^tv.

Das TTjy (Tf riyaity schien ihm nach den vorausgegangenen Worten einmal unnötig, dann aber auch viel zu schwach zu sein. Mit leichter Aenderung stellte er daher hier y^v her, das nach jeder Richtung un- gehörig ist und schon treffend von Aristarch widerlegt wurde.

Anders kann ich mir auch nicht * 2 erklären

Zdyd-ov ^irrjsyTog, ov d&dyarog rexero Zevg.

Das dd^dyarog bei Zeus schien ja selbstverständlich; wenn damit etwas gesagt werden sollte, musste es auf Xanthos bezogen werden, darum schrieb er hier ähnlich wie ß 741 d&dyaTov.

So muss ihm wohl auch ^34 von Chryses

ßfi S*dxiu)y naQa. S'lya 7ioXv(pXoioßoio S-aldaar^g

das dx€ü)y, welches bei richtiger Interpretation ganz einzig angemessen erscheint, zu schwach und nichtssagend erschienen sein. Darum änderte er und las: d/Jioy,

So werden wir uns am Ende auch entscheiden müssen ö 501, wo Hektor spricht

dXkd n()ly xvecpag ^X9^b^ to rvr iadiooB fjidXiaxa "AffyBiovg xal y^ag inl ^Tj^filvi S^akdaaijg,

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Bezeichnender schien ihm wenigstens das entschuldigende Hemi- stichion, welches Agamemnon gebraucht AT 45 und darum übertrug er es auch an imserer Stelle und las

Id^HOVt; xal vfiag, emi Jiog hganno (pgr/y.

Man vgl. noch B 161(?) 667(?), 6 207(?), A^ 702, I 229(?), F331(?).

So wird es nach dieser Darlegung nichts Auffallendes mehr haben, wenn wir Zenodot kennen lernen als einen abgesagten Feind wirklicher oder vermeintlicher Tautologieen und wenn wir ihn demgemäsa be- strebt sehen, mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln der Kritik sie aus dem Felde zu schlagen. Auch die Alten haben das sehr richtig erkannt und angemerkt. So E 194

xaXot 7iQ0)X07iayng veoxevxeeSj dfitpi (T* nenkoi

ati Zr[y6dozog fieridrixsy {ri&hTrixkv) a>g ravroXoYovvxog j^nQoyxonayBh; vsoxsvxBeg^^ ayvowv ati irioxs napakki^Xiog xaaasi xäg lao^vra/tiovaag le^eig. Ueber die Verse selbst vergleiche man Ludwig I p. 253.

Das scheint mir der Grund gewesen zu sein zu seiner kühnen und unglücklichen Aenderung H 127

og noxe fi^ el(}6fieyog fiiy iyTj&eey (p iyl oix(p navxioy j^Qyeicoy ipiior yeyerjy x€ xoxor t«,

wofür er schrieb

og noxB fiBigofiByog jiieydk^ boxbvbv (h ivi oixo).

Dem Zenodot müssen /i' slQo/Lteyog und e{)fwy als tautologische Begriffe unerträglich gewesen sein und darum seine Lesart finifofisvog^ die in der von ihm angenommenen Bedeutung bei Homer nirgends eine Stütze hat

In dieser Beziehung ist mir auch immer aufgefallen seine Schreib- weise / 537

oiji S^ ovx BQQB^B Jiog xovQn fiByaloio r/ MitBx* t] ovx evorjOBr

y,ixld&^^ ov^ BvoTiaBv^. Er meinte doch wohl, so zwei naheliegende, fast tautologische Begriffe Iol&bxo und iraijaey könnten unmöglich durch ^ ^ auseinander gehalten werden und eher sei der positive und der negative Ausdruck mit derselben Bedeutung zu erwarten. An dieser Art der bei

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den griechischen Dichtem so gewöhnlichen Tautologie muss er demnach keinen Anstoss genommen haben.

0

Ob wohl die mir imbegreifliche Lesart O 587 ^ ßovxoXoy äfiipi ol avr(p diesem Grundsatze ihr Dasein verdankt, wird sich wohl schwerlich mit Sicherheit ausmachen lassen.

Unter diesem Gesichtspunkte werden wir es auch natürlich finden, wenn er den Wechsel im Ausdrucke liebte und bevorzugte und ihn durch Aenderungen oder Aufnahme passender Lesarten zu erreichen suchte. Wir geniessen mit voller Freude und Hingabe die schönen Verse JT 177

T(p ^' ijys X9^ yMi.ov dkeiipafievtj, l^s ;fa/Ta<,- ne^afieytij ;ff(KTi nXoxajuovg i'nke^e (paeirovg xaküvg djußifoaiovg ix Xffdarog dS^avdroio,

Nicht so der Grammatikerwitz der Alexandriner Zenodot und Aristo- phanes, von denen uns Didymus berichtet: ZrivoSorog xal IdifimoipavTig „xalovg xal jj.eydkovg'^. Was mag diese Variante in's Leben ge- rufen haben? Darauf haben uns die Alten eine Antwort imd, wie mir scheint, auch eine richtige gegeben: IVa .aiy Ivnfi ro j^dfiß^oaioy^ avvexk ov V. Sapienti sat!

Aus keinem anderen Grunde wüsste ich mir die von ihm beliebte Lesart -2* 155 zu erklären. Dort lesen wir

"ExTiOf) xe [T()idfioio ndig (ployi eixelog dXxi^y.

TQig füiv fiiv fiBTonia&e noddyy Xdße (paidifiog ^Extwg.

Dafür hat nun Zenodot gegeben:

"Exra)() TB ITgiduoio ndig ovt eixekog dkxi^,

og fiir TQtg /XBxonia&B nodäv kdße xal /liy dvrsi.

Ich kann mir nichts Anderes denken, als dass ihm die Wiederholung von "ExTü)() am Anfange des ersten und am Schlüsse des zweiten Verses, also in so unmittelbarer Nähe anstössig war.

So wird man auch versucht, die merkwürdige und kaum verständ- liche Lesart desselben zu £ 53 zu erklären, wo er für

dkk^ ov oi TOTB ys /(Mxliy^' ^'AqrtBfiig loxiaiQa

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schrieb: xv^^^^f*^^' ß-aydroio 7i&lü)(}a; denn, wie es scheint, war ihm auch hier die Wiederholung nach 51 "A^rtfug amri anstössig und er entfernte sie deBBwegen durch die angeführte Lesart.

Liest man deu Vers J^ 576 in seiner jetzigen Fassung

so würde man, wäre es uns auch nicht ausdrücklich überliefert, schon unter diesem Gesichtöpunkt begreifen können, dass die Wiederholung des nu^a in bo unmittelbarer Nähe dem Zenodot Anstoss erregen musste und er dafür ^ta setzte.

Unter diesen UuiBtanden möchte ich auch für die Ursprünglichkeit der LeBart des Aristarch // 12 eintreten

welcher ittlfJf Si- yvia gegenüber steht. Ich glaube nämlich, dass hier nicht der Wechsel des Subjectes Anstoss erregte, sondern die Wieder- holung derselben Worte Vers 16 Hyxo dt yvla. Dort aber liess sich kva€ dh yvla nicht anbringen, weil unmittelbar vorausgeht 6 d^ Xnnwy

Wenn nun auch in solchen Fällen Zenodot im Ausdrucke den Wechsel liebt, so ist er doch weit entfernt, ihn überall mit Gewalt herstellen zu wollen. Aber nach einer Richtung ist er ganz unerbittlich. Mit unnachsichtiger Strenge huldigt er dem Principe der unbedingten Gleichmässigkeit des epischen Stiles einerseits, andererseits aber auch der Uebereinstimmung des Dichters mit sich selber, und ich stehe nicht an, zu behaupten, dass die allermeisten seiner Aender- ungen ihm von diesem Gesichtspunkte dictirt wurden.

So will er doch wohl zunächst den Dichter mit sich selbst in Ueber- einstimmung bringen £ 809, wenn er liest von Tydeus

xovpQVi^ k'adfitiüjy npoxaki^BTO^ navra dHvixa ^riidiaig' roif} ot lyrnv innd^ffoS-og rja.

Äristonicus bemerkt unter anderem über den zweiten Vers : uetrixO^ri ttd Stovraig ix ruv Uyautfiyorog loyov {J 390). Gewiss, aber für Zenodot war bestimmend, dass uns über dieselbe Sache von demselben Dichter

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auch in gleicher Weise sollte berichtet werden. Aber das sieht doch jeder, dass der Vers an dieser Stelle sowohl nach Gedanken, wie nach Ausdruck unmöglich ist. In letzterer Beziehung ist ganz ausgezeichnet im Scholion A bemerkt . . . xal ovx oloy rs BTJuptQsiv y^aol J* fixot uiy iyco naga d^ Xarafiai ^^e (pvXaaau)'^. Dass der Vers aber ein willkür- licher, durch keine handschriftliche Autorität geschützter Zusatz des Zenodot ist, scheint sicher geschlossen werden zu müssen aus der Nach- richt im Venetus A: rovxoi^ xbv orixov (808) ov^ evQ^o&ai xa&okov tpaalv iy ralg Agiard^x^^' Denn wäre er durch irgend eine gute oder auch mittelmässige Handschrift verbürgt gewesen, dann hätte ihn Aristarch sicherlich nicht weggelassen, sondern nur mit dem Obelus versehen.

Ganz besonders lehrreich scheint mir in dieser Beziehung -S 155 ff,

"ExTü}() TS flffiafioio naii;, (pkoyl tixekog dhcrji/.

TQig fjLbv juiy jueroTiiO&s nodöiy Xdße (paidifxog "^'ExriDQ

ihcBfieyai fie/Ltauft:, itisya Tpioeaaiy ofioxka.

Mit dieser Fassung gab sich aber Zenodot durchaus nicht zufrieden und schrieb:

"Extwf) XB riQidfioio indigy avi eixekog dXxi^y, og fAiy x^lg fiexonia&s noddiy laße xal fiiy dvxeij iXxijueyai /usfiaiog, xeipak^y (fi i &Vfibg dvuvyBi nrjiai dyd axoXoneaai lafioyS^ dnakfjg dno ^siQTjg.

Meiner Ansicht nach war es kein anderer Grund, warum Zenodot der Stelle diese Fassung gab, als weil er nun einmal der fixen Idee huldigte, der Dichter müsse nun ein für allemal über dieselbe Sache in derselben Weise sich aussprechen. Einen Anhalt dafür fand er in P 126, wo es von Hektor heisst:

"E}n:a)() /xty FldxifoxXoy^ inet xlvxd x^v^^ dnrjVQa, €lx\ ^'^' dji^ djjiioiiy xeipakrjy xdjuoi o^ii ;faix(f.

Das war der Grundgedanke, der ihn zu dieser Fassung veranlasste, der Ausdruck desselben im Einzelnen stammt allerdings aus der von ihm an diese Stelle versetzte Rede der Iris. Es sind wahrhaft goldene Worte, die Aristarch gegen ihn angeführt: ov ydg vnb xovxoy xby xai^by b "^ExxwQ ilxvaai xby UdxQoxXoy ißovksxo, iya alxiarjxai^ dki! sfinQoa&ey Abb. d. 1. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XVII. Bd. HI. Abth. 92

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{P 125). tWi (fi ll.avxog {P 140 ff.) ioi^eidtöB Tip jiffükekoinon ro adjfia rov JSa^JiJjdovog rolg j4x<xiolg, tot« ibcvaai q>iX(yTi^iBlxai rov ITar^oxkoy elg dyn- scarakla^n^ rov JSaffnTjifoyog, ovx slg alxiav. atav jidv ovv vötbqov 17 ^Igig ktni] Tip *A/j^^^h ^^' ßovksTai 6 "^'Extio^ top FTaT^foxloy alxioaa&ai, vorjTwy jtiTj TaJLTjS^i^g (javTTivy vnoipaiveir, akla naQOQixfjöai avTov elg t^v xaxa tiov ßa^ßoti^toy vifyriv.

Darum drängt sich auch der Gedanke auf, dass nicht bloss wegen dea iiiipavTrAiOTeQov 0 501 in dieser Fassung von ihm gegeben wurde. Aganieiimon spricht nämlich K 42

X^Hü ßovXfjg ifii xal ob, (fiOTQBcpBg (o MBVBkaB^ x^QdaXBTig^ ij Tig xbv iffVOöBTai iJJ« aaioOBi ^AgyBiovg xal r^ag^ btibI /iiog iT()a7iBT0 (p()r]y.

Da nun auch Hektor in ähnlicher Wendung von einer Rettung

spricht W 501

To rvy iadioOB judkiOTa,

so ist es nicht undenkbar, dass er dieselbe Sache auch hier in denselben Ausdruck kleiden wollte und darum auch schrieb:

jtiyyBiüvg xal yfjag, inBl Jiog hganeTO (p(fT^y.

Knüpfen wir daran nun auch einige Beobachtungen und Bemerk- ungen über die von ihm verfolgte Gleichartigkeit des epischen Stiles. Als schlagendes Beispiel präsentirt sich uns da / 660, wo unsere Fassung lautet:

al J BTiinBi&ofiByai OTOQBOay kB^og^ wg ixBkBVOBy.

So spricht der Dichter aber sonst nie von den das Lager bereitenden Mägden, sondern immer OToQBoay kixog iyxoyBovoai S2 648, tj 340, tp 291 und darum schrieb Zenodot auch hier:

al J' BTimBi&ü^Byai OTOQBOay kB/og iyxoyBOvaai.

Vielleicht war das auch der Grund zu seiner schon von den Alten gerügten Aenderung /? 81

Sgxqv dyanffrjaag olxrog (^' BkB kaoy anayTa^

wofür er schrieb: dax{)va &B()fid yjvoy^ was das gewöhnlichere ist H 426, n% 211 235, (T 523, w 46. Aber wohl auch / 433 geändert?

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Möglicherweise wollte er aber auch die Trauer des in seinen Hoff- nungen so bitter getäuschten Telemachus mit einem stärkeren Ausdruck bezeichnet wissen.

Der Act der Betenden wird bei Homer geschildert mit dem regel- mässig wiederkehrenden ;ff£pof<; dvaaxii^y A 450, / 275, ß 174, -2^75, T254, V 355, p 239, v 97 (in anderer Versstelle ;ffV ui^iymv Ü 371, « 527, e 366). Darum ist es mir schwer glaublich, dasa Zenodot das vereinzelte dyanrdg -^351 sollte geschrieben haben und bekommt von dieser Seite die Vermutung Ludwich's, dass er auch hier äfao/my ge- geben, die schönste Bestätigung.

So möchte ich auch vermuten, dass ö 435

urjxhi vvv (frjiP av&i Xeycjfii&a

das avS-i ihm anstössig war und er darum die Worte in der Ftissung schrieb, wie sie sonst gewöhnlich ist jyjurjxhi rvy ^^ ravja kfyajjuei^a^.

Wenn die Lesart des Zenodot zu 7' 100 nicht die ursprüngliche war, woran man allerdings sehr wohl denken kann:

nyex^ ifi^g e(}i^og xat UksSdy<f(}ov IVfx' dxTjg.

so wurde gewiss das dgxfig von ihm vertrieben in Rücksicht auf den Wortlaut von Z 356, il 28.

So möchte ich mir auch die Variante zu ,a 422 erklären, wo Ari- starch mit den meisten Ausgaben las:

sx (ii OL ioToy ä(fai€ ninl rgoniy

und Zenodot sa^s (iriSe?) schrieb gewiss im Hinblick auf f 316, wie Düntzer p. 128 richtig gesehen:

fieaoy di oi loxoy sa^c.

Vielleicht war das auch der Grund zu seinen Lesarten 77807, ¥^527, 7' 28, iV 610, rSlO. Ueberrascht ist man, das Gegenteil beobachten zu können, wie F 273, B 484, E 53(?), Z 112 und an einigen anderen Versen. Die interessanteste Stelle aber, wo er zu unserer grössten Ueberraschung von diesem sonst so strenge eingehaltenen Principe abweicht, ist unstreitig /' 334 335, wobei Aristonicus gegen Zenodot ausdrücklich darauf hin- weist: üarc iyayriiog t(3 ^Ofiri^isctp bnXiOfiip {A 30 32, O 480) %*iJ^ n^o t'^s

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aonidog yap (partjaerai avaXafißaviay Tr[y n€(}ixe(pakaiav xat ^tpog firi f/aiy. Die Verse nämlich, die uns die Rüstung des Paris schildern, hat derselbe folgendermaassen gestaltet: Nachdem er 334 335

dfi(pl S* ä(/ diiuotaiv ßdXero Si(pog d^fyvQorjkov xdlxeov, amaQ STisna adxog fxiya n arißa^ov rs

athetirt, Hess er die Worte folgen:

x(}aTl ^ M l(p&i/ii(p xwerfv evxvxrov kßijxey (336)

Yn7iov()iv' Stivov St Xocpog xa&vnB^&tv Bvai^y. BÜkfTO J' äkxiuoy Byy^ogy o oi nald/UTjipiy dgri^H * dfi(pl 3^ ap' uifiOiOiy ßdUr* donida d-vaaayosaoay.

Das ist nun ein überkühnes und verwegenes Umspringen mit dem Texte und um so bemerkenswerter, als es, wie gesagt, von dem sonst von ihm eingehaltenen Verfahren so auffallend abweicht. Zenodot muss daher einen guten Grund gehabt haben, wenn er glaubte, den homerischen Versen diese Fassung geben zu müssen. Ich kann Düntzer nicht beistimmen, wenn er p. 184 bemerkt: „Qumn Zenodotus 7' 18 Alexandri gladium tollendum putaret, hunc, altero etiam loco, ut sibi constaret, removendum putavit, unde T 334 335 proscripsit". Das ist unmöglich; denn hier handelt es sich ja um eine vollständige Neubewaffnung und da konnte und musste ja notwendig von der früheren abgesehen werden. Hält man sich aber gegenwärtig, wie „scharf verstandesmässig** Zenodot auch sonst geurteilt hat, dann ist ein Anstoss schon zu finden. Und den hat auch Zenodot gefunden, nämlich in der nun im Folgenden sich ab- spielenden Kampfscene. Ist es denn nicht höchst merkwürdig und auf- fallend, dass wir 360 lesen:

14t {fstdrig Si i^voodusyog §i(pog d(}yv^6rjkoy

nXfi^ey dyaoxofieyog xo^v&og (pdXoy ' d/LKpl ^ ap* avTjj

r^iX&d TB xat rsTQax&'d diar^V(ph exTieoe x^^9^

und kein Wort, keine Silbe hören, dass sich nun auch Paris mit einem Schwerte verteidigt. Ist es nicht noch weit auffallender, dass, wenn wir von Menelaus hören

?/ xal inat^ag xoQvS-og Xdßey innoSaoBirjg^ elxe S*iniar{}i\pag jubt^ ivxyij/uiSag ^Axctiovg

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in einer solchen Situation Paris nicht zu seinem Schwerte greift? Das und nichts Anderes hat sich also Zenodot „scharf verstandesmässig" vor- gehalten und da stand es für ihn fest: Paris hat kein Schwert gehabt Darum also diese kühne und vermessene Aenderung, wodurch er sich von seinem sonst energisch festgehaltenen Principe lossagte.

Diese Beobachtung von der durch Zenodot verfolgten Gleichmässig- keit des Stiles ist vielleicht auch insofern von Wichtigkeit, als man von derselben ausgehend nicht bloss 7' 364, 0 192 ov(favdy bvqvv als seine Lesart annehmen darf, sondern auch an anderen Stellen wird er diesem Grundsatze zu liebe bvqvv statt alnvy geschrieben haben.

Noch ein paar Worte möchte ich an dieses Kapitel anreihen, um eine andere Art des Zenodot, die vielleicht damit im Zusammenhang steht, zu beleuchten. Leider sind die Varianten nicht zahlreich genug, um mit Sicherheit urteilen zu können. So wird uns zu dem Verse c^ 370

17 di fiBv Hyx^ arSaa snog; tparo (pwvriaar tb

als Lesart Zenodot's mitgeteilt fi di /j.01 ävxofiivrj. Das könnte ja mög- licherweise eine alte Variante sein; allein man merkt doch die Absicht, nämlich dasselbe oder doch ein ganz ähnliches Wort sollte das vorauf- gehende :

ri a' oX(p B^^ovxi avrrjrrsro yoofpir irai(fa)y

wieder aufnehmen und aus diesem Grunde könnte es eben gerade so gut eine von diesem Gesichtspunkt aus dictirte Aenderung sein. Be- gegnen doch ähnliche, gegen die schon Aristarch sich gesträubt hat, auch sonst So hören wir zu / 16

die Variante Sg o ye ^axQvxB(oy ; ich glaube dieselbe verdankt ihr Dasein demselben Grundsatze, der daran festhielt, dass der Vers 14

tararo äaxQvx^(Jtyy äg xb xQrfvri fieXdvv^Qog

nur in der angegebenen Weise aufgenommen werden könne. Also unter den xireg, von welchen uns Aristonicus berichtet, könnte auch Zenodot gewesen sein, wenn er nicht die Verse gänzlich entfernt hätte. So ist mir auch aufgefallen i? 13

i] ol nvQ avixaiB xal Biaco doQnov ixoOfiBi,

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Wir hören darüber: dS^enl Zrjvo^orog' rj^rj yag dne „^au (Jf oi TitJp" (7). Das mag seine Richtigkeit haben; denn auf Tautologieen ist Zenodot eben nicht besonders gut zu sprechen. Aber vielleicht war er auch der Meinung, das obige (fau di oi tivq müsse in derselben Weise wieder aufgenommen werden und da er, wie es scheint, das nicht durch eine Aenderung bewerkstelligen konnte, griff er zur Athetese.

So bekommt vielleicht Licht eine der allerkühnsten Lesarten Zeno- dot's, die mir aufgestossen ist. Es wird uns nämlich zu dem Verse Z 349

nvxvov xai jLialaxov, og dno ;fi9^oroff vipocf ssQye

die Lesart Zenodof s überliefert

nvxvor xai /uakaxoy^ IV aTio x^oi^^g dyxa^fnS'i]r.

Ich möchte vermuten und glauben, dass Zenodot zu dieser Lesart geführt wurde durch denselben Grundsatz gleichmässiger Entsprechung, dass er aber hier nur umgekehrt verfahren ist und aus dem Verse 353

V7iy(p xai (piküTTjTi Safieig, e/6 (^ dyxäg äxoitiv

die betreffenden Worte glaubte heraufnehmen zu müssen. Vgl. noch /Vf 295.

Eines der allertraurigsten Kapitel in der Kritik Zenodot's ist seine höchst unglückselige Einbildung der dn^Bni]. Eine ausführliche Behand- lung derselben müssen wir uns für die Beurteilung seiner Athetesen auf- sparen; denn leider hat er dieser eingebildeten und nur zu zäh fest- gehaltenen Schrulle zu liebe viel mehr zu Athetesen, wie zu Aenderungen gegriffen. Doch sind die letzteren auch nicht gerade selten und wir wollen dieselben hier zusammenstellen, ohne sie jedoch weiter, wie sie es wohl verdienten, zu beleuchten. Beginnen wir demnach mit denjenigen Stellen, in welchen Zenodot die eigentümliche Darstellung griechischer oder trojanischer Helden glaubte von diesem Gesichtspunkte aus bekämpfen zu müssen. So kann ich mir seine Lesart 77 7 1 0

üg (pdro, rfaTQox'Kog drsxd^sro nokkor öniaacjy

wo er Tiokkov in rvz&ov umänderte, aus keinem anderen Gesichtspunkte erklären, wie aus diesem. So beschränkt und einfältig ist doch Aristarch nicht, wenn er auch in dieser Beziehung kaum von Missgriffen frei-

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gesprochen werden kann, sondern richtig bemerkt er bei Aristonicus: o J* avrog arixog xai inl tov Jiofiri^ovg xeixai (fi 443). xai evkoyoßg iscel fihv y(fa(psTai rvr&or' oviunaQeari yap 17 ^Ad-rjyä nQoiQBnofiivri S-bo- fiax^^y h^S-adB Sb 71 oXXoy, 7i(fO£yTsralTai yap o 'AxiXXsvg ^juaka xdv ye (pikil ixasifYog "Anolliov^ .

Sonnenklar ist wohl auch, dass er aus diesem Grunde A 123 138 geschrieben hat

vliag AvTiuajroio xaxocpQoyog, og ^a juakiara el fibv Sri Arxifidxoio xax6(p()orog vihg iaror.

Auch die Lesart, die uns O 342 von Paris einer Tat überliefert wird

(fBvyovT* iv nv fiar oia i , dia 7i(}o äi x^^^ hlaaaev,

die an Stelle des homerischen iv jiQOjudxoiai getreten ist, könnte man wohl dem Zenodot zutrauen. Abwarten muss ich freilich, bis man dem Manne, der diese Dummheit mit den Worten empfiehlt : xal olxelov rotro Uaifidi „eine Bildsäule, und zwar eine eherne errichtet **.

Wenn nicht Alles trügt, muss aus diesem Principe auch die Lesart desselben zu 77 202 erklärt werden. Dort spricht Achilleus zu seinen Myrmidonen :

nayd^ vnb iativiS^iaov, xai fi^ fixidaad-B exaaxog.

Aristonicus schreibt nun über Zenodot: Zri^odmog tv noiwv y^dcpei XO^ifig TOi) i „/Lirixidaa&€*^, kafißdvioy dno xrjg fiTfridog^ oloy ißcrukevead-B. yiysxai ddiayorifrov. Gut hat dazu schon Spitzner bemerkt: „Vere- cundiae militaris esse putavit firixidaa&ey sed Homeri milites libera vocis contumacia utuntur".

Blasphemien gegen die Götter muss er gefunden haben in Aus- drücken, wie y 228

ovx ar BfxoL ye

ik7io/Liey(p xd yiyoix^ ov^^ bI S-boI äg kS-ikoiBV

und von diesem Gesichtspunkte aus finden wir seine Lesart „el firi S-boI mg B&ikoiBy^ sehr wohl begreiflich.

Auch die Umänderung, die er an dem Verse ^290

fi v&iov fi ^BcpvQoio dvoaiog^ 0% xb /aakiaxa vfja ^taQaiovai d-B<5v dBxrjxi dydxxcjy,

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wo er yi<piXo}v äfscrin cVa/pcüj/" glaubte herstellen zu müssen, mag einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden.

Auch seine Lesart Z Hb

&Biv6fiBvai ßovnX^yi ' Jidwaog (Jf /oAcod^«/^

für „(poßrj&eig*^ scheint ihm von diesem Gesichtspunkt dictirt worden zu sein.

Erklären können wir diese Art der Auffassung viel eher, als ent- schuldigen. War ja von den Zeiten Plato's an gerade gegen diese beim Dichter hervortretenden angeblichen Ungehörigkeiten ein heftiger Feld- zug eröffnet worden, und das Neue bei Zenodot ist nur das, dass er ebenfalls im Banne dieser verfehlten Vorstellungen nun mit den Mitteln der Conjecturalkritik und der Athetese sie womöglich aus dem Dichter zu entfernen sucht. Aber auch nach einer anderen Richtung scheint er mir zum Schaden der homerischen Gedichte einen durchaus nicht löblichen Tribut demselben Zeitgeiste entrichtet zu haben. Wenn wir nämlich aus dem später von Eratosthenes geführten Streite, wie er heute in den ersten Büchern von Strabo vorliegt, uns einen Rückschluss auf eine frühere Zeit erlauben dürfen, so ist dieser Kampf nicht entbrannt von heute und gestern, sondern diese Fragen von der noXvjua&ia Homer's müssen schon vorher aufgetaucht und vielfach ventilirt worden sein und gerade leider in dem Sinn, dass man dem Dichter es nicht verzeihen konnte, wenn eine bei Späteren begegnende mythologische Version bei ihm nicht zu Tage trat. Und es schienen dann alle Mittel der Interpretation wie der Kritik erlaubt, dieselbe nun dem Dichter aufzuoktroiren. So hat sich denn auch Zenodot nicht auf die Höhe des Standpunktes von Era- tosthenes aufgeschwungen, vielmehr treten uns Lesarten desselben ent- gegen, aus denen man mit gutem Grunde eher auf die entgegengesetzte Auffassung schliessen darf. Leider sind dieselben so vereinzelt, dass man nur mit der grössten Vorsicht urteilen darf. Wir lesen heute bei Homer ohne allen Anstand 77 233

Zbv äva Jiadvjvau^ Uelaayixe, rtjXo&i raicjy. Es ist doch ganz gewiss nichts Anderes, als die fixe Idee, Homer

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müsse auch schon Kenntniss haben von der Vorstellung und Version der späteren Mythologie, wenn Zenodot schrieb

Ztv äva, 4>r]yu)yaU

inu iy Jo)ddyfi TXQdxov (prjyog sjuayremro.

