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V\ ^j C G <p x.

ABHANDLUNGEN

DER

PHILOSOPHISCH-PHILOLOGLSCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BATERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTER BAND.

IK DER BSIHB D£B DENKSCHRIFTEN DER XLVI. RAXD.

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REFORMAirmoSnl^^^ARES 75.

^ALUOFORLOCATIOR K. AKADEMIE,

\ BEI 6. FRANZ.

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Inhalt des XIII. Bandes.

I. Abthcilung. ggj^^

Zur Textkritik der Nibelungeu. Von Konrad Uofmann l

Die ältesten Verordnungen der Venezianer fiir auswärtige Angelegenheiten. Ein Beitr£^ zur Geschichte des völkerrechtlichen Verkehrs. Aus archivali- schen Quellen von Dr. Georg Martin Thomas 07

Confucius und seiner Schüler Leben und Lehren. III. Die Schüler des Confu-

cius. Nach chinesischen Quellen von Dr. Joh, Heinrich Plath . . . 149

]J. Abt he Hang.

lieber das Wesen und den Werth des wedischen Accents. Von Martin Ilamj 1

Confucius und seiner Schüler Leben und Lehren. IV. Sämmtliche Aussprüche von Confucius und seinen Schülern, systematisch geordnet. I. Nach chine- sischen Quellen von Dr. Joh. Heinrich PPith 109

Ueber den Hauptzehnt einiger nordgermanischer Rechte von Konrad Maurer 211

IIJ. Abthcilung.

Die Eustehungszeit der älteren Frostufingslog. Von Konrad Maurer ... 1

Ein neuer Kambyses-Text. ilit 1 Tafel. Von Dr. Ixiuth 85

Die Parakataloge im griechischen und römischen Drama. Von Wilhelm Christ 153

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ABHANDLUNGEN

DER

PHILOSOPHISCH-PHILOLOGISCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTEN BANDES

EB8TE ABTHEILVire.

IN DBB BEIHE DBB DENKSCHRIFTEN DER XLVL BAND.

MÜNCHEN,

1872,

VERLAG DER K. AKADEMIE,

IN COMMISSION BEI G. FRANZ.

i

Inhalt.

Seite Zur Textkritik der Nibelungen. Von Konrad Hoffnann 1

Die ältesten Verordnungen der Venezianer für auswärtige Angelegenheiten. Ein Beitrag zur Geschichte des völkerrechtlichen Verkehrs. Aus archivalischen Quellen von Dr, Georg Martin Thomas 97

Confucius und seiner Schüler Leben und Lehren. IIL Die Schüler des Con-

fucius. Nach chinesischen Quellen von Dr. Joh. Heinrich Flath . . 149

i

Zur Textkritik

der

Nibelungen.

Von

Konrad Hofmann.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. I. Abth. 1

-

- ••

Zur Textkritik der Mbelimgen

von

E. Hofmaim.

Wenn man die Hauptrecensionen des Nibelungenliedes in Bezug auf die Strophenzahl unter sich vergleicht, so ergiebt sich bekanntlich, dass der Hohenems - Münchner Text A die wenigsten hat, nämlich 2316, der S. Galler oder die Vulgata, B, um 62 mehr, nämlich 2378, der Hohen- ems-Lassberger endlich 2440, das heisst um 61 mehr als B und um 124 mehr als A.

Die Vertheilung der Mehrstrophen ist eine auffallend verschiedene. Während nämlich im Verhältnisse von B zu C die Mehrstrophenver- theilung ziemlich gleichmässig durch das ganze Werk geht, doch so dass sie im 2. Theile etwas zahlreicher werden, fallen im Verhältnisse von A zu B die Mehrstrophen fast alle in einen verhältnissmässig sehr kleinen Raum, nämlich 57 Mehrstrophen von 62 fallen in die 325 Strophen von 338 663, also in ein einziges Siebentel des Ganzen, während in den übrigen 1991 Strophen B nur 6 oder eigentlich 5 mehr hat als A.

Die folgende Doppel-Tabelle veranschaulicht dieses Verhältniss. Sie ist im Ganzen nach Hunderten angelegt, bringt aber das entscheidende Verhältniss zwischen A und B durch die Zwischenzahlen zur Evidenz.

1*

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L

1 . .

B

C

B

C

A

.V;.' 100

99

99

100

100

101

200

201

202

200

201

199

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300

301

303

300

302

299

338

339

347

339

347

338

400

421

430

400

409

385

500

535

541/42

500

511

469

600

650

655

600

604/5

555

663

720

727

700

707

645

700

757

764

720

727

663

800

857

865

800

807

743

900

959

967

900

907

843

1000

1060

1069/70

1000

1011

941

1100

1160

1183

1100

1111

1040

1200

1260

1282

1200

1224

1140

1300

1360

1387

1300

1327

1240

1400

1460

1488

1400

1427

1340

1500

1560

1596

1500

1533

1440

1600

1661

1700

1600

1640

1540

1700

1762

1803

1700

1739

1638

1800

1862

1 906/8

1800

1841

1738

1900

1963

2016

1900

1946

1837

2000

2063

2119

2000

2053

1937

2100

21G3

2222

2100

2157

2037

2200

2263

2322

2200

2258/9

2137

2300

2363

2422

2300

2360

2237

2316

2379

2439

2379

2439

2316

(63) (60)

(60) (124)

Aus diesetn hier klargelegten Zahlenverhältniss kann man hypothetisch folgende Schlüsse ziehen.

Nimmt man an, dass die Vorlage von A aus Quaternionen bestund, wie fast alle Handschriften des Mittelalters aus solchen bestehen und daa3 der ^siebente Theil, in welchem sich die Zusatzstrophen fast aus- ,. 9ch%sslicli.iinden; einen besonderen Quaternio bildete, so ergiebt sich, dass auf der Seite 20 Strophen, also in 2 Columnen je 10 Strophen stunden. Nimmt man sieben solche Quaternionen zu 16 Seiten, 26 Co- lumnen, 40 Zeilen auf der Columne an, so ergeben sich 2240 Strophen, 76 weniger als A hat. Daraus folgt, dass die Anzahl der Strophen auf

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der Columne nicht ganz gleich war (dass manchmal 11 stünden!) öder dass eine Lage, wie in A die letzte, ein halber Quaternio oder ein Qnin- ternio zu 20 Seiten war. Auf die vier Seiten, die der Quaternio ttfihr hat, vertheilt, ergeben die übrigen 7G Strophen wieder 20 ätif die Seite, 80 zwar, dass die letzte Columne nur noch 4 Strophen Text enthielt.

Daraus folgt ferner, dass die Vorlage des Codex A göradef so Viel volle Blätter hatte, als A selbst, nämlich 58, denn 116x20 = 2320, also = der wirklichen Strophenzahl von A, mehr 4, Welches* dife 4 Strophen sind, die nach der obigen Ausführung in der letzten Cölütifine der letzten Lage leer blieben. Der Schreiber von A liegte sich'* die gleiche Blätterzahl zurecht, schrieb aber enger, weil er ausser" 'der ^^^ibe- lunge Not auch noch die Klage unterzubringen hatte. '" ' ':■•'•

Die wichtigste und für den weiteren Verliauf "der Unter- suchung absolut massgebende Folgerung daraus i'st üun diese: Die zweite Lage von den 7 oder 7^2 der Vorlüge von A gehörte einer kürzeren (und in Folge dess'öri' w'ähr- scheinlich älteren Textesrecension an), während di6 6 öbri- gen in der Strophenzahl mit B, der Vulgata, biö" äü'f 'öine kleine Differenz übereinstimmen.

Vergleicht man das Zahlen verhältniss weiter, so folgt', dasä 'diese kürzere Recension, der der zweite Quaternio angehörte, ungefähr 400 (7X57 = 399) Strophen weniger hatte, als die Vulgata, folglich 1974, in runder Zahl 2000.

Die Annahme gerade dieser Hypothese zur Erklärung der 'unbe- streitbaren Thatsache beruht nun auf folgendem psycholbgischeü Grunde (gegenüber denen, welche B als Grundtext festhalten): Es ist'kaum denkbar, dass ein Schreiber während des Copirens eines Siebentels der Dichtung in einem solchen Zustande von Zerstreuung gewesen sein sollte, dass er ganze 57 Strophen vergessen und ausgelassen 'hättej' wäh- rend ihm dieses in den übrigen 6/7 ifiur mit 4 oder 5 S'tfopiidn be- gegnet wäre. Geht man dagegen von A als Grundtext ^äus, so haben wir es mit dem Dichter oder Bearbeiter von A zu thun, der dknn sein Werk in so eigenthümlicher Weise hergestellt habien niüsäte, ' daiss der üeberarbeiter in B, der Verfasser der Vulgata, nur in dieseiü e/inzigen Siebentel 57 Strophen zuzusetzen nothwendig oder passend fand, während

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er sonst die Strophenzalil so gut wie unverändert Hess. Von C ist hier nicht besonders zu reden. Ich finde die eine dieser Hypothesen so un- annehmbar wie die andere und halte die dritte, im Anfange entwickelte für a priori wahrscheinlicher, nach welcher das verlorene Siebentel einer erweiterten Recension aus einem dieser Erweiterung vorausgegan- genen oder zu Grunde liegenden kürzeren Texte ergänzt wurde und so A entstand.

Da unter solchen Umständen dieses Siebentel von besonderer Wich- tigkeit ist, so wird vor Allem im Einzelnen zu untersuchen sein, wie sich die Mehrstrophen von B und C zum Texte von A verhalten. Vor der entscheidenden Partie sind in B und C nur zwei Strophen nach 102 eingefügt (man erlaube mir diesen anticipirenden Ausdruck), als deren poetisches Motiv sich erkennen lässt, dass sie die Str. 103 näher motiviren sollten. Der Entschluss des Königs kam zu abrupt. So ist denn also bis zu Strophe 338 die Differenz zwischen A und B nur eine Strophe, da B die ebenso berühmte als unglücklich gebaute erste Strophe nicht hat, während C schon da und dort nach seiner Weise Mehrstrophen hat, die hier noch nicht in Betracht kommen dürfen, sondern an ihrem Orte im Zusammenhang zu besprechen sind.

Nach 338 (ich meine natürlich immer die Strophenzahl von A) haben BC zwei Strophen, durch welche 399 motivirt wird. Gegen den zu schroffen üebergang von 338 zu 339 lässt sich vieles sagen und ich gestehe (anticipando), dass diess die einzige Stelle ist, an welcher man auch nach strengster und oft wiederholter Erwägung sich des Gedankens nicht erwehren kann, dass auch in A eine Strophe ausgefallen sei, in welcher die Gesellen, welche in 339 namhaft gemacht werden, zuerst collectiv genannt wurden. Kür absolut nothwendig kann ich diese feh- lende Strophe gleichwohl nicht halten.

Nach 341 zwei Strophen in BC. Grund: Die Etiquette war ver- letzt, zuerst musste die Königin Mutter berücksichtigt werden, dann kam erst die Prinzessin.

Nach 348 vier Strophen, die einen Dialog fürstlicher Personen ent- halten. In 345 hatte Günther freilich schon das Wesentliche gesagt, aber nicht motivirt genug. (In A vermisst man diese Schneiderstrophen natürlich gar nicht.)

Nach 358 eine Strophe, welche ausführt, dass die schönen Kleider nicht bloss bestellt und in Arbeit genommen, sondern auch fertig ge- macht wurden und nun der Abreise nichts mehr im Wege steht. Das sagt diese Strophe ausdrücklich, aber es versteht sich auch ohne sie von selbst.

Nach 359 eine Strophe. In 359 sollten die Herren sehen, ob ihnen ihre neuen Kleider gut stehen, sie sollten sie anprobiren. Damit war aber noch nicht gesagt, dass sie ihnen wirklich nach allgemeinem ürtheil sitzen, wie angegossen. Das für Damen unentbehrliche Lob der kunstreichen zarten Hände holt B rücksichtsvoll in dieser Strophe nach.

Nach 376 eine Strophe. In Str. 375 hatte sich Prinz Sigfrid fast zu viel vergeben. Die Strophe erinnert uns, dass nur seine Leidenschaft für Kriemhilt ihn diese Maske annehmen lässt und er seine Würde nicht einen Augenblick vergessen hat.

Nach 383 drei Strophen. In Str. 383 gehen die Damen ,, schauen"» Was sie sahen, sagen die Zusatzstrophen, wir wissen es längst.

Nach 385 eine Strophe. 385 sagt, sie ritten, wie es ihnen ihr eilen gebot. Wie gebot ihnen nun ihr eilen? Das sagt 385*.

Nach 392 eine Strophe. Einleitung zu 393, wo Brünhild fragt, wer die Recken seien. Es musste ihr also nothwendig (meint der Er- gänzer) gemeldet sein, dass überhaupt Recken kamen.

Nach 394 vier Strophen, weil es als eine grosse Lücke erschien, dass nicht alle vier genau beschrieben waren, da dem Kämmerling ob- lag, auf der Königin Frage vollständigen Bericht zu erstatten.

Nach 417 eine Strophe. Es schien unpassend, nicht zu erwähnen, welches Kleid die Königin zum Kampfspiele gewählt hatte. Die Damen wollten und mussten das natürlich wissen.

Nach 419 eine Strophe. In 419 beginnt Günther sich zu fürchten. Was er sich dabei dachte, sagt 419*, und leitet dann auf Dancwart in Str. 420 über.

Nach 421 eine Strophe. Die Drohung in 421 wird deutlicher und mit bestimmter Angabe der bedrohten Person wiederholt, welche Nie- mand anders ist als Brünhild.

Nach 428 eine Strophe, welche zwischen 428 und 429 vermittelt.

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Nach 429 eine Strophe, welche ebenso zwischen 429 und 430 ver- mittelt.

Nach 432 eine Strophe, welche in ihrer Art ausgezeichnet ist, näm- lich durch ihre Galanterie. Zartfühlend und höfisch lässt der Dichter der Strophe die Gerstange umkehren, um Brünhild nicht zu verletzen. Heroisch ist das aber nicht. Wir werden weiterhin sehen, wie diese Strophe ganz im Sinne von G ist, und doch hat sie schon B.

Nach 437 eine Strophe, die den Uebergang von 437 auf 438 bildet, aber doch nur sagt, was sich von selbst versteht.

Nach 442 drei Strophen. Feiner Witz, hübsche Ausmalung. In A geht die Sache zu einfach vor sich. Sigfrid kömmt, findet Brünhild besiegt und äussert rücksichtslos seine Freude darüber. Das ist seine ganze Verstellung. Wie kunstlos!

Nach 486 eine Strophe. Nochmalige Ausführung des bereits in Str. 486 Gesagten und zum Abschluss Gebrachten. Aber es war hier durch Verwendung der sprichwörtlichen Rede vom nach dem Tode schicken, ein Witz anzubringen, was sich der Dichter der Strophe nicht entgehen lassen wollte.

Nach 491 eine Strophe, in welcher etwas nachgeholt wird. Nicht blos Gold und ,,wip", sondern auch Dienstmannen sollte sie mitführen und zwar gerade so viel, als Sigfrid höchst unnötiger Weise aus Nibe- lungenland geholt hatte.

Nach 497 eine Strophe, in der sich Hagene wegen der Botschaft entschuldigt.

Nach 499 eine Strophe, in welcher motivirt wird, warum Sigfrid in Strophe 500 bei Erwähnung seiner Geliebten plötzlich ganz bereit war, die Botschaft anzunehmen. Folglich, war der Schluss, musste er es ja vorher abgelehnt haben und dies geschieht nun wirklich in 499*.

Nach 519 zwei Strophen. In 519 weint Kriemhilt. Nun trocknet sie ihre Thränen und wird fröhlich. Das war in A vergessen, freilich versteht es sich von selbst.

Nach 526 zwei Strophen, in welchen 526 weiter ausgeführt und gesagt wird, was die Burgunden auf Sigfrids Rath thaten.

Nach 529 eine Strophe. In 529 hatte nämlich A die Hofdamen vergessen. 529* ist eine der zahlreichen Hofdamenstrophen.

Nach 531 eine Strophe. Die Hofdamen waren wieder vergessen worden und verlangten ihre Strophe.

Nach 532 eine nothwendig anzubringende flofdamenstrophe.

Nach 540 zwei Strophen, den Hofdamen gewidmet, Ortwin und Gere waren vergessen.

Nach 551 eine Strophe. In 551 würden die Gezelte genannt, hier werden die Damen hineingeführt.

Nach 554 eine Strophe. 557 wird hier vorbereitend motivirt.

Nach 559 eine Strophe. In 559 werden die Tische aufgestellt, in 560 wird das Wasser zum Händewaschen vor Tische gebracht, es fehlte also das Auftragen der Speisen, welches in 559^ nachgeholt wird.

Nach 582 eine Strophe, Ausführung von 582.

Nach 583. eine Strophe, Einleitung zur folgenden Scene und üeber- leitung von 583. Man vermisst es in A nicht.

Nach 585 eine Strophe, Uebergang von 585 auf 58G. Was Brün- hild in 586 sagt, war aber durch 585,4 schon hinlänglich motivirt.

Nach 589 eine Strophe, in welcher vorläufig erzählt wird, was Günther später (Str. 600) sagen wird.

Nach 601 eine Strophe. Der Uebergang von 601 auf 602 in A schien abrupt. Hier ist die Ueberleitungstrophe.

Nach 607 eine Strophe. In 608 geht der König vom Tische. Hier wird nachgetragen, wie er bei Tische sass und was er dabei fühlte.

Nach 628 eine Strophe, welche den Uebergang zwischen 628 und 629 bildet und die Erklärung von 629,1 gibt.

Nach 637 eine Strophe, die einfach aus der folgenden 639 genom- men ist.

Nach 640 eine Strophe, in welcher gesagt wird, warum Kriemhilt des Erbes entrathen konnte.

Nach 655 eine Strophe, in welcher ausgeführt wird: das Fest war noch herrlicher, als das in Worms, also Climax.

Nach 662 eine Strophe, in welcher der Etiquette ihr Recht ge- schieht. Wenn Günther einen Sohn hatte, so musste auch gesagt wer- den, wie für seine Erziehung gesorgt wurde. Ein erstgeborner Prinz durfte nicht so *kurz abgethan werden.

Hier hört der massenhafte Zufluss neuer Strophen auf und es

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I Abth. ' 2

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kommen durch das ganze übrige Gedicht nur noch ein paar sporadisch nachgezQgelt.

Nach 882 eine Strophe. Geschmacklose ;Schmeichelei der Jäger gegen den Prinzen Sigfrid; aber er ist so artig, darüber zu lächeln.

Xach Ö86 eine Strophe, Erweiterung aus 886 und 687.

Nach 999 eine Strophe. Man vergleiche Lachmann, Anmerkungen z. d. S. zu der Stelle. Die Strophe ist Amplification aus 998,2.

Nach 1598 eine Strophe. Amplification aus 1599,2.

Nach 1614 eine Strophe. Ziererei und falsche Bescheidenheit im offenen Widerspruche mit 1617.

Nach 1818 eine Strophe. Der Dichter derselben hielt für noth- wendig, ausdrücklich zu sagen, dass die Burgunden im Turniere siegten. Man zweifelt ja aber ohnehin nicht daran.

Man sieht, diese sämmtlichen Mehrstrophen bieten nichts inhaltlich Neues, sondern sind nur Folgerungen und Erweiterungen aus dem, was bereits in A gestanden hat. Von keiner einzigen dieser Strophen lässt sich be- weisen, dass sie eine andere Quelle haben müsse, als den kürzern Text in A.

Wenn nun die^e Krweiterungen fast auscbliesslich in ein Siebentel des (ianzen fallen, wogegen die paar übrigen Zusatzstrophen kaum in lietracht koinmen, so darf man ja wohl daraus den Scbluss ziehen, dass in den übrigen sechs Siebenteln deshalb keine Zusatzstrophen mehr angebracht wurden, weil sie schon angebracht waren, und das (jedicht in der llichtung blosser Erweiterung den zeitgenössischen Dich- tern ganz abgeschlossen und vollendet erschien.

Der Dichter von C hat die Sache auch oflFenbar so angesehen und er hat hei seiner Thätigkeit nicht die Zahl der Strophen direct ver- mehren W(jllen, sonst hätte er nicht so viele weggelassen, was B nie- mals gethan hat. W(;nn er gleichwohl wieder eine Anzahl Strophen mehr hat, als 1>, so geht diess au^> seiner Tendenz hervor, welche nur durch die Dütailuntersuchung seiner sämmtlichen Mehrstrophen und Ver- änderungen der Vulgata mit hinlänglicher Schärfe und Sicherheit erkannt und bourtheilt werden kann. Wir gehen also abermals das ganze Ge- ilicht durch in Üezug auf das Verhältniss der Strophendifferenz zwischen

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B und C. Die Bemerkung muss ich vorausschicken, dass ich 1) der Gleichförmigkeit wegen und weil meine Aufzeichnungen einmal so an- gelegt sind, die Strophen von B nach der Zahl von A citire, und dass ich 2) mich des allgemeinen Ausdruckes B bediene, wiewohl ich recht gut weiss, dass derjenige Text, mit welchem C verglichen werden muss nicht B selbst, sondern eine Variation von B ist. Da dieser aber nicht vollständig vorliegt, so bleibt nichts übrig, als sich an B zu halten.

Str. 3 fehlt in C. Warum ? Sie ist doch höfisch genug. Ich denke die Reime lip:wip, welche sich am Schlüsse von 2 und 3 wiederholen, haben den Schreiber von C verführt, sie zu überspringen oder gar wegen der Gleich - reimigkeit absichtlich weg zu lassen. Entbehrt kann sie füglich werden.

Die 7. Strophe ist in C passend noch der vierten gesetzt, denn in AB wird die Mutter der Helden erst genannt, nachdem schon der jam- mervolle Tod ihrer Söhne erwähnt ist.

Str. 21 fehlt in C. Mit Recht, denn sie ist leer.

Nach 22 hat C eine Ergänzungsstrophe zwischen dem Inhalt von 22 und 23. Aber das Schweigen (gedagen v. 4) deutet darauf hin, dass dem Verfasser von C der ganze Verlauf der Sage vorschwebte, dass für ihn das Gedicht ein Ganzes war und er auf künftige Erzählung verweist, von der er weiss, dass sie nicht ausbleibt.

Die Strophe 25, welche ungeschickt zwischen 24 und 26 eingescho- ben ist, hat C mit Recht ausgelassen. In 24 zieht man das KindSig- frid, in 26 lässt man das Kind Sigfrid selten ohne Aufsicht reiten und in 25 reitet er schon erwachsen zu Hofe.

Nach 44 hat C eine Strophe, genommen aus 44. Er wollte nicht Krone tragen, fuhr aber einstweilen mit Heerfart in fremde Länder. Bei dieser Gelegenheit kam ihm die Kunde von der burgundischen Maid. Also ist diese Strophe zugleich geschickte Ueberführung zur nächsten Aventüre.

Nach 93 eine Vennittlungsstrophe zwischen 94 und 95, der In- halt genommen aus 96, gerade darum fehlt nun aber in C die Strophe 96, weil sie schon in 94* untergebracht ist. Welches ist denn nun die Unschicklichkeit, die C entfernen wollte? Ganz einfach die logisch falsche Strophenfolge. In C heisst es, /Sigfrid sollte den Schatz theilen (93), dafür gaben sie ihm im voraus zum Lohne das Schwert Balmung (94), er konnte es aber nicht zu Stande bringen und musste (94*) den

2*

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Schatz ungetheilt lassen. Darüber gerieth er mit den Mannen der Kö- nige in Streit und erschlug einen Tbeil davon sammt den zwei Königen, die andern bezwang er (95,97). In AB heisst es dagegen in 95, er erschlug die 12 Riesen und zwang die 700 Recken zur Unterwerfung, in 96 wird diese Unterwerfung von Land und Burgen vollzogen und in 97 erschlägt er erst die beiden Könige und kommt durch Albrich in grosse Noth. Von Seite der Logik ist diese Aufeinanderfolge absurd und C's Aenderung richtig.

Nach 130 hat C eine Hofdamenstrophe (und zwar in archaischer Form), denn wenn Sigfrid den Damen so imponirte, so mussten sie doch auch fragen, wer er sei. Man findet wohl leicht einen Grund für C, diese Strophe zuzusetzen, aber keinen für B und A, sie wegzulassen, wenn sie sie vorfanden.

Eine Strophe nach 271, in welcher die Frage, auf welche 272 Ant- wort gibt, ergänzt wird.

Nach 324 eine Strophe. Günther hat in 324 zu wenig gesprochen, er motivirt seinen Entschluss nun näher und will sich berathen, wie er auch bei Sigfrids Werbung um Kriemhilt direct den Rath der Herren einholt. Aus dieser Zusatzstrophe folgt nun consequent die nächste 327*, welche an 324 anknüpft und zwischen 327 und 328 vermittelt

Nach 329 zwei Strophen. Ergänzung dos Dialogs in Rücksicht auf Etiquette. Es war nicht schicklich, dass Hagene anstatt des Königs das Wort ergriff Jetzt steht die Sache in C schicklich so, dass, nachdem Günther gesprochen und darauf Sigfrid replicirt hat, Hagene einen ver- mittelnden Vorschlag macht.

Nach 334 zwei Strophen. Erklärung der Tarnkappe in 335, aber die Angaben sind alle aus 335 337 erschlossen, wobei der Verfasser noch auf die falsche Folgerung geräth, dass alle Zwerge oder viele davon Tarnkappen tragen.

Nach 372 eine Strophe, in welcher Günthers Rede in 372 ergänzt und weiter ausgeführt wird. Der Stoff ist aus Str. 388 genommen.

Nach 419 hat schon B eine Strophe mehr, C noch eine zweite. Es war zu erwähnen, dass man dem vorher unbewaffneten Günther allein seine Waffen brachte, weil nach 421 Dancwart über seine und seiner Brüder Waffenlosigkeit klagt.

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Nach 423 eine Strophe. Die Königin erklärt, dass sie die Drohung verachtet und deshalb in 423 erlaubt hat, den Burgunden ihre WaflFen zurückzustellen. Brünhilt wird in C (wie Kriemhilt) gehoben, ihr Hel- denmuth und ihre Kraft ins Licht gesetzt, wie bei Kriemhilt die edle Gesinnung und Schonung der Unschuldigen oder minder Schuldigen. Das Alles zeigt, wie G nach einem festen Plane arbeitet.

Nach 475 zwei Strophen. G lebt schon in einer skeptischen Periode und macht sich auf vorwitzige Einwendungen von jungen Freigeistern ge- fasst, denen er hiemit vorbaut. Wo aber solche Reflexionen anfangen, da ist der alte naive Glaube ans Volksepos entschieden im Wanken. Im wahren Epos darf so etwas gar nicht vorkommen. Es wäre gerade, wie wenn .ein Prediger auf der Kanzel mitten in der Rede anhübe: Nun könnte man fragen, geliebte Zuhörer, ob denn das Alles nicht blosse Phantasie und erlogen ist?

Nach 481 fehlen in G 5 Strophen von A und mit der, welche ß mehr hat, im Ganzen sechs, die durch zwei andere ersetzt sind. Dies muss also wohl ein ganz klassischer Fall für die Behandlungsweise von G sein. Die Strophen 483 486 in AB, dazu 486* in B, ein leiden- schaftlicher, ungemessener Ausbruch von Brünhilds Geiz, sind dem feinen G mit Recht ein grober Anstoss gewesen und er hat die ganze ärger- liche Scene getilgt. Wie konnte auch eine Königin wegen Geldsachen mit einem Hofbeamten öffentlich sich herumzanken. Hier ist ein Punkt, wo man entschieden sagen kann, G hat diese Weglassung nicht in seiner Vorlage gefunden, sondern er hat sie selbst vornehmen müssen, um dem Gedichte die feine höfische Färbung zu geben, die er erstrebt (und auch erreicht). Veranlasst sind die Strophen in AB durch 482. Aus demselben Grunde musste G auch noch 489 tilgen, denn eine Strophe, in welcher zwei Dienstmannen über die Königin lachen, konnte er nicht dulden.

Nach 497 hat B eine Strophe, in der sich Hagene wegen der Bot- schaft entschuldigt. Seine Motivirung ist G anstössig. Wie konnte Brünhild sich den groben Hagen als Schatzmeister, Garderobier und Ge- sellschafts ca valier gefallen lassen und wie konnte er selbst dazu kommen, sich eine solche Rolle zu wählen? Dass Hagene in G Siegfried statt seiner vorschlägt, ist eine feine höfische Aenderung.

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Str. 500 hat C gänzlich geändert und zwar in demselben Sinne, wie 303,4. Neben der Rücksicht auf die Könige gebührt sich Rück- sicht auf die Königsschwester. Es war unschicklich und unmotivirt in BA, Sigfrid Günthern seine flehentliche Bitte zuerst abschlagen, dann plötzlich gewähren zu lassen, als er von Kriemhilt und ihrem Danke hört. C duldet ja überhaupt nicht, dass einem regierenden Herrn ins Gesicht widersprochen werde und daher ist seine Umarbeitung der Strophe consequent und hofmässig. Auch das sere vlegen war unpassend. BA überlegt das nicht, sondern will eben nur Sigfrids Ver- liebtheit aufs Kräftigste hervorheben.

Str. 546 hat C weggelassen wegen des unhöfischen dicke umar- men und küssen.

Str. 555 weggelassen, wahrscheinlich, weil es zur Zeit und an dem Orte, wo C verfasst wurde, nicht üblich oder schicklich war,* dass die Da- men in solcher Weise von den Rittern in ihren Zelten besucht wurden.

Nach 565 eine Strophe, die auf 572 vorbereitet. Der weitere Zu- satz, dass Günther seine Mannen bittet, ihn bei der Werbung zu unter- stützen, ist der Sitte gemäss und höfisch, hier aber ganz müssig, denn sie helfen ihm doch nicht und er hat sie auch gar nicht nöthig, da er die Angelegenheit allein in kürzester Frist ohne den geringsten Wider- Spruch von Kriemhilt beendigt.

Nach 601 eine Strophe, in der Günther zeigt, was er von seinen arebeiten davongetragen hat. Das Blut, welches aus den Nägeln dringt, ist aus Strophe 623 anticipirt.

Anstatt 609 10 hat C eine einzige Strophe, die den Gegensatz zwischen Günther und Sigfrid schildert und die Einleitung zu 611 bildet. C musste 609 10 weglassen, weil es ganz unpassend war, dass Gün- ther und Sigfrid zu gleicher Zeit zu Bette giengen. Günther war doch der Landesherr, üebrigens muss diese ganze Stelle weiterhin noch einmal besprochen werden. Es ist nämlich eine von denen, wo mir eine Emendation angezeigt scheint, nämlich 608,3 Günther statt Kriem- hilt und 308,4 küniginne statt küniginnen. Abgesehen davon, ob diese Conjectur eine glückliche ist, musste C 609 und 610 auch darum weglassen, weil in 608 Sigfrid bereits mit Kriemhilt ins Schlaf- gemach gegangen war, in 609 10 aber wieder mit ihr am Tische

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and unter dem Gesinde sitzt. C zeigt hier glänzend seine feine Ueber- legung.

Nach 622 hat C vier neue Strophen. Die höfischen Leute^ für die er dichtete, wollten natürlich nicht immer von feinen Gewändern, Hof- zucht und artigen Reden unterhalten sein, sondern auch einmal etwas Pikanteres hören, wenn sich eine schickliche Gelegenheit dazu bot, wie hier, wenn je, sich eine bietet. Die moralisch sehr bedenkliche, künst- lerisch hochgelungene Scene wird in diesen 4 Strophen nun weiter aus- gemalt. Man wollte ja wissen, wie sich die Hauptperson, König Günther, dabei verhielt. Dass es ihn sehr lange däuchte, stund zwar schon in 623, aber diese lange Weile musste auch ausgefüllt werden (md G hat das gethan, ohne eine einzigen unschicklichen Ausdruck zu gebrauchen.

Nach 642 fehlen zwei Strophen. Warum? Weil Hagen die Königin Kriemhilt gröblich beleidigt und sie trotzdem gegen ihn den Kürzeren zieht und nachgeben muss. Diese zwei Strophen waren also für C zu plump.

In Str. 66'*,3,4 hat C die fast alberne Aeusserung von AB vortreff- lich entfernt.

Str. 711 fehlt in C mit Recht, denn es war höchst unschicklich von Gere, zu sagen. Jung und Alt sollten zuhören, wenn er ^em Könige die Botschaft bringe. Er, der Abgesandte Sigfrids, konnte doch die Leute von der Gasse nicht in den Königssaal, wo er eben Audienz haben sollte, einladen.

Nach 720 hat C eine Strophe, Die Hofdamen waren vergessen. C vergisst sie aber nie.

Zwei Strophen nach 756, Verbindung herstellend zwischen 756 und 757. Zu diesem Belaufe wird 766 anticipirt. Aber Brünhild fragt dann doch nicht, warum Sigfrid den „Zins versessen" hat, sondern Kriemhilt fängt den Streit an und erst, als sie in Zorn geräth, spricht Brünhild von Sigfrids vermeintlicher Dienstbarkeit. In der zweiten Strophe muss auch schon der Teufel helfen. Hier hat C ihn allein. Bekanntlich macht sich der Teufel überall um so breiter, je mehr der wahre Glaube ab- handen kommt; hier der epische.

Str. 768 fehlt in 0. Der Inhalt ist in 766,4 gezogen und in 756* schon anticipirt. C wollte üas Zinsverhältniss überhaupt stärker her-

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vorheben upd dadurch mehr Folge in den Zank der Königiaaen bringen. Kriemhilt durfte dann auch nicht zuerst vom Zinse anfangen, wenn Brünhild den ganzen Streit auf ihn gründen wollte. Alles das hat C fein geändert.

Str. 830 fehlt in C. Es ist darin vom König in groben Ausdrücken der Missachtung gesprochen^ er ist Heuchler, falsch, ungetreuer Mann in einem Athem genannt. Das war für C, den höfischen^ zu arg; aber

857 muss er doch die vil ungetriuwen steh n lassen. Dort ist frei- lich Günther nicht direct genannt und der Vorwurf vertheilt sich auf ihn, Hagen, Giselher und Gernot.

Nach 848 eine Strophe. Hagen muss seinem Herrn doch sagen, dass er seinen Auftrag mit Erfolg ausgerichtet hat. lassen es in

858 sagen, 858 aber lautet bei C ganz anders.

Kür 858 hat C eine üebergangsstrophe, in welcher 858,4 allein weiter und gewisser Massen als Programm der Zukunft ausgeführt wird. Die Untreue, welch in AB Günther und Hagen trifft, wird hier auf die Brüder ausgedehnt, ihre Abwesenheit von der Jagd voraus bemerkt und ihre passive Schuld, durch Verschweigen des Mordanschlags, hervorge- hoben. Den übrigen Inhalt von 858 lässt C weg, denn die Verse zwei und drei hatte er schon untergebracht. Der Inhalt von v. 1 wird erst 861,1 als eben geschehen erzählt, darf also nicht schon hier mitgetheilt werden. Man sieht hier wieder deutlich die feinen Erwägungen von C.

Nach 905 eine Strophe, Amplification von 905 und Verherrlichung von Sigfrids hohem Sinne. Schöne höfische Strophe.

Nach 936 eine Strophe, ähnlich, wie 905*, Hervorhebung des Un- dankes und der Untreue.

Nach 938 eine Strophe, ganz in dem Sinne, wie 905* und 936*.

Die Mehrstrophe nach 942 ist höchst wichtig für die Geographie von C Er kennt Ottenwalt, Ottenheim, Lorsch, lauter Rhein- localitäten, er tilgt die Berge bei Worms, weil er sie für wirkliche Berge hält und weiss, dass es dort keine giebt (Siehe weiter unten).

Nach 993 fehlen zwei Strophen. Wahrscheinlich war das Ceremo- niell nicht genau beobachtet und hat C das in Ordnung gebracht. Drei Tage lag Sigfrid auf dem Paradebette und Krimhilt wachte bei ihm, am vierten wurde er vor dem Münster im Kirchhofe begraben.

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Woran nun C Anstoss nahm, war wohl diess, dass die von ihm aus- gelassenen Strophen schon während der drei Aussetzungstage vom Seelen- opfer sprechen, welches aber erst nach dem Begräbniss dargebracht wird (heutzutage nach dem Trauergottesdienst).

Srophe 1000 ist ebenfalls eine Opferstrophe und wohl aus dem gleichen Grunde, wie 994, 995, von C getilgt.

Nach 1012 zwei Strophen. Der Anfang von 1012* ist zwar schon 1010 gesagt, aber der Schluss und 1012^ bilden den üebergang zu 1013. Sigmund war so elend, wie Kriemhilt.

In Str. 1013 musste man daher den Herrn Sigmund bringen, in AB geht er. Die Aenderung war nöthig wegen 1012\

Nach 1052 zwei Strophen, Vermittlung zwischen 1052^ und 1053, Gernot muss nach Giselher sprechen nnd so wird sie endlich überredet. In AB gelingt Giselhern allein die Ueberredung; aber es wird nicht naher gesagt, wie. Die beiden Strophen in C sind sehr geschickt ein- gesetzt.

Strophe 1059 ändert C zallen ziten von BA in von allem rehte, weil es nicht wahr ist, dass Sigfrid die Tarnkappe zu allen Zeiten trug. Vom Standpunkt des Gedichtes aus und einen anderen kennt C nicht, trug er sie nur zweimal.

Nach 1064 eine Strophe. Es war zu erklären, wie die Burgunden dazu kamen, Nibelungen zu heissen. Das geschah dadurch, dass sie Landesherren wurden. Abgesehen davon war auch zu ergänzen, was das Nibelungenland für ein Schicksal nach Wegführung des Hortes hatte.

Die Strophen 1077 1089 sind in C besser geordnet mitRücksicht auf 1080,1, in folgenderweise lOSOhalb, 1077, 1080 halb, 1078, 1079, 1081.

Nach 1082 die bekannten und vielgenannten acht Lorscher Kloster- strophen. Hier sind alterthümliche Reime mit Vorliebe und Absicht verwandt (üoterguote zweimal, solderwolde) und doch ist die ganze Lorscher Klostergeschichte sicher einer der jüngsten Zusätze. Der Zu- dichter fand eben im älteren Werke U o t e so gereimt. Darum sind aber auch archaistische Reime auf Hagene kein Beweis für hohes Alterthum. In der letzten der Lorscher Strophen ist der Ausdruck über Rtn (im 4. Verse) eigentlich auch falsch und nur ganz allgemein zu nehmen,

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I. Abth. 3

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denn Lorsch lag auf dem rechten Rheinufer und die Nachrichten aus dem Hunnenreiche brauchten nicht über den Rhein zu kommen, um nach Lorsch zu gelangen. Aber der Dichter meint eben auch nicht Lorsch, sondern Worms und das ist richtig.

Nach 1114 eine Strophe, Ausführung von 1114.

Nach 1191 sind zwei Strophen weggelassen und nur ein Theil von 1193 in 1191* untergebracht. C hat weggelassen, dass die Boten fort wollten, denn es verstund sich von selbst, dass sie blieben, bis sie ihren Auftrag zu Ende gebracht hatten. Die Zeit durfte ihnen nicht lang werden. Auch waren sie wirklich erst vier Tage da, denn die Berathungen der hohen Verwandten giengen in der erstgesetzten drei- tägigen Frist vor sich, üebrigens ist noch die Strophe 1191 corrupt (fürsten statt fürstin) und konnte von C also nicht gebraucht werden.

Nach 1201 hat C eine auffallende Zusatzstrophe. Dass Etzel Christ gewesen und wieder abgefallen war, ist nach unseren Begriffen viel schlimmer, als wenn er immer Heide gewesen wäre. Dem Verfasser von C muss es dennoch anders vorgekommen sein. Üebrigens ist dies aus der Klage genommen.

Nach 1228 eine Strophe. Günther musste der Etiquette genügen und seiner Schwester eine Strecke weit das Geleite geben; aber auch andere, die durch kein Hofamt dazu verpflichtet waren, giengen frei- willig mit.

Nach 1229 zwei Strophen. Erweiterung, die erste aus 1229,1,2, die zweite aus 1229,3,4.

Nach Str. 1237 eine Strophe, gezogen aus 1236,3 und 1238,1, üf inBeierlaut, also nächste bairische Station von Passau folglich Plattling.

Nach 1352 eine Strophe Ergänzung aus 1352,4 genommen. Ein König darf nicht so kurz sprechen. Ueberall führt C diese Halbverse weiter aus.

Str. 1633 und 1634 hat C sehr schicklich umgestellt und umstellen müssen, denn wie konnte der Markgraf die Unsitte begehen, zuerst Gernot zu beschenken und dann seinen Bruder, den König?

Nach 1654 zwei Strophen, welche der Tendenz von C entsprechen^ Krimhilts Rache auf Hagen zu concentriren und ihr die Treue gegen

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Sigfrid als einziges Motiv zu geben. Strophe 1655 hat C richtig aus- gelassen, denn die Burgunden kommen ja noch nicht, sondern werden erst angekündigt. C lässt keinen Zweifel in der Sache. AB ist so verwirrt, dass L'achmann aus den drei Strophen 1653 55 sein XVI' machte.

In Stn 1663 hat B sol si holden haben, d. h. der soll ihr treu sein. Das ist nicht genug. C sagt, sie soll ihn lieb haben, da Sigfrid für sie verloren ist.

Eine Strophe nach 1682. Diese Zusatzstrophe konnte doch nur gemacht werden, nachdem das Ganze schon fertig war. Der zweite Raub ist ja selber ein neuer Zusatz.

Nach 1755 drei Strophen, in denen C die fehlende Beschreibung der berühmten Etzelenburg passend nachholt. Es muss Wunder nehmen, dass heutzutage noch Etzelburg auf Gran gedeutet wird, da doch das Stadtrecht von Etzelburg, d. h. einem genau bestimmten Theile von Altofen längst publicirt ist und wir es also hier einfach mit einer wohl nachweisbaren geographischen Thatsache zu thun haben.

Nach 1775 eine Strophe, um 1775,4 einzuschränken, wo zu viel gesagt war. Hier ist wieder die Tendenz Hagen zu isoliren.

Die Strophen 1810 14 sind in AB unklar. C hat sie verbessert.

Nach 1817 eine Strophe. Unnöthig, da man ja die Rachegedanken Krimhilts längst kennt, übrigens aus 1817,4 amplificirt, und sonst in merkwürdigem Widerspruch mit der Tendenz von C, die Rache der Krimhilt auf Hagen zu concentriren.

Nach 1835 zwei Strophen, Zusätze, um 1836,1 zu motiviren. 1837,1 ist aus B sehr hübsch geändert.

Nach 1837 zwei Strophen mit der Tendenz, Hagen zu isoliren, wie 1175'.

Nach 1848 drei Ceremoniellstrophen mit Tafelanordnungen, wie 1835'.

Die Strophe 1849 hat C geändert, um Krimhilts böse Absicht zu entfernen.

Nach 1857 eine Strophe, in welcher Etzels königlicher Anstand hervorgehoben wird, wiewohl er ein Heide und Hunne ist. C zeigt sich hier so zu sagen als Kosmopolit.

3*

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Nach 1888 eine Strophe, auf Strophe 1850 bezüglich. Es soll er- klärt werden, wie Hagene so geradewegs das Kind köpfen konnte. Es wurde nämlich eben noch herumgetragen.

Nach 1939 zwei Strophen, in denen gesagt werden soll, was Diet- rich und Rüdiger begannen, als sie den Saal verliessen. In der zweiten unnöthige Reflexion und wieder einmal alterthümlicher Reim in Zu- satzstrophe.

Nach 1963 zwei Strophen und Veränderung von 1964. Von Etzels Benehmen nach Volkers Schelte war noch nichts gesagt. Man möchte aber wissen, wie er den- Schimpf hingenommen. Die Hörer waren neu- gierig darauf, darum wurden solche Strophen zugedichtet. Im Weiteren ist 1963' aus 1964 erschlossen. Zuerst war von Krimhilts Bestechungs- versuch die Rede, dann von Etzel, der inzwischen nicht erwähnt war, dies holt C nach. 1964* ist dann Einleitung zu 1965.

Nach 2023 eine Strophe, wieder zu Ilagens Isolirung und mit Bei- ziehung des Teufels (während in der späteren Str. 2041 Hagen auch schon im gemeinsamen Text isolirt wird).

Nach 2057 eine Strophe, in welcher erklärt wird, wie die Bur- gunden es in dem brennenden Saale so lang aushalten konnten.

Nach 2094 eine Strophe, Amplification von 2094. äne triuwe tot beliben ist aber ein sehr unglücklicher Ausdruck, denn der Ge- gensatz, der so herauskommt, ist geradezu absurd: Ich will lieber arm in die Verbannung ziehen, als hier treulos oder ehrlos sterben. Das versteht sich ja von selbst. Dem Dichter von C muss das aber anders erschienen sein, sonst hätte er die Strophe unterdrückt. Vgl. unten.

In Str. 2097,2 hat C versaget gut in widersaget geändert. Man muste, ehe man den Kampf begann, Friede und Freundschaft auf- kündigen und Fehde ansagen.

In Str. 2113 besserte sehr glücklich. Die Verse, die dafür in BA stehen, sind ungemein platt.

Vor 2138 lässt C eine hier ganz unpassende Strophe aus, die den Gang der Rede unterbricht.

Nach 2159 eine Strophe, die unpassend aus 1951 und 1953 zu- sammengestoppelt ist und die wirkliche Lücke, die durch Giselhers un- vorbereitete Rede entsteht, nicht ausfüllt.

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Nach 2228 eine Strophe, müssig und ohne Noth zwischen Helfrich und Wolfhart eingeschobener christlich sein sollender Zusatz, von dem aber die gleiche Bemerkung gilt, wie von 2094*. An solchen Stellen kann man am schärfsten die Differenz zwischen den historischen, dem ewigen Veränderungsgesetze unterworfenen, und den allgemeinen unver- änderlichen Geschmacksregeln erkennen. Wenn ein so feiner Kopf, wie C, den wir sonst oft bewundern und fast immer anerkennen müssen, Verse macht, die uns schlecht scheinen, so muss ihm die Sache offenbar in einem anderen Lichte erschienen sein, als uns, und muss seine ästhe- tische Perception von der unsrigen differiren.

Nach 2258 fehlt eine Strophe. Der Grund der Auslassung ist wohl einzusehen, wenn man Str. 2254, 2256, 2258, 59 und 60 unter sich vergleicht. In den drei letzten beklagt Dietrich den Tod seiner Helden, zuerst insgesammt, dann namentlich. In Strophe 2258 fragt er nun mitten hinein, ob denn auch von den Fremden Jemand übrig geblieben sei, während er diess in 2254 als selbstverständlich vorausgesetzt hat. Solchen Widerspruch duldet der Ordnungssinn von C nicht, darum musste die Strophe hinaus, die man denn auch gar nicht vermisst.

Nach 2305 eine Strophe, in der noch einmal zum Schluss Hagens Untreue hervorgehoben wird, die ihn sogar seinem Herrn, dem König Günther, den Tod wünschen lässt. Die Strophe ist übrigens doch nur aus 2305,3 und 2307,4 geschlossen.

In Str. 2309,3,4 wird trotzdem noch einmal ein Drücker gegen Hagen angebracht. Nach 2316 noch eine Strophe. Es ist, als wenn diese zwei letzten Strophen auf die Klage anspielten. (Bartsch S. 320 und 348 sagt diess auch ausdrücklich.)

Hiemit sind wir mit den Mehr- und Minderstrophen von C gegen B und A zu Ende. Damit ist aber nur ein Theil der Frage behandelt, denn da C auch ausserdem an fast unzähligen Stellen von AB differirt, 80 müssen auch diese, der Vollständigkeit wegen, beigezogen werden. Da es unmöglich wäre, sie im gemessenen Räume dieser Abhandlung alle zu besprechen, so finde ich am passendsten, gerade diejenigen zu behandeln, welche Bartsch in seinen Untersuchungen über das Nibelungen- lied (Wien 1865, S. 13 49) hauptsächlich vom Standpunkt des Reimes aus behandelt hat, und zwar der Bequemlichkeit des Lesers wegen in

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derselben Reihenfolge der Strophen. Natürlich muss ich mich, um einer solchen Masse gerecht zu werden, des knappsten Ausdruckes bedienen.

1336. C erstrebt engere Verbindung mit Str. 1335.

368. Die Reime in AB an: an, am : am lagen zu nahe.

650. Die logische Verbindung zwischen der 3. und 4. Zeile wird in C hergestellt und das gesinde sind die man.

956,3* C findet unpassend, dass die Nibelunge so nahe bei Erim- hilt und ihren Frauen geschlafen haben sollten, dass sie sie weinen hörten. Auch mussten sie es, wenn überhaupt, ja gleich im Anfang hören. Uebrigens rührender Reim, den C nicht zulässt.

1126,3. C scheidet Günthers Empfang von Gernots Empfang. Grammatisch schlecht ist ja: Günther und Gernöt enpfie. C ist ganz klar.

1285,3. C will an nicht auf an reimen, und nicht die Vasallen sollten Ehre vom Empfange haben, sondern der Königin sollte Ehre er- wiesen werden.

645. In AB reimt die ganze Strophe auf an. Das konnte C nicht dulden.

1499. C fand Anstoss daran, dass Hagene sich traurig nannte. Die Lesung in AB mag auch wohl corrupt sein. Auch D nahm Anstoss und liesst: trürec was sin muot, sehr gut, denn der Dichter kann yon Hagen sagen, was dieser nicht von sich selbst sagen darf.

1518,3. C fand den Ausdruck der Verwerfung für eine solche Greuelthat zu schwach.

332. C nahm an dem wiederholten so Anstoss, auch war es über- flüssig, Sigemundes sun zu sagen. A konnte übrigens, da er frun sagt, Sigemundes sun und so bin ich dir frun ganz gut aufein- ander reimen lassen.

288. In AB kömmt grüezen dreimal vor, eines tilgt C. Dann 8agt Gemot zu Günther m e i n e Seh wester, während sie doch u n s e r e ist.

123,3. C mag eben von vrun oderfrum auf sun nichts wissen, dagegen sunituon ist ihm nicht anstössig.

1851,3 gleicher Grund für C.

535,3. In Str. 776 steht auch Arabin:Rin in BAC. Da hat C eben ganz einfach egalisirt, während AB verschiedene Formen an ver-

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schiedenen Stellen haben. Man sieht in C die grosse Rücksicht auf das Ganze. Uebrigens kömmt A rabin nicht nur in den Nibelungen, sondern auch in Massmanns Denkmälern 141' vor, vgl. Benecke-Müller Mhd. WB. I. 52. .

349,1. merket wazich sage war wohl für eine vornehme Dame zu unhöflich ausgedrückt. Solche Reime, wie sagertragen, lebenigebe sind noch in der Gudrun und können also in den Nibe- lungen nicht Archaismen heissen.

2305,3. In AB ist Construction dno xoirov, diese tilgt C auf die einfachste Weise.

920,3,4. Der Ausdruck in A ist unklar. Was hätte Sigfrid gern gethan? Getrunken? Das versteht sich von selbst. Davon gegangen? Das ist eine platte Reflexion. Sigfrid wäre auch gern aufgestanden, wenn Hagen ihn nicht erstochen hätte. C hat die Sache ganz deutlich, zu deutlich, wenn man will, gemacht. Uebrigens passte ihm vielleicht auch nicht der Reim dänrtän, wiewohl er manrhän (32) reimt.

32,3. C fand, dass in AB zu sehr anticipirt war, erst das Fest, dann Sigfrids Ritterschlag. C ist daher bestimmter.

40,1. C verwirft den Reim wän : man.

68,1. Sie (König und Königin) sorgten um ihren Sohn, der ihnen doch mehr gelten musste, als die 12 Recken. In AB ist der Ausdruck allgemein und Sigfrid mit seinen Recken zusammengeworfen, daran nahm der höfische G Anstoss.

179,3 Lachmanns Bemerkung zur Stelle genügt. Der Ausdruck in AB ist zu allgemein.

185,3. G fand den Ausdruck in B ungenau und da Sigfrids Hel- denmuth dem Liudegasts gleich gesetzt wird, ohne Zweifel auch un- höfisch. Also hob er Sigfrid.

194,3. AB haben gar nicht in, sondern deutlich iu. Nicht mit dem gebesserten in, sondern mit iu hatte es also C zu thun und das ist doch ein ganz elender Ausdruck: „Muth, vorwärts, heute geht es euch noch schlimm!"

195. C will offenbar keinen rührenden Reim, denn sonst hat er in der Strophe gar nichts geändert.

236. Die Gonstruction ist im Tempas falsch, es musste muose

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stehn und dann muöse gelesen werden« C hat also grammatisch ge- glättet und nebenbei den Reim berichtigt.

265,3. Auf sit liegt der Nachdruck der Aenderung. C nimmt Anstoss daran, dass die schönen Frauen jetzt schon, während den zweiunddreissig Fürsten erst das Gesidele bereitet wird, sich schmücken sollen und sagt dafür correct, dass ihnen später, als sie wirklich kamen ^ die erwarteten Eingeladenen, die geschmückten Jungfrauen entgegengiengen. Es ist dies ein sehr schöner Fall, der zeigt, wie die Aenderungen von C nur dann begriffen werden können, wenn man ganz genau so zu sagen definirt, was in B gesagt ist, und es dann immer im Verhältniss zur nächsten, näheren, manchmal auch zur ent- fernteren Umgebung betrachtet. Dann mag C oft pedantisch erscheinen, aber er ist ein tiefüberlegender, höchst consequenter Künstler, bei dem der Sinn überall die Hauptsache, der Reim durchaus Nebensache ist.

270, 3. Ich weiss nicht, ob C, wie Liliencron sagt, eine Abneigung gegen wider strit hat; aber der Grund der Aenderung ist der, dass in BA wieder die Zeitfolge verletzt ist und jetzt schon dasFestan- fängt, während sie sich erst zum Feste rüsten und noch nicht einmal be- stimmt ist, dass Kriemhilt, die Hauptperson, wirklich dabei erscheint. Wir nehmen an solchen allgemeinen Phrasen (so erscheinen sie uns) keinen Anstoss, während C Alles genau so fasst, wie es dasteht und die Consequenzen davon erwägt.

284,3. dicke bleich unde rot passt nur für Damen und nur für Momente höchsten Affectes. Sigfrid durfte seine heimliche Neigung nicht so oft durch Rothwerden verrathen.

319,3. Uebergang zu 320, wo Giselher ihn wirklich bittet, dazu- bleiben. Was man in B in Gedanken ergänzen muss, sagt C deutlich.

326,1. minne steht schon in der vorhergehenden Strophe. C va- riirt den Ausdruck.

349,3. Es ist unschicklich und unrichtig, dass Sigfrid Edelsteine liefern sollte. Er konnte gar nicht daran denken. Die Aufforderung richtet sich nur an Günther.

429,3. In C bestimmter. Dass Sigfrid neben Günther stund, das konnte diesen noch nicht trösten, wohl aber die Kunde, dass er diewerc für ihn begehen werde. Erkannt hatte er ihn ja auch schon Str. 428,

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das brauchte hier nicht wiederholt zu werden. Auch war der Ausdruck liebe getan hier, wo es sich um Rettung vom sicheren Tode handelt, zu schwach.

431,3. An der tarnkappe nahm also C Anstoss oder an der Construction mit fehlendem Verbum.

441,1. Der Ausdruck in B ist unbestimmt und schwankend, do daz wart getan, was ward gethan? in den weiten Palast gegangen, oder die drei Spiele bestanden und Brünhilds Unterwerfung erklärt? Das erstere wäre albern, da darauf folgt : man erbot es ihnen desto besser. Also musste C den zweiten Siim nehmen und den hat er klar ausge- drückt. Dadurch ist die unursprüngliche Strophe veredelt und assimilirt.

451. zer porten üf den sant war C anstössig, denn wenn üf den sant zu porten gehört, so muss es heissen üf dem sande, wenn es zu gie gehört, so folgt daraus, dass das schiffel auf dem Sande gestanden habe, was keineswegs gemeint sein konnte, denn es war schon im Wasser, weil Sigfrid sonst nicht gleich hätte hineinsteigen können. Diesse schiefe Auffassung wollte C, der Alles wörtlich nimmt, beseitigen. Uns genirt sie nichts Wir übersetzen oder paraphrasiren ganz einfach: er gieng zur Strandpforte des Schlosses und fand da sein Schifflein.

462,3. In B Wiederholung von da und von baut aus der vorigen Strophe. Freilich lässt auch C das doppelte vant in 462,3 und 464,4 unangetastet. Aber C bringt statt der Wiederholung einen ganz neuen Gedanken.

506. Die Etiquette war schwer verletzt. In B nimmt Sigfrid nur von Brünhilde und ihrem Gesinde Urlaub, nicht vom König. Diess holt C nach.

510,3. Der Ausdruck in B ist hinkend, in C die logische Ordnung vollkommen hergestellt.

586,3. Günther gehaz in B ist unhöfisch und auch nicht ein- mal wahr:

587. B hatte im 8. Halbvers für C eine Hebung zu wenig.

661,3. InB steht etwas ganz anderes als der Dichter sagen will. Krimhilt nahm Uotens Stelle ein, darüber klagten viele, als sie starb, nämlich Krimhilt. Das musste C ändern. Der Hauptanstoss liegt in daz.

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687,3. C ändert schon 687,1 in empfangen aus geherberget, weil die ganze Strophe in ceremonieller Beziehung bei B nichts taugt. Ze hove erloubet konnte ihnen nicht sein, da man einen Äugenblick vorher gar nicht wusste, dass sie kamen, geherberget konnten sie auch nicht werden, ehe man wüste, wer sie waren und was sie wollten. A und B verstehen vom Ceremoniell eben nicht die Feinheiten. Gere wird in C natürlich zweimal empfangen, zuerst vom Hofgesinde, dann von den Herrschaften, vergl. Str. 1122 ff.

722. In ist unlogische Construction. Was ward gethan? Das Reiten, das Schicken oder nach B das Scheiden der schonen schrine (wie falsch statt soumschrine in B steht, woraus C dann richtig leitschrine macht.)

896,2. Ein elliptischer Ausdruck. Was fehlt, ergänzt C.

952. In B ist ein var€()oy 7i()cn:6Qov. Krimhilt hob Sigfrids Haupt auf, da lag er. Umgekehrt! Gerade diese Halbstrophe hat auch Lachmann hinausgeworfen.

1102,3,4. Wiederholung von do, schlecht. In A fehlt das zweite do, also 3 Hebungen.

1110,3. C ändert sehr passend im Anschluss an den vorausgehenden Vers. Es war für Gotelind, die Frau des Vasallen, doch gar zu un- passend, zu sagen, sie und ihr Mann wollten die Königin kröne tragen lazen.

1125. C hat ganz Recht, denn da Günther Rüedigern gleich darauf zu seinem eigenen Sitze führt, so darf er ja nicht bloss aufstehen, son- dern muss ihm entgegengehen.

1136. Es war unschicklich, dass Günther nur seine mäge und man, und nicht sich selbst dem grösseren König zum Gegendienste erbietet. Der rührende Reim ist in B zu billigen, weil hän einmal Hülfsverbum, das andere Mal Hauptverbum ist.

1168. Sie hatten sich nach B 1167,2 gesezt. In 1169 stehen sie wieder auf. Dies motivirt C in 1168,4.

1220,3. Dieser Vers in C bildet die nothwendige, in B fehlende Vermittlung und den üebergang zu 1221. Ferner widerspricht 1220,4 in B gänzlich 1222,4.

122,4 ist in B ein ungeschickter und ungrammatischer Ausdruck,

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denh des bezieht sich formell auf neic, materiell soll es sich auf etwas ganz anderes, nämlich auf ihre Verlassenheit beziehen. Das be- seitigt C.

1240. Erst Str. 1259 erscheint Rüdigers Tochter in Bechlarn, um die Königin, zu deren Empfang ihre Mutter allein ausgezogen war, zu begrüssen. Also konnte sich in 1240 vernünftiger Weise doch nur Gotelind schmücken. Die Tochter hätte in ihrem Festkleide übernachten müssen, vgl. Str. 1244,3 und 1257,1.

1360,3. Was ward den Boten leid? Nach B, dass sie Hagen nicht am Rheine bleibenlassen sollten. .C ändert logisch : es ward ihnen leid, dass Hagen nicht blieb.

1438,3. Was war das für eine Ehre für die Königin, dass sie die Spielleute lohnte? ere getan heisst etwas ganz anderes: es war gross- müthig von ihr gehandelt, es gereichte ihr zur Ehre (2033), was hier gar nicht passt, denn es versteht sich von selbst, dass Krimhilt die Spielleute gut lohnte und gereicht ihr nicht extra zur Ehre.

1545. grimme ist eine inhärirende Eigenschaft, wie grausame. U.ebrigens vermittelt C den üebergang besser,

1555,3. War schon 1554,4 gesagt, C vermeidet die Wiederholung.

1586,3. In C wird auf 1585 geantwortet. Daher kömmt her- ber ge in den zweiten Vers, und dafür dienste in den vierten. Das ist präciser.

1635. C besser. Erstens bittet sie Hagen, sich etwas schenken zu lassen, zweitens nimmt er es an, drittens wählt er sich den Schild, widerreite ist schwer verständlich (und vielleicht corrupt.)

2131 32 müssten es aufklären, wenn es richtig ist: er vergalt es, indem er sich vom Kampfe gegen Rüdiger fernhielt; aber das that er nicht wegen der Markgräfin, sondern weil ihm Rüdiger seinen eignen Schild schenkte. Ein Schild scheint Zusatz. In der Vilkina-Sage ist es Rüdiger, der Naudungs Schild dem Hagen schenkt, wie er dort auch alle andern Gaben vertheilt. In diesem Falle (wenn widerreite vergalt bedeutet) käme es nicht von reden her, sondern von reiten = rechnen.

1654. der künic friesch ouch die maere in B ist Unsinn,

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denn in der vorigen Strophe weiss er es schon und fordert selber Kriemhilt auf, ihre Brüder einziehen zu sehen.

1762,1,2. Es ist in B unklar, dass die Gäste die Recken sind, die Construction ist also grammatisch mangelhaft. Das beseitigt C.

1831,1. für densal in B ist grammatisch falsch. Man kann sagen: sie gingen vor den Saal, aber nicht: sie stiegen vor den Saal ab (sondern vor dem Saale). Die Gonstruktion in B ist also nachlässig, dem Sinne nach freilich richtig (wie sie stuonden für den sal). Ferner, und das ist die Hanptache, waren sie schon da und kamen nicht erst hergeritten*

1935. über al in B ist ein wenig treffender Ausdruck. Da es sich von selbst versteht, dass Rüedigern alle seine Mannen folgten, so brauchte nicht gesagt zu werden^ dass im Ganzen (über al) 500 oder mehr folgten. C setzt dafür das nächstliegende ze tal d. h. über die Saalstiege hinab.

1776,1,2. Es ist in B gar nicht gesagt, was disiu sorge sei und Hagen hätte also fragen müssen, was für eine Sorge? C ent- fernt diess.

1807. B ganz gegen die Hofsitte. Zuerst setzt sich die Königin, dann ihre Damen um sie herum, dann die Herren. So ist es in C, während in B Etzel sich zuerst gesetzt hat und die Königin mit den Frauen sich dann neben ihn setzt.

1811. Die ganze Strophe ist, weil in B unklar gebaut, umgearbeitet.

1865. C lässt auf den ersten hypothetischen Ausdruck einen zweiten folgen, während in B ein positiver von einem hypothetischen abhängig gemacht wird. Uebrigens ist die Hauptsache die Aenderung von man in 8 i im ersten Verse.

1867. Diese Strophe ist in B ganz unhöfisch. Was konnte eine Königin den Knechten entbieten? uns aber ist logisch Dancwart und die Knechte. B versteht freilich darunter alle Burgunden, aber C nimmt die Sache genauer und fragt nicht nach Hintergedanken, sondern nach dem Wortlaut des dastehenden.

1929. Der Uebergang von 1929,1 auf 2 ist in B unvermittelt. Mir ist nichts geschehen lasst mich hinaus. Diess füllt C aus«

1966. In B ist Hagen um das Wohl der Hunnen besorgt und

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heisst Irinc, sie zurücktreten zu lassen, damit ihnen kein Leid von ihm (Hagen) geschehe. Das findet C unpassend und entfernt es (mit Recht).

1982. Was B sagt, ist einfach nicht wahr, denn Irinc bleibt nicht da, sondern läuft gleich darauf fort.

1993. C hat die Verse 2 und 3 für tautologisch gehalten, was sie nicht sind, denn B sagt: nähme er noch einmal den Kampf auf und kehrte noch einmal aus dem Kampf zurück etc.

2050. B sagt Widersinniges für C, denn das letzte Wort Etzels war Str 2017,4 und C hat in dieser Strophe gerade den Ausdruck aufs Höchste gesteigert: Keines von euch darf mit dem Leben davon- kommen. Das war also Etzels Gruss!

2064. Hier musste C allerdings, um das doppelte noch zu be- seitigen, den Reim verändern, in geht grammatisch auf den König und die Königin, dem Sinne nach aber auf die Burgunden in der vorausgehenden Strophe. Das war für C ein hinlänglicher Grund zur Aenderung.

2088,4. Rüdigers Rede in B, zwischen 2087 und 2090 gestellt, ist platt und leer. Von 2087 bis zu 2090 geht ein schwerer innerer Kampf in ihm vor. Warum soll er ihn durch diese nichtssagende Zwischen- rede unterbrechen, die noch dazu unrichtig ist, denn Krimhilt hatte ja vorher keine Gelegenheit gehabt, etwas von ihm zu verlangen.

2106 erschien C als falsche Construction, er verband mit fünf- hundert zwölf Recken sah man mit ihm gehen, denn dar über zwelf recken zog er zu 500 Mann.

2113. In B elender Ausdruck: Sie erschraken über die Unheils- kunde, weil sie sich nicht darüber freuten.

2147. In tiefe findet C eine Wiederholung des im nächsten Verse Gesagten. B sagt: der Hieb sass (wac ebene) und gieng tief, darauf, er gieng bis aufs Leben. Wenn er aber bis aufs Leben gieng, so ver- steht sich von selbst, dass er tief gieng, also Tautologie.

2242,4. Küene wird in B unmittelbar hintereinander zuerst von Hagen, dann von Hildebrand gesagt. Das ist doch wohl Armuth des Ausdrucks, dem C abhelfen muss.

55,4 unsicherer Ausdruck, denn Sigmund will gar nicht werben, nur Sigfrid will es. Das findet C nach seiner Weise incorrect.

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1 04,4. Sie hatten ihn nicht gegrüsst, denn dazu gehören Worte, sondern waren ihm erst auf die Treppe herunter entgegengegangen, also lässt B Sigfrid für etwas danken, was noch nicht geschehen war. Erst in der nächsten Str. spricht Günther Sigfriden an, grüsst ihn also, vgl. auch Str. 141.

139,4. gast in der alten Bedeutung war C anstössig, sie kamen ja nicht zum Besuche, sondern zum Kriege. Uebrigens noch der rührende Reim Liudegast: gast.

148,4. 1. Tautologie, Gernot versetzte, Gernot sprach (in der näch- sten Strophe). 2. Gerade vorher ist nach Gernot geschickt worden, nun wird er von Neuem und wie ein noch nicht Genannter eingeführt durch ein ritte r. Dieser vagere Ausdruck ist AB geläufig, C anstössig, wie wir wissen.

284,2. daz ist ein tumber wän war für C ein zu grober Aus- druck. Wie kann ein Königssohn von seiner thörichten Hofihung sprechen? und warum war er denn überhaupt gekommen, wenn er sein Werben für hoffnungslos hielt, denn das liegt im tumben wän. Der Ausdruck ist also auch wirklich, abgesehen von seiner ünhpfischheit, übertrieben und unwahr, wenn man es so strenge nimmt, wie C; denn Sigfrid hatte jetzt gerade so viel Aussicht, als zuvor. Ganz anders, wenn man die Sache vom freieren Standpunkte betrachtet, denn dann ist die Stelle schön und wahr. Sigfrid wird so von Kr. Schönheit überwältigt, dass er den früheren Muth verliert, denn sie ist noch herr- licher, als er sie sich gedacht hatte, folglich auch noch schwerer zu erringen. Das ist naturwahr, darum auch zusammenhängend und logisch.

303,4. In B, auch in A ist der Widerspruch, dass Sigfrid zuerst sagt, er werbe nach der Gunst der 3 Könige, dann unvermittelt fort- föbrt, euch zu liebe thue ich Alles. C ist feiner: wohl werbe ich nach der Gunst eurer Brüder, aber nicht blos ihretwegen, sondern auch euret- wegen. Er rückt also nicht mit der ganzen Liebeserklärung auf ein- mal heraus, wie in AB und das ist fein geändert. Gleich darauf ver- liert er wieder den Muth und will abreisen. Das ist unmotivirt genug, wäre es aber in einem noch höheren Grade, wenn er zuerst eine offene Erklärung gemacht und darauf, ohne von Kr. eine abschlägige oder auch nur ausweichende Antwort erhalten zu haben, fortgewollt hätte.

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C hat den Widerspruch, oder wenn man will, die übertriebene Launen- haftigkeit Sigfrids nicht ganz aufheben können, aber doch gemildert.

377,4. AB sagt eine Plattheit; denn wie sollte es Günthern leid thun, dass er die fremden Damen nicht kannte, die kennen zu lernen, er ja eben gekommen war. In C ist er dagegen so verständig, Sigfrid zu fragen, wer sie seien und dafür lässt sich C sogar einen rührenden Reim gefallen, denn der Sinn geht ihm über den Reim. Bei Bartsch freilich ist es umgekehrt. Ihm ist der Reim das Entscheidende.

415,4. In C ist der Ausdruck directer und stärker. Nicht bloss kühn musste sein, wer Brünhildens Minne begehrte, sondern er musste einen hohen Preis dafür einsetzen, sein Leben im dreifachen Wett- kampfe. Das will C andeuten,

455,4. Sigfrid steht vor der verschlossenen Thüre und kann also nicht wissen, ob der Riese drinnen steht oder sitzt oder liegt, stan lässt ihn AB. C lässt ihn nur überhaupt hinter der Thüre sein. Der Ausdruck in C ist insofern besser, als hier nicht von Sigfrid gesagt wird, er habe etwas gefunden, was nur der Dichter weiss.

501,2. BA hat in 5 Versen dreimal denselben Ausdruck für Kr. maget, mait, magedin. Den armen Ausdruck bessert C. C ändert auch noch werben in sagen, denn er sollte ja nichts verhandeln (werben), sonaern blos etwas verkünden.

545,4. AB hinkender Ausdruck allen der getriuwen vriunde die wir han. Ausserdem war in AB noch ein Verstoss gegen die Eti- quette. Str. 544,2 hat Kr. schon Brünhild empfangen (und sich dabei natürlich verneigt). Dann begrüsst sie sie in 545,1 3 mit Worten. Dann küssen sie sich 545,4. In BA ist Alles verkehrt. 544 wird em- pfangen, dann geküsst, 545 erst gegrüsst, dann verneigt, 546 umarmt und zwar oftmals und ebenso oftmals geküsst. Eine einmalige Umarmung mit Kuss war Hofsitte, nicht eine bäurische oder mindestens für die Kö- niginnen, die sich jetzt zum ersten Male sehen, viel zu familiäre oftma- lige. Darum hat C die ganze Str. 546 als unhöfisch mit Recht getilgt und alles andere in richtige Ordnung gebracht.

602,2. C findet mit Recht in B eine Tautologie, denn wenn Sig- frid in der Tarnkappe kommt, ist er unsichtbar und braucht nicht noch tougenliche zu kommen ; denn das Grössere (die Unsichtbarkeit) schliesst

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das Kleinera (die Heimlichkeit, die auch ohne Unsichtbarkeit möglich ist) schon in sich.

667,4 ist auä demselben Grunde geändert, wie 668,3. Sigfrid hatte nicht lüzzel dienste gethan, sondern gar keine. Das will B auch sagen, denn wenig ist soviel wie nichts, aber C will den Ausdruck genauer haben und da nun 667,4 und 668,3 noch dazu ganz dasselbe (und über- diess Unrichtige) sagen, so setzt er 1. in 668,4 den faktisch richtigen Ausdruck, 2. fügt er, um die Tautologie aufzuheben, an der zweiten Stelle passend ein: Der Sache möchte ich auf den Grund kommen (ein ende hän). Die Aenderung ist nothwendig und sehr geschickt durch- geführt.

823,4. BA drückt sich elliptisch aus. Der König stellte sich, als ob er zürne und als ob ihm die Kunde unerwartet wäre. B sagt^ er zürnte, was G als unbestimmten und wörtlich gefasst, vollkommen fal- schen Ausdruck nicht gelten lassen kann, und daher zusetzt, es sei Alles nur Verstellung gewesen.

846,2 schwer zu sagen, warum geändert wurde, wenn nicht etwa C am Gebrauche der modi Anstoss nahm, denn er setzt für den Indicativ den Conjunctiv. Ausserdem aber fügt er hinzu mit iwer selbes haut, h. der Verräther will sich vor Entdeckung hüten. Eine Zofe, die das Kreuz aufgenäht hätte, wäre nach Sigfrids Morde sofort als Zeugin aufgetreten. Eine Königin durfte nicht selbst nähen, deshalb verlangt es hier Hagen ausdrücklich; denn näht hätte sonst nur bedeutet: lasst nähen.

854,4. Dem Wortlaute nach sagt B etwas Unrichtiges, denn Hagen hat nicht zur Jagd gerathen, sondern nur zum falschen Kriegslärm. Diese Unrichtigkeit tilgt C sammt dem geographischen Irrthum, dass in die VogeseU; anstatt in den Odenwald zur Jagd geritten wird, denn die ersteren liegen viel zu weit ab nach Süden, der Odenwald Worms ge- rade gegenüber, und der Spessart nordöstlich neben dem Odenwalde.

875,4. In 873 spricht C bestimmt aus, dass die Jäger sich schei- den, um hernach sagen zu können, Sigfrid sei von Räubern erschlagen worden, als er allein im Walde jagte. In G lässt nun Günther, um diess sicher zu erreichen, ihn auch durch einen vertrauten Jägermeister be- gleiten. G nimmt Rücksicht auf Str. 941. Zwischen 875 876 ist in BA kein rechter Zusammenhang. Wir in 875^4, wer ist das? Sigfrid

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und sein Hund? oder spricht er im pluralis majestatis? Gewiss eines 80 wenig, wie das andere. Wenn auch das erstere in B gemeint war, so konnte doch C nicht dulden, dass ein König von sich und einem Hunde „wir'* sagte. Also \liess er den unschicklichen Vers weg und setzte dafür Günthers Befehl an den Jägermeister, der in B ein alter Jäger ist und ohne Befehl des Königs handelt, was in seiner Gegenwart nach der Anschauung von C wohl auch unschicklich war.

891,2. In B bindet er den Bären auf den Sattel und setzt sich dann selber auch noch hinauf, also auf den Bären oder hinter oder vor den Bären. Das muss possirlich ausgesehen haben. Indess sitzt S. auch in C mit dem Bären zu Pferde. Vielleicht fand aber C unnöthig, zu erwähnen, dass S. zu Pferde gestiegen sei; da er ja doch nicht neben dem Pferde hergehen konnte.

907,4. B hat Günther einen humoristischen Ausfall gegen Hagen in den Mund gelegt. 0 findet wohl, dass sich der König eines so fa- miliären Witzes nicht bedienen sollte. Das Gefühl für die Etiquette geht hier wirklich sehr weit, aber wir brauchen nichts weiter zu fragen als: nach welchem Princip verfährt C? und wenn wir diess zusammen- hängend nachweisen können, so geht es uns gar nichts an, wenn er sein Princip einmal übertreibt.

9 1 9,4. 1. Den bösen Dank sagte ihm nicht der König, sondern Hagen. 2. Der König war noch gar nicht da, er lief noch heran, Sigfrid musste noch eine ganze Weile auf ihn warten, und dennoch trank er aus Höf- lichkeit nicht, ehe jener angekommen war und getrunken hatte. In B scheint es dagegen, als wären Beide miteinander am Ziele angekommen.

1068,4. Davon, dass Kr. so viele Leute in ihren Dienst nahm, ge- schah den Burgunden noch kein Leid, aber eine Gefahr lag für sie darin. Dieses Mittelglied überspringt B, C ergänzt es.

1078,4. Was hinderte denn Giselher, seiner Schwester aller triuwen bereit zu sein? Aber er gehört gar nicht her, ist verloren eingeflickt, wie so häufig die 4 Verse nichts taugen. Den nichtssagenden Vers tilgt C und schiebt dafür einen üebergang zur nächsten Strophe ein, motivirt die Scheinverbannung Hagens, durch die sich die Könige in der öffentlichen Meinung weiss waschen wollten.

1089,4. B sagt scheinbar Unsinn : Wenn Kr, so schön ist, wie man sagt,

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80 soll es meinen besten Freunden nicht leid thun. Das tilgt C mit Recht und setzt dafür einen Uebergang zur nächsten Strophe. B hat aber auch das nicht im Sinne, was die wörtliche Deutung gibt, sondern meint : wenn Kr. so schön ist, so werden meine Freunde die Freude haben, eine Kö- nigin zum Ersätze der Frau Reiche und mit ihr neue Wonne und Feste zu bekommen. Was B meint, weiss C gewiss eben so gut als wir; aber er duldet eben nicht, dass etwas anderes gemeint und etwas anderes gesagt werde.

1093,4. daz ich hän von der hende din. Rüdigers Grossmuth wird nicht in besonderes Licht gesetzt, wenn er im nämlichen Moment, wo er auf eigene Kosten die Brautfahrt anzutreten verspricht, hinzusetzt, dass er doch eigentlich nichts habe, als was der König ihm schenkte. Diese Abschwächung entfernte C.

1130,4. Der Ausdruck in C ist höflicher als in B, auch bestimmter; denn dass R. gerne auf die Frage nach dem Befinden seines Herrn ant- wortet, ist selbstverständlich, er ist ja sein Gesandter. Dass er sogleich antwortet, ist besser, dem Dialoge angemessener.

1172,4. C ändert sehr fein. Wer wird denn bei einer Brautwer- bung der Dame sagen, dass ihr Zukünftiger sich noch alle Tage um seine verstorbene Frau gräme. Was in dieser Beziehung passte, ist in 1172,3 hinlänglich gesagt.

1235,2. da waeren für gesant ist ein sehr unklarer Ausdruck, bei dem man sich allerlei, aber nichts sicheres denken kann. So hat ihn C wohl auch angesehen und beseitigt, wie denn überhaupt seine Einrichtung der nach und nach entstandenen Pilgrimstrophen meister- haft ist.

1238,2. denburgaeren von der s t a t ist ein Unsinn, denn es ist eine vollkommene Tautologie, welche C beseitigt.

1239,2. ez ist ungetan ist grob = es geschieht nicht. C sagt höf- licher: es ist unmöglich.

1294,4. Etzels Krieger, Christen und Heiden, und unter den er- steren namentlich Dietrichs Mannen, führen der angekommenen Braut zu Ehren ein Turnier auf und da ist es doch ganz natürlich, dass die Begleiter der Königin, denn nur diese, die Burgunden, können die „deutschen Fremdlinge" sein, nicht auch mitturnirten. So verstund C

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den Vers. Lachmann meint die Thüringer, das ist etwas ganz anderes. Hätte C aber auch die Thüringer gemeint, so hätte er ebenfalls, nur dann in anderer Weise, geändert. Uebrigens, wie kann man Va- sallen Etzels, was ja die Thüringer waren und zwar Aftervasallen, geste nennen, wie Lachmann will?

1471,4 fehlt in C.

1573,4 fehlt in C.

1576 fehlt in C.

1659,4, Wie sollten denn die Burgunden auf den Einfall kommen, die Dienste Dietrichs und seiner Mannen zu verschmähen? Das ist ein übertriebener Ausdruck, für den C passend setzt ir soltz in wol er- biet e n = empfangt sie gut (nicht kalt).

1665,4. Der Ausdruck in C ist viel bestimmter, als manigiumaere gesant, denn das hätten ja auch Lügen und Täuschung sein können.

1748,4, Als wenn Kr. manchen Boten an Volker und Hagen ge- schickt hätte! C ändert sehr passend: sie hat mich ersucht, euch bei der Botschaft, die ich, der König schickte, nicht mit der Einladung zu vergessen. Auf Hagen war es ja besonders abgesehen, und um den Verdacht abzuwenden, nannte sie Volker und Hagen.

1772,2. wärt nie dehein ist ein harter Halbvers, den C hübsch ändert.

1846,4. Schlechter Vers ich antwürt iügebündin und dann, wie konnte denn Blödel wissen, dass er Hagen fangen und binden würde. Er musste ja froh sein, wenn er nur ihn erschlagen konnte, ferner zog er gar nicht gegen Hagen aus, sondern gegen Dancwart und die Knechte, so dass seine Prahlerei in B vollends zum Unsinn wird.

1859,4. disiurede findet C unklar und setzt dafür bestimmter d i s i u reise, d* h. dieser bewaffnete Auszug.

1963,4. C bringt einen Hinweis auf das, was Kr. in Str. 1962 den Hunnen versprochen hat und nicht Etzel ist es, der den hohen Sold geboten hat, sondern Krimhilt. B spricht wieder einen allgemeinen Gedanken aus, C bezieht auf das Nächstliegende und das ist Kr. Ver- sprechen.

1997,4. der mortgrimmige man ist ein sehr harter Halbvers, den auch A geändert hat mit Wiederholung von Hagne aus der vorigen Strophe.

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2163,4. B hie ce lebene gan hat eine Hebung zuwenig; C ergänzt diese, ohne sonst den Sinn im geringsten zu ändern.

2190,4. B lässt den videlaere ohne allen Anlass Besorgniss vor Dietrichs Recken aussprechen. Er hatte ja gar keinen Grund, an ihre Feindschaft zu denken, die auch gar nicht existirte. G setzt an die Stelle der Besorgniss passend Verwunderung.

78,1. In B übertriebener Ausdruck, denn die Hofleute wussten ja doch natürlich, wo der König zu finden war. Dafür hat C den Gedan- ken durch die Einführung der Schilde erweitert.

213. der man vil wunder sach, in B unklarer Ausdruck. Was für Wunder sah man denn an den Sachsen? Der Tapferkeit oder fremder Tracht oder grosser Menge? Ich weiss es nicht, C scheint es auch nicht gewusst zu haben. Er sagt darum einfach: sie zogen den Kürzeren. Damit ist für ihn die Sache erledigt, nicht für uns, die wir den Text zu emendiren, nicht zu überarbeiten haben. Vgl. unten bei den Conjecturen die Stelle.

481. behielt in ir gewant, daran stösst sich C. Was zogen sie denn auch an, wenn man ihr Gewand aufhob?

533,1. Liliencrons Grund ist mir ausreichend.

588. Sie hatte ihn in B schon aufgehängt, nun verhindert er sie durch sein Klagen am Schlafe und sie verbietet ihm deshalb die Minne. Wie albern! Da minnt sich was, wenn einer am Nagel an der Wand hängt. C hat zwar nicht emendirt, weil er nicht Philologe war, aber er hat doch den Unsinn gefühlt und entfernt. Siehe übrigens weiter unten bei den Conjecturen.

611. Da C eine Anzahl Strophen weggelassen hat, so musste der Anfang von 611 geändert werden.

620. C begreift nicht, warum es sein musste, dass Brünhild den Sigfrid mit Gewalt trug. C setzt also den Grund bei, ihre grosse Stärke, was man sich bei B denken kann.

660,3. daz waer im wol ergän, falsch, denn seinen Magen er- gieng es ja nicht wohl, sie giengen jämmerlich zu Grunde. B will aber vielleicht das sagen, was C wirklich sagt.

959,3. C stellt den Zusammenhang her, indem er den Boten auf

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Sigfrids Frage antworten lässt. In B platzt er eben einfach heraus und das ist wohl natürlicher, aber nicht so correct und berechnet.

1210. Für eine Königin schickt es sich nicht, dass sie ihre Kam- mer aufschliesst, wie in B. Sie lässt es thun, wie in C geschieht.

1330. was si vil wol bekant, falsch. Sie war es noch. nicht, sie wurde es erst. Uebrigens hat C die ganze Strophe umgearbeitet, auch ausser dem Reime.

1502. Ze haut und vil balde ist Tautologie^ die a vermeidet (die Stelle fehlt in C).

1537. ich wil iuch hoeren län, das ist ein Flickvers, den C etwas bessert und dadurch erträglich macht.

1603,3. mit manegem küenen man, unhöfisch. Damen und Männer giengen nicht untereinander, sondern jedes Geschlecht für sich. B meint auch nur: zu gleicher Zeit.

1615 ir sult die rede län. Diess ist die wohlerwogene Ant- wort auf die Zusatzstrophe in C. Dass Gernot ein wohlgezogener Mann war, weiss man ohnehin; aber den Uebergang vermittelt C passend.

1635. als ir wol gezam, an der eingeschachtelten Construction nahm C Anstoss.

1689. sus reiten mit einander, kann in C nicht geduldet werden, weil Dietrich allein gesprochen und Niemand ihm geantwortet hat, also von miteinanderreden keine Rede sein kann.

1725. und ir daz wol erkandet, diese Construction war C zu kühn. Uebrigens hatte sie ihn eingeladen und hätte ihren Hauptzweck verfehlt, wenn er nieht gekommen wäre.

1745. Wer ist der tiwerliche degen? Wolfhart? Warum wird denn über Dancwart nichts gesagt, der doch auch ein tiwerlicher degen war. Diese Ungleichheit entfernt C.

1827. Hagne und sine man mit sehzic siner degene ist in B ein kopfloser Ausdruck, denn diese 60 degene waren eben sine man. G musste nach seinem System das bessern.

1842. G nahm wohl an der doppelten Anrede vrowe Anstoss.

1919. In G Vermittlung der Strophe mit der folgenden, wo Krim- hilt Dietrich anruft, als im daz gezam inB ist Flick vers, wie auch im folgenden.

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1934, wo der Ausdruck in C viel einfacher und natürlicher ist.

19ä7. Deutlicher in C, denn B kann man übersetzen: Da Etzel zu dem Hause hingegangen war, während es nur heissen soll: aus dem Hause herausgegangen war. ,

2044,1 hat in der zweiten Hälfte in A und B unbestreitbar vier Hebungen, im zaeme nicht ze dagene. Einen so groben metrischen Verstoss duldet C nicht und setzt dafür einen andern richtigen und ebenfalls metrisch alterthümlichen Halbvers für die degene.

Aus gleichem Grunde ist 2105,1 im zweiten Halbverse von C ge- ändert.

155,1. In C directer Ausdruck. Ich habe euch noch nichts versagt in B ist ungeschickt; denn Sigfrid war noch nie in der Lage gewesen, diess zu thun, beruft sich also auf etwas, was nicht erprobt werden konnte.

261,3. B sagt vriunde nach 255,2. C bestimmter mäge unde man nach 255,3 derkünic gie zeräte, wi er lonte sinen man. Diess ist eine postivere Angabe, als die also man vriwende tuot.

499,1. doman i n v a n t ist ein nichtssagender Ausdruck. Im Zuge brauchte man wohl nicht lange nach S. zu suchen und übrigens konnte er ja auch nicht eher kommen, als man ihn gefunden hatte.

366,1. dirz ncht wesen leit und loese min en eit verbindet C, die Anrede an die liebe Schwester behält er bei, durch din s. t wirft er aus. Er nahm Anstoss daran, dass Kr. Günthers Eid, d. i. s. t. einlösen sollte, d. h. aus Grossmuth, Hochherzigkeit, Aufopferung.

617,3. C ist sehr vorsichtig und rücksichtsvoll gegen Günther, weiter hat die Aenderung keinen Sinn. Dass S. sie nicht für sich zwin- gen (und dann minnen) wollte, weiss man ja doch zur Genüge.

1243,1. understän, wie B sagt, heisst eine Sache, die schon ge- schehen oder im Gange ist, aufhalten, dazwischen treten, rückgängig machen, behüeten heisst vorbauen. Letzteres ist richtiger, denn die Baiem hatten ja keinen Ueberfall gemacht oder auch nur versucht. Freilich verlangt man keine so übertriebene Genauigkeit im Gebrauche der Sy- nonyma.

1302,3 wird in 1303,1 wiederholt, ist also unnöthig, dafür setzt C

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etwas Neues, entrustenriche säteledie Ezelen man (was heisst das aber? sie luden reiche Sättel ab, mit wät und Geschmeiden?)

1437,1 fehlt in C.

1439,1 cf. in C.

1458,1 f. in C.

1620,1. Ist in B wirklich unlogisch: Da ich keine Burgen habe, so will ich euch treuergeben sein. C sagt sehr passend: Da ich keine Lande als Aussteuer zu geben habe, so verschmäht nicht mein baares Geld (solt), mit Bezug auf 1614,5—8.

1817,3. B trivial, nichtssagend, E. und Kr. sahen es, weil es vor ihren Augen geschah, was sich bei einem Turnier von selbst versteht. C ändert das sehr gut und zusammenhängend, setzt auch desshalb nach 1817 eine neue Strophe ein.

1846,1 musste C ändern, denn die Königin war gar nicht aus dem Saal gegangen, wie kann also in B Blödel zu ihr sagen: geht wieder in den Saal. In C wird dafür Verschwiegenheit anempfohlen und passend.

1935,3. vriunt und siner man (vorher 500 oder mere) ist ge- wiss schlecht, denn 1. waren es wirklich nicht vriunte, sondern man, 1934,3. 2106,1. 2. ist die Construction grammatisch falsch.

2090,1. Sonderbar! C wiederholt aus dem vorigen Verse (dort der vil getriwe recke, hier sprach der getriwe man). Was hat er denn an deich ditz gelebet hän so grossen Anstoss finden können? Frei- lich ist B sehr überladen, daz ich ie dice gelebet hän. Sollte C hier eine Vergesslichkeit passirt sein?

2097,3 ist unnöthig, weil es sich von selbst versteht, dass sie die Fürsten und ihre Mannen sind. Aber der erste Vers wird von C durch den von ihm in 3 substituirten besser oder vielmehr jetzt erst, motivirt: die Hute waenent, daz ich st verzaget, solde ich mit in striten. Wir finden freilich keine Aenderung nothwendig.

87,3. nie mere heisst non amplius, nicht weiter. Damit sagt aber Hagen etwas Widersinniges; denn er hatte ja wirklich Sigfrid nie ge- sehen. C setzt dafür noch nicht, gut» Aber der Fehler von B er- klärt sich auch sehr leicht aus der Verwechslung von niemere und nimmer, letzteres ist richtig. Zudem hat ja auch B einen groben met- rischen Bock, den A nicht hat und dem zu Liebe Bartsch schreibt swie

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ich Sivriden. Das kann sowenig nützen als schämel. Nie mere heisst aber auch niemals sonst und das hat C mit dem ersten verwechselt, folgt hier bereits dem neuen Sprachgebrauch. A hat also das Richtige, B einen schlechten und unerlaubten Vers, C den alten Text missver- standen. Wenn nun C anfieng zu ändern und noch nie für nie mere setzte, so kam heraus noch nie habegesehen, metrisch falsch ; denn es heisst noch nie, ganz natürlich also noch nie gesehen hän und nun mit Veränderung des anderen Reimwortes als ich mich kan ver- stau. Dann folgte aber auf einander in C hän und hat, was schlecht ist.

Ferner musste C nach seiner genauen Weise gät in 87,4 ändern: denn wirklich steht Sigfrid draussen, er hält bei den Rossen 76,4, 77,1. Also gät ist nichts, es muss stät heissen. Ist nun s tat für diesen Vers erforderlich, so kann es nicht mehr im vorausgehenden als Reim- wort stehen und wird nun von C dieser Halbvers swie ez darumbe stät durch die gleichbedeutenden s wie ez sich gefüeget hat, ersetzt. Bartsch bemerkt zu dieser Stelle : Es möchte schwer fallen, hier Gründe einer so grossen Aenderung aufzufinden.

94,3. Sivritder helt guot ist natürlich ein sehr harter Vers und der Name Sivrit findet sich in B in der vorausgehenden und in der folgenden Strophe, also 2 Gründe der Aenderung, abgesehen davon, dass C Eigennamen gern ersetzt. War nun guot und man geändert, so zog das auch den andern Reim bestän nach sich; übrigens bildet dieser letzte Halbvers das in B fehlende Bindeglied zwischen beiden Strophen, denn das zornig sein involvirt noch nicht, dass sie Sigfrid angrifl:en und dieser sich seines Lebens wehren musste, was C ergänzt.

101,3. sin hüt wart hürnfn mag C so wenig leiden, wie Sivrit der helt guot, das zog die übrigen Aenderungen nach sich.

332,1. säch man für gan gerade so harter Vers, wie die vorigen, darumgeändert in hiez man chomen dan. Da dan für diesen Vers verwendet war, wurde es im nächsten durch stän ersetzt.

688,3. Güntheres man, Hebungen zu enge auf einander. Uebrigens ist der Grund der Aenderung noch ein ganz anderer, der im Zusammen- hang, wenn man nicht mehr blos auf den Reim sieht, sehr klar wird. C, der überall die hohen Damen ins hellste Licht setzt, hebt die freund- liche Herablassung der Königin hervor, indem sie selbst den Markgrafen

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Gere an der Hand zum Sitze führt. Was hat der mit den Reimen zu thun?

192,3, do, do, Wiederholung. Das zweite ist falsch und daz (de in do verlesen), übrigens liebt C auch die negative Affirmation nicht, wie do was in maezliche leit für: sie freuten sich von ganzem Herzen.

247,1. C nahm Anstoss daran, dass man die Recken in die Stadt, also bei den Bürgern einquartirt, anstatt dass ihnen der König selbst Unterkunft gibt, was er ja auch thun musste, wenn er sie so sorgsam verpflegen Hess, wie in Strophe 253, 251 gesagt.

368,3. In 1 hat C bereits den schweren Vers Sifrit do balde geändert in der kunic von Niderlanden (S. stund in der vor- ausgegangenen Str.). In 2 der kreftige man (weil die Hebungen zu eng stehen) mit ausgefüllten Senkungen der heltvil lobesam. Dieses lobesam zog genam im 1. Vers für gewan nach sich. Nun war der Reim n a m , der in B im dritten Verse steht, schon gebraucht, und folglich musste für n a m jetzt t r u o c gesetzt werden, was einen weiteren Reim genuoc nach sich zog. Die 8. Halbstrophe musste wegen dieses Reimes und weil er den Ausgang derselben lobesam in die 2. Zeile versetzt hatte, nun auch stärker umgearbeitet werden.

458,1. Unter waefen versteht man 1 . ursprünglich und strengge- nommen die HauwaflFen, Schwert, Streitaxt u. s. w., 2. die OflFensiv- und Defensivwaffen in ihrer Gesammtheit. Von diesen nun kann man eigentlich nicht sagen, dass man sie anzieht (angetan), wie man eine Brünne oder einen Waffenrock anzieht. Zur Hand genommen setzt daher C und macht den Ausdruck damit vollkommen correct. Diess zieht den 2. Reim chomen nach sich. In 3 war ihm swief ein fremder Aus- druck (ist es auch uns), den er durch das gewöhnliche swanc ersetzt, folglich auch spranc für lief, und wegen spranc auch gegen für an, denn es heisst gegen einem springen, an einen loufen. au Sifriden spranc würde heissen, auf Sigfrid hinaufgesprungen.

519,1. Schon in 518,4 hatte C zu ändern gefunden, sie habent mich her gesant, wer sind die sie? Wir wissen es schon, weil wir die vorausgehenden Strophen gelesen haben, daher weiss es auch B. C aber erwägt, dass Kr. und Uuote es nicht wissen und nennt sie da- her er unt diu schone Prunhilt. Nun heisst es in der folgenden

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIU. Bd. I. Abtb. 6

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Strophe in B wieder er unt diu wine sin, dadurch entsteht Tauto- logie, welche C beseitigt, indem er dafür si setzt, wodurch natürlich der Reim sin unbrauchbar wurde. Gelungen ist die Besserung nicht ganz, denn nun steht in beiden Str. daz tuon ich iu bekant, frei- lich durch 5 Halbverse getrennt und darum weniger auffallend.

523,3. Das falsche bittet für bitet, welches Bartsch unnöthiger Weise aus A in den Text aufgenommen hat, während in BDIh richtig was (1. swes) iuch bitet Günther steht. Das hatte also C vor sich und dieser Halbvers war ihm zu hart, wegen bitet Günther und er verfällt auf dasselbe, was A hat, wes. Er hatte also auch schon die unorganische (oder darf man sagen archaistische Form) bitten. Nun kömmt aber die Hauptsache. C tilgt an denRin und setzt dafür her, d. h. nach Worms, womit an den Rin keineswegs identisch ist, denn sie sind lange auf dem Rheine gefahren, ehe sie nach Worms kom- men, ja sie (Günther und die seinen) fahren in diesem Augenblick den Rhein herauf, denn während Hagen bei Brünhild auf der Fluth bleiben will, reitet Sigfrid mit 24 Gesellen von ihnen weg, was er nur vom Rheine, nicht vom Meere aus thun konnte. Der Ausdruck in B war also, streng genommen, falsch, er meinte eben ze Wormez an den Rin, Hess aber die Hauptsache unausgesprochen.

524,1. des hört Ich in gern ist für C zu hart, also metrisch verwerflich; dann aber ein umschreibender Ausdruck, wofür C wie ge- wöhnlich den bestimmten bitet er iuch, mant er iuch setzt. Höchst auffallend hier bitet, in der vorigen Str. bittet. Waren C diese For- men gleichgeltend?

549,3. lüge wird C nicht anstössig gewesen sein; aber die nega- tive Affirmation trüge kann er nicht leiden und setzt dafür eine directe Huldigung für die beiden schönen Königinnen. Da sehen wir also in doppelter Weise seine Manier bewährt, directer Ausdruck und Frauen- dienst.

580,3. Auf der Stiege vor dem Saale trafen die Königinnen zu- sammen, sagt B, Um sich sofort von einander zu verabschieden, sagt er nicht und das scheint C die Hauptsache, er spricht also diesen Gedanken aus und lässt den anderen fallen. Zudem ist hier auf den nit der Kö-

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niginnen unnöthiger Weise im voraus Bezug genommen, höfisch lässt C auch diesen Zug weg.

027,3. B ist für C unlogisch. Öigfrid geht in Vers 1 von der bezwungenen Kr. weg, als wenn er sich entkleiden wollte, in Vers 3 zieht er ihr erst den Ring ab. C ändert das und bemerkt, dass er das schon vorhin gethan habe, ehe er von ihr weggieng. Der Ring oder der Gürtel ist vielleicht ein späterer Zusatz. Der Gürtel, mit dem sie ihn binden wollte, und den er ihr entriss und behielt, war ja ganz hinreichend, um sie später zu beschämen. In der VS. ist es auch richtig so, er nimmt nur ein Wahrzeichen, den Ring, nicht den Gürtel, mit dem sie Günther gebunden hat. Ausserdem musste C auch noch den unrichtigen Aus* druck in V. 4 ändern. Die Königin wurde nie inne, dass ihr der Ring genommen sei, ist irrig. Sie wusste es wohl, und glaubte, er sei ihr und zwar vor langer Zeit gestohlen, Str. 791. Also auch dieser factische Irrthum muste beseitigt werden. Dafür setzt C dann eine Reflexion Ober das Unheil des geraubten Ringes.

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631. Das ist nun eine Hauptstrophe, von C ganz geändert, an der sich das System zu erproben hat. Die Str. in B ist schwach, wie man ohne Vergleich von C sieht. Der 4. Vers Flickvers. Der 1 : er kam der Frage zuvor, die sie an ihn zu stellen gedachte, ist gut und von C auch gelassen. Aber im 2. Vers steckt der Fehler: Er hatte ihr den Ring und Gürtel gebracht und gab ihr beides zwar nicht gleich aber später, als sie in seinem Lande unter Krone gieng, also gleichsam um durch seine Siegestrophäen den Glanz ihrer königlichen Würde zu er- höhen. Das ist odios und schändlich und B hat sicher auch nicht so weit gedacht; aber man kann es aus seinen Worten herausbringen. C tilgt das Verletzende. Sigfrid bringt seiner Frau nichts, aber unglück- licher Weise lässt er sich lange nachher das verhängnissvolle Kleinod von ihr abschmeicheln, natürlich das Geheimniss dazu. Das ist naturgemäss und schicklich und dem Character von C entsprechend. Auch eine Re- flexion knüpft er zuletzt noch an, gerade wie in Str. 627.

637,1. Zwischen Vers 1 und 2 ist in B ein Widerspruch, denn zu den Gästen gehörte auch Sigfrid, der also nicht mehr da sein konnte, wenn alle Gäste abgereist waren. C ändert diess und zwar in sehr

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schönen alterthümlichen Versen. Ausserdem setzt er in 4 statt des tautologischen vrouwe passend maere.

653,3. C nimmt Änstoss daran, dass von Santen gesprochen wird, als wenn es unbekannt wäre und hier zum ersten Male genannt würde. Er sagt energisch das Gegentheil, für z einer bürge wtt setzt er zer bürge wol bechant^ worauf denn natürlich da sie kröne truogen sit (was sich übrigens von selbst versteht), umgereimt wer- den muss.

678,1. In 677 war schon dem stärken Sivride zu beseitigen und in 1 sült von mir sägen als metrisch zu hart zu ändern, dann für darf chan gesetzt.

In B 678,1 haben wir nun wieder die falsche Phrase an den Rhein, die G schon oben Anstoss gegeben hatte. Sigfrid und Er. konnten nicht mehr an den Rhein kommen, denn sie sassen selber bereits zu Xanten am Rhein. Die Aenderung von Rtn zog die totale Aenderung des zwei- ten Verses nach sich. Im V. 3 setzte C noch gein statt vor, denn wenn das Fest gegen die Sonnenwendzeit hin angesetzt war, so hätte S. vor- her kommen müssen, meint C.

685,3. Dieselbe Rheinpbrase. Günther sendet an den Rhein, während beide am Rheine sitzen. Wir haben den Fall nun schon zum dritten Male. A hat aber etwas Anderes und sehr Gutes sendet niderRin, den Rhein herab. Wenn in 678,1 widerRin (Rheinaufwärts) stünde, so wäre es ganz gut. Also C mag von der ganzen Bestimmung durch den Rhein nichts wissen, sie ist ihm zu vag. Uebrigens ist sendet als Tempus falsch, er sendet sie nicht mehr, sondern er hat sie gesendet, und sie sind nun da. Ferner ist der Ausdruck in 1 wieder indirect, Sigfrid wird auf die Begleiter Geres von seiner Frau aufmerksam gemacht, anstatt auf G^re selbst, der als Gesandter die Hauptperson ist.

686,1. In V. 4 ist von Sigmund die Rede, der aber noch gar nicht weiss, dass die Boten da sind; also Flickvers, den C beseitigt. Den Empfang der Gäste drückt dann C in V. 2 bestimmt aus, während in B circumlocutorisch steht, jeder hätte das Beste (er meint das Verbind- lichste und Höflichste) gesagt, was er wusste.

691,3. Nach Bartsch eine der klarsten Stellen (um den Ur- text herzustellen). Die Anrede Sigfrids an den Gesandten GSre

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f&Ut plötzlich aus ir in man, was unhöflich ist. Dann findet C die Frage, ob sie hohen Muth tragen, unpassend, denn wie durfte Sigfrid daran zweifeln. Er fragt also in C einfach, wie sie sich befinden. In B ist freilich die Sache anders gemeint. Sigfrid fragt gleich: brauchen sie wieder meine Hülfe, ist ihnen wieder ein Feind ins Land gefallen? C tilgt das zwar nicht (es steht in der folgenden Strophe) aber er lässt die allgemeine Frage nach ihrem Befinden passend vorausgehen.

1048,1. 1. mine brüoder sint ir bi harter Vers und unklarer Ausdruck, aber ganz falsch in V. 2. Si vriunt statt vriuntinne und zudem Verwandte war sie ja, ferner soll sie in V. 3 gerne sehen, wenn ihr ihre Brüder den Nibelungenhort abnehmen. Das war zusammen genug, um eine gründliche Umarbeitung in C zu veranlassen, die sich der drei anstössigen Halbverse entledigt.

1058,1. getürren in 3 in das gewöhnlichere mugen verändert. Wie stellte es denn Albrich an, um die vom Rheine nach demSchatze kommen zu sehen? Es ist gerade wie ohen 519,1. Der Dichter (und wir mit ihm) weiss, dass die Burgunden nach dem Schatze kommen, aber Albrich weiss es nicht und kann es auch nicht den Heranziehenden ansehen, was doch in B geschieht, weil er gleich darauf sagt: wir dür- fen ihnen den Schatz nicht vorenthalten. C ändert also mit Recht.

1082,3. B sagt: Nach Sigfrids Tode lebte Er. 13 Jahre, ohne dass sie des Recken Tod vergessen konnte. Tautologisch und unrichtig, denn vergessen hat sie ihn auch nachher nicht. Nun ändert C richtig: sie trug zwölf Jahre um ihn offene Trauer^ denn das that sie später natür- lich nicht mehr, als sie Etzels Frau wurde. Den Flick vers (8. Halb- vers) ersetzt C durch einen andern, der nur insofern besser ist, als er die Wahrheit sagt, während es in B scheint, als ob nicht Jedermann von Kr. Treue gegen Sigfr. überzeugt gewesen wäre, was B doch nicht gedacht, sondern sich nur vag ausgedrückt hat.

1131,3. B drückt sich wieder umschreibend und in negativer Affir- mation aus: wenn es möglich, dass ihr mir Urlaub gebt, zu reden, so werde ich nicht schweigen. Wir wissen, C verschmäht dieses Herum- reden und spricht gerade heraus : erlaubt mir, die Botschaft meines Kö- nigs suszurichten.

1134,3. Die Aenderung beginnt V. 2, wo C verweiset statt äne

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vreude in bestimmterem Ausdrucke setzt: Etzels Lande sind der Lan- desmutter, d. h. der Königin beraubt. Nun hat aber B verweiset im 4. V. gebraucht, da konnte es also C nicht stehen lassen. Auch war es nicht nothwendig, denn 1135,1 3 handeln noch ausschliesslich von den „verwaisten Jungfrauen".

1155,1. Der Markgraf Gere spricht in B sehr anmassend und un- schicklich: ich will der Königin sagen, sie solle sich den König Etzel wohl behagen lassen. So etwas durften ihr nicht einmal ihre Brüder bieten, geschweige ein blosser Vasall. Wenn irgend, musste C hier än- dern. Gere durfte ihr bloss die Botschaft verkündigen, und das geschieht in C. Etwas Anderes ist die Andeutung, dass man Kr. Einwilligung gern sähe in 1156,3.

1161,1. C nahm wohl Anstoss an der Folge von 11p durch sin mange tu gen de, als wenn Rüdigers L e i b manche Tugenden besässen hätte, um derentwillen sie ihn gerne gesehen hätte. Was B sagen will, wissen wir recht gut; aber wenn man es so scharf nimmt, wie C, ist Doppelsinn herauszubringen.

1163,3. Die wirkliche, von ß beabsichtigte logische Ordnung des Satzes ist: 1. der edele Rüediger weste sich sowisen, 2. daz in diu küniginne sich überreden län müese, 3. ob ez immer ergän solde (daz er sie gesaehe). Nun stehen aber diese 3 Satz- theile in B in folgender Ordnung: I, 3, 2 und so heisst es: wenn es jemals geschähen sollte, dass er die Königin überredete. Das brachte nun C in Ordnung, freilich mit schwächerem Ausdrucke.

1230,3. B Giselher und Gernot 4 Hebungen, zwei Eigennamen, tilgte ir bruoder beide wider. Ferner C daz laut stattdiu lant. Er meint Burgundenland, und darum ändert er die nächste Str. 1231 gänzlich ins Negative um und sie durften nicht bis nach Vergen an der Donau mitreiten , sondern mussten vorher Abschied nehmen. Diess ist eine ungelungene aber doch offenbar sehr absichtliche und überlegte Aende- rung aus B, zu deren Deutung uns daz lant (statt diu) den Schlüssel giebt und die nur darum gemacht sein kann, weil Könige das Geleit nur innerhalb ihrer Gränzen, nicht darüber hinaus geben können. Wenn nun C Vergen nicht vorgefunden hätte, wie wäre er denn auf den Ein- fall gekommen, zu sagen; sie giengen nicht mit bis zur üebergangs- station Vergen.

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1241,3. wege anmüezec stän ist ein för C zu kühner und elliptischer Ausdruck, die Wege stehen nicht unmussig, sondern die Leute auf den Wegen, was G auch dafür setzt. Im nächsten Verse fangen nach B die Wege sogar an zu reiten und zu gehen. Das durfte C doch auch nicht dulden.

1280,1. R ze Kiewen, C üz Kiewen. von dem lande ze Kiewen sind strenggenommen 4 Hebungen. Dann nimmt G Anstoss an laut ze Kie w e n, da K. ja eine Stadt ist. Endlich schliesstC diese Strophe der vorigen an, und zwar liegt diese Anschliessung ausgedrückt in ouch und man.

1279. VonRiuzen unt von Chriechen reit da vil manic man.

1280. Von dem lande üz Chyewen reit ouch da manic man, 1352,3. Die Str. wird der vorigen, V. 3, angeglichen, wie in 1280.

Die Gäste sollen nicht bloss wissen, wann das Fest ist, sondern aus- drücklich dazu kommen. Es würde keinem Menschen (mir wenigstens nicht) einfallen, B hier lücken- oder mangelhaft zu finden ; aber nachdem man die Aenderung von C einmal kennt, so kann man auf Grund seiner Manier sie auch erklären.

1369,3. In 2 ir golt unt ir gewant (1 Silber unt gew.) Der 4. Vers steht in B ausser Verbindung mit der übrigen Strophe. Es ist eine Ellipse da, welche C ergänzt : man fürchtete Etzels Zorn (w ei 1 man überall wusste), er war gar gewaltig. Das hat doch mit dem Reim gar nichts zu thun, nur mit dem Sinn, dem der Reim, wie überall sich unterordnen muss.

1393,1 fehlt in C, in B folgt auf sie er. Nun musste es heissen da sie die vrouwen vunden^ denn nicht er allein, sondern auch die Boten giengen zu ihr. Diess vermeidet a durch die Wendung da sin muoter saz.

1408 fehlt in C, aber C ändert erstens den überladenen Halbvers die besten die ie gewän, oder die besten die ie gewan. Das ist auch falsch und muss einfach heissen die besten die gewan zer werlte k ü nee d eh einer. Dann ändert er auch noch die übrige Strophe wegen der trivialen Wendung: und wenn ihr auch gar nicht so gut zu eösen hättet, wie diess wirklich der Fall ist, so solltet ihr euren schönen Weibern zu Liebe daheim bleiben. Das kann man so fassen, als wenn das gute Essen die Hauptsache wäre, die schönen Damen (an ihrer Spitze

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die Königin) erst in zweiter Linie kämen. Fflr den Küchenmeister in B ist die Strophe gut genug, aber fürC, wird man zugeben müssen, ist sie wirklich zu unfein. Aber damit sind wir noch nicht zu Ende. Die Er- wähnung der Damen war schon in der vorigen Strophe geschehen und minnet waetlichiu wip. Nun kommt durch die Wiederholung in 1407 der Schein heraus, als wären jene waetlichiu wip andere, als diese schoene wip, und da die letztgenannten durch den Beisatz in wer als die uxores legitimae gekennzeichnet sind, so wären also die Kebsweiber vor diesen genannt. Dadurch, dass C die wip überhaupt nur einmal nennt, wird diese Unanständigkeit mit der anderen zugleich beseitigt. Der 4. Vers enthält in B aber noch einen groben Verstoss gegen die gewöhnlichste Höflickheit. Wie konnte der Küchenvorstand seinem Könige und den Prinzen ins Gesicht sagen : ihr begebt euch kin- discher Weise in Lebensgefahr.

1424,1 in B eine schreiende Tautologie : könnt ihr uns sagen, wann das Fest ist oder wann wir (natürlich zum Feste) kommen sollen? C tilgt sie mit Recht. Bartsch findet diese Stelle „einleuchtend wiewenige^^, um gesagen haben zu reimen. Ich finde sie ebenso einleuchtend, aber in einem anderen Sinne.

1440,3 fehlt in C. a setzt für den übertriebenen Ausdruck in B das richtige ez kund im (Hagen) leider niht gesin. In der Sache hat B Recht, aber der Bote konnte davon ja durchaus nichts wissen und so legt in B der des Ausgangs kundige Dichter unbewusst seinen eigenen Gedanken dem Boten in den Mund C hat das gemerkt und demnach geändert.

1454,1 fehlt in C. Schlechter Reim in B, wie Bartsch selbst bemerkt. Das genügt. Uebrigens lose Verbindung.

1459,1 fehlt in C. a findet, dass der Küchenmeister nicht allein^ sondern nur in Verbindung mit den anderen Mannen und Vasallen Reichs- verweser sein kann.

1559,1 fehlt in C. a hat falschen Reim sin, in, scheint also corrupt. Auch der zweite Reim ist geändert, um gerade 1 00 todte Baiern heraus- zubringen.

1581,3 nur in a 1 genauer ausgedrückt. Ecke wart hatte dieBur- gunden ja gesehen, nicht bloss von ihnen vernommen, i m in der 4 Zeile

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bezieht sich grammatisch auf er in der dritteu. Aber im soll Rüedeger, er Kckewart bedeuten, also falsche Construction, die G entfernt und da- für passend auch noch Gotlint einfährt.

1589,1. C nimmt Anstoss am Plural ilten mit dem Singular ritter und kneht und macht daraus rittern und knehten. V. 3 ist ihm nicht deutlich genug, er setzt dafür dann ganz Bestimmtes, den Befehl des Markgrafen an seine Amtleute.

1598,3. Auf Dancwarts Frage antwortet der Markgraf in AB un- deutlich oder gar nicht, ir sult haben guote naht kann sich eigent- lich nur auf die Herren beziehen, freilich auch auf sämmtliche Burgun- den, Herren und Knechte bezogen werden. Aber es ist nicht höfisch, beide so al pari zu behandeln. B versteht unter ir auch nur die Herren, und fährt in der folgenden Strophe, die er allein hat, fort und allez iuwer gesind e. Diese Strophen sind aber auch in C noch nicht in Ordnung. Denn das Gesinde legt sich nacher einfach ins Gras, was ist das für eine Verpflegung? Das konnten sie ja überall auch ohne Wirth thun und statt vom Gesinde zu reden, spricht Rüediger von Behütung der Schätze. Ich halte 1598 1600 für unecht, bloss eingeschoben umDanc- wart anzubringen.

1618,3. Sie war noch kein wtp, sondern eine Maid, wie Liliencron richtig bemerkt. Dann ist das Correlativ von geben nicht minnen, wie B hat, sondern nemen, wie C richtig setzt und wobei sich das minnen von selbst versteht. Bartsch nimmt freilich an minnen und wip keinen Anstoss und setzt beide in seinen „Urtext^^ Aber C, wissen wir, lässt solche Ungenauigkeiten nicht durchgehen. Str. 1843 verändert desshalb maget und vrowen, weil Nuodunges wip in B so ge- nannt wird.

1627,3. Dancwart als Marschalk ist vor Allem Vertreter der Knechte, diese sind selbst keine recken, aber 9 Mal zahlreicher, als diese und fallen daher bei der Ernährungsfrage viel mehr ins Gewicht, als die Herren und Kitter. Wenn C manne setzt, so sind alle darunter be- griffen, und die Stelle ist in Ordnung, vgl. Str. 1673.

1662,3 In C begrüsst Dietrich nicht bloss 3 Könige und 3 Mannen,

die dadurch den Königen gewissermassen an die Seite gesetzt und

•aus den übrigen Mannnen ausgehoben werden, sondern ausser ihnen

Abb. d. I. GL d. k. Ak. d. WIbs. XIII. Bd. I. Abth. 7

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das ganze Gefolge (und allez iwr gedigene), dadurch wird ein Halbvers ausgefällt ist iu daz niht bekant und der kann auch ganz gut wegbleiben, denn wie konnte denn den Burgunden bekannt sein, was ihnen Dietrich jetzt zum ersten Male sagte? Ausserdem noch in B Asyntheton: wisst ihr nicht? Krimhilt weint.

1674,3. Fehlende Senkung und in gäebe genüoc hasst C.

1781,1. C setzt das in B fehlende Mittelgliea: geht ihr von. dem Hause (und fangt ihr Streit mit den Hunnen an), so kommt ihr ins Gedränge, ich muss euch dann zu Hilfe eilen und die Schlafenden unbewacht lassen. Das vom Hause gehn war schon in der vorigen Strophe erwähnt und konnte daher von C hier ausgelassen werden.

1784,1, Feinem, der umgekehrt (Str. 1780) kann man nicht ent- gegenrufen, wie es in B heisst, sondern nur nachrufen, wie C richtig gebessert hat. Bartsch bringt menege in seinen Urtext, aber Volker hat ja vorher bloss einen einzigen Hunnen herumschleichen sehen.

1811, L den gesten zegegene ist ein Halbvers mit 4 Hebungen und fehlender Senkung, wie sie C nicht duldet.

1833,1. disen spilman fehlende Senkung, liebt C nicht, und der Ausdruck daz waere misse tan ist zu schwach.

1844,1. V. 1 und 3 sind in B tautologisch, denn Land und Leute sind eben Nuodungs Marke. C entfernt die Tautologie und drückt den Gedanken der 4. Zeile in 2 Versen aus.

1864,3. schiere B mit helme C besser, denn schiere ist nur ein Flickwort (langsam fällt ein abgehauener Kopf ohnehin nicht vor die Füsse), dann gehört zum minnen (in B) keine Morgengabe, sondern zum heirathen, es musste also C einen näher bezeichnenden Aus- druck setzen zu v reu den erweit.

1880,3. In B .wird grammatisch unterschieden zwischen ze hove sagen undminen herren klagen, was doch identisch ist; denn dass Dancwart den Tod seiner 9000 Knechte etwa dem Hunnenkönig und seiner Frau melden wollte, hat B gewiss nicht gemeint. Was B aber nur meint, das sagt C deutlich.

1917,3. daz im da was getan B. Dem Hagen selbst war gar nichts gethan, aber von seinen Freunden waren welche erschlagen; also

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1

directer Ausdruck in C sin er vriunde leit. C ist oft pedantisch, aber immer folgerichtig.

1927,3. Der 3. Vers ist unklar, was war gewalt vil grozer? sluoc ohne Object giebt G Anstoss und er setzt dafür streit, und da nun diess Wort hier verwandt ist, ändert er eine Zeile rückwärts noch strites in sturmes.

1966,3. Warum räth denn Hagen dem Irinc, er solle die Hunnen zurücktreten heissen, damit nicht zwei oder drei davon in den Saal springen und von ihm (Hagen) erschlagen werden? Welche Zärtlichkeit des grimmen Hagen für seine Todtfeinde. Das findet C auch und sagt: hütet euch vor mir, es wird euch noch schlimmer gehn ; aber er spricht in C nicht von den Hunnen, sondern nur von Irinc und den seinen. Ist denn nun aber die Strophe in B wirklich so schlecht? Keineswegs, wenn man die Ellipsen ausfüllt. Hagene sagt zu Irinc : Ich rathe euch, nicht mit mir zu kämpfen, (wollt ihr es aber doch thun) so lasset eben die Hunnen (die vor dem Hause stehen, Str. 1956,61,63) zurücktreten (und kommt mit euren Mannen heran.) Wenn dann 2 oder 3 herauf«^ kommen, so u. s. w.

1964 ist ganz umgearbeitet und geordnet. B sagt: 1. Die hier so schmählich des Königs Brod essen und 2. ihm in der grössten Noth nicht helfen, 3. von denen sehe ich hier manche zaghaft stehn und 4. doch wollen sie für tapfer gelten, 5. das gereicht ihnen zur ewigen Schande. C braucht den ersten Vers, um Volker einzuführen, denn da er vorher eine Strophe eingeschoben hat, so ist die Fortsetzung seiner Kede unterbrochen. Nun folgen 3, 2, 1. 4 ist weggelassen und 5 schon in 1 enthalten.

1968,1. In B drei Hebungen hintereinander mit fehlender Senkung, der degen Irinc, das ändert C.

2014.1. Das Sausen der Schwerter sah man blinken, sagt B, was gerade so richtig ist, als wenn er gesagt ätte^ das Blinken der Schwerter hörte man erschallen. C kann das doch nicht dulden und ändert es, freilich matt und indem er selbst in einen neuen Wider- sinn verfällt. „1004 sprangen herein und zeigten ihre Tapferkeit, indem sie sofort alle erschlagen wurden." Das war ein rechtes Kunststück.

2038.2. B fängt die Strophe elliptisch an (die Erklärung von des

7*

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steht in Her vorigen Strophe) und gebraucht übele in seiner Weise für wenig, was C nicht leiden kann. C ergänzt die Ellipse und ent- fernt übele durch interrogative Wendung. Dann ist noch für ihn ein grosses Bedenken in Vers 2, und 3: da du mich zu dieser grossen Xoth einludest. Sie hatte ihn ja vielmehr zu einem Freudenfeste ein- geladen.

2040,3. ez ist vil unversüenet ist doppelsinnig. 1. heisst es dem Wortlaute nach: es ist noch gar nicht gesühnt, 2. soll es dem Sinne nach heissen: es wird nie gesühnt (und also verziehen) so lange ich lebe. C lässt unversüenet weg und führt dafQr Hagens Schuld weiter aus.

2112,1. rief in den sal fehlende Senkung, nu wert idch überal ist auch nur ein Flickvers, denn die Burgunden konnten nicht von überall her, sondern nur von der Stiege aus angegriffen werden, ir küenen recken endlich für Nibelunge entspricht mehr der Art von C. überal in Str. 2046 bedeutet: umzingelt das Haus von allen Seiten, damit Niemand heraus kann, wenn es angezündet wird.

2117,3. Worauf geht des gedenket, edel Rüedeger (eig. 5 Hebungen) 1. auf den Dank der Burgunden, oder 2. auf R. frühere Geschenke an sie, 3. oder auf das Verschonen der Burgunden, oder 4. auf ihre Begleitung durch Rüediger ins Hunnenland, oder 5. auf Rüedigers Treue? Wie die Strophe in B steht, muss nach dem 2. Verse Punkt stehen und dann zusammengehören der herltchen gäbe, des gedenket (grammatisch falsch). C löst Alles in einen einzigen hin- länglich klaren Satz auf. 9

2131,1. sprach Hagene braucht nicht wiederholt zu werden, weil er schon in der vorigen Strophe der Sprechende war. Dafür setzt C eine preisende Anrede an Rüediger. Die Reime Hagene: tragene versetzt C in die folgende Strophe.

2132,1. kann also wolde:8olde nicht mehr brauchen, noch tragen solde in 2 ist übrigens ein zu unbestimmter Ausdruck und wird durch C bestimmter gefasst; ,,Dass ich hier einen solchen Schild hätte.*'

2138,1. Vor 2138 hat C eine Strophe, die ihm hier unpassend schien, ausgelassen und aus ihr sprach Hagene, welches zur Fort-

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fähnmg des Gespräches diente, in diese hernbergenoininen. Vil edel (od. guoter) Rüediger steht in C vorn Beginn der Wechselrede in 2112, bis zu deren Schlüsse in 2142 viermal in gehörigen Distanzen, in B 6 mal und zwar dreimal von 2136 2139. C. hat das auch geändert.

2229,3. In C steht pal as, für sal und zende, für durch, er meint also, ein deutlicherer Ausdruck sei noth wendig, um zu verstehen, dass Wolfhart dreimal den Raum in seiner ganzen Länge fechtend durch- schritten habe«

2230,3. In ist corrupt für min, C corrigirt mir und ändert dann auch den andern Reim, (gegömin verlesen in gegen in).

2273,3. Ist der 2. Halbvers viel zu lang di mir von dir sint geschehen, C tilgt also von dir. Im 4 Verse ist wieder die zweite Hälfte unklar: dass ich das von dir sagen könne, dass du es gethan hast (so Bartsch) ist wohl nicht genügend. C erkannte die Stelle als zu dunkel und änderte sie in das klare so wil ich gar die schulde län. B wird Vers 4 so gemeint haben: Schlage mir eine Sühne vor, mit der ich mich einverstanden erklären kann.

2283,1. In B lät hoereu sprach Dietrich drei Hebungen hintereinander ohne Senkung. Grund genug für C zu ändern, indem er Hagene und Dietrich umsetzt.

2299,3. (In 1 vogt st. Dietrich). In 3 entfernt C den typischen Ausdruck Günther aus Burgundenland und lässt dafür die Königin höfischer Sitte gemäss und ironisch sagen: Seid vielmals willkommen, Herr König Günther, vil schien ihm zu viel, er setzt daher nur ein Theil, worunter man sich viel oder wenig denken kann. Ihre eigent- liche Rache beginnt ja jetzt erst.

302,1. von den beiden in B ist falsch« Es konnte sich nur auf Hagen und Dietrich beziehen, jenen hat aber die Königin schon in Str. 2293 in den Kerker abführen lassen, darum niuss C*tilgen, setzt dafür in, welches auf Krimhilt und Günther geht.

2309,3. An do ich in jungest sach lässt sich von C aus mäkeln. Sigfrid trug das Schwert Balmung immer, nicht bloss, da sie vor deir verhängnissvollen Jagd ihn zuletzt lebend sah; als sie ihn aber zuletzt im Sarge sah, trug er es nicht mehr. Der Vers ist gleich- wohl sehr schön und ästhetisch untadelhaft. C aber will hier, wo Kr.

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zum erstenmale dem gefangenen Hagen unter vier Augen entgegentritt, den alten Grimm voll in der Mordklage hervorbrechen lassen und diesen Gedanken führt er markig aus, wobei ihm nebenbei paaairt, dass er als 6. Halbvers einen regelrechten mit 4 Hebungen sich entschlüpfen lässt do ir im nämet den lip. Der Sinn geht ihm, was nicht oft genug wiederholt werden kann, vor der Reimkunst.

336,3,4. lip falsch st. libe, auch ist der Ausdruck unklar. C deutlich, so viel Stärke, als 12 andere Männer. In 4 ist der Fehler für C, dass Brünhild wip genannt wird, während sie noch mag et ist.

729,3,4. Die Königin ritt von dannen? wohin denn? und wenn sie fort ritt, um die Gäste zu empfangen, so that sie das doch wohl nicht ohne Begleitung ihrer Frauen ; das ergänzt C : sie ritt entgegen mit Günther und ihren Frauen.

1202,3,4. musste in C selbstverständlich wegen der vorher einge- schobenen Strophe geändert werden.

1663,3,4. holden haben ist nicht präcis genug ausgedrückt; dann ist der Gedanke : S. ist todt, dreimal in der Strophe, C sagt besser S. ist todt und steht erst am jüngsten Tage wieder auf, (Sivrit gähes niht erstät.)

1717,3,4. recken liebt C nicht, setzt dafür degene. gän (für komen) entspricht 1716,3 saehen künic gän.

1803,3,4. In B bezieht sich daz der Stellung und dem Sinne nach auf er hete understanden. Nun scheint aber C in seiner Vorlage hetez gehabt zu haben, dann ist der grammatische Sinn des zweiten Halbverses der: „später hat er es doch verhindert*', also das Gegentheil der Wahrheit. C ist ganz unzweideutig.

2021,1,2. Der Sturm, will C sagen, wurde nicht bloss von den Hunnen, wie B zu sagen scheint, sondern auch von den Burgunden erhoben; deun Dänewart sprang zuerst seinen Herrn voraus, den Hunnen entgegen, wie B in der nächsten Zeile sagt. Also ist in B ein (schein- barer, nicht wirklicher) Widerspruch.

2279,1,2. C setzt die Satzglieder und folglich auch Reime um, mit grossem Rechte, denn die Construction in B ist verworren oder wenigstens sehr kühn. Die prosaische und logische Wortfolge ist: got weiz her Hagene, ir möht iu die suone mines herren

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gezemen läzen, der iu den vride mit iu ze tragene bietet, ez kamt noch an die stunde daz ir in nemen möhtet etc. (aber dann wird es zu spät sein). Das bringt C in Reime und setzt das Ausgelassene zu (unt in iu danne niemen git). '

2298,3,4. Natürlich muss geändert werden, denn was ist in alle die sie fünden Subject, was Object? C sagt ganz deutlich daz si niemen liezen genesen.

210,3. C will hier den Dancwart hinaus haben, der bei ihm erst Str. 213 vorkommt und den er nicht zweimal hintereinander auftreten lassen will, denn dadurch hätte er ihn ungebührlich über die andern erhoben. Wenn nun aus Z. 3 Ortwin in Z. 2 versetzt war, so musste auch der Reim d e g e n geändert werden , weil es dann nicht auf Sindolt undHunolt bezogen werden konnte, wo es degene heissen müsste, also man.

310,3. Es war unpassend, nach aller vorausgegangenen Freund- lichkeit wieder von den Todten anzufangen, das tilgt C mit feinem Tacte. Aber mit dem Urreime hat das nichts zu thun.

347,2. Diese Strophe ist für das Gostüm interessant. AufMatrazen wird in B gesessen, in C ist der Boden damit belegt. Fortschreitender Luxus.

405,2. B er sollte an angest sin. Es schickte sich nicht für einen höfischen Dichter, von einem Könige zu sagen, er habe Angst gehabt. .

673,2. Wer sind diey^wir in B. Nach dem Wortlaut Günther und Brünhild, nach dem Sinne Brünhild und Krimhild. Im Vers 4 wird in B etwas gesagt, was Brünhild nicht sagen kann, denn Krimhilts Heirath mit Sigfrid ist für sie eine Mesalliance.

767,2. der vil edel man inB bezieht sich der Construction nach auf Günther , dem Sinne nach auf Sigfrid. Diese Zweideutigkeit hebt C auf.

1041. Um mit seiner Herrin zu klagen, hätte Eckewart sich in das gesidele mit ihr müssen einsperren lassen, welches die nächste Strophe in C beschreibt (B hat dafür allgemeiner gezimber, wie gewöhnlich

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ohne Rücksicht auf den Zusammenhang.) In das gesidele aber wie eine Irauernde Wittwe (reclusaj konnte der Markgraf sich nicht sperren lassen.

1104 sagt ß in genommen etwas ganz gedankenloses. Rüdiger war noch in Etzels Lande, da brauchte er sich doch nicht vor Be- raubung zu fürchten. Diese Furcht fing nach den Nibelungen und anderen mittelhochdeutschen (östreichischen) Gedichten erst in Baiern an. C tilgt diesen Verstoss gegen Etzels gutes Regiment.

1167. C erklärt, warum Gere und Eckewart stunden. Es geschah um den Boten, die sitzen durften die höchste Ehre zu erweisen.

1228. In B grosser geographischer Sprung. So weit (bis an die Donau) ging Burgundenland nicht, Schwaben lag dazwischen, also konnten sie sie auch nicht so weit geleiten. C beseitigt das. Dann veranlasste nicht die Entfernung der Assonanz den Bearbeiter in C zur Einschiebung einer Strophe, sondern die weitere Ausführung in 1228, wodurch die Erwähnung Günthers in eine andere Strophe gebracht werden musste.

1362,3. In B sendet Etzel zweimal Boten, die einen nach den Burgunden, die andern nach seinen Vasallen. Die letzteren meint der Dichter, sagt es aber nicht. Nun entstünde wenn man die Boten in Vers 1 und Vers 3 etwa für dieselben halten würde, eine arge Con- fusion, die C beseitigt.

1628. noch vil wenic iht genomen, solche Ausdrucksweise durch Negirung des Gegentheils vermeidet C. B will sagen: Etzel hat mir schon viel gegeben, dafür sagt er: er hat jpir noch wenig genommen und das soll heissen: er hat mich reich gemacht.

1646. nem deheiniu pfant, C ist hier offenbar viel präciser, er meint: dass man euch auf der Strasse für sicheres Geleite kein Pfand zahlen lasse, sondern dass ihr überall als Königs Gäste freie Fart habt.

1817. Der R im hat, da die ganze Strophe geändert ist, hier keine Bedeutung. Der Sinn entscheidet. Um den vierten Vers in B zu er- klären (leit der Burgonde), ändert C den vorausgehenden und setzt die folgende Strophe zu, so dass also hier sein Bestrebßn zu nivelliren

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sogar seine sonstige Tendenz, Krimhilts Rache auf Hagen zu beschränken, überwiegt.

1849. C will hier einfach und consequent die tiefe Bosheit Krim- hilts, die ihr eigenes Kind ihrer Rache wegen opfern will, tilgen. Das ist Nachklang der alten Sage, aber in unserer Dichtung erscheint es roh und unvermittelt.

1872. Der Hauptgrund ist allerdings nicht, dass sie in B vor das Haus, nicht in das Haus gehen, sondern der, dass man 2G00 nicht ein „grosses Heer'* nennen kann.

2020. In Strophe 2070 versuchen es 1200 heimische Recken, also wären in der Zwischenzeit 18,800 erschlagen oder sie verhielten sich ganz thatlos. Diess Missverhältniss erkennt C, er hat offenbar nachgerechnet und lässt die enorme Zahl fallen.

2060. B hat ganz Recht zu sagen „Krimhilt kommt über uns, sobald der Morgen graut'*, nur findet C natürlich den Ausdruck ellip- tisch und uneigentlich, denn nicht sie selbst kommt, sondern die von ihr aufgebotenen Kämpfer. Das liebt aber bekanntlich C nicht und drückt sich daher ganz deutlich aus. Für uns ist B poetisch schöner, denn was würde aus aller Dichtung, wenn man ihr Ellipse, Wieder- holung und sonstige Mittel der grata negligentia verbieten wollte; aber man muss C eben nehmen und gelten lassen, wie er nun einmal ist.

2303,5,4. ,, Keiner sah den andern mehr, ehe sie Günthers Haupt Hagen zeigte'* sagt B, und daran nimmt C mit Recht Anstoss, „denn das ist ja kein ,, Wiedersehen". Hier ist B einmal der Ausdruck zu be- stimmt gerathen, er wollte (oder sollte) nur sagen: sie erfuhren nichts mehr von einander. Indess muthe ich ihm auch damit vielleicht zu viel zu, denn sein Ausdruck entfernt sich hier auch nicht von seinem sonstigen laxen Stil.

2236^ 2237*. Hier ist noch der Aenderung in 2235 zu gedenken, wo C Verbindung zwischen Z. 2 und 4 herstellt und in Z. 3 den Eigen- namen durch ein Apellativum ersetzt. Die zwei folgenden Strophen ändert er also gänzlich und bei jedem einzelnen Zuge lässt sich der Grund (ausserhalb der Reime) finden und klar machen, und ouch die Dietriches lässt er weg als Tautologie, denn in der vorausgehenden Strophe steht done lebte niht mere der Dietriches man und

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies, XIII. Bd. I. Abth. 8

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nun in B do wären gar erstorben Dietriche^ man. Wenn das keine Tautologie ist! Die so entstandene Lücke muss er nun ausfüllen, und thut es, indem er das übergebliebene Satzglied erweitert. Hier passirt ihm aber, wie auch sonst zuweilen^ dass er selbst in den Fehler fällt, den er an seinem Vorgänger so eifrig verfolgt und vertilgt. Besser machen und selber machen ist eben zweierlei. Er sagt also: Günthers Mannen waren alle gefallen, ausser (niwan) sie zwei allein, Günther und H., die stunden bis an die Knie im Blute. Darnach wäre also Günther sein eigener Mann gewesen. Hätte B das gesagt, C hätte es ihm sicher nicht durchgehen lassen. In 2236^ hat B nun schon wieder eine Tautologie aus der vorigen Strophe, Wolfhart gev allen. C tilgt sie und den Eigennamen. B nennt in 8 Strophen hintereinander Wolf hart. C nennt ihn dreimal, dann in einer Strophe nicht, dann wieder zweimal, dann gar nicht mehr. Was nun in B in Strophe 2236* steht, dass Hildebrand seinen Neffen in die Arme nahm, musste C in die nächste Strophe setzen. re wunde (eine von Lach mau n gebilligte Emendation v. d. Hagen s) oder re wende, wie B irrig schreibt, war C zu fremdartig, ebenso im 4. Verse neve für oheim und er ersetzt beide durch geläufige Formen. Die Er- klärung Bartsch's von re wende ist unannehmbar, denn es heisst: auf die Todtenbahre bringend, also höchstens noch tödtend, unter keiner Bedingung aber sterbend, folglich ist re wende in B ein Schreibfehler für re wunde, dem A mit seinem rewude näher steht, und es kann nur erklärt werden re wunt = tot wunt. Audi das alth. gahrehida (von nicht erhaltenem gahrehian = auf die Bahre legen) exequiae, bestätigt diess. Nun sind doch wohl alle Aenderungen in C ohne Reim erklärt.

2018,1 4. C nimmt Austoss darau, dass Hagen und sein Geselle Volker der Helden und Könige pflegen sollen. Versteht er etwa darunter etwas Anderes, als Wache halten, was es entschieden in B heisst, oder findet er unpassend, dass die Könige nach den Mannen genannt werden, oder beides?

1964,1 4. Nicht diese einzelne Str. kann in Betracht kommen, sondern C hat aus zweien (1963, 1964) vier gemacht. Dieses Ver-

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hältniss muss berücksichtigt werden, nicht die einzelne Strophe. Man vergleiche raeine Bemerkung oben S. 20.

1807,3,4. Diese Strophe ist sehr instructiv für das Verfahren von C und auch für das von Bartsch. Er (ragt, warum in 3 , 4 der Reim, aber nicht, warum in der ganzen Strophe die Aufeinanderfolge des Vorgangs geändert ist. Und doch gibt diess die einfachste Er- klärung. B hat eine etiquettewidrige Darstellung. Kr. mit ihren Hof- damen setzt sich zu Etzel an's Fenster, der sitzt also schon. In G setzt sie sich zuerst mit ihren Damen, dann kömmt E. und setzt sich dazu. In B sind übrigens 3 4 Flickverse, die C recht wohl weglassen konnte, um für seine feinere Darstellung Platz zu gewinnen. Da kann auf die Reime nichts ankommen.

1583,3,4. Bartsch citirt wieder einzelne Reime, abervergisst auf den Zu- sammenhang Rücksicht zu nehmen, der allein Alles erklärt. In dem erhaltenen üeberreste der Str. 1582 hat C übereinstimmend mit B, Rüediger wähnte, die Feinde hätten Eckewart etwas gethan, B lässt dies in der nächsten Strophe fallen, C führt consequent den angeregten Gedanken zu Ende und widmet ihm in 1583 und 1584 drei Verse. In die 2 ersten dieser Verse fällt die vermeinte Auseinanderreimung Bartsch's.

1394,3,4 fehlt in C und Holtzmann hat an dieser Stelle gerade auch eine Lücke von 2 Versen angegeben.

1334,1 3. In B ist der Anfang dieser Strophe abrupt. Die erste Zeile gehört dem Inhalte nach zur vorigen 1333,4. Von den Rache- gedanken gegen Hagen springt der Dichter ohne Vermittlung über zu Kr. Sehnsucht nach dem hochherzigen liebevollen Giselher, den sie im Traume küsst. B hat vielleicht, von dem Zwange der Strophe geleitet, nichts weiter beabsichtigt, aber der so oder so entstandene Gegensatz ist sehr efifectvoU. Rache und Liebe zugleich erfüllen ihre Tage und Nächte. C ist solchen Kühnheiten nicht hold und er entfernt sie aufs geschickteste, indem er als Uebergangsmittel Gedanken an die Mutter einschiebt und damit die Strophe eröffnet, die nun freilich homogen wird. Die ganze Stelle ist jetzt übermalt und hat einen harmonischen Ton, aber die kräftige Wirkung ist auch fort.

1191,2 4. (1190,4 ist in allen Texten widersinnig: keiner fand die Krimhilt sehr wenig fröhlich: „also = alte fanden sie sehr heiter,'^

8*

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welches das Gegeatheil der Wahrheit ist; denn sie war ja immerfort traurig. Die richtige Emendation siehe bei der Strophe unten in den Conjecturen.

Es kann hier von Betrachtung einzelner Reime nicht die Rede sein, da C mehrere Str. zugleich geändert und zwei ausgelassen hat. Da noch von einzelnen Reimen anfangen zu wollen, wäre verlorne Mühe, verschwendete Zeit.

700,1 701,4. Hier sind nicht nur die Reime, sondern der ganze Sinn ist geändert. Warum? Weil in B übertrieben steht, die Boten wären aus lauter Generosität 9 Tage hoch bewirthet und dabei ohne Antwort gelassen worden , so dass sie sich am Ende hätten beklagen müssen. Solche Gastlichkeit gehört einer tieferen Sphäre an, an einem wirklichen Hofe vergisst man sich nicht so weit mit blossen Boten. C hat das passend in Ordnung gebracht, aber einen groben Fehler, den B hat, A nicht, dennoch stehen gelassen und bitent mine vrouwen, was jetzt auf Sigfrids Mannen geht, so dass also der König seine Leute um ihre Fürbitte bei seiner eigenen Gemahlin hätte angehen müssen, während in A si richtig nur auf Günthers Boten geht.

544,3,4. An dan hat C Anstoss genommen und dafür hoher gesetzt. Ersteres hiess, sie hätten ihren Schapel ganz abgenommen, während sie sie nur höher, d. h. aus der Stirne rückten, um sich zu küssen. In B scheinen ausserdem nur Br. u. Kr. sich geküsst zu haben, während in C sich diess auf ihre beiderseitigen Hofdamen ausdehnt. Er versteht das Ceremoniell besser als sein Vorgänger und seine Aenderung erscheint auch uns, die wir nichts von seiner Kenntniss besitzen, ganz natürlich, denn wenn sich die Grossen mit Kusse empfangen, warum nicht auch die Kleinen regis ad instar.

499,5 8 s. meine Anmerkung zur Zusatzstrophe oben S. 14.

497,2—498,4. Ebenso oben S. 13.

453,3,4. Wer hiess Niblunge? Nach B die 100 langen Meilen, oder wenn wir eine Zeile höher greifen daz lant, eines so falsch, wie das Andere. Wir wissen schon, was B meint, aber wir sehen auch, warum G den missdeutigen Ausdruck nicht ste en lassen konnte.

441,3,4. In B wieder indirecter Ausdruck, Dancwart und Hagene durften sich nicht darüber aufhalten, dass man sie so artig behandelte. C setzt dafür einen anderen directen Ausdruck.

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435,3,4. In B ist Steinwurf und Sprung fasst eins. In C folgt nach einer Pause der Sprung auf den Wurf, nachdem in der folgenden Strophe erst die Länge des Wurfes angegeben ist. C ist eben metho- discher und findet es wohl der Mühe werth zu bemerken, dass die Helden sich über einen zwölf klafterigen Steinwurf wunderten. Abge- sehen davon wird in B 'der Sprung zweimal, in C nur einmal be- richtet.

369,3,4. C lässt auch Dancwart rudern, damit es nicht so heraus- komme, als hätte der König allein gerudert und die andern zugesehen. Um diese unhöfische Idee zu entfernen lässt C in dieser Strophe lieber die Rosse weg.

Nach diesen Vorarbeiten lasse ich nun 1) eine Anzahl von Sinn-Conjec- turen folgen, die sich meistentheils auf A, doch auch auf den geraeinsamen Text und B beziehen, 2) eine Reihe meist metrischer Ctonjecturen in A.

12.1. krefte, kraft ist nicht zu dulden und darum verwandelt C das erste in ere. In krefte muss die Corruptel stecken. Am näch- sten liegt koste (= Pracht, Aufwand), so dass die Abkürzung von o für die von re genommen und ft für st verlesen wurde.

13.2. wilden, welches dem Metrum widerstreitet, indem es einen überladenen Auftakt erzeugt, ist ein Einschiebsel von A und eine Tau- tologie; denn, wenn man einen Falken zieht, so versteht es sich von selbst, dass es ein wilder ist, weil ein gezähmter das Ziehen nicht mehr braucht. Beim Kürnberger heisst es daher in der Parallelstelle ganz richtig: ich zoch mir einen valken do ich in gezamete er huob sich üf vil hohe. Damit wäre auch die vielfach ventilirte Frage über den Binnenreim dieser Strophe erledigt und die sonst so sel- tene Schreibung Kriemhilte für Kriemhilde unnöthig.

22,2, versuohte ist wegen des zweisilbigen Auftaktes wohl in suohte (=er suchte heim, griff an) zu ändern.

39,1. vil scheint aus 2 eingeschlichen, 1. swie sie kurzwile etc.

47,1 etwa swäz man nach ir minne der werbenden säch. Der Vers in A ist nicht zu dulden.

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47,4. ze triutenne hän scheint mir nicht sicher, truhtinge (= Freier) oder trütwine (Geliebter) könnten dahinter stecken.

84,4. lies vil mänegen höchverten man.

181,1. 1. der vtende, 4. 1. ze strite anstatt ze flize, vgl. 195,4.

189,4 190,1. vil ist hinunter gerathen, 1.

stt tete schaden mere | der vil zierliche degcn. Die drlzec er ze tode | werllchen slüoc.

192,3,4 1. in wart geseit,

daz er der kunic waere | daz was in maezltchen leit.

do wird häufig mit daz verwechselt, wegen der Abkürzung für letzteres de.

197. wol gewahsen, nur hier und im Biterolf, 1. wole wah- sen (i^sehr scharfen).

211,1. 1. wären fürsten her.

213,3. 1. der man vil wunde sach statt des schon oben be- sprochenen vagen wunder.

214.1. 1. üf einen schilt, es ist der Accusativ von gemälet regiert.

239,1 suochten (statt widerseiten)? vgl. 164,3.

240.2. mit liebe ist jedenfalls zu ändern in mit lihe (=mit dem Leben). Da der Vers überladen ist, wird w a s in den nächsten zu ziehen sein, also

do mit Itbe gescheiden Sifrit was der junge, vgl. Lachroann zu der Stelle.

268,1 ist der Consens von 3 Handschriften, welche ein ungewöhn- liches Wort (CE peyen, D poyen) bieten gegen das gewöhnliche der anderen (betten BI, beten A), wohl hinlänglich beachtungswerth. Es scheint beien das Ursprüngliche gewesen zu sein, welches nach der einen Richtung hin in beten, nach der andern in boien (= Banden) geändert ward, je mit Umsetzung eines Buchstaben, beien würde zum Verbum b ai a n, b a h i a n, bähen fovere, refricare gehören und die Ueber- schläge und Verbände bedeuten, welche den Verwundeten gemacht werden. 388,2. 1. drie palas wite | und einen sal getan (= gemacht)

von edelem marmelsteine.

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426,3. ze trüt ist grammatisch falsch, es muss ze trüte heisseu. Die Lesung von A ze trout und von C zetrout führen auch auf etwas anderes. Ich schlage vor wes hat der künic getrut = d. h. wessen hat sich der König unterfangen, welches Wagniss hat er unternommen.

456,1. Sollte man nicht (wiewohl gegen alle Texte) lesen einen risen ungefüegen mit Str. 458, denn dass ein „Ungefüger" ein Riese ist, versteht sich doch ganz und gar nicht von selbst.

557,1. In allen Texten stehtkleider ab geriten, welches man denn erklart: Kleider zu Grunde gerichtet durch \ Reiten. Diess ist ein Un- sinn; denn da jeder Mensch, wenn er reitet, seine Kleider abnützt, so kann es nicht Landessitte sein, dass gerade die Knechte es thun. Hier muss also eine methodische Emendation gemacht w^erden. Fragen wir zuerst, was heisst abe riten? Wiewohl es ein seltenes Wort, (s. B. M.

8. V.) so unterliegt es doch keinem Zweifel^ dass es bedeutet: müde reiten. Das kann sich aber begreiflicher Weise nur auf ein Reitthier beziehen und ein solches muss in cleider stecken. Bekannt ist nun, dass cl unter andern verlesen wird aus einem Uncial M, dessen erster Zug nach vorne ausgebaucht ist (=c), der Mittelstrich vertical ist(=l), der hintere mit dem übrigen zusammengezogen wird. So kommen wir auf meider und mit Permutation von r und n (wenn der hintere Strich des n kurz war) auf meiden, meidem = Hengst oder Wallach. Dass die Knechte nach dem Herrenturnier auch noch einen Ritt machten, wird wohl das Wahrscheinlichste sein. Nun muss man weiter fragen, ob denn die Pferde, welche meidem oder meiden hiessen, von den Knechten geritten wurden, und das ist im höchsten Grade wahrscheinlich, wenn wir den Werth des meidem gegenüber dem des ors erwägen. Ziemann hat schon meidem vilis equus, dann citirt er Mon. Boica,

9, 128, wo ein meidem nur 13 1 5 Pfennige gilt, einros32, 50 bis CO Pfennige, dann die andere Stelle, aus Frisch I, 655, wo der meidem mit einem Werthe von 20 Schillingen in der Mitte steht zwischen dem Pflugpferde mit 12 Schillingen und dem Ross mit 30 Schillingen. Ein Reitthier von solchem Werthe passte also ganz genau für die Knechte. Nun sollte, um die Emendation fertig zu machen, zwar vil meideme oder meidene stehen; aber es wird wohl eher geheissen haben

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manic meiden, und wenn für meiden einmal cleider verlesen war, 80 ergab sich die Aenderung in vil von selbst.

564.2. Lachmann hat spranc in sprach emendirt (es war ohne Zweifel sprahc geschrieben), aber er lässt Giselher stehen und giebt sich grosse Mühe, ihn zu deuten. Ich glaube, es ist das einfachste, hier, wie wir auch weiterhin einen eclatanten Fall finden werden, Giselher für falsche Auflösung der Abkürzung G. zu halten, die Günther bedeu- tete. Dann ist die Stelle ganz einfach; denn was wusste Giselher von der Sache und was hatte er zu befehlen?

565,4. Eine Stelle, die, wie die Varianten und Lachmanns lange Anmerkung zeigen, schon viel Kopfzerbrechens gekostet hat. So wie sie in A steht, ist sie nicht zu dulden. Ich schlage vor:

Ouch was Prünhilt ebene | vor in ze tisch gegän, wegen vor in vgl. Strophe 607, wo Bischöfe die Königinnen zu Tische führen und es ausdrücklich heisst, dass sie vor den Königen zu Tische gehen^

der vrowen isliche fuorte ein bischof, do si vor den künigen ze tische solden gan.

588.3. Ich habe schon oben auf diese Strophe hingewiesen. Da es nun sicher ein Unding ist, einem etwas zu verbieten, was er ohnehin nicht thun kann, so folgt logisch daraus, dass Brünhild dem Könige Günther nur etwas verbieten konnte, was zu thun in seiner Macht stund, das war aber einzig und allein Wehklagen und der Text sagt es ja selbst deutlich genug, dass sie ihm das verbot, denn wodurch sonst konnte er sie im Schlafe stören ? Es muss also ein Wort gefunden werden, welches dem Sinne nach passt und dessen Verlesung in minnen evident ist. Dieses Wort ist murnen oder mornen (klagen), ein seltenes Verbum sclion im Althochdeutschen, im Mhd. noch gar nicht belegt, aber nach Form und liedeutung ausser allem Zweifel (s. Graft* II, 860). Es ist kein geringes Verdienst von C, minnen entfernt zu haben.

599,3. C sciere satt sere, welches keinen hier zutreffenden Sinn giebt, während sciere vollkommen der Situation entspricht. Sie band ihn beim ersten Versuch, sie zu minnen.

608,3,4. Hier geht Kriemhilt mit Brünhilt zugleich in ihr Gemach, d. h. in ihr Brautgemach und in der nächsten Strophe sitzt sie wieder

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mit Sigfrid und seinem Ingesinde za Tische. Das ist ein absoluter Wider- spruch, den C auch bemerkt und die zwei Strophen ausgelassen hat. Sind wir einmal so weit, so beantwortet sich die Frage, wer denn mit Brün- hilde zugleich in sein Gemach gegangen, von selbst. Es war eben Günther ihr Mann und die Abkürzung G. wurde für Grimhilt verlesen, während sie Günther bedeuten sollte. Man sieht hieraus, dass im Originale Grimhilt und nicht Kriemhilt gestanden haben muss. Solche graphische Verschieden- heiten einer verlornen Vorlage lassen sich nur aus Fehlern mit Sicher- heit erkennen, wie wir weiterhin besonders am F sehen werden, dessen sich die Mutterhandschrift bediente^ während es jetzt fast in allen Texten getilgt sind. In Z. 4 muss es natürlich der kfiniginne heissen.

615,3. A ist durch Ausfall einer Sylbe metrisch corrupt, denn dass daz heimliche nur zwei Hebungen haben kann, ist klar. B emen- dirt heimlicher dinge, für den Sinn ganz gut, aber der kritischen Anforderung nicht genügend, heimliche ist nicht, wie es scheint, Adverbium, sondern der von niht im folgenden Halbvers regierte Ge- netiv des Substantivs heimliche = coitus; es muss also heissen, ddz der heimliche.

6f6,4 ist ein Vers, an dem sich in metrischer Hinsicht die alten Schreiber, wie die neuen Herausgeber den Kopf zerbrochen haben, ohne zu einer entfernt annehmbaren Lesung zu kommen, scämel, wie Bartsch thut, für diese einzige Stelle mit langem ä zu schreiben, ist ein trauriger Nothbehelf. Gleichwohl ist die Hülfe aufs einfachste und im strengsten Anschlüsse an A und an die Grammatik zu finden. Da scamel ein Fehler ist und der Dativ scamele heissen muss, so handelt es sich nun natürlich nur darum, auf scamele 2 Hebungen zu bringen, h. die Synaloephe zu entfernen, indem mau den Vocalanlaut des folgenden Wortes beseitigt und für erclanc das gleichbedeutende derclanc setzt:

daz im sin höubet lüte | an eime schämele derclanc ist ein vollkommen tadelloser Vers.

656,1. Dass sie in ihren grossen Ehren sassen und ,.genug hatten'^ ist läppisch, der zweite Halbvers metrisch unmöglich. Beides zugleich wird beseitigt, wenn man liesst:

Die s'in ir grözen eren | s&hen, heten genuoc = die beim Feste gegenwärtigen wurden reich beschenkt.

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XHI. Bd. I Abtb. 9

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Verlesung von säzen für sähen erklärt sich aus der z ähnlichen älteren Formen des h.

682.3. Dass ze Norwege ein geographisches Monstrum is, wird man zugeben. Ich erlaube mir hier den rationalistischen Einfall vorzu- tragen, dass gestanden haben könnte Nim weg e, denn das liegt von Xanten aus in der Mark. Norwegen ist ein so vager Ausdruck, dass er so gut wie nichts bedeutet und schwerlich in der ursprünglichen Abfassung gestanden haben wird. Lachmann war übrigens nicht dieser Meinung, denn er setzt Strophe 720,2 (wo B sehr einfach cen Bür- genden hat) von Norwege und diess in einer echten Strophe.

771,4 wäre die Lesart von A schon ganz gut beizubehalten gewesen, wie diu eigene din, vielleicht hiess es aber ursprünglich: wie diu eigendiwe din, denn die jetzt recipirte Lesart wie diu eigene diu dtn ist unerträglich hart.

792,2. Aus der Lesung gedaht in BC scheint sich etwas anderes entwickeln zu lassen, als gedaget. gedähte althochdeutsch gidähtt heisst Ueberlegung und könnte an dieser Stelle passend stehen = Du hättest Dir die Sache besser überlegen sollen. Als schon im ABd. sel- tenes und veraltetes Wort wäre es natürlich ausgemerzt und das nahe- lie^jende gedaget an die Stelle gesetzt worden.

828,1. f li ze ist ein matter und untreflFender Ausdruck. Vergleichen wir dazu Str. 181,2, so finden wir denselben noch einmal (der was ze fitze gar), wo wir ebenfalls etwas anderes erwarten, aber Str. 1954 steht das richtige ze strite erltchen (Hess herlichen mit allen Handschriften ausser A und vgl. 267,2). Es ist nun entweder anzunehmen, dass an beiden Stellen flize für st rite verlesen ist, was ganz gut gesehen konnte, wenn die Verbindung f 1 für die Verbindung s t verlesen wurde, i (= ri) übergeschrieben war und z für t verlesen wurde, was bei der kleinen Form des z sehr leicht möglich ist. Oder man müsste, um fitze an beiden Stellen zu retten, voraussetzen, es hätte die alterthüm liehe Bedeutung Streit, die es im Angelsächsischen und heute noch im englischen flite hat, die aber nach den bei Graff gesammelten Stellen nicht einmal mehr im Althochdeutschen belegt ist. Ich würde demnach an beiden Stellen strite für flize vorziehen.

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841,4 ist in allen Handschriften eine schwere Corruptel. si seit im (cundiu maere ist ein Unsinn, denn dass sie selbst das wusste, was sie ihm offenbarte, kann nicht gemeint sein ; ausser ihr aber wusste Niemand um das Geheimniss. Folglich muss gerade das Gegentheil stehen und es muss statt im kundiu gelesen werden unkundiu, die leichteste Aenderung, die gedacht werden kann. Dann dürfte der zweite Halbvers besser lauten d a z ( == das Sagen) bezzerwaereverlän.

857,4. Aus der Lesung von A v^rewise kommt man am leich- testen auf urwise, welches C hat. Dabei ist noch zu berücksichtigen, dass an dieser Stelle in A unmittelbar vorher ein Fehler ist, iu für iuch, also möglich, dass noch etwas (eben das h oder ch) dagestanden hat, was vom Schreiber fälschlich zu vr gezogen ward. Da man v ur- wise oder vürewise (in dem Sinne von falsch geführt, irre) mitver- wisen der Bedeutung nach zusammengestellt, so muss doch endlich einmal bemerkt werden, dass diese Zusammenstellung, wiewohl sie von Lachmann selbst zuerst gemacht wurde (Anmerk. z. d. Str.), irrig ist. ur und er entsprechen sich, aber keineswegs vur (= vuri) und ver (= V a r). Die Bedeutung des Verbums verwisen = falsch weisen, könnte, also nie in vürewise stecken, sondern nur die von vürewise n, welches nur vorweisen oder für weisen bedeuten kann, was an unserer Stelle nichts nützen würde. Ahd. forawis heisst praescius (Graff 1, 1071) und furiwis würde ganz dasselbe bedeuten. Da nun weder vürwise noch urwise im Mhd. belegt ist, so fragt sich, ob denn im Ahd. Hilfe zu finden sei. Das urwis bei Otfrid (im Sinne von ausgeschlossen, vertrieben aus dem Paradiese) II, 6, 38 könnte zu passen scheinen, wird aber sofort abgewiesen, wenn wir die Bedeutungen dissimilis parentibus, ignobilis und degeneris aus der Haupt- glossensammlung (P. Ra. gl. K.) damit vergleichen, welche uns lehren, dass das Wort zusammengesetzt ist aus ur undwisa und also bedeutet aus der Art geschlagen, folglich enterbt. Wir werden uns also an ein anderes ahd. Verbum halten müssen, nämlich an das gleich- falls ganz seltene arwisan (von wis an meiden) subterfugere, evi- tare, wonach urwise dem Sinne vollkommen entsprechen würde. Es ist diess eine Stelle unter mehreren, wo ich glaube, dass C das Richtige und Ursprüngliche hat, ganz unbeschadet meiner Gesammtansicht über C.

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885,3 mu88 hier extra ordinem mit zwei Zeilen bedacht werden, weil es uns auch einmal die Kehrseite recht deutlich zeigt. Holtz- mann (Untersuchungen S. 41) findet an B und A Anstoss, denn man habe ja die Häute der Thiere nicht gebraten und deshalb sei in G das Ursprängliche. BA sagen aber auch gar nichts vom Häutebraten, son- dern nur, dass man Wild (also ganze Thiere) und Thierhäute zum Sammel- und Speiseplatze brachte. Es waren eben Häute von Raubthieren, deren Aas man liegen Hess, dagegen das Wild zum Essen ganz brachte. Hier könnte man also die Sache umkehren und von der feinen Ueberlegung in BA sprechen, was freilich gerade so irrig wäre, denn A und die Vul- gata kennen so raffinirte Erwägungen überall nicht, spitzfindige Köpfe dagegen, wie C und Holtzmann treffen auch manchmal daneben.

895,1. ludmes hat keinen Sinn und es ist schwerlich zu erwarten, dass es je einen bekommt, wenn wir erwägen, dass Indem ein ganz gewöhnliches Wort ist und Lärm, Getös bedeutet. Wie sollte das zu- gleich ein Thiername gewesen sein ! ludmes f&hrt graphisch leicht auf luchses, wenn' man d aus dem c und dem Vertikalstrich des h (wie so oft) sich entstanden denkt, dann das s in älterer Form, einem r ähnlich mit etwas nach unten verlängertem zweiten Striche, wo dann der zweite Strich von h und dieses r mit seinen zwei Strichen m er- geben, luchses hat richtig auch D, durch üeberlieferung oder durch Conjectur, wer wagt das zu entscheiden. Allein ich muss aufrichtig gestehen, dass mir dieses Jagdgewand von Luchs feil, mit goldenen Spangen besetzt (geströut man drüfe vant vil manic goldes zein) sehr verdächtig vorkommt, denn 1. wer zieht einen Pelz an, um in der allergrössten Hitze auf die Jagd zu reiten und 2. wann hat man je einen Pelz mit darauf gesäten Goldspangen verziert? Der Text giebt uns aber selbst noch ein drittes ganz entscheidendes Argument an die Hand^ indem er zusetzt, diese Goldspangen glänzten üz der liebten riuhe. Kann man von einem Luchspelze, wie von jedem anderen, sagen, er sei rauh, so kann man doch gewiss nicht sagen, er sei hell, da er bekanntlich im Gegentheil braun ist. Ich vermuthe daher, dass ein ganz anderes, aber äusserlich sehr ähnliches Wort da gestanden habe, nämlich losch es oder lös che s. Mhd. lösche B. M. Mhd. WB, I. 1043 (wozu noch zu fügen ist rotez lösch. Berthold von Regensb.

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ed. Pfeiffer 499^7) und althd. loski, Graff 2, 282, Schmeller B. W. Neue Ausg. I, 1521, bedeutet rothes Leder. Schmeller hat ganz Recht, wenn er es von dem slavischen los (cervus alces) ableitet. Es wird uns in letzter Instanz als ein scythisches Wort überliefert von einem griechischen Kirchenscribenten« Ein Birsgewand von glänzendem rothen Leder mit Goldverzierung, das passt ganz anders als ein Luchsfell. Zu- dem weiset Schmeller auch noch im hoU. Losch = Luchs nach. Auch passt dazu vortrefflich die Stelle, welche das Mhd. Wß. aus dem Tro- janerkriege beibringt: „ein Kleid von Leder, welches roth glänzte, wie lösch (=liuhtiu riuhe).

Uebrigens enthält auch die vorausgehende Strophe eine Stelle, die nur auf gelehrtem Wege, d. h. aus dem Physiologus verständlich ist^ nämlich die von der Pantherhaut. ,,Der Panther, heisst es dort, hat einen süssen Geruch'' u. s. w., daher durch die süeze in 894,2.

917.2 haben BCI in zwei wizen hemden, A zvai. Lachmann bemerkt zur Stelle, sie habe grosse Schwierigkeiten, denen durch Sim- rocks Erklärung abgeholfen werde. Diese Erklärung geht darauf hinaus, dass Günther und Hagen entkleidet mit dem bekleideten Sigfrid um die Wette liefen. Wer hat denn aber daran gegenüber den zwei voraus- gehenden Strophen und der ersten Zeile von 917 den geringsten Zweifei haben können? Dass sie beide in zwei weissen Hemden wie zwei Panther gelaufen sind, das ist die unerträglichste Wiederholung, von der natürlich das ausgemerzt werden muss, dass Jeder von ihnen ein Hemd^ zusammen zwei, angehabt. Für zwei oder zvai wird wohl eines der Beiwörter s a b e n , sne, die mit weiss verbunden werden, zu vermuthen sein. Beide kommen in den Nibelungen vor.

941.3 möchte ich lesen daz (jagen rite), vom Schreiber in dar verlesen und mit da er erklärt, welches im folgenden Verse richtig steht, aber in zwei Versen hintereinander wiederholt die Strophe ver- schlechtert.

1061,4 unz ze berge an den Rin wäre, wenn es gleich ze berge sein sollte, ein miudestene pleonastischer Ausdruck. Ich glaube aber, dass berc hier, wie an zwei anderen Stellen von entscheidender Wichtigkeit in A, die andere und seltnere Bedeutung Ufer hat, vgl. die Bemerkungen zu Str. 1236).

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1069.1. ir ist lip unde guot scheint aus Str. 1075,2, wo es passend steht, hieher gekommen zu sein. Ich vermuthe, dass es hiess iz ist ir lip guot und dass der Ausdruck lipguot nicht verstanden wurde. Das Wort L q i b g u t ist bei Haltaus aus einer Anzahl von Stellen er- klärt und bedeutet gerade, was der Sinn hier fordert: Besitz der Wittwe, über den ihr die lebenslängliche unbeschränkte Verfügung zusteht.

Eine zweite ebenso wichtige und noch viel schwierigere Stelle ist 1070,2. deheinem einem wibe. Bartsch sagt sehr richtig zu der Stelle „einem ist für uns entbehrlich" und Simrock übersetzt gerade so : Vertraut ein kluger Mann doch solche Schätze nimmer einer Frauen an. Grammatisch Hesse sich freilich die fehlende Senkung in AD und zugleich das austössige einem leicht heben, wenn man alterthümlich deheineme lesen wollte oder noch einfacher nie deheinem. Aber es liegt hier ein Fall vor, wo B und C eine höchst auflfallende Lesart haben, die Lachmann selbst durch Aufnahme in den Text als die richtige anerkannt hat und mit der wir uns auseinder setzen müssen. Ich finde hier wieder einen Rachtsausdruck. inwip kömmt zwar nicht vor, aber inman bei Ilaltaus, welches einen i n träne us Eingesessenen, gegenüber, einem Ausmann bedeutet. Ein inwip wäre demnach eine Eingeses sene, über die folglich der Landesherr Jurisdiction hat und der er, nach Hagen8 Meinung, einen so gi'ossen Schatz nicht zur Verfügung lassen darf, damit sie ihn nicht zu seinem Schaden gebrauche. Also deheinem inwibe?

In 1109,1 würde ich lieber Ja mit D, als Da lesen, welches wie eine nhd. Weuduag aussieht.

diu im 2. Verse ist der alterthümliche Instrumentalis, den die andern in daz ändern.

In Vers 2 macht ander den Vers zu lang oder holperig (man muss werben ein ander oder werben ein ander lesen). Man könnte ander oder ein weglassen. Diess und das Unpassende von Da in Vers 1 scheint C gefühlt und darnach geändert zu haben.

1110.2. DieTrennungvon manegen und eren durch die Cäsur in ABI ist ganz schlecht. C hat es schön gebessert (sit daz wir ir hoeren so grozer eren jehen); aber das können wir für die Verbesserung von A und B wieder nicht brauchen, da es ja keine Emendation im

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philologischen Sinne, sodern eine Umarbeitung ist. man ige oder ma- nigen für maniger würde vollkommen genügen = da wir so Viele sie rühmen hören.

1190,4 ist in allen Texten gleich tadelhaft. Man sieht hier schön^ wie schlecht manchmal die gemeinsame Ueberlieferung ist und wie wenig sich die Ueberarbeiter zum Echten zurückzufinden wussten. Hier wird es vielleicht durch einfache Umsetzung erreicht:

lützel ir deheiner | die vrouwen vroeliche vant, d. h. auch nicht ein einziger von ihnen allen fand sie heiter.*)

In 1192,1 haben A und B ganz absurd des edelen fürsten. Es war ja nur Krimhilt zu fragen, also eine fürstin, was statt fürsten zu setzen ist. C hat die Sache nicht brauchen können, aber in denl sonst so ganz unbedeutenden Codex h findet sich richtig der edeln frawen muot. Lachmann sagt von dieser Meusebachischen Hand- schrift, nachdem er sie als Abschrift von J erkannt hatte, es sei einiges daraus zu lernen. Vielleicht ist diess eine solche Stelle, fürsttn kommt aber sonst im ganzen Gedicht nicht vor. Das machte wohl die Abschreiber irre.

Lachmann hat die Strophen 1210 1221 (mit Ausnahme von 1220) verworfen und wenn man ihren Inhalt erwägt, wird ihm Jeder ganz ohne alle Rücksicht auf Liederthorie und Heptaden vollkommen Recht geben müssen. Sie sind ein schales Füllsel, auf der Fiction beruhend^ dass der Schatz, den Hagen schon einmal und längst vollständig in den Rhein geworfen hat (Str. 1077), auf einmal zum grossen Theile wieder da sei. Aber in die gleiche Kategorie scheint auch 1223 nnd 1224 zu gehören, die ganz im Widerspruche mit Eckewarts Liegen auf der Marke bei Ruediger sind (vgl. Str.* 1572 1587). Man denkt, mit seinen 500 Mannen hätte er bei Krimhilt sein und gegen die Burgunden kämpfen sollen. Aber der zweite Theil des Nibelungenliedes stimmt gerade in dieser Beziehung auffallend mit der Dhidhriks-Sage überein, wo die Sache nur etwas natürlicher und anschaulicher (im 367 8 Cap.) erzählt wird.

*) leb muBs bemerken, dass scbon Holtzmann in der Vorrede zu seiner zweiten Schalaus- gabe 1863 vorschlägt vil lützel ir deheiner die fr o wen vroeliche vant.

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Wir sind jetzt bei den vielbesprochenen und vielgetadelten Passauer Strophen angekommen. In 1236,2 ist der Ausdruck berge in AB Gegenstand des Anstosses gewesen und Lachmann selbst hat es für einen Fehler gehalten und daher klein gedruckt. Was er für das Richtige gehalten, ergiebt sich fast nur aus seiner Bemerkung, „vgl. 318,P^ Da steht Herberge wurden laere. Die andern Texte CDHJh haben denn auch her berge. Gleichwohl ist diess an unsrer Stelle nicht zu dulden; denn her berge heissen nur die Wohnungen von Fremden oder Gästen und dass der Königin Krimhilt nur die in Passau anwesenden Fremden und der Hof des Bischofs neugierig entgegengeeilt seien, kann man doch nicht glauben. Wo bleiben denn da die Passauer selbst? In der nächsten Strophe und weiterhin werden nur die Recken vom Lande genannt, von Fremden selbstverständlich keine Rede. Ich habe nun schon oben bemerkt, dass berge Ufer heisst und wenn auf irgend eine Stadt, so passt diess auf Passau mit seinen 3 Flüssen, von denen das Gedicht selbst zwei in Str 1235 nennt. Eine zweite eben so entschei- dende Stelle ist Str. 1462^3 beidenhalp der berge, weinte Weib und Mann, als die Burgunden aus Worms zogen, d. h. auf beiden Ufern des Rheines. Richtig hat auch a des Rines (folglich hatte es auch C, in dem diese Strophe in die grosse Lücke zwischen 1436 1531 feilt). Vgl. Grimm, DW. u. d. W. Also die Passauer Herren sind von ihren Ufern und die Leute des Bischofs von seinem Hofe, der nicht am Ufer stund und steht, ausgezogen. W. Wackernagel hat in seinen 1866 veröffent- lichten Nibelungenfragmenten diese Stelle ebenfalls behandelt und zum Gegenstand einer Conjectur gemacht, deren Kühnheit kaum von Holtz- mann hätte übertroffen werden können. Er liest für die berge ganz überraschend einfach dietberge und sagt, das sei eben so viel als herberge. (S. 34, Note 7 zu derStelle, woerdie liute in dieliute r= Dienstleute verändert und den zweiten Vers der Strophe zum vierten macht.) Ich finde das letztere gar nicht so einfach, wie Wackernagel, denn dietberge kömmt zwar als Appellativum gar nicht vor, wohl aber als weibliches nomen proprium, und die Mutter des heiligen Ulrich von Augsburg, die so hiess (s. Schmellers Ulrich) wird doch nicht den Namen: Wirthshaus geführt haben.

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Das8 in Str. 1236,3 sie tlten üf als erster Verstlieil eine Hebung zu wenig hat, ist klar. Wollte man lesen:

sie ilten baide üfe | in Beiere lant, so muss man Bedenken tragen, so altertümliche Formen, wie Beiere in ein verhältnissmässig so junges Stuck bringen zu wollen und da durfte vielleicht der allereinfachste Weg der sicherste sein. Im Ahd. und Mhd. ist iltun und ilten bei weitem die häufigste Form, aber da- neben kömmt doch auch einige Male eine dreisilbige, vor und ileten ist belegt; also sie ileten bälde | üf in Beier laut.

Die Klage hat übrigens üf in Beier laut, was auch richtig wäre als 2. Halbvers.

Dass der Bischof Pilgrim der Onkel der Krimhilt und der Bur- gundenkönige sein soll, wie in 1238,1 gesagt wird, ist leicht das aller- stärkste Stück, welches einem im ganzen Nibelungenliede zu glauben zugerauthet wird. Die Pilgiimstrophen in der Form, wie wir sie haben, sind nicht zu vertheidigen, übrigens gar nicht übel gemacht und Lach- mann sagt deshalb auch (S. 163 der Anmerkung) ,, übrigens liegt mir wenig daran, wenn man die Strophen von Pilgrim nicht für noch jünger, als unsere Sammlung halten will.'*

Aber dass das Itinerar der Königin erst bei Everdingen beginnen soll, gerade dem ersten nichtbairischen Orte und dass die ganze Strecke von ^Yorms bis nach Oestreich, das ganze Schwaben- und Baierlant übersprungen sein soll, das ist schwer plausibel zu machen. Lachmann sagt S. 161 (611) freilich über die Ileimath der Lieder, auf Schwaben führe in ihnen nichts, so wenig, als an den Rhein (obgleich man auch nur die Fortsetzung des 11. und das 12. Lied der genaueren Ortsbe- stimmungen wegen mit völliger Sicherheit östreichischen Dichtern zu- schreiben dürfe). Aber wenn einer Efferding kannte, so musste er doch auch vom nahen Passau etwas wissen, er musste wissen, dass es einen Bischof hatte und etwa auch, dass die Heerstrasse an Passau vorüber, nicht hindurch führte. So viel ist gewiss, die Königin musste, um nach Efferding zukommen, an Passau wenigjstens vorbeipassiren und da konnte und musste sie denn wohl vom Bischof ieiei lit h empfungen werden, der ja nicht gerade der Bischof Pilgeiin und, selbst wenn es Pilgerin war,

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I. Ablh. 1 0

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doch nicht der Onkel der Königin zu sein brauchte. Zudem haben die zwei Strophen 1237 und 1238 dieselben Reime (eit int) in gleicher Folge, was sie ganz verdächtig macht. Zufällig hat sich nun hier in dem Münchner Fragment H eine vom Schreiber sofort getilgte Lesart erhalten, die auf eine Spur führt, infel für nifel. Eine Infel hat bei einem Bischof von Passau jedenfalls eher einen Sinn, als eine könig- liche Nichte. Da man nun nicht lesen könnte (als erste Versh&lfte) der bischof mit siner infel, so muss man dafür das metrisch und grammatisch richtige unter infel setzen, welches unter später in mitter, mit s t n e r verändert worden wäre. Sind wir einmal durch die Infel von der Nichte befreit, so muss es im zweiten Verstheile na- türlich heissen uz Pazzouwe satt ze, denn das entspricht ganz der natürlichen Lage, wie sie später noch einmal Str. 1569 mit merkwür- diger Genauigkeit geschildert ist Das Nichtverweilen in Passau wird auch dort hervorgehoben. Dadurch entscheidet sich nebenbei auch die Frage ob eher Strophe 1238 oder 1237 auszuwerfen. Offenbar letztere, denn sie widerspricht in ihrem vierten Verse auch der nächstfolgenden 1239. Also, dass sie an Passau vorüberziehen musste und da vor der Stadt vom Bischof feierlich (unter infel) und vom Volke in neugie- riger Menge empfangen wurde, das, scheint mir, dürfte wohl auch in einer viel früheren Fassung dieser Passauer Strophen gestanden haben, welche der Form nach herstellen zu wollen, ich für vergebne Mühe erachten müsste.

Str. 1290,2 hielt Holtzmann für eine Hauptstelle, um die Ursprüng- lichkeit von C zu beweisen. Wäre seine Voraussetzung, dass hier nur von einer Art Schlepptragen die Rede sein könne, begründet, so liesse sich gegen Holtzmanns Argument durchaus nichts einwenden, dann wäre in C das Richtige, in B ein doppelsinniger Ausdruck, in A eine schlechte und matte Aenderung. Ich habe daher v. Hefner-Alteneck gefragt, ob das Schlepp- und Kleidertragen schon so frühe (drittes Drittel des 12. Jh.) in den Costümabbildungen vorkomme und er hat es entschieden verneint und setzt es erst ins dreizehnte. Dagegen findet sieb im Liede selbst häufig genug, dass Ritter und Damen der Feierlichkeit wegen schönere Kleider tragen als gewöhnlich, was in A durch riche ausgedrückt ist. Wie erklärt sich denn nun aber das sonderbare iriu in B? Erstens ist es unsicher.

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denn es steht „Alles auf radiertem Grunde'^, wie Lachmann z. der St, angiebt, zweitens muss es geändert werden des Sinnmangels wegen. C, in dessen etiquettmässiger Zeit das Schlepptragen wohl schon vor- kam, ändert vortrefffich in ir diu. Wir aber brauchen einen Durchschnitt zwischen dem unsicheren iriu und dem nur inhaltlich sicheren riche. Sobald die Frage einmal so präcisirt ist, ergiebt sich einfach ciriu oder zieriu, waraus in B durch Missverständniss iriu, in A durch Ueber- setzung riche geworden ist.

1303,4—1304,1,2 möchte ich so lesen:

ich waen man alle zite | den künec bi Kriemhilde vant.

Dietrich der herre | und ander manic degen

die heten sich der ruowe | mit arbeit bewegen etc. In der Urhandschrift möchte so übergeschrieben gewesen sein: de k. bi Grimhilde. Daraus machte ein Schreiber, dem die Abkürzung k für künec nicht geläufig war, dem, ein anderer löste dem künige zwar richtig auf, machte aber denselben Fehler, wie der erste, indem er das üebergeschrie- bene in die Mitte, anstatt an den Anfang setzte« Die Aenderung des nächsten Verses ergab sich dann von selbst. Man wird mir aber zu- geben, dass es viel natürlicher ist, den König allzeit bei seiner Braut Krimhilt sein zu lassen, als Dietrich und seine Mannen. Wenn ich nun behaupte, dass künic abgekürzt k. geschrieben wurde, so habe ich das nicht aus der Luft zu greifen gehabt, sondern es stund mir in 1356,1 eine klassische Parallelstelle zu Gebote. Dort steht in A und B Ruediger falsch, in CDlh richtig der künec, ebenso in 1754,4 in B der Ruedger mit in ce tisshe gie statt der künec, und 1935,4 da von dem chünege Ruedeger in B, anstatt da von der künic Günther. Diese Fälle werden mehr als hinreichend sein, um mit den schon oben besprochenen die Bedeutung falsch gelesener Abkürzungen für die Texteskritik zu würdigen.

1309,1 ist metrisch ganz unerträglich, denn eigentlich müsste man ja lesen,

oüch gap kunec nie deheiner züo sin selbes höchgezit, was einen recht schönen arixog noXirixog^ aber keinen Nibelungenvers

10»

^

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gibt. Die Hauptschwierigkeit liegt im 2. Halbverse in denf übermässig beschwerten zwei.silbigen Auftakte, sin kann wegbleiben, vgl. Elisabeth ed Rieger, v. 351 mit selbes ingeainde. Unser Vers lautet dann ganz glatt:

Ouch gap nie künec deheiner | zuo selbes hochgeztt.

Auch in 1307,2 deutet das Schwanken aller Texte eine ganz ver- wirrte üeberlieferung an. Die Trennung von kunege und deheinera oder deheime durch die Cäsur muss unbedingt beseitigt werden. Man braucht aber deheiner gar nicht, also etwa:

ich waene man von kunege | immer mere sage etc., oder eine ähnliche Construction.

1467.3. A hat wal und Lachmann, der diess in den Lesarten mit- theilt, führt zum Ueberflusse noch 5 Stellen an, in denen das Wort allein oder zusammengesetzt vorkommt. Trotzdem setzt er aus B wäc in den Text. Ich muss gestehen, dass es mir wahrscheinlicher ist, dass das ganz gewöhnliche wäc für das viel seltnere wal gesetzt wurde, als umgekehrt, und dass wal in der Bedeutung von Gewoge, Wellen- schlag mir hier besser zu passen scheint, als das andere Wort, da ja gerade von einer Donauüberschwemmung die Rede ist.

1497.4, In allen Texten steht micJi über füeret.

Was hätte denn Hngen davon, wenn er allein auf dem andern Ufer wäre? Es bezieht sich doch auf die degene (1497,2) und genauer bezeichnet die tausend Ross und Mann (1499,3.) Das Alles kann Hagen doch nicht unter mich verstehen und dass er den Fuss ins Fahr- zeug setzt, das thut er nicht, um übergefahren zu werden, sondern um den Fergen am Abstossen zu hindern. Man wird also wohl si ver- muthen dürfen. (In der Dhidhrikssnge steht freilich auch ef pv flytr mik [= wenn du mich übersetzest]; aber die Nebenumstände sind auch ganz andre.)

1634,3,4 sind in ihren ersten Ilalbversen der erste zu lang, der zweite zu kurz. In der Originalhandschrift wird also ein Wort, welches das Gleich<2ewicht herstellt, zwibchcn beiden Zeilen nachgetragen gewesen und beim Abi-chieiben in die unrechte gekommen sein. Diess kann aber nur gäbe sein, albO:

C^Jffip

.o

r>;^^

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Bwie selten er emphienge ein wäfenlich gewant,

do neic nach gäbe Günther | etc. Im ersten Verse sollte stehen, was er ihm gegeben hat, denn ein wäfen- lich gewant ist ein viel zu unbestimmter Ausdruck. Wir wisseu aus der Vilkinasage, dass es ein Helm war und da der Parallelisraus membro- rum auch hier einen solchen verlangt, so bin ich fast überzeugt, dass in einer älteren HS. gestanden hat einen heim oder helmen (anstatt dem hei de). (Nv laetr Roäingeirr margreifi bera inn einn hialm gvlle varSan oc settan dyrlegum steinvm. oc gefr Gunnare konunge. oc l>essa giof Jackarr Gunnarr konungr vel oc pikkir vera en mesta gerseme. Dh.-S. Cap. 370.)

Str. 1656,2 ist durch zweisilbigen Auftakt und die Wiederholung von do mangelhaft. Sehr oft wird bekanntlich die Abkürzung de (= daz) für do verlesen. So glaube ich auch hier, also

daz gevriesch von Berne der alte Hiltebrant.

1701,3 glaube ich, durfte gelesen werden:

waz ir so rehte sciore verrüchet hete ir muot, was ihren frohen Sinn so schnell in Traurigkeit umgewandelt habe? Ueber wenige Zeitwörter sind im Mlid. WB. so viele Belege, als über verrihten (fast 5 Spalten) und darunter finde ich gar keine, welche zur Deutung der vorliegenden Stelle gebraucht werden könnte. Frei- lich ist verrücket auch nur ein Notlibehelf.

Str. 1713,2,3 sind metrisch mangelhaft, weil Ilülfsverbum und Ad- jectiv vom Infinitiv und Substantiv durch die Cäsur getrennt sind vielleicht

swer sin welle hüeten | des ist wole zit,

ich waene si lihte (oder villihte) | brünnen an in tragen.

Str. 1797 enthält im gemeinsamen Text nicht weniger als sechs Mal hintereinander daz {daz wite münster, daz wart durch daz getan daz si daz wolden wizzen daz), wolden wizzen in Vers 3 gibt giir keinen passenden Sinn, denn sie wussen es bestimmt, dass die Kö- nigin zu nahe an ihnen vorübergehen musste (sich mit ihnen drängen), wenn sie sich in die Kirchenthüre stellten und ihr nicht auswichen. Wenn wir dieses ihr Wissen formuliren, so kommen wir auf wole

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wizzen ^ wissen, wessen, daz wart durch daz getan ist ein zweiter schlimmer Ausdruck, endlich dan und getan unreine Reim. Ich schlage also vor:

Volker unde Hagne die zwene giengen stän fiir daz wtte münster. ez wart durch haz getan, wan si wole wizzen^ daz des küneges wip müese mit in dringen.

wisse ist ältere Form, t^^tV^^e geschrieben in Grieshabers Predigten II, 128. In den Nibelungen ist wesse gebräuchlich, daher die Entstellung in wolden wizzen.

1811,2,4 sind die zweiten Halbverse zu lang; den gesten zege- gene hat 4 Hebungen, mit den Bürgönden hä'n gleichfalls.

Man kann vermuthen

1 in zegegenS si wolden kurzwile | mit den gesten hän.

1836,1. Der erste Halbvers ist viel zu lang. J hat den Fehler durch saezzen verbessert. Ich vermuthe gaezzen (Verwechslung^ von g und s). Dem scheint Str. 1848 zu widersprechen, aus der hervor- gienge, dass die Herren während der ganzen Zeit, dass sie herumgieng und ihre Mordpläne an den Mann zu bringen suchte, mit dem Essen auf sie warten mussten. Allein man braucht auch die Sache nicht so penibel zu nehmen, in gaezzen liegt eben das Tafeln mit Allem, was dazu gehört.

Str. 1837,3 möchte ich dem gemeinsamen Texte gegenüber die ßestriction, die in Schatzes liegt und zugleich den schwerfalligen zwei- silbigen Auftakt beseitigen. Kann denn Dietrich sagen wollen: Wer die Burgunden um irgend eines Geldes willen erschlägt, der hat nicht auf meine Hülfe zu rechnen. Ich schlage vor:

durch deheines liehe.