Derselben Vorstellung der Späteren huldigt er auch bei Gestaltung von * 194 ff.

195 ov^f ßa&v^ifBi'tao uiya aS-eyog 'Sixeayolo^

«1 ov 7ie{) nayreg nma/Aol xal näaa &alaaoa,

worüber uns Aristonicus berichtet: ori ZriyoSorog avröy (195) ovx iyifacpe' yiyerai dt 6 ^Ax^^fpog nrjyrj ruiy äkXwy nayrwy. eari de xaS-^ "^Üfirigoy o ''Slxtayog 6 imdidovg näai ra ^BVfxara' Sio xal xarä ri/LH^y (prjaiy y^oiixt Tig ovy noxafxäy dniriy^ yoaif? 'Slxsayoio** (Y 7).

So hat er auch die spätere Vorstellung in den Dichter hinein- getragen, wenn er ^259

el fiTj JVvS dfArireiifa &sü}y iadioae xal äyd(}(Sy

änderte in iVi)| futirBt^a, wie sie erst bei Hesiod begegnet (vgl. W. Ribbeck Philol. VIII, p. 685).

Anders wird man sich auch kaum erklären können ;' 307, wo es von Orestes heisst

T(p öi oi oydodrtp xaxoy rjlvS-e diog ^Ogearrig aifj dn^ ^A9"riyd(xxy ,

Denn wenn er „ai// dno <Pa}xriü}y^ schrieb, so wollte er doch ganz sicher der später allgemein acceptirten Vorstellung auch bei Homer zu ihrem Rechte verhelfen.

Vielleicht haben wir mit dieser Annahme zu rechnen auch A 400, wo Zenodot schrieb:

"Hqt] t' i^di ffoasiddtoy xal 4^oißog "AnokXiDy.

Dass es eine Aenderung des Zenodot ist, wurde schon früher be- merkt. Der Grund zu derselben ist an der Hand der Schollen ebenfalls leicht zu finden. Wenn wir nämlich * 444 bei Aristonicus lesen : ori "^ÜfirjQog ov 7iaQadido)aiy alxiay, dC r^y i&rjfxevoay ovxoi oi &tol ylaojiidoyxi, Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVIL Bd. m. Abth. 93

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so muss diese Mitt^ung eine polemische Spitze haben, die wir wohl mit V zu 0 444: ri&iXriaav yap awStjoai rbv Jia j^IIoasiäatay xal ^Polßog irfjioi- kojv^ mit der ersten Stelle in Verbindung bringen dürfen. Zenodot wollte also die S^rjreia der beiden Götter damit motiviren und wurde dazu vielleicht durch eine Vorstellung der Späteren verleitet.

Vielleicht war es ein anderer Grund, der ihn bestimmte Z114 Tvdiog^ ov Oi^ßfjai x^^V ^«^« yala xdlvifjev

zu athetiren; doch will ich wenigstens nicht verfehlen, darauf hinzu- weisen, dass bei den Späteren eine andere Version der Sage im Gange war, von der uns V berichtet: an ov xarä rovg TQayixovg ky 'EXevalri fieTTjvixS'tioay ol ne^t Kanavia.

Sicherlich aber sind die Varianten d 366 Ev(}vy6firj, wie ff 17b KlBodii^ri unter diesem Gesichtspunkte zu beurteilen. Das wie war, wie es scheint, schon für die Alten ein Rätsel (J 366) und wir sind auch nicht in der Lage, zu der Lösung desselben etwas beitragen zu können. (W. Ribbek, Philol. IX, p. 73 Anm.)

Es würde nun noch erübrigen, eine Reihe von Lesarten Zenodot's hier zusammenzustellen, wo nachweislich nur ein Anstoss ihn zu Aender- ungen veranlasste, wie P 153, il 725, C 137, / 641, J 339 und andere. Doch finden diese besser Platz am Schlüsse des Ganzen. Viel wichtiger wäre hier das Kapitel der Athetesen; denn dasselbe muss gewissermaassen die Probe bilden von den im Vorausgehenden aufgestellten Gesichts- punkten. Ist es ja doch ganz selbstverständlich,- dass dieselben Principien, welche Zenodot manchmal zu unglücklichen Aenderungen führten, ihn auch zur Annahme von Athetesen oder Tilgung von Versen veranlagten. Leider muss ich wenigstens jetzt auf diese Darstellung verzichten, so glänzend ich auch meine Aufstellungen bestätigt gefunden habe. Denn zuerst muss man der Lösung einiger Vorfragen näher treten, die man entweder bis jetzt nur ganz kurz berührt oder überhaupt gar nicht auf- geworfen hat. Und doch hängt von denselben so unendlich viel ab für die richtige Darstellung dieser Seite der philologischen Thätigkeit Zeno- dot's. Ist es ja doch gar nicht ausgemacht, ob wir den uns von Didy- mus überlieferten Athetesen desselben so unbedingt Glauben schenken dürfen! Denn es tritt uns hier in unseren Quellen ein Problem ent-

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gegen, das mir eines der schwierigsten zu sein scheint, die in diesen Scholien begegnen. Nur um schar&innige Köpfe zum weiteren Nach- denken zu veranlassen, soll es hier am Schlüsse noch zur Mitteilung kommen.

Während wir nämlich in den ersten Büchern fast durchaus, etwa nur mit Ausnahme von TIS, bei Aristoni- cus von Athetesen Zenodot's hören, die mit ganz ge- ringen Ausnahmen totale Miss- und Fehlgriffe sind -und darum mit aller Entschiedenheit von Aristarch bekämpft werden, tritt uns plötzlich zu unserer grössten Ueber- raschung mit H 195 199 eine höchst befremdliche Er- scheinung entgegen: da hören wir auf einmal und von hier auch fast ganz regelmässig durch die Ilias hindurch von Athetesen und Tilgungen des Zenodot und Aristophanes, welche die Billigung und den vollen Beifall Aristarch's gefunden. Die Quelle, der wir diese überraschende Mitteilung ver- danken, ist Didymus und nur er allein verbürgt uns hier die durch- schlagenden kritischen Leistungen der beiden Vorgänger Aristarch's. Wenn es mir auch hier hauptsächlich nur um die Constatirung der Tat- sache zu thun ist, so kann ich mich doch nicht enthalten, sie mit einigen Bemerkungen zu begleiten. Mir scheint es nämlich absolut ungereimt und ganz unbegreiflich, dass nun plötzlich mit dem siebentenBuche der Ilias die Erleuchtung über den Zenodot gekommen sei, die es ihm möglich machte, hier seinen beiden Nachfolgern die Fahne voraus zu tragen. Bekanntlich geschahen ja im Altertume viele Zeichen und Wunder und ich habe auch nichts dagegen, wenn man zu solchen auch hier seine Zuflucht nehmen will. Versuchen wir rationell uns diesen Tatbestand zu erklären, so wird es doch wohl das Nächstliegende sein, eine Nachlässigkeit unserer Epitomatoren anzunehmen, die es versäumten, auch in den ersten 6 Büchern der Ilias die Athetesen Aristarch's mit dem hochwichtigen Begleitschein: iq&hTjvro xai na^a 'AQiarocpayei xai Zrivodoxipj 6 ^€ Zrivodoxog ovdb syQacpcv avror, 6 Jf Zrjyo^orog rovg n^fio- Tovg TQelg avSe sy^acpsv. Ja es kann sogar da manchmal der sündhafte und verpönte Gedanke aufsteigen, das bei Aristonicus so oft begegnende ad-tielrai, a&BTovvrai sei von dem ganzen Triumvirat zu verstehen. Es

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ist auch oben ein Ausweg versucht worden, der uns dahin führen könnte, das wichtigere Zeugniss der handschriftlichen Beglaubigung gerade bei den beiden Vorgängern Aristarch's zu suchen. Aber das hilft uns Alles Nichts, gar Nichts. Die Tatsache ist nicht aus der Welt zu schaflfen: den ausgezeichnetsten nach dem Zeugniss des Didymus von Zenodot vor- genommenen Athetesen steht eine ganz lange Reihe solcher gegenüber, verbürgt von Aristonicus, die damit absolut nicht stimmen wollen, die uns den klaren Beweis liefern, dass hier Zenodot weder philologisches Wissen oder Können, noch Respect vor der Ueberlieferung gezeigt hat Bleibt hier auch der Ausweg übrig, dass Zenodot etwa mit dem siebenten Buche der Ilias bessere handschriftliche Quellen hatte, so lässt sich doch vielleicht mehr erhoffen von einer kritischen Zerlegung der uns überlieferten Scholien AT 39 7 399, A" 240 und anderer, die uns den Beweis erbringen muss, wo bei abweichender Ueberlieferng die Wahrheit zu suchen ist. Wenn auch eine solche Untersuchung mit den grössten Schwierigkeiten verbunden ist und in der Regel nur mit Illusionen endete so muss sie doch im Interesse Aristarch's versucht werden; denn der- jenige Mann, der den in dieser Untersuchung entwickelten Missgriffen und Verkehrtheiten seines Vorgängers mit solchem Glück und solcher Energie im Interesse des homerischen Textes entgegen trat, hat immer Anspruch auf unsere Anerkennung, mag man sich auch in der neueren Zeit noch so sehr von seiner Textesgestaltung entfernen und die leichte Waare unbedeutender Quisquilien als den Ausfluss der höchsten Weisheit in der übertriebensten Weise anpreisen. Die Gerechtigkeit erfordert den leichtfertigen Urteilen der Gegenwart gegenüber, die nur immer eine Seite des grossen Philologen im Auge behält und sie ausschUesslich vom modernen Standpunkte aus beurteilt und bekritelt, eine strenge historische Würdigung desselben seinen Vorgängern gegenüber und wenn sich die- selbe dazu noch vergegenwärtigt, was Aristarch für die Erklärung des Dichters geleistet, dann dürfte eine ganz andere Beurteilung und Abschätzung derselben angezeigt erscheinen.

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Philologische Bemerkungen zu Aventins Annalen

und

Aventins Lobgedicht auf Albrecht IV.

von 1507

zum ersten Male herausgegeben.

Von

Wilhelm Meyer

aus Speyer.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. m

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I

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Philologische Bemerkungen zn Aventins Annalea

Die neue Bearbeitung des 1. Theiles unseres Catalogs der lateiniBchen Handschriften führte mich auch zu den beiden Handschriften Nr. 219 und 220. Dieselben sind in dem gedruckten Cataloge von 1868 so beschrieben: 219 et 220 in 2^. saec. XVI. 587 et 362 foL Joannis Aventini Annaliura Boiorum libri VU. Auch in den handschriftlichen Catalogen der Bibliothek sind sie unter Aventin vorgemerkt. Um micli über den Werth der Handschrift rasch zu unterrichten, wollte ich in der neuen, von Riezler besorgten, Ausgabe nachsehen, welche den 2. und 3. Band von Aventins Werken ausmacht. Doch ich sah nur, dass die Handschrift nicht zur Kenntniss des Herausgebers gekommen war.

Das ist auch kaum ein Verlust für diese Ausgabe der Annalen gewesen. Denn eine Prüfung zeigte, dass diese beiden Bände Anfangs aus dem Auto- graph Aventins (A), weiterhin aus der Stuttgarter Copie (B) abgeschrieben sind, also zu einer Zeit, wo A und B noch beisammen waren, d. h, wohl noch zu Aventins Lebzeiten. Mindestens 6 verschiedene Hände haben daran geschrieben, oflfenbar in ziemlicher Eile. Denn die Nachträge, welche in der Handschrift A am Rande und auch in B stehen, haben einige der Schreiber ganz, die andern zum Theil weggelassen; und im Texte selbst haben sie hie und da gekürzt* Kluge Leute sind diese Abschreiber gewesen; das verräth die Art dieser Kürzungen und Einzel- heiten, wie die folgende. Am Schlüsse des 4. Buches werden geistlichen Fürsten Vorwürfe gemacht, von denen einer nach Riezler (S. 674, 12) lautet, quod inter eos sit inexplebilis honoruni cupido, certamen gloriae et honoris, splendoris, cupidinis atque ambiüo potentiae. Da Riezler

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hiezu nur bemerkt 'cupidis B*, so muss man meinen, in der Handschrift A stünde das freilich ebenso unverständliche: cupidinis. Das ist irrig; auch in A steht: cupidis; nur ist das schliessende s ein wenig erhöht; cupi- dinis bezog Riezler aus den alten Ausgaben. Der Schreiber unserer Handschrift hat das richtige 'cupiditas* gefunden; vgl. im Anfang des 5, Buches (S. 3, 5): Studium pecuniae, potentiae, splendoris cupiditas cuncta regna evertunt.

Um diese neugefundene Handschrift von Aventins Annalen genauer zu bestimmen, untersuchte ich die ersten Seiten des 2. Buches der Annalen in Riezlers Ausgabe. Ich stiess da auf Folgendes: S. 116, 2 Hugo., iussu Georgii ducis latine perscripsü Boios; dazu notirt Riezler 'scripsit principes Boiorum k\ Allein Aventins Autographe, sowohl das münchener (A) als die wolfenbüttler Concepte (C), haben 'scripsit principes Boios;* das gehört in den Text, da auch der Titel von Hauers Buch lautet 'Gesta illustrium ducum Wawariae*. Z. 3 beginnt die Aufzählung der aus-

wärtigen Quellen bei Riezler *Latini veteres: vitae divorum'. Es 'muss heissen 'Latini: Veteres vitae divorum*: 'Die Lateinischen. Die alten legend und leben der heiligen*, übersetzt die Chronik. Z. 12 schreibt Rr. von Ammian Ma reell in 'sub imperatoribus Constantio Juliane et Valentiniano vixit, equo meruit', dazu in der Note 'nach Juliane folgt in B: Juviano*. Das ist nicht nur unbedingt richtig (Aventin schreibt stets Juviano statt Joviano) sondern es steht auch in A, wo Riezler es übersehen hat. vixit ist in A radirt^ also aus dem Text zu streichen. Z. 19 liest man mit Verwunderung ' Eugypius . . vixit . . Inpertuno consule romano* und dazu die Note: Inportuno consule B. Hieher scheint sich zu beziehen die Kandbernerkung in A: is fuit annus Chr. quingentesimus supra octa- Yum* Wenn Riezler sich Z. 10 erkühnte Diocletianum zu schreiben, während doch beide Handschriften Dioclitianum haben, so musste er auch hier das nur durch eine Handschrift gebotene Inpertuno aufgeben; denn es ist gerade so unmöglich, als Dioclitianum. Freilich steht es nicht einmal in A, wenn man genauer zusieht. Auch im Folgenden hätte es sich gelohnt s5U notiren, dass octavum in A durchgestrichen und septimum beigeschrieben ist; dann verstünde man auch, warum in der Chronik

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steht *da burgermeister zu Rom was Importunus: das ist nach Christi gepurt 507 jar . In der Abschrift von Cassiodors Chronik, welche Aventin benützte, (sie ist den Stuttgarter Bruchstücken der Annalen hinten bei- geheftet), sind diese Zahlen ebenfalls corrigirt. S. 118, 2 wird geschildert, wie ein Stück des römischen Reiches nach dem andern verloren ging. 'Vandali Aphricam, Franci Burgundiones Gallias occuparunt' u. s. w. Das steht in den Ausgaben und in der Stuttgarter Abschrift (B). In dem Autograph Aventins (A) steht ein Stück mehr 'Vandali Aphricam, Alani Suevi Goti Navarri Hispanias abstulerunt, Franci' etc. und ebenso in der Chronik 'die Wandler haben dem alten roemischen reich Africam, die Alander Schwaben Gutten und Navarn His- paniam.. abgedrungen.

Bei diesen Stellen schien mir das Verfahren des Herausgebers bedenk- lich. Er bevorzugt in unverständlicher Weise bald die Lesart der einen bald die der andern Handschrift (vgl. 116, 2 perscripsit Boios und 19 Inpertuno); er hat Aventins Autograph nicht genau verglichen (vgl. 116, 2 Boios. 12 Juviano. 13 vixit. 19 octavum: septimum u. 118,2); er stellt die Copie B auf gleiche Stufe mit A, während dieselbe doch an keiner Stelle besser, aber an etlichen schlechter ist als die (genau verglichene) Handschrift A. Der hier geweckte Argwohn veranlasste mich zu grösseren Untersuchungen. Hiefür wählte ich grössere Stücke des 2. Buches, weil wir hier Bruchstücke von Aventins Concept in der wolfen- büttler und Stuttgarter Handschrift (C und D) , dann die ausführliche deutsche Uebersetzung in der Chronik zur sichern Controle der Hand- schriften A und B benützen können. In den Büchern 1, 3 und 4 habe ich nur einzelne Punkte untersucht. Bei all diesen Untersuchungen wurde mein Verdacht, Riezler habe sich bei der Ausgabe der Annalen des Aventin von falschen Voraussetzungen leiten lassen, durchaus bestätigt.

Riezler hat, nach meiner Ueberzeugung, sich durch die Stuttgarter Handschrift viel zu sehr beherrschen lassen. Dies in Einzelheiten nach- zuweisen, ist eben keine erquickliche Aufgabe; allein es werden dabei manche Schnitzel zur Besserung des aventinischen Textes abfallen und im Ganzen eine richtigere Würdigung des aventinischen Werkes erreicht werden.*)

1) Ich benützte bei diesen Untersuchungen Aventins Autograph (A) in München; dann die Stuttgarter und wolfenbüttler Handschriften des Entwurfes (C und D bei Riezler) und yon der

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Ein Herausgeber der Annalen des Aventin steht vor einer Aufgabe, wie sie den Herausgebern neuerer Schriftwerke öfter sich bietet: er hat nicht zu wenig, sondern zu viel Stoflf. Für die Annalen des Aventin haben wir, ausser verschiedenartigen früheren Entwürfen und Studien, in einer wolfenbüttler und einer Stuttgarter Handschrift grössere Bruch- stücke des Conceptes, welches Aventin vom 5. Februar 1519 bis zum Mai 1521^) in Abensberg ausarbeitete. Da Riezler auf die Benützung dieser Concepte gänzlich verzichtete ob mit Recht, werden wir später sehen , so beschränke ich mich hier auf die Betrachtung der beiden Handschriften, welche er seiner Ausgabe zu Grunde legte. Die eine ist von Aventin selbst geschrieben, jetzt in München Cod. latin. 282 287, von Riezler mit A bezeichnet; Aventin hat diese Handschrift aus jenen Concepten rein geschrieben in der kurzen Zeit von kaum 2 Monaten, im Juni und Juli 1521.^ Die andere Handschrift ist die Stuttgarter (Hist. fol. 407* 407^), von Riezler mit B bezeichnet: eine Abschrift in grossen deutlichen Buchstaben, wie sie jetzt im diplomatischen Verkehr gebräuchlich sind, mit Correkturen von Aventins Hand. Die Herzoge Wilhelm und Ludwig Hessen am 24. September 1524 an Aventin den Befehl ergehen, 'dass die bairisch Chronigkhn . . auf unser costung lautter abgeschrieben und, so die allso abgeschriben und beieinander ist, alsdann

Stuttgarter Copie der Annalen (B) den 2. Band, welcher das 2. Buch enthält. Die Benützung der Stuttgarter und wolfenbüttler Handschriften ward mir durch die Güte der Bibliotheksrorstände ermöglicht.

Collations- oder Editionsfehler gewöhnlichen Schlages, welche ich nicht berücksichtigen werde, fehlen natürlich auch bei Riezler nicht. So haben 11 S. 140, 24 beide Handschriften A und B Pisae nach Peru<»ia; also gehört es auch im Druck dahin. S. 217, 5 verschwören sich

gegen Commodus natürlich nicht 'tandem electus cubicularius Q. Aelius Laetus, praefectus prae- torio\ sondern 'tandem Electus (Eclectus) cubicularius, Q.* etc. 291, 2 verwüsten die Germanen

nicht 'Graecias, Thessaloniam, Macedoniam', sondern Thessaliam. 295, 7 werden die Bela-

gerten, welche sich Auslass erkaufen wollen, nicht 'spoliati rursus ßomam tradnntur', sondern truduntur. Oder im Anfang des 6. Buches (HI, 169, 12): Has ultimas tris rationes (contra

imperatorem) Hyldebrandus in vulgus edidit, reliquas sibi quidem perceptas. nequaquam imperita multitudo, . . astu lactata, aures arrigebat. Es muss natürlich heissen 'reliquas sibi quidem per- ceptas nequaquam (edidit). Imperita multitudo eto. Wie hier, hat Riezler sich leider oft durch die alte Ausgabe, welche er für den Neudruck abcorrigirte, irre führen lassen.

1) Das 2. Buch begann er, wie die wolfenbüttler Handschrift Bl. 97 bezeugt 'Annalium Boiorum Über secundus, 6. Kai. Julii incepi Abusinae*, eine Notiz, welche ich bei Riezler nicht finde.

2) Den Einband hat schon Aventin machen lassen; ebenso hat er die Bände foliirt.

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zu unsem Händen geantwort werd, auch die in ander frembd Hende nit khomen noch druckhen lassen on unser beder sonder Vorwissen, Willen und Zuelassen*. Aventin bemerkt in seinem Hauskalender ^) zu Ende März 1525 'raagister Stephanus Gärtner de Bathavia rescribit chronica sumptu principum in horto*. Dann zum 23. December 'finivit (nicht finivi) chronicam\ So ist allerdings die Vermuthung Riezlers sehr wahr- scheinlich, dass die Stuttgarter Handschrift diese von Gärtner im Jahre 1525 für die Herzoge geschriebene Copie sei.

In der Stuttgarter Conceptenhandschrift (D) befinden sich, was Riezler nicht bemerkte, 2 Blätterlagen, welche von derselben Hand (Gartner's?) geschrieben sind, wie jene Copie B. Da dieselben auch das gleiche Format haben und ebenfalls von Aventin corrigirt sind, so sind es wohl zeit- weilig verlorene und inzwischen ersetzte Bogen jener Reinschrift. Die Ausgaben erschienen erst nach dem Tode Aventins und hängen alle von dieser Stuttgarter Copie ab.^)

Man hatte erwartet, aus den Handschriften der Annalen Aventins würden neue pikante, in den Ausgaben unterdrückte Stücke von beträcht- lichem Umfang zum Vorschein kommen. Diese Erwartung zeigte sich als nichtig. So hatte der Herausgeber die Aufgabe, den Text der Annalen in möglichster Reinheit zu geben.

Dazu bedarf es ein richtiges Urtheil darüber, wie es mit dem hand- schriftlichen Material steht.

Riezler hat seine Ansichten hierüber in dem Nachwort zu seiner Annalenausgabe (Aventins Werke HI, S. 536 545) und schon vorher in der Abhandlung über 'ein verlorenes bairisches Geschichtswerk des 8. Jahr- hunderts' (Sitzungsberichte d. münch. Akad. phil.-hist. 1881, bes. S. 251) dargelegt. Ich gebe hier die Hauptpunkte:

1) Das Original ist verloren; ich benützte die Abschrift (Cod. lat 27228), welche Halm bei der Ausgabe noch nicht kannte. Halm hat ans diesem Calender die sorgfältigen Wittenings- angaben Aventins, der viel Mühe auf solche Dinge verwandte, weggelassen. Sie sollten von einem Sachverständigen geprüft werden; vielleicht beweisen sie, dass die gewöhnliche Meinung, ehemals sei unser Klima rauher gewesen, nicht richtig ist.

2) In BetreflP der früheren Ausgaben schliesst sich Riezler (Nachwort S. 645) an Wiede- mann S. 257 fgd. an. Dieser lässt die erste Ausgabe von 1554 aus dem Autograph A geflossen sein. Das ist falsch. Schon diese Ausgabe ist aus deif bequemen Stuttgarter Reinschrift B abgedruckt; nur in den Inhaltsangaben und Autorenregistem vor den einzelnen Büchern ist hie und da A benützt.

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,S. 542 Unserer Ausgabe waren die Handschriften A und B, das Autograph im engeren und das im weiteren Sinne, zu Grunde zu legen. Nur eine gleichmässige und durchgehende Berücksichtigung dieser beiden Handschriften gestattet die letzte Redaktion festzustellen, in welcher der Verfasser sein Werk hinterlassen hat. Denn sowohl in A als in B hat Aventin hie und da, wiewohl nicht häufig, Verbesserungen und kleine Zusätze eingetragen, die er in der andern Handschrift nachzutragen unter- liess. Auch nachdem B schon geschrieben war, nahm er in A noch vereinzelte Aenderungen vor, die sich in B nicht nachgetragen finden. Bis in die letzten Jahre hat der Verfasser an dem Werke nachgebessert ; eine Randbemerkung (HI S. 504, 29) zeigt, dass er die Handschrift A noch 1530 in Händen hatte. ^

„Wo A und B von einander abweichen, erkennt man fast ohne Ausnahme leicht, ob die Aenderung bei Gelegenheit der Abschrift von Aventin selbst oder ob sie nur durch Schreibverstoss, Missverständniss oder Unkenntniss des Copisten herbei- geführt ward. Magister Stephan Gärtner hat im grossen und ganzen sehr sorgßLltig copirt, scheint aber trotz seiner Magisterwürde nur eine mangelhafte Kenntniss des Lateinischen besessen zu haben. Die groben Fehler, die diess verrathen, in den Varianten zu verzeichnen, habe ich nicht für nöthig gefunden, sowie ich diess meistens auch bei Schreibverstössen unterliess, die auf den ersten Blick als solche erscheinen. Gärtner schrieb augenscheinlich zuweilen nach Diktat, sicher des Verfassers selbst, zuweilen jedoch ohne solches. Auf Diktat deuten Varianten wie: vibratisque A, fibratisque B; inter Oenum A, inter Rhenum B, auch Aenderungen, die ein Copist nicht leicht eigenmächtig vornimmt, wie divinarum humanarumque B statt huma- narum divinarumque A. Dagegen verrathen ebenso entschieden das Abschreiben mehrere Stellen, wo undeutlich geschriebene Buchstaben der Vorlage A in B nicht richtig aufgefasst sind."

,Aus dem Dasein zweier Autographe ergibt sich femer, dass wo beide übereinstinmien auch Sonderbares, ja Fehlerhaftes im Texte beizubehalten war, wofern dadurch nur der Sinn nicht geradezu aufgehoben wird oder aus anderen Gründen eine hohe Wahrscheinlichkeit vorliegt, dass der Verfasser in A nicht mit Wissen und Willen so geschrieben und in B nur die Correktur übersehen hat. Je mehr Eigen- thümlichkeiten Aventins Latein, je mehr Seltsames, auch Ungenaues gegenüber den Quellen insbesondere seine Eigennamen aufweisen, desto mehr schien es gerathen, an einem durch doppeltes Autograph gesicherten Texte nur in den allerdringendsten Fällen Verbesserungen vorzunehmen. In der Regel habe ich ganz ungewöhnliche und fehlerhafte Formen durch ein sie unter dem Texte gegen den Verdacht von Druck- oder Editionsfehlem zu sichern gesucht. Vielleicht hätte dies noch etwas häufiger geschehen sollen; wenigstens hat mein Recensent v. Oefele in der Historischen Zeitschrift auch einige Lesarten, die durch beide Autographen als richtig gesichert sind, als Drack- oder Editionsfeliler bezeichnen zn müssen geglaubt; sowohl A als B hat Bd. n, 158, 8 Arcdata, nicht Aredata; 480, 38 celeberrime (erst von jüngerer

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Hand mit verblasster Tinte corrigirt in celeberrimo) paschaliuni festo die; 436, 4 deditios, nicht dediticios.^

«Die Orthographie wird man in meiner Ausgabe vielfach schwankend finden. Ich folge darin nur Aventin, dessen Schreibweisen nicht nur zwischen A und B, sondern auch innerhalb derselben Handschrift häufig wechseln. Hat der Herausgeber in Fällen, wo die Grundlagen der Edition weniger sicher sind, das Recht, ja die Pflicht eine einheitliche Rechtschreibung durchzuführen, so befindet er sich doch in anderer Lage gegenüber zwei Autographen des Autors; durch eigenmächtige Durchführung einer einheitlichen Rechtschreibung würde er in diesem Falle leicht zu grundlosen Folgerungen Anlass geben.*

Ich füge hiezu noch eine Stelle aus Riezlers Abhandlung (Münch. Sitzungsber. vom 7. Mai 1881, S. 251): „Die Stuttgarter Handschrift (B) ist eine unler Aventins Aufsicht gefertigte, hie und da mit Einträgen und Correkturen von seiner eigenen Hand versehene Abschrift eines Schreibers, der entweder gar keine oder nur höchst mangelhafte Eenntniss der lateinischen 8prache besass, aber ziemlich sorgfaltig arbeitete. Diese Copie sollte allem Anschein nach den definitiven, bei einer etwaigen Publikation zu gründe zu legenden Text bieten;* hiemit vgl. ebenda S. 255. 256.

Dies sind Riezlers Ansichten über die Handschriften von Aventins Annalen. Die meinen beruhen auf folgenden Hauptpunkten: die Stutt- garter Copie B ist werthlos; sie ist nachlässig und ungeschickt abgeschrieben, von Aventin ein Mal nachlässig durchgelesen und corrigirt, dann nicht weiter von ihm beachtet. Dagegen ist die münchner Handschrift A durchaus von Aventin im Jahre 1521 selbst geschrieben und war von 1521 an sein Handexemplar, in welches er Alles eintrug, was er an seinen Annalen zu bessern hatte, und aus welchem er auch den Wortlaut der deutschen Chronik gearbeitet hat. Für die Veröffentlichung oder für den Druck fertig waren also Aventins Annalen nur ein Mal, im August 1521, bei Vollendung der Reinschrift A. Von da an hat Aventin stets für seine Annalen geforscht, aber deren Fassung niemals wieder abgeschlossen. Weder im Jahre 1525, als auf Befehl des Herzogs, was eben in Aventins Autograph stund, abgeschrieben wurde (B), waren sie druck- fertig, noch (A) bei seinem Tode; diejenigen begehen also ein Unrecht an Aventin, welche ihn verantwortlich machen für die Mängel, welche die Form des gedruckten Textes entstellen, oder für die Widersprüche,^ welche zwischen dem Inhalt der Annalen und der Chronik vorhanden sind.

Abh. d. l. Ol. d. k. Ak. d. Wisa. X VH. Bd. III. Abth. 95

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I.

Zwei Grundsätze sind es, welche Riezler bei der Feststellung des 'I extes hauptsächlich geleitet haben : 1) dass die AbschriftB einem Autograph gleich zu achten sei, 2) dass dieselbe den definitiven, bei einer Ausgabe zu gründe zu legenden Text biet«.

Dem ersten Satze gegenüber behaupte ich: die Stuttgarter Abschrift ist eine ungeschickte und nachlässige Abschrift, ist von Aventin nachlässig durchcorrigirt und verdient neben dem Autograph A keine Beachtung. Ein Blick in die Stuttgarter Copie, von der ich das 270 Blätter starke 2. Buch der Annalen vor mir habe, genügt zu dem Beweise, dass der Copist zwar schön, aber thöricht und nachlässig schrieb; so schrieb er auf einer Seite madere, ignolatibus, idfio für invadere, ignorantibus, adfici. Latein muss nach den damaligen Verhältnissen ein Schreiber, der für den Herzog ein lateinisches Werk von 7 Bänden abschrieb, verstanden haben. So fallen diese zahlreichen Fehler seiner Nachlässigkeit zur Last.

Nun ist die wichtige Frage, ob Aventin diese schlechte Abschrift so sorgfältig durchcorrigirt habe, dass sie einem eigenen Auto- graph gleich stehe. Diese Frage ist entschieden zu verneinen. Das beweisen schon die groben Fehler von B, welche Riezler S. 542 erwähnt, ohne sie in der Ausgabe zu verzeichnen. Dass Aventin diese stehen liess, ist kein gutes Zeichen. Dann hat Riezler unter dem Texte eine Reihe von Fehlern notirt, welche der Copist in B geschrieben, Aventin aber nicht corrigirt hat. Endlich hat Riezler bei seiner üeberschätzimg von B die Handschrift A nicht genau verglichen; an den nicht umfangreichen Stellen, welche ich nachverglich, fand ich überall Spuren davon.

Die Versehen auf S. 116 und 118 sind oben notirt; von S. 126 und 127 werde ich unten handeln: hier haben der Schreiber und Riezler öfter Wörter, ein Mal einen Satz in A tibersehen. S. 73, 29 Alpes., insuperabiles : inexuperabiles A. C. 74, 6 Bononia.. ipsis Boiolx>nia dicta: ab ipsis A.C. 74, 9 canitur Brennum . .

belligeratum : esse hat A mehr. (74, 16 hat A inhabitaruntque , was also

nicht nur in die Note, sondern* in den Text gehört). 213, 33 uti pecudes et oves

deprensi in cavea multi a multitudine hostium trucidarentur (!) B Rr: inulti A.

215, 34 nequaquam loqui, quae sentiebas, at (!) sentii'e, quae loquebare, licebat B Rr: aut AD. 217, 4 proditus a suis occubuit B Rr: sociis A D. 288, 8 inanis

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gloriae B Kr: gloriolae A D. S. 289/90 wird das Verkommen des römischen

Heeres geschildert: romanomm militum numerum deminuere; in demortuorum locum tirones non suf&cere; cum hostibus pacisci, quibus tamen promissa praemia negabant, ut in romanas provincias illi incursarent: so vollkommen richtig die beiden Auto- graphe D und A; der Copist von B liess nicht nur *in' nach ut weg sondern auch *tirones', und schrieb den Unsinn *inde mortuonim locum non sufficere\ den Riezler nachdruckt, während Aventin selbst in B wenigstens 'in demortuorum* gebessert hat. 292, 14 duas filias suas Honorio imperatori despondet B Rr: suas deinceps A D. 292, 20 Vessogetae primi foedus exuunt, relicta Thracia . . rectam in Italiara tendunt B Rr: relictaque A D; recta in in It. A, recta in It. D richtig. 562, 31 Mogonciaci . . terrae motus extitit, templo divi Urbani etmuris prostratis B Rr: divi Albani AD.

Im Anfange des 6. Buches hat Aventin öfter mit üncialschrift geschrieben *(Conpendium) Conmentaria rerum Germanicarum', wodurch er offenbar nachträglich das Wesen dieses Buches bezeichnen wollte. S. 169 (6. Buch) hat Riezler Z. 12

treis, Z. 17 tres geschrieben: A hat an beiden Stellen *tris'. (170, 14 Contra Caesar et alii . . nitebantur nee animi tamen romanorum pontificum frangebantur, quominus maiores necessitudines conpararent, quibus cogi possent imperatores etc, so Riezler; A dagegen vollkommen richtig: frangebantur, sed admonebantur, quo maiores. In B ist wahrscheinlich *sed admonebantur vergessen und dann 'minus' zugesetzt worden.) 170, 24 et A: ac Riezler. 172, 9 nemo huic quisquam A: quisquam

übersah Riezler. 175, 25 ibidem A: ibi Riezler. 175, 28 Chunegundae A.

175, 32 absque liberis ante matrem anno . . quinto absque liberis obiit; das erste absque liberis ist in A unterstrichen, war also wegzulassen: Riezler hat das zweite weggelassen. 176, 5 institutus est A: est fehlt bei Riezler. Im Schluss des

6. Buches S. 236, 29 principes Boiariae . . ad Danubii Rhenique coufluenta (!) domin- antur Riezler: fluente A. Im Anfang des 7. Buches S. 239, 29 errant longe:

longe übersah Riezler. 241, 9 divoque A: que fehlt bei Riezler. 242, 2 hat

auch A Volophjldae (nicht: da). 242, 15 hat A wie B Manogoldi. 26 annalis A, 30 ducatuum A. 243, 10 Oto A. 243, 17 Ranios 18 Raniorum 25 Raniis A: Riezler 17 Ranos und 25 Ranis, 18 Raniorum. 244, 8 Sabinensis A, ebenso der

von Riezler selbst citirte Hansitz. 245, 1 ist minore nach Otone zugesetzt in A.

246, 4 Gariotruda A. 246, 15 Christi servatoris et liberatoris A : servatoris

übersah Riezler. 246, 23 Adolaeda A, 31 Lambacum A. Diese Beispiele von wenigen Seiten des 3. Bandes der riezlerschen Ausgabe beweisen, dass er auch in diesem Bande das Autograph A geringschätzig behandelt und nicht genau verglichen hat.

Daraus mag bemessen werden, wie Viel der Copist bei der Abschrift mid auch Riezler noch bei der Vergleichung von A übersehen hat. Wie wenig Aventin an der völligen Correktheit der Abschrift B lag, mögen noch folgende Thatsachen beweisen.

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In A steht nach 166, 17 eine genealogische Tafel der Maria; der Copist in B hat sie weggelassen, aber wenigstens eine halbe Seite leer gelassen; Riezler druckt sie aus A ab.^) Dann steht in Aventins Autograph, nach S. 168, 32 mortalium, eine Tafel der Könige Judäas bis zu dessen Untergange, mit historischen Notizen. Schon ursprünglich, (also sicher als B abgeschrieben wurde) stand sie da; das beweist der Umstand, dass sie eine ganze Seite in A einnimmt, Aventin aber in diesem Bande der Annalen keine leeren weissen Seiten gelassen hat. Der Copist in B lässt sie spurlos weg, Riezler lässt sie auch weg und bemerkt nur in der Note *In A folgt hier mit der Randbemerkung *Ex Josepho, Philone, Maccabae p., Eusebio' eine theil- weise sehr wirr durcheinandergeschriebene Reihenfolge jüdischer Hohepriester und Könige, welche in B nicht aufgenommen, für welche dort auch kein Raum offen gelassen ist.' Aventin bemerkt in der Abschrift B bei keiner von beiden Lücken auch nur ein Wort. Er hat aber beide Tafeln gewollt, und Riezler hätte sich die Mühe nehmen sollen, auch die zweite zu entziffern. Das beweist auch der Umstand, dass die zweite Tabelle in der Chronik verarbeitet ist: S. 731—735, 744, 762, 770.

Mit welchen Augen Aventin die Copie B ansah, das zeigen auch die Inschriften, die sich in grosser Zahl z. B. im 5. Kapitel des 2. Buches finden. Bei diesen Inschriften ist es von Wichtigkeit, die Zeilenabtheilung zu kennen. Wie Riezler hierüber denkt, erkenne ich nicht; z. B. bei der grossen Inschrift S. 150, 10 (Momm- sen 5890) setzt er gar keine Zeilenstriche, bei einer andern S. 151, 29 (Mommsen 5906) nach jedem Worte; bei einer dritten S. 153, 8 (Monunsen 5936, Chronik S. 702,31; also fehlt sie nicht in den Annalen, wie Lexer meint) nur einen, nach den ersten 2 Buchstaben, während es doch gerade hier wichtig ist die Zeilentheilung der Hand- schriften zu kennen, da die Inschrift sonst verloren ist; wesshalb auch Mommsen im Nachtrag S. 1050 die Zeilentheilung von A notirt hat. In diesem Nachtrag, der Riezler entging, hat Mommsen auch mit richtigem Gefühl von der münchner Hand- schrift (A) geurtheilt *ex quo descriptus est moderante auctore Stuttgartiensis (B), ut hie (A) in Aventinianis fundamentum crisis primarium habendus sit\ Doch, wie auch Riezler über die Wichtigkeit der Zeilenabtheilung denke, das ist sicher, dass Aventin dieselbe erkannt hat, und diese Erkenntniss sowie die Genauigkeit seiner Angaben, wie sie bis zu den Inschriftenforschern unserer Zeit selten war, gereicht ihm zu besonderem Lobe. So weit wir seine Abschriften mit den Originalen vergleichen können, sehen wir ihn in seinem Autograph A bemüht, die Zeilenabtheilung der

1) Chronik S. 729, 29 'damit ditz verstentlicher sei, folgt hernach der stani*: so schrieb Aventin a. 1527. Später setzte er zu 'Ist iezo druckt und im latein ausgangen zu Augspurg; man hat in überal fall, dörfb vil müe hir in wider abzumalen'. Diesen Druck glaube ich in München gefunden zu haben. Es ist eine Tafel, deren Oberstück fehlt, jetzt 1,10 Meter hoch, 0,525 breit, ein kräftiger Holzschnitt, unten liegt Adam und aus ihm erhebt sich der Stamm- baum. Links unten der Titel 'Arbor genealogiae Christi. I. B. E. H. A.', rechts *Aug. Vindel. ex officina Alex. Weyssenhom MDXXIX.* Das Blatt scheint unbekannt zu sein.

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Originale getreu einzuhalten; dagegen in der Copie B ist hievon keine Spur. Diesen grossen Fehler der Abschrift hat Aventin natürlich erkannt; er hat aber keinen Versuch gemacht, denselben zu verbessern. Das beweist einmal, wie wenig ihm an dieser Abschrift lag, dann aber, um hierauf vorzugreifen, dass er nicht daran dachte, seine Annalen in der Stuttgarter Abschrift drucken zu lassen.

Wie nachlässig Aventin die Abschrift B durchcorrigirte, dafür ein Beispiel. Aventin hat, sonderbarer Weise, auch abgesehen von der eigentlichen Thätigkeit auf dem Feld der Geschichte, mehrfach dieselben StoflFe angefasst, wie Mommsen; so die Inschriften; dann fand er die zuletzt von Mommsen edirte Chronik Cassiodors in der regensburger Handschrift 14613^) und tiberliess die Ausgabe seinem Lehrer Joh. Cus- pinian, vgl. Werke I, S. 604 und 648 ; das Stück einer Abschrift dieser regensburger Handschrift (etwa a. 400 bis zu Ende) mit Noten Aventins findet sich jetzt noch am Ende der Stuttgarter Conceptenfragmente. Auch auf das Verzeichniss der Provinzen des römischen Reiches, das Mommsen bearbeitet hat, richtete Aventin sein Augenmerk und wollte es nach der Freisinger Handschrift (Clm. 6243; vgl. Werke I, S. 640.654) herausgeben ; der Entwurf zu dieser Separatausgabe findet sich in unserer latein. Hand- schrift 281*) von Bl. 8 an mit dem Titel: Romani imperii descriptio atque regiones et provinciae harumque urbes insigniores ex libro secundo annalium Boiorum Joannis Aventini. Dieses Verzeichniss hat er in dem 4. Kapitel des 2. Annalenbuches ver- arbeitet (S. 137 ffl.). Daselbst heisst es S. 142, 32, dass Cari IV. und Sigmund die Dauphine ^primogenito regis Fraucorum dono dederunt. tabulas legi Luthetiae Parisi- orum in coenobio divi Victoris'; dazu schrieb Aventin an den Rand (von A) Codicillos et; dann schrieb er einen anderen Nachtrag an den Rand, die Worte S. 143, 7 Novem populorum provincia cuius et hieronymus meminit eins urbes ausci elusates convennae consoranni meminit et marcellinus. Diese Worte sind um die Worte ^Codicillos et* so herum geschrieben, dass convennae mit codicillos et eine Zeile bildet. Dann sah Aventin, dass die Worte *Novem . . marcellinus* weiter hinunter passten : S. 143, 6 zwischen Cadurci und Britannia, und deutete das durch ein Zeichen an. Der Schreiber von B fügte die Randnote dem Zeichen folgend richtig S. 143, 7 ein, schrieb aber die Worte codicillos et ruhig zwischen convennae consoranni, obwohl jene 2 Worte in A mit ganz anderer Tinte geschrieben sind. Wie Aventin das las, blieb er an dem thörichten codicillos hängen. Hätte er in seinem Autograph nachgesehen, so hätte er gesehen, dass die beiden Wörter codicillos et hinaufgehörten vor tabulas

1) Er hat also jedenfalls auch den hierin erhaltenen Hermannns Contractus nnd die Breves notitiae S. Emmerami benützt.

2) Daselbst S. 13 sind Notizen über Ereignisse der Jahre 1527 und 1529; solche über 1528 sind in der Stuttgarter Concepthandschrift (D) Bl. 200. Diese hat Riezler nicht gedruckt, ähnliche ans A und der wolfenbüttler Concepthandschrift hat er gedruckt (Werke III, S. 531). Die erwähnte lat. Handschrift 281 enthält dann noch besonders auf Bl. 16 einen Entwurf zu einem Leben von Sand Hainrich, Bl. 22 zu einer Geschichte der Grafen von Abensberg.

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S. 142, 32. Dazu war er aber zu bequem; darum radirte er einfach codiciUos aus. So fehlt jetzt in B codicillos ganz und zwischen convennae und Consoranni steht et. Riezler hat den Text noch weiter verschlechtert, indem er den Provinznanien Novem populorum nicht erkannte und drucken liess 'in secunda Aquitania numerantur Averni (so B und Rr,l^ A und Cod. 281 richtig Arvemi) Rutheni Cadurci, novem populorum provincia, cuius et Hieronymus meminit

Demnach hat Aventin im Schluss des Jahres 1525, wo er niit Eifer den Homer im griechischen Texte las, nicht eben viel Mühe auf die Correktur der schlechten Reinschrift B verwendet. Dieselbe war voll thörichter Wortformen, viele einzelne Wörter und Satztheile fehlten. Aventin las lässig; hiebei entgingen ihm viele auffallende Thorheiten; die meisten merkte er und besserte sie. Wenn er an ganz unverständ- liche Wörter kam, schaute er meistens in sein Autograph und sah dann, dass Wörter gänzlich entstellt, oder Randnoten an der falschen Stelle eingesetzt oder gar ganze Satzstücke ausgelassen waren; das besserte er dann nach seinem Autograph. Oft sah er aber auch in seinem Auto- graph nicht nach, sondern half sich, wie an der besprochenen Stelle mit Tilgung des unverständlichen Wortes. Dann blieben Wörter weg, welche er aus seinem Autograph ergänzt hätte, wenn er sich eben die Mühe genommen hätte, dort nachzusehen.

So steht es mit der Abschrift B, dem sogenannten zweiten Auto- graph. Sie ist leichtsinnig geschrieben und flüchtig von Aventin corrigirt. Mir ist unverständlich, wie Riezler daran denken konnte, sogar in ortho- graphischen Dingen auf diese Abschrift auch nur Rücksicht zu nehmen, geschweige ihr zu folgen und z. B. S. 137, 19 simulachraque oder 142, 2. 28 sepulchro zu schreiben (nach B) mit der Note 'simulacraque' A, sepulcro A u. s. w. Das sind Kleinigkeiten, aber sie Verstössen gegen die 'ratio*.

Allein die Abschrift könnte doch Vorzüge vor dem Autograph besitzen. Wenn wir Druckbogen unserer eigenen Schriften lesen, fällt uns hie und da Neues ein und wir setzen es noch ein ; so könnte Aventin in der Abschrift hie und da interessante Zusätze gemacht haben; diese müssen dann natürlich von seiner Hand geschrieben sein. Für eine andere Art von Vorzügen der Abschrift öffnet Riezler die Pforte mit

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der Bemerkung 'Gärtner schrieb augenscheinlich zuweilen nach Diktat,^) sicher des Verfassers selbst*. Für den Zusatz 'sicher des Verfassers selbst* gibt es nicht nur keinen sichern, sondern gar keinen Grund. Für das Abschreiben wurde Gärtner vom Herzog bezahlt und er fertigte dieselbe 'in horto* Aventins. Aventin hatt^ genug Aerger mit der Correktur, zum Diktiren war seine Zeit zu kostbar. Doch das sind alles nur Wahr- scheinlichkeitsgründe. Mit der Hypothese von etwaigen mündlichen Mit- theilungen Aventins an den Schreiber könnte viel Missbrauch getrieben werden. Dieselben müssten natürlich in dem Autograph A fehlen und in B von der Hand der Copisten geschrieben sein. Ich will zur Probe die Stellen, an denen schon der Copist in B das Richtige haben soll, während im Autograph A das Unrichtige stünde, im 2. Buche sämmtlich durchgehen, so viele ihrer Riezler zu den 212 Druckseiten notirt, und so weit ich sie nicht schon oben behandelt habe. Man beachte bei diesen Stellen besonders, wie Riezler das Autograph A zurücksetzt und die Copie B begünstigt.

Einige Stellen will ich vorweg nehmen. S. 300, 8 heisst es in B und bei Riezler ^Gaensericus cum Vandalis Carthaginem invadit capitque. Franci txaiecti (Clo- done regulü) Rheno Belgicam secundam vastant, patentes Atrebatum terras quoque pervadunt, Tornacum et Cameracum urbes diripiunt; Saxones Britanias incursant'. Dazu gibt Riezler die Noten *Clodone duce A* und ^patentes . . pervadunt fehlt in A\ Wenn das wahr ist, dann ist die unbedingte Herrschaft für A verloren; denn da die Worte in B von der ersten Hand geschrieben sind, so müsste der Copist eine andere Quelle als das Autograph A gehabt haben, und das könnte nur Aventin selbst sein. Allein Riezlers Angaben sind falsch. Allerdings lautet der Columnentext in A (fol. 6) nur: Franci traiecto | rheno belgicam secundam vastant Tornacum | et cameracum urbes diripiunt, S. Br. ine. Aber an den Rand neben traiecto hat Aventin ein Zeichen gemacht und dazu geschrieben *supra pag. 5 Clodone duce*. Auf Bl. 5* steht, eben- falls am Rande, *infra pag. 6 clodo francorum regulus patentes attrebatum (so schreibt

1) Riezler (Nachwort 8. 642) schliesst dies aus Varianten wie vibratis: fibratis; inter Oenum: inter Rhenum. Die Philologen wissen, dass solche Dinge doch trügen können. Wenn wir schreiben, arbeitet neben dem Auge oft das Ohr mit und passiren uns solche Fehler. Wer z. B. liest 'Da Aventin weder Copist noch bloss trockener Analyst sein wollte oder konnte etc.', der würde wetten, das könne nur ein Hörfehler für Annalist sein, also müsse dieser Text diktirt sein: und würde sich doch irren. Denn diese Stelle in Riezlers Nachwort (S. 598) ist aus DölHngers Rede (wo das richtige 'Annalist' steht) von Riezler copirt worden und ist von seiner Feder weg vor die Augen des Setzers gewandert.

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Aventin öfter) terras quoque pervaserat\ Diese Worte wollte also Aventin im Ablativ absolutus auf Bl. 6 eingefügt haben. Dem Fingerzeig folgte der Copist; doch hätte Aventin selbst wohl duce statt regulo festgehalten. Also hier bewahrt A seinen Rang.

An einer andern Stelle 250, 2 ist Oalerius von den Persem geschlagen, 'reparatis tamen ex Gerraanis et limitaneis Histri exercitibus copiis, rursus Persas adoritur. ipse in Armenia maiore cum duobus equitibus (Zeile 5) exploravit hostes et cum viginti milibus militum supervenit castris hostium ; subito innumera Persarum agmina adgressus Narseum regem turpi fuga saluteni quaerere cogit ; uxore eins ac filiabns potitur. . haec pacis conditio (ZI. 11).. duravit. ita terra marique parta victoria etc. Riezler bemerkt *Z1. 4 In A femer fundit, superat, ad intemecionem delet*. Hier scheint also ein Unsinn der Handschrift A in B gebessert zu sein, Vohl nach dem Diktat des Verfassers selbst'. Doch ein Blick in die Handschrift A gibt derselben vollkommen Recht. Der Columnentext lautete ursprünglich nur: rursus Persas adoritur, fundit, superat. Ita terra etc. (Z. 4 und 11). Da kommt das Breviarium des Rufus in Aventins Hände. Daraus schreibt er rechts an den Rand von A die Worte 'Ipse . . adgressus' und schiebt sie durch Zeichen vor ^fundit superat' ein. Dann schiebt er nach superat aus Rufus 'ad intemecionem delet' ein und schreibt links an den Rand wieder aus Rufus die folgenden Worte 'Narseum . . duravit'. Die Worte 'fundit superat ad intemecionem delet' gehören also in die Z. 6 nach aggressus, wo sie sogar noth wendig sind und natürlich auch in der Chronik stehen (kam., mit 20000 über die Persier, so on zal waren, griff ir wagenpurg an, schlueg si, erleget si, gewan die wagenpurg . . Narseus entran kaum). Der leichtsinnige Copist übersah diese Worte, Aventin merkte beim flüchtigen Durchlesen nicht ihr Fehlen, Riezler bemerkte sie in A, wusste aber nichts damit anzufangen. Leicht erklärt sich der wirkliche Vorzug

der Abschrift vor dem Original an zwei andern Stellen. S. 159 hat B drei Inschriften und S. 253, 29 eine Inschrift, welche in A fehlen. Allein an beiden Stellen hat Aventin in A so viel an den Rand und zwischen die Zeilen zugeschrieben, dass er sich selbst durch Zahlen zu helfen suchte; diese Inschriften, welche er auf der ent- sprechenden Seite seines Handexemplars nicht mehr unterbringen konnte, hatte er, wie er das auch sonst that, auf Blättchen beigelegt, welche jetzt verloren sind. Also auch hier ist die Copie nicht besser als das Original.

Jetzt will ich die übrigen vermeintlichen Fehler von A im .2. Buche jrasch, aber sämmtlich durchgehen. Ueber S. 116 vgl. oben S. 726. 116, 30 inlustris A:

richtiger Accusativ; vgl. Aventins Werke I, S. 400,35. 117, 4 rerum divinamm humanarumque B Rr: r. hum. divinarumque A; der Copist hat in B entweder aus Leichtsinn oder Frömmelei umgestellt. 121, 22 licet in A halb durchstrichen;

darum hat der Copist in B zuerst nichts, dann als er bei legatur die Nothwendigkeit einer Conjunction einsah, quamvis über die Zeile geschrieben. 122, 28 muueribus

B Rr: quippe A, richtig. 123, 3 Marobudum . . nunc Pragam dicimus B Rr: Marobodum A; aber Riezler selbst dmckt III, p. 367, 27 Praga . . quondam Marobodum vocata. 141, 6 Bergamum, Comum B Rr: Comum Bergomum A; Stellung gut,

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Bergomum auch sonst bei Av. 142, 20 Chatalauni Rr, Gathalauni B: Cathelauni A, ohne Anstand. 148, 29 quos Horatius Gelonos appellant A: adpellat B Er; selbst- verständliche Correktur des Schreibers. 153, 8 *D M* B Rr : *M D' A ; leichte Correktur des Schreibers. 154, 26 'P AEL' B Rr: so auch A, nicht PLAEL, wie Riezler

sagt. 172, 33 Marcum . . Paulus coUegam vocat B Br, schlechte Correktur des Schreibers: adiutorem A; ad Philem. 24 'Marcus. . adiutores mei*. 173, 21 Vinde- licorum et Boiariae (urbes) fuisse reperio Bathaviam ; Aureatum in vicnra abiit, Augusta Vindelicorum interiit: A hat (in der Zeile, nicht am Rand) nach Bathaviam *Augustam Tiberii, Fruxinum quae extant*. Diese Wörter sind richtig und sachlich nothwendig; vgl. Chronik S. 792, 7; der Copist Hess sie aus Leichtsinn weg; Riezler fehlte, dass er sie nicht in den Text setzte. 175, 11 peroranti . . sententiae suppetebant A D: suppeditabant B 72r, überflüssige Aenderung des Copisten. 180, 7 setzte Rr antea, 210, 27 und 224, 19 ante aus B in den Text: an der ersten Stelle hat A ante, an den beiden andern antea, ebenso gut. 192, 34 redigere statum B Er: A ebenso gut *st. red.' 196^ 37 subsecuta B Er: subsecuta est A, richtig. 198, 27 sie

Er richtig: si A falsch, doch auch in B hat erst Aventin das c zugesetzt. 214,36 timebat B Er: tim. Marcus in A ist unbedenklich. 215, 19 quae mihi aperte

norainare religio est B Er statt des ebenso guten *q. nom. ap. mihi rel. est' in A. 219, 10 uti B Er statt ut A. 224, 36 oratores, quos .venales linguae non esse, sed gratis agere constitit so Er mit B, falsch: venalis A richtig. 226, 21 rescripsit B Er: rescr. Caesar A ebenso gut. 238, 7 ut B iZr: uti A. 242, 18 sepulchra B Er: sepulcra A. 255, 7 sub pallio et capillis (gleich Lactanz V, 2) A, am

Rande barba: s. p. et barba ac c. B Er. 263, 31 hat A Arbitione (nicht Arbi-

trone) = B Er. 268, 2 hat der Copist Litodorus so gut wie A; erst eine spätere Hand schrieb Vitrodorus an den Rand. Aventin übersetzt aber noch in der Chronik Leitdurn kunig Widwers sun*. S. 269 und 270 die verschiedenen Formen von

Hariobandes schrieb der Copist aus A ab; erst Aventin machte in B Ringeln über die n. 285, 6 hat B Er Francorum richtig: A das falsche Franconum; die Correctur lag dem Copisten sehr nahe, da Francos voran geht und folgt. 300, 30 steht Arleato in B so gut als in A: erst Aventin hat in B Arelato gebessert. 304, 21 scheint auch B vor der Correctur das falsche tuis (A) gehabt zu haben. 314, 2 Litomarus Raenomarus et Richarius Er nach B: Raenarius A, richtig, da auch in der Chronik steht *Leutner, Rainer, Reicher . 318, 33. 34 schrieb der Copist dasselbe, was in A steht; erst Aventin corrigirte in B das, was Er druckt.