Eine ihn characterisirende feine Aenderung hat C in dieser Strophe, die er sonst ganz unverändert lässt, angebracht. Er lässt nicht Dietrich auf die ßestechungsversuche der Königin antworten, sondern den alten Hildebrant, der ohnehin schon durch das ganze Gedicht das Privilegium hat, sich kein Blatt vor den Mund nehmen zu müssen. Die rücksichts- los abschlägige Antwort wäre im Munde Dietrichs unhöfisch gewesen, für seinen Waffenmeister ist sie es nicht.

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1888,1 lies zur Beseitigung des schweren Auftaktes: in die tür getrat

1900,4. Ist eine der merkwürdigsten und in mehr als einer Be- ziehung wichtigsten Stellen. Sie hat entschieden dreisilbigen Auftakt und wird auch zum Beweise für diesen überall citirt neben der zweiten ähnlichen Hauptstelle. 2116,1, ir widersagt uns ze späte.

Da schon jeder zweisilbige Auftakt, wenn er nur einigerinassen überlaaen ist, in einem metrisch so fein gebauten Werke, wie das unsrige, äusserst störend wirkt, so ist ein dreisilbiger geradezu unerträg- lich. In unsrer vorliegenden Stelle können wir ihn sicher los werden und zwar von Seite des Sinnes aus. Dass Hagne zum Spielmann, dem er in seiner Wuth die Hand abgehauen, sagen soll : Das bringe als Bot- schaft in der Burgunden Land, ist weit hergeholt, da alle Burgunden, auf die es im Gedichte überhaupt ankömmt, ja hier im Hunnenlande sind und Hagen recht gut weiss, dass Keiner je zurückkehren wird. Der natürliche Ausbruch von Hagens Hohn und Grimm ist: Da hast du den Lohn für deine verrätherische Botschaft

daz habe der botescheße.

Gerade diess steht aber in C, der es aus Conjectur gesetzt haben muss, denn die bekannten Texte haben nichts davon.

Sind wir nun aber dem Sinne nach einmal so weit, so wird uns auch das vorher so unbequeme daz habe dir ze botescheße in einem ganz anderen Lichte erscheinen. Sollte es sich mit der boteschefte ver- einigen lassen? Gewiss und sogar in dem Grade, dass AB das Gleiche noch energischer ausdrücken. In dir ze steckt nämlich einfach Ver- lesung für dirre und botschaft kann man im Dativ eben so gut sagen als boteschefte, also

daz habe dirre botschaft = das nimm zum Lohne für diese deine Botschaft. Damit ist A in einem ganz verzweifelt scheinenden Falle wieder einmal glänzend gerechtfertigt. Seine Fehler, mögen sie isolirt oder mit B gemeinsam sein, sind für die Auffindung des Ursprünglichen ein besserer Führer, als die sinnrichtigen Besserungen* aller anderen Handschriften. Damit sind wir denn auch zugleich den einen der schlinrm- sten dreisilbigen Auftakte los. Beim andern hilft uns C nicht, denn

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in 2116,1 hat er am Sinne nichts auszusetzen und der dreisilbige Auftakt genirt ihn ohnehin nicht, so wenig er ihn in der eben behandelten Stelle genirte. C ist ein höfischer Metriker, und dass die höfische Metrik bei all ihrer Kunst und Künstlichkeit dennoch nicht an die Feinheit der Nibelungenmetrik reicht, hat Lachmann längst ausgesprochen*

In 2116,1 nutzt es noch nichts, dass in einigen Handschriften nu fehlt, weil dann, wie Lachmann bemerkt, nur widersagt gegen die natur- liche Betonung gelesen werden müsste. Aber doch regt dieses fehlende nu zu der Frage an, ob denn nicht noch etwas entbehrlich wäre und das ist sicherlich der Fall. Einmal kann man uns weglassen, denn dass sich das Widersagen (disfidare, defier) eben nur auf den Gegner, also auf uns bezieht, versteht sich von selbst Auch ze könnte man weglassen, denn späte und ze späte sind in dieser Situation ganz gleich- bedeutend.

Ir tvidersagt uvs späte oder

Ir widersagt ze späte sind beide gleich verständlich und ohne dreisilbigen Auftakt.

Str. 1942,2 hat gleich wieder einen übermässig überladenen Auf- takt, ja, wenn wir bedenken, dass schon gesäz in dem liüse ein voller Halbvers ist, so liegt in daz ich ie ein weiterer dreisilbiger Auftakt. Wir müssen hier B* zunächst ausser Acht lassen. Lachmann hat schon bemerkt, dass der Vers veiLmgt, doz ich ie gesaz im häse, wir haben dann nur leichten zweisilbigen Auftakt, den wir durch Contraction von daz ich in deich auch beliebig einsilbig machen können. Lachmann hat ausserdem auch bemerkt, dass die Stelle sich nicht genügend deuten lässt, wenn man sie auf den gegenwärtigen Kampf bezieht und sagt deshalb: ,, vielleicht wird auch in unserer Stelle auf eine uns unbekannte frühere Regebenheit gedeutet/' Ich fasse den Sinn, Lachmanns An- deutung folgend, so: es thut mir leid, dass ich mich jemals beim Mahle (= in hüse) vor Volker gesetzt, den Vorrang bei Tische eingenommen habe, denn er ist ein solcher Held, dass er vor mir zu sitzen verdient. Wenn diese Deutung die richtige ist, so wird sie einfach dadurch ge- wonnen, dass man dem vor hä^e entfernt. C scheint nun die Sache ebenso gefasst i.u haben, wenn er sagt:

daz ich vor Volkere ie gesaz dem degene.

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Aehnlich im altfranzösischen Rolandsliede, wo Roland, als er Oliver 80 heldenmüthig kämpfen sieht, sagt: früher warst du mein Waffengenosse, jetzt nehme ich dich als Bruder an, or vos receif jo frere.

An Strophe 1948 hat C etwas auszusetzen gefunden und sie weg- gelassen. Der Ausdruck in V. 3, wir howen noch die wunden die mir vil sanfte tuot erschien ihm vielleicht zu barbarisch im Munde des jungen Giselher. Ich denke vil sanfte ist aus vn sanfte verlesen und dann muss folgerichtig mir verändert werden : die in unsanfte tuot. Was für eine Vorlage A gehabt hat, ergiebt sich aus solchen Verlesungen, wie 2007,2 starken für das hier durch Sinn und Reim unbedingt ge- sicherte chradem oder kradem. Ich glaube nicht, dass die gewöhnlichen paläographischen Permutationen hier ausreichen, sondern man wird wohl noch dazu annehmen müssen, dass Züge erloschen waren und falsch ergänzt wurden. Dagegen ist der folgende Fall paläographisch sehr klar. Str. 2024,3 steht im gemeinsamen Text quelne, welches zur Folge hatte, dass lange eingeschoben wurde. Im Originale hiess es offenbar tuelne und die Verwechslung von t und c ist die gewöhnlichste. In twelne war lange per se enthalten. Indess ist nicht zu leugnen, dass quelne sich auch erklären lässt und die Aenderung des Textes hier also nicht noth wendig gefordert wird.

Anders in den zwei folgenden Fällen.

Str. 2031,2 hat B für weit ir ditze starke (A) diz starkehazen, C ebenso. Nimmt man an, dass in A wirklich nur etwas ausgefallen ist, so kann man gegen die Vulgata nichts einwenden. Allein wir haben oben Str« 2007,2 gesehen, dass starke offenbar aus kradem verlesen war und so könnte hier auch etwas ganz anderes darin stecken und zwar gestriuze = Gekämpfe, welches wir uns so geschrieben denken müssen, dass das anlautende g mit z (wie öfter) verwechselt werden konnte, über dem st ein i übergeschrieben und verwischt war (für ri) dann uzze folgte, in der Weise geschrieben, dass das erste z mit r das zweite mit ®h ch verwechselt werden konnte. So kommen wir von diz gestriuze auf dizze starche. Dass dieses in der älteren Schrift se häufige mit ''h zu verwechselnde und wirklich verwechselte z in der Vorlage vorhanden war, scheint der folgende Fall ausser Zweifel zu stellen.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XDI. Bd. I. Abth. 1 1

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Str. 2033,3 slaht uns eilende und lät uns zuo ziu gän = schlagt uns todt und lasst uns zu euch hinaus gehen. C hat das nicht brauchen können und dafür gesetzt wichet von dem hüse {Simvock : weicht von dem Hause). Bartsch sagt freilich: „eine Vorausnahme dessen, was die Folge des Herauskommens ins Freie sein wird"; aber diese Vorausnahme ist es ja eben, woran C, Simrock und ich Anstoss nehmen. In slaht steckt aber auch ganz etwas Anderes, und einfach das, was C paraphra- sirend sagt, nämlich f(er)lazet, indem die Abkürzung für er übersehen, f für s und das alte z für h gehalten wurde. Dass f früher viel häu- figer im Gebrauche war, als später, ist schon weiter oben bemerkt wor- den, verläzet heisst natürlich lasst uns los, d.h. aus dem Hause, folg- lich dem Sinne nach ganz dasselbe, was C sagt.

Ich habe oben wegen der Zusatzstrophe in C auf das Folgende verwiesen. Hier ist nun der Punkt zu erledigen. Die Strophe von C giebt einen sehr schönen Sinn, wenn man anstatt äne einfach ane oder an liesst. an triuwe tot hellten heisst der Treue sterben = die Treue brechen. Dann ist der Gegensatz vollkommen berechtigt: Lieber mit Weib und Kind ins Elend gehen, als treulos werden.

2103,2 möchte ich statt weinen vorschlagen waenen. Wenn Rüediger für die Königin Leib und Seele in die Schanze schlägt, so braucht sie nicht zu weinen, sondern nun beginnt sie zu hofften. In C 518,2 steht wirklich umgekehrt waenen für weinen,

Str. 2144 möchte ich mit A türen lesen anstatt tümen. Auch Jh haben der tur.

Str. 2149,2 ist insofern merkwürdig, als jede Handschrift fast eine andere Präposition vor siegen hat. üz BC, zuo A, vonD, uz von Jh. Von diesen passt nur voil zu siegen, die anderen offenbar nicht. Ich glaube daher, dass statt siegen zu lesen ist feigen. Eine Felge am Schilde kann natürlich nur den eisernen Reif bedeuten, der den Schild am Rande umgibt, wie die Felge das Rad. In diesem Reif waren die Spangen mit ihrem einen Ende befestigt, mit dem anderen im Mittelpunkte unter dem umbo. Waren die Spangen aus (üz) den Felgen oder an (zuo) den Felgen abgehauen, so fielen die Ziersteine, die von ihnen gehalten wurden, herunter.

Strophe 2260,4. Statt wol sterben möchte ich volsterhen vor-

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schlagen = ganz und gar sterben. Der Gedanke Dietrichs scheint zu sein: Wehe, dass der Jammer, der uns dem Tode nahe bringt, uns dennoch leben lässt.

9,2. 1. von .Metzen Ortwin mit B.

11,1 besser umgestellt des küniges truhsaeze, wenn man nicht etwa lesen will truhsaeze sküniges.

42,1. (vil) lützel der varnden \ man da arme vant, DC, auch B haben diesen Sinn.

46,4. 1. in daz Güntheres lant mit ß, ebenso 235,4, 259,4 {in daz Sigemundes uud an vielen anderen Stellen, wo der Artikel fehlt.

55,4 muss mit B gelesen werden: die vil herlt'cJien meit.

601. Da ze hebungsfähig ist, so muss^ um den zweisilbigen Auftakt zu vermeiden, zusammengelesen werden zen Bürgonden dän, ebenso 124,3.

106,2 1. mit BC: daz hete ich gerne erkant, wegen gime bekdnt.

113.2 lies mit der Handschrift sweder unser einer äne \

dem ändern mäc gesigen. 115,1 1. mit B: mit grimmigen müote | da stüonden friunde s%n.

129.3 ist von C gut emendirt. Vielleicht

des enkundens im gevolgen, \ so michel was s%n kraft. 142,3,4 wohl anzunehmen, dass here aus 4 in 3 gerathen ist; wo es überflüssig steht, also:

die uns habent gesant^ Liudgast und lAudger \ die wellent süochen Mr enlänt. 162,1. heim oder hSrren ist überflüssig.

174.4 besser ze sorgen werde bewant.

184,f2. 1. sam si waete der (— waeter) mnt mit CD,

4. 1. grimmege mit BT. 187,4. 1. des muose künic Liudgast. 215,4. ze den Sähsen gesänt reicht hin, vgl zu Str. 60. 216,4. 1. diu küene (aus B). 223,4. 1. ein vil liebez herzen trüt (mit BC). 331,4. 1. sich wöle kunnen bewdm (mit i). 238,4. meistec (mit B).

11»

84

239,4. 1. si diu mäerh bevant (mit Ih).

275,4. 1. vil manic waeÜichiu wip, weil sonst manic keine Hebung hat, ebenso 278,4, 286,4.

285,4. 1. nie so schoenen gesach mit BDEI, weil sonst der Vers nur 3 Hebungen hat.

289,4. 1. daz ist iu zeren getan mit I.

293,1. Im Anschlüsse an BD ist sicher zu lesen: wart da vriuntliche \ getriutet (= gedruckt, gestreichelt) wtziu hant. Vgl. Kl. 1082, Kl. 882, Not 1298, Kl. 1137.

301,4. rehte kann nicht fehlen: so rehte wiclichen streit.

303,4. 1. daz müoz iu sin ze dienste \ min frou Kriemhilt getan.

304.1. 1. al mit BCI. 307,4. 1. michüe kraft.

308,4. 1. zuo den sinen gesten gän mit B.

309,4. 1. unUigen mit BC.

314,4. 1. des lät iu sicherheite (C) geben beider Mrren hant.

316.2. den vriunden sin genuoc mit B. 316,4. L der riet Oünthere ddz mit 'B.

319.1. 1. ürloup ouch nemen wolte \ Sifrit ein helt guot mit B. 319,4. 1. in von der reisS gewdn.

321,4. 1. des hat mich her Giselher j wol mit eren erwdnt.

325.2. 1. im Anschlüsse an B, ir geliche wesse man deheine me. 329,4. 1. desmügetir, künec edele^ | der reise haben guoten rät mitl. 333,2. schoene \ Prünhüt zu trennen ist unmöglich. Es muss also

mit B gelesen werden:

und kumet diu schoene Pränhüt \ her in ditze lant.

333,4. so mäht du mit ir ist kein Halbvers, immer gehört dazu. Dann muss vor vroelichen ein Wort mit einer Hebung ergänzt werden, vile (nicht vil) oder härte.

340,4. 1. daz solte Sifrit mir sagen im Anschlüsse an B.

341,1. 1. daz man ie bevant mit I.

353,4. 1. diu vil Mrliche meit, weil diu nur dann die Hebung haben kann, wenn vil folgt.

363,1. 1. si sprach h^rre Sifrit (sonst müsste man betonen: si sprach, er Sifrit, was unerträglich wäre).

85

363,4. 1. mit B in vroun Kriemhilde hdnt, vgl. zu Str. 46. 364,4. neic im schöne e magedm?

367,4. 1. üz der oder üzer^ denn üz vor Burgonden könnte die Hebung nicht haben.

368.2. von stade er schieben hat eine Hebung zu wenig. 1. mit Rücksicht auf 1505,3, von dem stdde er schieben,

371,4. 1. niwan Sifride bekant, vgl. Lachmann Anm. 372,4. 1. wes sint dise bürge und ouch daz Mrltche lant.

373.3. U hoertet mit BC.

373.4. noch (mit B) kann nicht fehlen, da müget ir noch Mute. 376,4. die schoenen kann nicht fehlen.

382,4. 1. ddz ist sider uns geseit 385,4. 1. mit D als inz ir eilen gebot. 390,4, 1. in den hovesite sagen.

391.1 mu8s mit B gelesen werden: man phliget in dirre bürge. 398,2, 1. diu maget zühteclichen \ zuo dem gaste sprach.

399.1. 1. vrouwe oder min vrou.

400.2 fehlt eine Hebung, 1. durch die dine liebe mit B.

402.3 ist sicher unrichtig, aber ich weiss keine einfache und annehm- bare Besserung.

402.2. 1. unl er min spil geteiltiu | also bestän, vgl. 403,2. 408,4. 1. sach man schinen dar an.

410,2. 1. was gän (vgl. Glichesaere zuo vestin gän).

411,3,4. 1. mit DC. von listen daz geschach

daz in da niemen ensach.

416,4. Die 2. Vershälfte hat 5 Hebungen, also selbvierde oder küme truoc (mit BC).

421,6. geswarn ist eine östreichische Form, die C bewahrt hat. In BDIh steht nach Lachmanns Anm. geswom^ dagegen hat er unter dem Texte geswarn. Was ist richtig? Auch in 2086 hat nur C swamwam im Reime.

417.2. 1. grimmigem mit B.

417.3. 1. Vliesen (um den zweisilbigen Auftakt zu entfernen), vgl. 426,4.

424,2. Der zweite Halbvers ist unerträglich. Will man nicht mit B

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lesen: vor vreuden wart vil rot, so muss man wenigstens umsetzen: wart von vreuden rot

426.3. 1. wäfen, sprach Hagne.

457. entsliuz üf ist eine Tautologie, wie C wohl gefühlt hat. Also nu entsliuz oder sliuz üf.

462,1 wohl besser do daz striten hörte.

Von Str. 458,4 466,3 steht fünfmal dö, wenn man -459,4 nach BCIh dazu rechnet. Man könnte sie leicht bis auf eines entfernen oder ändern.

458.4. l. Sr an Sifriden rief (statt lief) wie er getorste wecken. 459,1 des, 459,2 bleibt, 459,4 daz oder doch.

460,3,4. daz der portenaere so kreßeclichen sluoc,

dar umhe was im waege der herre Stfrit gentwc.

462,4 hat 5 Hebungen, alo vaste mit filh zu tilgen, oder bant mit Dlh zu lesen.

466,4 muss gelesen werden (mit B) diu tet Albriche wi. 469,4. 1. daz ir mich läzet genesen (mit B). 470,4. 1. so wil ich iu leides j hie niht Idzen geschahen. 477,4. Wohl segele sie füerent \ noch tvizer ddnne der snL

478. Dreimal hintereinander die unerträglich, etwa sint $i vrouwe komen,

479,4. 1. oder sol ich siez verdagen.

480,1. 1. er sprach ir sult enkegene \ in für das palas gän.

488.3. 1. von golde und ouch von siden.

488.4. 1. so mr komen ühere \ vgl. 542.

489.1. 1. luot mit Dlh.

492.2. 1. der heten si vil. 494,4. 1. weinde, vgl. 943.

496.3. 1. wir sümen uns der maere, vgl. 581.

498. Da man unmöglich füern sagen kann, so stund wohl füeren boteschaß oder vielleicht vam die boteschaß.

502.1. 1. so saget vrouwen Uoten (der Halbvers hat sonst nur zwei Hebungen).

507.2. 1. des küniges koem'er äne daz wart geseit, denn dass

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er ohne den König kara, wissen wir ja und auch warum, aber nicht so das Gesinde.

523,3. wes iuch der künec bittet ist metrisch nicht zu dulden, denn wenn auch bittet geschrieben wird, kann man doch nur bitet (also ein- sylbig) lesen, vgl. BM. Mhd. WB. I, 168. Folglich muse die Fassung von BDI angenommen werden: wes iuch bitet Günther.

526,2 besser getorste si in küssen \ daz taetes äne haz.

4 fehlt eine Hebung, 1. als der böte in geriet, wenn man nicht statt böte mit B lesen will Stfrit.

528,2 besser rtcher waete genomen B.

530.3. 1. die vrouwen mit BCD.

550.4. Für Prünhilde jehen hat nur drei Hebungen, also für vrotm Pr.

555.2. hochgezelt kömmt auch im Parz. 27, 17 vor und bedeutet wohl eine Tribüne mit einem Zelte darüber, von wo aus die Damen

dem Turnier zuschauen, wenigstens passt dies am besten auf die beiden Stellen, wo das Wort vorkommt.

557.3. Lachmann sagt in den Anm., dass C den Vers durch Zu- satz von wtten verbessert. Dasselbe thut auch B durch unze. für biz. biz für den pällds zu lesen, ist doch unerträglich hart. Den zweisylbigen Auftakt in der zweiten Hälfte von Z. 3 entfernen B und CD.

560.2. Hier, wie an vielen anderen ähnlichen Stellen scheint in der Vorlage füre (statt für) gestanden zu haben.

562.3. 1. ir gaebet mir iur swester.

564.4. Mit theilweiser Anlehnung an ß und Glättung des zweiten

0

Halbverses möchte ich lieber lesen:

wan min swester eine \ sol hie bi Sifride sin, 571,4 gewiss zu lesen mit sament Sifride. samt hat schon B. 577,4 möchte ich lieber lesen:

des gan ich im ze minnen \ die schoenen maget lobelich. 580,4 könnte man wohl sagen: noch was ez beiden äne nit? 583,4. Die Emendation von Lachmann ist unbestreitbar und sehr glücklich gefunden, um die Rohheit zu entfernen, die sonst in der Strophe läge, nur scheint mir nicht nöthig, in A mehr zu ändern, als

zierlicher degen

hete dicke samfter b% andern wiben gelegen (nicht Günther ist gemeint, sondern quidam).

88

587.1. 1. und zerfuorte ir kleit.

3. 1. von einte starken borten (sc. war der Gürtel gemacht)»

588.2. und kiew in an die want ist in B gut, aber nach 599,4 scheint anders gelesen werden zu müssen, nämlich:

si truog in zeime nagele \ hoch an eine want. 591,2 lässt sich in A leicht durch Umsetzung helfen, lät durch iuwer tagende zuo ziu mich nu gä/n, 596,2. 1. den künigen zen 6ren (mit C).

4. 1. swertdegene mit BC.

598,2 wohl besser mit B der edel rtter guot.

4. daz sult ir mich nu wizzen län.

601.2. 1. Unte mit B und 602,1.

602.3. 1. daz sich mac der liste \ nieman wol versten^ oder

daz sich der lieste niemen \ wole mac verst&n.

614.4. 1. von den minen hdnden we.

624,3. Ich sehe keinen Grund, von der Lesung von A, daz ee tnl lüte erschri, abzugehen. Das Bett krachte (schrie), so stark drückte Sigfrid die Königin dagegen. Wenn eine Pfanne mit Krapfen schreien kann, warum nicht auch eine Bettstelle? vgl. Parzival 184,25.

636.1. 1. man die riche gäbe | alle da verswanCy

die da ze lante wolden \ dühte des ze lanc, ez en wart gesindes nie mere baz gepflegen.

634.2 muss wenigstens gelesen werden: kleider (mit schwebender Betonung) und golt vil rot.

652.2. 1. danne die helde waeren.

656,3,4. 1. borten und gesteine \ verwieret wol dar in,

sus pflac ir vUzeclichen diu vil edel künigin.

661.3 wird die vom Sinne geforderte Aenderung richer von C be- stätigt, ebenso wie 671,4 er jach sin niht ze dienste = er machte keinen Anspruch auf ihn, als auf seinen Vasallen.

672,2. 1. hilf mir, daz er Sifrit.

677,1. Lachmann emendirt Der künic sprach und zieht dadurch ir recken in die erste Vershälfte; aber sult von mir (oder von mir) sägen ist ein sehr harter Halbvers. Ich würde lieber von tilgen, mir als Dativus ethicus fassen und lesen:

8d

B6 sprach der künic Günther ir recken sult mir sagen. 677,3. 1. mit I Sifrid dem starken, denn sonst haben wir nur drei Hebungen mit stumpfem Versschluss.

680.1. Der zweite Halbvers hat 4 Hebungen, die Lesart von B ist noch schlechter, denn der zweisilbige Auftakt ist in den Nibelungen überhaupt nicht oder doch nur in den seltensten und leichtesten Fällen zuzulassen, hier in B aber entschieden falsch, denn in und swaa hat swaz den höheren Ton gegen die Regel. Also:

und swäz man vroüwen vdnt, die enbuten dienest.

687.3. da hSr Sifrit ist unerträglich, während B ganz gut liest: da der herre Sifrit.

691.4. Der zweite Halbvers hat nur drei Hebungen, dafür der erste einen überladenen zweisilbigen Auftakt« B setzt liehen ein. d& ist überhaupt unnöthig, also kann man lesen:

oh heime unser friunde iht hohes muotes getragen, oder oh unsere friunde \ heime iht hohes muotes tragen.

692.2. 1. mit B minen konemagen. 694,1. 1. Und bitent mine frouwen.

726,2 scheint mir eine leichte Umstellung nothwendig. Günther weiss ja recht wohl, wie gut seine Schwester die Brünhild empfangen hat und verlangt nun das gleiche von ihr, also:

wie iuch empfieng min swester, wodurch zugleich der Vers glatter wird.

763.2 dürfte die gute Anordnung des ersten Halbverses aus I auf- zunehmen sein: wan ich nicht äne schulde.

766.3 würde ich mich nicht bedenken, den unnatürlich betonten Halbvers dienstlich ist undertän mit C in ist dientlich undertän zu ändern, ebensowenig als

771,2 mit BDC zu lesen der dine.

788.3. Wortherte bei Notker (s. Holtzmann Untersuchungen S. 40) heisst nicht worthart, sondern Wortwechsel, vgl. das ahd. her tum ^ abwechselnd beiGraflflV, 1028, welches, nebenbei bemerkt, in höchst auffallender Weise mit dem slawischen tschrieda k(prifie^La^ vices

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. I. Abtb. 1 2

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(8. Miklosich Lex. palaeosloven. [1862 65] p. 1124) übereinstimmt. Also ist diess Citat aus Notker auch kein Beweis für die Ursprünglich- keit von wortherte gegen wortraeze.

797,3,4. 1. mit Versetzung des künic aus der oberen in die untere Zeile;

daz riwet ynich ml sire. \ dun beredest mich

der vil grozen schänden^ \ ich minne, küniCj niemer dich.

828,2,3. 1. als ich in S hän:

ich gelege in toüeste \ ir bürge und ouch ir lant.

835,1,2,3. 1. daz ich ie gewan

den man der lieben vriunden so wol tar vore stän^ alse min her Stfrit tuot den mägen mm.

836,2. 1. mit B iu.

841,1 hat D gut mäge, Nebenform von mäc und durch das angel- sächsische maega bestätigt.

842,4 metrisch falsch. 1. nie dehein (oder kein) waf6n versniit.

853,1,2. willen, willecliche armselige Wiederholung, aber sicherer Ersatz schwer zu finden. 1 hat friuntlich,

878,2,3 möchte ich die Lesart von B unbedingt in A aufnehmen, was ist durch Versehen in die untere Zeile gerathen.

892,4 ist entweder vil rötem mit B zu lesen, oder für von oder rotem eine ältere Form zu vermuthen (vone, röteme).

894,1. 1. von eime panteltiere.

900,1 ist metrisch und grammatisch falsch, hat eine Hebung zu viel und kuche für kuchen. geraten wird mit zuo construirt; also zer küch4n geriet.

901,4. \. sus statt wol, wäre es damit ausgewesen, so hätten sie einen fröhlichen Tag gehabt. In wol steckt Tautologie. Aber D hat doch eine sehr bemerkenswerthe Variante wer is wold verenden, d. h. wenn Jemand jetzt der Jagd ein Ende gemacht hätte, wo nur noch der Bär einzufangen war, was im selben Moment durch Sigfrid geschieht, so hätte der Zug einen lustigen Ausgang genommen, wole und wolden war auch oben verwechselt, s. z. Str. 1797.

903,4 vielleicht wegen fehlender Hebung,

hin zuo dem viure man den beren wider truoc.

91

«

929,4. 1. die uf in heten geraten \ ungetriuwe den tÖt.

934,2. l.eahätanuns nu ende \ allez sorge tmt leit (oder allea ende).

944,2 dürfte und zu tilgen sein, vgl. Str. 1.

961,4. 1. erschrac für schrac, denn schrecken heisst springen. Im Mhd. WB. ist eine einzige, falsch abgetheilte Stelle {und erschricket statt und er schricket) bei Hagen GAT. II, 428 erschrikket und diess ist das Praeteritum des schwachen Verbums.

964,4. alsus (1. dafür sus) oder mortlich ist zu viel.

971,4. Die gewöhnliche Lesung scheint falsch und das Richtige in DI zu stehen: si erwantes gäeüiche.

995.2. S' er wurde begraben, 4 Hebungen, besser wart mit D.

999.3. üeberladener Auftakt, 1. daz mans den vollen gaebe (in ist Pleonasmus).

10012,3 ,metri8ch ungeordnet, 1.

swä man indert klöster \ und guote (gotes?) Hute vant Silber unde waete j gap man da genuoc,

1050.3 überladener Auftakt, etwa lange, den Sifrites tot

wil iu der künic rihten. \ daz er in habe erslagen, hoert man iuch zallen zUen, \ so rehte groezlichen clagen. Wegen rihten vgl. 801.

1073,3. 1. mäge statt mäc, vgl. oben zu 841.

1077.4 besser des niht enkünde gest'n.

1102,4 fehlende Senkung. 1. er siner reise \ niht lenger mähte

haben rät. 1108,1. 1. Do si bt Rüedegöre \ des ndhtds geldc. 1160,1 besser überwinden nieman | künde daz (^ kuntaz) edele mp. vgl. C, 1424 antumrtem).

1198,3. 1. unz Mzelen Idnt. unz steht auch allein und regiert auch ohne in den Accusativ.

1209,4 besser die e wol stuonden bespart. 1222 wohl besser

sprach diu künigin clagende: sint die vriunde min, die durch mine liebe ' eilende wellent sin:

12»

92

die stdn mit mir riten in der Hiunen lant,

die nemen scJiaU den minen \ und koufen rös ünt gewdnt.

1128.3. 1. si schaofen I um Tuonowe stat (= bis ans Donauufer), vgl. zu Str. 1198.

1263,4 fünf Hebungen, lies

des unrtes ingesinde \ wart grdziu gdhi getä'n.

1274.4. 1. kfisten unde keiden.

1288,2 4. 1. vrouwe, iuch ml enphähen j hie der künic her (mit Clh).

swen ich iuch heize küssen, daz sol sin getan: Jan muget ir niht grüezen \ dl die £tz4len man, geltche ist überflüssig.

1298,4. 1. den künic wolte läzen^ d. h. Rüdiger wollte dem König Gelegenheit geben, mit der Königin unter 4 Augen zu sprechen. Allein, da C die Strophe nicht geändert hat, der Meister im Geremoniell ist, so wage ich meine Conjectur nur schüchtern vorzubringen. 1307,4 muss mit B gelesen werden:

truogen iteniwiu kleit, 1309,3,4. 1. der si ml mohten hän,

die durch Kriemhilde \ tmrden alle vertan.

1309.1. 1. Do disiu maere körnen \ z Ezeln bürge dan. 1320, 4. 1. von den was wol gezieret \ allez Etzelen lant.

1336.4. 1. des waere et ich von triuwen \ Hagnen gerne bereit, mit treuwen hat wirklich schon D.

1373.2. 1. ez gefuoren herlicher , nie fürsten spileman.

1377.5. 1. wie sich gehabte Etzel.

1391.3 hat 4 Hebungen. Vielleicht könnte man im Anschluss an D lesen :

daz wir min vrou (loten \ künden gesehen, e daz tvir geschüefen \ unser gemach.

1392.4 muss es heissen: der vroüwen Kriemhilde. (D hat vrouwen). 1400,4. iu eineme widerseit? um die 4. Hebung herzustellen. 1402,2,3. 1, Sit ir da von schulden \ fürhtet den tot

in Hiunischen riehen, | suln unrz darumbe län. 1403,4. nnd läzet die getürsten, vgl. I^M. Citat aus Passional (geturste : vurste). Noch einfacher wäre die geturren (= qui audentj.

93

1408,1,2. 1. die besten die gewan

eer toerlte künec deheiner. 1411,4 fehlt eine Hebung, 1. mit B gewärliche vam.

1417.1. 1. Wer er VolkSr waere, wül ich iu tvißzen län. {er Ab- kürzung für hirre).

1445,4. 1. vil michel wunne benomen.

1452.2. 1. im mit ungefuoge also misseböt. 1475,3,4. 1. swenne ir uns widere \ gebet unser wät,

wie iwer hovereise \ ze den Munin ergä't.

1479.3. 1. min muome hat durch liebe j der waete dir gelogen. 1482,2. 1. dciz da iwer einer j niht enkan genesen.

1514.4. 1. vil nach verlorn den sinen Itp.

1530,2. dieXheilung snelle \ helde ist unstatthaft, eher könnte man noch lesen: missevdrewSj aber B bietet das genügende vor leide.

1556,2. hört man nach hellen ist bedenklich, besser vielleicht noch hellen (C), oder nach helden (D), in V. 3 muss es wohl heissen:

die von Tronje jagten \ ir vtenden nach.

1571.1. Der altertümliche Reim fordert ruöwe na min.

1579.2. hüse statt sträze (B) ist unverwerflich.

1586. 1. vrö unt gemeit mit Wackernagel (Nibel. Fragm. 1866). vroelich gemeit ist aus der folgenden Strophe, wo es passend heisst vroelich gemuot, assimilirt.

1607,1. 1. der wirt bi Gemöte gie in den uAten sal.

1616.3. 1. daz mr ir gerne dienden.

1618 ist in A und B durch Tautologie eine der verunstaltetsten Strophen. Man darf vielleicht den altertümlichen Ausdruck htwe für uAbe in V. 3 substituiren, und V. 4 statt minnen setzen (mit B) nemen, so käme eine annehmare Form heraus:

Swaz sich sol gefuegen | wer mac daz understin?

man bat die juncvrouwen hin ze hove gön.

sumor man im ze htwe daz wännecltche wtp^

lobte ouch er ze nemene ir vil minneclichen lip.

1620.4. 1. daz ez müge den helden \ wol nach eren behagen. 1641,4 fehlt eine Hebung, 1. diu er da zen Hiunen | truoc vil vroe-

liehe sint.

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1663—1655 sind in übler Ordnung. Was 1653,3,4 steht, sollte nach der Versstellung ein Bote sagen^ aber er darf die Königin nicht duzen, folglich kann diese Worte nur Etzel sprechen. Nach der jetzigen Anordnung der Strophe ist das aber ganz unmöglich, weil es 1654,4 heisst: der künic' friesch ouch diu maere.

Die einfache Ordnung scheint folgende zu sein:

1653. Die boten füre strichen mit den maeren, daz die Nihelunge zen Hitmen waeren. Kriemhilt diu vrouwe in ein venster stuont,

si warte nach den mägen \ so vriunt nach vriwenden tuont.

1654. Von ir vater lande sach si manegen man.

der künec vriesch ouch diu maere, lachen (oder vor liebe) erbegan:

,^dü solt si wol enphähen, Krimhüt vrouwe min,

dir koment nach grözen Sren die lieben briieder din.

1655. Nu wol mich miner vriunde u. s. w. Hier sind nun bloss zwei Zeilen umgesetzt, während ja auch sonst in dieser Partie der Dich- tung eine so grosse Verwirrung herrscht, dass Lachmann XV', XVI' (3 Strophen), XV^ (14 Str.), XVP (5 Str.), XVII' (13 Str.), XVP, XVIP aufeinanderfolgen lässt, so dass das sechzehnte Lied an drei Stellen in drei Fragmenten eingeschoben sich darstellt.

1671,1. Die Lesung sagemaere (= wegen des Gerüchtes) von D ist so characteristisch, dass ich sie gerne für die echte halten möchte* 1672,3. 1. diu bein im wären lanc. 1686,3, etwa der Burgonden man?

1692.3 hat eigentlich 4 Hebungen, vgl. Lachmann zur Stelle, aber man könnte umsetzen:

den wit an ir mägen \ diu künigtn begie.

1699.4 besser hetens g6me bekdnt.

1716,4 ist durchaus nicht zu dulden und muss mit B CD umgesetzt werden: üz helfe nimmer einen vuoz.

1726,4 ist überladen (eigentlich 5 Hebungen) und darum von Lach- mann z. St. ausführlich besprochen, ohne dass er zu einem definitiven ^ Resultat kam. Dass man hinder in auslassen kann, zeigt C. Sollte er unter ir verstehen irre und sagen wollen: bei keiner Königsfart habe ich je gefehlt, wie Holtzmann erklärt, so wäre einfach geholfen; aber

95

kann man irre so abkürzen? Ich glaube nicht, hinder in ist nun bloss dann nothwendig, wenn man bestän oder gestän liest. In verstän läge 68 schon ausgedrückt. Sollte man also vorschlagen dürfen:

deheine hovereise \ hä'n ich vil sSlten verstä'n. oder deheiner hovereise \ bin ich vil süten verstä'n?

1845,4. 1. darumbe do der recke Verliesen muose den Itp.

1970.2 hat 4 Hebungen, L der lobete mit dem swerte \ eine itu^h bestän. 1928,2. 1. totey -4. daz er da muose bestän.

2043,4. 1. toaen, ich friunt deheinen | nie an triwen verlie.

2086.3 wird der überladene Auftakt entfernt durch unz unser eines tot. 2088,4. i muss unbedingt ausfallen, 1. ich hän iu selten verseit. 2148,1,2. 1. Daz edel ingesinde was nu komen gar:

VolkSr unde Hagene \ die Sprüngen balde dar.

2177,1. 1. (mit Ih) swä man sich eorens versiht. 2248,4. 1. mit minem lebene kürne \ ich dem tiefSl entrdn.

2252.4 wäre wieder so ein Vers mit dreisilbigem Auftakte, wenn man ihn dulden wollte. Hier ist die Aenderung leicht, da man nur mSre wegzulassen braucht, um etwas ganz correctes zu haben.

2273,3 hat 4 Hebungen, wenn man es mit richtiger Betonung liest :

die mir von dir sint geschehen, und ist unerträglich, wenn man es in drei Hebungen zwängen will:

die mir von dir sint geschahen, von dir muss also hinaus (mit CD).

2274,1. du und din man ist zu hart und wenn ouch eingesetzt ist, wie in 6 und C, doch noch ungrammatisch. Vielleicht und den dtnen man.

2281. 1. Desantumrte Hütbrant \ Bwiu t/oizet ir mir daz?

wer was der üfem, schüde \ vor Wasgensteine saz, im von Spanje Walther so vil der mäge sltu>c? ouch habt irs noch ze zeigen an iu selben gentwc,

d. h. die Spuren des Kampfes mit Walther. Diess ist Nachklang der alten Sage. Hagen war in diesem Kampfe einäugig geworden und zwar durch den Wurf mit dem Eberknochen, was schon im Waltharius missverstanden ist (vgl. carnem vitabis aprinam). Das Nibelungenlied in den auf uns gekommenen Gestaltungen konnte einen einäugigen Helden noch weniger

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brauchen und so war diese Anspielung ffir das Gedicht verloren und unverständlich.

2307,3 ist in der ersten H&lfte so überladen, dass man 60 in die zweite bringen (e3 mnem ende bräJUJj oder mit C umsetzen sollte,

du hast ea sfeime ende \ nach dime urillen bräht.

Ich schliesse hier, Ausfflhrungen über andere Punkte, z. den Ursprung der Mordbusse, die Urbedeutung der Rheingoldsage, über Nibelungen und Pseudonibelungen einer späteren Arbeit vorbehaltend.

Die

ältesten Verordnungen der Venezianer

für

auswärtige Angelegenheiten.

Ein Beitrag zur Geschichte des völkerrechtlichen Verkehrs.

Aas archivalischen Quellen

von

Dr. Georg Martin Thomas.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiu. XIII. Bd. I. Abtb. 1 3

Die Aufstellung ständiger und berufsmässiger Vertreter eines Staates oder Gemeinwesens im Ausland reicht in ihrem Ursprünge zurück in das Zeitalter der Kreuzzüge; es ist der Handelsgeist der italienischen Freistaaten und vornehmlich der staatskluge Sinn Venedigs welcher, wie vieles andere, so auch diese merkwürdige völkerrechtliche Einrichtung geschaffen und gefestigt hat. Dauernde Niederlassungen, nicht in der Weise der Colonien des Alterthums im Verhältnisse von Mutter- und Tochtergemeinden, sondern ledig- lich zum Zwecke vortheilhaften Verkehrs und sicheren Handels- geschäftes, unter dem Schutz rechtsgiltiger Verträge für Habe und Gut und unter gegenseitiger Anerkennung persönlicher und nationaler Würde und Freiheit, führten zur Aufrichtung bleibender und bevollmächtigter Vertreter und begründeten was man heute mit dem Ausdrucke Diplomatie zusammenzufassen gewohnt ist.

Man sagt nicht zu viel, wenn man Venedig als die Mutter dieser Einrichtung preist; der Werth der Venezianischen Diplomatie ist nicht blos von den Gelehrten erkannt ; die ganze gebildete Welt weiss heutzutage was die Geschichte und was die Geschichtschrei- bung den Berichten Venezianischer Gesandten verdankt.

Dazu haben wissenschaftliche Arbeiten, vor allem A. Baschet's musterhafte Untersuchungen (la Diplomatie Venitienne, les Archives de Venise ) , sowol über die erhaltenen archivalischen Quellen als über den Geist ihrer Urheber sattsames Licht verbreitet. In den ürkundenwerken über die Republik von S. Marco liegen ganze Reihen solch diplomatischer Actenstücke vor, darunter solche welche

13*

100

hinaufreichen bis ins 13. Jahrhundert, während bekanntlich die Spuren consularischer Posten schon im 12. gefunden sind.

Nur eines möchte man vermissen, möchte man vor Augen haben, die ältesten Verordnungen selber welche, was naturgemäss früher mehr Geschick und Gewohnheit gewesen war, in bestimmte Fassung gebracht und in Gesetze verwandelt haben. Der Geist der Ordnung, welcher uns im .Venezianischen Staatswesen überall entge- genleuchtet, muss auch hierin bei guter Zeit sich selbst bezeugen^ und so ist es auch wirklich.

Ich glaube der diplomatischen Wissenschaft einen Dienst zu leisten, wenn ich diese Satzungen veröffentliche, so wie ich diesel- ben zwei prächtigen Bänden des Venezianer Archives entnommen habe, dem Bifrons und Liber Communis I und II, mit Be- schränkung auf die Grundordnung dieser vorzüglichen Quellen.

Dagegen konnte, ja musste nach Geist und Sinn ebenderselben Zusammenstellung staatlicher Gesetze der Begriff der auswärtigen Angelegenheiten ausgedehnt werden auf die Verwaltung der ausser- staatlichen Erwerbungen als eines festen Besitzes ; diese Ordnungen und Bestimmungen stehen mit dem völkerrechtlichen Verkehr der berühmten Handelsrepublik in unzertrennlichem Zusammenhang; man denke nur an Morea, Negroponte, Greta.

Die schöne und belehrende Vorrede des Dogen Johannes Dan- dulo zu der einen Sammlung, dem Liber Communis, vom Jahre 1283, möge als Schmuck dieser Einleitung hier eine Stelle finden.

Sie lautet :

„Johannes Dandulo^ dei gratia Veneciarum , Dalmacie atque Chroacie dux^ dominus quarte partis et dimidie tocius Imperii Bomaniej nobilibus et sapientibus viris^ universo populo Venetorum, fidelibus dilectis salutem et omne bonum.

Inier egregias virlutum laudes iusticia optinet principatum. est enim iusticia universalis virtus per quam virtutes alie modificantur et diriguntur^ cum ipsa sit medietas superahundaniie et defectus. propter quod iustum pluris et minoris medium appellatur. illa est enim, que

101

iusium ab iniusto et equum ab iniquo separat ^ vitam hominum compo- nit et ordinatj mores docet, permittü licita, punit prava, turpia pro- hibety honesta imperat^ et stta cunctis aüribtiens pacem et concordiam persnadet. ad cuius observanciam et doctrinam leges sunt edite ab an- tiquo et successivis temporibus condita sunt statuta, quibus homines ad bone operationis exercitium et ad vite eorum comtnoda regerentur.

Sed cum omnes articuli pertinentes ad ius et ad negocia, que occurrunt, comprehendi non potuerint legibus et statutiSj presertim cum multi casus accidant qui previderi non possunt^ et novis rebus emer- gentibus novis sit remediis succurrendum , maxime cum non sit repre- hensibile vel inconveniens iudicandum^ si secundum varios eventus con- dicionum et temporum humana consilia varie se disponunt, provida de- Uberatione fuit inventum, tU ea, que super incumbentibus negociis, evi- denti utilitate aut urgenti necessitate exposcentibus , perpenso consilio ordinanturj redigantur in scriptis et illa consilia Ugum ac statutorum vices quodammodo sortiantur.

Nos autem postquam divina Providentia ducatus Veneciarum curam regimenque suscepimus, in mente nostra meditatione frequenti et per- vigili revolventes semper nos ad ea disponere, que omnipotenti deo sint placita, iustitie et pacis ctdtum sapiant et ducatus nostri honorem respi- ciant et augmentum^ inter cetera animadoertimuSy consilia dudum facta in decem lihris fore dispersa et inordinate descripta, propter quod ex ipsorum confusione generabatur obscuritas et querentibus difficilis que- sitorum inventio reddebatur.

Quapropter nos illa in meliorem compositionem reducere cupien- teSf de voluntate et consensu nostrorum minoris et maioris consilii, elegimm quinque nobiles et sapientes virosj discretione preditos et fide dignos, videlicet Jacobum Quirino, Nicolaum Millani, Marcum de Ca- nali, Laurtntium Belli , et Henricum de Auro, dilectos cives et fide- les nostros, qui consilia ipsa ordinarent et compilarent, datis eis per nos certis modis secundum quos circa hec gerere se deberent. qui for- mam eis datam diligenter et efficaciter observantes ad ipsorum ordi-

k .,

102

,*•

.

.'' /riätionem et compUationem hoc ordine processerunt: cancellaverunt siqui- '\':*dem omnia consilia que ex lapsu temporis, quo durare debuerant, erant •/• finita, et ea omnia, quibus per editianem aliorum contrariorum consi^ liorum erat penitus derogatum. si qua vero invenerunt similia, utüiori retento, fecerunt aliud aboleri; et si quid forte utile fore conspexerunt in illo, quod aboleri decreverant, transscribi illud fecerunt in alio remansuro. cancellaverunt etiam aliqua, que statu et condicionibus dm- tatis perpetisa deliheratione pensatis fore utilia non viderunt, post hec fecerunt siniul et distincte scribi omnia consilia pro autenticis reman- sura; et omnia consilia singülis officiis, seu officialibus pertinentia simul et discrete tarnen adnectere curaverunt: speciales rubricas singur- lis consiiiis iuxta ipsorum congruentiani adhibentes.

Fredicta vero consilia in duos libros dividi iussimus, quorum unum librum c.omunis et alterum librum officiorum volunms appellari, ut ex tdU divisione ipsorum clarior pateat intellectus et libri ipsi facilius pertractentur.

Hoc itaque opus placite velitis susdpere in hoc et provisionem et solicitudinem nostram gratam habentes predictorum virorum solertiam et fructuosum laborem laudabüiter commendantes.

Data in nostro ducali palatio anno incarnationis dominice mille- simo ducentesimo octuagesimo tercio, XXVIP octubriSj XII'' indicionis^

Die Beschränkung auf die ältesten Bestimmungen hierorts und für den gedachten Zweck ist eine mehrfach gebotene nur durfte eine Keihe gleichzeitiger Uandelsverordnungen als dazu ge- hörig angeschlossen werden.

Uebersicht.

Pa«.

I. Verordwmgexi wegen der Gesandten mit einem Zusatz über die Wahlen der

Bectoren überhaupt 105

n. Verordnungen über die Verwaltung ron Greta für den Ducba, die Bathe und

Kammerer 108

m. Verordnungen für die Caetellane yon Coron und Mothon auf Morea . . . 116

IV. Verordnungen für den Bailo und seine Räthe auf Negroponte 118

V. Verordnungen für den Bailo, die Bathe und die K&mmerer yon Accon und

Tyrus in Syrien 121

VI. Verordnung für den Bailo von Armenien 128

VIT. Verordnungen für den Consul von Alexandria 129

Vin. Verordnungen für den Consul von Tunis 129

IX. Verordnungen für die Bectoren am Adriatischen Golf, für die Comites yon

Dalroatien und Croatien imd andere 180

X. Verordnungen für die Bectorm ausserhalb des Golfes, darunter für den Podesta

yon Constantinopel 182

XI. Verordnungen für die Bectoren insgesammt 133

XII. Verordnungen hinsichtlich des Leyante-Handels 186

Bemerkungen 148

I.

Verordnungen wegen der Gesandten mit einem Zusatz über die

Wahlen der Eectoren überhaupt.

Incipiunt consilia pertinentiä ambaxatoribas.

Bifrons f. 20^ Lib. Comm. I f. 59.

1, Pro ambaxatoribuSj qui vadunt ad xvm grosses ad dient.

Millmo dacentmo lyii ind. i die vni exeantis septembris. Gapta fuit pars in 1237 consilio inaiori et ordinatum, qaod ambaxatores, qui uadunt per xvm grossos ad diem, habeant ipsos xvm grossos , ut habebant, et tres semitores pro qaolibet; habeant etiam unum cocam et si erit tantum unas, habeat unam cocum. de qaibns xvm grodsis habeant tres grossos pro eorum arnesijs in die, et grossos xv pro expensis et expendant ad sensum suum et id quod saperfuerit, perueniat in comune et alia habeant a comuni, que habebant, videlicet expensas de equitataris, conductansis, pedagijs et naulo barcaram.

J2. Quod ambaxatores debeant iurare prodem et honorem Venecianim et in reditu

reddere presentes et gratias,

Millmo ducmo Lxvm ind. xu die xi extantis septembris. Gapta fuit pars, 1206 quod omnes ambaxatores, qui missi fuerint pro factis comunis Yeneciarum extra districtum Teneciarum, debeant iurare, tractare et operari in ipsis ambaxarijs et le* gationibus prodem et honorem Yeneciarum ; item teneantur eodem sacramento dare et consignare in reditu suo omnia dona et omnes gratias, que sibi uel alijs pro eis &cte fuerint in ipsis ambaxarijs et legationibus et excepto, quod possint retinere de dictis victualibus tantum, quod valeat solidos xl.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIH. Bd. I. Abth. 1 4

106

3. Quod aypihaxaiares in rcditu eorum ieneantut dicere prodem et honorem

Veneciarum si sciuerint et faccre scribL

1268 Millmo ducmo Lxvni ind. xn die lx exeuntis decembris. Parö fuit capta, quod qnandocumque aliquis uel aliqui roissi faerint in aliqua ambaxaria sollempni per domi- Dum ducera et comune Veneciarum, teneantur in eorum reditu facere poni in scripti» que sibi responsa fuerint super dicta ambaxata et quicquid sciuerint uel audiuerint dici in ipsa uia, quod credant esse ad proficuum et honorem Veneciarium, infra XV dies, postquam Venecias uenerint. preterea, quandocumque aliquis uel aliqui solempnes ambaxatores Veneciarum uenerint ab aliqua parte, debeant poni in scriptis petitiones eorum et responsiones eis facte per dominum ducem et eins consiliumi videlicet fortium petitionum et responsionum, et dominus dux et consiliarij teneantur dare notario, qui hec scribat.

4. Quod amlaxatores deleant assignare in eorum reditu equos

et res camere comunis,

i-<^^ Millmo ducmo Lxvmi ind. xu die v extante marcio. Fuit capta pars, quod

addatur in comissionibus ambaxatorum Veneciarum, qui de cetero ibunt pro comuni, quod infra tertium diem uel antea, postquam equi iunxerint in Veneciis, quod dare debeant uel dari facere camerariis comunis equos quos babuerint in illa via et alias res comunis, et addatur in capitulari camerariorum , quod teneantur ipsos equos facere custodiri, sicut melius poterunt et ipsos etiam vendere quatinus poterunt competenter.

5. Quod ambaxatores non possint mitti ad expcnsas comunis ad petitionem . alicuius comunis seu specialis persone sine uoluntate duarum partium XL.

1269 Millmo ducmo Lxvini ind. xu die x exeunte aprili. Capta fuit pars, quod dominus dux et consiliarij non possint de cetero mittere ambaxatorem ad expeusas comunis ad petitionem alicuius comunis uel alicuius specialis persone forensis sine uoluntate duarum partium xl qui fuerint congregati computatis domino duce et consiliarijs et maioris partis maioris consilij.

6. De pena solidorum uiginii grossorum quam incurrunt ambaxatores^

qui nolunt ire in amhaxariis,

1271 more veneto = ] Millmo ducmo lxxi ind. xv die x exeuntis januarij.

^^*~ Capta fuit pars, quod consilium captum de ambaxatoribus , qui ^terant se eicere de ambaxerijs sine dampro pecuniae et per quod illi , qui se eiiciebant, non poterant ire in aliqua ambixeria pro comuni per totum illum annum, sit reuocatum in tantum, quod quicumque decetero erit electus in aliquam ambaxariam, debeat et teneatur ire in pena solidorum xx grossorum et excusatio ei non ualeat,

107

nisi de persona, qae excusatio de persooa ponatur in maiori consilio et iuret, quod ipsa occasione dimittit.

7. Quod omnes ambaxatores deheant reddere rationeni de expensis quas

fecerint qualibet die.

Millmo ducmo septuagesimo tercio ind. prima die x intrante aprili. Pars fuit 1273 <:apta, quod tarn Uli ambaxatores, qui ad presens quam Uli, qui de cetero ibunt ad ^eruitia comunis, teneantur focere scribi per singüla expensas, quas fecerint qualibet die per se et solides et denarios et sie per singula teueantur suas rationes reddere.

Lib. Com. I, 89 addit mau. sec. inter 6. 7: -8. Quod ambaxatores teneantur referre suas ambaxatas in regressu infra xv dies.

MCCLXxxxvi mense iulii die xxini. Cum hactenus esset consuetudo, quod am- 1206 baxatores, qui mittuntur per dominum ducem et suum consilium ad^aliquas partes, in suo regressu referebant ambaxatas in illis consiliis, in quibus facte erant sue <^mmi8siones et nunc eas referant solum domino duci et consiliariis, capta fuit pars, quod de cetero iniungatur Omnibus ambaxatoribus , qui ibunt ad aliquas partes per dominum ducem et comune Yenetiarum, quod in suo regressu infra XV dies teneantur referre suas ambaxatas in illis consiliis, in quibus facte fuerint sue commissiones , et iniungatur consiliariis, quod debeant sibi dare consilium infra dictum terminum quiudecim dierum. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

Pertinentia eleetionibas^ electoribns et electis.

Bifrona f. 18*- §. 35. Lib. Com. I. 51.

1. De electiofiibus rectorum, que debent fieri duplices.

Millmo ducmo Lxxix ind. vii die xv intr. iunio. Capta fuit pars, quod in- i27d frascripte electione? de cetero, quando debebunt fieri, debeant fieri duplices, vide- licet baiulus Acon et consiliarij, ducha Crete et consiliarij, baiulus Tyri et con- siliarij, baiulus Tripoli, baiulus Armenie, baiulus Nigropontis et consiliarij : castel- lani Coroni, comes ßagusii, comes Jadre, potestas Clugie, potestas Parenti, potes- tas Justinopolis. ambaxatores, qui habent salarium specificatum, yidelicet solides XL grossorum vel inde supra, consiliarij de Venecijs, quatuor procuratores S. Marci, patroni arsanae, capitanei, qui sint de varnimento quatuor galearum vel inde supra. et non possit reuocari, nisi qninque consiliarij fuerint in concordia, xxv de xl et due partes maioris consilij. et hoc addatur in capitulari consiliariorum et xl. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

14*

108

Lib. Com. i. addit fol. 81^ :

2, Quod baiulus Accon^ ducha Crete et infrascripti post depositum officium

tioii possint eligi ad illa officia per duos annos*

1260 Millmo ducmo octaagesimo indiclione octava die xm aagusti. Fuit capta

pars quod baiulus Accod, ducha Crete, baiulus de Tyro, baiulus Nigropontis, castellani Corone, comiles Jadre et liagusii, potestates Jnstinopolis Parencii et Glugie qui de cetero in predictis regiminibus eligentnr, die quo ab ipsis regi- minibus finitis redierint Venecias ad duos annos non possint eligi in aUqno yel aliquibus ipsorum regiminum. et hoc non possit revocari nisi per quinqne con- siliarios, xxv de xl et per maiorem partem maioris consilii et hoc duret usque ad sex annos et vult Menicus Michael et alii consiliarii consenserunt. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

II.

Verordnungen über die Verwaltung von Greta für den Ducha,

die Eäthe und Kämmerer.

Incipit rubrica continens snb se consilia omnibns et singalis rectoribns Romanie pertinentia^ sed primo de ducha et consiliarfis Crete.

Bifrons fol. 68^- Lib. Com. II f. 194. 1, De forma regiminis ducke et consiliariorum Crete.

]:55 Millmo ducmo quinquagensimo quinto indic. xiii die viiii intrantis iulii.

Capta fuit pars in consilio maiori, quod ducha Crete qui ad presens eligi debet et qui de cetero in dicto regimine fuerint et consiliarii, non debeant aliquid incantare nee incantari facere nee comparare nee comparari facere aliquo modo vel ingenio de illo comunis ad suam utilitatem. nee accipere non debeant nee accipi facere aliquid mutuo de illo comunis aliquo modo vel ingenio ad suam utilitatem. item quod recipere non debeant nee recipi facere aliquo modo vel ingenio aliquid pre- sens vel donum a Judeis nee a monasteriis imperialibus Grecorum ad suam utili- tatem. item ,quod non debeant comparare nee comparari facere aliquid a monasteriis imperialibus nee a Synaitis aliquo modo vel ingenio ad suam utilitatem. item quod ducha habeat exemplum commissionis consiliariorum et consiliarii babeant exemplum commissionis duche. item quod miles dicti duche nee aliqui de familia duche nee de familia consiliariorum debeant habere aliquod salarium a comuni. et quod miles duche et presbiter et omnis de familia dicti duche et consiliariorum

109

adstriDgantur sacrameoto de non accipere aliquod donam nee presens ad utilitatem ipsorum dache et consiliariorum modo aliqao vel iugenio. item qaod ducba habere debeat unum equam, qui sit a quataor annis supra de precio libraram C. item qaod presbiter dicti dache non debeat habere aliquod officiam comanis nee sala- rium a comani. item qaod dacha Grete infira anam mensem po3sit vendere suos equos postqato redire crediderit. et postqaam eqaos suos vendiderit, debeat abinde in antea pro qaolibet eqao dimittere (debeat) in comani unam sterlinum per diem. item qaod dacha Crete et consiliarii teneantar et debeant, si maior pars minoris et maioris consilii eis dixerint eqaitare pro atilitate insale Crete vel ire in servitio comanis per mare vel ire alio tam in dicta insala, quam foris de insala pro atili- tate comanis et insale Crete, secandam qaod captam et ordinatam fuerit per maiorem partem minoris et maioris consilii. et debeat dacha computare de sao havere omni die yperperam annm et consiliarii pro qaolibet karatos decem de sao havere omni die, asqae dam in servitio ipso comanis steterint. item qaod dache predicti non debeant habere serzentes , qaos habait nobilis air Angelas Maarocenas dacha Crete. Post hec die xvi intrantis mensis ialii capta fait pars in maiori consilio et ordinatam, qaod dacha Crete et consiliarii non permittant ultra daos Latinos cum vin servitoribus ire obviam alicai Greco in civitatem venienti, nee permittant ultra daos Latinos associare aliquem Orecum pro aliqao facto vel peticione coram ducha Crete et consiliariis vel officialibas comanis Crete. item eo die capta fuit pars quod (sonsiliarios Crete qui eligi debet ad presens et qui de cetero electi fuerint, sint sub consilio et ordinamento v ancianorum, sicut hacte* nus consiliarii Crete erant.

2. Quod ducha et consiliarii Crete non ducant secutn filium fratrem vel nepo-

fem non divisos.

Millmo ducntto Lviii indic. prima die xiii exeuntis iunii. Capta fdit pars 1258 in consilio maiori et ordinatum, quod de cetero ducha Crete et consiliarii eins non debeant neque possint conducere secum sive teuere filium, fratrem vel nepotem qui non sint divisi ab ipsis, qui debeant exercere nee uti marcadantiam per se nee per alios. et hoc addatur in eorum capitulari sicut fuerit opportunum.

5. Buche et consiliariis Crete de videndis guamimentis,

Millmo ducmo lviiii indic. 11 die vi exeuntis iunii. Capta fuit pars in con- i25i> silio maiori et ordinatum, quod addatur in commissione duche Crete et consilia- riorum, qui Cretara de cetero iverint et + consiliarii qui sint ibidem, quod ipsi vel maior pars eorum debeant ter in anno, videlicet omni quarto mense videre in civitate Candie munitiones de cavallariis insule Crete, videlicet a scala usque Syteam. et consentiant nee permittant quod videantur per aliquam personam nisi per eos et in alio loco, nisi in civitate Candie, ut dictum est. et quod pecuniam totam,

110

qae intrabit pro condempnationibus , qae facte faerint occasione disgaamitiouam ipsaram cavallariarum, mittere debeant Veoecias. de qua comparari debeant eqai pro comuni Crete et ad insulam Crete transmitti.

4. Cmsiliariis Crete de tetiendis equis.

1259 Millmo ducmo Lviui indic. ii die x exeuntis iulii. Gapta fait pars, quod

coDsiliarii Crete tarn apad Candiam, qaam apad Caneam et Bethimum sive alibi in insala Crete existentes debeant de equis, quos habere et tenere debent, habere et teuere unum de yperperis h adminus vel inde supra.

5. De non vendendo vel alieiiando aliquo ligno comunis Crete.

1259 Millmo ducmo Lviiii indic. ii die xi intrantis augusti. Capta fuit pars qaod

ponatur in commissione dache Crete, qaod nulio modo vel occasione aliqua all- qaod navigiam comunis debeat pignorare, vendere vel alienare nee coreda ipsius.

6, De militibus, qui non faciunt se scribi infra annum,

1259 Millmo ducmo Lvint indic. ii die xi intrantis augusti. Capta fuit pars, quod

quando milites Crete moriuntur, illi qui eis succedunt non tenerentur facere guar- nitiones infra annum unum. capta fuit pars et ordinatum quod, si aliquis de cetero fuerit, qui non fecerit se scribi in quatemis comunis et eas cavallarias intromiserit infra unum annum, teneatur ipse ducha ipsas cavallarias intromittere et tenere pro comuni.

7. De Ulis qui Jiahent cavallarias et faciunt offefisio^ihs,

1259 Millmo ducmo LViin indic. u die xii intrantis augusti. Capta fuit pars

et ordinatum, quod, si fuerit aliquis, qui habeat cavallarias in insula Crete, qui fecerit offensionem comuni, propter quam debeat bannizari, teneatur ducha cavalla- rias illas, quas habuerit, intromittere et retinere pro comuni. et hoc dictum est tam de iUis qui nunc sunt, quam decetero fuerint bannizati.

8, Quod consilia Crete vadant circum cum hussolis.

3264 Millmo ducmo Lxiiii indic. vii die xi intrantis iunii. Pars fuit capta in-

tra XL quod consilium, quod fit in Creta, debeant ire partes circum cum bussolis et partes non possint esse firme, nisi capto erunt pro maiori parte maioris con- silii, sicut fit in Yeneciis, et hoc iungatur in capitulari duche.

9. De gratiis faciendis.

i26i Millmo ducmo lxiiii indic. vii die xii intrantis iunii. Capta fuit pars,

quod ducha Crete et consilarii non possint donare nee facere gratiam de mobile nee de stabile ultra x yperpera uni homini pro quolibet per totum suum tempus.

111

et si aliquis esset dignus donis et (de) gratiis, quod dacba et consiliarii non possint ei facere dooa nee gratiam a x usqne ad xxv yperpera supra. si aliquis esset diguior donis et gratiis, non possint facere dona nee gratiam, nisi com volnntate domini ducis et maioris partis maioris consilii Veneciaram, si eis placuerit et cum voluntate maioris partis consilii Crete et non aliter.

10. Quando ducha et consiliarii et camerarii Crete vadunt in exercitu.

Millmo docmo Lxiiii indic. vii die xii intrantis iunü. Gapta fuit pars quod, i264 quandocumque ducha Crete et consiliarii et camerarii exibunt de Crete in exercitu vel in aliis negotiis, debeant mauere ducha et consiliarii et camerarii insimul et ad unum expendium et unam societatem et unam curiam.

U. Quod duclm Crete non possit portare secum uxorem.

Millmo ducmo Lxx indic. xiii die iii intrantis iunü. Capta fuit pars quod, 1270 qui erit electus ducba, non possit ducere secum uxorem suam in regimine duchatus.

12, Quod nie qui ibit rector JRethimum habeat dnos camerarios.

Millmo ducmo Lxxm ind. prima die xini intrantis iulii. Capta fuit pars 127$ quod consiliarius Crete, qui ibit de cetero rector ad Retbimum, debeat habere duos camerarios, qui eligantur per ducham et consiliarios et habeant suos quaternos, cum quibus veniant cum rectore ad faciendum rationem.

13. De equis ducke Crete et consiliariorum.

Millmo ducmo lxxiii- ind. prima die primo augusti. Capta fuit pars, cum 12:» contineatur in commissione duche et consiliariorum de Crete, quod equi, quos con- duxerint debeant esse de annis quatnor et inde supra , quod omnes illi, qiM de ce- tero electi fuerint, possint conducere duos equos de tribus annis et inde supra. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

14. De Grecis bannitis de insula Crete.

Millmo ducmo Lxxiii indic. ii die xv intrantis novembris. Pars fuit capta, 127s quod Georgius Curtatius et Michail et Constantinus eins filii et Theodorus Curta- cius et eins filius Manuel et Scurdilachus de insula Crete sint perpetuo forbaniti de Yeneciis, de Crete et de omni parte dominii Veneciarum. et si predicti vel eorum aliquis venerint aliquo tempore ad manus signorie, quod sine aliqua condictione debeant mori. et quod sine remissione aliqua et sine aliqua spe restitutionis ipsi et eorum heredes omnes imperpetuum sint privati de eorum feudis et de Omnibus aliis eorum bonis mobilibus et immobilibus que habent in insula seu in aliqua alia parte dominii Veneciarum. que quidem feuda et bona omnia eorum sine con-

112

dictione aliqua in comune Veneciarum deveniant. et ipsi vel eorura heredes omnes nuUo unquam tempore possint vel debeant habere feudum vel possessiones aliquas in insnla Grete.

15. Contra hannitos Crete et rehelles,

1278 Millmo ducmo Lxxui ind. u die xv intrantis novembris. Fait capta pars,

quod dache Grete et consiliariis committatur, quod debeant facere stridari et sie per eos debeat observari, quod aliquis non possit vel debeat mittere litteras, nun- tium nee ambaxatorem"^) nee recipere nee mercationes dare nee recipere cum aliquo Greco, qui sit rebellis. et si aliquis feudatus tarn miles quam serzentus fecerit contra predicta, aroittere debeat feudum. quod feudum non possit restitui ei siue heredibus aut successoribus suis, nisi dominus dux cum v consiliariis, xxx de xl et due partes maioris consilii inde concordes extiterint. item si bnrgensis aliquis, ut superius dictum est, fecerit contra hoc, amittere de- beat burgesiam et sit bannizatus et non possit ei restitui burgesia nee extrahi de banno nisi cum ordine supradicto. item quod si aliquis Latinus tam Venetus quam forensis fecerit contra hoc, amittat yperpera (;c et sit bannitus. et si non poterit solvere, poni debeat in maiori carcere in quo stare debeat per duos annos et expleti duo anni si non solverit, sit in banno. item si aliquis Grecus contra predicta ire temptaverit, amittere debeat unam manum et uuum pedem, salvo tarnen quod si aliquibus supradictorum litera aliqua presentata fuerit, quod ipse in con- tinenti teneatur presentare hominem et literam domino duche vel illi aut illis qui loco duche fuerit. et si hoc fecerit, non cadat in pena superius nomiuata. et adda- tur in commissione duche Grete ante quam vadat, totum quod superius dictum est, quod sie teneantur facere et observare.

16. Quod du€ha et cmsiliarii Crete non possint reddere feudum alicui qui

rebellahit comuni aliquo modo.

1274 Millmo ducmo Lxxiiir indic. ir die vir intrantis iunii. Gapta fuit pars,

quod in commissione duche et consiliariorum Grete qui de cetero eligentur, adiun- gatur et mittatur, precipiendo istis qui nunc sunt per litteras domini ducis per sacramentum, quod si aliquis Grecus, qui habet vel decetero habebit feudum a do- mino duce vel aUquis, qui nunc est franchus vel decetero erit franchus, decetero rebellabit dominio vel fecerit contra fidelitat^m, quod non possint ei reddere feu- dum vel franchitatem aliquo modo vel ingenio nee ei facere aliquam gratiam nee reddere, dare vel donare ei aliquod donum vel cambium. item quod si aliquis Latinus, vasmulus Blacus Turcus et de omni genere, excepto de Grecis

*) ambaxatam Lib. Com.

113

ft

rebeliabit dominio, non possit per aliquod terapus ipse nee sui heredes habitare in tota insula Crete, et si habitarent, debeant esse villani comunis perpetuo.

17, Duche et consiliariis Crete.

Millmo ducmo Lxxnii indic. itt penultiraa ianuarii. Capta fuit [more veneto *274- pars, qaod de facto castrorum que ordinata fuerint ßeri, pro quibus debebant expendi yperpera vir» pro comuni Veneciarum, quod in uno dictorura castrorum quod factum est, non possint esse expensata ultra iiim et d yperpera et si aliud fiet, non pos- sint tolli nee expensari ultra alia mm et l yperpera. et si fient, non possint dieta yperpera vel aliqua ex eis tolli, sed remaneant in comuni, et si in alio Castro facto sunt expensata ultra yperpera iii«^ d, illud plus revertat in comuni. iteofi quod precipiatur duche et consiliariis de Crete per saeramentum quod restituant in comune yperpera que acceperunt de frumento et alia, que non debebant vel poterant reci- pere. et si non restituerint ad terminum eis datum, quod de suo proprio restituere teneantur et de suo proprio debeatjtamen tolli sine condictione. item quod respon- deatur dictis duche et consiliariis quod non possint dare serventario vel alia'^) aliqui- bus qui redirent ad mandata ultra ea que habuerint, sicut fuit ordinatum. item quod illa diminutio, quam ipsi feeerunt de salario officialium et de ordinamento de castellanis castrorum, sit firmum, salvo quod varnitio castrorum non minuatur in preiudicium castrorum.

IS. Quod cmmliarii Crete non tetieantur portare secum tdtra libras c.

Millmo ducmo Lxxv indic. in die vii intrante maio. Capta fuit pars quod, ^^^

cum consiliarii de Crete tenerentur quilibet eorum portare secum libras ccc,

quod de cetero non teneantur portare nisi libras c, et capitulum primum in hoc Sit re.YOcatum.

19. De augmento salarii duche Crete.

Millmo ducmo LXXV indic. in die penultimo mensis iulii. Capta fuit pars 1275 quod duche Crete debeant addi pro salario yperpera c, ita quod habeat yperpera M, sicut habebat dcccc.

äO. Quod qui habet in Crete mediam niilitiam pro tixore teneatur servire ut

cüii milites.

Millmo ducmo Lxxvi indic. iv die penultimo extantis augusti. Capta i«7t fuit pars quod omnes illi qui habent vel de cetero habebunt in insula Crete pro uxoribus suis usque ad mediam militiam vel inde supra, teneantur servire, sicut tenentur alii milites de Creta. et addatur in commissione duche quod teneantur sie

*) alii Lib. Com. 1. aliis. Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I. Abth. 1 5

114

facere observare. item quod omnes Uli qui tenentur tenere equos per feudum, quod peior equus debeat esse valoris xx yperperorum et inde supra. item quod adda- tur in commissione ducbe Crete, quod teneautur facere inquirere de omnibus tarn hominibus quam mulieribus, qui vel que remanserunt vel decetero remanebunt com- missione alicuius, qui commisit vel decetero committet ad vendenda aliqua cavallaria. item quod aliquis de feudatis comunis non possit nee debeat venire Venecias pro ambaxatore, quando est verra in ipsa terra.^)

21. Buche et cansiliariis Crete,

1281 Millmo ducmo lxxxi indic. vim die vi augusti. Capta fiiit pars quod,

si aliquis accipiet uxorem in Crete et habebit in dotibus feudum aliquod, quod ipse debeat et teneatur servire in propria persona, deinceps et debeat illud feudum scribi marito pro extimacione facta a ducha vel ab aliis, sicut videbitur ducbe et suo consilio, ita quod ipse maritus faciat, quod illud feudum sit pignus Uli sue uxori et quod etiam faciat ei securitatem super omnia sua bona, et si ipse maritus hoc nolet, vendatur feudum et solvatur inde marito de suis dotibus. et hoc iungatur in commissione ducbe et consiliarüs. item quod non debeat dari pro iudicatu alicui donne aliquod feudum, salvo quod si ipsa baberet filium qui posset servire, ipse debeat iurare et servire. et si ipse filius esset minor, quam de servitio, ipsa donna debeat et teneatur facere, quod alius serviat secundum formam aliarum militiarum. et quando iUe filius erit talis etatis, quod* possit eam miUtiam servire, recipiet ipsam et serviat, ut dictum est. et si baberet filiam, simUiter Aiciat Ulam inUitiam servire aliquem alium donec ipsa fiUa nubat et postea maritus ipsius ipsam suscipiat et serviat secundum formam aliarum militiarum. et si ipsa boc nolet, ipsa mUitiam vendi debeat et inde solvatur sibi de sua repromessa. et hoc iungatur in commissione duche et consiliariorum. item quod ducha non debeat accipere vel permittere accipi de mensura salis ultra duos strilinos. item quod mittatur duche sub debito iuramenti quod faciat cooperiri arsenatum.

J2J2. Quod ducha et consiliarii faciant fieri unum arsenatum,

4

1281 Millmo ducmo LXXXI ind. x die ii decembris. Fuit capta pars quod mit-

tatur precipiendo duche et consUiariis Crete sub debito sacrameiiti, quod debeant fieri facere arsenatum Crete, ita quod naviUum in eo possit stare sub cooperto et pro predictis faciendis fiat eis commissio de accipiendo mutuo yperpera md et non possint ea expendere in aliud aliquo modo, et de intratis Crete recuperent et acd- piant et expendant tantum in predicto negocio, quod arsenatus bene compleatur.

*; iDBula Lib. Com.

115

23. Qtiod ruga maistra de Candia affittetvr per incantum.

Millmo ducmo Lxxxi ind. x die xxrm februarii. Capta fuit [more veneto 1231=^ pars quod raga maestra de Candida, que est comunis a sancto Tito versus ^^^ mare, debeat affittari, et etiam alia ruga que est ab alio latere versus eam et ver- sus mare, per incantum pro comuni ad xxviin annos. et qui eam vel eas acce- perit, teneatur facere fieri faciem*) de antea super ruga de petra et calcina. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

^4. Ducke Crete.

Millrao ducmo Lxxxit ind. x die vii iulii. Capta fuit pars, quod commit- 1282 tatur duche et consiliariis Crete, quod non possint per mare exire extra insniam Crete occasione eundi alibi quam in insulam Crete.

J25. Qiiod sal Crete panatur in yabella et de datio panis,

Millmo ducmo Lxxxvuii indic. vn die vin augusti. Fuit capta pars 1289 quod sal Crete ponatur in gabella comunis Crete et quicquid inde recipietur, expen datur in munitione castrorum insule Crete, que muniuntur pro comuni, cum ordine qui videbitur duche et suo consilio. item quod quicquid recipietur in Crete de datio panis, similiter expendatur in munitione dictorum castrorum que muniuntur pro comuni.

Liber Commun. post 22:

JS6, Quod ducha Crete possit expendere libras ir^ pio securitate caravane et gentis nostre euntis et redeuntis de Uhr, x»» quas potest expendere pro

exercitu facietido.

Millrao ducmo octuagesimo primo indict. x die im ianuarii. [more veneto 1281-^ Cum commissum fuerit duche Crete quod possit accipere mutuo libras xna si expe- ^^^ dierit, pro faciendo exercitu et armandis, capta fuit pars quod de dictis libris xm ipse possit expendere libras um pro securitate caravane et nauilii euntis et venientis et si consilium est contra, sit revocatum.

lucipiaut consilia caiuerariis comanis Crete pertinentia.

Bifrons fol. 70. Lib. Com. II f. 198.

1. Quod camerarii cwnunis Crete kaheant xu yperpera pro fictu domus et 7io^i possint comparare nee incantare de rebus comunis.

Millmo ducmo Lxxiii indic. prima die penultimo mensis iunii. Capta fuit 1273 pars quod addatur in commissione camerariorura comunis Crete, quod possint acci-

*) faciam Lib. Comm.

15

116

pere pro fictu domus sue habitationis xii yperpera pro quolibet et ipsi accipiant domam et domos, sicut eis placuerit. et Don habeant domum pro comuni. item quod Don possint vel debeant per se vel per alios ullo modo vel ingenio comparare nee incantare de rebus comunis.

#

2. Quod camerarii comunis Creie debeant esse in conviviis et presentibus

sicut consiliarii,

1278 Millmo ducmo Lxxiii indic. prima die xnii intrantis iulii. Capta foit pars

quod camerarii Crete debeant esse tam in facto conviviorom, quam in presentibus sicut sunt consiliarii.

3, Quod camerarii Canee sint consüiarii rectoris.

1281 Millmo ducmo Lxxxi indic. viiii exeuntis iunii. Pars fuit capta quod Uli

duo qui erunt camerarii Canee, sint consiliarii ipsius terre rectoris.

Liber Gomm. addit :

4. De camerariis Crete quod faciant condempnacionem cum ducha et

consiliariis.

1270 Millmo ducmo septuagesimo, ind. xin. die quinto iutrante augusto. Fuit capta

pars quod unus tercius camerarius mittatur Gretam qui sit cum aliis ad faciendum offi- cium quod fiebat per quinque de pace ibi in Crete, tam de inquisitionibus quam de aliis. et condempnaciones fiant per eos et per ducbam et consiliarios per maiorem partem eorum. et illi quinque qui erunt, non sint amplius. et habeant dicti camerarii pro salario yperpera gl pro quolibet quolibet anno et teneantur teuere unum equum ad servicium comunis.

III.

Verordnungen für die Oastellane von Coron und Mothon auf Morea. lucipinnt consilia castellanis Corone et Mothone pertinentia.

Bifrone fol. 70. Lib. Com. II fül. 202.

L Quod casteUani Corone faciant fieri muros Corone videlicet certam quanti-

tatem in anno,

1260 more veneto =] Millmo dücmo lxviiu indic. xiu die penultimo februarii. Capta fuit pars quod addatur in commiäsione castellanorum Corone qui decetero ibunt illuc, quod teneantur fieri facere omni anno adminus xx passus de muro

117

\n Castro Corone de petra et calcina, de maro videlicet qui est de petra'et terra, et uon possint fac^re fieri muros minus altes vel grossos ut est modo, sed plus sie

j2. De castellanis Corone quod unus eorum ad fnefisein siare debeat in

Mothone.

Millmo ducmo Lxxii ind. xv die im iotrautis aprilis Fuit capta pars 1272 quod addatur in commissione castellanorum Corone, quod unus eorum ad mensem debeat stare ad Motbonum per texeras. verum de boc non teneantur im menses in anno, quos eligere voluerint. et quod ille castellanus qui ibit, non possit prop- terea expendere ultra id quod concessura est in commissione sua, quod possint ei- pendere. salvo etiam, si talis condictio occurreret quod in Corono non remanerent duo castellani, si unus iret Motbonum, quod non teneantur ire, ita tarnen quod duo castellani semper permaueant in Chorono et quod unus castellanus mittatur de Veneciis Motonum cum illo ordine, qui videbitur.

>. De castellanis Motoni.

o

Millmo ducmo Lxxu indic. xv die penultimo aprilis. Pars fuit capta quod 1272 baiulus, qui debet mitti Motonum, habere debeat c yperpera pro salario per an- num et domum pro sua babitatione et libras dcc ad mercatum et uavigium de Veneciis illuc cum aliis condictionibus quibus fuerint alii. salvo quod non possit recipere presentes et teneatur tenere nnum scutiferum et unum equum de xxv yperperis vel inde supra et sit ad duos annos.

4, De sociis castellanorum Coroni.

Millmo ducmo Lxxm indic. prima die xii intrantis iunii. Cum poneretur 1273 pars quod aliquis castellanus de Corono non posset secum ducere socium nee tenere, capta fuit pars quod possit ducere et quod illi, quos conduceret, debeant esse Ve- neti et non possint uti aliqua mercatione modo aliqno per se vel per alium et non possint eis dare soldum, nisi tantum quantum uni de sarzentis.

5. Quod castellani Coroni teneantur circare carnitiones castelli tribus vicibus

in anno.

Millmo ducmo i.xxvi indic. v die xi intrantis februarii. Capta [more veneto 127«^ fuit pars, quod addatur in commissione castellanorum de Corono qui decetero *^^ eligentur et Ulis qui nunc snnt, mittatur precipiendo per sacramentum quod tenean- tur tribus vicibus in anno videre varnitiones castelli Coroni comunis Veneciarum et eciam serventum, si erunt guamite ut debent. et si invenerint homines uon habere guarnitionem ad plenum, ut debent, debeant eos licentiare a soldo comunis ai non recuperabunt snam guarnitionem infra xv dies tunc sequentes. et si habe- bont guarnitionem suam et non habebunt zupetum, quod castellani teneant f zupe-

X ^

118

tarn nou habentibus de soldo illud, quod iustum videbitur eis et deot eis zupetum pro comuni. et etiam quod castellanus, caius fuerit mensis, teneatur qualibet nocte adminus semel circare et circaire castellum

6*. Quod castellani Coroni faciant ßeri unum arseiiatum,

1281 Millmo ducmo Lxxxi indic. x die n decembris. Pars fuit capta, quod

mittatur precipieodo castellanis Coroni, quod apud Coronum debeant facere fieri unum arsenatum, in quo sub cohoperta possint salvari et teneri galee et aliud navilium. et de xl passibus muri , quos tenebantur facere, faciant sicut eis bonum videbitur. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

Lib. Com. ir fol. 202 habet pro 1 et 8: 7. De tercio castellano Corone.

1264 Millmo ducmo sexagesimo quarto indic. vir die vm intrantis aprilis.

Capta fuit pars quod eligatur unus tercius castellanus in Corone cum illa condic-

tione qua sunt alii, salvo quod non possit expendere ultra yperpera mcc per annum inter tres.

8. Quod castellani Coroni possint expendere Uhras m pro securitate nostre

caravane et gentis.

]^l more veneto =■ ] Millmo ducmo octuagesimo primo indictione x die im ianuarii. Capta fuit pars quod mittatur castellanis Coroni, quod possint accipere mutuo et expendere libras m, si expedierit, pro armamento, occasione securitatis caravane et nostri navigii.

1282

IV.

Verordnungen für den Bailo und seine Räthe auf Negroponte.

Incipiaut cousilia baiaolo et cousiliariis Nigropontis pertinentia.

Bifrons fol. 70. Lib. Com. II fol. 199.

L Quod baiulus et consiliarii Nigropontis non consiituant procuratores loco sui*

1250 Millmo ducmo L indic. vm die vir extante maio. Capta fuit pars quod

amodo baiulus et consiliarii Nigropontis, qui pro tempore fuerint, non constituant alios procuratores loco sni ad excutiendum redditus comunis, sed ipsi consiliarii hoc debeant procurare et excutere.

119

2, Quod baiulus et coiisiliarii Nigropontis nan dent domum neque terram

ad anms etc.

Millmo ducmo lvi indic. xni die quinto iatrantis iunii. Pars fuit capta, quod baiulus Nigropontis et consiliarii non possint nee debeant dare nee concedere ad annos domum aliquam nee ten-am eomunis in Nigroponte, a eapite videlicet campi eomunis Veueciarum versus eivitatem usque ad aliud caput campi, quod est versus castrum ab utroque latere neque de supra portum usque ad domum, que fuit domini Michaelis Mauroeeni, complentibus illis qui habent de dictis domibus suos terminos. et eompleetis dictis terminis remaneant ipse domus et terre in comune. item quod omues alias possessioues eomunis possint et debeant baiulus et consiliarii Nigropontis affittare usque ad xxix annos, non dando alicui nisi tantum quantum videbitur, quod sit pro suo stacio eonvenienter et in sua discre- tione remaueat affittandi eis modo vel expeetando, quousque venient earavane.

3. De equis baitdi et consiliariorum Nigropontis.

Millmo duemo lxviiii indie xii die vinr intrantis iulii. Capta fuit pars 12«» et facta fuit electio de baiulo Nigropontis et consiliariorum et ordinatum, quod baiulus non possit conducere secum de Veneciis, nisi tantum duos equos, qui sint a tribus anhis ultra quilibet eorum. et consiliarii unum pro "^ quolibet qui sit a laribus annis ultra et omnes alii equi, quos illie eomparaverint vel reeuperaverint, debeant esse a tribus annis supra.

4. De salario baitdi Nigropotitis.

Millmo duemo Lxxin indic. prima die v intrante marcio. Fuit capta pars 1273 quod baiulus Nigropontis habere debeat pro salario yperpera m per annum et duas robas decentes. et habere debeat unum elerieum notarium et octo servitores et quinque equos. verumtamen equus, quem in Veneciis comparaverit , debeat esse precio c librarum. et si in Nigroponte comparaverit, debeat esse precio c yper- perorum, salvis aliis omnibus que continentur in suo capitulari.

5. De equis baiuli Nigropontis.

Millmo duemo lxxix indic. vir die x intrantis iulii. Capta fuit pars quod 1279 baiuli Nigropontis possint de cetero conduei faeere Nigropontem de Veneciis vel aliunde usque ad illam quantitatem equorum, quam teuere et habere debent per formas suarum commissionum, non habende tamen naulum a comuni nisi pro duo- bu8 equis tantum.

120

6. Quod baiulus et consiliarii Nigropontis possint emere de terris ubi fuii

castrum.

1281 Millmo ducmo Lxxxi indic. x die ii decembris. Capta fuit pars quod, si

dictas baiulus et consiliarii poterunt habere de terris, ubi fuit castrum de Nigro- ponte, quod debeant eas emere sicut eis videbitur, et de boc fiat eis commissio de mutuo accipiendo. de aliis vero terris inquirant et sciant, quod possunt facere et quicquid invenerint et sciverint, inde debeant domino duci intimare et postea inde facere quod sibi fuerit mandatura.

Lib. Com. II, 199 inserit: 7. De salario cofisiliariorum Nigropontis.

1273 Millmo ducrao septuagesimo tertio. indic. prima die xi exeunte marcio.

Capta fuit pars, quod consiliarii Nigropontis debeant habere decetero pro saiario jperpera ccl annuatim, sicut habebant cc.

8, Ad baiidum et consiliarios Nigropontis quod possint facere uerram

Paleologo.

1281 Millmo ducmo octuagesimo primo. indict. decima die secundo decembris.

Pars capta fuit, quod baiulo et cousiliariis Nigropontis dptur potestas, quod pro facienda guerram Paleologo et genti eius possint expendere pro ailno m yperpera de sex milibus yperperis, de quibus habent commissionem, requirendo et extrahendo ab illis de Nigroponte in predicta occasione quantum plus poterunt.

.9. Ad baiulum et consiliarios Nigropontis quod possint recipere mutuum pro

domo lahoranda,

1281 Millmo ducmo octuagesimo primo indictione x die secundo decembris. Capta

fuit pars, quod si predicti baiuli et consiliarii poterunt accipere mutuo a bürgen- gensibus Veneciarum de Nigroponte pecuniam, pro domo laboranda iuxta lobiam Veneciarum de Nigroponte, possint eam accipere et laborari facere ipsam domum et pro ea obligent redditus comunis Veneciarum de Nigroponte, sicut melius et utilius viderint expedire et de hoc fiat eis commissio.

10. Quod baiulus Nigropontis possit expendere m yperpera pro saivacione

nostre caravane,

1281 more veneto =] Millmo ducmo octuagesimo primo indictione x die im ianuarü. Cum commissum sit baiulo consiliariis Nigropontis , quod pro faciendo guerram Paleologo et genti eius possint expendere in anno m yperpera de sex millibns

121

yperperis, que possunt accipere mutuo pro predicta caasa, capta fait pars quod predicta mille yperpera non possint expendere in alio, nisi pro salvacione nostre <»travane et navilii euntis et redeantis, et si consilium est contra, sit revocatum quantum in boc.

V.

Verordnungen fttr den Bailo^ die Räthe und Kämmerer von

Accon und Tyrus in Syrien.

a* Von Accon.

Incipiant consilia pertlnentia oninibas et singniis rectorfbns de altra mare et Tuiiixio. sed primo de baiulo et consiliariis Acton.

Bifrons fol. 71\ Lib. Com. II. fol. 206.

1. Quod baiulus et cansiliarii Accon non recipiant donum nee presens.

Millmo dacmo LVi indic. xini die vir intrantis iulii. Capta fuit pars quod isse baiulus et consiliarii Accon non possint nee debeant recipere donum aliquod nee presens, nisi de salvadesinis. item quod quando voluerint exire terram, unus eorum trium admiims remaneat in terra, qui debeat facere regimen dicte terre. item quod non possint nee debeant routuare balistas nee aliqua alia arma, nee alias res, que comuni pertinent nisi bonum pignusinde babuerint. item quod idem baiulus Accon teneatur et debeat facere rationem cum consiliariis mia et aliis qui tenent deoarios et (leg. de) habere comunis in unoquoque mense. item quod baiulus Accon supra dictus non possit ponere de suis rebus vel mercationibus in <»imera, qua ponuntur bona et res que ibidem dantur in commendatione et quod aint due claves dicte camere, unam habeat baiulus et aliam babeant consiliarii. item quod baiulus et consiliarii Accon non possint expendere ultra bizantios c per annum in conviviis vel corredis.

2. Quod consilia Äc(fon et Nigropontis vadant circum cum hussoUs.

Millmo ducmo Lxiin indic. vii die xi intrantis iunii. Capta fuit pars quod im« consilium, quod fit in Accon et Nigroponte, debeant ire partes circum cum bussolis, «t partes non possint esse firme, nisi capte erunt pro/ maiori parte maioris consiliit sicut fit in Veneciis. et hoc iungatur in capitulari rectorum.

Abh. d. I. Cl. d. k Ak. d. Wiss. XUI. Bd. I. Abtb. 1 6

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3. De sdlario baiuli Äccon et familia.

1270 Millmo dacmo lxx ind. xiii die y intraDtis marcii. Capta fait pars qood

baiulus, qui modo debet roitti Accoii; mitti debeat sine mercato et tollatar ei mercatam. item quod ipse baiulus habere debeat pro salario bizantios m ccgc in anno et teneatur secum ducere unum socium et unum scutiferum et habere unura equunv ultra eos quos habere prius debebat, et unum tabellionem ut habebat prius. item quod baiulus teneatur dare socio bizantios xxv per annum et duas robas convenientes.

4. Quod baiulus Accon non ducat secum filium nan divisum.

1270 Millmo ductno i,xx indic. xiir die xi intrantis marcii. Pars fuit capta quod

baiiihis, qui debet mitti Accon, non possit secum ducere filium non divisum a se nee a]iam personam, que lucretur ad eum, salvo quod possit dare (^ollegantias sicut alii, salvo quod possit investiri facere pecuniam que sibi superaverit de sa- lario et eam, quam habebit» de equis suis et de suis arhesiis per duos menses ante quam moveri debuerit.

5. Quod baiulus Accon non possit aliquo modo dare aliquid pertinens comuni

alicui de sua familia,

1273 more veneto = ] Millmo ducmo lxxiii indic. u die penultimo februarii. Fuit capta pars quod addatur in commissione baiuli Accon , quod per se et suum con- silium seu per aliquod aliud consilium, quod haberet ibi, non possit dare vel donare modo aliquo vel iugeuio socio suo vel alicui de sua familia aliquid de hiis, que pertinebunt ad comnne. et quod si aliquis de serzentis, quos teuere debuerit, ei defccerit, de tanto tempore de quanto defecerit, de tanto nichil recipiat a comuni. item quod dictus baiulus et eins consiliarii non possint ponere in aliquo consilio de dare alicui de havere comunis a x bizantiis supra, si non erunt adminus duo ex eis in concordia. item quod dicti baiulus et consiliarii debeant stare de intra murum nostrum et portam, nee inde exire aliqua vice, ita quod adminus nnus ex eis remaneat semper intus.

6. Quod consiliarii Accon possint accipere de serzentis baiuli usque duos pro

se associare.

1274 Millmo dacmo Lxxuii indic. ii die primo mensis marcii. Capta ftiit pars .quod, qnandocumque aliquis de consiliariis Accon voluerit aliquem de serzentlst .quos baiuhis tenetur habere, pro se assodare et ire cum eis, possint accipere usque duos, quando volaerint.

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7. Quod baiultLS Accon debeat mittere de quanto burgenses Accan faciunt

imprestiium quando veniunt Venecias.

Millmo ducrao Lxxvi indic. im die vi intrantis ianii. Capta fuit pars quod i27e addatur iu commissioue baiulorum Accon, qui de cetero eligentur, et isti qui nunc esir mittatar, dicendo per litteras domini ducis, quod sicut ipsi baiuli et consiliarii tenentnr mittere in scriptis burgenses qui veniunt Venecias et habere, quod ducunt in colleganziis, ita teneantur mittere dicendo de quanto ipsi faciunt imprestitum. et si ipsi burgenses adduierint habere ultra illud quod faciunt imprestitum et illud quod habebunt in colleganziis per cartam, quod de toto illo quod portabunt, ultra id quod dictum est, debeant solvere quintum. et addatur in capitulari illorum de mercanciis Levautis, quod teneantur inquirere, si aliquis portaret ultra id quod dictum est, et si invenerint aliquem portasse, debeant excutere quintum et habeant illam partem de eo quod excusserint quam habent de aliis.

8. De serventis baiuli Accon et de suo socio et servitoribus.

Millmo ducmo LXXVI indic. v die x exeuntis ianuarii. [more veneto 1276= Pars fuit capta quod, sicut datur sorventis, quos debet habere baiulus, bizantius ^^' nnus, sie dari debeat iVs iu mense cuilibet, et tres habere debeat pro expensis. item quod addatur in commissione baiuli, quod non possit habere socium vel ser- vitorem qui sit minus de xx annis et ultra l et quod non possit habere pro socio filiam neque fratrem.

9. Baiulo et consiliariis Accon de suo niaiori consilio faciendo.

Millmo ducmo LXXVI indic. v die in exeuntis ianuarii. Pars [more veneto 127«= fuit capta quod sit in libertate baiuli et consiliariorum Accon per mudam caravane '^^ acdpiendi de maiori consilio in Accon usque ad xl et inde infra, sicut eis videbitur.

10. Quod baiulus Accon debeat tenere sereeiitos solum de Ulis qui tenent se

pro Vetietis.

Millmo ducmo Lxxviti indic. vn die v exeuntis novembris. Capta fuit pars 1278 quod addatur in commissione baiuli Accon, quod de serzentibus quos tenetur habere et teuere, non possit accipere nisi de hominibus, qui pro Yenetis se constringunt.

U. Quod nullus messeta de Accon possit uti mercanciis ultra bijs^antios x.

Millmo ducmo Lxxviin die xiii exeuntis iunii. Fuit capta pars quod nullus 127» misseta &ctus per baiulum et consiliarios Accon possit uti mercanciis nee facere

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mercatam ultra bizantos x, nee etiam habere societatem cum aliqaa persona, tarn veneta, quam forense, nee partem etiam habere pro faeere roercationem sub pena bizantorum l, et sit in perpelnum extra missetariam, et hoc addatur in eapitulari baiuli et eonsiliariorum Aceon.

12. De bnrgensibus Accon quod vetiiafit ad hahitandum intra murutn tiostrum,

1272 Millmo ducmo Lxxii indic. xv die xv exeuntis iulii. Capta ftiit pars et

ordinaturo, quod roittatur dicendo ex parte domini ducis et eonsilii baiulo Aeeon et eonsiliariis quod teneantur iuramento faeere, quod burgenses nostri qui sunt et morantur in Aceon usque xx de melioribus, qui eis videbuntur, debeant venire ad hahitandum intra murum nostrum et portas, et de aliis sit in Providentia baiuli et eonsiliariorum ad facieudum, quod veniant similiter ad hahitandum, ut dictum est exceptis milites et heredes eos f et Judeos. et hoc (hos ?) teneantur faeere venire ad hahitandum, ut dictum est, usque ad unum annum postquam receperint litteras domini ducis super hoc, et hoc etiam cum illis melioramentis, que videbuntur.

13. De pena maioris eonsilii Aeeon.

1280 Millmo ducQio Lxxx ind. viii die xxii iunii. Capta fuit pars quod illi, qui electi

fuerint de maiori consilio in Aceon, sub pena, que baiulo et eonsiliariis eins vel maiori parti eorum videbitur, debeant esse de ipso consilio et non possint refutare.

14, Quod illi de eonsilio Aceon qui reeeperunt vel recipient donum, gratiam^ feudum, vel inprestitum ab aliqua persona^ non possint stare ad eonsilium quando

traetntur de facto suo.

1280 Millmo duemo Lxxx indie. vin die xxii iuniL Capta fnit pars quod Uli,

qui reeeperunt hactenus aut recipient de cetero donum, feudum, gratiam vel im- prestitnm ab aliqna vel aliquibus personis, non debeant in Aeeon manere in con- siliis ad capiendam partem quando fient pro facto ipsarum personarum vel personet sed debeant inde exire.

15. De ligiuimine et ferro non portando nisi Aecofi et Surum,

'^' Mill^no dnemo i.xxxi indic. viiri die x iulii. Capta fnit pars quod, si qui»

Venetus et qui pro Veneto se distriogit, portaverit lignamen seu ferrum ad partes Ultramarinas, debeant ipsi lignamen sive ferrum disearicare aut in Aeeon aut in Tyro et non alibi, in pena perdendi lignamen et ferrum vel valorem. et postquam fuerit di'vcaricatum , non possit extrahi de terra nisi discarieatum faerit, absque liceotia baiuli et eonsiliariorum sub pena predicta. et hoc mittatur dicendo coroitibiK»

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et comanibus Jadre et Bagasii et alibi, ubi sant homines qoi pro Venetis se con- stringuat, quod ita debeant observare et facere observari per gentera eorum. et addatar in commissione baiuli et consiliariorum Accon et Tyri, qaod debeaat inquirere et cercare, si aliquis contrafaceret et accipere dictam penam contrafacientL et accusator habeat terciam partem pene, si per eius accasationero veritas cognosce- tnr, et teneatar de credentia et si aliqua occasione non possent excutere penam predictam, teneantar significare ordinate domino duci et advocatoribos comunis. et addatur in commissione consalis Alexandrie similiter, qaod teneatur inquirere et cercare predicta et accipere penam contrafacienti. et si non posset accipere aliqua ratione« teneatur significare ordinate domino duci et advocatoribus comunis. et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

16. Baitdo Aecofi,

Millmo ducmo Lxxxii indic. x die vn iulii. Capta fuit pars quod merca- 1282 tores veneti non possint in Accon accipere domos ad iictum, nisi domus et stationes comunis de Accon fuerint affictate.

17. Quod baitdus et cofisiliarii Accon possint impotiere penas burgensibus ut

vetiiant ad f^bitandum intra murum,

Millmo ducmo Lxxii indic. xv die x exeuntis iulii. Fuit capta pars, quod 1272 parti capte inter xi^, quod burgenses nostri de Accon debeant venire ad habitan- dum intra murum et portas, quod baiulus et consiliarii possint imponere penam et penas omnibus quibus eis videbitur, quam et quas penas dominus dux et consiliarii et consilium malus habebunt firmas, ac si facta essent per eos.

Incipiant eonsilia camerariis Accon pertinentia.

Bifrons fol. 72'»- Lib. Com. II f. 210.

L De camerariis Accon quod non possint accipere coUegantiam,

Millmo ducmo Lxxia indic. i die penultimo iunii. Capta iuit pars quod 1273 addatur in commissione camerariorum Accon, quod non possint nee debeant accipere coUegantiam ab aliquo bui^ense de Accon, sicut non possunt accipere rectores qui ezeont pro comuni de Yeneciis et eodem modo.

^. Quod canierarii Accon scribant introitus comunis et scribcUur per baitdum

et consiliarios.

Millmo ducmo lxxiii indic i die penultimo augusti. Capta Mt pars quod 1273 camenurii Accon teneaatur ea die vel altera, qua affictaverint da domibos et

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stationibas comunis et magazenis vel tabalis aut terris vel aliis pertinentibus ad comune alicui vel (add. aliquibus), ire ad baiulum et consiliarios Accon in pena salarii qnod ei pertinet de illa die, et dicere: nos dedimas talem stationem vel domum vel magazenum, tabulam vel terram aut alind qnod affictaverit pro comuni tali f pro tanto precio et pro quaato et tali die. et eodem modo teneantur camerarii venire ad baiulura et consiliarios , quando receperint claves et dicere: tali die reddite fnemnt nobis claves de tali domo vel de tali statione vel magazeno vel tabula, et baiulus et consiliarii teneantur facere scribi in diclo quatemo diem, qua reddite fuerint claves. et teneantur dicti camerarii ea die vel altera qua excusserint pensionem, scribere in quaterno illnd quod excusserint et ponere in capsella comunis. et quilibet eorum babeat et teueat unum clavim dicte capselle. et baiulus et con- siliarii et camerarii teneantur abscultare dictos quaternos insimul omni mense et teneantur etiam baiulus et consiliarii quibuslibet duobus mensibus ire ad videndum domos comunis semel ad minus, et hoc totum/ quod dictum est, addatur in capi- tulariis baiuli et consiliariorum et camerariorum. et si quod consilium vel aliquod capitulum suorum capitulariorum esset contra, sit revocatum quantum in hoc.

3. Quod camerarii Accon non possint dare nee recipere nisi fuerint ambo simul.

1274 Millmo ductno Lxxnr indic. u die vm intrantis marcii. Pars fuit capta quod

addatur in commissione camerariorum Accon, quod non possint dare vel expendere neque recipere ab uno bizancio supra, nisi erunt ambo simul, nisi facerent de licentia baiuli aut illius, qui loco baiuli fuerit, et salvis occasionibus, alUs officia- libus exceptatis.

Consilia snper collegautiis pertinentia.

Bifrons f. 22. § 4. Lib. Com. I. (f. 66»».) f 99*.

Quod omnes Veneti et qui pro Venetis se tetient in Accon , non possint facere

fieri cartas de collegantia alicui nisi per notarium Venetum de havere quod

adduceretur Venecias et dominium Veficciarum. et est ut infra dicitur,

1272 Millmo ducmo Lxxn indic. xv die ii augusti. Capta fuit pars quod omnes

Veneti et qui pro Venetis se tenent in Accon, non possint facere fieri cartas de collegantia alicui nisi per notarium Venetum. et consiliarii A.ccon scripserint se testes in ea et in illis, videlicet que fient pro havere quod adduceretur in Venecias, in Cretam, in Nigropontum, in Coronum vel in Montonum. ita quod baiulus et con- siliarii per maiorem partem eorum mauus ponant in cartis. et si aliter facta fuerit carta non teneatur. et si aliquis Venetus et qui pro Veneto se tenet, duxerit de ultra raare havere forinsecorum Venecias, perdere debeat medietatem illius haveris

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Tel valorem ipsius. et accusator habeat quartam de eo quod excatietur. et addatar in capitulari baiuli et consiliariorum Accon quod teneautur inquirere, si aliqois Yenetus adduxerit havere forinsecorum Yenecias, et si iuvenerint, aliquem addoxisse, debeant ei accipere medietatem ipsius haveris vel valorem ipsius. et accusator habeat qnartum de eo quod excutietur. et teneautur etiam inquirere ab eis quantum havere habebunt ad ducendum secum, et a quibus babebunt in collegancia. et mit- tant in scriptis domino duci et vicedomiuis maris, et de quanto faciunt impresti- tnm. et idem dicetur de Omnibus Yenetis et qui pro Yenetis se babent, de Omni- bus partibus uude venerint, si adduxerint havere forinsecorum ut dictum est. et addatur in commissionibus omnium rectorum qui vadunt pro domino duci et comuni Yeneciarum in regiminibus extra hoc quod dictum est supra. et si que consilia essent contra hoc, sint revocata quantum in hoc, hoc addito quod dicatur de cartis que fient pro havere quod adduceretur in Venecias, in Cretam, Nigropontum vel Coronum vel Monte num.

b. Von Tyrus. Incipiunt consilia bainlo et consiliariis Tyri pertinentia.

Bifrons f. 72^ Lib. Comm. II. 212.

i. Quod baiulus et comiliarii Tyri non recipiant donum nee presens.

Millmo ducmo Lvi indic. xnn die vn intrantis aprilis. Fuit capta pars quod 1266 baiulus et consiliarii Tjri non debeant nee possint recipere aliquod donum nee presens nisi de salvadisinis , exceptis illis que sibi dari statuta sunt a villanis comunis Yeneciarum. item quod, quando exire voluerint de terra, unus eorum ad minus remaneat in terra, qui debeat facere regimen dicte terre, et nou possint nee debeant stare extra terram nisi duobus mensibus in anno, nisi irent et starent pro &cti8 et servitiis comunis.

^. De commissume consiliariorum Tyri quod fiaf prout est illa consiliariorum

NeQropontis.

Millmo ducmo Lxxvm indic. vi die x intrante marcio. Capta fuit pars 1278 quod commissio consiliariorum Tyri debeat fieri secundum modum et formam illius consiliariorum Nigropontis, mutando verba et dimittendo in hüs que mutanda et dimittenda erunt, cum condicione quod debeant esse camerarii et debeant habere

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anam capsellani cum tribas clavibas, in qua reponant bona comanis, de qua capsella quilibet consiliarius habeat unam clavim et baiulus habeat aliam et stet capsella ad domum bainli. item quod teoeantur af&ctare et locare domos et possessiones comunis de Tyro, tarn de intus quam extra et tarn per incantum quam per alium modum, secundum quod eis cum baiulo simul melius videbitur faciendum pro uti- litate comunis. et superstare ad predicta et ad excutienda bona secundum quod per eos melius fieri poterit et sicut teneutur camerarii Accon. item si propter duos menses, in quibus occasione terre, que dicitur non esse bene sana, possunt Btare in Accon, baiulus ibit Accon, consiliarii debeant remanere in Tyro. et si baiulus et unus de consiliariis irent, quod alter consiliarius semper remanere debeat, et si aliter exibunt terram, quocumque modo exeant, unus semper ad minus remanere debeat in terra.

3, Quod consiliarii Tyri possint stare per tres menses in anno,

1278 Millmo ducmo Lxxvni indic. vi die irn intrantis iuoii. Capta fuit pars

quod ponatur in commissione consiliariorum Tyri, qnod possint stare per tres menses in anno, sicut dictum est de baiulo, ita qnod unus remaneat semper in terra.

VI.

Verordnung fttr den Bailo von Armenien.

Incipinnt consilia baiulo Armenie pertinentia.

Bifrons fol. 73. Lib. Com. II f. 213.

Quod baiulus Armenie cum dualus partibus sui consilii possint facere societatem

super emcndo bambacio.

1274 Millmo ducmo Lxxrai indic. ii die xiiii exeuntis aagusti. Capta fuit pars

quod licitum sit baiulo Armenie cum duabus partibus sui consilii facere ^ocietatem super emendo bambacio, secundum quod eidem baiulo et duabus partibus sui con- silii videbitur ibi ordinäre, et po^sit idem baiulus imponere penam et penas Omni- bus, qui nolent observare illud, quod ordinaverit cum duabus partibus sui consilii, et ipsas penas excutere debeat. et si excutere non posset, teneatur in scriptis mittere domino duci omnes iilos, qii non obseivaverint illud quod ordinaret et preciperet cum duabus partibus sui consilii.

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VII.

Verordnungen für den Consul von Alexandria.

Incipiunt consilia consuli Alexandrie pertinentia.

Bifrons f. 73. Lib. Comtn. II f. 214.

1. Quod in Alexandria et Messana condempnationes que fiunt in consilio ßant

cum Imssolis.

Millmo ducmo Lxim indic. vn die xi intrantis ianii. Capta fait pars, quod i2m in Alexandria et Messana, quando fiont condempnationes in maiori consilio, debeant fieri cam bassolis. et sit firma pro maiori parte, et hoc iungatar in capitolario rectonun.

ä. De cmsule Alexandrie.

Millmo ducmo Lxxi indic. xiui die xnn intrantis iulii. Capta foit pars 1271 quod in commissione consalis Alexandrie ponatur quod sit ad duos annos. item quod consuli, quem loco sui consütuet, quando inde se dividet, possit et debeat consütuere salarium de redditibus comnnis quos in Alexandria habet, vn bizantios in mense. et si in Alexandria haberi non poterit, solvatur in Veneciis.

VIII.

Verordnungen für den Consul von Tunis.

lueipiont consilia consuli Tnnisii pertinentia.

Bifrons fol. 73. Lib. Comm. H f. 216. 1. De lignamine quod portatur Tunixium quod nofi laboretur nisi in fontico.

m

Millmo ducmo LxxYiiii indic. vii die xv intrante maio. Capta fuit pars 1279 quod addatur in capitülario scribanorum lignorum que vadunt Tunixum, quod teneantur dare in scriptis lignamen , quod erit in lignis pro discaricare in tenra consuli, et ipse consul teneatur habere curam quod non operetur ipsum lignamen

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. I. Abth. 1 7

130

in alio aliquo loco, nisi in fontico. et si erit aliqais qai vendet lignamen non labo- ratnm, perdat ipsnm lignamen vel quantum fnerit venditum. et si signoria aoci- peret per fortiam, quod illud, qaod erit melins de presa auri, deveniat in comane cum condicione, quod consul babeat tercium, sicut habet de intratis fontici. et sie intelligatur de aliis partibas Barbarie. et illam eandem curam teneatur habere consul de hominibus Yeneciarum qui portabunt lignamen cum lignis forensinm. et hoc mittatur dicendo per litteras domini ducis consuli, qui nunc est et aliis qui de cetero erunt, detur per ordinem et addatur in commissionibus suis.

Consilia ad tempus expirantia.

Bifrons 27. Lib, Comm. I. (f. 95^) f. 126^ 2. De salario consulis Tunixii et intrate comunis,

1281 Millmo ducmo Lxxxi indic. viiii die xvi maij. Pars fuit capta quod consul

Tunixii accipiatur ad duos annos sicut erat ad unuro annum et habeat duas partes introituum fonticorum et furni et tabeme. et tercia pars sit comunis pro adapta- tione fontici.

Et debeat teuere tres famulos. unus quorum sciat scribere. et duos equos. et illos denarios quos habebit de condempnationibus , ipse mittat in adaptatione fontici sicut ei bene videbitur simul cum illo quod superest et habeat forum, et si consiliuro est contra, sit revocatum quantum in hoc.

IX.

Verordnungen für die Rectoren am Adriatischen Golf, für die Comites von Dalmatien und Croatien und andere.

Comitibns comitatibns potestatibns et conslliarÜH Dalmatie et Chroatie et castellano Almesie pertinentia. et primo de comite et consiliariis Jadre.

Bifrons fol. 67»>. Lib. Comm. II f. 184."

L Qiu>d comes Jadre et consiUarii nmi recipiant dofium vel presens,

'^^ Millmo ducmo LVi ind. xnn intrantis iunii. Capta fuit pars quod comes

Jadre nee consiliarii non debeant recipere nee recipi facere donum aliquod nee presens ab aliquo habitatore nee mercatore nee alia persona Jadre nee terramm

131

Sclavonie nee Dalmatie, nee aliqua alia persona aliquo modo vel ingenio excepko a suis parentibos et amicis de Veneciis transeuntibos inde quicqoid eis transmissum ftierit vel datom in donis.

Incipiaut consilia vicedominis maris pertinentia.

Bifrous fol. Ö4^ Lib. Com. II U 115.

^. Quod Jadretini tantum dacium solvant qtuinfum homines Veneciarum de

- mercibus.

Millmo ducmo xLViu indic. vu die xu intrantis octobris. Capta fuit pars 1248 in consilio maiori et ordinatom ut littere dirigantor nobili viro ser Jnstiniano comiti Jadre suisqae consiliariis et comoni Jadre, ut de mercibus et rebus quad Jadretini amodo Yenecias detulerint de regno, tarn de hüs que de partibus ultra- marinis Bomanie Tunixij et Barbarie fuerint quam de regno et Sicilia, sive Apulia, tantum datium in Veneciis solvere debeant et exhibere quantum homines Veneciarum solvent et dabunt in Veneciis comuni Veneciarum, et quod de ceterö equales Yenetorum Jadretinos habere volumus in hoc facto.

Pertinentia Comuni.

Bifrons 12. § 96. Lib. Comxn. I f. 55.

3. Quod fnerccUores de ultra Sclavofiiam et Zaconiam possint uti ad castrum

Cor<yni cum condicionibus appositis.

Millmo ducmo Lxxxn ind. x die xxin maij. Capta fuit pars quod merca- 1282 tores de ultra Sclavoniam et Zaconiam possint uti ad castrum Coroni et emere et portare mercationes ultra, sed nullus Yenetus nee havere alicuius Yeneti possit ati ultra nee ire nee mittere nee facere aliquam credentiam per quam sue res Tadant ultra Sclavoniam et Zaconiam. sed de veniendo mercatores cum suis mer- cationibus de ultra Sclavoniam et Zaconiam remaneant in libertate castellanorum propter certas condictiones que possent occurrere.

17

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X.

Verordnungen für die Rectoren ausserhalb des Golfes, darunter

für den Podestä von Constantinopel.

Incipinnt consHia rectoribus de extra cnlftam pertinentia.

Bifrons fol. 72. Lib. Comm. II fol. 204.

1, De naulo navis et camerarum dando rectoribus de extra culfum,

1248 more veneto =] Millmo dacmo xLvm indic. vn die m exeuntis ianoarii. Gapta ftdt

^^^ pars in consilio maiori et ordinatum, quod potestas GonstantiDOpolis, dncha Cretensis, baiuli Accon, Tyri et Nigropontis et castellani Coroni et Mothoni, qoi amodo

' iverint in dlctis signoriis, debeant habere a comani pro nanlo navis et cameranun soldos XL denariomm Venecie grossorum pro qaolibet pro se et sua faniilia, ame- siis et victualibus. et si portaverint equam unam vel duos, anosqoisqae illomm debeat habere pro naolo pro qaolibet equo soldos x grossorum a comani Yenede; qaos quidem eqaos per totam tempas sai regiminis non debeant vendere nee cam- bire, nisi caasa meliorandi. et si cnm navigio comanis Venecie iverint, nichil habere debeant de predictis. consiliarii vero predictornm rectoram debeant habere eodem modo qailibet eoram' pro naulo navis et camerarum a comuni soldos xx den. Yen. grossorum pro se et sua familia, arnesiis et victualibas. et si portaverint equum unum, unusquisque illorum debeat habere pro naulo equi soldos x grosso- rum a comuni Yeneciarum, quem quidem equum per totum tempus sui regiminis non debeant vendere vel cambire nisi causa meliorandi. et si cnm navigio comunis iverint, nichil habere debeant de predictis. et ultra id quod dictum est in ipso viatico, non debeant habere a comuni aliquo modo.

1250 Post hec anno domini mccl, mensis iulii die x extantis, captum et ordinatum

fuit in maiori consilio et confirmatum iterum suprascriptum consilium et in fine ipsius consilii taliter specificatum, quod si domino duci et suo consilio dare placuerit navigium subtile rectoribus et eorum consiliariis antedictis, de ipsis denariis aliquid non detur eis omnino.

J2. Quod rectores de extra gutfum nofi possint a^ducere nee mittere eorum

mereationes nisi sicut alii mercatores.

1271 more veneto =] Millo^o ducmo lxxi indic. xv die viii extantis februarii. Capta

^^ fuit pars quod rectores omnes qui de cetero ibunt pro comuni Yenetiarum extra

culfum, si volaerint venire Yenecias et habebunt licentiam veniendi vel ante termi-

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Bum vel postquam compleTerint, possint venire, sed non possint adducere nee mit- tere eomm mercationes nisi sicut poterunt alii mercatoree et secandnm licentiam datam aliis mercatoribns. et hoc inngatnr in eornm capitulari et si aliter venerint, cadant in pena, qua cadnnt qui vadunt contra ordinem.

XI.

Verordnungen für die Bectoren insgesammt.

Incipiiint consilia omnibus rectoribns pertinentia.

Bifrons fol. 78^ Lib. Comm. II fol. 217.

1. Bectoribus quod ipsi non habeant consüiarios siii attinentes.

Millmo dncmo Lx indic. iv die vni exeantis ianuarij. Capta [more veneto iseo^ (oit parSf quod in onmibus regiminibus, que sunt extra Venecijs et erunt de cetero, ^^^' tarn in signorijs, quam in consiliarijs hie modus debeat obseruari, videlicet quod rector alicuius regiminis non debeat attinere alicui suornm consiliariorum , neque consiliarij inter se, id est secundum lineam parentele, que obseruatur in Venecijs in facto electionis ipsorum regiminum, verumtamen, si acciderit, quod aliqui electi fnerint in aliquo regimine contra ordinem suprascriptum , ille, qui prins electus fiierit, debeat remanere in electione.

J2. Quod rectores deheant capere galiotos et alias fugientes cum saldo,

Millmo ducmo Lxni indic. vn die xni februarij. Capta firit [more veneto 1268 pars in maiori consilio et ordinatum, quod iungatur in capitulari omnium rectomm, '^^ qui exibunt extra Yenecias, quod teneantur et dAeant capere galiotos uel alios fugientes cum soldo comunis in personis et rebus et debeant facere solui id quod debebit comuni et qui accusabit, debeat habere quartum.

3. Quod rectores non possint facere mercatum nee aliquis de sua familia.

Millmo ducmo Lxxri indic. xv die xvi intrantis martij. Capta fuit pars, 1272 quod addatur in commissione castellanorum Coroni et omnium rectorum, qui uadunt pro Venecijs, quod non possunt facere mercanciam secundum formam suarum com- inissionum, quod non debeant retinere secum aliquem notarium uel socium uel sUum in familia, qui ÜEU^iat et exerceat mercanciam per aliquem modum uel inge-

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ninm, salno quod possint inuestire suos denarios, qni eis saperauerint de sao salario per unum mensem ante adueotam. et si qua consUia essent contra, sint reuocata qnantum in hoc.

4. Quod sicut rectores non possunt recipere donum nee presens per totum

tempus 5in regitninis, ita nee per medium annum post,

1278 Millmo ducmo Lxxiri indic. i die ii exeuntis iunij. Capta fuit pars, quod

addatur in commissione omnium rectoram, qui vadunt pro comuni Yeneciamm, sicut tenentur per suas commissioaes per totam tempus suorum regiminum, ita teneantttr per medium annum, postquam compleuerint suum regimen, videlicet de eo, quod continetur, quod non possint f donum nee presentem. et si infra dictum terminum medii anni reciperet, perdat duplnm de eo, quod acciperet et accusator habeat medietatem et teneatur de credentia. et addatur in capitulari de magno consilio, quod teneantur accusare, quos scirent fecisse contra, et si quod consiliam est contra, sit reuocatum, quantum in hoc.

5. Quod reetores non reeipiant eollegancicks tempore of^Hj nee per dimidium

annum post^ neque filii neque fratres,

1273 Millmo ducmo Lxxm indic. i die penultimo iunij. Capta fuit pars, quod

dicti rectores nee filij nee fratres eorum indiuisi possint nee debeant racipere coUe- gantias ab aliquo burgensi nee ab aliqua alia persona pro eis modo aliquo uel ingenio per totum tempus sui regiminis et per medium annum, poitquam comple- uerint, sicut dictum est. et si quod consilium est contra, sit reuocatum, quantum in hoc.

6. Quod reetores et consiliarij habeant exemplum stiorum eommissionum unus

de altero.

1274 Millmo ducmo Lxxiv indic. n die xn intrantis augusti. Capta fuit pars,

quod omnes rectores, qui uadunt pro domino duce et comuni Veneciarum qui ha- bent consiliarios, debeant habere exemplum commissionis suorum consiiiariorum et consiliarij suorum rectorum, antequam se diuidant de Venecijs. et si aliquis ex eis petierit commissionem sibi ostendi, unusquisque ipsam ei ostendere teneatur.

7. Quod reetores non possint accipere mutuo a subditis suis.

1276 MQlmo ducmo Lxxvi indic. v die xv intrantis octobris. Capta fiiit pars,

quod addatur in commissione omnium rectorum, qui uadunt pro domino duce et

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comuni Veneciarum tarn a Grado usque ad Caput Aggeris quam extra, quod dod possint accipere mutuo pecuniam aliquam aliquo modo uel ingenio ab aliquo ciue uel burgense seu babitatore ciuitatis uel loci, ubi erunt in regimine, nee filij non diuisi ab eis, nee eorum socij, si habebunt, nee stare plezari pro aliquo, qui reci- peret pecuniam mutuo et hoc, quod non possit accipere pro se et eorum utilitate. et si consilium est contra, sit reuocatum.

8. Quod nuUf€S possit nauUzare naues forenses pro conducendis mercibus de

extra culfum.

Millmo dnc™o i,xxviii indic. vi die m intrantis augusti. Capta fuit pars, 1278 quod aliquis Venetus non possit de cetero naulizare nauem seu lignum forin- secorum extra culfum pro uenire Venecias cum mercacionibus uel cum alijs in pena imposita contra illos, qui contra ordinem \iadunt, saluo si Veneti essent in aliquo loco, ubi esset rector pro domino duce et non esset ibi lignum uel ligna Yenetorum. St si esset et non esset sufliciens uel suflicientia, sit in prouidentia ipsius rectoris uel rectorum, quod naulizare possit cum uoluntate rectorum. et si esset aliquod lignum uel ligna Yenetorum ibi et vellent tale nabulum, quod non possent concordare simul cum mercatoribus, quod sit in prouidentia rectoris et con- siliariorum eins, si habebit consiliarios diffiniendi diferentiam, que erit inter eos, sicut eis uidebitur uel de dare licenciam mercatoribus naulizandi lignum forinse- corum. et hoc ponatur in commissione omnium rectorum, qui uadunt pro domino duce et illis, qui nunc sunt mittatur precipiendo per litteras domini ducis.

9. De solutione facienda rectoribus, qui obierint in suis regiminibus iwfra

annum.

Millmo ducmo Lxxviii indic. vii die xi extantis septembris. Capta fiiit pars 1278 et fuit confirmata commissio baiulo Accon et fuit ordinatum, quod capitulum, quod dicit 'si accideilt, quod deus aduertat, te uiam uniuerse carnis ingredi ante ter- minum tui regiminis^ non debes habere salarium, nisi de tanto tempore, quantum steteris etc/ debeat remoueri et dicatur: 'si obierit infra primum annum sui regi- minis, quod debeat esse solutus de toto illo anno de salario, quod debebit habere, et si infra alium annum obierit, debeat esse solutus de tanto tempore, quanto steterit', et sie debeat de cetero in alijs rectoribus et consiliarijs obseruari.

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XII. Verordnungen hinsichtlich des Levante-Handels.

Incipiunt consilia pertinentia dominis super iiiercaneiis Leuantis.

Bifrons fol. 66*. Lib. Com. II fol. 126.

1, Qtiod aliquis Venetus non mittat uel tanset kauere forinsecorum extra

Venecias.

1275 Millmo ducmo Lxxv indic. in die xi intrantis augusti. Capta ftiit pars, quod Dullns Venetus debeat portare Dec mittere extra Venecias hauere forinsecorum in credentia nee per aliquem alium modum tarn per mare, quam per terram plus quam habet in bonis, tarn in bonis mobilibus, quam in stabile, et ^i aliquis por- tauerit uel miserit ultra quod dictum est, illud plus perdere debeat et de illo plus tercia pars sit accusantis, tercia comunis et tercia, ubi fuerit conmiissum; et si quis tansaverit aliquem contrafacientem , perdat tantum, quantum ualerent res per- dite diuidendo eas modo iam dicto. et si forte transgressor siue tansator non babuerit, unde solvere possit, capiatur, si poterit inueniri, et de palatio non dimittatur donec soluerit. et si non posset forsitan inueniri, bannizetur de Veneciis, de quo banno extrahi non ualeat, donec soluatur cum effectu tantum, quantum ualuerint res per- dite. et hoc officium sit commissum illis officialibus, qui sunt super mercancijs de Leuante."^)

^. Qtwcl aliquis Venetus tmi possit cmducere in Signiam mercancias de

Leuante.

1276 Millmo ducmo ijcxv indic. iv die xvi intrantis octobris. ^Pars fuit capta quod super scalis Riuoalti uociferetur, quod nullus Venetus conducat in Signiam aliquas mercancias de Leuante, de Marchia Anconitana Apulia et Sclauönia et si conduxerit, perdat duo quinta. et cou^tituatur unus cousul in dicta Signia cum illo salario, quod uidebitur, qui inquirere debeat diligenter. quod si aliquis Venetus conduxerit in Signiam aliquas mercancias de Leuante de predictis partibus, debeat intromittere dictam mercanciam et tollere dicta duo quinta suo posse. et si tollere non poterit, domino duci significetur per suas litteras et illis officialibus constitutis super mercancijs de Leuante, qui teneantur exigere dictam penam,. ac etiam nullus

*) mercadantiam de Levante, et si aliqua questio vel obseuritas acciderit forsitan bujas reif per XX de mercanciis determinetur. et si aliquod conailium fuerit contra, sit etc. (sie amplior Lib. Com.).

137

Yenetus conducat cum sno ligno mercaocias de Leuante alicuius forinsed de pre- dictis partibns. et si conduxerit sciens, hoc perdat lignum, et si aliquod consilium ftierit contra, sit renocatum quantam in hoc.

.?. Quod aliquis non tollat cUiquam mercanciam forinsedorum in credentia.

Millmo ducmo Lxxvi indio. iv die iv intrantis augosti. Fuit capta parSy 1275 quod nnllus Yenetus, nee aliquis, qui pro Veneto se constringat, possit tollere ali- quam mercationem forinsecorum in credentia pro extrahere uel mittere extra terras ultraraarinas, pro ducere uel mittere huc Yenecias, in Cretam et in Nigropontem, Goronum et Mothoaum ita, quod non soluant infra tres menses, postquam merca- tom fnerit factum, sub pena bizantinorum x pro centenario de tota illa mercancia, quam extraxerint uel miserint in credentia extra terras ultramarinas ad dictas par- tes excepto quod de auro, argento, lapidibns atque perlis nichil dicimus. et si aliquis contrafecerit, cadat in dictam penam, quam penam excutere teneautur baiu- lus et consiliarij Yenetorum, qui fuerint per dictas terras ultramarinas. et quicumque accusauerit contrafacientem, habeat medietatem tocius predicte p6ne excnsse, si per eins accusationem ueritas scietur, et alia medietas remaneat in comuni. et illi ofG- ciales, qui sunt super mercancijs de Leuante, teneantur exigere predictam penam ab illis contrafacientibuSt qui huc Yenecias conduxerint uel miserint et non solvis- sent ibi dictam penam. et quicumque accusauerint, habeant terciam partem tocius pene excusse et aliam terciam partem dicti officiales, et alia tercia pars remaneat in comuni. et hoc addatur in commissione baiuli et rectorum et in capitulari die- torum ofiicialium et si aliquod consilium fuerit contra, sit revocatum quantum in hoc.

4. Quod -nulltis possit trahere stagnum de Venecijs sine littera.

Millmo ducmo lxxvu ind. v die in intrantis iunii. Gapta fuit pars, quod 1277 de cetero nuUug forensis audeat trahere stagnum de Yenecijs sine littera eorum, qui sunt super mercancijs Leuantis. et si quis traxerit sine litera eorum, debeat soluere datium decem librarum pro miUiare et insuper solides quinque pro libra, et nuUus de Yenecijs possit trahere stagnum sine littera ipsorum dominorum in pena dnorum solider um pro libra, sicut est ordinatum.

5. Quod illi^ qui sunt super mercandis Leuantis, possint absduere et con^ dempnare de rebus intromissis per eos ucUentibus libras decem uel inde infra.

Millmo dncmo lxxyh ind. v die v intrantis iunii. Fuit capta pars, cum 1277 Sit commissum illis, qui sunt super mercancijs Leuantis, quod si adducte erunt alique mercancie uel res contra ea, que sunt eis commissa, et per eos sint detente in quantitate de libris octo et de minus, quod habeant libertatem de rebus per

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. 'd. Wiss. XIIL Bd. I. Abth. 1 8

138i

608 ininromissis et de hiis, que intromittentnr de cetero de rebna nalentibtis x libras et inde infra de condempnare et de absoluere, sicut eis uidebitar.

* 6. Qtiod mercatores Venetiarum non uadant cum niercancijs in Alemaniafn.

1278 Millmo ducmo Lxxvni indic. vi die x iotrantis ianij. Capta ftiit pars, quod

mercatores Venecianiro non nadant com mercancijs nel mittant mercancias neqne pörtent per se nel per alios in Alemaniam allo modo nel ingenio in pena xxv pro centenario, sicat aufertur illis, qni contra ordinem uadant, ita tarnen, quod UIos qni nadnnt in Franciam, non preindicet quin ire possint, sicnt fecemnt bac- tenüs per partes Alemanie. et hoc committatar Ulis, qni sunt snper mercandja Leuantis, quod hoc inqnirant, si aliquis fecerit contra.

Liber Gomm. addit: 7. Quod duo sint si*per mercantiis Levantis.

1260 Millmo ducmo octnagesimo indic. vm die in exeuntis augusti. Capta fuit

pars qnod, sicut erant tres snper mercantiis Levantis, sie de cetero esse debeant duo, et sicut ipsi tres habebant solides xl den. gross, pro quolibet, sie debeant habere solides xx pro quolibet. et sicut habebant duos scribanos, habere debeant unum et unum |)uerum et debeant esse per unum annum et habere debeant partem quam consueverunt habere^ et hoc addatur in eorum capitulari.

Consilia domino dnci cousiliariis et comnni pertineutia.

Bifrons fol. 6^ Lib. Com. I f. 26.

1, Quod aliquis patrmus Vmetas non possit naulizare aliquam mercationefn forensis ah yperperis c supra pro portare a Monouasia et Acca in antea uerso

Nigropontem sub pena, que iuferius condnetur.

1278 Millmo ducmo septuagesimo octauo die decima intrantis augnsti. Pars fiiit

capta inter xx, quod cum fuerit capta pars iq magno consilio, quod aliquis patronus Venetus cum suo ligno non posset nee deberet portare de partibus Syrie aliquem forensem mercatorem cum raercatione aliqua, nee aliquam mercationem forensis ab yperperis c supra a Monouasia uersus Nigropontem et Acca in antea uersus Nigropontem sub pena unius yperperi pro quolibet millesiario, quod porta- uerit dictum lignum. item quod nullus patronus Venetus posset nee deberet por- tare de aliquibas partibus aliquem mercatorem forensem cum driparia nee dripariam aliquam alicuius forensis a dictis confinibus in antea uersus Negropontem sab pena

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139

predicta et dominus dux deberet mittere et significare per suas litteras baiulo Negropontis, ttt iaramento teoeatur exigere dictam penam ab omnibus Ulis patronis, qoi fecerint contra predicta. item debeat dominus dux significare per suas litteras baiulo de Accon, ut teneatur iuramento significare et declarare patronis, quod caueant facere hoc, et si aliquod consilium fuerit contra, reuocetur quantum in hoc.

2. De eodent.*)

Eodem millesimo, die nona intranüs augusti. Cum capta fiierit pars in maiori consiliö, quod aliquis patronus Venetus non possit nee debeat portare de par- tibns Syrie aliquem forensem mercatorem cum mercatione aliqua nee aliquam mer- caüonem forensem ab yperperis c supra a Monouasia uersus Nigropontem, etc. ut continetur, capta fuit pars, quod addatur ipsi parti, quod dicti patroni non possint nee debeant cum suo ligno portare dlctos forenses mercatores cum mercatione aliqua, nee mercationes aliquas alicuius forensis a dictis yperperis c supra de Nigroponte in Accon, Syriam, Alexandriam, Armeniam, nee in Gyprum, nee etiam in aliquam partem Syrie sub pena predicta. et postquam hec pars capta fuerit, dominus dux teneatur significare per suas litteras baiulo de Accon et de Nigroponte, ut iuramento teneantur bec declarare patronis predictis, ut caueant facere hoc.

Incipinut cousilia yicedomiuis ternarie pertinentia.

BifroDs f. 55^. Lib. Com. II f. 120.

De mercanciis venientibus Botnania, Levante ^ Barbaria etc.

Millmo ducmo Lxi indic. y die xii intrantis octobris. Capta fuit pars in i26i maiori consiliö et ordinatum quod de omnibus mercanciis venientibus de Bomania, Levante, Barbaria, Gecilia (i. e. Sicilia), Galabria et Apulia solvantur soldi xx pro cento salyo de curamine et pellamine et salvis datus olei, casei et carnium salatarum, de quibus accipiatur datium consuetum.

Cousilia comuni pertinentia.

Bifrons f. 7*>. § 14. Liber Comm. I f. 36\

1. De non portandis MViis ad ten-as Saracenorum.

Millao ducmo Luir indic. xii die vrr extantis mensis iulij. Pars fuit capta 1204 in consiliö maiori et ordinatum, quod stridetur publice in scalis Riuoalti, quod

*) Haec desuDi in Lib. Com.

18*

140

nollus Venetus nee foriosecus debeat a modo in antea portare aliqua arma eam nauibna Venetorum ad partes uel terraa Saracenorum occasione nendendi, et qui- cumque dicta portaaerit, perdat ipsa arma. et consoles et rectores, qui in terris et partibus Ulis pro domiuo duce et oomuni Veneciarum faerint, 'teneantur dicta anna auferre, qne in comune Veneciarum debeant deuenire. et predicti consnles et rectoree possint patronos naniom et alios omnes quos uoluerint, ponere ad sacramentum, sicut eis uidebitar ad hoc, ut possint neritatem scire de illis, qui arma ad terras et partes predictas portanerint et penam et penas imponere, sicut eis uidebitur et auferre pro comuni. et etiam, si aliquis Venetus portauerit arma cum nauibus forinsecorum ad terras Saracenorum, perdere debeat ipsa arma, que in comune Venetiarum debeant deuenire. hec fuit pars de xl. et per maiorem partem consilia* riorum additum et captum fuit in maiori consilio, quod si aliquis portauerit arma ad dictas partes Saracenorum et ipsa uendiderit, sie quod non erunt sibi ablata, postmodum quandocumque scietur, auferatnr ei per dictos consules et rectores, cum eciuerint, uel per dominum ducem et consilium in Venecijs cum pena dupli de tanto, quantum ipsa uendiderit et quicumque accusator fuerit, babeat quartam partem pene, si per eins accusationem ueritas cognoscetur. Fuit hoc stridatum in scalis Biuoalti.

BifroDS f. 11. (66. 67.) Lib. Com. I, £. 48.

2, Quod mercatores, qui uadunt in Franciäm, possint ire per aquam ad

alias partes.

1874 Millmo ducino Lxxim ind. n die vii intrante iulio. Fuit capta pars, quod

omnes illi mercatores , qui ibunt de Venecijs ip Franciäm , possint inde ire per mare ad quascumque partes uoluerint, excepto ad loca Tetita, et sint ad iUas conditiones et ordinamenta, ad que erunt Veneti, qui erunt in illis partibus, ad quas ibunt. et si consilium est contra, sit reuocatum, quantum in hoc.

3. Quod homines Veneciarum non possint mittere litteras, nee recipere^ nee

donum a Palialogo (= Paledogo) et äUis specificatis.

1274 Millmo ducmo Lxxua indic. u die xii intrantis augusti. Capta fuit pars,

quod aliqua persona de Venecijs non audeat nee presumat de cetero mittere aliquas litteras imperatori Palealogo, imperatori Phylippo, regi Karulo aut marchioni Estensi, nisi miserit eas cum licentia domini ducis et soi consilij. et quecumque persona conirafecerit, perdat d libras deuariorum et sit foris de omnibus officüs et consUiis Veneciarum per tres annos, et quicumque aceusauerit, debeat habere libras

141

c de pena, que uenerit in comnne pro saa accasatione et teneatur de credentia. item qnod iion debeat recipere aliquas litteras a predictis dominis iiel aliquo eorum et 81 receperit, debeat eas infra tercinm diem, postquam receperit eas, representare domino dnci, et qai contrafecerit, perdat similiter d libras denariorum et sit foris de omDibas oonsiliis et officiis Venecianun per tres aanos. et qnicnraque accusa- nerit, habere debeat libras c de pena, que nenerit in comune pro sna accnsatione et teneatur de credentia. item, quod aliqua persona non audeat nee presomat recipere aliquod donum uel presens a predictis imperatore Palealogo, imperatore Phylippo et rege Karulo et marchione Bstensi uel ab aliquo eorum seu ab aliquo pro aliquo eorum et quicumque contrafecerit, perdat id, quod receperit et totidem et insuper libras d denariorum et sit foris de omnibus officijs et consilijs Venecia- rum per tres annos, et quicumque accusauerit, debeat habere medietatem donorum et presencium, que per eins accusationem uenirent in comune et teneatur de credentia. liceat tarnen recipere usque ad solidos c a quolibet predictorum per annum.

Lib. Gomm. addit man. sec :

Postea in m. cclxxxvi die xxii febr. xv ind. Capta fuit [more veneto 12«^= pars quod per dorn, ducem et consiliarios non detar licentia alicui persone venete mittendi supradictis dominis aliquas litteras nisi prius lecte fuerint coram eis.

1287

Bifrone f. 11*». Lib. Comm. I, 48^

4. De illiSy qui uadunt Clareficiam et ad illas partes et Tunixum quod soluarU

pro bizanciis et yperperis.

Millmo ducmo septuagesimo quarto ind. in die xi extantis decembris. Capta 1274 tmi pars, quod omnes illi qui nunc iueruut Clarenciam, Choronum et in Moream et illi, qui uenerint de cetero de dictis partibus in Venecias et de cetero ad dictas partes ibunt, debeant hie in Venecijs soluere ad rationem solidorum xxvi pro yperpero. et illi etiam, qui iuerunt nunc et ibunt de cetero Tunixum, soluere debeant hie in Venecijs ad ratiouem solidorum x pro bizancio, et si consilium est contra, sit revocatum quantum in hoc.

Bifrons f. 12*. Lib. Comm. I, f. 52.

5. De forma navigantium mercatorum ad partes Prouincie et ad Marsiliantj

Montempestdanum et ad Aquas mortas.

Millmo duemo Lxxm indic. 11 die xai extantis decembris. Capta fuit pars, 1278 quod onmes illi, tam Veneti quam forinsechi, qui ire uoluerint de Venecijs ad

142

partes Prouincie, tarn ad Marsiliam, quam ad Montem Pesulanam, quam ad Aqaas mortnas nel ad alias partes illarum coatratarum, possint ire libere et absolute sine aliquo dacio nel toloneo et possint portare omnem mercadantiam , que uenit de Leoante Venecias et omnem mercadantiam, qae uenit de Komania et de Sclauonia in Venecias et omne opus, qnod fit in Veneciis, et possint etiam ire et diuidere de Veneciis, quandocumque uoluerint, ad feras uel in Flandriam uel ad alias partes illarum contratarum. et si deinde venerint Venecias cum draparüs, debeant esse franchi

de tanta mercatione, quantam traxerint de Venecijs. et si deinde ibunt ad illas

»■

partes, videlicet Tunixum, in Barbariam, in Komaniam, uel ad alias partes, debeant esse ad illas condiciones et ad illa ordinamenta, ad que emnt Uli de Venecijs, qui in dictis terris erunt, tam in soluendo unam pro ceutenario, quam in alijs. et qui ire uoluerint ad dictas partes, non possint emere nee emi facere aliquam mercatio- nem nee trahere nee trahi facere, nee caricare aut caricari facere in aliquo alio loco per aliquem modum uel Ingenium, nisi in Venecijs. et si terra Veneciarum est uel foret clausa uel interdicta, sit aperta quantum in hoc, excepto, quod non possint portare aurum aut argentum uel monetas auri uel argenti uel cambium; €t si portauerint, cadant de pena quinti, saluo quod portare possint zoias cum petris et perlis sine fraude.

Bifrons f. 12^ Lib. Comm. I, 53^

6. De lignamine, quod possit portari in Alexandriam.

1281 Millmo ducmo octuagesirao primo indic. dc die xviin iulii. Pro eo, quod

vetitum est per quoddam consilium, quod nullus audeat nee possit portare ligna- men in Alexandriam, capta fuit pars, quod licitum sit cuilibet portare eapsellas laboratas et absides vi pedum et inde inferius, et si quis patronus reciperet alias assides, quam dictum est, in naui sua, perdat solidos xx pro qualibet asside, et si quis portaret aliud lignamen, quam dictum est, subiaceat pene alterius consilij, et si consilium est contra, reuocetur quantum in hoc.

Bemerkungen.

So einladend es wäre, den vorstehenden Text in seinen verschiedenen Beziehungen zu erörtern and aus diesen Statuten mehr als eine Seite des staatlichen und völker- rechtlichen Lebens, nach Zeit und Ort, in feste geschichtliche Rahmen zu bringen, so muss ich mich, wie in der Ausswahl des Textes selbst, so auch hierin beschränken ; nur einige Andeutungen, nur kurze Hinweisungen seien gestattet.

Man darf vor allem, was namentlich dass erste Hauptstuck über die Gesandten betrifft, behaupten, in diesen Satzungen liege der Keim zu der grossei) Entwicklung welche später die venezianische Diplomatie vor aller Welt genommen hat, zur Bewun- derung der Zeitgenossen, zur Nachahmung anderer Gulturstaaten und zum fortwährenden Danke der wahrheit-liebendeu Forschung.

Man kann sagen, in den Worten des 2. Capitels: ' ambaxatores debeant iurare, tractare et operari in ipsis ambaxarijs et legatiofiibus prodem et honorem Vettecia- rum liegt der Grundton jeder Commission; in jenen des 3. Capitels: Ueneantur iti eorum reditu facere poni in scriptis que sibi responsa fuerint super dicta ambaxata et quicquid scit^rint uel audiuerint dici in ipsa uia, quod credant esse ad proficuum et honorem Vetieciarum, infra xv dies mit der näheren Bestimmung ^iniunyatur Om- nibus ambaxatoribus^ quod in suo regressu infra xv dies teneantur referre suas ambaxatas in Ulis cons^iliis , . in quibus facte fuerint sue commissiones , et iniimgatur consiliariiSy quod debeant sibi dare cofmlium infra dictum terminum quindecim dierum in Cap. 8 (welches in anderen Aufzeichnungen auch überschrieben ist "^quod dent con- silium infra xv dies ambaxatoribus redeuntibus vgl. Gelehrte Anzeigen, Band 45, No. 63, wo ich die beiden Hauptgesetze von 1268 und 1296 schon 1857 wiedergegeben habe) haben wir die Grundlage der Depeschen und der Relationen, während im zweiten Beschlüsse von Cap. 3: \lebeant poni in scriptis petitiones ambaxatorum et responsiones eis facte per dominum ducem et eius consiliwn die Erhaltung und Be- wahrung dieser Denkwürdigkeiten angeordnet ist, ebenso ein Zeichen politischer Weisheit wie echt historischen Sinnes; auf dieser Anordnung gerade beruht der Reichthum und dajs weltgeschichtliche Ansehen der venezianischen Staatskanzlei.

144

Nach den Stadien von Reuinont und Erdmannsdorffer, nach den Darle- gungen von Rom an in und Valentinelli (in dessen bündiger 'Introductio' zu den 'Begesta documentorum Qermaniae historiam illustrantium' in den Denkschriften unserer historischen Glasse, und nach demjenigen was ich selbst mehr allgemein in der Rede über 'die Stellung Venedigs in der Weltgeschichte' und im einzelnen in der Besprechung des Werkes von Romanin in den Gelehrten Anzeigen (Band 41.) in diesem Belang vorgebracht habe, erscheinen nunmehr die beiden im Vorwort genannten Werke von Armand Ba- schet als vollendete und in einziger Weise ausgeführte Arbeiten. Hieher zu vergleichen sind namentlich das erste und zweite Gapitel (p. 17 und die folgenden) des Buches 'la Diplomatie vänitienue'; dann von dem neueren Buche 'les Archives de Venise\ p. 265—361.

In Betreff der ersten 'Depesche' und 'Relation' welche bekannt sind (vgl. p. 272 ff.) m((ge auf deren erneuerte oder beziehuogsweise erste Herausgabe in unserem 'Urkunden- buch von Venedig' IL Theil, p. 215—221 und besonders p. 351 398 hingewiesen sein. Die vollständige Veröffentlichung der überaus reichhaltigen Relation des Bailo Von Syrien, Marsilius Georgius vom J. 1243, scheint Herrn A. Haschet entgangen zu sein, da er nur unsere akademische Schrift über 'Andreas Dandulo' anzieht in der Note pag. 273.

Den charakteristischen Unterschied zwischen den Briefen oder Depeschen, 'Dispacci' und den eigentlichen Gesandtschaftsberichten vor dem Senat, den^ 'Relazioni', wie er sich seit dem 15. Jahrhundert festgestellt hat, fasst Herr Haschet in folgende ebenso scharf abgezogene als fein gehaltene Sätze (p. 361 des letztgenannten Buchefi) :

„Ponr nons r^sumer, nous dirons: Demandez donc aux d^p^cheb le cours graduel et journalier des ^v^aements, les r^cits immediats des faits, les interpr^tations momenta- nes, les impressions subites; demaudez-leur les conversations avec les ministres, les audiences des princes, les anecdotes courantes. Mais, demandez aux Relation» Timage m^it^e de la Cour , le tableau politique largement fait et judieucesement expos^ des questions qui ont döfray^ et anim^ Tesprit d'un Gouvernement pendant les trois ann^es que Vambassadeur a pu l'observer, demandez-leur aussi la figure fidelement ^tudi^, T&me habilement pressentie de ses chefs, ainsi que Tattitude et les sentiments des peuples.

Dans ses DitpfiCHES, Tarabassadeur est un narrateur, esclave des circoustances ; dans sa RELATION, il est historien des hommes et des choses politiques, et selon la mesure du talent que lui a d^parti la nature ou qu' il a acquis par T^tude, il est aussi un artiste et un philosophe.**

Des Vei^leiches und der Vollständigkeit wegen seien hier noch die älteren Gesetze für die Gesandten , wie sie in anderen Quellen sich finden , nach Romanin's Aufzählung (storia documentata di Venezia.II, 353) vorgeführt:

„Relativamente a questi (i. e. gli ambasciatori) la legislazione veneziana fece fino dal secolo XTU molti e savissimi provvedimenti.

Oosi dovea Tambasciatore giurare di operare e trattare soltanto per Tonore et pel

n5

Taotaggio di Venezia, e coDsegnare al ritorno i doaativi che avesse ricevuto (9 do7. 1268). I

Non poteva andar in ambasciata, ove avea possessioni (H die. 1271).

Non poteva allontanarsi dal suo posto (1285 marzo 13).

Non poteva continnare a ricevere lo stipendio deir ufücio che per avventura ave$se occupato prima di andare ambasciatore (12 nov. 1250).

L'ambasciatore a Roma non potea procurare aicun beneficio per particolari persoue se non ne fosse incaricato dal doge e dal suo Consiglio (1238 giugno 14).

Dovea al ritorno presentare al sindacato il conto delle spese (1273 apr. 10).

E ciö ch* e sommamente degno di considerazione, erano obbligati gli ambasciatori di fare una relazione della loro ambasciata al Consiglio fra quindici giorni dal loro ritorno.

Obbligo ad essi rinnovato il 24 laglio 1296, riferendosi ad antica costumanza/^

Die Bestimmung wegen des Gesandten in Rom hat durchaus nicht das Wesen des Besonderen und ist nur der Vorläufer von anderen weisen und vorsichtigen Mass* nahmen in späterer Zeit welche z. B. im Jahre 1434 zur Verordnung fährten: es soUtea die Anverwandten von Geistlichen nicht können zur römischen Gesandtschaft ernannt werden. Die Verwandten des Pabstes, die sogenannten Papalisti, waren in Ansehung der politischen Rechte scharf überwacht und umschränkt, die Geistlichen selbst zuletzt von allen bürgerlichen Körperschaften, von allen Staatsämtern und allen Staatsberathungen ausgeschlossen.

Politik und Religion verstand das katholische Venedig schon vor mehr denn 400 Jahren zum Wohle des Gemeinwesens auf ihr eigenes Gebiet zu verweisen.

Dadurch blieben die politischen Berathungen und die bürgerlichen Dinge von den Eingriffen eines heiligen Eifers verschont, welcher anderswo die Ruhe und den Entwick- lungsgang dieser Dinge so verderblich gestört hat und noch heute stört, während dem Geistlichen, welcher sich stets als Venezianer fühlte und zwischen katholisch und römisch von Haus ans zu unterscheiden wusste, die eigentliche Würde bewahrt, der Kirche als solcher alle Ehre gegeben wurde. Ein grosser, der Nachahmung werther Vorgang.

Wie sehr übrigens die Unabhängigkeit der Stellung Augenmerk der venezianischen Regierung war, zeigen die gleich strengen Bestimmungen gegenüber allen Bürgern für alle wichtigeren Aemter und alle ernsthaften Geschäfte; der Venezianer musste dem Vaterlande als dem höchsten Gute des Mannes, ohne Rücksicht auf die Familie und frei von allen Beziehungen, dienen und dienen können. Dafür geben auch diese Verordnun* gen in allen Theilen reiche Belege, wie z. B. II, Cap. 2. 11; V, 4; XI, 1, der über- all wiederkehrenden Verbote wegen der dona, gratiae, feuda, collegantiae u. dgl. nicht weiter zu gedenken.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XUI. Bd. 1. Abth. 1 9

146

Der geschichtliche Dntergrand zu den Gesetzen der folgenden Hauptstücke liegt in den Staats-Handels- und Besitzverträgen unseres ürkundenbuchs' von Venedig (Fontes rerum Austriacarum II. AbtheUung Band 12—14). Man wird daselbst für die einzelnen und ganz besonderen Bestimmungen, wie z. B. für jene wegen der aufrührerischen Oriechen auf Greta, oben II, 14-16, den Anhalt finden.

Zu der ethnographisch-wichtigen Aufzählung erotischer Einwohner in II, 16 'Latinus, vasmulus, (so hiess man die* Mischlinge von Lateinern und Griechen (Bomäern), vgl. Du Gange sub voce Baofiovlot oder raafiovloi)^ Blacus, Turcus* wäre Urkunden- buch III. p. 38B beizuziehen.

Wie ffir die Geschichte der damaligen Bündnisse, so zugleich für die Geschichte der Posten bietet die Verordnung p. 140 Gap. 3 neue und lichtvolle Aufschlüsse. Die Levante - Post , könnte man sagen, besorgte Venedig seit dem 10. Jahrhundert.

Nur auf eine Sache noch möchte ich die Aufmerksamkeit lenken und zwar eine Sache von finanzieller Natur, nämlich die Heranziehung der auswärtigen Gel- der — wie es pag. 123 Gap. 7 und pag. 127 verordnet ist zur Anlehenskammev in Venedig, aus welcher sich die erste Bank in Europa gebildet hat. Dass diese Staatseinrichtung vom Jahre 1171 stammt, bezeugt auch die glaubwürdige Ghronik von Zorzi Delfm handschriftlich auf der Marciana God. ital. 794 Glasse VII fol. 68 „el fu comenzado a far dei imprestedi a Venexia corrando li anni del nostro signor li. G. Lxxi. et fu per caxon de la guerra che tolse Venetiani contra lo imperio de Bomania ne mai per avanti non se havea fatto imprestedi per niuna caxon. ^'

Ich erweise vielleicht manchem einen Dienst, wenn ich einiges weniges über diese nicht sehr bekannte Sache der Anzeige entnehme, welche ich seiner Zeit über Romanin 's storia di Venezia geschrieben habe.

Herr Romanin also sagte ich ^Gelehrte Anzeigen' Band 41 hat eine für die Geschichte der Finanzen und des Eigeuthums äusserst erhebliche Thatsache constatirt. Er weist nämlich das Restehen einer Nationalbank mit der Emission von Staatsobligationen, welche eine regelmässige Tilgung erfahren, welche, wie heutzutage, der Hausse und Baisse ausgesetzt sind, welche nach gesetzlichen Bestimmungen zu dem Curs, nicht nach dem Nominal werth angenommen werden, schon für den Ausgang des 12. Jahrhunderts nach.

Der Gedanke einer Vermögenssteuer war allerdings thatsächlich geworden in der Errichtung der Anlehenskammer, Gamera degl' imprestidi, einer Schöpfung des Jahres 1171, als durch den byzantinischen Kaiser Manuel die Republik auPs äusserste bedroht war, und man bei der Leerheit der Gassen in den Säckel des Volkes greifen, ein Zwangsanlehen machen musste.

147

Die Einrichtang dieser Camera degV imprestidi war folgende: sie bestand ans 3 Beamten aus den 3 Ständen. Das Vermögen der Gemeinde wurde bypotbekisirt. Man wäblte sogenannte Inquisitori, welche die Einkünfte der Einzelnen gericbtlich zu unter- suchen hatten. Die nöthigen Ausgaben fQr den Lebensunterhalt sollten in Abschlag kommen, der Rest aber vom Hundert einen Theil Auflage geben. Dafar zahlte die Kam- mer jährlich 4 Procent Zinsen. Zu leichterer Instandsetzung wurde die Stadt in 6 Quartiere oder Sestieri getheilt. Die Auszahlung der Zinsen geschah nach dem Loos Ton 6 zu 6 Monaten (vom März bis September die eine, vom September bis März die andere Hälfte). Vergl. auch Le Bret, Staatsgeschichte von Venedig I, S. 340.

Die weitere Ausbildung aber dieses Institutes, wie diese imprestidi verkauft, ver- pfändet, vertauscht werden konnten, und wie sich überhaupt die erste Bank in Europa begründete (die von Genua wird in das Jahr 1346 gesetzt), dies hat Herr Romanin aus neuen Quellen entnommen. Vorzüglich scheint ihm ein 'Gapitolare del Proprio^ im Museo Gorrer zu statten gekommen zu sein.

Die Verordnungen über den Levante-Handel, soweit denselben die Deutsche Nation betrieb und vermittelte, weitaus die an Zahl, Bedeutung und Zugeständnissen ansehnlichsten, bildeten eine eigene grosse Sammlung und werden im Gapitulare des so- genannten Fondaco dei Tedeschi mit zu Tage kommen.

Was nun schliesslich den Text der Gesetze betrifft, so sind die Quellen mit grösster Sorgfalt geschrieben; einige menschliche Versehen habe ich ohne umstände, aber erkenn* bar gut gemacht, einigemal aber wo ein Fehler ist oder zu sein scheint, den Obelos gesetzt, die Hilfe ist leicht. Man muss aber den Sprachgebrauch jener Zeit behutsam verfolgen und wird manches bewahren, wenn man jenen versteht. Es wäre natürlich auch ein leichtes gewesen, die Schreibweise gleich zu machen; allein man hätte damit dem echten Ausdruck etwas genommen, ohne etwas zu nützen. Dabei schreiben Venezianer, mit ihrer weicheren Aussprache, ihrem 'dolce^ so sollen denn beispielsweise der %yzantius CbyßantintAs) neben dem ^byzantu8\ der "^sterlinus neben dem "^strilinus stehen , wie die ^sergentes neben den ^sergentt ihr gutes Recht haben, während die Formen ^sereentes und ^serventes dem ursprünglichen ^servientes näher treten, was Diez unter ^scrgente richtig als das Mutterwort aufgestellt hat.

19*

V. k .

C 0 nf uciu s

und

seiner Schüler Leben und Lehren.

m.

Schüler des Oonfucius.

Nach chinesischen Quellen.

von

Dr. Job. Heinrich Plath.

Abb. d. L GL d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. L Abih. 20

ni. Die Schüler des Confucius

Von

Dr. Joh. Heinrioh Flath.

Wir haben schon mehrere Schüler des Confucius gelegentlich genannt; viele kommen im Lün-iü u. s. w. vor. Sie werden noch in seinem Ahnentempel in Kio-feu mitverehrt. Eine Notiz über die Einzelnen ist daher um so mehr nothwendig, als wir so gut als Nichts der Art haben. , P. Amiot beabsichtigte so etwas, gibt aber nur über vier Yen- hoei, Tseng-tseu, Tseu-sse und Tseu-lu in den Mem. c. la Chine T. XIII. p. 1 38 einige dürftige Notizen, Legge Prol. T. I. die chinesischen Namen derselben, aber nicht einmal alle Notizen über die Einzelnen im Lün-iü. Wir legen dabei die allgemeinen Notizen des Kia-iü Qap. 38 Thsi-schi Ti-tseu, das ist die 70 Schüler, verglichen mit Cap. 12 Ti-tseu-hing, der Wandel der Schüler, dann Sse-ki B. 67 Tschung-ni Ti-tseu Lie-tschuen, d. i. Bericht von den Schülern des Confucius und I-sse B. 95 Kung-men tschsu-tseu yen-hing, die Worte und Thaten der Schüler des Confucius, zum Grunde, werden aber dazu noch alle einzelnen Nachrichten, die im Lün-iü und sonst vorkommen, sorgfältig zusammenstellen. Doch geben wir hier nur die persönlichen Nachrichten über diese; ihre Fragen und Aussprüche über einzelne Gegenstände, die Regierung u. s. w. , die der I-sse auch enthält, werden wir mit denen des Confucius im folgenden Abschnitte bringen, da sie kein eigenes System haben und ihre Aussprüche zu einzeln sind; doch bei jedem am Schlüsse kurz andeuten, über welche Gegenstände sich Aeusserungen von ihm finden. Wir wollten Tseu-sse und Meng-tseu dazu nehmen, der beschränkte Umfang der Abhandlungen nöthigt uns aber, sie später zu behandeln.

20*

152

Ueber die Schüler des Confacias im ülgemeinen.

Was zunächst den Ausdruck Schüler betrifft, so nennt im Gegensatze des Meisters F u - 1 s e u, oder abgekürzt Tseu, dieser die Schüler nament- lich Siao-tseu, kleine Kinder, z. B. Li-ki Cap. 3 Tan-kung f. 20 v. und Eul, San tseu (meine) 2 3 Kinder ib. f. 21. Der Ausdruck Ti-tseu, junge Kinder, Ti heisst eigentlich der jüngere Bruder kommt im Sse-ki, Kia-iü u. s. w. auch vor. Ein anderer Ausdruck ist M e n - j i n ^), eigentlich Pforten-Leute ; auch der Ausdruck T h u, Fuss- gänger, Soldat kommt für Schüler vor.

Wir wissen schon, dass Confucius kein Schulmeister oder Professor der Philosophie oder Moral war, sondern ein Staatsmann, der die Sitten, Einrichtungen und Gebräuche Chinas eifrig studirte und beim Verfalle der Dynastie der Tscheu namentlich die Einrichtungen dieser wieder zu beleben und herzustellen trachtete. Man darf sich also unter den Schülern desselben keine eigentlichen Schüler, Studenten oder Akademiker denken, sondern es waren erwachsene Männer grösstentheils in Aemtern, die ihn über Sitten, Einrichtungen und Gebräuche, Grundsätze der Regierung, Gegenstände der Religion, die Pietät, das. Studium, über den Weisen u. dgl. , um Rath fragten und die er darüber zum Theil nach den alten classischen Schriften der Chinesen belehrte. Er hielt daher keine eigentlichen, regelmässigen Lektionen, sondern ohne feste Zeitbestimmung und ohne specielle Gegenstände zu behandeln, ertheilte er ihnen wohl meist nur kurze abgerissene Antworten über diesen oder jenen Gegenstand. Sie kamen und gingen und hielten sich länger oder kürzer in seiner Umgebung auf; diess hin- derte natürlich nicht, dass er bei der grossen Anzahl seiner Schüler, einen grossen Theil seiner Zeit, auf diese Belehrung verwendete. Jeder lebte in seiner Familie und es war eine ganz irrige Vorstellung wenn man früher gemeint hat, sie hätten ein gemeinsames Leben geführt.

1) Men-jin ist weniger als Ti-tseu, S. Sse-ki 67, f. 4 v. ; dieser wird ein vertrauterer Schüler sein. Bei Meng- tseu VIv2, 3, 6 sagt Kiao: ich wünsche hier zu bleiben und Belehrung an deiner (Meng-tseu's) Thür zu empfangen; der sagt: aber das Princip (Tao) ist eine grosse Strasse (ta lu) und nicht schwer es zu erkennen; die Menschen sind nur krank und suchen es nicht auf. Kehre heim und suche es nur, du hast da Lehrer (ss^) genug.

153

Amiot Mem.c. la Chine T. XII. p. 47, 92, 255, 269 hat schon den richtigen Begriff davon gegeben.

Man unterscheidet Schüler, die ihm näher und ferner standen; jener rechnete man in runder Zahl an 70, die einzeln bekannt sind; dieser an 3000. Nach Kia-iü Cap. 11 f. 2 war schon vor seiner Rück- kehr aus Tscheu Lu's Princip (Tao) sehr geehrt, aus femer Gegend kamen Schüler (Ti-tseu) zu ihm an 3000. Meng-tseu II. 1, 3, 2. (I. 3. 3) sagt schon: wer Männer durch seine Tugend unterwirft, bei dem ist die Unterwerfung redlich und sie freuen sich im Herzen ihrer Unter- werfung, so unterwarfen sich die 70 Schüler dem Confucius ; die genauere Zahl ist wohl 72 oder nach einer anderen Angabe 77. Wenn Amiot p. 365 unter diesen noch 12, und darunter p. 367 Tseu-lu, als besonders intime bezeichnet , so " finde ich dieses nicht bestätigt. So führt der Sse-ki B. 67 f. 1. einen Ausspruch des Confucius an, die meine Person (zunächst) umgaben, deren hatte ich 77 Männer, wobei der Scholiast bemerkt, auch der Kia-iü von Confucius habe "77 Männer, Wen-ung's Ahnentafel der Familie Kung (Kung-miao-tu) aber (nur) 72, so auch der Sse-ki B. 74 f. 25 und der Kia-iü Cap. 38 u. a. Die Namen von 73 Schülern, bemerkt der J-sse 95, 4, f. 22^ haben der Sse-ki und der Kia-iü; 4 hat der Sse-ki, der Kia-iü aber nicht, 3 der Kia-iü und der Sse-ki, nicht. Von 35 hat man Aussprüche und Handlungen, von 38 keine.

Der Sse-ki sagt : Confucius belehrte seine Schüler (Ti-tseu) aus dem Schu-(king), Li-ki und Yo-ki an 3000 ; die 6 freien Künste (Lo-i) lernten 72 Männer, vgl. auch Kia-iü Cap. 12 f. 3. Da fragt Wen-tseu, der Befehlshaber aus Wei, Tseu-kung: ich habe gehört, dass Confucius bei seinem Unterrichte (seine Schüler) erst anleitet nach dem Schi-king und Schu-(king), sie dann führt zur Pietät und Bruderliebe, ihnen erklärt die Humanität und Gerechtigkeit, dann auf die Gebräuche und Musik sieht und zuletzt durch den Tugendschmuck (Wen-te) sie vollendet. Wer unter den 70 Männern und darüber, die in das Haus eintreten und in die Halle hinaufsteigen, ist der weiseste (Weise)? Der 3000 und der 70 erwähnt auch Liü-schi in seinem Tschhün-thsieu und Hoai- nan-tseu im Lsse 95, ], 1. Der Sin-siü f. 1. v. sagt: 72 kamen aus fernen Ländern, unterwarfen sich ihm und folgten seiner Tugend.

Was den Charakter mehrerer Schüler betriflft, s^gt der Sse-ki:

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alle waren Sse von verschiedenem Vermögen (Fähigkeit) und Confucius Lün-iü 11, 2: von denen, die mir nach Tschhin und Tsai folgten, klopft keiner jetzt mehr an meine Pforte. Durch ihre Tugendübung (Te-hing) zeichneten sich aus Yen-yuen, Min-tseu-kien, Yen-pe-nieu und Tschung- kung; durch ihre Beredheit(Yen-iü)T8ai-ngo und Tseu-kung; in Führung der Regierung (Tsching-sse) Yen-yeu und Ki-lu; durch ihre literarische Bildung (Wen-hio) Tseu-yeu und Tseu-hia. Dieselbe Stelle hat mit geringen Abweichungen der Sse-ki 67 f. 1 . Der Sse-ki setzt da hinzu : Sse (Tseu-tschang) war (alle wohl ursprünglich) gemein (Pi) San dumm, stumpf (lu), Tschai unwissend (yü), Yen (Tseu-lu) unpolirt (yeu)j Ho ei unruhig (liü) und leer (kung), Sse (Tseu-kung) nahm keinen Befehl an und raffte die Güter an sich. Durch den heiligen Mann lernten sie den guten Weg (schentao). Tsai-ngo und Tseu-kung, heisst es bei Meng-tseu II. 1, 2, 18 (I. 3. p. 41) sprachen beredt Yen- nieu, Min-tseu und Yen-yuen sprachen und handelten tugendhaft, Confucius vereinigte alle diese guten Eigenschaften in sich und p. 42, ib. § 20 sagt Kung-sün-tscheu : ich habe gehört, dass Tseu-hia, Tseu-yeu und Tseu-tschang zusammen ein Glied des Weisen (Confucius) waren, Yen-nieu, Min-tseu und Yen-yuen aber den ganzen im Kleinen darstellten. Lün-iü 11, 12 rühmt Confucius an Min-tseu den milden Blick, Tseu-lu erscheine fest und kühn, Yen-yeu und Tseu-kung zeigten eine sanfte Biegsamkeit. Confucius gefiel diese; er sagte aber, Yen, d. i. Tsei; lu, wird keinen natürlichen Tod sterben. Sse-ki 47 f. 21 werdem dem Könige von Tshu T s c h u - kung, Yen-hoei, Tseu-lu und Tsai-iü nach ihren verschiedenen Eigenschaften gepriesen. Wir haben die Stelle schon oben im Leben des Conf. II. 2.S. 29 angeführt, vgl. Amiot p. 352, Im Schang-schu Ta-tschuen im J-sse 95, 1 f. 6 sagt Confucius: ich habe 4 Freunde; seit ich (Yen-) hoei erlangt habe, mehren meine Schüler ihre Liebe (tshin); ist das nicht helfen (siü) sich einander zu nähern ; seit ich Sse (Tseu-kung) erlangt habe, kommen aus fernen Gegenden die Literaten (Sse); ist das nicht die davon gehenden sammeln (pen-tseu) ? seit ich Sse (Tseu-tschang), erlangt habe, haben die früheren Glanz, die späteren Ruhm ; gehen da nicht die Späteren den Früheren vor; seit ich Yen (Tseu-lu) erlangt habe, kommen schlechte Reden nicht in mein Thor, ist das nicht widerstehen dem Verächtlichen (iü wu)? Ngan-tseu ib. f. 6 sagt: Wenn Confucius

155

ermüdet (to kiuen) und der Winkel (lieu-yü) nicht recht war, standen Ki-tse und Tuan-hien ihm zur Seite oder warteten ihm auf; wenn sein Geist bekümmert und krank und seine Intentionen nicht zum Ziele gelangten, standen Tschung-yeu (Tseu-lu) und Po-schang (Tseu-hia) ihm zur Seite ; wenn seine Tugend nicht vollkommen und voll war, dann halfen ihm Yen-hoei und Khien-yung. Schi-tseu ib. f. 6 sagt: Wenn Confucius Intention nicht fest stand, stand Tseu-lu ihm zur Seite, wenn sein (Ceremonie)kleid (1-fu) nicht in Ordnung war, half ihm Kung-si- hoa ; wenn die Bräuche nicht ordentlich gingen, half ihm Tseu-yeu ; wenn die Worte nicht gehörig geschieden waren, half ihm Tsai-ngo; vergass er Altes oder Neues, so half ihm Yen-hoei; bei der Anordnung kleiner Sachen half ihm Yen-pe-nieu und er sagte : mit diesen 6 Meistern (Tseu) übe ich mich selbst.

Liü-schi im Tschhün-thsieu im I-sse 86,4 f. 25 hat noch die Anekdote, wie Confucius, wenn ein Schüler aus einer fernen Gegend kam, sich immer nach dem Befinden des Fürsten seines Vaters und seiner Mutter seiner Brüder von Frau und Kind ob sie keinen Kummer hätten erkundigte und bei jeder dieser verschiedenen Fragen eine verschiedene Bewegung mit seinem Stocke machte, nach der Würde der Personen. Der Sin-schu ib. erzählt diess bei Tseu- tschang' s Ankunft.

Der Schang-schu Ta-tschuen im Jsse 95, 2 f. 17 sagt: in der östlichen Vorstadt ^) fragte Tseu-sse Tseu-kung und sagte : an Meisters ' Thür, wie ist da eine solche Mischung? Tseu-kung sagte: die Seiten des Dachstuhles (Yn-thien) haben viele krumme Bäume; an der Thüre eines guten Arztes trifft man viele kranke Leute, zur Seite eines Schleif- steins (Tschi-li) trifft man viel Stumpfes (wan-thün). Als der Meister das hörte, sagte er : man macht den Weg in Ordnung, um zu erwarten, dass das Reich komme und hält keinen zurück. Er Hess jeden zu nach Lün-iü 7, 28, daher die Mannigfalt. Lün-iü 7, 7 sagt Confucius: kommt einer und bringt mir das übliche Geschenk (etwas getrocknetes Fleisch), so unterrichte ich ihn immer.

Nach Lün-iü 28 war es schwer zu dem Volke von Hu-hiang zu sprechen (es zu unterweisen). £in Knabe kam von da und seine Schüler zweifelten, ob er zuzulassen sei, Confucius aber sagte: wenn

1) ' Siün-tseu hat nach dem Scholiasten der südlichen Vorstadt.

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einer sich reinigt, am einzutreten (in die Schale), so vergesse ich seine Vergangenheit, rühme, dass er so weit gekommen ist (es so weit gebracht hat), garantire aber nicht seine künftige Aufführung, warum seid ihr so strenge? Wer seinen Geist nicht anstrengt, sagt Confucius Lün-iü 7, 8, dem erkläre ich die Materie nicht;* wer seinen Mund nicht übt, dem helfe ich nicht sich auszusprechen; helfe ich einem um eine Ecke herum, und er kommt dann nicht um die andern drei, so stehe ich ihm (dazu) nicht weiter bei. In seinem Alter hatte Confucius manche Schüler ver- loren. Lün-iü 11, 2 sagt er, von den Schülern, die mir nach Tschhin und Tsai folgten, tritt keiner mehr in meine Thür. Was das Schicksal verschiedener Schüler des Confucius betrifft, so bemerkt Hoai- nan-tseu im I-sse 95, 2 f. 4 v. Yen-hoei, Ki-lu (d. i. Tseu-lu), Tseu-hia und Yen-Pe-nieu waren Confucius eifrige Schüler (Tung-hio). Yen-yuen starb früh (yao), Ki-lu kam in Wei um, Tseu-hia verlor die Einsicht (Ming) , Yen-Pe-nieu wurde krank (li). Diese alle durchkreuzten die Leidenschaften, erreichten aber nicht die Harmonie (Ho).

Zur Charakteristik mehrerer Schüler des Confucius . dient noch Kia-iü Cap. 15 f. 15 v., auch bei Lie-tseu im I-sse B. 95, 3 f. 25 und ohne Tseu-tschang nach den SchoL auch bei Hoai-nan-tseu. Tseu-hia fragt da Confucius: was für ein Manu Yen-hoei sei und wie er zum Meister sich verhalte? Confucius sagt: Hoei ist redlicher, treuer und weiser als ich, jener fragt dann ebenso nach Tseu-kung. Confucius sagt: Sse's Talent (Min) Lie-tseu hat dafür ünterscheidungsgabe (Pien) und Weisheit ist grösser als meine. Jeuer fragt dann ebenso nach Tseu-lu und Confucius sagt: er (Yen) übertrifft mich an Muth und Weisheit. Jener fragt dann nach Tseu-tschang. Confucius sagt: sein Ernst, seine Strenge und seine Weisheit übertreffen meine. Tseu-hia verliess dann die Matte und fragte: wenn dem so ist, wie dienen sie dann dem Meister und Lehrer? Confucius sagte, warte, ich will es Dir sagen. Hoei kann man trauen (sin), aber man kann nicht auf seine Treue zurückgehen (fan); Sse (Tseu-kung) kann Talente zeigen (min), aber er kann nicht stammeln (khio) ^) Lie-tseu hat langsam reden (no) Yeu kann wohl muthig, aber er kann nicht auch beunruhigt

1) Der Schol. sagt: er hat wohl Unterscbeidangsgahe, aber zu Zeiten muss man sich auch beugen.

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sein. Säe (Tseu- tschang) kann wohl Ernst zeigen, aber kann nicht übereinstimmen (harmonieren). Diese vier Schüler haben zusammen (etwas), mich umzuwandeln (zu verändern). Lie-tseu hat noch : ich stimme nicht zu ; worin sie mir dienen, das ist auch nicht das zweite (etwas Untergeordnetes). Die folgenden Aeusserungen über Yen-hoei und andere im Kia-iü 12 f. 4 sq. Amiot p. 294 300 werden wir besser bei den einzelnen Schülern anführen.

Hier mag nur noch die Stelle im Kia-iü 15 f. 16 angeführt werden. Da sagt Confucius: (Yen)- Ho ei hat von der Art (dem Wege) eines Weisen viererlei, er ist kräftig, stark in der Ausübung der Gerechtigkeit; beflügelt (yü) Erinnerungen (Mahnungen, Kien) anzunehmen ; respektvoll (oder ruhig) Einkünfte zu erwartqp; sorgsam seine Person zu regeln. S8e-(Schi)-tsieu hat vom Wege (der Art) eines Weisen dreierlei. Wenn er auch kein öffentliches Amt hat, geniesst er doch Ehrfucht (Khing); wenn er auch kein Opfer darbringt, ehrt er doch die Manen; selbst gerade, beugt er sich vgr dem Menschen. Tseng-tseu, der Con- fucius zur Seite stand, sagte: einst hörte ich (San) immer drei Worte vom Meister, vermochte sie aber noch nicht zu üben. Wenn Meister an einem Menschen ein Gutes sieht, so vergisst er 1 00 Fehler desselben; so nimmt Meister die Sachen leicht. Sieht er, dass ein Mensch etwas Gutes an sich hat, so ist es, als ob er es selbst habe; so streitet Meister nicht. Hört Meister etwas Gutes, so übt er es gleich selbst und leitet dann die Menschen dazu an ; so ist Meisters Vermögen sich anzustrengen (lao). Da ich Meisters drei Worte hörte (vernahm), sie aber noch nicht auszuüben vermag, sehe ich daraus, dass ich bis an's Ende die beiden (obigen) (Mit-) Schüler nicht erreichen werde. Con- fucius sagte: nach meinem Tode wird man sagen, dass Sshang (Tseu-hia) dazu that (i), Sse(Tseu-kung) aber davon nahm (minderte). Tseng-tseu sagte: was besagt das? Confucius sagte: Schang liebt bei Weisen (Hien) zu weilen (wohnen); Sse liebt zu reden mit solchen, die nicht wie er sind. Er sieht nicht auf (kennt da nicht) seinen Sohn und sieht nur auf seinen Vater; er kennt nicht den Menschen und sieht nur auf seinen Freund; er kennt nicht seinen Fürsten und sieht nur auf den, der ihn sendet; er kennt nicht sein Land und sieht nur auf

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XUI. Bd. I. Abth. 2 1

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die Pflanzen und Bäume, daher heisst es: ^) bei guten Menschen weilen, ist wie eintreten in ein Haus voll von (Blumen) Lan und Hoei; lange merkt (empfindet) man ihren Duft nicht und doch ergeben sie (bewirken sie) eine Veränderung (Umwandlung) ; mit schlechten Menschen zusammen wohnen, ist dagegen wie eintreten in ein Magazin von faulen Fischen; lange merkt man den Gestank nicht und doch bewirken sie eine Ver- änderung der Luft. Wer eine rothe Farbe berührt wird roth; wer Lack berührt (sich damit bedeckt) wird schwarz; daher ist der Weise aufmerksam (sorgsam) darauf, mit wem er zusammen weilt.

Den Gegensatz zwischen seinen drei Schülern Tseu-lu, Tseu-kung

9

und Yen-yuan zeigt Kia-iü Cap. 8 f. 16, auch mit einigen Abweichungen bei Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 1 f. 9, vgl. Amiot Mem. T. XIL p. 130 und abweichend T. XIIL p, 4 7 da heisst es: Confucius reiste nach Norden an den Nung-schan Han-schi hat Jung- seh an . Die drei genannten Schüler standen ihm zur Seite und Confucius sagte: seine zwei, drei Kinder möchten ihm ihre Gedanken (Wünsche) sagen, die sie nicht erreichten. Tseu-lu trat zunächst vor und sagte ich (Yen) wünschte zu haben (erhalten) weisse Federn (Fahnen), wie der Mond , rothe Federn wie die Sonne ; den Ton von Glocken und Trommeln, die aufwärts sich bewegten (tönten) bis zum Himmel^), Fahnen (Khi) die entwickelt (Phin-fen) herabhingen und sich krummbögen (puan) bis zur Erde. Begegnete ich einer Truppe von 100 Mann (Thui), der ich entgegentreten müsste, so würde ich sie zu Boden werfen bis auf 100 Li, ich ergriflFe die Fahne Khi und schnitte (den Feinden) den Kopf ab, das vermöchte ich (Yeu) und Hesse nur 2 3 Schüler mir folgen. Confucius. (der Meister) sagte: Du bist ein Tapferer (Yung).

Darauf näherte sich Tseu-kung und sagte: ich (Sse) wünschte nach Thsi und Tshu gesandt zu werden, wenn diese zusammen kämpfen wollten auf den Feldern von Tsing und Yang. Beide Festen (Lui) blicken sich gegenseitig an, der Antilopen- Staub (Tschhin-yai) berührt sich gegenseitig, Stöcke und Schwerter kreuzen sich bereits im Heere. Da legte ich Sse ein weisses Gewand (Kao) an, setzte einen weissen Hut

1) Die Stelle hat auch der Ming-sin-pao-kien 19 § 2 ; man sieht hier nicht den Zusammen- hang mit dem Vorigen.

2) abweichend Han-schi, vgl. Tsen-lu's Aeusserung im Lün-iü I, 6, 25 unten.

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auf und setzte auseinander (Tschin-tschue) , zwischen beide (Partheien) tretend, die Vortheile und den Schaden, wenn sie für beide Reiche das Ueble (Hoan) erwählten. Ich (Sse) würde das vermögen, wenn ich hingesandt würde und mir nur zwei Schüler folgten. Confucius sagte: Du weisst beredt zu unterscheiden (schlichten, pien).

Yen-hoei trat zurück und antwortete nicht. Confucius sagte:* Hoei komm, hast denn du allein keinen Wunsch? Yen-hoei erwiederte und sprach: Den Redeschmuck, (die Redefertigkeit, Wen) und die Kriegssachen haben die beiden Schüler bereits besprochen. Was kann ich Hoei noch sagen? (Confucius sagte): Da jeder von Euch seine Absicht ausgesprochen hat, sag' auch Du deine, mein Kind : Er erwiederte und sagte: ich Hoei hörte: die Pflanzen Hiün und Yen ^) wachsen nicht zusammen in einem Topfe. Ein Yao und Kie könnten nicht zusammen ihr Reich regieren, weil ihre Art verschieden ist. Ich (Hoei) wünschte nun einen erleuchteten (einsichtsvollen) König (Wang), einen heiligen Herrn (Tschü) zu erlangen (haben) und ihn dabei zu unterstützen, die 5 Lehren zu verbreiten; ihn anzuleiten zu den Bräuchen (Li) und der Musik, um zu machen (bewirken), dass das Volk keine Mauern auszu- bessern und keine Gräben zu überspringen braucht. Aus den Schwertern und Lanzen würde ich Ackergeräthe machen; die Ochsen und Pferde an Quellen und auf die Weide treiben ; die Häuser und Familien hätten keine Gedanken an Entfremdung (Trennung) und Augenaufsperren (kuang). Tausend Jahre über gäbe es nicht das Ungemach von Kampf und Streit, dann brauchte Yeu (Tseu-lu) seine Tapferkeit nicht zu zeigen und Sse (Tseu-kung) den Streit nicht zu schlichten* Confucius sagte ernst (ling): schön ist die Tugend! Tseu-lu erhob die Hände und erwiederte und sprach: was erwählt der Meister? Confucius erwiederte: nicht schaden (verderben) das Vermögen (den Reichthum); nicht schädigen das Volk, nicht viele Worte machen (Fan-tse), das thut der Sohn der Familie Yen.

Da Confucius in seinem Alter selbst nicht mehr hoffte, den Sieg . seiner Principien zu erleben, war er nur mehr besorgt, sie zu überliefern. Als der Meister in Tschhin war, heisst es Lün-iü, 5, 21 sagte er:

1) Der Sohol. bemerkt, die erstere ist eine doftende, die sweite eine stinkende Pflanze.

21 *

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Lasst mich zurückkehren! Lasst mich zurückkehren ! Die kleinen Kinder meiner Schule (Tang, sonst Dorf) sind zu eifrig (extravagant, Khuang) und hastig (Kien) als ob sie feinere Charaktere (fei), vollendet (tsching) und voll Zierrath (tschang) wären, wissen sie nicht sich zu regeln (tsai). Bei Meng-tseu VII. 2, 37, 1 führt Wan- tschang (diese Worte an) und fragt: Als Confucius in Tschhin war sagte er: lasst mich zurückkehren, die Schüler (sse) meiner Schule (Tang), sind zu extravagant und hastig (Khuang- Kien, Legge ambitious, but hasty). Sie schreiten vor und erfassen (den Gegenstand), vergessen aber nicht ihren Anfang (Beginnen)/' Wie dachte Confucius, als er in Tschhin war an Lu's extravagante Schüler?

Meng-tseu sagte: Da Confucius nicht erlangte, die den rechten Mittelweg (tschung tao) gingen (übten), entschied er sich für eifrige (Khuang) und vorsichtige (Kiuen, L. cautiously decided); die Eifrigen schritten vor (tsin) (den Gegenstand zu erfassen), die Vorsichtigen hatten was sie nicht thaten. Wie sollte Confucius nicht wünschen den mittleren Weg, aber da er der Art nicht erlangte, dachte er an die nächste Classe.

(Wan-tschang sagte): Ich erlaube mir zu fragen, wer waren die, welche man ehrgeizig (Khuang) nennen konnte? Meng-tsen sagte: solche, wie Khin-tschang ^), Tsang-si ^) und Mu-phi waren die Confucius ehrgeitzig nannte. Aber warum nannte er die ehrgeitzig? (M. ts.) sagte: ihre Tendenz (Absicht, tschi) war grosssprecherisch (hiao-hiao); sie sagten (immer nur) die Männer des Alterthums! Die Männer des Alterthums! untersuchte man aber ihr Thun, so entsprach es dem, (deckte es, J^u) nicht. Konnte er nun solche ehrgeitzige auch nicht erlangen, so wünschte er Schüler (sse) zu erhalten, die nicht blickten (Sie) auf das was nicht rein (Kie) war. Diess waren die vorsichtigen (Kiuen), die nächste (Classe).

Confucius sagte: die bei meiner Thür vorbeigehen und nicht eintreten in mein Haus über die zürne ich (hau) nicht, es sind «les Dorfes gute Eingeborne (hiang yuan); des Dorfes gute Eingeborne sind Tugeud - Diebe *). Spricht (W. tsch.), welche können denn so

1) Der Lac Tiün-iü 9, <*>, oin Scholer des Coufooia&

2) Der Vater von Tsang-sia Meng-tseu IV, I. 19. Mu-Phi ist unbekannt. 8) Diese Aeassernng von Confucius hat Lün-iü 17, 13.

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(hiang yuan) genannt werden? (M. ts.) sagt: warum sind sie so grosK- sprecherisch (hiao-hiao)? ihre Worte entsprechen nicht ihrem Than; ihr Thun entspricht nicht ihren Worten. So sagen sie (immer nur;: die Männer des Alterthums! Die Männer des Alterthums! Wie ist ihr Wandel so einsam (besonders, ungesellig, Khiü-Khiü) und kalt (liang liang). Geboren in diesem Zeitalter, müssen wir auch mit diesem Zeitalter thun, und das Gute (desselben) können wir auch (thun), aber nach Eunuchen- Art (schönthun) schmeicheln (mei) dem Zeitalter, so sind des Dorfes gute Eingeborne. Wan-tschang sagte : in einem Dorfe preisen aber alle sie als solche, in allem (nichts nicht) was sie thun, (unter allen Umständen) sind sie nicht die guten Eingebornen? Wie nennt Confucius sie denn Tugend-Diebe?