Demnach hat der Copist von B neben Aventins Autograph keine weiteren schriftlichen oder mündlichen Mittheilungen von Aventin erhalten oder, mit anderen Worten, Alles, was in der Stuttgarter Reinschrift von der Hand des Copisten geschrieben steht, ist für uns neben Aventins Auto- graph A völlig werthlos, und Riezler hätte aus B nichts in den Text

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 96

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setzen, nichts in den Noten erwähnen sollen, was nicht Aventin mit eigener Hand hineincorrigirt hat. Allein Riezler ist von dem Nebelbild des *z weiten Autographs oder des Autographs im weitern Sinne* (B) so befangen, dass er selten unterscheidet, ob Etwas in demselben von der Hand des Copisten oder erst von Aventin geschrieben ist.

Bieten nun Aventins eigenhändige Bemerkungen in der Reinschrift B Etwas, was nicht schon in seinem Autograph steht? Zum ganzen 2. Buche der Annalen sind es folgende Dinge: S. 201 hatte der Copist ZI. 1 Traianus.. 3 urbes ausgelassen; Aventin merkt die Lücke, schreibt aus seinem Auto- graph die übersehenen Zeilen an den Rand und, da ihm ein Uebergang hübsch erschien, setzt er nachträglich noch 'Porro* in B vor die mit Trajanus beginnende Zeile. 182, 15 Nero in Todesgefahr ruft 'Qualis

artifex pereo*. Obwohl ihm der schimpflichste Tod droht, ist er doch zu feige, sich selbst zu tödten, und ruft bei Sueton: Vivo deformiter ac turpiter. Aventin schrieb ^segnitiem suam his verbis increpat: vivo deformiter turpiter , mit einer Lücke nach turpiter sowohl in seinem Concept (D) als in der Reinschrift A. Diese Lücke, welche sogar noch der Copist in B festhielt, füllte Aventin beim Durchlesen von B aus mit pereo. Das liegt allerdings so nahe, dass Aventin auch in der Chronik auf dieselbe Füllung der Lücke in A verfiel 'ich leb in grossen Schanden und sterb schendlich*. Die dritte Stelle ist 178/9: beim Durchlesen von B schien Aventin ein Zusatz gut. Er schrieb also an den Rand von B 'alii Babyloniam Aegypti intelligunt, quae nunc Alchairum est, antiquis Memphi8\ Da ihm dieser Zusatz wichtig schien, trug er ihn auch in seinem Handexemplar A am Rande nach, mit einer freien Aenderung 'alii Babyloniam Aegypti intelligunt, quae nunc Alchairum vulgo est, vetustis Memphis*. Dazu mag man noch rechnen 206, 2 wo Aventin, statt des guten 'enecavit* in A, in B das ebenso gute 'enecant* corrigirt hat. In der Chronik übersetzt er enecavit 'Barcobab . . erwürget ßi\

Diese 4 Stellen sind die einzigen, welche ich als Herausgeber aus dem 270 grosse Blätter enthaltenden 2. Bande der Stuttgarter Copie anführen würde, und auch diese nicht im Texte, sondern in den Noten. ^)

1} Wie erwähnt, enthält die Stuttgarter Conceptenhandschrift (D) im Anfang zwei Lagen, welche von der nemlichen Hand geschrieben sind, welche B schrieb, und welche ebenfalls yon

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Statt dessen ist Riezler in wer weiss wie vielen orthographischen Dingen der nichtsnutzigen Copie gefolgt, hat viele Fehler derselben in den Noten angeführt, welche er alle hätte weglassen können, hat an Stellen, wo man schwanken kann, meistens die Lesart von B in den Text, die von A in die Noten gesetzt und hat aus üeberschätzung der Copie das Original nicht mit der entsprechenden Genauigkeit verglichen.

Diese Vorliebe für die Copie kann bei Riezler nur aus der Ansicht entsprungen sein, Mass diese Cogie den definitiven, bei einer etwaigen Publikation zu gründe zu legenden Text bieten s o 1 1 1 e\ Für diese Ansicht gibt es absolut keinen Grund, gegen dieselbe genug, wie den S. 735 erwähnten, dass Aventin sich geschämt hätte, die Inschriften so drucken zu lassen, wie sie in B geschrieben sind und wie er sie selbst dort gelesen hat. Die Stuttgarter Abschrift ist eine schlechte Copie des Autographs, welche von Aventin ein Mal nachlässig durch- gelesen und nachlässig corrigirt ist. Er hatte sie ja nicht aus eigenem Antrieb oder für sich fertigen lassen, sondern auf Befehl der Herzoge und für dieselben, welche dabei ausdrücklich verboten, diesen Text ohne ihre besondere Erlaubniss durch Abschrift oder Druck weiter zu ver- breiten. Doch wenn auch Aventin überhaupt um solche Textesverderb-

Aventin selbst durchcorrigirt sind. Dieses von Riezler übergangene Parallelstück zu B, welches S. 80, 5 43, 15 des 1. Buches enthält, bestätigt die obigen Schlüsse über B. Es ist wiederum direkt aus A abgeschrieben, hat aber nicht die Varianten von B, sondern andere. Der umstand, dass Aventin auch dieses Stück durchcorrigirt hat, müsste dasselbe in Riezlers Augen zum 3. Auto- graph machen, wobei er freilich noch mehr ins Gedränge kommen möchte. Mir scheinen daraus nur folgende eigenhändige Bemerkungen Aventins in die Noten zu gehören : S. 34, 3 setzt Aventin nach nusquam *id* zu. Eine interessante Stelle ist 34, 30. Aventin eifert gegen die Form

Bavarus: eo nomine proavos nostros, tanquam infausto omine ignominiaeque nota, quae et in proverbium cesserit, abstinuisse compertum habeo; so haben die Wolfenbüttler Concepte, und der Columnentext von A und unser Fragment. Dann schrieb Aventin an den Rand dieses Fragnientes und den der Handschrift A 'omnis bavarus avarus ; endlich mit anderer Tinte in A ^b nimirum avaro additum emptum a Boiis esse"; nur diesen 2. Zusatz schrieb der Copist in B ab (nach cesserit) und nur diesen hat Aventin in die Chronik genommen : sam si das b kauft haben zu dem 'Avarus* 80 im latein geitig haist. 37, 9 hat Riezler mit B in Alpibus Transnostoni geschrieben; in

unserm Fragment hatte der Copist in seinem Leichtsinn diese Wörter vergessen ; Aventin ergänzt 'i. A. Tranostoni*; da nun derselbe Aventin in dem Concept (D) und in dem Autograph A Tra- nostoni geschrieben hat, so wird wohl auch Riezler diesen drei wirklichen Autograpben mehr Recht geben als seinem 'Autograph im weitem Sinn'. 40, 3 zu der Charakterisirung der

Baiem als 'agri, pecoris magis quam belli cultores' schreibt Aventin an dem Rand unseres Frag- mentes die schmeichelhafte Bemerkung *quos optimos etiam Aristoteles censet'.

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nisse, wie sie die Copie entstellen, sich nicht viel gesorgt hätte, so ist doch sicher, dass er sich um diese Copie nicht weiter gekümmert hat

Auf die Einlieferung des Annalentextes hin (Anfang 1526) erhielt Aventin ein halbes Jahr später den herzoglichen Befehl, eine deutsche Uebersetzung des Annalentextes, die Chronik, auszuarbeiten. Noch im Jahre 1526 begann er und bis Ende 1527 war das 1. und 2. Buch fertig, deren Reinschrift im Januar und April 1528 an den Hof abgeliefert wurden. Der Text der Chronik weicht häufig stark von dem der Annalen ab. Zu den zahlreichen Zusätzen un5 Aenderungen ist das Autograph A benützt. Die Copie und die darin enthaltene Fassung des Textes hat also Aventin schon 1 1^2 Jahr nach ihrer Entstehung nicht im geringsten berücksichtigt. Demnach ist gar nicht daran zu denken, dass Aventin in dieser Abschrift den endgiltigen oder zu veröffentlichenden Wortlaut seiner Annalen anerkannt hätte. Also dürfen auch wir es nicht thun. Für uns hat diese Copie fast nur den Werth, dass wir unterscheiden können, welche Aenderungen und Zusätze im Autograph vor, und welche nach 1525 entstanden sind.

So können wir uns endlich von der Abschrift, welche in der Aus- gabe von Aventins Annalen viel Schaden gestiftet hat, zum Autographe Aventins selbst wenden.

IL Wie Ayentin zur Darstellung der bairlschen Geschichte kam.

Die 6 Bände, in welche Aventin anno 1521 seine Annalen rein geschrieben hatte, waren sein grosser Schatz. Sie enthielten das Werk seines Lebens, in strengerem Sinne als man gewöhnlich meint. Denn darüber herrscht noch sonderbare Unklarheit, wann und wie Aventin dazu gekommen ist, die Geschichte Baierns zu schreiben. Vogt in der Biographie Aventins (Werke I, S. XV) schreibt den guten Gedanken eigentlich den bairischen Herzogen zu, indem er sagt 'Aus diesen (ver- schieden grammatischen und ähnlichen) Arbeiten wurde Aventin durch seine Ernennung zum bayrischen Historiographen (im Jahre 1517) her- ausgerissen, die ein verdienter Lohn für seine Treue und Hingebung als Erzieher gewesen ist und ihn als Schriftsteller auf eine Bahn geführt hat, welche seiner ganzen Anlage und geistigen Richtung am

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meisten entsprach*. Dass das ein grober Irrthum ist, bat schon Riezler gesehen. Derselbe schiebt den Beginn dieser Arbeiten weiter hinauf (Werke III, S. 546): „Schon in Paris (a. 1503) hatte Aventin nach dem Zeugnisse Michael Hummelbergers lebhafte Theilnahme für historische Studien bewiesen; er selbst erwähnt, dass er auf der dortigen Bibliothek Urkunden gelesen. Der Beginn einer entschiedenen Richtung auf histo- rische Thätigkeit fällt jedoch, soweit wir sehen können, erst mit seiner Anstellung als Prinzenerzieher zusammen. Als er mit seinen Zöglingen in Burghausen weilte (1509 1511), spürte er mit Eifer und Erfolg geschichtlichen Aufzeichnungen und Alterthümern nach . . . Diese Anfübr- ungen genügen, um zu zeigen, dass Aventin schon vor dem Antritt seiner in offiziellem Auftrage unternommenen Forschungsreise (1517 und 1518) mehrere Jahre hindurch aus Klöstern und Städten des Baierlandes reichen Stoff zusammengetragen hat, wobei ihm seine Stellung am Hofe gewisa auch schon förderlich war." Auch hier kommen wir also nicht hinaus über den 'Beginn einer entschiedenen Richtung auf historische Thätigkeit erst in der Zeit seiner Anstellung als Prinzenerzieher. ^)

In Wahrheit haben wir aber die deutlichen Beweise, dass Aventin bereits in der Zeit, wo wir überhaupt zuerst mit seiner schriftstellerischen Thätigkeit Fühlung bekommen, nicht nur Neigung für historische Studien, sondern den ausgesprochenen Plan zur Geschichte Baierns in sich trug, und wir dürfen schliessen, dass zur Förderung dieses Planes er mit festem Willen in die Nähe der Fürsten zu kommen suchte. Das Glück war allerdings seinem Streben ausserordentlich hold; allein Aventin durfte sagen, er sei seines Glückes Schmied gewesen. Die Bewunderung für den Mann muss wachsen, wenn wir erkennen, dass er selbst in seiner Jugend den Plan zu dem Werke entworfen hatte, dessen Vorbereitung, Ausführung imd Weiterführung dann den Hauptinhalt seines Lebens gebildet hat.

Nicht äusserliche Zufälle bestimmten Aventin zur Wahl dieser Lebens- aufgabe, sondern die Wurzeln seines gewaltigen Strebens gehen tiefer, in den damaligen deutschen Humanismus. Das Wiederaufleben der klassischen Bildung hatten die europäischen Völker unstreitig den

1) Auch Wegele, Geschichte d. deutschen Historiographie, 1886, S. 263 kommt nicht weiter.

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Italienern des 14. und 15. Jahrhunderts zu danken. Um so merkwürdiger ist die Erscheinung, dass im Schluss des 15. Jahrhunderts manche deutsche Humanisten die italienischen gering schätzten und verkündeten, wie das Imperium, sei auch die höhere geistige Bildung auf die Deutschen über- gegangen. Demgemäss verachteten sie Land und Leute Italiens, lobten Griechenland und dessen Sprache und Literatur ein nicht zu unter- schätzender Umstand für die Entwicklung der griechischen Literatur- und Sprachstudien, priesen aber vor Allem Deutschland und kamen so nothwendiger Weise dazu, auch die Vergangenheit Deutschlands zu erheben. Wäre es damals überhaupt in der Mode gelegen, Hermann der Cherusker hätte schon damals sein Denkmal im teutoburger Wald erhalten können.

Diese sonderbare Richtung der Geister, deren Schirmherr Kaiser Maximilian wurde, hatte die segensreiche Wirkung, dass die deutsche Geschithte eifrig erforscht wurde. An der Spitze dieser Richtung stand Conrad Geltes und, mit welchem Eifer und Stolz er die Vergangen- heit des deutschen Volkes erforschte, könnten schon seine Arbeiten über die Germania des Tacitus, seine Ausgaben der Roswitha und des Guntherus Ligurinus zur Genüge darthun. Er rühmt sein deutsches Vaterland und seine eigene Kenntniss desselben und schildert es gern in Vers und Prosa. In einem grossen epischen Gedichte wollte er die Thaten des Theoderich, in einem grossen historisch-topographischen Werke, der Germania illustrata, Deutschland schildern. Für unsere Zwecke ist es besonders belehrend zu betrachten seine Panegyris ad duces Bavariae, d. h. ein Gedicht und eine Rede, welche er 1492 beim Antritt seiner Professur in Ingolstadt vortrug. In einem Gedichte in Hexametern lobt er Baiern, und ver- spricht die Geschichte der bairischen Fürsten zu besingen:

Sed sua gesta canam totum Ventura sub orbem, dum mihi victuro concedant fila sorores et mea Maeonio resonabunt carmina plectro. Tunc atavos proavosque canam clarosque parentes felicemque Palatina cum prole Philippura.

Weiterhin lobt er den Eifer des Fürsten für die Pflege der Wissen- schaften und der Poesie und verkündet, dass die deutsche Jugend bald

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nicht mehr in Italien, sondern die Jugend Italiens in Deittschland die höhere Bildung suchen werde:

nunc iuvenile decus non nöstra relinquet regna nee Italicas olim migrabit in oras ob studia et mores legumque agnoscere nexus morborumque lues, fato poscente sed nitro Italiens properet Germanas visere terras.

Die Rede beginnt er mit der Erkläruilg, er würde lieber nicht lateinisch sprechen, wenn in Deutschland noch, wie in Urzeiten, Griechisch gesprochen würde; wie er zum Studium des Griechischen auch weiterhin auffordert. Später erklärt er, die deutschen Gelehrten sollten sich schämen, dass sie die griechischen und lateinischen Geschichtswerke nicht kennen, aber vor Allem desswegen, dass Land und Leute und Geschichte ihres eigenen Vaterlandes ihnen so fremd seien, während auswärtige Historiker dieselben mit erstaunlichem Fleisse erforscht hätten. Diese Worte, welche genau auf Aventin passen, lauten: Magno vobis pudori ducite Graecorum et Latinorum nescire historias et super omnem im- pudentiam regionis nostrae et terrae nescire situm sydera homines montes antiquitates nationes denique, und später: Pudeat . . neminem inter vos hodie inveniri qui res Germanica virtute gestas aetemitati commendet. Weiterhin ruft er die Deutschen auf, die von fremden Völkern zerstückten oder geraubten Grenzprovinzen wieder zu erobern. Die Rede schliesst mit der Aufforderung an die studirende Jugend, das Studium der edeln Wissenschaften eifrig zu pflegen, auf dass sie selbst schaffen könnten und als Geschichtschreiber oder Dichter sich Ruhm, ihrem Vaterlande Ehre erwürben.

Das ist der Boden, aus welchem Aventins Geist seine erste Nahrung gesogen hat, und, wenn wir Aventins früheste Thätigkeit genauer be- trachten, so ist kein Zweifel, dass Conrad Geltes sein geistiger Vater war. Kaum 20 Jahre alt, hörte ihn Aventin an der Universität Ingolstadt. Dann während des dreijährigen Aufenthaltes an der wiener Universität pflegte er mit ihm den engsten Verkehr. So schreibt er in sein Tage- buch *a. 1500 Viennae literis operam dedi contubemalis Chunradi Celtis* und 'a. 1502 7 Decemb. Venit Chunradus Celtis ad me Apsbergunum.

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equitavi cum eo . . et Radesbonnam. 28. Dec. Angylostadium equitavimuß'. Die frühesten Gedichte Aventins sind ganz nach der Art und in den Dichtungsformen des Geltes, imd noch die letzte That seines Lebens, die Ausarbeitung der Germania illustrata, ist nur die Ausführung eines von Conrad Geltes entworfenen Planes.^)

Daran kann kein Zweifel bestehen, dass Aventin die ganze Richtung seines Geistes dem Gonrad Geltes verdankt. Ja, ich glaube, wir müssen weiter gehen und annehmen, dass er mit ihm schon den Plan entworfen hat, den er dann sein Leben hindurch verfolgte, die Darstellung der Geschichte Baiern s. Denn, wo wir zuerst auf eigene Thätig- keit Aventins stossen, tritt uns dieser Plan in voller Ausbildung entgegen. In Paris 1503 studirt er schon Urkunden der Kaiser Karl IV. und Sig- mund. Kaum in seine Heimath zurückgekehrt, sammelt er schon 1507 eifrig römische Inschriften in Baiern^) und richtete in demselben Jahre ein grosses Gedicht an den Hof, worin er die Urgeschichte Baierns und einzelne Stücke der spätem Geschichte berührt und, wie oben Geltes, dem Herzog verspricht, wenn ihm nur so viel Leben gegönnt sei 'quantum sat facta tuorum (maiorum) dicere, perpetuas aequabunt carmina laudes'. Noch deutlicher enthüllt er diesen Plan in einem andern Gedicht (Nr.V, S. 623 im 1. Band von Aventins Werken), dessen ursprüngliche Fassung Halm nicht der Angabe werth fand. In dem Autograph Aventins, der lat. Handschrift 1138 in München, beginnt dies Gedicht: Alberto mea principi Thalia | perfer vota tui brevis poetae . . weiterhin soll die Muse dem Fürsten erzählen, welche Länder Aventin gesehen (brevis Naus visus ist wohl die Nahe) und welche Wissenschaften und Sprachen (gleich Geltes. Latein, Griechisch und Hebräisch) er studirt habe. Dann schliesst Aventin 'Tenes favorem | promissum. teneris ducem canenti | Musis hoc satis est;

1) Wie alles Andere, so hat Aventin auch die Abneigung gegen die Geistlichkeit von Celtes gelernt. Die conservativen Scholastiker, deren Stützpunkt Italien war, konnten den Neuerern, welche in den Wissenschaften und schönen Künsten Griechenland, in der Geschichte Deutschland weit über Italien stellten, nur als Gegner erscheinen. Den Angriffspunkt für ihre Feindschaft fanden sie in der Sittenlosigkeit der damaligen Geistlichkeit. Wie bei Celtes finden wir desshalb auch bei Aventin schon in seiner ersten Schrift einen heftigen Angriff auf die Geist- lichen: in den späteren werden sie immer schärfer.

2) In Fr. v. Oefele's Annalen von 1511 sind den vorangehenden Inschriften die Jahre bei- geschrieben, in welchen Aventin eine jede gefunden hat.

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levi susurres | flatu principis auribus sereni: | Si dux annuet, acta Nori- corum I cum terris referam ducum disertis | victuris quoque praeparabo chartis . . Joannes Aventinus cecinit Ingolstadii MD VIII divo Maximiliano a deo coronato feliciter imperante'. Also schon im Jahre 1507 und 1508, in den ersten Schriften Aventins, tritt sein Vorsatz, die Geschichte Baierns nebst der Beschaffenheit des Landes darzustellen, klar zu Tage. Erlaubt ist der Schluss, dass Aventin diesen Plan schon von Wien mitgenommen hatte; sicher aber ist, dass er schon 1507 den Plan zu seinem Lebenswerke entworfen hatte.

Aventins Annalen von 1509 und 1511.

Aventin war a. 1507 unstreitig der tüchtigste Humanist in Baiern. Er hatte in Wien gesehen, wie seine Lehrer Geltes, Guspinian und der Hofhistoriograph Stabius am Hofe Maximilians für ihre Forschungen zur deutschen Geschichte glänzende Anerkennung und Hilfe fanden. Desshalb scheint er, damals noch Privatgelehrter, direkt nach der Stelle 'als Er- zieher der Söhne des Herzogs Albert gestrebt zu haben, weil er so seinen Plan, die bairische Geschichte zu bearbeiten, am besten verwirklichen konnte. Dies Mal war das Glück dem Würdigen günstig. Im Jahre 1509 wurde er wirklich Erzieher der Prinzen und lebte mit denselben 1509 und 1510 hauptsächlich in Burghausen; 1511 zog er mit ihnen nach München, bald nach Ingolstadt. In diesen Jahren hat er nicht nur Inschriften, Urkunden, Chroniken und andere historische Schriften ge- sammelt, sondern schon seinen Plan zum ersten Male ausgeführt. Diesen ersten Versuch finde ich in einem Concept, welches der 1. Band seiner Adversarien enthält. Auf dem ersten Blatt standen ursprünglicli nur die Worte 'Annales Bavariae ducum | et Caesarum Germaniae | In arce Burghausen collecti. | Joannis Aventini sum. | 'Avi^ov yMi antxov. Contine et Patere. | Die Blätter 2 - 6* enthalten eine Topographie und Urgeschichte Baierns bis 530, welche der nüchterne Entwurf zu dem hochtrabenden Text der nächsten Ausarbeitung von 1511 sind. Auf der Rückseite des 6. Blattes steht 'hos annales in coenobio Monosenensi inveni diligentissimos omnium quos unquam legerim'. Sie beginnen mit 508 und scheinen dazu bestimmt gewesen zu sein, die Fortsetzung der

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 97

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Annalen zu bilden. Dieser erste Versuch ist also 1509 oder 1510 in Burghausen gearbeitet.

Wie eifrig Aventin seinen Plan verfolgte, zeigt das nächste Werk, in welchem er denselben verwirklichen wollte. Dasselbe ist jetzt im Besitze des Freiherrn Edmund von Oefele, welcher in Aventins Werken III, S. 554 556 darüber berichtet und auch mir freundlichst die Be- nützung desselben gestattet hat Dasselbe hat den Gesammttitel 'Vetustates Romanae annalesque ducum Bavariae | A Joanne Aventino philosopho*) | Conlectae\ Hierauf enthält die Handschrift prächtig geschriebene Copien römischer Inschriften in Baiem; dann 4 Bücher bairischer Geschichte mit den Buchtiteln ^Annalium ducum Bavariae Über V etc. ; die Erzählung ist hier so viel als möglich annalistisch. An den Rand der prächtigen Reinschrift sind die darin benützten Quellen geschrieben. Auf Bl. 10*" und 17'' sind 2 Gedichte geschrieben; Bl. 17*" das schon oben (S. 746) erwähnte Gedicht über seine Reisen, Studien und sein Vorhaben, die bairische Geschichte zu schreiben, doch in der Fassung, wie sie von Halm gedruckt ist; fol. 10** das Lobgedicht auf den Herzog Wilhelm (Werke I, S. 623 Nr. VI) mit anderm Titel 'Vialmo Bavariae atque Rheni principi clarissimo Joannes Aventinus. Am Schlüsse steht in der Handschrift eine Strophe mehr:

Externos soliti vincere tam diu, Fatali, metuo, fine quiescimus:

(Vanus sim precor augur) Jam nostris premimur malis. Idve/^ov xal äjis^ov.

Da diese Strophe in dem Einblattdruck von 1511 fehlt, es aber schwer zu denken wäre, warum Aventin diese Unglückstrophe nachträg- lich sollte zugesetzt haben, so wird wahrscheinlich, dass die Reinschrift der Annalen vor diesem Einblattdruck von 1511 gefertigt ist.

Auf der Rückseite des 1. Blattes steht das noch nicht veröffentlichte Widmungsgedicht, welches ich mit der gütigen Erlaubniss des Freiherm Edmund von Oefele hier mittheile.

1) Auch Celtes nannte sich gern einen philosophus.

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Vialmo principi Bavariae atque Rheni

clarissimo Joannes Aventinus. Adfero, Germanis princeps clarissime terris,

Bavarico reperi quae monumenta solo. Romula quingentos gens hie dominata per annos

Haec posuit regni maxima signa sui. Mox fera dux Theodo conmittit proeiia Boius

Vindelico Latios pellit ab orbe viros. Bavariamque vocant, quam Martia Roma diserta et

Graecia Vindelicum dixerat ante diu. Hie decies centum iam Saxones atque Suevi

Regnarunt annos indigenaeque duces. Quattuor haec obiter deduximus usque libellis

Et brevius quam res dicier illa queat. Oeia sed nobis, dux optime, qualia Flacco

Fecerat Augustus Vergilioque suo: Experiar vires; plenis tunc aequora velis

Sulcabo, toto tunc Helicone fruar. TiXog. jivix^v >^olI dmxov.

Dieses Gedicht ist wichtig; minder weil es die Theilung dieses Werkes in 2 Abschnitte, Inschriften (V. 1 4) und Geschichte (V. 5 12), klar ausspricht; vielmehr, weil Aventin selbst diese Darstellung für zu kurz erklärt und verspricht, die ihm jetzt gegönnte Zeit zu eifrigen Studien und ausführlicher Darstellung der bairischen Geschichte auszu- nützen, ein Versprechen, das et» vollauf erfüllt hat. Die Zeit dieser Schrift ist bestimmt durch Aventins Worte, welche sich gegen den Schluss (Bl. 184) finden 'anno salutis 1511 hos annales Monachi perscribebamus*.

Wie Ayentin seinen Stoff sammelte.

Diese Annalenversuohe waren treffliche Vorübungen. Aventin konnte dabei schon an vielen Punkten wahrnehmen, wo es fehle und worauf es ankomme. Jene Jahrzehnte waren sehr wichtig für die Erschliessung des klassischen Alterthums. Aus den europäischen Bibliotheken wurden zahlreiche Schriften des Alterthums ans Licht gezogen, darunter auch

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manche Geschichtswerke, wie z. B. ein Theil des Tacitus. Dieser reiche Stoff wurde eifrigst durchforscht und speciell die Darstellung der alten Geschichte führte dazu, die Nachrichten der einzelnen Schriftsteller zu sammeln, zu sichten und ordnen, die widersprechenden zu prüfen und gegen einander abzuwägen.

Das rege Schaffen im Gebiete der klassischen Literatur machte Aventin klar, wie die mittelalterliche Geschichte anzufassen sei. Diese Erkenntniss ergriff den rechten Mann zur rechten Zeit. War seine frühere eifrige Beschäftigung mit den römischen Inschriften eigentlich nur eine gelehrte Spielerei gewesen, welche er in den Annalen von 1511 höchstens zu dem kurzen Satze verwerthen konnte, dass die Römer einst lange in diesen Gegenden sassen, so hatte sie doch seinen Sinn rege gehalten für reine Quellen der Geschichte. Seine Stellung mid seine Aufenthaltsorte machten es Aventin leicht, Urkunden und Quellenschriften der deutschen und bairischen Geschichte in Archiven und Bibliotheken zu sehen. Auf diese Weise wurde Aventin inuner mehr zu jener Art und Weise der Forschung geführt, welche ihm den Beinamen des Vaters der neueren Geschichtsforschung verschafft hat. Seine Annalen und seine Chronik sind erst lange nach seinem Tode, 1554 und 1566, veröffentlicht worden; zu seinen Lebzeiten hat er nur kleine Schriften veröffentlicht, deren meistens unbedeutender Inhalt wenig wirken konnte. Allein der weit- verbreitete Ruf, dass da ein Geschichtsforscher lebe, welcher es für nöthig halte, Urkunden und Quellenschriften aus den Bibliotheken zu sammeln und auf diese erst die Darstellung der mittelalterlichen Geschichte zu begründen, dieser Ruf hat für die Entwicklung der modernen Geschichts- forschung mehr gewirkt.

Eine Anzahl kleiner Arbeiten, welche Aventin in den Jahren 1512 bis 1517 beschäftigten, geben einmal den Beweis, dass er sein Versprechen, die bairische Geschichte ausführlich darzustellen, im Geiste festhielt und dass er die Aufspürung von Inschriften, Urkunden und historischen Quellen- schriften aller Art immer eifriger verfolgte, d. h. dass seine Methode der Geschichtsforschung sich immer deutlicher ausbildete. Das Jahr 1517 brachte die entscheidende Wendung. Seine Thätigkeit als Erzieher ging zu Ende, und er verschaffte sich die Ernennung zum Hofhistoriographen, zugleich aber einen Einlassbefehl für die Bibliotheken des Herzogthums.

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Aventin stand jetzt am Ziel seiner Wünsche. Es war ihm die Möglich- keit geboten, für seine Lebensaufgabe, welche er liebte und durch die früheren Versuche aufs genaueste kennen gelernt hatte, reichen neuen Stoff zu durchsuchen und dann das Gefundene, frei von andern Ver- pflichtungen wie von Geldsorgen, in Ruhe zu verarbeiten. Das Suchen in den Bibliotheken dauerte bis Ende des Jahres 1518. Im Februar 1519 begann Aventin die Verarbeitung des bisher gesammelten Stoffes, welche bis in den Mai 1521 währte.

Die Aiinalen von 1521: Concepte und Reinschrift.

Die Vorbereitung der neuen Bearbeitung der bairischen Annalen ist zu finden in den Verweisen, welche den Rand seiner Annalen von 1511 bedecken. Da ist eine Menge von Schriften notirt, welche für den betreffenden Gegenstand auszunützen seien. Auch sind an diesen Rändern schon eine Anzahl Stellen der Annalen im ersten Entwurf geschrieben. Seinen eigentlichen Entwurf arbeitete Aventin auf Bogen von der jetzt noch üblichen Grösse aus. Bruchstücke dieses Entwurfes fanden sich bis jetzt in Wolfenbüttel und in Stuttgart. Das wolfenbüttler Bruch- stück (Sign. 19. 22. fol., von Riezler mit C bezeichnet) umfasst das ganze erste Buch und den Anfang des zweiten, d. h. S. 1 121 von Riezlers Ausgabe (nicht S. 34 121, wie Riezler sagt). Die Stuttgarter Hand- schrift (Hist. fol. 404, von Riezler mit D bezeichnet) umfasst Stücke des 2., 3. und 4. Buches. Diese wichtige Handschrift verdient genauere Beschreibung, als sie bei Riezler im Nachwort S. 538 gefunden hat.

I. Fol. 1 14 enthalten ein Verzeichniss der von Aventin benützten Quellen, hauptsächlich der handschriftlichen, da z. B. die antiken Schriftsteller, nicht erwähnt sind.

Dieses Verzeichniss sollte gedruckt und commentirt werden; denn es ist nicht nur wichtig für die genauere Kenntniss Aventins, sondern auch für die Kunde unserer mittelalterlichen Geschichtsquellen. Dasselbe ist allerdings erst nach 1566 in Com- burg geschrieben, (vielleicht von Erasmus Neustetter; vgl. Heyd's Notiz in Aventins Werke III, S. 541), allein der, welcher es ausarbeitete, benützte dabei einen etwa 34 Blätter starken Index, hinter welchem wahrscheinlich eine wichtige Schrift Aventins verborgen ist. Denn am Schluss dieses Quellenverzeichnisses sind einige andere, nicht minder wichtige Verzeichnisse beigefügt *Ab Aventino libri ediii et promissi', dann *Ab Aventino praestita*. In diesen letzten Abschnitt ist genannt *Index Germanicus

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eorum, quae Aventinas mandato ducum Bavariae conquisivit. Wahrscheinlich ist dieser Index in dem vorliegenden benutzt. Aus Riezlers Ausgabe und besonders aus seinem Nachworte kann man sehen, wie schwierig es oft ist Aventins Quellen zu finden, wie wichtig anderseits manche dieser Quellen sind : um so willkommener muss ein so sicherer Führer sein. Dann hatte der Verfasser die Collectaneenbände Aventins vor sich, welche sich nicht in München befinden, und eine Reihe von Schriften, welche Aventin verfasst oder besessen hatte. Die Wichtigkeit dieser Notizen beweise nur ein Beispiel. Riezler hat (in den Sitzungsberichten der münchner Akademie 1881 und Aventins Werke III, S. 576) ausführliche Untersuchungen angestellt über ein von Aventin benutztes, jetzt verlorenes Geschichtswerk des 8. Jahrhunderts von einem gewissen Creontius. In unserm Verzeichniss steht S. 7* ^F. 4. p. 1; F. 31. p. 1. (d. h. El. 4* und 31* des benützten Index) Vita Thassaloni III scripta a Creontio, qui Thessalono fuit ab epistolis, incipit ab anno Christi 771 usque ad annum 796*. Dieser scharf begrenzte Titel scheint mir der richtige zu sein. Die Erwähnung der sonst fehlenden Collectaneenbände lässt hoffen, dass dieselben sich in Comburg befanden und dass bei einigem Suchen diese Miscellaneenbände oder andere Manuskripte Aven- tins sich noch finden, am ehesten in der Stuttgarter Bibliothek.

IL Bll. 17—32 enthalten das oben (S. 729 u. 741) besprochene Stück der Annalen (Buch I, S. 30, 5—43, 15); Bl. 29 gehört vor 25, Bl. 28 nach 32, da das äusserste Doppelblatt der Lage zum innersten geworden ist.

III. Bll. 33 138 enthalten die Bruchstücke des wichtigen, eigenhändigen Ent- wurfes Aventins zur Chronik (von Lexer mit 0 bezeichnet), und zwar Bl. 33 68 aus dem zweiten, Bl. 69 76 aus dem vierten, Bl. 77 138 aus dem ersten Buche.

IV. Bll. 139 194 enthalten die Bruchstücke des Entwurfes der Annalen und zwar Bl. 139-148 (5 Doppelblätter) = Buch II, S. 169, 11—183, 26; dann Bl. 149 bis 158 (5 Doppelblätter) und 159—166 (4 Doppelblätter) = Buch II, S. 207, 20 bis 238, 33; dann Bl. 167—174 (4 Doppelblätter) = Buch IV, S. 561, 14-570,25; dann Bl. 175-182 (4 Doppelblätter) = Schluss des III. Buches 408, 11—418; dann Bl. 183—188 (3 Doppelblütter) = Buch II, S. 284, 15—294, 29; endlich Bl. 189 bis 194 (3 Doppelblätter) = Buch II und III, S. 324,6—332, 1.

V. Bll. 195—200 (3 Doppelblätter) Cassiodors Chronik, vom Jahr 385 an bis zu Ende mit dem Zusatz, den Mommsen, (Ber. d. sächs. Ges. VIII, 1861, S. 571) gedruckt hat. Der Text ist aus der Regensburger Handschrift, welche Aventin ent- deckt und seinem Lehrer Cuspiniau zur Herausgabe überlassen hatte (vgl. oben 8. 735) von einem Andern abgeschrieben, doch von Aventin mit Noten versehen. Auf Bl. 200 sind chronologische Notizen und eine lange Notiz über Ereignisse in Ungarn a. 1528 von Aventin geschrieben.

VI. Bll. 201—206 und 207 und 208 (3 + 1 Doppelblätter) Auszüge aus Heiligenleben besonders der Merovinger- und Karolingerzeit mit einem Index der hier vorkommenden Namen. Bl. 207 Genealogische Tafel der ältesten Witteisbacher.

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In diesem Entwürfe hatte Aventin natürlich vielfach geändert und zugesetzt. So war es natürlich, dass er nach Beendigung des Entwurfes sofort, im Juni 1521, die Reinschrift begann, welche er schon am 1. August 1521 beendete. Schon die Kürze der auf diese Reinschrift verwendeten Zeit lässt keine grossen Aenderungen erwarten. In der That stimmt der Wortlaut, welchen man aus dem Entwürfe zusammen- stellen kann, ziemlich genau überein mit dem Wortlaut, welchen die Reinschrift, unsere münchner Handschrift, A = Cod. lat. 282 287, ursprünglich enthält. Diesen Text kann man den Columnentext von A nennen, im Gegensatz zu den zahlreichen spätem Randnoten.

Bei diesem schnellen und langweiligen Abschreiben würden jedem Menschen Versehen passirt sein. Auch Aventin sind nicht eben wenige derselben passirt, welche der Copist in der Stuttgarter Handschrift B meistens getreu nachgeschrieben hat. Riezler lässt sich nun bald vom richtigen Gefühle leiten und corrigirt sie, wie Buch II, 145, 19 Justi- nianus statt Rust. (AB), 249, 33 intra.. flumina statt fluminibus (AB), 279, 20 armis victricibus statt victribus (AB), bald lässt er sich von seinem unglückseligen Prinzipe, die Gopie als zweites Autograph zu ver- ehren, dazu verleiten, solche groben Schreibfehler festzuhalten, nur dess- halb, weil sie eben nicht allein in A, sondern auch in B stehen; (vgl. Werke III, S. 543 = oben S. 730/1), während es eigentlich eine Beleidigung Aventins ist, wenn man Fehler wie Arcdata statt Aredata (Chronik), Quintili Varre, in celeberrime (statt celeberrimo) paschalium festo die, deditios (statt dedititios) seinem Unverstände, und nicht seiner irrenden Hand zuschreibt Hie und da freilich corrigirt Riezler sogar vollkommen richtige Wörter, welche in beiden Handschriften stehen, wie Buch III, S. 376, 3 duos filios, während A und B duo haben (vgl. Werke I, 410, 28).

Solche Irrthümer des Autographs A leichter zu erkennen, dazu kann sowohl die Vergleichung der Concepte C und D als die der deutschen Umarbeitung in der Chronik helfen, von welchen beiden Hilfsmitteln Riezler keines benützt hat. Dieselben können auch sonst auf die richtige Spur führen. So hat Riezler S. 178, 31 has ego pugnas ad contentiosos in palestram relego, coniecturas humanas; certi nihil adferre possem. Im Concept D steht Ego nach relego; des Übeln IQanges willen hat Aventin in A es weggestellt; dieser Umstand schon, wenn nicht der Sinn und

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die Interpunktion in A, hätte Riezler zeigen können, da» 'coniecturas mit adferre* zu verbinden ist: relego. Coniecturas humanas, certi nihil adferre possera.

Natürlicher Weise hat Aventin bei der Reinschrift von A auch hie und da Wörter vergessen, deren Fehlen nicht gerade einen Unsinn erzeugt, also von ihm weder beim spätem Durchlesen von A noch bei der üebersetzung gemerkt wurde.

So berichtet Aventin (Buch II, S. 211, 33) Chatti ac Chaiici . . Gallias inrum- punt.., Rhetos.. pervagantur. Britani quoqiie rebellant; contra hos Agricola missus est. in Ghillias . . proficiscitur Didius Julianus, qui post imperavit. Noricorum . . duces . . ab hostili incursatione Rhetias . . vindicarunt : so schreibt Aventin in A und darnach in der Chronik. Im Concept steht nach imperavit der Satz 'tumultuariis auxiliis pro- vincialium hostibus restitit; Chattos Chaucosque debellavit, welcher Satz auch in der Vita Didii steht, aus der auch das Uebrige entnommen ist. S. 214, 22 verum in

Oriente Avidius Cassius rebellavit, coactus Marcus orientem petiit: so A und die Chronik. Im Concept steht (aus derselben Quelle mit abgeschrieben) nach rebellavit 'seque imperatorem adpellavit*. Beide Sätze hat Aventin, nach meiner üeberzeugung , beim flüchtigen Abschreiben tibersehen und hätte sie gewiss ergänzt, wenn er das gemerkt hätte. Allein, da durch diese Versehen kein Unsinn entsteht, gehören solche Dinge nur in die Noten.

Buch II, S. 288, 15 wird Theodosius geschildert, irascebatur sane facile rebus indignis, sed cito flectebatur. in summa., vivum christiani principis exemplar fuit; so Riezler. In dem Concepte D folgt auf flectebatur *Corrigi se atque adytu (== adyto, nicht aditu) arceri a divo Ambrosio summa civilitate pertulit'. Dieselben Worte hat Aventin in der Reinschrift A geschrieben, doch die Worte atque bis summa unter- strichen. Das Unterstreichen der Worter bedeutet bei Aventin bald Tilgung, meistens Hervorhebung oder Zusammengehörigkeit. Der Copist in B nahm es hier für Tilgung und schrieb nur ab ^corrigi se civilitate pertulit* was dann Aventin durchstrich, wess- halb Riezler Alles ohne jegliche Bemerkung weglässt. Dagegen übersetzt Aventin selbst in der Chronik *lit gar gern, das in sand Ambrosius in etlichen dingen straft und änderst underricht* und beweist damit, dass er den vollen Wortlaut des Conceptes und des Autographs haben wollt« und dass Riezler denselben in den Text hätte setzen sollen.

So lassen sich die Concepte vielfach verwerthen, um den Text von Aventins eigenhändiger, am 1. August 1521 vollendeter Reinschrift zu controliren. Aber die Fehler, welche Aventin bei dieser schnellen Rein- schrift unteriiefen, sind nicht besonders viele.

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Weiterffihrung der Annalen ?on 1521.

Diese Reinschrift bot einen abgeschlossenen Text; allein Aventin ruhte nicht Neue Drucke, neue Funde boten ihm in den nächsten Jahren neuen Stoff. Diesen verarbeitete er in seinem Handexemplar A, indem er Manches änderte, sehr Vieles zusetzte. Die Zusätze in A sind im ersten Buche nur bei der Eigennamenliste sehr zahlreich, sonst spärlich; im 2. und 3. Buche massenhaft; im 4., 5., 6. und 7. Buche wenige. An manchen Stellen ist ein förmliches Wirrwarr von solchen Zusätzen entstanden, und das Einzige, was ich an dem Copisten der Handschrift B lobenswerth finde, ist das, dass er sich in diesem Wirrwarr meistens zurecht fand und selten einen Zusatz an der unrechten Stelle einschob.

Riezler ist an solchen Stellen hie und da ein Unglück passirt; so führt er z. B. zu 352, 26 in der Note die Worte *fuere autem Cucullae Norici superioris oppidum' als neue Randnote von A an, während er dieselben Worte bereits im Text gedruckt hat, und dieselben auch in A natürlich nur ein Mai stehen. S. 74 müssen die Zeilen 1(3 18 inhabitaruntque . . Senegallica nach Z. 7 reliquerunt stehen; dann folgen Z. 7 in Suevorum 15 refert. Hierauf folgt, wie Aventin durch den Beisatz *causa* nach refert bezeichnet hat, Z. 19 Causa. Mir ist auch nicht wahrscheinlich, dass Z. lt)~18 in der Handschrift B wirklich fehlen, wie Riezler angibt, da der Satz in den alten Ausgaben steht, welche aus B abgedruckt sind.

Die A und B geineinsiimen Besserungen und Nachträge.

Das Schicksal, welches den Annalentext in den Ausgaben betroffen hat, zwingt uns, diese Randeinträge in Aventins Handexemplar für die Betrachtung in 2 Klassen zu sondern. Die Ausgaben vor Riezler sind eigentlich nur Abdrücke der Copie B, und auch Riezler setzt Alles das in den Text, was die Copie B hat. Der Copist hat aber alle Correkturen und Randeinträge, welche er in A vorfand, einfach in den Text genom- men, und desshalb stehen jetzt alle Einträge, welche damals, als B ab- geschrieben wurde, schon an den Rand von A geschrieben waren, auch bei Riezler einfach im Text. Nach Riezlers Worten (Werke III, S. 545) ^Soweit Randnachträge der Handschrift A in B in den Text aufgenommen sind (ein seltener Fall), waren sie selbstverständlich auch von mir

Abh. d. 1. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. Ü8

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in den Text einzureihen*, sollte man meinen, die Zahl dieser Randeintrage sei gering. Allein das ist nicht richtig; im 2. und 3. Buche sind diese Randeinträge, welche schon der Copist vorfand und einschob, sehr zahlreich. Wenn ein Wort oder Satz einmal in der Copie steht, so kümmert sich Riezler nichts darum, ob dieselben erst durch Correktur oder Nach- trag in Aventins Handexemplar gekommen sind. Und doch zeigt reiflichere Ueberlegung oft, dass eine Nachricht davon sehr nützlich wäre.

Schon die erste Seite der Annalen gibt ein deutliches Beispiel hievon. Unter den Authores domestici sind hier genannt 'Fretbulphus et Schritovinus, antiquissimi Boiorum historiographi'. Diese Autoren werden in den Annalen nur noch ein einziges Mal genannt : S. 63, 4 'Schritovinus et Frethulphus tribuunt eum\ Ueber diese beiden Autoren stellt Riezler selbst (Werke III, S. 561—572) lange Untersuchungen an und findet selbst hier 'schwierige, wiederholt erwogene, noch nie befriedigend beantwortete Fragen'. Er kommt zu dem Resultat, dass mit Fretulphus der um 1481 schreibende Füetrer, mit Schritovinus der wenig ältere Schreitwein gemeint sei, dass also der Ausdruck 'antiquissimi historiographi' fast Schwindel sei; freilich findet sich auch die Angabe, welche S. 63, 4 denselben zugeschrieben wird, nicht in denselben. Nun bemerkt Riezler selbst in dem Nachwort S. 561 'Aventin scheint hier bezüglich seiner Quelle keine ganz sichere Erinnerung gehabt zu haben. Darauf deutet, dass er in der Hand- schrift A zuerst schrieb: Albertus Boiemus eum tribuit; dies ist durchstrichen und am Rande corrigirt: Schritovinus et Fretulphus tribuunt eum\ Riezler macht damit weiter nichts, weil in der von ihm bevorzugten Copie B alles in Ordnung scheint; jene Correktur fand er nicht einmal würdig, in den Noten unter Aventins Text erwähnt zu werden. Nun stehen aber auch jene Worte im Anfang der Annalen in Aventins Autograph erst am Rand; in der Columne bietet dafür sowohl das Con- cept (C) als das Autograph A : Albertus Boiemus decurio Laureacensis et Bathavensis a consiliis Otonis primi praefecti praetorio Rheni ducisque Boiorum. Also an den beiden Stellen der Annalen, an denen allein die räthselhaften antiquissimi Boiorum historiographi vorkommen, hatte Aventin ursprünglich den Albertus Boiemus genannt Von diesem kannte er Schriften, die uns verloren sind; so nennt er unter den Schriften, welche er entdeckt habe, (Werke I, S. 640) 'Jordanus episcopus integer cum adnota- tionibus et commentariis Alberti Boemi*; (dieser Jordanus kann nur der alte Gothen- geschichtschreiber sein; vgl. Chronk IV, S. 674 Jordanus der bischof). In der Zeit Albert des Böhmen muss Aventin sich geirrt haben; hier und in jenem Brief an Leonhard v. Eck schreibt er Otonis primi, in der Vorrede zum 7. Buch hat er zuerst geschrieben Otonis quarti, dann quinti corrigirt. Vielleicht hat ihn später die Erkenntniss dieses Irrthums veranlasst, den Albertus aus der älteren Geschichte ganz zu streichen und dafür kurzweg den Fretulphus und Schritovinus zu setzen, welche er für die deutsche Chronik ausnützte. Wie dem auch sei, jedenfalls, sind die angeführten

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Correkturen für die Entscheidung dieser Frage wichtig; aber aus Riezlers Ausgabe erfahrt man davon so viel wie Nichts.

In der Vorrede zum 6. Buch der Annalen bekämpft Aventin die Habsucht der KirchenfQrsten und bringt S. 171, 9 vor *Xistus quartus pöntifex maximus* habe Albrecht dem IV. und dem Lande unentgeltlich gestattet, auch am Freitag Eier, Käse und Milch zu gemessen. Dann heisst es bei Riezler *extat diploma, cur Regino- burgensium personatus vicarius contra edictum summi pontificis, non veritus eins fulmep, illa nos a se emere cogit atque nostra nobis vendit hasque nundinas demum ante triennium abhinc instituit'. Was soll das heissen? Die ganze Kraft der aven- tinischen Rede ist so dahin. Aventin wirft vielmehr den Satz hin *extat diploma' (nemlich Xisti pontificis); dann föhrt er mit der unwilligen Frage weiter: Cur Regino- burgensium personatus vicarius . . illa nos a se emere cogit atque . . vendit ? Da *instituit' in A zu 'instituere* corrigirt ist, so ist mit *Hasque' ein neuer Satz zu be- ginnen. Aber der Anfang dieses Satzes ist nur durch Correktur hergestellt; zuerst hatte Aventin geschrieben: Cur Xistus Prisingius (ein Sixtus Preysing war um 1521 Vicar) Reginoburgensium personatus pontificulus illa nos a se emere cogit? Dieses beissende Wortspiel hätte zum mindesten ein Plätzchen in den Noten verdient.

Durch Kenntniss der Zusätze wird das Verständniss von Aventins Worten, seiner Quellen und damit seiner Verarbeitung dieser Quellen oft deutlich. Das ist aber eine wichtige Sache.

So druckt Riezler S. 118, 11 einfach: postremo omnium demum ad Germanos, gentem fidei conmissae (sicuti ait Tacitus) patientiorem, terrarum dea gentiumque, Roma, cui par est nihil et nihil secundum, cum fascibus et aquilis conmigravit. Hier merkt der Philologe vielleicht Etwas von Versen; der Historiker merkte sie nicht, obwohl Aventin in der Columne geschrieben hatte caput mundi roma, dann in 2 Zeilen an dem Rande nachtrug: Terrarum dea gentiumque Roma | Cui par est nihil et nihil secundum, ein Cifat aus Martial, das ihm so sehr gefiel, dass er es vneder in der Chronik (S. 620) nicht nur deutsch, sondern sogar lateinisch ausschrieb. Belehrend ist auch folgendes Beispiel. S. 172, 21 berichtet Aventin von den ersten Glaubensboten:

I II

Lucius Cyrenensis in Vindelicia et Rhetüs Lucius Cyrenensis in Vindelicia et Rhetiis

provinciisque Histro conterminis chri- provinciisque Histro conterminis chri-

stianae pietatis sementem fecit, quae 3 stianae pietatis sementem fecit, quae paulatim radices egit atque succrevit oc- paulatim radices egit ac succrevit oc-

culto velut arbor aevo. 5 culto velut arbor aevo ^crescens in Gala-

thiam hoc est Gallias Germaniasque. Ti"

7 tiAS in Dalmatiam, üa divus Faulte

narrat^ profectus est. ^yThomam Ger-

9 manis et Scythis praedicasse^ testis est

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(Dorotheus et^ getilgt in A) Sophronius.^*'

opidatim tum conmuni omnium suflFragio 11 opidatim tum communi omniuni sufiragio

delecti sunt sacerdotes, qui populum quis- delecti sunt sacerdotes, qui populum quis-

que suum docerent. verum postea ob dis- 13 que suum docerent. verum postea ob dis-

cordiam et impostorum fraudem, qui sub cordiam et impostorum fraudem, qui sub

obtentu ceremoniarum religionem nun- 15 obtentu ceremoniarum religionem nun-

dinabantur, complacitum est caput et dinabantur complacitum est caput et

unum qui caeteris praeesset constituere. 17 unum qui caeteris praeesset constituere.

maiorumitaquecivitatiura sacerdotes ponti- maiorum itaque civitatium ponti-

fices, Aquileiae patriarches Laureaci 19 fices, Aquileiae patriarches Laureaci

archimystes creatus est. In actis divorum archimystes creatus est. in actis divorum

et pontificum Laureacensium scriptum 21 et pontificum Laureacensium scriptum

lego, divum Marcum, iego, divum Marcum, ^quem divus Patdus

23 advutoreni suum vocat cuiusque meti- tionem et in epistola ad Timotheum et

25 Philemonem scripta facit\ „in Norito

primo Aquileiae et in finitimis provinciis Laureaci'' rudimenta disciplinae christianae tradi- 27 disse ipsumque postea Alexandriam Ae- gypti conmigrasse relictis in nostris 29 regionibus Hermagora Fortunatoque in-

digenis, qui posthac philosophiae nostrae 31 philosophiae nostrae

mysteria interpretarentur. mysteria ^interpretatum fuisse.

Was hier unter I steht ist der Wortlaut des Conceptes (D) von 1519 und des Columnentextes der Reinschrift A von 1521 ; nur steht in der letzteren Z. 4 ac, fehlt Z. 12 sacerdotes, steht Z. 29 concessisse. Nach dem Jahre 1521 hat Aventin die Zusätze Z. 5, 8, 22 gemacht, dann in seinem Handexemplar Z. 26 primo bis 30 regionibus unterstrichen, Z. 30 Hermagora bis 31 posthac durchstrichen und Z. 25 in Norico Laureaci sowie interpretatum fuisse an den Rand geschrieben. Die Zusätze Z. 5, 8, 22 sind ohne Belang; ich führte sie nur an, damit man sehe, dass die von dem Copisten B in A vorgefundenen Zusätze nicht selten sind, wie Riezler sagt. Da- gegen bemerkenswerth war die Aenderung in Z. 26 32. Wäre die hier genannte Quelle verloren oder ihre Kenntniss sonst wichtig, so würden wir durch den abge- kürzten Text der IL Spalte ganz irre geführt werden. Nur diesen letzteren Text aber (dazu Z. 23 coUegam und eiusque) geben die Copie B und die Ausgaben ohne irgend eine Bemerkung.