(Meng-tseu) sagte: willst du sie tadeln (fei), so weisst Du (gegen sie) nichts vorzubringen (zu erheben); willst du sie kritisiren (rügen, tshe), so hast du nichts zu rügen. Sie stimmen überein mit der gewöhnlichen (laufenden) gang u. gäben Sitte (lieu so); sie stimmen überein mit dem unreinen Zeitalter (wu schi); ihr Verweilen (Verhalten, Kiü) ähnelt der Recht8cha£fenheit und Treue (sin), ihr Wandel ähnelt der Uninteres- sirtheit (Lien) und Reinheit (Eie). Alle Welt freut öich ihrer, sie selbst halten sich für recht gut (schi), so dass man mit ihnen nicht zu Yao's und Schün's Principien (tao) fortschreiten (hing) kann ; desshalb sagt man „sie deien Tugend-Diebe/^

Confucius sagte: ich hasse was ähnlich, aber nichts (fei, wirklich) ist ; ich hasse den Lolch (yeu), ich besorge , dass er die Saat verwirrt (erstickt, loen). Ich hasse das gleissende (ning), ich besorge, es verwirrt (stört) das Rechte (i). Ich hasse einen scharfen Mund (Zunge), ich besorge er zerstört die Redlichkeit (sin). Ich hasse die Töne (Musik) von Tsching, ich besorge sie verwirren die Musik. Ich hasse das Roth- blau (tse), ich besorge, es wird verwechselt (verwirrt) mit Roth (Vermillion, tschu). So hasse ich die guten Dorfleute: ich besorge sie verwirren (werden verwechselt mit) (den wahrhaft) Tugendhaften. Der Weise (Eiün^tseu) geht zurück auf (sucht zurückzubringen), das Gewebe (King, den Weberzettel, the unchanging standart), ist dieses richtig (recht geordnet, tsching), dann erhebt sich die Menge, dann gibt es nichts Verkehrtes (siay) und kein heimliches (verborgenes) Laster (ni) mehr.

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Confucius Schüler bildeten wieder andere Schüler, von welchen einige bekannt sind: Liü-schi's Tschhün-thsieu im I-sse B. 146 schang f. 8 sagt: Tseu-kung, Tseu-hia und Tseng-tseu lernten unter Confucius. Thientseu Fang lernte unter Tseu-kung; Tuan Kan-mo lernte unter Tseu-hia; U-khi lernte unter Tseng-tseu; siehe auch bei den Einzelnen.

Die einzelnen Schaler: 1. Yen-hoei mit dem Mannes-Namen (Tseu) Tseu-yuan»

Yen-hoei^), sagt der Sse-ki 67. f. 2 war ein Mann aus Lu und 30 Jahre jünger (als Confucius). In seinem 29. Jahr schon ergraut, starb er frühzeitig, in seinem 31. Jahre, sagt der Kia-iü, in Confucius 61. Jahre. Doch hat der Scholiast des Sse-ki f. 2 v. schon Bedenken dagegen. Nämlich nach Lün-iü 11,7 starb er erst nach Confucius Sohn Li und da der 30 Jahre alt wurde und in Confucius 70 Jahre starb, muss er über 40 Jahre alt geworden sein. Confucius sagte: seit ich den Hoei zum Schüler habe, habe ich eine Vermehrung erhalten (zugenommen). Hoei erlangte durch seine Tugendübungen einen berühmten Namen. Dies ist Alles was der Eia-iü über ihn sagt. Er bekleidete kein Amt und lebte verhältnissmässig in ärmlichen Verhältnissen, aber zufrieden. „Wie tugendhaft, sagt Confucius im Lün-iü 6, 9 und daraus Sse-ki f. 2 ist Hoei, er hatte nur eine Bambuschüssel mit Reis zur (Speise), eine Schale ^^ asser zum Trank und wohnte in einer engen, schlechten Strasse; ein anderer (Mann) hätte solche Noth nicht ertragen^ aber das störte Hoei's Freude nicht. Wie tugendhaft war Hoei!'' Ziemlich dieselbe Aeusserung hat Meng-tseu IV. 2, 29, 2 (H 8, 29). Yen-tseu lebte in Zeiten der Verwirrung, wohnte in einer engen Gasse und hatte bloss eine Bambuschale mit Reis und eine Kürbisschale mit Wasser; ein anderer hätte solche Entbehrung nicht ertragen, aber

1) Die Mutter des Confaoias war aus der Familie Yen und aus derselben Familie war auch wohl Yen-hoei. Amiot Mem. T. XIII. p. 2 sagt : Yen - hoei war ans einer armen , aber edlen Familie, Nachkommen eines alten Königs von Tshn Lu-siü und zwar von Y-fu-ycn, der sich in Lu niederliess und dort die Familie Yen gründete. Sein Vater Yen u Wu-yea heirathete die Kiang-schi. Ich weiss nicht, woher er diese Notiz hat, ich finde davon im I-sse nichts und auch keinen solchen Ffirsten von Tshu.

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diess störte (verringerte) die Freude von Yen-tseu nicht, Confucius nannte ihn einen Weisen (hien). Tschuang-tseu im J-sse 95, 1 f. 8 (vgl. f. 15), Amiot p. 3 hat diess weiter ausgesponnen oder näheres Detail darüber. Confucius sagte zu Yen-hoei: Dein Haus (Familie) ist arm, deine Wohnung niedrig, warum nimmst du kein Amt an? Yen- hoei erwiederte und sprach: Ich (Hoei) wünsche kein Amt; ich habe ausserhalb der Vorstadt (Ko) ein Feld von 50 Meu (Morgen, 10 acres), genügend mich mit einer Schüssel Reissuppe zu versehen , innerhalb der Vorstadt 10 Meu, genügend darauf Seide und Hanf zu ziehen. Ein Tamburin und eine Guitarre (Kin) sind genügend, mich zu erfreuen (erheitern); des Meisters Lehre, ist genügend mich zu erfreuen; ich wünsche kein Amt; anders Amiot p. 4. Confucius wechselte seine Haltung und sagte: gut ist Hoei's Absicht. Als ich (Khieu) das hörte, wusste ich, dass es genug sei, sich nicht an den Vortheil zu binden. Er prüft sich (chin), erlangt er's, so lässt er's, und fürchtet nicht den Wandel, sich inwendig zu schmücken. Ist er ohne Stelle (Amt, wu wei), 80 schämt er sich nicht (ist er nicht verlegen, tso). Ich (Khieu) durch- dringe ihn schon lange. Jetzt bei Hoei und nachdem sah ich es und erreichte dies. Anderes sollte man nach Lün-iü 7. 10 auch Sse-ki f. 20 erwarten. Da sagt Confucius zu Yen-juen: nur du und ich sind so, wir nehmen ein Amt an, wenn (die Regierung) uns braucht (anstellt) und ziehen uns in's Dunkel zurück, wenn man (sie) uns entlässt. Den verschiedenen Charakter Yen-hoei's von Tseu-lu's nach Lün-iü 5, 25, Kia-iü 8, 16 und Han-schi Wai-tschuon im I-sse 95, 1 f. 9 werden wir bei Tseu-lu anführen. Lün-iü 11. 18 sagt Confucius: Hoei nähert sich einer vollkommenen Tugend, obwohl ihn oft grosse Armuth drückt. Eben da die Anekdote über Yen-hoei's Betragen als Confucius zwischen Tschhin und Tsai in Noth war in Liü-schi's Tschhün- thsieu im 1-sse 86, 1 f. 25 v., vgl. Kia-iü Cap. 20 f- 30 v. und sein Ausspruch über Confucius Kia-iü ib. f. 30. Seine Aeusserung als Confucius in Kuang in Gefahr und Yen-yuan zurückgeblieben war, und Confucius, als er ihn erreicht hatte, nach Lün-iü 11, 22, Sse-ki B. 47 f. 12 und Liü-schi's Tschhün-thsieu im I-sse 95, 1 19 sagte: ich dachte schon du wärst todt, worauf jener erwiederte, wie dürfte ich sterben (mich dem Tode aussetzten), da mein Lehrer am Leben ist, ist schon in

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Confucius Leben erwähnt. Auf seiner Reise nach Wei machte Yen-yuan nach Lün-iü 13, 9 seinen Kutscher. Sein Gespräch da mit Confu- cius s. bei Regierung in Abth. VI.; ebenso Confucius Antwort auf seine Frage, wie eine Provinz regiert werden müsse Lün-iü 15 10. Confucius rühmte ihn immer sehr. Lün-iü 2, 9, auch im Sse-ki wieder- holt^ sagt er: ich unterhalte mich den ganzen Tag mit Hoei; er zieht meine Lehre nie in Frage; er scheint einfältige aber wenn er weg- gegangen ist, untersucht er sie für sich (privatim, sse), so dass er meine Lehre zu erläutern vermag. Hoei ist nicht einfältig! Hoei, sagt Confucius Lün-iü 11. 3, hilft mir nicht (indem er mir Einwendungen macht, die ich dann lösen muss); nichts was ich sage, erfreut ihn nicht und 9, 19 fg.. Hoei ist nie indolent bei meinem Unterrichte, ich sah ihn vorwärts gehen, aber nie stille stehen. Hoei, sagt Con- fucius im Tschung-yung Cap. 8, wählte die rechte Mitte; hatte er eine Tugend einmal erfasst, so packte er sie, hielt sie fest und Hess nicht davon ab. Nach Lün-iü 5 , 8 und Sse-ki f. 7. fragte Confucius den Tseu-kung: wer ausgezeichneter sei, er oder Hoei?: Tseu-kung erwiederte, wie kann ich mich mit Hoei vergleichen? wenn Hoei eine Sache hört, weiss er zehn ; wenn ich eine Sache höre, weiss ich nur zwei. Confucius erwiederte: du kommst ihm allerdings nicVt gleich, gewiss nicht! Ngai-kung, der Fürst von Lu, fragte nach Lün-iü 6, 2 auch im Sse-ki f. 2 V. nach Lün-iü 11,6 aber Ki Kang-tseu wer von seinen Schülern durch Lernbegierde (Liebe zum Studium, hao hio) sich aus- zeichne? Confucius erwiederte: ich hatte einen, den Yen -hoei, der das Studium liebte; er entfernte sich nicht von der Sache, er beging nicht zweimal denselben Fehler, aber unglücklicher Weise war sein Leben nur kurz (tuan-ming); ich habe ihn verloren und weiss jetzt von keinem (andern, der so zu lernen liebte). Auch im Sse-ki im I-sse 95, f. 27 rühmt Confucius seine Liebe zum Studium (hao-hio) Confu- cius sagt im J-king Hi-tseu 15, 11, f. 16, T. II. p. 544 mein Schüler Yen-tseu war nicht ferne von einem einsichtsvollen Mann; war etwas nicht gut, so wusste er es bald und that es nicht wissentlich wieder. In drei Monaten, sagt Confucius Lün-iü 6, 5 wich Hoei nicht von der vollkommensten Tugend ab, die andern höchstens einen Tag oder einen Monat nicht. Nach 12, 1 bemühte er sich wenigstens eine vollkommene

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Tugend zu erreichen; s. die Stelle Abth. IV. bei [jTug{6nd. Seine Bewunderung des Gonfucius spricht sich Lfin-iü 9, 10 aus; wir werden die Stelle besser bei den Urtheilen der Schüler über ihren Meister in Abth. IV. mittheilen.

Einige angebliche Gespräche Yen-hoei's mit Gonfucius findet man noch aus Lie-tseu im I-sse 9d, 1 f. 11 fg. und bei Tschuang-tseu ib. f. 12 16 V. und 86, 1 f. 27; u. a. ; sie enthalten aber wenig oder nichts historisches ; sie sind auch wohl gemacht und nicht verbürgt genug, um sie hier mitzutheilen. 95 f. 15 v. spricht von Ten-hoei's Reise nach Thsi im Osten wie der Lün-heng ib. f. 16 v., wie er mit Gonfucius den Thai-schan Berg (in Schan-tung) bestieg: Wir heben nur seine angebliche puerile Nachahmung des Gonfucius 95, 1 f. 13, vgl. Amiot p. 1 2 7 noch her vor : Wenn der Meister einen Schritt that, that er auch einen; wenn der Meister sprach, so sprach er auch; wenn er lief, so lief er auch u. s. w. Kia-iü 12 f. 3 v. charakterisirt Tseu-kung den Yen-hoei als frühaufstehend, Nachts schlafend, wiederholt im gemessenen ' Tone sprechend (Fung-tung), die Bräuche ehrend; in seinem Betragen mache er nicht zweimal denselben Fehler, in seiner Bede sei er nicht hastig. Gap. 15 f. 16 sagt Gonfucius: Hoei hat vier Eigenschaften eines Weisen (Eiün-tseu), vgl. ebenda die Stelle über den Weisen Kia-iü 18, 25, I-sse 95, 1 f. 7. Wir führen die Stelle in Abth IV. bei dem Weisen wohl besser an, so auch noch einige andere Stellen über ihn Gap. 20 f. 30, Gap. 13. f. 8, die mehr in das Materielle einschlagen; ebenso die Stelle aus dem Schue-yuen im I-sse 95, 1 f. 6 v., auch im Kia-iü Gap. 18 f. 24 V. über den Sching-jin in Abth. IV. bei Moralphilosophie, die Stelle aus dem Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 1 f. 7 v. in Abth. IV. bei den Moral-Maximen und 95, 1 f. 10 v. Tseu-kung's, Tseu-lu's und Yen-hoei' 8 verschiedene Antworten, was sie thun würden, wenn sie gegen einen gut, und der nicht wieder gut gegen sie sei; seinen Ausspruch über die Gebräuche (Li) bei Amiot p. 228 s. in Abth. IV. bei diesen.

Der I-sse hat noch 17 angebliche Aussprüche und Unterhaltungen Ten-hoei's mit Gonfucius ohne einen speciellen Gegenstand, 3 aus Han- schi uai tschuen im I-sse 95, 1 f. 7 v. sq., 2 aus Lie-tseu ib. f. 11 sq., 5

Abh. d. I. a d. k. Ak. d. Wiss. Xni. Bd. I. Abth. 2 2

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BUS Techuang-tseu ib. f. 1 2 v. sq., 2 aus Lfln-heng ib. f. 1 6 v. fg. and 3 aas Fa-yen ib. f. 17 und Sin-lün f. 17 S. Abth. IV. Anhang.

Der Kia-iü Cap. 18 Yen-hoei in. f. 23 v, hat noch einige Anekdoten, die diesen Schüler des Confucius betreffen. Ting-kung von Lu fragte Yen-hoei und sagte: hast du gehört, dass Thuog-ya-pi ein guter Fuhr- mann (Wagenlenker, Yü) ist? Er erwiederte und sprach, wenn er es gut macht, ist es gut '}; wenn aber auch, so wird sein Pferd ihn doch im Stich lagsen. Ting-kung zeigte sich wenig erfreut und sagte zu seiner Linken und Rechten: der Weise ist ein Mann, der täuscht. Yen- hoei trat zurück (ging fort). Nach drei Tagen kam der Hirte und meldete (Su): Thung-je-pi's Pferd Hess beide ÄusKcnpferde (Thsan) im Stich, zog beide Decken (Fo) mit sich und ging in den Stall. Als der Fürst dieses hörte, stand er auf von seiner Binsenmatte (Huo-si) und nahe dem Wagenführer rief er Yen-hoei. Hoei kam und der Fürst sagte: den vorigen Tag fragte meiner Wenigkeit dich mein Herr nach Thung- ye-pi'ö Leitung (Führung) und du sagtest: wenn er es gut maclit, ist es gut und doch wird sein Pferd auslassen. Ich weiss nicht , ob (woher) mein Herr es wusste. Yen-hoei sagte: ich kannte ihn von seiner Leitung (Regierung, Tsching) her. Einst war der Kaiser Schön geschickt, das Volk zu leiten (sse). Thsao-fu (der Wagenlenker von Kaiser Mu-wang 950 v.Chr.), war geschickt die Pferde zu leiten. Schün erschöpfte nicht seines Volkes Kraft ; Tsao-fu erschöpfte nicht seiner Pferde Kräfte ; daher verlor Schün das Volk nicht, Tsao-fu verlor seine Pferde nicht. Wenn jetzt Thung-ye-pi fahrt, besteigt er das Ross, ergreift die Zügel, das Gebiss und die Glieder hält er gerade, der Schritt des Pferdes ist gallopirend, (Tseu-tsche) ; das Gallopiren am Hofe früh ist wenig Brauch. Er setzt (Li) über schwierige Stellen, kommt so weit, aber er erschöpft des Pferdes Kraft und wenn man das Pferd wieder sucht (braucht), hat man es nicht; daher wusste es dein Diener. Der Fürst sagte: gut und wahr ist deine Rede, meines Herrn Rede (Wort) ist recht und gross und ich wünschte, daas er noch ein wenig vorginge (hinzusetzte, tsio). Yen-hoei sagte : dein Diener hörte : wenn der Vogel erschöpft ist,

1) Der AusdrDck; Sehen, tse sehen, ist sehr danke]. Liü-tchis TBchbiin-Ubiea im I-ise ß, 40 1 1 erzählt dasaelbe von ThuDg-je-pi and Lu'e Tichuang-lcunj; fragt deHebalb den Ten-bo.

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dann pakt er (tscho); wenn das Wild erschöpft ist, dann greift es mit seinen Krallen an (khao) ; wenn der Mensch erschöpft ist, dann täuscht er (wird er verschlagen, tscha); wenn das Pferd erschöpft ist, dann lässt es aus. Von Alters her bis jetzt gab es noch keinen, der seine Unter- gebenen erschöpft h&tte und das ohne Gefahr thun konnte. Dem Fürsten gefiel das und er erzählte es alsbald Confucius. Confucius erwiederte und sagte: dass ich aus Yen*hoei etwas mache (auf ihn etwas halte) ist diese seine Art; er genügt für viele«

Kia-iü Cap. 18. f. 24 v. hat noch eine Anekdote von Yen-hoei wie er, als er mit Confucius in Wei war, aus dem Tone eines Weinenden errieth, warum er weine; s. oben in Confucius Leben.

Seine Frage dann über Tschang-wen-tschung und Wu- tschung, wer von diesen der Weisere sei im Kia-iü: ib. f. 24 v. s. obto ; seine weitere Frage wegen der Freunde Kia-iü 18 f. 26 ib.; seine Aeusseruog über Confucius ib. f. 26 und seine Frage, worin persönliche Tugend bestehe (Ho-i-wei-schin) Kia-iü Cap. 1 3 f. 8, auch im Schue-yuan im I-sse 93, 1 f. 7, in Abth. IV.

Als Yen-yuen gestorben war, klagte Confucius nach Lün-iü 11, 8 10 u. 7 u. Sse-ki 67 f. 17 v. und abweichend im Lün-heng im I-sse 95, 1 f. 17 v. bitterlich und rief aus: der Himmel richtet mich zu Grunde! ^) er weinte bitterlich. Seine (andern) Schüler meinten, er müsse doch nicht gar so sehr ihn beweinen, er aber erwiederte: wenn ich einen solchen Mann nicht beweinen sollte, wen sollte ich dann beweinen. Seine Mit- schüler wollten ihm ein glänzende Leichenfeier bereiten, (heu-tsang); Confucius sagte: das kann nicht sein, (weil die Familie arm war.) sie bestatteten ihn aber doch glänzend. Confucius sagte: floei betrachtete mich ^Is seinen Vater, dass ich ihn nicht als meinen Sohn behandeln konnte (d. h. bloss gemäss meinen Mitteln ihn bestatten), ist nicht meine Schuld, sondern der meiner Schüler (2 3 Kinder). Als Yen-

1) Der Lün-hengr bat statt des Folgenden: als Tseo-la gestorben war, sagte er, der Himmel schneidet mich ah (tscho). Confucius sprach da, wie ein Verwundeter, es war nicht ganz der rechte Weg. Confucius Bestimmung war nicht ein König (wang) zu sein, der beiden Schüler Leben nicht lang zu sein; nicht König (zu sein), nicht lange (zu leben bekommen), (sie) ist weil nicht gleiches Maass und Zahl zusammen (ging), sich ausbreiten (oder) sich entgegenstehen, entspricht sich.

22*

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yuen gestorben war, bat indesB sein Vater Yea-Iu Confucius um des Meisterg Wagen daraus einen äuBseren Sarg zumachen; Confucius aber erwiederte ! Talente oder nicht. Jedermann nennt (seinen Sohn) den Sohn. Als (mein Sohn) Li starb, hatte er auch nur einen innern (Kuan) und keinen äuseero Sarg (Ko). Ich kann nicht zu Fuss gehen, damit er einen äussern Sarg habe; da ich die Würde eines Ta-fu bekleide, kann ich nicht zu Fuss gehen. Der Li-ki Cap. Tan-kang 3 f. 20 v., auch im Kia-iü 44 f. 28 v., erzählt; als bei der Trauer um Yen-yuan das Opferfieisch Tsiang dargebracht war, ging Confucius hinaus, nahm es, ging darauf hinein, spielte die Guitarre und dann ass er daa Fleisch. So weit der Li-ki. Der Kia-iü fügt noch mehr hinzu.

Nach Kia-iü Cap. 44 f. 28 condolirt Lu Tiug-kung Confucius beim Tode Yen-hoei's ; der Fürst sandte einen Mann Confucius um Uath zu fragen (fang). Confucius erwiederte und sagte; Alle die innerhalb des Grabhügels liegen sind deines Dieners Kinder (Schüler), es ist Brauch, dass wenn der Fürst seinem Diener condolirt, er von Osten die Treppe hinaufsteigt und Angesichts der Leiche weint, seine Gunst beschenkt ihn; über die Ausdehnung derselben gibt es keine Berechnung, ■aber der l-sse 95, 1 f. 16, der die Stelle anführt, bemerkt, dass zu der Zeit nicht Ting-kung, sondern Ngai-kung in Lu regierte. Anaiot setzt seinen Tod 484 v. Chr. in Confucius 68. Jahre. Amiot Mera. T. SIIL p. 8 sagt: er wurde südlich vom Berge Fang-schang beerdigt.. Kr hatte von seiner Frau aus der Familie Thai aus dem Reiche Sung einen Sohn Yen-ein.

Wohl aus derselben Familie waren die Schüler des Confucius Yen- hing (39), Yen-kao (41), Yeo-siang (53), Yen-tschi-po (59) Yen-kuai (67) und Yen-ho (73). Wir haben schon nach Amiot Mem, T. XU. p, 489 erwähnt, dass der Ming-Kaiser 1451 noch neben dem Haupte der Familie Knug die Häupter der Nachkommen Yen-tseu's und Meng- tseu's an den Hof berief, um bei den Ceremonien im Wen-miao zu assiötiren und ihren Nachkommmen Beamten-Stellen verlieh.

Yen-boei erhielt nach Legge 1530 (Kia-tsing Ao. 9) den Titel „Forteetzer des Weisen". Sein Platz ist der erste anter den 4 Assessoren an der Ostseite des Weisen. Nach Ä WiUiamson Journeys in North China. London. 1870 8. L 232 fg. ist der Tempel Yen-hoei's in

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der Stadt Kio-feu-hien, der Begr&bnissplatz seiner Nachkommen vor

dem Nordthore. Er besuchte den Tempel und beschreibt ihn T. II.

p. 263. Der Scho-i-ki im I-sse 95, 1 f. 17 v. sagt Kio-feu's alte

Stadt(mauer) hat Yen-hoei's Grabhügel (mu); der Grabhügel hat oben

einen Stein und Baum; (der Name des Baumes ist unleserlich)

die Leute des Landes sagen: Yen-hoei's Hand pflanzte (tschi) den

Baum.

Yen-yeu oder Ki-lu.

Yen-hoei's Vater schliessen wir hier gleich an. Yen-wu-yao, nennt ihn der Sse-ki, mein Kia-iü f. 30 Yen-yeu, mit dem Beinamen Ei-lu. Nach dem Sse-ki dienten Vater und Sohn dem Confucius zu verschiedener Zeit, nach dem Kia-iü erhielt jener Unterricht von Con- fucius, als der zu lehren begann. Er war 6 Jahre jünger als dieser. Sein Begehren von Confucius beim Tode seines Sohnes Yen-hoei im Lün-iü 11, 7 und Sse-ki ist eben erwähnt.

2.* Min-sün oder Tseu-khien

war nach dem Kia-iü aus Lu und 50 Jahr (nach dem Sse-ki 1 5) jünger als Confucius. Durch seine Tugendübung erhielt er nach Lün-iü 11, 2 und Meng-tseu II. 1, 2, 18 (I. 3 p. 42) die Stellen schon oben seinen berühmten Namen. Confucius rühmte seine Pietät Lün-iü 11, 4. Nach Lün-iü 6, 7 sandte Ki-schi, der in Lu bekanntlich die Regierung führte, einen Boten an Min Tseu-khien und wollte ihn zum Statthalter von Pe machen, der bat aber den Boten, ihn zu entschuldigen; sollte er ihn aber nochmals berufen, so werde er am Ufer des Wen Flusses sein (sich entfernt haben). Der Sse-ki f, 3 sagt darnach, er nahm nicht die Stelle eines Ta-fu an und verzehrte nicht die Einkünfte eines schmutzigen (schlechten) Fürsten und sagte: kommt er wieder zu mir, so bin ich oberhalb des Wen Flusses. Im Kia-iü Cap. 25, 2 v. erscheint er indess als Gouverneur von Pi und befragt Confucius wegen der Regierung; wir werden die Stelle Abth. IV. bei der Regierung anführen ^). Er folgte Confucius nach Tschin und Tsai nach Lün-ifl

1) Amiot Mem. T. XII. p. 290 läset Min-tseu-klueQ Gouverneur von Soban-fn werden und Con- fucius seinen Schüler Wu-ma-khi hinsenden, sich nach seiner Verwaltung zu erkundigen;

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11, 2. LüD-iü 11 13 heisflt ea : Der Kornmagazin-Aufseher in Lu wollte ein neues Kornmagazin anlegen; Min Tseu-khien sagte: das ist kein Mann von (vielen) Worten, aber aprieht er, so trifft er immer den rechten Punkt. Die Anekdote bei Amiot p. 93 96, wo Min Tseu-khien Taeng-taeu fragt, warum Confuciua so leise die Guitarre (Kin) spiele, ist aus Kung- tschung-taeu im I-sse 95, 2 f. 2. a. b. Musik Abth. IV. Legge ProI.T. I. p. 115 hat eine Anekdote von ihm, die aua Han-schi-uai-tschuen im I-sse 95, 2 f. 1 V. ist: Als er zuerst zu Confuciua kam, sah er bekümmert (wie verhungert) aus (tsai sb, wie einer der nur von Päanzen lebt), bekam aber später ein fettes Aussehen (tsu huan, wie ein gemästetea Schwein). Tseu-kung fragte ihn, wie die Aenderung vor sich gegangen sei. Er erwiederte: Ich kam aus meinem Rohr und meinen Binsen (Kien) an des Meisters Thor (Schule). Er unterwies mich zur Pietät und hielt mir die Regeln der (alten) Könige vor. Ich fand Freude an seinen Unter- weisungen. Als ich dann aber hinaus kam und sab die Beamten mit ihren Sonnenschirmen (iü kaij und Drachen-Bannern (lung kbi-tschen) und dem Pompe ihres Gefolges, machte mir das auch Vergnügen. Beides bekämpfte sich in meiner Brust, ich wusste nicht, war vorzuziehen sei, daher mein bekümmertes Aussehen. Jetzt aber haben die Lehren unaers Meisters sich tief meinem Geiste eingeprägt und meine 2 bis 3 Mitschüler haben meine Fortschritte befördert (tsie-tao). Ich bin mir jetzt klar, wem ich folgen und was ich meiden muas; die Schirme, Fahnen und der Pomp der Gewalthaber betrachte ich nur wie den Erdenstaub (am Altar), daher sehe ich voll und befriedigt aus. Im l-ase wird dann noch eine Stelle des Schi-king citirt. Dann gibt der l-ase dieselbe Anekdote aua Schi-tseu kürzer. Mint-seu Khien war cor])ulent (fei). Tseu- kung sagte: wie bist du so fett. Tseu-Khieu sagte: als ich ausging, sah ich schöne Wagen und Pferde und wünschte sie mir. Drinnen hörte ich des Lehrers Worte und wünschte sie auch. Heide Gesinnungen bekämpften sich gegeuaeitig; jetzt hat des Lehrers Wort gesiegt, daher die Corpulenz. Sein Platü im Tempel ist der erste im Oaten ,, unter lieii gleich hinter den 4 Assesoren. Ihm wurde zuerst geopfert

■ber nach Kia-iü 37 f. S2 v. und Liü-schi'« THchhünihiieu i diei bei Mi-taeu-tiisn, Coofernenr von Tsn-fa.

l f. 10 » geschah

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unter dem 6. Kaiser der D. Thang Khai-yuen Ao. 8 (720 n. Chr.). Sein Titel ist: „der alte VortreflFliche, der Philosoph Min.*'

Der Schue-yuen im I-sse 95, 2 f. 1 hat noch eine Anekdote von ihm, die auf seine Pietät bezüglich ist und f. 1 v. noch eine andere, die Trauer betreffend, die auch im Kia-iü Cap. 15 1 1 3 v. ; der Jji-ki Cap. 3 Tan-kung f. 26, der eine ähnliche Geschichte hat, erwähnt ihn aber nicht dabei.

3. Yen-keng oder Pe-nieu.

Nach dem Kia-iü aus Lu, nur 7 Jahre jünger als Confucius, hatte nach Confucius Lün-iü 11,2 auch Sse-ki f. 3 von seiner Tugend seinen berühmten Namen. Er hatte eine böse Krankheit. Confucius sagte: es ist Bestimmung; soweit der Eia-iü. Lün-iü 6, 8. und Sse-ki f. 3 heisst es: als Pe-nieu krank war, kam Confucius ihn zu besuchen, reichte ihm durch das Fenster die Hand und rief aus: ich werde ihn verlieren; dass dieser Mann eine solche Krankheit hat, ist Bestimmung! Der Kranke wurde der Sitte nach an's Nordfenster gelegt, wenn der Fürst ihn aber besuchte, an das Südfenster; die Familie wollte dasselbe bei Confucius Besuch thun, dieser nahm aber die Ehre nicht an und betrat das Haus nicht* Nach andern wollte Pe-nieu wegen seiner schlechten Krankheit keinen bei sich sehen. Welche Krankheit er hatte, wird nicht gesagt und er sonst nicht weiter erwähnt. Legge Prol. I. p. 115 hat noch ohne Angabe seiner Quelle: als Confucius Justizminister wurde, gab er Pe-nieu seine frühere Stelle eines Gouverneurs von Tschun-tu. Sein Platz ist jetzt der 4. unter den Weisen im Westen.

4. Yen-yung oder Tschung-kung

nach den Schol. des Sse-ki aus Lu, 29 Jahr jünger als Confucius, nach dem Kia-iü, aber nur im I-sse 95, 2 f. 4 v. aus demselben Clane mit dem vorigen (Thsung-so) wurde von einem talentlosen Vater erzeugt und erhielt durch seine Tugendübung seinen berühmten Namen. Letz- teres sagt Confucius im Lün-iü 11, 2 an der schon oben angeführten Stelle. Was seinen Vater betri£ft, so bezieht sich darauf Confucius Ausspruch im Lün-iü 6, 4, auch im Sse-ki f. 3 : Das gelbe gehörnte Kalb einer Kuh von gemischter Farbe, obwohl die Menschen (bei einem

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grossen Opfer) es nicht brauchen, werden die Geister der Berge und und Flüsse es darum verwerfen? (d. h. wenn sein Vater' auch ein schlechter Mann war, konnte der Sohn darum nicht gut sein?) Na'^h Lün-iü 13. 2 war er erster Beamter unter Ki-schi. Seine Frage über die Regierung nach Kia-iü 31, 16 und Eung-tschung-tseu im I-sse 95, 2, 6 und 6 v. über Regierung und Strafe ebenda. Lün-iü .6, 1 sagt Confucius, Yung kann das Gesicht nach Süden wenden (Regent sein) Tschung-kung meint den Respekt aufrecht erhalten und dabei in der Verwaltung mild sein, ob das nicht das Rechte sei? aber sorglos wegen seiner eigenen Aufführung sein und nachsichtig in der Verwal- tung, ob das nicht übertriebene Milde sei? Confucius sagt: Yung du hast recht. Lün-iü 5, 4 rühmt einer Yung als einen guten (humanen) Mann, der aber nicht zungengewandt (ning) sei. Confucius meint, wozu das nöthig, einem entgegentreten (yü) mit Redegewandtheit (Kheu-kie), errege nur Abneigung (tseng) der Menschen. Confucius Antwort auf seine Frage, was vollkommene Tugend sei Lün-iü 12, 2 siehe Abth. IV. bei Tugend, Confucius Antwort auf Tschung-kung's Frage was die Stelle des Schu-king V. 27, 2 o. „Erbarmen und Mitleid schneidet die Streitigkeiten ab" besage, s. Abth. IV. bei Strafen. Im Kia-iü Cap. 12 f. 3 V. charakterisirt Tseu-kung ihn so: Beständig reden von der Pietät und denken an die Pietät und das denken (daran) nur die Regel ftse) sein lassen. Wenn man auf das Zeitalter eines Fürsten trifft, der Tugend hat^ das glänzende Mandat (ein Amt) annehmen, ohne dabei seinen Ruf einzubüsseu. Wenn man mit dem Kaiser fahrt (ihm zur Seite steht), dann der Gehilfe (siang) eines (idealen Wang sein), wenn man arm ist, doch wie ein Gast auftreten (khe), seinen Diener (tschin, Beamten) senden wie einen Assistenten (Tsiai), nicht übergehen (auf- steigen, tsien) zum Zorne, nicht tiefen Hass nähren, nicht einregistriren alte Verbrechen, so war der Wandel Yen-yung's. Confucius seine Talente erwähnend sagte bei Schue-yuen im I-sse 95, 2 f, 4. er ist ein Weiser der Erde^ ein Bote der Menge; bedient er sich der Strafen, dann kann er gewiss mit Recht zürnen und wandte auf ihn eine Stelle des Liederbuches an ... . Sein Platz ist jetzt der 2. unter den Weisen an der Westseite.

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5, Yen-khieu oder Tseu-yeu.

aus Lu, aus demselben Clane wie die vorigen, nach dem Kia-iü 29 Jahr jünger als Confucius» Er besass Talente (Tsai) und erhielt einen Namen durch seine Verwaltung, mit der Confucius aber nicht einverstanden war. Er war nach dem Sse-ki Beamter (Tsai) unter Ki-schi. Ltin-iü 5, 7 fragt Meng-wu-pe (im Sse-ki Khi-kang-tseu) Confucius nach ihm. Confucius sagt: Khieu ist fähig erster Beamter zu sein in einer Stadt von 1000 Häusern (d. i. Khing und Ta-fu) oder über 100 Kriegs- wagen zu befehlen, aber was seine Humanität (Jin) betrifft, da weiss ich nicht. 6, 6 fragt Ki-kang Confucius, ob er geeignet sei, zu einer Beamten- stelle? Confucius sagte warum nicht, sein Talent macht ihti wohl geeignet dazu; 14, 13 rühmt er seine Geschicklichkeit in den Künsten. Lün-iü 11, 12 sagt Confucius, wie schon bemerkt, Yen-yeu und Tseu- kung zeigen eine weiche Nachgiebigkeit. Lün-iü 6, 10 sagt Yen-khieu: nicht dass des Meisters Lehre mich nicht erfreute, aber meine Kraft reicht dazu nicht hin. Confucius erwiedert ihm aber, die deren Kraft nicht ausreiche, giengen (wenigstens) halbweg's und liessen dann nach, aber er stelle sich nur so ; er gab offenbar dem Ki-schi zu viel nach.

4 seiner Schüler sollten Confucius einst offen ^ ihre Herzensmeinung sagen, da meinte Yen-yeu oder Khieu nach Lün-iü 11, 25, wie schon oben angeführt, wenn er ein Land von 60—70 oder 50 60 Li zu verwalten habe, so wolle er binnen 3 Jahr6 schon bewirken, dass das Volk hinreichende Hilfsmittel besitze; aber ihm die Bräuche und die Musik beizubringen, das müsse er einem höheren Manne überlassen.

Nach Lün-iü 3, 6 tadelte Confucius Yen-yeu schon, dass er Ki-schi nicht abgehalten habe, dem Thai-schan (Berge) zu opfern, (was nur den Fürsten zukam) und als er erwiederte: ich vermochte es nicht, sagte Confucius : Oh das zeigst , dass du weit unter Lin-fang bist , der nach § 4 die Wichtigkeit der Ceremonien erkannte. Noch viel stärker äusserte Confucius sich im Lün-iü 11, 16 über ihn: Ki-schi war reicher als Tscheu-kung einst, Khieu war sein Steuereinnehmer und vermehrte noch seine Einnahmen, Confucius sagte: dieser ist nicht mein Schüler,

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. I. Abth. 2 3

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Kinder, ihr könnt ihn austrommeln. Dasselbe erzählt Meng-tseu IV, 1, 14; statt Ki-8chi auf den Weg der Tugend zu leiten, hatte er seine Abgaben verdoppelt, und noch ausführlicher Tso-schi Ngai-kung Ao. 12, f. 21, S. B. B. 27 S. 151; s. die Stelle Abth. IV. bei Abgaben.

Nach diesem wird man sich nicht wundern, wenn Confucius 11,23 auf die Frage von Ki-tseu-jen, ob Tschung-yeu und Yen-khieu grosse Beamte (Tatschin) seien, erwiedert: ich dachte, du hättest etwas besonderes (J) gefragt, du fragst aber nur nach Yeu und Khieu! . Ein grosser Beamter dient seinem Fürsten nur nach dem rechten Princip (i-tao); kann er das nicht, so tritt er zurück (lässt er ab, tschi)» Yeu und Khieu können nur gewöhnliche Beamte (Kiün-tschin) heissen. So werden sie ihm (in Allem) folgen ? nein, erwiederte Confucius, einen Vater oder Fürsten zu tödten, darin werden sie nicht mit ihm gehen.

Nach Lün-iü 16, 1 wollte Ki-schi die Stadt Tschuen-yü einnehmen. Yen-yeu und Ki-lu besuchten Confucius und sprachen: Ki-schi hat etwas mity Tschuen-yü vor. Confucius sagte : Khieu ist das nicht dein Fehler? Die früheren Kaiser machten Tschuen-yü zum Herrn von Ost (Tung) mung, indessen liegt es mitten innerhalb des Gebietes unseres Lehnreiches; da ihr Diener der Landesgötter (Sche-tsi) seid, wie mögt ihr es angreifen? Yen-yeu sagte : unser Herr (Meister, Fu-tseu) wünscht es ; wie sollen wir seine beiden Diener es dann nicht wünschen. Confucius sprach: Tscheu* jin hat ein Sprichwort, kannst du deine Kraft (Talent) anwenden, so übernimm ein Amt, kannst du es nicht, so lasa ab davon; ist ein Mann in Gefahr zu fallen und mr>n kommt ihm nicht zu Hilfe, oder fällt einer und man hilft ihm nicht auf, wozu nützen ihm dann die Beistände ? Eure Reden sind verkehrt (irrig); wenn der Tiger und Rhinoceros aus ihrem Käfig herauskommen und die Schildkröten- Schaale und den Jaspis mitten im Behälter vernichten, wessen Schuld ist das? Yen-yeu sagte: Tschuen-yü ist stark befestigt und nahe bei Pi, nehmen wir es jetzt nicht, so wird es in den folgenden Zeiten Söhnen und Enkeln viel Kummer (Sorge) bereiten. Confucius sagte: Khieu ! der Weise hasst solche Heuchelei, das Verbergen seiner wahren Wünsche unter falschen Vorwänden. Ich Khieu habe gehört, dass die Reiche und Familien besitzen nicht bekümmert sind ob ihres wenigen (Volkes), aber bekümmert sind, dass nicht gleichmässig jeder das Seine

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erhält, dass, sie nicht bekümmert sind ob der Armuth, aber wohl bekümmert sind, dass nicht Ruh und P'riede herrschen, denn wenn

^ jeder seinen gleichen Theil erhält, herrscht keine Armuth ; wo Harmonie ist, da ist nicht weniges Volk; wo Ruhe und Friede ist, da ist kein Umsturz; wenn dem nun so ist und ferne Leute sich euch nicht unter- werfen , so übt (bildet) aus euren Tugend - Schmuck (Wen), dass sie herbei kommen; kommen sie herbei, so schafft ihnen Ruhe und Friede (Ngan). Jetzt steht ihr Yen und Khieu eurem Meister als Gehilfen ziir Seite; die fernen Menschen unterwerfen sich nicht und vermögen nicht zu kommen, euer Reich ist zerrissen, im Einsturz und Verfall begriflFen und ihr vermögt es nicht zu erhalten und ihr rathet (denkt darauf), Schilder und Lanzen innerhalb des Reiches in Bewegung zu setzen; ich fürchte, dass Ki-sün's Kummer nicht Tschüen-yü ist, sondern dass er innerhalb der Mauern seiner eigenen Stadt liegt. Der Kia-iü 41 f. 8 hat noch eine Geschichte von ihm. Der Minister von Thsi Kue-schu griflF Lu an, Khi - kang-tseu von Lu sandte Yen-khieu, die Linke des Heeres zu führen und gab ihm Fan-tschi als Führer der Rechten, aber er vermochte nichts (nicht Alles), es fehlte dem Volke an Vertrauen (Sin). Er bat in drei kurzen Abschnitten überzusetzen über den Graben und die Menge folgte ihm, das Heer drang auf Thsi's Heer ein; Thsi's Heer floh, Yen-yeu bediente sich der Lanze, daher konnte er eindringen. Als Confucius das hörte, sagte er: so ist es recht. Nachdem der Kampf zu Ende sagte Ki-sün zu Yen-yeu; hast du den Krieg gelernt oder verstehst du ihn von Natur? Er erwiederte: ich habe ihn gelernt. Ki-sün sagte: ob er Confucius dienend von ihtn gelernt habe? Yen-yeu sagte : der, von dem er gölernt habe sei Confucius, Confucius ein grosser Heiliger, der nichts nicht (Alles) umfasse, Literatur und Krieg (Wen- wu, vielleicht auch Wen-wang und Wu-wang); beider bediene er sich. Alles durchdringe er. Er habe von ihm die Gesetze des Kampfes

. vernommen, aber noch nicht ganz sie durchforscht. Ki-sün war darüber erfreut. Fan-schi meldete es Confucius und Confucius sagte: kann Ki-sün sich darüber freuen, dass Jemand eine Fähigkeit hat; das ist Bestimmung.

Yen-khieu veranlasste übrigens, wie schon erwähnt, bei Ki-sün Confucius Zurückberufung nach Lu unter Ngai-kung, nach Kia-iü

* 23*

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Cap. 5 f., 8 V., vgl. I-88e86, 1 f. 2*8 v. u. Sse-kiB. 47 f. 22 v.; s. oben im Leben des Confucius. Tseu-yeu's angebliche Unterhaltung mit Ngai-kung: wie jeder Mensch den nöthigen Stoff dazu habe und wenn er nur studire ein Weiser werden könne bei Han-schi üai-tschuen im I-sse 95, 3, 3, s. Abth. IV. bei Studium.

In diese Zeit fällt wohl die Anekdote Lün-iü 13. 14: Yen-yeu kehrte vom Hofe (mit Ki-schi) zurück. Confucius sagte: wie kommst du so spät ? Er erwiederte und sprach : es gab Regierungsgeschäfte (Tsching). Confucius erwiederte: es habe wohl seine Privatangelegenheiten betroffen; wären es Regierungsgeschäfte gewesen, so hätte ich, obwohl ich jetzt nicht gebraucht werde, doch davon gehört. Eine Charakteristik Yen- khieu's gibt Tseu-kung im Kia-iü Cap. 12 f. 4, darnach Legge S. 116. Nicht fürchtend (nan), nicht erschreckt (sung), ausbreitend und zeigend seinen Muth, stark im Kriege, übertraf die Ausschmückung (Wen) nicht seinen Grundstoff. Ehrerbietig gegen die Greise, gütig gegen die Jugend, vergass er nicht die Schaar der Gäste, liebte tief (gründlich) zu studiren, geschickt untersuchte er die Dinge mit Sorgfalt, so war der Wandel Yen-khieu's. Confucius auf dieses Urtheil sich stützend sagte: liebt einer zu studiren, so hat er Einsicht (Tschi), hat einer Mitleid mit den Waisen, so ist er barmherzig (hoei), hat er Ehrfurcht, so nähert er sich der Artigkeit (Li); zeigt er Sorgfalt, so setzt er Yao und Schün fort, zeigt er viel Ehrerbietung, so kann er das ganze Reich regieren.

Wie Confucius nach dem verschiedenen Charakter seiner Schüler ihnen verschiedene Antworten gab, zeigt Lün-iü 11, 21, auch im Sse-ki. Als Tseu-lu ihn fragte: wenn etwas zu thun sei, ob er das gleich ausführen müsse ? erwiederte Confucius ihm : da dein Vater und älterer Bruder noch am Leben sind, wie möchte er da, wenn er von etwas höre , es (sofort) ausführen ? Als Yen-yeu ihm dieselbe Frage that, sagte Confucius: sofort. Kung-si-hoa stellte ihn wegen dieser verschiedenen Antworten zur Rede. Confucius erwiederte aber: Khieu geht langsam vorwärts , drum trieb ich ihn an ; Yeu (Tseu-lu) ist rasch ; drum hielt ich ihn zurück. Der Kia-iü Cap. 38 f. 1 v. bezieht sich auch darauf. Der Kia-iü Cap. 30 f. 14 hat noch eine angebliche Unterhaltung Yen-yeu's mit Confucius über die San (3)hoang und ü-ti (5 Kaiser),

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wie unter diesen die 5 Strafen noch nicht vorgekommen seien. Wir werden darauf in Abth. IV. bei den Strafen zurückkommen. Die angebliche Unterhaltung Yen-yeu's mit Ngai-kung von Lu bei Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 3, 3, dass durchaus das Studium nöthig sei und nicht bloss die Substanz, wie auch ein guter Edelstein polirt werden müsse, bezweifelt schon der Scholiast, da sie auf die Zeit von Thsin-schi Hoang-ti hinweise. Seine Aeusserung über Fasten bei den Opfern im Kia-iü Cap. 44 f. 29 s. in Abth. IV. bei Opfer. Confucius angebliche Unterhaltung mit Yen-Khieu bei Tschuang-tseu im I-sse 95, 3 f. 3 V., ob es einen Weltanfang gab s. b. Religion Abth. IV. Nach Biot Mem. des scavants etrang. Ser. I. p. 29 soll Tseu-yeu der Verfasser des Cap. Li-yün 9 im Li-ki sein. Er nimmt jetzt nach Legge I. Prol. p. 116 den 3. Platz im Westen unter den Weisen ein.

6. Tschung-yeu oder Tseu-lu, auch Ki-lu im Lün-iü 5, 25 und 16, 1; sonst ist diess ein anderer, unten Nr. 22.

Nach dem Sse«ki und Kia-iü aus dem Distrikte Phien in Lu vom Lande so auch Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 3 f. 3, und 9 Jahr jünger als Confucius, erlangte seinen berühmten Namen durch seine Tapferkeit (Yung), seine Stärke (Li) und sein Geschick in der Verwaltung. Der Kia-iü 38 f. 1 v. sagt, er hatte Tapferkeit, (Muth) Kraft, Talent und Geschicklichkeit zum regieren (verwalten der Ange- legenheiten), sein Ruhm breitete sich aus, er zeigte Energie, Stärke, Geradheit, war aber von Natur beschränkt und drang nicht durch beim Unterscheiden. Aehnlich der Sse-ki B. 67 f, 4: von Natur beschränkt liebte er Tapferkeit und Stärke. Seine Absicht ging gerade vorwärts (Khang-tschi). Auf seiner Mütze trug er eine Hahnenfeder, an seinem Gürtel hing ein Ferkel (Thün, beide Zeichen des Muthes). Nach Lün-iü 11^ 12 erschien er fest und kühn in seinem Auftreten. Auf die Frage von Meng-wu-pe, ob Tseu-lu human sei, äusserte Confucius Lün-iü 5, 7 und Sse-ki f. 5. dagegen: das weiss ich nicht. Wiederum gefragt, sagte Confucius: Er ist im Stande die Militärmacht eines Reiches von 1000 Streitwagen zu befehligen, seine Humanität (Tugend) kenne ich aber nicht. Wir sahen schon, wie er im Gegensatze des vorigen Yen-

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yeu sehr rasch in seinen Unternehmungen war. Diess zeigte sich bei dem Vorfalle Lün-iü 5, 6. Confucius, am Erfolge verzweifelnd, äusserte sich: das Prinzip geht nicht, ich will ein SchiflF besteigen und in See gehen, der den Muth hat mit mir zu gehen ist Yeu. Als Tseu-lu das hörte, war er erfreut. Confucius aber sagte: Yeu du bist muthiger als ich, aber es fehlt dir an Urtheilskraft. Confucius äusserte sich daher Lün-iü 7, 10 auf Tseu-lu's Frage, wenn er mit einer grossen Armee ausziehe, wen er dann mitnehmen würde? einen Mann, der ohne Ursache einen Tiger plötzlich angreife oder durch einen Fluss wate und ohne Bedenken sein Leben in Gefahr setze, mit einem solchen werde er nicht gehen; er verlange einen, der vorsichtig seine Sachen führe, einen guten Plan entwerfe und diesen dann ausführe.

Sonst zeigte er oft mehr Gewissenhaftigkeit und richtiges ürtheÄ als Confucius. So missfiel es Tseu-lu, wie wir im Leben des Confucius

sahen, nach Lün-iü 6, 26, als Confucius in Wei die Nan-tseu besuchte ebenso nach Lün-iü 17, 5 als Kung-schan-fo jao in Pe abfiel (einen Aufstand erregt hatte) und der ihn nun berief und Confucius geneigt war hinzugehen, war Tseu-lu wenig erfreuet und sagte: du kannst nicht gehen, wie kannst du zu Kung-schan gehen? Confucius sagte: er beruft mich. Confucius meinte: wenn er ihn brauche, mache ich nicht ein Ost-Tscheu daraus ? Ebenso sagte er nach § 7 als Pe-hi in Tschung-meu aufgestanden war und zu Confucius sandte: Ich habe von dir früher gehört, dass wenn einer sich schlecht beträgt (nicht gut ist) der Weise sich mit ihm nicht einlässt (ji), wie er denn zu diesem gehen möge? Confucius meinte, das sagte ich wohl, aber das Harte kann durch Reiben nicht vermindert, das Weisse nicht besudelt werden, wenn man es in den Koth thut, meinst du denn: ich wäre wie eine Wassermelone, (Phao-khua), die man aufhängt ohne sie zu essen ? Wie Tseu-lu Confucius zu Rede stellt, als er Minister in Lu geworden, dass er darüber so sehr erfreut sich zeige, Amiot p. 168 171, Kia-iü 2 f. 3 u. Sse-ki B. 47 f. 10 V. ist oben im Leben des Confucius schon erzählt.

Auf die Frage Ki-kang's ob Tschung-yeu für ein Amt geeignet sei, sagte Confucius nach Lün-iü 6, 6: gewiss eignet er sich zu einem Beamten, was sollte das für Schwierigkeiten haben? Tschung-yeu wurde dann auch Beamter (Tsai) unter Ki-schi. Auf diese Zeit geht Kia-iü

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44 f. 28 V. u. Li-ki 10 f. 23 fg., vgl. Amiot XIII. p. 31. Confucius sagte über sein Verhalten bei einem Opfer, wer wird sagen, dass Yeu die Bräucne nicht kenne? Tso-tschuen Ting-kung Ao. 12, I-sse 86, 1 f. 12 V. f. 22 fehlt bei .Pfizmaier B. 27 erzählt, wie Confucius Tseu-lu auftrug die Mauern der 3 Grossen in Lu zu zerstören; s. Confucius Leben. Sse-ki f. 5 fragte Ki-sün: kann Tschung-yeu ein grosser Beamter sein? Confucius sagte: er kann es; später wurde er Gouver- neur (Ta-fu) in Pu im Reiche Wei und seine gute \' er waltung dort wird gerühmt. Kia-iü c. 14 f. 12 v. 59, Han-schi im I-sse 95, 3 f. 10, Amiot f. 318 23. Confucius ürtheil über diese, siehe schon in Confucius Leben.

Als Confucius nach Lün-iü 5,25 mehrere seiner Schüler aufforderte, ihm ihre Herzenswünsche zu offenbaren , sagte Tseu-lu : ich wünsche Wagen und Rosse und schöne Pelzkleider zu haben, um sie mit meinen Freunden gemeinsam zu gebrauchen; sollte man sie mir aber wegnehmen, ßo würde ich dadurch nicht verletzt werden doch vgl. damit oben Tseu-lu's Aeusserung. Nach dem Kia-iü Cap. 10, 25, auch im I-sse 95, 3, 4 V. besuchte Tseu-lu Confucius im vollen Waffenkleide und zog sein Schwert, Confucius tadelte das aber und er legte es ab; es scheint nicht nöthig das ganze Geschichtchen weitläufig zu berichten. Ander- seits rühmt Confucius im Lün-iü 9, 25 ihn: Yeu ist ein Mann, der in gemeiner Tracht und in zerrissenen Kleidern neben Männern in Pelz obenan sitzen kann, ohne sich zu schämen, weder anstössig noch hab- gierig, wie kann der lasterhaft sich betragen? Tseu-lu wiederholte (erfreut) immer diese Worte (indess ohne in der Tugend Fortschritte zu machen); da bemerkte Confucius ihm aber, ob das genügend sei für tugendhaft zu gelten. Lün-iü 11, 14 äusserte Confucius einmal, wie passt Yeu's Harfe (mit ihren rauhen Tönen) zu meinem Thore (meiner Schule) ; als nun die andern Schüler ihn desshalb gering achten wollten, sagte Confucius: Tseu-lu ist bis zur grossen Vorhalle (Tang) hinauf- gestiegen, aber noch nicht in das Haus (die innere Kammer der Wissen- schaft) eingedrungen.. Der Sse-ki wiederholt beide Aeusserungen.

Nach Lün-iü 11, 24 und Sse-ki f. 18 v. machte Tseu-lu Tseu-kao fnoch ehe er studirt hatte) zum Statthalter (Tsai) von Pe. Confucius

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sagte : Du hast eines Mannes Sohn Schaden gethan (ihn hindernd sich erst auszubilden). Tseu-lu erwiederte : er hat das Volk zu regieren und die Altäre der Geister von Land und Korn (Sche-tsi) eu beaufsichtigen, muss er erst Bücher lesen, bevor er das gelernt hat? Confucius erwiederte: ich hasse das Geschwätz (Ning). Wir haben schon bei Yen-khieu erwähnt, wie Confucius Yung-yeu und Yen-khieu allerdings för keine grossen Staatsmänner hielt. Der Gegensatz Tueu-lu's gegen den Meister aber auch gegen seine Mit- schüler Tseng-si, Yen-yeu und Kung-si-hoa spricht sich Lün-iü 11, 25, vgl. Amiot p. 135 aus. Als sie einst zur Seite des Confucius sassen, forderte Confucius sie auf, obwohl er etwas älter sei unbefangen ihre Ansichten auszusprechen. Tseu-lu erwiederte leichthin und rasch, sende naich hin in ein Land von 1000 Streitwagen, das zwischen zwei mächtigen Reichen liegt, um es zu regieren und von grossen Heeren bedrängt auch unter einer Hungersnoth leidet, und in drei Jahren, mache ich es (dessen Volk), zu einem tapfern und flösse ihm den Sinn der Gerechtigkeit ein. Confucius lächelte. Als die drei Schüler hinausgangen waren, fragte Thseng-si: warum er gelächelt habe? Confucius erwiederte: ein Land muss durch die Bräuche (Li) regiert werden, seine Sprache war nicht bescheiden und nachgiebig, darum lächelte ich. Lün-iü 17. 22 und daraus Sse-ki 67 f. 4 v. fragt Tseu-lu Confucius , ob der Weise die Tapferkeit hoch schätze. Confucius erwiederte ihm: die Gerechtigkeit sei diesem das Wichtigste; Tapferkeit (Muth) ohne Gerechtigkeit führe einen Mann in höherer Stelle nur dazu Unruhen zu erregen, einen in unterer Stellung mache es zu einem Käuber. Auf Tseu-lu's Frage, was er dem Fürsten von Wei zuerst lehren müsse, wenn er ihm eine Anstellung gäbe, erwiederte Confucius: seinen Charakter auszubilden und als Tseu-lu nach Lün-iü 13, 3 seine Ver- wunderung über diese Antwort ausspricht, sagt Confucius ihm : Yeu, du bist ein Bauer, der Höhergebildete spricht nicht rasch und kopflos ab, (wie er eben gethan habe) in Sachen, die er nicht versteht. Con- fucius weitere Auseinandersetzung dann werden wir in Abth. IV. im Abschnitte von der Regierung bringen, sowie auch dessen Aeusserung 13, 1 und im Sse-ki f. 4. Sonst rühmt Confucius Lün-iü 12. 12 ihn: wer mit einem halben Worte Streitigkeiten schlichten kann, ist Yen, denn

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er verfuhr entschieden und prompt. Meng-tseu II, 1, 8, 1 (I. 3, 8) rühmt Tseu-lu, wenn einer ihm seine Fehler sagte^ war er erfreut.

Andere Aeusserungen des Confucius^ die Tseu-lu durch seine Fragen nur veranlasste, wie Lün-iü 5, 15 und Kia-iü 37 f. 29 v. über das Betragen von Ar en und Reichen, 13, 28 wer unterrichtet zu nennen sei, 14, 13r l 42 wer ein vollendeter Mann, 14, 22, wie ein Fürst zu bedieien sei, werden wir besser in der folgenden Abth. IV. mittheilen. Ebenso seine Aeusserung über Pietät bei Han-schi-wai tschuen im I*sse 95 3 f. 8 und im Kia-iü 22 f. 34 v.; dann die Antwort auf seine Frage, ob der Weise auch Kummer habe; ebenso Kia-iü 20 f. 30, Siün-tseu und Schue-yuen im I-sse B. 95, 3 f. 6 Tseu-lu's Tseu-kung's und Yen-hoeis verschiedene Antworten, was sie thun würden, wenn sie gut gegen einen und der nicht wieder gut gegen sie sei; Han-schi wai- tschuen im I-sse 95, 1 10 v., ob der Weise sich ducke, Kia-iü Cap. 37 f. 29 v.; Confucius Antwort auf seine Frage was Kuan-tschung für ein Mann war Kia-iü 8 f. 18 v. und Schue- yuen 95, 3, 7, s. schon oben.

Die Anekdote von Tseu-lu Lün-iü 18, 7, der dem alten Manne begegnet, als er einst hinter Confucius zurückgeblieben war und zwei Weisen, die sich zurückgezogen hatten und den Feldbau trieben im Lün-iü 18, 6 haben wir schon im Leben des Confucius angeführt. Wie, als Confucius und seinem Gefolge in Tschin die Lebensmittel abgeschnitten waren, so dass dieses erkrankte und nicht mehr aufstehen konnte, Tseu-lu nach Lün-iü 15, 1, vgl. Kia-iü 20 f. 29 v. Amiot p. 243 unwillig ausrief: darf ein Weiser so Noth leiden, Confucius ihm aber erwiedert: Der Weise beherrsche sich auch im Missgeschicke, der gemeine Mann lasse sich zu einer üblen Aufführung verleiten, ist auch schon im Leben des Confucius erwähnt. Tseu-lu's Charakteristik eines vollkommenen Sse (Cl. 33) bei Han-schi wai-tschuen im I-sse 95. 3 f. 7) V. fg , 8. in Abth. IV.

Wie er wegen Confucius befragt, nicht antwortet Lün-iü 7, 18 und Confucius Aeusserung über sich bei der Angelegenheit, werden wir eben da bei den Urtheilen über -Confucius besser anführen»

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. I. Abth. 24

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Wie er Confucius Lün-iü 7, 34 bat zu beten, zeigt seine gewöhnliche Religiosität. Confucius Antwort wird unterdessen bei seinen die Religion betreffenden Aeusserungen besser angeführt werden. Wie Tseu-lu die Opfergebräuche gut kannte nach Confucius im Kia-iü 44 f. 28 v. und Li-ki 10 f. 23 v. s. auch Abth. IV bei Religion. In seiner schweren Krankheit schickte nach Lün-iü 9, 11 Tseu-lu ihm einen Schüler als Amtsdiener; als Confucius etwas besser war, sagte er: wie lange wirst du Yen fortfahren zu irren; ich bin nicht im Amte und soll einen Amtsdiener haben, heisst das nicht den Himmel beleidigen; lieber unter den Händen meiner Schüler, als unter denen dieses sterben.

Der Kia-iü hat noch manche Anekdoten, welche Tseu-lu betreffen. Die chronologische Folge ist nicht leicht herzustellen; wir wollen daher die Folge im Kia-iü beibehalten.

Nach Kia-iü Cap. 8 f. 19 v. fg. und auch im Schue-yuen nach den Schol. des I-sse 95, 3 f. 8 v., vgl. Amiot Mem. T. XHI. p. 32 fg. besuchte Tseu-lu Confucius und sagte: als ich jung war, ging ich weit; wählte mir nicht das Land aus, um ruhig zu Hause zu sein. Da meine Eltern arm und alt waren, suchte ich nicht Einkünfte und ein Amt. Einst diente ich (Yen) beiden Eltern; lange Zeit über ass ich beständig nur grobe Bohnen (Kost, Li-ho); für meine Eltern trug ich Reis 100 Li (chinesische Meilen) weit her. Als meine Eltern gestorben waren, reisete ich nach Süden bis Tshu; es folgten mir 100 Wagen und ich sammelte 10,000 Mass (Tschung) Reis in der Hülse (So). Ich legte doppelte Matten auf den Wagen (Lui-yü), um darauf zu sitzen und ordnete die Dreifüsse für die Speise. Ich wünschte wohl wie vorher die grobe Kost (Bohnen) zu essen und meinen Eltern den Reis zu bringen, konnte es aber nicht wieder erlangen. Die folgende Stelle ist mir nicht klar. Beider Eltern Alter vergessen , ist wie bei einem Riss (Khia) vorbeigehen. Confucius sagte: Yeu, seinen Eltern dienen, heisst so lange sie leben, seine Kraft erschöpfen, wenn sie gestorben sind , beständig ihrer gedenken (das Denken an sie erschöpfen).

Eine zweite Anekdote ist im Kia-iü Cap. 8 f. 20. Als Confucius

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nach Than^) (ein kleines Reich), ging begegnete er Tsching-tseu auf dem Wege und hielt den Wagen an. Den ganzen Tag mochte er ihn ansehen und sagte zuTseu-lu: Nimm das Bündel Seidenzeug und bringe es dem Lehrer dar. Tseu-lu erwiederte bewegt (respektvoll, sio): ich (Yeu) hörte, dass ein Sse .bei einer Heirath nicht ohne Heirathsver- mittlerin die Frau sieht und ein Weiser unterwegs keine Ceremonien macht. Confucius sah ihn an und sprach zu Tseu-lu; Tseu-lu aber antwortete wie zu Anfange. Confucius sagte: Yeu, sagt das Lied Schi-king I, 7 20. nicht, es ist ein guter (schöner) Mann da, rein (schön) sind seine Augenbrauen (tshing yang) und er ist nachgiebig (yuen hi); unerwartet begegneten wir uns (hiai heu siang iü) und er begegnete (entsprach) meinem Wunsche (Verlangen) (ti ngo, yuen hi). Jetzt ist Tsching-tseu ein weiser Sse im Reiche, wenn ich ihm kein Geschenk mache, kann ich mein Lebenlang ihn nicht sehen ; gehe mein Sohn hin.

Wie Tseu-lu Confucius zur Rede stellt, nach Kia-iü 8 f. 17 v., als er von einem ein gemeines (irdenes) Gefäss mit geringer Speise annimmt, erwähnten wir schon in Confucius Leben.

Kia-iü 9. f. 24 erzählt: Tseu-lu besuchte Confucius in voller Tracht (Tsching-fu). Confucius sagte: Yeu, das ist Hochmuth (Kiü). Hochmuth was ist das? Der Kiang Fluss beginnt herauszutreten aus den Min- Bergen, seine Quelle kann übertreten (überfliessen) und überströmen bis er an die Fürth des Khiang kommt und wenn kein Floss da ist und das Schiff den Wind nicht meidet, kann man nicht übersetzen (durchwaten), weil das Wasser abwärts sehr unregelmässig fliesst. Jetzt ist dein Anzug (I-fu) voll, deine Haltung (Yen se) hoch (gefüllt, tschung yng), wer im ganzen Reiche ist nicht gewillet, dich zu ermahnen. Der Text ist hier lückenhaft. Tseu-lu eilte hinaus, wechselte die Kleider und trat dann (wieder) ein. Confucius sagte: Yeu, du verstehst es, ich ermahnte dich. Du bist heftig (rasch, fan) in Worten; das ist (blosse) Blüthe, (ohne Frucht); du bist heftig (rasch) im Handeln, das heisst (selbst) angreifen. Ein Aeusseres voll Einsicht und dabei das Vermögen haben (Yeu neng tsche) ist' (die Sache) eines kleinen Menschen (Un weisen).

1) Im 17. Jahre Tschao-kung's von Lu 525 sah Confucius den Fürsten von Than am Hofe zu Lu; 8. Tso-tschuen S. B. 25. S. 79.

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Wenn daher der Weise etwas weiss, heisst er einsichtsvoll; spricht er, so stimmt man ihm bei (yao); kann er etwas nicht, so sagt er: ich kann es (das Aeusserste) nicht ausführen; erklärt er sich zustimmend, dann weiss er, dass er das Aeusserste ausführen kann ; übt er es dann, so ist er human Q'in, gut). Wo Humanität und zugleich Einsicht ist, wie sollte das nicht genügen!

Nach Kia-iü Cap. 9 f. 24 v. fg. fragte Tseu-lu Confucius und sagte : Wenn einer im Schlafgewande (Pe) wäre und Strümpfe aus Hanf (Haar- tuch) hätte und bergte darin einen Jaspis, wie wäre das? Confucius sagte: wenn im Reiche die rechten Principien (Tao) nicht walten und er verbirgt ihn, so geht das; herrscht aber im Reiche die rechte Ord- nung (Tao), so trägt er seine gehörige Robe und Mütze und (steckt) daran den Jaspis.

Die Anekdote aus Kia-iü Cap. 10 f. 25 hat auch Amiot T. XIII. p. 29 fg. Tseu-lu besuchte^ Confucius im Kriegskleide (Jung-fu), zog sein Schwert, machte den Kriegstanz (Wu) vor ihm und sagte, ver- theidigten (Wei), denn die Weisen des Alterthums sich auch so mit dem Schwerte? Confucius erwiederte: die Weisen des Alterthums machten aus der Redlichkeit (Tschung) ihre Substanz (Tschi), aus der Humanität ihre Schutzwaffe (Wei). Sie traten nicht aus einem Hause mit Ringmauern (Huan) und Planken und kannten doch was ausserhalb tausend Li (chinesichen Meilen) war. War einer nicht gut, so wandelten sie ihn um (besserten sie ihn) durch Rechtschaffenheit (Tschung); Räuber und Grausame festigten sie durch Humanität. Wozu das Schwert ergreifen? Tseu-lu sagte: nachdem ich (Yeu) jetzt diese Worte gehört habe, bitte ich die Ordnung halten zu dürfen (Schi-tsi) und die Belohnung zu empfangen.

Confucius Aeusserung gegen Tseu-lu über den Weisen (Kiun-tseu) im Kia-iü 10 f. 26 v. s. in Abth. IV, ebenso über die Festigkeit (Kiang) Kia-iü 10 f. 27 und über den Muth (Yung) Kia-iü 10 f. 26 v. Kia-iü 20 f. 30, auch bei Siün-tseu im I-sse 95, 3 f. 6 fragt Tseu-lu den Confucius, ob der Weise auch Kummer habe? A. nein. Con- fucius Antwort auf Tseu-lu's Frage, wie der Weise sich verhalte bei Reichthum und Armuth im Kia-iü 37 f. 29 v. und derselbe über eine Aeusserung Tseu-lu's über zu lange Trauer, siehe ebenda, letztere

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bei Trauer aus Kia-iü 42 f. 20 v. und Li-ki Tan-kuug 3 f. 8 v»; ebenso Kia-iü 42 f. 21 v. und Li-ki ib. f. 24; Kia-iü 42 f. 20 v. und Li-ki; 4 f, 72 und Kia-iü 37 f. 32 v. und Li-ki 4 f. 90.

Kia-iü 1 2 f. 3 v. charakterisirt Tseu-kung den Tschung-yeu (Tseu-lu) so: Einem Genossen (Pi-fu) zürnt er nicht, ausser wenn seine Person verloren ginge (gefährdet wäre). Er fürchtet nicht den Starken, der ihm entgegen tritt ; er verachtet (insultirt, wu) nicht den Bemittleidungs- werthen (King) und Verlassenen (Armen), seine Worte folgen (harmoniren mit, siün) der Natur, seine Residenz ist reich an Talenten, im Amte weiss er ein Heer zu führen (leiten); so ist Tschung-yeu's Wandel. Confucius stimmte damit überein und führt eine Stelle des Schi-king an.

Kia-iü Cap. 14 f. 8 v. fragt Tseu-lu den Confucius, wenn ein weiser Fürst das Reich regiere, was da das erste zu thun sei ? Confucius erwiederte: die Weisen zu ehren und gering zu schätzen die Un weisen. Tseu-lu erwiedert, die Familie Tschung-heng in Tsin (Ao^ 498) habe das gethan und sei doch zu Grunde gegangen; s. das weitere in Abth. IV.

Dann fragt er im Kia-iü Cap. 1 3 f. 8 v., auch im Schue-yuen im I-sse 95, 3 f. 6. V., vgl. Amiot Mem. T. XIII. p. 26 28 den Confucius nach Pe-hoa.

Kia-iü Cap. 19 f. 26, auch im I-sse 95, 3 f., bei Legge Prol. I, p. 116 mit vielen Auslassungen, besucht Tseu-lu Confucius. Confucius sagte: woran hast du Freude? (ju ho hao lo). Fir erwiederte: ich liebe sehr ein langes Schwert (Kien). Confucius sagte: darnach fragte ich dich nicht; sage nur was du vermagst, (wessen du fähig bist) und füge hinzu (mehre es) durch Studium und frage was dadurch erreicht werden kann. Tseu-lu sagte: das Studium, wie bringt das eine Mehrung (J) hervor? Confucius sagte: der Fürst, der seinen Diener nicht tadelt, verliert die rechte Richtung; der Sse, der seinen Freund nicht belehrt, verliert das Gehör (auf den hört man nicht). Der Kutscher (Yü), der ein störriges (khuang) Pferd hat, wählt der nicht die Peitsche (Tse)? wer den Bogen hält (Tshao), bedient sich der nicht des Instruments, ihn gerade zu machen (khing)? Wenn (an) das Holz die Richtlinie (Sching) empfängt (gelegt wird), dann wird es gerade; wenn ein Mensch einen Tadel (Mahnung) erhält, dann wird er ein Heiliger (Sching). Wer das Studium empfängt, (aufnimmt) und tief (tschung) nachforscht, wie wird der nicht folgsam werden? Zerstören die Humanität, hassen die Sse,

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diess führt (nähert der) zur Straf- (Justiz); der Weise (Kiün-tseu) kann nicht anders als muss lernen. Tseu-lu sagte: der Berg Nan-schan hat Bambu, die mit der Hand nicht gestreckt (gebogen) worden (jeu) und von selbst grade sind; man haut sie bloss ab und braucht sie (ohne weiteres). Sie durchdringen das Fell des Rhinoceros, was ist dazu das Studium nöthig? Confucius sagte: ja! aber wenn du ihn befiederst (kuo) und mit einer Pfeilspitze aus Metall ihn schärfst, dringt er da nicht tiefer ein? Tseu-lu verneigte sich ehrerbietig und nahm die Belehrung hin.

Der Kia-iü Cap. 19 f. 26 v. , auch im Schue-yuen 95, 3 f. 11, fährt fort : als Tseu-lu fortgehen wollte , verabschiedete er sich bei Confucius und der sagte: soll ich dich mit einem Wagen beschenken oder mit einem Spruche (Yen); Tseu-lu bat um einen Spruch und Confucius gibt ihm dann 5 Sprüche mit auf den Weg; s. diese bei den Maximen in Abth. IV.

Kia-iü Cap. 42 f. 18 v. heisst es: das Reich Tshu griflf (das Reich) U an, der Kung-yn (ein Beamter) Schang-yang mit einer Reihe (Schar, Tschin) ging davon und kehrte krank nach ü zurück; als das Heer ihn aber erreichte, gab er die Krankheit auf und sagte: es ist des Königs Sache (Geschäft); nun nimm den Bogen, du kannst es. Schang-yang nahm den Bogen in die Hand, that die Krankheit ab und sagte: du schiesse. Er schoss und tödtete einen Mann. Nachdem er dann den Bogen in's Gehäuse (Tschang) gethan, sagte er wieder: thu die Krankheit ab und er tödtete auch den zweiten Mann. Jedesmal tödtete er einen Mann. Plötzlich bedeckte er seine Augen und sagte zu seinem Kutscher: ich habe den Morgen nicht gesessen und keine Ruhe gehabt? drei Männer tödten ist auch genug dem Befehle nachzu- kommen (Fan-ming). Als Confucius das hörte, sagte er: auch in die Mitte der Menschen Tod bringen (tödten) hat seinen Brauch. Tseu-lu missfiel das (ärgerlich, Fei-yan); er trat vor und sagte: dass der Beamte Ordnung halte, (tschin tschi tsie) ist des Fürsten grosse Angelegenheit; mit Gewalt einen erreichen, ihn tödten und dann ablassen, was findet Meister Gutes daran? Confucius sagte: es ist so, wie du sagst; ich nahm nur an, dass er nicht ertragen konnte das Gefühl (Herz) einen Menschen zu tödten, das ist Alles. Tseu-lu über Tschang wu-tschung's

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Verhalten nach einer Niederlage und Confucius Erwiederung im Kiä-iü 42 f. 18 V., auch im I-sse 68 f. 2 v., s. Abth. IV, bei Krieg.

Der Sse-ki B. 67 f. 4 v. hat noch den Ausspruch: hatte Tseu-lu etwas gehört nnd vermochte es nicht auszuüben (hing), so scheute er sich, es gehört zu haben. Confucius sagte von ihm, der mit einem halben Worte (pien-yan) Processe schlichten kann, ist Yeu. Undeutlich ist mir die folgende Stelle über ihn Kia-iü 35 f. 25 v. fg. Confucius Aeusserung gegen Yen-yeu über Tseu-lu's Spiel s. Abth. IV. bei Musik.

Wir schliessen hieran noch einige Anekdoten im I-sse. Bei Kung- tschung tseu im I-sse 95, 3 f. 9 heisst es: Yen-tscheu-yeu diente gut seinen Eltern (Thsin). Tseu-lu erklärte ihn für recht (gut, i). Später kam Tscheu wegen eines nichtigen Vergehens (Fei-tsui) von der Gerechtig- keit ergriffen (tschi i) in Ungemach (nge). Tseu- lu bat mit Gold (Metall) ihn loszukaufen (scho). Die Leute billigten es und zwei, drei Schüler gaben das Gold (Metall) dazu her. Mit Tseu-lu ging er dann nach Wei. Einige sprachen zu Confucius und sagten: Der Leute ihr Geld nehmen, um loszukaufen einen Privatfreund, ist das recht (i)? Confucius sagte: Es ist recht ihn loszukaufen ; nimmt der Arme es aber von einem Freunde, so ist es nicht recht; wie sollte man das Geld lieben und einen Unschuldigen in schwere Strafe (yi) fallen lassen! Alle Menschen würden das nicht ertragen, um wie viel weniger die zwei drei Mitschüler bei Yen's Lieben (tsin). Das Lied (der Schi-king 1, 11,) sagt: er kann losgekauft werden; wenn auch hundert Leute das Geld, ausgeben, können sie einem Menschen das Leben erhalten und wäre es hundertmal so viel (pu), so schien es den Leuten des Alterthumes nicht (zu) viel (to). Darum war es der Wunsch der zwei und drei Schüler und Yeu hatte vollkommen Recht (tsching khi i), das verstehst du nicht!

Aus Liü-schi's l'schhün-thsieu hat der I-sse dann die Geschichte, Tseu-lu rettete eine Ertrinkende (ni). Deren Mann bot ihm einen Ochsen an und Tseu-lu nahm ihn an. Confucius sagte: Der Mann aus Lu hat jedenfalls eine Ertrinkende gerettet! Der Schue-yuen im I-sse 95, 3 f. 11 erzählt: Tsching-hoei studirte 3 Jahre unter Tseu-lu, Hoei's Achtung (Kung) und Ehrerbietung (King) hörten nicht auf. Tseu-lu fragte: Was ist die Ursache davon? Hoei erwiederte und sagte: Dein Diener (Tschin) hörte: Wer sie übt, ist zu vergleichen einem

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Vogel; nach Oben fürchtet er den Habicht (yng) und Falken (tschen), nach unten furchtet er Netze und Fallstricke (so). Der Menschen, die gut, sind wenige, der Schmeichler aber viele. Da seine Person (Leib) nicht stirbt, wie kennt er das Unglück (die Vernichtung, ho). Ein Verbrechen begeht er nicht und doch ist er in seinem 70. Jahre noch beständig in Furcht, dass sein ordentlicher Wandel unterbrochen werde (Khuei). Hoei erwartet desshalb voll Ehrerbietung und Achtung die grosse Bestimmung (Ta-ming, sein Loos) Tseu-lu verneigte sein Haupt und sagte: Du bist ein Weiser (Kiün-tseu)!

Aus demselben Schue-yuen im I-sse eben da ist dann die folgende Anekdote: Siang-tseu von Tschao sagte zu Confucius: Der Lehrer (sien- seng) sammelt (trägt, wei) den Stoff (Tschi), den Gebietern der Menschen, 70 Fürsten (Kiün) ihn zu zeigen und dringt doch nirgends durch. Nicht erkennen sein Zeitalter, zeigt doch keinen einsichtsvollen Weisen (kiün)! Des Lehrers Princip (tao) dringt doch sicher nicht durch! Confucius antwortete nicht. An einem andern Tage sah Siang-tseu Tseu-lu und sagte: ich fragte den Lehrer nach dem Princip, der Lehrer antwortete aber nicht: Es kennen und nicht antworten, ist es verbergen ; verbirgt man etwas, wie kann man da human (jin) sein? kennt er es aber nicht, wie kann er da ein vollkommener Weiser (sching) sein? Tseu-lu sagte: stellt man des ganzen Reiches (thien-hia) helltönendste Glocke auf und schlägt daran nur mit einem Stocke, wie kann sie da ihren Ton von sich geben ? Des Fürsten Anfrage an den Lehrer war die aber nicht wie das Anschlagen der Glocke mit einem Stocke?

Kindisch sind die zwei folgenden Anekdoten aus einem mir sonst nicht bekannten Werke Tschung-po-tschuen im I-sse eben da f* 11 v. fg. Tseu-lu und Yen-yuen badeten im Tschu-schui (einem Flusse, der in Schan-tung entspringt und sich in den Sse ergiesst) und sahen einen Vogel mit fünf Farben. Yen-yuen fragte desshalb Tseu-lu und der sagte: diess ist der blinkende, glänzende Vogel (Yung- yung tschi niao). An einem späteren Tage badete Yen-hoei mit Tseu-lu wieder im Sse-schui und sah den vorigen Vogel wieder. Wiederum fragte er: Yen kennst du diesen Vogel nicht? Tseu-lu sagte, es ist ganz derselbe Vogel. Yen-hoei sagte: wie hat denn ein Vogel zwei Namen? Tseu-lu sagte: Es ist wie beim Seidengewebe (sse-kiuen);

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kocht man es, so heisst es Phe, förbt man es, so heisst es Phi oder Hiang. Dass ein Vogel zwei Namen hat, ist das nicht passend (i)? Die zweite Anekdote ist diese: Confucius wollte in' s Gebirge reisen und sandte Tseu-lu Wasser zu holen. Er traf auf einen Tiger am Wasser, kämpfte mit ihm, ergriff seinen Schwanz, fasste ihn dann mitten an der Brust (hoai) and nahm darauf das Wasser. Zurückgekehrt fragte er Confucius: Wenn ein Sse erster Classe (Schang-sse) einen Tiger tödtet, wie macht er das ? Confucius sagte : Er ergreift ihn beim Kopfe ^) und ein mittlerer Sse? Confucius sagte: er ergreift ihn beim Ohre (Tso eul) und ein unterer Sse? Confucius sagte: er ergreift ihn beim Schwänze. Tseu-iu that den Schwanz heraus und warf ihn weg. Aergerlich (hoei) auf Confucius sagte er: Meister wusste, dass am Flusse ein Tiger war und sandte mich doch, da Wasser zu holen. Er wünschte, dass ich umkomme. Er barg im Busen eine steinerne Schüssel und wünsche sie nach Confucius zu werfen. Wiederum fragte er: Wenn ein oberer Sse^ einen Menschen tödtet, wie macht er es da? Confucius sagte : Er bedient sich der Spitze eines Schreibgriffels (pi tuan) und ein mittlerer Sse? Confucius sagte: Er bedient sich der Zungenspitze, (sehe tuan, einer spitzen Zunge) und ein unterer Sse? Confucius sagte: Er verbirgt eine steinerne Schüssel. Tseu-lu ging hinaus, warf diese weg und unterwarf sein Herz. Es sind diess offenbar erst später gemachte Geschichten. So auch noch andere in I-sse.

Wir haben noch das traurige Ende Tseu-lu's zu erzählen. In Wei waren nach Ling-kung's Tode Erbfolgestreitigheiten ausgebrochen, sein Erbprinz (Tai-tseu) Khuai-kuei verging sich gegen die Favoritin Nan-tseu. Die Strafe fürchtend, hatte er flüchten müssen. Ling-kung's Frau wollte nach des Fürsten Tode dessen Sohn Yng nun auf den Thron erheben, der weigerte sich aber, indem er sagte: Des Erbprinzen Sohn Tschi sei noch da und dieser folgte dann 12 Jahre 492 480 unter dem Namen Tschü-kung. Sein Vater Khuai-kuei weilte auswärts und konnte nicht in's Land hinein. Mit Khung-li in Verbindung erregte er Unruhen und griff mit ihm Tschü-kung an und dieser floh

1) Wir ziehen das Folgende etwas zusammen.

Abb. d. I. a. d. k. Ak. d. Wiss. XUI. Bd. I. AbtL 2 5

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nach Lu, worauf sein Vater eindrang und unter dem Titel Tschuang- kung 480 477 den Thron einnahm. Als Tschung-li die Unruhen erregte, war Tseu-lu Ta-fu in Wei und Gouverneur von Khung-li. Als er von den Unruhen hörte, eilte er herbei und begegnete Tseu-kao, (einem andern Schüler des Confucius und Grossen von Wei) , der zum Thore herauskam und entfloh. Er sagte zu Tseu-lu: Tschü-kung ist wegge- gangen und das Thor bereits verschlossen, du kannst dich auch ent- fernen, und brauchst den Fuss nicht in das Unglück zu setzen. Tseu-lu aber erwiederte: ich habe sein Brod gegessen; ich werde ihn in seinem Unglücke nicht verlassen. Tseu-kao ging dann weg. Ein Bote (Gesandter) ging in die Stadt, das Stadtthor öffnete sich und Tseu-lu zog mit hinein. Tseu-lu sagte: der Fürst (Erbprinz) bedient sich Khung-li's; ich bitte tödte ihn (abweichend Tso-schuen). Khuai-kuei hörte aber nicht auf ihn. Darauf wollte Tseu-lu den Thurm verbrennen, Khuai-kuei erschrack, stieg herab (hia), schleuderte einen Stein hinab und griff Tseu-lu an; er traf und zertrümmerte Tseu-lu's Hutband. Tseu-lu sagte: der Weise stirbt, aber seinen Hut lässt er nicht fallen; während er das Hutband zusammenknüpfte, fiel er (starb er). Nach Tso-schi trafen zwei Hausdiener des Nachfolgers Euei-i, die sich Tseu-lu entgegenstellten, ihn mit ihren Hellebarden, die Schnüre seiner Mütze wurden durch- schnitten und während er sie wieder zusammenknüpfte, w^urde er durch die Hellebarden der Gegner getödtet. Als Confucius von den Unruhen in Wei hörte, sagte er: ach! Yeu stirbt und er starb wirklich. Als er seinen Tod hörte, sagte er: seit ich Yeu kannte, habe ich kein böses Wort von ihm gehört. Indem Confucius nach Lün-iü 11, 12, auch Sse-ki f. 5 Tseu-lu's Festigkeit und Kühnheit hervorhob, sagte er schon vorher : Yeu wird keines natürlichen Todes sterben (Tseu-lu pu te khi sse). Eia-iü 43 f. 26, heisst es: als Tseu-lu und Tseu-kao in Wei Beamte waren, gab es die Unruhen (Nan, eigentlich Schwierigkeiten) von Khuai- kuei in Wei. Als Confucius, der in Lu war, das. hörte, sagteer: Tschai (Tseu-kao) wird ankommen (lai), Yeu (Tseu-lu) ist todt. Es kam denn auch ein Bote aus Wei und sagte: Tseu-lu ist todt (das folgende ist auch im Li-ki 3 f. 4 v.). Confucius beweinte ihn mitten im Thing (der Halle). Als Leute kamen, ihr Beileid zu bezeigen, verneigte sich der Meister. Als das Weinen vorbei war, trat der Bote hinzu und fragte nach der

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Ursache. Der Bote sagte ihm von der Salzlacke (hai), er befahl denen zur Rechten und Linken die Salzlacke zu bedecken und sagt«: wie werde ich leiden, das zu essen (letztere Worte fehlen im Li-ki). DerSchluss ist mir undeutlich. Lün-iü 7, 14 fragt Yen-yeu, ob Confucius auf der Seite des Fürsten von Wei sei. Tseu-kung fragt ihn nur indirekt : ob Pe-i und Scho-tsi tugendhafte Männer gewesen und nach seiner Antwort, urtheilt er dann: Confucius billige das Betragen des Fürsten nicht, B. Sse-ki 67 f. 5 v. fg» u. 37 f. 11 fg. Tso-schi Ngai-kung Ao. 15 f. 29, Amiot Mem. T. XIIL p. 34 fg. u. Pfizmaier, 41 S. 472 (S. 40) fg.

Eine Charakteristik Tseu-lu's (Tschung-yeu's) gibt Tseu-kung im Kia-iü Cap. 12 f. 3 v.

Tseu-lu's Tafel ist nach Legge jetzt die 4. im Osten nach denen der 4 Besitzern.

7. Tsai-iü oder Tseu-ngo.

Nach dem Kia-iü aus Lu , sein Alter ist unbekannt hatte nach Lün-iü 11, 2 und Meng-tseu II. 1, 2, 18, (I, 3, 2) Rednertalente und erhielt durch seine Beredtheit seinen berühmten Namen. Er war nach dem Sse-ki f. 7 Beamter (Ta-fu) in der Stadt Lin-tsai oder nach dem Kia-iü Lin-i in Thsi. Mit Tien-tschhang erregte er dort Unruhen und rottete 3 Clane (Tscho) aus. So weit der Sse-ki und Kia-iü. Confucius schämte sich seiner. Der Kia-iü setzt hinzu: Tien-tschhang war seinem Vater Tien-ke 485 in seiner Ministerstelle gefolgt.

Der Sse-ki B. 32 f. 25, S. B. 40 S. 692 fg. erzählt, dass, als Tseu- ngo 481 (unter Kien-kung Ao. 4) sich in Geschäften an den Hof begeben wollte, Tien-iü, ein Glied des Hauses Tien, einen Menschen tödtete. Er liess den Mörder festnehmen und trat beim Fürsten ein. Die Mitglieder der Familie Tien, die unter sich einig waren, machten den Wächter aber trunken, dass der Gefangene entkam. Tseu-ngo, der den Hass des Geschlechtes Tien fürchtete, beschwor mit ihnen einen Freundschaftsvertrag im Ahnentempel des Hauses Tschin (Tien). Tien* piao, ein Seitenverwandter des Hauses, trat in Tseu-ngo's Dienste und erlangte dessen Gunst. Tseu-ngo schlug ihm vor das ganze Geschlecht Tien zu vertreiben und ihn als das Haupt desselben einzusetzen; der verrieth aber seinen Anschlag dem Tien-nie und Tien-tschhang; sie

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drangen in den Pallast ein. Tseu-ngo^ der hinausgetreten war , kehrte in Begleitung einer Schaar Bewaffneter zurück und stürmte gegen das mittlere und grosse Thor des Pallastes, da er aber nichts ausrichtete, verliess er die Hauptstadt, von dem Geschlechte Tien verfolgt. Die Bewohner von Fung-kieu nahmen ihn aber fest, meldeten es ihrem Gebieter und er wurde im Engwege Po getödtet* Es wird nicht gesagt, dass diess der Schüler des Confucius ist. Unser Tseu-ngo ist wohl nicht der Tseu-ngo, der hier im Sse-ki in Thsi im Kampfe mit Tien-tschang vorkömmt, dem er unterlag. Dieser hiess Khien-tschi, war aus Lu, der Fürst Kien von Thsi dort mit ihm bekannt geworden, hatte, als er zur Regierung gelangt war, ihn an die Spitze der Geschäfte in Thsi gestellt^ wie der Schol. des . Sse-ki B. 67 f. 7 bemerkt. Der Schue-yuen im I-sse 95, 2 f. 11 spricht indess von dem beständigen Kampfe Tien- tsching-tseu's, d. i. Tien-tsching's, mit Tsai-ngo und Legge Prol. 1 p. 117 nimmt ihn für unsern. Confucius im Lün-iü 11, 2 nennt Tsai-ngo unter den Schülern, die ihm nach Tsai und Tsching folgten. Nach Amiot M6m* T. XII. p. 338—346, 350 und 423 veranlasste er die Berufung des Confucius nach Tshu, indem er ihn Tschao-kung (515 488) anpries. Der Kia-iü Cap. 20 gedenkt dieser Berufung, aber ohne Tsai-iü's dabei zu erwähnen. Nach Kung-tschung-tseu im I-sse 86, 1 f. 20 v. schickt Confucius den Tsai-iü als Abgeordneten an Tshu Tschao-wang, s. seine Unterhaltung mit diesem^ als der König Confucius einen mit Elfenbein ver- zierten bequemen Wagen anbietet, aus Kung-tschung-tseu, auch im I-sse 86, 1 f. 20 V., s. schon in Confucius Leben 2. Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 2 f. 10 fg. spricht von Tsai-iü's Gesandschaft nach Thsi und dem Besuche des Confucius bei seiner Rückkehr.

Lün-iü 5, 9, auch im Sse-ki f. 7, heisst es: Tsai-iü schlief bei Tage, Confucius sagte : faules Holz kann man nicht schnitzen, eine Mauer aus Mist (Dreck) kann man nicht weissen, was soll ich den tadeln? Früher wenn ich im Verkehr mit Menschen sie reden hörte, glaubte ich, sie würden auch darnach handeln, aber jetzt, wenn ich der Leute Worte höre, muss ich erst ihre Thaten sehen; hat diese Aenderung bewirkt. Lün-iü 17, 20, auch im Sse-ki f. 6 v. und im I-sse 95, 2 f. 10 V. disputirt er mit Confucius über die dreijährige Trauer, er meint ein Jahr sei auch genug, wogegen Confucius eifert; s. Abth.

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IV. bei Trauer. Als er hinauBgegangen war, sagte Confucins: ist nicht tugendhaft. Lün-iü 3, 21 fragt Ngai-kung von Lu Tsai-ngo über die Sche-tsi, Götter des Feldes und Kornes; Gonfucius ist mit seiner Antwort nicht zufrieden s. Abth. IV. bei Religion. Der Sse-ki f. 7 führt noch an, dass er Gonfucius über die Kraft (Te) der 5 (alten) Kaiser (ü-ti) befragt habe. Diess geschieht im Kia-iü Gap. 23 ü-ti te, auch im Ta-tai Li-ki im I-sse 95, 2, 7 9; im Sse-ki antwortet Gon- fucius über die Kuei-schin (Manen und Geister) im Li-ki Gap. 24 Tsi-i f. 48 (19 p. 120) und Kia-iü Gap. 17, Amiot p. 276, s. bei Beligion und in meiner Abh. über die Religion der alten Ghinesischen I. S. 58 fg. Bei Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 2, f. 10 fragt er, was das Opfer Yu bedeute, das den 6 Verehrungswürdigen (Lo-tsung) dargebracht wird? 8. bei Religion. Ebenda f. 9 v. fragt Tsai-ngo nach den Weisen (Kifin- tseu), s. bei Weisen und Lün-iü 6, 24 legt er Gonfucius die spinöse Frage vor: wenn ein Mann in einen Brunnen gefallen sei, ob der Weise ihn retten müsse? Gonfucius erwiedert, wie sollte er! ein Weiser wird allerdings sein möglichstes thun, aber nicht mit Wegwerfung (Gefährdung) seines Lebens; was den Anschein von Vernünftigkeit habe, könne ihn täuschen, aber nicht was völlig unvernünftig sei. Gonfucius ürtheil über Tsai-ngo im Gegensatz von Tseu-iü im Kia-iü 19 f. 28 v. s. unten bei diesem. Tseu-ngo's Tafel ist nach Legge jetzt die 2. im Westen unter den Weisen.

8. Tuan-mo-sse oder Tseu-kung

aus Wei, 31 Jahr jünger als Gonfucius, hatte nach Lün-iü 11, 2 und Meng-tseu II. 1, 2, 18 (I. 3, 2 p. 41) seinen berühmten Namen durch seine Beredtheit. Eine Probe davon gibt . seine Gesandtschaftsreise.

Der Kia-iü Cap. 37 f. 29 y.~81 y. und der Sse-ki B. 67 f. 8—12, vgl. Amiot Mto. T. XU. p. 148 fg. haben eine sehr weitläufige Erzählung von einer Gesandtsohaft Tseu-kung* s an verschiedene Höfe. Der Kia-iä erzählt: Als Confucios in Wei war, hörte er, dass im Reiche Thsi Tien-tschhang Unruhen erregen wolle und er fürchte für die Familien (der Ta-fu von Thsi) Eao, Eue, Pao und Ngan ; so der Sse-ki : im Eia-iü fehlen die beiden ersten er wünsche daher seine Waffen zum Angriffe gegen Lu zu wenden. Confhcius versammelte seine Schüler und sagte zu ihnen: Lu ist Yater's und Mutter's Reich; wir müssen ihm zu Hilfe kommen; ich ertrage es nicht zu sehen, dass es angegriffen werde. Ich wünsche zu beugen (anzuhalten, Ehiü- tsie) Tien-tschhang und Lu zu Hilfe zu kommen. Meine 2 8 Einder, wen von euch sende ich dahin? Tseu-lu bat hingehen zu dürfen; aber Confudus willigte nicht ein. Tsen-tachang bat

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dann hingehen zu dürfen: er willigte auch nicht ein ; Tseu-schi bat ihn dann hingehen zu dürfen, aber er willigte wieder nicht ein. Nachdem die drei Schüler zurückgetreten waren, sagte Tseu-kung : Meister wünscht Tien-tschhang zu beugen, um Yater's und Mutter's Reiche zu Hilfe zu kommen. Die drei Männer (meine Mitschüler) baten hingesandt zu werden, erlangten es 'aber nicht hinzugehen. Ich werde die Zeityerhältnisse benützen und bitte hingehen zu können. Confucius willigte ein, dass er hingesandt werde und sofort ging Tseu-kung nach Thsi. Er sprach mit Tien-tschhang und sagte: jetzt wünschest du Verdienste (Sieg) zu erlangen über Lu. Das ist in der That schwer und nicht wie die Waffen gegen ü wenden ; das ist leicht. So der Kia-iü; der Sse-ki hat dafür: Wenn der Fürst Lu angreifen will, so ist das ein Fehler (Kuo); Lu ist schwer anzugreifen. Des Reiches (der Hauptstadt) Mauern sind dünne (gering) und unbedeutend; sein Land eng (hia) und beschränkt; sein Fürst dumm (yu) und inhuman; seine grossen Beamten falsch (täuschend, wei) und nicht zu brauchen; seine Sse (Beamten) und das Volk hassen die Waffenhandhabung, das kann (muss) man nicht angreifen. Das ist nicht, wie wenn der Fürst U angreift. U's Mauern sind hoch und dick; das Land weit und tief, die Panzer fest (stark) und neu, die Sse ausgewählt (siüon) und wohl genährt; die Geräthe gewichtig, ausgesucht (schön, thsing), seine Waffen-Fülle ist in seiner Mitte und es entsendet erleuchtete Ta-fn, es (das Land) zu bewachen. Diess ist leicht anzugreifen. Tien-tschhang wüthend (fen) verzog das Gesicht und sagte: was du schwer nennst, nennen die Leute leicht, und was du leicht nennst, nennen die Leute schwer; so belehre doch Tien-tschhang, wie das ist. (Für diess Alles hat der Kia-iü bloss Tien-tschhang war wenig befriedigt.) Tseu-kung sagte: (das Folgende im Wesentlichen bei Beiden). Dein Diener hörte: wer wegen des Innern besorgt ist, greift den Starken an; wer wegen des Aeussern besorgt ist, greift den Schwachen an. Jetzt ist des Fürsten Sorge wegen des Innern, ich höre, dass des Fürsten drei Lehen (Fung) alle drei nicht richtig sind (tsching) und die grossen Beamten nicht hören (auf seine Befehle); wenn jetzt der Fürst Lu zermalmt (pho), um Thsi zu erweitern, dann werden die Angreifenden und Siegenden (die Geschlechter Pao undNgan als Feldherrn), hochmüthige Herrn; durch des Reiches Zertrümmerung kommen die Diener (Beamten) zu Ehren und des Fürsten Verdienst (Sieg, Gewinn) ergibt sich nicht. Dann ivird der Verkehr täglich geringer mit dem Herrn. So zeigt der Fürst oben Hoch- muth und den Sinn (das Herz) eines Herrn, nach unten zeigt sich die Schaar der Beamten dissolut (tse); grosse Dinge auszuführen, ist dann schwer Wenn (nach) oben Hochmuth, so ist der Diener dissolut; ist der Diener (Beamte) hochmüthig, so streitet er, so hat der P^ürst nach Oben mit den Herrn Feindschaft (Streit, Khi), nach Unten sind die grossen Beamten mit einander im Streit. Diese Stelle des Sse-ki fehlt im Kia-iü; das Folgende haben Beide. So wird die Stellung (Kia-iü Würde) in Thsi gefährdet, daher sage ich: es ist nicht, wie ein Angriff auf U. Greift der Fürst IJ an und er siegt nicht, so sterben die Leute des Volkes draussen; die grossen Beamten drinnen gehen leer aus; so hat der Fürst nach Oben keine mächtigen Beamten als Gegner; nach Unten gibt es keine Excesse (Kuo) des Volkes; wer allein Herr ist, sie zu ordnen (regeln), das ist der Fürst. Diese Ausführung des Sse-ki fehlt wieder im Eia-iü. -- Tien- tschhang sagte: gut. Indess wenn ich erst meine Waffen durch die Macht vermehrt haben werde und dann Lu verlasse und gegen U ziehe, werden da die grossen Beamten daran zweifeln, (gegen mich unzuverlässig sein ) Kia-iü weicht etwas ab.

Tseu-kung sagte : lasse der Fürst die Waffen ruhen (ngan) und greife (Lu) nicht an (diess fehlt im Kia-iü.) Ich bitte, dass er seinen Diener (mich) gehen lässt und zum Könige von U , sende, ihm zu befehlen, Lu zu Hilfe zu kommen und Thsi anzugreifen; dann kann der Fürst darauf sich stützend, mit den Waffen ihm entgegen gehen. Tien-tschhang willigte ein und sandte Tseu-kung nach Süden, den König von U zu besuchen. Dieser sprach (zum König von U): Dein Diener hörte, ein König (Wang) vertilgt (schneidet) ein Geschlecht nicht (ab); der Kia-iü hat dafür vernichtet ein Heich nicht. ein Gewaltherrscher (Pa) hat keinen starken Gegner. Einem Gewichte von lOGO Tiao fügt er ein kleines Gewicht (Tschu, nur von 100 Kömern) hinzu und

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einen Liangr versetzt er. Jetzt hat Thsi 10,000 Streitwap^en , La für sich nnr 1000 Streitwagen Wenn jetzt U das Starke bekriegt (mit dem Starken streitet), so kann das dem Könige Gefahr (Kia-iü : Kummer) bringen ; eilt er aber La zu Hilfe, so erlangt er einen glänzenden Namen. Thsi angreifen, ist von grossem Yortheile (Nutzen); er berahigt so die Vasallenfürsten oberhalb des Sse Flusses, straft das grausame Thsi und unterwirft das Starke Tsin; kein Vortheil ist grösser. (Sein) Buhm ist es, das vergehende La besteht und das starke Thsi kommt in Wahrheit in die Enge. Der Einsichtsvolle kann daran nicht zweifeln.

U's König sagte , gut : Indess versuche ich (erst) mit Yue zu kämpfen ; ich brachte (es schon) zur Ruhe (Tse) za Hoei-ki abweichend ist der Kia-iü (im iü). Tue's König ist seitdem erbittert, unterhält (nährt) seine Sse (Krieger) und vergilt (pao) meine (Kia-iü U's) Gesinnung (Herz). Warte du, bis ich Yue geschlagen habe, dann will ich dich hören. Tseu-kung sagte; Yue's Stärke (King) übertrifft nicht die Lu's, U's Macht übertrifft nicht die Thsi's. Setze der König Thsi zurecht und greife dann Yue an, so wird Thsi auch Lu in Ruhe lassen. Dann wird des Königs Gegend (Land) Ruhm erlangen bei den Bestehenden und Vergehenden, den Fort- dauernden und Unterbrochenen. Aber das kleine Yue angreifen und das mächtige Thsi fürchten (der Kia-iü hat: bei Seite lassen), ist keine Tapferkeit. Der Tapfere meidet nicht die Schwierigkeit; der Humane lässt nicht in der Noth den Bedrängten (Yo, Gebundenen), der Einsichtsvolle verpasst nicht die (rechte) Zeit. Ein wahrer König (Wang) schneidet nicht ab (verkürzt) die Generation, um sein Recht zu etabliren. Statt dessen hat der Kia-iü : der Gerechte (i tsche) schneidet nicht ab die Generation. Wenn jetzt Yue bestehen bleibt, so werden die Vasallenfürsten (Kia-iü, das ganze Reich) darin deine Humanität erkennen ; wenn du Lu zu Hilfe kommst und Thsi angreifst, so wird die Ehrfurcht (Majestät) zunehmen ; das Reich Tsin und die Vasallenfursten werden gegenseitig herbei kommen, um U den Hof zu machen ; die Macht des Gewaltherrschers (Pa) ist vollendet. Wenn aber der König Yue hasst (nach den Schol. fürchtet), so bittet dein Diener nach Osten gehen und den König von Yue besuchen zu dürfen und ihm zu befehlen, sein Heer ausrücken zu lassen, um U zu verfolgen. Diess wird in der That Yue's Namen zu nichte machen und die Vasallenfürsten werden (U) zum Angriffe gegen Thsi folgen.

U's König war sehr erfreut und sandte Tseu-kung nach Yue zu gehen. Yue's König ging ihm entgegen bis in die Vorstadt von Tschu-tao (dieser Zusatz fehlt im Kia-iü); geleitete ihn in Person in seine Wohnung und fragte ihn : wie scheuet ein Ta-fu von solcher Würde (Ansehen) sich nicht, im Reiche der Barbaren (Man und I) einzusprechen (Lin eigentlich: es besehen). Tseu-kung sagte: jetzt rieth ich dem Könige von U, Lu zu Hilfe zu kommen und Thsi anzugreifen seine Absicht ist dies, aber er (Kia-iü: sein Herz) fürchtet Yue und sagt: warte, bis ich Yue geschlagen habe, dann kann es geschehen; so wird er Yue zermalmen. Nun nicht des Menschen Absicht entsprechen (pao) und die Menschen daran zweifeln lassen, ist Dummheit (ungeschickt, Tschue); der Menschen Absicht entsprechen und die Menschen sie wissen lassen, ist gefahrlich (thai); wenn die Sache noch nicht zum Ausbruche gekommen ist, vorher davon hören, ist ver- derblich (wei); Alles drei, wenn man die Sache ausfuhrt, macht grossen Kummer. Keu-tsien (der Fürst von Yue), neigte sein Haupt, verbeugte sich und sagte: ich Verwaister habe es versucht (weiss es), dass ich meine Kraft nicht mit der U's messen und mit ihm kämpfen kann. Ich wurde bedrängt (eingeengt) in Hoei-ki (494, s. Pfizmaiers Geschichte von U S. 28). Die Krankheit (das Geschwür, Thung) drang ein bis auf meine Knochen und Mark (Ko-sui). Tag und Nacht sind wie verbrannt (ausgedörrt, thsiao) meine Lippen (Schün), trocken ist meine Zunge; ich wünsche allein mit U's König zu verkehren (thsie); ihm zu folgen (tschung) und dann zu sterben; das ist der Wunsch des Verwaisten. Jetzt belehrt (ermahnt) der Ta-fu glücklicher Weise mich über meinen Vortheil und Nachtheil (Schaden) diess fehlt im Sse-ki. Tseu-kung sagte: U's König ist ein grausamer und wilder Mensch, der Schaar seiner Beamten unerträglich (pu kan), das Reich and die Familien sind erschöpft und verarmt durch die zahllosen Kriege ; wenn die Sse umkommen, hat er kein Mitleid; die 100 Familien zürnen den Obern; die grossen Beamten sind im Innern

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umgewandelt, seit Tse-riü ü-tse-sia 484 8. Pfiz. Gesch. von U. S. 29. wegen seiner VorstelliiDg den Tod erlitt; der Tai-tsai Pe-poei führt die Geschäfte (er giht nach des Königs Vergehen, mn mhig SU erreichen seine Privatahsichten), das heisst des Reiches Regierung sch&digen (Temichten, tsien) dieser Zusatz fehlt im Eia-iü. Jetzt lasse der König in Wahrheit (wirklich) seine Sse los (aussiehen), das Heer von ü zu unterstützen. Um seine Absicht zu erreichen zu suchen (Khiao), sende er ihm schwere Kostbarkeiten, um sein Herz zu erfreuen, rede demüthig, seine Gebräuche zu ehren (der Kia-iü setzt hinzu, diess ist was die heiligen Männer nennen : sich schmiegen (Kiü-tsie), um durchzudringen zu suchen). Der Sso-ki hat dafür, er wird sicher Thsi angreifen, wenn er es aber bekämpft, wird er nicht siegen ; das ist des Königs Glück; siegt er aber im Kampfe, dann wird er sicher mit den Waffen auf Tsin losgehen (Lin, es ansehen). Dein Diener wünscht nun im Norden Tsin's Fürsten zu besuchen und ihn heissen gemeinsam ihn anzugreifen. Das schwache U wird seine scharfen Waffen erschöpfen an Thsi; seine schweren Panzer kommen in's Gedränge in Tsin, so kann der König von Yue seine verfallene Macht (Pe) wieder ordnen und U vemichteo.

Yue's König war sehr erfreut und stimmte zu: er bot Tseu-kung 100 Y 20 oder 30 Tael), ein Schwert und zwei gute Speere (Mao) an; Tseu-kung nahm diese aber nicht an. Kr ging alsbald und kehrte zurück zum Könige von ü und sagte: dein Diener ermahnte ehrerbietig nach des grossen Königs Worte den König von Yue. Der König von Yue gerieth in grosse Furcht und sagte; ich Verwaiseter bin unglücklich; vor Kurzem verlor ich den früheren Mann (meinen Muth), inwendig schätze ich mich selbst nicht. Ich verging mich an ü; mein Heer wurde geschlagen und ich hatte Schande. Beim Zusammentreffen zu Hoei-ki wurde mein Reich gedemüthigt (hiü, leer), ich stütze mich (lai) jetzt nur auf des grossen Königes Gaben. £r sendet Gaben zur Darbringung in den Opfergefassen und die Opfer zu zieren; er denkt immer nur an (wagt nicht zu vergessen) seinen Tod; wie sollte er an ein Wagniss denken. diess steht im Kia-iü.

Den fünften Tag sandte Yue den Ta-fu Wen Tscbung so der Kia-iü, der Sse-ki hat bloss Tschung die Sendung dieses Ministers, aber früher nach der Niederlage bei Hoei-ki 494 erwähnt der Sse-ki, s. Pfizmaier*8 Geschichte von U S. 24. Der verneigte sein Haupt und sprach zu U's König (das Folgende hat wieder nur der Sse-ki). Dein Fröhntner, der dienende Beamte vom Ost-meer, der verwaisete Keu-tsieu sendet seinen Diener Tschung und erlaubt sich die Unterbeamten zu cultiviren, das Volk und die Beamten der Rechten und Linken zu fragen. Jetzt vernimmt er heimlich, dass der grosse König alsbald einen grossen Act der Gerechtigkeit ausüben will, strafen den Mächtigen und zu Hilfe kommen den Schwachen, einengen das grausame Thsi und beistehen dem Hause der Tscheu; er bittet (das Folgende hat auch der Kia-iü) innerhalb seiner Grenzen ein Heer von 3000 Mann ausheben zu dürfen (um U zu dienen) die Worte setzt der Kia-iü hinzu, wo die folgenden dagegen wieder fehlen. Der Verwaisete bittet selbst (in Person) zu erreichen den Starken, zu fassen die scharfe Spitze (das Schwert) und an den Pfeil vorne heften (nehmen) zu dürfen den Stein (die Steinspitze). Drum bringt Yue's geringer Diener Tschung der früheren Männer (Fürsten) verborgene Geräthe, an 20 Panzer für den Nacken, Aexte und Spiesse (von Kiü-lo) und Schwerter von 6 Fuss (einem Pu) und glänzend dar, zu gratuliren (beschenken) die Heeresbeamten. U's König (sehr erfreut darüber) meldete es Tseu-kung und sagte: Yue's König wünscht in Person meiner Wenigkeit zu folgen beim Angriffe auf Thsi geht das? Tseu-kung sagte: es geht nicht, dass sein Reich so verlassen (leer) werde, er erschöpft die Menge Menschen, und dass dann auch noch sein Fürst folge, das ist nicht recht; der Fürst nehme seine Geschenke an, genehmige sein Herr, aber entlasse dann den Fürsten. U*s König billigte das und liess Yue's König zurückbleiben. U's König liess dann sofort ausziehen das Heer von 9 Distrikten (Kiün) Der Kia-iü hat dafür: Keu-tsien zog selbst aus aus des Reiches Innern mit dem Heere griff Thsi an und schlug es.

Tseu-kung verliess ihn dann und ging nach Tsin (das Folgende fehlt alles wieder im Kia-iü). Er sprach zu Tsin's König und sagte: Dein Diener hat gehört, sinnest du auf etwas und hast

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nioht zQYor die Sache festgestellt, so kann das Ende dem nicht entsprechen. Wenn die Waffen nicht vorher untersucht sind, kann man den Geg^ner nicht besiegen. Jetzt wird Thsi mit ü alsbald kämpfen, kämpft es und siegt nicht, dann wird Yue Unruhen erregen; kämpft aber Thsi und Biegt, dann wird es mit seinen Waffen Tsin angreifen (ansehen). Tsin's Fürst gerieth in grosse Furcht und sagte: was ist da zu thun? Tseu-kung sagte: rüste (sieu) die Waffen, lass das Heer ausruhen, um es abzuwarten. Tsin's Fürst billigte es. Der Eia-iü hat dafür nur das: Tsin's Fürst befahl sein ermüdetes (Heer) aufzurichten (tsching).

Tseu-kung ging nun weg und kam nach Lu. Der König von U kämpfte wirklich mit Thsi zu Ngai-ling; der Schol. bemerkt nach Tso-schi unter Lu Ngai-kung Ao. 11, (488), vgl. Pfiz- maier p. 29. Er brachte Thsi's Heer eine grosse Niederlage bei : gefangen wurden 7 Anfuhrer und kehrten nicht zurück. Dieses alles fehlt wieder im Eaa-iü es heisst da bloss: U und Tsin begegneten sich in Hoang-tschi. Es warf nun seinen Blick auf Tsin mit dem Heere, und mit Tsin's Leuten begegnete man sich oberhalb Hoang-tschi 482; s. Pfizmaier29 (149). ü*s und Tsin's Leute stritten stark. Tsin's Leute schlugen es und U's Heer erlitt eine grosse Niederlage.

Als Yue's König das hörte, setzte er über den Eiang und griff U an; verliess die Stadt- mauern 7 Li weit mit' dem Heere. Als der König von ü das hörte, verliess er Tsin, kam zurück um mit Yue zu kämpfen' bei U-hu. Dreimal bekämpfte er es und siegte nicht. Das Thor der Stadtmauer war aber nicht bewacht (beschützt). Yue schloss schnell des Königs Pallast ein, tödtete den König Fu-tschai und richtete seinen Minister hin (nac)^ Tso-schi unter Ngai-kung Ao. 22). Er zermalmte U in drei Jahren und nach Osten gewandt trat er auf als Gewaltherrscher (Pa).* Der Kia-iü hat bloss: U's König kehrte zurück mit Yue zu kämpfen, wurde aber vernichtet.

Der Sse-ki schliesst: indem so Tseu-kung einmal auszogt erhielt er Lu, brachte Thsi in Verwirrung, zermalmte ü^ verstärkte Tsin und Yue wurde Pa. Tseu-kung war nur einmal Gesandter, aber des Gesandten Macht vernichtete sie gegenseitig; innerhalb 10 Jahre erlitten 5 Reiche jedes eine Veränderung. Dafür hat derKia-iü: Confucius sagte: darauf es anzulegen, dass er Thsi verwirre und so Lu erhalte, war gleich Anfangs mein erster Wunsch ; dass er Tsin stärken konnte und U schwächen; dass er machte, dass ü zu Grunde ging und Yue dafür Pa wurde, das wirkten seine (Sse's) Heden. Es waren schöne Worte, aber sie verletzten die Treue und das redliche Wort. Der Schol. bemerkt dazu aber schon, dass Confucius im 16. Jahre von Ngai-kung 479 starb, U aber erst im 22. Jahre desselben 473 vernichtet wurde. Wenn nicht das Ganze, ist diese Aeusserung des Confucius also jedenfalls erdichtet; der Sse-ki erwähnt ihrer auch nicht.

Der Sse-ki in der Geschichte Thsi's B. 32, S. B. B. 40 S, 691 spricht von dem Angriffe Tschao-yang's von Tsin auf Thsi, der bis zur Stadt Lai vordrang, sieh dann aber zurückzog, erwähnt aber Tseu-kung's Thätigkeit dabei gar nicht! Der Sse-ki in der Geschichte von Lu B. 33, S. B.*41 S. 134 (47 f.) erwähnt des Angriffes Thsi's auf Lu 487 und 485 den U's und Lu's auf Süd-Thsi und wieder Thsi's auf Lu 484, auch wie Tien-tschhang 481 den König von Thsi tödtet, sagt aber ebenfalls nichts von Tseu-kung's Thätigkeit dabei, ebenso wenig der Sse*ki in der Geschichte vonU B. 31 f., Wiener Denkschriften B. 8 S. 148 fg. (28), obwohl, wie schon erwähnt, die oben angezogenen Begebenheiten da vorkommen. Der Sse-ki in der Geschichte von Tschao B. 43, Denkschriften B. 9 S. 14 erwähnt nur, dass Tschao-yang Tsin's Fürsten Ting-kung bei der Zusammenkunft U's, Lu's und Tsin's zu Hoang-tschi 482 begleitete. Der Tso-schi Ngai-kung Ao. 12 f. 21, S. B. 27 S. 152 erwähnt nur Ao. 483 der Zusammenkunft des Fürsten von Lu mit Fu-tschai von ü, der den grossen Hausminister Poei um die Erneuerung des Vertrages von Tsing, derauf 7 Jahr geschlossen war, bitten Hess. Der Fürst von Lu wünschte es aber nicht, und hiess Tseu-kung antworten

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Durch den Vertrag befestigt man die Treue ; desshalb entwirft man ihn von Herzen , bietet ihn dar mit Edelsteinen und Seidenstoffen, knüpft ihn durch die Rede, gelobt ihn zuhalten bei den lichten Göttern. Unser Landesherr hält dafür, besteht der Vertrag, so darf er nicht mehr geändert werden ; kann er immer noch geändert werden, was hat dann der Vertrag der früheren Tage für einen Nutzen? Jetzt sagst du, mein Sohn, ihr müsst den Vertrag erneuern, kann er aber erneuert, so kann er auch vergessen werden. In Folge dessen erneuerte man den Vertrag nicht.

Tseu-kung's Lebenslauf ist wenig bekannt. Spätere Nachrichten sind im Lün-heng im I-sse 95, 2 f. 17. Als Tseu-kung Confucius im ersten Jahre diente, sagte er, er übertreffe Confucius, im zweiten Jahre sagte er, er komme Confucius gleich, im dritten Jahre wusste er, dass er Confucius nicht erreichte; in der Zeit des 1. und 2. Jahres wusste er noch nicht, dass Confucius ein Heiliger (Sching) sei, nach dem dritten Jahre wusste er es (aber). Wir haben schon aus Lün-iü 5, 8 und Sse-ki f. 7 erwähnt, wie er, wohl später, sich Yen-hoei weit nachsetzte und Confucius ihm jn Allem recht gab. Auf die Frage Tseu-kung's im Lün-iü 5, 3 und Sse-ki f. 7 v. was für ein Charakter er (Sse) sei, erwiederte Confucius etwas dunkel: du bist ein Gefäss (Ki) und (als er weiter fragte) was für ein 'Gefäss? erwiederte Confucius ein Hu-lien, (ein sehr verziertes Gefäss im Ahnentempel)* Lün-iü 1, 15 fragt Tseu-kung: Was von dem Armen zu halten sei, der nicht schmeichle (tschen) und dem Reichen, der nicht übermüthig sei (kao)? Confucius sagt: Es geht (kho ye), aber er ist nicht gleich dem Armen, der vergnügt ist (lo) und dem Reichen, der die Bräuche (li) liebt. Tseu-kung citirt nun den Schi-king I, 5, 1, 2. „wie du zuschneidest und dann feilest, wie du schnitzest und dann polirest,'* Der Meister sagte: mit Sse kann man von den Liedern reden : sage ich ihm das Vergangene (wang) , so weiss er das Kommende (lai). ,

Den Gegensatz zwischen Tseu-kung, Tseu-lu und Yen- yuan nach Kia-iü 8 f. 16, etwas abweichend bei Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 1 f. 9 und bei Amiot T. 13 p. 4 7 s. oben. Lün-iü 5, 11 sagt Tseu-kung: „was ich nicht wünsche, dass die Menschen mirthun, das thue ich ihnen auch nicht.^^ Confucius erwiedert darauf: Sse! das hast du noch nicht erreicht. Der Spruch, sagt Confucius ihm sonst 15, 23, befasse alles. Nach 11, 18 sagte Confucius: Sse unterwarf sich nicht der Bestimmung, ging auf Gewinn aus und erlangte ihn öfter; nach

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14, 29, Sse-ki f. 12 v. und Eia-iü 38 f. 4 v. war Tseu-kung geneigt, anderer Verdienste und Vergehen, abzuschätzen ; Confucius sagte tadelnd: wie tugendhaft ist Sse, ich hätte dazu keine Muse. Auf die Frage Ki-kang's (in Lu), ob Sse für eine Beamtenstelle geeignet sei, erwiedert Confucius nach Lün-iü 6, 6: sicher, er hat die nöthige Einsicht dazu. Wie er Confucius rühmt Lün-iü 9, 6 ; 5, 12 u. 19, 23, 24 u. 25 u. bei Meng- tseu II, 1, 2, 19 (I. 3 2 p. 43) werden wir beiden Urtheilen der Schüler des Confucius über diesen Abth. IV anführen; er stellte sich ihm weit nach. Seine Anhänglichkeit an Confucius, wie er noch drei Jahr länger als die Mitschüler, also 6 Jahre an seinem Grabe verweilte Man zeigt nach Williamson Journeys I p. 229 noch die angebliche Stelle, westlich von Confucius Grabe, wo Tseu-kung 6 Jahre nach Confucius Tode an seinem Grabe verweilte nach Meng-tseu III. 1, 4, 13 (I. 5, 4 S. 82) und Sse-ki haben wir im Leben des Confucius schon erwähnt; ebenso, wie er während Confucius Krankheit das Loos befragte nach Tschuang-tseu im I-sse 86, 4 f. 49 v. und mit seinen Mitschülern verhandelte, wie man Confucius zu betrauern habe, nämlich wie einen Vater nach Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 22, auch wie er die Leichenrede Ngai-kung's auf Con- fucius missbilligte nach Tso-schi Ngai-kung Ao. 16 f. 30 v., S. B. B. 27 S. 153 fg. Der Kia-iü Cap. 22 f. 33 v. fgg. , auch bei Siün-tseu im I-sse 95, 2 f. 12 v., abweichend bei Han-schi wai-tschuen und eine kürzere Er2;3.hlung bei Lie-tseu im I-sse ibidem hat folgendes Gespräch Tseu-kung's mit Confucius. Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 2 f. 13, der mehrfach abweicht, hat noch folgende Einleitun'g dazu. Als Confucius Muse hatte^ folgte Tseu-kung ihm nach Thsi und vorausgehend sagte er: dein Schüler diente Meister nun schon Jahre. Mein Talent erschöpfe ich, um zu erkennen (wissen), und höre auf (pei) mich zu bewegen (tschin) beim Lernen; ich frage: könnte ich nicht einmal zurückgehen vom Vorwärtsschreiten, (tsin), ich möchte einmal ausruhen (hieu). Der Kia-iü hat dafür bloss Tseu-kung fragte Confucius und sagte: ich (Sse) strenge mich an beim Lernen bekümmert um die rechten Principien (Tao), ich wünschte einmal auf- zuathmen (si), um dem Fürsten zu dienen, kann ich das wohl? Confucius sagte, das Lied sagt : Milde und ehrerbietig am-Hofe , Abends die Sache ergreifen (anfassen) und Aufmerksamkeit (Ko^ nach Schol.

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Ehrfurcht) zeigen, so dem Fürsten dienen, ist schwei;, kann man dabei ausruhen (aufathmen^ si) ^).

(Tseu-kung) sagte: dann wänschte ich auszuruhen im Dienste der Eltern (Thsin^). Confucius spricht, das Liederbuch (im Ta-ya, III) sagt: der fromme Sohn verfehlt nicht beständig mitzutheilen (si) von einer unerschöpflichen Art (dem Guten) ; den Eltern zu dienen ist schwer, kann er darin aufhören? (Tseu-kung) sagte: dann wänschte ich Hinsichts Frau und Kind aufzuhören^). Confucius sagte, das Lied (IV. 1, 6, 2,) citirt von Meng-tseu I, 1, 7, 12, sagt: ich gehe aus von meiner geringen Frau, erreiche dann die altern und jungem Brfider, um zu lenken Familien und Lehen. Frau und Kind sind schwierig, kann man so aufhören. (Tseu-kung) sagte: ich wünschte wegen der Freunde und Genossen aufzuathmen (aufzuhören). Confucius er wiedert : das Lied sagt (III, Ta-ya) Freunde und Genossen behandle mit Achtung (Wei) und Rück- sicht (J) (der Schlusssatz wiederholt sich hier immer wie oben). Tseu- kung fragt dann ebenso nach dem Pflügen (heng); Confucius sagt: das Feldlied sagt (Pin-fung I, 15, 1, 7) citirt von Meng-tseu III, 1,3 2 bei Tage (tscheu) mache grobes Gras (Mao), Nachts binde Stricke (Se-thao), besteige den Gipfel des Hauses und dann beginne die 100 Feldfrüchte zu säen; diess sind die Schwierigkeiten des Feldbaues; darnach (wenn die geschehen), kannst du dabei ausruben. (Tseu-kung) sagte: so habe ich nicht mehr, womit ich aufhöre: Confucius sagte: es gibt doch noch etwas? Blicke auf (Schaue aus) nach dieser Weite (Grabeshöhle), so ist sie gross (khi); blicke auf dessen Höhe, so ist sie voll (ausgefüllt, tien) untersuche ihr Gefolge (tsung), so ist sie verschlossen; diess ist* wonach man aufathmet» Tseu-kung sagte: das ist gross; erst im Sterben athmet der Weise aus (hört auf), der ünweise ruht (hieu) früher aus, jener ist gross noch im Sterben.

Abweichend ist der Schluss bei Han-sehi Wai-tschuen; da fragt Tseu-kung: hat der Weise denn auch eine Ruhe (Hieu)? Confucius sagt: unter dem Sargdeckel (Ho-kuan) hört er auf zu sehen (po), er

1) Han-8ohi hat dafür eine andere DicbtersteUe.

2) H an -sohl hat: des Vaters.

8) Han-schi hat dafür jungem nnd &ltem Bmder and eine andere Dichterstelle.

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weiss nicht seinen Zeitwechsel , da er aufsteigt (tsien), das nennt man des Weisen Ruhe, daher lerne und höre erst auf unter dem Sargdeckel, das Lied sagt: am Tage geh' ihm entgegen, den Monat über lerne.

Wir wollen die Hauptmomente, bei welchen Tseu-kung noch vorkommt, hier zusammenstellen. Kia-iQ 14, 12, vgl. Amiot p. 261 und kürzer bei Legge Prol. I. p. 117 heisst er Gouverneur (Tsai) von Sin-yang; er fragt da Confucius wegen der Verwaltung um Rath, wir werden bei der Regierung besser auf dessen Antwort zurückkommen ; eine Zeit- angabe findet sich nicht, 495. soll er Ta-fu in Lu gewesen sein; seine sonderbare Prophezeiung da, hat der Kia-iü Cap. 16 f. 19 v. und Tso-- schi Ting-kung A'o. 15 f. 25, S. B. 27 S. 137. Wir erwähnten sie schon im Leben des Confucius 1 S. 7 2 ; hier das nähere. Yu, der Fürst von Tschü, machte seine Aufwartung am Hofe von Lu. Tseu-kung beobachtete ihn. Der Fürst hielt die Tafel aus (die der Gast dem Wirthe reicht) zu hoch ; sein Gesicht war nach aufwärts gekehrt. Der Fürst (von Lu) empfing die Tafel (zu) niedrig. Tseu-kung sagte: betrachtet man es nach den Gebräuchen,* so steht beiden Fürsten Tod und Untergang bevor. Beginnen von der rechten oder linken Seite, im Kreise umher- gehen, aufsteigen und zurücktreten, aufwärts oder zu Boden blicken, man entnimmt es aus ihm. Das Erscheinen am Hofe, das Opfer, die Trauer, die Waffenangelegenheiten, man beobachtet es nach ihnen (den Gebräuchen). Jetzt findet im ersten Monate die Zusammenkunft am Hofe statt; beide richten sich nicht nach der Ordnung; ihre Herzen sind bereits zu Grunde gegangen. Die kräftige Angelegenheit ist nicht verkörpert, wie wären sie fähig einer langen Dauer. Zu hoch und nach aufwärts gekehrt, bedeutet Hochmuth; zu niedrig und dem Boden zu- gekehrt, bedeutet Niedergeschlagenheit. Hochmuth nähert sich der Unordnung, Niedergeschlagenheit nähert sich der Krankheit. Unser Landesherr ist der Wirth, er wird zuerst zu Grunde gehen (weil der Wirth dem Gaste vorausgeht) und der Fürst (Ting-kung) verschied auch wirklich (im fünften Monate desselben Jahres). Tschung-ni sprach: Sse ist nicht glücklich, aber seine Worte treffen zu; diess ist was Sse zu einem Manne der vielen Worte macht.

Als Confucius in Lu Criminalrichter war, Hess er einen Grossen Schao-tsching-mao nach Kia-iü Cap. 2 f. 3, wie wir in Confucius Leben

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1 S. 60 schon erzählt haben, hinrichten; wie Tseu-kung ihn desshalb zur Rede stellt, ist ebenda wie schon bei Amiot p. 156 167 erwähnt; der Sse-ki setzt diess in seiüem 56. Jahr Ting-kung Ao. 14. (495).

Wir haben da auch schon nach Kia-iü Cap. 16 f. 20 erzählt, wie Confucius als er in Tschin war und vom Brande eines Ahnentempels in Lu hörte, richtig errieth, wessen Ahnentempel diess sein werde. Tseu-kung war damals bei ihm ; denn der Fürst von Tschin (Ling-kung) äusserte nach dem Eia-iü gegen ihn: jetzt weiss ich, wie ein heiliger Mann zu ehren ist u. s. w. Auch als Confucius zwischen Tschin und Tsai Ao. 489 in Gefahr war, begleiteten Tseu-kung, Yen-hoei und Tseu-lu ihn nach Kia-iü Cap. 20 f. 29, I-sse 86, 1 f. 25 v. Amiot p. 342. Wir haben seine betreffende Aeusserung schon im Leben des Confucius II, S. 22. angeführt. Tschuang-tseu im I-sse 95, 2 f. 19 v. fg. er- wähnt boch, wie Tseu-kung südlich nach Tshu ging und dann zurück- kehrte nach Tsin und über den Han-Fluss setzte

Im Jahre 488 kam der König von ü Fu-tschai nach Lu und ver- langte von Ngai-kung 100 Opferspenden (Lao, 'ein Rind, ein Schaf und ein Schwein). Diess war unerhört. Ki-khang-tseu , der erste Reichs- minister und Machthaber in Lu, sandte Tseu-kung an den König Fu-tschai und dessen grossen Haushofmeister Pe-poei, ihm die Gebräuche der Tscheu zu erklären und ihm das Ungebührliche der Forderung vorzu- stellen; der Kaiser erhalte bei einer Zusammenkunft mit einem Reichs- fürsten nur 12, ein Heu und Pe 7, ein Tseu und Nan nur 5. Der König stand dann auch von seiner Forderung ab. Sse-ki B. 31 f. 16 V. u. Pfizmaier's Geschichte von ü S. 26. Der Kia-iü 16 f. 20 erwähnt noch, wie Fu-tschai und Ngai-kung von Lu (im 12. Jahre) eine Zusam- menkunft (zu Hoang-tschi) mit dem Fürsten von Tsin hatten, wobei auch Tseu-kung erwähnt wird. Die Anekdote, wie Khi-koang-tseu Confucius 1000 Mass Reis schenkt, der ihn sofort unter das Volk ver- theilt und Tseu-kung ihn desshalb zur Rede stellt aus Kung-tschung-tseu im I-sse 96, 1 f. 8 v. und Amiot p. 115 117 ist schon im Leben des Confucius angeführt. Der I-sse 95, 2 f. 18 fg. hat noch einige Anekdoten Tseu-kung betreffend aus dem Han-schi-uai-tschuen, Lün-heng f. 19, Tschuang-tseu f. 19 v. und Lie-tseu f. 20 v.

Die übrigen Notizen betreffen meist einzelne Fragen, die Gon-

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fucius beantwQrtet und die wir daher besser bei der betreffenden Materie aufführen. Tseu-kung's Frage, ob die Todten von den Lebenden wüssten im Kia-iü Cap. 8 f. 21, auch im Schue-yuen iml-8se95, 2 f. 13, Amiotp. 264 s. schon in meiner Abt. über die Religion der alten Chinesen I. S. 63. Nach Lün-iü 3, 17 wollte Tseu-kung das Opferlamm, das den ersten des 12. Monats dargebracht wurde, ab- schaffen. Confucius erwiederte: Sse liebt das Schaf, ich den Brauch Li-ki Cap. Tsi-i 24 f. 41 befragt er Confucius über die Opfer; im Li-ki Cap. Tsa-ki 21 f. 83 v. (Cap, 17 p, 113,) Amiot p, 384 belehrt Confucius ihn über das Fest Tscha am Ende des Jahres. Tseu-kung's Aeusserung über Confucius Betragen bei dem Opfer s. Kia-iü 44 f. 28 V. ; seine Aeusserung als er Lu's Ahnen tempel sah ib. f. 14 und bei Siün- tseu im I-sse 95, 2 f. 13 v.; seine Deutung des Topfes ohne Füsse auf Unglück, während Confucius darin ein Glück sieht, bei Lün-heng im I-sse 95, 2 f. 19; alle diese Aeusserungen werden wir besser im Zusammenhange bei der Religion erwähnen. Li-ki Cap. Tschung-ni Yen-kiü Cap. 28 f. 8 v. (Cap. 23 p. 144 fg.) belehrt Confucius ihn. und andere Schüler über die Gebräuche. Im Li-ki Cap. Ping-i 48 f. 70 (35 p. 196) und Kia-iü Cap. 36 f. 28 warum der Weise den (Jaspis) so hoch halte; warum der Weise (^Confucius) das Wasser so an- staune im Kia-iü 9, 23, Siün-tseu iml-sse95, 2 f. 12 Amiot p. 70 s, bei Weise Im Li-ki Gap. Yo-ki 19 f. 41 v, (16 p. 111 fg.), I-sse 95, 2 f. 18 V. fragt Tseu-kung den Musikmeister und der setzt ihm ausein- ander, wie verschiedene Gesänge des Liederbuches für verschiedene Classen von Menschen geeignet seien, s. bei Schi-king. Wie Tseu-kung Tseu-yeu mit Unrecht wegen seiner Kleidung beim Condoliren tadelt nach Li-ki Tan-kung Cajp. 3 f. 25 v. s. bei Trauer, üeber Trauer kommen nach mehr Fragen und Antworten vor: Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 17, 19 V., 20, 21, dann Cap. 4 f. 88 v. und Cap. Tsa-ki 21 f. 68 fg., Kia-iü 42 f. 20 21 und 43 f. 24.

Unter Regierung werden wir anführen, wie nach Kia-iü Cap. 14 und Schue-yuen im I-sse 95, 2 f. 15 v. er Confucius zur Rede stellt, über die verschiedenen Antworten, die er Verschiedenen darüber gab. Die Antwort, welche Confucius ihm gab, s. Lün-iü 12 , 7. Dahin gehört auch Kia-iü Cap. 27 f. 10. Confucius Antwort auf seine Frage^

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wann ein Fürst des Volkes Vater und Mutter heissen könne und seine Aeusserung über die Regierung des Volkes (Schi-min) im Schue-yuen im I-sse 95, 2 f. 14^ auch im Kia-iü Cap. 8 f. 21. Seine Aeusserung über das Verhalten von Reichen und Armen im Lün-iü 1, 15.

üeber Tseu-kung's Verfahren beim Loskauf der Frau in Lu, welches Confucius nicht recht war, nach Kia-iü 8 f. 21 ig., auch im Schue-yuen B. 95, 2 f. 14. s. bei Ehe., Confucius Aeusserung über die Be- handlung von Freunden Lün-iü 12, 22, über den Weisen 2, 12 und 14, 28, 12, 8 und 9, 10, 21, über den Tugendhaften 6, 27 und 15, 9 über beliebt und verhasst sein 13, 24, was (wen) der Weise hasse 17, 23, wie man sich gegen den Feind des Vaters zu betragen habe, Kia-iü 43 f. 22 auch Li-ki 3 f. 23 s. am betreflFenden Orte. Im Kia-iü Cap. 22, auch bei Siün-tseu im I-sse 95, 2 f. 12 v. fragt Tseu-kung den Con- fucius, wie man seinem Fürsten, seinen Eltern, Frau und Kind und Freunden diene. Das Gespräch schon oben. Confucius antwortet immer mit einer Stelle des Schi-king. Lün-iü 2, 15 sagt Confucius: Sse fange an Dichter- stellen deuten zu können und im I-sse 95, 4 f. 19 fragt Tseu-kung den Tseu-schi, ob er das Liederbuch nicht lerne?

Einzeln betreffen seine Fragen an Confucius geschichtliche Personen oder Zeitgenossen^ so den Kuang-tschpng und den Ngan-tseu Kia-iü Cap. 42 f. 18, den Tseu-tsan und den Ngan-tseu Kia-iü Cap. 14 f. 11 u. Schue-yuen im I-sse 95, 2, 16 fg. Sein Lob der Regierung Tseu-tsan's in Tsching, im Gegensatze der von Tsang-sün im I-sse 95, 2 f. 15 v. s. unten bei Tseu-san Nr. 37.; seine Aeusserung über Confucius auf die Frage von King-kung von Thsi bei Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 2 f. 17 und im Schue-yuen ib. f. 17 v. und gegen Tschao Kien-tseu ib. s. bei den Aeusserungen der Schüler des Confucius über diesen. Ueber den Gegendatz, welchen Tseu-kung in seinem reichen, eleganten Aeussern gegen das ärmliche Auftreten von Tseu-sse's nach Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 5 f. 13 bildete, s. unten bei Tseu-sse Nr. 17. Im Kia-iü Cap. 12 f. 3 fg. fragt der General Wen-tseu von Wei Tseu-kung nach dem Unterricht des Confucius und seinen Schülern, wer der weiseste sei. Er antwortete erst, er wisse es nicht, charakterisirt dann aber die einzelnen Yen-hoei^ (1), Yen-yong

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(Tschung-kung 4), Tschung-yeu (Tseu-lu 6), Yen-khieu (T8eu-yeu 9), Kung-si-tschi (Teeu-hoa 27), Tseng-san 12, Taan-sön-sse (Tseu-tschang 11), Pu-schaog (Tseu-hia 10), Than-tai-mie-ming (Tseu-iü 14), Yen-yeu (Tseu- yeu 9), Nan-kung-thao (Tseu-yung 19) und Kao-tschai (Tseu-kao 15) s. die Charakteristick bei den einzelnen. Dann folgen f. 6 noch solche von andern alten oder späteren Weisen.

Der Sse-ki schliesst seine Notiz über Tseu-kung: er liebte aufzu- häufen (Fei-kiü), der Kia-iü hat dafür Geld zu machen, Fang zur rechten Zeit, Reichthümer und Schätze zu erwerben. Freudig verbreitete er der Menschen Gutes (Schönes), konnte nicht verbergen der Menschen Vergehen; beständig half er (san) Lu und Wei; sein Haus gewann (lui) lOOO Kin, er starb am Ende in Thsi; ähnlich der Kia-iü. Von Tseu-kung soll angeblich der Schi-tschuexi, ganz kurze historische Andeutungen zu den einzelnen Liedern des Schi-king, nur 16 BL^ sein. Er findet sich in der Sammlung Han Wei-thsung-schu I, 7, s. m. Abh. über diese Sammlung, a. S. B. d. Ak. 1868 I, 2.

9. Yen-yen oder Tseu-yeu

jetzt der 4. in der Westreihe der Weisen, war nach dem Kia-iü aus Lu, nach dem Sse-ki f. 12 v. aus U; nach jenem 35, nach diesem 45 Jahr jünger als Confucius. Er war vgl. Lün-iü 6, 12 Gouverneur (Tsai) von Wu-tschhing; er versuchte nach dem Kia-iü Confucius zu folgen, als er nach Wei ging mit dem Sohn des Generals Siang und hiess ihn gut Belehrung von Confucius empfangen, berühmt nach dem Kia-iü durch seine Uebung in den Bräuchen (Li) und dem Studium der Literatur (Wen-hio).

Als Confucius nach Wu-tschhing kam, hörte er nach Lün-iü 17, 4, auch im Sse-ki, den Ton von Instrumental- und Vocal-Musik; er lächelte und sagte: wenn du ein Huhn schlachtest, nimmst du ein Messer, womit man einen Ochsen abschlachtet? Tseu-yeu sagte: ich habe früher gehört, dass Meister sagte: wenn der Regent die rechten Prin- dpien studirt, liebt er das Volk, und dass das Volk, wenn es die rechten Prinzipien lernt, leicht zu regieren sei. Confucius sagte: meine 2 3 Schüler: Yeu's Ausspruch ist ganz richtig; ich scherzte nur (er erzog das Volk mit Becht durch Ritus und Musik). Wie er Confucius

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak, d. Wisa. XIII. Bd. I. Abth. 2 7

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zu Rede stellt bei der Hinrichtung des Schao Tsching-mao Amiot p. 161 fg. und bei seinem Verfahren gegen den Vater, der seinen unfrommen Sohn verklagt Eia-ifi Cap. 2 f. 3 v., Amiot 194 fg. s. in Confucius Leben. Confucius Aeusserung gegen Yen-yen über die Gebräuche der verschiedenen D. im Kia-iü Cap. 6 f. 11 v. und im Li-ki Cap. Li-yün 9 f. 26 v. (8 p. 40) s. in Abth. IV.

Wir sahen, wie er nach Meng-tseuIII. 1, 4 13 (I. 5, 4 p. 82) beim Tode des Confucius ihn betrauerte. Meng-tseu's Aeusserung über ihn II, 1, 2, 20 (I. 3, 2 p. 42) ist schon oben angeführt. Tseu-kung charakterisirt ihn Kia-iü Cap, 12 f. 5 so : seine üeberlegung vorher vollenden, um zur Ausführung zu gelangen und sie dabei anzuwenden, so dass wenn er auch bewegt war, er doch nicht in Unordnung gerieth, so war Yen-yen's Wandel. Confucius sagte: wenn er wünschte etwas zu können, so studirte er es (hio); wünschte er etwas zu wissen, so fragte er; wünschte er etwas Gutes auszuführen, so erforschte er es (tsiang); wünschte er etwas zu geben (ki), so versah er sich damit; so war Yen's Wandel. Confucius Aeusserung über Pietät auf seine Frage Lün-iü 2, 7 siehe da. Bei der Trauer schien ihm der Kummer genügend nach Lün-iü 19, 14; andere Aeusserungen von ihm über Trauer Li-ki Tan-kung Cap. 3. f. 1 V., 25v., 26 v., 27, 33 v., 35 v., 38 v., 39, 53, 65 v. Kia-iü 42 f. 17 im I-sse 95, 5 f. 16 v. sind zusammengestellt im I-sse 95, 3, f. 18 V. 20 V. Seine Unterhaltung mit Khi-kang-tseu über die Trauer des Volkes bei Confucius Tode, im Gegensatze zu der beim Tode Tseu-tschang's im Schue-yuen im I-sse 95, 3 f. 18 und Kung-tschung- tseu ib. B. 106, f. und bei Legge T. I ProL p. 118 s. in Confucius Leben.

10. Pu-schang oder Tseu-hia,

der fünfte unter den Weisen an der Ostseite, war nach dem Sse-ki und Kia-iü 44 Jahr jünger als Confucius und nach diesem aus Wei. Bewandert im Schi-king, durchdrang er dessen Bedeutung und hatte einen berühmten Namen durch seine litet arische Studien. Nach dem Sse-ki f. 13 v. sagt Confucius zu ihm: Du bist ein weiser Literat (Jü), kein Unweiser. Im Lfin-iü 3, 8, auch im Sse-ki, fragt Tseu-hia nach der Bedeutung einer Stelle des Schi-king (I, 5, 3). Confucius erklärt sie ihm und Tseu-hia wendet sie richtig an, da ruft Confucius aus : Schang,

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du verstehst mich, jetzt kann man mit dir über Dichterstellen reden. Der Han-schi-wai tschuen im I-sse 95, 3, f. 24 v. hat denselben Aus- spruch des Confucius über Tseu-hia, sonst abweichend ; der Kung-tschung- tseu ib. f. 23 V. hat eine ähnliche Aeusserung des Confucius, als Tseu- hia den Schu-king las.

Auf die Frage Tseu-kung's, ob Sse (Tseu-tschang) oder Schang weiser (hien) sei, erwiederte Confucius im Lün-iü 11, 15, auch im Sse-ki f. 13 v. Li-ki Tschung-ni Yen-kiü Cap. 28 f. 9, hat die letzte Aeusserung ohne die Frage Tseu-kung's. Sse geht zu weit, Schang nicht weit genug. Confucius sagt: überschreiten ist wie nicht erreichen. Tseu-hia war nach Siün-tseu im I-sse 95, 3 f. 26 ärmlich gekleidet wie ein Bauer. Ein Mann aus Schün sagte: warum nimmst du kein Amt an? Er erwiederte: da die Fürsten gegen mich hochmüthig sind, so werde ich nicht ihr Diener (Tschin); da die Grossen (Ta-fu) gegen mich hoch- müthig sind, mache ich ihnen nicht wiederholt die Aufwartung. Lieu- hia-hoei trug mit dem hintersten (geringsten) Schüler dasselbe Kleid und doch wurde es nicht bezweifelt, dass er eines Tages Ruf (Ruhm) erlangen werde ; um Vortheil ringen (streiten) ist wie einen Fliegenpanzer (sehen) und seine Handfläche beklagen. Nach Lün-iü 13, 1 7 war Tseu-hia indess Gouverneur von Keu-fu und fragt da Confucius wegen der Regierung S. Regierung. Nach Amiot p. 372 empfängt der Fürst von Lu und ehrt ihn. unklar ist die Aeusserung von Han-fei-tseu im I-sse 95, 3 f. 25: Tseu-hia besuchte, heisst es da, Tseng-tseu. Tseng- tseu sagte: wie bist du so fett (fei)? er erwiederte: ich kämpfte und siegte. Tseng-tseu sagte: was will das sagen? Tseu-hia sagte: als ich hineintrat und der früheren Kaiser Gerechtigkeit sah, da glänzte sie (Yung); als ich hineintrat und die Lust von Freude an Reichthum und Ehren gewahrte, da war auch Glanz. Beide stritten (rangen) nun mitten in meiner Brust und ich wusste (verstand) nicht zu siegen, oder es zu ertragen; drum wurde ich mager. Jetzt hat der früheren Kaiser Gerechtigkeit gesiegt, drum bin ich fett. Daher besteht die Schwierigkeit der Absicht nicht darin, die Menschen zu überwinden, sondern darin, sich selbst zu überwinden; daher heisst es: sich selbst zu überwinden: (sich selbst zu besiegen), das ist Stärke (Kiang).

Wie Tseu-hia Confucius nach seinem Tode betrauert, ist nach

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Meng-tseu III, 1, 4 13 (I, 5, 4 p. 82), vgl. Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 26 und 41 schon oben bei Confucius Tode erwähnt. Als Confucius gestorben war, schliessen der Sse-ki und Kia-iü, wohnte Tseu-hia am Si-ho, lehrte da und wurde der Lehrer (Sse) von Wei Wen-heu, vgl. Li-ki Yo-ki Cap. 19 f. 27 (16, p. 99— 103), diente ihm und der fragte ihn wegen der Regierung des Reiches. Die Stelle aus Li-ki Yo-ki Cap. 19 27, wo Wen-kung von Wei ihn fragt, warum er bei der alten Musik immer einschlafe s. Abthl. IV* bei Musik. Der Kia-iü Cap. 38 f. 2, auch im I-sse 95, 3 f. 20 v., hat noch eine Anekdote von Tseu-hia. Er versuchte nach Wei zurückzukehren und sah einen der in der Geschichte las und sagte : Tsin's Heer greift Thsin an, die drei (?) Schweine (wohl Häuser, Familien, die in Tsin sich der Herrschaft bemächtigt hatten) gehen über den Hoang-ho, Tseu-hia aber sagte nicht so, erst am Tage Sse-hai wird das' geschehen: der die Geschichte las, fragte alle Geschichtschreiber Tsin's und sie sagten wirklich, diess (geschieht am Tage) Sse-hai. Die Leute von Wei hielten daher den Tseu-hia für einen Heiligen. Sein Sohn starb, er beweinte ihn und verlor das Augenlicht (Ming). Hierauf geht Li-ki Cap. 3 Tan-kung f. 18 fg.) Tseu-hia betrauerte seinen Sohn und verlor das Augenlicht (Ming). Tseng-tseu condolirte ihn und sprach : ich habe gehört , dass wenn Freunde das Augenlicht verlieren , sie mit einander weinen. Tseng-tseu weinte, Tseu-hia weinte auch und sprach: 0 Himmel! ich bin doch ohne Schuld! Tseng-tseu zürnte und sagte: Schang, wie ohne Schuld. Ich diente mit dir dem Meister zwischen den (Flüssen) Tschü und Sse; du gingst weg und altertest oberhalb des Si-ho Flusses. Das Volk vom Si-ho sandte Boten an dich, du aber zweifeltest an dem Meister und das ist dein erstes Vergehen. Du betrauertest deine Lieben (Tsin) und sandtest (zu mir), da das Volk es noch nicht gehört hatte; dies ist dein zweites Vergehen. Du betrauertest (so stark dass) deinen Sohn und verlorst dein Gesicht, das ist dein drittes Vergehen, und dennoch sagst du: ich bin doch ohne Schuld! Tseu-hia hob seinen Stock auf, verneigte sich und sprach: ich habe gefehlt! ich habe gefehlt! Ich verliess die Schaar (Heerde) und wohnte allein und das lange.

Nach Lün-iü 19, 12 sagte Tseu-yeu: die Schüler Tseu-hia's sind blosse Kinder; sie können die Flur (den Boden) besprengen

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und kehren , Fragen beantworten , eintreten und sich zurück- ziehen, doch das sind blos die Zweige ohne die Wurzel, was sind sie werth? Als Tseu-hia das hörte, seufzte er und sagte: du irrest Yeu! welche unter den Lehren des Weisen müssen zuerst und welche zuletzt und welche gar nicht gelehrt werden? Gibt es doch auch unter Pflanzen und Bäumen verschiedene Classen, wie sollten wir die Lehren des Weisen nicht beachten; nur der Weise vereinigt zugleich Anfang und Ende.

Kia-iü Cap. 8 f. 20 v., auch im I-sse 95, 3 f. 26 heisst es: Confucius wollte ausgehen , es regnete und er hatte keine Bedeckung (keinen Schirm), seine Schüler sagten: Schang (Tseu-hia) hat einen. Confucius sagte: Schang ist sehr sparsam (liü) mit seinen Schätzen, ich höre aber, dass wer dem Menschen mittheilt von seiner Länge, (seinem Ueberflusse) und widersteht ihrer Kürze (Tien, Mangel), dass der lange bestehen kann.

Han - schi - wai - tschuen im J-sse 95, 3, f. 24 v. fragt Tseu-hia Confucius, warum die Ode Kuan-tscheu den Anfang der Kue-fung (I, 1) bilde. Dessen angebliche Antwort ist sehr sonderbar. Wenn man im Schi-king eines lerne, wisse man zweierlei. Diese und die Stelle im Lün-iü 3, 8. oben setzen Tseu-hia's Beschäftigung mit dem Schi- king voraus. Nach demselben ib. f. 28 schläft Ling-kung von Wei bis in den Tag hinein ; als er erwacht, ist sein Geist sehr geschwunden. Er sendet nach einem muthigen Sse, der kommt zu Tseu-hia etc.

Aussprüche von Tseu-hia oder von Confucius , die er veranlasst, werden wir mehrere Abth. IV an den betreffenden Stellen mittheilen ; wir deuten hier die wesentlichsten nur an ; so Kia-iü Cap. 5 f. 40. und Ta-tai Li-ki im I-sse 95, 3 f. 27 V. entwickelt er eine Art Zahlenphilosophie; die Aeusserung über Pietät im Lün-iü 2,8; über den Weisen 6, 11, 19, 10, auch im Sse-kif. 13 v. und bei Schi-tseu im I-sse 95, 2 f. 25; über Freundschaft Lün-iü 19, 3, 4 und 9; über das Studium oder Lernen 19, 5 und 6. Auf die Regierung beziehen sich seine Fragen, wann der Fürst des Volkes Vater und Mutter sei? Li-ki Eung-tseu Hien-kiü Cap. 29 f. 16—21 (24 p. 147—153), auch Kia-iü 27 f. 10 I-sse 95, 3 f. 20 V. und wodurch ein Fürst Fürst sei, bei Schi-tseu im I-sse 95, 2 f. 25, auch im Lün-iü 19, 13. Ueber Zusammentreffen mit den Feinden der Eltern Li-ki Tan-kung Cap. 3 f. 23; über

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Trauer ib. f, 26, 40 v., auch im Kia-iü 43 f. 23, Cap. 4 f. 63 Tseng Tseu-wen Cap. 7 f. 26, und 26 v., auch im Kia-iü Cap. 43.

Im Kia-iü Cap. 12 f. 4 v. charakterisirt Tseu-kung den Tseu-hia so : er ging entgegen (den Gästen) mit Achtung (King), sie zu empfangen, nach oben verbunden, nach unten verschlingend (tsa), wie abgeschnitten (tsie), so war Po-schang's Wandel. Confucius erklärte diess mit einer Stelle des Schi-king und schliesst: Wer wie Schang ist, wie konnte der nicht ungefährdet heissen. Liü-schi's Tschhün - thsieu im I-sse 146 schang f. 8 v. nennt einen Schüler Tseu-kung's Tien - tseu - fang. Er selbst wurde sehr alt; denn 406 v. Chr. finden wir ihn am Hofe Wen-kung's von Wei, dem er Copien einiger klassischen Bücher gegeben haben soll. Kung-yang-Kao und Ko-leang-tschi sollen mit ihm den Tschhün-thsieu studirt haben und Mao's Schi-king seine Ansichten enthalten. Mit Mao's Text erschien eine Vorrede zum Schi-king, die Tseu-hia zugeschrieben wurde. Legge's Schi-king Appendix I. Pro- legomena T. IV, 1. p. 34 81 gibt sie im chinesischen Texte mit Uebersetz- ung. Nach Siü-tsching, einem Beamten in ü zur Zeit der drei Reiche (229 264 n. Chr.), bei Legge p. 31 erhielt Tseu-hia den Schi-king von Con- fucius und überlieferte ihn dem Kao Heng-tseu, dieser dem Sie-Tshang-tseu, der dem Mien-Miao-tseu und der dem altern Mao ; abweichend aber nach Lo-te-ming Tseu-hia dem Tseng-schin (dem Sohne von Tseng-sin), der dem Li-ke, der dem Meng-Tschung-tseu aus Lu, der dem Kin-Meu-tseu, dieser dem Sifin-Khing-tseu dem Philosophen und dieser dem älteren Mao, Letztere üeberlieferung hat der P. Regis zum Y-king I. p. 129. Ma-tuan-lin B. 175 f. 16 hat einen I-king Tseu-hia's in 10 Heften, sagt aber dieser sei nicht von Tseu-hia (fei Tseu-hia tschiwen); Tseu- hia's Buch sei verloren* Was die Gebräuche betreffe, so sei in I-li (Cap. Sang-full) ein Pien von ihm; und Khang-hi'b Wörterbuch unter Kiün (30, 4) citirt eine Stelle aus I-li Tseu-hia tschuen. Die Note zum I-li sagt aber, man weiss nicht, wer es gemacht habe; Alle sagten Confucius Schüler Po-schang, mit dem Beinamen (Tseu) Tseu-hia, nach Andern aber Kung-yang-kao, ein Schüler Tseu-hia's. Auch die Vorrede zum Schi-king bei Legge T. IV. Prolegomena I p. 34 95 wird, wie gesagt, von einigen Tseu-hia ohne Grund zugeschrieben; so noch von Pauthier bei der französischen Uebersetzung derselben vor seiner franz.

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üebersetzung aus dem Schi-king in der Bibliothöque Orientale. Paris 1872 8. T. n. p. 249—258.

lU Tuan-sün-Sse oder Tseu-tschang,

dessen Tablette der des Vorigen gegenüber im Westen, ist verschieden von einem andern Tseu-tschang Nr. 18. Tuan-sün, war nach dem Scholiasten zum Lün-iü sein Familienname (Sing), Sse sein Ming. Er war nach dem Kia-iü und Sse-ki aus Tschin und 48 Jahr jünger als Confucius. Nach Kia-iü 38, f: 2 hatte er Haltung (Yang-mao), Güter (Tse), war correct (tschi), liberal (Kuan), redlich, weit(po), hatte Verkehr (Tsie), folgte der Gewohnheit selbst und sein Wandel bestand in Humanität und Recht. Confucius Schüler waren ihm befreundet, aber ehrten ihn nicht. Wir sahen schon, wie nach Meng-tseu II 1, 2, 20 (I. 3, 2 p. 42) er mit Tseu-kung und Tseu-yeu nur ein Glied des Weisen ausmachte. Nach Lün-iü 2, 18, auch im Sse-ki f. 14, fragt er Confucius wegen dcQ Einkommens und der gibt ihm Regeln über sein Selbstverhalten; er studirte blos ein Amt zu erhalten. Confucius Rath s. inAbth. IV bei Amt. Lfin-iü 11, 17, auch im Sse-ki f. 14, heisst es, Sse hat ein feines Aeussere, ist aber ohne Redlichkeit und 19, 16 sagt Tseng-tseu: Tschang's Aeusseres ist glänzend, aber er ist kein Beistand der Tugend und §15 Tseu-hia mein Freund Tschang erstrebt Schwieriges, erreicht aber die Tugend nicht. Lün-iü 15, 5, auch im Sse-ki f. 14, fragt er Confucius, da er ihm folgte und sie zwischen Tschin und Tsai waren nach einer Regel für eine erfolgreiche Aufführung. Dieser erwiedert: sei in deinen Worten treu und redlich, in deinen Handlungen (deinem Thun) rein und respecktvoll, dann wirst du auch in den Reichen der Nord- und Südbarbaren Erfolg haben. Wenn deine Worte aber nicht treu und redlich sind; wenn dein Thun nicht völlig respeckt- voll ist und du bist auch in einem chinesischen Distrikte oder Dorfe (Tscheu und Li), wie kann das gehen? Wenn du stehst, habe diess immer vor Augen; wenn du fahrst, habe es (die 3 Punkte) immer auf dem Quer- holze des Wagens geschrieben, dann wirst du Erfolg haben. Tseu-tschang schrieb dann diesen Spruch auf seinen Gürtel; vgl. Kia-iü 21 f. 33 v. Lün-ifl 15, 41 heisst es: als Confucius den blinden Musiker Mien führte und an die Treppe kam^ sagte er: diess ist die Treppe; als er zu den

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Sitzen kam: da sind die Sitze; nachdem sie sich niedergesetzt hatten, sagte er: hier sitzt dieser und da sitzt jener. Als der Musikus hinausgegangen war, fragte Tseu-tschang , muss man so verfahren, wie du gegen den Musiker verfuhrst? Confucius erwiederte: so steht man andern bei. Confucius Ausspruch, wie Sse durch Uebermass fehle und Tschang indem er zu wenig thue, ist schon bei diesem oben erwähnt. Der Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 14 v. I-sse 95, 4 f. 8 v. erzählt, da Tseu-tschang krank war, rief er seinen Sohn Schin-tsiang und sagte: vom Weisen heisst es: er vollende (tschung), vom ünweisen er sterbe (sse); ich bin diesen Tag wohl der Vollendung (einem Weisen nach den Scholien) nahe. Wir haben in unserer Abh. über die Religion der alten Chinesen I. S. 209 schon angeführt, wie diese Stelle missdeutet worden ist. Eine anscheinend einfaltige Frage thut er im Kia-iü 41 f. 14 und Li-ki Tan-kung Cap. 4 f. 68 v. an Confucius über die Stelle im Schu-king, dass (der alte Kaiser) Kao-tsung 3 Jahre nach dem Tode seines Vaters nicht gesprochen haben soll. Confucius Antwort auf seine Frage, ob man 10 Generationen voraus die Begebnisse wissen könne Lün-iü 2, 22 ist schon oben angeführt worden. Es charakterisirt ihn Tseu-kung Kia-iü Cap. 12 f. 4 v. so: Bei einem schönen Verdienste nicht prahlen, bei geehrten Stellung nicht Freude zeigen, nicht insolent noch indolent, nicht hochmüthig sein gegen Abhängige; so war der' Wandel von Tuan-sün-sse. Confucius sagte, wer nicht prahlt (fo), der kann etwas vermögen; wer nicht gering hält (beleidigt, pe) die 100 Familien, der ist human; das Lied sagt: der Weise, der erfreut, und brüderliche Liebe übt, ist des Volkes Vater und Mutter. Der Meister hielt seine Humanität für das Tiefste der grossen Lehre (Ta-hio). Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 23 hat noch eine Anekdote, wie bei der Trauer um Tseu-tschang Kung-ming-i die Leichenanstalten traf; ich weiss aber nicht, ob es dieser Tseu-tschang ist oder der andere; s. die Anekdote bei Trauer.

Einzelne Aussprüche über den Ruhm (Ruf) Lün-iü 12, 19 u. Sse-ki f. 14 fg., die er veranlasst, über den Einsichtsvollen (Ming) Lün-iü 12, 10, die Tugend 17, 6 und 5, 18, die Regierung 19 und 20, 2 ver- schieden im Li-ki Gap. 28 f. 15 fg; über Freundschaft 19, 3, über Trauer und Begräbniss Li-ki Gap. 3 Tan-kung f. 23, 26 und 4, 64

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Lün-iü 19, 1, f. 25 Kia-iü 42 f. 20; über Unterricht Kia-iü 36 f. 29; über die Gebräuche (Li) Kia-iü 27 f. 8, auch Li-ki Cap. 28 f. 8 v.; über Strafen in früherer Zeit bei Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 4 f. 5 v.; über die Bestimmung (Ming) ib. f. 6; über den Eintritt in's Amt (Ji-kuan) Kia-iü 21 f. 31—33, auch im Ta-tei Li-ki K. 8 Ti 65 und daraus betreffenden Orts im I-sse 95, 4 f. 3 v. 5 v., s. in Abth. IV. Kia-iü 1. 10 f. 25 fragt Tseu-tschang Confucius, wie er bei der Kua sehe betrübt sei. Der I-sse 95, 4, f. 1 8 gibt die Tseu-tschang betreffenden Stellen aus dem Sse-ki, dem Li-ki c. 28 Tschung-ni yen kiü und C. Tan-kung, dem Ta-tai Li-ki, Kung-tschung-tseu, dem Schue-yuen, dem Tschung-lün, Han-schi wai tschuen, dem Sin-siü und Tschuang-tseu-

12. Tseng-san oder Tseu-iü.

Amiot Mem. T. XIII. p. 8 sagt: aus Kia-hiang-hien in Yen-tscheu-fu in Schan-tung, der Kia-iü und der Sse-ki 67, f. 14 v. sagen aber aus Süd Wu-tsching. Er war 46 Jahr jünger als Confucius und zeichnete sich aus durch seine Pietät, die er lehrte. Er starb in Lu. Der Sse-ki hat nichts weiter über ihn. Aus späterer Zeit haben wir mancherlei Anekdoten über ihn, wovon mehrere sich auf seine Pietät beziehen. Der Yen-schi Kia-hiün in der Sammlung, auch im I-sse 6. 95, 1 f. 17 sagt: Tseng-tseu studirte noch in seinem 70. Jahre und erlangte Ruf im ganzen Reiche und Hoai-nan-tseu im I-sse 95, 1 f. 19: er ernährte seine Eltern, wie man dient einem strengen Herrn (Yent schü), einem hitzigen Fürsten (lie Kiün) Ib. ; Tseng-tseu's Pietät war der Art, dass er nicht vorbei ging das Dorfthor (Liü) seiner Mutter. Der I-sse ib. f. 19 fg. hat noch einige Anekdoten von Tseng-tseu und seiner Mutter, als er Holz auf dem Felde sammelte und ein Gast oder Schüler von ihm kam aus dem Lün-heng, dem Hiao-tseu tschuen u. s. w.; sie sind aber nicht erheblich genug um sie im Einzelnen mitzutheilen. Han- fei*tseu im I-sse 95, 1 f. 20 erzählt: Tseng-tseu's Frau ging zu Markte; ihr Sohn folgte ihr und weinte. Seine Mutter sagte: kehre um und gehe heim. Die Frau ging wegen eines zu tödtenden (zu schlachtenden) Schweines zu Markte, als sie (zurück) kam, wollte Tseng-tseu das Ferkel ergreifen und es tödten (schlachten). Seine Frau hielt ihn aber zurück

AbL d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XUI. Bd. I. Abth. 2 8

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und sagte: das Thier spielt mit dem Kinde. Tseng tseu sagte: das Kind spiele nicht damit, das Kind weiss es noch nicht; das Kind warte auf Vater und Mutter, um zu lernen, es höre auf Vater und Mutters Lehren. Jetzt täuschest du es; diess heisst dem Kinde die Täuschung (den Betrug) lehren. Wenn der Vater das Kind täuscht (hintergeht) und nicht redlich ist, wenn seine Mutter es nicht nach dem Rechten unterweiset, so folgt es dem gebratenen Ferkel. Der Schue-yuen ib. f, 20 v. sagt: in Confucius Hause kannte das Kind kein Schelten; in Tseng-tseu's Hause kannte das Kind kein Zürnen (Zorn) und wurde von seiner Geburt an gut unterrichtet. Tseng-tseu folgte Confucius nach Thsi ; sein Gespräch mit Ngan-tseu, siehe im Kia-id Cap. 15 f. 16 V.

Der Schue-yuen im I-sse 95, 1 f. 18, auch der Kia-iü 15 f. 15, erzählt: Tseng-tseu krautete Sellery (Yün) und Kürbisse und schnitt ungeschickt seine Wurzel ab (sein Vater Tseng-si) zürnte desshalb und ergriff einen grossen Stock und schlug ihn. Tseng-tseu warf sich auf die Erde nieder voll Respeckt; als er wieder aufstand, näherte er sich Tseng-si und sagte: den vorigen Tag beging San (ich) ein Vergehen gegen den grossen Mann , der grosse Mann brauchte Gewalt (seine Kraft), San zu belehren. Er nahm es nicht übel, ging hinter den Wandschirm, schlug das Tamburin und die Harfe (Kin) und sang dazu lustig. Als Tseng-si die Töne seines Gesanges hörte, sagte er: ich weiss, dass er gleichmüthig (ping) ist. Als Confucius das hörte, sagte er erzürnt zu seinen Schülern: wenn San kommt, soll er nicht herein. Tseng-tseu, der sich nicht schuldig wusste, sandte einen Mann (Jemanden), sich bei Confucius zu entschuldigen. Confucius sagte: hast du nicht gehört, dass einst Ku-seu einen Sohn hatte mit Namen Schün. Schün diente seinem Vater Ku-seu, der band ihn und suchte ihn zu tödten. Da er ihn nicht erreichen konnte mit einem kleinen Stocke (Tschui), wartete er bis einer vorüberging mit einem grossen Stocke, aber Schün lief davon, dass Ku-seu ihn nicht angreifen (fan) konnte. So beging der Vater kein Verbrechen und Schün unterliess nicht seine grosse Pietät. Jetzt hat aber San seinen Leib ihm überlassen um za erwarten seinen wüthenden Zorn ; hätte er ihn getödtet, so hätte et sich dem nicht entzogen, wenn seine Person umgekommen wäre und

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sein Vater wäre in diese Ungerechtigkeit verfallen, welche Impietät könnte grösser sein! (Der demnächst folgende Satz ist mir nicht ganz verständlich). Als Tseng-san diess hörte, sagte er: San's Schuld ist gross, er eilte zu Confucius und entschuldigte sein Vergehen. Der Schluss im Schue-yuen ist abweichend. Der Kienming-schu im I-sse 95, 1 f. 18 v. hat dazu noch eine Stelle: Meug-tseu sagt: Tseng-tseu diente seinem Vater so: Hiess der ihm etwas mit einem kleinen Stocke, so nahm er (die Schläge) hin; hiess er ihm etwas aber mit einem grossen Stocke, so lief er davon. Er fürchtete, dass er ihm seine Glieder zerbreche (khuei), das war nicht die Art (Tao, der Weg) eines frommen Sohnes (diese Anekdote finde ich in unserm Meng-tseu nicht).

Der Sin-ia im I-sse 95, 1 f. 18 v. sagt: Tseng-tseu war fromm gegen seinen Vater und seine Mutter. Im Dunkeln zog er sich an und Morgens fragte er, ob ihnen kalt oder warm sei ? lief schnell, ermunterte sie (zum Essen) des Reisschleimes und stellte sich inzwischen oben an der Matte. Seine Tugend wurde ein Muster fär die kommenden Geschlechter.

Hoai-nan-tseu ib. im I-sse 95, 1 f. 19 sagt: Tseng-tseu unterhielt seine Eltern (Tsin), wie er mit Ernst diente seinem Herrn und eifrig seinem Fürsten. Etwas barock ist, was ib. f. 19 v. aus dem Hiao-tseu- tschuen von ihm erzählt wird: Tseng-tseu ass einen lebendigen (frischen) Fisch, der sehr schön (gut) war, da brach (spuckte) er ihn wieder aus. Man fragte nach der Ursache. San sagte: (am Tage) da meine Mutter noch lebte, kannte sie nicht den Geschmack eines frischen Fisches ; jetzt ass ich einen schönen, drum spuckte ich ihn wieder aus und sein Lebe* lang ass er keinen wieder. Meng-tseu 7, 2, 36 sagt: Tseng-si war eingenommen für Schafdatteln, (chin. Yang-tsaoJ; sein Sohn Tseng-tseu konnte aber nicht leiden, Schafdatteln zu essen. Eung-sün-tschheu (ein Schüler Meng-tseu'sJ fragte diesen: kleingeschnittenes und geröstetes Fleisch oder Schafdatteln, was ist besser? Meng-tseu sagte: jene?. Kung-sün-tscheu sagte, wie ass denn Tseng-tseu jenes und ass keine Schaf datteln? Meng-tseu sagte: Jenes ist allgemeine (thung) Nahrung; Schafdatteln sind aber etwas besonderes (to). Man meidet so den per-

28*

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sönlichen Namen (Ming)^ aber nicht den Familiennamen (Sing); dieser ist gemeinsam (thung), der Ming ein besonderer.

Hoai-nan-tseu im I-sse 95, 1. f. 19 sagt: Tseng-tseu unverdorben (Lien) "wollte nicht aus der Diebesquelle (Thao-tsiuen) trinken ; das heisst GTeine Neigung nähren (Tang tschi). Andere sagen das von Gonfucius. Im Kia-iü Gap* 10 f. 26 sagt Tseng-tseu^ wenn man zu vertraut ist (einem sich 2u sehr nähert, hia), dann behandelt man sich gegenseitig leicht; wenn man zu strenge (tschuang), ist so ist keine Liebe da, daher muss beim Weisen die Annäherung genügend sein, dass die Verbindung angenehm bleibe (huan), die Strenge hinreichend, dass die Civilität (Li) vollkommen sei. Als Gonfucius diese Worte hörte, sagteer: meine Schüler, wer will wohl noch sagen, dass San die Art des Verhaltens (Li) nicht kenne?

Nach Kia-iü Gap. 38 f. 2 v. machte er in Thsi seine Aufwartung (Phing) und man wünschte ihn zum Minister (Khing) zu machen, er ging aber nicht darauf ein und sagte : mein Vater und meine Mutter sind alt, der Menschen Einkünfte verzehren und sich um der Menschen Ange- legenheiten kümmern (sorgen), ich kann es nicht ertragen, ferne von den Eltern zu sein und andern Menschen zu frohnden. Seine Lebensver- hältnisse müssen zu Zeiten sehr dürftig gewesen sein, vgl. Amiot Mem. T. XIII. p. 9. Tschuang-tseu im I-sse 95, 1 f. 17 v. sagt: als Tseng4sea in Wei war, trug er ein hänfenes Oberkleid (Yün-phao) ohne äusseres Gewand (Piao). Seine Haltung zeigte Schwären (Tschung) und Mager- keit. Hände und Füsse hatten Schwielen (harte Haut, Pien-tschi, von der Arbeit) ; drei Tage lang machte er kein Feuer an ; zehn Jahre über brachte (schnitt) er sein Kleid nicht in Ordnung und setzte nicht seinen Hut zurecht; die Frangen an der Mütze waren abgerissen und den

Gürtel (Tsu-kin) hielt er unter dem Arm fest dabei sang er den

Schang-sung (Schi-king IV. 3). Die Töne erfüllten Himmel und Erde wie wenn sie aus Erz und Stein hervorgingen: der Kaiser erlangt keinen Unterthan (Beamten, Tschin), die Vasallenfürsten erlangen keinen Freund, drum indem er seine Absicht (Tschi) kultivirte, vergass er die Form (Hing), indem er die Form kultivirte, vergass er des Vortheils; indem er die rechten Prinzipien zu erreichen strebte, vergass er sein Herz. Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 3 f. 8 erzählt ähnlich:

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Tseng-tseu hatte ein Kleid aus grobem Zeuge (Ho) mit Hanf und Seidenfaden (Wen-seu), das noch nicht einmal vollständig war. Seine Speise war ungereinigter Reis, nicht genug zur Sättigung. Stimmte es aber nicht mit dem Rechte (J), so schlug er die erste Ministerstelle (Schang-khing) aus und verschmähte nicht Armuth und Dürftigkeit. Uebernahm er ein Amt, so wünschte er seine Person aufrecht zu erhalten und die rechten Principien zu üben (Hing-tao) und sah dabei nicht auf Schwere und Leichtigkeit. Konnte er sie demnach ausüben, so wünschte er das Recht zu walten (king-i), auszubreiten seinen Ruf (Namen) und sah dabei nicht auf Vortheil und Nachtheil; so übte er es. Es wird dann noch eine Stelle aus dem Schi-king angeführt. Der Schue-yuen im I-sse 95, 1 f. 18, auch im Kia-iü 20 f. 30 v., sagt ähnlich nur kürzer: Tseng-tseu's Kleid war schlecht (zerrissen), ein Kleid wie beim (zum) Pflügen. Als Lu's P'ürst das hörte, sandte er einen Mann an ihn, der kam, ihm eine Stadt anzubieten und sagte : er bitte, damit seine Kleider in Ordnung zu halten. Tseng-tseu nahm sie aber nicht an; (jener) kehrte nochmals wieder, er nahm sie aber wieder nicht an (fehlt im Kia-iü). Der Bote sagte: der Meister begehrt ja nichts von den Menschen; die Menschen bieten es ihm so an; warum nimmt er es denn nicht? Tseng-tseu sagte: dein Diener hat gehört: wer von dem Menschen etwas annimmt, fürchtet (Wei) die Menschen; wer den Menschen gibt, wird hochmüthig; lass ab mich zu beschenken, so wirst du nicht hochmüthig gegen mich ; ich kann mich nicht fürchten, darum nehme ich durchaus (beständig) nichts an. Als Confucius das hörte, sagte er: San's Wort genügt, seine Ordnung zu vollenden (tsuen khi thsi). Der Kin-pao sagt im I-sse 95, 1 f. 18 v. : Tseng-tseu pflügte am Fusse des Thai-schan; des Himmels Regen und Schnee, Kälte und Frost liessenihn die ganze Dekade nicht zurückkehren ; er besang den Leang-schan. Nach Tschuang-tseu im I-sse 95, 1 f. 20 bekleidete Tseng-tseu indess zweimal ein Amt (Jin) und zweimal änderte er seinen Sinn. Er sagte: ich liebte das Amt von drei Fu (ein Mass) und mein Herz freute sich ; später hat aber ein Amt von 300 Tschung (ein grösseres Mass) mein Herz nicht gerührt. Die Schüler fragten Tschung-ni und sprachen, kann man sagen, dass er kein Versehen beging. Er erwiederte, er (betrachtete) sah die 3 Fu und 3000 Tschang an, wie man einen Sperling bei sich vorbeigehen sieht.

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Han-schi wai tschuen im I-sse 95, 1 f. 19 v. erzählt: Da Tseng-tseu in Kiü war, erhielt er Reis in der Hülse (so) drei Ping (eigentlich Handvoll, zn 160 Teu oder Pick.) Zu der Zeit waren Tseng-tseu's Einkünfte bedeutend (tschung, schwer), aber leicht (schmächtig) sein Körper. Nach- dem seine [Eltern gestorben waren, kam er nach Thsi als Ministergehülfe (Siang), nach Thsu als Ling-yn und nach Tsin als oberster Minister (Schang-khing.) Der Zeit war Tseng-tseu's Körper schwer (dick), aber seine Einkünfte waren leicht (geringe). Er hegte seine Schätze und täuschte (mi) sein Reich. Er konnte mit ihnen nicht reden von Humanität. Er hielt seinen Körper grade und sparsam (yo, gebunden) seine Ver* wandten. Man konnte mit ihm nicht reden von Pietät. Wer Gewicht legt auf den Tao, (wählt) ferne kein Land und seufzet nach Hause; wenn arm und die Eltern alt sind, wählt er kein Amt, es zu führen; daher der Weise (Kiün-tseu) gerade aus, arm (ho, in groben Zeuge), zur Zeit, wo er sich bemüht, schnell läuft.

Eben da f. 19 v. sagt Tseng-tseu: Gehen und nicht zurükkehren können (huan), das machen die Eltern (thsin); die Spitze, zu der man nichts hinzufügen kann, das sind die Jahre. Daher ein frommer Sohn, der seine Eltern zu ernähren wünscht, nicht erst wartet. Der Baum, der grade zu werden wünscht, wartet nicht erst die Zeit ab. Daher ist einen Ochsen erschlagen (tschui), (ihnen) denselben auf dem Grabe zu opfern, nicht wie ein Huhn oder Ferkel den Eltern bei ihren Leb- zeiten darbringen. Als ich daher ein Amt erhielt und in Thsi Beamter wurde, überschritten meine Einkünfte nicht einen Tschung (700 Pfd.) und Fu (6y2 Pick)^ Dennoch war ich heiter und vergnügt, nicht weil ich das für viel hielt; ich freute mich, dass meine Eltern es bekamen (tai). Nachdem sie gestorben waren, reisete ich südlich nach Thsu und erhielt ein ehrenvolles Amt. Meine Halle (Tang) war 9 Faden (jin ä 8 Fuss) hoch, die Querbalken (sui) en fronte (ti) drei Wei 5 Zoll). Der Transportwagen (Tschuen-ko) hatte ich 100; doch nach Norden gewendet weinte ich bittere Thränen, nicht dass das zu Wenig war: es machte mir Kummer, dass es meinen Eltern nicht zukam» Drum wenn die Familie (das Haus) auch arm ist und die Eltern alt sind, wähle man kein Amt, es zu bekleiden. Wenn eines Absicht redlich (sin) ist, seine

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Eltern beschränken (binden, 70) ist keine Pietät. Er citirt dann noch ^inen Liedervers.

Schi-tseu im l-sse 95, 1 f* 18 v. erzählt: Nach dem Tode seiner Eltern las (tho) Tseng-tseu die Trauergebräuche nicht ohne dass die Thränen wie Regenschauer auf den Zipfel (kin) seines Kleides herabfielen. Beständig stand er an einem Abende fünfmal auf, zu sehen des Kleides Dicke oder Dünne, des Kopfkissens (tschin) Höhe oder Niedere. Der Kin-pao im I-sse 95, 1 f. 18 v. sagt: wenn Tseng-tseu vom ackern zurück kam, was that er? Tseng-tseu diente Confucius mehr als zehn Jahre; früh wenn er aufwachte, sah er (nach ihn) und dachte an seine beiden Lieben (Eltern); bis (wenn) das Jahr schwand, ernährte er sie unermüdlich, dazu ergriff er die Harfe (Kin) und schlug das Tamburin und sagte : das vergangene und nicht wiederkehrende Jahr kann man nicht (wieder) erhalten, um wiederholt den Lieben zu dienen. Stöhnend (Heu-ki) kehrte er zum Pflügen zurück, den folgenden Tag ruhig, dass er am Li-schan pflügte.

Der Schue-yuen im I-sse 95, 1 f. 47 v., auch im Sia-hio IV. 2, 13 erzählt noch eine Anekdote von einem seiner Schüler: Kung-ming-siuen lernte schon drei Jahr bei Tseng-tseu und las keine Bücher. Tseng-tseu sagte: Siuen weilt jetzt schon drei Jahre an San's Pforte und lernt nichts, wie ist das? Kung-ming-siuen sagte: wie sollte ich mich unter- stehen nichts zu lernen? wenn ich sehe, dass Meister im Innern Hause (Kung-ting) bei den Eltern weilend, mit rauher Stimme (Tone) auch nicht einmal die Hunde und Pferde anredet, so wünscht Siuen (dasselbe) zu lernen, vermochte es aber noch nicht* Wenn Siuen sieht, wie der Meister gegen Gäste ehrerbietig und doch zurückhaltend (Kien) ist und nicht lässig (Kiai) und ohne Respeckt (To), dann wünscht Siuen (dasselbe) zu lernen), vermochte es aber noch nicht. Wenn Siuen sieht, wie der Meister am Hofe (Tschao-ting) weilend so ernst (Yen) auf die Untern herabsieht und doch keinen verletzt und verwundet, so wünscht Siuen dasselbe zu lernen, vermochte es aber noch nicht. Siuen wünschte diese drei Sachen zu lernen, vermochte es aber noch nicht ; wie würde er sich unterstehen nichts zu lernen und doch an Meisters Pforte zu verweilen? Tseng-san nahm seine Matte zusammen und entschuldigte ihn und sagte: San (ich) fasste nur Siuen' s Studium nicht.

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Seine Frau verstiess er. Der Pe-hu-tung im I-sse 95, 1 f. 20 sagt darüber: Tseng-tseu verstiess seine Frau Li-tsching unzeitig. Gefragt, sagte er: die Frau zu Verstössen, gibt es 7 Gründe (S. Kia-iü 26 f. 7, Amiot Mem. T XII. p. 281 fg. und meine Abb. über die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen, a. d. S. B. 1 8 62, II. p. 2 1 4). Ist die Tshing nicht auch vorher Anlass gewesen ? Er erwiederte : ich habe gehört, wer eine Verbindung abbricht (Kiao), kann doch einen Freund haben; wer eine Frau verstösst, kann doch wieder heirathen; dass die Li-tsching unzeitig verlassen ist, wozu nach dem Grunde fragen? Der Kia-iü 38 f. 2 v. sagt: San's Stiefmutter (Heu-mu) begegnete ihm; sie war nicht freundlich (ngan) und man brachte ihr Nahrung, die nicht gut war. Da seine Frau Li-tsching nicht gut kochte, (scho , zeitig) verstiess er sie. Die Leute sagten: es ist keiner der 7 Gründe zum Verstössen da. San sagte: die Li-tsching sieht nur auf kleine Dinge; ich wünsche, dass sie es zeitig thue und nicht erst mein fiefehl dazu gebraucht werde, wie viel mehr bei grossen, wichtigen Sachen; daher verstiess er sie , nahm aber sein lebelang keine Frau wieder. Sein Sohn bat ihn darum: er erinnerte aber seinen Sohn und sagte: Der Kaiser Kao-tsung tödtete (vernichtete) wegen der Stiefmutter seinen Sohn; Hi-pu verbannte wegen seiner spätem Frau Pe-i* Ich erreiche aufwärts Kao-tsung nicht, der Mitte nach (tschung) bin ich nicht zu vergleichen mit Hi-pu; beständig weiss ich zu erlangen zu entgehen dem Uebel (Unrechte).

Auch Han-schi Wai-tschuen ib. erwähnt, dass er seine Frau verlor und nicht wieder heirathete. Wir haben in unserer Abh. über die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen, a.d.S.B. 1862 II. S. 239 schon nach dem Li-ki Cap. 12 Nei-tse f. 51 v. fg. angeführt, wie die Pietät in China über Alles geht und wenn des Sohnes Frau gegen die Schwieger- mutter sich nicht gehörig beträgt, dieser sie Verstössen kann.

Nach Tseng-tseu gehörte es zur Pietät seinen Körper völlig unverletzt zu erhalten, wie man ihn von seinen Eltern überkommen Li-ki Cap. Tsi-i 24 f. 55, Siao-hio IV. 2. 11. Darauf bezieht sich Lün-iü 8, 3: Als Tseng-tseu krank und dem Tode nahe war, berief er seine Schüler und wandte sich an diese; deckt meine P'üsse, deckt meine Hände auf; das Gedicht sagt: sei sorgsam und zittere, als ob du am Rande eines Abgrundes ständest, als ob du auf Eis tretest. Jetzt

V

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und künftig weiss ich, dass ich entkommen werde (unverletzt binj; Kinder denkt daran. Ebenda § 4 wird weiter erzählt, als Tseng-tseu krank war und Meng-king kam ihn zu besuchen, sagte Tseng-tseu: wenn ein Vogel dem Tode nahe ist, sind seine Töne traurig; wenn ein Mann im Sterben ist, sind seine Worte gut (tugendhaft). Drei Sachen sind, worauf der Weise besonders achtet; er sorgt, dass seine Haltung nicht harsch und nachlässig ist, seine äussere Haltung wohl geregelt, seine Worte gemässigt, fern von Niedrigkeit und Opposition; die Opfergefässe haben ihre Aufseher (Wärter). Der Schue-yuen im I-sse 95, 1 f. 49 v. bezieht sich offenbar auf diess Gespräch, weicht aber ab. Es sind da dann noch weitere Erzählungen aus seiner letzten Krankheit aus dem Ta-tai Li-ki, ib. f. 49, Schue-yuen f. 49 v. und Li-ki Cap. Tan-kung. 3 f. 10.

Meng-tseu IV. 1, 19 3 (H. 7, 19) und daraus der Siao-hio IV. 2, 8 erzählen noch. Als Tseng-tseu seinen Vater Tseng-si ernährte, gab er ihm immer Wein und Fleisch; deckte er ab, so fragte er ihn immer, wem er das übrig gebliebene geben solle? Wenn sein Vater ihn fragte, ob noch mehr da sei, sagte er immer ja» Als Tseng-si gestorben war und Tseng- yuen seinem Vater Tseng-tseu aufwartete, gab er ihm immer Wein und Fleisch, wenn er aber abdeckte, fragte er ihn nicht, wem er die üeber- reste geben solle? Fragte der: ob noch etwas übrig sei, so antwortete er nein. Er wollte ihm nämlich die Ueberbleibsel nochmals aufsetzen, das heisst aber, sagt Meng-tseu, blos Mund und Körper ernähren; wer aber wie Tseng-tseu seine Eltern ernährt, zeigt die Absicht sie zu ernähren und wer seinen Eltern dient, wie Tseng-tseu that, kann ein frommes Kind heissen. Ein anderer Sohn Tseng-tseu's Tseng-schin wird im Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 7 und 10 unter Lu Mo-kung (409 bis 376) und bei Siün-tseu im I-sse 95, 1 f. 50 erwähnt.

Im Lün-iü 1, 4 sagt Tseng-tseu: ich prüfe mich täglich in drei Punkten, ob ich treulos war im Geschäftsverkehr, ob ich unredlich war in Freundesverkehr und ob ich die Lehren meines Meisters zu üben versäumte.