Aventin bietet uns freilich schon jetzt wenige Notizen, die uns anderweitig nicht besser überliefert wären. Die Zahl derselben und somit der sachliche Werth seiner Geschichtswerke wird sich von Jahr-

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zehnt zu Jahrzehnt noch vermindern. Dagegen werden seine Werke als wichtigste Glieder in der Entwicklung der deutschen Geschichtsschreibe- kunst schon jetzt hoch geschätzt und immer beachtet werden. So ist das zweite Buch, worin das römische Kaiserreich im Kampfe mit den Germanen geschildert wird, abgesehen von einigen jetzt verlorenen In- schriften, sachlich schon jetzt werthlos, und doch ist und bleibt diese Erforschung und Verarbeitung des riesigen Materiales eine denkwürdige That der deutschen Geschichtschreibung. Will man aber Aventins Kunst richtig beurtheilen, so ist nichts noth wendiger als die Kenntniss der von ihm verarbeiteten Quellen. Kellerbauer hat zum 2. Buch der Annalen hiezu Vieles beigetragen; allein er arbeitete mit unnöthigen Schwierig- keiten. Er hatte dabei offenbar nur die Ausgaben zur Hand. So citirt er viele überflüssige Stellen, und die richtigen sind in Riezlers Ausgabe nicht immer am richtigen Platze notirt. Mit dem Handexemplar Aventins vor Augen lässt sich diese Arbeit richtiger und leichter machen. Wer z. B, sieht, dass im Autorenregister des 1. Buches, S. 2 Z. 18^ 25, die Stelle über Velleius erst später eingesetzt worden ist,^) dass also Aventin den Velleius bei der Reinschrift des Columnentextes von A noch nicht kannte, der wird bei sehr vielen Zusätzen des 1. und 2. Buches der Annalen einen sichern Führer haben; vgl. unten die Stelle über Varus. Oefter schützt nur die Untersuchung von Aventins Autograph davor, ihm Unrichtigkeiten oder Widersprüche zuzuschreiben.

S. 152, 17 sah auch Riezler ein, dass, wenn man der Copie B folge, 1 oder 2 Inschriften fälschlich in das Praetorium Aetolingonum verlegt würden. S. 246, 27 schrieb Aventin zuerst nur eine Mtinzinschrift (Z. 28) ohne weitere Notiz, dann schrieb er an den Rand Caspar Vinozero ex Strubiis attulit nebst einer andern Münz- inschrift (Z. 29). Der Copist von B und nach ihm die Ausgaben machen die Sache so, als ob Caspar Vinozero beide Münzen Aventin gebracht hätte. S. 124, 5 schrieb Aventin zuerst: Sycambri . . M. LoUium cum copiis profligant incremantque, in igno- niiniam populi romani viginti centuriones crucibus adfigunt. Hier hatte er zwei Stellen vereinigt: Florus 4, 12 Sicambri.. viginti centurionibus incrematis (jetzt liest man da : in crucem actis) und Dio 54, 20 Sicambri , . quosdam Romanorum in cruceui egerant. Später las Aventin im Velleius ^clades sub LoUio . . amissa legionis quintae

1) Zeile 24 daselbst schreibt Biezler, ich weiss nicht wesshalb, praefecti fabrum, tribum, castrorum, legati statt des richtigen praefecti fabrum, tribuni castrorum, legati, was Handschriften und Ausgaben haben.

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aqui1a\ Er unterstrich nun 'incremantque' und schrieb an den Rand: aquila quintae legionis potiuntur. Der CJopist schrieb und alle Ausgaben drucken: profligant, aquila quintae legionis potiuntur incremantque, in ign. etc., obwohl das eine grosse Thorheit der Sigambrer gewesen wäre. Aventin selbst zieht sich in der Chronik so aus der Verlegenheit 'erlegten den . . Lollium mit seinem volk und versprenten ihn ; gewunnen ein adler . . hingen an einen galgen . . 20 haubtleut'; das hat wenigstens Sinn.

Die Correkturen und Zusätze, welche der Copist von B schon in A vorfand, sind also in manchen Theilen der Annalen sehr viele. Schon die angeführten Gründe beweisen, dass die Kenntniss dessen, was im Autograph A vor der Correktur stand, oder dessen, was erst nach 1521 zugesetzt wurde, nicht nur für den Herausgeber, sondern oft auch für den Leser wichtig wäre. In der Copie B steht aber überall ein glatler Text und demnach auch in den Ausgaben.

Die nar in A erhaltenen Nachträge und Besser angen.

Ich gehe jetzt zu den Aenderungen und Zusätzen über, welche Aventin erst dann in sein Handexemplar eintrug, als die Copie B schon abgeschrieben war, von denen also in B und in den Ausgaben vor Riezler keine Spur ist. Riezler hebt im Nachwort zuerst den Werth dieser Randeinträge hervor und schliesst S. 545 *^Mit Ausnahme der gnm unbedeutenden ^ die im Verhältniss zu den übrigen spärlich sind, wurden desshalb diese Randeinträge in die Noten unter dem Texte auf- genommen. Leider hat Riezler sich hier beträchtlich geirrt. Das Auto- graph A enthält zum 2. und 3. Buche sehr viele längere Einträge, wie Riezler nur einen zu Bd. II, Seite 220 abdruckt. Schon im Anfange hatte Riezler die Geduld verloren und bemerkt S. 239 Z. 21 *Am Rande in A, wie in der Folge häufig kirchengeschichtliche Nachrichten, die nichts Eigenthümliches bieten , wozu zu ergänzen ist 'und desshalb weggelassen wurden\

In Wahrheit hat Riezler noch nicht die Hälfte, vielleicht nur ein Drittheil der betreifenden Randeinträge mitgetheilt.^) Nur ein kleiner

1) Sogar im 8., 9. und 10. Capitel des 3. Baches, wo Riezler in diesen Randnoten den Sparen des Creontius nachging, hat er manche weggelassen; so gibt er von den beigesetzten Jahreszahlen einen Theil an, einen Theil nicht. Dann fehlen bei ihm kleine, aber interessante Einträge, wie z. B. (bei S. 379, 25) 716 Theodo Romam. innndatio cometae fames pesti-

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Theil davon betrifft reine Kirchengeschichte; sehr viele behandeln die allgemeine Geschichte ; so z. B. Stücke über den Kampf zwischen Maxentius und Constantinus, im 3. Buch fast der ganze Schluss von Beda's Chronik. Dem Anfang des Capitel 53 des 2. Buches (S. 297) sind z. B. Bemerk- ungen beigeschrieben, welche alle in der Chronik übersetzt sind und dort füllen S. 1135, 17—27; 1127, 16—20. 26—32; 1126, 19—25 und 29; 1118, 12 21. Auch Correkturen finden sich, von denen in B keine Spur ist, welche doch sehr Beachtung verdienen. So wird z. B. S. 209 der Scheiterhaufen eines Kaisers geschildert. Da ist zunächst ein mächtiger Quadr'atbau, aussen mit Gemälden und Statuen geziert, innen mit Brennstoffen gefüllt. Nun fährt Aventin fort Hnfra vero alterum minus positum, forma et ornata persimile erat, tercium item et quartum semper superiore contractius ac deinceps alia, donec ad extremum, quod est omnium brevissimum, perveniatur. Die ganze Schilderung ist ent- nommen aus der von Ang, Politianus gefertigten lateinischen Uebersetzung des Herodian (4, 2). Nachträglich merkte Aventin das Thörichte dieser Schilderung, änderte infra zu supra, superiore zu inferiore und strich ac bis perveniatur durch; in der Chronik hält er die Besserungen supra und inferiore fest, übersetzt aber die durchgestrichenen Worte. Aventin hat so schon den richtigen Sinn gewonnen, den Scaliger später im Text des Herodian dadurch herstellte, dass er statt vn Ueivco (infra) corrigirte in kxüv(p (supra). Riezler gibt den falschen Text und notirt nicht, dass infra zu supra corrigirt ist. Hier kann doch Niemand zweifeln, dass der Wortlaut von A und nicht der von B als endgiltige und gegebenen Falles zu druckende Fassung anzusehen ist.

lentia. Terrae motus crebri Cometae duo mense Januario 15 dies . . sarraceni. S. 382, 16 18 Pluthnida . . concitabat steht am Rande, dazu der weitere Nachtrag 'cum Sweinhylda nepte*, der bei Riezler fehlt, aber in der Chronik verwerthet ist. Zu S. 385, 27 '729 Cometae duo appa-

ruerunt* (ygl. Chronik S. 88?). S. 395, 27 Bonifacius Gebolibum Mogontinum pontificem tribu

sacerdotum movet. pater huius öeroldus itidem Mogonciaci episcopus, occisus praelio a Saxonibus fuerat; dazu notirt Riezler nur 'So (Mogonciaci) B; in A neben durchstrichenem Mogonciaci: Vangi- onum archiepiscopus*. Aber Ayentin hat ausserdem beigeschrieben 'Geroldus archiepiscopus Wormatiae sub se habuit XTI episcopatus', und vernünftiger Weise auch zu 'Mogontinum' die Correktur: Vangionum. Dass das seine endgiltige Textesfassung ist, also unbedingt in den Text der Annalen gehört, beweist die Chronik 'die Saxen . . erschluegen . . Gerold, den erzbischof yon Wormbs". 404, 14 depopulatur: tributum ab uniuscuiusque capite exigit setzt Aventin in A

zu, 417, 20 uxor (Thessaloni) Litopyrga in sacratarum foeminarum coetu degere iussa est:

cum filiabus sagt Aventin am Band von A.

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Die Quellen der Bandeinträge.

Ich habe bis jetzt einen Unterschied festgehalten zwischen den Nach- trägen, welche der Copist von B schon a. 1525 abschrieb, und jenen, welche er noch nicht vor sich hatte, also zwischen denen, welche bei Riezler im Texte stehen, ohne dass der Leser weiss, dass sie in dem Autograph erst nach dem Jahre 1521 nachgetragen sind, und jenen, welche Riezler unter dem Texte abgedruckt oder ganz mit Stillschweigen übergangen hat. Für Aventin gab es natürlich diese Scheidung nicht. Nach Vollendung der Reinschrift trug er alle ihm gut dünkenden Bes- serungen in sein Handexemplar A ein; Anfangs versuchte er noch, alle dem Columnentexte einzugliedern, nachher wenn die Masse zu sehr wuchs, that er dies nicht immer. Beispiele von solchen roh eingeflickten, ja der Umgebung widersprechenden Randeinträgen aus dem Texte von B und von Riezler werde ich unten vorbringen; wollte man die übrigen Randbemerkungen von A in den Text einschieben, gäbe es noch mehr.

Wie wichtig diese Randeinträge sein können, hat Riezler im Allge- meinen (S. 544 seines Nachwortes) und in der Abhandlung über das bis jetzt verlorene Geschichtswerk des Creontius, dessen genaueren Inhalt ich oben (S. 752) glaube ermittelt zu haben, an einem besonderen Bei- spiele gezeigt. Schwierig zu lesen sind diese Nachträge allerdings oft; so hat Riezler die wichtige Stelle aus Creontius 2 Male gedruckt (in den Sitzungsberichten S. 254 und S. 410 der Ausgabe), und doch hat er nicht Alles richtig gelesen; so ist enecant statt enecavit zu lesen, dann iustum i t a acceptum statt etiam ; tulere ist sicher und keine Lücke folgt; nach excitavit folgt 'victi sunt Longobardi a Venedis, deinde et Carolo*. In der Nähe beginnt S. 404 die Note mit eundem imperator (pater Riezler) und S. 412 ist procuratorem zu lesen.

Riezler hat die Entzifferung dieser Randeinträge sich dadurch er- schwert und jedes Reizes beraubt, dass er die zwei Hilfsmittel nicht benützte, welche er hätte benützen sollen. So ist z. B. die fast 1 Seite lange Note zu S. 220 im Ganzen und im Einzelnen bei Riezler gefälscht Der ganze Streit ging gegen die Christen, welche Ostern '14 luna mensis Martii* feiern wollten, wesshalb die ganze Sekte den Namen Quarto- decimaner erhielt; allein an den beiden Stellen, wo Aventin diese wichtige

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Zahl 14 schrieb, druckt Riezler '9', während er nur die von ihm selbst citirten Schriftsteller nachschlagen durfte, um die richtige Zahl zu finden; von den Einzelheiten will ich nur die eine erwähnen, dass Riezler den Johannes mit einem 'aureum lurainar (durfte ein Prinzen- .erzieher einen solchen Sprachfehler machen?) in fronte* aufmarschiren lässt, während Aventin selbst ihm 'das gülden plech an sein gestirn' setzt, und Riezler mit Hilfe der citirten Quellen auch in A das richtige *auream laminam* hätte lesen können.

Die Entstehung der Chronik.

Diese letzte Stelle führt uns hinüber dazu, dass Riezler bei der Bearbeitung des lateinischen Annalentextes sich gar nichts darum geküm- mert oder gar nicht daran gedacht hat, ob und wie Aventin selbst seinen Annalentext in der Chronik übersetzt habe. Das ist nach meiner Ansicht die Hauptursache der üeberschätzung der Copie B und der übrigen Fehler, welche Riezlers Ausgabe der Annalen im Grossen und Kleinen entstellen.

Ehe ich auf das Verhältniss der Annalen zu der Chronik näher eingehe, muss zuerst die Entstehung der Chronik näher beleuchtet werden, wie die Notizen im Hauskalender, der Wortlaut und die Unter- schriften der Chronik sie ergeben, Anfang des Jahres 1526 wurde die von den Herzogen geforderte Copie der lateinischen Annalen fertig. Die Wirkung deutet an die Notiz des Hauskalenders ^): 1526 5. Juni Mona- chium equitavi vocatus a duce Ludovico. 10 iussus vertere in vernaculam linguam chronica*. Die Reinschrift des 1. Buches hat die Ueberschrift ^angefangen zu Abensperg zue sunnabenden a. 1526' und die Unterschrift 'beendet zu Abensberg am suntag vor dem neuen jar am 30. tag des christmanets im jar 1527'. Die Notizen des Hauskalenders '1528 Jan. 1 Erasmus . . 2 Landesutam cum Hb. 1 0 Abusinam redeo' sind also wohl so zu deuten: am 1. Januar übergab Erasmus Prims Aventin die voll- endete Reinschrift; mit dieser reiste Aventin am 2. Januar an den Hof, von wo er am 10. zurückkehrte. Die Monate September bis December

1) Die Notiz *1522 Nov. coepi annales vertere in vernaculam* kann sich auf unsere üeber- setzung nicht beziehen.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. III. Abth. 99

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des Jahres 1527 hatte Aventin im Hause des Georg Prims in Regens- burg mit der Bearbeitung der Chronik zugebracht (verto in Germanicam linguam chronica). Da nun auch das 2. Buch der Chronik im Jahre 1527 entstanden ist (vgl. S. 830, 31. 694, 13. 706, 21. 711, 30), so sind die Notizen des Hauskalenders '1528 April 23 Schirlingam peto. praesentatus scriptus lib, ab Erasmo Prims* wohl dahin zu deuten, dass Prims bis dahin das 2. Buch rein geschrieben hatte und Aventin es den Herzogen überreichte. Die folgenden 6 Bücher der Chronik sind nach dem Zeug- niss der lieber- und Unterschriften in der Reinschrift erst in den Jahren 1531 1533 fertig geworden-

Die Ausarbeitung der beiden ersten Bücher der Chronik ist zeitlich wie formell von jener der übrigen Bücher weit geschieden. Jene 2 Bücher umfassen 1184 Druckseiten, diese 6 Bücher nur 603 Seiten. In den Jahren 1527 1530 hatte eben Aventin den Plan zu einer allgemeinen deutschen Geschichte gefasst und beschränkte desshalb in den Büchern der Chronik, welche er nach dieser Zeit bearbeitete, die Erzählung so viel als möglich auf die bairische Geschichte.

Terhältniss der Annalen zur Chronik.

Vergleichen wir nun den Wortlaut der Chronik mit dem der Annalen, so ist zunächst klar, dass Aventin sich um den Wortlaut der Stuttgarter Copie B aus dem Jahre 1525 absolut nichts kümmert; diese war für ihn verschollen und vergessen. Dagegen war offenbar das Autograph A sein Handexemplar und aus ihm stellte er den deutschen Text der Chronik her. So erst gewinnen alle, auch ganz kleine Notizen, in denen Riezler nur Spielereien oder Federproben finden kann, ihren wahren und beträchtlichen Werth. Z. B. S. 118, 30 hat der Columnen- text von A, dann B und Riezler: ortus Alba Atys, Aty Capys, Capy Capetus. Lexer gibt S. 587, 2 nach seinen Handschriften 'von künig Alba künig Atys oder Egyptus, von künig Aty künig Capys, von künig Capy künig Calpetus* und bemerkt dazu 'Epitis Handschrift Tf, dann Capetus Ännalen\ er war also im Unklaren, warum Aventin in der Chronik andere Formen setze. Das Räthsel löst A, wo am Rande steht 'Epytus Ovid.*, darunter '^gy^^ dann 'Calpetus Ovid.* und an der andern Seite

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'Ovidium in Fastis lege*; dort (4, 44) steht *^Proxiinu8 est titulis Epytos, Alba, tuis* und: Et tuus est idem, Calpete, f actus avus. Wie hier im Kleinen, so oft im Grossen. Das ist sicher: wollen wir die Grundlagen der aventinischen Chronik genau kennen, so müssen wir zunächst die Handschrift A der Annalen genau kennen. Das ist aber aus den bis- herigen Ausgaben nicht möglich.

Nur eine auffällige Thatsache tritt hiebei ans Licht. Die Entstehung des breit ausgeführten zweiten Buches und der kürzer gefasßten folgenden 6 Bücher der Chronik können wir begreifen, wenn wir uns dieselben un- mittelbar aus Aventins Handexemplar A gearbeitet vorstellen. Im 2. Buche hat Aventin die massenhaften Randbemerkungen breit, im 3. Buche kur^ verarbeitet und noch manches Neue, was seine unermüdlichen Forsch- ungen boten, hineingearbeitet. Das erste Buch der Annalen hat in Aventins Handexemplar nur in der Namensliste viele, sonst wenige Nach- träge. Diese wenigen sind freilich in der Chronik verwerthet; so z, B, die von Riezler S. 59 gedruckte Note bei Lexer S. 128, 10—17 (122,25), woraus Riezler hätte sehen können, dass in A Öotho statt Botho und termaximus statt tum maximus geschrieben ist. Allein im Grossen und Ganzen ist der Wortlaut des 1. Buches der Annalen in dem 1. Buche der Chronik so umgestaltet, dass dieser letztere nicht unmittelbar aus Aventins Handexemplar der Annalen entstanden sein kann. Auch Aven- tins eigenhändige Concepte des 1. Buches der Chronik (0) zeigen zwar viele Correkturen, doch nicht so viele, wie eine solche Umformung sie veranlassen musste. Es muss noch ein Zwischenglied gegeben haben, in welchem Aventin in lateinischer oder deutscher Sprache die neue Fassung des 1. Buches der Chronik entworfen hatte.

A?eutin als Darsteller.

Ehe ich die letzten Schlüsse ziehe, seien einige Vorbemerkungen gestattet. Aventin besass nicht nur ausdauernden Fleiss im Sammeln, sondern starken künstlerischen Sinn für die Sichtung des Stoffes, und nicht mindern Eifer für den künstlerischen Aufbau seines ganzen Werkes als für den künstlerischen Ausbau der einzelnen Theile. Er war nicht einer jener geschmacklosen Spiessbürger, welche in der mittelalterlichen Ge- schichtschreibung und besonders in den Städtechroniken, vor allem in

öS*

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den närnbergern, sich so lästig machen; sondern gebildet in dem Kreise der feurigsten Humanisten lehrte er persönlich und in Schriften die Regeln der Grammatik und Rhetorik. Aber ein gründlicher Leser der Annalen könnte oft bezweifeln, ob Aventin wirklich ein Künstler der Darstellung gewesen sei. Denn Geschmacklosigkeiten, Unklarheiten, ja Widerspräche der Darstellung finden sich in den Annalen nicht selten. An manchen dieser Geschmacklosigkeiten sind freilich nur der Copist von B und die von ihm abhängigen Herausgeber Schuld; so 391, 7: regulus Boiorum septem aedes atratis druidibus construxit; unum propter Menenlacum Noricorum, sex in inferiore Boiaria iuxta Danubium con- struxit. Bathaviae etc. Aber Aventin hat in seinem Autograph nur das erste construxit, dann darüber ein *a' geschrieben und ein anderes 'a* zwischen Danubium und Bath. gesetzt, d. h. er wollte das Verbum construxit an die letztere Stelle, an den Schluss des Satzes, versetzen; der Copist schrieb es thörichter Weise auch an der ersten Stelle.

Besonders sind öfter einzelne Sätze geschmacklos eingeflickt So erklärt Aventin S. 295, 1 nach einer Abschweifung *8ed ad Vessogetas et Alaricum et historiam redeundum est'. Doch erst 3 Zeilen weiter beginnt die Geschichte Alarichs 'Alaricus arcta Romam obsidione claudit'; dazwischen stehen in der geschmacklosesten Weise die Notizen: moritur inter haec Arcadius imperator orientis, frater Honorii, relicto successore filio Theodosio haerede imperii orientalis; decedit ab orbe servato anno 411 Basso et Philippo consulibus. Ein würdiges Seitenstück dazu bietet S. 360, 27 Eodem tempore imperator Justinianus morbo adfectus, non compos mentis, Byzantii obiit, declarato prius Justine, nepote ex filia, Caesare. Herminigyldus Vessogotorum rex, filius Levigyldus," Richaretus, alter filius, ab Leandro ab Arrhiana impietate convertuntur ad pietatem veram. apud novum principem (d. h. Justin) uti fit in aula Narses eunuchus authoritate, qua valuit apud Justinianum, caruit etc. Durch die Bemerkung, dass die thörichten Einschiebsel im Autograph am Rand stunden, hätten die Herausgeber an beiden Stellen die Schuld Aventins wenigstens mildern können. In der Chronik sind diese Geschmacklosig- keiten beseitigt.

Ein sprechendes Beispiel, wie es mit den Quellen und dem Geschicke des Annalentextes steht, bietet das Stück der Annalen, worin Aventin den

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germanischen Krieg und die Niederlage des Varus geschildert hat. Dess- halb sei mir zmn Schlüsse noch gestattet, dieses Beispiel ausführlich zu behandeln.

Zu diesen 2V« Seiten (Buch II, S. 125, 32 128, 15) bemerkt Riezler nur, dass die Copie B S. 126, 5 Vellius und S. 128, 5 induxit statt des richtigen Velleius und indixit habe; dann dass Aventin (in A) S. 127, 4 magnae nicht habe und S. 128, 13 mestum habe, wo er selbst dem Copisten von B zu Liebe magnae und moestum annimmt. Wenn wir diese Kleinigkeiten gelesen haben, meinen wir, im Uebrigen gäbe uns Riezlers Text einen ebenso glatten als festen Boden. In Wahr- heit ist derselbe ganz anders.

S. 125, 33 steht das thörichte nam wohl in B, aber nicht in A und ist zu streichen. 126, 4 hat Aventin imminere^ der Copist und Riezler inminere,

126, 11 intra Italiam Aventin: inter der Copist und Rr. 126, 15 victores iierm&ni Aventin in A aus Sueton Tib. 16 (vgl. Chronik 607, 28): der Copist und Rr. über- sahen victores, 126, 26 ist zu theilen datur Tiberio tribunicia potestas in quin- quennium, delegatur et Oermaniae pacandae status: Riezler setzt das Komma nach 'potestas'. 126, 29 schrieb Aventin in A nach Sueton paremque: der Copist und

Riezler übersahen das que. 126, 31 ist zu theilen: saepius revocatus perseveravit

tamen, metuens ne etc. (vgl. Sueton): Rr. setzt das Komma vor 'tamen\ 127, 21 Aventin hat an den Rand geschrieben 'Üuysburg cum daventria urbes liberas tribuit Rudolphus imperator (?) theoderico clevensi comiti', was er in der Chronik (S, 605, 10) übersetzt: Riezler schweigt davon. 128, 3 Aventin Sidhuc*, der Copist und Rr.

*aduc\ 128, 12 hat allerdings Aventin sich verschrieben: Quintili Varre, während er sonst natürlich Varus und auch in der Chronik 'Quintili Vare* schreibt; dass der Copist Varre nachschrieb, ist nicht zu verwundern, wohl aber, dass Riezler so Etwas in den Text setzte. Warum hat er denn S. 169, 21 signa cum Varo amissa geändert, wo doch auch seine beiden Handschriften Vario haben? 128, 14 schreibt Riezler

sogar *cum hoc ad occidentem . . geruntur' mit dem Copisten, während Aventin richtig kaec schrieb. Diese Dinge finden sich auf 2^« Seiten nachzutragen. Sie bestätigen mein oben ausgesprochenes ürtheil, dass der Copist der Handschrift B sehr ungeschickt und unaufmerksam abgeschrieben, dass Aventin diese schlechte Abschrift nachlässig durchgelesen, und dass Riezler in übermässiger Hochschätzung dieser schlechten Ab- schrift das Handexemplar Aventins A, welches hier alleiii zu berücksichtigen ist, nicht genau genug verglichen hat.

Doch das mag man philologischen Kleinkram nennen! Allein das ganze Stück, wie es bei Riezler steht, ist nicht nur Aventins, sondern jedes tüchtigen Historikers unwürdig. S. 126, 4 steht 'fuitque tum sub Tiberio in Germania praefectus equitum P. Velleius Paterculus, scriptor historiarum* und nur 1*/* Zeilen später schon wieder 'Paterculus annalium scriptor quaestor partem exercitus a Roma traditi ab Augusto ad Tiberium perduxit'. Dann heisst es Z. 14 Pannonii rebellarunt, nemine dubitante,

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quin victores Germani iuncturi se Pannoniis fuerint, nisi prius Dlyricum debellatum esset ; Z. 23 ad tutelam ripae Rheni . . servi manumittuntur ; Z. 26 Tiberio delegatur et Germaniae pacandae status: allein im Vorausgehenden hat Aventin weder von Siegen der Deutsehen noch von einer Bedrohung des Rheines ge8prc»chen. Diese Stücke sind also unverständlich und desshalb thöricht. Prüft man Aventins Hand- exemplar, so wird Alles klar und Aventins Ehre einigermassen gerettet.

In Aventins Handexemplar folgte ursprünglich, im Coluranentext S. 125, 32 nach *Defuncto Druso' sofort mit 127, 3 Germaniae magls victae bis 128, 13 lugubrem die Schilderung der Niederlage des Varus. Mit dem Uebergange 'Sub idem tempus cum haec ad occidentem inter Rhenum Albimque geruntur orientis ab ora non minus ferociter Danubius Sausque saeviunt* folgte dann 126, 9 16 esset und 23 ad 127, 2 redegit, d. h. die Schilderung des pannonischen Krieges. Wir wissen jetzt, dass die Ereignisse sich anders folgten ; allein, da der pannonische Krieg sich durch mehrere Jahre hinzog und die Nachrichten über denselben ziemlich wirr sind, so konnte Aventin leicht zu jenem chronologischen Irrthum kommen. Wie er die Thatsachen gruppirt und die Quellenstellen verwerthet hatte, das war ganz geschickt; insbesondere die berührten Stellen von den Germani victores, der tutela Rheni und der pacanda Germania waren am vernünftigen Platze, da vorher der Sieg des Arminius geschil- dert war.

Diese Fassung hatte Aventin im Jahre 1519 concipirt und dann im Jahre 1521 in der ersten Hälfte des Juni reingeschrieben, (Columnentext in A). Nachher machte er sich daran, den im Jahre 1520 erschienenen Velleius für seine Annalen zu ver- werthen. Hieraus sah er, dass nach dem Tode des Drusus zunächst Tiberius gegen Marbod in Böhmen kämpfte, dann sich gegen die Pannonier wenden musste, welche sich in seinem Rücken empört hatten, und dass der Kampf des Arminius und Varus ziemlich spät, in das Ende des pannonischen Krieges, fiel. Also schrieb er aus Velleius eine Reihe Zusätze an den Rand, zunächst die Schilderung des Kampfes gegen Marbod (S. 125, 32 fratre.. 126, 9 fuit), dann stellte er in seinem Columnen- text den Pannonierkrieg vor den des Varus (S. 126, 9 orientis bis 127, 2 redegit vor 127, 3 Germaniae etc.) und schrieb zu beiden Stücken wiederum Zusätze aus Velleius an den Rand (S. 126, 16 occupata.. 23 militem, 127, 19 totidem alae sex cohortes und 30 atrocissima bis 34 contrucidatus).