Sein verschiedenes Verfahren von dem von Tseu-sse erzählt Meng-tseu IV, 2, 31(11,8,31). Als Tseng-tseu im Wu-tsching wohnte, kamen Räuber aus Yue nicht Yü, wie Collie hat. Einige sagten zu ihm : warum gehst

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du nicht fort, die Rauber sind gekommen. Er erwiederte, lass keinen in mein Haus, die Bäume zu vernichten und zu verletzen. Als die Räuber fort waren sagte er : setze mein Haus wieder in Stand, ich werde zurück- kehren, und als die Räuber wieder fortgegangen waren, kehrte Tseng- tseu auch zurük. Seine (Amts) Diener (zur Rechten und Linken) sagten: man (die Regierung) hat Meister redlich behandelt und mit Achtung, dass als die Räuber kamen, er zuerst fortging, wie wird das Volk das ansehen? dass er zurückkehrte als die Räuber fort waren, das durfte nicht geschehen. Schin-jeu-hing aber sagte: das verstehst du nicht. Einst wurde Schin-yeu von den Grasträgern angegriffen ; unser Meister (Confucius) hatte 70 Männer, die ihm folgten und keiner betheiligte sich dabei. Als Tseu-sse (dagegen) in Wei wohnte kamen Räuber aus Thsi; einer sagte: die Räuber kommen, warum gehst du nicht? Tseu-sse aber sagte: wenn ich wegginge, wer würde dann den Fürsten beschützen? Meng-tseu schliesst: Tseng-tseu und Tseu-sse hatten beide gleich recht, (thung-tao). Tseng-tseu war ein Lehrer, (wie) Vater und älterer Bruder; Tseu-sse aber war Beamter (Diener, Tschin); hätten Tseng-tseu nnd Tseu-sse den Platz (Ti, das Land) vertauscht, so hätten sie auf gleiche Weise gehandelt. Im Kia-iü 8 f. 18 sagt Tseng-tseu: trete ich in dieses Reich und ich kann redlich (wahrhaft) mit der Schaar seiner Beamten sprechen, dann kann ich bleiben, kann ich redlich verfahren mit den Ministern (Khing) und Grossen (Ta-fu), dann kann ich ein Amt tLbernehmen, kann ich Wohlthaten verbreiten über die 100 Familien, dann kann ich reich sein. Confucius sagte: von diesem Worte von San kann man sagen: er kann gut seine Person ruhig erhalten. Tseu-kung charakterisirt den Tseng-san im Kia-iü Cap. 12 f. 4 v. so : voll (muan), aber nicht überfüllt (yng), solide (fest schi), aber wie leer, über- schritt er die Grenze; war aber, als wenn er sie nicht erreichte, was selbst den alten weisen Kaisern zu schwer war. Tief lernte er nichts nicht (Alles). Seine Gestalt war Ehrfurcht gebietend, seine Tugend weit (tun), sein Wort Menschen gegenüber nie unzuverlässig, seinem Hochmuthe nach ein Grosser (Ta-jin), beständig überfliessend (hao-hao), daher wurde er schön alt (mei-scheu), so war Tseng-san's Wandel. Con- fucius sagte: die Pietät ist der Tugend Anfang; die Bruderliebe der Tugend Reihe (Folge, Siü); die Treue (Sin) der Tugend Dicke (Heu); die

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Bechtschaffenheit der rechte Stand (Sching) der Tugend; San war ein Mann der Mitte (Tschung-fu), besass die vier Tugenden und desshalb rühmt man ihn. Doch heisst San im Lün-iü 11, 12: stumpf (dumm, lu.) Angebliche Gespräche Tseng-tseu's mit Confucius enthält der Hiao-king, das classische Buch über die Pietät, in achtzehn Kiuen, chinesisch ganz in I-sse 95, 1, f. 20 v. bis 24, lateinisch übersetzt von P. Noel, Prag 1711. 4^, franz. von P. Amiot Mem. T. IV. und englisch von Bridgman im Chinese Repository T. V. p. 345 353. Dann sind von Tseng-tseu im Ta-tai Li-ki^) und daraus auch im I-sse 95, 1. f. 25 36 noch Ausführungen. Wir geben die Titel der einzelnen Abschnitte mit der chinesischen üeberschrift : Ti 49 Tseng- tseu li sse, etwa: wie Tseng-tseu verfährt, ausgezogen im I-sse 95, 1 f. 33 36 v; Ti 50 Tseng-tseu pen-hiao, derselbe über die Wurzel der Pietät, im I-sse f. 25; Ti 51 Li-hiao, Feststellung der Pietät im I-sse f. 25v.; Ti 52 Ta-hiao, die grosse Pietät; Ti 53 Sse- fu-mu, wie man Vater und Mutter dient, im I-sse f. 26; dann Ti 54 56 in drei Abschnitten Tschi-yen, Regelung der Worte, im I-sse f. 3 0 v. bis 33; Ti 57 Tseng-tseu tsi-ping, Tseng-tseu während seiner Erkrankung im I-sse f. 49 und Ti 58 Thien-yuen, derselbe über des Himmels Rundung im I-sse f. 46 fg. Tseng-tseu's Gespräch mit Confucius im I-sse 95, 1 f. 27 v. 30 im Ta tai Li-ki Tschu-yen findet sich auch imKia-iü 3, f. 4 6 v. Wir kommen auf den Inhalt der einzelnen Artikel in Abth. IV. zurück ; so beim Weisen, der Pietät, dem Himmel u. s.w.

Der Ta-hio ist nicht von Tseng-tseu, wie wohl angenpmmen; s. Legge 's Proleg. T. I. p. 26, sondern enthält nur Aeusserungen von ihm. Einzelne Aeusserungen von ihm sind noch im Li-ki C. 7 Tseng-tseu wen, Fragen von ihm über Trauergebräuche und Ahnendienst, über Pietät im Li-kiTsi-i 24 f. 23 (0.19. p. 121 fg.); seinen Rath für Criminalrichter im Lün-iü 19, 19 s. bei Strafen; Lün- 12, 23 und 26 bei Weise.

Nach P. Amiot T. 13 p. 9 bildete Tseng-tseu nach Confucius Tode

1) Dieser findet sich in der Sammlung HanWeithsung sohu, von welcher ich in m. Abb. aus den Sitzungsbericbten der Ak. 1868, I, 2 bereits Nachrichten mit Angabe des Inhalts der einzelnen Theile gegeben habe.

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Schüler, namentlich dessen Enkel Tseu-sse; den Lo-tsching-tsche nennt der Hiao-tseu tschuen im I-sse 95, 1 f. 19; von ihm spricht der Li-ki im C. Tan-kung 4 f. 93 v. und Tsi-i Cap. 24 und Han-fei-tseu im I-sse 95, 1 f. 50 fg. Seinen Schüler Kung Ming siuen nennt der Schue-yuen ib. f. 47 v., den Feldherrn U-khi der Sse-ki 65 f. 5 und Liü-schi's Tschhün-tshieu im I-sse B. 146 Schang f. 8; nach dem Sse-ki achtete Tseng-tseu diesen aber gering und er sagte sich von ihm los.

13. Thseng-tien oder Tseu-si,

den Vater des vorigen, schliessen wir hier gleich an. Als Con- fucius nach Lün-iü 11, 25, auch im Sse-ki f. 15 v., mehrere seiner Schüler aufforderte, ihm ihre Wünsche (ho Ju) kund zu geben, sagte Tien, nachdem er seine Arie beendet und seine Harfe weggelegt hatte: ich bin verschiedener Meinung von den dreien (Tseu-lu, Yen-yeu und Kung-si-hoa) ; ich möchte jetzt beim Frühlingsschlusse mein Früh- lingskleid anlegen, eine vollständige Mütze (Tsching-kuan) aufsetzen und mit 5 6 Männern und 6 7 jungen Leuten gehen und mich im J Flusse baden, frische Luft unter den Regen-Altären (wu iü) schöpfen und singend heimkehren (nichts weiter begehrend). Confucius sagte seufzend: ich stimme Tien bei. Der Kia-iü 38 f. 3 sagt: da zur Zeit der Krankheit der Unterricht in den Gebräuchen (Li) nicht ging, wünschte er sich auszubilden, Confucius hielt es für gut; das heisse in Lün-iü er badete sich im J Flusse und lüftete sich unterhalb Wu-iü. Collie übersetzt Wu-iü im Lün-iü irrig: among the local temples. Lu brachte das Sommeropfer um Regen am J Flusse in Schan-tung dar; s. Lün-heng im I-sse 95, 4 18 v.

Nach Meng-tseu II, 1,1,3, (I, 3, 1 p. 34) fragte Jemanden Tseng-si, ob er oder Tseu-lu weiser sei. Tseng-si unbehaglich (unwillig) sagte: mein Grossvater verehrte ihn. Dann fragte der andere, ob Meister oder Kuan-tschung weiser (hien) sei? Tseng-si erwiederte unwillig: wie magst du mich mit Kuan-tschung vergleichen? Kuan-tschung gewann das Herz seines Fürsten (von Thsi) und genoss sein volles Vertrauen; er regierte das Land eine lange Zeit, aber seine Verdienste waren geringe;

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wie magst du mich mit diesem vergleichen. Dieser Tseng-si kann natürlich nicht der obige Vater von Tseng-tseu sein, sondern, wie auch der Scholiast zu Meng-tseu, Tschao-khi und Tschu-hi f. 1 v. bemerken, ist dieser Tseng-si der Enkel von Tseng-tseu, nach andern sein Sohn Legge T. II p. 56. Sein Platz in den Tempeln ist nach Legge ProL T. I. p. 12 in der Halle für Confucius Ahnen, wo seine Tafel die erste im Westen ist.

14. Than-thai-mie-ming oder Tseu-iä.

aus Wu-tsching; nach dem Sse-ki 39, nach dem Kia-iü 49 Jahr jünger als Confucius. Wir wissen über ihn im Besondern , dass er ertrank, da er über den Hoang-ho setzen wollte. Der Po-vö-tschi im I-sse 95, 4 f. 16 v. sagt: als es sich um seine Beerdigung handelte, hiess es: es ist Bestimmung; die Maden und Ameisen, was haben die für eine Liebe zu einem und Fische und Schildkröten dagegen was für einen Hass (keinen)? Er wurde nämlich nicht beerdigt. Nach dem Sse-ki B. 67, f. 15 war er sehr hässlich von Gestalt und wünschte Confucius zu dienen und dieser schätzte sein Talent; nach dem Kia-iü hatte er aber das Ansehen eines Weisen. Es scheint nach Lün-iü 6, 12 unter Tseu-yeu, dem Gouverneur von Wu-tsching, gedient zu haben. Dieser rühmt ihn da dem Confucius, er betrete nie sein (Yeu's) Haus ausser in Geschäften. Tseu-kung characterisirt ihn Kia-iü Cap. 12 f. 5: Ehrte man ihn, so war er nicht besonders erfreut; achtete man ihn gering, so zürnte er nicht. Er sah nur auf den Vortheil für das Volk und war sparsam (lien), wo es sein eigenes Thun betraf. Wenn er dem Oberen diente, so suchte er seinen Untergebenen dadurch zu helfen. So war Than-thai-mie-ming's Wandel. Confucius sagte: allein geehrt u. reich sein wollen, darüber erröthet der Weise, er hält die Mitte. Der Kia-iü 38 f. 2 v. sagt: er hatte das Vermögen eines Weisen. Confucius prüfte ihn nach seinem Aussehen (yung-mao) und erkannte sein Talent (Tsai), aber sein Talent genügte nicht (tschung). Confucius sah, dass er ein Mann war, der das Allgemeine ohne Privatinteresse in's Auge fasste, sowohl beim Annehmen eines Amtes als beim Abtreten. Er erlangte Ruf durch seine Antworten und war ein Ta-fu in Lu. Er

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nahm ein Amt an und wenn er davon zurücktrat, so bildete er seinen Wandel aus und folgte nicht einer Seitenstrasse (King). Wenn nicht in öfiFentlicher Angelegenheiten besuchte er keinen Minister, (Khing) und Ta-fu. Er reiste nach Süden und kam bis an den Kiang nach U; 300 Männer folgten ihm als Schüler. Sein Ruf verbreitete sich unter den Vasallenfürsten. Als Confucius das hörte, sagte er: Ich nahm (beurtheilte) erst die Menschen nach ihren Worten. Ich Hess davon ab bei Tsai-iü. Ich nahm (beurtheilte) die Menschen erst nach ihrem Aeussern; ich liess davon ab bei Tseu-iü. Aber der Kia-iü 19 f. 28 v. sagt: Than-thai Tseu-iü hatte das Aeussere eines Weisen (Kiün-tseu), aber sein Wandel übertraf nicht seine Gestalt. Tsai-ngo besass einen gezierten (Wang) und eleganten Ausdruck, aber seine Einsicht genügte nicht für seine Unter- scheidung. Confucius sagte: ein Dorf Sprichwort sagt: beobachte (siang) die Pferde am Wagen, beobachte die Sse im Hause, so kannst du nicht fehl gehen (fei). Wer aber nach blossen Ansehen die Menschen nimmt (beurtheilt), den lässt es in Stich (der irrt sich), wie bei Tseu-iü; wer bloss nach den Worten die Menschen nimmt, der irrt sich wie bei Tsai-yü (Tseu- ngo).

Er wie fast alle nachfolgenden Schüler des Confucius erhielten einen Platz bei den Opfern, die Confucius dargebracht werden seit 739 n. Chr. Seine Tafel ist die 2. im Osten im äussern Vorhofe jenseits der der Assessoren und Weisen.

15. Kao-tschhai oder Tseu-kao.

nach dem Eia-iü v. aus Thsi, aber aus einem andern Clane, als die dort mächtige Familie Kao; nach den Scholiasten des Sse-ki f. 18 v. aber aus Wei. Kr war nach dem Sse-ki 30, nach dem Kia-iü 40 Jahre jünger als Confucius und nur 6 oder nach dem Sse-Ki 5 kleine chinesische Fuss gross. Nach dem Kia-iü war er von Gestalt hässlich, aber sehr fromm, hielt recht auf das Gesetz, wohnte in seiner Jugend in Lu und erhielt unter Confucius Schülern den Namen eines Einsichtsvollen (Tschi). Er bekleidete das Amt eines Gouverneurs (Tsai) von Wu- tsching. Der Lüü-iü 11, 17 sagt : Tschai ist dumm. Tseu-lu sandte

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Tseu-kao als Gouverneur (Tsai) nach Pe. Confucius tadelte ihn Lün-iü 11, 24 desshalb, er habe dem Sohne eines Mannes Unrecht gethan (da er ihn anstellte, ehe er noch gehörig gelernt hatte). S. oben bei Tsöu- lu; wir haben ihn dort, S. 190, wo das Ende von Tseu-lu erzählt wurde, bereits erwähnt, hier noch Weiteres: DerKia-iü, Cap. 8, f. 17 fg., auch im Schue-yuen und bei Han-fei-tseu im I-sse 95, 4, f. 12 v. fg., vgl. Amiot p. 269, erzählen: Als Khi (Tseu)-kao Criminalrichter (Sse-sse) in Wei war, Hess er (wegen eines Verbrechens) einem Menschen (zur Strafe) die Füsse abschneiden. Da brachen plötzlich in Wei die Unruhen des Khuai-kuei aus; (Ling-kung floh nach Tsin), Khi-kao entfloh auch aus dem Thore der Vorstadt. Der Verstümmelte (der, dem das Bein abge- schnitten war) bewachte das Thor und sagte zu Khi-kao: Hier ist eine Lücke (in der Mauer, durch die du hinaus kannst); Khi-kao sagte aber : Der Weise springt nicht (über die Mauer, yü). Wieder sagte jener: Hier ist eine Höhle (Teu, zum Verbergen); Khi-kao aber sagte: Der Weise geht keine Nebenwege (Sui). Wiederum sagte jener : Hier ist ein Haus. Khi-kao trat dann hinein und die ihn verfolgten, hielten an. Als Khi-kao dann wieder fort wollte, sagte er zu dem Verstümmelten: Ich konnte nicht aufathmen (Khuei). Nach des Kaisers Gesetz kam ich zu nahe des Verstümmelten Füssen; jetzt , da ich in Bedrängniss bin und zur Zeit, da dieser Gestrafte Hass nähren könnte^ liess er mich dreimal fliehen, wie kommt das? Der Verstümmelte sagte: Dass mir derFuss abgeschnitten wurde, war meine Schuld, wie könnte ich darüber zürnen ? Wenn der Fürst den Untei:than nach dem Gesetze regiert, gehen zusammen^) der Vordermann und nachher folgt der Unterthan; wünscht der Unterthan (dem Strafgesetze) zu entgehen, so weiss er, worauf (auf welches Verbrechen) Gefängniss und Abschneiden (khiüe) steht. Wenn er (der Beamte) sicher die Sache übersieht und die Strafe erkennt und dabei Erbarmen und nicht Freude zeigt und der Unterthan sieht diese Haltung (Yen-sse) des Fürsten, so weiss er, dass der Fürst nicht für dch (Sse, aus Privatabneigung) die Strafe vollzieht. Der Himmel er- zeugte den Weg (die Anordnung, Tao) der Weisen^); daher ist der Unter- than froh über den Fürsten und sein Verfahren.

1) Der Eia-iü hat ho; aber der Schae-yaen wohl besser den ähnlichen Charakter Ling, befiehlt

2) Der Schae-yoan hat: des humanen Mannes Hers (Jin jin tschi sin).

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Als Confucius Das hörte, sagte er: Gut! Wenn der Beamte das Gesetz strenge anwendet und dabei human und milde denkt, so pflanzt er die Tugend; fügt er aber Härte und Grausamkeit hinzu, so pflanzt (säet) er Hass» Vom gemeinsamen Interesse geleitet verfuhr Tseu-kao.

Im Kia-iü, Cap. 12, f. 5 v. fg., charakterisirt Tseu-kung den Tseu- kao so: Ein aus der Höhle (Tschi) auskriechendes Insekt nicht tödten; wachsende Bäume nicht umhauen (tsche); Trauer für die Lieben (Eltern, Tsin) anlegen, ohne ihr Alter (Tschi, eigentlich Zähne) zu untersuchen, so war Tseu-kao's Wandel. Confucius sagte: Tschai's Trauer um seine Lieben ist schwer zu erreichen. Wenn man auskriechende Insekten nicht tödtet, so folgt man der Menschen Weg (Tao, Princip); wachsende Bäume nicht umhauen, zeigt Gutmüthigkeit und Humanität; vollendete, warme Ehrerbietung (Kung) und Gutmüthigkeit zeigen, das heisst sich erheben (tse). Der Li-ki im Cap. Tan-kung, 3, f. 19, auch im Siao-hio, IV. 2, 15, erzählt: Als Kao-tseu-kao^) seine Eltern (Tsin) betrauerte, weinte er drei Jahre Blut und Hess die Zähne nicht sehen (d. h. er lachte nicht); diess ist für einen Weisen (Kiün-tseu) sehr schwer.

Sein Platz ist neben der Tafel von Kung-si ngai.

16. Mi(Fo2).pu.thsi oder Tseu-tsien

aus Lu, nach dem Kia-iü 40, nach dem Sse-ki, B. 67, f. 15 aber 49 und nach den Scholiasten des Sse-ki 30 Jahr jünger als Confucius. Er wurde Gouverneur von Tan-fu, hatte Talent, Einsicht und Huma- nität (Jin), liebte die 100 Familien (das Volk) und ertrug keine Pflicht- verletzung. Confucius rühmte ihn Lün-iü 5, 2 und auch im Sse-ki ruft Confucius aus: „Tseu-tsien ist ein Weiser; hätte Lu keine Weisen, wie könnte er eine solche Tugend haben ?" Er war, wie gesagt, Gouverneur von Tan-fu und berichtete (Fan-ming) an Confucius. Der Sse-ki setzt hinzu, das Reich (Lu) hat Weise (wie) Pu-thsi 5 Männer; sie lehren, wie zu regieren sei. Der Kia-iü, 14, f. 11 v. hat dieselbe Aeusserung, aber er- weitert. Die Aeusserungen über ihn beziehen sich fast alle auf seine Verwaltung von Tan-fu. Der Schue-yuen im I-sse 95, 4, f. 10 v. sagt:

1) Diess soll derselbe sein; 2) verschieden geschrieben.

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Als Mi - tseu - tsien Tan-fu verwaltete, spielte er die Harfe (Kin), sang dazu und kam nicht herab aus seiner Halle (Tang) und Tan-fu war (wohl) regiert. Wu-ma-khi (No. 27) regierte auch Tan-fu; rait den Sternen ging dieser hinaus, mit den Sternen ging er hinein. Tags und Abends weilte er nicht bei seiner Person, sie zu lieben und Tan-fu war auch (gut) regiert. Wu-ma-khi od. schi fragte Mi-tseu-tsien nach der Ursache. Mi-tseu- tsien sagte: Ich erhalte die Menschen, du erhältst die Kräfte; wer die Kräfte erhält, strengt sie an; wer die Menschen erhält, lässt sie gehen ( J). Jener sagte : Mi-tseu-tsien ist ein Weiser ; er lässt die 4 Glieder (in Ruhe), füllt (tsiuen) Ohren und Augen, beruhigt Herz und Lebensgeister (Khi) und die 100 Beamten verwalten (regieren), er erhält nur ihre Zahl und das ist alles. Wu-ma-khi macht es (nicht so) ; er ermüdet die Natur und macht, dass sie sich abarbeiten und sich anstrengen und viel Kopfweh bekommen; er unterweiset und ermahnt sie (beständig); aber obwohl er so regiert, ist es doch, als ob er es noch nicht erreicht hätte. (Mi-tseu-tsien Hess die Dinge gehen, Wu-ma-khi dagegen zeigte sich viel- geschäftig.) Der Schue-yuen ebenda f. 8 v. sagt: Als Mi-tseu-tsien Gouverneur (Tsai) von Tan-fu wurde, wandte er sich an den Meister (Confucius). Der Meister sagte: Tritt Keinem entgegen (yng), um hin- zukommen (und du wirst hinkommen); erwarte nicht, dass man dir beistimmt; stimmt man dir bei, so verlierst du die Stelle; kommst du hin, so verschliesst man dir (den Zugang); es ist wie bei einem hohen Berge oder einem tiefen Abgrunde; geht man jenem nach, so kann man die Spitze (Höhe) nicht erreichen, will man diesen (don ^Abgrund) ermessen, so kann man die Tiefe nicht ergründen. Tseu-tsien sagte: Gut, ich unterstehe mich nicht, die Befehle nicht zu beachten.

Einen Widerspruch mit der ersten Stelle bildet Han-fei-tseu im I-sse 95, 4, f. 11 V.: Als Mi-tseu-tsien Tan-fu regierte, besuchte Yeu-jo (Nr. 25) ihn und sagte: Wie bist du denn so mager geworden (Kiü)? Mi-tseu sagte: Der Fürst erkannte nicht meine Geringheit und meinen Mangel an Einsicht, und sandte mich, Tan-fu zu verwalten. Die Amts- geschäfte bekümmern mein Herz, daher die Magerkeit. Yeu-jo sagte: Einst rührte (Kaiser) Schün die 5 Saiten und sang dazu das Lied Nan- fung und das Reich war (gut) regiert, und jetzt macht das kleine Tan- fu zu regieren dir so viele Sorge? Das Reich zu regieren, was wäre

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das erst! D'ram hat man einen ordentlichen Plan (Schu) gemacht für die Leitung, so kann die Person oben in der Halle (Tang) des Miao sitzen. Hat man einen festen Wohn platz, dann kann die Gestalt von Frau und Kind bei der Verwaltung nicht schaden ; hat man aber keinen (ordentlichen) Plan gemacht und wiH doch regieren, wenn dann die Person auch krankhaft sich anstrengt und abmagert, so hilft es doch nichts. Es sind noch mehrere ihn betreffende Stellen im Kia-iü. 14, f. 11 v. die erste ist auch im Schue-yuen im I-sse 9ö, 4, f. 1 1 fg. Confucius sagt da zu Mi-tseu-tsien : Du verwaltest Tan-fu, die Menge ist erfreut; was thust du (breitest du aus), um das zu erlangen ? Sage es mir (Khieu), was du machst. Er erwiderte und sprach, Pu-thsi's Verwaltung ist so: Wenn der Vater mitleidig (sio) ist gegen seinen Sohn, hat sein Sohn Mitleid mit den Verwaisten und betrauert die Gestorbenen ein Jahr über. Confu- cius sagte: Gut, diess ist die kleine Ordnung, und das kleine (geringe) Volk ist anhänglich (unterwürfig, fu), aber das ist noch nicht genügend. Spricht Pu-thsi: Für des Vaters Dienst sind 3 Männer, für des älteren Bruders Dienst 5 Männer, für der Freunde Dienste 11 Männer. Con- fucius sagte: Für des Vaters Dienst 3 Männer, die können die Pietät lehren; für des älteren Bruder Angelegenheiten können die 5 Männer die Bruderliebe lehren ; für die Freundes-Dienste können die 1 1 Männer zum Guten erheben ; diess ist die mittlere Ordnung und die mittleren Leute werden anhänglich sein, aber das ist noch nicht genug! Jener sprach: Dieses Landes Volk hat Weise (Hien) unter Pu-thsi, und die 5 Männer dienen Pu-thsi, um sie zu regeln; alle lehren die Principien von Pu-thsi. Confucius sagte seufzend : Das ist gross (bedeutend), dass die unter diesen sich finden. Einst hörten Yao und Schün (im) Reiche sich um und bemühten sich Weise zu finden, und unterstützten selbst diese Weisen und lOOterlei Glück erlangten ihre Ahnen, und sie wurden die Herren der erleuchteten Geister. Die Liebe (das Mitleid, Si), womit Pu-thsi regiert, ist dagegen noch gering. Der Sse-ki B. 67, f. 15 v. hat die Aeusserung des Confucius: Dieses Reich hat Weise, u. Pu-thsi 5 Männer; sie belehren Pu-thsi, wie zu regieren ist. Confucius sagte: Es ist zum Erbarmen (sie); die Pu-thsi regiert, sind klein ; die er regiert und die gross sind, deren sind wenige.

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Eine zweite Stelle ist Kia-iü, 37, f. 31 v. 32 v., und dann bei Liü-schi Tschhün-thsieu im I-sse B. 95, 4, f. 10 fg.: Confucius Schüler war Mi-tseu-tsien; als er (nämlich Confucius) ein Amt in Lu hatte, machte er ihn zum Gouverneur (Tsai) von Tan-fu. Da er aber besorgte, Lu's Fürst möchte auf schmeichlerische (verläumderische) Worte hören, Hess er ihn selbst die Eegierung nicht fähren, um so zu entschuldigen sein Thun und bat den Fürsten, dass er zwei Männer als Sse^) mit ihm ab- senden wolle, mit ihm zugleich das Amt zu führen (anzutreten). Mi- tseu-tsien aber verbot seinen Stadtbeamten (Li) und hiess die beiden Sse ihr Buch niederzulegen (fang). Das Buch nahm er dann plötzlich an sich aus ihrer Hand (Tscheu, eigentlich Handgelenk) und wenn die Schrift (das Buch) nicht gut war, dann folgte er (ging er ihnen nach) und zürnte ihnen. Die beiden Sse, bekümmert über seine Auslassungen (Reden), baten zurückkehren zu dürfen nach Lu. Mi-tseu sagte: Eure Bücher sind gar nicht gut; ihr strebtet nur zurückzukehren. Diebeiden Sse kehrten zurück und verantworteten sich beim Fürsten und sagten : Mi-tseu sandte nach deiner Diener Bücher und hielt des Dieners Hand (Ge- lenk) fest. Die Bücher wurden so schlecht und er zürnte noch dem Diener; die Stadtbeamten lachten (spotteten) alle darüber; deine Diener sagten dir so, warum sie kamen.

Lu's Fürst fragte Confucius desshalb. Confucius sagte: Mi-pu-tseu ist ein Weiser; seine Talente könnten im Amte einen Pa und Wang unterstützen; er schmiegte sich (khiü-tsie), um Tan-fu zu regieren, in- dem er sich selbst prüft (versucht, schi), wird absichtlich daraus ein Tadel gemacht. Der Fürst fuhr auf wie aus dem Schlafe, athmete tief auf und sagte seufzend: Meine Wenigkeit war darin nicht einsichtsvoll genug; meine Wenigkeit störte Mi-tseu's Verwaltung, und ihr tadelt (tse) (sein) Gutes, öfter zu erforschen (thsi). Unbedeutend (wei, wie er ist) kennt meine Wenigkeit (der beiden Sse) Vergehen nicht. Meister, wenn meine Wenigkeit nicht von selbst auffährt, lasse schnell einen hin- gehen, der ihn liebt. Er sandte nun einen, der Mi-tseu ermahnte und sagte: Seit du jetzt nach Tan-fu gegangen bist, hatte ich keinen, der dir folgte (nachging), du hast geregelt angemessen (pien) im Volke, du

1) Sonst Geschiolitscbreiber, auch Aktaare.

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entschiedest, was zu thun sei, und in 5 Jahren sagtest du nicht ein Wort der Zustimmung (Yao). Mi-tseu empfing ehrerbietig (fung) die Ermahnungen (Tschao) und befolgte sie bei der Regierung und so wurde Tan-fu verwaltet. Selbst generös (liberal, tun), weit, erleuchtet, liebe- voll gegen die Eltern, trieb er an zur Ehrfurcht, verbreitete die höchste Humanität, fügte hinzu den Ernst (Ken) und Wahrhaftigkeit und erreichte (erzielte) so RechtschafFenheit und Treue. Thsi's Leute griffen Lu an und der Weg ging von Tan-fu aus. Tan-fu's Greise baten und sagten: Der Waizen (Me) ist reif; jetzt kommen die Räuber aus Thsi, sie er- reichen die Leute nicht. Die Leute wollen selber ihren Waizen einsam- meln. Wir bitten das Volk loszulassen (fang), dass es hinausziehe, alle den Waizen zu schneiden und ihn in die Vorstadt (Ko) zu schaffen. Wir können auch noch hinzufügen den Vorrath (Liang), dass er nicht gestohlen werde von den Räubern. Dreimal baten sie ihn, aber Mi-tseu hörte nicht darauf. Plötzlich (ngo) erreichten die Räuber aus Thsi den Waizen. Als Khi-sün (der Minister von Lu) das hörte, zürnte er und sandte Leute, Mi-tseu Vorwürfe zu machen (yang) und sagte: Das Volk friert beim Ackern, das reife Korn hat es gekrautet und er- langt jetzt nicht, es zu essen (speisen); ist das nicht traurig? Ich weiss nicht wie das geschehen konnte. Dreimal erinnerte man dich und du hörtest nicht auf das Volk. Mi-tseu-tsien war verwirrt (beschwert), sagte aber: Jetzt haben sie allerdings keinen Waizen, aber im nächsten Jahre können sie pflanzen; hätte ich sie nicht pflügen lassen und das Korn schneiden, dann hätte ich das Volk wohl sich freuen lassen ; dass der Räuber da war, und den Waizen Tan-fu's von einem Jahre erlangte, der fugte Lu keine Stärke (Kraft) hinzu und der Verlust desselben macht es nicht schwach. Wenn man das Volk aber einmal selbst sein Herz nehmen (seinen Willen ausführen) lässt, und das einmal anfängt (tschoang), dann hört es damit nicht auf. Als Khi-sün das hörte, erröthete er und sagte beschämt: Wie kann ich das Land betreten und Mi-tseu ertragen zu sehen. Es ist diess eine eigene Regierungs- Weisheit !

Verständiger ist das folgende Geschichtchen im Kia-iü, Cap. 37, f. 32 V., auch in Liü-schi's Tschhün-thsieu im I-sse B. 95, 4, f. 10 v. Amiot p. 290 hat sie, nennt ihn aber irrig Ming-tseu-kien und Gou- verneur von Schan-fu.

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Im dritten Jahre (der Verwaltung Mi-tseu-tsien's) sandte Confucius den Wu-ma-khi, zu gehen und zu sehen, wie er regiere. Wu-ma-khi legte im Dunkeln seinen Anzug ab, zog ein schlechtes Pelzkleid an und betrat so die Grenze (das Gebiet) von Tan-fu. Er sah Nachts einen Fischer, der Fische fing und sie sofort wieder in's Wasser Hess. Wu- ma-khi fragte ihn und sagte: Alle Fischer suchen P'ische zu bekommen; warum lässt du die Fische, die du erlangt hast, wieder los (frei)? Der Fischer sagte: Die grossen Fische nennt man Tscheu (die lange leben); unser Ta-fu liebt sie; die kleinen heissen Yng (unentwickelte); unser Ta-fu wünscht, dass sie erst auswachsen (tschang). Wenn ich daher die zweiten erhalte (fange), so lasse ich sie los.^) Wu-ma-khi kehrte alsbald zurück und berichtete es. Confucius sagte: Mi-tseu's Tugend ist die .höchste. Er macht, dass das Volk im Dunkeln (Ngan) handelt, als ob es an jeder Seite vor der Strafe (dem Gesetz) Respekt hätte. Ich erlaube mir die Frage, wie Mi-tseu es erlangte, so zu handeln. Confucius sagte : Ich versuchte mit ihm zu reden und sage, wenn es in Wahrheit so ist das Gesetz, so verfährt Mi-tseu nach diesem Principe in Tan-fu.

Die Geschichte im Kia-iü, Cap. 19, f. 27 fg., findet sich auch im Schue-yuen im I-sse 95, 4, f. 11 und zwar vollständiger so: Confu- cius älterer Bruder- Sohn der Schue-yuen hat dafür Schüler war Kung-mie. Mit Mi-tseu-tsien bekleideten beide ein Amt. Confucius ging bei Kung-mie vorbei und fragte ihn und sagte: Seit du ein Amt hast, was erreichtest du und was verlorst du (vermisstest du)? Er erwiderte und sprach: Erreicht habe ich noch nichts, aber verloren habe ich dreierlei. In des Königs Dienst habe ich ein Amt und studiere die üebung zu erlangen, aber bei diesem Studium habe ich noch keine klare Einsicht (Ming) gewonnen, (diess ist das erste, was ich vermisse) diess setzt der Schue-yuen immer hinzu. Der (von der Regierung bezahlte) Gehalt (Fung-lo) ist ein ;«renig Hafergrütze (Tscho). Diese reicht nicht hin für die Verwandten (Tsin-tsi). Sie sind mir wie Knochen und Fleisch und ich kann nur wenig ihnen hinzufügen (geben). (Diess

1) Liü-8chi bat deutlicher: Mi-tsea ^^ünscht nicht, dass die Leute die kleinen Fische nehmen; die ich losliess, waren nur kleine Fische.

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ist das zweite, was mir fehlt ) Des Fürsten (Kung) Geschäfte sind viele und sie sind eilig und ich kann kein Beileid bezeugen bei Todesfallen, noch nachfragen bei Kranken; diess entfremdet mir die Freunde, (das ist das dritte, was mir abgeht).

Confucius, wenig erfreut, kam bei Tseu-tsien vorbei und fragte ihn ebenso wie Kung-mie (der Schue-yuen wiederholt die obigen Fragen); der erwiederte und sagte: Seit ich in' s Amt kam, habe ich noch nichts vermisst (verloren), aber dreierlei erlangt. Ich fing an die Geschäfte zu durchdringen, und jetzt habe ich es erreicht, sie zu führen, und dieses Studium mehrte (täglich) meine klare Einsicht, (dies ist das erste, was ich erlangt habe). Der von der Regierung bezahlte Gehalt bestand zwar nur in wenig Hafergrütze, aber ich erlangte doch Hafergrütze für meine Verwandten ; meine Verwandten wurden mir daher immer mehr und mehr befreundet, (das ist das zweite, was ich erreichte). Obwohl des Fürsten Geschäfte eilig waren, konnte ich doch Nachts bei Todesfällen fleissig condoliren und Kranke besuchen, und dadurch mehrte sich die Liebe der Freunde, (dies ist das dritte, was ich erreichte). Confucius seufzte und sagte zu Tseu-tsien: Du bist ein Weiser (Kiün-tseu); hat Lu sonst keinen weisen Mann, so nimmt Tseu-tsien diesen Platz ein!

Mi-pu-tsi war auch Schriftsteller. Der Han-schu, B. 30, f. 12, hat Mi-tseu 1 6 Pien ; nach der Note ist dies Mi-pu-tsi, s. Legge T. I, p. 1 20. Prol.) Seine Tafel entsj)richt im Westen der Tan-thai-Mie-ming's.

17. Yuen-hien oder Tseu-sse,

36 Jahre jünger als Confucius, nach dem Kia-iü aus Sung, nach dem Scholiasten des Sse-ki f. 16 aus Tschin, nach Tsching-hiuen aus Lu; nicht zu verwechseln mit Tseu-sse, dem Enkel des Confucius, mit dem Namen Kung-ki. Yuen-hien war nach dem Kia-iü rein und frei von Schmutz; er bewahrte (beobachtete) die Regel (Tsie); arm freute er sich der rechten Principien (Tao). Als Confucius in Lu Sse-keu war, wurde Yuen-hien unter ihm Gouverneur (Tsai). Als Confucius gestorben war, trat er in's Dunkle zurück und wohnte in Wei. Auf ersteres bezieht sich Lün-iü 6, 3 : „Als Yuen-sse von Confucius zum Gouverneur gemacht worden war, gab Confucius ihm 900 Mass Reis; er schlug sie aus. Con-

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fucius sagte : (Thu' das) nicht, vertheile sie unter deine Nachbarschaft, Weiler, Dörfer und Städte" (Lin, li, hiang, tang). DerSse-ki67, f. 16, hat noch: Tseu- sse fragte nach dem Erröthen. Confucius sagte: Wenn im Reiche die rechten Principien (Tao) herrschen, (kann man) Einkünfte (Früchte, Ko) beziehen. Wenn das Reich ohne solche und man bezieht die Einkünfte, so muss man erröthen Tseu-sse sagte: Wenn man siegen will, an- greifen den Hass, das wünsche ich nicht zu thun; kann das schon für human gelten? Confucius sagte: Es kann für schwierig gelten; ob für human, das weiss ich nicht. Nach Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 4, f. 13 V., vgl. Sse-ki 67, f. 16 und Kia-iü 38, f. 1 v., lebte Yuen- hien in Lu nach dem Sse-ki in Wei im Hause von Huan-tu. Es war dieses mit grobem Grase bedeckt (Tse), aus Süssholz (Hao), Melde (Lai) und Pung (der unter dem Flachs wächst). Die Thüre war eine runde Oeffnung (wie ein Topf), die Fenster ohne Angeln, die Dachsparren aus Maulbeerholz ohne Tropflfall, unten feucht. Yuen-hien's Kleid war schlecht (pe); er trug eine Mütze (Mien), ass täglich nur grobe Speise, aber sein Auge war heiter (khan) und er erreichte seine Absicht. Da sass er gebückt, spielte und sang (dazu). Tseu-kung dagegen kam geritten auf einem fetten Pferde, im leichten Pelzkleide, in der Mitte roth, das äussere Kleid (Gewand) weiss, die Wagendecke ungewöhnlich, um ihn zu besuchen. Yuen-hien mit dem papiernen Tschu-Hute und schwarzem Stocke setzte am Antwortsthore (Yng-men) seinen Hut zu- recht, löste die Quasten (das Hutband), brachte den Brustzipfel (King, die Kälte abzuhalten) in Ordnung; man sah die Gelenke des Armes; er trat in seine Schuhe (Li) und folgte langsam. Tseu-kung erröthete darüber und sagte: Meister, welche Krankheit hast du? Yuen-hien er- widerte und sprach: Ich (Hien) habe gehört, dass wer ohne Vermögen (Mittel, Tsai) ist, arm heisst; wer aber lernt und (das Gelernte) nicht übt, heisst krank; ich (Hien) bin arm, aber nicht krank. Selten ist das Geschlecht, welches es übt und sich befreundet zu lernen ein Mensch zu sein, die Humanität und das Recht zu lehren die verborgen. Wagen und Pferdeschmuck, der Pelzkleider Zierde sind nicht zu ertragen. Tseu- kung, unfähig vorzugehen und beschämt, sagte nichts und ging weg. Der Kia-iü und Sse-ki 67, f. 16 v. schliessen: Tseu-kung schämte sich, ging weg und sein Lebelang erröthete er, in seiner Aeusserung

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gefehlt zu haben. Yuen-hien ging ruhigen Schrittes, zog seinen Stock nach sich, sang den Schang-sung (Schi-king, IV, 3) und wiederholte des Tones sanfte Wellen, wie er im Himmel und auf Erden aus Metallen und Steinen hervorgeht ; wenn der Kaiser keinen Diener (Tschin) erhält^ so erhalten (erlangen) die Vasallenfürsten keinen Freund; d'rum, wer seine Person blos ernährt, vergisst seine Familie (Haus); wer seine Ab- sicht (Tschi) unterhält (sie zu erreichen strebt), der vergisst seine Person ; wer seine Person nicht liebt, wer braucht sich dessen zu schämen ? Das Lied sagt: Mein Herz ist kein Stein, es kann nicht rund umgedreht werden (tschhuen); mein Herz ist keine Matte, es kann nicht aufgerollt werden. Confucius Lün-iü 14, 10, nach Tseu-sse gefragt, erwiederte etwas undeutlich: Oh, der Mann! Oh, der Mann! Seine Tafel steht nächst der von Mie-ming.

18. Kung-tschi, (Ye)-tschang oder Tseu-tschang,

(verschieden von N. 12) nach dem Sse-ki ahs Thsi, nach dem Kia-iü aus Lu. Er konnte Schande erdulden. Confucius gab ihm seine Tochter zur Frau. Diess ist das einzige, was über ihn im Lün-iü 5, 1, berichtet wird, und im Sse-ki, f. 16 v. sagt Confucius: Kung-tschi-tschang kann heirathen ; obwohl in Fesseln^ ist es nicht seine Schuld, und er gab ihm seine Tochter zur Frau. Sein Grab ist nach den Schol. in Tsching-yang. Seine Tafel ist neben der von Pe-tshe.

19. Nan-kung-kuo^) oder Tseu-yung

hat seinen Platz im Osten zunächst von Yuen-hien. Nach dem Eia-iü war er aus Lu. Confucius gab ihm seines altern Bruders Tochter zur Frau. Durch seine Klugheit erhielt er, wenn die Zeit (Generation) rein war, sich, ohne zu fallen, wenn die Zeit schmutzig war, ohne sich zu besudeln. Confucius im Lün-iü 5, 1, sagt: Wenn das Reich (Lehen)

1) Dieses Wort wird sehr verschieden geschrieben im Sse-ki, Kia-iü 38, f. 3, und Li-ki Cap. Tan-kung 3, f 11 v. Der Nan-kung-king-scho , der im I-sse 95, 4, f. 16 v. unter diesem Artikel aufgeführt wird, ist wohl ein ganz verschiedener Mann; andere halten ihn aber für denselben.

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vernünftig (Tao) regiert wird, wird (Nan-yang) nicht entlassen werden; wenn das Reich nicht vernünftig regiert wird, so entgeht er doch der Strafe und dem Tode ; er gab ihm seines Bruders Tochter zur Frau. Letzteres wird wiederholt im Lün-iü 11, 5; da heisst es nur zuvor: Nan-yung wiederholte täglich dreimal den Pe-kuei, (den Spruch des Schi-king III, 3, 2, 5): „Aus einem weissen Steinscepter kann man einen Riss (Fehler) wegbringen, aber aus einer Rede nicht". Lün-iü 14, 6, erzählt noch: Nan-kung-kuo fragte Confucius : „Starb nicht der berühmte Bogenschütze J und Ngao, der ein Schiff über trockenes Land fuhr, eines unnatürlichen Todes, während und Tsi,^) die arme Landbauer waren, auf den kaiserlichen Thron gelangten"? Confucius erwiderte nichts darauf, als aber Nan-kung-kuo hinausgegangen war, rief er aus: Dieser Mann ist ein Weiser ! wie der Mann die Tugend erhebt ! (diese über Körper-Fertig- keit setzt). Kia-iü Cap. 12, f. 5 charakterisirt (Tseu-kung) ihn so: Allein (wohnen) und nur an die Humanität dönken. Wenn er öffentlich sprach, nur von der Gerechtigkeit reden. Von Gedichten dreimal an einem Tage wiederholen das Gedicht der Flecken an einem weissen Kuei (Scepter), so war Kung-thao's^) Wandel. Confucius vertraute seiner Fähigkeit und seiner Humanität und machte ihn zu einem besondern Sse. Daraus ist zu ersehen, dass Confucius nur zur Thür aus- und ein- ging. Während bei einem Feuer im Palaste von Ngai-kung in Lu An- dere die Schätze retteten, rettete er die Bibliothek, den Tscheu-li und alte Denkmäler. S. Legge, Prol. T. I, p. 120.

20. Kung-si-ngai oder Ei-thse, Andere tschhin,

nach dem Eia-iü aus Thsi oder Lu. Der Sse-ki f. 17 hat nur eine Aeusserung des Confucius über ihn; das ganze Reich hat keinen Fort- gang; zu viele Hausbeamte haben Aemter in der Hauptstadt, nur Ei-thse hat noch kein Amt. Der Eia-iü hat eine ähnliche Stelle, aber verdorben : Er versuchte nicht sich zu ducken als Beamter ; Confucius seufzte darüber, aber ehrte ihn. Seine Tafel folgt auf der Eung-ye-Tschang's.

1) Hea-tsi, despen Naohkommen die Gründer der dritten Dynastie worden.

2) So der Eia-iü.

Abh. d. I. a d. k. Ak. d. Wies. Xm. Bd. I. Abth. 3 1

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21. Schang^)-kiü oder Tseu-mo,

nach dem Sse-ki f. 18 und dem Kia-iü aus Lu, 29 Jahre jünger als Confucius. Er liebte nach dem Kia-iü einzig den I-king, dessen Grund- idee (Tendenz, Tschi) Confucius nach dem Kia-iü ihm überlieferte. Der Sse-ki f. 18, nennt alle, durch deren Hände er dann später gegangen ist. S. P. Regis ^) I-king T. I. p. 93. Erwähnt wird er noch im Kia-iü im I-sse 95, 4, f. 19 und im Sse-ki 67, f. 20 v. sqq. mit Liang-tschen, N. 30, s. Ehe in Abth. IV.

Seine Tafel folgt auf der von Nan-kung-kuo.

22. Tsi-tiao-khai^) oder Tseu-khai oderTseu-jo, auch Tseu-sieu,

nach dem Kia-iü aus Thsai oder nach den Schol. zum Sse-ki f. 18 v., aus Lu, war 11 Jahre jünger als Confucius. Lün-iü 5, 5 und Sse-ki f. 18v., heisst es: Confucius wollte Tsi-tiao-khai eine Anstellung geben ^ er erwiderte aber: Ich bin noch nicht fähig, deine Lehre zu begreifen; Con- fucius freute (gefiel) das. Der Kia-iü f. 3 v., sagt: Er war besonder» geübt im Schang-schu (Schu-king) und hatte keine Freude an einem Amte. Confucius sagte: Seinem Alter (Tschi, eigentlich Zähnen) nach könnte er ein Amt bekleiden, die Zeit wird bald vorbeigehen. Confu- cius hiess ihn den Schu-king erklären. Tseu-jo, indem er seinen Schu- king las, sagte : Ich habe diesen noch nicht treu aufgefasst. Confucius freute das. Im Schue-yuen im I-sse 96, 4, f. 14, auch im Kia-iü 10, f. 25 V. scheint er Tsi-tiao Ma-jin zu heissen. S. die Stelle in Abth. IV bei Wahrsagen.

23. Sse-ma-keng oder Tseu-nieu,

nach dem Kia-iü und Kung-ngan-kue aus Sung. Er kommt nur einmal im Lün-iü 12, 3 5, auch im Sse-ki f. 19 v., vor; er fragt da nach

1) P. Regis nennt ihn Tsohang-lu.

2) Der Character kbai wurde beim Eegierungsantritte des Kaisers Hiao-King, 155 n. Gh., in einen andern gleichlautenden verwandelt) weil jener im Jahresnamen des Kaisers vorkam. S. Legge zu Lün-iü^ 5, 5.

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den Weisen und Humanen ; s. Äbth.IV. § 5 klagt er, alle Menschen haben Brüder, ich allein habe keinen. Tseu-hia erwiderte ihm: Ich habe gehört, dass Leben und Tod Bestimmung sind, Reichthümer und Ehren vom Himmel abhängen; der Weise ist ernst und voll Achtung und zwar immer. Immer voll Eespekt und Artigkeit gegen Andere, sind Alle innerhalb der vier Meere seine Brüder; wie kann er denn bekümmert sein, als ob er keine Brüder habe? Kia-iü f. 3 v. und der Sse-ki f. 19, sagen: Nieu redete viel, ging aber langsam vorwärts (tao). Der Kia-iü setzt hinzu : Da er sah, dass sein älterer Bi'uder Huan-thui sich schlecht betrug, öo war Nieu darüber sehr bekümmert. Er folgt auf Tsi-tiao Khai.

24. Fan-siü oder Tseu-tschhi, der nächste nach Kao-tschhai,

aus Thsi oder nach dem Kia-iü f. 3 aus Lu; 36 Jahre, nach dem Kia-iü 46 Jahre jünger als Confucius. Lün-iü 13, 4, auch im Sse-ki f. 19: bittet Fan-siü Confucius, ihn im Landbau zu unterrichten. Confucius sagt: Ich bin nicht wie ein alter Landmann. Dann bat er, ihm die Gärtnerei zu lehren. Confucius sagte: Ich bin kein Gärtner. Als er hinaus- gegangen war, sagte Confucius: Fan-siü ist ein kleinlicher (unweiser) Mensch. Wenn die Obern die Bräuche lieben, ist das Volk nicht ohne Respekt; wenn die Obern die Gerechtigkeit lieben, ist das Volk nicht ungehorsam ; lieben die Obern Treue und Redlichkeit (Sin), so wagt das Volk nicht, treulos zu sein. Unter diesen Umständen kommt das Volk aus allen Gegenden, seine kleinen Kinder in Säcken auf dem Rücken tragend, dir zu dienen; wozu ist da nöthig, dass du selbst den Land- bau treibst? Kia-iü 41, f. 8 v., dient er und Yen-kieu gegen Thsi. S. N. 5. 2^ach dem Kia-iü bekleidete, er ein kleines MUitäramt unter der Familie Ki-schi. Nach Lün-iü 2. 5 fährt er Confucius und spricht über Pietät; 6,20 über Wissen und Humanität, auch 13, 19 und 12, 20 und 21. S. Abth. IV unter diesen Artikeln. Im Kia-iü 41, f. 15 fragt Fan- siü Confucius über Pao-hi und wann man ein Amt bekleiden könne.

25. Yeu-jo oder Tseu-yu jo,

nach dem Kia-iü aus Lu und 33, nach dem Sse-ki, f. 20: 13 Jahre jünger als Confucius. Nach Lün-iü 12, 9 fragte Ngai-kung (von Thsi) Yeu-jo:

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In diesem Jahre ist Mangel und ich habe nicht genug Vorräthe, was ist da zu thun? Yeu-jo sagt: Warum nimmst du nicht blos ein Zehntel an Abgaben? Der Fürst erwiderte: Wenn zwei Zehntel nicht ausreichen, wie denn nur ein Zehntel nehmen ? Er erwiderte : Wenn das Volk üeber- fluss hat, wie kann dann der Fürst Mangel leiden ? Wenn das Volk aber nicht genug hat, wie kann dann der Fürst Ueberfluss haben ? Sein Ge- spräch mit Mi (Fo) Tseu-tsien bei Han-fei-tseu im I-sse 95, 4, f. 11 v., ist bei diesem schon obenNo. 1 6 S. 229 angeführt. Wie Yeu-jo Confucius erhebt bei Meng-tseu, II, 1, 2, 28, s. bei tionfucius. Yeu-jo soll im Aeussern und in seinen Manieren viele Aehnlichkeit mit Confucius gehabt haben. Wie mehrere Schüler desselben nach dessen Tode ihn desshalb zum Führer wählen wollten, Tseng-tseu sich dem aber widersetzte, ist schon oben im Leben des Confucius II. 2 S. 86 nach Sse-ki f. 20 v. er- zählt. Li-ki Tan-kung Cap. 4, f. 53 erzählt: Bei der Trauer um Yeu- jo condolirte Lu's Fürst Tao-kung(467 430); Tseu-yeu weigerte sich die linke (geehrtere)Seite einzunehmen. Wir ersehen daraus einigermassen die Zeit des Todes von Yeu-jo. Lün-iü 1, 12, auch im Sse-ki f. 20, hat seinen Ausspruch über die Bräuche (Li) und über das Halten von Ver- sprechen (Sin), über Pietät und Bruderliebe, als die Wurzel der Humanität Lün-iü 1, 2; über Trauer sind mehrere Aussprüche von ihm im Li-ki, Cap. 4, Tan-kung f. 10, 53, 65 v./ 79 v.; 3, f. 12 v. und 33, dann Tsa-ki, Cap. 20. S. unten Abtheilung IV.

Im Kia-iü 42, f. 22, fragt Yeu-jo Confucius über Heirathen in derselben Familie, dann im Sse-ki f. 20, wie Confucius Regen voraussage, nach dem Lün-heng im I-sse 93, 3, 11 v. auf eine Frage Tseu-lu's. Die Anekdote im Sse-ki f. 20, wie Schang-kiü, der im Alter noch keinen Sohn hat, Confucius desshalb befragt, auch im Kia-iü im I-sse95,4,f. 19. S. b. EheinAbth. IV. Seine Tafel istjetzt die sechste im Osten unter den Weisen seit Khien-lung anno 3, gemäss einer Eingabe des Präsi- denten eines der Tribunale, angeblich auf Anlass eines Traume^ desselben.

26. Kung-si-tschhi oder Tseu-hoa,

der 4. im Westen im Aussenhofe. Nach dem Kia-iü f. 3 v. aus Lu und 42 Jahre jünger als Confucius. Lün-iü 6, 3, erzählt: Als Tseu-hoa

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nach Thsi gesandt wurde, bat Yen-tseu um Reis für seine (Tseu-hoa's Mutter), Confucius sagte: Gib ihr einen Fu 6 Teu und 4 Sching. Yen-tseu begehrte mehr. Confucius sagte: Gib ihr einen (16 Teu). Yen-tseu gab ihr 5 Ping Reis. Confucius sagte: Als Tschhi (Tseu-hoa) nach Thsi kam, ritt er fette Pferde und trug feine Pelzkleider ; ich habe nun wohl gehört, dass der Weise dem Bedürftigen beistehe, aber er braucht nicht den Ueberfluss des Reichen zu vermehren. Er scheint etwas eitel gewesen zu sein. Lün-iü 11, 25 will Confucius die Wünsche einiger seiner Schüler vernehmen. Tseu-lu und Khieu (s. bei diesen N. 6 und N. 5) haben ihre Wünsche ausgesprochen, und jeuer fragt was möchtest du, Tschhi ? Tschhi erwiderte : Ich bin nicht Meister in solchen Dingen (der Kriegskunst und der Verwaltung eines Staates), obwohl ich wünschte, es zu lernen, aber im Ahnentempel und in einer Versammlung der Fürsten, da möchte ich in der geeigneten Tracht und Mütze als Assistent fungiren. Damit stimmt Lün-iü 5, 7 und Kia-iü f. 3 v.: Confucius soll seine Meinung da über Tschhi sagen. „Tschhi, sagte er, mit seinem Amtsgürtel angethan ist fähig am Hofe aufzuwarten und Gäste zu em- pfangen; was seine Humanität (Jin) betrifft, da weis ich nicht". Con- fucius will sich im Lün-iü 7, f. 33, nicht für einen Weisen ausgeben; ich kann nur sagen: Ich übe ihre Lehren ohne satt zu werden und lehre sie unermüdet. Auch das, sagt Kung-si-hoa, konnten wir^ deine Schüler, noch nicht lernen. Bei Confucius letzter Rückkehr nach Lu sandte Ba- khang-tseu Kung-hoa, Kung-ping und Kung-lin ihm nach Sse-ki B. 47, f. 23 V., entgegen. Wie er bei Confncius Beerdigung thätig.war, sahen wir aus Li-ki 3, f. 22 v. Seine Charakteristik durch Tseu-kung im Kia-iü Cap. 12, f. 4 ist so: Er hatte viele Ehrfurcht (Kung) das Reich zu regieren. Wenn man von ihm sprach, nannte man ihn des Reiches Greis (Lao, Stütze). Wohlgeordnet und stark, konnte er seine Absicht erreichen ; billig und den Brauch (Li) liebend wartete er auf und unter- stützte beider Fürsten Geschäfte; er bemühte sich viel, dass Ordnung stattfand. So war Kung-si-tschhi's Wandel. Confucius sagte : Die 300 Haupt- gebräuche des Li-ki kann man durch Anstrengung wohl erreichen (zu üben), aber die 3000 feineren (J), das ist schwer. Kung-si-tschhi fragte und sagte: Was will das sagen? Confucius sagte: Gestalt haben auch die Gastgebräuche ^ aber die Gebräuche nach der Gäste Reden angeben,

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das ist schwer. Alle Welt hört sie und urtheilt, ob sie vollkommen sind. Confucins sagte zu den Leuten : Die Angelegenheiten von Gästen kann man wohl durchdringen ; aber zu seinen Schülern sagte er : Meine 2 3 Kinder! wünscht ihr die Gastgebräuche zu lernen, das könnt ihr bei Tschhi.

27. Wu-ma-schi^) oder Tseu-khi,

nach dem Kia-iü 38f. 4au8Tschhin, nach den Schol. des Sse-ki aus Lu; nach dem Sse-ki f. 21 v. 30 Jahre jünger als Confucius. Der Lün-iü 7, 30, hat eine Anekdote von ihm: Der Richter (Sse) von Tschin fragte, ob (Lu's Fürst) T8chao-kung(541 509) die Gebräuche (Li) verstehe. Con- fucius erwiderte: Er kennt die Gebräuche. (Wu-ma-schi) sagte : Ich habe gehört, dass der Weise (Anderer) Fehler nicht verbirgt; verhehlt denn der Weise P'ehler? Lu's Fürst nahm eine Frau aus der gemeinsamen Familie U; er hioss sie Meng-tseu, (als ob er aus der Familie Meng- tseu seine Frau (J) nahm und verdeckte so den Namen ihrer gemein- samen Familie. (Man darf in China keine Frau init demselben Familien- namen heirathen.) Wenn Lu's Fürst die Bräuche kennt, wer kennt sie dann nicht? Schi sagte es Confucius. Confucius erwiderte: Ich (Kieu) bin doch glücklich ; begehe ich ein Vergehen, so wissen es die Menschen gleich. Im Sse-ki ist noch der Zusatz: Der ünterthan darf eines be- freundeten Fürsten Fehler nicht sagen (erzählen); der (Fürst) fälschte allerdings den Brauch, lieber die Sache vgl. Tso-schi Tschao A. 1, f. 11, S. B. JB. 20, p. 530. Han-schi Wai-tschuen im I-sse, 95, 4, f. 17 v., hat noch eine Anekdote: Tseu-lu war mit Wu-ma-schi gegangen. Gras (Sin) unterhalb des Wan-Hügels zu holen, und legte es sich zurecht. Da war ein reicher Mann aus Tschin, Yeu-tschü-sse-schi, der zeigte mit den Fingern auf einen Wagen von 1 00 Sching oben auf dem Wan-Hügel. Nach Kia-iü 37 schickt Confucius den Wu-ma-khi, über die Verwaltung Tan-fu's durch Mi-tseu-tsien zu berichten; s. oben No. 16. Kia-iü 38, f. 4 hat dafür die Anekdote, wie Confucius Regen voraussagt; s. Abth. IV. Seine Tafel im Osten ist zunächst der von Sse-ma-keng.

1) Der Kia-iü und Han-schi Wai-tschuen schreiben dafür Wu-ma-khi.

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28. Kung-8ünLung (Andere Tschhung) oder Tseu-schi (Stein),

nach dem Sse-ki 53 Jahre jünger als Confucius; nach den Schollen aus Tshu^ nach dem Eia-iü aus Wei, nach Andern aus Tschao; der I-sse 95, 4, f. 19 V., hat Einiges über ihn aus dem Schue-yuen. Nach diesem fragte ihn Tseu-kung, warum er den Schi-king nicht studiere. Er er- widerte ihm, er habe keine Müsse (Hia) dazu; Vater und Mutter ver- langen meine Pietät, meine Geschwister verlangen meine Bruderliebe, meine Freunde meine Treue, wie sollte ich dazu Zeit haben. Tseu-kung sagte : Ich bitte, unsern Lehrer wegzuthun und bei dir zu lernen. (Legge Prol. T. L p. 123: come to my Master and learn of himü)

Die zweite Anekdote ist: Tseu-schi bestieg den Berg U und nach den 4 (Weltgegenden) blickend, sagte er seufzend: Ach, welches Elend (Kummer) ; das Zeitalter hat Einsicht in die Geschäfte, aber die Leiden- schaften harmoniren nicht in des Menschen Herzen. Wo Harmonie ist in des Menschen Herzen, da ist keine Helle (Einsicht) in die Geschäfte für den Leidenschaftlichen. Ein Schüler fragte (und sagte), was er damit sagen wolle? Tseu-schi sagte: Einst hörte der König von ü Fu-tschai nicht auf ü-tseu-siü, der seine Redlichkeit aufs Aeusserste erschöpfte, ihm abzurathen ; er riss sich die Augen aus als Strafe.

Der Katalog, 13, f. 1 fg., hat Kung-sün-Lung tseu aus der D. Tscheu 3 K. und rechnet dies sein Werk zu den Tsa-kia. Vgl. Wylie, p. 126 u. meine Abh. die Quellen d. alten chin. Gesch., Anm. 64 u. 71.

29. Eung-pe-liao oder Tsea-tscheu, nach den Schollen des Sse-ki f. 19 aus Lu. Im Lün-iü 14, 38 heisst es: £r verläumdete Tseu-lu bei Ki-sün. Tseu-fo-king-pe meldete es Con- facius und sagte: Ei-sün habe in Folge dessen, was Kung-pe-liao gesagt habe, ein Vorartheil gegen Tseu-lu gefasst; hätte er die Macht, so würde er ihn umbringen und seine Leiche auf öffentlichem Markte ausstellen. Confucius Antwort war: Wenn die guten Principien herrschen sei es Bestimmung des Himmels, und wenn nicht, sei es ebenfalls Bestimmung ; was vermöge Kung- pe-liao gegen die himmlische Bestimmung? Es ist nach Legge Prol. T. L p. 121^ zweifelhaft, ob er einen Platz unter den Schülern hat.

30. Liang-tschen (Andere Li) oder Scho-iü, der 8. im Westen im äusseren Hofe; nach dem Kia-iü f. 4 aus Thsi, nach ihm 39, nach dem Sse-ki 29 Jahre jünger als Confucius. Der Eia-iü 36, f. 4 und darnach Legge T. I, Prol., p. 122, hat eine Anekdote von ihm, wie er im 36. Jahre noch keinen Sohn hatte und seine Frau desshalb Verstössen wollte. S. bei E h e in Abth. IV.

31. Ten-hing, nach Andern Sin oder Lieu oder Wei oder Tseu-lieu; nach dem Sse-ki ^.22: 46 Jahre jünger als Confucius; nach denSchol. aus Lu. Seine Tafel ist im Osten hinter der _"Wu-ma-8chi'ß.

32. Yen-ju oderTseu-Lu, nach Andern Tseu-t seng oder Tseu-yü; nach dem Kia-iü ^. 4, ausLu und nach ihm und Sse-ki f. 22: 50 Jahre jünger als Confucius. Er folgt im W. auf No. 30.

244

33. Thsao-sio oder Tseu-siün, aus Tshai; nach dem Sse-ki f. 22: 50 Jahre junger als Confucius. Er folgt im Osten auf No. 31.

34. Pe-khien oderTseu-si, nach Andern Tseu-khiai; der letzteName wird im Kia-iü f. 4 anders geschrieben als im Sse-ki f. 22, nach welchem er 60 Jahre jünger als Confucius war.

Von obigen 34 Schülern, bemerkt Sse-ma Thsien, hat man einige Nachrichten , nicht so von den 52 folgenden, nur von einzelnen noch. Die Namen sind wohl nur so zusammengerafft.

35. Yen-ki oder Tseu-tschhan, nach Andern Tseu-ta; nach den Schol. des Sse-ki £ 22 V. aus Lu. Er ist also nicht zu verwechseln mit dem Minister Tseu-san in Tsching, der ebenso geschrieben wird. Er nimmt den 11. Platz im Westen, zunächst Pe-khien ein.

86. Eung-tsu, Eeu-tseu oder Tseu-tschi. Sse-ki f. 22 v. Der Eia-iü hat für das erste Tseu Tschu aus Lu. Seine Tafel ist die 23. im äussern Hofe.

37. Thsin-tsu oder Tseu-nan; nach den Schol. des Sse-ki, f. 22 v., aus Thsin. Seine Tafel ist vor der der beiden letzteren.

38. Tsi-tiao-tsche oder Tseu-lien; nach den Schol. des Sse-ki, ib. aus Lu. (Yer- schieden ist der Tsi-tiao-kai im Lün-iü 5, 5, vielleicht ein Verwandter von ihm.) Seine Tafel ist die 13. im Westen.

39. Thsi-tiao Thu-fu, nach dem Eia-iü Tseu-wen, nach Andern Tseu-yeu oder Tseu-khi, nach Andern Tseu-tshung, aus Lu. Der Sse-ki ib. hat nichts über ihn. Seine Tafel ist vor der vorigen.

40. Yen-kao oder Tseu-kiao; nach- dem Eia-iü 50 Jahre jünger als (Confucius. Nach Andern Tschhan Tseu-tsing. Der Schol. des Sse-ki f. 22 v. , bemerkt, dass er Confucios als Eutscher diente, da er inWei war. Der Eia-iü nennt ihn aber Y e n - k h e. Seine Tafel ist die 13. im Osten.

41. Jang-sse-tschhi oder Tseu-thu, nach Andern Tseu-thsung; nach den Schol. des Sse-ki aus Thsin. Seine Tafel ist hinter der von Yen-kao.

42. Schang-tse; nur der Eia-iü f. 4 v. hat seinen Mannesnamen (Tseu) Tseu-khi. Nach Andern Tseu-sieu aus Lu. Seine Tafel ist hinter der von Fan-siü No. 24.

43. Schi tso scho(AndereTschi)u. Tseu oder Tseu -ming. Seine Tafel ist hinter No. 41.

44. Jin-pu-thsi oder Tseu-siuen; nach den SchoL des Sse-ki f. 23 aus Tshu. Seine Tafel ist zunächst der Tseu-hoa's No. 26.

45. Eung-leang-iu oder Tseu-tsching; nach den Schol. des Sse-ki f. 23, aus Tschbin. Nach dem Eia-iü 38, f. 3 v. war er weise und tapfer. Als Confucius nach Tscheu ging (seine Rundreise machte), folgte er ihm beständig mit 5 Wagen aus seinem Hause (Privatwagen). Der Eia-iü 22, f. 36, wiederholt dasselbe und erzählt, dass er ihm zu Hilfe kam, als er in Phu auf- gehalten wurde, wie er auch schon früher in seiner Bedrängniss in Euan und da der Baum in Sung umgehauen wurde, ihm gefolgt war ; er wollte dort für ihn streiten und so liessen die Leute von Phu den Meister gehen; s. Confucius Leben. Er folgt auf den Vorigen.

46. Heu; der Eia-iü f. 4 hat Schi Tschhu oder Tseu-li, Andere Li-tscbi; nach den Schol. aus Thsi. Seine Tafel ist die 17. im Osten.

47. Thsin-jen oder Ehai, aus Tshai. Er fehlt im Eia-iü. Seine Tafel wurde daher unter Eia-tsing Ao. 9 aus dem Tempel entfernt, aber wieder aufgestellt unter Yung-tsching Ao. 2 (1724) und ist jetzt die 33. im Osten im äussern Hofe.

48. Eung-hia-scheu oder Tseu-sohing; nach den SchoL des Sse-ki f. 28 aus Lu. Das scheu wird verschieden Sse-ki und im Eia-iü geschrieben. Seine Tafel ist zunächst vonNo. 48.

49. Hi-yung-tien oder Tseu-si, im Eia-iü aber Tseu-khiai; nach den SohoL des Sse-ki f. 23, aus Wei. Seine Tafel ist die 18. im Osten.

60. Eung-kien (oder hien)-ting, oder Eung-yeu, oder Tseu-tschung; nach den SchoL des Sse-ki f. 28 aus Lu , nach Andern aus Wei oder Tsin. Seine Tafel folgt auf No« 45.

5L Yen-tsu oder Tseu-siang im Sse-ki f. 23 v.; im Eia-iü 38, 5 heisst er staU dessen Yen-siang. Seine Tafel folgt auf No. 49.

245

52. Hiao-tan, Andere Wu oder Tsea-kia; aus La; hinter 50.

53. Keu Tsing-kiangt, Andere Tseu-kiai und Tseu-meng; nach den Schol. des Sse- ki f. 23 y. der su, aus Wei; hinter 51.

54. Han-fu-he oder Tseu-BO nach Andern He. Im Kia-iü heisst er statt Han: Tsai. Hinter 52. Ans Lu.

55. Tshin-schang oder Tseu-phei; nach den Schol. aus Tsha, nach dem Kia-iü aus La. Dieser gibt ihm den Mannesnamen Pa-tseu (Andere Pei-tseu). Nach dem Kia-iü, f. 3 v. war er vier Jahre, nach Andern 40 Jahre jünger als Confacias, und sein Vater King-fu und Con- fucius Vater Scho-leang-hi waren beide durch ihre Stärke berühmt. Seine Tafel ist die 12. im Osten.

56. Schin-tang oder Tscheu; nach den Schol. des Sse-ki aus Lu. Im Kia-iü f. 5, heisst er Tschin. Legge, ProL T. I. p. 125, meint, es sei der Schin-tschang im Lün-iü 5, 5. Vor der D. Ming opferte man beiden, seit 1530 nur Tschhang. Seine Tafel ist die 31. im Osten.

57. Yen-tschi-po oder Tseu-scho; nach den Schol. des Sse-ki aus Lu. Seine Tafel ist die 29. im Osten.

58. Yung-khi oder Tseu-khi aus Lu. (Im Kia-iü Cap. 14 f. 10 v. kommt ein Sse-ma Tseu-khi in Tshu vor; diess ist aber wohl nicht derselbe.) Seine Tafel ist die 20. im Westen.

59. H i e n - 8 c h i n g oder Tseu-khi (wie der vorige geschrieben) ; nach den Schol. des Sse- ki aus Lu. Ein Hinen-tseu kommt im Li-ki Tsa-khi hia 21, f. 73 v., vor. S. bei Trauer Ab- th. IV. Im Eia-iü f. 5, wird der erste Charakter verschieden geschrieben, und der Mannesname lautet Tseu- ho an g oder hung. Er ist der 22. im Osten.

60. Tso Jin-yng oder Hing; nach den Schol. des Sse-ki f. 24 aus Lu. Er folgt auf No. 58.

61. Yen-ki oder Tseu-sse, aus Tshin. Seine Tafel ist die 24. im Osten.

62. Tschhing-kue (das Reich Tsching) oder Tseu-thu aas Lu, nach den Schol. des Sse-ki aus dem Lehenreiche Sie. Er soll der Sie-Pang oder Tseu-thsnng des Kia-iü sein. Seine Tafel folgt auf No. 60.

63. Tshin -fei oder Tseu-tschi: nach den Schol. des Sse-ki aus Lu. Er ist der 31. im Westen.

64. Schi Tschi-tsohang oder Tseu-heng, nach Andern tschang, aus Lu. Seine Tafel ist die 30. im Osten.

65. Yen-khuai oder Tseu-sching; nach den Schol. des Sse-ki aus Lu. Er folgt auf 63.

66. Pu-scho-tsching oder Tseu-kiü; nach den Schol. des Sse-ki aus Thsi. Er ist der 30. im Westen.

67. Yuen-khang oder Tseu-tsi; letzteres ist nach dem Kia-iü sein Mannesname; aus Lu. Seine Tafel ist die 23. im Westen.

68. Yo-kai (nach Andern Hin) mit dem Mannesnamen Tseu-sching, wie 64; nach den Schol. aus Lu. Er ist der 25. im Osten.

69. Lien-kie, nach dem Sse-ki mit dem Mannesnamen Yung, nach dem Kia-iü aberTseu- thsao. Er folgt nach 67.

70. Scho-tschung (nach dem Kia-iü Ho ei (Andere Khuai) oder Tseu-khi), wie No.58 und 59 ; nach den Schol. des Sse-ki aus Tsin, nach dem Kia-iü f. 4 v. aus Lu und 54 Jahre jünger als Confucius. Er und Khung-siuen waren Beide junge Leute, ergriffen abwechselnd die Bücher und den Pinsel, und dienten dem Meister (als Amannensis). Beide Männer standen ihm rechts und links zur Seite. Als Meng-wu-pe Confucius besuchte, fragte er ihn und sagte: Wenn diese beiden jungen Leute so jung schon studierten, was könnten sie erst wissen, wenn sie herangewachsen (kräftig) seien? Confucius sagte: Von Jugend vollkommen ist wie von Natur angewöhnt. (An- ders Legge T. I. Prol. p. 127.) Er folgt in den Tempeln auf No. 69.

71. Yen -ho oder Jen, aus Lu, nach den Schol. des Sse-ki aus Tsin. Im Eia-iü findet er

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XHI. Bd. L Abth. 3 2

246

sich nicht; er wurde daher 1588 aus dem Tempel entfernt, unter der jetzigen Dynastie aber wieder rostaurirb und ist der 38. im Westen.

72. Thi-he oder Tseu-tschi aus Wei oder Lu. Er ist der 26. im Osten.

73. Kuei- (nach Andern Fang) siün oder Tseu-lien (Andere Yin), wie No. 38; nach den Schol. des Sse-ki aus Lu. Im Kia-iü wird der zweite Charakter anders geschrieben. Er ist der 27. im Westen.

74. Khung-tschung; der Mannesname ist nach dem Eia-iü Tseu-mie; nach den SchoL des Sse-ki war er der Sohn von Confucius älterem Bruder. Es erwähnt ihn der Kia-iü 19, f. 27, auch der Schue-yuen im I-sse, 95, 4, f. 11. Seine Tafel folgt auf No. 72.

75. Kung-si Yu ju (der vorletzte Charakter im Kia-iü anders geschrieben als im Sse-ki) oder Tseu-schang^), aus Lu. Er ist der 20. im Westen.

76. Kung-si-tien oder Tseu-schang, wie der vorige geschrieben im Sse-ki, verschieden aber im Kia-iü; nach den Schol. des Sse-ki f. 25 aus Lu. Seine Tafel ist die 28. im Osten.

77. Kin-lao, nach Andern Tseu-khai oder Tsu-tschang, aus Wei; der 29. im Westen ; nur im Kia-iü 38, f. 4, War Freund von Tsung-lu. Als er dessen Tod hörte, wünschte er hinzugehen, um zu condoliren. Confucius billigte es aber nicht und sagte: Es ist nicht recht. S. b. Trauer Abth. IV. Pir wird im Li-ki erwähnt.

78. Tschhin-khang oder Tseu-khang, nach Andern Tsea-khin; nach dem Kia-ift, f. 4 V. 40 Jahre jünger als Confucius; aus Tschin. Ein Tseu-kin wird Lün-iü 1, 10, erwähnt,

79. H i e n - 1 h a n, nach Andern Than-fuu.Fung oder Tseu-siang; aus Lu. Nach einigen derselben mit No. 52, jetzt aber unterschieden. Seit 1724 ist seine Tafel die 34. im Westen.

80. Kung-pin oder Tseu-tschung, nur im Kia-iü f. 4 v.

81. S i e - p a n g oder Tseu-tsung hat nur der Kia-iü f. 4 v. Dieser fehlt bei Legge, dafür hat er noch einige Andere:

82. Li n -fang oder Tseu-khieu aus Lu, nur im Lün-iü, 3, 4, erwähnt. Unter den Ming wurde seine Tafel entfernt; jetzt restaurirt, ist er der erste im Westen.

83. Keu-yuen oder Pe-iü, ein Beamter aus Wei; nach Lün-iü und Meng-tsea, sagt Legge (wo?), ein intimer Freund von Confucius. Seine Tafel, wie die des Vorigen, wurde entfernt and später restaurirt, und ist die erste im Osten.

84 und 85. Schin-tschhang und Schin-Thang, s. No. 56.

86. Mu-Pei, von Meng-tseu, VII, 2, 37, 4, erwähnt; kam unter der jetzigen Dynastie in den Tempel. Er ist der 34. im Osten.

87. Tso-khieu-ming, der 32. im Osten, ist der Verfasser der bekannten Chronik; aber

es ist streitig, ob er ein Schüler des Confucius war. 1530 erhielt er den Titel: Der alte^>- Schüler, 1642 aber den: Der alte Würdige. Alle diese nehmen an den Opfern, die Con- fucius gebracht werden, Theil.

Legge nennt noch den Tschung-sün Ho-ki and Tschung-sün Sehne, beides Söhne von Meng-hi, nach einigen derselbe mit No. 17.

Ju-Pei, erwähnt im Lün-iü 17, 20 und Li-ki 18, 2, 2, 21.

Kung-wang Tschi Khieu und Tseu-tien im Li-ki 41, 7, erwähnt,

Pin-men-kia im Li-ki 17, 3, 16,

Khung-siuen und Hoei-scho -lan im Kia-iü erwähnt;

Tschang-ki bei Tschuang-tseu ;

Kio-Yü bei Ngan-tseu.

Lien-yü und Lu tsiun, nach dem Wen-kung schi schi,

endlich Tseu-fu Ho, der Tseu-fa King-pe im Lün-iü 14, 38.

1) Ein Tseu-tschang wird erwähnt im Li-ki Tan-kung schang 8, f. 8.

ABHANDLUNGEN

DEK

PHILOSOPHISCH-PHlLOLOaiSCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BATERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTEN BANDES

ZWEITE ABTHEILUNG.

ABHANDLUNGEN

DER

PHILOSOPfflSCH-PHILOLOGISCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTEN BANDES

ZWEITE ABTHEILUN9.

IN DBR BKIHK DBR DBNK80HIUPTBN DBB XI.VI. BAND.

MÜNCHEN,

1873.

VERLAG DER K. AKADEMIE,

IM COMHISSION BEI G. FRANZ.

Inhalt.

Seite üeber das Wesen und den Werth des wedischen Accents. Von Martin Hang 1

Confacias nnd seiner Schüler *Leben and Lehren. IV. Sämmtliche Aas- sprüche von Confacias und seinen Schülern, systematisch geordnet. I. Nach chinesischen Quellen von Dr. Joh, Heinrich Plath 109

Ueber den Hauptzehnt einiger nordgermanischer Rechte von Konrad Maurer 211

lieber das Wesen

und den

Werth des wedischen Accents.

Von

Martin Haug.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiu. XIII. Bd. II. Abth.

Ueber das Wesen

und den

Werth des wedischen Accents.

Von

Martin Haug.

Bei der grossen Wichtigkeit des Sanskritstudiums für die indo- germanische Linguistik darf es nicht Wunder nehmen^ wenn auch scheinbar unwichtigen Dingen, wie dem Accent, von den Sprachver- gleichern eine besondere Aufmerksamkeit geschenkt wird. Da das San- skrit als Volkssprache schon seit etwa dem sechsten Jahrhundert vor Christus ausgestorben ist, und nur noch als Gelehrtonsprache fortlebt^ so hat die richtige Erkenntniss des ursprünglichen Accents der Sanskrit- wörter ihre grosse Schwierigkeit, da gelehrte Tradition über die Aus- sprache und Accentuirung nie die Beobachtung der wirklichen Aussprache und des Accents, wie sie im Munde des die Sprache redenden Volkes leben, ersetzen kann. An gelehrten üeberlieferungen über den Wort- und Satzaccent im Sanskrit fehlt es uns freilich nicht; wir sind in den meisten Fällen daran überreich; aber eine nähere Untersuchung der Quellen, aus denen die Lehre vom Accent geschöpft wird, zeigt solche Widersprüche und zum Theil Ungeheuerlichkeiten auf, dass wir fast in ein völliges Labyrinth verwickelt scheinen, aus dem heraus zukommen wir mit Mühe nach dem Ariadnefaden tasten. Meine Aufgabe im

1*

Folgenden wird es sein^ nach Angabe der Quellen und einer kurzen Beleuchtung der danach entworfenen Arbeiten europäischer Gelehrten den Versuch zu machen mittelst einer vorurtheilsfreien Prüfung alles dessen, was uns über das Wesen des sanskritischen, speziell wedischcn Accents , überliefert ist , gerade jenes Wesen zu erkennen , die Wider- sprüche zu lösen, und den wirklichen Werth oder Unwerth der wedischen Accentuation für sprachvergleichende Zwecke darzulegen. Auf eine Darstellung des Accents im Einzelnen kann ich mich hier nicht einlassen, da die erschöpfende Behandlung dieses Gegenstandes ein ganzes Buch erfordern würde.

Die Quellen für die Erkenntniss des wedischen Accents und den des alten Sanskrit überhaupt sind wesentlich drei. Erstens die mit Accentzeichen versehenen Handschriften der vier wedischen Samhitäs, in der Samhitä sowohl als der Pada-Lesung^ nämlich des Rik, Säma, Atharwa, und der verschiedenen zum Theil auch in der Accentbe- zeichnung von einander abweichenden Recensionen (^Väjasaneyi, Täittiriya und Mäiträyant) des Jadschus, sowie mehrerer Brähmanas (S^atapatha und Täittifiya) und Aranjakas des Jadschurweda (Täittiriya) nebst einiger zu diesem Weda gehörigen üpanischads (wie der Mäitri), Zweitens der jetzt noch in Indien übliche kunstgerecht erlernte Vortrag der wedischen Texte durch wedakundige Brahmanen. Drittens die An- gaben der Prätisäkhyas oder detaillirten Darstellungen der Laut- und Accentlehre der verschiedenen Wedas, oder vielmehr der verschiedenen Recensionen der betreffenden Samhitäs, welche die Theorie der Recitation enthalten, wie sie jetzt noch geübt wird. Von diesen höchst merk- würdigen Schriften besitzen wir vier, wovon eine zum Rik, eine zum Atharwa, und zwei zum Jadschus (die eine zur Väjasaneyt^ die andere zur Täittifiya Samhitä) gehören. Zu dem Sämaweda ist bis jetzt noch keine Schrift derart entdeckt worden. In dieselbe Klasse gehören mehrere S'ikshä genannten Werke, die sich mit demselben Gegenstand, aber viel kürzer befassen, nämlich die unter die Wedängas gerechnete S'ikskä, die sogenannte Mändüki-^ikshä , und die Narada-^ikshä, von welchen allen ich Manuscripte besitze. Neben den Prätisäkhyas und S'ikshäs sind die Angaben der indischen Grammatiker über den Accent zu nennen, vor allem Pänini's, seines Kritikers Kätjäjana und

seines grossen Commentators Patandschali, die im Wesentlichen nichts neues geben, sondern in allen Hauptpunkten mit den PräHs äkhyas übereinstimmen. Noch besonders zu nennen sind die nur den Accent behandelnden Phitsütras des ^äntanava.

Die bis jetzt von europäischen und amerikanischen Sanskritisten gemachten Versuche, das Wesen des sanskritischen^ namentlich des wedischen Accents, zu ergründen, haben sich nicht auf eine Zusammen- fassung aller drei Quellen gestützt, sondern sich fast nur an die dritte Klasse, die Angaben der Prätisäkhyas und der indischen Grammatiker, gehalten. Selbst die Accentbezeichnung der verschiedenen Wedas ist noch nie im Zusammenhang unter sich mit Bezug auf die Auffindung allgemeiner Principien untersucht worden. Das wichtigste Kriterium für alle Angaben und Theorien muss einerseits die Schreibung, andrer- seits die wirkliche Aussprache derselben von wedakundigen Brahmanen bilden. Der Grund, warum namentlich die wirkliche Aussprache keinen massgebenden Factor in den Accenttheorien europäischer Sanskritisten abgebe, war indess ein ganz einfacher; keiner hatte je die Recitation eines Wedaverses durch Brahmanen gehört. Ich war der erste, der durch besonders glückliche Umstände begünstigt^ diese Quelle entdeckte, worüber ich im Verlauf dieser Abhandlung nähere' Mittheilungen machen werde.

Der erste, der den ernstlichen Versuch machte, den sanskritischen Accent zu behandeln^ war Otto Böhtlingk, der sich überhaupt um' die Förderung des Sanskritstudiums, namentlich auf dem Continent grosse und unleugbare Verdienste erworben hat. Seine Abhandlung führt den bescheidenen Titel: 'Ein erster Versuch über den Accent im Sanskrit' und wurde schon 1843 vor der kaiserlich russischen Akademie gelesen^). Seine Darstellung des Accents ist ganz auf die Lehrsätze der Grammatik des Pänini gegründet. Er bespricht die allgemeinen Gesetze des Accents, wobei er von dem Satze ausgeht, dass die drei sanskritischen Accente den griechischen vollkommen entsprächen, der Udätta dem Acut, der Anudätta dem Gravis, der Svarita dem Circumflex,

1) Sie ist gedruckt in den Memoires de V Academie Imperiale des sciences de St, Petersbourg Tome XII pag, 1—114.

eine Zusammenstellung, die sehr viel Bestechendes hat, aber wie wir sehen werden, für die Behandlung des Accents verhängnissvoU geworden ist. Die verschiedenen Arten des Circumflexes konnte er nur unvoll- kommen unterscheiden, weil er die Prätisdkhyas nicht kannte« Von der Annahme ausgehend , däss nur der Udätta und in gewissen Fällen der Svarita den eigentlichen Wortaccent darstelle, weist er dann, den Angaben Panini's über den Udätta folgend, in einer Reihe von Para- graphen die Stelle der Udättasjlbe in der Declination, der Composition und der Conjugation nach, handelt sodann über die tonlosen Wörter und diejenigen, die in gewissen Verbindungen den Ton verlieren oder behalten, namentlich Vocative und Verba, über den Accent der Pluta (gedehnten) Vokale, und die Veränderungen des Accents im Satze. Im Schlussabschnitt versucht er die aus seiner Darstellung sich ergebende Betonung der fünf ersten Verse der ersten Hymne des Rigweda mit der in den Handschriften angewandten Bezeichnung in Einklang zu bringen, wobei er sich nicht der für seine ganze Darstellung wenig trostreichen Beobachtung erwehren konnte, dass der Udätta, den er als den eigentlichen Wortaccent behandelt hatte, in den Handschriften gar nicht bezeichnet sei, wohl aber der Anudätta und Swarita. Als Anhang folgt ein Abdruck der Phitsütra des S'äntanava^), die über den Accent handeln, eius der Calcuttaer Ausgabe der Siddhäntakätdmicdi, ein alpha- betisches Verzeichniss derselben, sowie ein Verzeichniss derjenigen Wörter, deren Accent von den indischen Grammatikern besprochen wird, nebst Beweisstellen und Anmerkungen.

Den Werth dieser Arbeit anlangend, welche für alle späteren Forsch- ungen über den Gegenstand massgebend geworden ist, so muss si^ nach dem Stand der Sanskritstudien zu Anfang der vierziger Jahre beurtheilt werden. Damals war es gewiss keine Kleinigkeit (es ist auch jetzt noch mit bessern Hilfsmitteln sehr schwer) den Sinn von mehr denn hundert fast orakelhaft kurzen Lehrsätzen des Pänini zu enträthseln, zumal da ihm, wie es scheint, nicht einmal das ganze,, für das Verstand niss

1) Hin besserer Text nebst Einleitung, Uebersetzung und Anmerkungen wurde von Dr. Franz Kielhorn in den Abhandlungen der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft IV. Bd. Nr. 2 (Qdntanavas Phitsutras) im Jahr 186G veröflfentlicht

dieses Grammatikers so wichtige und in vielen Fällen ganz unentbehr- liche Mahähhäshya des Patandschali zu Gebote stand, und er meist auf die oft völlig ungenügenden Erklärungen der Calcuttaer Ausgabe, deren Abdruck in Deutschland mit verschiedenen nützlichen Zuthaten er be- sorgt hat, sowie auf die in der Siddhänta-käumudi enthaltenen angewiesen war. Von diesem Standpunkt aus muss seine Arbeit als eine sehr respektable Leistung gelten. Ihre Hauptschwäche liegt, von einzelnen kleinen Unrichtigkeiten abgesehen, darin, dass das Verhältniss der Accente wie sie sich im Weda geschrieben finden, zu der in Pänini enthaltenen Accenttheorie nicht in das richtige Verhältniss gestellt, und dass der Satzaccent, wie ihn Pänini behandelt, nicht gehörig von dem Wortaccent geschieden worden ist.

Die nächste etwas grössere Arbeit auf diesem Gebiete ist Th. Aufrecht's Schrift über den Accent der zusammengesetzten Wörter^). Wie aus der Vorrede hervorgeht, beabsichtigte Aufrecht eine ganz um- fassende Schrift über den sanskritischen Accent, sowohl nach den Lehren der indischen Grammatiker, als nach der in den wedischen Handschriften sich findenden Bezeichnung , zu veröffentlichen , ein Vorhaben das er bis jetzt nicht ausgeführt hat, da ausser der erwähnten Schrift meines Wissens kein weiterer grösserer Beitrag von ihm zur Kenntniss des sanskritischen Accents erschienen ist. Zu seiner Arbeit war er offen- bar durch Böhtlingk's Abhandlung angeregt. Er behandelte in dieser Monographie den Accent der verschiedenen Classen der zusammenge- setzten Wörter nach Pänini, die sein Vorgänger in der Hauptsache übergangen^ und den Mangel durch ein alphabetisches Register der in Pänini angeführten Wörter, auch in soferne sie Theile eines Compositums bilden, zu ersetzen versucht hatte. Aufrecht's Schrift ist desswegen nur als eine recht saubere Ergänzung der Schrift von Böhtlingk anzu- sehen; doch muss anerkannt werden, dass darin auf den Accent, wie er sich in den Handschriften der Wedas, namentlich des Rik, Jadschus und Säma findet, überall Rücksicht genommen ist, welcher Umstand ein schönes Zeugniss von dem Umfang ablegt, in dem Aufrecht schon gegen Mitte der vierziger Jahre die damals noch sehr seltenen Weda-

1) De accentu compositorum sanscriticorum auctore S, Th, Aufrecht Bonnce. 1647.

8

Studien getrieben hat. Auch ihm steht es, wie Böhtlingk, als unum- stössliche Thatsache fest, dass nur der Udätta, auch wenn er in den wetiischen Handschriften nicht bezeichnet ist, den Wortaccent darstelle.

Da der Accent hauptsächlich aus den Wedatexten zu schöpfen war, 80 suchte nun jeder Gelehrte, der sich mit denselben beschäftigte, zur Kenntniss desselben beizutragen. A. Weber machte Mittheilungen über den Accent des weissen Tajurveda^), Th. Benfey über den des Säma- veda^). Ausführlich sprach er sich über den Accent in seiner vollstän- digen Sanskrit-Grammatik aus. Er unterscheidet bezüglich der Accen- tuation vier Sprechweisen: 1) Accentlosigkeit (antidaUcUä) ; 2) hohen Ton (udätta); 3) Nachton (svarita); 4) Vorton (anudäUaiara) .

Bis jetzt waren nur die Angaben des Pänini über den Accent, und die accentuirten Handschriften der Wedas für Darstellung des Accents benutzt worden, während die vielen Angaben der verschiedenen Präti- säkhyas oder Lehrbücher der wedischen Phonologie unberücksichtigt geblieben waren. Das darin enthaltene Material wurde zuerst in Kürze behandelt von R. Roth in seiner Abhandlung: lieber die Elemente des indischen Accents nach den Pr'ätisäkhya Sütren^). War es schon miss- lich den Accent nach Pänini's Theorie darzustellen, ohne eine genaue Vorstellung davon zu haben, wie er sich bei der Recitation der Wedas, oder im Sanskrit als lebender Sprache ausnehmen würde, so war es sicherlich noch gewagter, aus den Angaben der PrAlis äJchyas das Wesen des indischen Accents ergründen zu wollen, ohne die wirkliche Recitation der Wedas, deren Theorie gerade jene Angaben sein sollen, zu kennen. Roth geht nämlich wie seine europäischen Vorgänger, in der Accent- lehre von der Ansicht aus, dass der von den Grammatikern Udätta genannte Accent, der aber in den meisten Samhitds gar nicht bezeichnet wird, der wirkliche Wortaccent sei. Dadurch aber geräth er in ein Labyrinth, aus dem er sich auf verschiedene Weise herauszuwinden sucht. Er nimmt an, nur der Udätta und Swarita seien positive Töne, von denen der letztere dem ersten 'an Intensität des Tones nachstehe'

1) Vajaaaneya-SamhittB specimen cum commentario. Particula posterior, 1847 pag. 5 ffg.

2) Hallische Literatorzeitung von 184ö I pag. 898 ffg. und 906 ffg.

8) Im Anhang zu seiner Einleitung zn Jaska's Nirukta pag. LVII LXXII.

(also schwächer sei), während der Anudätta nur negativ sei, und bloss die Tonsenkung vor dem hohen Tone bezeichne. Der letztere bezeichne aber auch die Ebene der Stimme, über welche sich der Udätta und Swarita erhöben, und unter welche der Anudätta sänke. Bezeichne er indess diese Ebene, so sei er nach den Prätisäkhyas, Prachaya-svara. Der Ton schreite regelmässig durch drei Accente fort, den Äniiddtta^ Prachaya und Udätta; diese wären an sich verständlich. Weniger deut- lich dagegen sei die Natur des Svarüa, die auch für die alten Gram- matiker nicht vollkommen klar sei. Die verschiedenen Arten des Svarita, deren die Prätisdkhyas sieben bis acht aufzählen, theilt er in zwei Hauptclassen , den selbstständigen, und den enklitischen, eine Unterscheidung, von der indess die Grammatiker und die Prätis äkhyas nichts wissen, und, wie wir sehen werden, aus gutem Grunde. Der enklitische Swarita, der immer auf die mit dem hohen Ton versehene Sylbe folge, sei nothwendig durch das Gesetz des Tonfalls, *dass der bis zur Spitze des Udätta gehobene Ton nicht mit plötzlichem Ab- brechen in die Ebene der Stimme herabfalle, sondern durch die Ver- mittlung eines Zwischentones sich herabsenke.* Der Tonwerth beider Swaritas , des enklitischen und selbstständigen , sei wesentlich gleich , beide seien geschwächte Acute. Zum Schlüsse wird noch kurz die Schreibung der Accente, hauptsächlich in den Handschriften des Rig- weda, erörtert.

Diese Darstellung der Accente giebt gewiss kein recht klares Bild davon, wie sich der Accent wirklich in der Recitation der wedischen Texte ausnimmt, und enthält sogar wirkliche Widersprüche. Wenn be- hauptet wird, dass der Ton regelmässig durch drei Accente, den Pachaya, die Ebene der Stimme^ den Anudätta, die Senkung der Stimme unter diese Ebene, und den Udätta oder Hochton fortschreite, wo bleibt dann der Svarita? Von diesem wird gesagt, er sei ein Zwischenton, durch welchen der Hochton sich wieder zur Ebene der Stimme herabsenke; demnach wäre er als Uebergangston zum Fortschritte der Rede ebenso nothwendig als die drei andern. Der Swarita soll nur ein geschwächter Acut sein. Wie lässt sich aber diese Behauptung mit den Angaben der Prätis' äkhyas vereinen? Diese lehren, in Ueber ein Stimmung mit den Grammatikern, dass er eine Vereinigung von Udätta und Anudätta

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. U. Abth. 2

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sei, dass aber der erste Theil des Swarita sogar noch höher klinge als der üdätta, also über den Hochton noch hinaufstiege, der zweite Theil aber den Tonwerth des Udätta habe, wenn er auch theoretisch Anudätta sei. Ist diess aber wirklich der Fall, wie kann der Swarita schwächer sein, als der Udätta? Er ist im Gegentheil viel stärker als dieser, wie auch die Recitation deutlich zeigt. Zudem bleibt ja, wenn eine Udätta- und Swaritasylbe verschmelzen, meist nur der Swarita, woraus klar hervorgeht, dass er der stärkere Ton ist, so z. beim kshaipra

Sandhi; vgl. die Verbindung P^t^, bestehend aus nu + indra; nu

ist Udätta, und das i in indra müsste, auch wenn beide Sjlben nicht verschmolzen wären, den Swarita haben, nun ist aber das Ganze mit dem Swarita accentuirt, und der Udätta sonach von jenem absorbirt. Noch deutlicher zeigt sich die Ueberlegenheit und Stärke des Swarita bei der Elision, dem sogenannten abhinthita Sandhi. Wenn nämlich ein auf e oder o endigendes Wort den Udätta hat und das Folgende mit einem kurzen a, das regelrecht den Swarita haben sollte, beginnt, dieses aber von dem vorhergehenden starken ; Vokale verschlungen wird, so erhält die Udättäsjlbe den durch Elision verloren gegangenen Swarita

des a; z, B, n cpff ^ 'vantu für % 4l^H Wäre der Udätta der stärkere Accent und der Swarita bloss ein geschwächter Acut, wie könnte er denn so leicht von diesem verdrängt werden ? Diess möge zur Charakteristik des Standpunktes, den Roth in der indischen Accent- lehre einnimmt, genügen. Weitere Einwendungen, die ich gegen andere Behauptungen in seiner Abhandlung machen könnte, will ich unter- lassen, da sie weniger das Wesen der Sache berühren.

Durch die bereits genannten Arbeiten über den wedischen und sanskritischen Accent überhaupt glaubte man das Terrain hinlänglich geebnet, um sofort die Resultate für die Sprachvergleichung nutzbar zu machen. Diese Aufgabe erfüllte F. Bopp, in seinem Vergleichen- den Accentuationssystem^), worin er hauptsächlich den sanskritischen Accent behandelte, die Udättasylbe und die mit den sogenannten selbst- ständigen Swarita versehene als ausschliessliche Accentsylbe betrachtend.

1) Vergleichendes Accentnationssystem nebst einer gedrängten Darstellung der grammatischen Uebereinstimmungen des Sanskrit und Griechischen von Kranz Bopp. Berlin 1854.

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und diesen Accent mit dem Acutus des Griechischen identifizirend. Das Resultat war, dass die Accentuation dieser Sprachen in vielen Fällen übereinstimmt; doch dürften es vielleicht ebensoviele sein, wo diess nicht der Fall ist. Das Wesen des wedischen Accents untersucht er nicht, wie er überhaupt gar keine recht klare Vorstellung davon gehabt zu haben scheint. Den Swarita betrachtet er, wie Roth, als einen schwächern Accent, wie den Udätta. Indess ist sein Erklärungsgrund ein ganz ungenügender. Er meinte die Kraft des Swarita werde da- durch gebrochen, dass er sich über zwei Vokale hinziehe, die sich in der Aussprache zu einer Sylbe verschmelzen* Aber gerade dieser Um- stand beweist, wie ich schon oben gezeigt habe, dass er der stärkere Accent sei*

Eine scharfe Kritik dieser Arbeit lieferte W. D. Whitney, der sich überhaupt eingehend mit dem wedischen Accente beschäftigte, und ausser mehreren diesem Gegenstande gewidmeten besondern Artikeln, verschiedene Bemerkungen darüber in seinen trefflichen Ausgaben und Erklärungen zweier Prätisäkhyas^ dem des Atharvaveda und dem der Taut- iHya-Samhitä veröffentlichte^). Er suchte das Wesen des sanskritischen Accents zu ergründen, und hat diess zum Gegenstand einer besondern Abhandlung gemacht, in der er die in seinen frühern Arbeiten zer- streuten Bemerkungen darüber zusammenfasste, und weiter entwickelte und begründete. Er stimmt in den Grundanschauungen mit seinen Vorgängern überein, zeichnet sich aber durch viel grössere Klarheit und Bestimmtheit, sowie durch das Bestreben aus, sich die wirkliche Aussprache der Worte mit dem Udätta als dem Hauptaccent zu verge-

1) Seiue hieher gehörigen Arbeiten sind: Bopp*8 comparative accentuation of the Oreek and Sanscrü languages in dem Journal of the American Orienttd Society vol, V pag. 195—318, Contributions from the Atharvaveda to the theory of Sanscrü verbal accent in Vol, V des Journal of the American Oriental Society 1856. Diese Arbeit liegt mir in einem be- sondem 33 Seiten zahlenden Abdruck vor, den ich der Güte des Verfassers verdanke. Sie ist auch deutsch in den Beiträgen zur vergleichenden Sprachforschung von Kuhn und Schleicher Bd. I pag. 187—222 erschienen. The Atharvaveda-Prdtis'säkhya ; text, tranalation and noies by W. D, Whitney. New Hawen 1862. The TaiUirtya Prätis'dhhya with its commentcf^y, the Triblxdshyaratna; text, translation and notes. New Haven 1871. On the nature and deeignation of the Accent in Sanscrit in den Transactions of the American Philölogical Association 1869—70.

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genwärtigen. Wäre er nur auf dieser gewiss richtigen Bahn fortge- fahren, so würde er bald gefunden haben, zu welchen Absurditäten in der Betonung die Udättatheorie führen muss. Hätte er die wirkliche Aussprache bei der Recitation gekannt, so würde er sicherlich auf eine andere und richtigere Ansicht gekommen sein. Sehr scharfsinnig und geistreich sind seine Bemerkungen über den Verbalaccent ; er zeig^ die Gründe, warum das Verbum in gewissen Fällen Accente habe, und in andern keinen, einen Gegenstand, auf dem ich später zurückkommen werde.

Nicht unerwähnt darf ich lassen, dass Whitney trotz dem, dass er in der Klarstellung und Untersuchung der Frage über den wedischen Accent mehr geleistet hat als alle seine Vorgänger, sich durchaus die Schwierigkeiten nicht verhehlt, welche das richtige Verständniss der in sämmtlichen Prätis ähJiyas dargelegten Accenttheorie biete, da sie, wie er zugesteht mit den von den europäischen Sanskritisten darüber ge- bildeten Anschauungen, die auch von ihm vertreten werden, durchaus nicht stimmen wollen. Diese liegen hauptsächlich in der Auffassung des sogenannten PracAayö-Accents, wonach eine Sylbe oder Sylben, die ursprünglich den Gravis haben, mit Acut gesprochen werden, wenn sie einem Swarita folgen, und nicht wegen eines folgenden Udätta mit Anudätta bezeichnet werden (was in diesem Fall nur bei einer Sylbe zutreffen kann). Ich setze seine Worte hieher. Er sagt in seinem trefflichen Artikel: *üeber das Wesen und die Bezeichnung des Accents im Sanskrit' (p^g* ^1 ^^^ besondern Abdrucks): ^Ich muss gestehen, dass die Schwierigkeiten, welche die Hindutheorie des Prachaya Accents für mich hat, wonach Sylben mit (ursprünglichen) Tiefton (gravis) den Hochton (acutus) erhalten, zahlreicher und viel grösser sind, wenn man sie annimmt, als wenn sie einfach verworfen wird. Sollte sich Jemand finden, der geschickt genug wäre diese Schwierigkeit hinweg- zuräumen, oder der eine andere Erklärung der Aufstellung dieser Theorie vorschlagen würde, als die ist, welche ich gegeben habe, so würde sich über seinen Erfolg Niemand mehr freuen als ich. Aber für jetzt kann ich die Existenz eines vierten oder Prachaya Accents nicht zugeben, und halte es wenigstens für wahrscheinlich, dass dieser bloss fabrizirt wurde, um eine Gleichheit des Charakters bei den Sylben

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^herzustellen ^ welche nach der gang und gäben Accentuationsmethode^ *in ihrer Bezeichnung oder eher darin übereinstimmten, dass sie beide *unbezeichnet blieben/ Aus diesen Worten geht klar hervor, dass Whitney mit der Accentheorie der PrätisMiyas, die von gelehrten wedakundigen Brahmanen schon vor wenigstens 2000 Jahren aufgestellt wurde, die gewiss die heiligen Texte nicht schlechter recitirten, als ihre jetzigen Nachfolger in Indien, nicht zurecht kommen kann. Da sie von seinem Standpunkt aus, der derselbe ist, wie der seiner Vor- gänger in Europa, schlechterdings nicht begriflfen noch erklärt werden kann, so greift er zu dem in solchen Fällen allereinfachsten und leich- testen Auskunftsmittel, zur Verwerfung. Sie soll einfach fabrizirt sein. Doch damit ist der gordische Knoten zerhauen, aber nicht gelöst. Be- denkt man die ausserordentliche Heiligkeit der Wedatexte, die unge- meine Sorgfalt, mit der der Wortlaut nebst den Accenten überliefert worden ist, und die scharfe Beobachtungsgabe der indischen Sprachge- lehrten für alles Grammatische, auch für Laute und Accente, darf da ohne Weiteres einer Lehre aller Prätisäkkyas alle Berechtigung abge- sprochen werden? Diess hiesse nicht mehr und nicht weniger als den grössten Kennern eines Gegenstandes ein Urtheil gerade darüber abzusprechen, worin sie vollkommen Meister sind. Wenn die Prachaya- theorie der Präüsdkhyas rein aus der Luft gegriffen ist, und nicht in der wirklichen Recitation der Wedatexte wurzelt, wie kommt es, dass alle Verfasser darin im Wesentlichen übereinstimmen? Sollte bei dem kritischen Talente der brahmanischen Gelehrten, die sich mit ganz be- sonderer Vorliebe auf die Entdeckung schwacher Punkte in den Theorieen anderer Gelehrten desselben Faches legen, keinem einzigen das Bedenk- liche oder Haltlose der Prachayaiheovie aufgefallen sein ? Diese und andere Bedenken sollten Whitney von einer einfachen Verwerfung ab-- gehalten haben. Die ganze Theorie erklärt sich indess einfach von dem auf die wirkliche Recitation der Wedatexte gerundeten Standpunkt aus, wie wir später sehen werden.

Wie aus dem Verlauf der bisherigen Darstellung der Untersuch- ungen über den wedischen Accent hervorgeht, fehlte allen denen, die bis jetzt in Europa und Amerika darüber geschrieben haben, das Haupt- criterioli, nämlich das Anhören der Recitation wedischer Stücke mit

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strenger Beobachtung der Accente. Diese blieb auch bis kürzlich ein Geheimniss, das die Brahmanen sorgfältig vor jedem Europäer verbar- gen, da es für eine furchtbare Profanation des Heiligsten gilt, die, wie sie glauben, aus dena Munde Brahma' s selbst stammende Vortragsweise der Wedaverse, einem Mann aus niederer Kaste, oder gar einem Mletscha^ d. h. Barbaren, als welche die Europäer gelten, mitzutheilen. Obschon ich gleich nach meiner Ankunft in Indien mein Augenmerk auf diesen Punkt richtete, so war es mir doch lange unmöglich, einen der wedakundigen Brahmanen, die sich nur mit der grössten Zurück- haltung zum Verkehr mit mir herbeiliessen, zu bewegen, mir den Weda zu lesen. Dass ich überhaupt je Gelegenheit fand, die Recitation der Wedas von kundigen Brahmanen zu hören, verdanke ich einem be- sondern glücklichen Umstände. Alljährlich versammelten sich nämlich in Puna, wo ich sechs Jahre wohnte, 700 800 Brahmanen aus allen Theiien des Dekhan, um ihre Dakschinä, d. h. ein Stipendium^ auf das sie kraft eines früher erfolgreich bestandenen Examens in den ver- schiedenen Zweigen des indischen Wissens Anspruch hatten^ in Empfang zu nehmen. Die Mehrzahl dieser bestand immer aus sogenannten Bhattas, wie die professionellen Recitirer der Wedas heissen. Um in nähere Beziehungen zu diesen Kennern der Wedas treten zu können, liess ich mich durch den Direktor des öffentlichen Unterrichts zum Präsidenten dieser Stipendienvertheilung ernennen, was ein nichts weniger als angenehmes Amt war. Ich hatte nämlich viele Tage mit der Prüf- ung der Legitimationen der Empfanger zu verbringen, bei welcher Ge- legenheit ich auch Fragen über ihren Bildungsgang und ihre Studien an sie richtete. Ich fand meist sehr geringes Entgegenkommen, und namentlich die Wedakenner von einer ganz abergläubischen Furcht vor mir erfüllt. Nach langen Bemühen gelang es einem meiner Pandits, der sehr anhänglich an mich war, zwei des Rig- und Atharwaweda kundige Brahmanen zu bewegen, Nachts in aller Stille zu mir in mein Haus zu kommen, und mir Wedaverse zu recitiren. Sie wurden nach und nach zutraulicher und setzten ihre Vorträge ungefähr vierzehn Tage lang fort. Ich gab mir nun viele Mühe das kunstgerechte Recitiren von ihnen zu lernen. Wie staunte ich, als ich fand, dass der Vortrag gar nicht mit den in Europa gebildeten Theorieen stimmte. Der Udätta^

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den man immer als den Hauptaccent angesehen hatte, wurde mit kaum hörbarem Nachdruck gesprochen, dagegen fiel die ganze Stärke der Stimme auf den Anudätta und Svarita, welche zwei Accente allein auch in den Handschriften des Rigweda bezeichnet sind. Eine kurze Mit- theilung hierüber veröffentlichte ich in der Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (Bd. 17 pag. 799—802). Meine Mit- theilung machte etwas stutzige und veranlasste eine Prüfung nebst einem Versuch meine Angaben mit der gang und gäben Udättatheorie in Einklang zu bringen. Diesen machte A. Weber im 10. Bande seiner indischen Studien (pag. 429 fgg.) gelegentlich einiger Bemerk- ungen, die er zu der von meinem Nachfolger in Puna, Dr. Kielhorn, in der genannten Zeitschrift mit trefflichen Erläuterungen veröffent- lichten kleinen Schrift "^Bhäshikä sütra machte. Weber glaubt, dass die Art, die Accente so zu sprechen, wie ich sie mitgetheilt, nicht die ur- sprüngliche noch die richtige sein könne, sondern wohl nur eine Folge der Accentbezeichnung sei, wie sie in den Handschriften vorliege, wo- nach der Udätta nicht, sondern nur der Anudätta und Swarita bezeichnet seien. Man habe eben später sich gewöhnt die geschriebenen Accent- zeichen auszusprechen, und dadurch sei die Betonung der wirklichen Accentsjlbe, des Trägers des Udätta, ausser Gebrauch gekommen, und der Udätta, wie die jetzige Recitation zeige, nur ein Hilfsaccent der beiden andern geworden. Auf dieselbe Weise erklärt sich auch Whitney in der bereits oben citirten Abhandlung 'Ueber das Wesen uud die Bezeichnung des Accents im Sanskrit' (P^g- ^ 3) ^^^ ^^^ ^^ mitgetheilte Thatsache, dass bei der Recitation der Udätta von dem Prachaya nicht unterschieden werde.

Wie man aus dem eben Mitgetheilten ersieht, geben die Verthei- diger der Udättatheorie, d. h* diejenigen, welche den Udätta als den eigentlichen Wortaccent ansehen, zur Zeit als das Sanskrit noch ge- sprochen wurde, zu, dass die Angaben ihrer Hauptquellen für die Er- gründung der Accenttheorie, die PräMsäkhyas^ nicht recht zu der von ihnen vertretenen Auffassung des Accentverhältnisses stimmen, dass

vielmehr jene Quellen in zwei wichtigen Punkten abweichen, darin

nämlich dass sie 1) keinen Unterschied zwischen selbstständigem und enklitischem Swarita kennen (derselbe ist nirgends deutlich ausgesprochen),

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nnd 2) was die Aussprache betrifft, den Udätta dem Prachaya, der tonlosen auf einen Swarita folgenden Sylbe, gleichstellen. Sie geben ferner zu, dass die von mir mitgetheilte Recitationsweise im Wesent- lichen mit den Angaben der Prätis äkhyas stimme, ohne jedoch die richtige und ursprüngliche zu sein. Nur durch den Umstand, dass man sich gewöhnt habe, die der Accentsjlbe vorhergehende und nach- folgende Sylbe zu bezeichnen, und die Accentsylbe unbezeichnet zu lassen, sei die gegenwärtig herrschende falsche Recitationsweise ent- standen, da man angefangen habe, nur die mit den Accentzeichen des Anudätta und Swarita versehenen Sylben in der Aussprache hervorzu- heben, die eigentliche Accentsylbe (Udätta) aber unberücksichtigt zu lassen,

wodurch ihre Gleichstellung mit dem Prachaya, der tonlosen Sylbe, erfolgt sei.

Dieser Erklärungsversuch der jetzt geltenden Resitationsweise stützt sich indess auf Voraussetzungen, die erst zu beweisen sind. Es wird nämlich angenommen, 1) dass zur Zeit, als die Präiis dkhyas verfasst wurden, sämmtliche Wedatexte bereits in schriftlicher Aufzeichnung vorlagen, 2) dass es schon damals vielfach Praxis gewesen sei, nur den Anudätta und Swarita zu bezeichnen, den Udätta aber unbezeichnet zu lassen, 3) dass die Brahmanen den Weda aus geschriebenen Exemplaren, statt aus dem Munde des Lehrers, lernten, und 4) dass sie sehr gleich- gültig rücksichtlich der Bewahrung der richtigen Aussprache ihrer heiligsten Texte waren.

Was die erste Annahme betrift, so lassen sich weder direkte noch indirekte Beweise dafür beibringen, dass die Wedatexte zur Zeit der Abfassung der Prätis äkhyen schon schriftlich aufgezeichnet waren. Sind diese Bücher älter als Pänini und selbst als Jäska, wie Roth, Weber und M. Müller annehmen, (was ich indess nicht glauben kann), so müssten die Wedatexte spätestens 500 v. Chr. vollständig niederge- schrieben gewesen sein. Dass zu dieser Zeit die Schreibekunst in Indien bereits bekannt war, ist an sich höchst wahrscheinlich, wenn man diese auch nicht direkt beweisen kann, da es höchst auffallend wäre, wenn ein so hoch cultivirtes Volk, wie die Indier damals waren, ohne durch unüberwindliche physische Hindernisse von andern Völkern abgeschlossen zu sein, einer so wichtigen und nützlichen Kunst zu einer Zeit noch

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entbehrt hÄtte, wo andere Völker, wie Perser, Babylonier, Phönizier, Griechen u. s. w. schon längst, zum Theil schon Jahrtausende früher dieselbe kannten? Dagegen dürfte es sehr zweifelhaft, ja sogar ganz unwahrscheinlich sein, dass zu jener Zeit schon die Wedatexte nieder- geschrieben waren. Wie sie die letzten aller Bücher sind, die der ächte Brahmane durch Druck vervielfältigt und verbreitet sehen möchte, da diess ganz seinen Gefühlen widerstreitet, so waren sie gewiss auch die letzten, die man durch Schrift fixirte. Seitdem die Brahmanen als eine mächtige abgeschlossene Kaste dem Reste des indischen Volkes gegenüberstanden, was gewiss schon 800 v. Chr. der Fall war, musste ihnen viel daran gelegen sein, ihre heiligen Sprüche und Lieder, sowie die Opferkunst, worauf ihre dominirende und gewinnbringende Stellung beruhte, möglichst geheim zu halten, und sie nicht zu verbreiten. Wie war diess aber möglich, wenn sie nach Einführung der Schrift sich beeilten all ihr Wissen schriftlich zu verzeichnen ?

In welch' hohem Grade indess die schriftliche Aufzeichnung wedischer Texte den Brahmanen zuwider war und eigentlich für ein ganz gottloses Geschäft galt, geht mit Sicherheit aus einer Stelle des Mah&bhärata hervor, wonach die Schreiber, Verkäufer, und Verderber des Weda (d. i. die ihn in verderbter Gestalt überliefern) in die Hölle kommen {Änm äsanaparva v. 1645). Aus dieser Anschauung, welche eine acht brahmanische ist, folgt mit Sicherheit, dass auch, nachdem die Schreibekunst in Indien vielleicht schon lange bekannt war, man sich gar nicht beeilte, die heiligen Texte aufzuzeichnen, da diess für eine sündhafte Handlung galt. Da es schon lange gesciiriebene Weda- texte gibt, so muss natürlich das Vorurtheil einmal überwunden worden sein, welche üeberwindung indess gewiss lange Zeit kostete. Aber trotz dem Vorhandensein von Handschriften dürfen auch jetzt noch die Brahmanen den Weda nie von einem Manuscript lernen, sondern nur aus dem Munde des Lehrers; das Manuscript dient nur zur Nach- hilfe und zur Befestigung dessen, was aus dem Munde des Lehrers ge- lernt worden ist. Diese mündliche üeberlieferung des Weda halten die Brahmanen auch heute noch für so wichtig, dass sie sagen, wie ich oft zu hören Gelegenheit hatte , der Weda existire nur im Munde der Brahmanen, und der geschriebene, oder gar der in Europa gedruckte

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies XIII. Bd. II. Abth. 3

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Weda sei nicht der rechte, da er im Munde oder in den Händen Un- berufener, zu welchen vor allem die Europäer gehören, aufhöre Weda zu sein.

Ist nun, wie aus dem eben Gesagten mit Bestimmtheit hervorgeht, nach brahmanischer Anschauung die Heiligkeit und Aechtheit des Weda wesentlich durch die bloss mündliche Ueberlieferung bedingt, so dürfte es wirklich auffallen, wie die schriftliche Bezeichnung der Accente die alte ächte Recitationsweise nach und nach verdrängen und verfälschen konnte. Forschen wir, ehe wir weiter gehen, vor allem nach den Gründen der ersten Aufzeichnung der Weden, um die Unwahrschein- lichkeit einer solchen Annahme in ein klares Licht zu stellen.

Den Hergang denke ich mir nach meinen in Indien gewonnenen Anschauungen folgendermassen. Den ersten Anstoss zur schriftlichen Aufzeichnung wedischer Texte gab ohne Zweifel der Buddhismus^), durch den die Schreibekunst eigentlich erst recht in Indien verbreitet wurde. Die ersten Schreiber solcher Texte waren sicherlich keine orthodoxen Brahmanen, so wenig als ein solcher als Drucker eines solchen Textes jetzt fungiren würde^ sondern solche die zum Buddbis- mus fibergetreten waren, den Weda in ihrer Jugend auswendig gelernt hatten, aber ihn später als werthlos ansahen. Da sie mit den alten Brahmanen einen Kampf auf Leben und Tod zu bestehen hatten, da dieser Kampf sich wesentlich um die Anerkennung oder Verwerfung der Wedas als göttlicher Offenbarung drehte, so war es ganz im Interesse der Buddhisten, die Wedas aufzuzeichnen, und zu veröffentlichen, um sie desto besser bekämpfen zu können.

Der Schlag war für die Brahmanen um so empfindlicher, als ihre Weisheit jetzt sogar den Schudras zugänglich gemacht war. Dass ein

1) Die hier vorgetragene Hypothese über die ersten Aufzeichnongen der wedisoh^ Texte wurde zunächst veranlasst durch ein längeres Gespräch, das ich im Jahre 1864 mit einem gelehrten Dsohainapriester in Ahmedäbäd hatte. Ich fragte ihn unter anderem ob er auch die Wedas der Brahmanen kenne. Er sagte, dass er sie kenne und dass in einigen Biblio- theken seiner Secte Exemplare davon zu finden seien.* Auf meine weitere Frage, warum sich die Dschainagelehrtemipait den Wedas gelegentlich befassten, die für sie doch völlig werthlos seien, da sie nicht daran glaubten, gab er mir zur Antwort: Wir brauchen sie für polemische Zwecke, um unser n Gegner die Werthlosigkeit ihrer heiligsten Bücher auf- zeigen zu können.

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derartiges Vorgehen seitens der zum Buddhismus übergetretenen Brah- manen die alten orthodoxen Mitglieder der Kaste aufs höchste empören mosste, liegt auf der Hand. Das Unheil war geschehen, die orthodoxen Brahmanen mussten desswegen auf möglichste Abschwächung der üblen Folgen bedacht sein» Die Abschriften wurden für schlecht erklärt, und ihnen alle Autorität abgesprochen, wie bei einem solchen Streite nicht anders zu erwarten war. Wollten die orthodoxen Brahmanen ihre Behauptung aufrecht erhalten, so waren sie gegen ihren Willen gezwungen , auch ihrerseits den Weda niederzuschreiben , um die Ver- breitung der für unächt erklärten buddhistischen Abschriften zu ver- hindern, deren sich wohl auch manche junge brahmanische Studenten heimlich zur Unterstützung ihres schwachen Gedächtnisses bedienen mochten. Dass die Abschriften der orthodoxen Brahmanen correcter waren als die ihrer Gegner, lässt sich wohl von vornherein annehmen^ da den Buddhisten an einer möglichst correcten Wiedergabe der Texte mit ihren Accenten sehr wenig gelegen sein konnte^ während bei den Brahmanen diess von der grössten Wichtigkeit war. Die buddhistischen Abschriften enthielten schwerlich Accentzeichen , da diese für die polemischen Zwecke der Buddhisten völlig werthlos waren; dagegen fehlten sie sicherlich in den brabmanischen Abschriften nicht, weil der richtigen Aussprache der Accente ein so hoher Werth beigelegt wird.

Nun fragt es sich, welcher Art war wohl die Accentbezeichnung in den ältesten brabmanischen Abschriften? Ich glaube diejenige, welche unter den' jetzt noch erhaltenen Bezeichnungs weisen die ein- fachste und wohl auch verbreitetste ist, nämlich die, welche wir im Rig- und Atharwaweda, und mit einigen Modifikationen auch in den beiden Recensionen des Jadschurweda angewandt finden. Nach dieser ältesten Bezeichnungsweise wird der Anud&tta durch einen wagrechten Strich unter, der Swarita durch einen senkrechten Strich über der Linie, der.Udätta aber gar nicht bezeichnet.

Fragt man nach dem Grunde, warum die Anudatta und Swarita- sjlben mit Accenten versehen, die Udättasylbe aber unbezeichnet ge- lassen worden sei, so kann diess offenbar kein anderer sein, als weil die beiden ersten mit einem gewissen Nachdruck der Stimme, die letztere dagegen ohne einen solchen gesprochen wurden* Wäre im Gregentbeil

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der Udätta der Hauptaccent gewesen, und demgemäss durch einen besondern Nachdruck der Stimme vor den übrigen hervorgehoben worden, so wäre es rein unerklärbar, wie die brahmanischen Wedage- lehrten auf den sonderbaren Gedanken hätten kommen sollen, die Hilfs- accente zu bezeichnen und den Hauptaccent unbezeichnet zu lassen. Wie noch heuzutage, so war es gewiss schon in sehr früher Zeit üblich, noch ehe die Wedas geschrieben wurden, die Sylben, die mit Accent* zeichen versehen sind, durch Kopfbewegung hervorzuheben, und den Schülern zur Anschauung zu bringen. Der Anfänger im Auswendig- lernen des Rigweda muss, um sich die mit Nachdruck gesprochenen Anudättasylbe besser zu merken, beim Aussprechen derselben den Kopf senken ; während der Aussprache des folgenden Udätta muss er ihn wieder heben , aber erst bei der Aussprache des Swarita soll er voll- ständig gehoben sein. So wird auch jetzt noch durch Kopf bewegung , an deren Stelle beim Jadschurweda auch die Handbewegung treten kann, die Aussprache der Accente so sehr als möglich verdeutlicht, welche Verdeutlichung ganz zu der wirklichen Aussprache passt.

Als die Brahmanen anfiengen, die Wedatexte zu schreiben, was war natürlicher, als dass sie diese Kopfbewegungen durch entsprechende Zeichen ausdrückten? Für die tiefe Senkung des Kopfes, wie sie bei der Aussprache des Anudätta eintrat, schrieb man einen wagrechten Strich unter der Linie, da die Lage des Kopfes dabei eine mehr wag- rechte war; die allmählige Hebung des Kopfes wurde dann gar nicht, dagegen der Punkt, wenn er wieder seine volle Stellung einnahm, mit einem senkrechten Strich über der Sylbe bezeichnet. Hieraus geht klar hervor, dass die üblichste Accentbezeichnung nichts als eine Ver- deutlichung der wirklichen Aussprache ist, wie sie zur Zeit als die Wedatexte zum erstenmale niedergeschrieben wurden, gebräuchlich war. Sonach fällt von selbst die Annahme^ dass man sich erst später gewöhnt habe, die geschriebenen Accente wirklich auszusprechen, und die wirk- liche Accentsylbe, weil unbezeichnet, unberücksichtigt zu lassen. Wer dieser Ansicht ist, hat vor allem die Frage zu beantworten, warum die Brahmanen nur die Nebenaccente bezeichnet, und den Hauptaccent unbezeichnet gelassen hätten, welche Beantwortung auf einleuchtende Weise kaum möglich sein dürfte.

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Gehen wir nun nach dieser kritischen Darlegung der bis jetzt von europäischen Gelehrten veröffentlichten Ansichten über das Wesen des wedischen Accents zu der nähern Untersuchung desselben über. Da die Bezeichnung der Accente in den verschiedenen Wedas von grosser Be- deutung für diese Untersuchung ist, dieselbe aber noch nirgends um- fassend und detaillirt genug dargestellt worden ist, so will ich im Nachgehenden versuchen, diese so gut als meine Hilfsmittel eben ge- statten, darzulegen. Ich nehme dabei, um möglichst objectiv verfahren zu können^ vorläufig keine Rücksicht auf die Prätis äkhyen , sondern stelle die Bezeichnung der Accent« so dar, wie sie sich einem aufmerk- samen Beobachter aus den Handschriften selbst ergiebt.

I.

Bezeichnung der Accente.

1. Bigweda nnd Atharwaweda.

Ich fasse die Accentbezeicbnung, wie wir sie in den Handschriften des Rigweda und Atharwaweda finden, zusammen, da sie in beiden Wedas nicht bloss dem Wesen, sondern auch der Anwendung nach dieselbe ist, und ein Unterschied wenigstens in den mir zugänglichen Manuscripten, einem Samhitätext des Atharwaweda von zwei verschiedenen Händen und aus verschiedener Zeit, und einem Padatext, nicht existirt. Whitney bemerkt in seiner Ausgabe des Atharvaveda PräUsäkhya (pag. 168), dass die Rikmethode der Accentbezeicbnung in keiner der von ihm be- nützten Handschriften des Atharwaweda durchgehends befolgt sei, son- dern dass der unabhängige sowohl als der sogenannte enklitische Accent innerhalb der Sylbe selbst bald durch einen Punkt, bald durch einen horizontalen Strich (wie diess auch in der Miü;trAyan% SamhitA vorkommt, wie wir später sehen werden) angedeutet sei; der unabhängige Circum- flex nach einem Gravis sei gewöhnlich durch eine schiefe nach oben quer durch die Sylbe gezogene Linie^ oft aber auch durch eine convexe Linie unterhalb derselben bezeichnet; der Gravis habe, wie im Rik,

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einen horizontalen Strich unten, sei aber ebenso oft durch einen Punkt bezeichnet. Derartige Verschiedenheit des Accentsystems bei einem und demselben wedischen Text werden wir bald bei dem Accent der Mäiträyani Samhita zu besprechen haben, wo auch der muthmassliche Grund angegeben werden soll.

Die Accentbezeichnung in allen uns bis jetzt bekannten Hand- schriften des Rigweda ist, wie indess bereits schon früher angedeutet wurde, folgende. 1) Der Anudätta wird durch einen horizontalen Strich unter der Linie, der darauf folgende Udätta gar nicht, und der diesem folgende Swarita durch einen senkrechten Strich über der Linie markirt. In allen Handschriften, die ich eingesehen, sind diese Accentstriche durch rothe Dinte bezeichnet. 2) Der Swarita kann indess ohne vor- hergehende Udättasjlbe auch unmittelbar dem Anudätta folgen, oder auch ganz unabhängig stehen. 3) Alle Sylben, die in einem Worte dem Udätta vorhergehen, haben den Anudättastrich; ebenso alle Sylben eines Wortes, wenn dasselbe gar keinen Udätta hat. Diese Bezeichnung mehrerer sich folgender Sylben durch Anudättastriche findet in ihrer Strenge nur im Padatexte ihre Anwendung, in der Samhita nur dann, wenn das Wort das eine solche Bezeichnung haben soll, am Anfange eines Verses oder Halbverses steht. 4) Der üdätta wird nie bezeichnet, selbst dann nicht, wenn mit demselben ein einsylbiges Wort versehen ist, oder wenn sich mehrere Udättas unmittelbar folgen. Im Samhitdi- text erhält, wenn möglich, die Schlusssylbe des vorhergehenden Wortes den Anudätta, die Anfangssylbe des folgenden, wenn möglich, den Swarita; im Padatext dagegen steht das monosyllabe Udättawort einfach ohne alle Bezeichnung, und ist eben dadurch gekennzeichnet, während das einsylbige Anudättawort den Anudättastrich hat. 5) Die Sylben eines Wortes, welche dem Swarita folgen, haben, wenn kein neuer Udätta im Anzüge ist, im Samhita wie im Padatexte, gar kein Accent- zeichen. 6) Der Hauptunterschied der Accentbezeichnung des Samhitä- von dem des Padatextes besteht in folgendem : in dem ersteren werden die aufeinander folgenden Worte als eine Wortkette betrachtet, die, wie in phonetischer, so in accentueller Wechselwirkung unter einander stehen. Schliesst z. B. ein Wort mit dem Udätta, und beginnt das folgende mit zwei Sylben, wovon keine Udätta ist, so wird die erste

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Sylbe noch in den Accentbereich des vorhergehenden Udätta gezogen^ und hat das Zeichen des Swarita; ist dagegen die zweite Sylbe des folgenden Wortes ein Udatta., so tritt statt des Swaritastriches ein Anud&ttastrich ein , da es als wichtiger angesehen wird , den Anudätta als den Swarita zu bezeichnen, wenn man nur die Wahl zwischen dem einen oder dem andern hat. Im Padatext steht phonetisch, wie accentuell^ jedes Wort für sich ohne die geringste Rücksicht auf vorhergehende oder nachfolgende Worte; daher trifft es sich hier häufig genug, dass wir da, wo in der Samhitä ein Anudatta steht, einen Swarita, und da wo dort ein Swarita steht, einen Anudatta haben, weil hier gar keine Rücksicht auf ein folgendes Accentgebiet zu nehmen ist. 7) Wenn einem sogenannten selbstständigen Swarita, dem kein Udatta vorhergeht^ ein anderer Swarita oder Udatta in dem Samhitätext folgt, so tritt eine eigenthümliche Bezeichnungsweise ein, die aber, wie wir später sehen werden, ein Streiflicht auf das wirkliche Wesen des indischen Accents wirft. Sie ist verschieden, je nachdem die Swaritasjlbe lang oder kurz ist. Ist sie lang, so stehen nicht weniger als drei Accent- zeichen, und zwar ein Anudatta, ein Swarita und wieder ein Anudatta. Um die zwei letztern anbringen zu können, wird nach der Swaritasylbe das Zeichen ^ gesetzt, über und unter welchem die betreffenden zwei Accente stehen. Ist die Swaritasjlbe kurz, so stehen nur zwei Accente, Swarita und Anudatta, welche über und unter einem ^ geschrieben sind, das der Swaritasylbe folgt.

Zur Verdeutlichung der hier beschriebenen Bezeichnungsweise lasse ich nun Beispiele folgen.

Zu 1) i;<if^ri*j I ?i^ I ^ifrtü I r^'^npi

4) ?T5 I ^ I ^ I Samh. HT ^ I ^f^ ^ 6) Sanih. wfrt ^wt^ ^^FT ^ fWI^ I

Pada i0ft i ?w I ^1^ i "^nW i "«rfit i ww^h i

24

s. ^^ I P. i|: w: I 5. 5>^: ^ETT i P. f«P ^ETP l

Ä. «T^l^ I p. "ftr ^Riit^: I

2. Die yerschiedenen Säkliäs des Jadschnrweda.

a) Täittiriyd Samhitä.

Die Accentbezeichnung in den verschiedenen S'äkhäs des Jadschur- weda schllesst sich im wesentlichen an die des Rig- und Atharwaweda an, ja sie ist zum Theil fast ganz identisch. Unter den drei mir vor- liegenden S'äkhds des Jadschurweda, nämlich der Täittiriyä, Väjasaneyi, und Mäiträt/ani Samhitä zeigt die Accentbezeichnung der erstem kaum eine nennenswerthe Abweichung von der im Rig- und Atharwaweda gebräuchlichen. Der einzige Unterschied besteht in der Bezeichnung des sogenannten Kampa (s. 7 bei dem Rigwedaaccent). In den zwei Handschriften der Samhitä, die mir zu Gebot stehen, ist die Bezeich- nung öfter ungleich. Um den Unterschied den Lesern recht anschau- lich zu machen setze ich die Bezeichnung des Kampa ^ so weit ich sie bemerkt habe, in beiden her; die eine ist mit A, die andere mit B bezeichnet.

II 1, 6, 5. \. ^"^f^T? ik B. ^"^f^ ik

II 2, 11, 5. A. Wl^ M •41'^® B. ^fm W^ ^

V 2, 1, 7. A u. B. 9 ^^rnn

V 4, 3, 3. A. ftffhr ^ 9 ^ >T^ B. f^rftw ^ ^ >t^

(Ebenso VI 4, 2, 3 in beiden Handschriften.) VI 1, 5, 1. A. HNIh^S ^\-H*i B. KNJH W 4 4l^*< VI 1, 11, 2. A. ^:?i^ S ÜfT B. ^ff^t ? ik^

VI 1, 11, 5. A. PciHilf^ ih^ B. fWrfg ^T^f

VI 2, 2, 1. A. "w^^ ^f^i^ B. wm^ ^fr^

VI 2, 2, 2. A. h: jtv^ ^-^^ I B. g: ITO^ 41^^

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VI 3, 2, 5. A. Tl^f^ ^ B. H^^i ik

VI 3, 4, 2. A. \if*ihZ ÄfT^ B. ^5f^4 ^^^ VI 4, 9, 2. A. iSr^rf) ih^ B. «ij^rtj Ä^^

VI 4, 10, 1. A. sgri^ '^ B. s§n#^u') ^^H

VI 6, 8, 1. A. "fWT S Mh^ B. ^hlf I Mh^

Diess sind alle Beispiele, die ich in meinen Handschriften finden konnte. Ihre Zahl ist, wenn man den nicht geringen Umfang der Täittiriyä-Samhitä bedenkt, verhältnissmässig sehr gering, weit geringer als im Rik und Atharwaweda. Der Grund ist einfach der, weil der Kampa in der Taittiriyä Samhitä nur dann eintritt, wenn dem Swarita ein anderer Swarita folgt, welche Fälle nicht allzuhäufig vorkommen, während im Rik und Atharwa der Kampa auch vor einem Udätta Statt hat. Die hier verzeichneten Fälle treten nur bei dem sogenannten abhinihita und kshaipra Sandhi ein, d. h. wenn ein anlautender Vokal elidirt oder ein auslautender in seinen entsprechenden Halbvokal ver- wandelt wird. Wie eine nur flüchtige Vergleichung der Bezeichnungs- weise des Kampa in beiden Handschriften zeigt, so ist sie bei denselben

Stellen in beiden häufig ungleich. Der Kampa ist bald mit ^, bald

™^^ ^9 JA sogar mit ^ bezeichnet; die Zahl hat bald zwei Accent« zeichen, wie immer im Rik und Atharwa in solchen Fällen (Anudätta und Swarita), bald nur eines (den Anudätta), oder auch gar keines, wie in VI 2, 2, 1. und VI 6, 8, 1. Zwei Accentzeichen stehen indess

nur auf und unter ^ . ^ hat stets nur den Anudätta , während im

Rik diese Ziffer ebenfalls mit den zwei Accentzeichen versehen ist.

Die der Zahl vorhergehende Sylbe hat meist das Zeichen des Swarita, doch nicht immer.

Aus diesem Schwanken und dieser Ungleichheit der Bezeichnung sieht man klar, dass nicht einmal in einer und derselben Handschrift

l) Das e ist hier im Manuscript stehen geblieben, wahrend die doppelten Vokale te e 6 6 u. 8. w., die häufig in dieser Handschrift beim Kampa zuerst standen, sonst immer aus- gestrichen sind. Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. II. Abth. *

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eine feste Regel hierüber herrschte. Da indess die beigefügte Zahl fast immer mit Accentzeichen versehen ist (wo diese fehlen, ist es sicher ein Fehler in der Handschrift), so dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit den Schluss ziehen, dass die Zahlen nur als Stütze dienen, um die Accentzeichen ausdrücken zu können, hauptsächlich wegen des Anudätta, da dieser, wenn zwei Swaritas zusammentreffen, dem zweiten nothwendig vorhergehen muss. Hiebei war es ziemlich gleichgültig,

ob diese Zahl S, oder ^, oder ^ war, da alle diese vorkommen, ohne dass man den geringsten Unterschied auffinden kann. Wenn es in den oben angeführten Beispielen vorkommt, dass wir drei Swaritas nach einander haben, so dürfte dieser Umstand etwa so zu erklären sein, dass der erste Swarita verlängert gesprochen wird, oder dass, wenn

die Sylbe drei Moras hat, wie es bei der eigentlichen Pluti ^ der Fall ist, zwei Moras dem Swarita gehören, der dann zweimal bezeichnet sein kann.

Gelegentlich kommt im Fall des Kampa, wie in der MäUräyanU Saiiihitä, und im Sdmaveda auch Dehnung des Vokales vor, der dem

Kampa unterworfen ist, wie VI 6, 8, 1. in J5 bei ^^|^ während Ä

nur 'qT'I hat^ Dieser Kampa ist, wenn er ^ hat, oft schwer von der eigentlichen Pluti, die ebenso bezeichnet wird, zu unterscheiden. Die Sylbe, welche Pluti hat, ist immer Udatta, auch in dem Falle, dass dieser auf derselben nicht Statt hat. Auf diese Weise geschieht es, dass ein Wort mehrere Udattas hat, und dass zwei in demselben Worte sich sogar unmittelbar folgen. Beispiele:

VI 1, 9, 1. A. r^r^Ki: ^atTT? ^ f^f^HIT?

VI 3, 8, I. A u. B. "q^^ HKWJI^

1) Die abweichende Accentuation des Wortes | C||x|r<|; in B ist beachtenswerth. Der

Udatta der Sylbe cht ist in einen Anudätta, und der Anudätta unter tya in einen Udätta verwandelt. Da diese Erscheinung auch in der Mäitrdyani Samhitd vorkommt, so ist diese Accentuation auch in diesen Beispiele in B nicht etwa eine bloss zufallige, oder ganz fehlerhafte, sondern sie hat, wie wir sehen werden, ihren Grund.

27

VI 4, 3, 4, A u. B. ^BWr^ %qT9

VI 6, 2, 3, A u. B. TIRtfkffXn? ^J^Mrill^ f¥?T

(Weitere Beispiele siehe in Whitney: The Täittiriya Prdtisäkhya pag. 323. 24).

Im ersten hier gegebenen Beispiele hat das Wort 8oma^ das sonst SornUy mit dem Udätta auf so, und dem Swarita auf ma accentuirt ist^ zwei Udättas ; ebenso yajnapatAu^ auf na und an, während es sonst nur auf na einen Udätta hat, und pratyatishthipä (für pratyatishthipo), auf jpra und pä. Der Grund dieser Erscheinung ist einfach zu erklären. In allen den Fällen, in welchen Pluti mit mehreren sich folgenden Udättas vorkommt, soll ein Zweifel oder eine Frage auf diese Weise ausgedrückt werden. Gerade bei der Frage und dem Zweifel hebt sich die Stimme; der Ausdruck dieser Hebung ist der Udätta; zugleich verweilt sie länger in diesem Tone, als sonst gebräuchlich, wodurch die Pluti entweder einer ursprünglichen üdättasylbe hervorgerufen, oder diejenige Wort- sylbe derselben unterworfen wird, auf welcher die Stärke der Frage oder des Zweifels hauptsächlich sich concentrirt. Hiebei macht es keinen Unterschied, ob das Wort auf einer andern Sylbe schon einen Udätta hat, oder nicht.

In dem Täittirtja Brähmana ist dasselbe Accentuationssystem , wie in der Samhitä befolgt ; daher ich Beispiele davon zu geben unterlasse.

b) MäUräyani Samhitä.^)

In den in meiner Sammlung befindlichen zwei Handschriften dieser Samhitä sind zwei verschiedene Accentuationssysteme angewandt. Beide Handschriften sind indess nicht vollständig, sondern ergänzen sich gegen- seitig. Die ältere im Jahr 1590 geschriebene umfasst nur das Madhyama Kända^ die jüngere nach einer in Nassik befindlichen Copie gemachte Abschrift, das erste und dritte Kända, nebst einem Anhang, der als

1) Ich verweise hier auf die Notiz, welche ich in meiner Abhandlang 'Brahma and dieBrah« manen pag. 31 34 über diese in Europa bis jetzt unbekannte wedische Samhitä gegeben habe.

4*

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viertes bezeichnet wird. Das in der jQngern angewandte Accentuations- System stimmt im allgemeinen mit dem des Rigweda, und der Taittiriya Samhitib fiberein, jedoch mit folgenden Abweichungen.

1) Die dem Swarita bei den kshaipra^ ahhinihita, und praslishta Sandhis, sowie bei der contrahirten jätya Sylhe vorhergehende Anudätta- sylbe hat gewöhnlich Pluti ^ , mag sie kurz oder lang sein, ohne dass eine Verlängerung des Vokales Statt hat, wie es oben bei der Täittirija Samhitä bemerkt worden ist. Beispiele:

I, 1, 2. 2, 10. 2, 15. IT^% "P^: 1, 2, 6. '^%'fTfi[T5^ 1,2, 8. ^ WlPl5*?t OT 1, 2, 10. jft^W^li^ft!

1, 2, 12. nftisrat ^JiTOf?^ ?wt f^

1. 4. 12. ^^<itf ^rii^uii HHt ^rtrr m t^ ^?9'^ tt

1. 4. 13. ^wr^ ^ w^fRt ftr* 1, 4, 3. H?^ t a\{kA

2) Diese Pluti der vorhergehenden Anudattasylbe findet aber, wie eine nähere Betrachtung der eben angeführten Beispiele zeigt, welche leicht bedeutend vermehrt werden könnten, nur dann Statt, wenn der Swaritasjlbe unmittelbar noch eine Udättasylbe folgt; und in diesem f^alle wird, wie aus den obigen Beispielen erhellt, der Swarita stets in den Anudatta verwandelt. Diess ist so durchgängig Regel, dass selbst der jätya, welches eigentlich der selbstständigste Swarita zu sein scheint, derselben unterworfen ist. Siehe das instructive Beispiel I 2, 15:

^fift? Tf'^W^ ^J "'J^*'^ '^IPff^I^fe . Hier sieht man deutlich, dass svar nur dann den Anudatta hat, wenn unmittelbar ein Udatta folgt, aber nicht, wenn dieses nicht der Fall ist. Vergleiche auch

^itlT^^r' ^ mit ^rt**i ^^N^ ^ in I 4, 13. Im ersten Beispiel

hat die Sylbe vyam von hotavyam den Anudatta, und die vorhergehende ta Anudatta mit Pluti, weil auf vyam der üdätta yat folgt; im zweiten Beispiel dagegen hat vyam regelrecht den Swarita (jätya), weil die folgende Sylbe de weder einen üdätta noch einen Swarita hat.

29

I

3) Wird ein auf die angegebene Weise in einen Anudätta ver- wandelter Swarita von zwei weitern Udättas unmittelbar gefolgt, so erhält die ursprüngliche Swarita- und nicht, wie sonst die vorhergehende Anudättasjlbe das Plutizeichen 9. Beispiele:

~ \^ ~ ~ ~ "■

Das letztere Beispiel ist das instructivste, weil hier das Wort arka^ das den Ud&tta auf der letzten Sylbe hat, jedesmal etwas abweichend^ aber ganz in Uebereinstimmung mit den angegebenen Regeln accentuirt ist. Das erstemal ist der ursprüngliche Udätta wegen des ahhinihÜa Sandhi (Ausstossung des anlautenten ä) Swarita geworden, und durch Anudfttta mit Pluti eingeleitet; dieser Swarita aber ist, weil unmittel- bar wieder eine solche Swaritasylbe, und dieser ein Udätta folgt, in den Anudätta mit Pluti verwandelt; das zweitemal ist der Swarita Anudätta ohne Pluti geworden, weil nur noch ein Udätta folgt.

4) TrifiFt ein Udätta mit einem Swarita zusammen^ dem wieder ein Udätta folgt, so hat der Udätta das Plutizeichen, aber keinen Anudätta- strich; der Swarita aber hat den Anudättastrich und kein Plutizeichen.

Beispiele: I, 5,5. TR^ ^rftp; ibid. ^»^ ^[ft; iHRi^ ^^; 1JH9 f^^;^ III, 1, 3. ^1|9 ^ fir

Aus den hier aufgestellten Regeln folgt zur Genüge, dass die Pluti dazu dient, um einen Swarita und Udätta, die sich folgen, oder auch zwei Udättas einzuleiten; die Stimme nimmt einen länger dauernden nachdrücklichen Anlauf, der durch Pluti bezeichnet wird, um desto länger bei den folgenden Sjlben in der Höhe verweilen zu können. Hiebei drängt sich indess eine merkwürdige, und wie wir später sehen werden, für die richtige Auffassung des Wesens des wedischen Accents wichtige Beobachtung auf. Ein ursprünglicher Udätta, wie in dakshinatas, der in dem abhinihita Sandhi in den Swarita verwandelt wird, wird, wenn noch zwei weitere Udättas folgen, in einen Anudätta verwandelt.

Betrachten wir nun etwas näher das eigentkümliche Accentsystem, das sich in meiner alten Handschrift de^ Madhyama Kdnda der Mdit- räyant Samhitä findet.

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1) Der Anudatta wird durch einen wagrechten Strich unter, der Udätta durch einen senkrechten Strich über der Linie (wie sonst der Swarita) und der darauf folgende Swarita durch einen wagrechten Strich quer durch die damit versehene Sylbe^) bezeichnet. Diess ist die regelrechte Bezeichnung in normalen Fällen^ wenn für alle Accente Platz ist.

II, 1, 1. l^<l*^*l*K^<fcMW

2) Alle in einem zu Anfange eines Satzes stehenden Worte der Udättasylbe vorausgehenden Sylben werden mit dem Anudatta bezeichnet, nicht bloss die unmittelbar vorhergehende, gerade wie diess auch bei der Accentuation des Rigweda und der Taittirtja Samhitä der Fall ist.

II, 2, 3. «jl^fMKl'

3) Zwei Ud4ttas, durch den senkrechten Strich bezeichnet, können sich unmittelbar folgen.

II, 7, 12. ^^f^-Xlf

4) Der auf einen Udätta folgende Swarita ist durch drei kleine Striche über der Linie bezeichnet, wenn sofort ein nothwendiger Anudatta ib dem Worte folgt.

II, 1, 1. W^'^^MI-; vgl. dagegen II, 1, 4. f^-^ »IIW^«

In dem letztern Beispiele folgt der Sjlbe va keine Sylbe mit noth- wendigem Anudatta, sondern in dem sogenannten Prachaya Tone, den man als indifferente . Mitte zwischen Anudatta und Swarita bezeichnen kann ; desswegen sind die drei kleinen Striche weggelassen und der Swarita auf die in diesem Kdnda gewöhnliche Weise bezeichnet.

5) Der Swarita in der jätya Sylbe und bei dem ahhimhüa und kshaipra Sandhi wird durch ein Häckchen ^ unter dem Worte bezeichnet, wenn «ine Anudatta oder Prachaya Sjlbe folgt,

Beispiele: 11,1,1. 41^l*<*ftl^; II, 1,3. «TT^, ^«17^;

II, 1, 8. OTi^nj^;^; ^^ihi-^aaf^; 11,1,9.^^^^;

II, 3, 8. f^TftWWt^; II, 6, 4. fMNrS, ^; II, 3,4. ITTOtftl

1) Da zur correkten Dantellang dieses Accents besondere Typen erforderlich wären, so kann hier derselbe nur ann&hemd richtig durch einen an die Mitte der damit versehenen Sylbo gef&gten Querstrich bezeichnet werden.

.1

tl

F ^1 ond I

r"

6) Wenn dem in 5) genannten Swarita ein Udätta folgt, und ein inderer Udätta oder gewöhnlicher Swarita vorhergeht, so wird derselbe urch den Anudättastrich nebst einem Doppelhäckchen i^ bezeichnet.

Beispiele: II, 2, 2. TIcHt-'lf ^ST^T^ ^^^IIHlfrt; 11,3,1. '^^r^l

^^'*i\*i\M; II, 4, 2. ^N| tS-nn^tf^-^; H, 7, 3. f^'^^T^i^-"^

^ tr^ ^^-'^^; 11,7,5. MJMlf'«iH|J ^Pl^I ^i^-^ Q4M)<J-^ #R-

7) Folgt auf einen durch eine j&tya Sylbe, oder durch den kshaipra, hhinihüa und pras'lishta Siindhi veranlassten Swarita ein Udätta, so

tritt gerade, wie in der Jüngern Handschrift, in den oben berührten Fällen Pluti bei der dem Swarita vorhergehenden Anudättasylbe ein, d dieser wird gleichfalls in einen Anudätta verwandelt.

Beispiele: II, I, 2. TT*"^!^^ ^tU"^; II, 1, 3. ^-^j^^^ ^^♦il-

II, 5, 3. f^-inf^T^ fWr^t^lit^; II, 7, 9. ^?t^T^^^WT- Weitere auf Regeln rückführbare Abweichungen von dem System des Rik- und Atharwaweda konnte ich in meiner Handschrift nicht aufßnden; auch die in der Jüngern Handschrift vorkommenden unter 3) und 4) oben notirton Eigenthümlichkeiten habe ich vergebens darin gesQcht. Dagegen bemerkte ich noch ein Paar Kigenthüralichkeiten in der Accentbezeichnung, ohne sie auf ein (icsetz zurückführen zu können. So trefi'en wir auf einer und derselben Sylbe öfter zweimal den Udätta- strich, aber so, dass er jedesmal auf einem andern Buchstaben steht, X. B. 11, 3, 3. n<^ *)*•<]:; II, 3, fi. i.<4^^r^lj; ibid. y^-^li^-W^rrt

Auch findet sich der Anudätta und Udättastrich auf ein und der- selben Sylbe zugleich. z.B.: II, 3,3. ^^f^ltfiT-fOT^

Auch kann ein Wort auf zwei einander unmittelbar folgendea lylben jedesmal einen Udättastrich haben.

Beispiel: II, 3, (5. UM'. ^W^ ^HP "^^ ^fTt^-T^

Ausser diesen zwei Udättastricheu kann ein Wort auch noch das

82

Zeichen des sogenannten unabhängigen Swarita, das Häckchen c haben« Beispiel: II, 2, 7. ^tN^

In einer Stelle II, 6, 12. findet sich das Wort brahman in einer viermal wiederkehrenden Fügung viermal mit zwei Udattas und einem ^ und viermal mit einem Udätta auf der letzten Sylbe accentuirt.

Der Umstand, dass in einer und derselben Samhitä der Accent nicht auf ein und dieselbe Weise bezeichnet ist, dürfte auffallen, ist aber nicht schwer zu erklären. Da die zwei verschiedenen Accent- uationsmethoden nicht in einer und derselben Handschrift angewandt sind, sondern jedes in einer verschiedenen Handschrift sich findet, so liegt der Schluss nahe, dass jede dieser zwei Accentuationsweisen einer verschiedenen S'äkhä derselben Samhitä angehört. Und wirklich gab es verschiedene S'äkhäs der Mäitreyis^ deren bald sechs, bald sieben auf- gezählt werden.

c) Väjasaneyi Saikhüä.

Hier stimmt die Accentuation im Allgemeinen mit der des Rik und Atharwaweda überein, so dass der Anudätta ebenfalls durch einen wagrechten Strich unter der Linie, der Udätta gar nicht, und der Swarita in den gewöhnlichen Fällen ebenfalls durch einen wagrechten Strich über der Linie bezeichnet wird. Verschiedenheit der Bezeichnung findet sich nur bei einigen speziellen Fällen des Swarita, die indess mit der in denselben Fällen eben beschriebenen Accentuationsweise der altern Handschrift der Mäiträyani Samhitä stimmt. Indess findet sich auch hier wieder eine kleine Abweichung in den zwei noch existirenden S'äkhäs der Väjasaneyi Samhitä, worauf wir auch oben die Unterschiede der zwei in der MäiträyanUSamhitä vorkommenden Accentuationssysteme zurück- geführt haben.

Was nun die eben kurz angedeutete Verschiedenheit in der Be- zeichnung des Swarita betrifft, so bezieht sie sich nur auf diejenigen Fälle, wo der sogenannte selbstständige Swarita einzutreten hat, wie bei der jätya Sylbe, und den abhinihita, kshaipra und praslishta Sandhis. In

33

allen diesen Fällen verschmelzen zwei Sylben, wovon die erste den üdätta, die zweite den Swarita haben soll, zu einer einzigen, und ver- ursachen Modificationen in der Accentuation. Hiebei ist es nun von Wichtigkeit, ob der Swarita in einem solchen Falle ganz zu Anfang, oder ganz am Ende eines Verses oder Satzes, oder im Gontexte steht, d. h. wenn ihm Accente vorhergehen und folgen. In allen Fällen wird wieder ein Unterschied gemacht, je nach dem was vorhergeht und folgt, d. h. ob ein üdätta oder Swarita vorhergeht oder folgt, oder ob ein Prachaya oder Anudätta folgt. Je nach der einen oder andern dieser Bedingungen ist die Bezeichnung des Swarita eine verschiedene.

1) Steht der eben beschriebene Swarita am Anfang eines Verses, oder Satzes und folgt ihm ein üdätta oder anderer derartiger Swarita, so wird er mit dem Anudättastrich bezeichnet, eine Umwandlung, die wir oben in ausgedehnterem Masse bei den beiden S'äkhäs der Mäiträy-

ani Saihhitä gefunden haben. Beispiele: ^^X; 15^ (für 15^) Derselbe Fall tritt ein, wenn diesem Swarita ein üdätta vorhergeht. Beisp. : ^9irt5l^|in* Steht der Swarita in solchem Falle aber am

Ende eines Verses oder Satzes, so bleibt die ursprüngliche Bezeichnung durch den senkrechten Strich. Beisp.: Mi,*! ^^ Dieselbe bleibt auch im Anfange, wenn eine PracÄaya-Sylbe folgt. Beisp.: ^ H^n (29,29).

2) Folgt diesem Swairita im Context ein üdätta, so wird an der Stelle des gewöhnlichen Swaritazeichens ein Doppelhäckchen h, (ohne Anudättastrich) angewandt, wie- wir es oben bei einer S^äkhä der Mäi-

träyani Samhitä gesehen haben. Beisp.: 'l-^^n tfl^^in» (6, 21°);

%SWr^; ^apcrfic^; ^??>fW (38, 17*). In der Kanva S'äkhä wird in- dess in diesem Falle, wie in 1), der Anudättastrich gesetzt. Beispiel:

3) Folgt diesem Swarita aber eine Prachaya-Sjlbe, oder ein noth- wendiger Anudätta, so wird er, mag ein wirklicher Anudätta, oder ein erst nach 1) aus Swarita entstandener vorhergehen oder nicht, durch ein besonderes Zeichen l, das eine Vereinigung des senkrechten Swarita- und des wagrechten Anudättastriches ist und unter die Linie gesetzt

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d W. XIII. Bd. II. Abth. 5

34

wird, bezeichnet. Beispiele: ^|<<^H ; '%'*'^%; ^ ^^W; ^W;

?f?[t S »JRffTIThü: 8, 59"); 'T^«»IM'rtR^ (8,60); ^IffR^ ^tff (11, 15). Dasselbe Zeichen wird unter die Swaritasylbe gesetzt, wenn sie am Ende eines Verses oder Satzes steht, ßeisp.: ^tj^*^ (8, 24);

^^: (7, 45^). Diese eigenthümliche Bezeichnung des Swarita findet indess nur in der Madhyandina S äkhä Statt, während in der Kmva S'dkhä derselbe auf die gewöhnliche Weise bezeichnet wird: ^IjP^n. Ausser den eben beschriebenen eigenthumlichen Bezeichnungen des Swarita finden wir in der Väjasaneyi'Saiiihitä öfter ein Plutizeichen, bald mit ^, bald mit ^ bezeichnet, angewandt. In welcher Beziehung die- selben indess zum Accent stehen, ist nicht so recht ersichtlich, wie wir diess im gleichen Fall in der Täittiriya und der Mäiträyani Samhitä gefunden haben. Das Zeichen ^, das hier mit besonderer Vorliebe ge- braucht wird, während es in den andern S'äkhäs des Jadschurweda, die wir kennen^ kaum das eine oder anderemal vorkommt, kann bei allen drei Accenten angewandt werden; desswegen hat es gar keine nähere Beziehungen zu irgend einem derselben. Da es immer am Ende eines Wortes nach einem Anunäsika ^ steht, wenn das folgende Wort mit einem Vokale beginnt, scheint es anzuzeigen, dass der von dem Anunäsika gefolgte lange Vokal trotz der Nasalirung nur mit zwei Moras zu sprechen sei. Jedesmal folgen in einem solchen Falle dem Anunäsika noch zwei Striche || , nach welchen sogar das zur Accusativ- endung des Plurals gehörige r gesetzt, also eigentlich von seinem Vokal

getrennt ist. Beisp.: ^^ii?5^^; ^f^Jlt^nSt^ (7, 40); ♦jmT^mS^!^

(7,38); XTft^iil?fll^(19, 53); ^^••l^'pS. Die zwei Striche deuten

wohl eine kurze etwa auch zwei Moras dauernde Pause an, ehe in der Uecitation weiter gefahren wird.^)

1) Nach einer von A.Weber in seiner Aasgabe und Uebersetzung des Vdjasäneyi Ih-atisd- khya (Indische Studien , 4 Bd. pag. 207) gemachten Bemerkung, sind die Fälle, wenn dem Anu- näsika ein u oder I vorhergeht, in Chambers 29, mit C||| markirt, dagegen bei d"^ ^|| beibe- halten. Ein ähnlicher Wechsel zwischen Cj , ^ und sogar % findet sich in meinen Handschriften

der Tdittiriya Samhitä^ wie ich oben bemerkt habe. Dieselbe Erscheinung findet sich auch in manchen Handschriften des Rigweda bei schliessendem ^'asal und folgendem Vokal S. Max Müller's Preface zum Isten Bande seiner grossen Ausgabe des Rigweda pag. XII Note.

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Das Zeichen ^ dagegen steht, wie in der Täütiriya Samhitä^ in einiger Beziehung zum Accent, wenn auch hier nicht so ausschliesslich, wie dort. Die damit versehene Sjrlbe ist mit dem üdätta zu sprechen, auch wenn dieselbe (ohne dieses Zeichen) sonst diesen Accent nicht hat, oder wenn das Wort schon auf einer andern Sylbe mit dem Udätta

versehen ist. Beisp.: ^^l^^^lS^I^^«^^ (23, 8*^); ^P^TT?^ (8, 10); ^|fn^HI|fi[ f^T?;T#?^ (33' '^*)- ^^ letzteren Beispiele hat U nicht den üdätta, wie im ersten, sondern ist Prachaya, d. h. eine Hebung der Stimme findet bei seiner Aussprache nicht Statt, weil es das zweite Glied einer disjunktiven Frage ist. Ebenso hat in ^[(^^^||u ^23 49)

das ä"^^ nicht den Üdätta, was wohl daher kommt, dass diese Sylbe ganz am Ende eines Verses steht, wo Hebungen nicht beliebt sind. (Vgl. das Vdjaaaneyi Prätis Akhya 2, 50 54.)

3. Bezeichnnng des Accents im Sämaveda.

Unter allen wedischen Accentsystemen ist unstreitig das des Säma- weda das verwinkeltste und am schwersten zu begreifende ; doch dürfte es bei näherer Untersuchung gelingen, nicht nur dasselbe vollständig zu verstehen, sondern auch seine principielle Uebereinstimmung mit den Systemen des Rik und des Jadschurweda nachzuweisen. Der einzige Versuch einer Darstellung desselben, der bis jetzt gemacht worden ist, ist, soweit mir bekannt, die oben erwähnte Abhandlung von Benfey, die indess sich auf die blosse Aufzählung der verschiedenen Arten von Accentbezeichnung, wie sie sich im Sämaweda findet, beschränkt. Ueber das zu Grunde liegende Princip sagt er nichts. Auch Whitney ^) scheint keine Untersuchungen darüber angestellt zu haben. Denn er sagt, Mass die Erklärung dieses verwickelten Systems bis jetzt noch nicht gefunden sei/ Doch zur Sache. Bei rein äusserlicher Betrachtung finden wir im Sämaweda folgende eilf Arten der Accentbezeichnung:

1) In seiner '£xainination of Dr. Hang's Views respecting^ Sanscrit accentnation' in den Pro- oeedingfs of the American Oriental Society of May 1871 pagr. X. Ich werde diese Examination gegen Ende dieser Abhandlang ausführlicher beleuchten.

5*

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1) Die Zahl cj über der Sylbe; 2) die Zahl ^; 3) die Zahl ^; 4) ^^; 5) ^^; 6) 9^; 7) ^^^; 8) Pluti (^) mit ^ über der Sylbe; 9) Pluti mit ^; 10) Pluti ohne eine Zahl; 11) gar kein Zeichen.

Die Bieben ersten sind die in phonetischen Lehrbuchern sogenann- ten sieben Accente des Sämaweda, die eine auffallende Aehnlichkeit mit den Bezeichnungen in den Oänas^) haben, aber nicht damit verwechselt werden dürfen. Eine nähere Betrachtung zeigt jedoch, dass diese so unlösbar verwickelt scheinende Accentuation mit der einfachen des Rig- weda vollkommen identisch ist, so dass, wer das Princip der Accent- bezeichnuDg im Sämaweda versteht, jeden Rikvers mit den richtigen Sämaaccenten versehen kann.^) Ja die Uebereinstimmung ist so gross,

dass solche Besonderheiten, wie die Zahlen ^ und ^ beim Kampa ^ im Sämaweda ihre Berücksichtigung finden. Die Accente werden nicht, wie beim Rigweda, durch wagrechte und perpendiculäre Striche, son- dern durch kleine über die Sylbe gesetzten Zahlzeichen ausgedrückt, wie aus der obigen Aufzählung erhellt. Es sind ihrer drei Haupt- accente, durch ^, ^, ^, ausgedrückt, die im Ganzen den drei Accenten des Rigweda: Udätta, Anudätta und Swarita entsprechen.

Was das Verhältniss dieser drei Zahlen zu den drei Accenten des Rigweda betrifft, so kann man sagen, dass ^ dem Udätta, ^ dem Swarita, und ^ dem Anudätta im Allgemeinen entspricht. Indess entspricht nur ^ in allen Fällen der Anudättasylbe vor einem Udätta und Swarita, sowie auch ^ stets einen Udätta bezeichnet. Dagegen bezeichnet ^ bald den Swarita, bald auch den Udätta. Gerade der Umstand, dass in der Sämaweda-Accentuation der Udätta des Rigweda bald durch % bald auch durch ^, das Zeichen des Swarita, ausgedrückt wird, ist ausserordentlich merkwürdig und dürfte ein Licht auf das Verhältniss beider, zu einander werfen. Der Wechsel des ^ mit ^ zur Bezeichnung des Udätta, oder besser gesagt, die Verwandlung des Udätta in den Swarita beruht auf ganz festen Gesetzen. Er wird stets durch das

1) Siehe A. C. Barnell , Catalogue of a collection of Sanscrit Manuscripts, Part. I pagr 44.

2) Ich habe mehrmal die Probe gemacht und die hier aufgestellten Regeln vollkommen bewährt gefunden.

f

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Verhältniss zu andern vorhergehenden, oder folgenden Udättas und von dem Umstände regulirt, ob Raum vorhanden ist, sowohl den dem Udätta vorhergehenden nothwendigen Anudätta, als auch den ihm folgenden Swarita auszudrücken, oder ob nur Raum für einen dieser Accente,^ oder ob gar keiner da ist, wenn sich nämlich mehrere Udättas unmittel- bar folgen. Als Grundregel darf hier durchweg angenommen werden, dass die Udättasylbe nur dann mit ^ versehen wird, wenn ihr ein ^ folgen kann, entweder unmittelbar, oder wenn dem ersten Udatta noch mehrere Udä.ttasylben unmittelbar folgen, in welchem Fall dann der Swarita auf der unmittelbar dem letzten Udätta folgenden Sylbe, die den Hochton nicht hat, bezeichnet wird. Von diesem Gesetz kenne ich

nur eine Ausnahme, nämlich ^T?^ 1? 584. 2, 1224 ganz am Anfange eines Stichos. Hier ist dem ^ das Zeichen für Pluti beigegeben, mit welchem es sonst auch nicht vorkommt. Noch eine besondere Ueber- einstimmung mit dem Accentuationssystem des Rigweda und Jadschur- weda zeigt sich darin, dass in allen Fällen, wo in diesen lauter tonlose Sylben stehen, wie beim Verbum im Hauptsatze, diess im Sämaweda ebenfalls der Fall ist.

Im Einzelnen nun gestaltet sich das Verhältniss des S zu ^, be- ziehungsweise das Bleiben des Udätta oder seine Verwandlung in den Swarit;a folgendermassen.

1) Der Udätta wird stets durch ^ bezeichnet, wenn Raum da ist zur Bezeichnung des Swarita , und im Fall ' noch ein Wort mit Udätta folgt, zu der des Anudätta^ der den nächstfolgenden Udatta einleitet.

Beisp. 1, 1. «if^H . Hier bezeichnet ^ auf bar den Anudätta, ^ auf

M den Udätta und ^ auf shi den Swarita. 1, 8. MiHlRaWM^mit- Hier ist auf der Sylbe chit, die ohne Hochton ist, Raum für den dem Udätta folgenden Swarita, um den Hochton verklingen lassen zu können^ und auf der Sylbe sa, die ebenfalls ohne Hochton ist, Raum für den starken Tiefton, den Anudätta, der, wenn möglich, dem Udätta vorher- gehen muss, welcher auf der Sylbe dha haftet. Die Art des Swarita

macht hier keinen Unterschied; vgl. 1, 463. ^^JU ^fJ ; svah hat den

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sogenannten jätya, folgt aber dem Udätta ebenso gut wie die andern, ohne dass Pluti nöthig wäre.

2) Falls mehrere Udättas sich unmittelbar folgen, so muss der Swarita auf der ersten dem letzten Udätta folgenden unaccentuirten Sylbe bezeichnet werden. Da er aber stärker ist, als ein gewöhnlicher Swarita, da in ihm der Hochton von mehreren Udättas nachklingen soll, so wird er nicht schlechthin mit ^, sondern mit ^T. bezeichnet, was die eigentliche Bezeichnung für den sogenannten jätya ist.

Beisp. 1, 23. W ^^ IR^

1, 25. ^ J^ ff ir rim^l^ (ß^- 16' 43).

Im ersten Beispiel steht ^ auf ^, das den Udätta hat; die folgende Sylbe ja hat gar kein Accentzeichen , wodurch angezeigt ist, dass sie mit dem Udätta zu sprechen ist. Wäre diess nicht der Fall, so müsste entweder der Swarita, oder, wenn nur durch eine Sylbe getrennt, wie- der ein Udätta folgen sollte, der Anudätta stehen; auf nam steht ^^, was anzeigt, dass hier der gemeinschaftliche Swarita für die vorher- gehenden zwei Udättas ist. Im zweiten Beispiel folgen sich fünf Udättas : kshvä hi yi tdvd (tdva ä'), zu denen ^^ auf s'vä als gemeinschaftlicher Swarita gehört.

Was die Bedeutung des dem ^ beigeschriebenen T. betrifft, so kann ich hierüber nur eine Vermuthung aufstellen, da mir das Zeichen während meines Aufenthaltes in Indien nie von einem des Sämaweda kundigen Brähmanen erklärt wurde. Nach BurneU's Bemerkung^) wird der fünfte Ton der Gänas^ d. h. der Sämaverse in der Form, in welcher sie gesungen werden (sie sind dann mit einer Art musikalischer Accent- zeichen versehen), der sogenannte mandra mit ^T. bezeichnet. Da andere Bezeichnungs weisen der Gänas^ nämlich ^^ und ^^^ (^^ als ^^J eben- falls in der Samhitä vorkommen, so darf kaum daran gezweifelt wer- den, dass ein Zusammenhang Statt findet. Diese Modificationen in der Bezeichnung der drei Hauptaccente scheinen jedenfalls von den Gänas entlehnt zu sein. Da bei dem Singen der Sämaverse die Stärke oder

1) Catalogue of a collection of Sanscrit Manuscripts pag. 44.

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Schwäche des Tones durch besondere Zeichen ausgedrückt wird, die durch besondere Fingerbewegungen veranschaulicht werden, so glaube

ich, dasa das ^ eine Abkürzung von T^ "^Linie' ist, womit die Säma- Sänger eine eigene Handbewegung bezeichnen, nämlich das Ziehen des Daumens der rechtisn Hand über die Fingerspitzen in möglichst gerader Linie. In den Sämaprayogas aus dem Dekkhan, die mir zu Gebote stehen, wird diese Bewegung durch eine Querlinie angedeutet. Da ^^ jedenfalls einen stärkern Ton als den gewöhnlichen Swarita bezeichnet, so vermuthe ich, dass die Recitation des Samhitäverses bei ^T. durch eine Handbewegung unterstützt wird. Erkundigungen habe ich bis jetzt nicht darüber eingezogen, da mir im Allgemeinen gesagt wurde, dass die Recitation des Sämaweda in der Archika-YoTm dieselbe sei wie die des Rik.

3) Ist kein Raum vorhanden, dass ein Swarita ^ auf einen Udätta ^ folgen kann, so wird der Udätta mit ^ bezeichnet, und unter Um- ständen auch mit ^^ , oder mit andern Worten , der Udätta als der schwächere Accent macht dem Swarita als dem stärkern Platz. Ein sehr lehrreiches Beispiel bietet IJ^ in 2, 605 640, wo jeder Vers damit beginnt. Dieses Wort hat den Udätta auf der letzten Sylbe; aber in den eben angeführten 35 Versen wird dieser bald durch ^, bald ^, bald durch ^^ bezeichnet, je nach den Accenten der folgenden Worte.

a) Mit ^ : UU NH||IH (2, 607)^ Hier steht ^ auf^Aa; der Swarita ist erst auf der Sylbe svA mit ^T. bezeichnet, da vi ebenfalls einen Udätta hat, der aber nach 2) nicht bezeichnet wird.

b) Mit ^: iT^ ^ mr fi^sfrr ^n^fti vFrfiT (2,610. rv.

9, 3, 2). Hier ist der Udätta in eshä durch ^ ausgedrückt, weil nur eine Sylbe zwischen sJid und dem nächstfolgenden Udätta liegt, näm- lich de, die nothwendig den Anudätta haben muss ; derselbe Fall wieder- holt sich noch dreimal dem angeführten Verse.

c) Mit ^IT: IJ^ ^ Mlri^ (2, 627). Hier folgen sich zwei Udättas, von denen ein dritter nur durch eine tonlose Sylbe getrennt ist, die nach der Regel den Anudätta haben muss. Die beiden Udättas können

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demnach kein ^T. nach sich haben, wie es der Fall sein würde, wenn Raum zar Anbringung des ^T. vorhanden wäre, sondern sie müssen auf andere Weise bezeichnet werden. In solchen Fällen, wenn das Aus- klingen mehrerer Udättas im Swarita abgeschnitten ist, so wird der erste Udätta mit ^^ bezeichnet, der zweite nicht, d. h. der Udätta wird in einen Swarita verwandelt, zum Zeichen aber, dass er sowohl als der Accent der folgenden Sylbe Udätta sei, das ^ beigesetzt.

Der Udätta zu Anfang eines Stichos, dem ein Anudätta folgt, hat

immer ^ : ^ hI«!'^ (2, 642); ebenso am Ende des Verses; folgen am Ende mehrere Udättas aufeinander, so werden die letzten unbezeichnet

gelassen; so Nini uV* (1, 457); ^R^T'^'T^'P. Ina ersten Beispiel ist tä' Udätta und ebenso gök; im zweiten hämy hi und shäh Folgt indess am Ende nach mehreren Udättas nur noch eine nicht hochbetonte

Sylbe, so wird sie wieder mit ^^ bezeichnet; so iNlI^q«;! (2, 106);

^ q ^: (2, 107).

Wir haben nun bereits drei verschiedene Arten des Swarita im Sämaweda beobachtet, nämlich ^, ^^ und ^^. Hiezu kommt noch eine vierte und fünfte.

4) Bezeichnet nämlich ^^ den sogenannten jätya, dem kein Udätta vorhergeht, weil die Sylbe, die ihn tragen sollte, mit der Swaritasjrlbe verschmolzen ist, so wird der ihm vorhergehende Anudätta modificirt

und statt wie gewöhnlich mit ^ , mit ^^ bezeichnet. Dieses ^^ steht nur dann vor diesem Swarita ^T., wenn ihm kein Udätta vorhergeht. Der auf diese Weise besonders ausgezeichnete Anudätta muss unge- wöhnlich stark sein ; denn das k kann kaum etwas anders als das Wort Karshana bedeuten, wodurch beim Singen der Sämaverse das Forte aus- gedrückt wird; veranschaulicht wird es dadurch, dass der Sänger mit dem Daumen stark drückend über die innere Fläche der Finger der rechten Hand fährt. Es ist indess noch ein anderer Beweis dafür vor- handen, dass die einem solchen Swarita vorhergehende Sylbe ungewöhn- lich stark betont ist. In der Mäitrayani Samhitd nämlich erhält, wie wir oben gesehen haben, die einem solchen Swarita vorhergehende

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Anudattasylbe Pluti ^ , was auf eine starke Debnung des Vokals bei der Aussprache, und somit auf eine starke Betonung hinweist.

Beisp.: W^ (1,52); *<^«llH<Ki: (1,79); ^ ^^ ^ (1,95);

? 3^ ?T ?3^ ?T

fm ^ (1,263;) ?^ ^^ (2,419).

5) Eine weitere Modification des Swarita ist ^^T.. Diese komnnt sehr selten vor und findet sich nur im Anfange eines Verses oder Vers- theiles über dem sogenannten jätya, wenn ihm eine tonlose Sylbe folgt.

Beispiele: fill^ (1, 271); »TTO (2, 77); in der entsprechenden Rig>vedastelle 8. 17, 13 ist asmin tonlos, Samh. ^^m^ Päd. f^ I lalVltJ^I

^ertfsft f^MWPrt (2, 480); «H5*«'*if^M) f^;^ (2, 726; vergl. jRt;. 10, 189, 2: ^^t^BP^lff^ f?^).

Diese Bezeichnung des jätya durch ^^T, im Anfang eines Verses oder Versgliedes kann indess, wie wir gesehen haben, nur dann ein- treten, wenn eine tonlose Sylbe folgt. Folgt dagegen der Udatta, so wird der Swarita durch ^ bezeichnet, und die Sylbe mit Pluti versehen.

Beispiel: 9i|f^W^ (1, 142. vgl. Rv. 8, 64, 7. SaM. if^^ Päd.

i I ^: I ).

Neben den hier beschriebenen Accentzeichen findet die Pluti ^ sehr häufig Anwendung im Sämaweda. Da sie in enge Beziehung zu der Betonungsweise steht, so ist sie hier näher zu behandeln. Sie wird in allen Fällen gebraucht, in denen im Rigweda der Kampa ^ und ^ steht, d. h. wenn dem sogenannten selbstständigen Swarita unmittelbar ein Udatta folgt. Ob das Accentzeichen ^ über der Pluti zu setzen ist oder nicht, hängt ganz von einem vorhergehenden und folgenden Udatta ab; C| steht nur in einem ganz vereinzelten Fall. Zu bemerken ist, dass bei der Pluti 3 nur ein langer Vokal stehen kann; ein ursprünglich kurzer, wie er in der Samhitä des Rigweda bei ^ stets erscheint, muss im Sämaweda immer gedehnt werden. Im Einzelnen gestaltet sich die Anwendung der Pluti folgendermassen.

1) Die Plutisylbe hat den Accent ^, also den Swarita, wenn ein

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wie». XIII. Bd. IL Abth. 6

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Anudätta ^ vorhergehen kann. Beisp. : ^1!^ ^^ (1,64). Hier ist die Sylbe du nicht Udatta oder Swarita, und wird desswegen Anudätta wegen des folgenden jäiya. Ebenso wenn ein üdätta C| vorhergeht ; so

Wf Ät?^ (1, 295).

2) Geht der Plutisylbe ein noth wendiger Swarita ^ vorher und folgt ein Udatta, so hat dieselbe gar keine Accentbezeichnung, da der Swarita als fortwirkend angenommen wird. Beispiele:

Wit rTT?^ ^ ^# (1, 132); ^ «H?^ (2, 787); vergL 2, 288. 416.

3) Folgen der mit Pluti bezeichneten Swaritasylbe zwei Udättas^ so hat der unmittelbar folgende ^^; der zweite bleibt unbezeichnet.

Beisp.: WPETT^fTO (1, 511).

4) Mit ^ steht Pluti nur am Anfange eines Stichos, und zwar nur

bei dem Worte ^t?^ (1, 5Ö4. 2, 1224). Hier allein folgt dem ^ kein ^9 wie sonst immer geschieht«

5) Der der Plutisylbe folgende Udatta wird mit S und ^ je nach der Natur der folgenden Sylben bezeichnet. Wenn ^ dem ^ folgen kann, steht ^ bei dem der Pluti unmittelbar folgenden Udatta; ist diess nicht der Fall, so muss dieser Udatta mit ^ bezeichnet werden. Beisp»

y*niMI^^ ^TTOTOT 5? (2, 830),

6) Gehen der Plutisylbe zwei Udättas vorher, und folgen zwei nach, so hat unter den vorhergehenden nur der erste ^, aber ohne '^ (was sonst nicht fehlt); der erste der folgenden hat ^, und nach dem zweiten steht der Regel gemäss ^T.. Der Swarita der Plutisylbe bleibt dann ebenfalls unbezeichnet, wie in 2). Beisp.:

3 7 a 9T

I^^^T?^ ^\m (2, 1196).

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4) Bezeichnung des Accentes im 8'atapatlia Brähmana*

Die Accei^tbezeichnung des S'atapatha Brähmana weicht von der aller andern wedischen Schriften ab. Dieser bedeutende Unterschied ist auch von den brahmanischen Gelehrten betont worden* Der Accent dieses Brähmana wird der bJiäshika svara d. i. als die Betonung in der Volkssprache, dem äninäya Accent, d. i. dem überlieferten Samhitä- Accent gegenübergestellt. ^) In dieser Angabe liegt ein wichtiges Moment für die Entscheidung über die Frage nach dem Wesen des wedischen Accentes überhaupt; doch darüber später mehr.

Wir finden nämlich in dem besagten Brähmana nur ein einziges Accentzeichen angewandt, das gewöhnlich als eine wagrechte Linie unter der Sylbe erscheint, also mit dem Anudättastrich der Samhitä identisch ist, am Ende eines Abschnittes oder Absatzes aber in gewissen Fällen mit drei Punkten vertauscht wird. Dieser Anudättastrich steht meist unter der Udättasylbe; aber auch der Anudätta selbst, wie der Swarita können damit bezeichnet werden. So dient er in der That zum Ausdruck dreier Accente der Samhitä, wie ^ im Sämaweda zum Ausdruck zweier dient, oder mit andern Worten, er bezeichnet diejenige Sylbe, die bei der Recitation des Brähmana vor andern in der Aus- sprache markirt wurde. ^) Beschreiben wir den Gebrauch dieses Accent- striches näher.

1) Die Udättasylbe hat in der Regel den Anudättastrich, während in ganz gewöhnlichen Fällen weder die vorhergehende noch die nach- folgende Sylbe bezeichnet wird. Folgen sich mehrere Udättasylben unmittelbar, so hat in der Regel nur die letzte den Anudättastrich; die vorhergehenden sind dann gar nicht bezeichnet. Nur wenn eine grosse Anzahl von Udättasylben sich unmittelbar folgen, so steht in gewissen Zwischenräumen der Anudättastrich.

1) S. A. Weber, Indische Stadien, Bd. 10 pag. 423.

2) In der von A. Weber besorg^ten Ausgabe des S'atapatha Brähmana finden sich öfter in Abweichung von den MSS. statt eines Striches ^, und statt dreier Punkte deren sechs. Diess sind indess ganz unnöthige Neuerungen des Herausgebers, der das Accentsystem des Buches nach seinem eigenen Gutdünken zu verbessern sich die Freiheit nahm. Ein derartiges Verfahren kann ▼om philologischen Standpunkt aus gewiss nicht gebilligt werden.

6*

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Beisp. : a) von zwei sich folgenden Udättas. ^s^ MIM)^ (1, 4, 2, 3). Hier sind die Sylben jnam und prä Udätta, aber nur der letztere ist mit dem Accentstrich bezeichnet;

b) von drei sich folgenden Sylben. IJn ^ f%HT(l, 4, 2, 7): te, vai und vi sind Udätta;

c) von vier aufeinander folgenden Udättas. ^ ^ ^33^ Si,(lf (2, 1, 4, 14); sa, vai, bMr und bhu]

d) von fünf üd&ttas. ^rf^ f^ gj»! (1, 1, 2, 9); gnir, U, väi, dhür und a.

Wenn mehr als fünf Udättas sich unmittelbar folgen, so wird ge- wöhnlich der Accentstrich wenigstens einmal vor dem unter der letzten

Sylbe stehenden angewandt. Beisp.: l^iq^ FT f^ ^ ^^ 5? }^m^

(5, 5, 4, 35); M, sä, hi, na, strij na und pu sind Udättasylben ; der Accent- strich steht ausser unter der 7ten, auch unter der 4ten Sylbe.

Folgen sich zwei oder mehrere Anudättastriche unmittelbar, so steht der zweite in der Kegel nicht unter einer Udättasylbe, sondern hat einen andern Grund, wie wir gleich sehen werden. Ausnahmen, die indess nicht auf Kegeln zurückzuführen sind, scheinen, sofern diess

nicht Druckfehler sind, vorzukommen; so 3, 5, 1, 35 am Anfang WT

^* ; vgl. dagegen 3,5,1,33: ^ ^^^'5.*' ^^^ nicht am Anfang steht.

2) Die dem sogenannten selbstständigen Swarita vorhergehende Sylbe wird ebenfalls durch einen Anudättastrich bezeichnet, die Swarita- Sylbe selbst aber unbezeichnet gelassen, ausser wenn eine neue Swarita- Sylbe derart folgt. Der Anudättastrich steht hier in der Kegel an der- selben Stelle, wo wir in der Mäiträyani Samhitd einen Anudätta mit ^ haben, was deutlich eine starke Betonung der damit versehenen Sylbe anzeigt. Hiebei ist es natürlich gleichgültig, ob die dem Swarita vor- hergehende Sylbe eine ursprüngliche Udättasylbe ist, oder nicht.

Beispiele : a) vor dem jätya ^^qi^mi , <||^|

b) vor dem kshaipra ^R^ P^#1 ; Wl^ ^n

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c) vor defti ahUnihita 1[%V^**\ V^%Mi\W(

d) vor dem praslishta ^mW «ii^ .

Eine Ausnahme machen hier nur die Präpositionen a und pra, so- wie der Saikdhi eines auslautenden Udatta a im ersten Gliede eines Compositums mit einem anlautenden An udätta -Vokale des zweiten Com- Positionsgliedes ^). Hier wird in der Krasis der Accentstrich (für den Ud&tta) beibehalten, ohne dass er, wie in allen andern Fällen der Krasis durch einen Accentstrich unter der dem Krasis -Vokale vorhergehenden Sjrlbe angezeigt wird.

Beisp.: Ijft; TTT^; f^pftf?! -

Der Accentstrich wird auch in allen den Fällen der Krasis ange- wandt, in denen der zweite der verschmolzenen Vokale einer ursprüng- lichen Udättasylbe angehört.

Beisp.: Id^l^Gl^ evd ä'hutim; ^Wl^ für «ll^l ^^ (jyä ist

jätya Sjlbe; desswegen hat hier nach 2), wenn keine andern Umstände hindernd dazwischen treten, die vorhergehende Sylbe den Accentstrich).-) Folgt noch eine oder mehrere Swaritasylben derart, so wird nicht nur die der ersten vorhergehende Sylbe, sondern alle Swaritasylben bis auf die letzte mit Anudättastrichen bezeichnet.

Beispiele: rifHI^ S ^t S M W (2, 1, 1, 7).

^r?T %%^ s «i^fri (8, 4, 1, 12).

In dem ersten Beispiel ist ta die Udättasylbe ; smät^ an sich tonlos, die Sylbe, die dem abhinihita, te vorhergeht; sie muss desswegen eben- falls den Accentstrich empfangen; die Swaritasylbe te hat ihrerseits wieder den Accentstrich, weil ihr auch wieder eine Swaritasylbe folgt, ^dho; diese letztere hat dagegen keinen Strich, weil ihr keine Swarita- sylbe mehr folgt, sondern nur ein einfacher üdätta dha, der aber wegen der bereits vorangegangenen unmittelbar sich folgenden drei Accent- striche nicht mehr bezeichnet wird. Ebenso sind in dem zweiten

1) S. Kielhorn, die Bhdshikavfitti in Weber's Indischen Studien Bd. 10 pag. 393. 99.

2) Weitere Beispiele s. in Freface zn Weber's Ausgabe des S'atapatha Brähmana pag. XIII.

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Beispiel die sich folgenden Swaritasylben hye und vai mit dem Accent- strich versehen, während die dritte sJio unbezeichnet gelassen wird. Aehnliches haben wir oben bei der Mäiträyant Samhitä gesehen.

3) Am Ende eines grössern oder kleinern Abschnittes, sowie selbst mitten in einem Satze nach einem durch | angedeuteten Absatz stehen statt des Anudattastriches drei Punkte. Diess geschieht aber nur dann, wenn die erste Sjlbe des folgenden Abschnittes oder Absatzes einen Udätta oder selbstständigen Swarita haben sollte; der Udätta wird, wie gewöhnlich, durch einen Anudättastrich angezeigt, der Swarita nicht bezeichnet. Indess finden sich doch auch einzelne Ausnahmen, wie wir unten sehen werden.

Beisp.: a) Am Ende eines Brähmana - Abschnittes ^ >TFfI (1,9,2,

35), worauf der nächste Abschnitt mit ^fWn I5 beginnt. Hat aber die erste Sylbe des folgenden Wortes keinen Anudättastrich, so steht auf der letzten Sylbe des vorhergehenden Brähmana, wenn accentuirt, der gewöhnliche Anudättastrich; so in 2, 4, 1, 14: ^Mx||<I, worauf 2, 4, 2, 1 ir^rTRT folgt. Indess wird die letzte Udättasylbe am Ende eines Brähmana auch auf die gewöhnliche Weise bezeichnet, selbst wenn die erste des folgenden den Anudättastrich hat; so 3, 2, 1, 40:

b) Am Ende einer Kandikä; so 2,4,2,23.24: rf^lR^lllÄ'I:

2.4,2,3.4: ^i^l Trt Rfri II 9 II ^a%T . Die drei Punkte werden auch

angewandt, wenn die Udättasylbe, mit der die folgende Kandikä beginnt,

keinen Accentstrich hat; so 2, 5, 1,7. 8: ^RT^IISII ^ "^ . Der Grund,

warum die Udättasylbe sa keinen Accentstrich hat, liegt indess klar vor; die derselben unmittelbar folgende Sylbe ist nämlich ebenfalls udätta, und nach der Regel darf von zwei sich unmittelbar folgenden Udättasylben nur die zweite mit dem Accentstrich versehen werden. Die drei Punkte stehen auch unter einer tonlosen Sylbe, wenn nämlich die folgende Kandikä mit einem sogenannten selbstständigen Swarita

beginnt. Beispiele: 3.1,2,14.15. ^IIS8ll^S <iy&}M : 3,1,2,16.17. H^lffl IlSxfll «rt 5l«ll. In diesem Falle findet indess die Umwandlung

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des Accentstricbes in drei Punkte nicht immer Statt; so in 2, 4, 2, 5. 6.

«Mf^^ljQ^IISII n^. Hier sollten unter dhM eigentlich die drei Punkte stehen.

c) Am Ende eines Pratika. Beispiele: n 'ft^* ' ^ (1? 7', 4, 7) ; % t| ^ ^: I % ?l^ (1, 7, 4, 2).

Die drei Punkte können am Ende eines Abschnittes oder Absatzes auch dann für den Anudättastrich stehen , wenn noch eine unaccentuirte

Sylbe am Ende vor dem Anfang steht. So 1,7, 2, 2. 3. ^ftfWIRII ^8P(;

%mlRII ^'f (3,6,4, 9. 10). Ja sie finden sich selbst dann, wenn

sowohl am Ende noch eine accentuirte Sylbe folgt, als wenn im Anfang eine solche Sylbe der ersten Accentsylbe vorhergeht.

Beisp.: ;ir§IRII^H^ (3, 8, 5 und 9. 10); ^*jc|ljS|tKJc| | l^H^

(3, 4, 2, 13); vgl. dagegen ^Il8ll fl%%. Hier stehen die drei Punkte

statt des Accentstricbes unter vüy welche Sylbe Udätta ist, dagegen in dem andern Beispiel unter e. Wir sehen aus diesem, wie einigen an- dern Beispielen, dass der Accent nicht immer ganz fest war und nicht

immer auf einer und derselben Sylbe heftete ; vgl. ^^i*<n und ^^SJJ^TT . ^) Wie in der Samhita, so finden wir auch in dem Brähmana die Zeichen ^|| und ^ meist bei einem schliessenden Nasal vor einem an- fangenden Vokal angewandt; ^ auch ohne diesen Grund; zum Beispiel:

HIT? f|f7T (1,4,4, 13); vgl. dagegen ^^11 ^MMRH W^|fll(l,4,

2, 17); P^S"^ 11? S ^Wtj (2, 3, 4,40). Da sie aber keinen Ein- fluss auf den Accent haben, so können weitere Erörterungen über- gangen werden.

Aus dieser Darstellung des S'atapatha Brähmana Accentes dürfte zur Genüge hervorgehen, dass dieses Brähmana die drei Accente der wedischen Samhitäs, Udätta, Anudätta und Swarita, nicht aufzeigt, wie man bis jetzt in Europa geglaubt hat ,^) sondern nur deren zwei kennt,

1) S. Weber Preface zum JS.F.B. pag.XIII.

2) Auch Kielhorn spricht sich in seiner oben erwähnten Abhandlung gegen diese Annahme aus. Weber's Indische Studien Bd. 10 pag. 398. 402.

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Udätta und Anudätta, wie die Bhäshika vritti und die brabmanischen Gelehrten annehmen. Er ist sehr wichtig, weil er in aller Wahrschein- lichkeit den wirklichen und ächten Sprachaccent des Sanskrit zur Zeit, als es eine gesprochene Sprache war, darstellt. Er heis$t mit Recht bhäshika, d. i. der Volkssprache angehörig, im Gegensatze zu dem poetischen und rhythmischen Accent der Samhit&s. Die weitern Gon- sequenzen dieses Unterschiedes werden am Schlüsse dieser Abhandlung erörtert werden.

IL

Die jetzt übliche Recitation derWedas, insbesondere

des Rigweda.

Wie ich schon oben mitgetheilt habe, wurde ich während meines Aufenthalts in Indien in Stand gesetzt, den kunstgerechten Vortrag der Wedas seitens kundiger Brahmanen anzuhören. In dieser Beziehung war ich in Indien durch meinen Aufenthalt im Mahrattenlande in be- sonders günstiger Lage, da die Mahratta-Brahmanen in ganz Indien für die besten Bewahrer der wedischen Tradition gelten, und bei Brahmanen- versammlungen in Benäres gewöhnlich die erste Stelle einnehmen. Wenn die uralte Recitationsweise der Wedas sich irgendwo erhalten hat, so ist sie sicherlich bei den Mahrattabrahmanen zn suchen, ebenso gut als die richtige Aussprache des Sanskrit. Wenn A. C. Burnell in der gehalt- reichen Einleitung zu seiner Ausgabe des Vams ahrähmana (S. XXIX) unter anderem sagt, dass die wahre Aussprache der wedischen Accente Zugestandenermassen (admittedly) verloren sei, so habe ich unter den Mahrattabrahmanen nie etwas von einem solchen Zugeständniss gehört; sie sind im Gegentheil der Ansicht, dass der wedische Vortrag seitens der professionellen Recitirer des Weda, den sogenannten Bhaitas, genau derselbe sei, wie er seit unvordenklichen Zeiten bestanden. Als Beweis für seine Behauptung führt er den Umstand an, dass heutigen Tages ein Nambüri oder Malabar Brahmane die wedischen Texte auf eine Weise recitire, die einem Tamil Brahmanen unverständlich sei. Diess beweist aber nur, dass zwischen der Aussprache der Wedas seitens

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der Malabar, und der der Tamil Brahmanen ein Unterschied .bestehe ; welcher Art dieser Unterschied sei, sagt Burneil nicht, ebenso wenig, ob er nur auf den Sämaweda (wie ich vermuthe), oder auch auf den Rik- und Jadschurweda sich beziehe, ob er mehr accentueller als phonetischer Art oder umgekehrt sei. Die Verschiedenheit der Aus- sprache und Accentuation lässt sich leicht aus der Verschiedenheit der S'äkhä erklären, deren ja jeder Weda eine Reihe hatte. Die Tamil wie die Malabar Brahmanen gelten indess bei den Mahratta Brahmanen als eine geringere und schlechtere Sorte ihrer Kaste, die sich schon sehr früh von dem brahmanischen Grundstock losgelöst haben müssen. Wie dem auch sein mag, die jetzt übliche Recitation, wie ich sie zu be- obachten Gelegenheit hatte, stimmt in der That vollständig mit den in den Prätis&khyas enthaltenen Regeln ebensogut als mit der wirklichen Accentschreibung überein, woraus klar hervorgeht, dass die jetzt bei den Mahratta - Brahmanen übliche Recitation s weise wenigstens ebenso alt wie die Prätis äkhyas ist, die ja nur die Theorie derselben geben. Nur die zwei wirklich geschriebenen Accente, der Anudätta und der Swarita, werden mit einem starken Nachdruck der Stimme gesprochen; der Udätta , der nicht bezeichnet wird , ist ein einfaches Steigen der Stimme, ohne allen Nachdruck; desswegen behaupten die Prätis äkhyas mit Recht, dass die tonlose Sylbe (prachaya)^ welche dem Swarita folge, wie Udätta klinge, d. h. noch mit etwas erhobener Stimme, aber ohne allen Nachdruck gesprochen werde. Der Anudättastrich , auch wenn sich mehrere unmittelbar folgen, muss stets mit einem starken Tiefton gesprochen werden, der wie ein starker Anlauf, die Stimme in die Höhe zu treiben erscheint. Die volle Höhe erreicht die Stimme indess erst im Swarita, der wie der Anudätta mit besonderem Nachdrucke gesprochen wird; dann beginnt er sofort auf das Niveau des Udätta herabzusinken , und zugleich mit dem Sinken der Stimme lässt der Nachdruck nach, so dass dieser mit der grössten Tonhöhe in der Aus- sprache des Swarita identisch ist. Diese Aussprache desselben ist nur mit einer Stimmbeugung möglich. Wenn dem Udätta kein Swarita folgt, sondern ein Anudätta, um einen neuen Udätta einzuleiten, so ist das Steigen der Stimme im Udätta kaum zu merken und derselbe von der eigentlich tonlosen Sylbe fast nicht zu unterscheiden. Hiemit

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. VT. XUI. Bd. IL ^bth. 7

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stimmt auch die Beobachtung über die Bezeichnung des Udätta in dem S^atapatha-Brähmana überein. Hier muss er nur dann regelmässig durch den Anudättastrich bezeichnet werden, wenn eine tonlose Sylbe folgt; folgen sich aber mehrere Udättas unmittelbar, so wird in der Regel nur einer davon, der letzte, bezeichnet, die andern aber ganz unbe- zeichnet gelassen. Diess zeigt klar, dass alle dem letzten Udätta vor- hergehenden Udättas wie tonlose Sylben gesprochen wurden.

Die Aussprache der Accente ist somit in völliger Uebereinstimmung mit der Bezeichnung, wie sie sich in den Handschriften findet; sie ent- spricht auch aufs genaueste den in den PräUs äkhyas gegebenen Regeln.

Besondere Aufmerksamkeit wird der Aussprache einiger Arten des Swarita, nämlich den sogenannten selbstständigen zugewandt. Der jätya und praslishta ^evAen milde, der kshaipra dagegen schärfer, und der abhinihita am allerschärfsten d. h. mit der raschesten und höchsten Ton- steigung und dem grössten Nachdruck gesprochen. Z. B. der jätjfa

<|l«<|| wird also gesprochen wie gi* ^* t^ ; dagegen der kshaipra in

N j I I / ^ I [ I

also: J ^* -^ j und der abhinihita: ej. ^ T~ä ä . Auch

nvindra te ' vantu

eine Varietät des sogenannten enklitischen Swarita, der täthäbh&vya verdient hier besondere Erwähnung. Dieselbe ist nur möglich in zusammengesetz- ten Wörtern, die zwei und mehr Udättas haben; es ist dann derjenige Swarita, der zwischen zwei Udättas zu stehen kommt, z. B. in dem Worte

S. ri^HMlfl^, ^- d^iHMicJf^, das also gesprochen wird ; ^E^^^^^E ^

ähnlich werden ^tgtHlfl* und ^•itHlfl» gesprochen.

Grossen Fleiss verwenden die Brahmanen, die den Weda recitiren^ auf die richtige Aussprache des Kampa, in dem je nach der Kürze oder Länge des Vokals zwei oder drei Accente auf einer Sylbe zusammen- treffen. Sie müssen alle deutlich und unterscheidbar ausgesprochen

werden ; z. B. Is^^T^ff zzi^^jt^ ; ^: =j-J-Xj= . Die Athar-

kve ^ 8ubh- * vah

I

wawedis sprechen den Trikampa ^ wie einen Triller: =r^rr

yo - 'sfnan

Zur deutlichem Veranschaulichung der Aussprache der Accente will

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ich das erste Stück des Atharwaweda zuerst im Samhitä - und Pada- \ Text nach meinen Handschriften und dann den mit Präcision ans dem Munde von professionellen Recitirern dieses Weda gelernten Vortrag in Notenschrift hersetzen.

^r^wfkfer Ä^tt H^ ^pr ^vt5 ^ n ' n

jäy? =ll-^Wd |%? IRW will

wt^ ftrw^ ^^'^'^l^ »»fti ^ ii ? ii

^Mg^rtl ^Hwfdt^MIWIHNWfw ^Irtl II B ^^ 'lim ff Wr ^I^ 'ftt ttfijft II M II

p. 'sji ^:i ^:i TilfH^^i w4:i ^^i '^Va^l'^l ^:i ^ßll

^^ I ^: I1 1 1I 5t I f^^wt: I ^ft" ^fiTi r<4>Ml I (sMlfili I fMli:i » fra: I ■qfw: I -^ I ^'i H=#: i ^^ i WTg I % II ? II

ig;^:! ^1 ?ffl ^T^:i ^1 |%^l W^l «fl

■srot: I ^ I ft I Tng I irfit I ir^ I w^ I TPi I ■gii II 3 II

^i^i^fHi fti a^i^sffir'i^iP^T^'Tn^T^is^ii I '^T^: I irfiT': 1 ft I ^^ I Jifii I Tm\ mm »rftii ■gii n sJ n ^4»f!i: I ^T^: I v^':y tri wwt^i ^T^:i Tfä': i ^Idjl Ä I ^^ 1 n%wf| 1 Jn I ^^ I m I ijfvft II M II

1) In VerB 3 weicht der Sdw/iiW-Text von dem Pada in der Form einea Wortee ab : der «ntere liat rämaya. der letetere rama^a. In der Auifpibe von Roth nnd Whitney steht die letzte LesDng anch im SiiüAitA-Tosl.

5^

Die Recitation dieses Stückes, wie aller andern Wedaverse, kann nar durch Noten veranschaulicht werden. Das Nachfolgende ist ein Versuch, dieselbe in Notenschrift umzusetzen. Der Udätta hält die Mitte zwischen Anudätta und Swarita; der erstere ist einen Ton niederer, der andere einen Ton höher gesetzt. Die lange Sylbe ist durch J, die kurze durch J ausgedrückt; die Emphasis, mit der der Anudätta ge« sprochen wird, ist durch <?. , oder J. , der Schleifton des Swarita durch J.J, oder J. j. bezeichnet.

1. »'am no de- vir a- hhi - shta - ya a - po bha-van-tu pi- tu' ye saih yor

j_.::|-:gi_g_-g^

a - hhi sra - r?aii - tu nah

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2. ye tri-ahap" täh pa- ri-yan-ti vis' vd rü- pd ni bi bhra- tah

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va- 80sh pa- te ni - rä- ma^ ya may- yc- vds- tu wa - yi s'ru- tarn

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III.

Die Lehren der S iksliäs, Prätis äkhyas und Grammatiker

über den Accent.

1. Die Art der Qnellen, besonders der S'ikshäs.

Nachdem im ersten Abschnitt die zur Bezeichnung des Accentes in den wedischen Samhitas und dem S'atapatha Brahmana angewandten Systeme eingehend dargestellt worden sind und im zweiten die noch jetzt herrschende Recitationsweise kurz beschrieben und veranschaulicht worden ist, so erübrigt noch die Theorieen, die die Brahmanen selbst über den Accent gebildet haben, zu beleuchten. Das Material ist sehr ausgiebig, und, wie aus der Einleitung ersichtlich ist, von den euro- päischen Sanskritisten bis jetzt ausschliesslich den Versuchen das Wesen des wedischen Accents zu ergründen, zu Grunde gelegt worden, woraus einerseits die Uebereinstimmung derselben in ihren Ansichten, andrer- seits auch das Schiefe und Unhaltbare derselben leicht erklärlich ist; denn hier, wie überall in der Wissenschaft, hat das blosse Studium der Theorie ohne Kenntniss der mannigfachen Weisen der Anwendung der- selben, und in diesem speciellen Falle auf die gesprochene Sprache, etwas Bedenkliches. Ausserdem ist es oft kaum möglich, ohne Kenntniss der praktischen Seite die Theorie nur richtig zu verstehen. Diess sieht man deutlich aus allen bisherigen europäischen Arbeiten über den Accent, da allen Verfassern gewisse Punkte an sich unerklärlich geblieben sind. Die Darstellung der indischen Theorie des Accents, die ich hier gebe, soll nun vor allem den Nachweis liefern, dass sie genau der wirklichen Recitation und der schriftlichen Bezeichnung entspricht, ja dass dieselbe erst durch diese beiden recht verständlich wird.

Die Quellen für unsere Kenntniss der indischen Accenttheorie sind dreifach: die S'ikshäs, die Pr Aus äkhyas und die Grammatiker, insbe- sondere PAnini. Das chronologische Verhältniss dieser drei Quellen zu einander ist schwel^ festzustellen. Indischer Anschauung zufolge müssten die S^ikshds die älteste sein, 'da die S'ikshA als der erste der sechs

r>4

Wedängas oder der Hilfswissenschaften des Weda genannt wird. Das Wort, das eigentlich 'Lehre* bedeutet, kommt schon in der altem wedischsn Literatur vor. So lesen wir in der Täittirtf/a-Upanishad (1 , 2, 1 ) :

^sfrBJTSrPI» I d.i. wir wollen die S'ikshä^) erklären: Laut, Accent; Quantität, Anstrengung (der Organe zur Hervorbringung der Laute); Gesang, Lautverbindung; hiemit ist der ^fA^Äet- Abschnitt verkündet. Aus dieser Stelle sieht man deutlich, dass die S^ikshä oder Lehre von der richtigen Aussprache der Wedaworte schon in sehr früher Zeit einen Theil des wedischen Unterrichts ausmachte. Ja wir lernen sogar daraus die Materien kennen^ welche der Unterricht in der S'ikshä um- fasste. Leide;: fehlt in dem jetzigen Text der Upanischad die nähere Ausführung der einzelnen Rubriken. Die spätem Commentatoren , wie S'amkara Achärya und Säyana Achärya (Einleitung zu der Rigveda- Samhitä Vol. I pag. 34) verstehen unter der hier genannten S'ikshä den Wedänga dieses Namens, ein kleines Büchlein, das dem Pänini zuge- schrieben wird, und dess wegen die Pärtintyä S'ikshä heisst. Es beginnt mit den Worten: atha S>ikshäm pravakshyämi Päniniyaih mataik yathä und existirt in einer doppelten Recension, wovon die eine dem Rig-, die andere dem Jadschurweda zugehört. Aber die oben genannten Rubriken lassen sich nicht alle in diesem Büchlein nachweisen (wie namentlich die zwei letzten), wenn sie auch von S'amkara mit Rück- sichtnahme darauf erklärt werden und von Säyana geradezu im Ein^ zelnen darin wieder gefunden werden wollen.^) Ausserdem verbietet

1) So, mit langem t, wird das Wort hier geschrieben; später lautet es immer mit karsem i S'ikshä.

2) Die Deutung der oben erwähnten sechs Ausdrücke für die einzelnen Theile der S^ikshA ist zum Theil schwierig. Dass varna 'Laut* bedeutet, ist an sich klar; auch kann man mit Sdyana darunter die Angabe der Zahl der einzelnen Laute verstehen, wie sie sich in der Pani- niyä S'. findet; ebenso kann svara sich nur auf dreiAccente: Udätta, Anudätta undSwarita, und mdtrd auf die Quantität (Kürze, Länge oder Dehnung) beziehen, was alles in dieser STikshd er* wähnt ist Den Ausdruck haUi, eigentlich 'Stärke*, anlangend, ae bezieht er sich offenbar mnf die Anstrengung der Organe zur Hervorbringung der Laute, was sonst prayatna genannt wird ; S'aik'

kara erklärt ihn durch J44||%i|c|^«|I ; Säyana durch WP^IRlW' d. i, die Organe und

die Anstrengung derselben zur Hervorbringung der Laute. Auch diese Materie ist in der P.S', behandelt. Dagegen macht die richtige Erklärung der Ausdrücke sdma und santäfM wirklich

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uns der Umstand, dass es dem JPänini zugeschrieben wird, dasselbe in die Zeit der Upanischad hinaufzurücken.

Offenbar war die S^ikshä der TäUtirit/as ausfQhrlicher als die Fdni- niya S^ikshä, und dürfte vollständiger in den mehr ausführlichen Man-- düki und Närada 8>ikshäs erhalten sein. Da diese beiden bis jetzt den europäischen Sanskritisten kaum bekannt sind, so will ich bei dieser Gelegenheit einige kurze Notizen über sie beifügen. Die Mändüki S^ikshä, welche meines Wissens bis jetzt nur von R. Roth in seiner Abhand- lung über den wedischen Accent, nach einem Exemplar des East- India House etwas benätzt worden ist (für das grosse St. Petersburger Sanskrit-Wörterbuch scheint sie indess nicht verwerthet worden zu sein), wird als zum Atharwaweda gehörig betrachtet. ^) Das Werk zerfällt in

einige Schwierigkeit. S'ailikara erklart «dwk» durch «I^MI ♦iM^I^TMi^K^U ^HTOT

d. i. die Aussprache der Laute in der mittlem Art ist Gleichheit, was indess erst verständlich wird, wenn man weiss, dass drei Arten des Wedavortrages im Allgemeinen unterschieden werden, nämlich druta 'schnell*, madhya mittel* und vilambüa 'langsam* (Mändüki S'ikshd 1, 1. ; vgl. auch die Pdniniyd ßTikahd in der Y(7ju8-Recension Vers 22). Sdycma dagegen bezieht es auf die Gleichmässigkeit des Vortrages (äämyam); es solle dadurch die Vermeidung der Fehler allzn- grosser Schnelle oder Langsamkeit und der liebliche und deutliche Vortrag, wie er in der Pdni- niyd S^ikslM gefordert wird, ausgedrückt werden. Aber diese Deutung des Wortes sdma ist hier schwerlich richtig; denn warum sollte in der S'ikshd nur von der mittlem Art des Vortrages, und nicht von den beiden andern die Rede sein? Zudem bildet die Art des Vortrages keinen Haupttheil der S'ikshäs. Es scheint seine gewöhnliche Bedeutung 'Gesang* zu haben, da mit Ausnahme der kurzen Pdnimyd S'ikahä in der Mändüki und der Närada S'ikahd sehr ausführlich davon die Rede ist, während die Gautamt und Lomas'anyd ST. fast ganz dem Säma gewidmet ist. Das Wort santdna wird von Samkara und Sdyana durch samhitd erklärt und demnach auf die euphonischen Gesetze bezogen. Diese sind aber nicht Gegenstand der S^ikshäs, Auch Sdyami lindet, dass dieser Theil in der als Wedanga geltenden STikshd übergangen ist, und gibt als Grund den an, dass er in der Grammatik, die auch als ein Wedanga gilt, erörtert sei. Dagegen behan- deln die S'ikshds zum Theil den samyoga, die Verbindung mehrerer Consonanten zu einer Gruppe, was leicht als 'Ausdehnung der Sylbe gefasst werden kann. Diess geschieht namentlich in der Gdutami S^ikahd, wo Sylben bis zu sieben Lauten (darunter sechs Consonanten) erwähnt und drei Arten von Samyogas unterschieden werden. In der Pdniniyd S'ikshd werden nach Aufzählung der Buchstabenklassen fünf Theile, die zu behandeln sind, unterschieden, nämlich svara 'Accent*, käkt 'Zeit' (soviel als mäi/rd, nämlich Kürze, Länge, Dehnung), gthdna 'Organ* (Kehle, Gaumen u. s. w.) , prayatna 'die Anstrengung* (der Organe zur Hervorbringung der Laute) , was sonst ähhyantara prayatna heisst, und anupraddna 'die Aeusserung dee Lautee*, was sonst vdhya- prayatna genannt wird. Wenn nun auch prayatna mit haia in der Tdittmya Upanishad zu identifiziren ist, so kann weder sänui^ noch safUdna mit aimpr<kdäna irgendwie zusammengebracht werden.

1) Ich besitze davon zwei EIxemplare {No8. 69 und 166 meiner Sammlung), die sich zwar gegenseitig berichtigen, zu einer kritischen Ausgabe des Werkes aber doch kaum ausreichen dürften ; das eine ist eine moderne Abschrift aus dem Jahre 1864 ; das andere eine ältere , etwa

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16 Abschnitte, deren jeder eine AnzaU metrischer Verse (meist 8'lokas) enthält. Es behandelt alle oben angegebenen Materien der S'ikshä und zwar viel vollständiger als die Pänimyä S". Namentlich ist dem Accent eine sehr grosse Aufmerksamkeit gewidmet und derselbe darin voll- ständiger behandelt als in irgend einem PräUs dkhya. So haben wir im ersten Abschnitt eine ausführliche Auseinandersetzung der sieben Töne des Sämaweda (shadja, rishabha u. s. w.), eine Erklärung ihres Ursprungs aus den verschiedenen Organen, ihre Vergleichung mit ge- wissen Dingen (wie des ^shadja mit dem Lotosblatt), worauf im zweiten Abschnitt die Bezeichnung der Töne durch die Finger der Hand be- schrieben, und das Verhältniss der sieben Sämaaccente zu denen des Rigweda dargelegt wird, indem es nur vier gebe (der sogenannte pra- chita wird noch als vierter zu den drei bekannten hinzugerechnet) ; der Swarita wird mit dem zweiten Tone, dem rishabha, der prachita mit dem sechsten, dem dhaivata^ der Udätta mit dem siebenten, dem nühäda^

70 80 Jahre alte Handschrift ohne DAtam ; die erstere enthält seohszehn » die letztere f&nfzehn Bl&tter. Der erste Abschnitt beginnt also:

Der letzte Abschnitt schliesst mit folgenden Versen:

♦ig^ füft ftre?t f'i^ jf«^rM»fl*i

^ ff W^ ^HiIh *WH<:?I4 Wl^fd

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und der Anudätta mit dem ereten, dem shadja^ zusammengebracht. Nach dieser Darlegung wird im dritten und vierten Abschnitt die Action der Hände bei dem Recitiren der Wedas beschrieben; die vier folgen- den Abschnitte (von 5 8) handeln sehr ausführlich über die Accente des Rigweda, zählen alle Arten des Swarita auf, beschreiben den Kampa u. s. w.; auf den Inhalt desselben wird bald besonders Rücksicht ge- nommen werden. In den folgenden Abschnitten werden die vier Arten des Hiatus (vivritti)^)^ die Nasalirung (rahga)^ A\q fünf Arten der sva- rabhakti^), der saiiiyoga oder die Verbindung der Consonanten, die Ver* dopplung, die mäträs und die Zeitdauer u. s. w. erörtert und allgemeine Regeln über die gute und richtige Lesung gegeben.

Die Närada S'ikshä ist., wie es scljeint, nur in einer spätem Be- arbeitung oder Ueberarbeitung erhalten. Mein Manuscript (Nr. 79 meiner Sammlung) führt den Titel: vedAnäiti svaras ästram^) , d. i. die Accent-

1) Diese sind: a) pipiHM, wenn der erste und zweite Theil des Hiatus (Schluss- und Anfangssylbe) lang^ sind ; b) päkavati oder madhyd, wenn beide Theile kurz sind ; c) vatBänusrita, wenn der erste kurz, der zweite lang ist; d) vatsdnuadrinl ^ wenn das Umgekehrte der FaU ist. Alle diese Ausdrücke und Bedeutungen fehlen im St. Petersburger Sanskrit-Wörterbuch.

2) Diese fünf heissen: a) Icarini^ wenn r vor h steht; b) karvini oder karavini (nach der Jüngern Handschrift) bei l und h\ c) harini bei r und 8h\ d) häritä bei l und «': e) hainsapadd bei und 8\ Die beiden ersten Ausdrücke fehlen ebenfalls im St. Petersburger Sanskritwörter- buch; ob die drei letzten ebenfalls fehlen werden, bleibt zu sehen, wenn der Buchstabe 9 er- schienen sein wird.

3) Dasselbe Buch findet sich auch in der von Ä, C. Bumell gemachten und jetzt in der Bibliothek des India office befindlichen Sammlung von Sanskrithandschriften aus dem äussersten Süden Indiens. Er beschreibt es in seinem CatcUogue of a CdUection of Sanskrit Manuscripts. Fart I pag. 42. 43. Es ist nach den von ihm gegebeneu Auszügen zu urtheilen dasselbe Werk das ich besitze; doch finden sich einige Abweichungen. Mein Manuscript hat ebenfalls 2 Pra^ pdthakas, wovon das erste aus 8, das zweite aus 9 Khandas besteht. Die von Burneil angeführten sieben ersten Verse des ersten Khandu des ersten Prapäthaka stimmen vollständig mit meinem

Manuscript (nur liest dasselbe in V. 2 entschieden richtiger TTi^Rl ^ör '|||4|C|| bei B.,

und in V 7 ^ c|f-| | f<|| »^f| | |«i für B. slandny u. s. w.); auch die angeführten drei Verse

des zweiten KUanda stimmen mit einigen kleinen Abweichungen in der Lesart ebenfalls voll- ständig mit meinem Manuscript, ebenso der Anfang des letzten (Bten) Khanda des ersten l^a- pdthaka. Dagegen weicht der Anfang des zweiten Prapdthaka von dem bei Burnell gegebenen

ab; bei mir beginnt derselbe mit dem Verse: ^J|c||||^^ ^|^^|V|^<^ f5|KrJ H%W

.3? ^€t^TW JTSJW ^rrW: ^TR* ^>i^r^. ßumell lässt ihn mit ikdrdnte pade Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XHI Bd. II. Abth. 8

. i^

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lehre der Wedas. Dieser Name der S'ikshä kommt offenbar daher, weil das Werkchen vorzags weise den Accent und zwar den aller Wedas, die beim Opfer gebraucht wurden, behandelt. Es werden drei Arten von Accenten unterschieden, und zwar ärchika, gäthika und sämika; indess werden nur die erste und dritte Art, der Accent des Rig- und der des Sämaweda ausführlich behandelt, während über die zweite sich nichts findet, wenn man nicht die musikalischen Angaben über Tonleiter (grdma)y Halbtöne (mürchhanä)^ Melodie (rAga) u. s. w. hieher ziehen will. Der erste khanda scheint nur eine allgemeine Einleitung zu sein. Die Närada S'ikshä beginnt eigentlich erst mit dem 2ten Khanda ^ wo Närada mehrmal als Autorität für den Inhalt angeführt wird. Derselbe bezieht sich indess hauptsächlich auf den musikalischen Vortrag. Es werden nun als die einzelnen hier in Betracht kommenden Materien des svaramandala j d. i. des Reiches der Töne, folgende charakterisirt : die sieben Töne (svara)^ die drei Tonleitern {gräma)^ die 21 Halb- töne {mürchhanä)j die neun und vierzig Tonstimmungen (täna). Die Grundlage sind die sieben Töne, die etwas ausführlicher behandelt sind.

beginnen, was bei mir der Anfang des zweiten Khanda ist. Die von B. erwähnten acht Schlass- verse scheinen sich bei mir nicht zu finden ; wenigstens steht der erste allein von ihm angeführte in meinem MS nicht. Da derselbe, indess sehr interessant ist und seine volle Bedeutung von Burneil nicht erkannt worden zu sein scheint, so will ich ihn kurz erörtern. Er bezieht sich deutlich auf den sogenannten Mantrajägara (welches Wort im St. Petersburger WB. augelassen ist, es findet sich in Moksworth's Maräthi Dictionary 2. edition^ ist aber dort nicht f^anz richtig erklärt), worunter die Brahmanen eine in einem Privathaus veranstaltete, auch die Nacht durch dauernde Recitation aller vier Wedas und zwar jedes einzelnen in den verschiedenen Lesungen, Saihhitä, Fada, Krama bis zu der complicirtesten, dem Ghana^ verstehen. Dass von diesen ver- schiedenen Lesungen nur Proben gegeben werden, versteht sich von selbst. Nach dem bei B. citirten Vers muss der Rigweda bei der Recitation in der tr^aita-Weise den Schluss machen, bei der Ja(a-Le8ung schliesst der Jadschus, bei dem Fada der Säma, und bei der Satnhitä der Atharwa. Mein MS. schliesst mit folgenden Tersen :

^?^ «n# ^m tSJ^ ^ iH^^cji

Der erste Vers findet sich auch in der Pdniniyä S'ikshd 5.^. in der Rik-Recension, wo in- dess für prayojayei, prachodayet steht.

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Sie sind: shadja (oder shadga\ rishabha, gändhära^ madkyama^ panchama, dhdivata und nishäda. Durch die besondere Combination der rägas (Melodien) nach den 7 Tönen entstehen die grämarägas ^), d. i. die Melodieen nach den drei Tonleitern (wie Cdur, Fdur u- 8. w.), wovon die erste Scala (shadja) 21, die zweite (madhyama) 14 und die dritte (gändhära) 10 enthalt (im Ganzen 45). Nun werden die mürchhanäs oder Halbtöne ^), die von einem Ton zu dem andern überleiten, aufge- zählt; von diesen werden drei Arten, die der Götter, der Väter und derRischis unterschieden, deren jede sieben zählt (im Ganzen also 21)^ Hierauf sind im dritten Khanda die 10 Arten des Gesanges (gäna) auf- gezählt und näher beschrieben (rakta, pürna, alaüücrita u. s. w.), und die 14 P'ehler beim Gesang angegeben. Nun wird gesagt, wem die 7 Töne gleichen (wie oben in der Mändüki S'ikshä)^ dann werden sie unter die vier Kasten vertheilt und das Verhältniss der Töne der vtnä zu denen der Stimme der Säimasänger angegeben, sowie die Thierlaute, welchen dieselben entsprechen (der Pfau schreit im shadja^ der Kokila im panchama) ; auch wird der Ursprung derselben aus den verschiedenen Organen beschrieben, alles diess^ wie in der Mändüki S'ikshäj zum Theil

1 ) Dieses Wort ist im St. Petersburger Sanskrit-Wörterbuch ausgelassen. Auch fehlt unter shadja die Angabe, dass diess auch der Name einer der drei Scalaa (grdma) ist; ebenso unter gändhära; dagegen ist diess unter madhyama bemerkt, wie auch 8. i*. gräma die drei Namen der Scalas nach einem Citat im S'ahdakalpadruma gegeben sind.

2) Das Wort ist im St. Petersburger Sanskrit- Wörterbuch nicht richtig erklärt (Bd. 5 pag. 8. 58. 64.) Es bedeutet nicht 'das Schwellen , Aufsteigen der Töne' sondern die halben Töne, die von C zu D, von I> zu ^ u. s. w. hinleiten. Da schon Wilson in der zweiten Ausgabe seines Sanscrit Dictionary und Molesworth in der zweiten ausgezeichneten Ausgabe seines Maräthi Dictionary das Wort richtig erklärt haben , so ist es auffallend , dass Böhtlingk und Roth keine Rücksicht darauf nahmen, denn die Erklärung technischer Ausdr&cke muss man sich von Indien holen ; blosses Rathen hilft hier wenig oder nichts. Auch die Namen der 21 mürchhanäs scheinen den Verfassern des grossen Wörterbuchs unbekannt zu sein , da ich von allen denen, die ich nachgeschlagen, keinen einzigen gefunden habe. Ich will sie de<«wegen nach der ^ärada S'ikshä hier aufzählen a) die 7 mürchhanäs der Götter: nandi, vis'älä, sumukhi, chiträ, chiträvati, sukhä, väläyä; b) diei 7 m. der Väter: äthäyim, vis^vahhritä, Chandra, hemäy kapardini, mäitri und värhati; c) die 7 m, der Rischis: im jsha^a-Tone die uttaramar^drä, im rishabha die abhirudgdtä, im gändhära die as'vakräntä, im madhyama die sauvirä, im panchama die drishyakä, im dhaivata die uttaräyatä, im nishäda die rajad-rajati Die Gatidharvas leben von den mürch- hanäs der Götter, die Yakshas von denen der Väter (pitarah), und nur die der 7 Rischis sind in der Welt bekannt (lokikäh), d. h. diese sind jetzt allein gebräuchlich; die beiden andern zwei Arten sind ungebräuchlich.

8*

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mit denselben Worten. Nachdem noch die einzelnen Fingerbewegungen und die Action der Hände zur Bezeichnung der Töne, was die gätra- vtnä d. i. die Laute der Glieder heisst, näher beschrieben sind ^), werden zum Schlüsse noch fünf Arten des Tones aufgezählt: udätta, anudätta^ svarita, prachita und niväta. Nun wird (im 8ten Khanda) der Accent des Rigweda behandelt, worauf ich später ausführlicher zurückkommen werde. Es werden hier zuerst zwar die drei Accente genannt, aber nachher wieder die sieben Töne (svara) unterschieden, die indess diess- mal als die sieben Arten des Svarita, nämlich jätya, kshaipra u. s. w. zum Vorschein kommen. Diese Erörterung wird im zweiten Prapäthaka fortgesetzt und die einzelnen Svaritas näher beschrieben und durch Beispiele erörtert. Im 2ten Khanda desselben werden die verschiedenen Arten des Kampa behandelt. Nun folgen noch verschiedene Vorschriften über die Aussprache der Accente, über die verschiedenen Arten des Hiatus, und die verschiedenen Wortklassen nach den Accenten, deren acht aufgezählt und durch Beispiele erläutert werden, nämlich: o,) anty-

odätta : ^* M t ; b) äddtta = ädyuddtta: ^t** ; c) udätta: T?; d) anu-

dätta: ^* (enklitisch); e) nichasvarita : ^T*I ; f) niadhy odätta: ^(<a|m ;

g) svarita: ^J ; h) dvirudätta: 'SmWRT (2, 7, 4 6). Nun werden die Sylben besprochen, die dem Svarita folgen, der prackaya, in dem die Stimme zum upodätta sich senkt. Schliesslich wird auf die Haupt- punkte beim Aussprechen der Laute, wie Mundstellung, Hervorbringung derselben u. s. w. hingewiesen, und werden auch einige äusserliche Vor- schriften gegeben, wann der Brahmane, wenn er den Weda recitire, zu den verschiedenen Jahreszeiten aufstehen müsse (z. B. zur Zeit der Herbst Tag- und Nachtgleiche um Tagesanbruch, im Frühling um Mitter-

1) Die sieben Töne werden hier in doppelter Weise , jedesmal mit etwas verschiedenen Namen aufgezählt. In Betreff ihres Ursprungs aus den verschiedenen Körperth eilen Kopf, Stirne u. 9. w. werden sie in folgender Ordnung genannt: krtishta (Kopf), prathama (Stirn), dvitiya (Augbrauen), tfitiya (Ohren), chaturtha (Kehle), mandra (Brust;, atisvära ntcha (Hers). Der

letztere ist deutlich der in der Samhitd des Sämaweda mit 3^ bezeichnete Accent, wel- cher ein starker Anudatta ist. Nach den Bezeichnungen durch Fingerschläge erscheinen folgende Namen: krushta (Ende des Daumens, ahgushtha), iwathama (Daumen, nämlich die Mitte), gdndhära und rishahha (beide am Zeigefinger pradesM), shadja (Ringfinger andmikd), dhaivata (kleiner Finger kanishtha)^ nishdda (am untern Theile des kleinen Fingers bezeichnet).

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nacht), von welchen Fruchten und Blättern er kauen, wie er die Zähne reinigen, solle, wobei alle dornigen Pflanzen punya sind d. h. religiöses Verdienst mit sich bringen; das Stocken des Athems soll ver* mieden werden u. s. w.

Als Anhang zur Närada 8'ikshä finden sich in meiner Handschrift noch zwei kleinere S'ikshäs mit besonderen Namen, nämlich die Oautamt S'ikshä und die homasanyä^ welch letztere dem Oarga zugeschrieben wird. ^) Da beide sich auf den Samaweda beziehen, und die erstere gar nicht, die letztere nur ganz wenig mit dem Accent sich beschäftigt, so muss ich mir versagen, hier näher ihren Inhalt zu besprechen, und will jetitt zu den Prälisäkhyas übergehen.

Diese schliessen sich an die S'ikshäs an, haben zum Theil einen gemeinschaftlichen Inhalt, sind aber keineswegs mit ihnen identisch,, wie manche glauben mögen. Die S^ikshä wird stets als ein Wedanga betrachtet, während die Prätisäkhyas in der Aufzählung der sechs Wedängas nicht vorkommen. Der Unterschied zwischen beiden ist schon durch den Namen ausgedrückt. S'ikshä heisst Lehre, Unterricht,

1) Die Gäutami besteht aus zwei PrapdthakaSf deren jedes acht Khanda umfasst (in meiner Handschrift von 14 a— 17b). Sie ist in Prosa; das erste Prapathaka beginnt also:

^ AM^im^^AxU vraifm ««iW^tW Klirrt 71^

Sie behandelt vorzugsweise den samyoga oder die Verbindung mehrerer Consonanton. Es werden drei Arten unterschieden, deren jede pintla heisst, und zwar ayaspinda^ ddrupinda und ürndpinda. Da alle diese Wörter im St. Petersburger Wörterbuch fehlen , so will ich sie kurz nach den Angaben der S'ikshä erklären ; ayaspinda ist die Verbindung bei den yamaa, also kkn^ ghghn ; ddrupinda heisst diejenige Consonantenverbindung, wovon der zweite ein antahsthah d. h. ein liquider Laut (y, r, U o) ist, z. B. ky, kr, kv; ümäpinda heissen die übrigen Consonantenver- bindungen, deren zweiter Laut kein yama und kein antahsthah ist, z. B. km, kt. Es werden nun verschiedene Beispiele der Consonantenverbindungen, die von drei bis sieben Lauten (einschliess- lich des Vokals) gehen, aufgezählt. Der letzte (Btej khanda des 2ten Ftapdthaka schliesst mit den Worten :

Hier ist die Quelle der Gdutamt angegeben; diese ist demnach ein Samyoga-a'rihkhald ge- nanntes zum Samaweda gehöriges Buch, das nicht näher bekannt ist.

Der zweite Anhang zur Ndraäa S'ikshd, die Lomas'anyä, ist ebenfalls klein und erstreckt sich von Fol. 17 b 21b in meiner Handschrift. Sie besteht aus S KhandaSt wovon jedes in eine Anzahl Verse zerfallt. Sie beginnt also:

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nämlich in der richtigen Aussprache; der Inhalt ist mehr allgemeiner Art und beschränkt sich, wie wir bei der Mändüki- und der Ndrada S'ikshä gesehen haben, nicht immer auf einen Weda allein, sondern berücksichtigt verschiedene Recitationsweisen. Die Prätis^äkhyas dagegen beschränken sich streng auf einen bestimmten Weda und sogar noch weiter auf eine bestimmte Art der Ueberlieferung des wedischen Textes, die 8>äkhä genannt wird. Bis jidtzt sind vier Prätis äkhyas bekannt, nämlich eines zum Rigweda, das dem l^aunaka zugeschrieben wird und von Max Müller vollständig herausgegeben und übersetzt worden ist^), eines zu der Väjasaneyi- Samhitd oder dem weissen Jadschurweda , das dem Käiyäyana zugeschrieben wird und von A. Weber im Originaltext mit deutscher Uebersetzung veröffentlicht wurde (Indische Studien IV 65 160; 177 331), eines zu der Täittirtya Samhitä oder dem schwarzen Jadschurweda^ und eines zu der Atharva Samhitä, welche beide von W.

<^*<vi><ii n^rag^rftr ^mi1-^i% f^fwr i wrßTOMM^ TSR HNi^^-^H ^«nnii f^ ^"^ rnn iwrfMW 5 ^w^ii: i

Es folgen Vorschriften über den Kampa oder die Brechung des Tones in einer und der- selben Sylbe, den ranga oder die Nasalirnng und ihre Dauer, die sogenannten svarabhdktis und das Singen der damit verbundenen Sylben, und einiges wenige über die Accente und die Ton- sprache der Finger. Den Schluss bilden folgende Verse:

^TOT ^rm^ ^k^ r^^Hl M^ri^Vjii

1) In der Einleitung zu der Ausgabe des ersten Matfdala des Rigweda, die 1S56 bei Brock- aus in Leipzig erschienen ist.

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D. Whitney aufs trefflichste herausgegeben und übersetzt wurden (s. oben pag. 11 Note 1); das letztere wird ebenfalls dem Sfaundka zuge- schrieben, während ein Verfasser des erstem nicht genannt wird. Ich zweifle nicht, dass noch weitere Prälisäkhyas aufgefunden werden; so vermisse ich bis jetzt das zu der Mäüräyanl - Samhitä ^ die so vieles Eigenthümliche hat, und gewiss ein besonderes Präiis äkhya besitzt. Zu dem Sämaveda ist noch kein eigentliches Prätis dJchya entdeckt worden, obschon^ wie wir gesehen haben, dieser Weda in den S'ikshäs vielfach berücksichtigt ist, und demselben mehrere Werkchen, die diesen Namen tragen, gewidmet sind.

Was nun den Inhalt der S^ikshäs und Prätis äkhyas betrifft, so ist er nicht identisch, wenn sie auch vieles gemeinsam haben, da der Zweck für welche beide Arten von Werken verfasst sind, ein verschiedener ist. Die S'ikshäs lehren nur die Aussprache und Recitation der wedischen Texte im Allgemeinen, und beziehen sich auf keine bestimmte Form derselben ; die Prätis' äkhyas dagegen setzen immer einen Pada - Text voraus und lehren, wie aus demselben eine Samhitä zu construiren ist. Die vielen kleinen Abweichungen des Samhitä-TexteQ von dem des Pada sind desswegen sorgfaltig angemerkt; auch ist auf die Construction der frama- Lesung, die eine Mischung von Samhitä und Pada ist, Rücksicht genommen (s. namentlich Rik Pr. 613, Väj, Pr. 4, 179 194. Ath. Pr. 4, 101 126). In dßn S^ikshäs dagegen sind alle Differenzen des Saihhitä-Tenie^ von dem des Pada ausgelassen; ebenso fehlen alle An- deutungen über den Krama. Das chronologische Verhältniss der S^ikshäs zu den Prätis äkhyas anlangend, so halte ich die ersteren für entschieden älter, als die letztere. Die ersterd waren vorhanden, ehe sich das Be- dürfniss nach den letztern regte. Die Prätis äkhyas setzen bereits ein- gehende grammatische Studien voraus, während für die S'ikshäs ein geringeres Mass derselben verlangt wird. Zudem können die Präti- s' äkhyas nur zu einer Zeit entstanden sein, als man anfing, den Weda- text in die verschiedensten Formen zu bringen, um ihn desto unver- fälschter überliefern zu können. Diess war ohne Zweifel ein langer Process, Mer solche Elementarkenntnisse in der Phonetik voraussetzt, wie wir sie in den Siikshäs finden. Die Prätis äkhyas ^ die nach einem umfassenderen Plane, als die S'ikshäs angelegt waren, nahmen nicht nur

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die Lehren dieser in sich auf, sondern führten sie auch weiter. Manche Dinge sind dagegen in den Sikshäs ausführlicher behandelt, als in den Pröiis akhyds^ wie man leicht aus der Mändüki und Närada S'. er- sehen kann.

Was den Charakter der S'ikshäs betrifft, so sind die einzelnen in ihrem gegenseitigen Verhältniss zu einander viel unselbstständiger als die Prätisdkhyas. Die Päniniyä^ Mändüki und Närada 8'. haben vieles gemeinsam. So findet sich sowohl in der Päniniyä S'ikshäy als in der Mänduki und Närada genau dasselbe Gleichniss über die richtige Aus- sprache des nasalirten Vokals, der nämlich gerade so auszusprechen sei, wie eine Frau aus Suräshtra das Wort ^^f ausspreche , nämlich so, dass wie die Mändüki ausdrücklich bemerkt, der Anunäsika ^ nicht

wie bei ??, also nicht als Guttural ausgesprochen werden dürfte^). Auch in der Beschreibung der Accente, namentlich der verschiedenen Arten

des Swarita, stimmen die Mändüki- und Närada S\ oft fast wörtlich

überein. Auf anderes einzugehen würde mich hier zu weit führen. Gerade bei dem so nahe verwandten Inhalt aller S^ikshäs darf man wohl eine gemeinsame Quelle vermuthen, welche verschiedentlich über- liefert und interpolirt ist. Und gerade diese gemeinsame Quelle dürfte der S^ikshä genannte Wedänga sein, der jedenfalls älter als die Präti- s'äkhyas ist.

Während das Verhältniss der S^ikshäs zu den Prätis äkhyas bis jetzt fast ganz ausser Acht gelassen wurde, so hat man eine desto grössere Aufmerksamkeit demjenigen der Prätis äkhyas zu Pänini gewidmet. Die jetzt am meisten verbreitete Meinung ist die, dass Pänini jünger sei, als diese ausserordentlich detaillirten Lehrbücher wedischer Phonetik.

1) Mand S". 11,20 (oder 10,9 in dem altern M8.):

In der Närada S', (2,4,9.) lautet der zweite Halbvers abweichend so:

In der Rikrecension der Fan. S'ikshd lautet das Wort, um dessen Aussprache es sich handelt, nicht l^ff^t sondern f{sk ) ^^i* erste Theil des zweiten Halbverses zeigt davon Ver- schiedenheiten, s. Weber, Indische Studien 4. Bd. pag. 2G9. Das in beiden Recensionen ange- führte Beispiel: ^ ^Rj ?^ ^^4|| ist indess dem Rigweda entnommen (8,66,8.).

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Sie stützt sich weniger auf eingehende Untersuchungen als vornemlich auf eine Stelle von Yäska'a Nirukta (1,17.). Diese lautet: XRt ^Hel^^:

d. i. die Samhüä ist die grösste Annäherung (der einzelnen Laute) ; die Saihhitä hat die padas (die einzelnen Worte) zur Grundlage; die Pär- shadas aller wedischen Schulen haben die einzelnen Worte zur Grund- lage^). Alle» hängt hier von der Fassung des Wortes Fdrshaddni ab. Durga^ der Commentator Ydskä^s, erklärt es durch Prätis äkhya. Obschon die Pr&tis äkJiyas auch den Namen Pärshada führen, so möchte ich doch stark bezweifeln, ob Y&ska wirklich die jetzt erhaltenen Pr&tis äkhya- werke gemeint hat. Pärshada heisst einfach das was einer parishad oder einem behufs des Wedastudiums gebildeten kleinern Brahmanen verein angehört. Nun braucht man nicht darunter Werke zu verstehen, welche ihrem Inhalte nach identisch mit den sogenannten Prätis äkhyas sind, sondern vielmehr alles das. was sich auf die Ueberlieferung der wedischen Texte durch jene Brahmanenvereine und die Art, wie diese bewerkstelligt wurde, bezieht. Dieselben überlieferten nun die wedischen Texte nicht bloss in der Samhüä- und Pae2a-Form, sondern auch in der sogenannten

Krama- und Jatä-Vorm und noch in einer Reihe weiterer Modifikationen

*

derselben. Da nun in der betreffenden Stelle des Yäska von der Saih- hitä' und Pae^a -Lesung die Rede ist, ergiebt sich ganz von selbst unter Pärshadäni die andern und complicirteren Lesungen zu verstehen, da diese schliesslich alle auf dem Worttext beruhen. Würde sich die Stelle auf die sogenannten Prätis' äkhyas beziehen, so würde sie nicht recht zu dem Vorhergehenden stimmen ; denn diese lehren nicht bloss die Abweichungen des Samhitä-Textes von dem Worttexte, sondern noch vieles andere Ober Phonetik, was in keiner nähern Beziehung dazu steht. Yäska will einfach die grosse Wichtigkeit der Wortabtheilung der wedischen Texte betonen; diess thut er am besten dadurch, dass

1) Die UebersetzuDg , welche Roth in seiner Sohrift *Zar Literatur und Geaohichte des Weda' (pag. 56) giebt, und welche bis jetzt als massgebend angenommen worden su sein scheint, ist nicht ganz richtig; der letzte Satz kann nicht heissen: 'dieser Meinung sind auch die (gram- matischen) Lehrbücher sämmtlicher wedischen Schulen , sondern er kann nur den oben angege- benen Sinn haben, auch wenn die Deutung des Wortes Pärshada durch PrMis'dkhya richtig ist Abh. d. L Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIIL Bd. H. Abth. 9

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er sagt, allen Arten von Textüberlieferang aller wedischen Schulen liege der Worttext zu Grunde; auf Lehrbücher kann sie sich nicht beziehen.

Wenn nun kein triftiger Grund vorhanden ist, die Stelle Yäska^s auf die Prätis' dkhyas zu beziehen, so muss man sich nach andern Gründen umsehen, um Pdnini, der jedenfalls jünger als der Verfasser des Nirukta ist, später als diese Bücher setzen zu können. Roth, Max Müller, Weber und Whitney huldigen, hauptsächlich gestützt auf die besagte Stelle, alle der Ansicht, dass die Prätisäkhyas jünger als Pdnini sind. Nur Goldstücker macht in seiner Schrift: Pdnini: Eis place in Sanscrit Li- terature (pag. 183 213) dieser Ansicht entschieden Opposition, und hat sie in mehreren Punkten auf eine wirklich meisterhafte Weise widerlegt. Zwar versuchte A. Weber im 5ten Bande seiner indischen Studien (pag. 96 135) die Ansicht Goldstücker's zu widerlegen und die von Roth inaugurirte wieder herzustellen; allein die meisten seiner Gegen- gründe lassen sich unschwer entkräften.

Obschon ich die Gründe pro und contra näher geprüft habe, so würde es mich in dieser Abhandlung zu weit von meinem eigentlichen Ziele abführen, wollte ich hier auf eine förmliche Kritik der Weber'schen Ausstellungen eingehen, was am besten in einer besondern Abhandlung geschieht. Ich will mich desswegen hier nur auf einige allgemeinere Bemerkungen beschränken.

So verschieden auch die vier noch vorhandenen Prdtis äkhyas im Einzelnen von einander sein mögen, so behandeln sie doch Alles, was in die wedische Lautlehre gehört, wie die Verwandelung von ^ in ^, von «T in T!f, die Dehnung an sich kurzer Vokale in der Samhitd, den Visarga und Anderes mit viel grösserer Ausführlichkeit und Genauigkeit als Pänini. Da dieser vielfach auf den wedischen Dialekt auch in diesen Punkten Rücksicht nimmt und einzelne Abweichungen anführt, so müsste es wirklich sehr auffallen, wenn er, der fleissige Sammler von Aus- nahmen, das ausserordentlich reiche Material der Prdtisdkhyas so wenig ausgebeutet haben sollte. So erwähnt er nicht einmal die verschiedenen Arten des Swarita, in deren Aussprache sich kleine Differenzen finden, obschon sie in allen Prdtisdkhyas aufgeführt und behandelt sind. Man könnte einwenden^ dass er derartige Bemerkungen für überflüssig ge- halten und gar keinen Werth darauf gelegt hätte. Aber, wenn Pänini

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sich um diese kleinen Unterschiede nicht kümmerte, warum , kann man fragen, erwähnt er Ausnahmen in der Accentuation , die ebenso unbe- deutend sind, wie z. B. bei dem sogenannten nyühkha (1, 2, 34.), dem vashatkära (1, 2, 35.) und der Suhrahmany äiovmel (1, 2, 37. 38.)? Man musste den grossen Grammatiker einer groben Nachlässigkeit beschul- digen, wenn die Prätis' äkhyas ihm vorgelegen hätten« Auch findet sich schlechterdings nichts in Pänini, was uns berechtigen könnte, ihm eine wirkliche Kenntniss jener phonetischen Werke zuzuschreiben.

Nun entsteht aber die Frage, ob die Pr&tis dkhyas nicht etwa den Grammatiker kennen, also ihn voraussetzen? Bei den Rik und Täittinya Präiis äkhya^s findet sich nichts^ was uns zu dieser Annahme berechtigen könnte; dagegen setzen das Atharvaveda und namentlich das dem Kä-^ tyäyana zugeschriebene Prätis'äkhya zur Väjasäneyi'Samhitä offenbar eine nähere Beziehung zu ihm voraus. Vergleicht man das letztere mit den andern Werken dieser Art, so macht es sofort den Eindruck, nicht etwa das Werk einer Schule, sondern eines einzigen Verfassers und zwar das eines wirklichen Grammatikers zu sein; denn es beschränkt sich nicht immer auf die Samhitäy zu der es gehört, sondern zieht auch andere grammatische Punkte herein, die in der Samhitä nicht vorkommen. Da offenbar manche Regeln wie Verbesserungen und Zusätze zu Pänini aus- sehen, so liegt die Vermuthung nahe, der Verfasser des Prätis'äkhya sei der als rücksichtsloser Kritiker Pänini's bekannte Kätyäyana, der dem grossen Grammatiker in seinen Värttikas ungefähr 1 0,000 Irrthümer und Auslassungen nachzuweisen suchte.

Und in der That hat auch Goldstücker bereits den Versuch ge- macht, die Identität beider festzustellen, in dem er einige kleinere Fehl- griffe und Irrthümer abgerechnet, im Ganzen glücklich war. Will man nicht annehmen, dass der Verfasser des Pr&lis&khya den Pänini vor Augen gehabt hat, so muss man den umgekehrten Fall setzen, dass Pänini das Prätisäkhya gekannt hat. Aber dann wären die Auslassungen von verschiedenen Eigenthümlichkeiten in der wedischen Phonetik seitens des Grammatikers vollends ganz unbegreiflich. Ich erwähne hier bei- spielsweise den Ausfall des r in dur in der Composition, wobei ein fol- gendes ^ in 5 (in ^l^it , ^JS^* für durdäsah, durdahhah\ ein Vin ^ (in ^^T* für durdhyah\ und ein 5T in IJ (in ^u^iJ für durnäsäh) ver-

€8

wandelt wird, was Kätyäyana (3, 4L 42.) bemerkt, und auch im Rik (371 bei M. Müller) und Ätharva-Prätisäkhya (II, 60) erwähnt wird. Diese wirklich au£Fallende Auslassung P&nini's ist aber auch von Kätyäyana in seinem 6ten Värttika zu 6, 3, 109. gerügt und ergänzt. Dass sich zwischen den StUras des Kätyäyana im Prätisäkhya und den Värttikas einige Unterschiede finden, hat nicht viel zu bedeutei^, namentlich wenn man bedenkt, dass Kätyäyana bei der Abfassung beider Werke einen verschiedenen Zweck verfolgte und beide in verschiedenen Perioden seines Lebens geschrieben haben mag.

Was speciell die Accentregeln betrifft, so ist die Bekanntschaft des Kätyäyana mit Pänini kaum zu bezweifeln. Die Definitionen der drei Hauptaccente sind bei beiden dieselben, ja zum Theil mit denselben Worten gegeben (Pän. 1, 2, 29—31. Väj\ Pr. 1, 108—110.); die An- gäbe über die ekasruti oder monotone Lesung der Mantras beim Opfer {Pan. 1, 2, 33. 34. Väj. Pr. 1, 130.), nebst den Ausnahmen davon bei den Sämas, dem Japa oder der leisen Recitation, und dem sogenannten Nyünkha^) oder der eigenthümlichen Aussprache des o in verschiedenen , der Zahl nach wechselnden Absätzen {Pän. 1, 2, 34. Väj. Pr. 1, 131.), sind bei beiden identisch. Jedoch führt Pänini hier noch einige Aus- nahmen an, die im Väj. Pr. fehlen, nämlich die doppelte Möglichkeit der Aussprache des vashatkära (des Wortes qi«|^) als monoton oder mit einem sehr hohen Tone (uchchäistara) ^ und die der Subrahmnyä- formel^) (Pän. 1, 2, 35. 37. 38). Da diese accentuellen Ausnahmen sich auf Worte beziehen, die der Hotar, der Recitirer der Rikverse, zu sprechen hat, so braucht der Verfasser des Väj. Pr. sie nicht zu erwähnen; wohl aber sollte man eine Angabe darüber im Rik Prät. erwarten^ wo sie aber auch fehlt.

Was indess den Kern der Accentlehre bei Pänini, den S'ikshäs und PrätisäkTiyas anbelangt, so stimmen sie in allen wesentlichen Punkten überein, woraus klar hervorgeht, dass die Accenttheorie, wie sie in den drei Arten von Quellen enthalten ist, in ihren Hauptzügen schon vor- handen war, ehe das eine oder andere dieser Werke verfasst wurde.

1) S. mehr hierüber in meiner Note zu Aitar. Brahm, 5, 3. pag. 322 der Uebersetoong.

2) S. AUar. Brdhm. 6, 3. nnd meine Note pag. 882. 83 der Uebersetzung.

Das chronologische Verhältniss derselben zu einander ist dess wegen fOr das Verständniss der Theorie von keiner Bedeutung.

2. Die Accenttheorieen.

a) Zahl der Aooente. Tersohiedene Arten der Accentnation.

Die Zahl der Accente anlangend, so wird sie meist auf die drei bekannten beschränkt: uddtta, anudätta und svarita {Rik Pr. 187. PAn. Sikshä 3, 1. När.S". 1, 8, 1. VAj. Pr. 1, 108—110. Täitt. Pr. 1, 38—40. AffMrv. Pr. 1, 14—16; vgl. auch Pänini 1, 2, 29—31). Doch wird auch eine grössere Zahl genannt; so vier in der MAndüki S'ikshä (1, 7. 2, 5.), da zu den drei genannten der prachita (d. h. der dem svarita folgende Ton, wenn kein nothwendiger antidAtta jenem folgt) als vierter beigesellt wird, während er sonst nur als eine Art Anudätta behandelt wird. Den Täittiriyas werden ebenfalls vier Accente oder Töne zuge- schrieben, aber sie haben verschiedene Namen; nach der När. St. (l, l, 11) sind es folgende: dvitiya, tritiya, chaturtka und mandra; daa Tdmmya Prät. (23, 16.) bestätigt diese Angabe. Hie JJivAräkas, welch» in Verbindung mit den Täütirtyakas genannt werden, haben nur drei: tri^a, prathama und krishta^). Von den Chärakas sollen die Khdndiklya und die AiikMya ebenfalls vier Accente gehabt haben {BhAshikasiUra In Weber, Ind. St., Bd. 10, pag. 422). Wir finden auch fünf Accente er-

1)

^HH<i^ »fN^ ^rmft: ^n^ 1^: i

2) Die Stelle der N&r. S'. lautet :

Im Tdat, Prot. (23, 14. 15.) findet sich ein STloka desselben Inhalts, nur die Fassnng ist etwas verschieden; nach diesem wäre der manära der erste nnd der dvitipa der letzte Ton der Tdittmyas. Die Angabe der Närada STikshd scheint die richtige zu sein. Die Angabe der vier TdOttrtya- Accente bei Weber (Indische Stadien, 8, pag. 264) ist nicht richtig; der atiivärya kommt nur im Sämaweda vor.

70

wähnt, die nur eine weitere Theiiung der bekannten drei Bigweda- accente voraussetzen , nämlich: udätta, avmdätta, svarita^ prachita und nirväta (När. 8\ 1, 7, 19.)

Die Sämasänger haben in ihrer äamhitä sogar sieben Accente, die von den sieben Tönen, shadja u. s. w. , zu unterscheiden sind. Diese sind : prathama, dvitiya, tritiyay chaturtha, niandra, krishta und atisvärya^). Sie sind unschwer in der oben beschriebenen Accentbezeichnung der Slimaverse nachzuweisen; prathama ist C|, dvittya ^, trittya ^, chaturtha ^^, mandra ^iX^ krishta ^i||, und atisvärya ^^l^).

Die Tändi-Bhällavinahy deren Bücher bis jetzt nicht bekannt sind, sollen nur zwei Accente haben, nämlich den prathama und dvittya (När. 8\ 1, 1, 13. Ind. St. 10, pag. 421); ebenso werden den Siätapathäs der Väjasaneyinak dieselben zwei Accente zugeschrieben (ibid.)^j, nämlich prathama und dvitiya^ was wir oben (pag. 43 ffg.) auch wirklich gesehen haben.

Die Verschiedenheit der Zahl der Accente in den verschiedenen wedischen Schulen und Schriften, die von zwei bis sieben steigt, sowie einzelne Andeutungen der indischen Theoretiker zeigen klar, dass wir es nicht mit einer einzigen Art von Accenten, sondern mit mehreren Arten zu thun haben. Ich unterscheide deren drei, nämlich eine pro- saische, eine poetische und eine musikalische. Die erstere hat zwei,

3) Das System der Accentbeeeichnung in den Oänas des Sämaweda, wie es von A. C. Bar- nell als in den Devano^art-Manasoripten gebraucht, beschrieben und erl§jitert worden ist (Caia- logue of a Coüection of Sanskrit Manuscripts, pag. 44), ermögliohte mir die oben gegebene Iden- tifikation. Der parisrärita (das Wort fehlt im St. Petersburger-Sanskritwörterbuch), welcher nach seiner Angabe mit C|^^ bezeichnet wird, fehlt in allen Aufzählungen der 7 Sama-Accente , die mir zu Gebote stehen; statt dessen haben die mir bekannten den Jcfishta^ der bei B. ausgelassen ist; bei ihm heisst er aiiavdrya; es kann aber kaum einem Zweifel unterliegen, dass der ron ihm pariwärya genannte Accent der atiwdrya der S'ikshda ist. In der Ndr, ST. (1, 7, 5.) wird der parisvdra als eine Abart des mandra aufgefasst.

71

die zweite drei oder vier, und die letztere sieben Accente oder Töne. Diese Unterschiede werden im Grunde schon von den indischen Theo- retikern gemacht. Sie unterscheiden den brähmanasvara von dem mantra^ avaraj und diesen wieder von dem sämasvara {Bhdshikasütra ^ in Ind. St. 10. Bd., pag. 421. 22.). Aach werden sie als ärchika, gäthika und sämika unterschieden (Ndr. S'. 1, 1,2.), wobei man in dem ärchika den ntaf^asvara^ und in dem sämika den Accent des Säma unschwer erkennt. Nur die Bedeutung des gäthika oder des Accentes dichterischer Strophen weltlichen Inhalts ist zweifelhaft ; auch sind in der Närada S^ikshä keine nähern Andeutungen darüber gegeben. Ob es der sogenannte brähmana- svara ist, ist sehr fraglich. Mit mehr Wahrscheinlichkeit bezieht man ihn auf den weltlichen Gesang, dem die sieben Töne der Tonleiter shadja u. s. w. zu Grunde liegen.

Wenn ich den brähmanasvara. d. h. den Accent der Brähmanas (zunächst des S^atapatha; denn das Täittirtya Brähm. hat den Samhitä- Accent) als prosaischen Accent fasse, so glaube ich dazu aus mehreren Gründen berechtigt zu sein. Einmal sind die Brähmanas in Prosa ver- fasst, und dann wird der brähmanasvara als bhäshikasvara, d. i. als Accent der Volkssprache bezeichnet {Kätiya sräuta-sübra 1, 8, 17. nebst Schol.). Ausserdem spricht dafür der Umstand, dass nur ein Accentzeichen im S^atapathubrähmana existirt, und dass die gesprochene Sprache höchstens zwei Accente, einen Hochton und Tiefton, unterscheidet, wenn man den Mittelton nicht als Accent gelten lassen will. Wenn ich auch nie den Vortrag des S'atapatha-Brähmana in Indien zu hören Gelegenheit hatte, so kann ich mir nach meinen über die Recitation des Weda gesammelten Erfahrungen leicht vorstellen, wie er sich ausnimmt. Die Recitation des S'atapatha ist zunächst monoton, im Udätta- oder Prachayatone ; nur da, wo der Anudättastrich steht, senkt sich die Stimme mit Emphasis. Es hat sonach wirklich nur zwei Accente, nämlich den Udätta und Anudätta; da wo der Anudättastrich steht, finden wir in vielen Fällen den Udätta in der Samhitä (s. oben), aber auch den Anudätta, der dem Swarita vorhergeht. Der Swarita der Samhitä ist in dem S'atapatha gar nicht vorhanden, und hat in der Volkssprache und in der prosaischen Recitation keine Stelle und keinen Sinn.

Sind die drei Accente: udätta, anudätta und svarita vorhanden, so

72

haben wir den poetischen Accent oder mantrasvara, der sich in allen wedischen Samhitäs, mit Ausnahme der des Säma, findet. Hier kommt 2U den zwei prosaischen, Udätta (Hochton) und Anudätta (Tiefton) noch der sogenannte Swarita, der sich^ wollte man ihn als wirklichen in der Volkssprache gebräuchlichen Accent gelten lassen , nur als Mittelton oder Uebergangston fassen Hesse. Diess ist aber nach Allem , was <iie indischen Theoretiker darüber lehren, sowie nach der wirklichen Aussprache desselben in der Recitation der Samhitä's unmöglich. Ja in der Närada S'ikshä (2, 1^ 4. s. unten) wird die gewöhn- lichste Art des Swarita, der des tairovyanjana als in dem cKhandcts vorkommend bezeichnet. In der poetischen Recitation ist er aber ge- radezu nothwendig, um dem Steigen und Fallen der Stimme mehr Raum 2u geben ; er ist es, der das Anhören der kunstgerechten Recitation der Mantras zu einem angenehmen Genuss macht, weil in ihm die Stimme gezogen wird und ausklingt, wie ich mich öfter zu überzeugen Gelegen« heit hätte. Desswegen wird er auch von den S'ikshäs und Prätisäkhyas eo ausführlich behandelt, während sie nur wonig von dem Udätta und Anudätta zu sagen wissen. Da von dem richtigen Verständniss des Swarita das der beiden andern Accente in den Samhitäs zum Theil abhängt, so will ich ihn hier zuerst eingehend behandeln.

b) Der Swarita und seine yersoUedenen Arten.

Während der Udätta von allen indischen Theoretikern als Hochton, und der Anudätta als Tief ton definirt wird, so stimmen sie in ihren Definitionen des Swarita nicht ganz überein. Pänini (1, 2, 31.) und dskS Täittiriya Prätiaäkhya (1,40.) beschreiben ihn als einen samähära^ •d. i. eine Verbindung von Udätta und Anudätta; ebenso das Väjasaniyi Pr&l., das sich nur anders ausdrückt (I, 110: ubhayavän svarita); auch das Eik Prät. (Regel 188 ed. M. Müller) beschreibt ihn ebenso, definirt ihn aber als äkshepa (187), d. i. Hinhalten, Ziehen der Stimme, was vollkommen zu der wirklichen Recitation stimmt; ebenso das Ätharva PrAtisäkhya^ das ihn durch äkshipta erklärt (1, 15.). Die S'ikahAs geben keine klare Definition, sondern bloss Andeutungen, die im Wesent- lichen auf die Anschauung der Prätisäkhyas hinauslaufen. So sagt die

73

Mändüki S'. (6, 2)^), dass, wenn bei der Verbindung zweier Accente eine Einheit (des Lautes) entstehe, so unterwerfe sich selbst der Udätta der Herrschaft des Anudätta. Diess kann nur heissen, dass die £m- phasis des Anudätta auch bei der Verbindung des Udätta und Anudätta in einer Svaritasylbe zum Vorschein komme, und der Udätta dadurch verdrängt würde, da dieser keine Emphasis hat. Auf die Verbindung zweier Accente im Swarita deutet auch die Närada S'ikshä (1, 8, 3.)^), indem sie sagt, dass der Swarita eigentlich doppelt sei, nämlich der Ton des Lautes, der ihn habe, und ein darüber hinausgehender Ton. Diese Angabe drückt indess das Wesen des Swarita aus; dem eigent- lichen Sylbentone folgt noch ein Nachton, so dass der ursprüngliche Laut verlängert erscheint, wenn er auch an sich kurz ist«

Das Verhältniss der zwei im Swarita zusammengeflossenen Accente wird nun von den Theoretikern nicht immer auf dieselbe Weise gefasst. Pänini sagt, dass die erste halbe Mora (mäträ) des Swarita, udätta, und der Rest anudätta sei (1, 2, 32.); damit stimmen das Väj. Prät. (1, 126.) und das Atharva Prät. (1, 17.) vollständig überein. Dagegen be- schreibt das Bik Prät. (189. 90. 91.) den Accent etwas genauer so, dass eine halbe Mora oder auch die Hälfte der Swaritasylbe höher als der Udätta (udättataraj , der Rest dagegen anudätta sei, aber wie udätta klinge. Am ausführlichsten ist das Täittiriya Prät., das ver- schiedene Ansichten über den Tongehalt und die Aussprache des Swarita anführt (1, 41 47.). Der Verfasser stimmt zunächst der Ansicht bei, dass die erste halbe Mora höher als der Udätta sei, beschränkt diess aber sofort auf den Fall, wenn der Swarita einem Udätta folgt; dem- nach schliesst er die Fälle des sogenannten selbstständigen Swarita. dem entweder ein Anudätta oder auch nichts vorhergeht, aus. Dem

2) c|<Shi<]IS ?ft?T: WR: ^^f^ ftf^: ^u

Abh. d. I. CA. d. k. Ak. d. W. XUI. Bd. II. Abth. 1 0

74

Rest schreibt er ebenfalls die Tonhöhe des üdätta zu (1 , 42.) ; doch giebt er zu, dasa derselbe auch niedriger sein könne, als der Udätta (], 44.), ohne die Tonhöhe genauer zu definiren, oder dass er sogar dem Anudätta gleichkommen könne, d. h. mit Emphasis zu sprechen sei (1, 45.). Nebenbei führt er (1, 46.) auch die andere Ansicht an, der er indess nicht beipflichtet, dass die Lehrer (wohl nur einige Lehrer), worunter gewiss die Grammatiker zu verstehen sind, behaupten, der Anfang des Swarita sei identisch mit dem Udätta, der Rest mit dem Anudätta. Diesen Ansichten stellt er noch eine dritte entgegen (1, 47.), wonach der Swarita nur ein vollständiges Hingleiten (pravana) sei, wo- bei der Unterschied von Udätta und Anudätta verwischt ist; es ist dann nur ein leichtes Hinziehen des Tones mit unmerklicher Senkung am Ende, wie der Swarita auch gesprochen wird. Die Meinung, dass der erste Theil etwas höher klinge als der Udätta, stammt nicht von Gram- matikern, sondern von den Recitirern, da die Rigwedis heutigen Tages den Swarita in der Samhitä genau so recitiren, wie er im Rik PrAt. beschrieben ist; auch in der Täüt. Sanih. wird er ebenso recitirt.

Aus diesen verschiedenen Ansichten über die Zusammensetzung des Swarita aus den zwei Accenten und seine richtige Aussprache sieht man deutlich, dass er kein natürlicher Accent ist wie Udätta und Anu- dätta, und desswegen auch mehr Gegenstand der Speculation war.

Dass bei der Recitation der Mantras ein Hauptgewicht auf den Swarita gelegt wurde, zeigt schon sein Name; denn svarita von svara 'Ton* kann nur 'getönt', d.i. stark accentuirt, heissen. Whitney, von der Bedeutung des svara als Vokal ausgehend, vermuthet {Joum. Am. Soc. V, 204), der Name bedeute Vokalisirt, Verwandlung eines Halb- vokals in einen Vokal'; aber diese Erklärung stimmt schlechterdings weder zu den angeführten Beschreibungen des Swarita, noch zur wirk- lichen Recitation.

Die indischen Theoretiker unterscheiden verschiedene Art^n des Swarita, die von sechs bis acht gehen; auch in der Anordnung der einzelnen finden sich mancherlei Unterschiede. Das Äth. Fr. hat 6 und zwar in folgender Ordnung (3, 55—64.): 1. abhiniJiita^ 2. prAkslishta, 3. jätya, 4. kshaipray 5. tairovyanjana, 6. pädavritta. Die Mänd. 8\ hat deren sieben (7, 1. 2.); die Folge ist von 1 4 dieselbe; dann folgen

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5* pädavritta, 6. tairovyanjana und 6. tairoviräma^ der im Ath. Pr. fehlt; der täthähhävya wird als kampa, aber nicht als svarita erwähnt (7, lO»), während er im ÄtJi. Pr. nicht vorkommt. Die När. S". zählt ebenfalls sieben Svaritas auf (1, 8, 10.), die aber in folgender Ordnung sich folgen:

1. jätyuy 2. kshaipra, 3. abhinihita^ 4. tairovyanjana , 5. tairoviräma,

6. praslishta, 7. pädavritta. Der täthäbhävya ist nicht erwähnt. Etwas verwandt mit dieser Aufzählung ist die des Täitt. Pr. (20, 1 flf.), das aber zum Theil besondere Ausdrücke gebraucht, nämlich: 1. kshaipra,

2. nitya (jätya), 3. prätihata^ 4. abhinihata, 5. praslishta, 6. pädavritta,

7. tairovyanjana.

Während die bis jetzt angeführten Quellen die sechs bis sieben Arten von Swaritas gleichartig behandeln, machen das Bik und Väj. Pr. einen unterschied. Beide {Bik. Pr. 194. Väj. Pr. 1, 111. 112.) unterscheiden einen jätya y d. i. ursprünglichen, welchem alle anderen Swaritas als nicht ursprüngliche nur einem Udätta folgenden entgegen- gesetzt werden ; über den jätya siehe gleich nachher. Die nicht ursprüng- lichen werden im erstem (204) also aufgezählt: 1. vaivritta (pädavritta)^ 2. tairovyanjana, 3. kshaipra, 4. abhinihita, 5. praslishta] mit dem jätya sind es sechs, die mit denen des Ath. Pr. identisch sind, wenn auch die Ordnung abweicht. Der täthäbhävya wird nicht mit Namen erwähnt, obschon die Sache selbst vorkommt (212). Das Väj. Pr. behandelt die Arten des Swarita am wissenschaftlichsten. Hier sind acht Arten auf- gezählt, die in zwei Gruppen getheilt sind: A) 1. den^a^ya (1, 111.), und B) die übrigen sieben umfassend, die mit einem Anudätta beginnen, näm- lich 2. abhinihita, 3. kshaipra^ 4. praslishta^ b. tairovyanjana, 6. tairoviräma^ 1 . pädavritta^ 8. täthäbhävya (113 120). Von den letztern sieben werden drei als solche unterschieden, die einen nicha^ d. i. anudätta nach sich haben, nämlich die unter 2 4 angeführten.

Aeusserlich betrachtet zerfallen sie sofort in zwei Hauptarten, nämlich solche Swaritas, die unmittelbar einem Anudätta (wenn möglich) folgen, wozu jätya, kshaipra, abhinihita und pras'lishta gehören, und solche, die erst dem vom Anudätta eingeleiteten Udatta folgen, näm- lich tairovyanjana, tairoviräma und pädavritta. Die erstere Art hat man in Europa nach Both's Anschauung den selbstständigen, die letztere den enklitischen zu nennen beliebt. Von diesem Unterschied wissen

10* '

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indess die indischen Theoretiker nichts^ die, wenn sie einen Unterschied machen, den jätya allein den sechs oder sieben anderen entgegensetzen. Und dass sie den von Roth statuirten Unterschied nicht kennen, ist gar nicht zu verwundern, da dieser Accent in der gesprochenen Sprache nicht existirt zu haben scheint, wie man deutlich aus dem Satapatha- Brdhmana sieht.

Hier kann man einwenden^ dass Pänini und die übrigen Gramma- tiker, wie sein Kritiker Kätyäyana und sein Vertheidiger und Comraen- tator Patanjaliy durchweg den Swarita als einen besonderen Accent neben dem Udätta und Anudatta anerkennen, und denselben nicht auf die Recitation der Mantras beschränken^ obschon auch rücksichtlich des Accents der Unterschied der wedischen Sprache von der gewöhnlichen {bhäshd) mehrmal geltend gemacht wird (6, 1, 169. 178. 181. 6, 2, 119. 120. 164.). Zudem kann man noch geltend machen, dass nach mehreren Regeln Panini's die meisten der von den Prätisäkhyas näher beschriebenen Arten des Swarita bekannt waren, wenn auch die Unter- schiede nicht so scharf markirt sind, wie in den letztern. So setzt 6, 1, 184. die Kenntniss Ae^ jätya voraus, da dort ausdrücklich gesagt ist, dass bei der Endung ya in gewissen Fällen der Swarita zu setzen sei, z. B. r^^^. ^l«i; in 8, 2, 4. wird das Wesen des durch Liqui- dirung entstandenen kshaipra^ in 8, 2, 6. der durch Verschmelzung zweier Vokale entstandene x)raslishta behandelt. Auch der regelrecht dem Udätta folgende Swarita, wenn ein neuer Udätta seinem Eintritt nicht entgegen ist, wird gelehrt, und ebenfalls der Grund seines Weg- falls angegeben, sowie die Namen der Lehrer, die in letzterer Beziehung abweichender Meinung sind (8, 4, 66. 67). Da indess Panini's Gram- matik offenbar mit besonderer Berücksichtigung der wedischen Literatur verfasst, und das Studium dieser Wissenschaft hauptsächlich das richtige Verständniss und die correcte Recitation der Wedas fördern sollte, wie deutlich aus Patandschali's Einleitung zum Mahähhäshya hervorgeht, so ist es nicht zu verwundern, wenn ein in allen Samhitäs und auch vielen Brähmanas sich findender Accent, wie der Swarita, ohne weitere Be- merkung als ein integrirender Theil des indischen Accentsystems hin* genommen wurde.

Aber der wichtige Umstand, dass dem S'athapathabrähmana und

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einigen andern wedischen Werken (S. 70) nur zwei Accente zugeschrieben^ diese im Bhäshikasütra ' als Udätta und Anudä.tta bezeichnet werden, in den Handschriften nur ein Accentzeichen, und zwar der Anudätta- strich angewandt, das Swaritazeichen aber nie gebraucht wird, spricht entschieden dafür, dass es Recitationen wedischer Werke ohne Anwen- dung des Swarita gab und noch giebt. Wenn nun dieser Accent dem Mantraaccent, der den Swarita hat, entgegengesetzt wird, wenn man ferner bedenkt, dass die durch Krasis, Liquidirung und Elision entstan- dene phonetische Veränderung nach dem Bhäshikasütra gerade hhäshika heisst (Ind. St., Bd. 10, pag. 398. 99), und die derselben unterworfene Sylbe den üdätta, nicht den Swarita, wie in den Mantras, haben soll, die vorhergehende aber, wie in den Mantras, den Anudätta, der Udätta aber gar nicht bezeichnet wird, so ist es klar, dass der Swarita in diesem Brähmana einfach nicht existirt, auch nie existirt hat. Ist ja sogar der sogenannte selbstständige Swarita nicht vorhanden, sondern zu einem einfachen Udätta geworden, oder besser ein solcher geblieben.

Wenn nun in den Prätis äkhyas zwei Arten von Swaritas unter- schieden werden, so ist der Grund wohl der, dass die natürliche Folge : Anudätta, Udätta und Swarita, wie sie für Gewinnung einer melodischen Recitation der Mantras nothwendig ist, bei dem sogenannten selbst- ständigen einfach durch Liquidirung (kshaipra-sandhi) ^ Krasis (praslesha) und Elision (abhinihita-sandhi) oder anderweitige Contraction (im jätyd) abgekürzt ist, wobei der Udätta vielfach ausfiel, der Swarita aber als der vollere und melodischere beibehalten wurde. Suchen wir diess im Einzelnen näher zu erweisen.

1) Der Jatya svarita oder der natürliche, von selbst entstandene. Er heisst auch nitya {Täitt. Frät. 20, 2.) und wird beschrieben als noth- wendig, wenn eine Consonanten Verbindung mit y oder v endigt und die vorherrschende Sylbe entweder einen Anudätta hat, oder wenn auch gar nichts vorhergeht {Täitt Pr. 20, 2. Äth. Pr. 3, 57; vgl. auch Bik. Pr. 194, wo die Regel unklarer gefasst ist). Nach dem Väj. Prät. (1, 111 ) findet er nur dann statt, wenn ein Anudätta vorhergeht; der Fall, dass auch gar nichts vorhergehen könne , bleibt ausgeschlossen ; diess ist ganz in Uebereinstinimung mit der Accentuation der Väsasaneyi Samhitä (s. oben pag. 33). Auch Pänini lehrt (8, 2, 4.), dass, wenn

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der Anudätta einem mit Udätta oder Swarita versehenen yan folge, der- selbe zum Swarita werde.

In der MändÜki S". (7 , 5.) ^) und Närada 5'. (2 , 1 , 1 .) wird das negative Element bei der Entstehung dieses Swarita hervorgehoben, dass nämlich kein Udätta vorhergehen dürfe. Beispiele: ^l (svar), »Sq B«^! * H^®^ steht svar für süvar^ wie es metri causa auch öfter auszusprechen ist, dütya für dütiya, und tanvah für tanüväh. Der Swarita enthält desswegen einen Udätta, der aber mit dem ihm folgenden Swarita zu einer Sylbe zusammengeflossen ist.

2) Kshaipra, 'der rasche\ Dieser tritt ein, wenn ein mit Udätta versehener Vokal vor einem Anudätta-Vokal in einen Halbvokal (y^ v) verwandelt wird. Am ausführlichsten ist hierüber das ÄtJt. Pr. (3, 58 61). Damit stimmen ganz die Mänd. 5'» (7, 6.)*) und die När. 5'. (2, 1,2.) überein, indem sie alle die Nachfolge eines Anudättavokals als nothwendig für die Entstehung des kshaipra halten, während in dem Väj.Pr. (1, 115) und Täitt. Pr. (20, 1.) diese Bedingung nicht erwähnt wird; doch ist sie in einer spätem Regel des Väj.Pr. (4, 47.) wie eine Ergänzung nachgetragen ; das Sütra scheint indess verdächtig. Rik Pr. - (199) enthält nur eine kurze Andeutung über diesen Swarita. Beispiele: ^?P9«R aus tri und ambaka, f^q«^ aus und indra zusammengezogen;

^CM*n aus srusht'i und agne. Weitere Beispiele s. oben (pag. 28. 31. 33. 34).

3) Äbhinihita^ 'der nahegerückte\ Dieser tritt ein, wenn vor einem schliessenden e und o, die den Udätta haben, ein anfangendes a aus- gestossen wird {Väj. Pr. 1, 114. Äth. Pr. 3, 55. Rik Pr. 199; Mänd.

^) HM^il ^w^ ^cre^ hRh ^%^i

In der Ndr, S^, sind die zwei Beispiele bvar und dütya weggelassen.

WR(^ f^rf^ ^MMI ^^

Die När. S\ stimmt fast wörtlich überein.

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7, 3.^) NAr. 2, 1, 3.). Im Täüt. Pr. (20, 4.) heisst er abhinihata, 'der nahegesenkte', was keine passende Benennung scheint, da er nicht so

gesprochen wird. Beispiele: n ^^m für n ^NlHnf; te ist Udätta, und a hat den Swarita; durch den Ausfall von a verschwindet der Swarita und tritt auf das vorhergehende te zurück^ das dann seinen Udätta verliert, oder besser ihn in dem Swarita aufgehen lässt; ebenso

^ ^ für % ^to.

4) Praslishta, präslishta oder präkslishta. Den Namen praslesha haben alle Verschmelzungen zweier Vokale oder eines Vokals und eines Diphthongs zu einer Einheit {Rik Pr. 124). Ein Swarita, der in Folge einer solchen Verschmelzung entsteht, ist ein präslishta. Ueber die Anwendung des Swarita in der praslishta-^^yVoey vorausgesetzt, dass der erste in diese Combination getretene Vokal den Udätta hat, waren die Meinungen der indischen Theoretiker getheilt. Nach dem ÄiA; Pr. (199), Äth.Pr. (3, 56.), Väj.Pr. (1, 116. 4, 132. 33.), der Mänd. S". (7, 4.)2) und När. S". (2, 1, 16.) ist der pras^lishta-Sw avits^ auf den Fall beschränkt, wenn zwei kurze e, wovon das erste den Udätta hat, zusammenfliessen

z. B. ^RHY«Mrilfj (von ^^l^5??HT^). Das Väj. Pr. (4, 133.) kennt

davon jedoch eine' Ausnahme, nämlich ^H^jn (von f^ + S]Bj), dessen zweites i lang i ist. Das Täitt Pr. (10, 17. 20, 5.) beschränkt den pras^lishta-Sw^iritsi, dagegen auf das Zusammentreflfen von zwei u zu Ä,

wovon das erste Udätta ist, z. B. «41^5 P. ^ S sj^i«. Und so ist es auch in der That in der Täitt. Samh.] wenn dagegen dort zwei i unter denselben Bedingungen zusammenfliessen, so bleibt der Udätta. Nach der Meinung Mändukeyä's indess (^Rik Pr. 200) entsteht dieser Swarita in allen Fällen der Vokalverschmelzung, wenn der erste der

1) 1J3J ^ir^*!<Ml^W^T%*tf^^^:i

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verschmolzenen Vokale den Üdätta hat. Demgemäss würde ^^5 Trf^

P' ^1 ??? I MJlk, I also zu accentuiren sein: JpZ TTt^t welche Accen- tuation indess in den bis jetzt bekannten Handschriften der Rigweda Samhita nicht gefunden wird, aber leicht noch in denen einer andern S'äkhä entdeckt werden kann. Im Siatapatha-Brähmana hat die so ver- schmolzene Sylbe stets den Anudättastrich, der dort die üdättasylbe der Saiithitä^B bezeichnet. Auch Pänini lässt in allen diesen Fällen neben dem üdälta auch den Swarita zu (8, 2, 6.).

5) Tairovyafijana^ Mer quer durch den dazwischen stehenden Con- sonanten gehende\ So heisst derjenige Swarita, zwischen welchem und dem vorhergehenden Udätta ein Consonant steht, der natürlich am häufigsten vorkommt. {Äth. Pr. 3, 62» Väj. Pr. 1, 117. vgl. 4, 134. Rik Pr. 203. 204; Mänd. Sf. 7, 8.^) När. «'. 2 , 1 , 4.2) Beispiele: ^fi| , TTV. In dem TäüL Pr. (20, 7.) wird er etwas anders bestimmt. Dieses versteht darunter den Swarita, der eigentlich am Ende eines Wortes steht, sich aber in Folge der Liquidirung, Elision oder Ver- schmelzung auf das folgende Wort hinüberspielt. Er tritt demnach unter denselben Bedingungen ein, wie die oben unter 2 bis 4 beschrie- benen Swaritas, jedoch mit dem Unterschiede, dass nicht die von der Aenderung betroffene Sylbe, sondern die vorhergehende den Udätta hat.

Als Beispiele sind angeführt: ^ipfq^^ ^ ^ff^f H^ri ; Vr^) ^^' getheilt in xmt und ugam),

()) TairO'viräma y d. i. der quer durch das Wortende durchgehende. Dieser ist auf den avagraha, d. i. die Worttrennung im Padatext be- schränkt; er tritt auf die erste Sylbe des zweiten W^ortes eines Coni- positums, wenn das erste Wort auf der letzten Sylbe einen Udätta hat;

3) S. mehr bei Whitney, Täitt Pr, pag. 372. T6.

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z. B. WSTTS "cHtIJ (^Mänd. S'. 7, 9.») Ndr. 2, 1, 5. Väj. Pr. 1, 118.). In den Bik und Ath. Fr. ist dieser Swarita nicht erwähnt. Die darunter kommenden Fälle werden in dem letztern unter den pddavritta sub- sumirt. Auch das Täitt. Pr. kennt ihn nicht, denn der dort erwähnte pratihata (20, 3.), welcher auf der ersten Sylbe eines Wortes steht, wenn die letzte des vorhergehenden einen Udätta hat, ist als eine Abart des pddavritta zu betrachten.

7) Pddavritta, pdddniavritta (Ndr.S'. 2, 1, 7.), im Rik Pr. (203. 4.) auch vdivritta genannt, ist der durch das Wortende von seinem Udätta, wie durch einen Hiatus getrennte Swarita, der natürlich nur in der Samhitä vorkommen kann. In diesem Sinne, welchen ich für den ur- sprünglichen halte, wird er indess, streng genommen, nur von der Mdnd.^) (7, 7) und När. Ä'.^J (2,1, 7.) gefasst, und fällt mit dem pratihata des Tditt. Pr. zusammen. Beisp. : ^IM^fldb. Die Prdtis dkhyas beschränken den pddavritta auf den wirklichen Fall eines Hiatus, wenn die letzte mit dem Udätta versehene Sylbe eines Wortes vokalisch aus- geht, und die erste den Swarita tragende des folgenden Wortes vokalisch anfängt {Bik Pr. 203. 4. Äth. Pr. 3, 63. Vdj. Pr. 1, 119. Tditt. Pr. 20, 6.). Beisp.: ^ |tF[.

8) Tdthdhhdvya^ oder tathdhhdvya (in den Mss. der Mdnd. S'.). Mit diesem Namen wird die eigenthümliche Aussprache einer Anudättasylbe zwischen zwei Udättas in einem zusammengesetzten Worte, deren jedes einen Udätta hat, bezeichnet (s. oben pag. 50). Nur das Vdj. Pr. fasst

1) ^R^JT^TWt 'l^ ^drrt ^rilK^filll

In der När S\ weicht nur die zweite Uälfte des iTloka ab, die also lautet: Abb. d. I. Cl. d. k. \k. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abtb. 1 1

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ihn als einen Swarita (1, 120), eine Ansicht, welche indess nach der Angabe des Gommentators (s. Ind. Stud. 4 pag. 136, vgl. 4, 136.) und nach der damit nicht übereinstimmenden Accentuation der Madh- yandina S'äkhä, der sich die Äujjih&yanaka (nicht mehr vorhanden, wenigstens noch nicht entdeckt) anschlössen, durchaus nicht allgemein getheilt wurde, sondern nur die einiger hervorragenden Lehrer gewesen zu sein scheint. Das Täitt. und Ath. Fr. erwähnen indess den Namen gar nicht ; ebensowenig die När. Si. ; das Rik Fr. nennt zwar ebenfalls den Namen nicht, beschreibt aber den Kall genau, und führt das auch dem Väj. Fr. als Beispiel dienende Wort tanünapät an (212). Ausser dem VAj. Fr. hat nur die Mänd. S". den Namen tafhähhävya^ fasst ihn aber als Kampa^) (7, 10.) Nach all' diesen Angaben zu urtheilen, gab es in der Hauptsache drei Auffassungen des täthäbhävya für diejenigen, welche ihn als etwas Besonderes behandelten, nämlich als Swarita, als Anudätta, und als Kampa. Der Verfasser des Väj. Fr. fasst ihn als Swarita, aber nur dann, wenn er im avagraha oder in der Worttrennung des Padatextes vorkommt: f15S «iHin . Die Madhyandinas betrachten indess auch in diesem Falle ihn als Anudätta, und accentuiren : ff^ S «ihic|^, gerade wie die Samhitä des Rigweda. Dagegen wird er im Padatexte desselben Weda meist als Kampa ^ also mit drei Zeichen: Anudätta, Swarita und noch einmal Anudätta, oder wenigstens mit den zwei letzten, accentuirt, und hat demgemäss das Plutizeichen. Fragt man nach dem Grunde der abweichenden Ansichten über den täthäbhävya, so liegt er theils in der verschiedenen Art der Auffassung einer Anudättasylbe zwischen zwei Udättas, theils in der wirklichen etwas eigenthümlichen Recitation des Wortes bei dem Vortrage der Wedas. Nach der gewöhn- lichen Ansicht soll eine solche Sylbe nicht das Zeichen des Swarita, sondern das des Anudätta haben (Väj. Fr. 4, 135. Ath. Fr. 3, 70. Rik Fr. 203. Täitt. Fr. 14, 31. vgl. Fän. 8, 67.), indem der Swarita nur dann als Regel gilt, .wenn auf die damit zu versehende Sylbe wieder eine Anudättasylbe folgt. Doch wurde nach der ausdrücklichen Angabe

1) l^t^^HRtW jfHt ^: Wl<i*l^:i

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P&nini's diese Ansicht von mehreren seiner Vorgänger, wie Gärgya, Käsy- apa und Gälava (8, 67.) nicht getheilt, da diese auch für den Fall, dass einer einem Udätta folgenden Anud&ttasylbe wieder ein Udätta oder Swarita folgen sollte, doch erlaubten, dass der Swarita bleiben dürfe. Nach dieser Annahme wären die vom Scholiasten beispielweise angeführten Worte:

Gärgyas tatra, Gärgyas kva also zu accentuiren: *H*^<rJ'^ , TF*!» ^ während nach der gewöhnlichen Ansicht sie folgendermassen accentuirt

werden : *n*^W^ , TP^ ^ . Diese Meinungsverschiedenheit dreht sich schliesslich einfach darum , ob eine zwischen zwei Udättas , oder zwischen einem Udätta und einem Swarita der contrahirten Sylbe stehende Anudättasylbe in das Bereich des vorhergehenden oder des nachfolgenden Udätta gehöre. Die Mehrzahl scheint sich für die letztere Ansicht ent- schieden zu haben, denn diese ist in allen wedischen Accentsystemen die herrschende geworden. Nur bei der Accentuation von zusammen- gesetzten Wörtern, die zwei Udättas haben, scheint sich einige Schwie- rigkeit erhoben zu haben. Das Rik Pr. (212) nennt ausdrücklich nur Composita, wovon das erste Glied Wh, oder 'fj^ sei, worunter die

Worte n^HMIf^ und ^'^ H (fl *• fallen, deren Accentuation im Samhitä- text von dem des Padatextes wesentlich abweicht. Bei diesen ist es zulässig, entweder die erste Sylbe des zweiten Theils wie in einem nicht zusammengesetzten Worte, also ohne Rücksicht auf den Udätta des ersten Theils zu behandeln, oder die letzte Sylbe des ersten Theils wie bei einer yd^ya-Sylbe auszusprechen (211. 212). Das letztere Wort

wird in der Samhitä ^1-41 hI^J , im Pada dagegen bald ^i^^^XTR+t

(4, 30, 17. 8, 15, 13.), bald ^T^S'RfTtj (1, 106, 6.), im Vokativ zu

Anfang eines Päda ^S(NtS''D|% (8, 14, 2. 10, 24, 2.), sonst ^^S'?^ (4, 31, 7.) mit lauter Anudätta's accentuirt. Ebenso wird das

erstere accentuirt , in der Samhitä ff^HMIlX^ (im S'atap. Br. n^J^IHIf^)?

im Pada H^I^HMI^ (3, 29, 11. 10, 92, 2.), aber es findet sich auch

fT^SHMirj^ (9, 5, 2.), im Vokativ zu Anfang eines Päda ff^St^MId (3, 4, 2. ebenso im Samhitätext).

Von den drei erwähnten Ansichten finden wir indess in dem uns allein bekannten Text des Rigweda, der S'äkala-S'äkhd, nur zwei ver-

11*

84

treten, die Beibehaltung des Swarita zwischen den beiden Udätta's (aus- genommen im Vokativ, auch zu Anfang, wenn das zweite Wort ganz accentlos geworden ist) ist nicht angewandt. Auch die Aussprache des- selben als Kampa mit zwei oder gar drei Accenten, die sich in derselben Sylbe unmittelbar folgen, ist im Padatext nicht constant. Bei der Re- citation des Rigweda habe ich hauptsächlich die Aussprache mit Kampa vernommen, so dass zuerst ein tiefer, stark betonter Anudätta, und dann unmittelbar ein Swarita, der kaum auszuklingen schien, folgte. Soweit

ich mich noch erinnere, lautet sie ungefähr so^): ^ # eJ

I '

ta - - na^pät

Diess repräsentirt indess nur den Kampa mit zwei, nicht mit drei Accenten. Diess führt mich zur nähern Erörterung dieses Phänomens in der wedischen Recitations weise.

o) Der Kampa und Wikrama. Die relative StSrke der versohiedenen Swaritas*

Die S^ikshäs und Prätisäkhyas kennen alle den Kampa (Väj. Fr. 4, 137. Äth. Fr. 3, 65. F&n. Sfikshä 30. Mänd. 7, 10. 8, 1. 5.2) När. 2, 2, 1 4^). LonuisanyA 1, 4. 5.) In dem TAüt. Fr. wird der

1) Die auf S. 50 gegebene Reeitation ist mir von einem Atharwawedi mitgetheilt worden und repräsentirt die etwas modifizirte Swaritaaussprache des t2, wobei die Ud&ttas aber in viel niedrigerem Tone, ohne Emphasis (wie gewöhnlich) klingen.

>J<lllMfalf^ rlmi^^h^V! IRRWnr^ II M II

f^ w^ r^fl!i4)^i«i)Mi4) ;tr ^m: II ^ II

j{s^[ "q«n ?T ??5T*Tf ^Nn f^* W^rirtl* II ? il

85

Name Kampa zwar nicht erwähnt, obschon die Erscheinung dort voll- kommen bekannt ist, aber Vikrama .heisst (Täitt. 19, 1. 2. vgl. auch Mänd 5, 8 ffg.); ebensowenig im Rik Pr.^ wo gar kein Name gegeben, das den Eintritt des Kampa herbeifährende Zusammentreffen der Accente aber beschrieben und vom Commentator auch ausdrücklich Kampa ge- nannt wird {liik Fr. 192). Das Wesen desselben besteht darin, dass in einer Sylbe mehrere Accente zusammentreffen, und zwar der AnudAtta und Swarita, oder der Anudätta, Swarita, und noch einmal der Anudätta, welche alle bei der Recitation deutlich gehört und, wie wir gesehen haben (S. 24), auch bezeichnet werden. Er tritt gewöhnlich nur in der Samhitä ein, wenn ein Wort mit einem Swarita der contrahirten Sylbe (jätya^ kshaipra^ abhinihita und pras'lishta) endigt j und die unmittelbar folgende Sylbe des nächsten Wortes ebenfalls entweder einen Udätta oder Swarita hat. Im vollen Umfang ist er nur in den Samhitäs des Rigweda und Atharwaweda gebraucht (Beispiele s. oben S. 24); in der des schwarzen Jadschurweda (Täittinya) tritt er nur zwischen zwei Swaritas ein (s. oben 24. 25.), und da solche Fälle verhältnissmässig

Ffir diese interessanten Verse über die verschiedenen Arten des Kampa konnte ich leider keine andere Handschrift vergleichen, was um so nöthiger gewesen wäre, als mehrere Lesungen zweifel- haft sind. Für ^Iff^ in V. 1 ist gewiss T)\|T^ *^ ^®®®" (mtdh&w^ + u) ; die Sylbe vyu ist ein kshaipra'scarita ; um den Kampa nothwendig zu machen, ist noch eine folgende Udättasylbe erforderlich, die aber ansf^elassen ist. Das Beispiel für den dirgha kampa in V. 2 findet sich

Sdm. 1, 253. ^IJTUniq = B*9V. 8, 61, 5.: ^* *c(^3 ^^® Beispiele in V. 3 lassen sich nur theilweise nachweisen, pathyd in Sdm. 2, 925. n^|U:gf3 = Bigv 8, 12, 7. «j|^|^^H l

manyd findet sich im Ätharv, 6, 25, 1. in der Fügung |^f4|| ^TTH ^ ^^® ^^^' '^' ^^rde da- gegen die Accentuation 7T*^|T voraussetzen (mit dem jdtya in der contrahirten Udättasylbe),

während ImAtharv. der Udätta auf ma liegt; die in Nor. vorausgesetzte Accentuation wird indess von Pänini (8, 8, 99.) gefordert; na indräbhydm lässt sich nirgends finden; es muss einem nicht

mehr bekannten Vers angehört haben, und war wohl im Sdma Ji^ivaT^nT accentuirt. Für anuddUah in Y. 4 a ist uddttah schon wegen des Metmm's zu lesen.

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nur selten vorkommen, findet er sich dort auch nur selten. In der Väja^aneyi' und in der Mäiträyani Samhitä^ sowie im Samaweda findet er sich gar nicht. Der Name kampa 'das Zittern, Erbeben' ist gane bezeichnend ^) ; denn beim Zusammentrefi'en eines Swarita mit einem Udäitta oder andern Swarita muss zwischen beide Tonhöhen, die von einander unabhängig sind, ein Tiefton eingeschoben werden, der indess nur ganz kurz zu sein braucht. Die Stimme sinkt sonach von der Höhe in die Tiefe, um plötzlich sich wieder in die Höhe zu heben, so dass sie bei der raschen unvermittelten Aufeinanderfolge der verschie- denen Accente gleichsam zu zittern scheint.

Es werden von den Recitirern der Wedas drei Arten des Kampa unterschieden, der je nach den dabei gebrauchten Zahlen ekakampa, dvikampa und trikampa heisst. Im Rig- und im Atharwaweda kommen nur die erste und dritte Art vor; in dem schwarzen Jadschurweda findet sich auch die zweite. Während in den Handschriften des Rig- und Atharwaweda die Fälle, wo cj (ekakampa) und 9 (trikampa) ange- wandt werden , streng geschieden , und ersteres nur bei ursprünglich kurzem Vokal (Position kommt dabei 'nicht in Betracht), letzteres bloss bei ursprünglich langem Vokal sich findet, so treffen wir in der Tärittirija Samhitä die beiden erwähnten Zahlen, und an deren Stelle sogar auch ^ ohne wesentlichen Unterschied gebraucht (s. S. 25. 26.). Die Zahlen zeigen die Zeitdauer der Vokalaussprache an, c) ist eine Mora, ^ mehr als eine Mora, aber nicht über zwei, und 9 drei Moras. Beim Ekakampa wird der Ton der Sylbe in zwei Theile getheilt, der erste ist Swarita, der zweite ist Anudätta. lieber die Zeitdauer eines jeden derselben enthält das Rik Prät. keine Angabe; nach der von mir beobachteten Aussprache dauert der Swarita etwa Dreiviertel einer Mora, während dem Anudätta nur etwa ein Viertel zukommt. Hiemit stimmen vollständig die Angaben des Ath. Pr. (3, 65.) und Täitt. Pr. (19, 3.)

1) Die Lomas'anyä S'ilishd beschreibt ihn (1, 4) also:

*M^^H fiVT ft^: ^ Ht?r^ w^ II ä II

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überein, wonach in dem den Kampa herbeiführenden Falle jedesmal eine Viertel-Mora des Swarita (anumdtra) den Tiefton hat. Beim Dwi- kampa, über den ich indess keine recht genauen Erkundigungen ein- ziehen konnte, scheint der Ton länger als eine Mora anzuhalten, der Swarita die volle Mora hindurch zu dauern, und am Ende nur ganz kurz zum Anudätta herabzusinken, um sich plötzlich wieder zu erheben. Der Trikampa wird, soweit ich ihn beobachtet habe, deutlich mit drei Moras gesprochen; die erste Mora hat einen Anudätta, die zweite einen Swarita, 'die dritte wieder einen Anudätta. Auflfallend ist hier, dass in der Swaritasylbe selbst dem Swarita noch ein Anudättu vorhergehen muss, obschon die ihm vorhergehende Sylbe damit versehen ist. Diess erklärt sich wohl daraus, dass der mit dem üdätta vereinigte Swarita (denn nur ein solcher kommt hier in Betracht) für sehr stark gilt, und der ihn einleitende Anudätta der vorhergehenden Sylbe noch herüber- klingt, um der Stimme mehr Halt zu geben, ihn zu erreichen. Einen merkwürdigen Beleg für die Stärke auch des einem solchen Swarita vorhergehenden Anudätta bietet die Mäitrdyani Samhitä, wo derselbe das Plutizeichen ^ hat, und die Swaritasylbe Anudätta erhält (s. oben S. 28. 29. 31.). Veranschaulichen wir diess durch ein Beispiel. Die

Worte: ITO^I '^Mi^HI I* mitUdätta auf ve und svi^ werden hier also

accentuirt: WR9% (n|Hl|I ? während sie nach den Accentregeln des

Rigweda ITO^^P'SRTt lauten würden. Der Unterschied zwischen beiden Accentuationsweisen besteht darin, dass nicht nur das Plutizeichen in jeder eine andere Anwendung und eine andere Bedeutung hat, sondern auch, dass in der einen der Swarita gar nicht, sondern ausschliesslich der Anudätta erscheint. Während nun bei der Accentuation des Rik die Pluti deutlich drei Moras, und jede einen besonderen Accent hat, ist diess bei der Pluti der der Swaritasylbe vorhergehenden Anudättasylbe in der Mäiträyani Samhitä nicht der Fall, da der ur- sprünglich kurze Vokal nicht gedehnt ist, was sonst immer der Fall ist, wenn wirklich drei Moras angedeutet werden sollen. Die Pluti bezeichnet dort wahrscheinlich drei halbe Moras. Indess findet sich dieselbe auch bei der langen Swaritasylbe, aber nur in dem Fall, wenn ihr noch zwei üdättas folgen (s. weiter oben S. 29).

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In der Madhyandina S'dkhä der Väjasaneyi Samhitä finden wir da, wo der Kampa stehen sollte, ein besonderes Zeichen <& unter der Linie, in das der Swarita der contrahirten Accentsylbe verwandelt wird (S. 33), während in der Känva S'äkhä dafür der Anudättastrich, aber nicht der des Swarita, steht. Im Väj. Fr. (4, 137.) wird darüber gelehrt, dass nur der letztere Theil des Swarita in einem solchen Falle gesenkt, d. h. zu Anudätta werde. Umwandlungen des Swarita auch in der contrahirten Accentsylbe in den Anudätta kommen indess in den VAj. und Mäitr. Samhitäs in gewissen Fällen auch sonst vor (s. oben S. 29. 33.).

Während bei dem Trikampa im Rigweda die erste Mora stets im Anudätta zu sprechen ist, und dieser in den beiden ebenerwähnten Samhitäs des Jadschurweda so sehr zur Geltung gekommen ist, dass der eigentliche Swarita in solchen Fällen gar nicht zur Anwendung kommt, so finden wir in den nicht sehr zahlreichen Fällen dieser Art in der Täittiriya Samhitä die erste Mora mit dem Swarita bezeichnet, dem dann der Anudätta folgt; manchmal findet sich das Zeichen des Swarita zweimal nacheinander, woraus hervorgeht, dass zwei Moras ihm angehören, und erst die dritte dem Anudätta. Doch scheint hierüber keine feste Kegel zu herrschen, da die Handschriften schwanken (s. oben S. 25. 26.). Im Täitt. Fr. wird diese Senkung des Tones nicht Kampaf sondern Vikrama genannt (19, 1.). Diess ist indess ein weiterer Be- griflf, und beschränkt sich nicht auf die innerhalb einer und derselben Sylbe nothwendige Senkung der Stimme in der letzten Mora oder dem letzten Viertel derselben, sondern es fallen darunter alle Fälle einer vollen sogenannten accentlosen Sylbe, wenn sie zwischen zwei Swaritas oder zwei Udättas, oder einem Udätta und Swarita zu stehen kommt. Ja nach Käundinya hat der Ausdruck Vikrama selbst auf einen dem Udätta oder Swarita vorhergehenden Frachaya (s. nachher) Anwendung (19, 2.), wonach alle Fälle eines vor den zwei genannten Accenten stehenden Anudätta damit zu belegen wären, den einzigen ausgenommen, dass derselbe zu Anfang eines Verses oder nach einer Pause stünde. Der Fall, dass der Vikrama bei dem unmittelbaren ZusammentreflFen von zwei Swaritas wenigstens bei dem ersten, oder wenn den beiden noch gar ein dritter folgen sollte, auch noch bei dem zweiten auf der Swaritasylbe selbst, und zwar der letzten Viertel-Mora anzubringen ist»

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ist in 19, 3. vorgesehen, dort aber als die Ansicht 'einiger' bezeichnet. Meine Handschriften erkennen diesen Fall an (s. oben S. 24. 25.)^). Auch die Accentuation und Recitation des Rigweda beweist, dass er wirklich vorkam. Ueber die Aussprache des Kampa s. oben S. 50.

Auf die verschiedenen Arten des Kampa, wie sie in der När. S\ (s. oben die angeführte Stelle) unterschieden werden, kann ich hier nicht eingehen, da ich keine näheren Erkundigungen darüber einziehen konnte. Sie scheinen sich nur auf den Säoiaweda zu beziehen.

An diese Auseinandersetzung über das Wesen und die Aussprache des Täthähhävya und Kampa, die ich, weil diese Erscheinungen in Europa bis jetzt nur halb oder gar nicht verstanden wurden, mit besonderer Ausführlichkeit behandelt habe, will ich die Angaben der indischen Theoretiker über die Aussprache der verschiedenen Arten des Swarita anreihen. Hier wird die Schärfe und Milde, oder auch die Stärke oder Festigkeit und die Schwäche in der Aussprache hervorgehoben. Die im VAj. Fr, (1, 125) enthaltene Anordnung, die mit dem schärfsten beginnt und stufenweise bis zum mildesten herabsteigt, entspricht un- gefähr der Art und Weise, wie ich die einzelnen Arten des Swarita aussprechen hörte. Am schärfsten wird entschieden der ahhinihita ge- sprochen; ihm nahe steht der kshaipra^ der an Schärfe ihm nur wenig nachgiebt; dann folgt der j&tya^ der demselben fast gleich steht; dann der praslislta, und endlich der Reihe nach der tairovyanjana^ der tairovirämu und der pädavritta. Auch die Mänd. S'. (8, 2 4)'^) erklärt den ahhinihata

1) Vgl. aaoh Whitney zum Tditt. iV. 8*360 ffg. Er ist ganz unnöthigerweise von der Er- klärung des Commentators abgewichen, der den thatsächlichen Verhalt ganz richtig gefasst, sich aber nicht klar genng aasgedrückt hat. Yatna, ursprünglich 'Zwilling*, bedeutet einfach etwas Doppeltes, hier den Zusammenfluss zweier Accente, wie es deutlich beim abhinihita sandhi der Fall ist; treffen zwei solche Fälle zusammen, so ist es ein dviyamaf folgt noch ein dritter, so ist es dviyamapara. Die vom Commentator oitirten Beispiele zeigen diess zur Genüge. Des Com- mentators Erklärung von 19, 4. 6. hat Whitney ganz missverstanden; sie erklärt sich aus dem oben Gesagten von selbst. Er hat hier viel zu rasch die einheimischen Erklärungen verworfen, ehe er sie verstanden hat. Ebenso hat es Roth gemacht, weil er die Lehre vom Tathdbhdvya und Kampa nicht verstehen konnte (Einleitung zum Nirukta S. LXVJI ffg.)» sich dessenungeachtet aber nicht gescheut, den indischen Theoretikern obendrein noch Unzuverlässigkeit vorzuwerfen.

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Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d W. XIII. Bd. il. Abth. 12

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für den schärfsten, lässt ihm aber nicht den kshaipra, sondern den praslishta folgen, und diesem erst den jät^a und kshaipra) für den mil- desten gilt auch hier der pädavritta. Das Täitt. Pr. (20, 9. 10.) macht den kshaipra und nitya zum stärksten Swarita, und schliesst daran den abhinihata; dem praslishta und prätihata schreibt es eine mildere Aus- sprache zu (20, 11.); die geringste Anstrengung bei der Aussprache finde aber bei dem tairovyanjana und pädavritta statt (20, 12«).

Hieraus sieht man klar, dass sämmtliche Swaritas der contrahirten Accentsylbe stärker ausgesprochen werden, als die regelrecht einer Udättasylbe folgenden, lieber die Recitation einiger Arten des Swarita s. oben S. 50.

d) Der üdätta, Anudätta; Prachaya und Ekas'ruti.

Nachdem der Swarita in allen seinen Schattirungen eingehend be- handelt ist^ so erübrigt noch, die Ansichten der Theoretiker über Udätta, Anudätta und Prachaya kurz darzulegen und zu beleuchten. Diese drei Accente oder Accentbegrifie werden am besten zusammengefasst^ da der letztere ohne die beiden ersten gar nicht zu verstehen ist. Ueber die- selben sind die S'ikshds und Prätisdkhyas viel kürzer als über den Swarita. Die Mänd S'. (5, 5.)^) spricht zwar von einem vierfachen Udätta und einem zweifachen Anudätta, aber die übrigen Quellen kennen keine solche Eintheilung; auch werden diese Arten von der Mänd S\ selbst nicht namhaft gemacht. Während man unschwer in den zwei Arten des Anudätta den eigentlichen anudätta und den anudättatara (s.

m<^«l 9^ ^ ^arsRPFf II ? II

Die zwei ersten Verse sind schon früher von Whitney aus dem Commentar zum Atharv. Pr. (S. 154) mitgetheilt worden.

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nachher) erkennt, ist es schwer, nach den bis jetzt zugänglichen Quellen die vier Arten des üdätta zu unterscheiden. Neben dem üdätta figurirt zwar auch ein ud&ttatara^ aber nur als der erste Theil des Swarita (s. den Commentar zu Tditt. Pr. 1, 4L); auch findet sich noch (Mänd. S". 5, 7.) ein upodätta, dessen BegriflF mir nicht klar ist; aber eine vierte Art kann ich nirgends finden, wenn es nicht etwa der prachita sein sollte. Den Üdätta anlangend, so wird er von allen Theoretikern im Ganzen gleichmässig definirt, nämlich als Hochton: uchchäir udättam (PAn. 1, 2, 29. Äth. Pr. 1, 14. TAitt. Pr. 1, 38. Väj. Pr. 1, 108.); ja er heisst geradezu 'der hohe* (uchcha MAnd S>. 6, 1.)^); auch der Name udAtta bedeutet 'erhoben* von der Stimme, wie von der Hand und dem Kopf; er wird auch wirklich durch Erhebung der Hand oder des Kopfes sym- bolisirt. Am ausführlichsten wird sein Wesen und die Art seiner Her- vorbringung in dem TAitt. Pr. beschrieben (22, 9.), wonach Anspannung (AyAma), Härte (dArunya), und Verengerung . der Stimmritze (anutA khasya) dazu erforderlich sind. Das Bik Pr. (187) erwähnt nur AyAma 'Anspannung*. Diese Angaben über die Art der Hervorbringung des hohen Tones scheinen im Allgemeinen physiologisch richtig zu sein, aber sie erklären denselben nicht.

Den Gegensatz zum üdätta bildet der Anudätta, der nicht gehobene,

also gesenkte Ton, der auch durch Senkung der Hand oder des Kopfes symbolisirt wird. Von ihm werden zwei Arten unterschieden, der anudAtta und anudAttatara (PAn 1,2, 40. Schol.). Der erstere Ausdruck ist mehr allgemeiner Art, und begreift streng genommen alle diejenigen Worte und Sylben in sich, die nicht Üdätta oder Swarita sind, und die nicht einem Swarita folgen. Seine durchgreifende Anwendung und Bezeichnung findet sich in den Padatexten der ver- schiedenen Samhitäs. In den Samhitätexten wird er durch den wag- rechten Strich unter der Linie nur bei denjenigen Worten oder Sylben bezeichnet, die einem Üdätta vorhergehen; ist diess nicht der Fall, so wird der wagrechte Strich weggelassen (s. S 22. 23.). Der anudAttatara^

^) la^ ^3^: ^ ?ft^: ^a^: ^ftjf ^^ f

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d. 1. stärkere Anudätta, ist nur auf diejenige Sylbe beschränkt, die einem Udätta oder Swarita unmittelbar vorhergeht ; ein solcher Anudätta erscheint etwas tiefer betont und wird mit mehr Emphasis gesprochen, weil die Stimme einen Anlauf in die Höhe zu kommen nimmt.

Den Anudätta im Allgemeinen anlangend, so wird er durchweg als Tiefton (htcha) im Geg-ensatz zu dem Udätta als Hochton gefasst (Fdn. 1, 2, 30. Väj. Pr. 1, 109. Ath. Pr. 1, 15. Täitt. Pr. 1, 39. Mäni.S'. 6, 1.); aber er ist immerhin ein Ton oder Accent, und durchaus kein Synonym für Accentlosigkeit^ wie man in Europa meistens geglaubt hat. Gelegentlich wird sein Wesen durch andere Namen, wie nighäta (Ath. Pr. 3, 64. Pän. 8, 1, 55. Värtt. 2), nyäsa (Rik Pr. 209), nit/ama {Rik Pr. 208.) u. 8. w. angedeutet, die sämmtlich auf Senkung des Tones hinweisen. Im Täitt. Pr. (22, 10.) wird seine Hervorbringung als durch allmählige Senkung {anvavasarga\ Weichheit {märdavd) und Weite (urutd^ der Stimmritze bewirkt beschrieben, was im Allgemeinen richtig ist.

Von dem Anudätta sowie dem Udätta wird von den S'ikshäs und Prätisäkhyas der sogenannte Prachaya^ d. i. Anhäufung (weil sich oft mehrere Sylben derart folgen) unterschieden (När. S". 2, 7, 7. 8.M Mänd. 5, 6. 7. Väj. Pr. l, 150. 4, 138. 139. Ath. Pr. 3, 71 74. Täitt. Pr. 21, 10. 11. RikPr. 205—9), während Pänini ihn da, wo die andern Quellen ihn als nothwendig anerkennen^ nur als Anudätta im All-

1) ^flrticMiinii infk T^^rmw^ .5" ^rftfr: %«rat 'i^ ^ rnr f^i^rm^ii

Hiemit stimmt im Wesentlichen die Stelle der Mänd. S'. (5, 6. 7.), die ich ebenfalls hersetze, obschon dieselbe in beiden Handschriften sehr verdorben ist.

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gemeinen fasst (1,2, 39.). Der Name prachaya oder prachita kommt zwar nur in der Mänä. und När. S". und den Rik und Täitt. Pr. vor, aber das Wesen desselben wird von allen Quellen genau auf dieselbe Weise definirt. Dieses besteht darin, dass die dem Swarita folgenden accentlosen Sylben doch den Ton des Udätta haben (udättas ruti) oder Udattaartig (uddMamaya) sind. Diess geht so lange fort, bis wieder eine Udättasylbe kommt; die diesem unmittelbar vorhergehende Sylbe hat dann nothwendigerweise den Anudättastrich. Beisp. Rv. 10, 75, 5:

Samh. ^ ^ TFt 115^ W^^_ ^t^: Pada: 1?T % »ft ^

t11«m ^^(\- Hier folgen auf wie, das den Swarita hat, drei Vo- kative, welche im Ganzen neun Sylben umfassen ; alle sind im Prackaya- tone, d. h. lauten wie Udätta, ohne es zu sein, bis auf die letzte ti, welche den Anudättastrich hat, weil sie den nächstfolgenden Udätta auf SU einleitet. Im Padatexte haben diese Sylben alle den Anudättastrich, was anzeigt, dass sie bei der Padarecitation nicht den Prachaya-^ son- dern den Anudätta- Accent haben. Jener kommt dort nur denjenigen Sylben zu, welche in demselben Worte einem Swarita folgen. Nach dem Rik Prät. (206) war das Eintreten des Prachaya nach dem Swarita von einigen Lehrern auf die nächstfolgenden beschränkt und bei den letzten Sylben der Anudätta gestattet. Auch war Meinungsverschiedenheit

über die Accentuation des Wortes, das im Padatexte auf 5^(f1 als Wie- derholung folgt ; Vyäli verlangte in einem solchen Falle für die zunächst folgenden Sylben den Prachaya^ wenn noch im Worte Udätta oder Swarita folgen (Rik Prät. 209.); nach Känva dagegen soll der auf iti folgende Accent in diesem Falle gesenkt, also Anudätta sein (VAj. Pr. 1, 149.); folgt dagegen kein Udätta, so gestattet auch er den PracAaya. Auch waren die Accentlehrer nicht einstimmig über die Betonung jeder einzelnen Mora einer aus drei Moras bestehenden PracÄayasylbe. Während Vyäli in solchen Fällen allen dreien den Prachayaion giebt, lehren wieder Andere, dass die letzte Mora wenigstens in zwei Beispielen nyastara^ d. i. tiefer, also anudättatara sind {Rik Pr. 213. 214.); demnach wäre

in Rv. 10, 146, 1 : jftTT.'^ T^T^nT^ das letzte Wort also zu accentuiren: An die Behandlung des Prachaya will ich die der Ekasruti^ auch

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Tdna genannt (Schol. zu V&j. Pr. 1, 130.) schliessen, weil sie häufig damit identifizirt wird. Merkwürdigerweise erwähnen die Pr&Usäkhya selbst nie das Wort, wohl aber einige Scholiasten, die zum Ath. (4, 107.) und Väj. Prät. (4, 138). Dagegen kennt Pänini dasselbe (1, 2, 33), der folgende Anwendungen des J^A^a^W^i- Vortrages namhaft macht:

a) beim Satz mit einem Vokativ, wenn von ferne gerufen wird (ibid.);

b) bei der Opferhandlung, mit Ausnahme des Japa, Nyünkha und der Sätnas (1, 2, 34.). Ausser diesen nothwendigen Fällen des Eintritts der Ekasruii erwähnt er noch mehrere^ wo sie statthaben kann, aber nicht muss, nämlich a) beim Vashatkära (1, 2, 35.); b) bei der Reci- tation der Hymnen (1^ 2, 36.). Ausdrücklich ausgenommen ist die Subrahmany ä-Formel^ in welcher für den Swarita der Udätta, für den in den Vokativen devä und brahmäna dem de und brah folgenden Swarita der Anudätta steht (1, 2, 37. 38.). Zur Ekasruii rechnet er auch die dem Swarita folgenden Anudättasylben (1 , 2 , 39.). Da in diesem Falle die Prätis äkhyas den Prachaya eintreten lassen, so liegt wenigstens für Pänini die Identität beider auf der Hand. Indess möchte ich zwischen beiden einen Unterschied machen und Ekasruti einfach auf monotone Lesung mit Unterdrückung aller Accente, wie sie beim Opfer vorgeschrieben ist, und auch sonst in der Recitation der Wedas gestattet ist, beziehen, während Prachaya die oben gegebene Bedeutung hat und nur nach einer S waritasylbe , also in einem accentuirten Texte eintreten kann.

Nachdem ich nun im Vorhergehenden die Bezeichnung der Accente in den zugänglichen wedischen Texten, die jetzt noch übliche Recitations- weise, soweit ich sie hören oder Erkundigungen darüber einziehen konnte, und die darauf bezüglichen Theorieen der S^ikshäs, Prätis äkhyas und Pänini's so ausführlich als es mir möglich war und thunlich schien, behandelt habe, so erübrigt noch, aus den vorgeführten Thatsachen die Schlüsse über das Wesen und den Werth des wedischen Accents zu ziehen. Hier kann ich mich um so kürzer fassen, als schon im Vor- hergehenden bei verschiedenen Gelegenheiten Andeutungen über das

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wahre Wesen desselben gegeben sind, und die Hegründung einer neuen^ von der in Europa bis jetzt gang und gäben abweichenden Anschauung darüber bereits eingeleitet ist. Wie jeder aufmerksame und nicht zum Voraus eingenommene Leser gefunden haben wird, habe ich den Nach- weis geliefert, dass die Bezeichnung und Recitation der Accente, wie sie jetzt noch üblich ist, in vollkommener Ueberein Stimmung mit den Lehren der Theoretiker steht, ja dass jene Recitation diesen geradezu zu Grunde liegt, und sich dazu wie die Praxis zur Theorie verhält. Alle Schwierigkeiten^ die den europäischen Gelehrten die indische Accent- theorie bis jetzt bot, glaube ich damit vollständig beseitigt und dadurch den Nachweis geliefert zu haben, dass man dieselbe einfach desswegen theilweise verworfen und die jetzt noch übliche Recitation für eine moderne, das ursprüngliche Wesen des Accents verwischende Aenderung erklärt hat, weil man sie bei uns nicht verstehen konnte.

Es sind hauptsächlich zwei Punkte, welche ein richtiges Verständniss des indischen Accentsystems erschwerten: die Verkennung des poetischen Accents in seinem Unterschied von dem prosaischen und damit der Natur des Swarita, und die Annahme, dass der Udätta dasselbe sei, was bei uns der Sprachaccent ist« Schon die Vergleichung des griechischen Accents, der die passendste Parallele bot, weil dort ebenfalls drei Töne (zoyoi) o^g, ßa^vg und TjBQiOTidfisvog unterschieden werden, konnte lehren, dass der wedische Accent nicht den ursprünglichen Accent des Sanskrit, als es eine gesprochene Sprache war, darstellen kann. Denn wenn auch die Definitionen der drei Accente bei den Griechen und Indern voll- kommen übereinstimmen, so ist die Entstehung und Anwendung de& dritten Accents, des Swarita oder Perispomenos , bei beiden grund- verschieden. Im Griechischen steht der Perispomenos nicht nach dem Acut, wie er im Weda stets nach dem Udätta steht, sondern ist ein ganz selbstständiger Accent, was er im Weda nie ist (denn der von Roth eingeführte sogenannte selbstständige Swarita existirt gar nicht, wie wir oben S. 75 fiFg. gesehen haben), da er dort stets von einem entweder deutlich ausgesprochenen oder durch Contraction zweier Sylben mit dem ihm regelrecht folgenden Swarita verschmolzenen Udätta ab- hängt. Auch wird der Acut nie durch den Gravis erst eingeleitet, wie im Weda der Udätta durch den Anudätta. Der wedische Accent erscheint

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schon nach allen Beschreibungen, die wir davon haben, auch abgesehen von der Kenntniss der jetzt noch vorhandenen Recitation viel zu com- plicirt und gekünstelt, als dass er je der Accent einer gesprochenen Sprache sein konnte, während der griechische so einfach ist, dass man keine Bedenken hegen kann, ihn nicht bloss als dichterischen, sondern auch als Sprachaccent gelten zu lassen. Im Weda stehen die drei Ac- cente in unmittelbarer Wechselwirkung, wobei der Udätta in der Mitte steht, der Anudatta unmittelbar vorhergeht und der Swarita ihm sofort folgt. Der Udätta ist der Regulator; ob und wo der Anudatta oder Swarita zu stehen hat, hängt ganz von ihm ab. Kennt man die Udättasjlbe, so weiss man sofort, auf welche Sylben man die beiden andern Accente zu setzen hat. Im Griechischen steht jeder der drei Accente für sich; keiner hängt vom andern ab, wenn sie auch bestimmten Gesetzen folgen, wonach z. B. der Acut nie über die drittletzte Sylbe, der Circumflex nie über die vorletzte Sylbe zurückgesetzt werden, und der Gravis nur am Ende stehen kann. Die griechischen Accente muthen dem Sprechenden keinen unnatürlichen Vortrag zu, wohl aber würden es die indischen thun. Die Aussprache von drei aufeinanderfolgenden Sylben in der Art, dass die erste einen starken Tiefton, die zweite einen Hochton, die dritte einen Schleifton hat, dessen erster Tbeil höher als der Hochton ist, der zweite ihm gleich ist oder etwas tiefer sich senkt, ergiebt sofort eine melodische gesangsartige Recitation, die nie beim Sprechen einer Sprache, sondern nur beim Vortrage poetischer Stücke zur Anwendung kommen konnte. Und dass es in derXhat so ist, zeigt die noch jetzt übliche Vortragsweise der Wedas, wie ich sie im zweiten Abschnitt beschrieben habe. Die gegen die Richtigkeit und Ursprüng- lichkeit derselben gemachten Einwendungen habe ich schon in der Ein- leitung (15 ffg.) beseitigt. Will man jene Recitation verwerfen, so muss man auch alle Angaben der Grammatiker der S'ikshäs und PräU-' s&khyw über die Aussprache der Accente verwerfen und die in den Handschriften übliche Accentbezeichnung , wonach die wirklich accen- tuirte Sylbe unbezeichnet gelassen wäre, für ganz absurd halten, denn die Theorie stimmt hier vollständig mit der Praxis in Wort und Schrift überein. Soweit können und wollen indess die Gegner der jetzt noch geltenden Recitationsweise als der ursprünglichen nicht gehen;

sie wollen einzelne Angaben der Theoretiker annehmen, andere^ die sie nicht begreifen können, einfach verwerfen; daneben scheinen sie die Accentbezeichnung selbst ganz in der Ordnung zu finden, während sie jedem Andern unnatürlich erscheinen müsste; auch alle Angaben Pänini's über die Sylbe der einzelnen Worte und Wortformen, die den üdätta haben, scheinen sie als richtig anzunehmen. Diese Art und Weise wirklich alte Ueberlieferungen zu behandeln, ist indess sehr gefährlich, da solche Kritiker dann leicht in den Fall kommen, das Wesen des Ganzen zu verkennen und misszu verstehen.

Ausser den hier gegebenen allgemeinen, auf die Aussprache, die Uebereinstimmung aller Quellen der Ueberlieferung , und Vergleichung mit dem Griechischen gegründeten Erwägungen, dass der Udätta nicht als der wirkliche Sprachaccent zu betrachten sei, will ich noch einige speziellere Gründe dagegen anführen.

1) Die Sylben, die den sogenannten ProcAa^aton (s. oben 90) haben, werden in Theorie und Praxis als udättaartig behandelt, d. h. mit der- selben Tonhöhe, wie der Udätta ausgesprochen. Wäre der Udätta der wirkliche Wortaccent der gesprochenen Sprache, so wäre diess unmög- lich; denn derselbe lässt sich ausser der Hebung der Stimme ohne einen bestimmten Nachdruck gar nicht hervorbringen ; aber ein mehrmaliges nachdrückliches Heben der Stimme oft in Sylben, die sich unmittelbar folgen, wäre so unnatürlich, dass nie ein vernünftiger Mensch so ge- redet haben kann.

2) Die wirkliche Anwendung des Udätta im Weda, wonach haupt- sächlich die Accentlehren der Grammatiker gebildet sind, ist der Art, dass man gewichtige Bedenken hegen muss, ihn als den Wortaccent der gesprochenen Sprache zu betrachten. Während im Griechischen und in jeder anderen Sprache jedes selbstständige Wort auf einer bestimmten Sylbe den Accent trägt, so ist diess im Weda nicht der Fall. Es wird zwar von Pänini gelehrt, dass mit Ausnahme einer Sylbe ein Wort Anudätta sei (6^ 1, 158.), d. h. dass in jedem Worte nur eine Sylbe den Udätta haben könne. Diess ist indess nur als eine ganz allgemeine Re^l zu betrachten, die im Weda manche bemerkenswerthe Ausnahmen erduldet. Hieher gehört namentlich der Umstand, dass das Verbum im Hauptsätze, wenn es nicht zu Anfang eines Verses oder eines kleinern

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. II. Abtb. 13

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Versabschnittes steht, mag die Form auch lange sein, keinen Ud&tta hat, sondern in der Samhita Prachaya ist, in dem Padatexte mit lauter Anud&ttas versehen wird. Steht es aber im Relativsätze, oder ist in demselben Satze eine bestimmte Partikel, wie M^ so hat es einen Udätta. Ebenso verliert das im Vokativ stehende Nomen, ausgenommen im An- fang eines Satzes oder Verstheiles, seinen Udätta selbst für den Fall, dass es zusammengesetzt ist und ein Theil davon den Genitiv hat, z. B. sahdsas putra (Ev. 1,40, 2.); folgen sich mehrere Vokative in demselben Verstheil, so hat keiner den Udätta, als der etwa ganz am Anfang stehende. Während nun das Verbum^ so vielsylbig es auch sein mag, und die Vokative im angegebenen Falle gar keinen Udätta haben, sind kleine winzige Wörtchen, wie hi, it, die so schwach sind, dass sie nicht einmal einen Satz beginnen können, stets damit versehen ; it functionirt sogar vielfach nur als eine Art Verstärkungspartikel, und ist seinem ganzen Wesen nach rein enklitisch , sowie das griechische ye oder t€. Da mehrere dieser Wörtchen sich unmittelbar folgen können, so würde es sich seltsam ausnehmen, diese alle mit Nachdruck zu betonen, und darauf folgende Reihen von BegrifFswörtern unbetont zu lassen ; man vgl. z. B. tvä'm td dh% sahasas putra. Hier muthen Diejenigen, welche den Udätta als den wirklichen Wortaccent ansehen, den Recitirern zu, drei kleine einander folgende Wörtchen, wovon zwei ganz unselbstständig sind, mit Nachdruck zu betonen, und zwei Hauptwörter, wovon das eine im Genitiv, das andere im Vokativ steht, ganz unbetont zu lassen, was ganz unglaublich scheint. Doch damit sind die Schwierigkeiten der Udättatheorie noch nicht erschöpft. Während grosse Wörter und ganze Gruppen gar keinen Udätta haben, tragen andere zwei, wie brihaspdtij tdnündpät^ vdnaspdti; selbst eine blosse Partikel, wie vä'vd, die nicht einmal am Anfang eines Satzes steht, wenn sie auch zur Be- kräftigung dient. Ja nicht bloss zusammengesetzte, sondern auch ein- fache Wörter können unter Umständen^zwei Udättas haben, so namentlich bei der Pluti, z. B. sötnä' ^, dpa' ^ (s. oben S. 26. 27.); aber auch ohne dieselbe, z. pä'nktä'li (S. 31), ja sogar auf einer zusammen* gesetzten Sylbe zweimal, auf dem Vokal und Consonanten, z. B. pasü'n, trisUup (S. 31.).

Rficksichtlich der Sylbe, welche in einem Wort den Udätta trägt,

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herrscht die grösste Willkür. Wie im Griechischen, so ist der Udätta auch im Weda von der Quantit&t ganz unabhängig. Während der Acut im Griechischen indess nicht weiter zurückstehen kann als auf der drittletzten Sylbe, ist seine Stellung im Weda in dieser Beziehung ganz frei; er kann unter einer ganzen Reihe von Sylben die letzte kurze einnehmen, aber auch ganz zu Anfang eines sehr langen Wortes stehen. So hat z. B. hiranyagarhhd den Udätta auf der letzten, ägribhitas' ochishah denselben auf der ersten Sylbe; ja die Schollen zu Pänini (6,2, 74.) führen ein neunsylbiges Wort üddMakapmhpahhanjikä (Name eines Spieles) an mit dem Udätta auf der ersten Sylbe. Will man die Udättasylbe in diesen und vielen ähnlichen Worten mit unserem Sprachaccent be- tonen, so würde sich eine ganz unnatürliche, ja fast unmögliche Aus- sprache dieser und vieler anderer Wörter ergeben, wie namentlich aller augmentirten Verbalformen, da das Augment bekanntlich stets den Udätta hat. Die verschiedenen langen Sylben, die der Udättasylbe ent- weder vorhergehen oder folgen, müssten dann ganz unbeachtet bleiben oder zum Theil gekürzt werden.

3) Im Sanskrit, wie es heutigen Tages noch von Hunderten von Pandits gesprochen wird, die ihre Kenntniss unmittelbarer, nie unter- brochener, durch grosse Lehrer stets aufrecht erhaltener Ueberlieferung verdanken , sowie in den modernen indischen Sprachen ist keine Spur davon erhalten , dass die Udättasylbe den wirklichen Sprachaccent in unserem Sinne des Wortes trug. Diess ist um so auffallender, als die modernen indischen Sprachen mit ächten alten Sanskritworten ganz an- gefüllt sind^ und dieselben seit mehreren Jahrtausenden im Munde des Volkes cursiren. Wenn nun behauptet worden ist, dass das Sanskrit, wenn gesprochen, keinen Accent mehr zeige, sondern ganz monoton klinge, so ist diess nicht ganz richtig. Gewisse Sylben werden auch jetzt noch beim Sprechen mit mehr Nachdruck als andere hervorgehoben; es sind vorzugsweise die laugen Sylben, denen sich der Ton zuwendet; auch wird er mehr nach vorne geworfen, bei mehrsylbigen Worten gern auf die drittletzte Sylbe. So wird z. B. madhyändinaj väjasaneyi, täittiriya, deva, brähmana^ kArayati^ pratishthA, dgni^ gäta^ ddtta u. s. w. gesprochen. Hoch- und Tiefton werden nicht mehr recht unterschieden, sondern die

Sylbe, die den Accent trägt, beherrscht die andere; sind sie kurz und

13*

100

stehen sie am Ende, so werden sie kaum gehört, das kurze a verschwindet sogar fast ganz; so bei brähmana, deva^ welche mit einem starken Accent auf ä und e gesprochen werden.

Dass indess diese Accentuation nicht eine neue Angewöhnung der Pandits ist, sondern ihre Wurzeln im indischen Alterthume hat, zur Zeit als das Sanskrit noch mehr den Charakter einer Volkssprache wenigstens der gebildeten Klassen hatte, %eigt der Accent des S^atapatha Brähmana. Diesen habe ich oben (S. 71) den prosaischen Accent im Gegen- satz zum poetischen der Samhitas und dem musikalischen der Sämas genannt« Hier finden wir die Udattasylbe mit einem Anudättastrich und die dem Swarita der contrahirten Sylbe in der Samhitä vor- hergehende Sylbe ebenso, den Swarita selbst dagegen nie bezeichnet. Dieser ist desswegen auch gar nicht vorhanden. Die indischen Gelehrten haben den grossen Unterschied beider Accentuationen wohl bemerkt, und Gesetze über die Verwandlung des Samhitäaccents in den Brähmana- accent aufgestellt, die einfach dahin gehen, dass der Udätta und Swarita in den Anudätta verwandelt werden, vorausgesetzt, dass sich nicht mehrere Udättas unmittelbar folgen^ in welchem Falle nur der letztere den Anudättastrich habe (siehe mehr oben S. 44), und umgekehrt der Anudätta in den Udätta. Diese Regeln können nur auf die wirkliche Recitation des Brähmana gegründet sein, der die Bezeichnung entspricht. Da der Anudättastrich durch Senkung der Stimme, oder der Hand, oder des Kopfes ausgedrückt wird, so haben wir hier ganz deutlich einen gesenkten Ton vor uns, der ohne Emphasis gesprochen, die dem wirk- lichen Wortaccent folgende Sylbe, mit derselben aber den Wortton ausdrückt, in welchem Fall die folgende Sylbe tonlos wird. Ver- anschaulichen wir nun durch Beispiele die Aussprache des poetischen in seinem Verhältniss zum Brähmanaaccent ; brähmana wird in der

Samhitä also gesprochen: J jzxzE , im S'atap. Br. ^ ^ j^E;

-^— ^ bran^md-na brdh-ma'-na

viryam lautet also : S. J. ^ #""— , im Br. ^^ . Jetzt werden diese

viryam viryam

Worte brähmana^ viryam ausgesprochen, was in Uebereinstimmung mit der prosaischen Recitation ist. Der ganze S'atap. Br. Accent sieht in- dess etwas kunstgerecht zugeschnitten aus; das Bestreben den Prosa- accent in einen gewissen Einklang mit dem Recitationsaccent der Sam-

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hitä zu bringen, leuchtet durch. Hiebe! ist der merkwürdige Umstand zu beachten, dass, wenn sich oft mehrere Udättas folgen, nur der letzte mit dem Änudättastrich versehen ist; sind es sehr viele, etwa 6 oder 7, so steht zur Abwechslung unter dem vierten der Strich. Auch dieser Umstand spricht durchaus nicht fär die Annahme, dass der Udätta der wirkliche Sprachaccent gewesen ist.

Kann man nun durch nichts beweisen, dass der Udätta der wirk- liche Wortaccent im Sanskrit war, so lange es als Sprache lebte, so entsteht die natürliche Frage : warum wurde die UdättasyJbe so sorgsam bei jedem Worte bemerkbar gemacht, dass er von zwei Accenten be* gleitet werden musste, von denen der eine ihn einleitete, der andere ihm folgte, wenn sie nicht den Wortaccent trug? Wie kommt es ferner, dass in dem verwandten Griechischen oft genug dieselbe Sylbe den Acut trägt, die im Weda den Udätta hat? Wie ist es zu erklären, dass die Sylbe oft beim Fortrücken des Udätta verkürzt wird, wenn er kein Wortaccent ist?

Diese Fragen will ich nun kurz durch Darlegung meiner Ansicht über den Udätta beantworten. Er ist einfach ein Steigen der Stimme um ein oder zwei Töne, und entspricht so ziemlich dem, was die grie- chischen Grammatiker über die Aussprache der oieta und ßagela nQostpdia, d. i. des Acut und des Gravis, berichten. Dinonysius von Halicarnassus sagt bei seiner Vergleichung der Melodie der Rede mit der des Gesangs (JDe compos. verb. Cap. 11, S. 126 135. Edid. Schäfer), dass, wenn die Stimme zum Acut sich erhebe, sie nicht höher als um drei und einen halben Ton (^9ia nevre) stiege, und wenn sie sich zum Gravis senke/ nicht tiefer als um dieses Intervall falle; beide könnten jedoch auf einer Sylbe mit einander verbunden werden, was dann die ne^ianiofiirri nQogtp^iaj d. i. den Circumflex ergiebt. Dabei werde aber die Quantität wohl unterschiedön. Würden die Verse gesungen, so würden die Accente geändert, die Intervallen {ßiaarrifia) seien viel mannigfaltiger, und die Quantität oft umgekehrt. Hieraus sieht man klar, wie auch schon James Hadley*) bemerkt hat, dass Dionysius den Accent nur als eine Verschie-

1) In seiner trefiflicben Abhandlung on the Nature and Theory of the Greek Aceent in den Transadions of the American Philological ÄssoeiaHon, 1869-^70.

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denheit von Höhe und Tiefe, die sich in dem regelmässigen Intervall von 3y2 Tönen bewegt, fasst, und gerade in dieser Beständigkeit des Intervalls den Hauptunterschied von der Musik sieht, worin eine Reihe von Intervallen, bald grösser bald kleiner, angewandt würden. Von einem Nachdruck, der auf dem Acut liege, sagt er nirgends etwas. Diess ist aber gerade der Hauptpunkt bei dem, was wir jetzt den Sprach- accent nennen; denn gerade dadurch unterscheidet sich in den modernen Sprachen die Accentsylbe von den vorhergehenden und nachfolgenden, während das Steigen der Stimme bei der Aussprache derselben nur un- bedeutend und wenig merklich ist Niemand wird desswegen den Unter- schied der Rede von der Musik im modernen Europa in der von Dic- nysius angedeuteten Weise nur auf ein bestimmtes Tonintervall zurück- führen wollen, da er ganz anders bestimmt werden müsste.

Hält man die schon so oft hervorgehobene Identität des Udätta mit dem o^vg fest, so darf man sich gar nicht wundern, wenn derselbe ebenfalls ohne Emphasis gesprochen wird, und sein Unterschied vom Anudätta nur in einem einfachen Steigen der Stimme besteht. Das Intervall zwischen beiden Accenten dürfte aber kaum mehr als einen Ton betragen; manche Recitirer lassen zwar die Stimme um fast 2 Töne steigen, aber eine bestimmte Vorschrift ist darüber nicht vorhanden. Wenn der Ton im Udätta nicht so hoch steigen kann wie im griechischen Acut, so liegt der Grund davon einfach in der Natur und Anwendung des Swarita, der vom griechischen Circumflex verschieden ist, da in jenem die Stimme noch höher steigen soll, um dann sofort wieder zu sinken.

Wie die Vergleichung mit dem altgriechischen Accent auf der einen und die mit unserem modernen Accent auf der anderen Seite zeigte müssen wir einen merklichen Unterschied zwischen der Accentuation im Alterthum und der der modernen Zeit annehmen, der auf völlige Verschiedenheit des Charakters beider hinauszulaufen scheint. Zur Er- klärung dieser auffallenden und für die Linguistik sehr merkwürdigen Erscheinung sind nun diejenigen jetzt noch lebenden Sprachen von grösster Wichtigkeit, in denen beide Arten zwar vereinigt, aber wohl auseinandergehalten vorkommen. Das instructivste Beispiel in dieser Beziehung bietet das Chinesische, namentlich in seinen vielen Provinzial-

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und Lokaldialekten. Hier haben wir die Intonationen (shing) deutlich vom Wortaccent zu unterscheiden. Alle die mannigfaltigen Intonationen nun, die in den lokalen Dialekten in Folge hoher oder tiefer, kurzer oder langsamer Aussprache und anderer Modifikationen bis zu zwanzig und sogar darüber steigen können, lassen sich auf drei Grundformen zurückführen: den steigenden, den fallenden und den gebogenen Ton, der aus den beiden ersten entsteht und also dem Circumflex entspricht^); diesen wird dann noch der sogenannte ebene Ton {ping)^ wenn die Stimme sich gleich bleibt , beigefügt. Hier haben wir sonach im Wesentlichen dieselben Töne oder Intonationen wie im Weda und im Griechischen^ wo auch der ebene Ton nicht fehlt, wohin der 'Mittelton* (bei Aristoteles , Bhetor. 3, 1 , 4.) der Griechen , und der Prachaya des Weda gehört. Wenn nun im Chinesischen, wo jedes der einsylbigen Wörter, aus denen die ganze Sprache besteht, eine bestimmte Intonation mit einer bestimmten Bedeutung hat, mehrere solcher Wörter zu einer Einheit verbunden werden, so tritt ein Wortaccent ein, der nur auf einem der zusammengehörigen Wörtchen ruhen kann« Gewöhnlich findet er in Gruppen von zwei oder drei oder auch vier Monosyllaben statt, wo er im Dialekt von Peking meist auf das letzte, in andern dagegen auf das erste fällt, ausgenommen wenn es eine Partikel oder ein en- klitisches Wort ist, die nie den Accent haben. Wenn die Gruppe, die durch einen Accent verbunden ist, über drei, aber weniger als fünf Worte enthält, so tritt noch ein secondärer Accent ein, der auf dem ersten Wort derselben steht; bei solchen von vier und fQnf Worten kann derselbe auch auf der zweiten Sylbe stehen. Wo immer der Ac- cent aber auch stehen mag, so ist er stets von der Intonation ganz unabhängig; je nach der Stellung des Monosyllabes in der Gruppe kann der Accent auf dem ebenen, steigenden oder fallenden oder gebogenen 'Tone ruhen. Einige Beispiele sollen das Gesagte erläutern. *tsau fan Frühstück; hier hat das erste Wort den aufsteigenden (shang^^ dem Udätta ähnlichen Ton, das zweite den absteigenden {Icü)^ etwa dem

1) Siehe die ausführlichen Ausein anderaetzunfcen über die Töne und Tonklassen und den Accent im Sten Kapitel von J. Edkins: Grcmmar of the Chinese CöÜoguiai Language common^ coUed the Mandarin Diäleet (Shanghai 1864), S. 10—84.

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griechischen ßaQvg entsprechenden Ton; aber der Nachdruck, also der Wortaccent, ruht auf dem letzten, hiau fu *mu wörtlich 'ehren Vater, Mutter d. i. die Eltern; hier ruht der Hauptaccent auf ^mu 'Mutter im steigenden Tone, während der Nebenaccent auf Mau 'ehren' im fal- lenden Tone liegt. ^Imi *tst 'Vater*; hier ist 'tei im steigenden Tone = Udätta ein Enklitikum, desswegen ruht der Accent auf *lau, das eben- falls im steigenden Tone steht. Bedeutet die Gruppe aber den berühmten Lehrer des Tao, Laotse, so steht der Accent auf dem letzten, da dieses dann 'Lehrer', 'Meister' bedeutet und kein Enklitikum ist.

Der Accent, der die ganze Wortgruppe beherrscht, bleibt indess nicht immer ohne Einfluss auf die Intonation. Edkins erwähnt^) meh- rere solcher Modifikationen derselben durch den ersteren im Dialekte von Peking. Folgen sich z. B, zwei Worte im steigenden Tone (shang sheng)^ wovon das zweite den Accent hat, so tritt das erste in einen tiefern Ton, der in der Aussprache zum untern steigenden Tone wird; so tritt in ^si *lien 'wasch das Gesicht' das erste Wort, weil es den Ac- cent nicht hat, in einen niederen Ton ein. Liegt der Accent auf dem ersten Worte, so wird die Intonation des zweiten, welche sie auch sonst sein mag, fast ganz geändert, so dass es mit einem niedem einförmigen Tone, etwa wie bei uns die accentlose Sylbe, gesprochen wird; so ver- liert z. B. in .shen *mo 'was'? das zweite Wort, weil es accentlos ist, seinen steigenden Ton, da der Accent auf .shen, das im sogenannten unteren ebenen Tone (hia ping) steht, seine volle Intonation schwächt.

Weitere Parallelen würden das Siamesische, Annamitische, Birma- nische und selbst das Hottentotische ^) bieten; doch halte ich es nicht für angemessen, mich hier näher mit der Intonation und dem Accent dieser Sprachen zu befassen, umsoweniger, als sie nur unvollkommen bekannt sind und nichts eigentlich Neues, im Chinesischen nicht schon Vorhandenes, denselben zu enl nehmen wäre.

Ziehen wir nun den Schluss. Der Udätta, Anudätta und Swarita sind ebenso wie die drei ents|)rechenden griechischen Accente von dem, was wir Sprachaccent nennen, verschieden, und sind eigentlich nur ver-

1) Orammar of the CoUoq. Chinese, S. 18. 19.

2) Siehe Th. Hahn: Die Sprache der Namas S. 23. 24. - W. Bleck: The Library of Sir George Grey. Philology. Vol. I Part. I S. 19. 20.

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schiedene durch bestimmte Intervalle geschiedene Modulationen oder Intonationen der Stimme, wie im Chinesischen und noch vielen andern Sprachen. Im Verlauf der Zeit haben sie sich entweder ganz verloren, während der Sprachaccent sich ganz unabhängig erhielt oder ausbildete, wie im Sanskrit und Latein, oder der eigentliche Sprachaccent hat sich daraus entwickelt, wie im Neugriechischen. Im Letztern heftete er «ich an die Sylbe, die den Acut trug; der Gravis und Circumflex verschwanden völlig und die Quantität wurde missachtet. Dass die Griechen den Acut zum Wortaccent machten, darf gar nicht wundern, da er durch seine auffallende Höhe sehr bemerkbar in die Ohren fallen musste.

Der Udätta oder der Hochton hat sich im Sanskrit Oberhaupt nur durch die Recitation des Weda erhalten. In einer frühern Periodn der Si^rache, noch ehe die Trennung von den Griechen erfolgte, war er gewiss ebenso sehr durch seine Höhe bemerklich, wie der griechische Acut, und steht auch oft genug auf denselben Sylben, was auf eine uralte Verwandtschaft beider Accentsysteme hindeutet. Aber dieselbe wurde durch die Anwendung des Swarita, der ihm regelmässig folgen sollte, abgeschwächt, da die Stimme erst in diesem die volle Höhe er- reichte. Derselbe mag früher im Sanskrit auch als selbstständiger Accent, so gut wie im Chinesischen vorhanden gewesen sein, hat sich aber dort sehr bald als solcher verloren, ähnlich wie er auch in der Schriftsprache des Mandarinen-Dialektes nicht existirt, sondern nur in den Provinzial- und Lokal-Dialekten erhalten ist. Ebenso hatte auch der Anudätta oder Tiefton, so gut wie der fallende Ton im Chinesischen früher eine selbstständige Stelle im Sanskrit; schon frühe sank auch er zu einem Hilfsaccent des Udätta herab Nur die Sylbe, die den Udätta trug, gerade weil sie die hervorstechendste von allen war, blieb bewahrt. Um sie, da sie an sich nicht mit Nachdruck gesprochen wird, und so namentlich durch vorhergehende und nachfolgende lange Sylben leicht verloren gehen konnte, desto sicherer zu erhalten, musste ihr ein starker Tiefton vorhergehen und ein Schleifton folgen. Hiedurch war sie so geschützt, dass der den Weda Lernende sie nicht vergessen konnte, namentlich da Kopf und Hände beim Ausdruck desselben noch zu Hilfe genommen wurden.

Die schöne und melodische Recitation der Wedas, wie sie aus der

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. II. Abtb. 1 4

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Anwendung der beschriebenen drei Accente in der feststehenden Folge resultirt, muss uralt sein und kann uns ungefähr auch einen Begriff davon geben, wie die ältesten Rhapsoden den Homer recitirten; denn wendet man diese Recitation auf die homerischen Gedichte an unter genauer Beachtung der von Dionysius beschriebenen Aussprache der Accente, so ergiebt sich ein sehr schöner wohlklingender Vortrag, der merklich gegen die monotone Lesung jener herrlichen Gedichte seitens der modernen Griechen abslicht. Die alten indischen Poeten {kavaydh), denen wir die wedischen Hymnen verdanken, bildeten diese Recitations- weise kunstgerecht aus, ^) und erst nachdem sie schon Jahrhunderte lang bestand und viele Tausende von Ohren ergötzt hatte», wurden Theorieen darauf gegründet, einzelne Punkte diskutirt und vielleicht auch geändert. Aber im Grossen und Ganzen ist sie als eine ehrwürdige Reliquie einer grauen Vorzeit noch bis auf den heutigen Tag erhalten, und wird, da sie jetzt zur Kenntniss der Europäer gekommen, nicht mehr als Kastengeheimniss aussterben, sondern für immer bewahrt bleiben.

Nun bleibt noch die Frage über das Verhältniss des Sprachaccents in der wedischen Zeit zu den Recitationsaccenten übrig. Hiemit verhält es sich geradeso, wie wir es im Chinesischen gefunden haben. Er ist von diesen ganz verschieden; er kann, wie der chinesische Accent, auf jeder Intonation stehen, gleichviel ob die damit versehene Sylbe den üdätta, Anudätta, Swarita oder Prachaya hat. Spuren davon sind noch genug in den Samhitä-Texten der Wedas vorhanden; diese sind haupt- sächlich die Dehnungen ursprünglich kurzer Vokale, die nicht aus me- trischen Gründen erfolgt sind. Wenn z. B. äthä statt ätha steht, so zeigt diess, dass der Sprachaccent , die eigentliche Emphasis, auf dem auslautenden a lag, obschon es nicht den Udätta hat ; ebenso bei bhünui für bhüma] purüväm für puruvdsu, wo die Anudättasylbe gedehnt ist; chakrimä für chdkrimd, wo der Sprachaccent mit dem Udätta zusammen- triflFt. Andere Spuren des Sprachaccents sind uns in der Kürzung ur-

1) Auch jetzt noch werden Gedichte in Indien von den Poeten selbst in einem singenden Tone vorgetragen. Der Vortrag der Poesie weicht dort überhaupt merklich von unserer Art, Gedichte zu declamiren. ab.

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sprünglich langer Vokale durch Antreten von Endungen, die denselben tragen, erhalten, z. B. emi, imds, bibhärmi, bibhrimäs, kritä u. s. w.^ in welchen Fällen der Sprachaccent zufällig mit dem Udätta zusammenföUt; aber auch die verkürzte oder kurz gelassene Sylbe kann den Udätta tragen, z. B. dhrishta statt dhrishtä (Pän. 6, 1, 206.), jüshta, drpUa (bei den Opfersprüchen, aber auch in den Hymnen zulässig (6, 1, 209. 210.), amrita, wo man den Sprachaccent gewiss nicht auf ri erwartet.

Hiemit glaube ich nun meine Ansicht begründet, und damit die namentlich von Whitney in seiner ^Examination meiner Ansichten über den Sanskritaccent^), die zudem auf ungenügende Angaben meinerseits gegründet war, erhobenen Bedenken und Einwände beseitigt- zu haben.

1) In den Proceeäings of the American Oriental Society 1811^ S. IX— XI.

Verbesserungen.

F&r Väjasaneyi und Vajasaneya, das sich an einigen Stellen eingeschlichen hat, ist überall V^asaneyi, für TäiiHriyd 8., Täittirtya, für Madhyandina, Mddhyandina, fGr Kat^va, Käf}va za lesen.

u*

V

Gonf uc i US

und

seiner Schüler Leben und Lehren.

IV.

öämmtliclie -AuUssprüche von Confucius und seinen

Schülern, systematisch geordnet, !•

Nach chinesischen Quellen

von

Dr. Job. Heinrich Plath.

Abh.d.I.Cl.d.k.Ak.d.Wias.xm.Bd.lLAbtb. 15

IV. Sämmtliclie Ausspuiche von Confucius und seinen

SchtQem systematisch geordnet 1,

Von

Dr. Joh. Heinrich Flath.

A. Allgemeine über Confaclus.

1) Confucius eigene Aeusseruugen über seine Tendenzen

und seinen Charakter.

Ehe wir die einzelnen Aeusseruugen von Confucius und seinen Schülern über Religion, Staat u. s. w. mittheilen, wird es zweckmässig sein, die allgemeinen Aeusseruugen desselben über seine Tendenz und seinen Charakter zu vernehmen. Wir haben zwar schon einige der wesentlichsten Aeusseruugen desselben über seine Tendenz mitgotheilt; hier folgen sie aber vollständiger und wir fügen dem dann noch die Einzelnheiten über seinen Charakter hinzu.

Als Grundsatz können wir von Lün-iü 7, 1 ausgehen, wo Confu- cius von sich sagt : ich überliefere (scho, folge dem Ueberlieferten) und mache (tso, erfinde) nichts; ich habe Vertrauen (sin), liebe das Alte und nehme dabei zum Master (eigentlich stehle) meinen Lao-phang. Diess war nachTschu-hi ein alter weiser Ta-fu der 2 ten Dynastie Schang nach dem Ta-tai Li-ki, nach Andern Lao-tseu. Wir haben schon gesagt, dass er die Einrichtungen aller drei Dynastien studirte, sich aber an die der 3ten Dynastie, der Tscheu, unter welcher er wirkte, hielt. Jenes ergibt sich schon aus den Abweichungen in den Gebräuchen der drei Dynastien, welche im Li-ki, z. B. im Cap. Piao-ki 32 f. 47 v. und 48 uns von ihm aufbewahrt sind. Der Grundgedanke wird an verschie-

15*

I,

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denen Stellen mit einigen Abweichungen angegeben ; wir wollen sie hier vollst&ndiger mittheilen. Lün-iü 3, 14, sagt er: (Die Dynastie) Tscheu blickte auf die zwei früheren Familien (Dynastien), aber wie reich schmückte sie sie aus ; ich folge (daher) Tscheu". Lün-iü 3, 9 sagt Con- fucius: von Hia's Gebräuchen (Li) kann ich reden, aber (das kleine Reich) Khi (worin sie sich erhalten), ist nicht genügend, sie zu bezeu- gen. Von den Gebräuchen der D. Yn kann ich sprechen, aber (das Reich) Sung ist nicht genügend, sie zu bezeugen. Ihre literarischen Denkmäler (Wen) und Weisen (Hien) genügen nicht, das ist der [Grund; genügten sie, so könnte ich sie als Zeugen anführen. Der.Sse-ki B. 47 f. 24 hat die Stelle aufgenommen. Im Tschung-yung S. 28, sagt Con- fncius am Ende: ich erkläre (kann sprechen von) Hia's Bräuchen, aber Khi zeugt nicht genügend darüber; ich studirte Yn's Bräuche; sie be- stehen noch in Sung; ich studirte Tscheu's Bräuche, man übt sie noch, ich folge (daher) Tscheu; im Li-ki Cap. Li-yün 9 f. 49 (8 p. 42 T. 21) u. Kia-iü 6 f. 11 V. auf Yen-yen's Frage: Ob er wohl hören könne, woher der Meister was er über die Bräuche sage, geschöpft habe, sagt Confucius : ich wünschte Hia's Principien (Weg, Tao) zu sehen, drum ging ich nach Khi, es ist aber nicht genügend, sie zu bezeugen; ich habe nur Hia's Zeit (oder Kalender, Schi) erhalten; ich wünschte (der Dynastie) Yn Principien (Weg, Tao) zu sehen, drum ging ich nach Sung, aber es genügte nicht sie zu bezeugen, ich erlangte da bloss das Buch Koan-kien (die Kua des Y-king). Die Bedeutung des Koan und Kien und die Ordnung (Folge) der Zeiten der D. Hia habe ich ersehen. (Dann folgen Einzelheiten). Endlich wiederholt sich diese letzte Dar- stellung auch im Kia-iü 6, 11 v. Hieher gehört noch Lün-iü 15, 10. Sein Schüler Yen-yuen fragt ihn da, wie ein Land zu regieren sei? Confu- cius erwidert: befolge die Zeit-(Eintheilung) der Hia, fahre den (ein- fachen Staats-) Wagen der Yn, trage die Ceremonienmütze der Tschen, bediene dich der Musik Schao von Schün mit ihren Pantomimen, ver- banne die (üppige) Musik des (Reiches) Tschin und entferne die Schmeichler. Im Li-ki Cap. Li-yün 9 f. 46 v. (8 p. 40) seufzt Confucius. Yen- yen fragt ihn, warum er seufze? Confucius antwortet: Das grosse Prin- cip (Ta-tao) blähte unter den drei Familien, aber ich (Khieu) erreichte

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es nicht mehr, indess . meine Absicht geht darauf. Dann schildert er den Gegensatz der alten und der jetzigen Zeit f. 47. u. 48.

Er konnte sich eine Grundveränderung im Wesen der chinesischen Bräuche (Li) nicht denken. Nach Lün-iü 2, 22, vgl. Sse-ki B. 47 f. 24 fragte Tseu-tschang ihn einst, ob man 10 Generationen (das Kommende) voraus wissen könne? Confucius erwiederte: die (zweite Dynastie) Yn stüzte sich auf die Gebräuche der (1.) Dynastie Hia; was davon genommen (sün) oder hinzugethan (i) ist, kann man wissen. Die (Dy- nastie) Tscheu stützte sich auf die Gebräuche der (D.) Yn; was davon hin weggenommen und hinzugefügt worden ist, kann man wissen. Setzte eine (andere Dynastie) die Tscheu fort, so könnte man auch nach 100 Generationen wissen, (wie die Bräuche sein würden). Vgl. noch Li-ki Li-yun 9 f. 46 v. fgg., auch im Kia-iü 32. f. 17.

Von verschiedenen Prinzipien wollte er nichts wissen. Lün-iü 2, 16 heisst es: „man muss sich fremden Principien widersetzen (Kung-hu i-tuen), denn si sind schädlich." Solche fremden Principien, die Meng-tseu bekämpfte, waren z. ß. die Secten Yang-tschu's und Me-ti's Meng-tseu III, 1, 5, 2 VII, 1, 26 u. 2, 26 (L 6. p, 93 und IL 12,- 42). Jener lehrte, man müsse nur sich lieben ; dieser man müsse alle Menschen gleich lieben. Tschung-yung Cap. 30 heisst es dagegen von Confucius: er überlieferte (die Principien) Yao's und Schün's wie die seiner Ahnen (tsu scho), und setzte in Glanz Wen- und Wu-wang (ihre Hinrichtungen). Lün-iü 19, 22 fragt Kung-sün-tschao von Wei Tseu-kung, von wem Confucius gelernt habe? Tseu-kung sagte: Wen- und Wu-wang's Principien (Lao) sind noch nicht zur Erde gefallen ; (tschuy thi), noch sind (sie unter den Menschen). Die Weisen (Hien- tsche) kennen das Grosse derselben, die Nichtweisen erinnern sich des Kleinen, alle befolgen Wen- und Wu-wang's Principien, wie sollte daher der Meister sie nicht haben studiren können? und wozu bedurfte er eines bestimmten (tschang) Lehrer's! Im Tschung-yung Cap. 20 fragt Ngai-kung (von Lu) nach der Regierung« Confucius erwiderte: Wen- und Wu-wang's Gesetze sind auf Bambu-Tafeln geschrieben; so lange Männer von ihrem Sinne herrschten, blüthen die Gesetze; da die auf- hörten, hörte auch die Wirksamkeit der Gesetze auf. Im Cap. 29 sagt er: Die früheren Kaiser verstanden gut das Regieren, aber jetzt be-

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stehen darüber keine Belege (Tsching) ; ohne solche besteht kein Glaube (daran, sin), ohne diesen folgt das Volk nicht. Er betrachtete sich da- her als den Depositär von Wen-wang's Einrichtungen (Ordnungen). liün-iQ 9, 5 erzählt: wie er, als er in Khuang in Noth war, sagte: Da Wen-wang todt ist, ruhen nicht dessen Anordnungen (Wen) auf diesen da (meine Person). Wenn der Himmel diese zu Grunde gehen lassen wollte, dann würde (ich) der Nachfolger des Todten diese nicht über- liefern. Da der Himmel also diese noch nicht zu Grunde gehen lassen will, was können die Leute von Khuang (die ihm nachstellten), mir anhaben ?

Wenn eine Regierung wäre, die mich l^rauchen (anstellen) wollte, sagt Confucius Lün-iü 13, 10, nach einem Jahre vermöchte ich schon etwas, in drei Jahren vollendete ich es (brächte ich eine Reform zuwege) und § 11 sagt er: wenn gute Männer ein Land (Fang) 100 Jahre regieren würden, könnten sie die Schlechtigkeit (tshan) bewälti- gen und die Todesstrafe (scha) abschaffen; das ist ein wahres Wort. §13 hätten wir einen rechten König (Wang) in einer Generation (30 Jahren) würde das Volk human werden. Durch eine Umwandlung (Pien), äusserte er sich Lün-iü 6, 22, könnte (das Reich) Thsi zu einem Reiche) Lu werden und Lu durch eine Umwandlung zu den rechten Principien gelangen. Aber Lün-iü 3, 5 klagt er: Die Ost- und Nord- barbaren (I und Ti) haben einen Fürsten (Kiün), den Chinesen (Tschu-hia) aber ist er abhanden gekommen (wang) und zuletzt verzweifelte er am Erfolge. Lün 7, 5 heisst es: wie ich'verfalle; seit lange träume ich schon nicht mehr von Tscheu-kung und 9, 8 (12) sagt er: Der Fung- (HoangJ kommt nicht, der Hoang-(Ho) sendet nicht (die Tafel) Thu, es ist aus mit mir und 9, 13 (21) äussert Confucius: ich möchte unter den 9 Ostbarbaren (Kieu-I) wohnen und als einer einwandte, die sind doch sehr roh! erwiderte er: wie kann da (Roheit) sein, wo der Weise wohnt? Im Unmuthe äusserte er einst nach Lün-iü 5, 6 (8), mit dem Principe (Tao) geht's nicht; ich will einen Nachen (ein Floss, fu) besteigen und in See gehen ; der den Muth hat mit mir zu gehen ist Yen* Die- ser (Tseu-lu) war sehr erfreut, als er das hörte, aber Confucius sagte zu ihm: Yeu du bist muthiger (yung) als ich, aber du hast kein Ur-

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theiP). Lün-iü 14,37 klagt Confucius: keiner kennt mich. Tseu-kung sagte, was will das sagen: keiner kennt dich? Confucius sagte: Ich murre (yuen) nicht gegen den Himmel, ich klage nicht (yeu) über die Menschen, unten lerne ich, nach oben dringe ich durch (ta), der mich kennt, das ist der Himmel!

Es lebten in der Zeit mehrere Weise zurückgezogen von der Welt und wollten keine Aemter bekleiden. Im Lün-iü 14, 39 sagt Confu- cius: Weise (Hien) ziehen sich aus der Welt zurück (pi schi), eine n&chste Classe aus dem Lande, die folgende meidet die Blicke (se), eine folgende die Reden. Die das thun, deren sind 7 Männer. Diese nennt er im Lün-iü 18^ 8; es zogen sich zurück aus dem Volke Pe-i, Scho-thsi, Tfi-tschung, I-ji, Tschu-tschang, Lieu-hia-hoei und Schao-lien. Confu- cius sagte, die nicht aufgaben ihre Absicht, nicht verunehrten ihre Terson, der Art waren Pe-i und Scho-tshi. Von Lieu-hia-hoei und Schao-lien sagt man: Sie gaben auf ihre Absiebt und verunehrten ihre

JPerson, aber ihre Reden waren genau im Rechten (Tschung-lün)

-und sorgsam dabei - - - von Yü-tschung und I-yi sagt man : im Ver- l)orgenen weilend waren ihre Reden frei (fang), aber ihre Person rein und sie verfuhren zeitgemäss. Ich bin verschieden von diesen ; ich ^ann nicht und kann auch nicht nicht, d. h. ich bin nach Umständen so oder so. Confucius missbilligte diess aber; das Verhältniss zwischen J'ürst uAd Unterthan dürfe nicht aufgehoben werden. Lün-iü 18, 6 erzählt von einem solchen und sein Gespräch mit Tseu-lu. Als die- ser Confucius davon sagte, seufzte der und sagte : ich kann mich nicht xnit Vögeln und wilden Thieren verbinden, wenn ich den Menschen xicht nachgehen sollte, wem sollte ich folgen ? Hätte das Reich die :xechten Principien (Tao), so würde ich sie nicht zu ändern versuchen. lEr drängte sich aber nicht zu jedem Amte. Als Tseu-kung nach Lün-iü 9, 12 ihm vorstellte: gesetzt ich hätte einen schönen Juwel, werde ich ^en in einem Kasten verbergen oder einen guten Preis dafür i ordern Tind ihn verkaufen? Confucius erwiderte: verkaufe ihn, verkaufe ihn! 4äber ich will warten, bis ich erhalte, was er werth ist. § 7 gibt Nach- geht von einem ähnlichen verborgenem Weisen. Confucius dagegen

1) Die Worte wu so tshiü tshai werden verschieden erklärt s. Legge.

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war nach Lün-iü 17? 5 nicht abgeneigt, selbst einem Rebellen, der in Pe aufstand und ihn berief, zu dienen und sagte, als Tseu-lu ihn dess- halb tadelte, wenn er mich brauchte (anstellte), würde ich da ein Ost- Tscheu gründen. Ebenso war er nach § 7 geneigt, sich dem Pe-hi, der in Tschung-meu aufstand und ihn berief, zu dienen ; Tseu-lu tadelte ihn desshalb: er habe ihm früher gelehrt, der Weise trete nicht in Ver- bindung mit schlechten Menschen. Gonfucius aber meinte, das Harte könne durch das Reiben nicht vermindert, das Weisse, wenn es auch in Koth getreten werde, dadurch nicht besudelt werden; ob er denn meine, dass er eine Wassermelone sei, die man aufhänge, aber nicht esse. Vgl. überhaupt Schue-yuen im I-sse 86, 1 f. 29 und Han-schi Wai-tschuen ebenda f. 29 v. ^).

1) Auch' Mene-Uea's Denkwürdiflrkeiten VII, 33, (IL 13, 38) sohliesaen mit der Klage: Von Yao und Schün bis TschiDg-Thano: waren über 500 [4S9] Jahre; und Kao-yao sahen sie noch und erfuhren so ihre Lehre. Thang vernahm sie und kannte sie so. Von Thang bis Wen-wang waren wieder über 500 [644] Jahre; Y-yn und Lai-tftoha*) sahen jene noch und kannten seine Einrichtungen. Wen-wang erfuhr sie durch Ueber- lieferung. Von Wen-wang bis Gonfucius waren wieder über 500 Jahre. Thai-kung- wang vgl. Meng-tseu IV, 1, 13 und San-i-sang sahen jenen noch und erfuhren so dessen Einrichtungen; Gonfucius kannte sie durch Ueberlieferung. Von Gonfucius bis jetzt sind wieder über 100 Jahre verflossen. Seit der Zeit, wo dieser Heilige lebte, bis jetit ist es noch nicht lange her. Ich bin in der Nähe des Wohnplatzes des Heiligen. Da dem so ist, ist denn da keiner der seine Lehre überliefere? III, 2, 9 (I, 6, 9) und II, 1, 1, 10 (I, 3, 1) sagt Meng-tseu: Als die Dynastien Hia, Yn und Tscheu blühten, war ihr Land (die haiserliche Domäne) nicht über 1000 Li; Thsi besitzt jetzt eben soviel Land; das Krä- hen der Hähne, das Bellen der Hunde hört man gegenseitig, dass es durchdringt bis sa den 4 Grenzen. Thsi hat auch eine genügende Volksmenge dazu ; kein Wechsel zur Erwei* terung des Landes ist nöthig, kein Wechsel, das Volk zu vermehren; übte einer eine ha- mane Regierung, so könnte Niemfind es hindern, dass er ein Wang würde ; nie zuvor war eine so lange Zeit, dass kein solcher Kaiser erstand, noch war eine so lange Zeit, dass das Volk so unter einer tyrannischen Regierung litt ; noch nie war das ärger als in jetziger Zeit, und doch ist es so leicht den Hungrigen zu sättigen und den Durstigen zu tränken ; Gon- fucius sagt: Der Tugend Lauf ist schneller als ein Regierungsbote der Befehle überbringt. Wenn in jetziger Zeit ein Reich von 10,000 Streitwagen eine humane Regierung führte, würde das Volk sich freuen, wie wenn ein Losgebundener kopfunter aufgehängt war« Dram, wenn nur die Hälfte von dem, was die Alten thaten, gethan würde, würde das Verdienst doch das Doppelte sein und zwar wegen dieser Zeit

*) Die meisten halten ihn für Tschung-hoei, den Minister Thang*s Schu-king 17. 2.

jj .

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Einzelne allgemeine Aeasaerung^en von Confucias über sich sind folgende: Confacius sagte nach Lün-iü 7, 21: Drei Männer» (darunter er) gehen zusammen , sie sind mir Lehrer; ich erwähle ihr Gutes und folge ihnen darin; ihr Nichtgutes meide ich. Er nahm das Gute von Jedem an und 7, 28 heisst es: Mit den Leuten in Hu-hiang ist schwer zu reden. Als ein Barsche von da ihn sah, waren seine Schüler zweifelhaft (ob das etwas nütze.) Er sagte aber: Ich lasss ihn mir nahen (unbekümmert was er thut, wenn er weggeht). Warum so strenge sein? Läutert wo einer sich, mir zu nahen, so nehme ich ihn als geläutert an, garan- tire aber nicht sein vergangenes Verhalten.

15, 30 sagt Confucius: „Ich habe ganze Tage ohne Speise und ganze Nächte ohne Schlaf mit Nachdenken (sse) zugebracht, doch ohne dass etwas dazu kam (wu-i, d. i. ohne Nutzen); nichts kommt dem Studium der Alten gleich" und 2, 4 sagt er: ,,im 15. Jahre ging meine Ablicht auf das Studium (hio) ; im 30. stand ich fest darin ; im 40. zweifelte ich nicht mehr ; im 50. hatte ich die himmlische Bestimmung (thien-ming) erkannt; im 60. folgte ihr das Ohr; im 70. folgte ich nur dem was das Herz wünschte und es überschritt nicht die Regel (kiu)** 7 32 sagt er: „In der Literatur (Wen) bin ich andern gleich, aber, dass meine Person den Wandel eines Weisen, (Kiün-tseu) führe, das habe ich noch nicht erreicht*' und § 33 „für einen vollendeten Weisen (Heiligen, sching) und Humanen (jin) mich auszugeben, das habe ich noch nicht erreicht ; alles was man von mir sagen kann ist, dass ich mich unersättlich übe, es zu wer- den und andere unermüdlich belehre'^ Kung-si-hoa sagte: Eben das konnten wir Schüler noch nicht lernen. 7, 2 sagt Confucius: „Stille sich erinnern, unersättlich lernen, unermüdlich andere belehren, wer that das wie ich? Tugend, ohne sie nicht selbst zu üben, lernen (hio) und es nicht zu disoutiren (kiang), das Recht hören und es nicht üben zu können; nicht gut sein und 'sich nicht bessern zu können, das ist mein Kummer.'* 7, 19 sagt er: Ich wurde nicht mit Wissen (tschi) geboren; ich liebe die Alten (Ku) und studire die fleissig, sie zu erreichen.

Seine Antwort, als der Fürst von Ye nach § 18 und Sse-ki B. 47 f. 18 v. Tseu-lu über Confucius befragte, s. schon in dem Leben des Confucius II, 2, S. 16.

7, 10 sagt Confucius zu Yen-yuen „braucht man ihn (stellt man ihn an), so geht er hin, lässt man ihn, so zieht er sich zurück; nur ich und du sind so'*.

In einem Weiler von zehn Häusern, sagt Confucius Lün-iü 5, 27 mögen sein, die mir (Khieu) an Redlichkeit und Treue (tschung sin) gleich kommen, aber keiner, der wie ich das Studium liebte. Er sagt« nach Lün-iü 15, 2 zu Tseu-kung: Sse glaubst du, dass ich vieles ge- lernt (studirt) und im Gedächtniss habe? Tseu-kung antwortete ja; ist's nicht so? Confucius sagte : nein, ich concentrire nur alles in Einem. Lün-iü 7, 23 sagt Confucius: „ihr (meine) 2, 3 Kinder meint ihr ich verberge euch etwas (yn); ich habe keine Geheimnisse (Yn) vor euch, ich thue nichts, was ich euch nicht mittheile. Ihr (meine) 2 3 Kin- der, so ist Khieu (Confucius)". Tschung-yung Cap. 11 meint Confucius: ;,Dunkles (Yn) erforschen, Wunderbares thun, damit spätere Generatio- nen davon erzählen, das möchte ich nicht". Lün-iü 7, 27 sagt Confu- fucius: Es gibt welche, die ohne es zu wissen (wie nach einem Prin-

Abh. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 1 6

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cipe) handeln ; ich thue nichts so ; ich höre vieles^ wähle das Gute aus und übe es; ich sehe vieles und erinnere mich des Gesehenen; das ist die nächste Stufe zum Wissen. 7, 15 nach Aussen zu dienen dem Fürsten (Kung) und den Ministern (Ehing); daheim dem Vater und äl- teren Bruder; beim Todtendienste nicht unterlassen (alle seine Kräfte) anzustrengen; sich im Weine nicht zu übernehmen, was davon habe (erreiche) ich? § 16: Als er einst oben am Strome stand sagte er: Der Passirende ist wie dieses : er hört nicht auf bei Tag und Nacht.

Lün-iü 9, 2 und daraus Sse-ki 47 f. 26 v. erzählt: ein Mann aus dem Dorfe (tang) Ta-hang sagte : gross ist Confucius, sein Studium tief, nur dass er nichts thut^ seinen Namen berühmt zu machen! Als Confucius diess hörte, sagte er zu seinen Schülern, was soll ich denn noch unternehmen? ergreife ich das Gewerbe eines Kutschers, oder ergreife ich das eines Bogenschützen; ich will das eines Kutschers er- greifen. Die Aeusserung gegen Fan-tschhi Lün-iü 13, 4, er sei kein Landbauer oder Gärtner, ist schon oben erwähnt. 9, 6 heisst es: ein hoher Staatsbeamter (Ta-tsai) fragte Tseu-kung: ist euer Meister nicht ein Heiliger (Sching); wie viele Fähigkeiten hat er doch! Tseu-kung erwiederte: Der Himmel machte ihn allerdings zu einem Heiligen und gab ihm viele Fähigkeiten. Als Confucius das hörte, sagte er: kennt der Beamte (Ta-tsai) mich? Als ich klein (jung) war, war ich in ge- ringen Umständen, drum konnte (vermochte) ich viel; aber (das sind) nichtige Sachen; muss vieles der Art ein Weiser haben? Lao ( oder Tseu-kung, ein Schüler von ihm ) sagte: da ich nicht angestellt war, trieb ich Künste (I). Lün-iü 9, 7 sagt Confucius : habe ich (wirklich) Kenntnisse (Tschi), ich weiss es nichts wenn aber ein Unwissender (Pi-fu) mich fragt, so zeige ich ihm, obwohl er ganz leer erscheint, die Principien (Tuan) und erschöpfe sie von beiden Enden.

Nach dem Lün-iü 7, 24 lehrte Confucius 4 Dinge, Literatur (Wen), einen (tugendhaften) Wandel (Hing), Redlichkeit, (Tschung) und Treue (Sin). Mein Wunsch ist, sagt Confucius Lün-iü 5, 25, den Alten Gemächlichkeit zu gewähren, Treue gegen Freunde zu üben und die Jugend zu lieben. Lün-iu 9, 1 heisst es: Confucius sprach selten vom Gewinn (Vortheil, Li), von der Bestimmung (Ming) und der Humanität

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(Jin), dann 7, 12: Sehr vorsichtig war der Meister bei Fasten, Krieg und Krankheiten und 7, 20 wovon er nicht sprach, das waren Wun- der (Ungewöhnliches, Kuai), Kraftäusserungen (li), Unruhen (loen) und die Geister (Schin). Nach 9, 4 enthielt Confucius sich von 4 Dingen : der vorgefassten Meinung, der Vorurtheile, der Hartnäckigkeit und der Selbstsucht. (Voe-i, Voe-pi, Voe-ki, Voe-ngo). Nach 7, 37 war Confucius mild aber fest ; würdevoll aber nicht harsch ; ehrfurchtgebietend, aber gefällig. Tseu-kung im Lün-iü 9, 10 nennt ihn wohlwollend, aufrichtig, re- spektvoll, artig und nachgiebig, so erlange er Belehrung; seine Art zu fragen sei verschieden von der von Andern. ^) Nach Lün-iü 14, 32 warf Wei-sang-mu ihm vor: Khieu was setzt du dich überall nieder, ist das nicht sich einzuschmeicheln? Confucius erwiederte: ich wage nicht mich bei Menschen einzuschmeicheln, aber ich hasse ein störri- sches Wesen. Confucius sagte: man rühmt ein schönes Pferd nicht wegen seiner Stärke, sondern wegen seiner Gelehrigkeit und weil es flieh handhaben lässt. In meinem Verkehre mit Menschen, sagt er Lün-iü 15, 4, wen verletze ich? und wem sage ich Böses nach? wen lobe ich über Gebuhr? wenn ich einen preise, muss ich ihn vorher geprüft haben. Dieses Volk ist die 3 Dynastien hindurch den rechten Weg (Tschi-tao) geführt worden, wie sollte ich anders verfahren ? Confucius sagte nach Lün-iü 5, 24: Tso-kieu-ming schämte sich seiner Reden und einer befohlenen (schönen) Haltung und zeigte genügenden Respekt (Kung); ich (Khieu) schäme mich auch dessen. Eines Feind sein und mit ihm freundlich (als Freund) thun, schämte er sich auch.

2. Allgemeine Aeusserungen von Schülern und Zeit- genossen des Confucius über ihn.

Die Vergleichung des Confucius mit seinen Schülern im Kia-iü 15 f. 16 s. schon in Abth. III.

1) Im Lün-iü 1, 10 und Sse-ki 67 f. 7 v. fragt Tseu-kbin Tsen-kung, wenn Meister in dieses Reich kommt, fragt er gewiss nach seiner Verwaltung ; geht er einen darum an oder tbeilt dieser ihm den Aufschluss von selbst mit?