Es ist wahr, nimmt man das Alles zusammen, so entsteht der thörichte Text, wie er in B rein geschrieben und bei Riezler gedruckt steht. Nun ist die vrichtige Frage, ob Aventin diese Fassung hätte drucken lassen. Gelesen hat er sie allerdings in der Reinschrift B; dass er aber das Ungeschickte dieser Fassung eingesehen hat und sie vor dem Drucke umgearbeitet hätte, das zeigt die Art und Weise, wie er dieses Stück in der Chronik gefasst hat. Dort wird der Kampf gegen Marbod und der Ausbruch sowie der erste Schrecken des pannonischen Aufstandes geschildert, dann aber sofort der Kampf des Varus mit seinem schrecklichen Ausgang, wobei die beiden Notizen über Velleius an ganz passenden Stellen untergebracht werden (S. 601, 28

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und 603, 21). So findet Aventin einen trefflichen Uebergang zur weiteren Schilderung des pannonischen Krieges, wobei sogar jene Stelle des Sueton *nemine dubitante, quin victores Gerraani iuncturi se Pannoniis fuerint, nisi prius lUyricum debellatum esset* (eigentlich ^Niemand zweifelte, dass die siegreichen Deutschen sich mit den Pannoniem verbündet haben würden, wenn diese nicht schon vorher vernichtet gewesen wären') durch eine falsche Uebersetzung (Niemant zweiflet daran und besorgten es auch die Roemer, die Teutschen umb den Rein, so nun das roemisch reich geschlagen hetten, würden zu den an der Thonau stossen, wo nit e iezgenante land und leut, umb die Sau Dra und Thonau ligeud, bestritten würden) zwar auf den Kopf gestellt, aber eben damit gut verwerthet wird.

Hiebei ist allerdings, wie wir jetzt wissen, die richtige Reihenfolge der Thatsachen mehrfach verkehrt; allein Aventin konnte nicht bei jeder Thatsache von Neuem die Quellen untersuchen; er arbeitete eben mit dem Stoffe, den er in seinem Handexemplar der Annalen sich zusammen- geschrieben hatte. Aber die Kunst des Meisters, welcher das riesenhafte Material gesammelt und zu dem grossen Bau gefügt hatte, zeigt sich auch in der Art, wie er diesen Baustein in der Chronik behauen und dem Ganzen eingefügt hat. Wäre er dazu gekommen, selbst seine Annalen drucken zu lassen, so hätte er die Ungeschicklichkeiten des in der Copie und jetzt in den Drucken gegebenen lateinischen Textes ebenso gewiss weggeräumt, als er sie in der Chronik weggeräumt hat.

Die Annalen sind kein druckfertiges Werk.

Damit tritt die Frage vor uns, gibt es eine endgiltige, so zu sagen, eine druckfertige Fassung des Annalentextes? Auf diese Frage, welche bis jetzt noch Niemand, gestellt hat, lautet die Antwort: nein. Nur noch ein Einzelbeweis sei hier angereiht. S. 392, 13 lässt Riezler Aventin schreiben: Theodericus quoque rex tum obiit, Hyl- dericus frater eins a Carolomano et Pipino substituitur, und 1^/2 Seiten nachher schon wieder: 393, 39 Moritur eodem tempore Theodericus rex Francorum.. Hyldericus frater eins regio nomine donatur a Carolomano et Pipino ducibus Francorum. Diese selbst eines mittelmässigen Schrift- stellers unwürdige Tautologie hat Aventin bemerkt, denn er schreibt zur 2. Stelle an den Rand 'supra\ Hätte er seinen Annalentext end- giltig feststellen wollen, so hätte er oben oder unten gestrichen. Da er

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dies nicht that, so ist klar, dass er selbst nicht daran dachte, die Fassung seiner Annalen, wie sie in A vorliegt, sei abgeschlossen.

Bis jetzt habe ich zu Beweisen Stellen gewählt, welche in der Ab- schrift B und in Folge dessen im Texte aller Ausgaben stehen. Doch um diese Fassung, welche Aventin in der Copie durchlas, kümmerte er sich selbst Nichts, wie oben sattsam bewiesen ist. Ihm waren die weiteren Ergänzungen in seinem Handexemplar sehr wichtig. Sollten aber diese sämmtlich in den Columnentext von A eingereiht werden, so würde jeder Leser bekennen, es könne keine Rede davon sein, dass ein halb- wegs vernünftiger Schriftsteller die Form einer solchen Darstellung für fertig und abgeschlossen gehalten hätte.

Zu demselben Ergebniss führen andere interessantere Betrachtungen über den Inhalt. Wir haben oben gesehen, wie Aventin mit eisernem Fleisse sein Leben hindurch seine Erkenntniss der bairischen Geschichte erweiterte und berichtigte und, wie er öfter darnach rang, seine Gedanken und Kenntnisse in die richtige Form zu giessen. Dem ersten Entwürfe in Burghausen folgte die Ausarbeitung von 1511 in München. Die Ränder dieses Schriftstückes sind bedeckt mit Vorstudien zur nächsten Ausarbeitung von 1519 1521. Die Reinschrift der hier geschaifenen Fassung ist wiederum mit mehr oder weniger Nachträgen und Aenderungen angefüllt worden in den Jahren 1521 bis 1526, resp. bis 1531. Was war denn die Chronik für Aventin Anderes als eine neue Fassung seines Lebens- werkes? Und was Anderes ist der Columnentext des Autographs A mit all seinen Nachträgen und Aenderungen als das Concept für diese Fassung der bairischen Geschichte, welche uns in der Chronik vorliegt?^) Nicht die Annalen, sondern die Chronik Aventins enthält für uns die letzt- willige Fassung seiner bairischen Geschichte. In allen Fällen, wo die Chronik den Annalen widerspricht oder mehr gibt als jene, haben wir in der Chronik Aventins wahre Ansicht zu erkennen. Wäre Aventin dazu gekommen, nach der Chronik seine Annalen druckfertig auszuarbeiten.

1) Man yer^essse doch nicht den Schluss der Annalen 'Ego, usus consilio Horatii Quintilia* nique, ne editio praecipitetur decimumque prematur in annum, opus inchoatum diligentius repetitum tanquam lector perpendero atque arbiter honorarius diiudicaro (dafür hatte Aventin zuerst ge- schrieben: emendaro cognovero). Diese Worte, mit welchen Aventin im Jahre 15*21 die Reinschrift seiner Annalen schloss, hat er später nicht durchgestrichen oder geändert.

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80 wäre diese Fassung nicht auf das Handexemplar A, sondern zunächst auf die Chronik fundirt worden.*)

Entwürfe und unfertige Schriften herauszugeben ist freilich keine angenehme Sache. Allein wer einmal die unfertigen Annalen Aventins aus seinem Handexemplare herausgeben wird, kann einen Trost darin finden, dass eben dadurch Aventins Ehre als Darsteller gewahrt bleibt, und dann vor Allem, dass so erst die nothwendige und die beste Grund- lage geschaffen wird für die richtige Erkenntniss der Chronik. Denn die Chronik ist nicht nur die Blüthe von Aventins historischem Schaffen, sondern sie wird auch immer mehr als Sprachdenkmal geschätzt werden. Die Erforschung der Chronik muss aber stets von einer vollständigen Kenntniss des Annalentextes ausgehen, wie er in Aventins Autograph (A) vorliegt.

Ergebnisse.

Meine Untersuchungen ergeben also Folgendes: Die Stuttgarter Ab- schrift B ist sehr nachlässig abgeschrieben und von Aventin nachlässig durchcorrigirt. Durch ihre Bevorzugung hat Riezler den Wortlaut der Annalen vielfach geschädigt. Dieselbe kann bei einer Ausgabe gänzlich bei Seite gelassen werden, da selbst einzelne hier vorkommende Bemerk- ungen Aventins nicht mehr Werth haben als einschlägige gelegentliche

1) In der Geschichte der deutschen Sprache bezeichnet das 16. Jahrhundert einen gewaltigen Umschwung und Aufschwung. Die Ursache liegt nicht in Luther, sondern in dem oben (S. 744 u. 745) gezeichneten sonderbaren Wesen der deutschen Humanisten. Die Begeisterung für die Gegenwart und Vergangenheit Deutschlands fQhrte sie dazu, auch die deutsche Sprache zu pflegen. Ayentin ist im Kleinen ein Beispiel des Grossen. Bis 1519 hat er sich der deutschen Sprache in seinen Schriften nicht bedient, von da an immer mehr, so dass er das Lateinische fast aufgab. Der damalige Umschwung der deutschen Sprache ward neben andern durch eine

Kraft bewirkt, welche mir noch nicht genügend erkannt zu sein scheint. In den deutschen Schriften des 16. Jahrhunderts tritt uns eine Fülle von bildlichen Ausdrücken und packenden Redewendungen entgegen, von denen sich in den früheren deutschen Schriften keine Spur findet. Das ging nach meiner Ansicht so zu. Wie es im 17. und 18. Jahrhundert gestattet wurde, aus dem Italienischen oder Französischen beliebig viele Ausdrücke herüberzunehmen, so wurden im 16. Jahrhundert ausserordentlich viele auffallende Bilder und Redewendungen der lateinischen und griechischen Sprache wörtlich Übersetzt und vom damaligen Zeitgeist als berechtigte Neuerung zugelassen. Während nun die im 17. und 18. Jahrhundert eingeführten Fremdwörter stets als Fremdlinge erkannt und so beim Umschwung des Zeitgeistes leicht ausgestossen werden konnten, sind jene wörtlich übersetzten Redewendungen, Bilder und Sprüchwörter uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass sie jetzt als urdeutsch gelten.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. X VII. Bd. IIL Abth. 100

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Notizen seiner CoUektaneen, die ör in sein Hauptwerk nicht aufnahm. Eine abschliessende, gegebenen Falls zum Druck bestimmte Fassung des Annalentextes enthält diese Copie durchaus nicht.

Dagegen kann durch eine genaue Ausnützung der von Aventin selbst geschriebenen und b.enützten münchner Handschrift A der Wortlaut der Annalen an vielen Stellen berichtigt upd um viele Zusätze bereichert werden. Aber auch der Annalentext, welcher sich so zusammenstellen lässt, ist nicht abgeschlossen oder druckfertig. Allein derselbe ist die wichtige, nächste Vorstufe zu dem Hauptwerke Aventins, der Chronik. In der Chronik hat uns Aventin nicht nur die letzte und reifste, sondern auch die einzige formell abgeschlossene Fassung des Werkes hinterlassen, zu welchem er in seiner Jugend, wahrscheinlich im Verein mit Celtes, sicher aber vor 1507 unter dem Einflüsse der für Deutschland begeisterten Humanisten^ den bestimmten Plan entworfen, und an welchem er, ebenso sehr von der Kraft seines Willens getrieben als von der Gunst des Ge- schickes gefördert, sein Leben lang geschaifen hat. Diese in frühen Jahren von ihm selbst gewählte Lebensaufgabe war die Geschichte des bairischen Volkes und Landes; seine übrigen Schriften sind nur Beiwerk hiezu gewesen.

Aventins Wesen und Schaffen ist hier theilweise anders als bisher dargestellt worden. Ich hoffe, dass dieses Bild sich als richtig und wahr- heitsgetreu bewähren wird, und freue mich, dass die stärkere Beleuchtung das Bild dieses bedeutenden Meisters der Geschichte schöner und bewim- derungswürdiger erscheinen Hess.

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Aventin's Lobgedicht auf Albrecht IV. von 1507,

zum ersten Male herausgegeben.

Die oben (S. 725) genannte Abschrift der Annalen Aventins ist für die Annalen fast werthlos; allein sie birgt doch einen Schatz, den wir jetzt heben wollen. Dem ersten Bande derselben, Cod. lat. 219 (Buch I IV der Annalen enthaltend), ist am Schlüsse nach dem 4. Buche noch eine Blätterlage beigeheftet, in welcher das nachstehend gedruckte Gedicht geschrieben steht, und zwar von einer Hand, welche auch sonst in diesen zwei Bänden vorkommt. Demnach ist auch diese Blätterlago vor Aven- tins Tod und wohl in seinem Hause abgeschrieben.

Dieses bis jetzt übersehene Gedicht ist wichtig. Es ist ein Werk Aventins^J und, da es in den Hundstagen des Jahres 1507 abgeschlossen ist, überhaupt die älteste Schrift, welche wir bisher von ihm kennen. Es ist ferner das weitaus grösste Gedicht, welches wir von Aventin be- sitzen, das einzige in Hexametern geschriebene und, von dem Uebrigen abgesehen, für die Erkenntniss seines Geistesganges (vgl. oben S, 746) wichtig durch das Versprechen, die hier gegebene kurze Skizze der bairischen Geschichte sei er gewillt durch eine ausführliche Darstellung zu ersetzen. Der Geist, welcher in diesem Gedichte waltet, zeigt ilurchaus den Schüler des Conrad Celtes.

Der Inhalt dieses Gedichtes, sowie der übrigen kleineren Gedichte aus dieser Zeit (in dem 1508 geschriebenen Heftchen, Clm. 1138, finden

1) Erwähnt finde ich dasselbe nirgends bei Aventin. Nur hat er einige ViTne tUmua (\g\. zu V. 268) an dem Rand seiner Annalen von 1511 citirt.

lüu*

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sich 5 = Werke I, S. 617 623, Nr. I V) ergab sich aus dem, was kurz vorher in Baiern geschehen war.

In den vorangehenden Jahrhunderten war Baierns Kraft hauptsäch- lich durch wiederholte Theilungen und die Kämpfe um solche gebroclien worden. Von den drei Staaten, welche bei der letzten Theilung 1430 sich ergeben hatten, Baiern -Ingolstadt, Baiern - Landshut und Baiern - München, war Baiern - Ingolstadt 1447 durch Heinrich den Reichen von Baiern - Landshut besetzt worden. Sein Enkel, der letzte männliche Sprosse der Linie Baiern - Landshut , Georg der Reiche, hatte, gegen frühere Verträge, in seinem Testamente sein Land dem Ruprecht von der Pfalz, dem Manne seiner Tochter Elsa, verschaffen wollen. Nach dem Tode Georgs (1503) brach nun zwischen Baiern - München und der Pfalz der Krieg um Baiern - Landshut aus, der mit seinen Schrecken an dem letzten, aber deutlichsten Beispiele Allen zeigte, welches Unheil aus diesen Theilungen und Erbfolgestreitigkeiten erwachsen könne. Nachdem Ruprecht und Elsa gestorben waren, gelang es endlich Albrecht im Frieden 1505 die drei Theile für immer zu vereinigen. Das schmerz- liche Andenken an die Greuel dieses Krieges wurde damals in München durch die Freude über diese endliche Vereinigung der getrennten Theile weit überboten.

Werden von Aventin schon in den erwähnten kleineren Gedichten besonders die Greuel des Krieges und im Gegensatze die Segnungen des ruhmvollen Sieges und Friedens geschildert, so bilden dieselben ganz den Stoff unseres grossen Gedichtes.

Im ersten Theile, V. 1 226, werden die Schrecken des Erb- folgekrieges geschildert. Nach einer Anrufung der Muse (1 10) wird erwähnt die Ursache des Krieges: die Dreitheilung Baierns von 1430 (11 22); die Wegnahme Baiern -Ingolstadts durch Heinrich den Reichen von Landshut 1447 (23 31) und das gesetzwidrige Bestreben seines Enkels, Georg des Reichen, die Linie Baiern -München von der Nachfolge in Baiern - Landshut zu verdrängen (V. 32 67). Natürlich ist, dass hiebei die Landshuter Fürsten nur von ihren schlechten Seiten dar- gestellt werden.

Dann wird geschildert, wie nach Georg des Reichen Tod (1503) der Krieg ausbricht und Ruprecht von der Pfalz den grössten Theil von

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Baiern -Landshut besetzt (V. 68—80). Der greuel volle (V. 81 85) Krieg wird genährt durch den thörichten Wankelmuth des Volkes (V. 86^ 115) und auch nach dem Tode Ruprechts (V. 116 143) und Elsas (V, 144 bis 149) dauert er noch fort. Auf dem Reichstage zu Augsburg wird Albrecht dem IV. das Land zugesprochen (V. 150 167) und aus allen Theilen Deutschlands sammelt sich ein Heer (V. 168 200), um die Pfalz zu züchtigen (V. 201 209). Doch glückt es Albert, gliicklichen Frieden und Sieg zu erlangen (V. 210—228).

Dichterische Abschweifungen erlaubt sich hier Aventin besonders V. 90 115, wo er die unstete Volksgunst in gehäuften Bildern malt; dann in V. 116 143, wo er schildert, wie der Schatten Ruprechts nur unter der Berlingung Einlass in die Unterwelt erlangt, dasa ein Anderer für ihn Bürgschaft leistet, er werde nicht, wie Herkules und Andere, Unfug in der Unterwelt anstiften; endlich in V. 168 200, wo die einzelnen deutschen Stämme ausführlich aufgezählt werden.

Im zweiten Theile, V. 227 413, werden die Ahnen Albrechts und er selbst gepriesen. Nach einer Einleitung, in welcher Aventin verkündet, ein anderes Mal wolle er dio Thaten der bairischen Fürsten ausführlichj jetzt nur in Kürze darstellen (229 249), schildert er einzelne Helden des bairischen Fürstenstammes: Theodo (250— 253), Thessolo (254 257), Heinrich den Heiligen (277—300), Ludwig den Bayern (302 312) und endlich Albrecht den HI. (313—318).

Albrecht den IV. rühmt Aventin besonders wegen seiner feinen Bildung (326 330) und wegen des Eifers, mit welchem er Wissenschaft und edle Künste in Baiern verbreite (331 380), wobei Aventin sich eine ausführliche Aufzählung der 9 Musen und ihrer Obliegenheiten gestattet (333 377). Dann rühmt er noch Albrechts Regententugenden (38 1 ^396)» seine keusche Gemahlin (397 399) und seine Kinder (400) und schliesst das Lobgedicht mit einem Segenswunsche.

Die Sprache des Gedichtes ist dem Stande des Adressaten gemäss ziemlich hochtrabend und machte das Verständniss des Gediclites und die richtige Interpunktion für die erste Ausgabe zieuiHch schwierig. Desshalb schien es gut, Erläuterungen beizufügen. Der Text selbst scheint nur an wenigen Stellen verdorben zu sein. Natürlich hat Aventin seine Ausdrücke aus den alten Klassikern entlehnt; doch das thun unsere

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heutigen Latinisten ja auch; es schien also zwecklos, den Ursprung ein- zelner Phrasen oder Versstücke zu notiren. Bei den Mühen der Ausgabe hat mir mein Freund Dr. Ludwig Traube gute Hilfe geleistet.

FELICITATI DOMVS BAVARIAE CONSECRATVM

INVICTI INVICTO PRINCIPIS et Domini, Domini

Alberti, Comitis Rheni Palatini, Inferioris ac

superioris Bavariae Ducis Genio, eiusque Sobolis

generosae felici indoli dedicatura.

Principis invicti Saturnia dicere versu

Saecula, fert animus: quantum prudentia magnis

Divitiis praestet sanctaeque superbia paci

Caedat, et infandi fuerit quae causa doloris. 5 Gratior haut motos potuit componere fluctus.

Ne fragiles tanto succumbant pondere vires,

Musa, precor, coeptis faveas. procul e&te prophani;

Lingua nocens rabidum digitis conpesce labellum

Vipereoque vomens vulpinum pectore virus. 10 Pythius ecce sacerdotis quatit incola mentem.

Facta tribus Dominis communis Norica tellus

Principium belli, civilis origo tumultus

Prima fuit, caeco praebens alimenta furori.

üna satis lux est, unus videt omnia Phoebus; 15 Triplex infernas deterret Cerberus umbras;

Dissidet infami dilapsus degener uno

Augurio numerus: canos sors altera tinxit.

NuUa movet vetulos pacis reverentia gallos;

Mit M bezeichne ich die Handschrift. Im Geltes ; später thut er dies nicht mehr und nennt

Titel ist der Stil der römischen Inschriften nach- Noricum nur das Land jenseits des Inn: Oest-

geahmt. 4 caedat schreibt Aventin oft statt reich, Steiermark, Kärnten, Tirol. Auch von den

cedat. 5 haut schrieb ich^ aut M; d. h. haud umgeformten Eigennamen, wie Honoricns statt

potuit gratior quam Albertus lites componere. Hainricus, deren er später viele hat, finden sich

11 durch den straubinger Vertrag von 1430. hier natürlich nur wenige. 16, 17 Was hier

11 'Norica* nennt Aventin Baiern hier und in gegen die Zahl '3' gesagt wird, verstehe ich

den Gedichten von 1608 nach der Mode des nicht. Mit sors altera bezeichnet Ovid Metam.

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Foedera nulla ligant, septo quos clauseris una;

20 Improba spectantum stimulis atque ore voluptas In fera soUicitat . resides adsumere vires Proelia, non animos mittit requiescere fessos. Protinus arcanis sortitus nomina numrnis PoUuit Hainricus cognato sanguine pactum

25 Foedus et in celsa patruelem durior arce Detinuit clausum, misero dum serius aequo Stamina lanificae ruperunt puiia sorores Umbra et ad Eiysios aufugit libera campos. Empta dolo iustam fecit victoria causam.

30 Purpura fit proprio nimium satiata cruore,

Et soror et coniunx Jovis est Juno addita Teucris. Inviso peior succedit saepe tyranno Haeres, et veterem vincunt praesentia ludum Crimina, venturos cumulat fortuna dolores.

35 Inpia barbaries caecique superba nepotis Nescia mens veri, Veneris malesana libido Ambitione nova nimium vetitisque Hymenaeis! Invidia vexante ducem, superaret avitum (Fata vetent!) facinus (quid non sibi dira cupido

40 Permittit?), gelido flavos Aquilone Boemos Armat, et bis rosea Titanis iungit in ora Sarmatiae claros reges Hunnique ferocis, Principis Austriacae magni quoque Cassiomiri Progeniem, gener atque adfinis stemmatis huius.

45 (Ipse sed uxorem, sacra cui dedit unctio nomen,

9, 676 das weibliche Geschlecht; canos tinxit = und die Vermählung seiner Tochter Elsa mit

förbte die grauen fiaare? 23 Heinrich der Ruprecht; 'nepos (Georgii) ex sorore et gener

Reiche von Landshut hielt Ludwig den Gebarte- Rupertus, pontifex antea Frisingensis* nennt ihn

ten in Burghausen gefangen, wo derselbe 1447 Aventin im Kalender (35 37); dann: da der

im Alter von 81 Jahren starb. Hierauf besetzte Neid Georg antrieb, die Unthat Heinrich des

Heinrich Baiem- Ingolstadt. 35 So glaube Reichen zu überbieten (38 39), so verschaffte

ich interpungiren zu sollen : zuerst ein unwilliger er sich viele Bundesgenossen (40 65) , damit

Ausruf über die Treulosigkeit Georg des Reichen Albrecht der IV. von der Erbfolge femgehalten

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Non Cytherea Venus, divum ceu Sacra prophanus, Antiquos veterum mores iraitatus avorurn, Deserta viduam conclusit adulter in arce, Dignam connubio, dignam meliore raarito:

50 Huius erat genitrix, toto qua niaior in orbe Foemina nulla fuit, Romano sanguine creta. Sextus ab Haynrici numeratur stipite ramus, Septimus Ausonia fuerat qui Caesar in aula. Rex quoque frater erat, felix diademata regum

55 Vidit et ipsa trium partu regina beato Quos peperit, reges licuit sperare nepotes). At Venetos dites pluvio sibi destinat austro. Hesperio tepidus qua surgit vesper Olympo: Praecipitem Rhodanum Rhenique fluenta superbi

60 Atque Ararim socio perdentem nomen in amne Et tacitum Matronam, cuius Sequana nigris Tardus adauctus aquis Nortmanni fertur in aequor Teutonis a bimari Cymbrum regione profecti, Protenus averso violenter fönte retorquens,

65 Et pecus et dominos insanis obruit undis. Tantum irae, tantum bilis conceperat atrae, Legitimos solio reges turbare paterno. Perpetua at mundi series maiorque potestas lUusere minas, subito repulere nefandam

70 Vim, raptore truci tenebrosa in tartara merso. Fit gemitus; terror campani personat aeris. Ictibus assiduis horrendum mugit inane Mobile pulsatum longoque volumine tractum. Supremos nondum cineres absconderat urna,

75 Nondum aniraam Maiae praescripta sede locaiat

würde (67). 46 Georg der Reiche, vermählt 61 Caesurlose Hexameter kommen in diesem

mit Hedwig, der Tochter Casimirs von Polen Gedichte Aventins einige vor; vgl. 85, 98, 352,

nud Elisabeths, Kaiser Albert des H. Tochter, 374, 396. Der Schluss ist regelmässig d. h. nur

hielt diese in Burghausen eingeschlossen, wie durch Wörter von 2 oder 3 Silben gebildet, und

bei Oefele Script. 11, 568 Sunthemius berichtet. die wenigen Schlusswörter von 4 oder 5 Silben

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t

Filius aut virga meritis addixerat umbris:

Callidus incautas astu gener occupat urbes

Continuo praesul Boiorum Phrysius olini,

A requie fracta dictum cui nomen adhaeret, 80 Invisor superum, pacis contemptor et aequi.

Dum sibi spem falsus perituro firmat in auro,

Deminuit vires, invitat praeda latronem,

Et profugus gladios innoxia vibrat in ora

Ruris, adusta procul villarum culmina fumant: 85 In lucos fugitivis squalent arva colonis.

Fusilis in duplicem decrevit cantharus ansam,

Et res in geminas partes diducitur anceps.

Victrix causa deis placuit rigidoque Catoni,

Addidit invalidae robur sed inertia causae. 90 Candida mentitur vultus cerussa venustos,

Rugosamque cutem faciunt caerometa moUera,

Unctus et ingrato properat sine murmure currus:

Sic etiam (magnis liceat componere parva)

Mobile funesto semper corrumpitur auro 95 Vulgus et incautum, volucris ceu carmine linguae

Decipitur blandae, crassis obtutibus haerens

Vertere in absentes oculos sortisque futuras

Atque agilis secretos mentis adire recessus

Nescit et arcanis rationes promere rebus, 100 Callidus ut varias pictor simulare figuras.

Mortales caeci fabro peiore creati

Prima quidem laeti coelum clamoribus implent

(Haud aliter quam, si ruri conspectus in agris

Forte lupus, serös vicinia tota molossos,

sind Eigennamen (37, 43, 183, 229, 275). 79 *Ru- hat zwei Handheben' scheint so viel zn bedeu-

pertus, Georgii gener, pontifex antea Frisingen- ten als 87 'Jede Sache hat zwei Seiten*,

sis, vi et dolo Landeshutam . . . occupavit*. Även- 89 ordne: sed inertia addidit robur invalidae

tin im Kalender. Ruetprecbt, qui ocium causae. 91 d. h. ceromata. 100 *ut* oder

quietemque frangit: Aventin Ännalen Buch I, *at' ist zu schreiben und 'est' zu ergänzen; die

S. 29, 19. 85 das Feld liegt brach, da die Handschrift hat 'aut' und 'pictore*. 104 lupus

Bauern in die Wälder fliehen. 86 'Der Kessel sc. est ; serös = noctu ; oder ist 'saevos* zu

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XVH. Bd. IH. Abth. 101

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105 Nomine quenque vocans, praedonem hortatur in unum),

At postquara scopulis abies illisa pependit

Navis et humores haurit superata nocentes,

Stat pecus attonitum, cupiunt dare vela retrorsum,

Coguntur pavidi cursus iterare relictos 110 Et niraium spretos gaudent contingere portus.