Tseu-kung sagte: Unser Meister ist milde, gut, leutselig, respektvoll, massig und nach- giebig (wen, liang, kung, kien, jang) ; Meisters Nachfrage ist verschieden von der Anderer.

16*

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Einige Aeusserungen seiner Schüler und Zeitgenossen über ihn ha- ben wir oben schon gelegentlich angeführt; die Tseu-kung's sind etwas überschwänglich. Als Tsea-kung von einem gelobt und des Confucius würdig genannt wurde, erwiederte er nach Lün-iü 19, 23: wir können mit einer Palastmauer verglichen werden, meine Mauer reicht nur bis zur Schulter, blickst du hinüber, so kannst du alles Gute im Hause sehen; Confucius Mauer ist aber mehrere Faden (Jin) hoch; trittst du nicht in das Thor hinein, so kannst du die Schönheiten des Ahnentem- pels und den Reichthum (reichen Anzug) aller seiner 100 Beamten nicht wahrneh\pen* Aber die seine Thüren erreichen, deren sind nur wenige. Meisters Aeusserung war die nicht billig? Scho-sün-wu-scho hatte nach § 24 Confucius herabgesetzt. Tseu-kung sagte: das ist unnütz ; Tschung-ni kann nicht herabgesetzt (hoei, eigentlich vernichtet) werden. Andere Weisen (Hien) sind wie Hügel und Berge, über die man setzen kann; aber Tschung-ni ist eine Sonne und ein Mond, die nicht überschritten werden können. Will ein Mensch sich auch von ihm losreissen, wie kann er Sonne und Mond verletzen (schang, eigentlich verwunden) ; er zeigt nur, dass er sich selbst nicht zu bemessen (fassen) weiss und §25 sagt Tseu-kung: als Tseu-khin meint: Du bist zu ehrerbietig (kung), wie sollte Tschung-ni weiser (hien) sein als du? aus einem Worte erkennt man den Weisen (Kiün-tseu) als einen Wissenden (Tschi), aus einem Worte als einen Unwissenden. Unsere Worte können daher nicht sorgfältig genug sein. Der Meister kann nicht erreicht werden, wie der Himmel nicht mit einer Leiter erstiegen werden kann. Erhielte (unser Meister) ein Reich (Lehen, Pang) oder ein Haus zum Einrichten (Li), so würde er es aufrichten ; leitete er das Volk, so würde es gehen ; fasste er die Zügel, so kämen sie; bewegte er sie, so wären (lebten) sie in Harmonie (Ho); sein Leben wäre glanzvoll, sein Tod betrauert; wer vermöchte ihn zu erreichen? 5, 12, auch im Sse-ki B. 47 f. 26, sagt Tseu-kung: Des Meisters Schmuck und Glanz (Wen-tschang) kön- nen wir wohl hören (lernen), aber wenn er von der Natur (Sing) und den Wegen des Himmels (Thien-tao) spricht, das haben wir noch nicht erreicht zu hören (begreifen). Meng-tseu II, 1, 2, 26 fg., (I, 3, 2 p. 43) stellt mehrere Ansprüche dreier seiner Schüler zusammen: Tsai-ngo sagte: betrachte ich den Meister, so ist er weiser als Yao und Schün;

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Tseu-kung sagte : siehst du seine (eines Fürsten) Gebräuche, so kennst du seine Regierung; hörst du seine Musik, so kennst du seine Tugend; von 100 Generationen her, von der ganzen Reihe der Könige der 100 Generationen wird mir keine entgehen; seit aber das Volk enstand bis jetzt, gab es noch keinen (solchen) Meister (Fu-tseu); Yeu-yo sagte: was der Ki-lin unter dem laufenden Wild (Vierfüsslern), was der Fung- hoang (chinesische Phönix) unter den fliegenden Vögeln, was der (Berg) Thai-schan unter den Hügeln und Ameisenhaufen, was der (Hoang)-ho und das Meer (im Verhältniss) zu den rinnenden Bächen, das ist der Heilige (Sching im Vergleiche) zum Volke; dieselbe Art ist es, aber er tritt heraus aus seiner Art (Lui), er (schiesst empor) aus dem Haufen der Pflanzen. Seit Völker entstanden bis jetzt gab es noch keinen, der 80 vollkommen war als Confucius. Zu Anfang des §23 erhebt Meng-tseu auf die Frage seines Schülers Kung-sun tscheu über die alten Weisen Pe-i und I-yn, (ob die mit Confucius von gleichem Range seien) ihn und er meint, seit Völker entstanden bis jetzt gab es noch keinen Confucius. Auch II, 12, 40 p. 169 preiset er ihn in ähnlicher Weise. Etwas inhaltreicher ist das Lob des Confucius von Yen-yuen Lün-iü 9, 10, auch im Sse-ki 47 f. 26 v.: voll Bewunderung sagt er seufzend, wenn ich aufblicke, wie hoch ist sie (seine Lehre) ; wenn ich durchdrin- gen (durchbohren) will, wie fest ist sie; sehe ich hin, so ist (steht) sie vor mir und plötzlich ist sie hinter mir; der Meister führt mich stu- fenweise, erweitert mich (meinen Geist) durch die Literatur (Wen) und bindet (restringirt) mich durch die Bräuche (Li«) Will ich anhalten, so kann ich nicht; habe ich meine Talente (Tsai) erschöpft, so steht sei- ne Lehre immer aufrecht vor mir. Wünsche ich auch ihm zu folgen, 80 kann ich es nicht. Kia-iü Cap. 20 f. 30 enthält auch noch das Lob von Confucius von Tseu-kung und Yen-hoei; die Stelle schon im Leben des Confucius 11, 2 S. 22, vgl. Amiot p. 344 fg. Der Schue- yuen im I-sse 95, 2, 17 v. führt noch ein Gespräch Tseu-kung's mit King-kung von Thsi und ein anderes desselben mit Schao-kien-tseu über Confucius an. Ersteres hat etwas abweichend auch Han-schi Wai- tschuen ib. f. 17, vgl. auch Kia-iü 39 f* 6 fg.; die Stelle Tseu-yeu's im Schue-yuen 15, 3, 18, schon im Leben des Confucius II, 2 S. 86.

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Stimmen Anderer über Confucius. Der Lün-iü 3, 24 (31) erzählt: Der Grenzaufseher (Fung-jin) ^) von I wünschte Confucius aufzuwarten; wenn Weise hiehergekommen, habe er sie immer gesehen (besucht). Confucius Gefolge (tsung-tsche) führte ihn nun bei diesem ein. Als er herauskam, sagte er; ihr 2 3 Männer, was seid ihr be- kümmert, dass er seine Stelle verloren; das Reich ist schon lange ohne den rechten Weg (Tao, d. i. in verwirrtem Zustande), aber der Himmel macht aus eurem Meister eine Schelle (Mo-to, womit man das Volk zusammenberief.)

Andere urtheilten ungünstiger über ihn und seine Tendenzen. So Lün-iü 18, 5, Amiot p. 350 der übermüthige Tsie-yu aus Tsu-fang (schon im Confucius Leben II, 2 S. 30) u. Tschang-tsin Kie-ni (ebenda S. 17 nach Lün-iü 18, 6, vgl. Amiot f. 333). Lün-iü 14, 34 Wei- seng-men (wohl ein alter Mann) sagte zu Confucius: Kien, was sitzest du auf dem Wimen (si, das Abendholz), machst du nicht den Schwätzer ? Confucius sagte: Ich unterstehe mich nicht den Schwätzer zu machen, aber ich hasse die Hartnäckigkeit (ku). Als Tseu-lu in Schi-men über- nachtete, fragte der Thorwart nach Lün-iü 14,41 ihn, woher er komme. Tseu-lu erwiederte: von Confucius (Khung-schi). Der Thorwart erwi- derte: der weiss, dass er nichts vermag (pu-kho) und thut (unter- nimmt) es doch. Nach Lün-iü 14, 42, Amiot p. 293 spielte einst Con- fucius den Kin in Wei. Ein Mann ging mit einem Strohkorbe vor Öonfucius Thür vorbei und rief aus, der den Kin spielt, hat doch noch ein Herz, (das Reich zu retten). Am Ende sagte er aber: ein einfältiger Mensch (Pi) und werthlos (Khang); keiner kennt ihn und dus ist genug Talles). Ist (beim Durchwaten eines Stromes) das Wasser tief, so ziehe ich die Kleider bis an die Taille aus ; ist es Hach, so hebe ich die Un- terkleider auf. Confucius sagte: wie entschlossen! Das ist aber in Wirklichkeit zu thun nicht schwer. Die Aeusserung des Thorwartes über Confucius an Tseu-kung Kia-iü 22 f. 35 v., vgl. Amiot p. 328 ist oben schon augeführt; Tschao-siang-tseu's Aeusserung im Schue-juen im I-8se 85, 3 f. 11 s. im Leben Tseu-Iu's in Abth. III; Ngai-kung's an-

1) Amiot p. 292 übersezt irrig: Die Leate Ton I-fang.

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geblicbe Leichenrede auf ihn schon im Leben des Confucius II, 2, S. 83 fg.

Indem wir jetzt zur vierten Abtheilung übergehen und die Aussprüche des Confucius und seiner Schüler nach den Materien^) zusammen stellen, müssen wir auf eine Schwierigkeit noch aufmerksam machen, dass namentlich im Li-ki noch manche Aussprüche des Confucius enthalten sein mögen, bei welchen er nur nicht genannt wird; so Li-ki Kio-li Cap. 1, f. 32 v, während er Li-ki Tsa-ki Cap. 20 f. 76 bei derselben Sache genannt wird; ebenso Li-ki Cap. Wang-tschi 5 f. 27 V., während er im Kia-iü Cap. 31 f. 16 dabei angeführt wird; so auch im Li-ki ib. f. 28 30, verglichen mit Kia-iü Cap. 31 f. 16 v. fg. und im Li-ki Cap. Li-ki 10 f. 11, während im Cap. Tsa-ki hia 2 1 f. 81 V. er dabei genannt wird; ebenso Li-ki Cap. Sang-fu 49 f. 71 v. fg., verglichen mit Kia-iü 26 f. 7 v. fg., wo Confucius angeführt wird

1) Nachdem wir unsere Abhandlung in der Münchner Akademie der Wissenschaften bereits vorgetragen hatten, erhielten wir den Lehrbegriff des Confucius vom rheinischen Missionär Ernst Faber. Hong-kong 1872. Er hat auch die Aussprüche von Confucius und seinen Schülern unter bestimmte Abtheilungen: Wesennatur, Heiliger, die Bestimmung, der Himmel, Geister u. Dämonen, Gott, Weg des Edlen, Studium, das Wissen etc., doch nur die im Lün-iü, Ta-hio und Tschung-yung zusammengestellt. Das Büchelchen ist immer schätzbar, da er die chinesischen Texte mit kurzer Uebersetzung oder auch nur Andeu- tung des Inhaltes mitgeben konnte. Indessen genügen diese Auszüge aus den drei ersten der 4 Bücher doch durchaus nicht, einen yolls tändi ge n Begriff von Confucius Lehren zu geben. Meng-tseu nicht zu erwähnen, enthalten die 3 Commentare des Confu- cius zum Y-king, weniger sicher der Anhang Hi-tse zum Y-king, dann mehrere Capitel des Li-ki und die vielen spätem Auszüge im I-sse noch eine Menge, wenn auch nicht so zu- verlässige als jene, sondern vielfach zweifelhafte, einige sicher apokrüphische Aeusserungen desselben, namentlich der Li-ki viele seiner rituellen Responsa, während Faber S. 1 selbst sagt, sein Lehrbegriff des Confucius sei ausschliesslich ethisch anthropo-* logisch, da jene ausgelassenen doch wesentlich zum Charakter des Confucius gehören.

Was die Beurth eilung des Confucius betrifft, so ist sie S. 2 folg. und 68 f. für einen Missionär ziemlich billig, indess kann, wenn er seinen christlichen Glauben zum Masstab für die Würdigung des Confucius anlegen will, dieses doch nur zu Verkehrthei- ten und einer unpassenden Kritik führen, was die Vergleichnng der Lehre der Confucius mit der christlichen S. 71 f. vielfach thut.

Wir müssen uns mit dieser kurzen Andeutung begnügen; alle von ihm zusammen- gestellten Aussprüche finden sich auch in unseren Abhandlungen und dazu noch die bei ihm vermissten. The life and teaching of Confucius with explan atory Notes by James Legge London 1867, 8^ 116 S. ist nur ein Sonderabdruck seiner Einleitung zu seinen: The Chinese classics, translated into Englisch with Preliminary Essays etc. T. I.

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und Li-ki Kio-li Cap. 1 f. 37, verglichen mit dem Ta-tai Li-ki im I-sse 95, f. 31 V.

Zweifelhaft bleibt auch manchmal, wie weit die Ausführung die des Gonfucius ist, z. B. ob Li-ki Cap. 10 f. 12 fg. p. 54 noch von Confucius stammt, der f. 12 vorher angeführt wird.

Was die Zuverlässigkeit der Ueberlieferung betrifft, so mag noch erwähnt werden, dass im Kia-iü Cap. 21 f. 33 v. z. B. es heisst: nachdem Tseu-tschang. diese Worte des Confucius gehört hatte, ging er fort, um sie aufzuzeichnen und ebenso Cap. 30 f. 15 v. von Yen-jeu. Die Richtigkeit dieser Angabe möchte man freilich bezweifeln.

B. Aussprüche von Gonfucius und seinen Schülern über einzelne

Gegenstände der Lehre.

1) Ueber Religion und Cultus»

Da Confucius und seine Schüler nach allem was wir bisher mitge- theilt haben, durchaus auf dem Jioden des positiven, chinesischen Le- bens und Glaubens standen, so darf man hier keine selbstständigen, eigen- thümlichen, religiösen oder gar philosophischen Ansichten ^) erwarten, nur höchstens einige subjektive Aeusserungen. Wir brauchten daher vielleicht nur auf unsere Abhandlungen über die Religion und den

.1) Gonfacias speoalirte nicht über die Schöpfung oder das Ende der Dinge und kümmerte sich nicht um den Ursprung der Menschen, noch fragte er was nach dem Tode komme. Auf metaphysische Fragen scheint er im chinesischen Geiste sich wenig eingelassen zu ha- ben. Eine solche findet angeblich sich bei Tschuang-tsen im I-sse 95, 8 f. 8 y., aber die- ser, ein Anhänger Lao-tseu^s (36S v.Chr.) ist eine unzuverlässige Quelle; wir geben die Stelle daher nur in der Anmerkung. Yen-khieu fragt da angeblich den Confucius (Tschung-ni) : als es noch keinen Himmel und keine Erde gab, kann man wissen, (wie .es da war, Wei yeu thien thi khotschi ye)? Confucius sagte: man kann es (kho); das Alte war wie das Neue. Ten-khieu unterliess weiter zu fragen und ging weg. Den folgenden Tag, da er ihn wieder sah, sagte er: Gestern fragte ich, als es noch keinen Himmel und keine Erde gab, kann man wissen, wie es da war? Der Meister sagte: Man kann das Alte wie das Neue wissen. Yen-khieu : Gestrigen Tages war es mir klar (tschao), jetzigen Tages ist es mir dunkel (mei.) Ich erlaube mir zu fragen, was besagt das? Confucius sagte: Des vorigen Taget Klarheit war der Geist, der es vorher aufnahm ; des jetzigen Dunkel macht, dass kein

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Cultus der alten Chinesen (a. d. Abh. der Akademie 1863 B. 9 Abth. 3) zu verweisen, wo seine Aussprüche unter andern naturlich auch mit angeführt sind. Indess da sie nicht Jedem zugänglich sein werden und zur Widerlegung -der aoeh vielfach vorbreiteten Ansicht, als ob Confucius selbständig ein religiöses System aufgestellt habe oder gar der Stifter (Gründer) der chinesischen Religion sei, mögen die Aus- sprüche von Confucius und seinen Schülern über Religion und Cultus hier zusammengestellt werden. Wir folgen derselben Ordnung wie in unsern Abhandlungen, sprechen also zunächst vom Himmel und der Bestimmung (Ming), dann von den Geistern, den Ahnen und der Fort-

Geist da ist; es gab noch kein AlteB, kein Jetziges; keinen Anfang, kein Ende; es gab noch keinen Sohn und Enkel; konnte es da einen Sohn und Enkel geben? Yen-khieu antwortete noch nicht und Confucius erwiderte auch nicht. Entsteht nicht aus dem Leben der Tod ; durch den Tod tödtet man da nicht das Leben ? Tod und Leben hat man doch zu erwarten (tai). Alle bilden ein Glied, es gab vor dem Entstehen von Himmel und Erde Dinge (Voe), die Substanz waren Dinge und nicht-Dinge (fei voe). Dinge gehen hervor, aber nicht vor den Dingen und wie es Dinge gab, endete nicht des heiligen Mannes Liebe zu den Menschen und bis ans Ende wird sie nicht aufhören, das entnimmt man daraus. (Alles dies ist wenig klar).

Der Y-king im Anhange Hi-tsel, 1 fgg. T. 2 p. 381 hat so etwas von einer Speku- lation über die beiden Urwesen nach den beiden Kua Kien und Koan: Der Himmel ist das Geehrte, die Erde das Niedrige. Sie repräsentiren die Bewegung und Ruhe, Stärke Und Schwäche; der Himmel liefert die Bilder (Siang, nach Regis rerum specimina ao ve- lut prima lineamenta), die Erde vollendet die Figur. Der Kien gibt nach S. 413 das vol- lendete Männliche, der Koan das vollendete Weibliche. Auch Leben und Tod werden T. 2, p. 444 davon abgeleitet und daraus erklärt.

Cap. 8 p. 433 gibt eine wenig verständliche Zahlenphilosophie. Der Zahlen des Himmels sind 5 (1, 3, 6, 7, 9), zusammen 25; die der Erde auch 6, die graden Zah- len 2, 4, 6, 8, 10, zusammen 30; beide zusammen 55. Durch ihren Wechsel entsteht das Zugrundegehen und Entstehen mittelst der Kuei-sohin. Die vier Jahreszeiten, die 2 Schalt- jahre in 5 Jahren werden auch damit in Verbindung gebracht. Die Zahl des Kien 216 mit denen des Koen 144 geben zusammen die 360 Tage eines Jahres, die Zahl beider Ab- theilungen (Pien) 11,520 die aller (der 10,000) Dinge.

Wir müssen uns auf diese Andeutungen beschränken, da die ganze Ausführung, wie auch P. Regis II p. 541 meint wie der ganze Anhang Hi-tse nicht von Confucius ist. Nur wo der speciell angeführt wird, theilen wir dessen Aussprüche daher vollständig mit. Wäre der ganze Anhang von ihm, so fänden diese sich wohl nicht da. Als einen Aus- sprach des Confucius führt Hi-tse Cap. 8 Art. 8 T. II p. 507 z. B. den an : „Wer den Weg (das Princip, Tao) des Verderbens und der Erzeugung kennt, weiss wie der Geist wirkt", vgl. auch 9," 6. 10, 1. 11, 1 u. 2. 15, 1, 5, 6, 7, 10, 11 u. 13 und 16, 1. Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. IL Abth. 1 7

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dauer, der Befragung der Loose und zuletzt von den Gebeten, Opfern und dem Gultus und speciell vom Ahnendienste.

Der Ausdruck für Gott (S ch ang-ti , d. h. der obere Kaiser); kommt in den Aussprüchen von Gonfucius selten oder gar nicht vor, ausser wo er den Schi-king, Schu-king u. s. w. citirt und bei Späteren ; so im Li-ki Piao-ki C^ 32 f. 44 (26 p. 159), wo er den Schi-king III, 1, 23 anführt Ta-hio 10, 5 wo Schi-king III, 1, 1, 6 angeführt wird, ist kein Anspruch des Confucius. Lün-iü 20, 1, 3, wo Tsching-thang die Ausdrücke Hoang hoang heu ti und bloss Ti braucht, ist nur ein Citat aus Schu-king IV 3, 4, 8; Li-ki, Kung-tseu hien-kiü 29 f. 20 v. aus Schi-king IV 3, 4 u. s. w. Doch hat Gonfucius im Toen zu Kua 50 Ting f. 19 T. II p. 278: Der heilige Mann (Sching-jin) geht mit Erfolg (heng) dem Schang-ti zu opfern (hiang), um mit grossen Erfolge die Weisen (hien) und Heiligen zu ernähren, (hegen) u. s. Bei Lie- tseu aber einem Tao-sse-Philosophen 398 v. Chr. im I-sse 86, 4 f. 37 V. heisst Confucius dem Schang-ti ein weisses Kalb darbringen; 8. unten S. 130 die Geschichte. Im Li-ki 32 t 43 (26 159) sagt Gonfucius: Der Kaiser baut bei der Ackerceremonie den Reis, um dem Schang-ti zu dienen. Siehe auch Li-ki Kiao-te-seng 11 f. 34 v. und Kia-iü 29 f. 12 unten wo Gonfucius Schang-ti neben Thien (Him- mel) braucht. Nur im Tschung-yung 19, 6 erwähnt Gonfucius die Ge- bräuche beim Himmelsopfer am Wintersolstiz (Kiao) und dem der Erde am Sommersolstiz (Sehe), womit man dem Schang-ti diente (Kiao sehe tschi li, so-i sse Schang-ti.)

Y-king Hi-tse I, 9, 4 T. II p. 510 spricht von den Veränderungen und der Bewegung, die in der Welt ohne unser Zuthun geschehen; wenn nicht ein höchster Geist wäre (Tschi-schin), wer könnte das wirken? aber dieser Anhang ist wohl nicht von Confucius.

Die persönliche Auffassung Gottes tritt bei ihm gänzlich zurück. Im Li-ki Ngai-kung wen 27 f. 1 sagt er: sse thien ti tschi Schin, dem

Geiste des Himmels und der Erde dienen« Himmel und Erde sind ihm

wie dem Chinesen überhaupt die Grundwesen. ^)

1) Anmerkung. Im Anhange zum T-king Siü-kna-tschnen f. 26 heisst es: Es gab Himmel

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Vom Himmel sagt Confucius im Tschung-yung 33, 6: des obern Himmels Thun ist ohne Laut und ohne' Geruch (Schang thien tschi tsai wu sching, wu tschheu tschi i). Der Himmel spricht nicht, sondern of- fenbart sich im regelmässigen Gange der Natur und diesen hebt er hervor. Diese Aeusserung stimmt freilich nicht mit denen über den Schang-ti. Es ist jenes die mehr philosophische Auffassung, dieses die menschliche.

Doch ist die regelmässige Ordnung der Natur mitbedingt durch das Verhalten der Menschen. Im Kia-iü 25, 3 sagt Con- fucius: Wenn das Volk den rechten Weg (Tao, das Princip) verlässt, dann verwirrt auch der Schang-ti des Himmels Ordnung (Schang-ti pi 1 khi wei loen Thien tao.) Wenn des Himmels Ordnung so in Verwir-

und Erde und danach entstanden die 10,000 falle) Dinge. Da sie zwischen Himmel und

Erde yoU wurden (jng) empfingen sie von ihnen ihr erstes Wacbsthum (thun.)

Wachsthum ist Fülle (yng); Wachsthum ist der Anfang des Entstehens der Dinge. Aber ob dieser Anhang von Confucius ist, ist wie schon bemerkt sehr die Frage, s. P. Regis I. p. 222. Dasselbe gilt von der Bemerkung zur folgenden Ena Mung ib. I. p. 245. Ueber- haupt lassen sich Confucius Aeusserungen auch in seinen nicht bezweifelten Commentaren Toen und Siang oft nicht mittheilen, ohne die Texte Wen-wang*s und Tscheu-kung's und ohne ein Eingehen in diese. Bei der Kürze des Chinesischen ist dessen richtige Ueber. Setzung auch oft schwierig; so die Stelle im Gommentar Toen zu Kua 9 Siao-yo, ob der Sinn da ist, wie P. Regis I p. 388 ihn annimmt? Ebenso bei Kua 10 Li p. 856 u, a. Ver- ständlich ist der Gommentar Toen zu Kua 27 I f. 29, T. II p. 96: Himmel und Erde ernäh- ren (erhalten) die 10,000 Dinge; der heilige Mann ernährt die Weisen (hien), alle Völker (wan-min) zu erreichen und zu Kua 81 kien f. 16 T. p. 203: Himmel und Erde bewegen sich und alle Dinge verwandeln sich und erzeugen (lassen entstehen); so bewegt der heilige Mann aller Menschen Herzen und das ganze Reich ist in Harmonie (ho) und zu Kua 32 Heng f. 2 T. II. p. 134: Der Weg (Tao) von Himmel und Erde ist durchdringend

und lange dauernd (heng-kieu) und hört nicht auf Sonne und Mond, die den

Himmel erlangt haben, können lange leuchten; der vier Jahreszeiten Wechsel und Wandel kann lange bestehen; so vollendet der heilige Mann, wenn er lange auf seinem Wege bleibt, eine Umwandlung im ganzen Reiche und im Toen zu Kua Tsie f. 28 v., T. IL 846: Himmel und Erde haben ihre Norm (tsie), die 4 Jahreszeiten zu vollenden. Wird nach der Norm Alles bemessen, so verschwendet (schang, verwundet) man nicht die Reich- thümer (tsai) und schädigt nicht das Volk.

Im Toen zu Kua 30 Li f. 31 v. T. 2 p. 121 heisst es : Sonne und Mond stützen sich (li) auf den Himmel, Pflanzen und Bäume stützen sich auf die Erde. Ihr vielfacher Glanz stützt sich auf das Rechte (tsching) und ihr Wechsel (hoa) vollendet die Welt (Thien-hia.)

Im Kia-iü Cap. 4 f. 7 v., auch im Li-ki 27 f. 4 v., sagt Confucius : ,yWenn Himmel and Erde nicht zusammenwirken, so entstehen die 10,000 (alle) Dinge nicht.''

17*

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ruDg geräth, dann treten Strafen und Züchtigungen und grausame Ver- waltungen ein, und im Kia-iü 13, f. 9 v, sagt Confucius zum Fürsten von Sung: Ehre (tsün) den Himmel^ achte (king) die Manen, (kuei), dann werden Sonne und Mond ihre gehörige Zeit innehalten und im Kia-iü 25 f. 3 heisst es: Der alten weisen Kaiser Ruhm stieg empor^ bis zum Himmel. Der Schang-ti begünstete fortwährend ihr Geschlecht und gab ihren Jahren Fülle (reiche Ernten); auf die Bösen läset der Schang-ti dagegen Unglück herabkommen.

Im Allgemeinen scheint er aber über religiöse Verhältnisse sich nur wenig und ungern ausgesprochen zu haben; er war ein praktischer Staatsmann. Lün-iü 17, 19 sagt Confucius: ich bin nicht geneigt zu reden. Tseu-kung erwiederte: wenn unser Meister nicht spricht, was sollen wir seine Schüler dann (der Nachwelt) überliefern ? Confucius er- wiederte: was spricht denn der Himmel! Die vier Jahreszeiten kehren regelmässsig wieder und die 100 (alle) Dinge entstehen, was spricht der Himmel (sonst) noch? Im Commentare Toen zum Y-king Cap. 16 T. I p. 459 sagt er: .... Himmel und Erde nehmen gehorsam ihren Fort- gang, daher weicht der Mond nicht ab, die 4 Jahreszeiten folgen sich regelmässig; so bevvegt der Heilige (Sching-jin) sich gehorsam und die Völker folgen ihm. Ausführlicher spricht sein Enkel (Tseu-sse) sich da- rüber aus im Tschung-yung Cap. 26: „Der Weg (das Gesetz, Tao) von Himmel und Erde kann durch ein Wort erschöpft werden, sie machen die Dinge nicht doppelt (eul) ; ihr Erzeugen der Dinge ist daher uner- gründlich (unbegreifllich, Pu-tse). Der Weg vom Himmel und Erde ist weit (Po), dick (heu), hoch (kao), glänzend (ming), ausgedehnt (yeu) und dauernd (kieu). Der Himmel ist ausgedehnt und ohne Grenzen; Sonne, Mond, Planeten und Sterne (Sing-tschin) sind daran aufgehängt und er überdeckt die 10,000 (alle) Dinge. Die Erde scheint nur eine Hand- voll Staub, aber bei ihrer Ausdehnung und Dicke trägt sie (die Berge) Hoa und Yo und sie sind ihr nicht zu schwer ; sie enthält den (Hoang)« ho und die Meere und lässt sie nicht abäiessen; alle Dinge trägt sie. Die Berge erscheinen nur wie ein Stein, aber sie tragen Bäume und Pflanzen, Vögel und wilde Thiere wohnen darin, die Gewässer erschei- nen nur wie ein LöflFel voll, aber sie sind unergründlich; Drachen und

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Schildkröten wohnen darin und sie erzeugen grosse Schätze^^ Man siebt dass die physische Vorstellung von Himmel und Erde hier durchaus vorwaltet. Cap. 30 heisst es : „Confucius entnahm seine Principien von Yao, Schün und Wen-wang; nach Oben nahm er zum Muster dia Jahreszeiten des Himmels, nach unten die Gesetze von Wasser und Erde; vergleichbar Himmel und Erde, wie sie alles tragen, enthalten und überschatten, der regelmässigen Wiederkehr der Jahreszeiten und dem abwechselndem Scheine von Sonne und Mond. Alle Dinge unterhalten (ernähren) sich gegenseitig, ohne dass sie sich einander schaden ; die Gesetze der Natur wirken ohne ein feindliches Entgegentreten derselben ;. ihre schwachen Kräfte, fliessen wie ein Fluss, die mächtigeren wirken wie die Erzeugung und Umwandlung der Dinge; dadurch sind ebeu Himmel und Erde so grosses Die feste Ordnung der Natur ist dem Wei* sen daher das hohe Vorbild* Im Toen zu Kua 20 f. 23 T. II p. 32: sagt Confucius: Sieht er des Himmels geistigen Weg, (Schin-tao) und wie die 4 Jahreszeiten nicht gestört werden, so ist auch der Heiligen geistiger Weg, die Lehre zu verbreiten ebenso und das ganze Reich unterwirft sich. Wie Himmel und Erde in dieser ihrer festen Ordnung belehrend für den heiligen (vollkommenen) Menschen sind, führt Con- fucius auch im Kia-iü Cap. 36 (Wen-iü) f. 28 v., auch im Li-ki Cap. Kung-tseu Hien-kiu Cap. 29 f. 20 v. (24 p.l 59) aus. „Der Himmel,, heisst es da, hat die vier Jahreszeiten, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, Wind, Regen, Reif und Thau, keines ist ohne Belehrung. Die Erde trägt die geistige Lebenskraft (Schin-khi), lässt ausgehen Donner und Blitz und gibt allen Dingen ihre Gestalt; nichts davon ist ohne Belehrung, aber die reine und lichte (Kraft) ist in der persönlichen Le- benskraft (Kung-khi), die auf das Geistige (Schin) sich richtet. Wenn die Dinge zu ihrem Hochpunkt gelangen, haben sie zuvor sicher ein Prognostiken (Tschao); drum bilden die Belehrung von Himmel und Erde mit den heiligen, (vollendeten) Menschen, zugleich die Dreiheit (San)". Im Lün-iü 8, 14 sagt Confucius: Gross war Yao als Fürst, wie majestätisch! nur der Himmel ist gross und nur Yao glich (ent- sprach) ihm! Im Li-ki Ngai-kung Cap. 27 f. 7, auch im Eia-iü 4 f . & fg., nach dem I-sse 86, f. 38 fg. auch im Ta-tai Li-ki fragt dieser, warum der Weise (Kiün-tseu) des Himmels Ordnung oder Weg

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(Thien-tao ^) so hoch halte? Confucius erwiedert: weil er nicht aufhöre (ende), wie denn Sonne und Mond, Ost und West beständig sich folgten und nicht aufhörten; darin zeige sich des Himmels Weg, der stets nicht gehemmt (verschlossen) und doch dauernd, (kieu) sei; darin zeige sich des Himmels- Weg; der (sichtlich) nicht wirke, wäh- rend die Dinge sich doch vollendeten (Wu-wei eul tsching); darin zeige sich des Himmels- Weg**. Li-ki Cap. Kung-tspu Hien-kiü 29 f. 19 (24 p. 150), auch im Kia-iü 27 f. 10 v. findet Confucius noch an Him- mel und Erde so gross, dass sie ohne Privatinteresse (Wu-sse) wirkten. Der Himmel bedecke alles ohne Privat-Zuneigung, die Erde trage Alles ohne Privatinteresse, Sonne und Mond erhellten Alles ohne Privatinteresse. Confucius im Commentar Toen zu Y-king Cap. 1 5 Khien von der Demuth 18 v., übersetzt von Visdelou hinter Gaubil's Schu-king p. 419, sagt: „Das Himmels Gesetz (Weg, Thien-tao) steigt hinab und zeigt sich doch dabei glänzend und leuchtend. Der Erde Gresetz (Ti- tao) ist niedrig (demüthig, pi)^ erhebt sich aber aufwärts ; das Himmels- Gesetz verringert was voll (hoch) ist und lasst fliessen was niedrig (klein) ist. Die Geister (Kuei-schin) schaden dem Vollen und thun Gu- tes dem Niedrigen (Kleinen). Des Menschen Gesetz oder Vernunft (Jin- tao) hasst das von sich aus Volle (lieber mQthige) und liebt das Demü- thige ; die Demuth ist geehrt und glänzend, sie erniedrigt sich und kann

doch nicht überragt werden ; sie ist daher das Ziel des Weisen *^

Confucius im Li-ki Piao-ki 32 f. 42 (26 p. 158) citirt den Schi-king

II, 5, 5, 3: „Wo keine Scheu vor den Menschen ist, ist auch keine Furcht (wei) vor dem Himmel". Im Kia-iü 13, f. 8 citirt er den Schi- king II, 4, 8: Der Himmel ist gewiss hoch und doch wagt man nur gebückt aufzutreten ; die Erde ist gewiss tief und doch wagt man nicht anders als leise aufzutreten; das besagt, wenn man nach oben und un- ten voll heiliger Scheu ist, so fasst einen das Verbrechen nicht; s. die Stelle in m. Abh«: Die Religion der alten Chinesen I, S. 20. Man sieht hier, wie eigenthümlich die Moral in Verbindung mit der Naturordnung gebracht wird.

Diese feste Ordnung in der Natur musste aber auch ein festes Walten oder eine Bestimmung (ming, der Befehl, das Mandat), eine

1) Callery p. 142 übersetzt anpassend la verite Celeste.

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himmlische Absicht mit dem Geschöpfe über das Menschenleben anneh- men lassen. Dieser Glaube an die Bestimmung spricht sich vielfach aas. Wir erwähnten schon, dass Confucius nach Lün-iü 9, 1 selten vom Gewinn, der Bestimmung (Ming) und der Humanität sprach. Doch pagt er 20, 3: Ohne den Ming zu kennen, kann man kein Weiser (Kifln-tseu) sein und 11, 18 Thse, (d. i. Tseu-kung) nimmt nicht hin die Bestimmung (ist nicht damit zufrieden), sondern vermehrt sein Gut (ho tschi); Hoei dagegen ist oft leer (arm). Den Tschung-yung C. 1 beginnt Tseu-sse: Des Himmels Bestimmung heisst die Natur (Sing); folgen der Natur heisst der rechte Weg (Tao); diesen zu regeln, dient der Unter- richt (kiao). 26, 10 citirt Tseu-sse die Stelle des Schi-king IV, 1, 1, 2, 1 : Des Himmels Bestimmung wie tief (mo) ist sie und nicht aufhö- rend. Der Lün-iü 14, 13 sagt: Der vollkommene Mann sieht die Ge- fahr und nimmt doch die Bestimmung an u. 1 9, 1 sagt Tseu-tschhang ähn- lich: der Sse(33), sieht die Gefahr und nimmt doch die Bestimmung an (opfert sein Leben auf); ähnlich der Tschung-yung 18,3: Wu-wang nahm am Ende seine Bestimmung (den Thron) an (scheu-ming). Tseu-hia im Lün-iü 12,5 sagt: Ich habe gehört, dass Leben (seng) undTod(sse) ihre Bestimmung haben, Reichthümer und Ehren vom Himmel abhängen (fu kuei tsai thien) und 14, 38 auch im Sse-ki 67 f. 69, sagt Confucius: ob das rechte Princip Fortgang hat, ist Bestimmung; dass es verlassen ist (fa)^ ist ebenfalls Bestimmung. Was vermag Kung-pe-liao (der Tseu-lu ver- läumdet hatte) gegen die Bestimmung? Leben und Sterben, heisst es im Kia-iü 20 f. 26 v., sind Bestimmung), (seng sse tsche ming je) und im Lün-iü 12, 10: Liebst du einen Menschen und wünschest, dass er lebe, missfällt dir einer und du wünschest, dass er sterbe, so ist jeder Wunsch dass er lebe oder sterbe, ein Zweifel (hoe) an der Bestimmung. Von Yen-hoei sagt Confucius 6, 2, auch 11, 6: Unglücklicherweise war seine Bestimmung nur kurz; er starb früh. Als Pe-nieu krank war, fragte Confucius nach 6, 8 bei ihm nach, fasste seine Hand durch das Fenster und sagte: Er ist hin (wang-tschi) ; es ist Bestimmung, dass der Mann die Krankheit hat! Im Kia-iü 7, 15 fragt Ngai-kung Confucius: Der Reiche ^) und Familien Bestand und Vergang, Glück und Unglück, ist es

1) Ming wird daher selbst für Herrschaft gebraucht im Ta-hio 10 p. 12: Das himmlisch» Mandat dauert nicht ewig (wei ming pu in tschang).

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wahr, dass sie Himmelsbestiinmungen sind (Thien ming) und der Mensch nichts dazu thut (Fei-wei-jin-ye) ? Confucius erwidert: Das Bestehen und Vergehen, Glück und Unglück, alles wird bloss bewirkt. Des Him- uiels Galamitäten (tsai), die ausserordentlichen Vorfalle auf Erden kön- nen dem nichts hinzufugen. Das weitere Detail s. unten S. 145. Im Lün-iü 20, 3 heisst es: Wer die himmlische Bestimmung nicht erkennt, kann als Weiser nicht handeln. Nach Y-king Hi-tse 1, 9, 2 T. II. p. 508, welche Stelle aber nicht von Confucius ist folgt der Weise der Bestimmung wie das Echo dem Tone.

Bei Kung-tschung tseu imi-sse 95, 4 f. 6 fragt Tseu-tchang, wenn •der heilige Mann das Mandat (die Herrschaft, Ming) emp&ngt, erhält er es sicher vom Himmel, dem er gehorchen muss so auch der Li- ki Piao-ki 32 f. 52 v. p. 163 ; aber im Schu-king heisse es: Er empfing es im Ahnensaale; wie ist das? Confucius sagte: Er empfing •das Mandat vom Himmel; dies geht auf Tsching-thang und Wu-wang; er empfing das Mandat von Menschen; dies gilt von Schün und Yü. Wer den Schi-king, Schu-king, Y-king und Tschhün-thsieu nicht erklären kann, der versteht den Sinn der heiligen Männer nicht und weiss nicht 2U unterscheiden Yao's und Schün's Opferplatz (Schan, d i. Nachfolge) von Thang's und Wu's AngriflFe.

Drei Dinge, sagt Confucius im Lün-iü 16, 8, verehrt der Weise; er ehrt des Himmels Bestimmung, er verehrt grosse Männer und die Maximen der Weisen. Der Unweise kennt nicht die himmliche Bestimmung u. s.w. Tschung- jrung Cap. 14, 3 fg. heisst es: nach Oben grollt der Weise nicht mit dem Himmel, nach Unten schmollt er nicht mit dem Menschen, drum kann er leicht seine Bestimmung erwarten, während der Unweise ge- fährliche Pfade betritt und sein Glück sucht. Lün-iü 14, 34 scheint ^ine ähnliche Aeusserung des Confucius zum Grunde zu liegen, obwohl sie abweichend lautet. Erreicht der Weise etwas, heisst es im Li-ki Cap. Piao-ki 32 f. 44, (27 p. 159), so ist es gut, erreicht er es nicht, so ist es auch gut, er vernimmt (gehorcht der) die Bestimmung (i-thing- ming). Kia-iü Cap. 26 f. 6 fragt Ngai-kung nach dem Verhältnisse zwischen Bestimmung (Ming) und Natur (Sing). Confucius Antwort ist etwas unklar; sie lautet Fen-yü Tao, wei-tschi-ming; hing 1 wei tschi sing. Theilnehmen am Tao ist Bestimmung; sich im Einen (Ein-

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zelnen) gestalten, ist Natur. Wenn das Yn und das Yang sich verwan- deln und in einer Gestalt hervorbrechen, so nennt man es geboren wer- den (Leben); wenn bei der Verwandlung sie sich erschöpfen, so nennt man es sterben, daher ist die Bestimmung (Ming) der Anfang der Na- tur, der Tod ist das Ende des Lebens; wo ein Anfang ist, ist auch ein Ende.

Indess erfolgt nicht jeder Todesfall nach dem Schicksals-Beschlusse. Confucius im Kia-iü 7 f. 16 erwähnt drei Arten von Todesfällen ohne Schicksalsbeschluss (San sse eul fei kbi ming je). Die himmlische Be- stimmung ist unabänderlich nur insofern, als sie immer die eine mora- lische bleibt, nicht aber ist der einzelne Mensch, er mag handeln, wie er will, zu diesem oder jenem bestimmt. So führt der Kia-iü nach obiger Stelle über den Ming 7 f. 15 aus, wie gute Omina ohne Bes- serung den Kaiser Ti-sin vom Verderben nicht retten, böse bei erfolgter Besserung zum Glücke ausschlagen konnten. S. unten S. 144. fg. Der Weise sieht daher immer nur darauf, dass er tugendhaft handle, dann' kümmern ihn keine Gefahren. Lün-iü 7, 22 sagt Confucius: Der Him- mel erzeugte die Tugend in mir (seng te) , was kann Kuan-tui (der Sse- ma von Sung, der ihm schaden wollte) mir thun? Im Li-ki Cap. Fang- ki 30 f. 22 (25 p. 152) heisst es: Der Weise bedient sich der Bräuche (Li) als Damm für dis Tugend, der Strafen als Damm gegen die Aus- schweifungen, der himmlischen Bestimmung als Damm gegen die Be- gierden (Yo). Der Scholiast erklärt das : diese Bestimmung (Ming). geht vom Himmel aus ; jeder hat seinen begrenzten Theil erhalten (Fen-hien, der abgeschnitten ist); er kann nicht darüber hinaus u. s. w.

Auch die natürlichen Anlagen sind himmlische Bestimmung; dass z. B. ein weiser Vater einen dummen Sohn hat, das ist der Him- melsweg oder Beschluss (Yen thien-tao), nicht Schuld der Frau ; so äus- sert sich Tseu-sse, Confucius Enkel, gegen den König von Thsi bei Kung-tschung-tseu im I-sse B. 106 f. 50

Tseu-lu missfiel es nach Lün-iü 6 26, dass Confucius in Wei die Nan- tseu besucht hatte ; habe ich Unrecht gethan, sagt Confucius im Lün-iü, so verwerfe der Himmel mich! Nach 3, 34 sagt der Grenzwächter von 1: Das Reich ist schon lange ohne den rechten Weg (wu-tao). Der Him- mel mache Confucius zu einer Lärmglocke (mo-to, mit hölzerner Klöp-

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. II. Abth. 1 8

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pel). Nach 9, 5, auch im Sse-ki B. 47 f. 12 fg. fürchtete Confacius in Khaang, sagte aber: Seit Wen-wang todt ist, ruht da die Schrift (wen) nach Legge: The cause of truth, schwerlich richtig nicht auf diesem da (Gonfucius); will der Himmel sie zu Grunde gehen las- sen, dann würde ich der später sterbende nicht mit ihr so in Verbin- düng stehen, aber der Himmel will sie nach nicht zu Grunde gehen lassen; was können die Leute in Khuang mir daher thun? Als Yen- yuen starb, rief Confucius nach 11,8 aus: Wehe, der Himmel vernich- tet mich! 3, 13 sagt er: Wer gegen den Himmel sich verfehlt (tsui), hat keinen zu dem er beten könnte und 9, 11: Wen sollte ich täu- schen (khi), hintergehen den Himmel? Tschung-yung 20, 7 sagt Con- fucius: denkt er die Menschen zu kennen, so kann er es nicht ohne den Himmel zu kennen und im Lün-iü 14, 37 keiner kennt mich. Tseu-kung fragt, was er damit meine ? Confucius sagt : Ich murre nicht gegen den Himmel; ich grolle nicht den Menschen; nach unten studiere ich (die Menschen und Dinge) und dringe nach oben durch zur himm- lischen Bestimmung. Der mich kennt ist der Himmel; den letzten Satz hat auch der Tschung-yung 14, 3.

Die alte Lehre, dass es dem G u ten auf Erden glücklich gehe, dem Schlechten unglücklich, spricht auch Tseu-lu im Kia-iü Cap. 20 f. 29 V., vgl. Amiot p. 344 aus. Einst habe ich gehört von Meister, dass dem der Gutes thue der Himmel mit Glück belohne, den der nicht Gute^ thue der Himmel aber mit Unglück heimsuche. Er wird aber beinahe irre daran, als es Confucius und seinen Schülern zwischen Tschin und Tsai so schlecht ging. Jetzt, sagt er, hat Meister doch Tugenden eingesammelt, die Gerechtigkeit umfasst und das schon lange geübt, wie kann es ihm denn so elend gehen? Confucius erwidert ihm: Yeu du hast noch nicht die rechte Einsicht und führt aus der chinesischen Geschichte Beispiele an, wie auch (die früheren Weisen) Pe-i und Scho- tsi Hungers starben und dem Königssohne Pi-kan ohne ein Verbrechen "begangen zu haben das Herz aus dem Leibe gerissen wurde. Der Weise studiere tief, überlege sorgfaltig, aber er müsse auch die rechte

Zeit treflfen Der Weise bilde das rechte Princip aus (sieu Tao),

beharre bei der Tugend und dann fühle er dabei sich nicht unglück- lich und beengt Leben und Tod hingen von der Bestimmung

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ab. Er führt dann noch das Beispiel von Tsin Tschung-eul an, der sich noch bis zum Pa (Gewaltherrscher) erhob, obwohl er erst in Tsao-wei in elenden' Verhältnissen lebte und von Yuei's König Keu-tsien, der auch noch Pa wurde, obwohl er erst in der Noth (auf dem Berge) Hoei- ki sich befand. Man könne das Ende noch nicht absehen. Dieselbe Erzählung mit einigen Abweichungen hat der Han-schi Wai-tschuen im I-8se 86, 1 f. 22 V. Dieser führt noch andere Beispiele an, namentlich von U-tse-siü, dem der König von U, nachdem er dem die grössten Dienste geleistet hatte, ein Schwert sandte, sich den Tod 2\\i geben und der sich den Hals abschnitt und dann befahl ihm die Augen auszu- stechen und sie am Ostthore von (J aufzuhängen S. Sse-ki B. 31 f. 17v. Pfizmaiers Geschichte von ü S. 29 ; diess war aber 485. Wie als Tseu- hia einep Sohn verlor, er weinend in die Klage ausbrach: 0 Himmel ich bin doch ohne Schuld! und Tseu-kung ihn da zurechtsetzt, haben wir nach Li-ki Cap. Tan-kung 3 f. 18 fg. schon Abth. HI unter Tseu- hia angeführt.

Im Kia-iü Cap. 20 f. 30 braucht Confucius das Gleichniss: ein guter Ackersmann kann wohl säen, aber er kann nicht machen, dass er auch reichlich erntet; ein guter Handwerker kann wohl seine Ge- schicklichkeit anwenden, aber nicht machen, dass er auch immer Erfolg hat.

Wie Gefahr und Noth nothwendig seien, wird Kia-iü 22 f. 35 v. ausgeführt.

Im Kia-iü 7 f. 15 v., vgl. Amiot p. 253 fragt Ngai-kung von Lu, ob der Einsichtsvolle (Tschi) und Humane (Jin) immer lange lebe ? Confucius erwidert: es gibt drei Todesarten, die nicht eines Bestim- mung entsprechen (Fei khi ming^tsche). Wer in seinem Wandel nur seinem eigenen Willen folgt (Tseu thsiü ye), schlafend verweilt (im Bette liegen bleibt), nicht zur gehörigen Zeit trinkt und isst, ohne Regel (Ordnung) sich anstrengt und das Mass überschreitet und dann erkrankt und stirbt; 2tens wenn einer in niederer Stellung aufstrebt zu seinem Fürsten, in seinen Wünschen und Begierden unersättlich ist und sucht nicht anzuhalten; wenn den dann das Strafgesetz tödtet; 3tens wenn einer klein (schwach, schao) sich der Menge widersetzt; wenn einer schwach, den Starken insultirt (wu) ; wenn seine Feindschaft und sein Hass

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einseitig (nicht gut, Lui) sind, wenn seine Kraftbewegung ohne Mass ist und er dann durch Waffengewalt stirbt. Diese 3 Todesarten sind gegen die Bestimmung. Der Mensch zieht sie sich selber 2u. (Tseu- tshiu tschi). Ist einer aber ein einsichtsvoller Sse, ein humaner Mann, hält seine Person die Regel ein^ bewegt er sich nur nach dem Rechte, zeigt er Freude und Zorn nur zur rechten Zeit, so schaden sie seiner Natur nicht und wenn er dann ein langes Leben erreicht, ist das nicht auch billig?

Ueber die Geister (Kuei-schin) fieden wir mehrere Aussprüche bei Confucius und seinen Schülern, obwohl es auch hier heisst Lün*iü 7, 20: Confucius sprach nicht von Wunderbarem, (Ausserordentlichem Kuei), von Stärke (Kraft), von Unruhen und von Geistern (Schin) und 6, 20 als Fan-schi ihn fragt, worin besteht die wahre Weisheit (oder das Wissen, Tschi)? antwortete Confucius: Das Recl^t (I) des Volkes anstreben, die Geister (Kuei-schin) ehren (king), aber sich von ihnen ferne halten, (yuen- tschi) ist Weisheit und als Wang-sün-kia, (ein Ta-fu in Wei), 3, 13 ihn fragte, ob es besser sei, bei dem Geiste des Winkels (Ngao) oder dem des Herdes (Tsao) sich zu insinuiren, sagte Confucius: nicht so! wer gegen den Himmel sich verschuldet (vergeht, Tsui), hat keinen, dem er abbitten könnte und Li-ki Piao-ki Cap. 32 f. 60 (26 p. 162) citirt Confucius die Stelle des Schi-king H, 6: erfülle ruhig die Pflichten deines Amtes, stelle rechtschaffene Männer an und die Geister (Schin) werden dich erhören und dich mit Glück (Früchten) überhäufen. So ist die praktische Ansicht des Weisen und deren Cul- tus. Im Commentar Toen zum Y-king Cap. löKian f. 18 v. heisst es, wie wir schon angeführt, die Geister (Kuei-schin) schaden den Vollen (üebermüthigen) und bringen Glück den Demüthigen. Li-ki Piao-ki Cap. 32 f. 46 sagt Confucius: Die Manen oder Geister (Kuei) ehrt man, aber liebt sie nicht, (tshün eul pu thsin); der Scholiast sagt: sie sind dunkel und schwer zu ergründen; drum fürchtet der Mensch sie.

Das Gebetbuch hat obere und untere Geister. Nach Lün-iü 6, 4 sagt Confucius, wenn das Junge einer scheckigen Kuh roth und gehörnt ist, einer (der es zum Opfer wünscht) hat es aber nicht, wer- den die Geister der Berge und Flüsse (Schan, Tschuen) es verschmähen? 3, 21 fragte Ngai-kung Tsai-ngo nach den Altären der Landesgeister

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(Sehe), der erwiderte: Unter den Fürsten der Dynastie Hia brauchte man Fichten, die Yn-Leute Gjpressen, die Tscheu-Leute Castanienbäume, dass das Volk in Furcht sei.

Nach 3, 12 opferte Confucius den Todten, als ob sie gegenwärtig w&ren; opferte den Geistern (Schin), als ob sie da seien und sagte: Bin ich beim Opfer nicht gegenwärtig, so ist das als ob ich nicht opfere.

8, 21 rühmt Confucius Yü: P]r genoss selbst nur grobe Speise und Trank, zeigte aber die höchste Pietät gegen die Kuei-schin (Manen und Geister) trug selbst schlechte Kleider, aber die höchste Schönheit

zeigte seine Mütze und sein Schurs.

Was die Natur der Geister betrifft, so ahndet man sie eigent- lich nur und nim^nt sie da an, wo etwas unbegreiflich ist, denkt sie sich aber nicht unkörperlich. Im Tschung-yung Cap. 16, ruft Confu- cius aus : Der Geister und Manen (Kuei-schin) Wirksamkeit (Te), wie vollendet (tsching) ist sie! du gewahrest sie (schi) und siehst (kien) sie doch nicht; du vernimmst sie (thing) und hörst (wen) sie doch nicht; sie sind den Dingen immembrirt (Thi-vö) und können davon nicht ge- trennt werden, sie heissen die Menschen im Reiche oder auf Erden) fasten, rein und vollkommen gekleidet Opfer darbringen ; sie sind überall hin verbreitet (yang), als ob sie oben, als ob sie rechts oder links wären. Der Schi-king sagt: Der Geister Ankunft (beim Opfer) kann nicht ermessen (gewusst) und begriffen (gedacht, sse) werden, um so sorgfältiger müssen wir verfahren. Ihrer Feinheit Glanz kann nicht verborgen sein. Man sieht, der Chinese dachte sich alles von unsicht- baren Geistern belebt. Andere Aussprüche über die Geister aus dem Anhange zum Y-king Hi-tse IV, 8, T. IL p. 451, VIII, 2 T. II. p.477 und VIII, 7 T. IL p. 506 haben wir in unserer Abhandlung über die Religion der alten Chinesen I, S. 45 angeführt; wir wiederholen sie hier nicht, da sie nicht ausdrücklich als Aussprüche des Confucius ge- nannt werden und da wir im Anhange des Hi-tse ein Werk des Con- fucius nicht anerkennen. VIII, 8 T. IL p. 507 wird als Confucius Aus- spruch dagegen angeführt: wer den Weg (Tao) der Veränderung und Umwandlung kennt, der kennt des Geistes Wirken (schin-tschi wei hu) ; doch hier sind wohl nicht die einzelnen Geister, sondern ist der Welt- geist unter Schin zu verstehen. Die Stelle über die Manen werden wir

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gleich unten bringen. Eigenthümlich ist die Aeusserung von Tseu-hia im Kia-iü Cap. 25 f. 5 nach dem Buche von den Bergen (Schan-schu), auch im Ta-tai Li-ki im I-sse 95, 3 f. 27 v., wo erst die verschiedenen Wesen aufgeführt werden und es dann schliesslich heisst, die von der Luft leben (Schi-khi-tsche) sind lichte Geister (Schin-ming) und dauern , die gar nicht essen und doch nicht sterben sind Geister (Pu-schi- tsche pu-sse, eul-schin)

Dass den Geistern eine Einsicht zugeschrieben wurde, ergibt sich aus Confucius Aeusserung im Li-ki Cap. 29 f. 20 v. (24 p. 150): Der Fürst, dessen Person rein und erleuchtet ist, hat ein Vorgefühl (Ahn- dung, Töchi) wie ein Geist.

Dass man auch Manen sehen zu können meinte, ergibt sich aus Lie-tseu im I-sse 86, 4 f. 39 v. : einer will da über eine Untiefe setzen, Confucius schickt seinen Schüler hin, der sagte: ich meinte du seiest ein Mane (Kuei), ich sehe aber du bist ein Mensch« Vgl. Tso- schi Tschuan-kung 32 f. 14, S. B. 13 S. 468.

Wir schliessen hieran gleich die Aeusserungen über die Manen und die Fortdauer nach dem Tode; Confucius wich den Fragen nach dem Zustande der Todten sichtlich aus. Im Lün-iü 11, 11 fragt Ki-lu nach dem Dienste der Manen und Geister (Kuei-schin). Der Mei- ster sagte: Du vermagst noch nicht den Menschen zu dienen, wie ver- magst du den Manen und Geistern zu dienen? Ich (sagt Ki-lu) erlaube mir nach den Todten zu fragen. Er (Confucius) sagte: Du kennst das Leben noch nicht, wie den Tod kennen !

Selbst vom Gebete bei Krankheiten mag Confucius nichts hören, nach dem Lün-iü 7, 34, vgl die Stelle unten S. 149.

Wir haben die Stellen über die Manen und Geistern schon in u. Abh. über die Uel der alten Chinesen I. S. 55 und Zusatz zu S. 44 p. 102 beigebracht. Die Hauptstelle ist im Kia-iü Cap. 17 f. 23, auch Li-ki Cap. Tsi-i 24, 48 (19 p. 120j, Amiot p, 276.* Da fragt sein Schüler Tsai-ngo Confucius: ich habe den Namen (Ausdruck) von Manen und Geistern (Kuei-schin) gehört; ich weiss aber nicht, was das besagt und erlaube mir desshalb zu fragen. Confucius erwidert: wenn der Mensch geboren wird, hat er eine Lebenskraft (Khi), hat er eine Seele (Pe)

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fehlt im Li-ki. Die Lebenskraft (Khi) ist des Geistes (Schin) Erfül- lung (Tsching.) Alles was geboren wird, stirbt auch ; wer stirbt, kehrt gewiss zur Erde zurück; dieser heisst dann Kuei (Mane); der Hoan-khi kehrt aber zum Himmel zurück und diesen nennt man Schin (den Geist). Indem man den Kuei mit dem Schin verbindet und ihnen opfert, ist diess das Höchste des Unterrichts. Im Kia-iü 6 f. 12 f. sagt Confu- cius: man opfert, den Hoan und den Pe zu erfreuen S. meine Abh. über die Religion der alt. Chin. I. p. 39. Knochen und Fleisch, die todt niederfallen, werden in Erde verwandelt: ihre Lebenskraft aber (Khi) breitet sich nach oben aus und diess ist des Geistes (Schin) Ma- nifestation u. s. w. Es wird dann noch gesagt, dass die heiligen Män- ner besondere Opfer einsetzten, eins für den Khi und eins für den Pe des Ahnen. Damit ist zu vergleichen die Aeusserung des Confucius im Kia-iü Cap. 42 f. 21, auch Li-ki Tan-kung-hia 4 f. 83 v.: Knochen und Fleisch kehren zur Erde wieder zurück, das ist Bestimmung (Ming); der Hoan-khi durchdringt keinen Ort nicht (Wu so pu tschi i), er durch- dringt keinen Ort nicht, er durchdringt Alles (Sui-hing) Kia-iü 6 f. 12. Die Körperform (Hing-thi) geht hinab (hiang) zur Erde ; der Hoan- khi geht hinauf, daher sagt man: Der Himmel erwartet sie (wang) und die Erde begräbt sie (tsang). Dass aus dem Ausdrucke von Tseu- tschang im Li-ki Cap. 3 Tan-kung f. 14: vom Weisen sage man, er vollende (tschung), vom ünweisen, er sterbe (sse) nicht zu entnehmen sei, wie le Favre p. 156 meinte, dass nur die Guten fortdauerten, die Gottlosen aber vernichtet würden, ist schon in meiner Abhandlung über die Religion der alten Chinesen I S. 62 bemerkt ; er meint nur, er sei von einem vollkommenen Weisen bei seinem Tode nicht ferne. Im Kia- Cap. 8 f. 21, auch im Schu-yuen im I-sse 95, 2 f. 1, 3, Amiot p. 264 fragt sein Schüler Tseu-kung ihn : ob die Todten wüssten (was sich unter den Lebenden begebe), oder nichts daran wüssten (Sse-tsche jeu tschi hu, tsiang wu tschi hu)? Confucius wich aber der Beantwortung der Frage aus und sagte , wollte ich sagen, dass die Todten ein Wissen davon hätten, so fürchte er, dass fromme Söhne, folgsame Enkel ihr Leben wegwerfen möchten, um den Todten zu dienen. Wollte er sagen, dass die Todten keine Kunde davon hätten, so fürchte er^ dass unfromme Söhne ihre Lieben vernachlässigen und sie nicht beerdigen möchten.

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Er (Sse) möge daher nicht wissen wollen, ob die Todten eine Kunde davon hätten oder nicht; wenn er jetzt nicht zu hastig sei, werde er später selber es erfahren« Wir haben in uns. Abh. über die Religion der alten Chinesen I S. 63 fg. schon bemerkt, dass diess nur eine eigenthum- Aeusserung des Philosophen sei, die schon damals zweifeln mochten ^) und dass es keinem Zweifel unterliege, dass der Volksglaube China' s nicht nur eine Fortdauer der Todten^ sondern auch ein Bewusstsein derselben und eine Theilnahme an den Angelegenheiten ihrer Nachkommen annehme und dass sie ihre Opfer mit Wohlgefallen entgegen nähmen. Wir könnten diess noch durch eine Menge Stellen, namentlich aus Tso-schi und dem Sse-ki bestätigen. So heisst es bei Tso-schi Hi-kimg Ao. 28 f. 43, S. B. 14 S. 505 bei dem Bruche eines Vertrages: die früheren Fürsten (Siang kiün) und die lichten Geister (Ming schin) würden sie richten und strafen Tso-schi Wen-kung Ao. 6 f. 10, S. B. 15 S. 438 heisst es beim Tode Tse-tschi's in Wei: er hat keine Pflege unter der Erde, wir bit- ten Menschen mit ihm begraben zu dürfen (wie es in Thsin wirklich geschah, aber hier nicht ausgeführt wurde). Man gab sonst dem Todten hölzerne Bilder (Yung) mit; Confucius eiferte aber nach Meng-tseu 1,1, 4, 6 dagegen, indem er besorgte, dass man zulezt Menschen mitopfern

1) Faber S. 12 sagt: ,,Die Unsterblichkeit hat keine ethische Bedeatang für die einzelne Per- son, da von einer künftigen Vergeltung, einem Entsprechen des Zastandes mit dem ethi- schen Standpunkte auf Erden keine Spur zu finden ist, ja, die Verstorbenen sämmtlich von ihren Nachkommen auf Erden abhängig sind u. (?) die Seligkeit in der andern Welt bedingt ist von den Opfern der Kinder und Enkel (die Opfer bemerken wir wirken aber nur für die Nachkommen, Im Lün-iü 1, 9 sagt Tseng- tseu: es sei eine sorgfaltige Aufmerksamkeit auf die Leichen gebrauche, auch wenn die Ahnen lange dahin sind ; so wird des Volkes Tugend wieder gross (heu) werden, daher die Hauptpflicht der Söhne für männ- liche Nachkommen zu sorgen, um die Opfer fortzusetzen.) Im Tschung-yung 19, 5 heisst es: Den Todten (Aeltern) soll man dienen, wie man den Lebenden diente, den Abgegan- gangenen wie den daseienden/' (?) Daher sagt nun Faber der Gedanke, dass sie die- selben Bedürfnisse haben, wie die Lebenden. (Aber der Ahnendienst war ihnen nur eine fortgesetzte Pietät. Dass von den Geistern auch das irdische Glück abhängig sei, muss Faber gestehen, sage Confucius nicht deutlich; im Lün-iü 12, 5, 3 sagt er vielmehr; von des Himmels Bestimmung hingen Reichthümer und Ehren ab). Montesquieu de TEspritdes lois B. 24 p. 19 sagt zu viel: La religiou de Confucius nie l'immortalit^ de l'ame etla secte de Z^non ne la oroyait pas. Qui le diraitl ces deux sectes ont tire de leursmawaia principes des consequences, non pas justes, mais admirables pour la societe. Vgl. m. Abh. die Uns terb lieh keits- Lehre der alten Chinesen in d. Zeitschr. d. deutsch, mor- genl. Ges. 1866 B. 20 S. 471—484.

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könne. Auch von Strobgeistern (Tseu-ling) ist die Rede im Li-ki Tan- kung 4 f. 61 V. Kiia-iü 44 f. 28. Confucius ist der Gegenwart der Ahnen beim Opfer nicht einmal sicher; er opferte den Ahnen nach dem Lün-iQ 3, 12^ als ob sie anwesend wären, verehrte die Geister als ob sie gegenwärtig wären. Dass Confucius jedenfalls keine ewige Fort- dauer der Seele angenommen habe, scheint aus seinem Commentar Toen zum Y-king Fung Cap. 55 T. II p. 313 zu erhellen: „wenn die Sonne den Mittag erreicht hat; neigt sie sich zum Untergange; wenn der Mond voll gewesen ist, nimmt er ab (schi); Himmel und Erde sind abwech- selnd voll und leer; mit der Zeit erschöpfen sie sich und athmen aus, um wie vielmehr ist das bei dem Menschen, um wie vielmehr bei den Ahnen und Geistern (Kuei-schin) der Fall!'^ So auch Lao-tseu Cap. 23, vgl. auch Schne-yuen im I-sse 95, 3 f. 22, Kia-in 15, 14. Amiot p. 371. Confucius lieset da im Y-king und als er an dieKua's Sünu. Y 41 und 42 Verminderung und Vermehrung kam, seufzte er und erklärte sich darüber gegen seinen Schüler Tseu-hia, s. die Stelle schon im Leben des Confucius II, 2 S. 71.

Die Weisheit besteht in der Pflichterfüllung, nicht in dem Geister- Gultus. Die Stelle im Lün-iü 6, 20 schon oben S. 136, die Stelle 2, 24 unten S. 150. Kia-iü Cap« 30 f. 15 nennt Confucius das 4te unter den grossen Verbrechen die Manen und Geister befragen. (Meu kuei schin).

lieber die Verehrung der einzelnen Geister kommt bei Con- fucius und seinen Schülern wenig vor* Bei Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 4 f. 6 V., wird er von seinem Schüler Tseu-tschang nach der Ver- ehrung der hohen Berge (Kao jo) gefragt was das bedeute? Er erwiedert: die hohen Berge sind die 5 Yo; man bringt ihnen Thieropfer und Seidenzeug dar und betrachtet sie wie die drei Kung, die kleinen berühmten Berge aber wie die Tseu und Nan (vgl. Li-ki

Cap. Wan-tschi 5 p. 7) Als Grund der Verehrung gibt er an :

Diese Berge tragen Kräuter und Bäume; Vögel und Wild gedeihen da; Schätze (Tsai) zum Gebrauch gehen daraus hervor; sie sind redlich (gerade, tschi) und ohne Sonderinteresse (Wu-sse); aus den 4 Weltge- genden hauen alle hinein; redlich und ohne Sonderinteresse erheben sie sich und speien aus (thu) Wind und Wolken, um zu durchdringen was zwischen Himmel und Firde ist; in Harmonie zu bringen (Ho) das Yn und das

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak d. Wiss. XIII. Bd. II. Abtb. 19

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Yangj zu vereinigen die Wohlthat von Regen und Thau, damit alle (die 10,000) Dinge sich vollenden* Die 100 Familien bringen ihnen dess- halb Opfer dar und wegen dieser Humanität erfreuen sie die Borge.

Wenn die alte chinesische Religion keine persönliche Offen- barung Gottes annahm Wir haben in unserer Abhandlung über die Religion der alten Chinesen I S. 27 namentlich die Stelle Meng* tseu's V, 2,5,4 (II, 3, 21T p. 48) angeführt Der Himmel redet nicht, womit die Aeusserung des Confucius Lün-iü 17, 18 oben S. 128 stimmt, so sucht man doch seinen Willen aus Ahnungen und Prognostika zu entnehmen. Es beruhen diese zum Theil auf natürlichen Schlüssen nach ihren moralisch-religiösen Grundsätzen; so als Confucius in Thsi von einem Brande des Ahnentempels (Miao) in Tscheu hört und auf die Frage des Königs, wessen Ahnentempel das sein möge, nach Kia-iü Cap. 15 f. 13 V. und Schue-yuen im I-sse 86, 1 f. 6 v., Amiot p. 57 sofort sagt, es sei sicher der von Li-wang und auf die Frage des Königs , woher er das wisse, die Stelle des Schi-king anführt, wie Glück und Unglück vom Betragen der Menschen abhänge und wie Li-wang, Wen- und Wu-wung's Einrichtungen verändert habe und ihn die Strafe dafür treffe, warum aber sein Ehrentempel gerade davon betroffen werde, wird da auch erörtert. Wir haben die ganze Stelle schon oben mitge- theilt. Eine ähnliche natürliche Prophezeiung soll er nach Kia-iü 16 f. 20, I-sse 86, 1 f. 7, Amiot 109 fg., als er in Tschin war und der Ahnentempel von Huan-kung und Hi-kung in Lu abbrannte gemacht haben. Eine solche gewissermassen natürliche Prophezeiung ist auch Lün-iü 3, 22, wo er meint, dass die Begebenheiten China's zehn Gene* rationen voraus gewusst werden könnten. Der reine und einsichtsvolle Fürst (Tsing-ming), sagt der Li-ki Cap. Kung-tseu hien kiü 29 f. 20 v. (24 p. 150) sieht es voraus, wie ein Geist (Khi-tschi iu-schin), wenn seine Wünsche sich realisiren. Er hat Eröffnungen, wie man weiss, dass Regen kommt, wenn die Berge und Flüsse Wolken erzeugen. Er citirt da Schi-king III, 3, 5, 1, welche Stelle aber falsch angewandt wird. S. Callery S. 151.

Zu den sonderbaren Deutungen (Ahnungen) gehört auch, wena Tseu-kung bei einem Besuche des Fürsten von Tschü in Lu aus der Art der Nichtbeobachtung der üblichen Ceremonien von Seiten beider

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Fürsten deren Tod prophezeit und Confucias ihm Recht gibt. Tso-schi Ting-kung Ao. 15 f. 25, S. B. 27 S. 135 fg., Kia-iu 16 f. 19. Wir haben diesen Vorfall schon oben in Abth. 111 bei Tseu-kung ausführlich mitgetheilt.

Anderer Art sind die folgenden : Zunächst die Anekdote aus dem Schue-yuen im 1-sse 86, 4 f. 31 v., auch im Kia-iü Cap. 10 f. 25 v. fg. In Lu wollte die Familie Kung-si-schi opfern und es fehlte das Opferthier. Als Conf ucius dies hörte, sagte er : in der Familie Kung- si-schi wird binnen drei Jahren in nicht zwei Jahren hat der Kia-iü gewiss ein Angehöriger sterben und nach einem Jahr starb einer. Ein Schüler fragte und sagte: vordem fehlte der Familie Kung-si-schi das Opferthier. Meister wusste, dass einer da sterben werde, nach dem Kia- sagte er: Binnen drei Jahren wird ein Angehöriger sterben und nach einem Jahr ist er gestorben, woher musste Meister, dass er sterben würde. Confucius erwiderte, (das Wort für Opfer) Tsi ist (?) dasselbe mit Si (im Namen der Familie). Si bedeutet erschöpfen; ^) der fromme Sohn erschöpft sich selbst in der Liebe; wenn beim (Ahnen)-Opfer das Opferthier fehlt, wird auch vom übrigen vieles fehlen ; daher wusste ich dass einer da alsbald zu Grunde gehen würde. Der Kia-iü hat dafür, wo dieses stattfand und einer noch nicht zu Grunde ging, den gab es noch nicht.

Nach Lie-tseu im I-sse 86, 4 f. 37 v., war ein Mann in Sung, der die Humanität und Gerechtigkeit liebte; drei Generationen war er nicht lässig und ohne Grund gebar in seinem Hause eine schwarze Kuh ein weisses Kalb (Tho). Er befragte desshalb Confucius und dieser sagte: es ist ein günstiges Zeiclien (Ki-tsiang), man muss es dem Schang-ti darbringen. Aber nach einem Jahre erblindete ohne Ursache der Vater. Die Kuh gebar wieder ein weisses Kalb. Der Vater Hess nun wieder seinen Sohn Confucius befragen. Der Sohn sagte, ich be- fragte ihn schon früher und ihn Hess seine Einsicht im Stiche, was soll ich ihn (nochmals) befragen? Der Vater sagte aber: des heiligen Man- nes Worte treffen erst nicht zu (wu), aber später stimmen sie mit den Begebenheiten überein, die Sache ist noch nicht genug ergründet, befrage ihn nur noch einmal. Sein Sohn befragte dann Confucius nochmals; Con-

1) Dieser Satz fehlt im Kia*iü.

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fucius sagte wieder, ein günstiges Zeichen und wies (belehrte) ihn wie- der über das Opfer. Sein Sohn kehrte zurück, überbrachte den Befehl und der Vater sagte: thue es oder führe Confucius Auspruch aus. Nach einem Jahre erblindete aber ohne Grund der Sohn und später griff Thsu Sung an, belagerte ihre Stadt, die Einwohner vertausch- ten ihre Kinder und verspeisten sie, zerschlugen die Knochen und verbrannten sie; alle Männer in der Stadt kamen im Kampfe um und der grösseren Hälfte nach hatten diese Leute von Vater auf Sohn alle Krankheiten; alle versuchten aus der belagerten Stadt zu entkommen, aber die Krankheit kehrte immer wieder. In dieser Erzählung erscheint Confucius als ein schlechter Prophet; wir haben aber in unserer Abhandlung über die Quellen des Lebens | des Confucius ^) schon bemerkt, dass Lie-tseu ein Tao-sse war und diese dem Qonfucius, wie es scheint, allerlei angedichtet haben, vgl. auch die Anekdote von Lie- tseu ib. f. 38 V. Dem ganzen System des Confucius und der Chinesen über die Bedeutung der Omina oder Anzeichen passt (entspricht) mehr der Ausspruch des Confucius im Kia-iü Cap. 7 f. 1 5 fg., auch im Schue- yuen im 1-sse 86, 4 f. 16 v., Amiot p, 249 fg. Ngai-kung von Lu fragt da Confucius und sagt: ist es sicher, dass der Reiche- und Fami- lien Bestand und Vergang vom Himmelsbeschlusse (Thien-ming) und nicht blos vom Menschen abhängt? Confucius erwidert: Der Bestand und Vergang, Unglück und Glück sind alle bestimmt und des Himmels Kala- mitäten und der Erde ausserordentliche Vorfälle (Yao) können nichts dazu thun. Obiges schon S. 131; hier noch die weitere Anwendung. Der Fürst sagte : ein guter Ausspruch (Wort) vom Meister, was ist da zu thun? (gibt es davon Vorfalle)? Confucius erwiderte: einst zur Zeit von Ti-sin (der 2ten D. 1154—1123 v. Chr.) erzeugte Ao. 3 ein 2) Sperling einen grossen Vogel in einem Winkel der Stadtmauer. Das Alterthum (die Alten) sagten: immer wenn aus einem Kleinen etwas Grosses entsteht, deutet diess einen grossen König (Wang) und Ruhm an und es wird Glanz auf Ti-sin in Kraft dieses Sperlings fallen. Ti-sin zierte aber nicht die Regierung des Reiches, zeigte sich grausam, von den Hofbeamten kam keiner ihm zu Hilfe, von Aussen kam der Räu-

1) München 1863 8., a d. S. B. I, 4 S. 423.

2) Vgl. das Bambabuoh (Tscho-Bcha) B 1, f. 29.

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ber (Feind) und das Reich der Yn ging zu Grunde, weil er nämlich den Himmelszeiten sich widersetzte, das Glück täuschte, so verkehrte es sich im Unglück. Dagegen unter einem früheren Geschlechte der D. Yn, zur Zeit des Kaisers Tai-wu ^), (1637—1563) vgl Sse-ki B. 3 f. 6 und Tschu-schu B. 1 f. 19 v. begab es sich, dass ein Maulbeerbaum mitten im Palasthofe wuchs, in 7 Tagen dehnte er sich sehr aus. Die Wahrsager sagten: Der Maulbeerbaum ist ein wilder Baum und wächst nicht im Palasthofe, er deutet also an, dass das Reich zu Grunde gehen wird. Tai-wu aber gerieth in Besorgniss und Unruhe, regelte seine Person, ordnete sein Handeln, gedachte des Glanzes der erleuchteten Regierung der früheren Kaiser, unterhielt des Volkes Weg (Tao) und nach drei Jahren verehrten die fernsten Gegenden seine Gerechtigkeit und sie erstreckte sich bis auf 16 Reiche der Schue-yuen hat 6 So wurde das Unglückszeichen in Glück verwandelt; er widerstand dem Himmelszeichon u. s. w. Der Schue-yuen schliesst: daher will durch schlimme Kalamitäten der Himmel den Kaiser und die Vasallenfürsten nur warnen, durch böse Träume nur warnen die Sse und Ta-fu, also überwiegen (überwinden) böse Kalamitäten eine gute Regierung nicht, böse Träume überwiegen ein gutes Handeln nicht; bei einer höchst guten Regierung verkehrt sich das Unglück in Glück. Der Kia-iü weicht etwas ab und schliesst mit einer Aeusserung des Fürsen über die Be- lehrung durch den Weisen.

Die sp&teren erzählen allerlei wunderliche oder ungewöhnliche Sachen, die verschiedenen Fürsten vorkamen, die dann zu Confuoius schickten, um von ihm sie sich deuten zu lassen. So fuhr Tsohao-wang, der König von Tshu, nach dem Eia-iü 8 f. 2 v. im I-8se-86, 4 L 87, Amiot p. 374 fg. einst über den Kiang, da sah er etwas mitten im Wasser schwimmen^ gross wie ein Scheffel (Theu), rund und roth; die Schiffer mussten es ihm bringen. Verwundert firagte er alle seine Beamten, was das bedeute? aber keiner konnte es ihm sagen. Da schickte er nach Lu, Confucius zu befragen. Confucius erwiderte, es ist diess ein Ping-sohi (eine seltene Pflanze) ; für den, der sie isst, ist es ein glückliches Zeichen, er kann Pa ((Gewaltherrscher) werden und die andern unterwerfen. Als der Bote zuuQckkehrte, ass der König sie gleich und blieb lange sehr schön. Ein Bote kam und meldete es einem Ta-fn in Lu. Der Ta-fu wandte sich an Tseu-yeu und fragte und sagte; woher wusste Meister, dass dem so ist Dieser sagte: ich ging Tsohing vorbei und auf Tsohing's Feldern da hörte ich die Knaben singen: Tshu's König setzt über den Kiang und bekommt eine Ping-scbi, gross wie ein Scheffel, roth wie die Sonne, zer-

1) Liü-schi's Tschhün-thsieu im I«sse 14, 9 hat eine ähnliche Geschichte aus der Zeit Tsching- tbang's. Der Scholiast citirt dazu die Geschichte unter Thai-wu.

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gehneidet er sie und isst sie, so ist sie süss wie Honig ; dass ich Tshu's König so antwortete, das wusste ioh daher. Dieses Geschichtchen ist offenbar erfunden. Kia-iü 14 f. 11 v.« Axniot p. 375 erzählt eine ähnliche Geschichte. In Tshi flog ein einbeiniger Vogel in des Fürsten Hof hinab, setzte sich vor die Palastmauer und lief mit ausgebreiteten Flügeln. Thsi's Fürst war das wie- der auffallig und er sandte nach Lu, um Confucius zu befragen. Confucius sagte: dieser Vogel heisst ein Schang-yang und ist ein Vorzeichen von Wasser (Regen). Einst liefen die Kinder, sprangen auf einem Beine mit ausgebreiteten Armen und sangen: wenn der Himmel grossen Regen sendet, tanzt der Schang-yang (Thien tsiang ta iü, Scbang yang ku wu). Jetzt da er in Tbfii sich zeigt, ist das Volk schnell zu erinnern, die Gräben und Kanäle in Qi'dnung zu halten and die Dämme zu verstärken; denn es wird eine grosse Wasser- Calamität eintreten, ein heftiger Regen and das Wasser wird im Reiche grosse Ueberschmemmangen anrichten und dem Volke viel Schaden thun, aber wenn Thsi vorbereitet ist, wird es da nichts zerstören. King-kung sagte : des heiligen Mannes Wort ist zuverlässig und wird sich bewahrheiten. Der Kue-iü hat noch einige wohl apokryphe Erzählungen von Fragen nach Raritäten und Alterthümern, die Confucius angeblich deutete:

1) Ueber den Fen-yang, der beim Brunnengraben gefunden wurde nach Kue-in La-iü C. 9 f. 11 V. im I-sse 86« 4 f. 86 auch im Kia-iü Cap. 16 f. 18 und bei Han-schi uai tschuen im I-sse ib., vgl. Amiot p. 153 fg. Ki-koau-tseu (unter Ting-kung, nach Han-schi unter Lu Ngai-kang, Hess einen Braunen graben und man erhielt in der Erde ein irdenes Gefass, das in der Mitte ein Schaf hatte. Er sandte nun einen Boten an Confucius, ihn darüber zu befragen und sagte: Ich grub einen Brunnen und erhielt eineu Hund (keu), was bedeutet das? Confucius sagte: so viel ich hörte, war es ein Schaf. Ich hörte der wunderbare Geist (kuei, der Elemente Holz and Stein) ist der Kuei wang liang ; der Wunderbare des Wassers ist der Lung wang siang; der Wunderbare der Erde ist der Fen-yang (das monströse Schaf) ^). Da dieses Schaf mitten im Brun- nen gefunden worden, sei der Fürst die Vereinigung (Combination) von Wasser und Erde, sein Körper der Jü-Stein, die Leber (kan) die Erde, der Fürst schickte hin es zu sehen, 'ob es wirk- lich so sei. (Dies letztere ist mir unverständlich).

2) Der König von U fragte Confucius angeblich nach einen grossen Knochen, der in Yaei gefunden worden u. Confucius antwortete nach Kue-iü Cap. II, Lu-iü Xo. 11 f. 14 im I-sse 86,4 f. 35 V. (482 V. Chr.) auch im Kia-iü 16 f. 18 fg., vgl. Amiot p. 376—79: U's König Fu- tschai schlug Yuei's König Keu-tsien und zerstörte nach Amiot dessen Hauptstadt Hoei-ki (aber dies ist ein Berg). Man fand da einen grossen Knochen; ein Glied davon füllte einen ganzen Wagen. U schickte nun einen Gesandten nachzuforschen und bei Confucias als PVemder deshalb anzufragen was das für ein grosser Knochen sei? Confucius sagte angeblich: Ich habe ge- hört, dass vor Alters, als die Schaar seiner Unterthanen oder Diener (Beamte) am Berge Hoei- ki versammelte, Fang-fung wegblieb. Spater erreichte ihn und tödtete ihn. Seine Knochen nahmen einen ganzen Lastwagen ein und waren sehr gross. Der Fremde sagte : Ich wage zu fragen, was für ein Schatzgeist war es (Schui scheu wei schin) ? Confucius sagte : Der Geist (ling) der Berge and Flüsse das ist genügend. Der Umriss der Geschichte (ki-kang) ist, dass er der Schutzgeist zur Bewahrung der Sche-tsi ist. Dies ist die Sache der Vasallenfürsten (Tschu-heu). Die Opfer der Geister der Berge und Flüsse, welche die Tschu-heu darbringen, gehören dem Könige. Der Fremde sagte : Fang-fung, wen besorgte der ? Confucius sagte : Wang mang schi^s Fürst bewacht das Lehen des Yü-berges, es ist eine Familie unter oder Hia ; unter der D. Hia and Schang ¥rar es Wang mung schi, anter der D. Tscheu hiess er Tschang-ti; jetzt heisst er der grosse Mensch iTajin, der Riese). Der Fremde sagte : Des Menschen äusserste Länge, wie ist die?

1) Nach Han-schi sagte Confucius : ^es Wassers reine Essenz sei der Jü-Stein, die der Erde das Schaf.

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Confacius sagte: Der kleinste Kio Yao war nur 3 Fuss (28" 6 Linien) gross, der länffste über- traf nicht 10' (7 Fuss IT' nach Amiot). Diesen Fang-fun<? erwähnt auch die Chronik (Tschün thsien) von U u. Yuei und der Po-voe-tschi im I-sse B. 12 f. 7.

3) In Tschin er k 1 arte Confuoius dem Fürsten angeblich das Phänomen eines seltenen Vogels, der todt auf das Palastdach herabstürzte, nach dem Kue-iü Lu-iü 2 f. 15 im I-sse 86, 4 f. 35 V., auch im Sse-ki B. 47 f. 14 u. im Kia-iü IG f. 18 vgl. Amiot p. 325—27. Als Confu- oius in Tschin war, beherbergte Tschin's König ') Hoei-kung(533— 505 v. Chr.)— nach dem Sse-ki aber Min-kung (501 f.) ihn im obem Gastzimmer. Zu der Zeit war da eine Art Falke (Sün); der setzte sich auf des Fürsten Ting und starb. Der Pfeil war aus dem Holze Hu, die Spitze eine steinerne (Nu), die Länge nach Amiot T 1" (Tschi-tschhi). Hoei-kung sandte Leute, die brachten den Vogel zu Confucius in seine Herberge und befragten ihn deshalb. Confucius sagte, der Vogel kommt weit her; der Pfeil ist aus dem Volke Su-schin (in der Tatarei).*) Kinst als Wu-wang die Dynastie Schang besiegte, drang er bis zu den Ostbarbaren und den lOÜ Man vor. Es sandte nun jeder Stamm aus seinem Lande Schätze (Seltenheiten, Hoei) als Tribut und keiner vergass dabei die eigenthümlichen Produkte (Nie) seines Landes darzubringen. Von solchen brachte nun Su-schin dergleichen hölzernen Pfeile mit Stein spitzen von 1' 1" Länge als Tribut dar. Die frühem Könige wünschten glänzen zu lassen ihre Befehle durch Sachen aus fernen Landen, zu zeigen, dass sie den späteren Menschen ein beständiger Spiegel sein sollten. Wu-wang gab ihn der Familie seiner Frau (Schün's Nachkommen Hu-kung), als er ihn mit Tschin belehnte. Die Alten vertheilten unter die zu ihnen gehörigen Familien die schönen Steine, die Verwandten zu lieben, an verschiedene Familien aber die Tribute aus fernen Gegenden, um nicht zu vergessen die Un- terwürfigkeit, darum ertheilte er an Tschin den Tribut von Su-schin. Wenn der Fürst einen Beamten in der Schatzkammer nachsuchen lässt, kann er das finden. Der Fürst sandte nun einen Mann nachzusuchen und erhielt wirklich eine goldenes Kästchen (Kin to) wie diese.

4) Das folgende Gesohichtchen ist bei Pao-po-tseu im I-sse 86, 4 f. 36 v. und sehr ab- weichend bei Amiot p. 336. Der König von U haute Steine, um einen Palast zu bauen und mitten im Gestein fand er ein Buch in purpurfarbigen Charakteren auf Goldstreifen. Da er es nicht lesen konnte, schickte er Boten, um Confucius in Tschin deshalb zu befragen. Confucius sagte: U^s König verschliesst und behält (Hien kiü) das Buch, welches der rothe Sperling im Schnabel hält. Als Confucius es sah, sagte er: Dies ist des Geistes Kostbarkeit (Ling pao tschi fiing); oben steht das Gesetz, dessen sich bediente. In einem Jahre wird Thsi Himmel und Erde bekuren im rothen Palaste. (Das letzte ist mir nicht klar).

belehnte einen berühmten Berg, den Geisterverwandlungsberg, mitten im Steinverschi uss und jetzt verschliesst der rothe Vogel ihn, der gefährdete Himmel lieferte ihn.

Wir wissen, dass zum Aberglauben der alten Chinesen das Bei ragen der Loose, das Wahrsagen aus den Kissen der gebrannten Schild kr öten-Schaale und aus der Pflanze Schi gehörte. Die Stelle aus Li-ki Cap. Piao-ki 32 f. 54 v., wie nach Confucius einst die erleuchteten Kaiser der drei Dynastien alle den lichten Geistern von Himmel und Erde dienten, indem sie nichts unternahmen ohne den Pu und die Pflanze anzuwenden, haben wir in unserer Abhandlung die Religion der alten Chinesen I S. 103 u. Zusatz zu S. 89, die Stelle f. 55

1) Nach Amiot Tsching-tsen.

2) S. meine Geschichte des östlichen Asiens. Göttingen 1880 B. I S. 76.

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V. (Callery p. 164) ebenda S. 92 und 104, die Stelle f. 56 ebenda S. 103 fg. bereits angeführt. Da sie mehr die alte chinesische Ansicht als seine eigene betreffen, brauchen wir sie hier nicht zu wiederholen ; ebensowenig die Stelle im Li-ki Cap. Fang-ki 30 f. 26 p. 153, wo er den Schi-king III, 1, iO p. 155 citirt, dass Wu-wang vorher die Schild- kröte befragte, ehe er seine Residenz nach Hao verlegt. Nach Tschuang tseu im I-sse 86, 4 f. 49 v., geht als Confucius erkrankt Tseu-kung hinaus, das Loos zu befragen, aber Confucius hält ihn zurück (die Stelle ist zu undeutlich abgedruckt, um sie ganz mittheilen zu können, so auch eine darauf bezügliche aus dem Lün-heng). Li-ki Tse-i 33 f. 67 V. sagt Confucius: Die Leute im Süden haben ein Sprichwort das sagt : wenn ein Mensch keine Beständigkeit (Heng) hat, so kann er die Schildkrötenrisse und die Pflanze (Schi) nicht befragen. Es ist ein ange- sehenes Wort des Alterthums; auch mit der Schildkröte und mit der Pflanze Schi kann man das nicht wissen, wie viel weniger durch Men- schen und er citirt dann die Stelle des Schi«king (II, 5, 1): wir befra- gen die Schildkröte, aber sie gibt uns keine Auskunft, dann auch eine aus dem Schu-king Cap. Yue-ming (IV, 8) und aus dem Y-king. Ein Beispiel einer verschiedenen Deutung eines Auguriums gibt der Lün- heng im I-sse 95, 2 f. 19. Lu wollte Yuei angreifen; er befragte die Pflanze, es erlangte das Zeichen von einem Dreifusse (Ting), dem die Füsse abgeschlagen waren. Tseu-kung deutete es als ein unglückliches Zeichen, da man einen Dreifuss, dem die Füsse abgeschlagen waren, nicht brauchen könne; Confucius erklärte es aber angeblich für ein günstiges Zeichen und sagte: Yuei's Leute wohnen auf dem Wasser, fahren zu Schiffe und brauchen daher keine Füsse, drum heisst es günstig. Lu griff dann Yuei an und schlug es wirklich. Der Lün-heng im. I-sse 95, 3 f. 7 V., erzählt noch: Tseu-lu fragte Confucius, ob auch eine Schweinsschulter (Tschü-kien) und ein Schafbein zum Wahrsagen (Tschao) gebraucht werden könne und man die Pflanze Tiao (das Goldkraut), Wei (die Linse), Kao (das Stroh) und Mao brauchen könne, um daraus Zahlen zn entnehmen, wie beim Schi und der Schildkröte. Confucius sagte, nein, diese haben schon ihren Namenda von ; denn Schi ist(?) so- viel, als Tschi verursachen, Kuei so viel als Kieu, alt! Um aufsu- hellen zweifelhafte Sachen, befrage man die Schi (Pflanze) schon lange

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Das letzte wenigstens sind schlechte Etymologien, wie deren noch einige von Confucius vorkommen. Kia-iü Cap. 10 f. 24 v. fg. und Schue- yuen 95, 4 f. 7 heisst es: Confucius befragte die Schi und erlangte die Eua Pi (22 T. II p. 50). Kr seufzte und zeigte keine gleichmäs- sige Haltung. Tseu-tschang näherte sich ihm und sagte: ich (Sse) hörte, dass beim Befragen des Looses die Kua Pi erlangt wurde, das ist ein glückliches Zeichen und doch zeigt Meister keine gleichmässige Halt- ung, wie ist das ? Confucius erwiderte und sagte : Im Y-king der Tscheu bildet der Berg, der unten das Feuer hat, die Kua Pi (so sagt auch Confucius im Commentar Siang). Es ist keine Kua von rechtem Aus- sehen ; das Reelle (Tschi) ist das Weisse, es muss aber recht weiss sein^ wie das Schwarze recht schwarz. Wenn ich jetzt die Kua Pi erlangt habe, so ist das nicht mein Prognostiken (Tschan). Ich hörte: Röthe und Firniss sind kein Schmuck (Wen). Wenn ein weisser Jaspis nicht bearbeitet ist, was ist er? Der Stoff ist da, aber die Verzierung hat er nicht erhalten, das ist der Grund. Wie Confucius nach Tso-schi Wen-kung Ao. 2 f. 6, S. B. 15 S. 431, vgl. Lün-iü 5, 17, den Tsang- wen-tschung tadelt, weil er einem grossen Seevogel, (der am Ostthore von Lu erschienen war) als einem Gott opferte und ein Haus für die Schildkröten baute, an dessen Säulen Bilder von Bergen geschnitzt und auf dessen Gesimse Wasserpflanzen gemalt waren, weil er glaubte da- durch bei den Wahrsagungen ein günstiges Ergebniss zu erzielen, ist schon oben erzählt worden. Dieser Tsang-wen-tschung und sein Schild- krötenhaus wird auch im Schue-juen im I-sse 95,4 f. 14 und im Kia- 10 f. 25 V. erwähnt. Confucius Aeusserung über den Eid Kia-iü 22 f. 36 u. Sse-ki 47 f. 15 v., den er schwur und dann brach, s. im Leben des Confucius II, 1 S. 8.

Was den Cultus betrifft, so ergibt die ganz unpersönliche Auffas- sung des Himmels, dass durch blosse Gebete und Opfer etwas zu er- reichen nicht zu Confucius Systeme passte; wir lesen daher auch im Lün-iQ 7, 34: dass als Confucius sehr krank war und Tseu-lu ihn bat für ihn beten zu dürfen, Confucius ihn fragte, ist das thunlich? und als Tseu-lu erwiderte: es ist so, der Lui (das Gebetbuch) sagt: betet zu den obern und untern Geistern (Schin-khi), Confucius erwiderte : dass ich (Khieu) gebetet habe, ist schon lange. Nach Kia-iü 25 f. 3 v.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d Wiss. Xm. Bd. IL Abtb. 20

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und dem Ta-tai Li-ki im I*sse 95, 2 f. 4 betete man Morgens und Abends fär die alten Kaiser und die 3 Könige, vgl. auch 3,13 oben seine Aeusserung über die Anrufung des Geistes des Herdes : wer gegen den Himmel sich vergangen hat, zu wem soll der beten? Ki-lu's Frage und seine Antwort nach Lün-iü 11, 11 s. schon oben S. 136; 2, 24 sagt Confucius: einem Manen (Kuei) opfern, der nicht der deinige ist, ist Schmeichelei, (Tschang), dagegen wer etwas als gerecht erkannt hat, und es nicht übt, ist feige. Wenn er seinen Schüler Yen-yen 3, 6 tadelt, dass er es nicht gehindert, dass Ki-schi dem Tai-schan (Berge) opferte, so war das, weil das eine Usurpation war, die ihm nicht zukam. Ebenso Lün-iü 3, 2, dass die 3 Familien in Lu die Ode Jung (Schi- king IV, 1, 2, 7) beim Kaiseropfer (Ti)u8urpirt hatten. Tso-schiNgai-kung Ao. 6, f. 11 V., S. B. 27 p.l46, Sse-ki 40 f. 22 fg., S. B. 44 p. 108 und der Kia-iü Cap. 41 f. 13 v* erzählen : Der König von Tshu Tschao-wang er- krankte. Die Schildkrötenschaale sprach, der gelbe Fluss sucht ihn heim ; der König opferte ihm aber nicht, obwohl die Grossen ihn baten im Kiao zu opfern. Er sprach: Die drei Dynastien (Familien) erliessen Anordnungen wegen der Opfer ; bei diesen überschreitet (der Vasallenfürst) nicht den Gesichtskreis (seines Reiches, Wang); s. meine Abh. üb. d. Rel. I S. 77 Der Kiang, der Han, der Thsu und Tschang gehören zum Gesichtskreis Tshu's. Das Eintre£fen von Glück oder Unglück geht nicht über die- se hinaus. Habe ich auch keine Tugend, so habe ich mich am Hoang- ho doch nicht vergangen, daher opferte er nicht. Confucius, der in Tschin war, hörte das und sprach : Tschao, der König von Tshu, kannte die grossen Gesetze (Ta-tao); es ist billig, dass er des Reiches nicht verlustig wurde.

Da Confucius die alten Gebräuche und Einrichtungen sorgfältig erforschte, ^) so ist nicht zu verwundern, dass er nach Lün-iü 3, 15 und Kia-iü 9, 22 und 9, 23, wenn er den grossen Tempel (Tai-miao)

1) Als Ling-kang von Wei Confacias nach der Taktik fragte, sagte er nach Lün-ia 16, 1: Die Bedeutung der Opfergefasse (Tsu-teu) habe er gelernt, aber nicht das Kriegswesen. Nach Meng-tseu V, 2, 4, 6 (II, 28, 4) regelte Confucius die Opfer und Opfergefasse und dass zu den Opfern die Produkte aller 4 Weltgegenden zu nehmen nicht nöthig seL (Die Stelle ist aber dunkel).

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betrat, sorgfältig sich nach jeder Sache erkundigte. Einer meinte zwar, wer möge noch sagen: dass der Mann von Tseu die Bräuche kenne, wenn er im* grossen Tempel darnach frage? aber, da er es hörte, meinte er, es gehöre das gerade zu den Bräuchen. Als einer ihn nach der Tendenz (Erklärung) des grossen königlichen Opfers (Ti) fragte : sagte er nach Lün-iü 3,11, ich weiss es nicht , wer dessen Erklärung wüsste, dem wäre Alles auf Erden oder im Reiche (thien-hia) so leicht, wie diess ; dabei legte er die Finger auf die Hand, andeutend, (wie im Handumdrehen könnte der das Reich regieren). Wenn nach dem grossen Opfer die Spende vorbei war, mochte er nach § 10 das Uebrige weiter nicht sehen, (weil es nicht würdig vollbracht wurde). Tseu-kung wollte nach 3, 17 das Opferlamm, das den ersten jeden Monats dargebracht wurde, abschaffen, Confucius aber sagte: du liebst das Lamm, ich liebe den Brauch ^) (Li).

Wir stellen hier noch mehrere Einzelheiten, die das Opfer namentlich der Ahnen betreffen und Confucius angebliche Aeusserungen darüber zusammen.

Im Li-ki Gap. Piao-ki 32 f. 55 sagt Confucius: wenn der Opfer- stier (Seng) einfarbig (tsiuen), wenn die Ritus, die Musik vollkommen geordnet sind, dann ist keine Gefahr (Schaden) von den Euei^schin (Manen und Geister), kein Unwille bei den 100 Familien, (dem Volke) zu erwarten.

Ebenda (f. 55 v.) sagt er Heu-tsi*s Opfer brachte leicht Glück (Reichthum, Fu), seine Gebete waren respektvoll (kung), seine Wünsche bescheiden; so gingen seine Einkünfte auf Söhne und Enkel über. Er citirt dann noch eine Stelle des Schi-king über Heu-tsi und f. 56 sagt er: wenn der Weise Ehrfurcht hat (king) und er bedient sich der Opfergefässe, so unterlässt er nicht die Beachtung von Tagen und Mon- den, tritt nicht entgegen der Schildkröte und der Pflanze Schi, dient ehrfurchtsvoll seinem Fürsten und Obern u. s. w.

Im Li-ki Cap. Tsi-i 24 f. 48 v. f g , auch im Kia-iü Cap. 17 f. 23 fg. fährt Confucius nach der Erörterung über die Kuei-schin S. 138

1) Der Kia-iü citirt noch den Hia-Bcha (Scha-king II, 8 p. 63, welche Stelle im Tbo- tschnen fehlt.

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fort: sich stützend auf das Wesen der Dinge (Tsing), trafen die heili- gen Männer die höchsten Anordnungen; stellten in's Licht die Bestim- mung (Ming) und die Kuei und Schin, daraus die Regel für das Volk zu bilden abweichend der Li-ki und Ehrfurcht zu bewirken bei der Menge und Unterwerfung des Volkes dies fehlt im Kia-ifl.

Den heiligen Männern schien das aber noch nicht genug; daher bauten sie Palläste und Häuser, ordneten an die Ahnentempel (Tsung- miao)* Im Frühling und Herbste opferten sie den Ahnen, die Worte fehlen im Li-ki dabei unterscheidend die nahen und fernen (Ver- wandten), dem Volke zu lehren, auf die Alten zurückzugehen und nicht zu vergessen, von wem sie erzeugt (geboren). Die Menge untere warf sich dem und hörtd schnell darauf. Sie lehrten die beiden Grund- bestandtheile (Tuan) Khi und Pe und nachdem diese aufgestellt waren, gründeten sie zwei Ritus beim Morgenopfer. Man briet Fleisch, das einen angenehmen Duft aushauchte mit Beifuss, um dem Khi zu dienen. abweichend der Li-ki. Diess belehrte das Volk auf seinen Ursprung zurück zu gehen. Sie brachten dann dar die Hirse Schu und Tsi, die Leber und Lunge, Kopf und Herz fehlt im Eia-iü mit zwei Töpfen (Wein) und fügten hinzu parfümirten Wein, um dem Pe des Ahnen zu dienen und lehrten dem Volke sich gegenseitig lieben. Wenn Obere und Niedere so ihre Gefühle zeigen, ist diess der Gipfel des Ritus.

Der Weise kehrt zu den Alten und wieder auf seinen Ursprung zurück; er vergisst nicht^ von wem er geboren ist. Daher zeigt er seine Achtung (King), lässt aus seine Gefühle (Tsing), und erschöpft dabei seine Kräfte. Indem er den Opferdienst besorgt, übt er seine Liebe und untersteht sich nicht, sich darin nicht zu erschöpfen.

Nun folgt im Li-ki f. 50 51 v. die Stelle über das Bebauen des Kaiserfeldes für die Opfer; s. m. Abh. üb. d. Relig. d. alt. Ghin. I. p. 85. Der Kia-iü führt dafür das Beispiel von Wen-wang an, wie er den Todten diente und ihrer gedachte wie früher der Lebenden.

Eine zweite Stelle ist im Kia-iü Gap. 6 f. 12 v., auch im Li-ki Gap. Li-yün 9 f. 51 v. Nachdem Gonfucius die alte einfache Zeit geschil- dert hat, geht er auf die einzelnen Opfergebräuche und deren angebliche Bedeutung über. Daher, sagt er, steht der dunkle Wein im

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Hause, der süsse Wein steht in der Thür (Hu), der rothe Hirse- Wein (Tse-thi) in der Halle (Tbang), der klare Wein steht unten. Man ordnet die Opferthiere (I-seng), regelt die dreifüssigen Fleischtöpfe, ordnet seine (musikalischen Instrumente) Kin- und Se, die Flöten, Klingsteine, Glocken und Trommeln und stellt seine Beter (Tscho) auf fehlt im Kia-ifl, um herabkommen zu lassen die obern Geister mit seinen früheren Ahnen, um in das rechte Verhältniss zu bringen Fürst und Unterthan, um zu ermuntern Vater und Sohn, um Liebe zu erwecken zwischen altern und Jüngern Brüder und Ordnung zwischen Obern und Untern zu erwirken und dass Mann und Frau ihre gehörige Stellung einnehmen. Dies heisst des Himmels Glück herbeiziehen.

Man beginnt mit den Anrufungen. Blauer Wein (Wasser) diente beim Opfer; man brachte dar das Blut, (des Opferthieres) ; Haare und Fett, kochte das Fleisch, bediente sich der Strohmatten (zum Sitzen), bedeckte die Opfergefässe mit grobem Zeuge, bediente sich gewasche- ner (hoan), seidener Zeuge und brachte den süssen Wein und das ge- bratene Fleich dar. Der Fürst mit seiner Frau brachte es dar, um zu erfreuen den Hoan und Pe (die Geister der Ahnen). Diess hiess Ho-mo; fehlt im Kia-iü (Callery übersetzt es eine friedliche, respektvolle Darbringung) und darnach kehrte man zurück, brachte mit dem gekoch- ten Fleisch Hunde, Schweine, Rinder und Schafe dar und füllte seine Schüsseln mit Reis, mit Früchten, gekochtem Fleische und Gemüse. Der Beter meldete den Ahnen die Pietät seiner Nachkommen und die- sen die Liebe (ihrer Ahnen). Diess hiess das grosse Glück (Ta-tsiang) und bildete die grosse Vollendung der religiösen Bräuche (Li). Die Stelle über die Opfergaben Kia-iü 44 f. 29 v. s. unten.

Im Li-ki Cap. Tschung-ni yen-kiü 28 f^ 10 sagt Confucius: Wer die rechte Einsicht hat (Ming) in die Bedeutung der Opfer Eiao und Sehe und in die Bräuche (Ritus) bei den (Ahnenopfern) Tschang und Thi, der regiert das Reicb^ wie wenn er es auf flacher Hand hielte. Dieselbe Stelle findet sich im Tschung-yung Cap. 19.

Sühnopfer kennt der chinesische Cultus nicht; eben so wenig einen Sabbath.

Nach Lün-iü 1, 12 war Confucius sehr sorgfaltig bei den Fasten

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(Tai), bei Kriegen und bei Krankheiten ^). Li-ki Piao-ki Cap. 32 f. 37 v. empfiehlt Confucius sich durch Fasten vorzubereiten, um den Manen und Geistern (Kuei-schin) zu dienen und wählte Tag und Monat, dem Fürsten aufzuwarten, aus Besorgniss, das Volk möge nicht ehrerbietig sein und Li-ki Cap. Kiao-te-seng 11 f. 32 und Kia-iü Cap 44 f. 29 heisst es : (als Ki-khuang-tseu opfern wollte) ^), fastete er drei Tage strenge (tsi), unterbrach aber zwei Tage den Ton der Glocken und Trommeln, nicht. Yen-yeu fragte desshalb Confucius. Confucius sagte : beim Opfer des frommen Sohnes dauert die geringere Enthaltsamkeit 7 Tage ; sorg- fältig denkt er da an seine Angelegenheiten; drei Tage dauert die höchste Enthaltsamkeit. Einen Tag hält er die wohl aus, wenn er aber besorgt, dass er nicht ehrerbietig genug sei, rührt er am zweiten Tage die Trommel. Die Stellen über das Fasten s. in m. Abh. über die Rel. u. den Cultus d. a. Chines. II. S. 19 fg., auch Li-ki Fang-ki C. 30 f. 29. Beim Opfer galt ihm und seinen Schülern die Ehrerbietung vor Allem. Der rechte Sse, sagt Tseu-hia im Lfln-iü 19, 1 hat beim Opfer vor allem die Ehrerbietung im Auge und im Li-ki Piao-ki Cap. 32 f. 36 V. sagt Confucius: beim Opfer ist die Hauptsache die Ehrerbietung (King) ; sie darf nicht verbunden sein mit Heiterkeit und Freude (Lo) ; vgl. auch Ta-tai Li-ki im I-sse 95, 1 f. 34 v. Wie bei der Trauer der Kummer (Ngai) die Hauptsache ist, so beim Opfer (Tsi-sse) die Ehr- erbietung (Wei) und am Hofe (Tschao-ting) die Ehrfurcht (Kung). *) Li-ki Cap. Tsi-i 24 f. 41, auch im Kia-iü Cap. 44 f. 28 v., doch mit Abweichungen^ heisst es: Confucius brachte das Herbstopfer (Tschang) dar. Bei der Darbringung ging er vor (bis zur Thür nach Scholiast); sein Nahen war respectvoU (Khio), sein Gang war eilig, eilig, das Opfer zu beschleunigen. Tseu-kung fragte und sagte: Meister (sagte uns) das Opfer sei würdevoll (Tsi-tsi) und der Sinn auf das Opfer ge- richtet (Tsie-tsie), jetzt aber ist Meisters Opfer beides nicht. Confucius

1) Collie übersetzt irrig: carefal in worshipping the gods and ebenso Schott: er richtete sein Hauptaugenmerk auf den Dienst der Gottheit.

2) Dieser Zusatz fehlt im Li^ki.

8) Noch eine Stelle, wie Ehrfurcht (King) beim Opfer mehr Werth habe als überflüssige Cere- monien im Li-ki Tan-kung f. 24, s. bei Trauer IV, 2.

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erwiderte: es ist jenes die Weise, wie man mit Fernen verkehrt, die- ses wenn man auf sich zurückgeht, wie kann man anders als so mit den lichten Geistern verkehren, worin besteht beides? Die Opfer und die Musik vollkommen darbringen; die Bräuche und« die Musik ordent- lich ausfuhren und die 100 Beamten wohl vorbereiten; wenn das statt- findet, was ist dann noch Mysteriöses (Hoang-hö) dabei ? es kommt nur auf die Hauptsache (Grundlage) an und jeder erreicht seine Stelle.

Die Gebräuche bei den höheren Opfern steigern sich nach Confucius immer. Man kann, sagt erLi-kiCap. 10 f. 23 v. und Kia-iü 29 f. 13 v., vgl. Amiot p. 209 alle 300 Lieder (des Schi-king) durchdringen und es genügt nicht zu einem (Opfer) Hien ; die Gebräuche eines Opfers (Hien) sind nicht hinreichend zu einem Ta-hiang (Opfer Himmels und der Erden nach den Schol); die Gebräuche eines Ta-hiang genügen nicht zu einem Ta-liü (Opfer der 5 Kaiser, U-ti) ; alles bei einem Opfer Ta-liü genügt nicht zum Hiang-ti (zum Opfer für den kaiserlichen Himmel); daher wagt der Weise nicht leichthin über die Gebräuche zu sprechen.

Was die einzelnen Opfer betrifft, heisst es im Li-ki Tsa-ki Cap. 21 f. 83 V. (17 p. 113) und Kia-iü 28 f. 12 fg., Amiot p. 384, Tseu-kung sah dem Opfer Tsa ^) und dem Feste dabei zu, (das man den Landbauern am Ende des Jahres gab). Confucius fragte ihn, wie ihm das gefallen habe? er erwiderte: Die Bewohner des Reiches schie- nen ihm alle wie närrisch (toll), er begreife (ihre) Ausgelassenheit nicht. Confucius aber erwiderte: für lOO Tage Arbeit einmal Ausgelassenheit, das verstehst du nicht; immer anspannen den Bogen und ihn nie ab- spannen^ das konnten Wen- und Wu-wang (die Stifter dieser Institutio- nen) nicht; ihn abspannen und niemals anspannen, das konnten sie auch nicht; ihn einmal abspannen und einmal anspannen, das war ihre Weise (Tao).

Der Kia-iü 42 f. 17 v. erzählt; Als Confucius in Thsi war, ent- stand eine grosse Dürre und im Frühlinge eine Hungersnoth. King- kung fragte Confucius, was da zu thun sei? Confucius rieth ihm

1) Ueber das Opfer der Pa-tsa b. Li-ki Cap. Eiao-te-seng 11 f. 37—39 v., (10 f. 63 fg.) mit Schol. Amiot Mem. T. XII. p. 383 nennt es irrig Ta-tscha; vgL auch Li-ki Ming-tang- wei Cap. 14 f. 87 y.; s. m. Abb. über d. Religion d. a. Chin. I p. 72.

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den Luxus abzustellen, keine starken Frohnden zu erheben, den Fflr- stenweg (Tschi-tao) nicht ausbessern zu lassen und beim Gebete blos Seidenzeuge und Jaspis (YQ), keine Rinder darzubringen, bei den Opfer (Tsi) keine Musik zu machen (eigentlich musikalische Instrumente auf- zuhängen) und beim Opfer (Sse) ein geringeres Opferthier (Hia-seng) ^) darzubringen; so i^erde ein weiser Fürst sich selber etwas entziehen (pien), um den Gebräuchen des Volkes zu Hilfe zu kommen.

Wie Confi^cius die Ackerceremonie, mittelst welcher der Kai- ser selbst das Korn zum Opfer für den Schang-ti baute, nach Li-ki Cap. Piao-ki 32 f. 43 (26 p. 159, T. p. 79) pries, ist in meiner Abhand- lung über die Religion und den Cultus der alten Chinesen II, S. 86 bereits angeführt. Was der Weise das Rechte (I) nennt, ist, dass Vor- nehme und Geringe, Alle im Reiche (Thien-hia) zu thun haben. So bauet der Kaiser selber den Reis zum Opfer und zum duftenden Weine^ um den Schang-ti zu dienen. Drum geben die Vasallenfürsten sich Mühe, (wiederum) gut dem Himmelssohne beim Opferdienste zu dienen.

Im Kia-iü Cap. Kiao-wen 29, f. 12, vgl. Li-ki Kiao-te-seng 11 f. 34 V. (10, p. 63), Amiot p. 202 fg.») fragt Ting-kung von Lu Confu- cius, warum die alten Kaiser beim Opfer Kiao-sse ihre Ahnen dem Himmel zugesellt hätten? und Confucius gibt darüber eine Auseinander- setzung. Alle (die 10,000) Dinge, sagt er, wurzeln im Himmel, der Mensch wurzelt in seinem Ahn; das Opfer Kiao ist die grosse Huldi- gung, die man der Wurzel (Pen^ der Quelle seiner Existenz) darbringt; man kehrt zum Anfange zurück; drum gesellt man sie dem Schang-ti zu. Der Himmel gewährte als ein Bild von sich den heiligen Mann, (Sching-jin), drum wird beim Opfer Kiao der Himmelsweg (Thien-tao) in's Licht gestellt. (Er geht in diesem Zweigespräch, dann noch in manche Einzelheiten über dieses Opfer ein). Der Fürst sagt: meiner Wenigkeit hat vom Kiao gehört, aber warum ist dieses Opfer nicht überall gleich? Confucius erwidert: das Opfer Kiao wird dargebracht wenn man dem längsten Tage entgegen geht; man huldigt da dem

1) Vgl. Li-ki Tsa-ki 21 f. 83 ; hl Abh. üb. d. Relig. d. alt. Cbin. II. S. 84. In Jahren der Noth opfert man geringere Opferthiere, vgl. auch Tscheu-li 82 f. 39.

2) Hier findet eine starke Versetzung statt.

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Himmel ; die Sonne ist der Gast (Tschü) dabei und der Mond wird ihr zugesellt, daher begannen die Tscheu das Opfer Kiao in dem Monate am Sonnensolstiz, ^) in dem Monate, wenn die Erde sich aufthut (Khi- tschi), dann betet man der Früchte halber zum Schang-ti. Diese bei- den Bräuche aber kommen nur dem Kaiser zu. Wenn in Lu im Win- ter das grosse Opfer Kiao dargebracht wird, so ist es nicht gleich.

Der Fürst fragte dann nach den Opferthieren und Opfor-

ge fassen dabei. Confucius erwiderte: der Ochse für den Schang-ti muss Uörner haben und drei Monate mit reinem Korn ernährt sein; für den Ochsen Heu-tsi's, (des Ahnen der Tscheu) ist das nicht nöthig; diess geschieht zu unterscheiden den Dienst des Himmelsgeistes (Thien- schin) vom menschlichen Manen (Jin-kuei). Das Opferthier (des Him- mels) muss rothgelb (sing) oder hochroth sein; das Kalb (Tho) edel (kuei) und rein (ohne Mackel, Tsching). 2) Man kehrt den Boden und opfert die Materie zu ehren. Zu Opfergefässen braucht man irdene Gefasse (Thao) und Kürbisse (Pao), um die Natur von Himmel und Erde darzubilden Alle Dinge kann man nicht preisen, drum richtet man sich nach den Gliedern. Der Fürst sagte: die weitern Gebräuche beim Opfer (Kiao) des Kaisers, kann ich die wohl vernehmen)? Confucius erwiderte und sprach: dein Diener hörte fehlt im Li-ki der Kaiser wirft erst das Loos (Po) wegen des Opfers Kiao, empfängt; darauf den Befehl im Tempel seines Ahnen (Tsu-miao) und befragt dann die Schildkröte im Ahnentempel seines Vaters (Ni- kung). Den Ahnen zu ehren und dem verstorbenen Vater (Kao) zu lieben ist davon die Bedeutung (der Zweck). Am Tage des Loosens steht der Kaiser nahe bei dem Pallast-Teiche^ um den Befehl und die Entscheidung zu vernehmen und der Sinn (die Bedeutung) davon ist eine Belehrung und Mahnung zu erhalten. Nachdem er das Loos befragt^ theilt er den Befehl mit innerhalb des Magazinthores (Khu-men, eines Pallastthores), um die 100 Beamten zu erinnern, wann das Opfer Kiao

1) Diese Stelle hat der Li-ki später f. 85. Der Kia-iü ist hier wohl verdorben.

2) fehlt hier; die Stelle gehört offenbar nicht hieher, vgl. Li-ki Cap. Wang-tschi 5 f. 18 Cap. 10. Lün-iü 6, 4 sagt Confucius: wenn das Kalb einer scheckigen Kuh roth ist und Hör- ner hat, wünscht man nicht es zu verwenden; aber werden (die Geister) der Berge und Flüsse es verschmähen ?

Abb. d. L Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. IL Abth. 2 1

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dargebracht werden soll. Der Kaiser bekleidet sich dann mit der (ho- hen) ledernen Kappe (Phi-pien).

Am Tage des Opfers Kiao darf der Trauernde nicht weinen ; in Unglückskleidern darf er nicht des Reiches (der Hauptstadt) Thor be- treten. Der Weg wird gekehrt und gereinigt, (nach den Scholien mit fri- scher Erde bestreut) und der Gehende bleibt zuletzt stehen. Ohne dass das Volk einen Befehl vernimmt, herrscht die grösste Ehrerbietung. Der Kaiser trägt ein grosses Pelzkleid mit Stickereien, die den Himmel darbilden ; er fährt auf einem einfachen Wagen, um die Substanz (Tschi) zu ehren; die Fahne (Khi) hat zwölf Anhängsel (Kränzen), das Bild eines Drachen, um zu zeigen der Sonne und Mond Gesetz (Fa). Nach- dem er zum Erdaltar (Than) gekommen ist, zieht er das Pelzkleid aus und zieht das mit Drachen gestickte Kleid an, um zu beaufsichtigen das Verbrennen des Holzscheites. Er trägt die Mütze (Tsao) mit zwölf Gehän- gen (Kränzen), diess ist die Zahl des Himmels. Der Kia-iü schliesst dann mit der Stelle, die wir oben bereits angeführt haben. Man sieht aus diesem Capitel des Kia-iü, wenn es acht ist, wie Confucius in die Einzelheiten des Cultus und dessen Symbolik einging und sie zu erklä- ren suchte. Wir würden dergleichen wohl noch Vieles von ihm haben, wenn es erhalten wäre ; wir fügen noch einiges hinzu, obwohl das An- geführte immer nur relativ vollständig sein wird. Im Li-ki Cap. Li-yün 9 f. 53 V., auch im Kia-iü 32 f. 18 ^) seufzt Confucius Ach! ich sah

Tscheu^s Anordnung (Tao), aber Yeu-und Li-wang verletzten sie Lu's

Opfer Kiao und Ti sind gegen den Brauch ^) (Ritus, Li), Tscheu-kung's Anordnungen sind verfallen. Ki's Opfer Kiao ist das Yü's; Sung's Kiao ist das von Sie. Hier hat sich des Kaisers Dienst (Opfer) erhalten; denn (sonst) opfert nur der Kaiser dem Himmel und der Erde, die Vasallenfürsten opfern eigentlich nur den Sche-tsi, den Göttern des Keldes und der Krüchte ihres Landes. Es werden dann f. 54 55 noch mehrere Einzelheiten angeführt, die gegen die Ritus seien. Diese Aeusserungen

1) Im Eia-ia geht vorher: Yen-yen sagt, von deBen die jetzt in Aemtem sind weiss keiner auf die Bräuche zu sehen.

2) Li-ki Cap. Li-ki 10 f. 12, auch im Kia-iü 42 f. 18, tadelt Confucius den Tsang-wen-tschung wegen eines Opfers, das gegen die Bräuche verstiess.

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sollen wohl auch von Confucius sein; wir müssen sie aber übergehen, da sie ohne ein specielles Eingehen in das chinesiche Ritual nicht ver- ständlich gemacht werden können. Auch Li-ki Cap. Kiao-te-seng 11 f. 32 und Kia-iü 44 f. 29 ^) führt Confucius noch dreierlei Bräuche an, welche gegen die Ritus seien, (die Darbringung) des Opfers Schi findet statt innerhalb des Magazinthores (Khu-men), die des Opfers Fang in der Ostgegend (nach den Scholien dem Tschao-men) und die des Morgenmarktes (Tschao-schi) ^) in der Westgegend. Li-ki Cap. Li-ki 10 f. 23 V. fg. und Kia-riü Cap. 44 f. 28 v.^) erzählt noch: als Tseu-lu Beamter (Tsai) von Ki-schi war, opferte Ki-schi; es wurde dunkel da man opferte und der Tag reichte nicht hin, man setzte es fort bei Lichte, obwohl man sich sehr anstrengte und alle ein Herz voll Ehr- furcht und Achtung hatten (So-king), wurden alle doch nachlässig und unaufmerksam (Tai) Der die Aufsicht über das Opfer hatte, wurde besonders unehrerbietig (Pu-king). Am andern Tage wurde (wieder) geopfert. Tseu-lu in Hausgeschäften ging an die Thüre und da er in der Halle (TangJ zu thun hatte^ ging er auf die Treppe und begann das Geschäft (Opfer) vollständig und klar zu verrichten. Abends ging er an den Hof und kehrte dann heim. Als Confucius das hörte, sagte er: wer wird noch sagen, dass Yen (d. i. Tseu-lu) die Ritus nicht kenne? Confucius beobachtete selbst strenge die Opferbräuche. Der Lün-iü 10, 10 erzählt: wenn die Dorfbewohner das Opfer No darbrachten (nach den Scholien einem bösen Geiste, den sie fürchteten), stellte Confucius in Hoftracht, (in welcher der Ta-fu opferte), sich auf die Treppe hin; der Li-ki im Cap. Kiao-te-seng 11 f. 31 hat dieselbe Geschichte etwas

1) Der Kia-iü Cap. 44 f. 29 gibt dazu die historische Einleitung, die im Li-ki fehlt. Der Fürst Tschaang-kung von Wei 480—477 kehrte das Reich um, veränderte die alten Anord- nungen, änderte den Tsung-miao und wechselte den Morgenmarkt. Eao-tseu fragte Con- fucius und sagte: nach den Gebräuchen der Tscheu wird das Opfer Schi im Fang darge- bracht, der Fang ist an der Westseite des Ahnentempelthores (Miao-men); vorne ist der Hof und hinten der Markt. Jetzt wünscht der Fürst von Wei, diess zu verändern, wie ist das? Darauf erwidert Confucius: wie im Texte; der Kia-iü hat dafür im Osten.

2) Nach Tscheu-li 14 f. 5 gab es dreierlei Märkte, Vormittags, Mittags und Abends*

3) Amiot M6m. T. KIII p. 31 abweichend. Nach ihm war Ki-schi sehr nachlässig bei den Opfern, die täglich dreimal dargebracht wurden, Hess die Beamten warten und die murr- ten. Tseu-lu machte ihm desshalb Vorstellungen, denen er nachgab und Confucius lobte das.

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abweichend. Das Opfer heisst da Sc hang, er stellte sich auf die Treppe (des Miao), den Hausgeist zu empfangen.

Im chinösischen Cult nahm der Ahnendienst, wie wir in unserer . Abh. über die Religion der alten Chinesen gezeigt haben, eine Haupt- stelle ein. ^) Den Ahnen wurde Alles angezeigt und ihnen von Allem mitgetheilt. Confucius verschmähte nicht seinen Ahnen auch grobe Kuchen, die ein Landmann ihm anbot, darzubringen und rechtfertigte sich desshalb gegen Tseu-lu. S. Amiot p. 124 fg. So auch als nach dem Kia-iü 8 f. 17, vgl. I-sse 86, 4 f. 29 v. Amiot p. 347 auf der Reise nach Thsu ein Fischer ihm einen Fisch anbot, den er wegwerfen wollte, den Confucius aber opferte. Das Oeschichtchen steht schon in meinem Leben des Confucius II, 2 p 28.

Die Aeusserung des Confucius über den Repräsentanten des Todten im Li-ki Cap. Tseng-tseu wen 7 f. 22 haben wir schon in u. Abh. üb. d. Relig. d. alt. Chin. II p. 98 mitgetheilt. Tseng-tseu fragt da: beim Opfer ist gewiss ein Schi da? wie es damit ist? Confu- cius sagt: beim Opfer nach der Beendigung der Trauer ist sicher ein Schi. Zum Schi nimmt man sicher einen Enkel, wenn der Enkel noch klein ist, lässt man einen Mann ihn auf den Arm tragen; ist kein En- kel da, so kann man ihn aus der ganzen Familie nehmen (vgl. Li-ki Kio-li 1 f. 31 V.), nur bei den Opfern für den Schang-ti gab es keinen Schi. Im Li-ki Cap. Fang-ki 30 f. 28 v. sagt Confucius: wenn beim Opfer (Tsi-sse) ein Repräsentant des Todten (Schi) ist, wenn im Tsung- miao ein Tschü ist und einer auf des Volkes Sachen (Opfer) sieht, den Ahnentempel (Tsung-miao) ausschmückt, hochhält (King) die Opferange- legenheiten und das Volk belehrt, dann ist dies ein Damm für das Volk, nicht von der Pietät sich abzuwenden. Wird dann das Volk seine Lieben (Eltern, Tsin) vergessen? und f. 29: Ehrfurcht (King) muss bei dem Gebrauche der Opfergeräthe sein, dann wird der Weise weder aus Sparsamkeit Gebräuche auslassen, noch wegen der Schönheit die Gebräuche sie anhäufen (eigentlich ersäufen, mo). Daher ist es Brauch, dass beim Essen, wenü der Gastgeber (Tschü-jln) dem Verwandten eine Speise dar-

1) Wie die Pietät sieb nach Confucius Tchung-yung S. 19 beim Ahnendienste zeigte, s. unten.

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bringt, der Gast davon opfert; bringt jener ihm keine dar, so opfert der Gast auch nicht ; daher isst der Weise ohne Beobachtung des Ritus die Speise nicht, wenn sie auch schön ist. Er citirt dann den Y-king 63 f. 5 T. II, 368: des Ost-Nachbaren Schlachten eines Ochsen ist nicht wie des West-Nachbaren Opfer Yo, dah^r erhielt dieser auch sein Gluck und den Schi-king III^ 2, 3: er tränkte uns mit Wein, er sättigte uns

mit Tugend Wenn das Volk um seinen Vortheil streitet, so ver-

gisst es die Gerechtigkeit. Ebenda f. 29 v* deutet Confucius noch einige Gebräuche des Ahnentempels. 7 Tage hält er die weitere Ent- haltsamkeit (Kiai), 3 Tage die engere (Tsi) ein; er nimmt einen Mann an, um ihn zu einen Schi zu machen; er geht ihm vorbei und eilig weiter, um die Ehrerbietung (King) zu leUren Der süsse Wein (Li thsieu) steht im Hause (Schi), der rothe Wein in der Halle, der klare Wein (Tsching-thsieu) steht unten, dem Volke zu lehren, dass es nicht ausschweife. Der Schi trinkt dreimal; die Menge der Gäste trinkt nur einmal, dem Volke zu zeigen, dass es Obere und Untere gibt. Beim Weine und beim Fleische vertheilt man es nach Stämmen (dem Grade der Verwandtschaft, Tsung- tso), dem Volke die Liebe zu den Verwandten (Mo) zu lehren^ drum schaut man von der Halle oben in's Haus hinab und unterhalb der Halle sieht man hinauf. Er citirt dann noch den Schi-king II, 6, 5, 3 p. 121: die Ritus und Ceremonien sind alle nach der Regel, man mag lachen oder sprechen, es ist immer anständig.

Der Kia-iü Cap. 34 hat ein ein eigenes Gap. Mi ao-tschi, die Anord- nung eines Ahnentempels, der auch im Li-ki Cap. Tsi-fa 23 f* 32 v. 35 V. ^) mit Abweichungen enthalten ist. Wir haben das Wesentliche aus dem Li-ki in unserer Abh. über den Cultus II, p. 96 schon mitgetheilt und geben hier die Darstellung des Kia-iü. Der Oberbefehlshaber (Tsiang- kiün) Wen-tseu in Wei wollte einen Ahnentempel der früheren Fürsten in seinem Hause errichten und sandte Tseu-kao (einen Schüler des Confucius), Confucius desshalb zu befragen. Dieser erwiderte: ich weiss nicht anders, als dass es kein alter Brauch ist, dass eines Fürsten (Kung) Ahnentempel in einem Privathause aufgerichtet wird. Tseu-kao

1) Der Li-ki führt diese Angaben nicht als Aussprüche des Confucius auf Anlass der Fragen von Tseu-kao an und hat mancherlei Zusätze, von welchen wir die wesentlichten in den Anmerkungen andeuten wollen.

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sagte: ich wage zu fragen, kann ich nicht hören, wie der Ahnen tempel eines Angesehenen und Geringen errichtet wird? Confucius sagte: der Kaiser vertheilt im Kaiserreiche (Thien-hia) die Länder, errichtet die ein- zelnen Reiche (Kue), bestimmt die Ahnentempel (Tsu-tsung) und die Zahl der Tempel der nahen und fernen Verwandten, die der Ange- sehenen und Geringen, fehlt im Li-ki die Vielen und Wenigen die stattfinden. Der Kaiser errichtet daher für sich 7 Ahnentempel (Miao) ; drei für die Tschao (Glanz, die auf der linken Seite) und drei für die Mo (Pracht, das ist die rechte Seite) ^) mit dem Ahnentempel des ersten Ahnen (Thai-tsu) sind das 7 ^). In dem nächsten Ahnen tempel opfert man jeden Monat, für die fernen Ahnentempel sind die Thiao; und es gibt zweiThiao (nach den Scholien an der Ost- und West-Seite) des Thai-tsa Miao; ihnen bringt man nur die Opfer Hiang und Tschang (in den vier Jahreszeiten) dar. Den Vasallenfürsten (Tschu-heu) errichtet man 5 Ahnentempel, 2 Tschao, 2 Mo und einen Thai-tsu-Tempel, das sind 5. ^) Der Tsu ist der Tempel des verstorbenen Vaters (ersten Ahn); man lässt es auch hier bloss bei den Opfern Hiang und Tschang (in den vier Jahreszeiten) ; dem Ta-fu errichtet man 3 Miao, einen Tschao, einen Mo und einen Thai-tsu Miao, zusammen 3; ^) die Opfer sind wie beim Vorigen. Dem Sse ^) errichtet man einen Miao, er heisst Kao Miao, die Opfer sind ebenso. Der Haufe der Beamten (Schu-sse) ^) und der gemeine Mann (Schu-jin) hat keinen Ahnentempel; in den vier Jahres- zeiten opfert man im hintern- oder Schlafgemache (Thsin). In allem die-

1) 8. Tso-Bchi Hi'kung Ao. 24 f. 30, S. B. 14 p. 478.

2) Der Li-ki setzt statt dessen einen Than und einen Sehen und gibt dann die Namen der einzelnen 7 Miao.

3) Der Li-ki setzt wieder statt dessen einen Than und Sehen, nennt die einzelnen Tempel und sagt abweichend, dass in den drei ersten alle Monat und in den beiden letzten blos in den 4 Jahreszeiten geopfert werde, setzt auch noch hinzu, dass die aus den Ahnen- tempel (Tsu) herauskamen, in den Than und die diesen verliessen in den Sehen kamen. Za beiden betete man noch und opferte ihnen; kamen sie aber ans den Than, so hiessen sie blos noch Mane (Kuei).

4) Der Li-ki setzt wieder noch hinzu und 2 Than und gibt die Namen der einzelnen Ahnen- tempel, im übrigen wie oben.

6) Der Li-ki unterscheidet noch den Schi-sse oder Sse erster Classe mit zwei Ahnentempeln und einem Than und den Kuan-sse, (nach den Scholien die mittleren Sse der Tschu-heu) mit einem Ahnentempel.

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sem ist seit bis zur D. Tschen nichts geändert worden. Die Kaiser (Ti und Wang) aller vier Familien nannten das Opfer Kiao das, wodurch sie die Ahnen (dem Himmel) zugesellten und das grosse Kaiseropfer Ti war das grosse Opfer, welches alle 5 Jahre stattfand. ^) Der Tem- pel des grossen Ahnen wurde nicht zerstört, aber was zu diesen nicht heranreichte dessen Tempel wurde mit der Zeit abgebrochen. In alter Zeit wenn der Ahn (Tsu) Verdienste hatte und der nächstfolgende (Tsung) Tugenden besass, nannte man ihren Tempel Tsu-tsung und ihr Tempel wurde nicht zerstört. Tseu-kao fragt dann noch ; das Opfer- buch (Tsi-tien) sagt: die Familie hatte einst zum Ur-Ahnen (Tsu) Tschuen-hio und der Tsung war Yao ; die Familie der Fürsten von Hia hatte auch zum Urahn (Tsu) Tschuen-hio und zum Tsung Yü. Die Leute der 2ten D. Yn hatten zum Urahn Sie und zum Tsung (T8ching)-thang; die Leute der 3ten D. Tscheu hatten zum Urahn Wen-wang und zum Tsung Wu-wang. Hier waren vier Urahnen (Tsu) und vier Tsung, einige aus einer verschiedenen (Generation, Tai); von einigen waren es ihre verstorbenen Väter (Kao); hatte der Urahn Verdienste und Tugenden, so konnte ihr Ahnentempel fortbestehen, wie Yü's Tsung, Yao's und Hia's Urahn Tschuen-hio alle aus verschiedenen Generationen waren ; da sie aber Verdienste und Tugenden besassen, so konnte ihr Ahnentem- pel bestehen. Confucius sagte: Gut ist, was du fragst. Nach den Ge- bräuchen der D. Yn und Tscheu konnte (durfte) der Tempel der Tsung nicht zerstört werden, der anderen Tsu-tsung Verdienste und Tugen- den waren nicht vernichtet, obwohl sie aus verschiedenen Genera- tionen waren, und so kann auch kein Zweifel darüber sein, wenn der einer vernichteten Familie fortbesteht. Er citirt dann eine Stelle des Schi-king I, 2, 5,2 f. 7 v.: Wie schattig, wie weit verzweigt ist die- ser Birnbaum, schneidet seine Blätter nicht ab, haut ihn nicht um, unter dem der Fürst Tschao-pe einst ruhte. Der Kia-iü setzt hinzu: so äusserten sich Tscheu 's Leute über Tschao-kung. Weil sie den Mann liebten, ehrten sie auch den Baum, unter dem er geweilt hatte, um wie viel mehr muss man nicht im Ahnentempel (Tsu-tsung) seine Verdienste

1) Der Li-ki hat etwas ähnlicheB f. 82

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und Tugenden und seinen Tempel ehren und darin opfern* Dieselbe

Aeusserung thut Confucius im Kia-iQ 10 f. 25 mit Bezug auf die Stelle

des Schi-king.

Beim Ahnendienste der Tscheu wurde der Aufstand des Stifters

Wu-wang gegen den letzten Kaiser der zweiten Dynastie mimisch-dra- matisch dargestellt. Nach dem Li-ki Cap. Yo-ki 19 (16 p. 104 T. p. 50), vgl. Kia-iü 35, 26 v. unterhielt sich Confucius mit Pin-meu- khia über die Einzelheiten der Darstellung und erklärte sie; wir müs- sen aber, um hier nicht zu weitläufig zu werden, auf unsere Darstel- lung in u. Abh. über die Religion und den Cultus der alten Chinesen II S. 117 verweisen. Wir haben schon gesagt, dass Confucius sich über alles, was sich auf den Cultus bezog, gerne genau unterrichtete.

Wir erwähnen hier noch Confucius Besuch im Ahnentem- pel des Siang-kung von Lu, nach Kia-iü 9 f. 22 v. Confucius, heisst es da, besuchte in Lu den Ahnentempel Siang-kung's. Es waren da bewunderungswürdige Gefässe (I). Der Meister fragte den Tempelwart (Scheu-miao-tsche) und sagte: wie heissen sie? (was sind das für Gefässe?) Die Antwort ist dunkel. Er erwiderte und sagte : es sind bedeckte Hilfsgefässe (Tseu kai-wei Yeu-tso-tschi-khi). Confucius sagte: ich höre, dass wenn (die Art Gefässe) Yen tso-tschi-ki leer sind, sie zum Erstau- nen sind (i); wenn halbvoll (tschung), dann recht sind; wenn ganz voll (muang), dass sie dann bedeckt werden. Ein erleuchteter Fürst hält sie für höchst rein (tsching). Wenn man sie gerade hinstellt auf ihren Stand, so (?) sieht man sie.

Zu seinen Schülern sagte er: braucht man ausgegossenes (tschu) Wasser, dann ist das ausgegossene Wasser, wenn es bis zur Mitte (voll) ist rechtj; ist es ganz voll, dann bedeckt man es. Der Meister sprach dann seufzend: die Sache ist schlecht, sie sind voll und man bedeckt sie doch nicht. (Das Folgende ist mir wie das Vorhergehende unverständlich).

Tseu-lu trat hinzu und sagte: ich erlaube mir die Frage: gibt es einen Weg (Tao), die ganze Fülle zu erfassen (ergreifen) ? Confucius sagte : eine durchdringende klare Einsicht (Jui) und Weisheit bewahrt sie. Mit Dummheit (Yü) (?) und Angriff (Verdienst, Kung-pij bewahrt das ganze Reich sie; durch Nachgiebigkeit, Tapferkeit, (Stärke), Kraft und Libe- ralität (Tschin) erhält die Generation sie. Bei schlechter Disposition

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(Tie) and Reichthum bewahren die welche die vier Meere inne haben sie; aber bei Nachgiebigkeit (Khien), sagt man, vermindert man sie; diess ist der Weg sie zu vermindern.

Kia-iü Cap. 9 f. 23, auch bei Sün-tseu im I-sse 95, 2 f. 14 heisst es: Tseu-kung besah in Lu die Nordballe (Tang) des Ahnentempels. Als er heraustrat, fragte er Confucius und sagte: vorwärts gewendet sah ich (Sse) in die Halle des Thai-miao und da ich noch nicht ange- halten (ausgeruht, tschüe) hatte, kehrte ich um (huan) und richtete die Augen auf die nördliche Bedeckung, die ganz abgebrochen (abge- schnitten) war und da hatte ich gleich die Erklärung, da der Zimmer- mann gerade vorbei ging. Confucius sagte: bei der Halle des Thai-miao sucht der Beamte einen guten Zimmermann; der Zimmermann sieht auf ein gutes Material, um sein Werk (Verdienst, Kung) geschickt aus- zuführen und der Mann von Ansehen weiss dann auch die Erklä- rung dazu.

Confucius rituelle Responsa die Ahnentafel betreffend, nach Li-ki Cap. Tseng-tseu-wen Cap. 7 f. 10 fg. s. unten bei rituelle Responsa.

Confucius tadelt Ngan-ping-tschung in Thsi, weil er beim Ahnen- opfer nur ein Ferkel darbrachte im Li-ki Tsa-ki hia 21 f. 82, auch Li-ki Cap. Li-ki 10 f. 11.

Zur Naturphilosophie gehörig können folgende angebliche Aeusserungen von Confucius und seinen Schülern betrachtet werden, die freilich auf späteren weniger zuverlässigen Quellen beruhen und schwerlich von ihnen herstammen.

Die erste SteUe ist aus dem ^Ta-tai Li-ki Cap. Tien-yün, auch im I-sse 96, 1 f. 46 fg. Tan-kiä-li fragt da Tseng- tsea und sagt: dass der Himmel rund (yuan) und die Krde viereckig (fang) ist, ist dem wirklich so? Tseng-tsea sagt: hat Li gehört, dass man es sagte? Tan- kiü-li sagte: dein Schüler hat es nicht nntersacht und wagt daher die Frage. Tseng-tsea's Ant- wort ist etwas wunderhar, er sagt: was der Himmel erzeugt, hat oben das Haupt; was die Erde erzeugt, hat unten das Haupt. Was oben das Haupt hat, heisst rund, was unten das Haupt hat, heisst viereckig, Wenn wirklich der Himmel rund und die Erde viereckig wären, dann würden die vier Ecken (Eio, eigentlich Homer), sich nicht decken, daher diese meine Erklär- ung, wie ich (San) sie gehört habe. Confucius sagte: wenn des Himmels Weg (Tao) rund heisst, der Erde Weg viereckig, so will viereckig sagen: dunkel (yeu) und rund besagt licht (ming), Licht ist der Geist (Odem, Hauch) des Hervorbriiigens (Thsu-khi); daher ist das Aeussere licht. (King). Das dunkle ist der Geist (Hauch) des Einschliessens (Han-khi); daher heisst das Innere glänzend. Daher heisst das Feuer das nach Aussen glänzende (Wai-king), das Metall und das Wasser das im Innern lichte (glänzende, Nui-king). Der Geist des Hervorbringens (Thu-khi) brei- Abh. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIIL Bd. IL Abth. 2 2

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tet sich ans; der einschliessende Geist aber wandelt um, daher breitet der Yang sich ans nnd der Yn verwandelt (hoa). Der reine Odem, (Hauch, Thsing-khi) des Yang heisst Geist (Schin), der reine (Odem) des Yn heisst Ling; der Schin und der Ling sind die Grundlage (eigentlich Wurzel, Pen) der Reihe von Dingen und von Ritus, Musik, Hnmanit&t nnd Recht. Der Ahn (Tsn) nnd das Gute regieren die Verwirrung und machen was entsteht. Wenn der Yn- und der Yang-Geist (Odem, Khi), jeder seinen Platz ausfüllt (einnimmt), dann ist Ruhe; neigen sie sich aber seitwärts (pien), dann (entsteht) Wind, stossen sie zusammen (kiü), dann entsteht der Don- ner (Lui); vereinigen sie sich (kiao), dann entsteht der Blitz iThien); ist Verwirrung (unter ihnen), dann ist Nebel (Wu); ist Harmonie unter ihnen (Ho), so ist Regen (Yü); siegt der Yang-Odem, so zerstreut er sich und macht aus dem Regen Thau (Lu), siegt der Yn-Odem, so coagulirt er und bildet Reif (Rauhfrost, Schoang) und Schnee (Siue). Wenn der Yang-Odem sich umwandelt (tschuan), so entsteht Hagel (Po) ; wenn der Yn-Odem sich wendet, so entstehen Schlössen (Sien) ; Hagel und Schlössen sind die Umwandlung eines Odems, (Khi).

Die haarigen Insekten oder Thiere (Mao-tschung) haben Haare und entstehen darnach; die beHederten Insekten (Jü-tschung) haben Federn und entstehen darnach. Die haarigen und befieder- ten Insekten erzeugt der Yang-khi; die bepanzerten Insekten (mit Schuppen) haben Panzer (Kiai) und entstehen darnach; die Thiere mit, Schuppen (Lin, die Fische) haben Schuppen und entstehen darnach; die Thiere mit Panzern und Schuppen erzeugt der Yn-Odem. Allein der Mensch hat eine nackte Brust (Ke-hiung) und entsteht darnach und ist die reine Substanz des Yn und Yang. Die reine Substanz der beharrten Thiere heisst der (Ki)-lin; die reine Substanz der befiederten Thiere heisst der Fnng-(hoang) ; die reine Substanz ber bepanzerten Thiere heisst die Schildkröte; die reine Substanz der Thiere mit Schuppen heisst der Drache (Lung), die reine Substanz aller Thiere heisst der heilige Mensch (Sching-jin). Der Drache ohne Wind erhebt sich nicht; die Schildkröte ohne Feuer wird nicht beim Loose befragt itschao). Diese alle sind das Complement (Tse) des Yn und Yang. Diese vier dienen der reinen Substanz des heiligen Men- schen; daher ist der heilige Mensch der Herr (Tschfi) Himmels und der Erden, ist der Herr der Berge und Flüsse, ist der Herr der Kuei und Schin (Manen und Geister), der Herr des Ahnen- tempels (Tsung-miao). Der heilige Mensch beobachtet sorgfaltig die Zahl von Sonne und Mond und den Gang der Planeten und Sterne, um zu ordnen die Folgsamkeit und den Widerstand der vier Jahreszeiten. (Das folgendd gehört nicht mehr hieher).

Eine zweite Stelle ist im Eia-iü 25 f. 4 v.^ auch im I-sse 95, 3 f. 26 fg. und im Ta-tai Li-ki ebenda f. 27 v.

Tseu-hia fragt da Confuoius und sagt- ich (Schang) habe gehört, dass wenn bei der Ver- wandlung (I) der Mensch und so auch alle Dinge, Vögel, Wild und alle Insekten geboren werden. Jeder wunderbarer Weise ein Genosse (Ngeu) des andern sei, nur nicht ein gleicher Theil des Lebens-Odem's (Khi) und dass (von allen Menschen) keiner sein Wesen (Tsing) kenne, sondern nur eine grosse Tugend (tao te) bis zur Wurzel (dem Grunde, Pen) es zu durchdringen vermöge. (Er gibt nun eine sehr dunkle Zahlen-Philosophie). Der Himmel ist eins; die Erde zwei; der Mensch drei. Dreimal drei macht neun; neunmal neun ist 81. Der erste Herr (Tschü) ist die Sonne; die Zahl der Sonne ist 10 (wohl als die vollkommenste Zahl), daher wird der Mensch (wohl als das voll- kommenste Wesen) im 10. Monate geboren.

8 mal 9 ist 72. Der Genosse (das Paar, Ngeu) folgt wunderbar. Der Herr (Gebieter) des Wunders ist der Stern; der Stern ist der Mond; der Herr des Mondes ist das Pferd; drum wird das Pferd im 12. Monate geboren. ^)

1) Diess ist mir unverständlich; das Pferd soll wegen seiner Stärke das Emblem des hohem Natur-Princips sein und wenn die Stute 12 Monate trächtig ist, so wird das mit den 12

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7 mal 9 ist 63; der Herr der drei ist Teu (Cl. 68, gewöhnlich ein Maas, hier wohl das Sternbild der Schütze); der Herr (Vorstand) des Schützen ist der Hund (Ken); daher wird der Hand im Sten Monate geboren.

6 mal 9 ist 54, .vier ist der Herr (Vorstand) der Tier Jahreszeiten ; der Herr, in den vier Jahreszeiten ist das Schwein; daher wird das Schwein im 4ten Monate geboren.

5 mal 9 ist 45; 5 sind der Töne (Yn); der Töne Herr (Vorstand) ist der Affe Yuen; daher wird dieser Affe im 5ten Monate geboren.

4 mal 9 ist 86; 6 sind der Regeln (Liü) der Poesie ; der Herr (Vorstand) dieser ist der .Hirsch (Lu); daher wird der Hirsch im 6ten Monate geboren.

8 mal 9 ist 27; der Herr der 7 sind die Planeten (Sing, mit Sonne und Mond 7); der Herr (Vorstand) ist der Tiger; daher wird der Tiger im 7ten Monate geboren.

2 mal 9 ist 18; der Herr der 8 ist der Wind (Fung, man zahlte wohl 8 Winde); der Wind macht die Insekten, daher die Insekten im 8. Monate sich verwandeln. Die übrigen Wesen fol- gen nun alle ihrer Art (Lui); Vögel und Fische erzeugt der Yn und sie gehören (scho) zum Yang; drum entstehen alle aus Eiern. Die Fische gehen in's Wasser, die Vögel gehen in die Wolken, daher gehen bei Winters Anfang (Li-tschung) die Schwalben und Sperlinge in's Meer und verwandeln sich in Muscheln (Ko).

Der Seidenwurm frisst und trinkt nicht, die Cikade (Tschen) trinkt und isst nicht; die Ephemere (Fu-y6u) trinkt nicht und isst nicht; die 10,000 Wesen sind sich daher nicht gleich. Die beschuppten Fische fressen im Sommer und verbergen sich (tschi) im Winter. Die beissenden und verschlingenden Insekten werden in den 8 Oefinungen (Kiao) des menschlichen Körpers aus Eiern geboren; die nagenden (tsu) und beissenden werden in den 9 Oefifnungen des Fötus (Thai) geboren. Die Vierfüsser sind ohne Flügel (I); die Hörner tragenden haben keine Oberzähne; die ohne Hörner keine Vorderzähne, die fetten (Eao) haben keine Hörner und keine Hinterzähne.*) Die Morgens geboren werden sind von der Art des Vaters; die Nachts geboren ähnlich der Mutter; daher die Spitze des Yn weiblich (pin), die Spitze des Yang männlich ist. Ich erlaube mir die Frage ob dem so ist?

Confucius sagte: la, ich habe einst gehört, dass Lao-than ebenso sagte.

Tseu-hia sagte: ich (Schang) hörte, dass das Buch von den Bergen (Schan-schu) ') sagt: die Erde von Osten nach Westen heisst der Einschlag, von Süden nach Norden die Kette (das Werft). Die Berge seien die angesammelte Kraft (Te, virtus), die Gewässer die angesammelte Form (Hing); das Hohe sei das Leben, das Untere sei der Tod; Hügel und Berge seien das Männliche, Thäler und Schluchten das Weibliche; die Bienen (Fung), die Muscheln (Ho), die Schildkröten und Perlen würden mit Sonne und Mond (der Ta-tai Li-ki hat wohl richtiger blos mit dem Monde) voll und leer. Auf hartem Boden entständen kräftige Männer; auf schwachem (weichen) Boden weichliche Männer; auf Hügelland (Hiü-tu) grosse Männer, auf Sandboden kleine

Monaten des Jahres zusammen gebracht. Khang-hi^s Tseu-tien Cl. 187 citirt eine darauf bezüg- liche Stelle aus dem Tschhün-thsieu Jo ki: Die Erde erzeugt des Mondes reine Substanz das ist das Pferd, die Zahl des Mondes ist 12, daher wird das Pferd im 12. Monate geboren.

1) Der Text des Kia-iü scheint hier nicht richtig und weicht auch vom Ta-tai Li-ki ab. Die- ser hat: die Hörner tragen haben keine Oberzähne; die ohne Hörner sind fett und haben keine Vorderzähne; die Flügel haben, haben ein hartes Fett (Tschi) und sind ohne Hinterzähne.

2) Bazin meint es sei der Schan-hai-king. Dieses Werk soll aus der 3. Dynastie Tscheu oder noch älter sein u. will eine Beschreibung der Karten auf den 9 Vasen Yü's geben ; s. Wylie p. 85.

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(feine, si) Menschen, auf produktiven (si, eigentlich ruhenden) Boden schöne Menschen, auf gerin- gen Boden hassliohe (garstige) Menschen (Tschheu). Die Wasser genössen, reiseten gut, and er- trügen die Kälte; die Erde speisten seien ohne Herz und Odem (Si) ; die Holz ässen, hätten viele Kraft, aber seien ohne Leitung (Schi); die Kräuter ässen, liefen gut, seien aber dumm; die Maulbeerbaumblätter speiseten, spönnen Gocons (der Ta-tai Li-ki hat Seide) und seien Seidenwür- mer (Ngo): die Fleisch ässen, seien tapfer (kräftig), unerschrocken und muthig; die Luft ässen (von der Luft (Khi) lebten), seien erleuchtete Geister und lebten lange; die FrQchte ässen seien einsichtsvoll und geschickt (khiao); die nichts ässen stürben nicht und seien reine Geister (Sohin).

Dann heisst es: Von geflügelten Insekten gibt es 360 (Arten) und der Fung-(hoang) ist ihr Oberer (Tschang); von behaarten Thieren gibt es auch 860 und der (Ki)-lin ist ihr Oberer; von bepanzerten Thieren auch 860 und die Schildkröte ist ihr Oberer ; von Thieren mit Schuppen (lin) auch 860 und der Drache ist ihr Oberer ; von den nackten Thieren auch 360 und der Mensch ist ihr Oberer. Dieser ist das Schönste vom Trockenen und Flüssigen ; von verschiedener Form (Sehu-hing), eine Zahl, verschiedener Art (Mui tschi-su). Wenn der ideelle König (Wang) sich bewegt, so bewegt er sich sicher nach dem rechten Principe (Tao) ; der Ta-tai Li-ki weicht hier ab seine Reinheit ist die des Tao, sie folgt der Ordnung (Vernunft, Li), um darzustellen die Natur von Himmel und Erde und schadet ihm nicht. Der Gebieter ist der Humane und Heilige (Jin-sohing).

Nachdem Tseu-hia seine Rede geendet hatte und hinausgegangen war, näherte sich Tsen- kung Confucius nnd sagte: Schang's Aussprüche (Lün), wie ist es damit? Confucius sagte, was sagst du daru? Er erwiderte und sprach, subtil, subtil (wei) ist das, aber man braucht nicht darauf zu warten, um das Geschlecht (Zeitalter) zu regieren. Confucius sagte: ja, jeder spricht was er vermag (der Ta-tai Li-ki weicht auch am Schlüsse ab).

Eine dritte Stelle ist Kia-iü Cap. 26 f. 6-7 v., auch im Ta-Ui Li-H im I-sse 86, 1 f. 65 V. Da fragt Ngai-kung von Lu: des Menschen Bestimmung (Ming) zur Wesens-Natur (Sing), wie ist die (was heisst das)? Confucius angebliche Antwort ist sehr dunkel: theilnehmen am Taa (Feniütao) heisst Bestimmung (Ming), die Gestaltung (Hing) des Tn und Yang zur Einheit: Natur. Wenn die Verwandlung von Yn und Yang eine Gestalt annimmt (Siang hing) und her- vortritt, so heisst das geboren werden; sich verwandeln bis zur Erschöpfung (Khiung) und erschö- pfen die Zahl heisst sterben. Daher ist die Bestimmung der Anfang der Natur; Sterben das Ende des Lebens. Wo ein Anfang ist, gibt es sicher auch ein Ende.

Wenn der Mensch geboren zu werden beginnt, hat er 5 Werkzeuge (Kiü) noch nicht. Das Auge sieht nicht; er kann nicht essen; er kann nicht gehen; er kann nicht sprechen; er kann nicht umwandeln (hoa). Drei Monate nachdem er geboren ist, wird er etwas erleuchtet (wei- tschao) der Ta-tai Li-ki hat dafür tschhe tien —beginnt er zu beobachten nnd darnach sieht er; im 8ten Monate wachsen ihm die Zähne und darnach kann er essen ; in einem Jahre (Khi) entstehen die Kniescheiben (Ping) und darnach kann er gehen dieser Satz fehlt im Eia- im dritten Jahre geht (wächst) der Himschädel (Sai) zusammen und darnach kann er spre- chen; im 16. Jahre dringt die Reife (Essenz, Tsing) durch und darnach kann er umwandeln (hoa). Wenn der Yn erschöpft ist (khiung), kehrt er zurück zum Yang, daher verwandelt sich der Yn in den Yang. Wenn der Yang arschöpft ist, kehrt er zum Yn zurück, daher verwandelt (hoa) der Yang sich in den Yn.

So wachsen dem Knaben (Nan-tseu) im 8ten Monate die Zähne und im 8. Jahre fallen sie aus (tsin). Beim Mädchen wachsen die Zähne im 7ten Monate und im 7ten Jahre fallen sie aus der Ta-tai Li-ki hat hier Zusätze (die folgende Stelle ist dunkel oder verdorben). Im 14 Jahre ist eine Umwandlung des Yn und eine des Yang. Der Fürst sagte: wenn der Mann im 16ten Jahr reif ist (Tsing-thung) und das Mädchen im 14. Jahm sich umwandeln (hoa) kann, ao können sie das Volk (Menschen) erzengen ; aber der Brauch lässt den jnngen Mann erst im SOten

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Jahre, das Mädchen erst im 20ten heirathen, [ist das nicht spät (wan)? (Das Folgende s. bei E h e). Der Ta-tai Li-ki hat dann noch viel anderes.

Zur Physik, üeber Gegenstände der Physik finden wir nur sehr wenig. Wir wissen, dass nach alt-chinesischer Ansicht Umwandlungen oder Störung in der Natur und deren regelmässigen Lauf als Folgen der Unord- nungen der Menschen und namentlich der Fürsten im Reiche betrachtet werden. Diess spricht sich z. B. unter Yeu-wang 779 v. Chr. im Sse-ki B. 4 f. 20 V., de Mailla T. II p. 46 aus. Im Gegentheil zieht eine gute Regierung, wie die Schün's, die regelmässige Folge der Jahreszeiten XL. s. w. nach sich. Bei Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 2 f. 10 fragt Tsai-ngo Confucius, der Schu-king (Schfin*tien II, 1, 3) sage: er Schün liess die 5 Canons (u-tien, Cardinaltugenden) herrschen und als er an den grossen Fuss der Berge gesandt wurde, störten weder Stürme noch Donner oder Regen ihn, was das sagen wolle? Confucius erwiderte an- geblich: Der Dienst der Menschen entsprach dem Himmel; nachdem Yao Schün erhalten hatte, ordnete (li) und ergründete er (schi) die Schwierigkeiten^ und bewirkte einen grossen Glanz der Regie- rung. So waren Yn und Yang rein und in Harmonie, die 5 Planeten nicht rebellisch (pei), die Hitze (Lie), Wind und Regen jedes entspre- chend und es gab keinen Missgriff und Fehler ; man unterwarf sich dem erleuchteten Wandel Schün's und war in Harmonie mit dem Himmel. Lün-iü 2, 1 sagt Confucius in einem Gleichnisse: Der Nord- oder Polar- stern (Pe-tschin) bleibt an seinem Platze und alle andern Sterne drehen sich um ihn; s. bei Regierung unten; nach Tschung-yung C. 26 ist der Himmel glänzend, aber ohne Grenzen ; Sonne, Mond, Planeten und Sterne (sing, tschin) sind daran aufgehängt, und er überdeckt alle (die 10,000) Dinge u. s. w., s. oben.

Im Toen zur Kua 40 Hiai f. 9 v., T. 2 p. 201 sagt Confucius: Himmel und Erde spalten sich (kiai), Donner und Regen entstehen ; wenn Donner und Regen entstehen, dann sprossen (kia-tschi) die 100- erlei Früchte, Kräuter und Bäume alle: die Zeit des Aufthuens ist gross. Der Regen wird in Verbindung gebracht mit der Stellung des Mon- des zum Yn und Yang oder mit gewissen Sternbildern. So heisst es

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im Lün-heng im I-sse 95, 3 f. 11 v., vgl. Sse-ki S. 67 f. 20, Amiot p. 126 fg. Confucius ging aus und hiess Tseu-lu einen Regenschirm bringen, da der Himmel oben grossen Regen verkünde. Tseu-lu fragte wie so? Confucius sagte: den vorigen Tag (Tso) Abends (Mu) stand der Mond in geringer Entfernung vom Sternbilde Pi. An einem an- dern Tage später, da der Mond in geringer Entfernung vom Sternbilde Pi stand und Confucius ausging, fragte Tseu-lu wieder, ob er auch einen Regenschirm mitnehmen solle? Confucius hörte nicht darauf, ging aus und es regnete nicht. Tseu-lu fragte nach dem Grunde. Confucius sagte: am früheren Tage stand der Mond nicht weit von seinem Yn, daher regnete es; am vorigen Tage Abend stand der Mond nicht ferne von seinem Yang, daher regnete es nicht. Bei Amiot stützt Confucius seine Annahme auf die Stelle des Schi-king II, 8, 3 sage der nicht: Yue Ij iü. Pi, Pei pang to y, d. i. wenn der Mond im (Sternbilde der Hyaden} Pi steht, kann man viel Regen erwarten. Diess ist aus dem Sse-ki im I-sse 95,4 f. 15. Das Sternbild Pi enthält nach Amiot zwei Sterne, den einen im Kopfe der Andromeda, den andern am Ende des süd- lichen Flügelsvon Pegasus.

Im Kia-iü 16 f. 20 fragt Ki-kang-tseu Confucius: es ist jetzt der 12te Monat der Tscheu und der lOte der Hia und doch gibt es noch Heuschrecken (Grashüpfer, Tschung), wie ist das ? Confucius erwidert und spricht, ich (Khieu) habe gehört, wenn (das Gestirn) Ho (das Feuer) untergeht (ho, sich verbirgt), dann verkriechen (tschi) sie sich gänz- lich; jetzt ist des Gestirn hoch im Westflusse (Si-lieu), Sse-li vorbei. Ki kang-tseu sagte: wenn es weg ist, ist der Mond klein (khi). Confu- cius sagte: im lOten Monate der Hia war (das Sternbild) Ho unterge- gangen (mo), jetzt ist es (Ho) wieder sichtbar, da der Schaltmonat vor- bei ist.

2) Das Verhältniss der Frau und die Ehe.

Wir haben die Hauptstellen^ welche dieses Verhältniss betreffen, in unserer Abh. über die häuslichen Verhältnisse der alt. Chin« München 1863 a. d. S. B. der bayr. Akad. 1852 II S. 201 schon gegeben, da sie im All- gemeinen bloss die alten chinesischen sind; wir müssen sie aber hier im Wesentlichen wiederholen. Die Grundideen, welche das Verhältniss der

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Frau zum Manne in China beherrschen, sind wie dort bemerkt worden, die scharfe Trennung der Geschlechter und die Unterordnung und Unter- würfigkeit der Frau unter den Mann.

Die scharfe Trennung der Geschlechter spricht sich in fol- gender Anekdote im Kia-iü Cap. 10 ^) f. 26 v. aus: Ein Mann in Lu bewohnte allein ein Haus. Seine Nachbarin, eine Wittfrau (Li-fu), be- wohnte auch allein ein Haus. In einer Nacht erhob sich ein heftiger Wind und Regen, erreichte das Haus der Wittfrau und zerstörte es. Sie lief und rief den Andern um Hilfe an (Tho). Der Mann von Lu aber verschloss seine Thür und Hess sie nicht ein. Die Wittfrau redete mit ihm durch's Fenster: wie bist du so inhuman (pu-jin), mich nicht einzulassen; der Mann aus Lu sagte: ich habe gehört, dass ein Mann, der nicht 60 Jahr alt ist, (keine Frau) in das Haus hineinlässt. Nun aber bist du jung und ich bin auch jung; daher wage ich dich nicht einzulassen. Die Frau sagte: warum machst du es nicht wie Lieu-hia- hoei (ein Ta-fu in Lu) ; seine Mutter (yü) erreichte (folgte) nicht derer Frau an der Thüre und die Leute im Reiche sprachen nicht (tsching) von sei- ner Anordnung die Uebersetzung ist mir nicht sicher. Der Mann aus Lu sagte: Lieu-hia-hoei, der konnte das wohl, ich aber kann es nicht; ich habe aus meinem Nichtkönnen gelernt, dass Lieu-hia-hoei es konnte.

Als Confucius das hörte, sagte er: gut! ich wünsche Lieu-hia- hoei zu studiren^ bin aber diesem noch nicht ähnlich* Das höchst Gute treffen (khe) und das Ausführen (Thun) damit nicht vereinigen (schi), kann Einsicht heissen.

Die Trennung der Geschlechter spricht sich auch im Li-ki Fang-ki Cap. 30 f. 33 fg. aus. Confucius sagt da: Es ist Brauch^ dass ausser beim Opfer Mann und Frau kein gemeinsames Gefass haben, das soll

dem Volke als Damm dienen Wenn der Hausherr nicht da

ist, so tritt ohne grosse Ursache der Freund nicht in die Thüre; es soll das dem Volke wieder als Damm dienen. Confucius sagte: wenn man doch die Tugend liebte, wie man schöne Gesichter liebt! (Es ist

1) Der 1-880 53 f. 4 v. g^bt die Oesohichte aus dem Eia-iü, hat dann abisr noch eine abwei- chende aus Mao-8chi tsohuen.

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nicht deutlich, ob das folgende f. 34 v. auch noch ein Ausspruch des Confucius ist). Die Vasallenfürsten angeln nicht nach schönen Gesich- tern ihrer Untergebenen; der weise Fürst hält sich daher ferne von

schönen Gesichtern daher geben und nehmen Mann und Frau

nichts aus der Nähe (Tsin), fährt er die Frau (Yü), dann nähert er sich ihr von der linken Hand. Mit der Schwiegermutter, der altern und jüngeren Schwester der Frau und jungen Mädchen sitzt der Mann nicht auf derselben Matte. Die Frau beweint ihn nicht Nachts; wird die Frau krank, so erkundigt er sich nach ihr, aber fragt nicht nach ihrer Krankheit; das dient dem Volke zu einem Damme. Wenn das Volk ausschweift (yin-yi), entstehen Unordnungen im Clane.

Im Kia-iü Gap. 44 f. 29, auch im Siao-hio IV. 2 heisst es: Kung- fu wen-pe's er war Ta-fu in Lu Mutter war Ki-kang-tseu's Grossmutter (Tsung-tsu-mu). Als dieser sie besuchte, sprach er mit ihr nur an der Thür und keiner überschritt die linke oder rechte Seite des Thores (Fa). Der Kia-iü setzt auch noch etwas über Wen-pe's Ver- halten beim Opfer hinzu, s. bei Opfer. Als Confucius das hörte, sagte er: die grosse Ordnung (Ta king) hat verschiedene Bräuche für Mann und Frau; die Frau aus der P'amilie Kung-fu zeigt Sorgfalt, die rechte Tugend und hält auf die Regel bei den Bräuchen. So missfiel es nach Lün-iü 6, 26 Tseu-lu, dass Confucius die Nan-tseu, die Gemahlin des Fürsten von Wei, besucht hatte und veranlasste den Weisen zu dem Ausspruche, habe ich übel gethan, so verwerfe mich der Himmel!

Die Frau gilt in China für etwas niedrigeres Wir erwähnten schon, wie Confucius nach Kia-iü 15 f. 16 und Lie-tseu im I-sse 86,4 f. 38 fg., vgl. Amiot p. 380 einem begegnete, der über dreierlei sich freute, darunter zuerst, dass er als Mensch (Jin), dann dass er als Mann (Nan) geboren, da unter Mann und Frau ein Unterschied sei , der Mann das Geehrtere, die Frau das Geringere, was Confucius richtig fand u. dass er 95J. alt geworden. Die Thätigkeit der Frau im Hause wird schon im Alterthume gerühmt und namentlich im Kue-iü Yu-iü 2 f. 12 fg. und Kia-iü 41 f. 14 V., wiederholt im Siao-hio IV. 3, 8, die Geschichte von Kung-fu- wen-pe's Mutter erzählt, die ihren Sohn, den Ta-fu von Lu, zurechtsetzte, weil er sie getadelt, dass er sie nähend fand. Confucius lobte das. S. m. Abh. über d. Häusliche Verhältnisse d. a. Chin. S. 207. Dagegen tadelte er nach

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Tao-schi Wen-kung Ao. 2 f. 6 v., S. B. 15 S. 430 u. bei Legge Vol. V, 1 p* 234 an Tsang-wang-tschuDg dreierlei und darunter, dass seine Nebengemahlin Matten aus Binsen wob und dadurch gleich dem ge- meinen Manne nach Gewinn strebte.

Im Kia-iü 26 f. 7 und Li-ki Kiao-te-seng Cap. 11 f. 45, Amiot Mem. p. 281, Siao-hio II 3 aus dem Ta-tai Li-ki ^) 42 spricht er von der drei- fachen Abhängigkeit der Frau, die jung ihrem Vater oder älte- rem Bruder folge, verheirathet ihrem Mann, oder wenn der todt, ihrem Sohne; daher habe sie nicht das Recht eine Anordnung zu treffen; ihre Herrschaft beschränke sich auf die Grenze des Frauengemaches und sie habe nur f&r das Essen und Trinken zu sorgen.

Die Frau, sagt Confucius im Toen zu Kua Kia-yin 37 f. 6 v. T. II p. 174, hat ihren rechten Platz im Innern, der Mann hat seinen rech- ten Platz draussen. Wenn Mann und Frau so recht gestellt sind (tsching), so herrscht das grosse Recht Himmels und der Erde. Heisst es: Das Haus hat einen strengen Herren (yen-kiün), so spricht man von Vater und Mutter. Der Vater sei Vater, der Sohn Sohn, der ältere Bruder älterer Bruder, der Mann Mann, die Frau Frau, so ist der Familie Weg (Tao) richtig gestellt (tsching). Ist jede Familie so richtig gestellt, so steht das ganze Reich fest (ting).

Im Kia-iü 26 f. 7 sagt Confucius: Der Mann hält aufrecht das Himmelsprincip (Thien-tao) und ist der Oberste aller Dinge. Er weiss, was man thun und was man nicht thun darf; er weiss was man spre- chen und was man nicht sprechen kann; er weiss was man üben und was man nicht fiben darf; daher prüft er die Vernachlässigung (tseu, den Diebstahl) und setzt ins Licht den Unterschied; er weiss, wie der Hausherr sich anstrengen muss, um gehört zu werden. Die Frau dage- gen ist folgsam gegen des Mannes Belehrung und seine Ordnung; da- her überliefert und bestimmt sie nichts. Confucius im Toen zu Kua 54 Kuei-mei (die Verheirathung einer Frau) f. 23 T. II p. 307 fg. sagt: Die Verheirathung einer Frau ist das grosse Recht (I) des Himmels und der Erde. Wenn Himmel und Erde sich nicht verbinden, entstehen

1) In der Sammlung Han-wei thsung sehn I, 11; 8. über diese m. Abhandlang München 1868, aas d. S. B. der Akd. 1868, I, 2 S. 8 fg. Abh. d. I. Cl d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 23

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die 10|1000 Dinge nicht. Die Verheirathung ist des Menschen Anfang und Endziel u. s. w. Die Frau, sagt Confucias im Ta-tai Li-ki 42 : Pen-ming, ist dem Manne gänzlich unterworfen ; sie hat daher nicht das Recht, Befehle zu erlassen; sie hat 3 Wege (Tao), denen sie folgt; im älterlichen Hause folgt sie dem Vater, wenn sie einen Mann nimmt, folgt sie dem Manne, wenn der Mann gestorben ist, folgt sie dem Sohne und sie darf sich nicht unterstehen, ihren eigenen Weg zu gehen ; man unterweiset sie, nicht aus dem Harem oder Frauenthor hinauszu- gehen; ihr Dienst besteht in Zubereitung des Essens. Daher weilt sie am Tage innerhalb des Thores des Frauengemaches (Kuei) und darf nicht 100 Li weit weglaufen. In Trauerangelegenheiten geht sie nicht allein aus, wenn drei es wissen, dann kann sie sich bewegen. Nur wenn sie gefragt wird, darnach kann sie reden ; bei Tage geht sie nicht in die Halle (Ting), Nachts geht sie nicht ohne Feuer (Licht) aus; dies dient die Tugend der Frau zu regeln (tsching).

Die Ehe ^) wird, wie gesagt, von Confucius sehr hoch gehalten. Kia-iü Cap. 4 f * 7 und im Li-ki Cap. Ngai-kung-wen 27 f. 4 (Cap. 22 p. 146, T. p. 69) fragt Ngai-kung nach dem Wesentlichen der Regie- rung und Confucius bezeichnete als die 3 Hauptpunkte : Den Unterschied (Pie) zwischen Mann und Frau, die Liebe zwischen Vater und Kind und die Ehrfurcht zwischen Fürst und Unterthan. Die Ehe sei etwas gros- ses zwei Familien (Sing), die sich lieben, verbinden sich, um

fortzusetzen der früheren Heiligen Nachkommen, um zu machen (erzeu- gen) den Vorstand (Herrn, Tshu) vom Himmel und Erde, Thien-ti, der Kia-iü hat Thien-hia, des Reiches vom Ahnentempel (Tsung-miao) und der Geister des Feldes und der Saaten (Sche-tsi), ob das nicht wichtig sei? Wenn Himmel und Erde sich nicht vereinigen^

1) Etwas mystiBch klingt der Toen zu Koa Kien nach dem Texte: Das Weiche ist aben, da* Harte unten; wenn beide Geister (Kbi) sich bewegen (beeinflussen, kan) und entsprechen« sich gegenseitig zu unterstützen, so stehen sie erfreut, der Mann unter der Frau and daher ist dann der Erfolg (hen^) ; nimmt er eine Frau, so ist es ein Glück. Der T-king Kua 44 Heu f. 13 T. II p. 233 lautet im Texte: Wenn bei der Verbindung^ (heu) die Frau stark (tschoang) ist, so brauche sie nicht, wenn Du sie zar Frau nimmst» Der Commentar Toen nimmt hier heu für zusammentreffen. Wenn Himmel und Erd^ sich begegnen, dann wird die ganze Reihe der Dinge glänzen ; wenn das Starke in der Mitte zusammentrifft, ist das Reich auf dem grossen Wege.

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fährt Confucius fort, entstehen die 10,000 Dinge nicht. Die Ehe (Ta- hoan) setze die 10,000 Geschlechter (Generationen) fort, ob das nicht wichtig sei? Im Hause diene sie (die Frau), zu leiten die Gebräuche des Ahnen tempels, genügend sie (die Ahnen) zuzugesellen den lichten Geistern des Himmels und der Erde: nach Aussen zu leiten die Gebräuche

des richtigen Verkehrs Confucius fährt dann fort : als einst

der drei Familien erleuchtete Kaiser regierten, ehrten sie sicher Frau .und Kind; die Frau ist sicher die Hauptperson (Tschu) in der Liebe; muss man sie wohl nicht ehren? Der Sohn folgt in der Liebe, kann man ihn wohl nicht in Ehren halten? Der Weise lässt es an Ehrer- bietung nicht fehlen.

Was die Einzelheiten der Ehe betrifft, so lehrt Confucius Kia-ifl 26 f. 7 V., Amiot p, 281, Siao-hio II 3, auch im Ta-tai Li-ki 1. c. f. 26 y. fünferlei Frauen nicht zu nehmen: Itens keine aus einer Familie, die (gegen Eltern und Obere) widersetzlich war (Ni-kia tseu- tsche); 2tens, deren Familien Unruhen erregten (Loen-kia tseu-tsche) ; Stens, deren Geschlecht (Kind) in einer Generation peinlich bestraft wurde (Schi-yeu-hing-jin tseu-tsche) ; 4tens die an einer schlechten Krank- heit leide (Yeu-ngo-tsi tseu-tsche); und ötens wo die älteste Tochter oder der Sohn Trauer um den Vater habe (Sang-fu tschang-tseu-tsche)«

Was das Alter zum Heirathen^) betrifft, fragte Ngai-kung von Lu Confucius nach Kia-iü 26 f. 6 v.: Ich habe gehört, dass nach dem Brauche der Mann im SOten, das Mädchen im 20ten Jahre heirathen; ist das nicht spät? da der Mann im 16.^ das Mädchen im 14. Jahre mannbar werden und erzeugen können. Confucius erwiderte: dies fest- gesetzte Alter sei das Aeusserste, das nicht überschritten werden dürfe.

Bei Kung Tschung-tseu im I-sse 95, 4 f. 6 v. heisst es: Tseu-tschang sagte: Die Frau entwickelt sich (tsien) im 20. Jahre und darnach heirathet sie, wie ist das? Confucius sagte: im 15. Jahre ist es er- laubt (hin) zu heirathen und darnach folgt sie dem Manne, das ist die Bewegung des Yang und des Yn, die ihm entspricht. Der Mann stimmt den Gesang an (Tschang) und die Frau folgt ihm nach; so ist das

1) Allerlei Angaben darüber bei andern Yölkem geben Peschel Völkerkunde. Leipzig 187i S. 227 fg. und Dr. Flosa im Jahresbericht des Leipziger Vereins für Erdkunde 1872«

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Recht (i). Das Machen des Thrum's (hoei), der Quaste (tsu-siün), das Weben und Sticken (tschi-sin), das sind das Geschäft der Frau; die Ver- zierungen aus verschiedenen Streifen (Fu, Fo) und die Bedeutung der Verzierungen davon das sind die grossen Verdienste einer Hausfrau; wenn sie vom 15. Jahre an darin vorgeht, kann sie bis im 20. durchdringen. Dringt sie in diesem Geschäfte durch, dann kann- sie nach oben Pietät gegen ihren Schwiegervater und ihre Schwiegermutter (khieu ku) zeigen, abwärts ihrem Manne dienen uud ihr Kind ernähren.

Der Y-king Ta-ko Cap. 28 f. 2 und 5 T. II p. 107 und 109 ist nicht dagegen, dass ein alter Mann eine Frau nimmt oder eine alte Frau einen Litteraten (Sse-fu), aber Confucius im Commentar Siang erklärt sich mehr dagegen: können die Blüthen dauernd sein? Die Heirath kann auch abscheulich sein.

Als altes Gesetz galt in China, dass keiner eine Fr an aus derselben Familie (Sing) heirathen sollte. Dies spricht auch Confucius im Kia-iä 42 f. 21 v. aus. ^) Die Fürsten umgingen derzeit dieses Gesetz wohl. Darauf bezieht sich das Folgende im Kia^iü 1. c. Der Färst (Kung) von Wei sandte seinen Ta-fu, eine Frau zu begehren (aus dem Geschlechte der Fürsten von Lu). Khi-khoan-tseu fragte Con- fucius nach dem Brauche dabei. Confucius sagte: der gemeinsame (thung) Familienahn (Tsung) gibt das Recht (I) des gemeinsamen Clanes(T8ho); daher sind sie verbunden durch die Familie und nicht getrennt beim Genüsse der Speisen« Auch nach 100 Generationen dürfen sie doch keine Vermählung unter einander eingehen ; das ist der Gesetz, (Princip, Tao) der Tsoheu. Khi-khoan-tseu sagte: obwohl die Ahnen von Wei's und Lu's (^Ürsten früher ältere und jüngere Brüder waren, sind sie jetzt doch weit (längst J getrennt von einander, geht es daher nicht? Confu* cius sagte: sicher ist das nicht Brauch (unter einander zu heirathen). Nach Oben ist der Ahn und der Vater zu ehren ; abwärts (nach Unten) sind die Söhne und Enkel anzuleiten, sich einander zu lieben , die Sei-

1) Uebar den Terschiedenen Braach der Völker bei Ehen unter Blutsverwandten sammelt Peschel Völkerkunde allerlei S. 282 fg., vgl. Lewis Morgan Systems of oonsan- guinity in the Human Family. Washington 1S71.

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tenverwandten haben die altern und jüngeren Brüder so zu leiten, dass sie sie antreiben zur Liebe; diess ist die unveränderte (unwandelbare) Lehre der früheren Könige.

Aehnlich antwortete er Yeu-yo, der Confucius fragte, wie eines Reiches Fürst sich zu der gleichen Familie zu verhalten habe ? Confu- cius sagte: Alle haben den Weg (das Princip, Tao) des Ahnen. Obwohl* des Reiches Fürst daher geehrt ist^ geht doch auch nach 100 Genera- tionen (Geschlechtern) seine Verwandtschaft nicht verloren; daher ehrt er höchlich die Liebe und wer Verwandter ist aus demselben Clan, der wagt daher nicht eine nahe Verwandtschaft (Tsi) mit dem Fürsten einzugehen.

Wie der Fürst von Lu Tschao-kung dennoch eine Frau aus der- selben Familie der Fürsten von U heirathete und diess verdeckte, indem er sie Meng-tseu nannte, wird im Lün-iü 7, 30 und Sse-ki B. 67 f. 21 V. und bei Tscho-schi Tschhao-kung Ao. 1 f. 11, S. B. 20 S. 53, bei Legge Vol. V, 2 p. 580, vgl. Hi-kung a. 23 f. 24, S. B. 14 S. 466 erzählt. Li-ki Cap. Fang-ki 30 f. 33 v. sagt Confucius daher: Wer eine Frau nimmt, nimmt eine nicht von gleichem Familiennamen (sing), damit die Trennung grösser sei. Kauft man daher eine Kebse (tsie) und weiss ihren Familiennamen nicht, so befrjgt man das Loos (Pu), da- mit es ein Damm sei für das Volk.

Confucius im Lün-iü 17, 25 sagt noch: Frauen oder Mädchen (Niü-tseu) und Diener (siao-jin, kleine Leute) sind schwer zu behandeln (yang, ernähren) ; näherst du dich ihnen zu sehr, bist du vertraut mit ihnen^ so folgen sie dir nicht; hältst du dich von ihnen zu ferne, so zürnen sie, (werden missvergnügt).

Als Grund sich von der Frau zu scheiden (tschü) nimmt Con- fucius im Kia-iü Cap. 26 f. 7 v., Amiot p. 281 fg., Siao-hio II, 2, 6, auch im Ta-tai Li-ki 1. c. f. 26 7 Gründe an: Itens Ungehorsam (Nicht- folgsamkeit) gegen Vater und Mutter (des Mannes); 2tens Kinderlosig- keit; 3tens Ehebruch (der Frau); 4tens Abneigung und Eifersucht; 5tens eine ansteckende (böse) Krankheit; 6tens eine unausstehliche Schwatzhaftigkeit(To*kiü sehe tsche, d. i. viel Mundwerk, Zunge); 7tens wenn sie den Mann bestiehlt. Aber in 3 Fällen soll der Mann sie auch

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dann nicht Verstössen (pu-kiä) und diess zeigt von einer gewissen Hu- manität: Itens wenn sie (zur Zeit) ihrer Verheirathung Eltern hatte, jetzt aber keine mehr hat, zu denen sie zurückkehren könnte ; 2tens wenn sie die dreijährige Trauer (für des Mannes Eltern) getragen hat und 3tens wenn sie erst arm und niedrig (Pin-tsien), jetzt aber reich und geehrt ist (Fu-kaei). Wie Tseng-tseu seine Frau verstiess, davon war nach dem Pe-hu-tung im I-sse 95, 1 f. 20 bei diesem Abth. III die Rede. Der Kia^ü 38 f. 4, im I-sse 95, 4 f. 19, vgl. Sse-ki 67 f. 20 V. unter Yeu-jo erzählt: Leang-tschen, ein Mann aus Tsi, ein Schüler des Confucius war bereits^ 30 Jahre alt, hatte noch keinen Sohn und wünschte sich vou seiner Frau zu scheiden; Schang-kifi (ein anderer Schüler des Confucius), sagte aber, thue es noch nicht» Ich war 38 Jahre alt und hatte noch keinen Sohn; meine Mutter sagte : ich möchte wechseln und eine andere Frau nehmen, der Meis- ter aber sandte zu meiner Mutter (Thsi-mu) und wünschte einen Verzug bei mir zu erbitten (Lieu). Confucius sagte: lass es dich nicht küm- mern und fürchte nicht, das vierzigste Jahr zu überschreiten. Es waren 5 Männer da und ich besorgte, ob sie noch einen Sohn bekämen, aber die Frau hatte noch nicht zwei Jahre zurückgelegt, da hatte sie einen Sohn. Confucius scheint darnach die übereilten Ehescheidungen gemiss- billigt zu haben. Unnatürlich ist dagegen, dass mit der Scheidung auch die Pflichten der Pietät der Kinder gegen die Mutter auf- hörten. So trauerte, weil sein Vater Tseu-sse seine Mutter Verstössen hatte, Tseu-tschhang nach Li-ki Cap. 3 Tan-kung f. 3, vgl. Cibot Mem. T. IV. p. 11 um seine Mutter nicht. Pe-iü aber nach Li-ki ib, f. 13 V. undKia-iü 42 f. 21 v. Seine Schüler fragten desshalb Tseu-sse, der erklärte sich damit einverstanden: die Familie des Confucius (Kung)traure nicht um eine geschiedene Mutter; indess wird bemerkt, dass dies erst seit Tseu-sse stattfand.

Es lässt sich denken, dass wo mehrere Frauen in einem Hause waren unter diesen Eifersucht leicht entstand. Confucius im Com- mentar Toen zum Y-king Cap, 39 Kuei f. 7 T. II p. 180 sagt: wenn zwei Frauen beisammen wohnen, geht ihre Absicht nicht zusammen, während es vom Manne und der Frau heisst: Himmel und Erde bil-

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den einen Gegensatz (Khuei), aber ihr Thun (Schi) geht zusammen^ ebenso bilden Mann und Frau einen Gegensatz^ aber ihre Absichten durchdringen sich. Der Toen zu Ena 49 Ke f. 18 T. II p. 278 sagt: Wasser und Feuer tilgen sich gegenseitig aus (si). Wenn zwei Frauens- leute zusammenwohnen, so erreichen ihre Absichten sich gegenseitig nicht, d. h. wechseln (ke). Himmel und Erden wechseln auch, aber die vier Jahreszeiten werden dadurch vollendet. Thang und Wu wech- selten auch das Himmelsmandat (die Herrschaft), aber folgsam gegen den Himmel und entsprechend den Menschen zur Zeit des Wechsels waren sie da erst recht gross.

Auch über die einzelnen Hochzeitsgebräuche scheinen Gonfu* cius und seine Schüler viel philosophirt zu haben, es ist davon aber nur Einzelnes erhalten. Confucius sagt im Li-ki Gap. 30 Fang-ki f. 33: der Ritus (Li) ist ein Damm für das Volk gegen Ausschreitungen, es^zu erleuchten. Die Trennung des Volkes (der Geschlechter) macht, dass das Volk nicht in Zweifel geräth, eine Verbindung einzugehen. Ohne Heirathvermittler (Meu) findet daher keine Verbindung (Zu- sammenkommen, Kiao) statt. Ohne Verlobungsgeschenke (Pi) sieht man sich wechselseitig nicht , besorgt, dass die Trennung zwischen Mann und Frau (Knaben und Mädchen) nicht erhalten werde« Er citirt dann die Stelle des Schi-king (I, 8, 6, 4): das Holz, wie wird es gefällt? ohne Axt kann man das Holz nicht fällen; die Ehen, wie werden sie vermittelt? nicht ohne Ehevermittler; wenn die Ehe so beschlossen ist, welche Freiheit bleibt dann noch übrig? Dieselbe Stelle bis auf den letzten Satz findet sich auch im Schi-king I, 15, 5. Der Li-ki setzt noch hinzu, wenn Hanf auf schiesst, wie macht man es da? man folgt (geht auf das Feld) längen weise und kreuzweise (Hoang-tsung). Wenn man eine Frau nimmt, wie macht man es da? man benachrich- tigt Vater und Mutter, «lamit es ein Damm sei für das Volk, das Volk bringt selbst seinen Leib (Person) dar. Im Li-ki Gap. Fang-ki 30 f. 35 sagt Gonfucius: bei den Hochzeitsgebräuchen geht der Schwie- gersohn (si) entgegen, den Vater und die Mutter der Frau zu besuchen; der Vater und die Mutter der Frau führen die Tochter, den Schwiegersohn zu. empfangen ; sie fürchten, dass sie ihm beim Dienste widerstreben möge.