Instabilis veterem toUit fortuna favorem,

Inclyta et infando sordet cognomine virtus.

Tanta fides vulgi, tanta est constantia plebis,

Praecipue fortis bitiae dum pocula libat. 115 Quin referam pagi ludibria vana iocosi?

Venerat ad Ditis proscripti claustra Ruperti

Umbra levis precibus quae aditum poscebat amicis.

Pallida cui Stygii commissa est porta tyranni,

Et genus et nomen vitamque priorem 120 Portitor inquiritque Charon. ubi singula dicta,

'Maxima venisti Jovis aequus ad atria nostri*

Janitor 'hospes* ait 'sine fraude doloque maligno?

Nota fidem faciat securo sponsio tutam.

Haud alia ad manes descendes lege profundos. 125 Est satis (audisti) Aleiden timuisse furentem;

Aeneamque pium saevi Hyppolitique parentem

Thesea tartaream audaces turbaöde quietem/

111 a refert contra: 'NuUi o violanda per aevum

Numina mortali, timidos deponite vultus. 130 Debetur vobis, vestrum est, quodcunque sub orbe

Nascitur aethereo; vos mundi vera potestas.

Vos stabili rerum longissima regna tenetis

Lege, tarnen, senior, mi sit tua certa volimtas.

schreiben? 114 d. h. viciae. 115 Näher ausgefallen. 125 Zu timoisse ergänzt mein

liegt es zu schreiben 'quid referam*, als quin Freund Meiser me und verweist auf V. 129

mit *um nicht* zu übersetzen. 116 'proscriptus timidos deponite vultus und Servius zu Virgil

Bupertus cum suis' und 'in Augusto (19.) Ru- Aen. 6, 392 quando Hercules ad inferos des-

pertus cum filio Georgio moritur dissenteria' cendit, Charon territus eum statim suscepit.

Aventin im Kalender a. 1504. 117 besser: 133 misit M. precibusque. 119 Ein Wort, wie 'poscit'; ist

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Dives Lethaea residet Georgius aula,

135 Inter Germanos sacro ditiasimus auro Qui fuit ac facili Boios ditione beatos Pressit et ad Stygias fatis urgentibus undaa^ Heu citius, supera nuper correptus ab aura: Hunc, precor, admoneas titulia et nomine nostro,

140 Creditor an genero fido charoque nepoti Unu8 adesse velit. superos narrabo relictos Tristitiamque animi grata novitate morabor.' Cardo patet facilis; socer est et avnncultis auctor. Sed defuncta brevi fatum comitata mariti

145 Uxor adest, quae cum nulla mercede recepta eat; Nee vir nee genitor voluit epondere rogatue. Ora deae summit, facta et letalis Enyo Tentat pacatos passim fera praelia miscens SoUicitare duces sancitani f ran gare pacenu

150 Caesaris hos magni nunquam contenipta potestas Inpune, ante diera morti devoverat atrae, SoUicitae curaeque charao natique labores, Exitus acta probat; doiiünae eontemptor habenae Felici raro sua claudit funera fato,

155 Cura deum mundus; Jovis est quaecunque poteatas* Qui sua communi mensura vendere poscit, Non cupit emptores iniusta f allere libra. Est locus Almanno Latus notissimus orbe Cladibus, (Augustam nostri dixere parentea),

160 Qua Lycus, Hunnorum maduit qui sangiiine Vinda. Vindelicus Rhetho qua distat fluinine, quaque Bellatura suam cogit Germania pubem, Sensibus hie imis legum vener anda potestas Concilio procerum Romano iure poritis

140 nepoti: vgl, zu W. Sb. 144 'Elsa moH' tentia Augnstae pro Albeito qtiinto Monachii

tur in Septembri (17)': Aventin im Kalender duca dui^i Arentin im Kalender &. 1i^04; vf^h

a. 1504. 147 Bummere schreibt Aventin haußg. den EinblBttdrnck in München (Einbl, V, 10 =

152 cnrae et labores nati sunt. 158 *sen- Weiler Regiert. ^01) R«em. kün^L Majestät ur-^

101*

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165 Pluribus est versata diu; sed iusta triumphuiu Causa dedit iustum; melior sapientia nummos ' Vicit, et Alberto consensit curia iusto. Mox iuvenes lectos animosa Suevia nüttit Coniurata aniraos hostis frenare superbos.

170 Vindeiicis iuncto properavit milite Rhetus, Doctus Amazonias humero librare secures, Eminus ut dubiuni nee quicquara tale timentein Torta teres (callet) sub vertat fraxinus hostem. Noricus Eoo duplex cum Pannone venit.

175 Impiger annosas fagos contempsit et Elsam Vitiferum Tribochus campique reliquit aprici Jugera, Gallorum pingui madefacta cruoro, Dum furit ingratus Friderico Caesare Narbo Atque Arelas spectare argentea lilia nummo.

180 Nigra sed in mortem formata est luna virilem, nia Sigesmundus commisit regna futuro Francigen um regi; signis Delphina vocamus. Audax flavorum venit genus üsipiorum. Ferratas acies miratur Neccare Bacchus,

185 Deseruitque Rhenum viridi parvum incola valle. Arabiguus siccam Santho despexit arenam. Pauper et incomptus torvo cum Hessone liber Francus adest, aquilas primo qui funditus oris Germana Latiis pilo virtute refixit

190 Signaque perpetuas Manni Romana parentis

tail. 168 'Alberto foedere iuncti erant im- perii cives, Wirtinburgensis dux, landgravius Hassiae , qui mulctayit Rhenum ; oppida Hassö omnia combussit. Caesar Hagenau imperio re- cuperavit* Aventin im Kalender a, 1504; ygl. den Einblattdruck in München 'Vermerckt die hilf herczog Albrechten und h. Wolfgangen y. baim zu gut'. 178 Zu rergleichen scheint Annal. VIT, 528, 23 Litavicus delphinus cum Armeniacis et Delphinis Elisatium intrat, Sui- tonum cohortem, non tarnen inultam, multitu-

dine obruit et longe pluribus amissis contrueidat, dumque domum reduces Galli repetunt, a Sile- stadiensibus gravi clade adfecti sunt. 181 Vgl. Annal. Buch 11, 142, 29 regnum Arelatense, nunc Delphinatus, Carolus IV, fiiius eins Segimundua primogenito regis Francorum dono dederunt. codicillos et tabulas legi Lutetiae Parisiorum (a. 1503). 187 Die Hscht. hat 'incompto', dann nach einer Lücke \o\ 188 d. h. qui primo pilo (Allen voran) Germana virtute aquilas Latiis oris funditus refixit et signa Romana ad

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Atque Tuisconis supplex suspendit ad aras.

Cum Belgis Celtas Almannae subdidit aulae,

Ausonio Galli maduerunt sanguine campi.

Hoc vocat imperium Francorum Gallica rura 195 Francigenasque suos adsertor Teuto nepotes.

Fulgentes armis equites venere Cherusci,

A quibus Augusto respublica Caesare magnum

Accepit vulnus: triplici legione perempta

Cum duce Plutonis stiparunt atria mortes. 200 Cum Tungris Sorabes festinavere Salonae.

Altus amor recti, magnus respectus honesti

Omnibus, ingenuus praedonis fastus iniqui

Nee mansura diu invitis possessio divis

Barbara tantum animos movit; mens omnibus una 205 Justitia stabili fidei duce et auspice sacro

Propulsare nefas, ferro rescindere acuto

Foemineum dedecus, facinus muliebre, Leoni

Rhenano digitis comu resecare protervum

Et caveae clatros rhombis signare vetustis. 210 Sed Ducis Alberti probitas super aethere nota

Casibus et subitis rerum prudentia velox,

In sua sceptra solo Boium meliore redacto,

Postquam est et clypeis exuta Boemia pictis,

Innocui sortem populi miserata malignam, 215 Militibus tantum bonitas licuisse perosa:

Perpetuae mites pacis divertit ad artes,

aras Manni suspendit. 202 ingenuos M, welche Fusi Boemi prope Batisbonam a Caesare Maxi-

Nominativfomi ich Aventin nicht zutraue. miliano' Aventin im Kalender. Diesen Sieg hat

208 Dem rheinischen Löwen die mit Krallen Geltes in einem Musenspiel gefeiert, das 1504

üppigen Ballen zu beschneiden und das Gitter zu Wien deklamirt wurde. Auf dem vorgesetzten

des Käfigs mit den altbairischen Wecken zu Holzschnitte 'Strategema regium contra Boe-

versiegeln. 'Leo Rhenanus domitus a Caesare* mannos' tragen nur die Böhmen grosse Schilde

Aventin Kalender a. 1504. 209 clatres M, und im Texte werden sie genannt 'gcns clypi-

doch caveae . . clathros Horaz Ars P. 473. feris male aana in armis*. Demnach galt es

212 vgl. den Kalender in Werke I, S. 661, 18— 19, als sonderbare Eigenthümlichkeit der Böhmen,

wo Z. 17 in der ersten Abschrift 'Vilispirum' dass sie sich noch der Schilde bedienten. (Vüsbiburg) steht. 213 'Sept. 12 a. 1504

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Maior et exiguis cessit victoria nummis,

Quae, nisi vana fides vatura, meliore sonori

Nominis auspicio seraper fataliter haeret. 290 Rhene^ quid insanis, alienas, improbe, rippas

Inpetis et doniino cupis esse iniuriua Hystro?

Bavvarae Abudiaco vetus extat regia gentis:

Te moveat pietas, nostris es fontibus ortus,

Noricuö austriacis Isarus te sustulit undis. 225 Jani tibi parce, precor. tellus diis sancta supremis

Bavvara. conversa nocuit sibi fraude voluptas.

Seniper ab excelso venit victoria coelo

Principibus Bois, patrum tut^Ua nepotes.

Laudabunt alii claram Rhodon aut Mytilenen 230 Albanoaqiie patres atque altae raoenia Romae,

Dura licet, patriae celebremus nomina terrae

LaudibuB exiguisque feremus ad astra parentes.

Gratus ad Albertum descendet carmine vates

Et calanio rerum properabit carpere surama. 235 Si superos hedera tempus vinxisse iuvabit

Castaliduuique gregem lauro donasse virenti .

Et Binet exilis casa paupertasque maligna

(Antra Camoenarum tenui sunt clausa poetae)

SpirituB ante diem fragiles nee deseret artus: 240 Maior ab aeternis nascetur gloria Musis

Et maiora dabunt maiores carmina vires.

Nanqiie Bacro nusquam Phoebus deest rite vocanti

Numine tain ]>raesens; faciles pietate coacti

Ingenio superi tribuunt sua munera pigro. 245 0 tantum illa dies, quae nil nisi corporis huius

Jus habetj expectet, quantum sat facta tuorum

Dicere : perpetuas aequabunt carmina laudes.

Haec scripta interea Musis et Apolline nullo

Carmina certa pii reverenter pignora sunto.

217 d. h.' exiguiej divitiia Alberti* 218 d. h. bei Eelheim. 232 d. h. mit uoeerm schwachen quae «eqaitur Doujen sonoruni. 222 Abach Lobe. 244 ingenuo M. 249 d. h- pii^tatis

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250 Fortis ab Almanno ducens genus Hercule darum Hercyniae saltus, genitorem, flumina liquit Cmn iuvenum lecto superans examine fauces Danubii Theodo. Latium concusserat orbem. Clara viri soboles fatis maioribus aptus

255 Thessolo Romanos victricibus exuit armis, Et liquidas rutilo tinxerunt sanguine rippas Apsus et Ausoniis demissus ab Alpibus Oenns. Norica quae quondam, depulsis terra colonis, Bawara dicta fuit, penitus quod faucibus imis

260 Verba trahens oris vasto producit hiatu. Unde Caput gentis facto cognomine dixit Hospes Hiantopolim Latius, quam cardine verso Forte Ratispontem mutata voce vocamus. Nobile Francorum meruit victoria sceptrum.

265 Magna quod Ausonii Germania libera semper, Aerius Arsacidum regno Parthique ferocis, Inperii repulit vires alto obiice Rheno Danubioque vago (peregrinus quatenus oras Claudit et Euxenio mutat septemfluus undas

270 Aequore Romanos riserunt arva minaces), Francia mutato veteri cognomine facta est. Magnus in Almanna regum fortissimus aula Carolus unde satus Germano semine surgit

meae. 251 flumine M. 257 Apsus, die

Abens. 258 In den Annalen von 1511 (im Besitze des Freiherm E. v. Oefele, vgl. oben 748) hat Aventin nachträglich im Anfange diese 3 Verse 268 260 an den Band geschrieben nebst einer Note über den Ursprung des Na- mens Bavarus , welche zur Erklärung dieser Verse imd zum Vergleiche mit Aventins spä- teren Ansichten (Ann. Buch I, S. 34) dienlich ist: Quomodo a veteribus Bavari adpellati. Ba- varus nomen futile ac vanum, semidocto vulgo protritum, nee latinum nee germanicum, recens est nuper ab imperitis usurpari coeptum. nus- quam apud veteres, nusquam in vetustis exem-

plaribus literis legibus tabulis invenio. semper Boioarios, aliquando et Boiarios scriptum lego. In bibliotheca annalibusque Regioburgorum tradi- tur, eam urbem Gynostadium hoc est Hiatus- polim oppidanosque Wawaros quondam cogno- minatos esse ob hiatum oris hiulcamque ac barbaram praecipue duarum particularum Wie Wo pronunciationem, id quod nostro aevo in ea urbe crebrum est. ita certe Wawariae voca- bulum in monumento divi Hemerami insculptum videmus. 266 feroceis M; Germania repulit vires acrius quam regnum Arsacidum. 270 arva riserunt = nationes contempsenmt

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Et duo Bavaricae praesentia numina terrae

275 (Sancta Radesbonnae monstrantur Mausolaea): Regius ArnolphuSj magni quoque frater Othonis HaimricuSj tumidas Hystri t^uem fecit ad undns Fraiicomm prinii Chunradi filia regia Gen tili faiietum nato generoBa parentem.

2Ö0 Qui proceruiii primus, tanti non Hominis haei*es, Francophora fasces suscepit sorte Latinos» Omnipotens iustos meruit fortuna trimuphos; Appula cum Daums, Calabri loca culta Galaesi Sycanias urbes Etlmaeaque regna Pelasgis

285 Abstulit ac dictis iussit parero Latini.

Albis ubi tnagnus saevit, (quo liniite beilax Semper in ambiguaö scissa est Germania partes), Connnus est Getici perpessus frigora coeli; Victor et in medio posuit tentoria campo,

290 Vistula qua lentus rapidusque Suevus oberrant. Pannonaa inmites demissa grandine coelo Terruit et domitos Romana lege coegit. Kupibus a Scythiae profugos Hunnosque palantes Summovet atque statas compellit figere sedes,

295 CalvuB ubi late sinuoso tiexus in austruni Caecius anfractu socio curvatur ad Eurum Danubio (Augustae proceruni fortiasimus aulae Suscipit Albertus gentiö genns unde vetustum Austriacae)j Phoebi radiis quae matutinis

300 Proxima Teutonico eignata est nieta colono»

276 Aventin { Werke I, 129) : Arnulphus, herzog in BRim^ 9137, li^t zue Kegene^>urg. 270- 278 Hier bat At entin, wie ich glaube, zwei Heinriche noch züäammenjfeworfen, welche er »piitt^r richtig- unfceraebied; v^L %. B. Ann. Buch V, S. 26, 18- DiniH Honoricns jAecuncIus impemtor Pius felii caemr auf^stiii? regulu!^ Boiorum, fitiu» Honorict secundi öt Gisalae^ filiae Chunradi rej^s Bur- gundionum, nepo« Honorici primi, fratria ger- moni imperatorin Otonis Magni* In Regenaburi?

ist sowohl der Groasvater, der Eaijier, ala der Vater begraben; vgl. Aventinsa Werke I, 12-** 277 Aventin Annai Buch V^ y. 26: natu>< est Heinrieus imp, AbudiiMJ (vicua eist et arx Boiariae inferions in ripa Dnnubii), 2H4 d, h, Aetnaeaque. 285 LutiniJtV 2!r*0 Aventin

Ann. Buch I, 46 Gutallus, qui et Suema et Odera. 295 AnnaL IV, p. 450: sopra Caecimn niontcni, qui Calvua (Kahlenberg) e-^t, reperio HuDitiam proprio nominari, intra Avariara.

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Innumeros taceo; tenui, die, tibia flatu,

Die Hludvieum atavum, felicis gnata Rudolphi,

(Qui tumidos iusto devieit Marte Boemos

Caesar et Austriacae reparavit stamina gentis), 805 Quem peperit, dominae maior qui gloria Roiiiae,

Legibus augustis firmans populariter orbera,

Inperiosa senis violenti fortiter ora

Fert hylaris; tumidas fregit elementia buUas.

Pannonas edomuitque ferum Rhenique leonem 310 Egit ad extremos fugitivura enare Britannos;

(A vietore duplex suseepit Saxone nomen

Anglia cum Pietis tellus divisa eolonis).

Quid patrem Albertum? eui einetus ubique nivosis

Montibus Hereyniae pugnax diadema Boemus 315 Detulit et solio dignum meliore probavit;

Sed pia nobilitas non eapta eupidine eaeeo

Se speetans vieit, tenui prudentia regnat.

Rarior aeternam peperit vietoria famam.

Ohara duei soboles, genitorem nomine maior 820 Vietriei referens, (praestanti eorpore vires

Pectoris ingenuas iunxit Venus alma nepoti;

Non speeiem fallax peregrinam foenerat aurum).

Dum iuvenis dulees, rerum meliora seeutus,

Inlecebras patriae linquit, non degener agris 825 Incubuit notis, exeelsas oeyus Alpes

Nobilitas superans, sapientis tendit ad urbes

Italiae eultas; duplicem seetatur Ulyxem.

Sanctus Aventino iuvenem de eolle Senatus

Extulit et dominae decoravit gratia Romae. 330 Unde saeras patriam secum deduxit ad urbem

302 Annal. VII, 333, 25: Mathylda (Rudolphi 327 vgl Aventin AnnaJ, VII, 530 'Nicolaus Cusa

imp. filia) peperit Litayicum IV Caesarem au- Alberto, parenti heroum nostrorum, tum in Italia

guatum, unde orijjrinem patemam ducunt nostri et Romae literia studenti opus de globo dedi-

reguli. 305 = qui , major gloria dominae cavit*. Chronik im Ende 'Albrecht . . war der

Romae , fert. 308 tumidos M. 315 vgl. lateinischen Sprach vor andern teutschen forsten

Chronik VIII, S. 572. 317 d. h. tenui loco. wol kündig. Man hat in für den witzigsten Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XVII. Bd. m. Abth. 102

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Pyerides, ans Phoebum temploque dicavit, Herculeos comites, magnarum numina reruin. Os tenerum Clio culto sermone figurat, Scabricie linguam, dentes rubigine purgat.

335 Euterpe vacuo tenuis quae notio spectro Conponit, penitus sensu sie exuit omni Et duplici metas inquirit calle latentes. Fecimdo memori iungit Polymneia vultu Connubio sacris numeris dominantia verba,

uo Ore regit populum, dictis et pectora fingit. Ut solet indomitum magnetis carmine ferrum Omnipotenti trahi, domino velociter haeret Quodque suo, celeris damnat plebs inscia cursus. Melpomene Samiis abacos onerasse figuris

345 Gaudet et humores rimoso condere cribro.

Omnia posthabet, ut numeris conponat Olympum. Terpsichore gemino Septem discrimina vocum Pamasso condit, plausus imitata sororum: Et spacium numeris signans arguta sonoriff

350 Doria separat a Phrygiis et Lydia miscet.

und weisisten fürsten im tentschen Land gebal- ten. 332 Herculeos comites, nicht 'Herculeas', da auch Phoebus mitgerechnet wird. 333 377 Die Namen und die Geschäfte der neun Musen sind schon Yon den antiken Dichtem und Künst- lern verschieden ausgetheilt worden. Leider konnte ich nicht finden, welcher wahrschein- lich modernen Darstellung Aventin hier ge- folgt ist. Jene Lehre von der Musik des Welt- alls, der Harmonie der Sphären, welche beson- ders bei Martianus Capella Buch ü, § 117—126 mitspielt, klingt auch hier durch. 333 ge- schrieben ist in der Zeile latio, darüber culto M. 334 scabriciae M ; vgl. über diese Reinigung des Mundes Martianus Cap. § 226. 335 'Eu- terpe gestaltet im wesenlosen Scheine, was duf- tiges Bild ist, so beraubt sie gänzlich allen Sinnes und sucht auf zwieföltigem Pfad (Doppel- flöte) verborgene Ziele (Wirkungen) zu erreichen* Traube. Bei Capella II, §. 125 handelt diese

Muse von der Philosophie. Damach sind Aven- tins Worte vielleicht so zu deuten: E. erfssst das flüchtige Wesen der unfassbaren geistigen Vorstellungen (Phantasiebilder), löst von allem Sinnlichen los und erforscht geheime Dinge auf zwiefachem Wege (der reinen und der Natur- philosophie). 338 Die Poesie? Polymnia, be- gabt mit gedächtnissreichem Blicke, bindet zu fruchtbarer Ehe gebiet-ende Worte in heilige Rythmen (d. h. der Text ist die Hauptsache, die Melodie Nebensache). Wie der Zauber des Magnets Eisen fesselt, so hält sie die Menge von unbedachtem Handeln zurück. 344 Die höhere Mathematik. Sie bedeckt Tafeln mit pythagoreischen Figuren, kann Flüssigkeiten in einem Sieb festhalten und die Himmelsräume berechnen. 346 conponit M. 347 Die eigent- liche Musik. Auf den zwei Höhen des Pamass lauscht sie auf die Gesänge der Schwestern, unterscheidet die 7 Töne und die verschiedenen

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Ipsa graves primum monachi resonare pedum vi Nervös et peregrinas distraxisse per urbes Edocuit vacuasque argenti inflare cicutas Ignotos cantus, qui solo Caesare digni.

355 ütilior cunctis elementa Thalia Camoenis

Commodat, omne suis specialis mensurat et umbra Instituitque globum manibus parere peritis. Cuncta probans mentem sibi consentire superbam Cogit et a propriis inimicus luditur armis.

360 Templa deurn certo lucentis Urania arces Describit radio varios coelique labores Spectat et humanos casus solatur ab astris Aetheris antiquos renovans post saecula mundos. Sublimes Herato rutilanti vertice tangit

365 Ignes, sed medio figit sub pondere plantam: Quis volucris pigrum stabili, scrutatur, Olympi Lege polum vertat, speciosa singula mente Quisquis continuet, tristisve Diespiter alto Nubila concutiat, nubes sie igne chorusco

370 Dividat atque cavas; cum terris aethera miscet, Secernens dominis moriturum sensile diris; Quicquid agit toto, spectat, rex Juppiter orbe. Optima Calliope mortales temperat actus.

Tongeschlechter. 351 Aventin Aimal. Buch III, S. 404, 20: Constantini Copronymi imperatoris . . ad Pipinum munus: organon. dentis ex albo plumbo conpactum est, simul et foUibus isflatur et manuum pedumque digitis palsatur. ^Sie lehrte zuerst, starke Saiten (am Pedal) ertönen zu lassen unter dem kräftigen Fusse des Mönches, sie in fremde Städte zu verbreiten und hohle Silberröhren zu erfüllen mit nie gekanntem, nur des Kaisers würdigem Schalle*. 353 yanos argentique M, variasque schrieb Traube in Hin- blick auf die verschiedene Grösse der Orgel- pfeifen; ich zog vacuasque vor. Vgl. Lucrez V. 1379 Zephyri . . sibila . . Agrestes docuere cavas inflare cicutas. 355—359 Nach Traube's Auf-

fassung ist Thalia auch hier als Muse des Schau- Spiels geschildert: Nützlicher als die andern Musen verbreitet Thalia die Bildung und misst alles in zutreffendem (suis) Lichte und Schatten- bild und lehrt die Welt sich fügen erfahrener Hand. Da sie alles aufweist, zwingt sie über- müthigen Sinn ihr beizupflichten und (so) wird der Böse mit eigner Waffe geschlagen. Diese Erklärung hat mich nicht befriedigt; vielleicht ist doch an eine mathematische Disciplin, wie die Geometrie, und an Kunststücke, wie die des Archimedes, zu denken. 360 Astronomie. 364 Physik. 36^ aber ihre Sohle heftet sie auf die in der Mitte befindliche Erdenmasse.

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Ipsa sui spectatrix, vultu semper eodem,

375 Laeta sibi, summam censet doluisse malonim Seque polo dignam fingens virtutibus ambit Imperiosa deum atque animis coelestibus infert. In medio recubans divinum conspicit orbem Phoebus et aethereos inspirat in arte furores

880 Magnanimosque duces factis extendere famanri. Principis Alberti tantis formata magistris Haesit ubique comes pietas generosa parenti, Loniter et viduam Boium nutrivit in oris. Fraternos mitis tribuit prudentia fa«ce8.

385 Et misero facilis dementes commodat aures,

Semper ubique suis praesens, non scriba potentes Vexat avarus opes; dotales non habet arcas Maior amica; deum non auspex comparat aras Foedus adulterio, (mystae sibi cuncta superbi

390 Indulgere solent; vertunt in Candida nigrum). Nata domi sordent; Scythicis celebratus ab arvis Princeps Albertus, procermn meliore senatu Nobilior, tenui vixit prudenter in aula, Pectore non humili sortem perpessus utramque.

395 (Difficile non est sapienter vivere magnis Divitiis; inclusam possidet arca Minervam). Sancta duci coniunx Augustis edita divis (Est scelus infami castos laudarier ore Mores): fatalis vivunt concorditer annos

400 Et ducibus Boiam replent feliciter aulam. Non alias voluit deus et fortuna coire

374 Philosophie ? 378 orbem d. h. der Mu8en. Herrschaft. 388 Diese Erbitterang über die

380 vielleicht ist hier ein Vers ausgefallen. verdorbenen Sitten der Geistlichen drückt Aven-

383 Aventin Chronik VIII, 596: Anna von tin in seinen spätem Schriften immer stärker

Braunschweigk, so ain lange zeit hernach gelebt, aus. Conrad Celtes hatte die gleiche Ansicht,

zu Münichen gehaust hat und gestorben ist. 397 *uzor Kunegundis, filia Friderici et Leo-

384 Albrecht hatte anfänglich wegen der Herr- norae Caesaris et soror Maximiliani Caesaris

J4i hilft /ieuiVH'h v'n^le Streitigkeiten mit seinen ingressa est coenobium' Aventin im IlauskcUen-

Brikkm; a. 14Ö7 ol^erliess ihm Sigmund die der a. IbOS. 401 vgl. V. 1—5. Mit der Unter-

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Norica regna sibi. Boio sub praeside tali

Saecula neverunt Parcae melipra peractis;

Largior et cupidi satiatis undique votis, 405 Tempore quae longo fruges inviderat agris,

Agricolae pleno respondet Copia cornu.

Mitior aethereos animat modo Spiritus orbes.

Martia cmn Phrygiis alternant Doria Musae

Atque pii sacro recinunt Helicone poetae, 410 Norica dictatis comitantur saxa iocosis:

"Maximus Albertus numerosa prole beatus

Nestoreos videat felix cum coniuge soles

Et soboli rerum generosae tradat habenas."

Divo Maximiliano a Deo Coronato imperante aerae Christianae

anno MDVU.

Ad patrios Norici Apsi tumulos cecinit Joannes Aventinus.

Exacuat radios Phoebi dum Syrius ardens Atque calor uimius corpora nostra gravat.

Schrift vffl. die oben (S. 747) citirte: Joannes 'Exacuat etc,': Äventin im Kalender: a. 1507 Aventinus cecinit a. 1508 divo Maximiliano a Juni Abensperg; Juli Abensperg. Exacuit? deo coronato feliciter imperante. Unterschrift

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