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Diess dient dem Volke zu einem Damme, als ob die Frau es (sonst) nicht erreichte. S. m. Abh. üb. die häusl. Gebräuche der alten Chinesen. ^)

Im Eia-iü Cap. 8 f. 21 fg., auch im Schue-yuen im I-sse 95, 2 14 V., ist noch von einer eigenen Sitte die Rede. Im Reiche Lu war es Gesetz, dass einer eines Beamten (Tschin) zweite Frau vom Für- sten loskaufte (scho, eintauschte) und das Geld dazu aus dem Schatze (Fu) nahm. Als Tseu-kung eine vom Fürsten eintauschte, weigerte er sich und nahm das Geld nicht oder nach dem Schue-yuen gab das Gold (Metall) zurück. Als Confucius das hörte, sagte er: Sse unterlässt es. Was die heiligen Männer (Sching-jin) eingeführt haben, kann man die Sitte än- dern und den Gebrauch wechseln? Durch Belehrung und Anleitung kann man sie von den 100 Familien entfernen, aber nicht allein für seine Person ihr entgegen treten. (!) Jetzt vertauschen (verkaufen) in Lu Reiche, Geringe und Arme alle Menschen (Mädchen) und erhalten da- für Geld (Gold)« Wer wird nicht öconomisiren (lien) und gegenseitig sie eintauschen (wiederkaufen hat der Schue-yuen); von jetzt an und künftig werden Lu's Leute nicht wieder vom Fürsten Menschen (Mäd- chen) eintauschen!

Kia-iü Cap. 15 f. 14 v. fg., auch im Schue-yuen im I-sse 95, 3 f. 6, fragt Tseu-lu Confucius: Ich bitte, wenn ich die Lehre der Alten verlasse und meiner (Yeu's) Neigung (Absicht) folge, kann ich das? Confucius sagte: du kannst das nicht. Einst neigten sich die Ostbar- baren Hia's (der Chinesen) Gebräuchen (Li) der Schue-yuen hat dem Rechte (I) zu; hatte einer eine Frau und sie wurde Wittwe (deren Mann starb) und es war im Hause ein Schwiegersohn da, so heirathete sie ihr Lebelang nicht wieder, heirathete sie, so war es keine Heirath.

Tsang-wu's jüngerer Bruder (so hat der Schue-yuen) nahm eine Frau, die schön war und die er liebte. Er bat seinen altern Bruder, mit ihm sie zu vertauschen. Das war redlich (rechtschaffen), aber es war gegen den Brauch (abweichend der Kia-iü). Jetzt wünschest du die Lehre des Alterthums zu verlassen und deiner Neigung (Absicht) nachzugehen und doch weisst du, dass deine Absicht nicht recht ist.

1) Confucius rituelle Responsa über Conflikteder Heirath mit der Trauer nach Li-ki Tseng- tseu-wen Cap. 7 f. 7 v. 19. s. unten in Abth. IV. 2 bei rituelle Responsa.

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Obwohl sie falsch ist, willst du das Falsche zum Rechten machen, wenn du auch wünschtest (dein früheres Betragen) zu ändern, es würde dir schwer fallen. (Der Schol. des I-sse bemerkt indess darzu: diess ist kein Wort (Ausspruch) von Confucius (Tseu fei Kung-tseu tschi yen).

Das Verhältniss zwischen Eltern und Kindern ist in meiner Abhandlung: Die häuslichen Verhältnisse der alten Chinesen München 1863, a. d. S. B. der Ak. 1862, 2 S. 234 schon erörtert und es sind da die verhältnissmässig wenigen Aussprüche von Confucius und seinen Schülern, z. B. Tseng-tseu's im Li-ki C. Nei-tse 12 f. 69 v., (auch im Siao hio 2, 1, 18) und C. Tsi-i 24 f. 54 v., (auch im Ming sin pao kien, meinen : Proben chin. Weisheit. München 1863 8^, a. d. S. B. d. Ak. Q. 4 § 3 f. 6, S. 241), von Confucius im Lün-iü, (auch im Siao hio § 8 und im Ming sin pao kien 4, 6, i. 5 v., a. d. S. B. ib. S. 243), Li-ki C. Tan-kung 3 f. 23 von Confucius auf Tseu-hia's Frage ; Tseng-tseu's Frage imTa-tai Li-ki im I-sse 95, 1 f. 31, S. 243 und Li-ki C. 12, (auch im Siao-hio §27), im Lün-iü 1,11 und 4, 19 ib. S. 244 und 17, 20 (22) und im Li-ki Cap. 38 San-nien-wen f. 17 v., C. Fang-ki 30 f. 31 und Tschung-yung 19, S. B. S. 245 bereits angeführt, ebenso Li-ki C. Sang- fu sse-tschi C. 49 f. 73 undKia-iü 26 f. 8, ib. S. B. 246. Sie sind zu vereinzelt und abgerissen, um sie hier zu wiederholen. Siehe auch unter Pietät*

Der allgemeinen Verpflichtungen im Reiche, sagt der Tschung-yung G. 20, § 8, sind 5; sie zu üben, dienen die drei Tugenden; es sind das Ver- hältniss zwischen Fürst und Unterthan oder Beamten (Tschin), zwischen Vater und Sohn, zwischen Mann und Frau, zwischen älterm und jüngerm Bruder (Kuen-ti) und zwischen Freunden und Genossen etc.

Wir erwähnten schon, wie Confucius im Lün-iü 13, 18 Vater und Sohn lobt, die des einen Diebstahl verhehlten, gegenüber dem Sohne, der seinen Vater anzeigt und wie er nach Li-ki 3, 23 und Eia-iü C. 43 den Sohn rühmte der den Feind seiner Eltern bekämpfte«

Die Chinesen haben kein Wort für Bruder und Schwester, sondern nur eigene Worte für den älteren und jüngeren Bru- der: Hiung oder Kuen und Ti. Der Grund ist, dass die Verhält- nisse beider in China von unsern gänzlich verschieden sind. Der ältere Bruder ist der Nachfolger des Vaters im Ahnendienste und in der väter- lichen Gewalt, den der jüngere also zu verehren hat, während er nur

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die Liebe des älteren Bruders beanspruchen kann. Es kommt diM auch sonst noch vor, selbst das Ungarische hat keine Sondemamen 'für Bruder und Schwester.^)

3) Ueber die Regierung (Tsching), a) im Allgemeinen*

Faber S. 45 übersetzt Tsching Staatslehre. Die Regierung muss von der Regelung der einzelnen Person nach Lün-iü 13, 13 ausgehen. Confucius sagt da: Macht einer seine Person correkt (tsching), was hat es dann auf sich an der Regierung Tbeil zu nehmen? kann er das nicht, wie kann er da die Menschen correkt machen? Vergleiche auch 12, 17.

Ueber die Regierung haben wir eine Menge einzelne, meist kurze abgerissene Aeusserungen des Confucius. Auf die Frage darnach sagt er dem einem dieses, dem andern jenes. Er wurde desshalb einst von seinem Schüler Tseu-kung zur Rede gestellt und verantwortete sich darauf, s. unten S. 186 nach Kia-iü Cap. 14 Pien-tsching. Es ist imKia-iü dann noch ein anderes eigenes Cap. 18 Ngai-kung wen tsching, d. i. Ngai-kung fragte nach der Regierung. Es bleibt uns nichts übrig als seine einzelnen Aeusserungen zunächst aus den ältesten und bewährte- sten Quellen zusammenzustellen, dann seine Erklärung über seine ver- schiedenen Aussprüche zu hören und zuletzt in die Einzelnheiten einzugehen.

Lün-iü 12, 17 fragt Ki-kang-tseu ihn nach der Regierung. Con- fucius erwidert ihm nur mit einem Wortspiele: Regieren heisst recht machen (zum Rechten führen, tsching); wenn du das Volk zum Rech- ten führst, wer ^) wird dann wagen nicht recht zu sein? Eine andere Antwort auf die Frage von Ki-kang-tseu nach der Regierung Lün-iü 12, 18 s. bei Strafe. Als Tseu-tschang ihn nach der Regierung fragte, sagte er ihm nach Lün-iü 12, 14: widme dich ihr (weile dabei) uner- müdet, führe sie redlich.. Als Tseu-lu ihn nach der Regierung fragte, erwiderte er nach Lün-iü 13,1 und Sse-ki f. 4 v. gehe dem Volke mit dem Beispiele voran, ermuntere es und (auf dessen Frage) was ist wei- ter noch nöthig? ist die Antwort: ermüde darin nicht. Als der Fürst (Gouverneur) von Ye ihn nach der Regierung fragte, sagte Confucius

1) S. Stein thal in der ZeiUchrifi für Völkerpsychologie. Berlin 1868 B. 5 S. 97.

2) Vgl. Li-ki Li-jQn 9 f. 56 ▼.

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nach Lün-iü 13, 16 und Sse-ki 47 f. 18 v.: erfreue die Naben, eo werden die Fernen kommen. Abweichend ist die Antwort des Confu- cius auf dieselbe Frage des Forsten von Ye, als jener aus Tsai nach Ye kam, im Sse-ki und daraus im I-sse 86, 1 f. 20 ; die Regierung besteht darin, die Femen kommen zu lassen und die Nahen zu unterstützen and wieder etwas abweichend bei Me-tseu ebenda: Eine gute Regie- rung besteht darin, die Fernen sich zu nähern und die Alten zu erneuern.

Als Tseu-hia Gouverneur von Kio-fu war, fragte er Confucius nach der Regierung. Confucius erwiderte nach Lün-iü 13, 17: sei nicht hastig, siehe nicht auf einen kleinen Vortheil (li); bist du hastig, so dringst du nicht durch ; siehst du auf einen kleinen Vortheil, so kannst du grosse Dinge nicht ausführen.

Als Tschung-kung erster Beamter (Tsai) von Ki-schi in Lu war, fragte er nach der Regierung. Confucius erwiderte ihm nach Lün-iü 13, 2: zuerst habe geeignete Beamte, dann verzeihe kleine Vergehen und befördere Weise (Hien) und Talentvolle (tsai). Jener erwiderte: aber wie kann ich wissen, wer weise und talentvoll ist, um sie zu befördern? (Antwort): wenn du die beförderst, die du kennst, wird man dann dir die verhehlen, die du nicht kennst?^) Etwas aus- führlicher (substanzieller) ist seine Antwort auf die Frage Tseu-kung's im Lün-iü 12, 7: lass genug zu essen (Nahrung) da sein, genug Waf- fen (Truppen, ping) und das Volk Vertrauen (sin) zu dir haben. Tseu- kung erwiderte : wenn man nun aber dieses alleszusammen nicht haben kann und eins von diesen dreien aufgeben muss, welches gibt man dann zuerst auf? Antwort: die Soldaten! Tseu-kung erwiderte: wenn man aber nun auch die andern beiden nicht haben kann, welches von beiden kann man zuerst aufgeben? Spricht er: die Ernährung; von jeher (Alters her) sind noch Alle gestorben: wenn aber das Volk ohne Vertrauen (sin), ist kein Bestand. Abweichend ist eine Antwort des Con- fucius auf Tseu-kung's Frage nach der Regierung im Schue-yuen im

1) Verschieden ist die Antwort im Sse-ki B. 67 f. S ▼. Tschang-kong fragt da nach der Regie- rung und Confacias erwidert : gehst du zum Thore hinaus, so sei es, als ob du einen gros' sen Gast empfingest; heisset du dem Volke etwas, so sei es, als ob da ein grosses Opfer darbrächtest (tsching). Im Lehne sei keine Entfremdung, im Hause keine Entfremdung.

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I-88e B. 95, 2 f. 14, wie im Lün-iü 13, 9 auf Yen-yea's Frage, als er Confucius nach Wei fuhr : das Volk sei so zahlreich, was man zu seinem Besten thun könne? mache es reich und wenn es reich ist, dann be- lehre es (Fu-tschi, ki fu, nai kiao tschi je) ^).

Der Kia-iü Cap. 14 f. 12, aach im I-sse 95, 2 f. 18 sehr abweichend Amiot T. XII. 261 fg., Legge Proleg. Vol. I f. 117 sehr aasxagsweise erzählt: Als Tsea-kang Oonvemeur (Tsai) vonSin-yang war, ging er Confuoias za befragen (sse), wie er sich za verhalten habe? Ck>xi- fncios sagte: sei sorgsam (khin); sei aufmerksam ; beobachte (fang) des Kaisers Zeiten (Kalen- der); beraube das Volk nicht; greife nicht an; sei nicht grausam; nicht diebisch (kao).

Tseu-kung sagte: ich (Sse) habe von klein (von Jugend) an einem Weisen gedient; wie sollte ich auf Diebstahl mich einlassen (lui)?

Confucius sagte: Du hast es noch nicht untersucht (tsiang, verstehst es noch nicht za beurtheilen). Wer statt eines Weisen (Hien) ein Weiser sein will, von dem sagt man: er beraubt ihn. Wer durch einen ünweisen (Pu-siao) einen Weisen ersetzt, von dem sagt man, er greift iha an. Wer langsam (sorglos, huan) befiehlt und rasch bestraft, den nennt man gransam. Wer das Gute sich selber aneignet, den nennt man einen Dieb. Ein Dieb heisst nicht nur, wer heimlich (fremde Güter) stiehlt. Ich habe gehört, wer ein rechter (Beamter) zu sein weiss, geht dem Ge- setze ehrerbietig entgegen, (übt es) zum Nutzen des Volkes ; wer nicht weiss ein rechter Beamter za sein, der beuget das Gesetz (wang) und greift das Volk an. Dieses zürnt ihm dann, wo er aasgeht Bei der Verwaltung eines Amtes ist nichts so wichtig als ruhig (gleichmüthig) auf Beichthümer (Schätze) herabzusehen, nichts so (wichtig) als die Sparsamkeit (Oekonomie). Wenn man die Sparsamkeit ruhig übt, so bewahrt man (was man hat), dass es nicht wechseln kann. Wer der Menschen Gutes verhehlt (ni), von dem sagt man, er verbirgt die Weisen. Wer der Menschen Schlechtigkeiten (Fehler) verbreitet, den nennt man einen Unweisen (Siao-jin). Daheim nicht gegenseitig sich belehren (unterweisen, hiün), nach Aussen gegenseitig sich herabsetzen (pang), das ist keine Liebe (Tsin) und Zuneigung (Mo). Man muss der Menschen Gutes erzäh- len (sagen), als ob man es selber hätte; erzählen der Menschen Schlechtigkeiten ist^ als wenn man sie selber annähme, daher kann der Weise nicht aufmerksam genug sein.

(Ob diese breite Ausführung von Confucius ist, ist wohl sehr die Frage, doch mögen einige treffliche Aeusserungen von ihm zu Grunde liegen).

Als King-kung von Thsi Confucius über die Regierung befragte, antworte er ihm nach Lün-iü 12, 11 und im Sse-ki auch im I-sse 86, 1 f. 7: der Fürst, sei Fürst; der Miniser, Minister; der Vater, Vater und der Sohn, Sohn. Vortrefflich, sagte der Fürst; denn wena der Fürst nicht Fürst, der Minister nicht Minister, der Vater nicht Vater und der Sohn nicht Sohn ist, wenn da auch Lebensmittel (Reis in der Hülse, so) in Fülle da sind, wie kann ich sie essen. Einen ähn- lichen Ausspruch hat Confucius im Commentare Toen zum Y-king 37 Kia-

1) Die Antwort des Confucius im Schue-yuen im I-sse 95, 2 f. 14 und Eia-iü 8 f. 21 auf Taea- kang's Frage nach der Regierang des Volkes (Sohi-min) s. anten S. 189.

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jin T. II p. 174: Der Vater sei Vater; der Sohn, Sohn; der ältere Bru- der, Älterer Bruder; der jüngere Bruder, jüngerer Bruder; der Mann, Mann; die Frau, Frau und des Hauses (der Familie) Ordnung (Tao, eigentlich Weg) ist in Richtigkeit (Tsching). Wenn die Familie so in Ordnung ist, steht das Reich fest (Fu fu, Tseu tseu, Hiung hiung, Ti ti, fu, fu, eul kia tao tsching ; tsching kia, eul Thien-hia tingi.)

Verschieden ist eine Antwort des Confucins auf King-kang*s Frage nach der Regierung im Kia-iü Cap 13. f. 9, nach dem Sse-ki auch im I-sse 86, 1 f. 7 an einem andern Tage. Da ant- wortet Confncius: die Regierung besteht in der gehörigen Vertheilung (Regelung) der Reich- thümer (Tschingtsai tsie tsai). King-kung war nach dem Sse-ki so erfreut darüber, dass er Con- fticins ein Lehen geben wollte, was sein Minister aber verhinderte. Nach Tschung-yung Cap. 50 und Kia-iü 17 f. 21 fragt Ngai-kung von Lu Confacius nach der Regierung. Confucius erwidert da : Wen- und Wu-wang's Regiernngsart (Gesetze) wurden auf Bambu-Tafeln aufgeschrieben (tsai fang thse). So lange die Männer übrig waren (lebten), blüthe ihre Regierung; als aber die Männer dahin ¥raren, erlosch (athmete aus) auch ihre Regierung. Der richtige Weg (Tao) der Menschen erzeugt eine gute Regierung, wie der Erde Weg (Tao) die Bäume. Eine gute Regie- rung wächst leicht wie der Pn-lu (eine rasch wachsende Binse). Die Regierung steht bei dem Menschen (beruht darauf, die geeigneten Männer zu erlangen). Es wird dann eine ganze Moral in nuce vorgetragen. Im Kia-iü Cap. 13 f. 9, I-sse 86; 1 f. 35 v., vgl. Amiot p. 373 erwidert Con- fucins Ngai-kung von Thsi : bei der Regierung ist nichts so dringlich (Khi), als zu machen, dass das Volk Ueberfluss (Reichthum, Fu) habe und lange lebe (Scheu). Der Fürst fragt: wie ist das fa machen? Confucius spricht, vermindere die Frohnden, verringere die Tribute und Abgaben, dann wird das Volk reich werden. Regle (lege Gewicht auf, Jün),' die Ceremonien (Li), unter- weise es (belehre es), Verbrechen und Krankheiten zu entfernen, dann wird das Volk lange leben. Der Fürst sagte: meiner Wenigkeit wünschte wohl Meisters Wort auszuüben, aber ich besorge, dasB mein Reiqjti dazu zu arm ist. Confncius erwidert mit einer Stelle des Liederbuchs: wenn der weise Fürst (Kiün-tseu) des Volkes Vater und Mutter ist, dann kam es noch nicht vor, dass der Sohn reich und Vater und Mutter arm waren. Wieder anders lautet eine Antwort des Con- fucius auf die Frage des Fürsten wegen der Regierung im Li-ki Cap. Ngai-kungwen 27 f. 3 189, auch im Kia-iü 4 f. 7. Da erwiedert er diesem Fürsten auf seine Frage nach der Regierung) (Tsching), wie nach Lün-iü 12, 16 Ki-kang-tseu mit dem Wortspiele regieren (tsching ist recht sein (tsching); wenn. der Fürst recht ist, dann folgen die 100 Familien (das Volk) dem

Rechte (Tsching) was der Fürst nicht thut, darin folgen ihm die 100 Familien auch

nicht und auf des Fürsten weitere Frage, wie die Regierung sein müsse ? erwidert Confucius : es bestehe (herrsche) der Unterschied zwischen Mann und Frau, Liebe (thsin) zwischen Vater and Sohn; Ehrfurcht zwischen Fürst und Unterthan ; wenn diese drei Sachen in Richtigkeit (Tsching), dann folge alles von selbst. Der Fürst will eine weitere Erklärung hören und Confucius erwi- dert: wenn die Alten die Regierung führten, war die Liebe zu den Menschen das Erste (Grösste), bei der Regelung der Liebe zu den Menschen (ngai jin) waren die Bräuche (das Ceremoniell, Li) das Wichtigste (Grösste, Ta); bei der Regelung der Gebräuche war die Ehrfurcht (King) das Wichtigste (Grösste); bei der Ehrerbietung waren die Heirathsgebräuche das Wichtigste (Grösste) Ohne Zuneigung (Ngai) ist keine Liebe (Thsin), ohne Ehrerbietung (King) keine rechte Ordnung (Tsching) abweichend der Kia-iü die Liebe und Ehrerbietung seien daher die Onmdlage (Wurzel, Pen) einer guten Regierung (Das Folgende s. bei Ehe).

Wir sehen aus diesem, dass Confucius Verschiedenen auf ihre Fragen nach der Regie-

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rang verschiedene Antworten gab. Tsen-kung stellte ihn nach Kia-iü 14 f. 10, aach im Sohue-yucn im I-sse 95, 2 f. 15 v, nur in anderer Folge nnd kürzer, vgl. Amiot p. 266 deeshalb rar Rede: Einst fragte Thsi's Fürst den Meister nach der Regierung und der Meister sagte ihm: eine gute Regierung besteht in der Yertheilnng der Reiohthümer. Als Ln's Fürs nach der Regierung Meister frag^te, sag^e Meister: eine gute Regierung besteht in der guten Wahl (Instruktion. Sobü) der Beamten und als Te's Fürst Meister nach der Regierung fragte, sagte Meister: die Nahen erfreuen und die Fernen heranziehen (kommen lassen). Auf eine Frage also drei (Antworten); da Meisters Antworten nicht gleich sind, gibt es denn verschiedene Principien (Grundlagen) der Regierung? Confucius erwiderte: ich richtete mich nach jedes Verhalten. Thsi's Fürst war ver- schwenderisch in der Anlage von Lnst-Thürmen, (Terrassen, Siai), in Lustgärten nnd Parken. Geschickte Musici wurden fetirt und er beschenkte einen Mann gleich mit einem' Hause von 1000 der Schue-yuen hat 100 Streitwagen, daher sagte ich ihm: eine gute Regierung be- steht in der richtigen Yertheilnng der Reichthümer. Lu*s Fürst (Ting-kung) hatte dagegen drei Männer (Meng-, Scho- und Ki-sün), die im Innern ihren Fürsten mit dummen Menschen umga- ben und nach Aussen die Fürsten (Tschu-heu) als Gäste, um ihren Glanz zu verbergen, daher sagte ich ihm: eine gute Regierung besteht in der guten Wahl (Information) d'er Beamten. Das Land (Gebiet) von Hing ^) ist weit, aber die Residenz (Tu) schmal (eug, hia), das Volk hat eine misstrauische (entfremdete) Gesinnung und keiner ist ruhig an seinem Aufenthaltsorte; daher sagte ich ihm, eine gute Regierung besteht darin, die Nahen zu erfreuen und die Femen kommen zu lassen (herbeizuziehen). Die drei fehlten (Schu, eigentlich tödten) in der Art, wie sie die Regierung führten. Confucius citirt dann noch Stellen des Schi-king und wendet sie an.

Von allgemeinem Inhalte sind die folgenden Aussprüche: Wer ein Land von 1000 Streitwagen verwaltet (tao), sagt Confucius Lün-iü 1, 5, muss alle Sorgfalt auf die Geschäfte verwenden, das Vertrauen des Volkes gewinnen, sparsam (oekonomisch) in den Ausgaben sein, die Menschen lieben und nur zur geeigneten Zeit (im Winter) sein Volk zu Staatsarbeiten (Frohnden) verwenden. Wer durch Tugend (Te) regiert, sagt er Lün-iü 2, 1, gleicht dem Nord- oder Polarsterne (Pe-tschin; er bleibt an seinem Platze und alle andern Sterne drehen sich um ihn. Führst (leitest) du (tao) das Volk, sagt er Lün-iü 2, 3, (blos) durch das Regiment (Tsching), hältst es in Ordnung (Thsi) nur durch Strafen (hing), so wird das Volk diesen nur zu entgehen suchen, ohne zu errö«

1) Amiot p. 267 hat Tscheng; oben hiess er Fürst von Ye (Ye-kung). Im Kia-iü 15 f. 16 V. heisst es: der Sohn des Fürsten von King, der erst 15 Jahr alt war, verwaltete die Ge- schäfte eines Ministers (Siang) in King. Als Confucius das hörte, sandte er einen Mann hin zu gehen und zu. sehen, wie er die Begiernng führe; als der Bote zurückkam sagte er, ich sah seinen Hofhalt rein (Tsing-tsing) und wenig da zu thun, seine Halle (Thang) hatte oben 5 Greise, seine Seitenhalle (lang) unten 25 handfeste Krieger (Beamte, Tschuang-sse) Confucius sagte, wer die Einsicht von 25 Männern vereint, wie kann der verfehlen das ganze Reich zu regieren, geschweige denn King. King war die Hauptstadt von der kleinen Herrschaft Ye; vgl Kia-iü 14 f. 10 mit Schue-ynen im I-sse 95, 2 f. 15 v.

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tben. Leitest du sie aber durch Tugend und regelst sie durch die Bräuche (Li, rules of propriety L.), so erröthen sie (über das Laster) und machen noch Fortschritte (in der Tugend). Im Lfin-iü 2, 2 1 sagt Con- fucius: Der Schu-king spricht nur von der Pietät* Uebe Pietät und Bruderliebe und entfalte sie bei der Regierung, das ist regieren. Im Tschung-yung 19, 6 und im Li-ki Tschung-ni Yenkiü 28 f. 10 sagt er: Durch die Gebräuche beim Opfer Himmels und der Erde dient man dem Schang-ti, bei denen des Ahnentempels opfert man seinen frühern Ahnen. Wer nun Einsicht (Ming) hat in die Gebräuche des Kiao-sche und in die Bedeutung (I) der Opfer Ti und Tschang, der re- giert ein Reich, wie wenn er auf seine Handfläche sähe.

Tschung-kung sagt Lün-iü 6, 1 : den Respekt haben (King) und nachlässig sein in der Aufsicht über das Volk, geht das nicht? aber wenn einer nachsichtig ist gegen sich selber und dabei Nachsicht übt, (in der Verwaltung), ist das nicht zu viel Nachsicht? (Kien, durch die Finger sehen). Confucius erwiderte darauf: deine Worte sind wahr, Yung. Nach Lün-iü 20, 2 fragte Tseu-tschang Confucius: wie eine Regierung geführt werden müsse? Confucius erwiderte: halte in Ehren 5 gute Eigenschaften (Mei, eigentlich Schönheiten); verschliesse die Thür 4 Uebeln (Ngo), so kannst du die Regierung gut führen. Jener fragte: was sind das für 5 gute Eigenschaften? Confucius erwiderte: sei wohlwollend, aber ohne verschwenderisch (fei) zu sein strenge das Volk an, aber ohne es sich zu entfremden (yuen) begehre von ihm, aber ohne Habsucht (than) erstrebe Grosses (Hohes, Tsai), aber ohne Hochmuth (Kiao) errege Ehrfurcht (Wei), aber ohne tyrannisch (meng) zu sein Tseu-tschang sagte : was meinst du mit wohlwollend sein ohne zu verschwenden ? Confucius erwiderte : das Volk ermuntern sei- nem Vortheil nachzugehen, wo (wirklicher) Vortheil ist, ist das nicht wohlwollend ohne Vergeudung der Kräfte? Triff eine Auswahl, wo es angestrengt werden kann und strenge es da an, wer wird da murren? Humanität (Jin) erstreben und Humanität erreichen, ist da Habgier (Begehrlichkeit)? Der Weise ist, ob es Viele sind oder Wenige, Kleine oder Grosse, nie sorglos, ist das nicht gross sein ohne Hochmuth? Der Weise setzt zurecht (tsching) seine Mütze und sein Kleid (Gewand), ist ernst und würdig in Blick und Haltung, so sehen die Menschen auf

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ihn mit Ehrfurcht, ist das nicht Ehrfurcht ohne Tyrannei? Tseu-tschang fragte dann nach den 4 bösen Eigenschaften (Arten zu verfahren). Con- fucius erwiderte: das Volk nicht unterweisen und es dann hinrichten (tödten), ist Grausamkeit (Nio) es nicht vorher warnen und dann die volle Arbeit von ihm verlangen, ist Tyrannei (Pao) seine Befehle verzögern bis zum Moment der Ausführung, ist Raub Kni- ckerei anstehen zu belohnen, ist das Betragen eines untergeordneten Beamten (Yeu-sse).

Es heisst öfter, der Fürst solle des Volkes Vater und Matter sein. Im Li-ki Kung-tseu Hien-kiü Cap. 29 ^) (24) f. 16 v. und Kia- 27 f. 10 fragt Tseu-hia, dieser Ausdruck des Schi-king's, (III, 2,7, 1) was der besage, oder wann der Fürst dafür gelten könne. Confucius Antwort darauf ist sehr dunkel: Des Volkes Vater und Mutter dringe durch bis zur Quelle der Bräuche und Musik (Li, Yo),. um zu erreichen die 5 Gipfelpunkte (U-tschi) und zu üben die drei Wu (Nichtig- keiten, Gallery übersetzt absences); sie zu verbreiten im Reiche und vorher zu wissen, wenn in den vier Weltgegenden ein Umschlag (Pei, eine Kalamität) erfolge, das nenne man des Volkes Vater und Mutter ^) sein. Tseu-hia fragt dann nach den 5 Gipfelpunkten (U-tschi). Con- fucius Antwort ist noch dunkler, ebenso seine spätere Antwort auf die Frage nach den 3 Nichtigkeiten (San wu). Da es aber nicht die Regie- rung betrifft, übergehen wir das folgende hier; s. Callery Cap. 24 p. 148.

1) Im Kia-iü fragt Tsea-kung erst; es ist dies aber wohl nar ein Druckfehler, da er sp&ter immer Tseu-bia nennt. Der Schi-king II, 2, 5, S sagt, welche Freade, wenn der Färst des Volkes Vater und Mutter ist! Der Ta hio 10, 3 citirt diese Stelle und setzt hinau: Liebt der Fürst was das Volk liebt und basst er was das Volk hasst, so lieisst er des Volkes Vater und Mutter.

2) Im Li-ki Piao-ki 32 f. 45 v. heisst es: Der Fürst muss machen, dass das Volk die Ehrforoht vor dem Vater, die Liebe einer Mutter habe, dann kann der Fürst des Volkes Vater und Mutter heissen. Im Li-ki Ngai-kung wen 27 f. 6 y., auch im Kia-iü 4 £ 8 sagt Confaciot: Die Alten machten bei der Regierung die Liebe zu den Menschen zum Wichtigsten (ta, Grossen). Wer die Menschen nicht lieben kann, der kann seine Person nicht erhalten, (yea khisohin); wer seine Person nicht erhalten kann, der kann die Erde nicht beruhigen; wer die Erde nicht beruhigen kann, der kann den Himmel nicht erfreuen; wer den Him- mel nicht erfreuen kann, kann seine Person nicht vervollkommnen (vollenden) u. s. w.

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Nach Kia-iü 8 f. 21, auch im Schue-yuen im I-see 95, 2, f. 14 fragt Tseu-knng Confucias nach der Leitung des Volkes (Schi-min) ; Confucius sagt : Es sei ehrfurchtsvoll gehorsam (Lin- lin)^ wie da am Seile (so) hältst ein störriges I^ferd der Schue-wen hat dafür wie der Kutscher ein dayonrennendes Pferd. Tseu-kung sagte: Wie muss die Furcht sein? Confucius sagte: Dringe durch, leite sie, leite sie; Alle sind Menschen; führst du mich auf dem rechten Wege(tao), 80 bin ich dein Hausthier; führst Du mich nicht auf dem rechten Wege, so bin ich dein Feind, wer wird da nicht Furcht haben?

Im Kia-iü Cap. 25 f. 2 v., f. 4 v., auch im I-sse 95, 2 f. 2 fg. fragt Min-tseu-kien , als er Gouverneur (Tsai) von Pe wurde, nach der Begierung. Confucius erwiderte: mache die Tu- gend zum Gesetze (Fa); mit dieser Tugend und dem Gesetze fahre das Volk, wie der Kutscher beim Pferde Zügel und Halfter (Han-li) hat Der Fürst ist der Herr, der Diener (Li) der Zügel (Pe), die Strafen sind die Peitsche (Tse). Des Mannes (Fürsten) Regierung besteht darin, die Zügel und die Peitsche zu ergreifen, das ist Alles. Tseu-kien fragte dann nach der Regierung der Alten. Confucius sagte: Der Kaiser machte aus dem Nui-sse (.Gescbichtschreiber oder Sekretär des Innern) seine rechte und linke Hand; Tugend und Gesetz dienten ihm als Gebiss und Halfter, die 100 Beamten dienten ihm als Zügel, die Strafen und Züchtigungen dienten ihm als Peitsche; das zahlreiche Volk (Wan-min) war das Pferd; drum fuhr er das Reich eine Anzahl von 100 Jahren und es wich nicht vom Guten. Wenn der, der das Pferd lenkt, richtig das Gebiss und den Halfter (Han-li), ordentlich den Zügel (Pe) und die Peitsche (l^e) handhabt, dann wird gleich- massig des Pferdes Kraft angewandt und es harmonirt damit des Pferdes Herz (Sinn). Daher braucht der Mund keinen Laut von sich zu geben und doch entspricht (folgt) das Pferd dem Zügel und der Peitsche. Ohne Aufhebens erreicht es 1000 Li. Wenn einer gut das Volk leitet (lenkt) und seine Tugend und das Gesetz einmal in Richtigkeit (Tsching) sind, dann ordnen seine 1(X) Beamten gleichmässig des Volkes Kraft und in Harmonie und Ruhe ist des Volkes Sinn (Herz); dann braucht er einen Befehl nicht zweijn&l zu wiederholen und das Volk folgt gehor- sam. Er wendet keine Strafen an und das ganze Reich ist doch wohl regiert. Himmel und Erde sehen seine Tugend und das zahlreiche Volk ergreift (umfasst) sie. Wenn so die Tugend Him- mels und der Erde herrscht und das zahlreiche Volk sie umfasst, dann verbesserst seine Regie- rung sein Volk und rühmt ihn.

Wenn jetzt das Volk sagt: die 5 (alten) Kaiser (U ti) und die drei Könige j[San wang) vrtLven so vollkommen (vollendet), nicht doppelt (feindlich entgegen), voll Ehrerbietung und be- trachteten (sahen) wo sie waren, was war davon der Grund? Ihr Gesestz war vollkommen, ihre Tugend reich (voll). Gedachte man ihrer Tugend, so pries man die Männer, Morgens und Abends betete man für sie (tscho tschi). Ihr Ruf stieg empor bis zum Himmel. Der Schang-ti begünstigte fortwährend ihr Geschlecht und gab Fülle (reiche Ernten) ihren Jahren (Fung khi nien).

Die aber das Volk nicht lenken konnten, ihre Tugend und das Gesetz verliessen, Strafen nnd Züchtigungen anwandten, sind zu vergleichem einem der sein Pferd lenkend, wegwirft Gebiss und Halfter nnd nur immer (tschuen) die Peitsche anwendet; der hält es nicht in Ordnung.

Wer ohne Gebiss und Halfter nur die Peitsche beim Pferde braucht, wird sicher den Wagen rainiren nnd verderben. So wird wer ohne Tugend und Gesetz gegen das Volk nur Strafen anwendet, sicher das Reich ruiniren und die Regierung zu Grunde richten. Wenn das Reich ohne Tugend und Gesetz ist, dann wird das Volk nicht ausgebildet (sieu). Wenn es nicht ausgebildet wird, wird es abgestumpft (mi), irrt und verlässt den rechten Weg (Tao). Wenn dem so. dann verwirrt auch der Schang-ti den Himmelsweg (Thien-tao). Wenn der Himmelsweg (die Ord- nung) verwirret ist, dann werden die Strafen und Züchtigungen grausam. Obere und Untere sohmeicheln sich gegenseitig (jn); keiner weiss des Kummers zu gedenken; alle sind ohne den rechten Weg. Dies ist der Grund, dass die Menschen jetzt sie böse nennen nnd die Fürsten Abh. d. L Cl. d. k. Ak. d Wiss. XIÜ. Bd. IL Abth. 2 5

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(KuDg) öffentlich mit Ehi nnd Scheu vergleichen. Was ist davon der Grand? Anf sein Gesets hören sie nicht; ihre Tagend war nicht gross (hea), daher hasst das Volk ihre Uebel (Bedrückan- gen and Graasamkeit). Keiner raft nicht Ach nnd weh (Ha-tai) über sie. Morgens and Abends beten sie. Ihr Ruf steigt auf zum Himmel, der Schang-ti getrübt (Pu-kiuen), lässt Unglück auf sie herabkommen; straft sie mit Ungemach und Gefahren entstehen nnd zerstören ihre Genera- tion. Daher heisst es: Tugend und Gesetz sind die Grundlage bei der Leitung des Volkes. Die Alten leiteten (regierten) das Reich mittelst der 6Aemter, es einsichtsvoll zu regieren. Das Amt des Tschung-tsai diente die rechten Principien (Tao) vollends darzustellen (tsching). Das Amt des Sse-tu die Tugend zu vollenden (tsching te). Das Amt des Tsung-pe (des Vorstandes der Gebrauche) die Humanität (Jin) zu vollenden. Das Amt des Sse-ma (des Krieg* ministers) die Heiligkeit (Sching) zu vollenden. Das Amt des S s e - k e u (des Strafrichters) die Gerechtigkeit (I) zu vollenden und das Amt des Sse-kung (des Vorstehers der öffentlichen Arbeiten) die Gebrauche (Li) zu vollenden. (Diese Erklärungen stimmen sehr wenig mit der wirklichen Bedeutung dieser Aemter überein, s. m. Abh. Verfassung u. Verwaltung China's unter den drei ersten Dynastien. München 1865, a. d. Abh, d. Ak. 10. Abth. 11 S. 522 fg).

In der Hand dieser 6 Aemter steht es, sie als Zügel zu gebrauchen und vereint und gleich- massig der Humanität Eingang zu verschaffen. Daher heisst es, wer ein Viergespann (vier Pferde) lenkt, ergreift die Zügel; wer das ganze Reich lenkt, hält die 6 Aemter in Ordnung (Tschin). Wer daher die Pferde gut lenkt, richtet seine Person, indem er die Zügel aufbindet (tsnng), gleichmässig anwendet des Pferdes Kraft und ordnet des Pferdes Herz. Er wendet um (hoei), lässt sie circuliren (siüeu) und schneidet die Krümmungen (Kio) ab. So (daher) kann er einen lan- gen Weg machen (einschlagen), und kann rasch vorgehen (fu). So lenkt der heilige Mann Him- mel und Erde mit (nach) dem Gesetze und der Vorschrift für der Menschen Thun.

Der Kaiser macht den Nui-sse TGeschichtschreiber des Innern) zu seiner linken and rech- ten Hand, die 6 Aemter zu Zügeln für sich. Die San-kung haben die 6 Aemter zu leiten, um gleichmässig zu (verbreiten) die 5 Lehren (U kiao), zu ordnen die 5 Gesetze (Grandregeln, nach den Schol. die Humanität, Gerechtigkeit, Civilität (Li), Einsicht und Treue) Daher auch bei seiner Anstrengung nichts nicht wie beabsichtigt ist. Folgt er dem rechten Principe (Tao), dann ist das Reich wohl regiert; übt er die Tugend, dann ist das Reich ruhig; übt er die Humanität, dann hat das Reich Erkenntniss; übt er die Heiligkeit, so ist das Reich gleichförmig (ruhig); übt er die Civilität (Li), dann steht das Reich fest; übt er die Gerechtigkeit (I), dann herrscht im Reiche das Recht (1).

Diess ist der Plan (Scho), die Regierung zu führen. Vergehen und Mängel gehören zu des Menschen Leidenschaften (Tshing). Keiner hat dergleichen nicht. Fehlen und sich bessern heisst sich nicht vergehen. Daher wenn die Beamten nicht vernünftig die Geschäfte (Tschi) ver- theilen, nicht in's Licht stellen das Gesetz, werden 100 Sachen nicht unterlassen. Die Geschichte (Khi) sagt von den Unruhen: wo Unruhen sind, da regelt sie (tschi) der Tschung-tsai. Wenn die Erde (der Boden) nichts producirt, wenn die Reichthümer und Sachen nicht gehörig vertheilt werden, hungert und friert das zahlreiche Volk ; der Unterricht und die Unterweisung haben dann keinen Fortgang; die Sitten werden ausschweifend; die Leute des Volkes zerstreuen sich. Es heisst, wenn so Gefahr da ist, dann regelt der Sse-tu sie. Wenn Vater und Sohn keine Liebe haben (tsin); wenn Aeltere und Jüngere ihre Ordnung verlassen; wenn Fürst nnd Unterthan, Obere und Untere verkehrt (kuai) verschiedene Absichten verfolgen, sagt man, es ist keine Har- monie da. Wenn keine Harmonie da ist, dann ordnet der Tsung-pe sie. Wenn Weise (Hien) nnd Fähige die Aemter und Würden aufgeben; wenn Verdiente (Kung-lao) ihre Einkünfte im Stich lassen; wenn die Sse am Ende erkranken nnd unwillig die Waffen nicht brauchen, dann sagt man: es herrscht keine Gloichmässigkeit (Pu ping). Wo so keine Gleichmässigkeit herrscht, da hat der Sse-ma es zu ordnen. Wenn die Strafen und Züchtigungen graasam sind, wenn

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Yerwirrnng, Aussohweifangen and Sohleohtigkeiten nicht besiegt werden, so sagt man : es herrscht kein Recht. Wo so kein Recht herrscht, da hat der Sse-ken es zu ordnen. Wenn Masse and Gewichte nicht geprüft sind (schin); wenn die, welche Dienste tban, dieVemanft verlassen; wenn die Hanptstadt and die kleinen Städte nicht in Ordnung sind (Siea); wenn ReichthClmer and Werthsachen den Ort verlassen, so sagt man: er verarmt; bei solcher Yerarmang hat der Sse- kang es sa ordnen.

Gleich wie daher von Entschem mit Wagen and Pferden einige 1000 Li machen, andere nicht 100 Li erreichen, weil ihr Vorwärts- and Zarückgehen langsamer (haan) oder schneller, kurz verschieden ist, so ist es auch bei der Regierang. Von den Aemtem and Gesetzen erreichen einige die gleichmässige Ruhe (Fing), andere gerathen auf Unruhen, nachdem sie vorwärts oder rückwärts schreiten, langsamer oder schneller, kurz verschieden sind.

In alter Zeit untersuchte der Kaiser bei Winters Ende die Tugend, regelte das Gesets, um zu ersehen, wo gut regiert wurde und wo Unruhen waren. Wo die Tugend vollendet ist, da ist eine gute Regierung; wo die Tugend gering (verwirrt, po) ist, da sind Unruhen; dram wenn der Kaiser die Tugend untersucht, dann kann die gute Regierung und die Unruhe im gan* zen Reiche im Sitzen oben in der Ahnenhalle erkannt werden. Wenn die Tugend vollendet ist, dann ist das Gesetz ausgebildet (sieu). Wenn die Tugend aber nicht vollendet ist, dann muss man die Gesetze anordnen bei der Regierung, dass die ganze Tugend nicht verfalle. Daher heisst es: der Kaiser (Wang) muss im ersten Frühlingsmonate (Meng-tschün) die Tugend der Beamten (Li), ihre Verdienste und ihre Fähigkeiten prüfen. Welche Tugend und Gesetz vermö- gen, die haben die Tugend; welche Gesetz und Tugend zu üben vermögen, die haben die Ue- bung ; welche die Tugend und das Gesetz zu vollenden vermögen, die haben das Verdienst ; die zur Tugend und zum Gesetz zu leiten vermögen haben die Einsicht. Indem der Kaiser daher die Beamten prüft, zeigt sich ob ihre Tupfend, das Gesetz, der Wandel, die Leitung und das Ver- ▼ollendet seL An Winters Ende ordnet er das Gesetz, im Frühlings Anfange prüft er die Beam- ten und untersucht (yao) die Regierung des Reichs. (Die weitläufige Darstellung ist schwerlich von Confucius).

Nach Tso-schi Tschhao-kung Ao. 17 f. 9 v., S. B. 25 S. 76-— 79, Legge p. 667, auch im Kia-iü Cap. 16 f. 19 kam der Fürst 4ter Olasse (Tseu) von Than 525 nach Lu, seine Aufwartung zu machen und erklärte da die vorgeblichen Namen der alten Aemter unter Hoang-ti u. s. w. Als Confucius das hörte, heisst es am Schlüsse, besuchte er den Fürsten, um von ihm zu lernen und sagte dann den Leuten : ich hörte wie dem Kaiser die Bedeutung der Aemter verloren gegangen ist und man ihre Bedeutung bei den vier Barbaren lernen muss. Dieses Wort möchte ich glauben.

Verständlicher ist was Confucius Kia-iü Cap. 7 f. H v., vgl. Amiot p. 247 auf Ngai-kung's Frage antwortet: dieser sagte meiner Wenigkeit wünscht mein Reich, wenn es klein ist, erhalten EU können, wenn es aber gross ist, sagt man, soll ich nicht angreifen, was ist davon der Grund (Weg, Tao) ? Confucius erwiderte, wenn der Fürst macht, dass am Hofe die Ritus (Li) herrschen, dann besteht zwischen Obern und Untern Eintracht (Ho) und Liebe (Tsin) und die 100 Familien im Reiche sind Alle des Fürsten Volk ; wer wird ihn da angreifen ? Wenn aber der Fürst diesem rechtem Wege (Tao) widerstrebt, dann föUt das Volk ab und wenn es zurückkehrt, sind Alle des Fürsten Feinde, wer kann ihn da erhalten (stützen)? Der Fürst sagte: sehr gut; ich muss also die Verbote wegen der Seen oder Teiche und Brücken aufheben und die Abgaben ringsum er- leichtem, um den 100 Familien Wohlthaten zu erweisen.

Wie Wu-ma-ki daraus, dass ein Fischer in Min-tseu-kien's Distrikt

25*

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die kleinen Fische wieder in's Wasser wirft, schon auf eine gute Regie^ rung schliesst (Amiot p. 290 fg.) ist schon bei diesem Schüler des Con- fucius in Abth. III erzählt worden, Ueber Mi-tseu-tsien's Verwaltung in Tan-fu und Confucius Aeusserungen darüber s, ebenda. Wie Con- fucius Lün-iü 1 6, 1 sich gegen Ycn-yeu ausspricht, als Ki-schi Tschuen- einnehmen will, ist ebenda bei Yen-yeu erzählt. Confucius Aeus- serung gegen Fan-tschi, dass wenn die Obern die Gebräuche, die Ge- rechtigkeit, Treue und Redlichkeit lieben, das Volk nicht ungehorsam und treulos ist und es dem Regierenden an dem Nöthigen zum Leben nicht fehlen lasse, ist nach Lün-iü 13,4 auch in Abth. III schon erwähnt. Wie Confucius nach Kia-iü Cap. 8 f. 18 und Schue-yuen im I-sse 95, 3 f. 10 mit Tseu-lu's Unterstützung des Volkes in der Noth, als er Gouver- neur von Pu war, nicht einverstanden war, ist eben schon erwähnt; so auch die etwas abweichende Geschichte von Uan-fei-tseu im I-sse 95, 3 f. 10.

Im Lün-iü 13, 3 sagt Tseu-lu zu Confucius: gesetzt der Fürst von Wei wollte dir eine Anstellung geben, was wirst du ihm zuerst lehren? Confucius sagte : seinen Ruf festzustellen (regeln, tsching-ming ^). Als Tseu-lu sich darüber verwundert, sagte Confucius zu ihm : Yen ! du bist ein Bauer; ein Weiser spricht nicht rasch ab über Dinge, die er nicht versteht; wenn eines Ruf nicht fest besteht^ so sind seine Worte nicht consistent (schün); wo das nicht, werden die Sachen nicht vollkommen durchgeführt; wo das nicht, blühen Ritus und Musik nicht; wo Ritus und Musik nicht blühen, sind Strafen und Gesetze (Fa) nicht gerecht bestimmt; wo die Strafen nicht gerecht bestimmt sind, da weicfs das Volk nicht, wo es Hand und Fuss bewegen soll.

Li-ki Fang-ki 30 f. 24 v. sagt Confaoias : Wenn 'der Fürst) Vortheile and Einkünfte voransetzt dem Sterben und nachsetzt dem Leben, dann kehrt das Volk (dem Tode) nicht den Rücken zu; setzt er aber voran den Untergang und hintennaoh das Bestehen, dann kann er auf das Volk bauen. Er citirt dann den Schi-king I, 8, 8 und schliesst: wenn auch das Volk dem Tode den Rücken zukehrt, dann mag er es aufrufen, es antwortet ihm nicht.

Ausführlicher darüber ist Tseng-tseu im Ta-tai Li-ki im I-sse 95, 1 f. 28 v., auch im Kia-iü Cap. 8 f. 5. Er fragt da nach den 7 Arten von Belehrung (Thsi kiao). Confucius sagt, wenn man oben (schang) die Greise ehrt (King lao), dann vermehrt man unten (vermehren die Unteren)

1) Collie übersetzt to estabilisch his characterl

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Pietät (Hiao); wenn man oben das Alter ehrt, dann mehrt man nnten seine Liebe zu den jünge- ren Brüder; wenn man oben liebt za geben (anszabreiten, |schi), so mehrt man unten das Ver- traaen (Liang); wenn man oben liebt die Weisen, dann wählt man unten sie zu Freunden; wenn man oben liebt die Tugend (Te), dann sind die Untern nicht versteckt (yn); wenn man oben hasst die Begier lichkeit (Than), dann erröthet man unten, sich zu streiten (tseng); wenn man oben sparsam (lien) und nachgiebig, stark und fest ist (kiang ko), dann ist man unten massig im Erröthen (verschämt, lien-tschhi) ; wenn das Volk diese Unterschiede sieht, dann ist es recht und wahr anch ohne Anstrengung ; diess sind die 7 Lehren. Die 7 Lehren sind die Grundlage der Regierung des Volks. Wenn die Lehre befestigt ist, so ist Alles richtig, der Obere ist (wie) das Aussengewand des Volkes ; ist das Aussengewand in Ordnung (richtig, tsching), wie sollten dann die Dinge es nicht sein ? Daher stelle der Fürst sich zuerst auf den Boden der Humanität ( Jin), dann ist der Ta-fu redlich (tschuug), der Sse treu, das Volk edelmüthig, die Gewerker (Kung) aufrichtig, ohne Schminke ein unpolirter Edelstein (Po), der Kaufmann, die Frau (das Mädchen) einfach (einfaltig, redlich tschung), die Ehefrau uneingenommsn (khung-khung). Diess ist die Ten- denz (Tschi) der 7 Lehren. Wenn die 7 Lehren sich ausbreiten im Reiche, und nicht tief im Innern bleiben (Thiao-nui) und gewöhnlich (tsin-schang) im Hause siud, dann verschliessen sie. sich nicht, daher der Heilige sie regelt nach dem Brauche (Li), sie aufstellt nach dem Rechte, sie übt mit Folgsamkeit und das Volk verwirft das Böse (Schlechte), wie eine Uebersohwemmung (Huan).

Im Eia-iü 1. c. f. 5 v. und Ta-tai Li-ki f. 29 v. fragt Tseng-tsru nach dem höchsten Principe (Tsohi-tao). Confucius hebt nach einer Zwischenrede 7 Punkte hervor: Erbarmen haben (ngai) mit den Verlassenen und Witt wen (Kuo), 2) ernähren die Waisen und Vereinzelten (Thu), 3) Mit- leid haben mit den Armen und Bekümmerten, 4) ermuntern (yen) zur Pietät und 5) Bruderliebe, 6) befordern die Weisen und erheben die Fähigen ^); wo diese 7 Punkte geübt werden, da gibt 68 innerhalb der 4 Meere keine Strafen für das Volk. Der Obere steht nahe dem Unteren, wie Hand und Fuss zu Bauch und Herz; der Untere liebt den Oberen wie ein junges Kind seine lie- bende Mutter. Wenn Obere und Untere sich so gegenseitig lieben und es wird dann ein Befehl erlassen, so wird er befolgt; heisst man etwas (schi), so wird es gethan. Das Volk umfasst seine Tugend, die Nahen unterwerfen sich willig den Femen.

F. 6 fragt Tseng-tseu dann nach den drei höchsten (San tchi). Confucius sagt: wo die Givilität (Li) die höchste ist, da wird ohne Streit das Reich regiert; wo die Belohnung (Schang) die höchsten sind, da wird nicht verschwendet und des Reiches Sse sind doch erfreut; wo die Musik die höchste (vollkommenste) ist, da ist ohne einen Ton im ganzen Reiche das Volk in Harmonie. Wenn ein erleuchteter Fürst diese 3 höchsten Punkte erstrebt, kann des Reiches Fürst zur Einsicht (Wissen) gelangen, kann des Reiches Sse ein würdiger Diener sein und des Reiches Volk gebraucht werden. (Diess wird dann noch weiter ausgeführt).

b) Was die einzelnen Gegenstände der Regierung betrifft^ sprechen wir noch speciell von Confucius Aeusserungen über Abgaben, Krieg und Strafen.

Die Abgaben. Wie Confucius überall am Hergebrachten hielt, so lässt sich schon im Voraus vermuthen, dass er gegen die Erhöhung der Abgaben war. Ki-sün in Lu wollte nach Kue-iü Lu-iü 2 f. 17^ dann Tso-schi Ngai-kung Ao. 12 f. 21, S. B. 27 S. 151 und bei Leg-

1) Der Kia-itt hat dafür: befördern die Talentvollen and Fähigen.

194 .

ge Vol. V, 2 p. 827, Kia-iü Cap. 41 f. 15 fg. die Felder mit Abga- ben ^) belegen (seit alter Zeit war ein Erdhügel/ das heisst ein Landgut nur mit einer Abgabe von einem Pferde und drei Rindern belegt, die auch fQr die Felder und das bewegliche Vermögen galten). Er sandte Yen-yeu (seinen Haushofmeister), Tschung-ni um Rath zu fragen, der war dagegen und sagte: ich habe nichts zu bemerken. Jener stellte die Frage dreimal und sagte zuletzt: du bist der Aelteste im Reiche; wir warten auf dich, wenn wir Etwas unternehmen; wie kommt es, dass du nicht sprichst. Tschung-ni antwortete nicht, aber privatim (sse) ') sagte er zu Yen-yeu : was der Weise unternimmt, sucht er einzurichten nach dem Brauche. Bei Wohlthaten geht es nach der Reichlichkeit; bei den Angelegenheiten erfasst er die Mitte; beim Einsammeln gibt er den Vorzug der Spärlichkeit. Ist diess der Fall, so kann man sich mit den Erdhügeln auch begnügen. (Die Erdhügel sind die Abgaben von einem jedem derselben, nämlich ein Pferd und drei Rinder). Rich- tet man sich aber nicht nach dem Brauche und begehrt mit Uner- sättlichkeit, dann mag man selbst die Abgaben erheben von den Fel- dern^ sie werden ebenfalls nicht genügen. Wenn ferner dein Ki-sün handeln will nach den Vorschriften, so sind die Urkunden von Tscheu- kung noch vorhanden; will er aber aufs Gerathewohl handeln, wozu lässt er dann noch fragen? Er wurde nicht gehört. Etwas abweichend erzählt diess Tso-schi im Kue-iü Cap. 2 f. 1 7. Lün-iü 11, 16 heisst es : Ki-schi war reicher als Tscheu-kung. Khieu (d. i. Yen-yeu) sammelte die Abgaben für ihn ein und vermehrte noch seinen Reichthum. Confucius sagte: er ist nicht mein Schüler^ Kinder trommelt ihn aus! Meng-tseu IV, 1

1) Statt dessen hat der Eia-iü 41 f. 15 Confdcius sagte: komm da Khieu, hast da nicht ge- hört, dass die alten fraheren Kaiser, die Ahgaben der Felder ordneten nach der Kraft (Li) and sie bestimmten nach der Feme and Nähe dem Dorfe (Li) sie auflegten, nachdem sie verschieden waren and sie abmassen nach den Besitz oder Nichtbesitz, dass sie die Frohn- den auflegten, nachdem die Leute alt oder jung waren, so wurden die Wittwer und Witi- wen, die Waisen, Kranken und Alten, wenn ein Heeresauszag war, verificirt (tschang) und sie blieben frei. Das im Jahre gesammelte Korn von dem Felde nahmen sie handvoll oder in Töpfen den Reis und das Gras und Kraut, überstieg diess nicht.

2) Im Li-ki Cap. Kio-li-hia 2 f. 49 v. p. 6 ist die Regel, öffentliche Angelegenheiten werden nicht privatim besprochen (Kung sse pu ssei) und Ma-schi bemerkt dazu : die Unterreduni^ von Confucius mit Yen-yeu scheine dagegen zu Verstössen.

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14 sagt: Ehieu war Minister (Beamter) von Ei-schi und vermochte ihn nicht auf den Weg der Tugend zurück zu führen, sondern verdoppelte die Abgaben* Gonfucius sagte: Ehieu ist nicht mein Schüler, Einder trommelt ihn aus* Daraus, sagt Meng-tseu, kann man ersehen, dass wenn ein Fürst keine humane Regierung führt, sondern seine Minister ihn bereichern, solche von Gonfucius alle verworfen wurden, um wie viel mehr die gewaltsam ihm Einkünfte verschafften. Li-ki Fang-ki Gap. 30 f. 32 (25 p. 154) sagt Gonfucius: der weise Fürst (Eiün-tseu) erschöpft nicht seinen Vortheil (Li), um auch dem Volke etwas übrig zu lassen (i). Der Schi-king II. 6, 8, 3 sagt: Dieser hat eine Handvoll (Aehren) zurückgelassen, er hat nicht eingesammelt die Garben, zum Vortheil der Wittwen u. s. w.; der Beamte solle daher kein Feld bauen. Nach Lün-iü 12, 9 fragte Ngai-kung (von Lu) Yeu-jo, was er bei vorhan- denem Mangel zu thun habe? Dieser rieth ihm zu seiner Verwunderung nur Vio statt ^/lo an Abgaben zu erheben; wenn das Volk Ueberfluss habe, wie dann der Fürst Mangel leiden könne? wohl aber umgekehrt 8. bei Yeujo in Abth. III. Im Ta-hio Gap. 10 f. 14 p. 13 sagt Tseng- tseu : es gibt ein grosses Princip (Tao, Weg), Reichthümer zu erzeugen (seng tsai); wenn deren, die sie erzeugen, vitfle sind und deren, die sie verzehren, wenige, wenn die, die sie schaffen, eifrig sind (tsi), die sie verbrauchen aber ökonomisch, dann werden Reichthümer immer genug sein. Der Humane (Fürst) erhebt seine Person durch den Reichthum, der Inhumane erhebt nach seiner Person die Schätze.

Eigenthümlich ist, dass Gonfucius bei Tso-schi Wen-kung Ao. 2 f. 6 V., S. B. 15 S. 430 und bei Legge V, 1 p. 234 Tsang Wen-tschung tadelt, dass er die 6 Schlagbäume an den Grenzen Lu's wegräumte (wodurch, wie er meinte, der Ackerbau Schaden litt). Es scheint also, als wenn Gonfucius in seinem beschränktem Geiste für ein Prohibitiv- system der kleinen Staaten unter einander war.

Ein Zurückgehen auf die alten Einrichtungen, wie unter Wen-wang und die früheren Abgaben, womit Meng-tseu I, 7, 24, III. 1, 3, 6, 10 debütirt, scheint Gonfucius aber nicht in den Sinn gekommen zu sein.

Ueber Krieg. Wir habea gesehen, wie Gonfucius, als Ling-kung von Wei ihn nach der Taktik fragte, erwiderte: die Opfergefässe Tsu und Teu zu handhaben, habe er gelernt, aber nicht die Taktik und

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dann den nächsten Tag abreiste nach Lün-iü 15, 1, Kia-iü 41 f. 13 v. fg,, Sse-ki auch im I-sse B. 86, 1 f. 19 v. vgL Tso-schi bei Legge Vol. V, 2 p. 826 u. wie er Lün-iü 16, 1 Yen-yea und Ki-lu tadelte, dass sie als Beamte Ki-schi's die Stadt Tschuen-yü angreifen wollten ; wir haben seine Grundsatze bei der Gelegenheit schon in Abth. III S. 26 bei Yen-yeu angeführt. Auch als Tseu-lu ihn im Kriegsgewande besuchte, äusserte er sich nach Kia-iü Cap. 10 f. 25 dagegen Grundsätzlich war er indess nicht gegen den Krieg. Als 481 Tien-tschang den Für- sten von Thsi hatte tödten lassen, forderte er nach Lün-iü 14, 22 den Fürsten von Lu auf, ihn anzugreifen ; s. m. Leben des Confucius II, 2 S. 40. Lün-iü 13, 29 äusserte er: wenn ein guter Mann das Volk 7 Jahre gut belehren würde, sei es zum Kriege tauglich; ohne Belehrung aber das Volk in den Krieg führen, heisst er § 30 es Preis geben. Es ist dabei nicht an soldatische Dressur zu denken, sondern wenn es unterrichtet in den Pflichten des Lebens und Bürgers ist, werde er auch moralisch , geeignet sein, für seine Regierung zu kämpfen. Wir haben schon bei Tseu-lu Abth. III. S. 29 angeführt, wie er auf dessen Frage, wenn er mit einer grossen Armee ausziehe, wen er da mitnehmen werde? nach Lün-iü 7, 10 antwortete: nicht einen Mann, der rasch einen Tiger angreife, oder über einen Fluss setze und ohne Gewissensbisse dabei umkäme, sondern einen, der sorgfaltig (umsichtig) die Sache über- sehe, einen Plan entwerfe und ihn dann ausführe.

Im I-sse 86, 1 f. 49 fg. ist ein besonderer Abschnitt aus dem Ta- tai Li-ki über den Gebrauch der Waffen (Yung ping) ; verschiedene hie- her gehörige Aeusserungen kommen gelegentlich vor.

Viel bestimmter gegen den Krieg drückt sich Meng-tseu aus I, 1, 32 und I, 1, If 14 fg.; s. m. Abh. Das Kriegswesen der alten Chinesen. München 1873, a. d. S. B. d. Ak. 1873. a. d.

Hieher gehört noch Kia-iü 42 f. 18 v. Da fragt Tseu-lu Confu* fucius: Tschang Wu-tschung führte ein Heer gegen Tshu's Leute und kämpfte mit ihnen. Zu Hu-thai traf er auf sie, wurde aber geschlagen. Vom Heere kamen viele Leute um, er strafte sie aber nicht. War das die Methode der Alten? Confucius sagte: Jeder der einem Heerführer beiräth, muss, wenn er geschlagen wird, sich tödten; räth er su eines

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Beiches oder zu einer Stadt Verderben, so geht er zu Grunde; sp war das Princip (Tao) der Alten. Wenn aber der Fürst befehligt, dann wird er nicht bestraft, (tao)!

Ueber Strafen, üeber Strafen hat Confucius mancherlei Aus- spruche* Als Tschung-kung erster Beamter unter Ki-schi war und der ihn nach der Regierung fragte, erwiederte Confucius ihm nach Lün-iu 13, 2 unter andern: kleine Vergehen zu verzeihen, s. die Stelle bei der Regierung oben. Nach 13, 3, 6 sollen die Strafen (Hing) gerecht sein; sonst wisse das Volk nicht, wie es Hand und Fuss bewegen solle; s. bei Regierung. Wenn gute Menschen, sagt er 13, 11, nur 100 Jahre ein Land regierten, ist ein altes Sprichwort, so könnte man die Ver- brechen bewältigen und das Tödten (die Todesstrafe) abschaffen. Als Meng-schi den Yang-fu als Kriminalrichter anstellte, fragte der letztere Tseng-tseu nach Lün-iii 19, 19, wie er zu verfahren habe; Tseng-tseu erwiderte: die Obern haben seit lange den rechten Weg (Tao) verlassen und das Volk hat sich zerstreut; findest du also Schuldige, dann habe Mitleid mit dem armen Volke und freue dich nicht (es gefasst zu haben). Man vergleiche damit Kia-iü 27 f. 33, auch den Ta-tai Li-ki iml-sse95, 4 f. 5. Hat das Volk ein kleines Vergehen (Euö) begangen, so suche man seine gute Seite auf und verzeihe sein Vergehen; hat das Volk ein grosses Verbrechen (Tsui) begangen, so erforsche man seine Ursache (Quelle) und unterstütze durch Humanität seine Umwandlung; hat es ein Todesverbrechen (Sse-tsui) begangen, so ist die Hauptsache, dass es gut werde; so entsteht zwischen Obern und Untern Zuneigung, man entfernt nicht das rechte Princip (Tao) und verbessert (wandelt um) das ver- kehrte; .... daher ist die Tugend der Anfang einer guten Regierung u. s. w.

Als Ei-khang-tseu Confucius nach der Regierung fragte, wenn man die gegen das Gesetz handeln (Wu-tao) tödtet und fördert die Ordent- lichen (Yeu-tao), wie ist das? erwiderte Confucius nach Lün-iü 12, 19 wenn du (gut) regieren willst, wozu da die Todes-Strafen ; wolle nur das Gute (yo sehen) und das Volk ist gut; die Tugend der Weisen (Obern) ist wie der Wind, die Tugend der kleineü Leute (Unweisen) ist wie das Gras; weht der Wind über das Gras, so muss es sich beugen (nachgeben). Lün-iü 20, 22 sagt Confucius: wenn man das Volk nicht zuvor belehrt und es dann tödtet (hinrichtet), das ist grausam; wenn

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 26

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man es nicht zuvor warnt, das ist tyrannisch (pao); s. die Stelle schon bei Regierung., vgl. auch Kung-tschung-tseu im I-sse 86, 4 f. 17 v. Eigen ist Confucius Ausspruch Lün-iü 13, 18: der schon S. 181 kurz erwähnt ist. Der Gouverneur von I erzählte ihm, in seinem Dorfe (Orte, Thang), sei doch ein sehr redlicher (tschi) Mann; sein Vater stahl ein Schaf und der Sohn zeigte es an (zeugte gegen ihn) ; Confucius aber sagte: der redliche Mann in meinem Orte handelt doch anders (ist doch verschieden davon). Der Vater verhehlt die Fehler des Sohnes und der Sohn die des Vaters, das ist gewissenhaft.^) Die Geschichte von Tseu-kao, der früher als Strafe einem Menschen einen Fuss hatte abhauen lassen und der dann doch in Gefahr später in Wei von diesem bei einem Aufstande gerettet wurde nach dem Kia-iü 8 f. 17, Schue-yuen und Han-fei-tseu im I-sse B. 95, 4 f. 12 V. fgg. ist Abth. III schon erzählt. Wir haben im Le- ben des Confucius 11^ S. 60 fg. auch schon erzählt, wie Confucius als Kriminalrichter (Ta-sse-keu) indess in Lu nach Kia-iü Cap. 2 f. 3, Sse- ki B. 47 f. 10 V., Amiot p. 156 167 den Schao-tsching-mao hinrich- ten Hess und Tseu-kung ihn desshalb zur Rede stellte und er die 5 grossen Uebelthaten (Ngo) aufführt, abgesehen von Diebstahl (Tsie) und Raub (Tho), die der Weise bestrafen müsse und sich auf Beispiele von früher bestraften grossen Verbrechern beruft. Im Li-ki Fang-ki 30 f. 22 (25 p. 152) heisst es, da die Principien (Tao) des Weisen ihm nicht genügten, dienten ihm die Strafen als Damm gegen die Ausschweifun- gen. Amiot p. 161 165 fügt noch ein Gespräch bei der Gelegenheit

1) Wie sehr bei Confucius and seiner ScbQler die Pflichten der Pietät and der älterlicben Liebe vor der bloss rechtlichen Auffassung gelten, zeigt die Aeusserung des Confucius im Li-ki Cap. 3 f. 23 und im Eia-iü Cap. 43 auf die Frage ^seu-hia^s, wie man es mit dem Feinde seiner Eltern halten solle? Seine Antwort ist, sein Lager sei eine Tranermatte, seine Kopfstütze der Schild, er nimmt kein Amt an und bleibt nicht mit ihm in ein und demselben Reiche; begegnet er ihm auf dem Markte oder am Hofe, so kehrt er nicht erst ein, sondern bekämpft ihn sofort; ähnlich Li-ki Kio-li Cap. 1 f. 87; Cibot. Mem. T. IV. p. 9 fg. und 290; s. m. Abh. häusl. Verhältnisse d. alt. Chin., a. d. 8. B. 8. 243. Eine ähnliche Geschichte doch abweichend hat Liü-schi's Tschhün-thsieu im I-sse 86, 4 f. 32: Li Tshu war ein sehr redlicher Mann ; sein Vater stahl ein Schaf und er zeigte es dem Obern an ; der Obere ergriff ihn (den Vater) und wollte ihn processiren. Der Redliche bat, ihn an seiner Stelle

zu processiren ist das nicht ein frommer Sohn ? Wo in einem Reiche Redliche

und Fromme processirt werden, da gibt es keine Anklagen Als Eing-wang davon hörte, processirte er sie auch nicht. Als Confucius davon hörte, sagte er: es ist doch verschie- den des Redlichen Wahrhaftigkeit (Treue), indem er dem Vater aushalf, erlangte er Ruf; daher ist die Treue des Redlichen nicht wie Untreue.

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mit Yen-jeu hinzu, das im Kia-iü Cap. 30 f. 15 sich findet, hier aber mit diesem Falle in keiner Verbindung steht; es betrifft dieses eine ganz andere Frage:

Die alten (weisen) Könige, sagt Yen-yen, hatten verordnet, wie ich gehört, dass die gewöhn- liche Strafe sich aufwärts nicht bis zum Ta-fu erstrecke,*) die Ritus abwärts aber nicht bis zum gemeinen Manne gingen, so dass, wenn ein Ta-fn ein Vergehen begehe, er nicht bestraft werden könne, wie der gemeine Mann nicht nach den Bräuchen (Li) regiert werden könne. Confucius erwiderte aber (nein!) so sei es nicht; alle welche die Weisen nach den Bräuchen lenkten, zügelten deren Herz, dass sie selbst über ihr Verbrechen errötheten. Daher wenn im Alterthum ein Ta-fu schuldig war, nicht rein (Hang), sondern schmutzig (wu-wei) befunden wurde und man ihn dess- halb anklagte, so nannte man es nicht bei diesem rechten Namen, sondern drückte es ans: Die Opfergefässe sind beschädigt (yerunstaltet) ; wenn er schuldig war sich in Ausschweifungen und Unordnungen eingelassen und den Unterschied (die Trennung) zwischen Mann und Frau nicht beobachtet zu haben, so nannte man es nicht h& diesem rechten Namen, dieser Satz wiederholt sich immer sondern sagte: der Vorhang (die Zeltdecke) des Opferplatzes ist nicht in Ordnung verziert (pu sieu ye). War er angeklagt gegen seine Obern gefehlt zu haben und nicht redlich zu sein, so sagte man nicht: er fehlte gegen seine Obern und war nicht redlich, sondern bloss : des Beamten (Tschin) Ordnung zeigt sich nicht. War er angeklagt, Schul- dige haben entschlupfen zu lassen und seines Amtes nicht Herr gewesen zu sein, so druckte man dies nicht so nackt aus, sondern sagte blos: die Unterbeamten besorgten nicht die Geschäfte. War er angeklagt wegen Verletzungen der Anordnungen im Beiche, so drückte man das nicht so aus, sondern sagte: in der Ausübung der Geschäfte ist er nicht sorgfältig (tsing). Wenn ein Ta-fu von diesen 5 Verbrechen eines begangen hatte, so klagte er sich selber desshalb an und liess sich nicht desshalb beschuldigen, sondern erröthete drob. Das Verfahren war in Kürze dieses: Er bedeckte den Kopf mit einem weissen Hute, brachte in Ordnung (regelte) die Franzen (Tn), legte Trauerkleider an, tauchte sein Schwert in eine Schüssel mit Wasser, begab sich damit an die Pallastpforte (Khiue) und klagte sich selber des Verbrechens an. Der Fürst schickte dann einen Abgeordneten, der das Amt hat (Yeu-sse), ihn zu binden (nahm die Binde) und führte ihn, um ihm die Strafe zuzufügen, Hatte er ein grosses Verbrechen begangen und hörte den Befehl (die Erlaubniss), sich zu tödten, so kniete er das Gesicht nach Norden gewandt nieder (kuei) und tödtete sich selbst (tseu tsai). Wenn der Fürst keinen Mann sandte, so ergriff er den Bo- gen, um sich zu tödten. So erstreckte die (gewöhnliche) Bestrafung sich nicht aufwärts bis zum Ta-fu und doch ging der Ta-fu wegen seines Verbrechens nicht frei aus n. s. w. Wenn man sagt, dass die Bräuche (Li) nicht bis zu dem gemeinen Manne herabgehen, so betreibt der gemeine Mann seine Sachen rasch und kann so den Bräuchen nicht völlig genügen, daher ver- wirft er sie nicht, er kann nur den. Brauch nicht völlig erfüllen.

Yen-khieu kniete darauf nieder, erhob sich von der Matte und sagte: die Rede ist schön. Ich (Khieu) hatte das noch nicht gehört. Er ging dann fort und schrieb sie auf (ki).

Wir sehen hier, mit welcher Rücksicht die Regierenden, selbst wenn sie ein Verbrechen begangen hatten, behandelt wurden. In Japan findet etwas ähnliches noch jetzt statt ; der Schul- dige darf sich den Bauch aufschneiden. Die Verwandten des Kaisers, sagt noch der Tscheu-li 4 f. 43 und der Li-ki Wen-wang seh i- tseu Cap. 8 wurden im Geheimen hingerichtet, aus gleichem Grunde, das Ansehen der kaiserlichen Familie nicht zu gefährden.

Confucins Verfahren gegen einen Vater, der seinen Sohn wegen Impietät anklagte, indem er als Criminalrichter, ohne die Sache zu unter-

1) Vgl. Li-ki Eio-li 1 f. 85 die Strafe erreichte nach Oben nicht den Ta-fu (hing pu schang Ta-fu).

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suohen nach Kia-iü Cap. 2 f. 3 v., Siün-tsiBu und Han-fei-tseu im I-88e 86, 1 f. 10 fg., vgl. Amiot p. 194-200 beide 3 Monate einsper- ren Hess und sie dann mit einer Ermahnung heimschickte und wie er sich desshalb gegen Yen-yeu rechtfertigt, die Strafe sei nicht das Wesent- liche, sondern die Belehrung und Anleitung des Volkes, ist im Lebea des Confucius II, 1 S. 62 schon erzählt. Sein Verfahren als Beamter in Lu gegen einen Aufkäufer und Monopolisten s* bei Amiot p. 193. Was die positiven Gesetze betraf, so hielt er die der alten Kaiser und der Stifter der einzelnen Reiche für die allein gültigen* Tso- schi Tschhao-kung Ao. 29, S. B. 25 S. 13 fg., bei Legge Vol. 5, 2 p. 732, auch der Kia-iü 41 f. 13 ^) erzählen, dass als zwei Generäle von Tsin Jü-pin^ ein Gebiet der Barbaren, erobert hatten und von da den ganzen Tribut an Eisen nach Tsin sandten^ man dort Dreifüsse daraus goss und den Text des von Fan-siuen-tseu verfassten Strafgesetzbuches darin eingrub und sie veröffentlichte. Tschung-ni sprach: Das Bicich Tsin ist verloren! es lässt ausser Acht seine Richtschnur; es soll bewah- ren die Gesetze, welche Thang-scho (der erste Landesherr von Tscheu) erhalten hat. Die Reichsminister (Khing) und Grossen des Reichs sol- len sie. bewahren vermittelst ihrer Rangordnung; durch sie ist das Volk im Stande die Höheren zu ehren; die Höheren sind im Stande ihre Stellung zu behaupten; Höhere und Niedere erlauben sich keine Aus- schreitungen. Dieses heisst die Richtschnur. Wen-kung von Tsin schuf aus diesem Grunde Obrigkeiten, die sich mit den Rangordnungen befas- ten; er erliess die Gesetze von Pei-liü und wurde dadurch Herr des Vertrages, s. Hi-kung, a. 27, S. B. 14 S. 492 und jetzt verlässt man die Richt- schnur und verfertigt Dreifüsse des Strafgesetzes, das Volk besteht auf (tsai) die Dreifüsse; wie könnte man die Höheren noch ehren? wie könn- ten die Höheren ihre Stellung behaupten? Zwischen Höheren und Nie- deren gibt es keinen Rangunterschied; wie liesse sich das Reich regie- ren? Auch stammen die Strafgesetze Siuen-tseu's aus der Zeit der

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1) Dieser beginnt: Tschao-kien-taea brachte rasammen (empfing) im Reiche Tsin einen Ka (Ti mel), nach den Schol. 4 Schi (oder Stein) Glockenmetall und goss daraas (sehen) Thing (Dreifuss) für die Strafgeeetie, nm dar Boch der Strafgesetze, welche Fan-hioas gemacht hatte, kund an geben.

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Frühlingsjagd von J (unter Lu Wen-kung Ao. 6); es waren die unor- dentlichen Erlasse des Reiches Tsin (aus der Zeit, wo da Empörung herrschte); wie konnte man sie doch zu Gesetzen erheben? Confucius hatte die wichtige und richtige Einsicht, dass Strafgesetze und deren Vollziehung nicht das Wesentlichste seien, sondern die Anleitung des Volkes zum Rechte und zur Tugend durch die Obern, dann fielen Ver- brechen und Strafen ganz weg. Seine eigenen Grundsätze fiber Strafen ergibt Li-ki Cap. Tse-i 33 f. 56 (27, 154): der Obere, sagt er da, ist leicht zu bedienen, wenn er tugendhaft ist; die Untergebenen sind leicht zu kennen und da machen die Strafen einem kein Kopfweh Confu- cius sagt : wer Weise liebt, ist wie der Mann in dem Liede das schwarze Kleid (Tse-i) (Schi-king I., 7, 1), Wer die Schlechten (Bösen) hasst, ist wie der Mann in dem Liede Hiang-pe (ib. II., 5, 6); wenn der Fürst so tugendhaft ist, werden die Würden nicht gering geachtet und das Volk übt willig die Tugend; Strafen werden nicht angewandt, denn alles Volk unterwirft sich. Der Ta-ya (Schi-king III, 1, 1 p. 143) sagt: folgt Wen-wang's Beispiele (oder Strafgesetz, Hing) und die 10,000 Reiche hängen dir an. Confucius sagt f. 57 (p 165): unterweisest du das Volk zur Tugend, regelst du es durch die Gebräuche (Li), so hat das Volk ein geregeltes Herz, willst du es aber blos durch . das Regime (Tsching) anleiten (belehren), es blos in Ordnung halten durch Strafen, dann hat das Volk ein widerspenstiges (Ferkel)-Herz. Drum wenn der Fürst das Volk (wie sein Kind) liebt, dann liebt das Volk ihn (wie einen Vater); wenn er redlich es an sich fesselt^ dann fällt das Volk nicht ab. Wenn er Ernst bei der Leitung desselben zeigt, dann hat das Volk ein folgsames (Enkel)-Herz. Das Gap. Liü-hing (Schu-king V Cap. 27 p. 292) sagt: Der Fürst der Miao erfüllte nicht sein Mandat; er wollte Alles mittelst der Strafgesetze regeln und indem er die 3 grau- samen Strafen vollzog, nannte er diess das Gesetz; daher war die Tu- gend dem Volke verhasst und sein Geschlecht erhielt sich nicht (wurde abgeschnitten). Im Li-ki Cap. Tse-i 33 f. 61 sagt Confucius: Wenn die Regierung keinen Fortgang hat, die Belehrung nicht vollständig ist, Ehrenämter und Einkünfte kein genügender Antrieb sind, Strafen und Züchtigungen nicht hinreichen , erröthen zu lassen, dann kann der Obere nicht lumpige Strafen anwenden (sie) und die Würden

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verringern, der Schu-king im Cap. Khang-kao V. 9 sagt: wenn die Ehr- furcht (King) glänzend ist, dient sie statt Züchtigung und des Gap. Liü-hing V, 27 sagt: bloss Strafen austheilen führt nicht zum Ziele. (Pu-hing tschi pu-ti).

Han-schi Wai-tschuen im I-sse 95, 2 f. ISheisst es: Ei-sün-tseu's ^) Regierung in Lu war so, dass er eine Menge Menschen tödtete (hin- richten Hess), sicher gemäss ihren Verbrechen; wenn ich Menschen strafe, ist das gewiss gemäss ihren Vergehen und Meister nennt mich grausam, wie ist das? Tseu-kung sagte: es ist nicht, wie Tseu- san Tsching regierte. Im ersten Jahre unter Hess er die Vergehen zu bestrafen und untersuchte (erforschte) sie nur; im zweiten Jahre fehlte es an Verbrechen, welche die Todesstrafe verdienten ; im dritten Jahre waren die (Gefängnisse, Khu) nicht gefüllt mit Menschen. Drum strömte das Volk ihm zu, wie das Wasser hinabläuft; es Hebte ihn wie ein frommes Kind; es ehrte ihn wie Vater und Mutter. Als Tseu-san er- krankte und sterben wollte, klagten AHe und sagten: wer kann statt Tseu-san uns gesandt werden? Als Tseu-san gestorben war und dem Tode nicht entrissen werden konnte, beweinten die Sse (Beamten) und Ta-fu ihn am Hofe, die Kauf- und Handelsleute beweinten ihn auf dem Markte, die Ackersleute beweinten^) ihn auf den Feldern ; sie beweinten Tseu-san Alle, wie man Vater und Mutter betrauert. Dagegen zu der Zeit, als man heimlich von Meisters (Ki-sün's) Krankheit hörte, da waren im Reiche alle Leute erfreut, alle allarmirt, alle beglückwünschten sich gegenseitig wegen des Todten und fürchteten den Lebenden ; wie wird er nicht grausam sein? Ich (Sse) hörte: bloss auf das Gesetz bauen (vertrauen, tho) bei der Regierung ist grausam; nicht vorher etwas verbieten, ist barbarisch (nio); nicht zuvor das Volk belehren und es (mit dem Tode) bestrafen, ist diebisch. Persönlich den Menschen be- zwingen ist verdammlich (tsi), der Verdammende gibt die Person auf; der Dieb gibt den Unterthan (Tsching) auf; der Barbarische gibt die Regierung auf; der Grausame gibt (verlässt) das Volk auf. Drum hörte ich (Sse): einen, der in höherer Stellung diese 4 Dinge that und nicht

1) Der Sin-siü im I-sse 95, 2 f. 15 v. hat dafür Tseng-s&n.

2) Aehnlich Tseo-yeu im Sohue-yuen im I-sse 95, 8, 18 and Eia-iu 14 f. 11.

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zu Grunde ging, den gab es noch nicht. Darauf sagte Ei-sün das Haupt verneigend: sorgsam vernahm ich den Befehl; das Lied sagt: verzieh nicht das Gesicht, enthalte dich des Lächeln, zürne nicht, sondern be- lehre mich. Der Sin-siü f. ib. 15 v. hat eine ähnliche aber abwei- chende Geschichte.

Von einzelnen Verbrechen und deren Bestrafung finde ich nur wenige von Confucius angeführt. Siao-hip II, 1, 39 sagt er: unter den 3000 Verbrechen ist keines so gross als die Impietät. Von grossen Verbrechen (Ta-tsui), sagt Confucius im Kia-iü 30 f. 15, gibt es 5; die Tödtung eines Menschen ist nur ein Geringes. Widerstreben (ni) Himmel und Erde ist ein Verbrechen, dessen Strafe sich auf 5 Genera- tionen erstreckt; Wen- und Wu-wang verleumden (wu) ein Verbrechen das bis auf 4 Generationen reicht; widerstreben der Menschen Ordnun- gen (Lün) ein Verbrechen das bis auf 3 Generationen reicht; die Manen und Geister befragen (meu, wohl um Zauberei zu treiben), ein Verbre- chen das bis auf 2 Generationen sich erstreckt. Mit der Hand einen Menschen umbringen, ist ein Verbrechen, das bei seiner Person stehen bleibt, daher sage ich: der grossen Verbrechen gibt es 5; einen Men- schen tödten ist darunter nur das geringste*

Eigenthümlich ist noch, wie er nach Han-fei-tseu im I-sse 95, 2 f. 14 die frühere, schwere Bestrafung eines leichten Vergehens recht- fertigt. Das Strafgesetz der D. Yn gegen den, der heisse Asche (Hoei) auf die Strasse (den Weg) warf, fand Tseu-kung doch zu hart und fragte desshalb Tschung-ni. Tschung-ni sagte: wer den Weg (das Princip, Tao) kennt, ein Reich zu regieren und dann Asche auf den Weg wirft, der verbirgt (yen) es den Menschen; die Menschen werden sicher zür- nen; zürnen sie aufeinander, so gerathen sie in Streit; streiten sie, so können drei Clane (Familien) sich gegenseitig vernichten; es ist diess also der Weg (Anlass) zur Vernichtung von drei Clanen; desshalb kann die Strafe wohl stattfinden. Die schwere Strafe ist gerade was die Menschen hassen (ngo), so dass sie die Asche nicht wegwerfen, was sehr leicht ist (was sie sehr leicht thun können). Nun machen, dass die Menschen thun was leicht ist und nicht sich zuziehen, was sie nicht wollen (hassen), diess ist gerade die recht-e Art (Tao) zu regieren. Einige sagen: das Gesetz der D. Yn lautete: wer Asche auf den ge-

it.^

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mein samen Weg wirft, dem wird die Hand abgehauen. Tseu-kung sagte: die Asche wergwerfen ist doch ein leichtes Vergehen, dagegen das Hand abhauen eine schwere Strafe; waren darüber die Alten nicht ungehal- ten? er (Confucius) erwiderte: die Asche nicht wegwerfen, war etwas leichtes, dass einem die Hand abgehauen wurde, war etwas verhasstes (ngo). Da es sich darum handelte, nur was leicht war zu thun und zu lassen, was widrige Folgen hatten, so thaten die Alten was leicht zu thun war. Eigen ist auch Confucius Ausspruch im Schue-yuen im I-sse 86, 4, f. 21: wenn des Kutschers (Pien-po) Sohn des Vaters Belehrungen nicht folgt, so bestraft man ihn ; wenn aber das Volk des Fürsten Re- gierung (Leitung) nicht folgt, so ist die Vollziehung des Aussprochs oft schwierig, daher der Weise nicht die Absicht hat, schnell die Strafe zu vollziehen (ihn hinzurichten), indem diess eine Quelle von Unruhen werden würde.

Die Chinesen und auch Confucius träumten von einer früheren glücklichen Zeit, wo es noch keine Strafen gegeben habe.

Im Kia-iü U hing kiai 80 f. 14 fragt angeblich Yen-yeu Confooias, ob es wahr sei, daae im Alterthume die dreiHoang und die 5 Kaiser (U-ti) die 5 Strafen noch nicht angewandt hätten? Confucius erwidert: Die heiligen Männer (Jene), indem sie Dämme auf warfen (Schi-fang), hiel- ten sehr darauf (kuai), dass keine Uebertretungen (Fan) stattfanden. Sie setzten die 6 Strafen ein, aber wandten sie nicht an und darin bestand die Höhe ihrer Regierung (er geht auf den Ursprung und die Quelle der Verbrechen ein).

Wenn alles Volk ausschweift (intriguirt, Kien-siai), heimlich stiehlt, die Gesetze übertritt (umstösstf me) und einen schlechten Wandel führt, so entsteht es daraus, dass nicht genug da ist. Dass nicht genug da ist, entsteht daraus, weil man kein Mass (Tu) hält. Wo kein Mass gehalten wird, da stiehlt der Kleine') träge (to^; der Grosse übertritt ausschweifend das Ge- setz; keiner kennt (hält) die Ordnung« Daher wenn man oben ein Mass bestimmt^ dann weiss das Volk, wo es anhalten muss. Weiss das Volk, wo es anhalten muss, dann übertritt es nicht (das Gesetz). Daher obwohl es Kerker (yo) für obige Verbrechen die hier wiederholt werden gibt, ist doch kein Volk da, das in Strafe verfällt. Die Impietät entsteht aus der Inhumani- tät; die Inhumanität entsteht aus den mangelhaften Trauer- und Opfergebräuchen. Stellt man in's gehörige Licht die Trauer- und Opfer gebrauche, so lehrt man es Humanität und Liebe. Kann es Humanität und Liebe erreichen, so hält es die Trauer und gedenkt voll Ehrerbietung der Opfer. Ein Mann, der nicht träge darin ist (kiai) (ein frommer Sohn), verfehlt nicht (auch bei Lebzeiten der Eltern) ihnen den nöthigen Unterhalt darzureichen. Wenn die Trauer- und Opfer- gebräuche in^s helle Licht gestellt sind, dann ist das Volk fromm ; daher wenn es auch Kerker für Unfromme gibt, ist doch kein Volk da, das in Strafe verfallt.

1) Lün-in 12, 18 ist Ki-khang-tseu bekümmert über die vielen Diebstähle und fragt Confucius deshalb. Der erwidert ihm, wenn du nicht so begehrlich wärest (yo) und du wolltest sie dann auch noch belohnen, so würden sie doch nicht stehlen.

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Wenn einer seinen Obern tödtet, so entsteht das aus dessen Ungerechtigkeit. Wenn das Recht Angesehene (Geehrte) und Geringe unterscheidet, deutlich die Geehrton und Niedrigen macht; wenn so die Angesehenen und Geringeren ihre Unterscheidung haben, die Geehrten und Niedrigen ihre Reihe (Ordnung. Siü) inne halten, dann ehrt vom Volke keiner nicht seine Obern, und achtet die älteren (tschang). Am Hofe dienen die Gebräuche bei der Aufwartung das Recht aufzuhellen. Wenn das Recht klar ist, begeht das Volk keine Uebertretungen. Wenn daher auch Kerker da sind für die, welche ihre Oberen tödten, so ist doch kein Volk da, das in die Strafe verföUt.

Streitigkeiten (Teu) und Zwistigkeiten entstehen aus gegenseitigen Anstössen (Linsr, eigent- lich Hügel). Gegenseitige Anstossc entstehen, wenn Aeltere und Jüngere keine Ordnung halten und die Ehrerbietung und Nachgiebigkeit nicht beobachten (verlassen, i). Die Gebräuche für Trinkgelage in den Distrikten sollen in's Licht stellen die Ordnung zwischen Aelteren und Jün- gern und die Ehrerbietung und Nachgiebigkeit erzielen. Wenn Aeltere und Jüngere ihre Ord- nung halten, das Volk Achtung und Nachgiebigkeit hegt, wenn dann auch Kerker für Zwistig- keiten und Streitigkeiten da sind, so gibt es doch kein Volk, welches in die Strafe dafür verfallt.

Geschlechtliche Ausschweifungen und Unordnungen entstehen daraus, wenn Männer und Frauen nicht getrennt sind. Wenn Männer und Frauen nicht getreniYt sind, dann verlassen Mann und Frau ihre rechte Stellung (I, das Recht). Die Hochzeitsgebräuche mit der Darbringung von Geschenken von Seiten von Mann und Frau stellen in's Licht das Recht von Mann und Frau. Wenn Mann und Frau getrennt sind und ihr Verhältniss klar gemacht it, wenn es dann auch Kerker für Ausschweifungen und Unordnungen gibt, so ist doch kein Volk da, welches in Strafe dafür verfallt.

Die Verbrechen, denen die 5 Strafen folgen, haben beim Entstehen jedes ihre Quelle; ver- stopft man diese Quelle nicht, dann stellt man dem Volke Fallstriko (Schin) es zu strafen ; diess heisst aber dem Volke Fallen (Tsing) stellen, dass man es in Gruben stürzt. Die Quelle der Stra- fen und Züchtigungen sind die (entstehen aus der) nicht geregelten Lust und Begierde (Jo). Die Bräuche sind aber die Regel, mit der man des Volkes Lust und Begierden zügelt (leitet), indem man in^s Licht stellt das Gute (Hao) und das Böse und den Gehorsam gegen des Himmels Ord- nung (oder Weg, Tao).

Wenn die Bräuche und Regeln angeordnet sind und die 5 Belehrungen völlig ausgebildet, und das Volk noch einen Zweifel hegt und noch nicht umgewandelt ist, dann muss man die Gesetze (Fa) und Anordnungen (Tien) erläutern (in's Licht stellen, niing), um sie noch mehr zu befestigen. Gibt es Anklagen (Yo) wegen Uebertretungen (Verletzungen), Ehebruch (Hurerei, Kien), Uebertretung der Gesetze und lockern Wandel, dann muss man das Mass der Verordnungen da- gegen verstärken (strenger beobachten lassen). Gibt es Anklagen wegen Uebertretung der Pie- tät, dann muss man strenge auf die Trauer- und Opfergebräuche halten. Gibt es Anklagen we- gen Tödtung von Obern, dann muss man strenger beobachten lassen die Gebräuche bei der Auf- wartung am Hofe, namentlich im Herbste (Kin). Gibt es Anklagen wegen Streitigkeiten undZwi- Btigkeiten, so muss man strenger beobachten die Gebrauche lassen bei den Trinkgelagen im Distrikte. Gibt es Anklagen wegen Ausschweifungen und Verwirrungen, so muss man strenger beobachten lassen die Bräuche bei Heirathen und Verlobungen (Fing). Diess war, wodurch die 3 Hoang and die 5 Kaiser das Volk umwandelten. Obwohl die 5 Strafen bestanden, so brauchten sie sie doch nicht und ging das auch nicht an? (Auch diese Ausfuhrung ist schwerlich von Confuoius, wenn schon manche Gedanken darin.)

Kia-iü Cap. 31 Hing-tsching fragt Tschung-kung Confacius, ich (YuDg) habe gehört, dass zur Zeit als die höchsten Strafen waren, man keine Regierung brauchte und als die höchste (beste) Regierung war,

Abb. d. L Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XUL Bd. IL Abth. 27

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man keine Strafen brauchte. Die höchsten Strafen, ohne einer weiteren Regierung zu bedürfen, fanden zu Kie's und Scheu's Zeit (Generation, den letzten tyrannischen Kaisern der Iten und 2ten Dynastie) statt. Die höchste (vollkommenste) Regierung aber, wo man keine Strafen brauchte, seien zu (Tscheu)Tsching- und Khang-(wang's) Zeiten gewesen, ist das wahr? Confucius erwidert: die Regierung der Heiligen besteht in der Umwandlung (Hoa) des Menschen; Strafen (oder Gesetz, Hing) und Regierung bilden damit die Dreiheit. Der höchst - oberste leitet das Volk zur Tugend an und ordnet es nach den Bräuchen, der nächstfol- gende leitet es durch das Regime und gibt Strafverbote u. s. w. Er straft und straft auch nicht, er wandelt sie um und wenn sie sich nicht bessern, so leitet .er sie an; folgen sie nicht und verletzen das Recht, dann bedient er sich der Strafen, um zu zerstören ihre Gewohnheit. Die 5 Strafen entspreichen gewiss des Himmels geheimen Absichten. Wenn die Strafen und Züchtigungen leicht sind, ist kein Straferlass nöthig (das Folgende ist nur ein Wortspiel). Der Charakter für Strafen Hing ist derselbe mit Hing, Formen, wer formt vollendet; einmal vol- lendet, kann es nicht mehr verändert werden, daher erschöpft der Weise sein Herz.

Auch bei Kung-tschung-tseu im I-sse B. 95, 2 f. 6 v. fragt der- selbe Tschung-kung Confucius, wie sich die Belehrung bei den Strafen bei den Alten zu der jetzigen verhalte? Confucius sagt: der Strafen der Alten waren wenige (seng). Der Strafen der Neueren sind viele (fan); was die Belehrung betraf, so bestand die im Alterthume in den Gebräuchen (Li) und dann erst in der über die Strafen; daher waren der Strafen wenige. Jetzt belehrt (leitet) man nicht an zu den Gebräu- chen und will alles regeln durch Strafen, daher sind der Strafen so viele. Er citirt dann noch eine Stelle des Schu-king u. s. w.; vgl. auch Kung-tschung-tseu 95^ 4 f. 5* v. Da fragt Tseu-tschang Confucius über die Zeit von Yao und Schün u. s. w.

Bemerken swerth ist die Einsicht, dass man auf die Ursachen der Verbrechen zurückgehen müsse und, da die ganze Leitung des Volkes den Regierenden oblag, wurden auch diesen die Verbrechen zur Last geschrieben. Lün-iü 12,17 heisst es: Ki-khang-tseu (in Lu) wurde durch Räuber belästigt und befragte desshalb Confucius: Confucius er-

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wiederte: wenn du nicht habgierig wärst, würde das Volk nicht Räuberei treiben, selbst nicht, wenn du einen dazu dingen wolltest.; vgl. auch Li-ki Fang-ki 30 f. 22 (25 p. 152) unten. Wie Menschen zu Verbre- chen getrieben werden, deutet Confucius Lün-iü 8, 10 an. Ist ein Mann tapfer (yung) und leidet bittere Noth, so erregt er Unruhen; verfährt man gegen den Inhumanen (Pu-jin) all zu heftig (tsi), so gibt es (treibt man ihn zu) Unruhen. Auf Ngai-kung*s von Lu's Frage, wie man das Volk unterwürfig erhalten könne, erwidert Confucius im Lün-iü 2, 18: befördere die Redlichen (Tschi) und entferne die Schlechten, dann wird das Volk sich unterwerfen; erhebst du aber die Schlechten und setzest zurück die Guten, dann wird das Volk sich nicht unterwerfen. Meng-tseu I. 2, 2 p. 17 führt dem Fürsten von Thsi schon zu Gemüthe, wie man das Volk z. B. durch ungerechte Jagdverbote zu Verbrechen veranlasse und ihm gewissermassen Fallgruben lege.

Auch über Anklagen und Prozesse hat Confucius einige beach- tenswerthe Aussprüche. Ta-hio S. 4, der Anfang, auch im Lün-iü 12, 13 sagt er: Klagen anhören (thing sung), Processe entscheiden, kann ich wie andere, aber man muss machen, dass es keine Klagen gibt; so erlangen die Principlosen (wu thsing), nicht ihre Reden zu erschöpfen, (tshin); eine grosse Furcht ist da in des Volkes Absicht (tschi), das ist die Wurzel des Wissens. Bei Kung-tschung-tseu im I-sse 95, 4 f. 6 sagt Confucius auf eine Frage von Tseu-tschang: die Alten, wenn sie Anklagen hörten, hassten die Absicht, aber nicht die Men- schen; sie suchten auf, wodurch (das Verbrechen) entstand und forsch- ten nicht blos dem nach, der es begangen, um ihn zu strafen; der Fürst und die Menge (das Volk) waren darin einig. Jezt aber, wenn man Klagen (Processe) anhört, hasst man nicht die Absicht, sondern hasst den Menschen und sucht nur einen auf, ihn zu tödten (hinzurichten); das ist aber der Art (Tao) der Alten zuwiderhandeln, vgl. auch densel- ben ib. 95, 2 f. 6 V.

Nachdem Tschung-kung im Kia-iü Cap. 31 f. 16 obige Frage über das Verhältniss der Strafe zur Regierung gethan und Confucius ihm ge- antwortet hat, fährt er fort: Wenn die Alten gerichtliche Anklagen (Prozesse) von Uebertretungen hörten, um sie zu strafen, sahen sie auf die Sache und nicht auf ihr Herz (ihre Stimmung) ; kann ich das wohl

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weiter vernehmen? Confucius erwidert: Jeder der Klagen (Sung) hört, welche die 5 Strafen nach sich ziehen, berücksichtigt, (tschuen) die Gefühle von Vater und Sohn, stellt fest das Recht von Fürst und ünterthan, um die Absicht zu ermitteln und die Ordnung (Folge) von leichten und schweren zu erwägen, das Mass des tiefen und oberfläch- lichen zu ergründen (unterscheiden) Er muss seinen ganzen Scharf- sinn anwenden, um zu erreichen (erzielen) Redlichkeit und seine Liebe (Wohlwollen, Ngai), um sie ganz zu erschöpfen. ^)

Der Sse-keu (oberste Criminalrichter), indem er die Strafen fest- setzt (tsching), stellt in's Licht die Schlechten. Beim Untersuchen (An- hören) von Gefangenen, achtet er gewiss auf die drei Nachzuforschen- den, bei denen er nachfragen muss. Nach den Schol. fragt er nach (siü) bei der Schaar der Beamten (Tschin), bei der Schaar der un- tern Beamten (Li) und beim Volke (Wan-min). Zeigen diese nicht die Wahrheit der Anklage, so hört er nicht auf diese. Geht er darauf ein, so wendet er die leichtere Strafe an ; verzeiht er, so folgt er der schwe- reren (die folgende Stelle fehlt im Li-ki.) Bei zweifelhaften Griminal- föllen (yo) theilt er die üebertretung (Fan) der Menge mit. Zweifelt auch die, so verzeiht er. Alle vergleicht er nach der Kleinheit und Grösse und bestimmt die Strafe darnach. Krtheilt er Männern Ehren ^) am Hofe, *) so geschieht das in Uebereinstimmung mit der Menge (der Li-ki hat mit den Sse) ; straft er Männer auf dem Markte , ^) so verwirft er sie mit der Menge. Daher unterhielt das Haus des Fürsten*) (Kung) in alter Zeit keinen Verurtheilten , (Hing-jin); der Ta-fu er- nährte ihn nicht; wenn der Öse einen auf der Strasse begegnete, sprach er mit ihm nicht : er verbarg sich an den 4 Enden ( Weltgegen-

1) Das Folgende hat auch wieder der Li-ki im Cap. Wang-tschi 5 f. 27 (Callery 10 p. SO), doch ohne Confucius dabei lu nennen.

2) Die folgende Stelle steht nnn wieder im Li-ki Wang-tschi oder 5 f. 7 v. fg. mit Abweichungen 8) Nach den Scholien des Li-ki unter der 2. D. Tn; unter der D. Tscheu wurden die EHireift-

stellen Tom Kaiser im Ahnentempel (Tsu-miao) ertheilt.

4) Nach den SchoL des Li-ki wurden unter der D. Tn alle. Angesehene und Geringe^ auf dem Markte hingerichtet, unter der D. Tscheu die Ehrenstellen bekleideten im Tien-sse.

5) Der Schol. bemerkt: so unter der D. Schang nach einer alten Erklärung, unter der D. Tscheu dagegen wurden die Verurtheilten verschiedentlich verwandt als Thorwächter, die Castrirten im Pallaste als Eunuchen u. s. w.

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den). An dem Orte der Verbannung brauchte ihn die Regierung nicht zu Frohnden. Sie gab ihm keinen Grund und Boden (nach den Schol. keine Felder), um davon zu leben.

Was das Strafverfahren betriflft, so fragt Tschung-kung im Kia- weiter, nachdem nun die Crirainalsache verhört war um! zum Voll- zug stand, welchen Beamten lag der ob? (die vorhergehende Frage fehlt im Li-ki, das folgende hat er wieder, aber im Cap. 5 f. 28, immer ohne Confucius dabei zu nennen).

Confucius sagte : die Durchführung des Prozesses stand beim Beam- ten (Li im Li-ki, Sse im Kia-iü). Wenn der die Anklage recht findet, berichtet er an den Tsching. Dieser vernimmt wieder den Beklagten, und wenn der die Klage begründet findet, berichtet er darüber an den Ta-sse-keu (obersten Criminalrichter). Dieser vernimmt ihn wieder un- ter dem Dornenbaume (Brustbeerenbaume, Ki). Wenn der Ta-sse-keu die Anklage richtig (begründet) findet, so berichtet er an den Kaiser f Wang), der Kaiser befiehlt den obersten San (3) -kung 3 mal ihn zu vernehmen. Wenn diese die Anklage begründet finden, berichten sie wieder an den Kaiser^ der überlegt die Sache auch dreimal und erkennt dann die Strafe. ^)

Im Kia-iü fährt Tschung-kung fort: die Verbote (Kin), was sind das für Verbote? Confucius^) sagt: täuschende Worte (Khiao-yen), ^j Verletzung der Regeln (Kho li). Verbergen (schün) eines Rufes, 4) Um- stürzen einea Thuns , Ergreifen den linken (verkehrten) Weg, um zu verwirren die Regierung, verdienen den Tod. Ausschweifende Töne machen, (statt der Musik der alten Kaiser), die Kleidertracht verändern, unge- wöhnliche (schlechte, J) Künste (Khi), ungewöhnliche Geräthe anwenden, um die Menge zweifelhaft zu "machen, der Kia-iü hat dafür, um das Herz der Obern zu verkehren verdienen den Tod.

1) So der Li-ki. Der Eia-iü weicht ab. Der Kaiser befiehlt nach diesen den San-kung, den Ehing (Ministem) und den Sse dreimal ihn zu vernehmen anter dem Dornenbaume (nach dem Li-ki that dieses der Ta-sse-keu) und wenn die Wichtigkeit der Anklage zweifelhaft war, ging die Sache an den Kaiser und dreimal verwies er sie zurück (verzieh er, yeu) und hiess die Angeklagten aufs Neue vernehmen. Wenn das Gericht aber auf die Verur- theilung bestand, so Hess er die Strafe vollziehen, wenn das Verbrechen schwer war.

2) Diese Einleitung fehlt wieder im Li-ki 6, 29, das folgende ist da mit Abweichungen.

8) Der Li-ki hat dafür Si-yen; si heisst spalten.

4) Der Li-ki hat dafür loen verwirren.

27**

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Einen falschen Wandel führen und dabei fest beharren , Worte fäl- schen, um Trennungen herbeizubringen , schlechte Lehren verbreiten und darin viel thun , Schlechtes befolgen und dieses ausbreiten, um die Menge zweifelhaft zu machen; das verdient den Tod« Fälschen (Kia) bei den Manen und Geistern (Kuei-schin) die Zeiten und Tage, (ob sie gläcklich oder unglücklich sind) und beim Befragen der Loose (Pu) und der Pflanze (Schi) (ob sie günstig oder ungünstig) und so Zweifel erregen bei der Menge, verdient den Tod. Diese vier Verbrecher (Schuldigen) muss man nicht erst vernehmen (unter dem Dornenbaume nach den Schol). Alle diese angezeigten Verbote, setzt der Li-ki hinzu, dienen die Menge in Ordnung zu halten und die üebertretung derselben wird nicht verziehen.

Töchung-kung fragt dann im Kia-iü c. 3 1 f. 17: ob die Verbote damit erschöpft seien? Confucius sagt: dies sind die dringlichsten (Khi); der übrigen Verbote sind 14. ^) Kaiserliche (Ming) Kleider und Wagen dürfen nicht verkauft werden auf dem Markte; Kuei, Tschang, Pi und Tsung ^) dürfen auf dem Markte nicht verkauft werden. Ebenso nicht (es wiederholen sich immer die letzten Worte) die Gefasse des Ahnen- tempels, der Waffen, Kriegsheere (Ling und Khi) und Fahnen Opferthiere und das duftende Korn zum Opfern; Kriegsgeräthe, Waffen und Panzer; Geräthe zum Gebrauche, die nicht das mittlere Mass halten; Zeug (Pu- pe) einfaches oder gesticktes, das nicht die mittlere Zahl hält und brei- tes und schmales (Kuang-hia) seidenwollenes Zeug, (fo,) das nicht das mitt- lere Mass hält; aussweifende Farben, die das rechte Ansehen ver- wirren; bunte Verzierungen, Perlen und Gefässe aus Jaspis (Ju) . . keine fertigen Kleider (J-fu), kein zubereiteter Trank und Speise; die 5 Feldfrücbte, die nicht zeitig sind und die Baumfrüchte, die nicht reif sind^); Holz, das nicht recht in der Mitte zugehauen ist; Vögel (Geflügel), Wild, Fische und Schildkröten, die nicht recht (tschung) ge- tödtet sind. Alle diese 14 Verbote, schliesst der Kia-iü, dienen die Menge zu regeln und die üebertretung derselben wird nicht verziehen«

1) Die folgenden Marktverbote schon in nns. Abb. Verbrechen nnd Strafen Abh. d. Akd. Xf 3 p. 719 finden sich auch im Li-ki 5 f. 30, wieder ohne obige Einleitung und mit Abweichungen. Weder der Kia-iü noch der Li-ki geben die Zahl bei den einzelnen Verboten an.

2) Der Li-ki hat dafür: Kuai, Pi und goldene Tohang.

3) Der Kia-iü bat bloss Früchte zum Essen, die nicht zeitig sind.

i

Ueber den

Hauptzehut einiger nordgermanisclier

Rechte.

Von

Konrad Mauren

Abb. d. I. OL d. k. Ak. d. Wies. XHI. Bd. H. Abtb. 28

üeber den

Hauptzehnt einiger nordgermanischer Rechte

Von

Konrad Maurer.

Neben dem gewöhnlichen Zehnt, wie er, im Einzelnen freilich sehr verschieden gestaltet, allerwärts in der abendländischen Christenheit üblich war, tritt in ein paar nordgermanischen Rechten noch ein zweiter, ganz anders gearteter Zehnt auf. Als Hanptzehnt, seltener als grösserer Zehnt, wird er bezeichnet, und vom Capitale, nicht von dessen Ertrag wird er entrichtet; in seiner ganzen Erscheinung hat er etwas sehr räthselhaftes , und zumal sein Ursprung ist Nichts weniger als klar. In Deutschland scheint dieses specifisch nordische Institut bisher wenig beachtet worden zu sein, obwohl es seine sehr interessanten Seiten hat, und vielleicht selbst zur Aufhellung mancher noch dunkler Punkte in der Kirchengeschichte des Nordens beitragen könnte.^) Wenn ich dasselbe hier zur Sprache zu bringen unterneme, so geschieht diess vorwiegend in der Hoffnung, d£tss es Anderen gelingen möge, durch Heranziehung mir fremder Quellengebiete die Zweifel zu lösen, welche

1) Auch die nordische Litteratur hat dieser Art des Zehnts nur beiläufig^ ihre Aufmerksamkeit geschenkt, und bemerke ich zumal dass Tycho de Hofman's Kort Afhandling omOprind- elsen til at tage og at give Tiende, weder in ihrer ersten (Kjöbenhavn, 1750) noch auch in ihrer zweiten Ausgabe (ebenda, 1777) über dieselbe Aufklärung giebt, obwohl diese letztere Ausgabe mit Jon Eiriksson's Beihülfe erweitert wurde.

28*

214

mir bezüglich seiner Entstehung sich £\ufdrängen. Ich betrachte dabei die einzelnen Rechte, welche den Hauptzehnt kennen, einzeln, und zwar in der Reihenfolge, welche theils der inneren Verwandtschaft der be- treffenden Rechte am Besten zu entsprechen scheint, theils aber auch für den Gang der Untersuchung am Förderlichsten zu werden verspricht; am Schlüsse werde ich dann versuchen, ein die sämmtlichen in Betracht kommenden Rechte umfassendes Gesammtbild des Institutes zu entwerfen, und zugleich über dessen muthmassliche Herkunft und weitere Geschichte mich auszusprechen.

I* Island.

In den Rechtsquellen des isländischen Freistaates tritt der Haupt- zehnt stets unter der Bezeichnung hin meiri tiund, der grössere Zehnt, auf, und wird allenfalls der lögtfund, dem gesetzlichen Zehnt, gegen- übergestellt, unter welchem letzteren stets nur der gewöhnliche Ertrags- zehnt verstanden wird.^) Wir wissen, dass der gemeine Zehnt auf der Insel im Jahre 1096 oder 1097 durch ein förmliches Gesetz eingeführt wurde,^) und wir haben allen Grund anzunemen, dass uns dieses Gesetz im Wesentlichen unverändert erhalten ist.^) Wir können aus diesem Gesetze ersehen, dass man sich auf Island bezüglich der Vertheilung des gemeinen Zehnts an die allgemeine Disciplin der römischen Kirche anschloss, wie sie zumal auch in Deutschland die herrschende war, und dass man denselben somit in 4 gleiche Theile zerlegte, deren je einer dem Bischöfe, dem Priester, der Kirche und den Armen zufiel, während man freilich in einer Reihe anderer Punkte den Verhältnissen des Landes entsprechend seinen eigenen Weg gieng, und zumal den Zehnt ganz und gar nicht blos von dem Ertrage der Landwirthschaft, ja überhaupt nicht blos von dem wirklichen Ertrage entrichten Hess, sondern von dem mit

1) TgL s. B. unten, nr. 6.

2) Islendingabok, cap. 10, S. 16, und danach Kristni 8, cap. 12, S. 28; SinrlungA« III, cap. 3, S. 203, und Jons bps s., cap. 8, S. 158; selbstständiger Hüngrvaka, cap. 6, S. 67 8. Bezüglich der Zeitbestimmung vgl.Annalar, a. 1097, nnd Belgsdalsbok, im Diplom. Island., I, S. 120.

8) Siehe dasselbe i. B. in V. Finsen's Aasgabe der Grägas, §. 255—260, S. 205^15; in Thorkelins Aasgabe des Kristenrettr hinn gamli, cap. 36—43, S. 140—62; einen bachstibliohen Abdruck nach den s&mmtlich vorhandenen Membranen hat endli^ Jdn Sigurd'sson gegeben im Diplom. Island., I, nr. 22, S. 70—162.

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Rücksicht auf den legalen Zinsfuss aus dem Capitalwertbe sich berech- nenden möglichen Ertrage die Entrichtung forderte ; ^) über die Zeit und Art der Einführung des grösseren Zehnts fehlt uns dagegen jede Nach- richt^ und wir ersehen nur aus unseren Rechtsquellen, dass dieser in awei wesentlich verschiedenen Anwendungsfällen zur Entrichtung kom- men konnte.

Der erste dieser Anwendungsfälle hängt mit der Lehre von den verbotenenVerwandtschaftsgraden zusammen, welche im Rechte des isländischen Freistaates bekanntlich mehrfache Umgestaltungen durch- zumachen hatte,^) Das ältere isländische Recht hatte die Ehe bis zum 5* gleichen Grade einschliesslich als absolut verboten behandelt, und andererseits erst die Ehe vom 7. gleichen Grade einschliesslich als ab- solut erlaubt, während bei den zwischen diesen beiden Endpunkten ge- legenen Verwandtschaftsgraden die Gültigkeit der Ehe durch eine ein für allemal bestimmte Zahlung an Geld oder Geldeswerth erkauft werden konnte, welche als fegjald bezeichnet werden mochte. Aus Anlass des lateranischen Conciles vom Jahre 1215 wurde diese Regel aber durch eine im Jahre 1217 erlassene Novelle dahin geändert, dass fortan einer- seits bereits der 5. gleiche Grad als relativ erlaubt gelten, und ande- rerseits jenseits des 6. gleichen Grades die Ehe bereits schlechthin zu- lässig sein sollte, ohne dass irgend welche Zahlung erforderlich wäre; für die zwischen beiden Grenzpunkten eingeschlossenen Grade musste aber nach wie vor die Gültigkeit der Ehe durch Zahlungen erkauft werden, welche nach wie vor mit Rücksicht auf die grössere oder ge- ringere Nähe der Verwandtschaft verschiedentlich abgestuft waren. Unter diesen Zahlungen nun figurirt^ und zwar nach dem neueren Rechte so- wohl als nach dem älteren, auch der grössere Zehnt, und um desswillen muss hier auf diese wie jene Bestimmungen eingegangen werden. Ich stelle zunächst die einschlägigen Quellenstellen voran, um dann deren Auslegung folgen zu lassen.

1. Gragas, §. 18, S. 37 (ed. Finsen): fat var annat n^mseli, at

1) Dieser unter den isländischen Jaristen viel bestrittene Pankt wird meines Erachtens durch den Wortlaut des Gesetzes, sowie die bekannte Stelle der Arnabps. s., cap. 29, S. 721, absolut festgestellt; ich habe hier keine Veranlassung auf die ControTerse näher einzugehen.

2) Tgl. zumal die Darstellung J6n Sig^rd'sson's im Diplom. Island., I, S. 376^68.

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jafoa sett skal byggja, sifjar ok fraendsemi, at 5 manni hvart- tveggja, >ar sem bjüskaparradum skal rä5a, ok skal t^ar er fraendsemi er at 5 manni, gjalda ena meiri tiund; enn l>ar er frsendsemi er at 5 manni ok 6 skal gjalda C. älna; enn l»ar er at 6 manni er hvärttveggja, skal gjalda 10 aura. {»a liggr ekki fegjald ä ^a5an i frä, ^ott bjüskaparrd&um se rä5it.^)

2. ebenda, §. 144, S. 30 31: Ef frsendsemi kömr up meö l>eim manni, er konu hefir fastna5 s&r, ok konunni, er eigi er byggvandi, l>ä skal s4 l>eirra fara, er rä5i vill renna, ä hälfum mana^inum naesta, er bann yer5r viss, til fundar yi5 annan, ok telja fraendsemi sem at dömi, ok sanna svä at leggja l»at undir pegnskap sinn jafnt sem at dömi, ok bafa menn 5 at sanna med ser. Enn ef frsendsemi er l)eim byggjandi, ok nänari enn at 7* manni se bvärt, >d skal af ^ess ^eirra fe bera i lögröttu er l>at vill eigi für rä5um lata standa. Enn ^ar er frsendsemi er at 6** manni ok 7*, skal bera 10 aura i lögrettu, en tar C. filna, er at sötta manni er bvärttveggja. Enn ef frsendsemi er at 5** manni ok 6**, usque. ^) ok ä bverr sök er vill. l>ar er menn skula gera tiund ena meiri.^) sök er vill. {)ar er ma5r a at gjalda tiund. usque«^) lamba gserur sex. Enn ef fraendsemi er nänari enn at 5 manni ok 6 manni, l>a var5ar fjörbaugsgarä samförinn, nema ^au geti bjargkvi5 l>ann, at bann vissi eigi fraendsemina er bann gökk at eiga konu pä, ok se firnari frsendsemi enn annara braeöra. {)ä er ekki feviti at dömi, ok versk bann mälinu, ok skal l>a daema skilnaö ^eirra,

3. ebenda, §. 163, S. 60 61: Ef frsendsemi er meS mönnum byggjandi, ok nänari enn at sjäunda manni, skal af ^ess t©irra bera 3 merkr 1 lögrettu, er tat vill eigi für räSum lata standa. Ef frsendsemi er tar at 6** manni ok at 7^, l>d skal bera 3 merkr

1) In Thorkelin's Aasfjrabe des älteren Christenrechts, cap, 44, S. 164, ist die SteUe lediglich auf Grund des Codex regius eingestellt.

2) Zu ergänzen aus nr. 3. 8) Zu ergänzen aus nr. 5.

4) Zu ergänzen aus dem älterenChristenrechte, cap. 49. S. 1 72, aber hier ohne Bedeatang.

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i lögröttu, enn l>ar merkr 6, er at 6^ manni er hvarttveggja. En ef frsendsemi er at 5** manni ok at 6**, l>ä skulu pau Jd po rä&a rä5um sinum, ef ^au vilja, en l>au skulu gera tiund af sinu ena meiri, enda skal bera 6 merkr af l>vi tiundar fenu i lögröttu, ef svä vinnz til; enn J^oat tiund se minni, ok skal to bera 6 merkr i lögröttu, ok skal gjalda C. dlna va5mäla für tser 6 merkr, enn byskop skal rä5a für "^eirri tiund, er um er fram, ok ef bann görir eigi tiund ena meiri, ta var&ar fjörbaugsgar5, ok skal kve5ja til 9. büa ä tingi, ok ä hverr sök er vill.^)

4. Festa >., cap, 2, S. 307 8 (ed. Arnamagn.): Ef frsendsemi kömr upp meS teim, er konu hefir fastnaS ser, ok konunni, er eigi er byggjandi, Ja skal l>eirra fara, er rä5i vill renna, ä hälfum mäna&i binum naesta, er bann ver§r viss, til fundar vi5 annan, ok telja fraendsemi sem at dömi, ok sanna svä at leggja l>at undir l>egn8kap sinn, jamt sem at dömi, ok bafa menn 5 til at sanna me5 ser. En ef fraendsemi er me5 l>eim bjggiandi, ok se fögjald ä böndum l)eim, ^& skal af l>ess peirra fe bera i lögretto, er tat vill eigi fyrir rdSum lata standa. cap. 3, S. 308 9: Of sifjar ol£ meiri tiund (nymaeli): fat er nymsßli, at jafn ndit skal byggja sifjar ok frsendsemi, at fimta manni bvärt. En ef at fimta manni er bvärttveggja at frsendsemi, l)ä skulu l>au räSa rä5um ef l>au vilja. En l>au skulu gera tiundina meiri af sinu öUu saman. Enda skal bera C. alna af l>vi tiundarfenu i lögröttu, ef svä vinnz til. En pöat tiundin se minni, ok skal 1>6 bera C. alna i lögröttu sem ä&r. En ef bann görir eigi tiundina meiri, H var5ar fjörbaugsgarö , ok skal kve5ja 9. büa til ä l>ingi, ok ä bverr sök er vill. Ef ndnara er enn svä, l>ä. varl»ar fjörbaugsgar5 samförin, nema l»au geti i>ann kvi5, at bann vissi eigi freendsemi me5 l>eim, l>ä er bann gökk at eiga konu )>ä, enda so firnara enn annarra brse5ra. Eigi skal föviti l>ä- bera, en skilnab skal dsema me5 l>eim, ok versk bann svä mälinu.

1) Die letzten Worte: Ef mad'r gjörir eigi tiund ena meiri, &c stehen auch in der Belgs- dal ab 6k, §. 44, S. 288 bei Finsen.

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En ef fraöndsemi er at ö** manni ok 6**, J)a skal bera C. älna i lögrettu. En ef 6** manni er hvärttveggja, ^a skal 10 aura. 5. ebenda, cap. 55, S. 379 80: far er menn skolo gera tiund ena meiri af fe sino für r&öahags sakir, l>& skal af l>vf tiundar fe bera i lögrettu C. älna, ok er l>d sem 5 aurir gjaldiz af hverjum fjör5üngi tiundar 1 l>vi. Ma&r skal ok gjalda lögtiund hvert är af fe sinu jamvel l>& sem &8r, l)dtt hann göri ena meiri tiund; en l>at vär er hefz gjald binar meiri tiundar, skal ni5r falla jammikit af hverjum fJQr5üngi t^irrar tiundar, sem ma&r geldr i fjorSüng lögtiundar. En af Jvi tiundar fe er verSr eptir, skal biskop hafa fjor^üng, er yfir fjör5üngi et, en annan fjor&üng tiundar skal gjalda til pingvallar ; si5an skal er gjalda ä, rä5a fyrir teim tveim fj6r5üngum tiundar vi5 rä5 biskops, er pd eru eptir. Enn ef ma&r gerir eigi tiund ena meiri, varSar l>at fjörbaug8gar5 , ok skal kve5ja til 9. büa & pingi, ok a sök er vill. Of lögtiund eru en sömo vil)rlög, hvegi lengi er tiund er haldit. {^ar er ma&r ssekir um lögrettufe, ok er rött at lysa sök }>ä at lögbergi til söknar et sama sumar; hann skal kve&ja til 5 heimilisbüa ä t>ingi. En hinn skal bei&a bjargkvi&ar 5 heimilisbüa sina, at hann vissi eigi me& l>eim ättarmot, ok helpr honum eigi lengr enn et fyrsta al}>iDgi. Man sieht, für die entfernteren von den, wenn man so sagen darf, dispensablen Graden war schon in der älteren Zeit die Höhe der Dis- pensationsgelder nicht jederzeit gleichmässig bestimmt gewesen^ sofeme für den sechsten und siebenten ungleichen Grad nach der einen Angabe 3 Mark (nr. 3), nach der anderen dagegen nur 10 Unzen zu erlegen waren (nr. 2), für den sechsten gleichen Grad aber dort 6 Mark, hier dagegen nur 120 Ellen va&mäls, d. h* 20 Unzen oder 2V2 Mark;^) in- dessen stand doch für den fünften und sechsten ungleichen Grad, welcher uns hier allein interessirt, jederzeit fest, dass bei ihm die Gültigkeit der Ehe nur durch die Entrichtung des grösseren Zehnts erkauft werden

1) J6n SigQrd'sson's Versuch, ang. 0., S. 377—8, Anm. 4, die Differenz zwischen beiden Angaben aaf eine Verschiedenheit der Berechnnngsweise der Mark zarfickzuführen, soheint mir nicht gelangen.

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konnte. Bei den entfernteren Graden erhielt dabei die gesetzgebende Versammlung die ganze Zahlung; bei dem fünften und sechsten un- gleichen Grade dagegen war nur der Betrag von 6 Mark, und später sogar nur von 272 Mark aus dem zu erlegenden grösseren Zehnt an sie zu entrichten, wogegen der Ueberrest dieses Zehnts der Verfügung des Bischofes unterlag. Betrug aber der gesammte Zehnt weniger als jene 6 und beziehungsweise 2y2 Mark, so musste dennoch statt seiner dieser letztere Betrag entrichtet werden, und scheint solchenfalls der Anspruch der gesetzgebenden Versammlung ursprünglich von 6 auf 2V2 Mark ermässigt, und der Ueberrest der V^fügung des Bischofs überlassen geblieben zu sein, wogegen dieser letztere späterhin vielleicht leer ausgieng. Durch die Novelle des Jahres 1217 ergab sich an diesen Regeln insoferne eine Aenderung, als nunmehr beim fünften gleichen Grade der grössere Zehnt entrichtet werden musste, während beim fünften und sechsten ungleichen Grade 120 Ellen, und beim sechsten gleichen Grade 10 Unzen zu entrichten waren; im Uebrigen aber blieben die Grundsätze bezüglich der Verfügung über den grösseren Zehnt, so- wie über das Verfahren in Fällen,' da dessen Werth den Betrag von 120 Ellen nicht überstieg, durchaus die alten, und es konnte darum, während unser älteres Rechtsbuch sich damit begnügt, die Novelle von 1217 als solche einzuschalten (nr. 1), im Uebrigen aber noch ganz das unveränderte ältere Recht vorträgt, unser neueres Rechtsbuch sich darauf einlassen, frischweg den älteren Text herüberzunemen, und in demselben nur an den betreffenden Stellen die Gradbezeichnungen des neueren Rechtes denen des älteren zu substituiren. Von den Vorschriften über die Art, wie die Einschätzung des Vermögens zum Behufe der Ent- richtung des grösseren Zehnts vorzunemen war, dann über die Folgen der Nichtentrichtung dieses Zehnts und das Verfahren, mittelst dessen dieselben verwirklicht wurden, kann hier füglich abgesehen werden; um so erheblicher ist dagegen für unseren Zweck eine andere Bestim- mung, welche über die Verwendung der zufolge seiner Entrichtung ein- gehenden Beträge genaueren Aufschluss giebt (nr. 5). Man ersieht aus derselben, dass es eigentlich zuviel gesagt ist, wenn eine vorhin behan- delte Stelle (nr. 3) ausspricht, dass der grössere Zehnt nach Abzug des der gesetzgebenden Versammlung zufallenden Betrages der Verfügung

Abb. d. I. Gl. cL k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abtb. 29

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des Bischofes anheimfalle. Auch der grössere Zehnt unterlag vielmehr einer Viertheilung genau wie der gewöhnliche, und auch die Bestimmung der einzelnen Viertel scheint hier wie dort ganz dieselbe gewesen zu sein. Ein Viertel des grösseren Zehnts fiel nämlich an denjenigen Bischof, zu dessen Diöcese der Zahlpflichtige gehörte, während ein zweites „til {ilngyallar'^ gegeben werden sollte, d. h. doch wohl an die Kirche, welche sich an dem Versammlungsorte des Alldinges, zu f^ingvellir, befand, und welche in gewissem Sinne recht wohl als die gemeinsame Kirche aller Dingleute gelten konnte; wenn ferner bezüglich der beiden anderen Viertel gesagt wird, dass über sie der Zahlpflichtige zu verfügen habe mit dem ßeirathe des Bischofes, so ist doch wohl die Meinung dabei die, dass auch bezüglich ihrer die gewöhnlichen Grundsätze insoweit massgebend sein sollten, als das eine Zehntviertel den Priestern, das andere den Armen zufallen sollte, während der Bischof mit seinem Rathe, oder vielmehr mit seiner Entscheidung, nur insoweit einzugreifen hatte, als es sich darum handelte zu bestimmen, welche Priester und welche Armen zu bedenken seien, soferne ja bei dem grösseren Zehnt nicht in gleicher Weise wie bei dem gemeinen Ertragszehnt ein für allemal feststehende Bezugsberechtigungen vorlagen. Wollte man übrigens, wie Vilhjälmr Finsen in seinem trefflichen Aufsatze über das isländische Familienrecht thut,') die Worte „til tingvallar" auf die lögretta statt auf die f^ingvallakirkja beziehen, so würde sich auch damit im Wesent- lichen Nichts ändern; man würde eben solchenfalls anzunemen haben, dass es das den Armen bestimmte Zehntviertel war, welches der gesetz- gebenden Versammlung zugewiesen wurde, und dass es von ihr zu Zwecken der Armenpflege zu verwenden war, wie etwa zur Bestreitung des Unterhaltes derjenigen Armen ^ welche von dem ganzen Lande zu verpflegen waren, ^) wogegen dann die letzten beiden Viertel nach der vom Bischöfe ertheilten Anweisung unter die Kirchen und Priester des

1) Annaler for nordisk Oldlcyndighed og Historie, Jahrgang 1849, S. 216 und 301, Anm. 2.

2) vgl. über sie Gragas, §.236, S. 178 (ed. Finsen), undKaupab.,cap. 46,S. 454(ed Arnam.); ferner Omagab., cap. 30, S.293, welche Stelle im Cod. reg. fehlt, dagegen im Cod, Arn amagn. 815, B. in fol. sich findet, bei Finsen, §. 6, S. 230«

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Landes zu vertheilen kamen. Der Umstand, dass von jedem Viertel des grösseren Zehnts durch den Zahlenden der Betrag abgezogen werden durfte, welchen er im betreflPenden Jahre für das entsprechende Viertel des gemeinen Zehnts zu entrichten hatte, lässt sich meines Erachtens in der That nur unter der Voraussetzung erklären, dass die Art der Verwendung der einzelnen Zehntquarten bei beiden Arten des Zehnts principiell dieselbe war. Für die Würdigung aber des Gesichtspunktes, von welchem aus die Dispensationsgebühren bei den relativ verbotenen Graden der Verwandtschaft überhaupt, und somit auch die unter diesen Begriff fallende Entrichtung des grösseren Zehnts angesehen werden will, scheint erheblich, dass dieselben gelegentlich als föviti, d. h. Geld- strafe, bezeichnet werden (nr. 2 und 4).^) Man sah also in der Ein- gehung einer Ehe unter Verwandten der betreffenden Grade ein Unrecht, welches aber durch rechtzeitige Erläge eines Strafgeldes ohne Weiters sich sühnen Hess, und es ist somit streng genommen nicht der Gesichts- punkt der Dispensation, welcher dabei massgebend wird, sondern der der Sühnung eines begangenen oder noch zu begehenden Unrechtes. Von hier aus erklärt sich auch, dass es keiner besonderen Verwilligung Seitens der lögretta bedurfte, um die Ehe in den betreffenden Graden zu erlauben, dass diese vielmehr ohne Weiters als erlaubt galt, sowie nur die betreffende Zahlung erfolgt war, ohne dass dabei in der Macht der gesetzgebenden Versammlung gestanden hätte, die Anname der Zahlung zu verweigern, oder jene Wirkung derselben auszuschliessen.

Der zweite Anwendungsfall des grösseren Zehnts gehört dagegen der Lehre von den Vergabungen an. Wie nach anderen germanischen Rechten, so sind diese auch nach dem Rechte des isländischen Freistaates im Interesse der geborenen Erben gar vielfach beschränkt; hier wie anderwärts erleiden aber diese Beschränkungen eine Ermässigung im Interesse der Zuwendungen an die Kirche oder andere fromme Zwecke, und der grössere Zehnt kann unter Umständen den Charakter einer derartigen Zuwendung annemen. Die betreffende Bestimmung unserer Rechtsbücher lautet folgendermassen :

1) Ygl. auch Grägäs, §. 147, S 37 (ed. Fingen), und Festa (., cap. 9, S. 819 (ed. Arnam.)» und S. 320: Sv& skal deema lögrettnfe, sem ad'rar ütlegd'ir

29*

A

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6. Grägäs, §. 127, S. 246—7 (ed. Finsen): Ma&r 6. at tiunda sitt um sinn hinni meiri tfund til sälubota sör, ef bann vill. Eigi & hann optarr at tiunda hinni meiri tlund f& sitt enn um sinn fyrir r&h skaparfa sins. Nu berr undir tann mann 8f5arr, e5a vex honixm fö, ^d ä bann at tiunda svd sem bann göri bina meiri tfund um^sinn af öllum aurum sinum J>eim er bann ä. Ef ma6r görir eigi bina meiri tlund af fe sinu, ]^& & bann at gefa sälugjafir jafnmikla aura sem bann bafi tiundat feit binni meiri tlund. En "j^at eru sälugjafir, er maSr gefr J>eim mönnum, er eigi eigu i)Ingfararkaupi at gegna, ok t^rfi fe sitt allt e5a verk sin til omagabjargar at bafa. ^)

Es galt demnacb der Satz, dass Jedermann „um seines Seelenbeiles "willen" von seinem Vermögen den grösseren Zebnt geben möge, obne biezu der Zustimmung seines geborenen Erben zu bedürfen, jedoch nicht öfter als einmal in seinem Leben. Wächst das Vermögen eines Mannes, nachdem er diesen Zehnt bereits gegeben hat, sei es nun durch einen Anfall von Aussen her, oder auch durch Ersparnisse aus seinen eigenen Erträgnissen, so mag derselbe hinterher noch über diesen weiteren Zuwachs durch eine neue Verzehntung verfügen, aber nicht über mehr; zu allen weiteren Vergabungen, und wenn sie auch zu frommen Zwecken erfolgen wollten, und so denn auch zu einer nochmaligen Verzehntung eines bereits verzehnteten Vermögens, bedurfte man schlechtbin der Zustimmung des geborenen Erben, dagegen mochte derjenige, welcher den grossen Zehnt noch nicht gegeben hatte, statt dessen auch eben- sogut andere Seelgaben geben, wenn er sich dabei nur innerhalb der durch jenen gezogenen Werthgrenze hielt. So klar sie scheint, so bietet diese Bestimmung doch in mehrfacher Beziehung ernsthafte Schwie- rigkeiten. Zunächst ist zwar soviel klar, dass der grössere Zehnt in dem zehnten Theile des Vermögens derjenigen Person bestand, welche ihn entrichten wollte, und dass er somit den zehnten Theil des Capitales ausmachte, nicht den zehnten Theil der Rente wie der gewöhnliche Zebnt; aber immerbin lässt sich noch fragen, ob die Ausdrücke „fe sitt", „sinir

1) Ebenso Arfa V, cap. 11, S. 202 (ed. Arnamagn.).

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aurar**, wirklich auf alles Vermögen im weitesten Sinne des Wortes zu beziehen, oder ob sie nicht vielleicht auf die Fahrhabe allein zu be- schränken seien. Der alte Päll Vfdalin , welcher sich zuerst einiger- massen einlässlich mit dem grösseren Zehnt beschäftigt hat, ^) spricht sich mit aller Entschiedenheit für die einschränkendere Deutung aus; indessen dürfte doch die erstere vorzuziehen sein, da die Worte der Stelle uneingeschränkt lauten^ das norwegische Recht für die weitere Auslegung spricht, endlich auch gerade auf Island am Wenigsten eine Bevorzugung der Liegenschaften zu erwarten ist, soferne hier jedes Stammgüterinstitut fehlt, und überdiess die Stabilität des Grundbesitzes ganz ausserhalb des eigenthümlichen Wirthschaftssystemes der Insel liegt. Fraglich erscheint ferner, ob die Entrichtung des grösseren Zehnts, oder doch dem Werthe nach ihm entsprechender anderer Seelgaben, als eine Pflicht, oder ob dieselbe nur als ein Recht des einzelnen Besitzers hingestellt sein wolle. Fall Vidalin erklärt sich für die erstere Auf- fassung; ihm folgt neuerdings Gu&brandr Vigfüsson,^) und auch forör Sveinbjörnsson scheint in seiner Uebersetzung der Stelle von derselben Anschauung auszugehen, da er zwar die Entrichtung des Zehnts in das Belieben des Betreffenden stellen, aber für den Fall seiner Nichtentrichtung ihn zur Reichung von Seelgaben im gleichen Betrage verpflichtet wissen will. Auch in diesem Falle muss ich mich indessen für die entgegen- gesetzte Ansicht aussprechen, wie diess schon vor mir Vilhjdlmr Finsen gethan hat.^) Fasst man zunächst nur die erste Hälfte der Stelle ins Auge, so lässt sich die volle Freiwilligkeit der Zehntentrichtung nicht

bezweifeln; „ma&r ä at tfunda f6 sitt, ef hann vill", heisst es in

dieser, und wenn dabei gesagt wird, dass man über die Grenze der Verzehntung nur mit Zustimmung des geborenen Erben hinausgehen dürfe, so wird im Zusammenhalte mit den eben angeführten Worten vollkommen klar, dass die Absicht der Vorschrift nur dahin gieng, die Grenze festzustellen, welche der Dispositionsbefugniss des Einzelnen durch die Rechte seines Erben gezogen war, wie denn auch wirklich

1) Skyrlngar yfir fornyrd'i lögbokar, s. v. tiand, S. 544—49.

2) Dictioaary, 8. v. eiga, S. 118, b*®. 8) Ang. 0., S. 301.

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sowohl die unser Stelle vorangehenden Worte als die ihr folgenden lediglich von diesen Rechten der geborenen Erben handeln. Betrachtet man aber sodann die zweite Hälfte unserer Stelle, so ist allerdings richtig, dass die Worte : „I>ä & hann at gefa sälugjafir'^, an und für sich zweideutig sind, und ebensogut auf ein geben Müssen als auf ein geben Dürfen bezogen werden dürfen, richtig auch, dass bei deren ersterer Deutung die dem Besitzer eingeräumte Freiheit sich auf die Wahl zwischen der Entrichtung des grösseren Zehnts und der Bestellung an- derweitiger Seelgaben im gleichen Betrage beschränken muss, während bei deren, zweiter Auslegung ihm neben dieser Alternative auch noch die weitere Möglichkeit eröffnet wird gar Nichts zu geben. Allein der ganze Zusammenhang spricht augenscheinlich für die letztere Deutung, und nicht minder auch der weitere Umstand, dass in dem unmittelbar vorhergehenden Satze das „ä'^ unzweifelhaft ein Dürfen und nicht ein Müssen bezeichnet, und kaum anzunemen ist, dass so kurz nacheinander ein und dasselbe Wort in ganz verschiedenem Sinne gebraucht stehen sollte; endlich darf auch nicht übersehen werden, dass für den Fall, da der Betreffende weder den grösseren Zehnt entrichten noch auch die betreffenden Seelgaben bestellen würde, keinerlei Prsejudiz ihm an* gedroht wird^ was doch, wenn die gegentheilige Auslegung die richtige wäre, um so weniger hätte unterlassen werden können, als jene Seel- gaben der verschiedensten Art sein konnten, und somit bezüglich ihrer kein ein für allemal bestimmter Empfangsberechtigter gegeben war, welcher die nicht gegebene Gabe zwangsweise beizutreiben befugt ge- wesen wäre. Eine dritte Schwierigkeit betrifft sodann noch die Frage, wie denn jene anderen Seelgaben, deren unsere Stelle noch neben dem grösseren Zehnte Erwähnung thut, von diesem letzteren sich unterschieden haben mögen, mit welcher auch die weitere Frage nach der Bestimmung und Verwendung des freiwillig gegebenen grösseren Zehntes in Verbindung steht. Auch dieser Zehnt wird „til sälubotar sör" gegeben, und erscheint somit als Seelgabe; andererseits ist auch das Mass der erlaubten Ver- gabung hier wie dort genau dasselbe, soferne hier wie dort deren Grenze auf den zehnten Theil des Vermögens des Vergabenden gesetzt war« Weder in dem Zwecke noch in dem Umfange der frommen Verfügung konnte demnach der Unterschied zwischen beiden Arten von Zuwend-

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ungen begründet liegen, und wird man demnach wohl die Art ihrer Vertheilung und die Wahl der bedachten Personen und Stiftungen ins Auge fassen müssen, um ihre Unterscheidung verstehen zu lernen. Da wird man sich nun daran erinnern dürfen, dass nicht nur der gewöhn- liche Ertragszehnt, sondern auch jener grössere Zehnt, welcher wegen einer Ehe unter Verwandten innerhalb gewisser dispensabler Grade ge- geben werden musste, ein für allemal einer ZerföUung in 4 gleiche Theile zu Gunsten des Bischofs, der Kirche, des Priesters und der Armen unterlag, und dass somit diese Vertheilungsart geradezu als eine we- sentliche Eigenschaft jedes Zehntes gelten mochte ; hält man aber hieran fest, so wird man ganz von selbst zu der Annanie gelangen, dass es gerade derselbe Vertheilungsmodus war, welcher auch auf den freiwillig gegebenen grösseren Zehnt Anwendung fand, und diesen von jenen an- deren Seelgaben unterschied. Allerdings wird uns dieser Satz nirgends in den Quellen ausdrücklich ausgesprochen, und scheint überdiess die Anwendung eines legal feststehenden Vertheilungsmodus auf eine frei- willig übernommene Leistung immerhin etwas bedenklich; indessen ver- ringert sich doch das letztere Bedenken sehr erheblich, wenn man be- rücksichtigt, dass dem Verfügenden ja zwischen dem grösseren Zehnt und anderweitigen Seelgaben gleichen Betrages die freie Wahl blieb, und das Schweigen der Quellen über die Art, wie jener Zehnt zu ver- wenden war, dürfte eben doch am Einfachsten durch die Voraussetzung zu erklären sein, dass der Vertheilungsmodus dabei stillschweigend als massgebend angenommen wurde, welcher gelegentlich der Bestimmungen über den Ertragszehnt sowohl als den kraft gesetzlicher Vorschrift zu entrichtenden grösseren Zehnt besprochen wurde.

Man sieht, es sind zwei streng geschiedene Kategorien von Fällen, in welchen der grössere Zehnt im altisländischen Rechte zur Anwendung kommt. Im einen Falle trägt derselbe lediglich den Charakter einer freiwilligen Vergabung zu frommen Zwecken, welche nur insoweit vom Rechte berücksichtigt wird, als ihr gegenüber kein Widerspruch des geborenen Erben in Betracht kommen soll; im anderen Falle dagegen ist die Entrichtung dieses Zehnts eine gesetzlich vorgeschriebene und nöthigenfalls ^ erzwingbare, aber freilich auch auf ein sehr enges Aus- namsgebiet beschränkte. Es lässt sich nicht verkennen, dass diese Ver-

^1.

22^

Wendung des grösseren Zehnts im Rechte des Freistaates einen durchaus fragmentarischen Eindruck macht, und unwillkürlich wird man zu der Vermuthung geführt, dass hier entweder nur die zerstreuten Trümmer eines früher weiter reichenden einheimischen Institutes vorliegen müssen, oder aber umgekehrt Bruchstücke eines ausländischen Rechtssjstemes, welche erst hinterher als solche aus der Fremde bezogen wurden.

II. Norwegen.

Ganz wie auf Island, so wird auch in Norwegen eine zwiefache Art des Zehntes unterschieden, und zwar wird hier eine höfu5tiund, d.h. ein Hauptzehnt, einer ävaxtartiund, d. h. einem Ertragszehnte, ^) oder auch einer akrtiund, d, h. einem Ackerzehnte^) gegenübergestellt; der erstere Gegensatz ist dabei ein vollkommen richtiger, soferne der erstere Zehnt wirklich vom Capitale (höfu&stoll), der letztere aber vom Ertrage (ävöxtr) entrichtet wurde, die zweite Gegenüberstellung dagegen trifft nicht völlig zu, soferne man innerhalb des Ertragszehe nts wider mit Rücksicht auf die Verschiedenheit der Ertrag abwerfenden Gegen* stände einen Kornzehnt (korntiund), Viehproductionszehnt (vi&reldistiund), Fischzehnt (fiskitiund), Handelschaftszehnt (kaupeyristiund), u. dgl. m. zu unterscheiden hatte, und den Ackerzehnt somit nur als eine einzelne Unterart des Ertragszehnts betrachten konnte. Ueber die Zeit der Ein- führung des Hauptzehntes fehlen uns auch für Norwegen alle Nachrichten ; dagegen vermögen wir die Zeit des Aufkommens des Ertragszehntes auch für dieses Land wider ziemlich genau zu bestimmen, und es empfiehlt sich, zunächst auf diesen Punkt einen Augenblick unsere Aufmerksamkeit zu richten.

Meister Adam von Bremen erzählt uns gelegentlich,^) dass nordische Seeräuber den Einsiedlern, welche auf der Insel Helgoland lebten, den Zehnt von ihrer Beute darzubringen pflegten, und aus nordischen Quellen erfahren wir,^) dass Guoormr, ein Schwestersohn des heil. Olafs, in Ir-

1) Siehe unten, nr. 13.

2) Siehe unten, nr. 14.

3) Gesta Uammaburgensis ecciesiae pontificuniy IV, cap. 8, S. 869,

4) (5laf8 8. ens helga, cap. 266, S. 241-42 (ed. Unger); FMS., V, cap. 249, S. 135-86}

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land einmal in schwerer Noth diesem seinem Oheim den Zehnt von aller seiner Beute gelobte, und nach erfochtenem Siege in der Art ent- richtete, dass aus dessen Ertrag ein silbernes Crucifix von Mannshöhe gegossen , und in die Kirche von NiSarös gestiftet wurde. Allein hier wie dort handelt es sich zwar um einen Ertragszehnt, nicht um einen Capitalzehnt, aber hier wie dort ist dieser doch nur ein Votivzehnt, kein legaler, und beide Vorkommnisse gestatten uns demnach keineswegs zu schliessen, dass in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Zehntlast in Norwegen bereits gesetiilich eingeführt gewesen sei; aus beiden könnte man vielmehr umgekehrt zu folgern sich berechtigt halten, dass eine Verpflichtung zum Geben ^es Zehnts damals in diesem Reiche noch nicht anerkannt war. Allerdings berichtet ein einzelner Text is- ländischer Annalen von einer angeblichen Einführung der Zehntlast in Norwegen im Jahre 1076;^) indessen beruht diese Notiz nur auf einem von späterer Hand gemachten Zusätze, und bezieht sich augenscheinlich auf ein Zehntgesetz, welches im Jahre 1277 zu Tünsberg erlassen, und sodann in Erzbischof Jons Christenrecht eingestellt wurde, so dass also beim Eintragen der Notiz in die betreffende Annalenhandschrift lediglich um zwei Jahrhunderte fehlgegriffen wurde. So hebt denn auch Meister Adam in der That widerholt und in bestimmtester Weise hervor, ^j dass

Flbk, II, S. 879-80; Heimskr. Haralds s. hard*räd*a, cap. 57, S. 587-88. Aller- dings wissen Geisli, Str. 31, die Gammel norsk Homiliebog, S. 150 1, die le- gendarische Olafssage, cap. 104, S. 76—77, die Legenda de S. Olavo, S. 584— 5, und 544 5 (bei Langebek, II), dann das Fornswenskt Legend., 8. 865 6 nur von dem Crucifixe, nicht aber von der Verzchntung zu erzählen; indessen scheint doch auch diese letztere auf alter Ueberlieferung zu beruhen.

1) Die Worte lauten: „^^r tfundargjörd' sam))ykt i Tünsbergi yfir allan Noreg, ütan Hamars biskupsdsemi ok Raumarfki ok Soleyjar. Vide Kristinrett^^ wozu Jons KrR. §. 19^ zu vergleichen ist.

2) ang. 0., III, cap. 70, S. 865: Nam et in Daniam, Suediam et Nordwegiam et in insulas

maris ordinavit episcopos multos; Quorum speciosa multitudine tandem exhilaratus

pontifex. primus omnium statuit in Dania synodum celebrare, cum sufifraganeis suis, quoniam et temporis opportunitatem habuit, et quoniam illud regnum sufficientibus habundaret episcopis, et quoniam multa corrig^ necesse fuerat in novella plantatione, sicnt hoc, quod episcopi benedictionem vendunt, et quod populi decimas dare nolunt, et quod in gula et mulieribus enormiter omnes excedunt. Ferner IV, cap. 30, S. 382: Verum baptismus et confirmatio, benedictiones altarium et sacrorum benedictio ordinuip apud illos (d* h. Nord- mannosj et Danos care omnia redimuntur. Quod ex avaritia sacerdotum prodisse arbitror,

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 30

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zu seiner Zeit, also um das Jahr 1075, in Norwegen sowohl als in Dänemark und Schweden die Entrichtung des Zehntes noch keineswegs gebrauchlich gewesen sei, und wir haben allen Grund, ihn, der dem Metropolitane der nordischen Kirchen so nahe stand, der an dessen Hof so reichlich Gelegenheit fand mit Bischöfen und Priestern dieser Kirchen zu verkehren, der endlich selber im Norden gereist war und von dem Dänenkönige Svend Estridsson Nachrichten ober dessen Zustände einge- zogen hatte, in dieser Beziehung für einen vollkommen verlässigen Be- richterstatter zu halten. Um so glaubwürdiger ist demnach, weil mit seinen Angaben im besten Einklänge stehend, was die nordischen Quellen über die Einführung desZehnts durch König Sigur&r Jorsalafari berichten.^) Auf seinem Kreuzzuge, erzählen sie, habe dieser König sich in Jerusalem ein Stück vom Kreuze Christi ausgebeten, und um dasselbe zu erlangen neben einigen anderen Leistungen zu Gunsten der Kirche seines Reiches insbesondere auch eidlich geloben müssen, die Entrichtung des Zehnte in Norwegen in Gang zu bringen, und sich selber derselben unweigerlich unterziehen zu wollen, was er dann auch nach seiner Rückkunft in die Heimat getreulich erfüllt habe. Das Gelöbniss des Königs hätten wir hiernach dem Jahre 1110, und dessen Ausführung den Jahren 1111 30 zuzuweisen, womit denn auch recht wohl übereinstimmt, dass eines der älteren Bischofsverzeichnisse Norwegens von einem gewissen Bischöfe Simon erzählt, dass er zuerst den Zehnt in Norwegen eingeführt habe; ^) da nämlich dieser Simon einerseits als der zweite Bischof von Niöarös bezeichnet wird, wo doch erst unter König Olafr kyrri (1066 93) ein fester Bischofssitz begründet wurde, und andererseits der unmittelbare Vorgänger jenes Bischofes HreiSarr war, welcher erst im Jahre 1151 verstarb, so mussv derselbe doch wohl gerade währen! König SigurS's Regierungszeit seine Wirksamkeit entfaltet haben. Immerhin scheint es indessen noch geraume Zeit gedauert zu haben, bis die Zehntieistung

quia barhari deoimas adhuo dare aut nesciunt aut nolont, ideo constringontnr in caBteris, qua deberent ^atis offerri. Nam et visitacio infirmorum et sepultora mortuornm, omni» ibi venalia.

1) Heimskr. Sigurd'ar s. Jorsalafara, cap. 11, 8. 667, and cap. 24, 8. 680; FMS., VII, cap. 10, S. 91, und cap. 22, S. HO; Xgrip, cap. 47, 8. 416.

2) Lange'8 Norsk Tidsskrift for Videnskab og Litterator, V, S. 41.

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in Norwegen in vollen und ungestörten Gang kam; hiemit mag es zu- sammenhängen, dass noch ein Erlass Papst Alexanders III. vom 11. Sep- tember 1171 den Norwegern ebensogut wie den Dänen und Schweden solche ausdrücklich einschärfen zu sollen glaubte,^) und nur . unter dieser Voraussetzung wird denn auch die eigenthümliche Art begreiflich, in welcher die Zehntentrichtung in den verschiedenen norwegischen Pro- vincialrechten auftritt. In den Gulal>ingslög, deren uns überlieferter Haupttext bekanntlich aus zwei verschiedenen Redactionen compilirt ist, zeigt die ältere, des heil. Olafs Namen tragende Recension noch keine Bekanntschaft mit dem Zehnt, vielmehr den Klerus noch in der von Meister Adam so schwer gerügten Weise lediglich auf Stolgebühren, eine Kopfsteuer und andere änliche Einkünfte angewiesen , wogegen die jüngere Recension, welche mit Bestimmtheit auf König Magnus Erlingsson's Zeit (1161 84) zurückzuführen ist, den Zehnt geben lässt, dafür aber umgekehrt von jenen anderen Reichnissen Nichts mehr weiss. ^) Ganz änlich stand die Sache nach dem Rechte der Landschaft Vikin. Auch in diesem werden dem Priester zunächst unter Berufung auf das alte Recht (forn log) lediglich bestimmte persönliche Bezüge (lagagift, Olafssäd, legkaup), sowie gewisse Gebühren für die Ertheilung der letzten Oelung und für die Besorgung der Leichenwache zugebilligt, während dann hinterher ausgesprochen wird, dass derjenige Priester, welcher seinen Zehnt bezieht, lediglich diesen als Vergeltung für seinen Dienst zu be- trachten habe, und nur etwa für die Leichen wache neben demselben eine weitere Gebühr zu fordern befugt sein solle. ^) In gleicher Weise wird ferner auch als Entgeld für die Amtsverrichtungen des Bischofes zunächst nur seiner „gift" erwähnt, wogegen von dem Zehnt als einem

1) Diplom. Suecan., I, nr. 55, S. 82—8; das Datum nach Jaffe, Reg. Pont., S. 749 be- richtigt.

2) vgl. z. B. G(L. §.8 und §.9, wo die ältere Rezension dem Bischöfe seine .»reidra" im Betrage von einem örtug für je 40 Köpfe zuweist, die jüngere dagegen sein Viertel vom Zehnt; femer G^L §.23, wo jene den Priester auf seine reid'a, und daneben auf sein oleanarkaup und liksöngskaup, dann das legkaup verweist, diese dagegen gleichfalls wider nur auf seine Zehntquart. Es ist ganz verkehrt, wenn Munch in seiner norwegischen Ge- schichte, II, 8. 997—8 ein Fortbestehen der biskupsreid'a neben dem Zehnt annemen will.

3) B))L , I, §. 12; II, §. 20—21, und 24; III, §. 15—16, und 18; doch ist in der leUteren Redaction der Gegensatz des älteren und neueren Rechts mehr verwischt.

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jetzt (nü) geschuldeten erst in einem späteren §. die Rede ist; es mag ein Zufall sein, wenn dabei nicht ausdrücklich bemerkt wird, dass der- jenige Bischof, welcher seinen Zehnt erhält, nicht noch neben demselben seine gift anzusprechen berechtigt sein solle. ^) Widerum spricht das Recht der Hochlande zunächst bezüglich des Bischofes von „fö*S welches derselbe für seinen Dienst beziehen solle, und welches als ein Viertel vom Zehnte bezeichnet wird, während dann hinterher doch wider von der Einforderung einer biskupsreiöa die Rede ist;^) ausserdem aber wird zwar von Sportein gesprochen, welche der Priester für das Bet€n am Krankenbette, das Spenden des Abendmahles und der letzten Oelung, endlich als Grabeskauf (legkaup) erhalten soll, aber es wird auch sofort bemerkt, dass derjenige Bauer kein legkaup zu entrichten brauche, welcher seinen Zehnt gehörig: gegeben habe,^) und es wird doch wohl als etwas ganz Zufälliges gelten müssen, dass bezüglich jener anderen Gebühren nicht ganz dieselbe Bemerkung widerkehrt» Nur in dem Rechte der Landschaft Drontheim, also in dem jüngsten aller uns er- haltenen Provincialrechte, ist der Gegensatz beider Systeme der Dotirung des Klerus und der Kirchen völlig verschwunden, und die Begründung der pecuniären Stellung der Bischöfe sowohl als der Priester auf den Zehnt zur allein herrschenden geworden; aus den Bestimmungen jener drei anderen Rechtsbücher ist dagegen sehr klar ersichtlich, wie man in Norwegen nur sehr allmälig die Einführung der Zehntlast durchzu- setzen vermochte, und wie daselbst bis in die zweite Hälfte des 12. Jahr- hunderts herein das ältere und das neuere System der Dotirung des Klerus neben einander bestand , sei es nun , dass man geradezu dem einzelnen Zahlpflichtigen die Wahl Hess, ob er zu dessen Unterhalt nach den älteren oder nach den neueren Regeln seinen Beitrag leisten wollte, oder dass man doch wenigstens in Bezug auf einzelne Gegenden an den älteren Regeln festzuhalten sich genöthigt sah, in welchen es sich

1) ebenda, I, §. 10 und 11; IF, § 19 und 22; III, §.14 und 17. Die zweite Recension über- schreibt wirklich den von der gift handelnden §., materiell dem neueren Rechte entsprechend: ,fhvat biskup er skyldr möti tfund manna'^

2) E)>L., I, §. 81 und 83; in der zweiten Redaction ist die erstere Stelle, II, §. 27, stehen geblieben, die zweite dagegen gestrichen.

3) ebenda, I, §. 47-48; II, §. 86—87.

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vorerst noch thatsächlich unmöglich erwies, die Herrschaft der neueren durchzusetzen. Im üebrigen aber war der Ertragszehnt in Norwegen wesentlich den Vorschriften des kanonischen Rechtes entsprechend ge- ordnet, und insbesondere unterlag derselbe der gewöhnlichen Viertheilung unter Bischof, Priester, Kirche und Armen; es wird kaum darauf Werth zu legen sein, dass an einer einzigen Stelle einer einzigen Handschrift einmal einer Eintheilung in Drittel gedacht werden zu wollen scheint,^) da die übrigen Handschriften auch hier von Vierteln sprechen, und der Zusammenhang der Stelle auf solche hinweist. Enger noch sogar als der isländische schliesst sich der norwegische Ertragszehnt an das ge- meine Recht der römischen Kirche an, soferne derselbe immer nur vom wirklichen, nicht auch von einem blos möglichen Ertrage entrichtet wird; dass derselbe aber nicht nur von den Erzeugnissen der Land- wirthschaft und Feldwirthschaft gegeben wurde, auf welche sich ander- wärts, und zumal bei uns in Deutschland, die Zehntlast fräher beschränkte, sondern auch von dem Ertrage des Handels, der Fischerei, u. dgl. m. ist allerdings richtig, aber auch vollkommen den Grundsätzen des ka- nonischen Rechtes entsprechend, welches ja seine decimse personales neben den decimae prsediales et sanguinales zu fordern pflegte.

Nach diesen Erörterungen über die Einführung des Ertragszehntes in Norwegen, welche sich weiterhin auch für unsere nächste Aufgabe bedeutsam erweisen werden, kann nunmehr zur Besprechung des Haupt- zehntes selbst übergegangen werden. Dabei empfiehlt sich, die ver- schiedenen Rechtsbücher scharf auseinanderzuhalten, da sie diesen Zehnt in durchaus verschiedener Gestaltung kennen.

In den Gula)>ingslög zunächst wird der Name des Hauptzehntes zwar nirgends genannt, aber doch an einer Stelle derselben ein Zehnt besprochen, welcher wohl nur ein Hauptzehnt sein kann.

7. G^L. , §. 129: Nu scal tsBr giaver telia er hallda scolo. Mann- frselsi scal hallda, nema l»eim liggi vi6 hei 8B6a husgangr, l»a scal hann taca fostrlaun af hanom, ef hann gallt eigi ver5 sitt.

1) E>L. I, §.32: £n tiund skal a akre gera, ok skifta i fiora loti; skal biskop iaka (rid'iung, kirkia annan, prestr biDn (ridria, fatoeker menn binn fiord'a. Die zweite Handscbrifb dieser KeceDsion liest fiord'ung, und ebenso beide Handschriften der kürzeren Recension, II, §. 28.

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Barnfostrslaun skal hallda. ^sev giaver scolu hallda, er konongr gefr 0S8, se5a ver hanom. Oc tiund oll, oc leysingsaurar, 6 aurar. HauUdma&r ma geva syni sinum tybornorn 3 mercr, u. s. w. Wenn nämlich in dieser Stelle bei der Besprechung derjenigen Ver- gabungen, welche Bestand haben sollen, d. h. welche von dem geborenen Erben nicht angefochten werden dürfen, auch der Zehnt erwähnt wird, 80 kann darunter wenigstens vom Standpunkte des späteren Rechtes aus nur der Hauptzehnt, nicht der Ertragszehnt verstanden werden, da ja dieser letztere eine erzwingbare Leistung war, und somit nicht unter den Begriff einer Vergabung fallen konnte. Wenigstens das spätere Recht des Gula))inges scheint hiernach den Hauptzehnt in der Bedeutung einer von allen Kinsprachsr echten des geborenen Erben befreiten Ver- gabung gekannt zu haben, ganz wie derselbe in eben dieser Bedeutung auch dem Rechte des isländischen Freistaates bekannt war; aber auch schon dem älteren Rechte jenes Dingverbandes muss derselbe in dieser Anwendung geläufig gewesen sein, da seine einfache Erwähnung als tiund ohne jede nähere Bezeichnung auf eine Zeit hinzudeuten scheint, welche nur eine einzige Art des Zehnts gekannt hatte. Wäre unsere Stelle erst unter König Magnus Erlingsson in das Rechtsbuch gekommen, welcher den Ertragszehnt bereits als eine legale Last kannte, so würde in derselben sicherlich nicht von einer tiund schlechthin, sondern von einer höfu5tiund gesprochen worden sein; dass das Erstere der Fall ist; weist darauf hin, dass die Stelle einfach aus der älteren Redaction des Rechtsbuchos in die neuere herübergenommen wurde, ohne dass man dabei die nunmehr eingetretene Nothwendigkeit einer näheren Be- zeichnung des Zehnts bedachte. Schon vor der Einführung des Ertrags- zehnts wird hiernach im Bereiche der Gula^ingslög der Hauptzehnt hergebracht gewesen sein, und da unsere Stelle über dessen Verwendung in keiner Weise Aufschluss giebt, wird wohl ursprünglich noch ander- wärts im Rechtsbuche von demselben gehandelt worden sein, wenn auch aus unserer Compilation alle weiteren Spuren desselben verschwunden eind. Zuzugeben ist freilich, dass diese Schlussfolgerung keineswegs völlig stringent ist. Denkbar wäre immerhin, dass sich die Stelle in -der älteren Redaction der Gula^ingslög auf einen Ertragszehnt bezogen hätte, der ja, wie wir gesehen haben, als Votivzehnt bereits im Norden

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vorgekommen war, lange ehe er als Legalzehnt daselbst Aufname fand, und welcher demnach insoweit ebenfalls unter den BegriflF einer Ver- gabung hatte fallen können; indessen würde doch unter dieser Voraus- setzung das Stehenlassen der Stelle in unserer Compilation eine noch weit gröbere Nachlässigkeit des Compilators anzunemen zwingen, ala welche ihm vorhin zugemuthet wurde, und Oberdiess dürfte sowohl die Analogie der bereits besprochenen Vorschriften des isländischen Rechtes als auch die sofort darzulegende Gleichheit der Bestimmungen der Frosta^ingslög mit aller Bestimmtheit für die oben erörterte Auffassung in die Wagschale fallen.

Die Frostal>ingslög erwähnen aber der höfuötiund zunächst aus- drücklich als eines Votivzehnts, welcher allenfalls auf dem Sterbebette von^ einem Verscheidenden gelobt werden mag.

8. Fl)L., II, §. 17: Ef maör ^arf olean, oc ma eigi fylkisprestr vi8r koma, l»a ole sa hann, er kirkiu soknena a, me6 prestlengs hiolp, ef engom koste fser meira li5 til, oc hselldr einsaman, en hinn missi oleanar. En ef hinn heitr hofuu8tiund sinni firir hcegendes- prestenom i sottenne, oc er hann me6 fylkisprestenom at olean- enne, l>a hafe hann tri5iung af prest luta, en fylkisprestr 2 luti. En ef eigi er fylkisprestr ner, oc olear hann einsamen, ^a take halft huar teirra. En l>ar hoefer sa skilluange, ef fylkispreste byriar allr lutr prest, selligr gerezt grein a eptir mala uoxtum. En olean oll skal kauplaus vera annars kostar. ^)

Da bei der Besprechung dieses Hauptzehnts von einem prests hlutr, d. h. einem Antheile des Priesters als von einer selbstverständlichen Sache die Rede ist, kann nicht bezweifelt werden, dass auf denselben, obwohl er durchaus freiwillig gegeben wurde, dennoch die gewöhnliche Viertheilung in derselben Weise Anwendung fand wie auf den legalen Ertragszehnt, und erhält demnach eine oben in Bezug auf das isländische Recht ausgesprochene Vermuthung hiedurch eine willkommene Bestätigung. Weiterhin findet sich aber in dasselbe Rechtsbuch noch eine andere Be- stimmung eingestellt, bei deren Abfassung der Cardinal Nikolaus von

1) Ebenso Sverris ErE., g. 84.

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Albano die Hand im Spiele gehabt haben soll, welcher bekanntlich im Jahre 1152 als päpstlicher Legat nach Norwegen kam, und noch an ein paar weiteren Stellen der Frosta^ingslög wird auf die damals be- liebten Neuerungen Bezug genommen; die hieher bezüglichen Stellen sind aber die folgenden:

9. Fr>L., III, §. 17: Sva er ra& oc bo& Nikulas goSa cardinala, er paue var5 8i5an, oc Jons erkibiskups, at hyggia at rettarbotom me5 aliti hin na uittrasto manna oc oUum lagunautum til handa, at fe >at allt, er menn fa vttan erföir, ^a skal gefa fior5ang l>ess fear ser til salo bota huserium er uil firir vttan eruingia IcBjfi sua sem haw5tiund* En kona ma gefa tiund or heiman- fylgiu sinni, en fior&ung or triöiungsauka um tiund fram.^)

10. ebenda, IX, §. 4: Me& tryg&um scal gefa, ef iarSer ero, en ef annat er, se sem vattar vitu, oc svä at eigi komi sceyting ä, en tiundar giöf er oc bersc vitni pat, oc sva ef maör gefr fiöröung or fengnu fe, oc ero iaröer i, ^d scal hallda, ef vättar vitu, p6 at eigi se sceytt.^)

11. ebenda, IX, §. 18: En hverr ma5r scal tiunda fe sitt er vill, oc ^eim um biö6a er vill, hvärt er hann er heill ma6r e6r eigi, at sd geri fyrir önd bans, er hann by5r um, oc fi6r6ung fengins fidr; en eigi scal ma5r taca or fe sino meir en er maellt fyrir utan erfingia satt, nema fi6r5ung fidr.

12. Norges gamle Love, I, S. 447: fessi var skipan um giafuer Nichulass goda Cardinala med asyn allra biskupa f landinu oc tolf hinna vitrasto manna or hveirium biskupsstole i Norighi, at hveirium manne skal frialst vera sua konom sem kalmonnom at gefua hin tiunda lutin or lande oc lausum cByre er hann heifuer med erfdum fengit, oc fiordong fengins fiar, helghum stadum er vil, frendum ef l>at synist, oskylldum monnum ef tat ber meir i skapp. En petta var loghteikit a Borghar pinghi med umradum Hakonar kononghs, oc Nichulds biscups oc loghrettumanna oc loghunauta, oc i bok insett at efuinlegha skal ganga oc alldri

1) Ebenso Bjarkeyjar R., III, §. 70, und Sverris KrR., §. 71.

2) Ebenso Jarn8fd"a, Erf^atal, §. 17.

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riufoast, en ef nokur ryfuer hana, l>a ryfuer han med stormelum pafuans oc erkibiskops oc alra biskupa i landeno* En ^ssa giof ma 8va gefua siuker sem heill, ef hann heifair alla sina samvissku oc vissmune. Var )>etta skrasett t>a er lidit var fra burdh varss herra Jesu Christi M. vettra, CG. vettra oc XIIII. veter, ä >vi are er Dana konongher var herteikin.^) Aus der zuletzt angeführten Verordnung König Häkons des Alten aus dem Jahre 1224 ist zu ersehen, dass bei der Abfassung der be- treffenden Bestimmung neben dem Cardinale auch noch der Erzbischof und die sämmtlichen Bischöfe des Landes, sowie Vertreter des gesamnöten Reiches mitgewirkt hatten, deren je 1 2 aus jedem Bisthume in Norwegen entnommen worden waren. Dieselbe scheint hiernach von Anfang an bestimmt gewesen zu sein , als gemeines Becht für das gesammte Reich zu gelten ; allein da weder unsere 6ula>ingslög, noch auch unsere Borgar- t^ingslög oder Eiösifa^ingslög von derselben irgendwelche Notiz nemen, und jene Verordnung überdiess ausdrücklich bemerkt, dass dieselbe für Vikin, und vielleicht auch für die Hochlande, erst durch einen im Jahre 1 224 am Borgart>ingegefasstenBeschlus6 Geltung erlangt habe, während die älteren Rechtsbücher noch Nichts von ihr gewusst hätten,^) ist klar, dass sie wenigstens für diese drei Dingverbände nicht sofort durchgedrungen sein kann, und sogar bezüglich der Frostat>ingslög steht nicht absolut

1) Die DatiruDg dieses Gesetzes bietet erhebliche Schwierigkeiten. Da König H4kon erst im Jahre 1217 den Thron bestieg, mass angenommen werden, dass in der gemeinsamen Vorlage unserer nicht über das 14. Jahrhundert hinaufreichenden Abschriften 1214 für 1224 Ter- schrieben war. Da König Hakon in letzterem Jahre sich nachweisbar in Vikin aufhielt, und da Bischof Nikolas erst im Jahre 1225 starb, wäre insoweit Alles in Ordnung; aber freilich passt hiezu nicht die Bezugname auf die Gefangenname des D&nenkönigs, da ja Graf Heinrich von Schwerin den König Valdemar bekanntlich schon in der Nacht vom 6.-7. Mai 1223 gefangen nam. Indessen ist doch ohnehin kaum denkbar, dass eine nor- wegische Verordnung nach der Gefangenname eines fremden Regenten von ihrem Aussteller datirt worden sei, und ist somit schon aus diesem Grunde anzunemen, dass hier der Zusatz eines Abschreibers vorliege, welcher dann aus einer gemeinsam benützten Copie in aUe unsere Abschriften gelangte; unter dieser Voraussetzung kann aber ein Verstoss in der Jahrzahl kaum noch auffallen. In etwas anderer Weise sucht Munch, III, S. 670, Anm., die Schwierigkeit zu beseitigen.

2) Ein zweiter Text der Verordnung, ang. 0., S. 447 8, sagt ausdrücklich: „)>essa setningh skolu sva hallda Vikverir sem Vpplendingar" , und weist in ihrem Eingange auf die ab- weichenden Vorschriften der „fomar skr4r'* hin«

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. U. Abth. 3 1

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fest, ob sie nicht etwa erst gelegentlich der von König Häkon veran- stalteten Revision dieses Rechtsbuches in dasselbe Aufname gefunden habe, da uns für die hier massgebenden Stellen eben nur diese letztere vorliegt. Wie Dem aber auch sei, ihrem Inhalte nach enthält die von Cardinal Nikolaus veranlasste Novelle des Jahres 1152 jedenfalls in mehrfacher Richtung eine sehr beträchtliche Umgestaltung des älteren Rechtes. Während man vordem lediglich den Hauptzehnt hatte ent- richten, also lediglich den zehnten Theil seines Vermögens hatte ver- gaben dürfen , ohne von der Zustimmung seines geborenen Erben ab- hängig zu sein^ wurde diese Grenze fortan nur noch für das ererbte Gut, gleichviel übrigens ob liegende oder fahrende Habe, festgehalten, wogegen man vom wohlgewonnenen Gute nunmehr ein volles Viertel mit gleicher Freiheit sollte vergaben können. Es ist nur eine Consequenz dieser Regel, wenn ausdrücklich beigefügt wird, dass Weiber von ihrer Mitgift (heimanfylgja) nur ein Zehntel, dagegen von ihrer Widerlage (Ki<^jtingsauki) ein volles Viertel vergaben dürfen, und höchstens das auffallend, dass überhaupt den Weibern das gleiche Recht mit den Män- nern verwilligt wurde. Die Werthgrenze also, innerhalb deren die Dis- position sfreiheit des Besitzers gewährleistet wurde, ist nunmehr nicht unbeträchtlich erweitert, und mag sein dass auch die Erstreckung des Verfügungsrechtes auf liegende Güter wie auf Fahrhabe, dann auf Weiber wie auf Männer und auf Kranke wie auf Gesunde als eine Neuerung zu betrachten ist, soferne sich ja wohl annemen lässt, dass das Stamm- güterrecht, die Geschlechtsvormundschaft, endlich die bekannte Abneigung der germanischen Rechte gegen die Verfügungen auf dem Siechbette derartigen Vergabungen vordem weitere Hindernisse in den Weg gelegt haben mögen. Beachtenswerther noch ist^ dass nunmehr ausdrücklich hervorgehoben wird, dass die Verfügung nach freiestem Belieben zu Gunsten der Kirche nicht nur, sondern auch zu Gunsten von Verwandten oder selbst völlig fremden Personen erfolgen könne, woneben freilich immer noch der Charakter der Vergabung als einer Seelgabe festgehalten werden will. Die legale Viertheilung des Zehnts, von welcher doch an einer anderen Stelle der Ft>L. (nr. 8) noch eine unverkennbare Spur stehen geblieben ist, ist damit vollständig aufgegeben, ganz wie es auf Island, doch wohl auch nur auf Grund einer legislativen Neuerung, in

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den freien Willen des Verfügenden gestellt war, ob er den grösseren Zehnt geben, oder über ein Zehntel seines Vermögens anderweitige fromme Verfügungen treffen wolle. Endlich wurde nunmehr bezüglich der Vergabung von Grundstücken noch eine sehr erhebliche formelle Erleichterung gewährt, indem die sonst vorgeschriebene rechtsförmliche Auflassung (skeytf ng) hier ausnamsweise nachgelassen wurde ; sehr häufig scheint man sich dabei eines Mittelsmannes bedient zu haben, welchem die Ausrichtung aller einzelnen Verfügungen übertragen wurde, die der Sterbende zu seinem Seelenheile getroffen hatte. Alles in Allem ge- nommen hatte demnach der alte Hauptzehnt durch die Novelle des Jahres 1152 seinen ursprünglichen Charakter wesentlich eingebüsst; wir werden hieraus aber mit Bestimmtheit schliessen dürfen, dass seine Einführung in Norwegen hinter jenem Jahre um ein sehr Beträchtliches zurückliegen muss.

In durchaus anderer als der bisher geschilderten Gestalt tritt da- gegen der Hauptzehnt in dem Rechte von Vfkin und in dem Rechte der Hochlande auf; aber leider sind die Bestimmungen beider Rechts- bücher so überaus dürftig, dass sie ohne die Zuhülfename anderweitiger Nachrichten kaum recht verstanden werden können.

13. BpL. , I, §. 11: Nv er huer maSr skyldr at gera tiund, sa er fiar ma efla bseäe hafu& tiund oc avaxstar tiund, oc skifta i fiora sta5e. A biskup fior&ong, annan heraz prestr, l>ri§ia a kirkia, hinn fioröa boendr sialvir. Ef maör vill seigi gera havu5 tiund sina, pa skall biskups armaör gera honum fiogura manoör stefnu; ef han vill aeigi )>a gera tiund, l>a er hann ssekr morkum 3; gera honom aära 4 manoör stsefnu; ef hann sitr um )>a. sseckr 3 morkum; gera honom hina 3 fiogura mano5r stsefnu; ef han sitr um )>a, saeckr 3 morkum, oc ero ta 9 merkr* Nv skall gera honom manoör stsefnu, en ef han hsefir )>a seigi loket tiund sina, )>a hssfir han firer gort fe oc friöi, lande oc lausum oejri; fare a land haei&it, t>o vil han seigi kristin uera. A biskup af fe hans tili triggia marka, konongr 'jpsdt sem auk er. Maör vill seigi gera avagstar tiund, u. s. w.^)

1) Ebenso B)>L., II, §. 22, und UI, §. 17^ ebenso aber auch der neuere B]»Kr B., §. 1.

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14. Et>L., I, §. 48: En haasr manna, sem gort hefir akr üvDnd sina oc houu6 tiunnd, t>aBir asigu seigi at gialla legrkaup.^)

15. ebenda, I, §. 32: £n tiund skal a akre gera, oc skifta i fiora luti ; skal biskup taka )>ri5iuDg (al. fior5ong), kirkia annftn, prestr hinn t>ri5ia, fatoeker menn hinn fioröa, oc fare bcBndr eialfer msdh pseirra lut, oc skipti sem bann vill suara firi gu6i, u. s. w.^)

16. Norges gamle Love, I, S. 462: En allser hafua >SBt hoeyrt, at tiundir ero bodnar at gera fra vpphafue hseimssens, af allum rettom afla pseim sem gud gefuer mannenom» Nu vilium ver ok sua gera sem godr konongser hafua gort firir oss, vilium ver giserna god doeme af l>8Bim taka, bidia ok bioda allum mannum i Hamars biskups riki, at gere menn tiunder sinar vsel ok ret- legha af allzkonar saede, af fiski ok fjgli, sva ok hafuudtiund, iarn tiund ok skinna tiund, ok af allum vseidskapp, ok af allu >ui sem ^er vilir nytt af taka.

17. ebenda, JI, S. 336: Item ollum l>eim howdh l>iond bcBr ath goera, oc wgiort hafua, saatr ek 4 manadha stempno bona ath luka sedr swara eftir laghum. Item ollum l>eim sem adhrar laghar tiundar eigha ath goera, oc wgiort hafua, oc l>et sama vm Olafskott, saetr ek 3 amynningar, u. s. w.

Man sieht, die Borgart>ingslög gebieten ganz gleichmässig die Ent- richtung des Hauptzehnts und des Ertragszehnts, und sie belegen die Nichtentrichtung beider ganz gleichmässig mit Strafen; die Ei&sifat>ingslög dagegen erwähnen zwar an der Stelle, an welcher sie ganz vorzugsweise von der Zehntlast handeln, lediglich des Ackerzehnts, aber sie bezeichnen doch die Entrichtung beider Zehntgattungen zusammen als den Rechts- titel, welcher von der Bezahlung des vordem üblich gewesenen Grab- kaufes befreie, und scheinen demnach auch ihrerseits den Hauptzehnt ebensogut wie den Ertragszehnt als eine erzwingbare Leistung behandeln zu wollen. Freilich war diese Erzwingbarkeit hier wie dort wohl zu- nächst noch eine nur relative, indem man noch mit denjenigen Nachsicht

1) Das Wort ,Mgi'* fehlt aUerdings in der Handschrift, aber es wird durch den Sinn gefordert und steht richtig in E]>L. II, §. 87.

2) Ebenso E)>L., II, §. 28.

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geübt zu haben scheint, welche in älterer Weise ihre Sportein und Reichnisse an den Bischof und Priester entrichteten, dagegen aber den neueingeführten Zehnt zu entrichten sich weigerten; indessen war diese Nachsicht doch sicherlich nur als ein vorübergehendes Zugeständniss gemeint, welches den Uebergang von dem älteren Systeme der Dotirung des Klerus zum neueren erleichtern sollte, und hiemit mag denn auch die Unsicherheit zusammenhängen, mit welcher die zugelassene Alternative in beiden Bechtsbüchern besprochen wird. Ausdrücklich sagen aber die Borgar)>ingslög, dass der Hauptzehnt derselben Viertheilung unterliege wie der Ertragszehnt, und dasselbe dürfen wir wohl auch für die Ei&sifa- )>ing8lög als stillschweigend vorausgesetzt annemen; weder hier noch dort finden wir dagegen die geringste Andeutung darüber, unter welcher Voraussetzung und in welchem Zeitpunkte der Hauptzehnt zu entrichten war, während doch die Natur der Sache mit sich bringt, dass derselbe nicht, wie der Ertragszehnt, von Jahr zu Jahr gefordert und entrichtet werden konnte. Sehr bestimmt deuten ferner die Worte beider Rechts- bücher darauf hin, dass die Kirche die Entrichtung des Hauptzehnts neben der des Ertragszehntes beanspruchte , und auch noch in einer Verordnung, welche König Häkon gamli am 6. Juni 1263 an die Be- wohner des Bisthumes Hamar erliess (nr. 16), wird der Hauptzehnt mitten unter die verschiedenen Arten des Ertragszehntes eingereiht, und seine Entrichtung neben der dieses letzteren eingeschärft. Man darf demnach nicht, wie Munch diess versucht hat,^) die Vorschriften unserer Rechtsbücher dahin umdeuten, als wolle durch dieselben die Entrichtung des Hauptzehnts nur für diejenigen Gegenden geboten werden, in welchen der Ertragszehnt noch nicht durchgedrungen sei ; aber aller- dings ist zuzugeben, dass das norwegische Zebntrecht sich mit der Zeit in der von Munch bezeichneten Weise entwickelt hat, und zuzugeben wohl auch, dass diese Entwicklung in der Geschichte beider Zehntgat- tungen vollkommen begründet gewesen sein mag. Es ist nicht zu übersehen, dass die Borgarl>ing8lög zwar beide Gattungen des Zehnts ganz gleichmässig als erzwingbare Leistungen behandeln, aber doch im

1) Det norske Folks Historie, U, S. 629 , Aom. 4.

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Falle der Nichtentrichtung bei beiden ein durchaus verschiedenes Ver- fahren eingehalten wissen wollen. Wird der Ertragszehnt nicht gezahlt, so erhält der Säumige den Auftrag, binnen 5 Tagen seiner Verpflichtung nachzukommen, und verfällt einer Busse von 6 aurar, wenn er diess unterlässt; bei fortgesetzter Saumsal wird aber das gleiche Verfahren lediglich widerholt, und so lange fortgesetzt, bis der Säumige endlich der immer widerkehrenden Busse von 6 Unzen überdrüssig wird. Wird dagegen der Hauptzehnt nicht gegeben, so erhält der Säumige eine Zahlfrist von 4 Monaten, und hat 3 Mark zu bezahlen WBnn er sie nicht einhält; noch zweimal wird sodann bei fortgesetztem Trotze die Vorsteckung der gleichen Frist und die Verfallung in die gleiche Busse widerholt, hat aber der Säumige erst seine 9 Mark verwirkt, so erhält er noch eine letzte Frist von nur einem Monate, und wenn er auch diese unbenutzt verstreichen lässt, so verfällt er der Acht in ihrer strengsten Gestalt, „und er gehe in ein heidnisches Land, wenn er doch kein Christ sein will". Es ist kaum glaublich , dass man die Nicht- entrichtung des einen und des anderen Zehntes mit so durchaus ver- schiedenen Strafen bedroht hätte, wenn beide zu gleicher Zeit eingeführt worden wären, und andererseits lässt die Härte und Alterthümlichkeit der Rechtsnachtheile, mit welchen die Nichtentrichtung des Hauptzehntes verbunden ist, mit ziemlicher Bestimmtheit darauf schliessen, dass gerade er der ältere gewesen sein werde. Man hätte unter dieser V^oraussetzung anzunemen, dass der Hauptzehnt in Vlkin und den Hochlanden bereits neben den älteren Einkünften des Klerus aus Sportein und sonstigen Beisteuern hergebracht gewesen sei, ehe noch der Ertragszehnt einge- führt worden war, und dass dann hinterher, als dieser letztere aufkam, vom Klerus zunächst der Versuch gemacht worden sei, denselben neben diesem letzteren aufrecht zu erhalten, also seinen Verzicht lediglich auf die Stolgebühren u. dgl. zu beschränken, während allerdings dieser Ver- such, von dessen Anstellung unsere Bechtsbücher Zeugniss geben, wie sich unten zeigen wird, schliesslich mislang^ und somit der Hauptzehnt nur in denjenigen Gegenden neben den Stoigebühren u. s^ w. erhalten blieb, in welchen der Ertragszehnt keinen festen Fuss zu gewinnen wusste, während derselbe im Uebrigen diesem letzteren Platz machte/ Das neuere Christenrecht, welches König Magnus lagabsetir im Jahre 1268

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für die Landschaft Vikin zu Stande brachte, behält noch die auf den Hauptzehnt und Ertragszehnt bezügliche Vorschrift des älteren wort- wörtlich bei, und lässt demnach beide Arten des Zehnts noch frischweg neben einander entrichten. Auch in den Zusätzen zu diesem Christen- rechte, welche eine vereinzelte Handschrift uns bietet, wird der Haupt- zehnt noch als ein zwangsweise einzutreibender neben dem Ertragszehnt genannt fnr. 1 7). Aber bereits mit dem Jahre 1277 tratt eine Wendung in der Geschichte des Zehntwesens ein, welche auch für Vfkin und die Hochlande dem Hauptzehnte als einer legalen Last wesentlich ein Ende machte, eine Wendung, welche weiter unten noch des Näheren zu besprechen sein wird.

Die weitere Fortentwicklung des Hauptzehnts im norwegischen Hechte knüpft wesentlich an diejenige Gestaltung desselben an, welche ihm die Novelle des Jahres 1152 verschafift hatte. Wir haben oben bereits gesehen, wie König Häkon der Alte im Jahre 1224 diese Novelle für Vikin^ und vielleicht auch für die Hochlande mit Gesetzeskraft be- kleiden liess(nr. 12), und es ist kaum begreiflich, was diese Einführung der Dispositionsfreiheit bezüglich eines Zehntels vom ererbten und eines Viertels vom wohlgewonnenen Gute für beide Landschaften bedeuten sollte, wenn man nicht voraussetzen will, dass der König den Hauptzehnt als eine legale Last derselben nicht mehr gelten lassen wollte. Wenn ferner zwar das Christenrecht des König Magnus lagabsetir für das Borgarping noch die Bestimmungen des älteren Rechtsbuches für diese Landschaft widerholt, so sahen wir doch bereits die ersten Anfänge der gemeinrechtlichen Legislation dieses Königs an das System der Frosta« t^ingslög sich anschliessen. Jenes Christenrecht, welches fälschlich den Namen König Sverrir's trägt, aller Wahrscheinlichkeit nach aber unter König Magnus in den Jahren 1269- 71 entstanden ist,^) hat zwei auf den Hauptzehnt bezügliche Stellen derFr)>L. in sich aufgenommen, und eine dritte ist in jenes für Island bestimmte Rechtsbuch des genannten Königs übergegangen, welches derselbe im Jahre 1271 nach der Insel hinüberschickte, und welches anter dem Namen der Jarnsiäa bekannt

1) Tgl. meinen Anfsats über dieiea Beohtsbnoh in Bart8oh*8 Germanistiaoh^ Stadien, I, S. 67—76.

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ist; uugleich bestimmter noch tritt aber die gleiche Richtung in den späteren gesetzgeberischen Producten des Königs hervor, also in dessen gemeinem Landrechte und Stadtrechte für Norwegen, sowie in der von ihm für Island bestijimten Jönsbök.

18. Landslög, Erf5atal, §. 12: {»at er nu l>ui nest, at engl ma gefa arf vndan a6rum vttan loggiafir; uelakaup skal at uettugi hafa; engi skal aörum arfsuik gera.^)

19. ebenda, § 21: Nv skal ^2ßr giafer telia, er halldazt skolu. ^aer giafir skolu halldazt, er konongr gefr oss e5a ver honum. Huar maär ma oc gefa fioröungs giof af >ui fe er hann hefir aflat, baeäe i lande oc lausum oejri, huerium er hann uil, bornum sinum skilgetnum sem aärum monnum, einu ef t>at uil hann. En tiundar giof af t>ui fe er hann hefir at erfdom tekit b8e5e i lande oc lausum oejri, po at hann spyri ecki erfingia at, huart sem hann er heil eäa siukr. En t>ar skal fjrst af lukazt tiundar giof oc fioröungs giof, ef ma5r gefr gu5i firir sal sina, huerium manni er hann gefr loggiof sina.^)

20. ebenda, Landabrigöi^ §. 7: O&als iaröer l>8Br allar, er konor erfa eptir born sin, eöa konum er gefit i tilgiof, eäa menn gefa i tiundar giof, e&a afiaga gengr vndan monnum, l>ar skal alldri fyrnska a falla^ meöan skilrik vitni eru til ; )>a ma sa oöalsmabr, er bo5i er nester, brig5 hefia, oc soekia til lausnar )>egar hann uil, eptir pui sem logbok uattar.

Ohne dass dabei zwischen Vergabungen auf den Todesfall und unter Lebenden unterschieden würde, erscheint demnach auch jetzt noch jede Verfügung als verboten, welcher eine über das gesetzlich festgestellte Mass hinausgreifenc^e Benacbtheiligung des geborenen Erben zu Grunde liegt, und selbst die Einkleidung der Zuwendung in die Form eines onerosen Geschäftes soll einer solchen nicht aufhelfen. Bei der Auf-

1) Kbenso das neuere Stadtrecht, Erfd'atal, §. 12; die Jonsbok, Erfd'atal, §• 18, sagt nar statt löggjafir: (ser gjafir, sem sid'ar skilr.

2) Ebenso im neueren Stadtrechte, Erfd'atal, §. 22, dann Jonsbok, Erfd'atal, §. 28, nur dass hier nach den Worten „ed'a vcr gefum bonum*\ ein längerer, dem älteren isländischen Rechte entnommener Zusatz eingeschaltet wird, der übrigens nichts bieher Gehöriges enthält, und im Uebrigen ein paarmal erläuternde Worte beigefügt werden.

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Zählung aber derjenigen Vergabungen, welche auenamsweise rechtsgültig sein sollen, ohne dass dabei die Zustimmung des geborenen Erben er- forderlich wäre, ist aüsserlich eine oben besprochene Stelle der G^L. massgebend gewesen (nr. 7), jedoch so dass dieselbe ihrem Inhalte nacb aus der Novelle von 1152 emendirt wurde. Als gesetzlich erlaubte Vergabung (löggjöf) erscheint hiernach, von einem hieher nicht gehörigen Falle abgesehen, die Vergabung des zehnten Theiles von allem ererbten Vermögen (tiundargjöf), und des vierten Theiles von allem wohlgewonnenen Gute (fjöröüngsgjöf). Dabei kommt Nichts darauf an, ob es sich um Land oder um Fahrhabe handle, nur dass selbstverständlich, soweit Stammgut (oöal) in Frage ist, dem geborenen Stammgutsfolger dessen Einlösung vorbehalten bleibt; Letzteres eine Bestimmung, welche deutlich zeigt, dass der Begrifif des Erbgutes ungleich weiter reicht als der des Stammgutes, wie derselbe denn auch auf Island eingeführt wurde, wo es doch keine Stammgüter gab, und in der Jonsbök das wohlgewonnene Gut ausdrücklich als dasjenige bezeichnet wird, „sem honum hefir aflazt svä at meira er en hann hefr at erföum tekit^^ Ebensowenig kommt darauf an, ob der Verfügende zur Zeit seiner Verfügung krank oder gesund war, wenn er nur, wie die Jonsbök ausdrücklich beifügt („ef hann maelir af viti^') und in den übrigen Stellen stillschweigend voraus- gesetzt wird, in jenem Zeitpunkte bei vollem Verstände war. Endlich soll auch das keinen Unterschied machen, ob der Verfügende seine eigenen Verwandten, fremde Personen oder fromme Stiftungen bedenke, nur dass Zuwendungen der letztgenannten Art stets vor allen anderen ent- richtet werden sollten, sodass also, wenn das Vermögen des Vergabenden oder dessen seiner freien Verfügung unterliegender Theil zur Ausrichtung aller von ihm getroffenen Verfügungen nicht zureichen wollte, doch jedenfalls die Kirche das ihr Zugedachte unverkürzt erhalten sollte. Sehr abweichend von den bisher erörterten Regeln lauten nun allerdings die Grundsätze, welche das Christenrecht aufstellt, das Erzbischof Jon um das Jahr 1273 zu Stande brachte, und welches dann auch in wenig überarbeiteter Form dessen Suffraganbischof Arni im Jahre 1275 für Island zur Geltung zu bringen versuchte.^) Unter Bezugname auf das

1) Jons KrR. §.15—16 (Norges gamle Love, II, S. 349— 50, wo aber der Text nach Anm. SO zu ergänzen ist); Ar na KrR., cap. 9 10, S. 50 60. Abh. d. I. Cl d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 32

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allgemeine Recht der Christenheit, wie solches im göttlichen Rechte von den heiligen Vätern gesetzt, und nicht minder im weltlichen Rechte von den Kaisern und Königen anerkannt sei, wird hier der Satz aus- gesprochen, dass der letzte Wille eines Jeden frei und aufrecht zu er* halten sei, und dass darum der letztwilligen Erklärung dieses Willens, welche man „testamentum^^ nenne, ihre volle Wirksamkeit belassen werden müsse, auf dass nicht die Seele des Verfügenden, für welche dieser durch milde Gaben zu sorgen bemüht gewesen sei, um diesen ihren Gewinn betrogen werde. Demgemäss sei mit Zustimmung des Königs Magnus, der Bischöfe und der übrigen verständigsten Männer im Reiche vom Erzbischofe verordnet worden, dass jede Verfügung rechts- gültig sein solle, welche Jemand in seinen letzten Tagen treffe, falls diess nur im Beisein von 2 3 glaubhaften Zeugen, und wo möglich vor dem Priester geschehe; die gesetzlichen Erben aber sollen gehalten sein, dieselbe binnen Jahresfrist auszuführen, widrigenfalls sie vom Bischöfe, und zwar wenn nöthig unter Androhung der schärfsten Zwangs- mittel, hiezu gezwungen werden sollen« Doch sollen von der Testaments- errichtung diejenigen Leute ausgeschlossen sein, welche ihres eigenen Willens nicht mächtig* sind, also die Unfreien und Geisteskranken, sowie auch die Tauben und Stummen; ebenso die Minderjährigen und die Haussöhne, soweit nicht diesen letzteren neben dem Unterhalte, welchen sie aus ihrem väterlichen Hause beziehen , noch ein weiterer, eigener Erwe;?b zu Gebote steht; endlich auch die Klosterleute, als welche auf alles Eigenthum durch ihren Eintritt ins Kloster verzichtet haben. Von diesen Ausnamen abgesehen sollen aber alle anderen Personen zu letzt- willigen Verfügungen über ihr gesammtes Gut befugt sein, gleichviel ob sie dabei die Form des Hauptzehntes wählen oder nicht, ob sie femer Kirchen und Klöster bedenken wollen, oder die Armen, oder ihre eigenen Verwandten,^) nur mit einer nicht unwesentlichen Beschränkung za Gunsten der geborenen Erben, welche sich mit Rücksicht auf die Nähe ihrer Verwandtschaft mit dem Erblasser etwas verschieden gestaltet»

1) „En allir ad'rir frjälsir menn ok fulltid'a, vits vitandi, mega prera skipan fyrir ser ä sid'antum dögnm af ölla sfnu godsi, hvart sem bann vil gera ed'r gefa böfod'tiaDd sina, ed'r annars- kostar vil hann skipta med' kirkjum, klaustram, freendum ed'r fätsekum mönuum".

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Hat dieser nämlich mindestens 5 ehelich geborene Kinder, so soll er nur über die Hälfte, hat er weniger als 5, nur über zwei Drittel, hat er gar keine ehelichen Kinder, nur über drei Viertel seines Vermögens verfügen dürfen, wogegen er im ersten Falle die Hälfte, im zweiten ein Drittel, im letzten aber ein Viertel ungeschmählert den geborenen Erben hinterlassen muss. Man sieht, die Bestimmung ist, wie sie ja selber andeutet, ihren wesentlichsten Theilen nach theils dem kanonischen, theils dem römischen Rechte entlehnt. Die Freiheit der letztwilligen Verfügungen ist im kanonischen Rechte bekanntlich nicht minder kate- gorisch gewahrt als im römischen.^) Die Testamentserrichtung vordem Pfarrer und 2 3 Zeugen, oder nöthigenfalls sogar vor den letzteren allein, erklärt das kanonischeRecht bereits für ausreichend,^) und ebenso trägt dasselbe dem Bischöfe die Fürsorge für den Vollzug der Testamente auf, wenn die Legalerben ihrerseits nicht binnen Jahresfrist dieselben ausrichten würden ;^) selbst die Excommunication droht dasselbe bereits den beharrlich Säumigen an. ^) Die Gründe, welche von der testa- mentifactio ausschliessen , sind beiden Rechten gemeinsam entnommen, und mag wegen der Unfreien auf das kanonische Recht , ^) wegen des filiusfamilias und des impubes, dann auch des furiosus, mutus und surdus auf das römische Recht verwiesen werden, dessen Vorschriften freilich nicht in allen ihren Einzelnheiten mit den oben angeführten übereinstimmen;^) bezüglich der Klosterleute aber mögen beide Rechte gleichmässig benützt worden sein.*^) Die Bestimmungen endlich über die Pfiichttheilsberechtigung sind vollständig dem römischen Rechte ent- nommen,^) nur dass dabei das ältere Mass eines Viertels des Nachlasses, welches die hier massgebende Novelle beseitigt hatte, für die entferntere

1) vgl. can- 4 Gaus. XIII, qu. 2; dann can. 14 Gaus. XVI, qu. 1, sowie X de testamentis et ultixnis volnntatibus (8, 26).

2) cap. 10 und 11 X de testam. 8) cap. 8 und 6, ibid.

4) can. 9—10 Gaus. XIII, qu. 2.

5) can. 5, ibid.

6) pr. und §. 1, dann §. 8 J., 11, 12; vgl. L. 8, §. 1, und L. 4 God. qui testam. faoere possunt (6, 22); ferner L. 9 und 10 cit.

7) Nov. 76, pr.; cap. 6 X de statu monachorum (8, 85). -8) Nov. 18, cap. 1.

32*

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Verwandtschaft eingestellt wurde, welche nach römischem Rechte über- haupt keiner Pflichttheilsberechtigung genoss. An das ältere norwegische Recht erinnert dem gegenüber eigentlich nur der Name des Hauptzehntes; aber gerade dieser wird nur in ganz beiläufiger und ziemlich undeutlicher Weise genannt. Da er auch hier wider, wie im älteren isländischen Rechte, anderen Zuwendungen an die Kirche gegenübergestellt wird, lässt sich wohl annemen, dass sowohl das Mass der Zuwendung als auch die alte Viertheilung derselben nach wie vor im Gebrauch geblieben sei; zugleich aber legt eine anderweitige Stelle der angeführten Christen rechte die Vermuthung nahe, dass der Hauptzehnt sowohl als andere, änliche Vergabungen ganz allgemein zu Gunsten des Seelenheiles von Versterbenden gegeben worden seien. ^) Diese Stelle hält nämlich an der strengen Aufifassung des älteren kanonischen Rechtes insoweit fest, als sie jedes Fordern eines Grabkaufes oder einer Bezahlung für die geistlichen Ver* richtungen bei einem Begräbnisse für unzulässig erklärt; aber sie bemerkt doch zugleich, dass eine gute, alte Gewohnheit die Entrichtung von Seelgaben bei Todesfällen fordere, und weist den Bischof an, wo solche etwa nicht freiwillig gegeben werden würden , sie zwangsweise einza* treiben. Man suchte also, ganz wie diess ein paar päpstliche Decretalen thun,^) die Entrichtung derartiger Seelgaben als eine Art von Schuldigkeit zu behandeln, obwohl man, um den Vorwurf der Simonie zu vermeiden, jede Bezahlung von Sportein für geistliche Verrichtungen reprobiren musste, und durch eine Reihe geschichtlicher Vorkommnisse wird dieser Standpunkt des Klerus noch des Näheren erläutert. Auf Island kam es im Jahre 1 308 zu einem heftigen Streite zwischen dem Pfarrer zu Baegisa und dem Kloster zu Münkat>verä, weil der erstere die Seelgaben in An-

1) Jons KrR., §. 16, S. 351—2: Engi xnad'r skall meta kavpi Isegh att kirkiu, ed'a liksongb, oc huarke skall duselia firir (at, >o at seighi se salogiafr gemfnar firi hinum daud'a. £n firir (ui, at (at er huteruetna hattr god'ra kristinna xnanDa at geua nokot tili kirkna ed'a kennemonnum tili bcBnahaldz firir (teim sem fraio ero farner af boeminum, ]^a a bysoup at (rysta (aeim sem sellig^r uilia vanrcekiazst, at pfera slikar aminningar, sem at forao heair her ifir gengit, )>ui at baarn god'an vana oc loflegann sid'uanda, sem menn uilia nid'r fella, vttan skynssemdar, (an sem tili kristins domsens kcemr, (a skall byscup (rcengia tili vphalda. Ebenso Arna KrR., cap. 11, S. 72—4.

2) cap. 13 X de sepult. (3, 28), cap. 42 X de simon. (5, 3).

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spruoh nam, welche gelegentlich der Beerdigung der in seine Pfarrei gehörigen Solveig Loptsdöttir an das letztere gegeben worden waren, auf dessen Kirchhof diese bestattet worden war; ^) in Norwegen aber ergaben sich aus änlichen Anlässen noch viel häufiger Zerwürfnisse zwischen dem Pfarrklerus und den Klöstern.^) Gegenüber der Regel, dass Jedermann auf dem Kirchhofe seiner Pfarrkirche zu bestatten sei, er habe sich denn nachweisbar selber einen anderen Begräbnissplatz gewählt,*) sah sich schon ein Statut Erzbischof Kylifs vom Jahre 1320, dann wider ein solches Erzbischof Pals aus den Jahren 1336 46 zu scharfem Einschreiten wider diejenigen veranlasst, welche aus Habsucht Leute zu einer derartigen Wahl zu bestimmen suchten;^) wenn aber zwar dem gemeinen kanonischen Rechte gleichfalls derartige Bestimmungen keineswegs fremd sind,^) so zeigen sie doch immerhin, wie fest begründet auch in Norwegen der Gebrauch, bei Beerdigungen Seelgaben zu ent- richten, und wie gross das pecuniäre Interesse war, welches sich für den Klerus an deren Entrichtung knüpfte. So haben demnach die beiden Christenrechte der Lehre von den letztwilligen Verfügungen eine Grundlage gegeben, welche von der des älteren norwegischen und is- ländischen Rechtes nicht nur, sondern auch der neueren Gesetzgebung des König Magnus vollständig abweicht, und es kann demnach nicht auffallen, wenn in Folge dessen zunächst eine sehr fühlbare Verwirrung auf diesem Gebiete einriss. . Es mag hier dahingestellt bleiben, mit welchem Rechte der Erzbischof sowohl als Bischof Arni sich für die Neuerung auf die ausdrückliche Zustimmung des Königs und Reichstags berief, und soll nur im Vorbeigehen bemerkt werden, dass für eine Be- mängelung der Angabe um so weniger ein Grund vorzuliegen scheint, als bereits der, freilich nicht zum Vollzug gekommene, Bergener Ver- gleich von 1273 ausdrücklich die „causae testamentorum , maxime cum agitur de legatis ecclesiis et piis locis et religiosis^^, der kirchlichen

1) Laurentius bps. 8., cap. 21—22, S. 812—14.

2) Lange, de norske Elostres Historie, S. 100—101 (ed. 2) und öfter, giebt hiefür zahlreiche Belege.

3) Jons KrR., §. 16, S. 351; Arna Kr R., cap. 11, S. 70— 72.

4) Norges gamle Love, III, S. 259—60, und 291.

5) vgl. z. B. cap. 10 X de sepult. (3, 28); cap. 2 Clem. de sepult. (3, 7).

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Jurisdiction anheimgiebt , ^) der Tünsberger Vergleich von 1277 dieses Zugeständniss mit denselben Worten widerbolt,^) und selbst fär das Ghristenrecht Erzbischof Jons als solches eine königliche Grenemigung damals ertheilt worden zu sein scheint.^) Gewiss ist aber jedenfalls, dass sich sehr bald eine erbitterte Reaction gegen die überhandnemenden Uebergriffe der geistlichen Gewalt erhob, und dass diese Reaction auch hin- sichtlich der Seelgaben ihre Wirkungen äusserte. Unmittelbar nach des König Magnus Tod (1280) wurde bekanntlich der Tünsberger Vergleich weltlicherseits umgestossen, und den beiden geistlicherseits erlassenen €hristenrechten alle Gültigkeit abgesprochen. Für Norwegen kehrt so- fort eine Verordnung des Königs Eirikr Magnüsson, welche um das Jahr 1280 erlassen wurde, dann eine Verordnung des König Hakon Magnussen, welche dem Jahre 1308 oder 1309 angehört, wider sehr bestimmt zu den Vorschriften des gemeinen Landrechtes über die Ver- gabungen zurück.

21. Norges gamle Love, III, S. 6, §. 11: Sua er oc skipat, ef eigi eru anefndar loggiafir, oc gefr ma5r )>o ymisum monnum a5rar giafir, l>a skolu l>aBr halldazt he5an af t»ar til er ^r era iamfnar ui5 fior&ungs giof oc tiundar giof ; en ef meira er gefit, t>a sker5izt firir huerium , sem tala rennr til , eptr fear magne, vttan salogiafir. §. 12: {»ser giafir skolu oc halldazt, er ma&r gefr heill oc usiukr, sva at uitni uitu, oc afhendir ser, sua >o, at skynsamum monnum vir&izt eigi til arfsuika.

22. ebenda, S. 82: Skipanar pser, er menn gera a si5astum dagum sinum, huart sem gera kirkium, e5a klaustrum, e5a aörum^ skolu eigi framar halLJazt en logbok uattar; S. 84: Firirboöit er ok nokorskyns manni af gefa firir kirkiu groft, barnskirn, olean, likam uars herra , e§a l>ui lika andliga luti , nema meh goduilia uili gort hafa, l>ui at prestar eru skjlldir at ueita monnum l>uilika luti orkeypis, vttan l>eir geri kunnigt at j^ir beiöizt me5 skynsemd slikrar skylldu.

1) Norges gamle Love, 11, S. 458.

2) ebenda, S. 464; vgl. S. 470.

3) Siehe die Uebcrschrift des Christenrechtes, ebenda, S. 431; weitläufiger auf die Controversa einzugehen, ist nicht dieses Ortes.

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Die erste dieser beiden Verordnungen bestimmt in ihrem §. 11, dass Vergabungen, welcbe Jemand macht ohne sie ausdrücklich als löggjafir zu bezeichnen, dennoch bis zu eben dem Betrage aufrecht er- halten werden sollen, bis zu welchem die tiundargjöf und fjörSüngsgjöf reichen würde, wogegen im Falle der üeberschreitung dieses Betrages alle einzelnen Vergabungen einen verhältnissmässigen Abzug zu erleiden haben, mit alleiniger Ausname der Seelgaben; in ihrem §. 12 dagegen erklärt sie auch diejenigen Vergabungen für gültig, welche Jemand bei guter Gesundheit und unter sofortiger üebertragung des Besitzes ge- macht hat, vorausgesetzt nur, dass ein Zeugenbeweis hierüber erbracht werden kann, und dass nach dem Ausspruche verständiger Männer da- durch an den geborenen Erben kein Betrug verübt worden ist. Ver- fügungen der letzteren Art sollen demnach an keine Werthgrenze ge- bunden sein, aber dafür die sofortige üebertragung des actuellen Be- sitzes, sowie eine besondere Prüfung der Umstände voraussetzen, um die Abwesenheit jeder Gefährde festzustellen; Verfügungen der ersteren Art dagegen erfordern weder diese specielle Prüfung noch jene Besitz- übertragung, sind aber dafür nur innerhalb jener Werthgrenze zulässig. Bezüglich der Vergabungen unter Lebenden also wird der Dispositions- freiheit ein etwas weiterer Spielraum eingeräumt, als welchen ihr das gemeine Landrecht verstattet hatte; bezüglich der letztwilligen Verfüg- ungen dagegen, also gerade derjenigen, welche dem Klerus am Meisten am Herzen lagen, werden einfach die landrechtlichen Bestimmungen festgehalten. Die zweite Verordnung aber bestätigt nicht nur in noch gemesseneren Worten die Vorschriften des Landrechtes, und zwar mit besonderer Betonung ihrer Gültigkeit gegenüber der Kirche, sondern sie kehrt sich auch mit aller Schärfe gegen den von dieser unternommenen Versuch, die längst abgeschafften Stolgebühren unter einem anderen Namen wider zwangsweise beizutreiben. In gleicher Weise hält für Is- land die noch im letzten Regierungsjahre des König Magnus entworfene Jönsbök die Grundsätze des norwegischen Landrechtes über die Ver- gabungen fest, und gelegentlich der Verhandlungen, welche im Jahre 1281 am Allding über deren Anname geführt wurden, zählen gerade die Be- stimmungen „um testament'^ zu den Differenzpunkten, welche Seitens

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des Bischofes Ami zur Sprache gebracht werden , ^) ganz wie sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu den Artikeln gezählt hatten, über welche im Jahre 1275 keine Einigung zu erzielen gewesen war, als über die Anname des vom Bischöfe selbst verfassten Christenrechtes an demselben Alldinge verhandelt worden war. ^) Bekanntlich gelangte in Norwegen sowohl als auf Island der alte Streit der geistlichen und weltlichen Gewalt nie- malen zu einem rechtsförmlichen Austrage, und standen sich insbesondere bezüglich der Geltung der beiden geistlicherseits erlassenen Christen- rechte noch auf lange hinaus die beiderseitigen Auffassungen schnurstraks entgegen ; so sehen wir denn auch z. B. den Bischof Jon Halldorsson von Skälholt noch in einem Statute aus dem Jahre 1326 die kirchlichen Vorschriften über „testamenta l>au oll, sem sälugjafir mega kallast", als geltendes Recht behandeln^ ^) während andererseits noch das Gesetzbuch König Christians IV. von 1604 einfach die Bestimmungen des Landrechtes von 1274 festhält, ohne irgendwelcher Erweiterungen der Befugniss zur Errichtung liberaler Verfügungen zu gedenken,^) mit einziger Ausname der in der Verordnung von 1280 besprochenen Verfügungen unter Lebenden, die Praxis aber gerieth über diesem Conflicte in ein völlig principloses Schwanken, dessen Spuren sich in den Urkunden deutlich genug nachweisen lassen* Während in diesen nicht selten ganz den Bestimmungen des weltlichen Rechtes entsprechend einfache löggjafiPy sei es nun als tlundargjafir oder fj6r5üngsgjafir oder Beides zugleich verordnet^ und dabei sogar diese technischen Bezeichnungen ganz ebenso wie im Landrechte selbst gebraucht werden,^) sehen wir in einem anderen Falle zwischen dem „testamentum'', welches Jemand zu Gunsten der Kirche errichtet hat, und diesen löggjafir unterschieden, und unter jenem nur den Theil dieser letzteren verstanden, welcher zu frommen Zwecken bestimmt ist; und darum nach landrechtlicher Vorschrift vorab bezahlt

1) Arna bps 8., cap. 28, S. 718.

2) ebenda, cap U, S. 698.

3) abgedruckt bei Finn Jonsson, bist, eccles. Islandisc, II, S. 70.

4) Christian IV. norske Lovbog, Arveb., §. 22.

5) vfi^l. z. B. die Urkunden aus den Jahren 1331, 1332, 1347, 1354. 1374, 1413, 1462, 1499 im Diplom, norveg. I, nr. 218, S. 177. und nr. 426, S 323; II, nn 181, S. 1Ö4, nr. 285, S. 237, nr. 323, S. 204, nr. 843, S. 632, und nr. 1008, S. 741-2; VI, nr. 386, S. 420-1, u. dgl. m.

251

werden soU;^) in wider anderen, ebenfalls als Testamente bezeichneten letztwilligen Verfugungen aus dem Schlüsse des 13. oder Anfange des 14. Jahrhunderts finden wir lediglich Anordnungen zu Gunsten der Kirche getroffen, während jede Bezugname auf das weltliche Recht völlig fehlt, ^) oder es stehen auch wohl Vergabungen an einzelne Privatleute neben denen an Kirchen und Kleriker, ohne dass darum doch des Land- rechtes irgendwie Erwähnung geschähe.^) Nicht selten werden dabei Testamentsexecutoren ernannt, um den wirklichen Vollzug des letzten Willens zu sichern; unter den Zeugen aber, welche zu derartigen Ver- f&gungen beigezogen werden, figuriren hin und wider sogar Lögmänner, und es mag ja wohl sein, dass man gegen dieselben weltlicherseits Nichts einzuwenden hatte, solange nur die im Landrechte für die löggjafir vor- geschriebene Werthgrenze nicht überschritten wurde.

Aber während das gemeine Recht in Norwegen, von der Novelle des Jahres 1152 ausgehend, in angegebener Weise sich weiter entwickelte, hat auch der alte legale Hauptzehnt, wie er in Vikin und den Hoch- landen Jiergebracht war, seine eigene Geschichte gehabt. Oben wurde bereits bemerkt, dass dieser noch in dem Christenrechte des Borgarpinges von 1268 in früherer Weise besprochen wird, zugleich aber auch an- gedeutet, dass um das Jahr 1277 eine entscheidende Wendung in Bezug auf denselben stattfand; mit dieser hat es nun aber folgende Bewandtniss. Im Jahre 1277 wurde zu Tünsberg unter Mitwirkung des Episkopates eine Verordnung „vm tiunda geröir vm allan Noregh, vttan Hamars byscups doeme, oc Raumariki, oc Saelloeyar" erlassen, welche sofort in Erzbischof Jons Christenrecht eingeschaltet wurde, und in dieser Gestalt uns erhalten ist;^) dieselbe bespricht lediglich den Ertragszehnt in allen seinen Unterarten, schweigt dagegen völlig von dem Hauptzehnt, und scheint demnach diesen als legale Last für dasjenige Gebiet, für welches sie bestimmt ist, gänzlich fallen zu lassen. Andererseits liegt aber

1) So gelegentlich der Regelung der Verlassenscbaft des am Schlüsse des 13. Jahrhunderts verstorbenen Herrn Markus dylla; vgl. zumal nr. 41, S. 36 37, ebenda, IL

2) ebenda, II. nr. 24, S. 23-24; nr. 70, S. 61—2; nr. 77, S. 66-7; nr. 78, S. 67—8; nr. 94, S. 81.

3) ebenda, nr. 45, S. 40—41; nr. 75, S. 64—5; nr. 85, S. 74, u. dgL m.

4) Jons KrR., §. 19, 8. 354-55.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 33

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auch eine weitere Verordnung vor, welche am 22. September 1277, also nur wenige Wochen später als jene erstere, von Bergen aus an die Bewohner von Vikin und den Hochlanden erlassen wurde. In dieser wird eines Streites gedacht, welcher über die Zehntlast zwischen dem Klerus und dem Volke bestehe, und der König sucht diesen dadurch beizulegen, dass er beide Theile ermahnt, sich streng an das hergebrachte Recht zu halten, und zu demselben zurückzukehren, wo sie es irgend- wie überschritten haben ; bei dieser Gelegenheit bemerkt aber der König, dass ihm der Bischof selber versprochen habe^ alle Hauptzehnten oder sonst widerrechtlich erhobenen Zehnten in Zukunft fallen zu lassen, wenn dafür die rechtlich hergebrachten richtig bezahlt werden würden.^) Hier treten demnach allerdings die beiden Arten des Zehnts nebeneinander auf, aber nur als für einander vicariirende, soferne der Hauptzehnt nicht soll erhoben werden dürfen , wenn der Ertragszehnt gehörig entrichtet wird; ja der Zusammenhang, in welchem dieses Zugeständniss besprochen wird, scheint sogar anzudeuten, dass die gleichzeitige Erhebung beider Zehntgattungen schon vorher eine illegale gewesen ,- oder doch als eine illegale von den Bauern betrachtet worden war. Dabei ist nicht zu übersehen, dass diese zweite Verordnung wenn auch nicht ausschliesslich, so doch sehr .vorwiegend gerade an diejenigen Landestheile sich wendet, welche von jener ersteren, nur etwa um einen Monat früher erlassenen, nicht betrofiPen werden sollten; das Stift Hamar nämlich umfasste den weitaus grössten Theil der Hochlande, und dazu den Numadal, sowie den nordöstlichen Theil von [»elamörk, wogegen Raumariki, die Söleyjar und der Ueberrest von felamörk zum Stifte Oslo gehörte,^) sodass wirk- lich die gesammten Hochlande und ein Theil von Vikin von den Bestim- mungen jener ersteren Verordnung eximirt waren. Oflfenbar hatten die Verhandlungen, welche im Sommer des Jahres 1277 zu Tünsberg ge- pflogen wurden, und welche zum Abschlüsse des nach diesem Orte be- nannten Vergleiches führten, auch auf die Zehntlast sich erstreckt, und

1) Norges gamleLove, II, S. 4S4: En herra byskup iattade ose 1>ni mote, at hofaudtiander aller skulu nidr falla slett oo )»8er sffim vlogligbar ero, ef hinar ero maed godailia grseiddar.

2) Manch, Beskrivelse over Eongeriget Norge i Middelalderen , S. 12, 14, 182, und öfter vgl. auch Styffe, Skandinavien ander ünionstiden; S. 830, 887, and 840—41.

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sind jene beiden Verordnungen als deren Ergebniss zu betrachten, deren eine auf die regelmässige Einrichtung des Zehntwesens im Lande sich bezieht, während die andere Ausnamsbestimmungen hinsichtlich derjenigen Provinzen trifft, welche sich von dem altherkömmlichen Kechte des Borgart>inges und Ei5sifat>inges noch nicht losmachen konnten. In diesen letzteren Provinzen kam jedoch das Zehntwesen auch nach dem Erscheinen jener Verordnung noch nicht sofort in die gewünschte Ordnung. Wir haben noch eine, leider undatirte, Verordnung des König Magnus lagabaetir, welche an die Bauern des Stiftes Hamar gerichtet ist, und unter Andern bitter über deren Saumsal in Entrichtung ihres Zehntes klagt; ^) ja in einem Theile dieses Stiftes, im oberen Thelemarken nämlich, drang ^er Ertragszehnt überhaupt niemalen durch. Hier erhielt sich vielmehr nach wie vor das ältere System der Dotirung des Klerus, also die Bezahlung einer „reiöa" an den Bischof sowohl als an den Priester, sowie von be- stimmten Sportein für die einzelnen priesterlichen Functionen; daneben aber hatten die Bauern auch noch aus eigenen Mitteln für die gehörige Instandhaltung ihrer Kirchen zu sorgen, und überdiess einmal in ihrem Leben ihren Hauptzehnt zu entrichten, was regelmässig in dem Zeit- punkte zu geschehen pflegte, in welchem sich der einzelne Pflichtige zum ersten Male verheirathete. Durch eine Verordnung vom 19. Mai 1604 war der Betrag des Hauptzehntes für jene Landschaft noch auf ein Zehntel der Fahrhabe gesetzt worden; später aber wurde derselbe sehr reducirt, erhielt sich jedoch in dieser Gestalt bis in das gegen- wärtige Jahrhundert herein.^) Längere Zeit hindurch scheint übrigens der Hauptzehnt, was ich noch nirgends bemerkt gefunden habe, noch in ungleich weiterem Umfange in Geltung gewesen zu sein. Eine Ur- kunde zwar vom 2. December 1360, mittelst deren ein Canonicus von Hamar und Propst von Thelemarken einem Bauern und seiner Frau

1) Norges gamle Love, II, S. 4S6.

2) Tgl. Munch, det nonke Folks Historie, II, S. 629—80; Keys er, den norske Eirkes Historie ander Katholicismen, I, S. 443; zumal aber Fr. Brandt, Tingsretten, S. 1529 H. J. Wille, Beskrivelse over Sillejords Pnestegield i Oevre-Tellemarken (1786), S. 284; J. M. Land, Forsög til Beskrivelse over Oevre-Tellemarken (1786), S. 153 157, welcher letztere VerfasBer indessen bezeugt, dass zu seiner Zeit zumeist nur eine geringere Abfin- dungssumme gegeben wurde.

33*

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„vm hafwd tiund allse J>a ssem hoDom bor at gera j l>ria lutinse*', ab« quittirt,^) gehört in den Theil von Thelemarken , der auch später noch nm Hauptzehnte festhielt. Eine zweite Urkunde, welche Bischof Eysteinn Aslaksson von Oslo unterm 11. November 1395 an die Bauern desjenigen Theiles von Thelemarken ausgehen liess^ welche zu seinem Stifte gehörten,^) gehört wohl ebendahin, uud erwähnt überdiess nicht einmal des Haupt- zehntes, sondern nur des skattr und der reiöa, welche die Bauern da, wo kein Zehnt, d. h. Ertragszehnt, gezahlt werde, an ihren Bischof, dann der rei5a und der Stolgebühren, welche sie an ihren Pfarrer zu bezahlen haben, endlich auch, wiewohl nur ganz beiläufig, der ihnen obliegenden Verpflichtung, ihre Kirche in gutem Stande zu halten. Aber schon weiter führt eine vom 18. April 1447 datirte Urkunde, welche sich auf einen Streit bezieht, in welchen Bischof Jens zu Oslo mit Herrn Hartwig Krummedike, Befehlshaber auf Akershuus, und dessen Fraa über die Zahlung des bischöflichen Antheils an ihrem Hauptzehnt ge- rathen war,^) sowie eine solche vom 23. April 1448, mittelst deren der- selbe Bischof über die richtige Bezahlung dieses Hauptzehntes abquittirt.^) Nichts berechtigt uns anzunemen, dass der holsteinische Ritter, der allerdings durch seine Frau in Norwegen reich begütert war,^) gerade in dem entlegenen Thelemarken Besitzungen gehabt habe, obwohl aller- dings die Möglichkeit von dergleichen sich nicht schlechterdings ableugnen lässt; aber auch noch in ein paar Verzeichnissen über die Einkünfte des Akershuus Laen aus den Jahren 1557 58, dann 1560 61, welche T. H. Aschehoug herausgegeben hat^ wird noch des ,,Hovedtiende'* aus den Propsteien Gudbrandsdalen, Hadeland, Bahuus, Vik, Kraakstad, Oslo und Tune, dann Borgeejssel und Folie, sowie Romerike und Solör ge-

1) Diplom. Norveg., III. nr. 316, S. 254.

2) Manch und Unger, Oldnorsk Laesebog (1847), S. 133—86; vgl. Keyser, ang. 0., II, S. 426-29.

8) Diplom. Norveg. VI, nr. 607, S. 530 32; die entscheidenden Worte lauten: „om then deildh och parth howdhtiendhen, som forscrifnse herre biscopen bigeradhe j tin latth'^

4) ebenda, nr. 510, S. 584—35.

5) vgl. Key 8 er, ang. 0., II, S. 536— 87. Das Verzeichniss der Güter Hartwigs aus dem Jahre 1456, welches Berg in den Norske Samlinger, VI, S. 184—44, mittheilte, enthilt nicht« hieher Gehöriges.

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dacht , ^) also aus Bezirken , die sammt und sonders dem Borgart>inge oder Ei&8ifat>inge der älteren Zeit angehörten, aber doch über die Grenzen von Thelemarken , ja sogar Aber die Grenzen der im Jahre 1277 von der Geltung des Ertragszehnts als eines schlechthin gebotenen eximirten Landschaften weit hinausgiengen. ^) Es scheint eben in allen Theilen derjenigen Provinzen, in welchen der Hauptzehnt als eine legale Last hergebracht war, der Versuch gemacht worden zu sein, denselben nach wie vor in Geltung zu erhalten, sei es nun, dass die Bauern es vorzogen bei der Zahlung des Hauptzehnts, der rei5a für Bischof und Pfarrer, dann der Stolgebühren zu verbleiben, anstatt den Ertragszehnt zu über- nemen, wie diess im oberen Thelemarken der Fall war, oder dnss um- gekehrt der Klerus dahin arbeitete, den Hauptzehnt als eine legale Last neben dem Ertragszehnt aufrecht zu erhalten, wie er denn in den eben genannten Verzeichnissen wirklich noch neben dem gewöhnlichen Zehnt figurirt« Erst sehr allmälig scheint der Hauptzehnt in allen anderen Theilen Sudnorwegens verschwunden zu sein, während er in dem einzigen oberen Thelemarken sich behauptete.

Fasse ich nun zum Schlüsse das Ergebniss der bisherigen Unter- suchung über den norwegischen Hauptzehnt zusammen, so ist es fol- gendes. Keinem Zweifel kann unterliegen , dass der Hauptzehnt ^ wie diess denn auch schon von Anderen angenommen worden ist,^) in Nor- wegen älterer Entstehung ist als der Ertragszehnt; es spricht hieffir seine Erwähnung an einer Stelle der Gl>L., welche deren älterer Redaction angehören muss, die Eigenthümlichkeit des Verfahrens bei seiner Ein- treibung nach den Bl>L., die radicale Umgestaltung desselben endlich durch die Novelle des Jahres 1152, welche doch unzweifelhaft längere Bekanntschaft mit demselben voraussetzt. Dabei scheint der Hauptzehnt in Norwegen ursprünglich den Charakter einer legalen Last getragen

1) Norske Samlinger, I, S. 169—71, und 187—88.

2) Lagerbringr, Swea Rike« Historia, II, S. 250 und 251, Anm. 6 (1773), föhrt auf Grand älterer Aufzeichnungen an, dass auch in Bohas-Län, also einem Theile der alten Landschaft Vfkin, der Hauptzehnt noch in spater Zeit gelegentlich der Verehelichung entrichtet worden sei.

8) vgl. Keyser, ang. 0., I^ S. 160—61; Brandt, Tingsretten, S. 162, sowie in seinen Brudstykker af Forelesninger over den norske Retshistorie, I, S. 31.

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zu haben^ nicht den eines blosen Votivzebntes; es spricht hiefär, dass er diesen Charakter gerade in den beiden ältesten Christenrechten trigt, die uns erhalten sind, dass er an den Orten, an welchen er sich überhaupt forterhielt, als legale Last neben dem älteren Systeme der Dotation des Klerus fortbestand, während der Ertragszehnt daselbst keinen Eingang fand^ dass derselbe endlich da, wo er nur noch als freiwillig gegebener Zehnt auftritt, oder auch neben dem Ertragszehnte gefordert werden will, augenscheinlich als ein im Absterben begriffenes Institut sich darstellt. Es wird sich hiernach die auf den ersten Blick sehr scheinbare, und von mir selber früher aufgestellte Vermuthang nicht halten lassen, dass Hauptzehnt und Ertragszehnt als von Anfang an für einander vicariirende Institute zu betrachten seien. Von Island freilich w^issen wir, dass daselbst der legale Zinsfuss 10% betrug,^) und wenn man diesen Zinsfuss bei der Vergleichung der beiden Zehntgat- tungen zu Grunde legt, so ergiebt sich, dass sich beide vollkommen decken, indem der auf einmal gegebene Hauptzehnt auf den Empfänger ein Capital überträgt, aus dessen legaler Verzinsung genau dieselbe Rente fliesst, wie solche der aus dem ungeschmälerten Besitze des Gebers sich berechnende alljährliche Ertragszehnt abwirft. Von hier aus kann man denn allerdings auf die Idee verfallen , dass von Anfang an dem Einzelnen überlassen geblieben sein möge, ob er lieber nach allgemeinem Brauche der Christenheit Jahr für Jahr seinen Ertragszehnt entrichten, oder lieber durch einmaliges Reichen des Hauptzehntes sich ein für allemal von solcher Verpflichtung freikaufen wolle. Indessen wäre doch solche Anname nicht nur mit der oben festgestellten Thatsache schlechthin unvereinbar, dass der Hauptzehnt in Norwegen ungleich älteren Datums ist als der Ertragszehnt, sondern es fehlt auch sonst nicht an Einwänden gegen dieselbe. Vor Allem fehlt uns nämlich jeder Anhaltspunkt für die Behauptung, dass der zehnprocentige Zinsfuss in Norwegen jemals Anwendung gefunden habe. Unsere Rechtsbücher enthalten allerdings keine ausdrücklichen Vorschriften über denselben ; aber einzelne Angaben derselben weisen auf 12y2%,^) ja sogar auf 20^/o^) als das gesetzliche

1) Grägas, §. 221, S. 140 (ed. Finsen); Kaupab., cap. 1, S. 390 (ed. Arnam.).

2) G>L. §. 115.

8) Fr>L., XII, §. 2.

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Mass bei der Berechnung von Zinsen hin, womit selbstverständlich der obigen Vermuthung aller und jeder Boden entzogen ist. Ueberdiess würde sich mit dieser auch die andere Thatsache in keiner Weise ver- tragen, dass bereits in den nächsten Zeiten nach der Einfährung des Ertragszehnts der Hauptzehnt, wenn auch nur misbraöchlich , neben diesem erhoben werden wollte; ein solcher Versuch hätte unmöglich gemacht werden können, wenn wirklich nur wenige Jahrzehnte zuvor der Hauptzehnt als eine blose Ablösung des Ertragszehnts eingeführt worden wäre. Man könnte allenfalls versucht sein, neben den oben erwähnten noch ein paar weitere Momente für das höhere Alter des Hauptzehnts anzuführen. So zunächst ein paar vereinzelte Spuren, welche sich auf eine ältere Dreitheilung desselben beziehen lassen könnten. Eine Stelle im Rechtsbuche der Hochlande ist oben bereits besprochen worden , ^) an welcher eine einzelne Handschrift statt fjör&üng tri&jüng liest, und wenn dieselbe zwar so wie sie liegt vom Ertragszehnte handelt, so Hesse sich immerhin annemen, dass sie in einer älteren Textesgestaltung sich auf den Hauptzehnt bezogen haben könnte. Nicht minder geschah bereits einer Urkunde aus dem Jahre 1360 Erwähnung,^) welche von einem „gera höfu&tiund i Kjä hlutir" spricht. Endlich ist auch in dem gleichfalls bereits angeführten bischöflichen Erlasse vom Jahre 1395 von nur 3 Theilen des Zehnts die Rede, für welche die Bauern Ersatz zu bieten haben, wenn sie keinen Ertragszehnt entrichten wollen,^) und könnte man allenfalls auch hierinn eine Hindeutung auf eine ältere Dreitheilung des Zehntes erkennen. Nun wissen wir, dass bei den Angelsachsen wirklich die Dreitheilung des Zehntes galt,^) und konnte man demnach in jenen vereinzelten Spuren einen Beleg dafür finden wollen, dass der Hauptzehnt seine Einführung in Norwegen einer Zeit verdanke, in welcher daselbst noch der englische, und nicht der

1) siebe oben, S. 2SS, nr. 15; vgl. S. 231. Anm. 1.

2) vgl. oben, S. 254, Anm 1.

3) oben, S. 254, Anm. 2; die Worte lauten, ang. 0., S. 134: ok af 1>vi at h^r 4 [>elamörkinni bafa bosndr sik skilt at gera biskapi skatt a bveija äri ok rei^a, )>a bann ferr at ferma böm, ok presti reid'a fyrir tva hiati tinndar, ok Mdja balda uppi kirlgum sinam, >vl bjo^um Ter y^r böndum öllom, n. s. w.

4) iB^elred, YIII, §. 6 (ed. Scbmid); Excerpta Ecgberbti, §. 4 (ed. Thorpe, II» S. 98).

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deutsche Einfluss in kirchlichen Dingen der übermächtige gewesen sei« Indessen, so entschieden richtig das chronologische Ergebniss einer derartigen Folgerung wäre, so unstichhaltig müsste doch der Schluss genannt werden , welcher zu solchem geführt hätte. Wir wissen , dass in England jene Dreitheilung sowohl beim Zehnt als beiden Oblationen ^) in der Art geordnet war, dass die Kirche, der Priester und die Armen je ihren gleichen Antheil an demselben erhielten, wogegen der Bischof leer ausgieng, welcher anderwärts als der Vierte an dem Zehnte parti- cipirte , und wir wissen auch , dass diese eigenthümliche Disciplin der angelsächsischen Kirche auf einer Weisung beruhte, welche Papst Gregor der Grosse unterm 22, Juni 601 dem Bischof Augustinus ertheilte,*) und welche ihn dahin beschied, dass er als Mönch kein gesondertes Vermögen besitzen dürfe, und darum das vom Zehnte ihm als Bischof eigentlich gebührende Viertel nicht zu beziehen vermöge. An den sämmtlichen Stellen der norwegischen Quellen dagegen, welche man auf eine Dreitheilung des Zehnts zu beziehen versucht sein möchte, deutet Nichts auf eine solche Ausschliessung des Bischofes von der Theilname an demselben; bezüglich der angeführten beiden Urkunden liegt vielmehr nahe, die in denselben besprochenen 3 Zehnttheile auf die an ihn, dann an die Kirche und den Klerus abzuliefernden 3 Viertel zu beziehen, wie dies» die Urkunde von 1395 selbst andeutet^ und das Ausseransatzlassen des den Armen gehörigen Viertels daraus zu erklären, dass dieses nach norwegischem Hechte^) ebenso wie nach isländischem von den Bauern selbst in Empfang zu nemen und an die Armen zu vertheilen war, also recht wohl ausser Ansatz bleiben konnte, wenn es nur galt die zu kirchlichen Zwecken bestimmten Antheile ins Auge zu fassen, hinsichtlich der hiernach allein übrig bleibenden Stelle der EpL. dagegen ist oben bereits bemerkt worden , dass die Schreibung ,,l)ri5jüng" wohl nur auf einem Fehler des Schreibers der betreflfenden Handschrift beruhe. Eher wäre ich geneigt darinn einen Beleg für die ältere Entstehung des Ilaupt- zehnts zu erkennen, dass in einer, undatirten, Verordnung König Hdkons

1) Canon. Eäd gär., §. 56 (bei Thorpe, II, S. 266. not. 4).

2) Beda, hist. ecci. Angl.. I, cap. 27; vgl. can. 30 Gaus. 12, qu. 2.

3) B)>L, I, §. 11; II, §. 22; III, §. 17; El)L, I, §. 32; II, § 28.

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des Alten der wunderliche Satz sich ausgesprochen findet , ^) dass man durch die freudige Entrichtung des Zehnts sich das Anrecht auf den zehnten Theil deu Himmelreiches erkaufe, welcher dem Menschen bei seiner Erschaffung bestimmt gewesen, und dessen er hinterher durch des Teufels Verführung verlustig gegangen sei. Derselbe Satz kehrt auch in einer Verordnung des Königs Magnus lagabsBtir aus dem Jahre 1267 wider, welche jene erstere bestätigt,^) hier wie dort freilich auf den Ertragszehnt angewandt, auf den er doch kaum recht passen will. Unwillkürlich erinnert man sich bei demselben an jenen anderen Glauben, der zu Anfang des 11. Jahrhunderts auf Island verbreitet war, dass Jedermann, der eine Kirche baue, dadurch das Recht erkaufe, so viele Menschen mit sich in den Himmel zu bringen, als in der von ihm er- bauten Kirche stehen könnten,^; oder auch an das Versprechen, welches am Schlüsse des 10. Jahrhunderts Dankbrand dem Si5u-Hall gab, um ihn zur Anname der Taufe zu bestimmen, dass er den Erzengel Michael zum Schutzgeiste erhalten solle, welcher es verstehe, beim Abwägen der Sünden und der guten Werke der Abgeschiedenen die Wagschale zu Gunsten seiner guten Freunde niderzudrücken. ^) Zu der ersten Zeit nach der Bekehrung der Nordleute vollkommen passend, sind doch der- artige Erfindungen in späteren Jahren kaum noch zu erwarten^ und zumal dem Anfange des 12. Jahrhunderts, in welchen doch erst die Einführung des Ertragszehnts in Norwegen fallt, kaum noch zuzutrauen; um ein Jahrhundert früher mochte jene Angabe über die Gegenleistung, durch welche die Entrichtung des Zehntes vergolten wurde, demnach aufgekommen sein, und somit auch auf den Hauptzehnt, nicht den Er- tragszehnt am Anfange sich bezogen haben. Alles in Allem möchte

1) NorgesgamleLove, I, S. 469; die hieber gehörigen Worte lauten: „at hnser kristin madser a at gera rethlegha tiund sina af allum rettom afla (seim ssem gnd leer mannenom >ss8ee hsims, tili (ses at han skall tor med kaupsB ser hin tiand luten i himiriki er madrsan var i fyrstunni tili skapadaer, ok sidan i fra spsrdsBr med fiandsent a eggiann, ok er sa seell er )>st gerer med goduilia, en hin uessell er (st uanar.

2) ebenda, II, S. 463-4.

3) Eyrbyggja, cap. 49, S. 92; Auszug aus der Yfgastyrs s., cap. 8, S. 292—3.

4) So die Njala, cap. 101. S. 157, und kürzer die Eristni s., cap. 7 , S. 11—12, während der Bericht der Olafs s. Tryggvasonar, in den FMS., II, cap. 216, S. 198—200, und Flbk, I, S. 422—3 ganz yerwässert ist.

Abh. d. I. Gl. d. k, Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 34

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ich hiernach annemeD, dass der Hauptzehnt schon in zienalich früher Zeit, allenfalls durch die kirchenrechtliche Gesetzgebung des heil. Olafs (t 1030), als legale Last in Norwegen eingeführt worden sei; dass man ihn dann hinterher, als zu Anfang des 12. Jahrhunderts die Ent- richtung des Ertragszehnts geboten wurde, „nor5anfjalls'' als legale Last aufgegeben, und nur als eine freiwillig übernommene Seelgabe beibe- halten habe, wogegen „sunnanfjalls'^ der Klerus, Anfangs nicht ohne Erfolge den Versuch machte, denselben neben dem Ertragszehnt in früherer Weise beizubehalten, und somit nur die „rei&a" und die Stol- gebühren als Aequivalent für den letzteren fallen zu lassen; dass endlich dieser Versuch, der wohl jederzeit als eine widerrechtliche Be- drückung empfunden worden sein mochte, auch für diese Gegenden seit dem Jahre 1277 legislativ reprobirt war, und nach und nach aufgegeben werden musste, sodass also soweit nicht etwa in einzelnen Bezirken, wie im oberen Thelemarken, die Bauerschaft dem Ertragszehnt sich schlechterdings nicht unterwarf, und somit den Hauptzehnt neben reiöa und Stolgebühren nach wie vor fortzahlte, der Hauptzehnt vollständig durch den Ertragszehnt verdrängt wurde. Ob der Entwicklungsgang auf Island genau derselbe war, getraue ich mich nicht mit Bestimmtheit zu entscheiden ; wohl aber ist mir diess wahrscheinlich. Die Bezeichnung des grösseren Zehnts als solchen und nicht als Hauptzehnt, sowie die Verwendung desselben zum Sühnen einer innerhalb der relativ verbotenen Verwandtschaftsgrade eingegangenen Heirath lässt darauf schliessen, dass das Institut auf der Insel sich selbstständig ausgebildet, und nicht erst von Norwegen aus seinen Weg dahin genommen haben werde; ja selbst die Bestimmungen über den grösseren Zehnt, der als Seelgabe gegeben wird, verrathen nicht die mindeste Einwirkung der Novelle von 1152, während doch vor diesem Jahre eine Herübername norwegischer Ein- richtungen Seitens der isländischen Kirche keineswegs anzunemen sein dürfte. Nicht als Bruchstücke eines von Aussen her importirten fremden Rechtssystemes dürften demnach die unzusammenhängenden Satzungen des älteren isländischen Rechtes über den Capitalzehnt aufzufassen sein« sondern als einzelne Ueberreste eines einheimischen, ursprünglich in sich wohl abgeschlossenen Institutes, welches nur durch die hinterher erfolgte Einführung des trtragszehntes zersprengt und gebrochen wurde;

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dass dieser letztere auf Island nicht, wie anderwärts nur von dem wirk- lichen Ertrage, sondern auch von dem nur möglichen Ertrage gegeben wurde, durfte gerade aus jener früheren Bekanntschaft der Isländer mit einem Capitalzehnte sich vortrefifiich erklären.

in. Schweden.

Die Gescliichte des Zehntwesens in Schweden ist eine höchst eigen- thümliche, und muss dieselbe in ihrer älteren Gestaltung hier allseitig besprochen werden, wiewohl nur der geringste Theil der einschlägigen Bestimmungen mit dem Hauptzehnt in unmittelbarer Berührung steht. ^) Ich schicke dabei eine kurze Oebersicht über die Geschichte des Ertrags- zehntes voran.

Wann der Ertragszehnt in Schweden eingeführt wurde, lässt sich aus den Quellen nicht mit Bestimmtheit ersehen; indessen werden wir kaum irre gehen, wenn wir annemen, dass derselbe bereits in ziemlich früher Zeit daselbst bekannt geworden sei, was natürlich nicht aus- schliesst, dass noch auf lange hinaus dessen regelmässige Entrichtung auf gar mancherlei Hindernisse stiess. Wir besitzen ein Schreiben Papst Gregors VII. vom 24. October 1081, welches ein paar, nur mit ihren Initialen bezeichneten „regibus Visigothorum** bestimmt war;^) dasselbe beglückwünscht dieselben über die neuerdings erst erfolgte Bekehrung ihres Volkes, sckärft ihnen aber auch bereits die Entrichtung des Zehntes ein, und zwar mit der für uns nicht unwichtigen Bemerkung, dass der- selbe' den Bischöfen , Priestern , Kirchen und Armen zu Gute kommen soUe.^) Ein paar Schreiben Papst Alexanders III. vom 10. und 11. Sep-

1) vgl, Reuterdahl, Swenska kyrkans bistoria, II, 1, S. 240—44, und II, 2, S. 646. Die Abhandlungen von Bring, de decimis Cbristianorum, (Lund, 1754), und Porthan, historia decimarum ecclesiasticarum (Abo, 1796) blieben mir unzugänglich.

2) Diplom. Suecan., I, nr. 25, S. 41—2; wegen des Datums vgl. Jaffe, S. 488—9, und im Uebrigen Reuterdahl, ang. 0., I, S. 418—19. Man bezieht das Schreiben auf König fngi und Hallstein; vgl. übrigens bezüglich der gerade für diesen Zeitabschnitt sehr unzu- verlässigen schwedischen Eönigsreihen Reuterdahl, I, S. 857 9.

8) „Sacerdotibus, preecipueque Episcopis , reverentiam ac obedientiam, quasi patribus, procu- retis impendere; nee non et decimas, qusB ad usum tarn ipsorum, quam Ecolesiarum et pauperum proficiant, dare, totique regno indicare'*.

34*

262

tember 1171,^) dann ein undatirtes desselben Papstes, welches den Jahren 1171 80 angehört,^) schärfen die Zehntzahlung neuerdings ein, und zwar zum Theil unter den schwersten Strafandrohungen; aber freilich haben wir auch noch eine Bestätigung eines bischöflichen Zehntrechtes durch Papst Honorius III. vom 3. November 1220,*) und sogar ein paar, die Zehntentrichtung bei Strafe des Bannes gebietende Erlasse des Papstes Gregor IX. vom 2. November 1232,*) während wir doch bestimmt wissen, dass im 13. Jahrhunderte die Zehntlast jedenfalls bereits als eine legale anerkannt war, und somit lässt sich auch aus jenen ersteren Schreiben keineswegs mit Sicherheit erkennen,^ ob in der Zeit, in welcher sie erlassen wurden, nicht etwa auch schon das Gleiche der Fall ge- wesen sein möge. Wie dem auch sei, jedenfalls behandeln bereits die ältesten unter den uns erhaltenen Rechtsbüchern, welche bis zum Anfange des 13. Jahrhunderts hinaufreichen, den Ertragszehnt als eine unzweifelhaft zu Recht bestehende Last, und einige von ihnen besprechen ihn in einer Weise, welche deutlich zeigt, dass man die Entrichtung des Zehnts geradezu als ein wesentliches Stück des christlichen Glaubens betrachtete.^) Es unterscheiden aber die Rechtsbücher, und gelegentlich auch wohl die Urkunden, zwei verschiedene Arten des Ertragszehnts, für welche wir die Bezeichnungen Feldzehnt und Blutzehnt brauchen können; nicht nur in Bezug auf das Object der Verzehntung, sondern auch bezüglich der zehntberechtigten Personen sind beide durchaus auseinander- zuhalten. Der Feldzehnt wird in den Rechtsbüchern regelmässig als korntiund bezeichnet, woneben ausnamsweise noch in HeisL. die Be- zeichnung akurtiund, und in GottL. die Bezeichnung sel^atiund vorkommt; ausserdem ist er stets gemeint, wenn in denselben von dem

1) Diplom. Saecan., I, nr. 54, S. 81, und nr. 55, S. 83; die Daten nach Jaffe, S. 749 berichtigt.

2) ebenda, I, nr. 41, S. 62; das Datum nach Jaffe, S. 789. 8) ebenda, I, nr. 189, S. 211.

4) ebenda, I, nr. 270 und 271, S. 269-70; die gleichzeitige nr. 268, S. 268—69 dagegen betrifft die decimsc papales.

5) vgl. ULL. Kirkiub. 1, pr. : A Krist skulu allir kristnir trose, at han cer gu>, ok aei em gu^ser flerse, aen han cen. ^ngin skal affgu^um blots, ok aengin a lundi eelli stense troee; allir skulu kirkiu dyrkee, (it skulu allir ba(i quikkir ok dö(ir, komcendi ok farnndi i weruld ok äff. Kristeer hol kirkiu byggiae, ok tyund giöra; Adambaer ok hanz »ynir giör^a tyund fyrst, ok Salomon kirkiu. Aenlich SML., Kirkiub. 1, pr.

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Zehnt ohne nähere Bezeichnung die Rede ist In den Urkunden kommt gelegentlich der Ausdruck decimaa prsediales für denselben vor/) oder decimsB frugum,^) oder decimaa frugales,^) und es lässt sich nicht leugnen, dass diese Bezeichnung der Sache besser entspricht als die Bezeichnung Korn-, Saat- oder Ackerzehnt, denn dieser Zehnt wird nicht nur „de quolibet genere annone^' gegeben,^) gleichviel ob Weizen oder Roggen, Haber oder Gerste,!^) sondern auch von Lein und Hanf, von Rüben, Erbsen und Bohnen, ja von Hopfen und von Honig; ^) ursprünglich scheint sogar auch vom Heu ein JZehnt gegeben worden zu sein, da ein Schreiben des Papstes Gregor IX. vom 23* Januar 1230 einen Zehnt „tarn ex feno quam ex annona^' als auf der Insel Gottland hergebracht erwähnt,*^) und auch einige Handschriften von Uplandslagen und Söder- mannalagen eine hötiund kennen , von welcher sie freilich bemerken, dass dieselbe vom Bauern zurückbehalten werden dürfe als Ersatz dafür, dass er dem Pfarrer seinen Antheil am Zehnt zu Hofe führe,®) eine Leistung, wofür die jüngere Redaction von Westmannalagen dem Bauern gestattet, den Zehnt von seinen Füllen (fyltiond) zurückzuhalten.^) Die Vertheilung des Feldzehntes ist dabei in den Rechtsbücbern mit wenigen Ausnamen ziemlich gleichmässig geordnet, jedoch in einer durchaus eigenthümlichen Weise. Ein Drittel des Zehnts soll der Pfarrer gleich auf dem Acker wegnemen; es ist eine Ausname, wenn der Bauer ihm seinen Antheil heimzuführen hat, und wird diese ungewöhnliche Leistung diesem auch wohl, wie bereits bemerkt, besonders vergolten. Die an- deren zwei Drittel hat der Bauer selber mit heimzunemen, und soweit

1) Diplom. Suecan. I, nr. 550, S 457 (a. 1271); II, nr. 1202, S 237 (a. 1297); III, nr. 1870, S. 83 (a. 1312); nr. 2266, S. 483 (1320); IV, nr. 3514, 8. 739 (a. 1340).

2) ebenda, I, nr. 440, S. 384 (a. 1257).

3) ebenda, II. nr. 937, S. 25 (a. 1287).

4) WGL. IV, 21, §. 1 ; decimaB annonee auch im Diplom. Suec, IV, nr. 3060, S. 377 (1334).

5) WGL. II, Kirkiub., 16.

6) ÜLL., Kirkiub., 7, §. 5; WGL. IV, 126; VML. I, Kristnub., 3, §. 3; II, 6, §. 4; GottL., 3, §. 4. Schwer zu verstehen ist, wie auch decim» vinales, oder decime de pro- ventibus vinearum vorkommen konnten, wie solche im Diplom. Suec, III, nr. 2266, S. 483 (a. 1320), und IV, nr. 3497, S. 721 (a. 1340) erwähnt werden; das letztere Document bezieht sich auf Finnland, das erstere aber auf Vestmannalnnd.

7) Diplom. Suec, I, nr. 257, S. 25«.

8) ULL Kirkiub., 7, §. 5, Anm. 56; 8ML. Kirkiub., 6, Anm. 21.

9) WML. II, Kristnub., 6, pr.

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es sich um Körnerfrüchte handelt, deren Ausdrusch zu besorgen, wofür ihm das sich ergebende Stroh als Belohnung zufällt; diese zwei Drittel unterliegen sodann aber neuerdings einer Dreitbeilung, und fällt von ihnen ein Drittel dem Bischöfe, ein zweites der Kirche, das dritte aber den Armen zu.^) Diess die Regel, welche indessen in einzelnen Land* Schäften einzelne Modificationen erlitt. So tratt in Westergötland im Laufe des 13. Jahrhunderts bezüglich des Armenzehn ts die Veränderung ein^ dass derselbe in zwei Hälften zerlegt wurde, von welchen die eine an ein Spital abgeliefert, die andere aber von dem Bauern selber an die Armen vertheilt werden sollte; zuerst in einem Statute erwähnt, welches Bischof Brynjülf von Skara im Jahre .1281 erliess,^) wird diese Zerlegung desselben auch in der jüngeren Recension von Westgötalagen als zu Recht bestehend behandelt, und allenfalls auch das Spitalkorn (spitalskorn) von dem Antheile der Armen (loot fatöka manna) unter- schieden.^) Helsingelagen erwähnt ferner nur ganz kurz den Kornzehnt und sonstigen Ackerzehnt, mit der Bemerkung, dass derselbe so zu entrichten und zu vertheilen sei, wie es von Alters her hergebracht sei;^) aus einer Urkunde aber vom 13. Juli 1297 ersehen wir,^) dass hier lange Zeit über diese Punkte gestritten worden war, bis endlich durch König Birger und Erzbischof Nikolaus der Streit dahin entschieden wurde, dass der Feldzehnt hier in 3 gleiche Theile gehen solle, wovon den einen der Pfarrer erhalten sollte, der zweite dem Bauern zu ver- bleiben hatte, um von ihm unter die Armen vertheilt zu werden, während der dritte halbirt, und die eine Hälfte dem Erzbischof, die andere aber der Pfarrkirche zu Gute kommen sollte; der Armenzehnt ist demnach hier in eben dem Masse erhöht wie der Kirchenzehnt und Bischofszehnt vermindert, aber abgesehen davon, dass der Bischofszehnt und Kirchen-

1) WGL. I, Kirkiub., 17; IL Kirkiub., 36; Bischof Brynjulfs Statut, §. 1, S. 71 ; ÖGL., Kristnub., 9; ULL., Eirkiub, 7, pr.; SML, Kirkiub., 6, und Addit. 12, (yom Jahre 1320); WML. I, Kr ist n üb., 3, pr.; II, Kristnub., 6, pr. ; SmLL., 6, pr.

2) Siehe dasselbe in WGL , S. 70—73, oder Diplom. Suec, I, nr, 709, S. 675—76; hieher gehört dessen §. 1.

3) WGL. II, Kirkiub., 36, dann 37 nnd 39.

4) Hels. L., Kyrkiub , 7.

5) Diplom. Suec, II, nr. 1202, S. 237.

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zehnt je Vis vom gesammten Zehnt an den Armenzehnt abgetreten haben, ist die Art der Theilung hier dieselbe wie sonst. In Bezug auf Jsemtaland, eine Landschaft also, welche in weltlicher Beziehung zwar zu Norwegen gehörte, aber in kirchlicher Hinsicht unter dem Erzbischofe von Upsala stand, fehlen zwar genauere Nachrichten ; indessen sieht man aus einer Aufzeichnung, welche im Jahre 1303 unter Mitwirkung des Erzbischofs Nikolaus von Upsala und des norwegischen Priesters Erlendr Styrkdrsson gemacht, und sodann unterm 31. Mai 1305 von König Häkon Magnüsson genemigt,^) unterm 16. Juni 1378 aber von König Häkon Magnüsson dem Jüngeren neuerdings bestätigt wurde,^) immerhin soviel, dass auch in dieser Provinz der gewöhnliche Zehnt einer Drei- theilung, nicht Viertheilung unterlag, nur dass wegen der besonderen Armut der Kirchen und der Pfarrherrn hier bald ^/3, bald gar ^/s des- selben an die Kirchen entrichtet wurden. Sehr eigenthümlich ist endlich das Zehntwesen auf der Insel Gotland geordnet. Nur ein Feldzehnt scheint hier entrichtet worden zu sein^ kein Blutzehnt, und derselbe unterlag nach dem Rechtsbuche zwar der gewöhnlichen Dreitheilung, jedoch in der Art, dass ein Drittel dem Priester, das zweite der Kirche, das dritte aber der Gemeinde selber zufiel ; ^) offenbar sollte das letzt- genannte Drittel den Armen zu Gute kommen, und ist schwer zu be- greifen, wie Reuterdahl dazu kommt, gerade diese leer ausgehen lassen zu wollen. Ein paar päpstliche Erlasse vervollständigen die Angaben des Rechtsbuches in willkommenster Weise. Aus einem Schreiben Papst Honorius III. vom 30. Januar 1217 ist zu ersehen,^) dass zwischen dem Klerus und Volke der Insel einerseits, und dem Bischöfe von Linköping andererseits, zu dessen Diöcese diese gehörte, über die Vertheilung des Zehnts gestritten, sodann aber unter Vermittlung eines nicht genannten Erzbischofes von Lund ein Vergleich abgeschlossen worden war, welchen der Papst sofort bestätigt, ohne uns doch dessen Inhalt bekannt zu geben. Aus zwei Erlassen des Papstes Gregors IX. vom 21. Januar

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1) ebenda, nr 1754 und 1755, S. 094— 9H.

2) Norges gamle Love, III, S. 201—2.

8) 6otl. L., 8, §.1: Sogna menn aigu ))ril>iang, oc kirchia (ri^iang, oc (ri^inng prestr. Vgl.

anch unten. 4) Diplom. Suec, h nr. 168, S. 190.

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1230, und des Papstes Innocenz IV. vom 19. September 1253 lässt sich aber überdiess erkennen,^) dass ein altes Herkommen auf der Insfel, wonach in der oben angegebenen Weise der Zehnt in 3 gleiche Theile für die Kirche, die Kleriker und die Armen zerlegt werden sollte, von dem Bischöfe angefochten worden war, und dass jener von dem Erz- bischofe von Lund vermittelte Vergleich die Anerkennung dieses Her- kommens ausgesprochen hatte. Aus dem zuletzt genannten Schreiben ersehen wir aber überdiess, dass der fragliche Bischof von Linköping Karl geheissen, und dass der Name des vermittelnden Erzbischofes mit einem A. angefangen hatte, und diese Anhaltspunkte genügen, um fest- zustellen, dass der erstere jener im Jahre 1220 gefallene Bischof Karl war, welcher in anderen Urkunden als ein Verwandter und Kanzler des Königs Karl Swerkersson auftritt,^) der letztere aber jener Erz bisch of Andreas Sunesen, welcher in den Jahren 1201 23 auf dem Stuhle zu Lund sass, kaum dessen Vorgänger, Erzbischof Absalon (1178 1201). Anderweitige Abnormitäten, welche hinsichtlich des Zehntbezuges vor- kommen, haben für unseren Zweck geringere Bedeutung. Oft genug kommt vor, dass die Bischofszehnten aus bestimmten Bezirken von dem bezugsberechtigten Bischöfe zu einer Prsebende an ihrer Domkirche ge- stiftet werden,^) oder denjenigen Klerikern aus dessen Diöcese zugewiesen werden, welche an einer bestimmten auswärtigen Hochschule studiren,*) oder dass sie von dem betreffenden Bischöfe, sei es nun schenkungsweise, oder tauschweise u. dgl. an ein Kloster übertragen werden;^) ja es kommt sogar vor, dass ein Bischof dem anderen für seine Güter eine Kxemption vom Bischofszehnten ertheilt,^) oder dass gar der Bischofs-

1) ebenda, nr. 266, S. 257—8, und nr. 411, S. 366.

2) vgl. Reuterdahl, 11, 1, S. 166—67.

8) siebe die Urkanden aas den Jabren 1188-97, 1247, 1261, 1268, 1282, 1286, 1300, im Diplom. Suec, I, nr. 98, S. 123; nr. 340, S. 318, nr. 346, S. 323; nr. 863, S. 326—7; nr. 474, S. 405; nr. 534, S. 446; nr. 752, S. 615; dann II, nr. 907, S. 8; nr. 926, S. 17; nr. 1328, S. 832-3, u. dgl. m.

4) siebe die Urkunde vom Jabre 1260, ebenda, I, nr. 699, S. 570; dabei liegt freilich ein Tauscb zu Grunde.

5) ebenda, I, nr. 547, S. 455; nr. 679, S. 551; nr. 683, S. 553; II, nr. 1010, S. 89; nr. 1316, S. 823—4; nr. 1320, S. 826-8; nr. 1438, S. 425; nr. 1631, S. 684; nr. 1761, S 699, d. h. Urkunden aus den Jahren 1270, 1279, 1290, 1800, 1304, 1309, und 1300—1310, u. dgl. nu

6) ebenda, II, nr. 1470, S. 449 (a. 1305).

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zehnt aus einem bestimmten Bezirke einem Weibe auf Lebenszeit über- wiesen wird.^) Nicht minder wird der Kirchenzehnt nicht selten, ganz oder theilweise, für die Baukosten der Domkirche des betreffenden Bis- thumes verwendet;^) noch häufiger aber wird, bezeichnend genug, der Armenzehnt seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen. Schon un- mittelbar nach König Eriks III. Tod (1250) ist davon die Rede, dass dieser im Vereine mit Birger jarl „redditus bladi, que dicime pauperum vulgariter appellantur^' an das Domcapitel zu Upsala geschenkt habe^ und wir sehen dieselben fortan bei diesem bleiben, wenn sie auch ge- legentlich einmal vorübergehend von einem benachbarten Propste für sich in Beschlag genommen wurden (1275), oder ein andermal für in Paris studirende Kleriker der Diöcese theilweise verwendet werden wollten (1280; 1291), und wenn dieser Besitzstand zwar im Jahre 1299 bean- standet wurde, so wurde derselbe doch im Jahre 1305 feierlich aner- kannt, und noch in den Jahren 1321 22 als altes, werth volles Recht des Stiftes beim päpstlichen Stuhle geltend gemacht;^) wir erfahren zu- gleich aus den einschlägigen Urkunden, dass diese „decimaa canonicales^ quaö olim consueverunt decimaa pauperum wlgariter appellari" (1307), die gesammten 3 oberschwedischen Volklande betrafen (1279). Daneben sehen wir übrigens auch einmal den Armenzehnt aus Medalpad und Angermannland vorübergehend für den Bau der Domkirche zu Upsala bestimmt,^) oder den Franciscanern einen Antheil an diesem Zehnte, ungewiss in welcher Ausdehnung, eingeräumt,^) u. dgl. m. Am Wenigsten zeigt sich noch der Antheil des Pfarrers am Zehnte beeinträchtigt; doch wird auch von ihm gelegentlich eine Exemption ertheilt (1272),^) oder

1) ebenda, nr. 1*281, S. 297 (a. 1299).

2) ebenda, I, nr. 327, S. 310— 11; nr.354, S.327; nr. 462, S.397; II, nr- 957, S. 43; nr. 1638, S. 492 (a. 1245, 1247, 1259, 1288, 1307), u. s. w.

8) ebenda, I, nr. 880, S. 847 (a. 1250); nr. 391—4, S. 355—6 (1252); nr. 414, S. 367 (1253); nr. 595, S. 496 (a. 1275); nr. 669, S. 545 (1279); nr. 699, S. 570 (1280); II, nr. 1044. S. 118 (a. 1291); nr. 1045, S. 120 (ej. a.); nr. 1471, S. 449—50 (1805); nr. 1472, S. 450—1 (ej. a.); nr. 1537, S. 491 (1307); III, nr. 2322, S. 535—6 (1321—22), &c.

4) ebenda, I, nr. 445, S. 387 (a. 1257).

5) ebenda, II, nr. 1051, S. 128 (a. 1291).

6) ebenda, I, nr. 560, S. 462.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. II. Abth. 3 5

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ein solcher mit einer Prsebende an einem I>omstifte verbunden (1257),^) und es ist wohl nur die absolute Unmöglichkeit des Lebens der Pfarr- herrn ohne ihren Zehntantheil, was hier derartige Eingriffe seltener auftreten lässt. Endlich auch das kommt, zumal in entlegneren Land- schaften hin und wider vor, dass sich die Bauern mit dem einen oder anderen Zehntberechtigten über dessen Abfindung mit seiner Zehnt- berechtigung durch eine anderweitige Leistung einigen. In Finnland zumal waren derartige Abfindungen sehr häufig, wofür das von Porthan herausgegebene Chronicon episcoporum Finlandensium des Paul. Justen, sowie die Anmerkungen des Herausgebers reichlich Zeugniss geben; ^) in Tawastaland gab man für den Bischofszehnt eine gewisse Anzahl von Eichhornfellen, ebenso in Savolax und in Carelien, im Helsinghärad da* gegen ein gewisses Quantum an Butter, u. dgl. m. Aber auch in Schweden selbst kam Aenliches vor, wie denn z. B. die Einwohner von Sundal, Nordal und einigen benachbarten Bezirken sich mit dem Bischöfe von Skara dahin geeinigt hatten, ihm statt seines Fruchtzehnts Butter zu entrichten, eine Abrede, die freilich als der Kirche nachtheilig cassirt wurde, ^) und hiemit mag es denn auch zusammenhängen, dass widerholt über die Verminderung der Zehnteinkünfte geklagt wird (1310; 1321), indem statt des Zehntels nur noch ein Zwanzigstel oder Dreissigstel der Einkünfte erlegt würden.^) Immerhin haben derartige Vorkommnisse, so wunderbar mannichfaltig sie auch das Aussehen des schwedischen Zehntwesens gestalten mögen, für die hier unternommene Untersuchung im Grunde nur den Werth, dass sie recht klar die Freiheit erkennen lassen, mit welcher man sich erlaubte von den Grundsätzen des sonst so heilig gehaltenen kanonischen Rechtes abzugehen. Ganz anders als der Feldzehnt wird der Blutzehnt behandelt. In den sämmtlichen Provincialrechten kommt er vor, mit einziger Ausname von Gotlands- lagen, und zwar in allen unter der Bezeichnung quiktiundi oder

1) ebenda, nr. 440, S. 383.

2) Siehe Henrici Gabrielis Porthan opera selecta, I, S. 165, 1S5 6, 464, 510, und G35-36.

3) Diplom. Suec, II, nr. 937, S. 25 (a. 1287j.

4) ebenda, II, nr. 1678, S. 617; III, nr. 2285, S. 490.

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quikker tiundi. Er wird stets dem Feldzehnt gegenübergestellt,^) und ungetheilt dem Priester zugesprochen;^) wir erfahren, d«8s er von Fällen und Kälbern, von Lämtrern und Kitzen, von Ferkeln, Gänsen, Fischen und Pelzthieren gegeben wurde, oder von allen Vögeln und allem Wilde, wie es anderwärts heisst« In Helsingelagen wird dabei noch speciell des Zehnts von Bären und von Elenthieren ^ von Seehunden , Lachsen und von Heringen gedacht, und bezüglich ihrer, sowie der Pelzthiere z. Th. auch das Mass des zu Entrichtenden eigens bestimmt; eine bereits erwähnte Verordnung über die Zehntentrichtung in Helsingland, vom 13. Juli 1297, lässt überdies den Zehnt von Lachsen und Heringen^ Seehunden und Pelzthieren der gewöhnlichen Dreitheilung verfallen.^) Als eine dritte Art des Zehnts endlich würden allenfalls die decimse personales, deren eine Urkunde in Bezug auf Vestmannaland (1320),*) sowie die Zehnten der Kaufleute von ihrer Kaufmannschaft zu bezeichnen sein, deren eine solche in Bezug auf die Stadt Enköping in Upland ge- denkt (1250);^) beiden kommen indessen nur so vereinzelt vor^ dass sie kaum als eine bleibende Einrichtung betrachtet werden können. Auch anderwärts kommen ja bekanntlich änliche Versuche, die Zehntlast über das Bereich der landwirthschaftlichen Production hinaus auszudehnen, vereinzelt vor, und in Schweden mussten sie doppelt nahe liegen, da in dem benachbarten Norwegen wirklich der Zehnt auch über diese Grenze hinaus gegeben wurde.

Fasst man nun die Ergebnisse der bisherigen Darstellung zusammen, 80 zeigt sich zunächst unzweifelhaft soviel, dass dem schwedischen Zehnt- wesen das angelsächsische, nicht das römisch-deutsche System zu Grunde lag. Bezüglich des Feldzehntes ist auf Gotland die angelsächsische Dreitheilung vollständig erhalten; aber auch den übrigen schwedischen

1) vgl. z. B. tiunda prseste ba^e körn ok kaika, ÖGL., Kristnub., 10» §.1 und 11; ULL., Kirkiub., 6, §. 7; vgl. auch Bischof Brynjulfs Statut, §. 1, S, 71.

2) WGL. I, Kirkiub., 17, §. 1; 11, 40; ÖGL., Kristnub., 9; ULL., Kirkiub., 7, §. 6; SML., Kirkiub., 7, pr.; WML. i, Kristnub.. 3, §. l; II, 6, §. 5; SmLL, G, §. 1; HelsL., Kyrkiub., 7.

3) Diplom. Suec, II, nr 1202, S. 237.

4) ebenda, III, nr. 2266, S. 483.

5) ebenda, I, nr. 376, S. 344—46.

35*

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und gotischen Bestimtnungen liegt dieselbe augenscheinlich zu Grunde« Die in ihnen auftretende Eintheilung des Feldzehntes in Drittel ^ von welchen dann zwei Drittel nochmals einer Dreitheilung unterliegen sollen, ist eine viel zu complicirte, als dass sie als eine ursprüngliche betrachtet werden dürfte, wogegen sich sehr wohl begreift, dass man auf dieselbe hinterher durch das Bestreben geführt werden konnte, auch dem Bischöfe, der nach der angelsächsischen Disciplin leer ausgieng, zu einem Antheile am Zehnt zu verhelfen. Durch ein dem ganzen schwedischen Reiche gemeinsames Gesetz muss dabei ^ die Neuerung eingeführt worden sein, da sie mit einer unbedeutenden, auf Helsingland bezüglichen Modification in den sämmtlichen Rechtsbüchern der zu diesem Reiche gehörigen Landschaften ganz gleichmässig widerkehrt; dass die Insel Gotland von derselben unberührt blieb, erklärt sich einfach aus der grossen Selbst- ständigkeit, deren gerade diese Insel bis in das 14. Jahrhundert herein genoss, und der Streit, welcher von dem Volke und Klerus der Insel mit dem Bischöfe von Linköping geführt wurde, wird aller Wahrschein- lichkeit nach gerade dadurch entstanden sein, dass dieser die ihm vor- theilhafte Neuerung auch in diesem Theile seiner Diöcese durchzuführen sich bestrebte. Wenn demnach ein oben angeführter Erlass Papst Gregors YII. aus dem Jahre 1081 die römische Viertheilung des Zehnte einschärfte,^) oder eine Verfügung des päpstlichen Legaten Wilhelm von Sabina vom 20. December 1247 von einem den Kirchen zukommenden Zehntviertel spricht, 2) so kann hierinn nur ein vergeblicher Versuch, das römische System statt des englischen einzuschmuggeln, oder gar nur ein Uebersehen der Verschiedenheit erkannt werden, welche zwischen diesem und jenem bestand; ob dasselbe bezüglich eines Erlasses des

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Bischofs Konrad von Abo vom 13. December 1486 gelte,^) oder ob da- zumal wirklich das römische System in Finland bereits durchgedrungen war, wage ich nicht zu entscheiden. Ein Blutzehnt war der angel- sächsischen Kirche ebenfalls bekannt,^) und selbst der Ausdruck „on

1) oben, S. 261, Anm. 3.

2) Diplom. Suec, I, nr. 354, S. 327.

3) bei Portbau, aDg. 0., S. 512, Anm.

4) p:&dgär. II, §. 3; JE^-elred, V, §. 11; VI, §. 17; VIII, §. 9; Cnüt, I, §. 8; Legeit Edwardi Confess, 7—8.

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cwicum ceape^^ wird für diese Art des Zehntes in ihren Gesetzen ge- braucht;^) ob dieselbe in England ebenfalls ungetheilt dem Pfarrherrn zufiel^ lässt sich nicht ersehen, aber selbst wenn diess nicht der Fall gewesen sein sollte, ist hierauf ebensowenig Gewicht zu legen, als auf das Fehlen des Blutzehntes auf Gotland. Dass übrigens in Schweden das angelsächsische System zur Geltung gelangte, kann nicht au£fallen. Wir wissen ja, dass die Missionsversuche, welche die Bremer Erzbischöfe Anskar, Rimbert und Unni in Schweden theils in eigner Person, theils durch Abgesandte anstellten, ohne grossen Erfolg blieben, und dass auch die späteren Bemühungen einiger von der deutschen Kirche ausgegangener Sendboten nicht viel mehr ausrichteten, wogegen angelsächsische Mis- sionäre, von Norwegen und wohl auch von Dänemark aus vordringend, seit dem Ende des 10. Jahrhunderts dem Christenthume in Schweden allmälig eine feste Stätte zu bereiten wussten.^) Allerdings erkannten die englischen Bischöfe und Priester, welche im Norden wirkten, zumeist aüsserlich ihre Unterwerfung unter dem hamburger Metropoliten an, und wirkte, von diesem abgeschickt, auch mancher deutsche Kleriker neben denselben; inzwischen lässt doch die schlecht verhohlene Eifer- sucht, mit welcher Meister Adam jene Wirksamkeit der Engländer be- spricht, deutlich den Argwohn und die Misgunst erkennen^ mit welcher man in Bremen das durch sie in die eigene Kirchenprovinz hereingebrachte fremde Element betrachtete, und dass das damit constatirte Uebergewicht der englischen Mission über die deutsche auch in der Verfassung der schwedischen Kirche seine bleibenden Spuren hinter Hess, ist nicht mehr als was mau von Vornherein zu erwarten hat. Sehen wir doch auch in Dänemark aus gleichen Gründen die angelsächsische Dreitheilung des Zehntes durchgeführt, und wenn zwar in den dänischen Rechtsquellen der Zehnt zwischen der Kirche, dem Pfarrer und dem Bischöfe getheilt wird, sodass hier die Armen leer ausgehen, welchen die englische Kirche das letzte Zehntdrittel eingeräumt hatte,^) so lässt sich doch nicht ohne

1) i^d'elstän, I, pr.

2) Eine Uebersicht der betreffenden Vorgänge habe ich in meiner Geschichte der Bekehrung des norwegischen Stammes zum Christenthume, I, S. 492 504 gegeben.

3) Siehe Helveg, den danske Kirkes Historie, I, S. 293—97. Ausser den hier angeführten Stellen vgl. noch das Kirchenrecht von Schonen, 17 (ed. Schlyter), und von See-

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Grund vermuthen, dass gerade in diesem Punkte eine spätere Neuerung vorliege. Wir wissen einerseits, dass es hier gerade der Bischofszebnt war, welchem der erbittertste Widerstand entgegengesetzt wurde, während die beiden anderen Zehntquoten keine derartige Abneigung zu überwinden hatten, und wir wissen andererseits auch, dass in Dänemark der Kirchen- theil ganz ebenso in die Hand der Gemeinde gelegt war, wie diess in Schweden, Norwegen und auf Island hinsichtlich des Armentheiles der Fall war. Da lässt sich nun wohl die Vermuthung wagen, dass man erst hinterher den Armenzehnt auf den Bischof übertragen , und dafür der Gemeinde die Gewalt, welche sie bisher über ihn geübt hatte, über den Kirchenzehnt eingeräumt haben möge, wie denn in der.That für Schweden die allmälige Aufsaugung des Armenzehnts durch den Klerus sich in ziemlicher Ausdehnung nachweisen lässt. Wohl möglich, dass die Einräumung eines Antheiles am Zehnt den dänischen Bischöfen ziemlich gleichzeitig mit den schwedischen zu Theil wurde, wenn auch diesen nicht in demselben Umfange wie jenen, und unter dieser Voraus- setzung Hesse sich allenfalls auch ein Versuch machen, die Zeit, in welcher die Neuerung Platz griff, etwas näher zu bestimmen. Wir haben gesehen, dass Meister Adam sehr bestimmt versichert, dass zu seiner Zeit noch nirgends im Norden Zehnt gegeben wurde, ^) und hie- mit stimmt recht wohl überein, dass in Dänemark König Knut der Heilige (1080 86) der Erste war, welcher dessen Entrichtung einzuführen ver- suchte;^) mag sein, dass der mehrerwähnte Erlass Papst Gregors VII. vom Jahre 1081 mit Versuchen, welche gleichzeitig in Vestrgötland in gleicher Richtung unternommen wurden oder unternommen werden sollten, in Verbindung stand, und dass es diesem Papste, welcher ja überhaupt die 3 nordischen Reiche näher an sich heranzuziehen bestrebt war, gerade bei der ersten Einführung der Zehntlast daselbst darum zu thun war, die Disciplin der römischen Kirche auch in diesem Punkte

land, S. 74 (ed. Thorsen); die Decreta Arhusensia d. a. 1443, § 3. (bei Thorkelin, S. 52), und das Gesetz König Christophs von Baiern, d. a. 1443, (bei Hvitfeld, S. 831), u. dgl m.

1) siehe oben, S. 227 6, Anm. 2.

2) vgl. Helveg, ang. 0., I, S. 201 und 207—8.

27

»

zur Geltung zu bringen. Kam aber die Zebntentrichtung in den beiden Reichen erst gegen das Ende des 11. Jahrhunderts auf, so konnte doch wohl nicht schon in den allernächsten Jahren an jene Neuerung gedacht werden, welche zu einem Antheile der Bischöfe an dem Zehnte führte; dass man in Dänemark und Schweden nicht frischweg, wie man in Norwegen und auf Island bei der Einführung des Ertragszehntes that^ dem römischen Systeme sich accommodirte, als man sich dazu verstand den Bischöfen einen Antheil an diesem zuzuweisen, lässt sich denn doch nur unter der Voraussetzung erklären, dass hier, anders als in Norwegen, die englische Dreitheilung desselben schon fest sich eingebürgert gehabt hatte, ehe jener Anspruch ernsthaft vom Episkopate erhoben wurde. Man wird demnach kaum annemen dürfen, dass bereits gelegentlich der Errichtung des Erzbisthumes Lund durch den Legaten Alberich (1103) jene Aenderung bezüglich der Vertheilung des Zehnts ins Werk gesetzt worden sein werde, sondern dieselbe eher an die Sendung des Cardinales Nikolaus von Albano anzuknüpfen versucht sein. Im Sommer des Jahres 1152 war dieser über England nach Norwegen gekommen, und dann, nachdem er hier das Erzbisthum Ni^arös aufgerichtet hatte, noch in demselben Herbste nach Schweden hinübergegangen; hier hatte er ebenfalls eine Reihe von Anordnungen zur Aufbesserung der kirchlichen Zustände getroffen, aber die beabsichtigte Errichtung eines weiteren Erzbisthumes nicht zu Stande gebracht, weil die zwischen den Schweden und Goten bestehende Eifersucht keine Einigung über die Person des einzusetzenden Erzbischofes und den Sitz des zu gründenden Erzbis- thumes erzielen liess; so nam er das mitgebrachte Pallium mit nach Dänemark hinüber, und liess es in der Hand des Erzbischofs Eskil von Lund zurück, den er durch die Verleihung der Würde eines Primas von Schweden über die doppelte Schmählerung seiner Kirchenprovinz zu trösten suchte.^) In allen 3 Reichen des Nordens war demnach der Cardinallegat thätig, und wenn er in Norwegen unter Andern auch eine neue Regulirung des Hauptzehnts zu Stande zu bringen wusste , ^) so

1) vgl. Munclj, n, S. 864—72, und Keyser, I, S. 219—29; ReuterdahT, I, S. 508-512; Ilelveg, I, S. 375-77.

2) siehe oben, S. 233 u. fgg.

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lässt sich wohl erwarteD, dass er in Dänemark und Schweden die pe- caniäre Dotation des Klerus gleichfalls nicht ausser Acht gelassen haben werde; Verhandlungen über die Einrichtung des Zehntwesens mochten in beiden Reichen von ihm geführt worden sein, und die massvolle Schonung, mit welcher hier wie dort das hergebrachte angelsächsische System der Zehnttheilung behandelt wurde, würde sich gerade durch die englische Abkunft und den milden, vorsichtigen Charakter des Mannes am Besten erklären. Es werden sich im weiteren Verlaufe dieser Unter- suchung noch Momente ergeben , welche dieser Vermuthung über den Zeitpunkt, in dem die englische Zebnteintbeilung in Dänemark und Schweden zu Gunsten des Episkopates modiiicirt wurde, als eine fernere Stütze zu dienen geeignet scheinen; hier beschränke ich mich auf die Bemerkung, dass die Bemerkung des Chronicon vetus episcoporum Scarensium, Bischof Jerpulf habe zuerst die Bauern auf gesetzlichem Wege dazu gebracht, dem Bischöfe Zehnt zu geben, ^) hiemit ganz wohl harmonirt, soferne dieser Bischof in der zweiten Hälfte des 12. Jahr- hunderts sich mehrfach nachweisen lässt. ^)

Nach dieser vorläufigen Erörterung über den Ertragszebnt kann nun zur Besprechung des Hauptzehntes Obergegangen werden, der sich in einer unter den schwedischen Provinzen, in Vestrgötland, neben dem Feldzehnte und Blutzehnte als eine dritte Art des Zehnts in sehr eigenthümlicher Weise entwickelt zeigt. Die auf ihn bezüglichen Be- stimmungen finden sich theils in einigen Urkunden, theils aber auch, und hauptsächlicb, in den beiden uns erbaltenen Recensionen von West- götalagen und dem an sie sich anschliessenden Statute Bischof Brjnjülfs von Skara aus dem Jahre 1281, sowie auch in den Excerpten und An- merkungen , welche theils ein gewisser Lydekin , theils ein paar andere

1) Scriptores rerum Svecicarara, III, 2, S. 114, und vorher in Sweri^ires gamla Lagar, I, S. 307. In dem Chronicon rhjthmicnm, anj(. 0., S. 114, lauten die Worte freilich 80, als ob Jerpulf erst die Zehntlast überhaupt eingeführt hätte; aber es liegt hieriun offenbar nur eine Ungenauigkeit bei der Widergabe der älteren Quelle.

2) Tgl. Reuter dahl, II, 1, S. 160. Herr Dr. Hans Olof Hildebrand Hildebrand in Stockholm theilt mir freundlichst mit, dass Porthan in seiner einschlägigen Abhandlung bereits, im Gegensatze zu seinen Vorgängern, die Worte der Chronik richtig auf die Einführung des blosen Bisch ofszehntes bezogen habe.

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Schreiber jenen hinterher beifügten; ich will wider zunächst die hieher gehörigen Stellen mittheilen , und dann erst zu deren Erörterung und Würdigung mich wenden.

23. Diplom. Suecan., I, nr. 189, S. 211: Ea propter Venerabilis in Christo f rater Episcope tuis justis precibus grato concurrentes assensu, decimas in quibus Parrochiani tui secundum Canonicas Sanctiones tibi tenentur, et aliam decimam, que dicitur Gapitalis, ad quam solvendam se voto voluntarie obligarunt, sicut eas juste ac pacifice obtines, tibi et per te successoribus tuis auctoritate apostolica confirmamus, et presentis scripti patrocinio communimus.

24. ebenda, nr. 440, S. 383 4: Verum quia predicte prebende prouentus tenues adeo conspicimus et exiles, ut ex eis nee per- sona sustentari poterat competenter, nee ecclesia congruo seruicio uenerari, vtriusque defectui efficacem cupientes adhibere medelam, dicto domino Petro et successoribus suis canonice substituendis in competenciores sumptus et in ecclesie Scarensis seruicii maioris aucmentum de bonis episcopalibus attribuimus, decimas tarn capitales quam frugum, cum causis et obuentionibus singulis ex eis racione iuris episcopalis prouenientibus perpetuo iure possidendas.

25. ebenda, nr. 658, S. 537 8: Omnibus Christi fidelibus presentes litteras uisuris vel audituris diuina miseracione quondam rex Swecorum salutem vite presentis pariter et future. Recognoscimus et puplice protestamur, nos decimas capitales de bonis nostris patriraonialibus diebuß nostris, negligenciam solam, que ab Om- nibus detestanda est pocius quam alleganda pro causa assignantes, detinuisse iniusto titulo et mala fide. Ne igitur, u. s. w.

26. WGL., I, Kirkiub., 3: Uerder maper i kyrkiu drsepin, pet ser nipings vserk; pa er kyrkia al vuighz. Er pet firi tiu vitrum, pa scal gyuse byscupe trer marker firir vilx oc natter gengerd. En a tiu vittrum er, at per hovodtiundapo, oc uilia kyrkiu vighisö letse, pa sculu per houodtiundse.

27« ebenda, 4: Landbor sculu eigh houodtiundse gserse mer en enu

sinni, vten per vili, eller at per falli i houod syndir. 28. Bischof Brynjulfs Statut, §. 2, S. 71—2: Vm houoötindae

Abh. d. I. Ol. cU Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 36

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ser sua skipset, at huilkin man 8um SBruir aeftir fa5ur sin allsBr ino5or helt bo, han skal giaeraB hoyo5tind8B seftir dri5iu ssed. ^ru8B mangir samaen et helt bo, oc uilise bo samsBn, t>a siti vm pry ser ok giaeri l>a hovo5tind8B; ail nokor perr» bort farse innaen pem prim arum, pa giaBri houo5tind8B t^aghsBr ser skiptis af sinum psenninggum; vilia pser allir skiliaes at, ^a giseri fir sen skiptis hovo5tindae, sua vngaer sum gamal, utaen giaeri igh fyr aen giftis.^) iBruir man löskae paenninggae, t>a giaeri houo5tindae t>agh- aer aer han aeruir, ok eigh optari af t>em paenniggum, utan kirkiae uighis aeptir paet tiu ar. Oc t>aet undirstanduni uir meeb pem mannum sum ior5 eghandae aeru, oc eigh mae5 lanbom, sum uiö paennae tindae haldaes eigh firi kirkiu vigsl. Quinman skal eigh houoötindae fyr aen hun giptis, oc carman eigh fyr aen aer faemtan ara gamal. Far mal>aer sie laghlicaB cono, )>aer skulu giaerae houoötindae aftir pri5iu sae5 af pem paenniggum, aer paer pa hauae; aervae l>aer aftir faöur aellaer moöor, J>a luki sua houoötindae sum fyr aer sagt.

29. WGL. II, Kirkiub., 2: üilia bönder kyrkyu göra, them skal biskuper uigia; tha skal til biskups fara, oc staempnu dagh uith han göra naar kirkyu skal uigia; tha skal biskuper maen sina uisa, at taka hofuothtinda af allum them mannum ey hafua giort hofuothtinda i them lOuintrum; en houothtinda skal skipta i thre lyte, en loten a biscuper, annan kirkian, thrithia praesten.

30. ebenda, 5: Uaerther mather i kirkyu draepin, thaet aer nithinx- uaerk; tha aer hun all vskijr, oc kirkyugarther samulund. Tha skal gifua biskupe thre mark fore skirsl, oc natta gengaerth, oc ey houothtinda.

31. ebenda, G: Landboar skulu ey optare houothtinda göra wt meer aBn entima, vtan the uilia, aella the falla i houoth synd i thy are kirkia uighis a.

32. ebenda, 72: Houothtindae aeptir gift skal ingin man luka meer

1) Hieza hat eine Handschrift den Zusatz: swa skal howodtiunda göra sam sakt SBr, vtan af bac arf; tor skal ingti gisera af. Skil (em a, kalleer ]>8et minna vsera, gangi tolf manna ed, oc tuffinni aithni. Af alla skal howodtinndffi giaera, utan af bondans mel>alklffi]>nni, oo husfrunna m8e)>alkl8Q]>um, körn oc oc inuid*, oc al wild*! hors.

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vtan thsen incte haft>e aeptir fathur sella mothor. Giftis aella falder i houothsynd, the sum openbara skript krseuer, pa skal tbaen sami giselda houo^tinda innan tbrsetianda dagben sitban bans bröllöpe bauer userit, sella ban ser fselder, sella bauer uitberganget tbe sjnd.^) §1. Ee bua sum serfue fatbur sella motbor lösa psenninga, buat tbset ser bselder matber sella kona, magbande man sella ouormagbi, pa skal ban giselda bouoptinda innan 30 dagbin septir fatburs sella motbor dötbradagb äff tbem psenningum sum ban bauer aeptir tbem, oc ingum adrum.^) Tbsen su*n löner aella undan skyuter nokot äff tbem psenningum^ ban SBgber at tiunda äff, aella skipter tbe paenninga aella bort föra, för aen tiunde aer äff gör, baetti uitber 16 örtogbum saksökiandanom, sua kononge oc baeratbe, oc ater tbaet ban undan. dro afftiund- anum.^) Äff tbem allum lösum paenningum skal bouotbtinda göra, vtan äff körne, fore 'Pj st tbaer tiundas buart aar äff. §.2. Giftir matber son aella dottor, oc gifuer bemgiaefua, dör fatber aellar motber sitban, göre sua mjkin loot at bouotbtinda äff tby banom uar bemgiuit, sum buart l>era tbaet wgift aer, oc göre tbaer bouotb- tinda arfuin falder, aella före ater maetb suornom etbe oc göre all saman.^) Gifuer matber frillu barnom sinom goz^ göre sua tbe barn bouotbtinda sum laglik barn.^) §. 3. Nu aen vtanlanz aella vtan biskupsdömes matber, buar ban baelst boren aer, t>aen ey galt bouotbtinda a sino lande, bauer boet iamp tbry aar i varo biskupsdöme, tbagbar iampn tbry aar aeru wt litbin, t>a skal ban göra bouotbtinda. Sua oc asn nokor wtlaensker far bort äff biskupsdömeno , för aen ban bort foor oc sua si^^an ban ater

1) In den Statuta generalia Skarensis ecclesiae, welche Schlyter als WGL. IV, 21, mit- theilt, wird diese Stelle, §. 99, mit den Worten eingeführt: De deoima capitali de commnni oonsensn Episcopi, cleri, legiferi et laycomm taliter est statntum.

2) ebenda, §. 100: Item qui hereditat patrem vel matrem, qaia propter plores hereditates non debet deoimari, n. s. w. Femer: De bonis aatem annte hereditatem perceptam ac- qnisitis nichil decimabitor.

8) Dieser Satz steht ebenda, §. 102.

4) Die Excerpta Lydekini bringen, III, 22—28, diese Bestimmung mit den Worten einge- führt: Tm howod tiund» scal stände sum fyr mser» war stat i Scarum, oc ^ettse leggiee til; in IV, 21, §• 101 steht sie ohne diese Einführungsworte.

6) ebenso IV, 21, §. 110.

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dem Zehnte des gemeinen Kirchenrechts gegenüber, und der letztere bemerkt zugleich, dass seine Entrichtung auf einer Verpflichtung beruhe, welche die Einwohner des Stiftes Skara, oder was dasselbe ist, der Landschaft Westergötland und vielleicht auch Wärmland, freiwillig über- nommen hätten, wobei doch wohl nicht an einzelne Gelöbnisse einzelner Männer, sondern nur an ein Collectivgelöbniss der ganzen Landschaft ' zu denken ist, wie ein solches recht wohl auf legislativem Wege erfolgt sein konnte. Die Urkunde König Valdemars vom 30 Januar 1279 (nr. 25) zeigt, dass der Besitz des Königs selbst von diesem Zehnte ebensowenig befreit war wie von dem Ertragszehnte; im üebrigen aber ist aus den Urkunden über denselben kein Aufschluss zu gewinnen. Ebenso enthält die ältere Redaction von Westgötalagen nur sehr dürftige Bestimmungen über den Hauptzehnt; indessen zeigt deren fragmentarische Natur, dass sie von Vornherein nicht erschöpfend sein wollten, und wenn demnach der grössere Reichthum an Vorschriften im Statute von 1281, in der jüngeren Recension des Rechtsbuches und den Zusätzen zu diesem zwar in einigen Punkten auf späteren Neuerungen beruhen mag, so liegt ihm doch in anderen Stücken offenbar nur eine erschöpfendere Aufzeichnung des altüberlieferten RechtsstofiPes zu Grunde. Im Einzelnen mag es schwer halten, das A eitere vom Neueren mit voller Schärfe auseinander- zuhalten; im Grossen und Ganzen dürfte sich indessen diese Scheidung immerhin mit annähernder Sicherheit vollziehen lassen, und für den hier verfolgten Zweck muss diess genügen.

Von Anfang an treten aber verschiedene Anwendungs&Ue des Hauptzehnts unter einander scharf gesondert hervor. Beide Redactionen des Rechtsbuches lassen denselben unter Umständen wegen Haupt- sünden entrichten, in welche Jemand verfällt, (nr. 27 und 31), und sind hierunter alle Sünden zu verstehen, welche mit öffentlicher Kirchen- busse belegt waren (nr. 32 pr.); doch schliessen die Statuta generalia Scarensis ecclesise, §. 99 und 106, den Fall aus, da Aeltern ihr eigenes Kind im Schlafe erdrücken. Mit letzterem Vergehen hat schon ein Er- lass Papst Alexanders III. vom 9. September 1171,^) dann wider ein solcher von Papst Honorius III. vom 13. November 1220, und einer

1) Diplom. Saecan., I, nr. 56, S. 84; das Datum nach JaffS, S. 749.

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von Papst Gregor IX. vom 2. November 1232, ja noch ein solcher Bischof Heinrichs von Linköping vom 23. December 1258 sich befasst,^) und scheint dabei eine allmälige Milderung einer ursprünglich härteren Praxis sich erkennen zu lassen ; mit ihr mag denn auch jene Beseitigung der Verpflichtung zur Entrichtung des Hauptzehnts für diesen Fall zu- sammenhängen. Uebrigens musste dieser, wo immer er durch die Be« gehung einer Hauptsünde verwirkt war, stets binnen 30 Tagen von dem Zeitpunkte an gerechnet bezahlt werden , an welchem der Sünder der betreflfenden Handlung geständig oder derselben überführt worden war (nr. 32). Beide Bearbeitungen des Rechtsbuches sprechen dabei ausdrücklich aus, dass wegen begangener Hauptsünden auch blose Land- pächter zur Entrichtung des Hauptzehntes verpflichtet werden können, welche doch sonst von dieser Leistung in gewissem Umfange befreit seien; wunderlicher Weise knüpft aber der jüngere Text ihre Verpflichtung an die Voraussetzung, dass sie ihre Sünde in demselben Jahre begangen haben, in welchem die Pfarrkirche geweiht wurde. Auf einer falschen Lesart kann dieser Beisatz kaum beruhen, da ihn auch die Statuta ge- neralia, §. 106 kennen; man wird denselben aber wohl darauf zurück- führen dürfen, dass man die Wohlthat der Befreiung von der Theilname an den Kosten der Kirchweihe als durch die Sünde verwirkt ansah, nicht darauf, dass etwa die in jenem Jahre begangene Sünde als eine besonders schwere betrachtet worden wäre. Widerura lassen beide Recensionen des Rechtsbuches einen Hauptzehnt entrichten bei Gelegenheit der Einweihung einer Kirche; indessen ist in diesem Falle die Zahlpflicht eine mehrfach beschränkte« Einmal nämlich sollen die Land- pächter von derselben befreit sein, und um so mehr alle diejenigen Leute, welche überhaupt keinen selbstständigen Haushalt haben. Am Klarsten spricht Bischof Brynjulfs Statut diesen Satz aus, indem es aus- drücklich bemerkt, dass nur die Grundeigenthümer gelegentlich der Kirchweihe diesen Zehnt zu reichen haben (nr. 28); aber auch im Rechts- buche selbst (nr. 27, 31, 32, §. 4) und den Statuta generalia, §. 106 kehrt derselbe in etwas unpräciserer Fassung wider. Zweitens aber sollte nach dem älteren Texte des Rechtsbuches (nr. 26) der Hauptzehnt

1) Diplom. Soec, I, nr. 196, S. 214; nr. 274, S. 272; nr. 452, S. 392.

i

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aus Anlass der Kirchweihe niemal» mehr als einmal in einem Jahrzehnte gefordert werden, sodass also eine Kirche, welche innerhalb der ersten zehn Jahre nach ihrer Einweihung durch Blutvergiessen befleckt, und dadurch einer neuen Weihe bedürftig wurde, vom Bischöfe gegen eine geringe Gebühr neuerdings geweiht werden musste, ohne dass ein Haupt- zehnt gefordert werden durfte, während dieser beansprucht werden konnte, wenn zwischen der ersten und zweiten Kirch weihe mehr als 10 Jahre in Mitte lagen. Schon Bischof Brynjulfs Statut bat diesen Satz dahin erweitert, dass überhaupt Niemand verpflichtet sei (doch wohl mit Aus- name des Falles, da er eine Todsünde begehen würde?) innerhalb einer zehnjährigen Frist mehr als einmal den Hauptzehnt zu entrichten (nr. 28), und in dieser Gestalt ist derselbe in die spätere Redaction des Rechts- buches (nr. 29 und 32, §. 4), sowie in die Statuta generalia, §. 105 übergegangen, in die erstere sogar mit dem, vielleicht doch wohl nur auf einem Misverständnisse beruhenden Beisatze, dass der Hauptzehnt wegen einer durch Blutvergiessen veranlassten nochmaligen Weihe einer schon früher geweihten Kirche überhaupt nicht gefordert werden dürfe (nr. 30), also auch in dem Falle nicht, da mehr als 10 Jahre zwischen der früheren und der neuen Weihe in Mitte liegen. Bezüglich dieser Kategorie des Hauptzehntes wird übrigens ausgesprochen, dass derselbe in 3 Theile zu zerlegen sei, deren je einen der Bischof, der Priester und die Kirche erhalte (nr. 29); wir werden wohl annemen dürfen, dass die gleiche Vertheilungsart auch für die anderen Fälle galt, in denen eine capitalis decima gegeben wurde, da nirgends von einer anderweitigen Theilungsmethode die Rede ist, und wir erkennen in derselben leicht die angelsächsische Dreitheilung wider, nur mit der Einschränkung, dass hier der Bischof an die Stelle der Armen getreten ist. Letzteres werden wir natürlich als eine spätere Neuerung zu betrachten haben , welche vielleicht mit der Ueberweisung eines Antheiles am Ertragszehnte an den Bischof in Verbindung gestanden haben mag. Drittens endlich galt noch die Regel, dass ganz abgesehen von den bisher besprochenen beiden Fällen Jedermann einmal in seinem Leben den Hauptzehnt geben sollte; gerade in Bezug auf diesen Anwendungsfall des Haupt- zehnts, offenbar den wiichtigsten, ergaben sich aber vielfache Schwierig- keiten, und in Bezug auf ihn scheint denn auch die Gesetzgebung mehr-

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fache Wandelungen durchgemacht zu haben, während sie bezüglich der beiden ersteren Fälle zu allen Zeiten sich im Wesentlichen gleich ge- blieben zu sein scheint. Fest stand jederzeit, dass die Verpflichtung, einmal in ihrem Leben den Hauptzehnt zu geben, auch die Landpächter traff, welche doch gelegentlich der Kirchweihe nicht zu zehnten brauchten, und auch von der Zehntpflicht wegen begangener Todsünden wenigstens nach neuerem Rechte der Regel nach frei waren (nr. 27, 28, 31; Stat. gen., §. 106); über den Zeitpunkt aber, in welchem die Verzehntung einzutreten habe, sprechen sich die verschiedenen Rechtsquellen etwas verschieden aus. Während die ältere Recension des Rechtsbuches über den Punkt völlig schweigt, lässt Bischof Brynjulfs Statut der Regel nach den Zeitpunkt entscheiden, in welchem man seinen Vater oder seine Mutter beerbe, und zwar soll derjenige, der nur Fahrhabe erbt, sofort, dagegen wer einen ganzen Hof erbt, nach Ablauf dreier Jahre zehnten, jedoch mit der Einschränkung, dass Weiber keinenfalls vor ihrer Ver- heirathung, und Minderjährige keinenfalls vor erreichter Volljährigkeit zu zahlen schuldig sind; nur die frühere Krbtheilung unter mehreren Miterben eines Hofs kann einen früheren Zahlungstermin bedingen, aber auch sie nicht zum Nachtheil der Weiber. Ausnamsweise soll aber der Hauptzehnt gelegentlich der Verheirathung entrichtet werden, und zwar nicht nur von Weibern, wie diess die eben besprochenen Grundsätze mit sich bringen, sondern in dem Falle auch von Männern, da dieselben sich verheirathen , ehe sie von Vater oder Mutter Etwas geerbt haben; 3 Jahre nach der Verehelichung ist solchenfalls zu zehnten, und wenn man dann hinterher noch Vater oder Mutter beerbt, der Betrag dieser Erbschaft nachträglich auch noch zu verzehnten, jedoch so, dass bereits verzehntetes Vermögen niemals zum zweiten Male verzehntet werden soll, es sei denn, dass eine erst um 10 Jahre später einfallende Kirch- weihe, oder wie wir wohl beisetzen dürfen die Begehung einer Todsünde diess nothwendig mache. Auch die jüngere Bearbeitung des Rechts- buches, sowie die Statuta generalia halten an diesen Regeln in der Hauptsache fest, und wenn sie dabei den Satz, dass man nur noch aus- namsweise den Hauptzehnt bei der Verheirathung zu bezahlen habe, ausdrücklich als eine Neuerung bezeichnen, welche durch eine lieber- einkunft des Bischofs und des Klerus mit dem Gesetzsprecher und dem

28?

Laienstande eingeführt worden sei, so ist damit doch wohl gerade auf Bischof Brynjulfs Statut hingedeutet, welches ja in seinen Eingangs- worten ebenfalls eines zwischen Volk und Klerus geführten Streites ge- denkt, welchem König Magnus und der Bischof sammt seinem Domcapitel durch das Statut ein Ende macheu wollten ; in einzelnen Punkten weichen indessen doch die neuen Bestimmungen von den älteren einigermassen ab. So soll der Hauptzehnt, der aus Anlass der Verheirathung gegeben wird, innerhalb eines Termines von 30 Tagen gegeben werden, und ist demnach die Zahlfrist nunmehr erheblich verkürzt (nr. 32, pr. ; Stat. gen., §.99).^) Wird ferner der Hauptzehnt wegen Beerbuüg der Aeltern gegeben, und besteht die Erbschaft lediglich in Fahrhabe, so soll nun- mehr schlechthin binnen 30 Tagen gezehntet werden, gleichviel ob der Zehntpflichtige minderjährig oder volljährig, Mann oder Weib sei (nr. 32, §. 1; Stat. gen., §. 100); die Ausname, welche dieserhalb zu Gunsten der Weiber und der Minderjährigen bestanden hatte, ist demnach nun- mehr vollständig beseitigt. Endlich wird jetzt auch auf den Kall re- flectirt, da ein Ausländer oder doch ein Angehöriger einer fremden Diöcese sich im Lande niderlassen sollte, und wird für solche Leute die Entrichtung des Hauptzehnts nach 3jähriger Dauer ihres Wohnens im Bisthume Skara vorgeschrieben, vorausgesetzt dass sie denselben nicht bereits in ihrer früheren Heimat gegeben haben sollten (nr. 32, §. 3; Stat. gen., §. 103). Uebrigens spricht bereits eine einzelne Handschrift von Bischof Brynjulfs Statut ausdrücklich aus, dass vom bakarf, d h. der Erbschaft welche an die aufsteigende oder Seitenlinie fällt, kein Hauptzehnt gegeben werde; auch in der jüngeren Recension von West- götalagen, und in den Statuta generalia wird ausgesprochen, dass nur die Erbschaft der Aeltern der Verzehntung unterliege (nr. 32, §, 1; Stat. gen., §. 100), und damit hängt denn auch zusammen, dass eine ausdrückliche Bestimmung über die Zehntpflicht der unehelichen Kinder für nöthig befunden wurde, welche ihre Aeltern beerben (nr. 32, §. 2;

1) Schwer zu erklären ist, wie die Collationspflicht mit der Verzehntung gelegentlich der Ver- heirathung vereinbar ist, welche den von ihren Aeltern ausgestatteten Kindern auferlegt wird (nr. 32, §. 2; Excerpta Lydekini, 22—23; Stat. gen. §. 101); vielleicht ist darauf das Gewicht zu legen, dass Lydekin den Satz als eine spätere Neuerung bezeichnet.

Abh. d.L Ol. d.k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 37

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Stat. gen., §. 110). Sehr schwer zu bestimmen ist aber, was als Object der Verzehntung zu betrachten sei. Eine Handschrift von Bischof Brynjulfs Statut will von allem Besitzthume den Zehnt geben lassen^ mit alleiniger Ausname der Alltagskleider des Bauern und der Baüerinn^ dann des Hausgeräthes, des Kornes und Heues, sowie der ungezähmten Pferde; da das Korn dem gewöhnlichen Feldzehnt unterlag, der Heu- zehnt und Fällenzehnt aber doch wohl in Westergötland wie in Upland, Södermannland und Westermannland als Ersatz für das Einfähren der Zehntgarben in Wegfall kam , stellen sich die letzteren Ausnamen nur als eine Consequenz der Regel dar, dass kein Werthobject zweimal ver- zehntet werden solle, wie diess auch die spätere Redaction des Rechts- buches bezüglich der Kornfrüchte ausdrücklich hervorhebt (nr. 32, §. 1 ; in den Stat. gen., §. 100 fehlt die Motivirung), die erstere Ausname dagegen findet ihre Parallele im isländischen Rechte, welches ebenfalls die Werktagskleider bei der Zehntschätzung unberücksichtigt, und voq den Wirthschaftsvorräthen keinen Zehnt geben lässt.^) Keinen Grund finde ich für Reaterdahls Anname, dass der Hauptzehnt nur von der Fahrhabe entrichtet worden sei; in dem Statute Bischof Brynjulfs wird sehr bestimmt zwischen dem Erben eines ,,helt bo" und dem Erben von „lösk» penningae" unterschieden, aber von beiden gleichmässig der Zehnt gefordert, und auch die Statuta generalia wissen von einer Ver- zehntung der „curisB" (nr. 34 und 35), ja es wäre kaum begreiflich, dass bei der Einweihung einer Kirche der Hauptzehnt nur von den Grundeigenthümern gegeben werden sollte, wenn gerade der Grundbesitz zu dessen Entrichtung nicht herangezogen worden wäre. Im Uebrigen versteht sich von selbst, dass die ganze Verlassenschaft verzehntet werden muss, soweit es sich um die Beerbung der Aeltern handelt, wie sie zur Zeit des Todes des Erblassers lag, also mit alleiniger Ausname derjenigen Stücke, welche damals bereits vom Erblasser rechtsgültig veraüssert, und von einem Dritten rechtsgültig erworben worden waren (nr. 33; Stat. gen., §. 107); eine andere Frage ist aber die, ob sich die Ver- zehntung auf den Betrag des ererbten Gutes beschränke. Von Vorn- herein sollte man eine verneinende Antwort erwarten, da ja die Grund-

1) Grdgas, §. 255, S. 205 (ed. Fineen).

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idee des Hauptzehntes offenbar auf die Verzehntung des ganzen Vermögens geht, und fiberdiess die Forderung desselben bei der Verheirathung solchen Leuten gegenüber, welche ihre Aeltern noch nicht beerbt haben, nur unter dieser Voraussetzung gerechtfertigt erscheint; man sollte ferner meinen^ dass eine nach erfolgter Entrichtung desselben eintretende Vermögensvergrösserung zu einer sofortigen Nachtragszahlung verpflichten müsste, wie Bischof Brynjulf in der That denjenigen, welcher bei seiner Verehelichung den Zehnt gezahlt hat, bei der späteren Beerbung seiner Aeltern das Geerbte nachträglich verzahnten lässt, und der mehrfach ausgesprochene Satz, dass einmal verzehntetes Gut nicht zum zweiten Male verzehntet werden solle, würde gerade von hier aus einen sehr guten Sinn erbalten. Auch das würde hiemit vollkommen im Einklänge stehen, dass man von einem einwandernden Fremden die Verzehntung seines Vermögens forderte, soweit solches noch nicht auswärts verzehntet worden war; allein die Nichtverzehntung des bakarf, dann die ausdrück- liche Vorschrift des Stat. gen» §. 100: ,,de bonis autem ante hereditatem perceptam acquisitis nihil decimabitur"^ endlich der weitere Satz, dass der Mann, welcher eine auswärts ihm zugefallene Erbschaft in die Diöcese hereinbringt, von der Verzehntung frei sei (nr. 33 und Stat. gen., §. 104), scheinen einer solchen Folgerung zu widersprechen. ladessen lässt sich diese letztere Bestimmung immerhin auch auf den Satz zurückführen, dass der Hauptzehnt da zu entrichten sei, wo das Erbe anfiel (nr. 32, §. 2), und in Bezug auf die beiden anderen Vorschriften möchte ich fast annemen, dass dieselben einer, vielleicht durch eine mis verständliche Auslegung des älteren Rechts veranlassten, späteren Neuerung ihr Dasein verdankten* Während ursprünglich die Beerbung der eigenen Aeltern nur als ein Moment betrachtet worden war, nach welchem sich der Zeitpunkt der Verzehntung bestimmte, glaubte man wohl später in ihr auch die Grenze zu finden für den Umfang, innerhalb dessen dieselbe einzutreten hatte; die Streitigkelten, welche wie in Norwegen so auch in Schweden nachweisbar zwischen Klerus und Volk über den Haupt- zehnt geführt wurden, mochten im letzteren Lande gerade diesen Punkt sehr vorzugsweise betroffen haben, und dass in Folge derselben allmälig eine erhebliche Beschränkung der Last eintratt, entspricht nur dem allgemeinen Entwicklungsgange derselben, und findet ebenfalls in Nor-

37*

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vfegen seine Parallele. Zum Schlüsse erwähne ich noch einer Zahlung von 30 Pfenningen, welche von den Kindern, welche ihre Aeltern be- erbten, gleichzeitig mit dem Hauptzehnte zu erlegen war (nr. 32, §. 5^ und Stat. gen., §. 108; vgl. auch nr. 34); dieselbe geht zwar an und för sich den Hauptzehnt Nichts an, allein da bezuglich ihrer ausdrucklich bemerkt wird, dass sie von dem Bischöfe und Pfarrer gleichheitlich zu theilen sei, wogegen die Kirche leer ausgehe, scheint sie sich immerhin zur Unterstützung der oben ausgesprochenen Vermuthung benützen zu lassen, dass die Dreitheilung unter Bischof, Pfarrer und Kirche, wie sie bei dem aus Veranlassung der Kirch weihe gegebenen Hauptzehnte bezeugt ist, auch für die anderen AnwendungsfUlle desselben hergebracht gewesen sein möge*

Man sieht, es sind 3 Gruppen von Fällen, in welchen der Haupt- zehnt nach westgötischem Rechte entrichtet werden musste.^) Vor Allem soll ihn Jedermann einmal in seinem Leben entrichten, wobei jedoch anfänglich in Bezug auf den Zeitpunkt der Entrichtung ein gewisses Schwanken geherrscht zu haben scheint zwischen dem Zeitpunkte der Verheirathung des Pflichtigen und dem anderen Zeitpunkte, in welchem derselbe seine Aeltern beerbt, zwei Zeitpunkten übrigens, die nach altem Bauernbrauche zumeist nicht allzu weit auseinander zu liegen pflegen. Zweitens muss derselbe entrichtet werden wegen begangener Todsünden, und zwar, wie es scheint, ohne alle Rücksicht darauf, ob und wann derselbe bereits auf einen anderen Titel hin gegeben worden war. Endlich Drittens wird er gelegentlich der Einweihung einer Kirche gegeben, hier jedoch nur von den Grundeigenthümern innerhalb der Gemeinde, und auch von diesen nur unter der Voraussetzung, dass nicht innerhalb der letzten 10 Jahre bereits einmal wegen der Einweihung derselben Kirche gezehntet worden sei, nach neuerem Rechte aber sogar

1) Ich bemerke , dass ich nicht im Stande bin darüber Auskunft zu preben , wie lansre der Ilauptzehnt in Westergötland sich im Gebrauche erhalten habe. Ein Zehntregulativ, welche» Papst Innocenz VII für das Bisthum Skara (1407), und ein anderes, weiches Papttt Paul II» für das Erzstift Upsala erliess (1466), kenne ich nur aus Reuterdahls Anführunjr, III, 2, S. 367, der aber über den Inhalt beider Nichts angiebt. Doch verdanke ich der Güte des Herrn Dr. Hans Olof Ilildebrand Hildebrand in Stockholm die Abschrift zweier Urkunden, welche zeigen, dass bis in den Anfang des 16. Jahrhunderts herein wenigsten» der Hauptzehnt im Bisthume Skara noch gefordert wurde. Ich theile beide anhangsweise mit*

287

überhaupt nur von den Grundeigenthümern , die während des letzten Jahrzehnts keinerlei Hauptzehnt, ausser etwa wegen Todsünden, ent- richtet haben, lieber diese 3 Kategorien von Fällen, welche sämmtlich bereits den ältesten uns erhaltenen Quellen bekannt sind, reicht der Hauptzehnt als legale Last nicht hinaus, wenn auch selbstverständlich Niemanden verwehrt ist ihn aus gutem Willen noch öfter zu entrichten als er hiezu verpflichtet wäre. Vergleicht man aber jene 3 Kategorien von Fällen mit der Verwendung des Hauptzehntes im norwegischen und isländischen Rechte, so drängt sich sofort die schlagende Analogie auf, welche zwischen dem bei Beerbung der Aeltern, oder auch im Verehelichungsfalle zu entrichtenden Zehnte und der Gestaltung besteht, welche der Hauptzehnt in der späteren Zeit in Thelemarken nachweisbar zeigt, und man wird hieraus den Schluss ziehen dürfen, dass insoweit auch schon das ältere Recht Vikins und der norwegischen Hochlande mit dem westgötischen die gleiche üebereinstimmung gezeigt haben werde. Die Entrichtung des Hauptzehntes wegen Todsünden lässt sich allenfalls mit dessen Verwendung im isländischen Eherechte in Verbin- dung bringen, indem ja auch bei dieser der Charakter einer Strafzahlung, nicht der eines Dispenskaufes, der massgebende gewesen zu sein scheint. Nur für die Zehntzahlung gelegentlich der Kirchweihe fehlt demnach dem norwegischen und isländischen Rechte jede Parallele, und umgekehrt wird dessen Verwendung als Seelgabe im westgötischen Rechte so gut wie gar nicht berührt. Es fehlt also neben sehr bedeutsamen Berühr- ungspunkten nicht an kaum minder bedeutsamen Abweichungen zwischen beiderlei Rechten, und werde ich später noch auf deren Besprechung zurückkommen ; vorher aber glaube ich noch die andere, so sehr nahe- liegende Frage erledigen zu müssen, ob denn in keinem der übrigen schwedischen Rechte von dem Hauptzehnte irgend welche Spur zu ent- decken sei, und ob somit Reuterdahl mit Recht oder Unrecht die Be- schränkung dieses Institutes auf das einzige westgötische Recht ausspreche?

Da lässt sich nun zunächst von der Entrichtung des Hauptzehntes gelegentlich der Kirchweihe in Oestgötalagen eine Spur nach- weisen.^) Mitten hinein unter die Bestimmungen, welche von dem Korn-

1) ÖGL., Kristnub., 9.

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zehnte bandeln, findet sich hier der Satz eingeschoben: „Nu ae huat tiunda um uixla dagh gifs, )>a sura kirkia uighis, l>a liti ^n 6okn sua at*^; auf den Kornzehnt kann sich derselbe nicht beziehen, da dieser mit der Eirchweihe gar Nichts zu thun hat, und wird demnach an den Hauptzehnt zu denken, und die Bestimmung dahin auszulegen sein, dass der Gemeinde, deren Kirche geweiht wird, auf dessen Entrichtung kein Zwangsrecht zustehe, dass dieselbe sich vielmehr mit dem begpügen müsse, was freiwillig gegeben werde. Sodann aber findien sich in einer Reihe schwedischer Rechte Bestimmungen über Vergabungen, sei es nun unter Lebenden oder von Todes wegen, welche in sehr auffälliger Weise an die Verwendung des Hauptzehntes zu Seelgaben im norwegisch- isländischen Rechte erinnern. In Bezug auf derartige Verfügungen gehen die verschiedenen Provincialrechte Schwedens weit auseinander, und deren Vergleichung mit einander zeigt, wie das ganze 13. Jahrhundert hindurch der von der Kirche verfochtene Grundsatz, dass Jedermann die freie Verfügung über sein Verflögen, und zumal die Befugniss zu letztwilligen Dispositionen über dasselbe habe, mit der altgermanischen Regel, dass Vergabungen unter Lebenden ohne Consens der geborenen Erben nur im engsten Umfange, letztwillige Verfügungen aber überhaupt nicht zulässig seien, in heftigem Kampfe lag, und wie die Versuche, die beiden sich gegenüberstehenden Rechtssysteme auszugleichen, die ver- schiedensten Wege einschlugen. Bereits ein Schreiben Papst Alexanders III. aus den Jahren 1171 80^) klagt darüber, dass die Seelgaben an fromme Stiftungen nicht respectirt würden. Ein Erlass Papst Innocenz III. vom 10. März 1206^) tadelt speciell, dass die Gesetzsprecher in Schweden bei ihren alljährlich zu haltenden Rechtsvorträgen den Satz, „quod nemo in extremis aliquid deo et ecclesiis de bonis temporalibus suis nisi praesentibus et consencientibus heredibus potestatem habeat conferendi", als geltendes Recht hinstellten, während doch die unbeschränkte Freiheit der letztwilligen Verfügungen anerkannt werden müsse. Selbst noch in einem Schreiben Papst Gregors X. vom 9. August 1274^) kehrt die

1) Diplom. Suec, I, nr. 41, S. 62; vgl. oben, S. 262, Anm. 2.

2) ebenda, nr. 131, S. 157.

3) ebenda, nr. 577, S. 476-77.

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alte Klage wider, dass man in Schweden altem Herkommen zufolge keinerlei letztwillige Verfügung anerkenne, es sei denn dass die geborenen Erben zu derselben ihre Zustimmung erklärt hätten. So findet sich denn auch wirklich der betreffende Rechtssatz in dem ältesten der uns erhaltenen Rechtsböcher ausgesprochen, und zwar ausgesprochen als ein von kirchlicher Seite her bestrittener;^) die späteren Rechtsquellen da- gegen suchen bereits sammt und sonders zu vermitteln. Anknüpfend an einen Ausspruch Augustins, welcher auch in Gratians Decret über- gegangen ist,^) hatte bereits Papst Alexander III. in seinem angeführten Erlasse die Testamentsfreiheit nicht unbeschränkt in Anspruch genommen, sondern nur dem Vater das Recht vindicirt, neben seinen Kindern auch der Kirche einen nach deren Zahl sich berechnenden Kopftheil zu hin- terlassen ; Papst Gregor X. hatte lediglich auf diese Bestimmung zurück- gegriffen , und es mag sein , dass sich für sie auch im einheimischen Rechte ein Stützpunkt fand. In Dänemark wenigstens, wo noch ein Erlass Papst Innocenz III. vom 16. November 1198 über die völlige Unbekanntschaft mit dem Testamente zu klagen hat,^) und wo in den Rechtsbüchern ganz allgemein dem Manne, der in ein Kloster gesunden Leibes eintreten wollte, gestattet wurde einen Kopftheil (hovo^lot) seines Vermögens demselben zuzubringen , dem Kranken aber erlaubt war zu Gunsten der Kirche oder anderer Personen wenigstens noch über einen halben Kopftheil zu verfügen, während bei einem Kinderlosen das ganze Vermögen als Kopftheil des Besitzers galt/) hiengen diese Bestimmungen unzweifelhaft mit der Gütergemeinschaft zusammen , welche daselbst zwischen Ehegatten nicht nur, sondern auch zwischen Aeltern und Kindern, Stiefältern und Stiefkindern, Seh wiegerältern und Schwieger- kindern bestand, und welche beim Ausscheiden eines der in ihr begrif- fenen Familienglieder oder bei der völligen Aufhebung der Gemeinschaft eine Scheidung des Vermögens nach Kopftheilen bedingte. Spuren einer

1) WGL. I, ^rfl>8er b., 10: A dözudeeghi ma ikki fra arase gioee at lagmeeli, num arvi quseüaer sialuser ia ail>r; sva sigise Icerl^ir maBD, at eig xna ne nid kveel^ffi mse)) guz rset.

2) can. 8 Gaus. XIII, qu. 2.

3) Diplom. Suec, I, nr. 109, S. 133.

4) ygl. Kolderup-Rosenvinge, Gmndrids af den danske Retshistorie, I, S 264—66; Lareen, Forelsesninger over den danske Retshistorie, S. 213— 15; Stemann, Den danske Retshistorie, S. 423—24; Helveg, I, S. 268—69.

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änlichen Familiengemeinschaft auf vermögensrechtlichem Gebiete fehlen nun auch dem schwedischen Rechte nicht, und es leuchtet ein, wie sehr günstigen Boden eben desshalb die von Papst Alexander III. und Gregor X. erhobenen Ansprüche finden mochten. Auch in den schwedischen Pro* vincialrechten finden wir denn auch wirklich hin und wider den Satz ausgesprochen, dass ein ins Kloster Eintretender diesem einen Kopftheil seines Vermögens mitbringen dürfe, oder auch die Bestimmung, dass man gesunden Leibes zu Gunsten frommer Stiftungen über einen ganzen Kopftheil seines Vermögens verfügen dürfe, auf dem Siechbette dagegen über einen halben Kopftheil, und man mag derartige Vorschriften eben- sogut an die Forderungen der genannten Päpste anknüpfen, als an die Consequenzen der einheimischen Familiengütergerneinschaft; aber freilich gehen keineswegs alle schwedischen Provincialrechte diesen Weg, und selbst diejenigen, welche ihn einschlagen, pflegen ihn niöht völlig con- sequent einzuhalten. Bald werden die Verfügungen zu Gunsten der Kirchen und Klöster von Zuwendungen an andere Personen unterschieden; bald macht sich die Scheidung zwischen Erbgut und wühlgewonnenem Gut, oder wider die Scheidung zwischen Liegenschaften und Fahrhabe geltend; bald wird auch wohl statt des nach der Zahl der geborenen Erben sich bemeasenden Kopftheiles eine ein für allemal gleichmässig bestimmte Quote des Gesammtvermögens, oder eines bestimmten Ver- mögensbestandtheiles der freien Verfügung anheimgegeben , oder wider für diese durch eine ein für allemal festgesetzte Werthsumme eine Grenze gezogen, u. dgU m. Es ist nicht dieses Ortes, auf die grosse Mannich- faltigkeit der von hier aus sich ergebenden Einzelbestimmungen ein- zugehen;^) wohl aber muss eine besondere Gestaltung dieser Bestim- mungen in einigen Rechten hervorgehoben werden, welche eine gewisse Beziehung zum Hauptzehnte zu verrathen scheint, und wird es bezüglich ihrer wider rathsam, die betreffenden Quellenstellen selber vorzuführen. 36. ULL., Kirkiub. 14, pr.: giwser man egu fore sisel sinse kirkium sellr klostrum, aer wi^aer rsettser aerwingi, ok aer hi.n til wiz komin, sighiae bapir ia wip, aeru til fastaer ok füll skiaöl, standi

1) vgl. Nordstrom, Bidrag tili den svenska Samhälls-författningens Ilistoria, II, S. 165 177, dessen Darstellung freilich Vieles zu wünschen übrig lässt.

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l>aet fast oc fult se huru mykit han giwser. Nu sighser serwingi negen, sellr 8ßr sei wipaer, »llr aer owormaghi, aellr witwilling ser, l>a ma han sei merse giwae aen hwarn tyundse paenning, han a äff gambli byr)> sinni, hwat hann a minnae sellr merae; l>aet aer laghae giaeff; allae afäingae iorl> ma man giwae fore siael sinae. Giwaer man sik til klostaer aellr spitalae, t>a aghi aei wald merae giwae aen aerffwingin wil, utaen swa sum fyr aer saght. Nu giwaer man merae aen laghae giaeff,^) &c.

37. SML*, Kirkiub. , 12, pr. : Nv will man til kirkiu eller klostra fore sial sinae giwa, hawi wald giwa hwarn tiunda penning, ae hwat han giwar haeller iorj» eller lösöre, af gambla byrS sinni. Giwer man iorl> til klostres eller kirkiu, hawin aerwingiae walö te iorl> ater lösae innaen nat oc iamlanga, vm han raetter aerwingi aer, oc aer ei wiper l>a hon gifs, aeller aer oc owormaghi, aeller oc vt laendis. I)a aen raetter aerwingi aer wil)er l>a hon gifs til kirkiu eller clostres, oc sicher ia wil>er, l>a stände l)e gif fast oc füll, oc hawi engin wald framaley5 l>a gif ater kalla. Sighiae raetti aerwingiae ei ia til, oc orka ei siaelwir lösae, löse l>a naester byr^a man.

38. Gotl. L., 7, §. 1 : {»a en nequar mal>r giefr sie til clostrs barna lausan, l>a valdi sielfr aeign sennj; huatki ma hana selia el>a schipta mil>an hann lifr. I>a en hann doyr, t^a stez )>ril>iuDgr quer i clostri, en tueir lutir ganga ater vndir nil>ia ; l>a en hann barn a, l>a waldi hafut luth sinum. §. 2 : I>a en verelz mal>r wil aign til clostrs giefa et>a til kirchiur, l>a giefi tiunda luth af

' iorp aign sennj, oc aei frammar, vtan l>i at ains et nil>iar lufin.

39. Diplom. Suec, I, nr. 257, S. 258—59: In litteris Venerabilis Fratris nostri . . . Mutinensis Episcopi, tunc apostolice Sedis Legati, perspeximus contineri, innotuisse sibi ex litterarum Ve- nerabilis fratris nostri Andree Lundensis Archiepiscopi , Svesie

Primatis, tunc Apostolice Sedis Legati, tenore, ac fuisse

nichilominus institutum, ne cuiquam propter angustiam terre

1) Wörtlich ebenso WML. II, Kristnob., 13, pr. Abb. d. I. Ol d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. II. Abth. 38

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liceret de prediis capitalis Dortionis 8ue Ecclesiis ultra decimam partem in extremis relinquere, ac postmodum ad supplendam tenuitatem hujusmodi donationis iterum institutum fuisse, ut quilibet positus in extremis bona mobilia labore proprio acquisita totaliter Ecclesiis po88e(t) relinquere, vel pauperibus conferenda. Idem Archiepiscopus districte inhibuit, ne quis ea que super hiis ab antiquis fuerant decenter et utiliter ordinata, et ex diuturnitate temporis vigorem obtinuerunt constitutionis legitime, presumeret temere revocare. Nos igitur, vestris precibus inclinati, quod ab eodem Archiepiscopo super hiis factum est provide, ac statutiim, et deliberatione provida per predictum Episcopum tunc Legatum Sedis apostolice approbatum, sicut in eorum autenticis dicitur plenius contineri, auctoritate apostolica confirmamus, et presentis scripti patrocinio communimus. U. s. w. Es stellt demnach Uplandslagen, welches ganz allgemein die Regel ausspricht, dass man mit wohlgewonnenem Gute, selbst wenn es Grundbesitz sei, schalten und walten könne wie man wolle, ^) zu Gunsten der Seelgaben an Kirchen oder Klöster auch noch gewisse Eingriffe in das Erbgut in das freie Belieben des Besitzers; nur dürfen dieselben nicht über den zehnten Theil des Erbgutes betragen, es sei denn, dass der geborene Erbe dazu seine Zustimmung erklärt (nr. 36). Für die Seelgabe, welche innerhalb jener Grenze sich hält, gilt die Bezeichnung als laghaegiaef, d. h. gesetzliche Gabe, ganz wie die Morgengabe, welche der Mann der Frau, oder die Gegengabe, welche die Frau dem Manne zuwendet, mit dem gleichen Ausdrucke bezeichnet wird, wenn solche in der gesetzlich vorgesehenen Weise gegeben wird. 2) Dasselbe Mass an freier Verfügung, welches hinsichtlich der Seelgaben gilt, wird ferner auch demjenigen gewährt, welcher in ein Kloster oder Spital eintreten, und dabei einen Theil seines Vermögens der betreffenden Anstalt zu- wenden will; dagegen bedarf jede Verfügung zu Gunsten anderer Per-

1) ULL., JoTlm h., 3, §. 4: alke afflingse ior> hon a cei byrtomannuxn biutee; ton iorl» haweer afflset, han hawi wald äff hsenni giörse hwat han will, giwse sellr sselise hwem ban will, ok 8um hau gitser dyreest.

2) ÜLL. iBrf)>8eb., 4. Nar im Vorbeigehen bemerke ich, dass auch Hels. L., Eirkiu b., 14 den Begriff der laghagisef kennt, jedoch nur in einer hieher nicht gehörigen Gestaltung.

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sonen, und wären diess auch Verwandte oder treue Diener des Ver- fügenden, der Genemigung des Erben, um recbtsbeständig zu werden,^) selbstverständlich mit Ausname des Falles, da sie sich lediglich inner- halb der Grenzen des wohlgewonnenen Gutes bewegt. In der jüngeren Recension von Westmannalagen kehrt nicht nur jene Bestimmung über die Seelgaben wörtlich wider, sondern auch die Bestimmung über das freie Verfügungsrecht bezüglich alles wohlgewonnenen Gutes, ^) so- wie die über die Nothwendigkeit der Zustimmung des Erben zu Ver- gabungen an andere Personen;^) die ältere Recension desselben Rechts- buches hatte dagegen Verfügungen zu Ungunsten des Erben bis zu einer Werthgrenze von 3 Mark zugelassen, die Vergabungen an Kirchen und Klöster aber von dieser Beschränkung ausgenommen, ohne doch dabei anzugeben, ob für diese letzteren überhaupt keine Schranke gezogen sein solle, oder etwa nur eine andere als die gewöhnliche.*) Söder- mannalagen folgt wider materiell durchaus den Vorschriften von Up- landslagen, hält sich aber formell weit selbstständiger. Auch nach diesem Rechts buche wird dem Besitzer verstattet, unabhängig von der Zustimmung seines geborenen Erben den zehnten Theil seines Erbgutes zu Seelgaben an Kirchen oder Klöster zu verwenden, und wir erhalten hier sogar die nähere Erklärung, dass in diesem Erbgute ebensowohl Fahrhabe als Grundbesitz begriffen sein könne, nur dass bezüglich des letzteren dem nächsten geborenen Erben, und wenn dieser hiezu zu arm sei, dessen Nachmanne binnen Jahresfrist das Einlösungsrecht zu- steht, falls er nicht ausdrücklich in die Veraüsserung consentirt habe (nr. 37); wohlgewonnenes Gut soll man überdiess, ganz wie nach Up- landslagen, ganz unbeschränkt veraüssern , ^) und insbesondere auch für sein Seelenheil vergaben dürfen.^) Allerdings wird unmittelbar vor dem Satze, welcher dieses Letztere gestattet, ausgesprochen, dass man zu

1) ebenda, Eirkiub., 14, pr.: Giwser man nokrnm andrnm gos, frandnm mlir swenum, standi }y ens, at eerfwingiser ¥rili8e.

2) WML. II, Jorl>a b., 2, §. 8. 8) ebenda, Krietno b., 13, pr.

4) WML. I, Gipninga b., 16, pr.

5) SML. , Jor^a b., 2, §. 8: Alla aflinga iorI>, sum ei ser af byrd" köpt, H hawi l^en wald 8um aflat bawer, giwa oc gisellee oc ueli» hwem han will.

6) ebenda, Kirkiub., 12, §.1: Alla aflinga ior> ma oo man firi sial sinae giwa, »n han wilL

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Gunsten von Seelgaben an Verwandte, Diener oder andere Personen bei voller Gesundheit nur über die Hälfte, auf dem Siechbette aber nur über ein Drittel seines wohlgewonnenen Gutes an Liegenschaften verfügen dürfe, ^) und es lässt sich dieser Ausspruch mit jener freien Disposition über das wohlgewonnene Gut, welche jene anderen beiden Stellen dem Besitzer beilegen, unmöglich vereinigen. Aber wir wissen auch aus einer Urkunde vom 10. August 1327, mittelst deren König Magnus Einksson das Rechtsbuch bestätigte, dass gerade über die von den Seelgaben und Testamenten handelnden Bestimmungen in demselben die Geistlichkeit mit den Laien sich nicht hatte verständigen können ^^) und es liegt demnach die Vermuthung nahe, dass jener Widerspruch in unserem Texte eben auf diesen Conflict zurückzuführen sein möchte Wie dem auch sei, unzweifelhaft ist soviel, dass die Bestimmungen aller dreier Rechtsbücher eine unverkennbare Analogie mit den Satzungen des späteren norwegischen Rechtes zeigen. Nicht nur die löggjafir des norwegischen Landrechtes kehren in der Terminologie jener drei schwedischen Rechte wider, sondern auch der Begriff der liundargjöf vom Erbgute lässt sich in diesen wie in jenem nachweisen, wenn auch die Bezeichnung für die gleiche Sache hier nicht gebraucht wird. Freilich fehlt es neben diesen Aenlichkeiten nicht an mancherlei Abweichungen zwischen beiderlei Rechten. Der tiundargjöf vom Erbgute, wie sie in Norwegen seit dem Jahre 1152 vorkam, stand eine fjör&üngsgjöf zur Seite, welche vom wohlgewonnenen Gute gegeben werden durfte, wogegen jene schwedischen Rechte das wohlgewonnene Gut seinem vollen Umfange^ nach der freien Verfügung seines Besitzers anheimgeben; umgekehrt gewähren aber an- dererseits diese die freie Verfügung innerhalb der Grenzen einer laghsegisef nur zu Gunsten der Kirchen und Klöster, während das norwegische Recht seine tiundargjöf und fjör5üngsgjöf unbedenklich auch irgend- welchen anderen Zwecken und Personen zuzuwenden gestattet. Beachtens- werth bleibt aber immerhin, dass zwar die betreffende Vergabung in

1) ebenda: Nu vil man aflinga ior]> firi sial sinn giwa swenum, eller frsendum, eller oo an drum mannum, (em han sial wer will, giwer han held oo belbry^se, giwi balft >et han aflat hawer; giwer i sotta siang, giwi ]>ri(iung. Kan nocor a (e äfliug tala, mseHn ban liwande ser, oo will ban hanom ater wnna, hawi (»8 wald.

2) SML., S. 8.

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Schweden wie in Norwegen bezüglich ihres Zweckes und ihrer Vertheilung keineswegs an die Regeln gebunden ist, welchen der alte Hauptzehnt seinerseits da, wo er vorkam, unterlag, dass aber doch in Norwegen wenigstens der geschichtliche Zusammenhang der tiundargjöf mit der höfu5tiund sich vollkommen sicher verfolgen lässt; die Frage, ob wir nicht etwa auch in jenen Bestimmungen der schwedischen Rechte über die Vergabungen noch die letzten Ausläufer eines älteren, und im Uebrigen verschwundenen Hauptzehntes zu erkennen haben, wird demnach jeden- falls aufgeworfen werden dürfen. Ktwas weiter noch führt uns die Betrachtung des gotländischen Rechts. Gotlandslagen zunächst ge- stattet dem Laien von seinem Grundbesitze den zehnten Theil an Kirchen oder Klöster zu geben, ohne dass dazu die Zustimmung der geborenen Erben erforderlich wäre; dagegen darf der Mann, der ins Kloster geht, wenn er Kinder hat, nur einen Kopftheil, wenn er aber keine Kinder hat, sein ganzes Vermögen mit sich nemen, jedoch so, dass vom Ein- gebrachten immer nur ein Drittel bei seinem Tode dem Kloster verbleibt (nr. 38). Auch die letztere Bestimmung scheint sich lediglich auf den Grundbesitz zu beziehen, der regelmässig unter „aign'^ zu verstehen ist> und nur auf diesen hat sie denn auch die alte plattdeutsche Uebersetzung bezogen; von der Fahrhabe also wäre hiernach in der Stelle gar nicht die Rede, während diese andererseits auch nicht zwischen ererbten und wohlgewonnenen Liegenschaften unterscheidet. Einige weitere Erläuterung lässt sich aus den Angaben gewinnen, welche ein Erlass Papst Gregors IX. an den Klerus der Insel vom 23. Januar 1230 (nr. 39) über das daselbst geltende Recht macht. Ursprünglich, heisst es hier, habe auf der Insel Niemand „in extremis'^, also auf dem Siechbette, mehr als ein Zehntel „de praediis capitalis portionis suse" der Kirche vermachen dürfen, später aber habe man, um etwas grössere Schenkungen zu ermöglichen, auch noch die Vergabung alles wohlgewonnenen Gutes, soweit dasselbe in Fahrhabe bestand, verstattet. Es wird demnach die freie Verfügung über die Fahrhabe, soweit sie wohlgewonnen Gut ist, oder vielleicht sogar ohne diese Beschränkung, als in Gotlandslagen stillschweigend vorausgesetzt zu denken sein, während andererseits für das ältere Recht zwar nicht die völlige Ausschliessung jeder Disposition über dieselbe zu Gunsten der Kirche, aber doch eine Beschränkung dieser Dispositions-

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befugniss auf eine bestimmte Quote derselben anzunemen ist. Andern- theils zeigt die Urkunde, dass von den Liegenschaften nicht etwa ein volles Zehntel, sondern nur ein Zehntel des hafu> lutr zu Seelgaben verwendet werden durfte, d. h. dass der Besitzer, ehe er zu einer Ver- gabung schreiten durfte, erst mit seinen Kindern nach Köpfen theileu musste, um dann erst von dem ihn selbst treffenden Kopftheile sein Zehntel zu berechnen. Die angeführte Stelle des Rechtsbuches verträgt sehr wohl eine hiemit übereinstimmende Auslegung, da unmittelbar vor der Erwähnung des ,,tiunda luth af iorl> aign sennj'' von der Theilung mit den Kindern und dem „hafut luth^' des Vaters die Rede gewesen war; wir ersehen aber zugleich aus dem Rechtsbuche, dass jene Theilung,. wie nach dänischem Rechte nur für den Fall nöthig war, da der Be- sitzer Kinder hatte, während entfernteren Verwandten gegenüber dessen ganzes Vermögen als sein Kopftheil galt. In sehr eigenthümlicher Ge- staltung, aber immerhin noch wohl erkennbar, kommt demnach die tiundargjöf des norwegischen Rechtes auch aufGotland wider vor; hier aber wird es überdiess möglich, deren Alter wenigstens annähernd zu bestimmen. Wir ersehen aus dem angeführten Schreiben Papst Gregors IX., dass die Ausdehnung der Dispositionsfreiheit auf das gesammte beweg- liche wohlgewonnene Gut bereits als älteres Recht von Erzbischof Andreas von Lund vorgefunden und bestätigt worden sei, auf Grund der ihm zustehenden Würde eines Primas von Schweden und päpstlichen Legaten, und dass dann ein ungenannter Bischof von Modena, widerum als päpst- licher Legat, nachdem er von der betreffenden Urkunde Einsicht ge- nommen, diese auch seinerseits bestätigt, und sodann bei dem Papste um eine weitere Bekräftigung nachgesucht habe« Nun zeigen ein paar Urkunden, dass Erzbischof Andreas zwar noch im Jahre 1223 im Amte war,^) aber doch noch in demselben Jahre resignirt haben muss, sofern^ man bereits am 11. Januar 1224 in Rom von seiner Resignation und der Wahl seines Nachfolgers Kenntniss hatte.^) Wir wissen ferner, dass Bischof Wilhelm von Modena^ derselbe Mann, welcher später als Cardinal Wilhelm von Sabina im Norden eine so hervorragende Rolle spielte^ bereits unterm

1) Diplom. Saeo., I, nr. 218, S. 229—80.

2) ebenda, nr. 220—222, S. 232—34.

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31. December 1224 von Papst Honorius III. eine Bestallung als päpst- licher Legat in Liefland und Preussen, dann in den übrigen Ostsee- provinzen von Holstein ab bis Esthland und Kurland, Götland und die Insel Gotland ausdrücklich mit inbegriffen, erhielt; ^) wir finden denselben ferner im Sommer des Jahres 1226 auf Gotland, wo er ein paar Ur- kunden zur Bestätigung alterer Privilegien der Insel ausstellte,^) darunter eine zur Bestätigung eines von demselben Erzbischofe Andreas ausge- stellten Documentes, von welchem auch das in unserer Urkunde beziäich- nete herrührte. Damals also wird wohl auch dieses letztere Privileg des Erzbischofes von ihm bestätigt worden sein, welches Papst Gregor IX. im Sinne hatte, und ist demnach die Chronologie unserer Urkunde eine in sich völlig zusammenhängende und mit den anderwärts bekannten Daten völlig übereinstimmende; es ergiebt sich aber aus derselben mit voller Sicherheit, dass die Bestätigung der auf Gotland eingeführten Neuerung durch Erzbischof Andreas spätestens im Jahre 1223 erfolgt sein konnte, dass diese Neuerung selbst, welche vom Erzbischofe als „ab antiquis" eingeführt bezeichnet wird, doch immerhin wenigstens ein paar Jahrzehnte älteren Datums sein musste, dass endlich jenes ältere Recht, dessen illiberalere Satzungen durch die neuere Beliebung umge- staltet worden waren, ebendamit auch wider um einige Jahre weiter in der Zeit hinaufgeschoben wird. Wir werden somit nahe genug an die Zeit herangeführt, in welcher Cardinal Nikolaus von Albano sich im Norden aufhielt, und wird unter solchen Umständen die Vermuthung vielleicht nicht zu gewagt erscheinen, dass gerade er, wie er in Norwegen die tiundargjöf und zugleich fj6r5üngargjöf mit sicherer Hand organisirte, auch auf Gotland, und wohl auch für die im engeren Sinne schwedischen Provinzen das Gleiche geleistet haben werde; dass dabei die in Norwegen beliebte Norm von der in Schweden angenommenen, und diese wider von der auf Gotland eingeführten einigermassen abweicht, kann jeden- falls solcher Anname nicht entgegengesetzt werden, da eine Ueberein- stimmung der verschiedenen Gesetzgebungen bis in alles Detail herab

1) Raynaldus, AnnaL, Tom. XIII, a. 1224, nr. 88, S. 313. «

2) Diplom. Suec, I, nr. 232—83, S. 242— 8; nr. 887, S. 698. Die beiden ersteren Urkunden werden vom Herausgeber, offenbar irrtbümlicb, scbon dem Jabre 1225 zugewiesen.

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von Vornherein nicht zu erwarten ist, deren Uebereinstimmung aber im Grundgedanken der Neuerung vollkommen feststeht. Selbstverständlich müsste aber, wie in Norwegen die tiundargjöf nachweisbar aus einer älteren höfu5tiund hervorgewachsen ist, auch fär Schweden ein änlicher Ausgangspunkt für dieselbe vorausgesetzt, und somit angenommen werden, dass dieser Hauptzehnt, wie er aus dem Rechte Oestergötlands bis auf eine ganz vereinzelte Spur erweislichermassen verschwunden ist, so auch in den schwedischen Provinzen und auf Gotland ursprünglich gebräuchlich gewesen sei, obwohl die uns erhaltenen Rechtsbücher dieser Landschaften mit Ausname ihrer Bestimmungen über die Seelgaben von ihm Nichts mehr erkennen lassen. Die Einführung aber jener höfu5tiund müsste nicht minder selbstverständlich auch für Schweden hinter der Einführung des Ertragszehntes zurückliegen, und somit jedenfalls bereits dem 11. Jahr- hunderte angehören.

Von dem durch diese Vermuthungen gewonnenen Standpunkte aus eröffnet sich ein überraschender Parallelismus in dem Entwicklungsgange des Zehntwesens in Norwegen und in Schweden. Hier wie dort scheint der Hauptzehnt im Verlaufe des 11. Jahrhunderts als legale Last auf- gekommen zu sein. Hier wie dort stellte sich sodann in den letzten Jahren des 11. oder am Anfange des 12. Jahrhunderts der Ertragszehnt ein, in Schweden freilich nach der englischen, in Norwegen dagegen nach der römisch-deutschen Disciplin geordnet. Wie in der westlichen Hälfte Norwegens, so scheint auch in den im engeren Sinne schwedischen Provinzen, dann auf der Insel Gotland der Ertragszehnt den Hauptzehnt als legale Last verdrängt zu haben, während er ihn als Votivzehnt fort- bestehen liess; wie in Vikin und den norwegischen Upplönd scheint da- gegen in Westergötland , und vielleicht eine Zeit lang auch in Oester- götland, der Klerus nicht ohne Erfolg den Versuch gemacht zu haben, beide Arten des Zehnts als legale Last neben einander in Geltung zu erhalten. Wie in Norwegen scheint endlich auch in Schweden Cardinal Nikolaus den zu einem blosen Votivzehnt herabgesunkenen Hauptzehnt zu einer tiundargjöf organisirt zu haben, die fortan in den betreffenden Rechten nur noch unter den Gesichtspunkt einer gesetzlich privilegirten Seelgabe fiel. Dass gerade im südöstlichsten Theile von Norwegen, und andererseits im südwestlichsten Theile von Schweden der Hauptzehnt

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in seiner ursprünglichen Gestalt sich am Längsten erhielt, erklärt sich leicht daraus, dass gerade Vikin und Westergötland die am Frühesten nachhaltig bekehrten Provinzen beider Reiche waren. Ein gempinsamer Ursprung für den Hauptzehnt in beiden Reichen darf bei diesem Paral- lelismus seiner Gestaltung wohl vermuthet werden, und wird man diesen etwa in dem Christenrechte König Olafs des Heiligen, wenn nicht gar schon in Anordnungen König Olaf Trjggvason's suchen dürfen, da ja gerade Westergötland durch einen Hofbischof des letzteren bekehrt worden und später mit dem ersteren in besonders freundlichem Verkehre gestanden sein soll. Nicht minder wird man annemen dürfen, dass der Hauptzehnt auch in Norwegen, und nicht minder auch auf Island, wohin derselbe ja mit dem Christenthume selbst aus Norwegen gekommen sein musste, ursprünglich eine vollere Gestalt gezeigt haben werde, als in welcher er uns in den so spät erst aufgezeichneten Recbtsbüchern beider Lande sich zeigt, und werden die vollständigeren Angaben des westgötischen Rechtes benützt werden dürfen, um die spärlichen Bestitnmungen jener ersteren Quellen zu ergänzen. In der Entrichtung des Hauptzehntes gelegentlich der Einweihung einer Kirche bin ich geneigt den Ausgangs- punkt zu vermuthen, von welchem aus die Entwicklung des ganzen In- stitutes meinen Anfang nam; bei der ersten Organisation der Kirche in dem eben erst dem Heidenthume abgewonnenen Lande mochte man einen Capitalzehnt eingefordert und gewährt haben, um aus seinem Ertrage einen Grundstock für die Dotation der neuen Kirchen und ihres Klerus zu gewinnen, und dann hinterher die Verpflichtung, denselben einmal im Leben zu entrichten, oder auch wegen begangener Sünden ihn zu erlegen, erst hinzugefügt haben, um^auch die zukünftigen Gemeindeglieder,, und diejenigen, welche um ihrer Sünden willen sich in den Gemeinde- verband wider einkaufen mussten, an der Last Antheil nemen zu lassen» Einen sehr eigen thümlichen Umstand glaube ich für diese Auffassung geltend machen zu dürfen. Ist der Hauptzehnt im Norden durch einen der beiden Olafe eingeführt worden, so spricht alle Wahrscheinlichkeit dafür, dass diess nach dem Muster der angelsächsischen Kirche geschehen sein werde ; gerade in England aber findet sich wirklich einmal ein Beispiel, welches für jenes Gebot des Hauptzehntes als Vorbild gedient haben konnte, die viel besprochene und bestrittene Verfügung nämlich,.

Abb. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. IL Abtb. 39

•300

welche König ^6elwulf um die Mitte des 9. Jahrhunderts zu Gunsten der Kirche erlassen hat. Man hat in dieser freilich den legalen Ursprung des Ertragszehnts in England erkennen wollen; ^) indessen hat meines Erachtens Kemble schlagend das Irrige dieser Anname dargethan,^) und wird nur seiner eigenen Darstellung noch der Vorwurf gemacht werden dürfen, dass sie, unbekannt mit dem Vorkommen des Hauptzehnts in den skandinavischen Rechten, den für die Auslegung massgebenden Unterschied des Capitalzehnts vom Ertragszehnte nicht scharf genug hervortreten lässt. Vielleicht würde es umfangreicheren Nachforschungen auf dem Gebiete der angelsächsischen Quellen gelingen, noch andere Be- lege ausfindig zu machen; ich überlasse diess aber Anderen, mit der Anregung der Frage mich für diessmal begnügend.

Anhang. L Universis presentes litteras inspecturis Johannes, dei gracia archiepiscopus Upsalensis, salutem in Domino. Noverint uni- versi, quod venerabilis frater noster dominus Brjnolphus dei gracia episcopus Scarensis, coram nobis Sudher copise conquerendo proposuit, quod cives Ludhosie quasdam decimas capitales, quas a longis retro- actis temporibus ita quod memoria in contrarium non existit, episcopo Scarensi solverant integre et devote, in animorum eorum periculum de- tinent et solvere recusant, iuris remedium super hoc a nobis requirens, quos ad concilium provinciale pro tuuc in brevi celebrandum canonice fecimus citare, qui venire nolentes per litteram quandum missilem se excusarunt ad dandas decimas, narrantes se non teneri. Et quia idem dominus Brjnolphus episcopus, in concilio provinciali comparens, con- tumaciam eorumque constanter accusans, quasdam litteras apostolicas ac regales ac alia munimenta super dandis dictis decimis capitalibus ibi produxit nostrumque officium implorando iusticiam sibi fieri cum in- stancia humiliter postulavit, nos igitur, considerantes , quod humilitas humilibus parum prodesset, si contumacibus contumacia non obesset, de concilio fratrum nostrorum pro tunc presencium, litteris, munimentis

1) So Seiden, The History of Tithes, cap. 8, §. 4, und ihm folgend Andere.

2) The Saxons in England, n, S. 480-90.

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«t probacionibus dicti domini Brjniolphi episcopi super dandis dictis decimis diligenter examinatis et debite discussis, ipsisque probacionibus, litteris et munimentis huiusmodi super hoc veris et ydoneis repertis, predictas decimas capitales dicto domino Brjniolpho episcopo Scarensi et suis successoribus sentencialiter adiudicav imus , predictorum civium contumacia non obstante, mandantes firmiter authoritate metropolitica Omnibus et singulis supradictis civibus Ludhosie sub poena anathe- matis, quatenus dicto domino episcopo Scarensi et eins successoribus de predictis decimis capitalibus satisfaciant et persolvant fideliter et deuote. In cuius euidenciam secretum nostrum presentibus est appensum. Datum Arboga anno domini M*" CD'' XIP die mensis septembris XIII.

II. JacobuSy miseracione diuina archiepiscopas Upsalensis

Nos in predecessoris nostri vestigiis inherentes, prefatos civesLudosie ad solucionem dictarum decimarum capitalium per censuras ecclesiasticas «t alia iuris remedia compellendos decernimus et effectualiter cohercendos* In cuius fidem et testimonium presentes litteras fieri fecimus nostrique secreti appensione communiri. Datum Holmis XV. Junii a^ dni MDIX.

Beide Urkunden sind nach den Abschriften copirt, welche Oernhjelm im 17* Jahrhunderte nam, und bemerke ich zu der ersteren, dass im September des Jahres 1412 wirklich in Arboga eine Provinciais jnode nnter Vorsitz des Erzbischofs Johannes Gerechini abgehalten wurde, an welcher Bischof Brynjulf Karlsson von Skara Antheil nam, dann zu der zweiten, dass Erzbischof Jakob vom Jahre 1469 ab auf dem erz- bischöflichen Stuhle sass, bis er in den Jahren 1514 15 abdicirte. Vgl. Reuterdahl, III, 2, S. 6—7, und 38—54, dann S. 102—3, und 173—4.

ABHANDLUNGEN

DER

PHILOSOPHISCH-PHILOLOGISCHEN CLASSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE dee WISSENSCHAFTEN.

DREIZEHNTEN BANDES

DRITTE ABTHEILUNG.

A

l

ABHANDLUNGEN

DEH

PHILOSOPHISCH-PHILOLOGISCHEN CUSSE

DER KÖNIGLICH BAYERISCHEN

AKADEMIE der WISSENSCHAFTEN.

DEEIZEHNTEN BANDES

DRITTE ABTHEILCN9.

IX DER BBUIE DER DENKSCHRIFTEN DER Xl.VI. BiND.

MÜNCHEN,

1875.

VERLAG DER K. AKADEMIE,

IN COMMISSION BEI G. FRANZ.

ir

I I.

l

Inhalt.

Seite Die Entstehungszeit der älteren Frostutingslög. Von Konrad Maurer . . 1

Ein neuer Kambyses-Text. Mit 1 Tafel. Von Dr. L*iuth 85

Die Parakataloge im griecliischen und römisclien Drama. Von Wilhelm Christ lo3

Die Entstehungszeit

der

älteren Frostupingslög.

Von

Konrad Maurer«

Abhd. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth.

Die Entstehungszeit

der

älteren Frostutings log.

Von

Eonrad Maurer^

In einem früheren Vortrage habe ich die älteren Gulatingslög einer Prüfung in Bezug auf ihre Entstehungszeit unterzogen;^) heute gedenke ich das zweite der uns einigermassen vollständig überlieferten norweg- ischen Provincialrechte einer Untersuchung in änlicher Richtung zu unterwerfen, nämlich die Frostupingslög. Ich beginne auch dieses Mal mit einer Betrachtung des Dingverbandes selbst, auf welchen sich die Quelle bezieht.

So weit unsere Kunde vom Lande Norwegen zurückreicht, wird uns auch die Landschaft {»rändheimr genannt. Die Ableitung ihres Namens von fränd, dem Sohne Nors, ist natürlich vollkommen unge- Bchichtlich , ^) allein immerhin insoferne nicht unbedeutsam, als sie auf dessen hohes Alter hinweist. Aus 8 Volklanden bestand die Landschaft, deren je 4 wider unter sich in einer engeren Verbindung standen, und ^war bildete das Eyna-, Sparbyggja-, Verdoela- und Skeynafylki das innere, dagegen das Stjordoela-, Strinda-, Gauldoela- und Orkdoelafylki das äussere Drontheim; die Einwohner jenes ersteren nannte man Inn- >roendir, die Einwohner dieses letzteren Uttroendir, und gebrauchte auch

1) Siehe, Band XII, Abth. III der Abhandlungen dieser Classe, S. 97—170.

2) Flateyjarbok, I, S. 22; vgl. Eiriks s. vid-förla (ebenda, S. 29).

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wohl für beide die Bezeichnungen innan ör |>rdndheimi und utan ör |>rändheimi. Auch die Bezeichnung |>roendalög kommt für die Land- schaft gebraucht vor, welche zu erkennen giebt, dass diese einen Ding- verband für sich bildete: und wirklich ist an einer langen Reihe von Stellen, welche zum Theil unten nocli anzuführen st'in werden, von einem „ätta fyikna>ing i |>rdndheimi" die Rede, von einer Dingversammlung also, welche von den genannten 8 Volklanden gemeinsam beschickt wurde; die Nachricht, dass zu König Harald härfagri's Zeiten jedes dieser 8 Volklande seinen eigenen König über sich hatte, bis es dem Genannten gelang, sich zum alleinigen Herren der Landschaft zu machen,^) mag unverlässiger sein^ zeigt indessen immerhin auch ihrerseits, dass die Landschaft damals aus jenen 8 fylki sich zusammensetzte. Im Strinda- fylki aber lag die Halbinsel Frosta, und auf ihr der Hof Lagatün, bei welchem noch im 16. Jahrhunderte das FrostaJ)ing oder Frostü^ing gehalten wurde; ^) wenn nun einerseits berichtet wird, dass bereits um die Mitte des 10. Jahrhunderts die Leute „6r öllum fylkjum ^eim sem ero i |>roendalögum" zum Frosta l)inge gekommen seien, während ziemlich gleichzeitig 8 Mäuner ,,er mest reSu fyrir blötum i öllum |>roendalögum'* genannt werden, nämlich 4 „ütan ör |>rändheimi" und 4 „af Inntroendum",^) und wenn wir andererseits am Schlüsse desselben Jahrhunderts den König Olaf Tryggvason ein „8 fylknaping ä Frostu" berufen sehen/) so darf wohl der Satz als gesichert betrachtet werden, dass dazumal auf Frosta die gemeinsame Dingstätte der |>roendalög gewesen sein werde, und dass somit damals das Frostuping als Dingverband mit der Land- schaft Drontheim zusammengefallen sein müsse. Gelegentlich des Pro- cesses, welchen zu Anfang des 12. Jahrhunderts König Sigurör Jorsalafari gegen seinen Landherren SigurS Hranason führte, erfahren wir ferner, dass dazumal das Frostu^ing ebensowohl nach NiSaros als nach der Halbinsel Frosta berufen werden konnte;^) das auf den Eyrar, d. h. Sand-

1) Heimskr. Haralds b. harfagra, cap. 5, S. 51, und cap. 7, S 52.

2) Diplom. Norveg. I. nr. 1018, S. 734—5 (1506); vgl. V, nr. 623, S. 438—9 (1433). 8) Heimskr. Hakonar s. god'a, cap. 15, S. 92, und cap. 19, S. 96.

4) ebenda, Olafs s. Tryggvasonar, cap. 72, S. 181? Oddr, cap. 41, S. 41, ed. Manch»

und cap. 50, S. 322 ed. Hafn. 6) Morkinskinna, S. 181; Sigurd'ar 8. Jorsalafara, cap. 31, S. 137 (FMS., VH): ia

der Heimskr., cap. 22, S. 678 fehlt die Bemerkung.

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flächen, bei jener Stadt gehaltene Eyral>ing mochte hiernach mit dem Fro8tu>inge identisch sein, und daraus sich erklären, dass gelegentlich jenes Processes die Heimskringla von einem EyraJ)inge sprechen kann, welches sie zugleich als ein 8 fylknating bezeichnet, während die übrigen Bearbeitungen von einem Frostul>lnge reden, das nur ausnamsweise bei Ni&arös gehalten worden sei, dass ferner auch schon gelegentlich der Wahl Olaf Tryggvason's zum Könige die eine Quelle von einem Eyra- tinge spricht, während eine zweite und dritte ein alsherjar^ing i {»ränd- heimi oder 8 fylknaping i Jjrandheimi nennt, ^J dass endlich König Sverrir Behufs einer Königswahl und Huldigung einmal ein Eyra^ing beruft, zu welchem 12 Männer „ör hverju fylki ^öirra 8, er fyrir innan Agöanes eru'% ernannt werden, und welches darum auch geradezu als ein 8 fylkna>ing bezeichnet wird.^) Alle diese Vorkommnisse weisen darauf hin, dass das Eyral>ing und Frosta^ing aus einem und demselben Dingverbande hervorgiengen, und zwar aus einem solchen, welcher 8 Volk- lande zählte, und somit nur der Landschaft Drontheim entsprochen haben kann; die Scheidung beider Dingversammlungen konnte demnach nur durch die Dingstätte veranlasst sein, an welcher die eine und die andere zusammentratt, und wenn wir das Gulaplng gelegentlich einmal bei Bergen statt auf Gula gehalten sehen, ^) so scheint eben nur am Frostul>fnge eine solche Verlegung viel gewöhnlicher, und vielleicht für gewisse Ge- schäfte, wie z. B. die Königswahl, sogar ein für allemal hergebracht gewesen zu sein. Mit der Zeit tratt nun freilich eine Erweiterung des Dingverbandes ein. Die Landslög lassen neben den 8 Volklanden Drontheims auch noch den Raumsdal und Nor6mroei, den Naumudal, endlich den oberhalb des Orkdoelafylki gelegenen Uppdal Vertreter zum Frostul>inge schicken , ^) und müssen demnach auch diese Landschaften spätestens vom Jahre 1274 ah zu dessen Dingverband gezählt haben^ wie sie denn auch noch die ganze Uniouszeit hindurch zum Bezirke des

1) Oddr, cap. 15, S. 22 ed. Manch, und cap.20, 8.278 ed. Hafn.; Heimskr., cap. 57,' S. 170; FMS., I, cap. 105, S 220 und 224, sowie Flbk, I, S. 239 und 241.

2) Sverris 8., ca)). 16, S. 41. Ebensoviele Bauern aus jedem fylki lässt die Häkonar s. gamla, cap. 223, S. 496, huldigen, jedoch ohne die Zahl der Volklande zu nennen.

3) Hakonar b. jramla, cap. 22—24, S. 263—65.

4) {>in qrfararb. 2.

Lagraannes von Drontheim gehörten.^) Da wir in demselben Gesetzbuche eine änliche Erweiterung auch für zwei andere Dingverbände durchgeführt aehen, lässt sich vermuthen, dass gerade bei seiner Erlassung der Ver- such gemacht worden sei, die bis dahin isolirten Bezirke unter die 4 alten Dingverbände zu vertheilen, und damit diese zu einer das ganze Reich mit Ausname von Hälogaland, dann Jämtaland mit Herjedalen, umfassenden Eintheilung zu machen; indessen bleibt freilich eine der- artige Anname zunächst nur eine Hypothese, und ist die andere Mög- lichkeit noch keineswegs ausgeschlossen, dass jene Erweiterung bezüglich aller oder einzelner Dingverbände bereits früher erfolgt sein könnte. Die norwegitjphen Historiker haben sich denn auch wirklich für die letztere Alternative entschieden, wenn auch in etwas verschiedener Weise. Munch nimmt an,-) dass bereits König Hakon ASalsteinsföstri den Raumsdal und Norömcjüri zum Frostupinge geschlagen habe, während der Naumudalr und Hälogaland sogar schon früher zu diesem gehört hätten, und er meint, dass alle diese Bezirke am Ding unter den Ausserdröntern ver- treten gewesen seien, wesshalb denn auch unser Rechtsbuch diesen eine grössere Vertreterzahl zuweise als den Innerdröntern. Fr. Brandt lässt durch König Häkon das Naumdoelafylki, NorSmoerafylki und Raumsdcela- fylki zum Frostupinge schlagen,^) und wesentlich denselben Weg geht, mit sorgfältiger Begründung, neuerdings Ebbe Hertzberg.*) Keyser da- gegen hält dafür, ^) dass unter König Häkon gööi Hälogaland, Jämtaland und Herjedalen ebensowohl als NorömoBri, Raumsdalr und Naumudalr an die 8 dröntischen Volklande als an den Kern des Verbandes sich an- geschlossen hätten, nur freilich so, dass die Festigkeit der Verbindung mit diesen bei ihnen eine verschieden abgestufte gewesen sei, indem nur die letzteren 3 Landschaften das Frostu^ing durch eigene Vertreter be- schickt, die ersteren 3 dagegen je ihr eigenes lögping gehabt hätten und nur der Gesetzgebung des Frostupinges unterworfen gewesen seien. In-

1) vgl. Styffo, Skandinavien undor Unionatiden, S. öib 52.

2) Det norske Folks Historie, 1, 1, S. i)8-!»9, und 713; II, S. lOUO.

3) Om Norgres dömmcnde Institutioner jrjennem Middelaldercn , in Lange's Norsk Tidsskrift, V, S. 103.

■1) Grundtrickkene i den juldstc norske Proces (Kristiania, 187-i), S. 120—7, und 131 !». 0) Norgea Stats- og rJetsforfaining i Middelalderen, S. 1G4, IG») und 171.

dessen fehlt es allen diesen Ansichten ganz gleichmässig an jedem Be- weise. Nirgends wird uns gesagt, dass König Häkon sei es nun 3 oder 6 Landschaften zum Frostupinge hinzugethan habe, denn die unten noch zu besprechende Nachricht, dass derselbe sich mit der Gesetzgebung dieses Dingverbandes befasst habe, kann doch hiefür nicht angefahrt, und daraus, dass die Moerir und Raumsdoelir den Bekehrungsversuchen des Königs gegenüber erklärten, erst abwarten zu wollen, was die |>ro8ndir thun , ^) ebensowenig ein Schluss gezogen werden ; umgekehrt weisen vielmehr die oben angeführten Angaben über die Haltung eines 8 fylknapingea in Drontheim, welclies zugleich auch wohl als Frostuping bezeichnet wird, darauf hin, dass nicht nur zu König Hdkons Zeiten, sondern auch noch unter König Olaf Tryggvason, Sigurö Jorsalafari, ja König Sverrir, nicht mehr als die 8 Volklande Drontheims am Frostu- tinge vertreten waren. Eine Vertretung aber der einen Landschaft durch Abgeordnete der anderen, wie sie Munch annimmt, würde dem ganzen Geiste der nordischen Dingverfassung widersprechen, und wäre überdiess kaum abzusehen, warum Hälogaland und Naumudalr durch die entfernteren Ausserdrönter statt durch die näher gelegenen Innerdrönter vertreten sein sollten. Die Landslög, welche NorSmoeri, sowie den Raumsdal und Naumudal wirklich zum Dingverbande geschlagen zeigen, räumen wirklich allen 3 Landschaften ihre besondere Vertretung ein^ ohne darum doch die Vertreterzahl der 8 dröntischen Volklande zu schmälern, oder die Ungleichheit in der Vertreterzahl der inner- und ausserdröntischen Volklande zu beseitigen, wie diess doch hätte geschehen müssen, wenn diese Ungleichheit in der Mitvertretung jener anderen Be- zirke durch die Ausserdrönter begründet gewesen wäre, und man wird demnach die stärkere Vertreterzahl der ausserdröntischen Volklande wohl nur auf deren grössere Ausdehnung und Bevölkerung, theil weise vielleicht auch auf deren grössere Nähe an der Dingstätte zurückzuführen haben, auf Gründe also, wie sie auch bezüglich der Zusammensetzung des Gulal>inges in änlicher Richtung sich geltend machten.-)

1) Heimskr. Häkonar s. god'a, cap. 15, S. 92.

2) Sollte man sich vielleicht auch daran erinnern dürfen, daas die Volklande Drontheims thcils in Viertel und Achtel, theils in Drittel und Sechstel eich theilten? Es wäre denkbar, dass

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Die geschicbtliohen Quellen scheinen überhaupt zur Lösung unserer Frage kein genügendes Material zu bieten. Wollte man freilich der neuerdings von Gustav Storm so scharfsinnig vertheidigten Anname folgen, dass die von Munch herausgegebene Historia NorvegisB bereits vor dem Jahre 1200 verfasst sei,^) so mösste ein Anderes ^angenommen werden, denn in dieser werden (S. 3) zu der „patria Trondemia'* neben den acht ,,provincidß^' innerhalb des Drontheimsfjordes noch 3 weitere, ausserhalb dieses Meerbusens gelegene gerechnet^ unter welchen denn doch sicherlich nur der Kaumsdalr und Naumudalr sammt Norämoeri verstanden werden können; allein ich wenigstens vermag jene Ansicht nicht für begründet zu halten. Die Parallelen, welche auf eine Benützung des Werkchens durch Snorri und den Verfasser des Agrip af Noregs konünga sögum schliessen lassen sollen , lassen sich meines Erachtens ebensogut aus der gemeinsamen Benützung einer oder mehrerer älterer Quellen, oder auch noch auf andere W^eise erklären. Die Erwähnung der Hebuden unter den Inseln, welche dem norwegischen Könige Tribut zahlen, und die Angabe^ dass dieselben unter kleinen Königen stehen, lässt nicht auf die Abfassung der Schrift vor dem Frieden von Perth (1266) schliessen, da ja durch diesen Friedensvertrag selbst der König von Schottland sich zur Zahlung einer jährlichen „pensio'^ von 100 Mark an den König von Norwegen verpflichtete,^) welche die Chronik von Melrose ausdrücklich als eine Kecognition seiner Vasallenpflicht bezeichnet, und da überdiess feststeht, dass die Erben der früheren Kleinkönige sich noch geraume Zeit im Besitze der Inseln und des Königstitels zu behaupten suchten.^) Auch darauf wird wenig Werth zu legen sein, dass der Verfasser von einem Berge erzählt, welcher „nostra aBtate**

diu erstcre Eintheilung in Innerdrontheim, die letztere in Ausserdrontbeiin gef^olton, and dass somit dort jeder attüngr 5 und hier jeder settüngr 10 Abgeordnete geschickt hätte. Vgl. Fr])L., II, 7 und li; IV. B.

1) vg] dessen Abhandlung: Nor^ke Historieskrivere paa Kong Sverres Tid, in den Aarböger for Nordisk Oldkyudighed og Historie, 1871, S. 410 22: dann: Snorre Sturlassöns Historie- skrivning (Kopenhagen, 1873), i^. 22 5. Dagegen S Bug ge, Bemserkninger om den iSkot- land fundue latinske Norges Kröiiike, in den Aarböger, 1873, S. 1 49, \^'orauf Storm, ebenda, 8.361 85, mit seinen Yderlige Bemserkninger om den skotske „historia Norvegia?'* repücirte.

2) Diplom. Norveg., VIII, nr. 9, S. 14—15.

3) vgl. Munchi Chronica regum MannisB et Insularum, S. 132—6.

durch unterirdisches Feuer bei Island aus der See emporgehoben worden sei ; wenn sich nänolich zwar diese Nachricht ganz wohl auf die Eldeyjar beziehen liesse, welche im Jahre 1211 entstanden sein sollen, ^) so kann doch ebensogut auch irgend eine andere unterseeische Eruption gemeint sein, wie denn Munch wirklich an eine zum Jahre 1422 berichtete er- innert hat. Bedeutsamer scheint mir dagegen, dass der Königsspiegel unverkennbar sehr ausgiebig für das Büchlein benutzt wurde, ein Werk also, welches frühestens zur Zeit König Sverrirs, möglicher Weise aber auch um ein halbes Jahrhundert später geschrieben wurde , ^) und ge- radezu entscheidend, dass Island bereits unter die „tributaride insulae^' der Könige von Norwegen gerechnet wird, welchen sich die Insel doch erst in den Jahren 1262 63 unterwarf; vor dieser Zeit kann das Büch- lein meines Eracbtens unmöglich verfasst sein, allerdings aber auch wohl bedeutend später, und hat es demnach auch gar nichts Befremdendes, wenn seine Angaben über die Eintheilung Norwegens vollkommen den Zuständen entsprechen, welche das gemeine Landrecht als die geltenden bezeichnet. Zu den Bezirken, welche „Gulaticis subjacent legibus^', werden Valdres, Haddingjadalr und einige andere, ungenannte Landschaften ge- rechnet, und zum Frostupinge, wie bemerkt, zwar NorSmoeri, Raurosdalr und Naumudalr gezählt, nicht aber Hälogaland, welches vielmehr als eine vierte „patria^* neben Vikin, das Gulaping und das Frostuping gestellt wird; Beides dem Landrechte völlig entsprechend, aber für die frühere Zeit, wie zum Theil noch nachzuweisen sein wird, entschieden unrichtig. Man darf sich nicht, wie Storm thut (S. 421), darauf berufen, dass be- reits seit dem Ende des 12. Jahrhunderts in Norwegen neben je zwei Lagmännern für Vikin, die Hochlande, das Gulaping und Dronth^im noch einer für Hälogaland angesetzt gewesen sei. Die einzige Stelle,

1) vgl. S. 8 mit den Islenzkir Annalar, S. 88. Ebensowenig glaube ich daraus scbliessen zu dürfen, dass der Verfasser in seinem Prologe eine nicht naher bezeichnete Person mit den Worten anspricht: ,,o agnelle jure didascalico mi preelate'*. Man könnte dabei zwar an jenen Prior Lambi von Helgasetr denken, welchen die Hakonar s. gamla, cap. 222, S. 495, Anm. 3, um das Jahr 1240 nennt; aber auch andere Prselaten mochten den gleichen Namen führen.

2) Letzteres nach 0. Blom, Bemsarkninger om Kongespeilets Affattelsestid, in <len Aarböger, 1867, S. 65—109.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 2

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auf welche sich diese Angabe stützt, der Bericht nämlich über den im Jahre 1223 zu Bergen abgehaltenen Herrentag,^) nennt nicht zwei Lög- männer aus Drontheim neben einem aus Halogaland, sondern deren drei „ör froendalögum'', und es ist eine blose Vermuthung, wenn einer von diesen, Bjarni Mar5arson, als über Halogaland gesetzt betrachtet werden will ; überdiess :wäre, selbst die Richtigkeit dieser Vermuthung zugegeben, Hdlogaland doch jedenfalls in die |>roendalög, d* h. an dieser Stelle in den Verband des Frostu^inges mit einbezogen, nicht aber als ein selbst- ständiger Bezirk diesem an die Seite gesetzt, wie diess die Historia Norvegiae doch ihrerseits thut. Ausserdem fehlt aber auch jeder Grund für die Anname, dass die aufgezählten 0 lögmenn die einzigen gewesen seien, welche es im erwähnten Jahre in Norwegen gab, und der Umstand, dass der eine von ihnen nur über Rogaland, der andere nur über di^s Land südlich des Svinasundes, ein dritter über HeiSmörk und ein vierter Ober den südlichen Theil der Upplönd gesetzt war,^) weist sogar um- gekehrt sehr klar auf weit kleinere, ebendarum aber auch weit zahl- reichere Bezirke hin. Für den Versuch, die Bezirksverfassung Norwegens zu Anfang des 13. Jahrhunderts zu bestimmen, wird die Stelle damit so zu sagen werthlos, und keinenfalls vermag sie darzuthun, dass die in der Historia Norvegiae geschilderte Landeseintheilung bis in jene Zeit zurückreiche. Um so auffalliger ist aber, dass diesem Schweigen der Geschichtsquellen gegenüber unser Rechtsbuch allerdings bestimmtere Anhaltspunkte an die Hand giebt, aus welchen Schlüsse auf die Aus- dehnung des Gebietes der Frostu^ingslög gezogen werden können, nur dass diese Anhaltspunkte leider schwer genug festzustellen sind.

Zwei Reihen von hier einschlägigen Bestimmungen stehen sich in unserem Rechtsbuche gegenüber, welche mit einander schlechterdings unvereinbar erscheinen. Sehe ich ab von Stellen, welche lediglich den Gegensatz des Dingverbandes selbst zu allem ausserhalb desselben ge- legenen Lande bezeichnen, und welche somit hier keine Entscheidung bringen können,^) so finden sich doch zunächst deren mehrere, welche

1) Hakonar s. gamla, cap. 86, S. 325.

2) Hakonar 8., cap. 93, 94, 95 und 96, S. 332, 334 und 335.

3) innan laga värra, dtan laga varra, Frl)L., IV, 7; X, 40; XIV, 1, 2 und 4; innan laga, ör lögum öllum (leg. oesum?) IX, 28.

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mehr oder minder deutlich den Dingverband auf die 8 Volklande Dront- heims beschränkt zeigen. Ich rechne dahin eine Stelle, welche lediglich die inn^roenzkir menn den ütproenzkir gegenüberstellt, ohne irgend welcher weiterer Dinggenossen zu gedenken; ^) ferner eine zweite, welche vom fylkis^ing den Zug an das 2. fylknaping, von diesem zum 4. fylknaping, und von diesem wider an ^as ättafylknaping und dessen lögretta gehen lässt, ohne einer weiteren und höheren Instanz zu gedenken^^j Augen- scheinlich entspricht hier das 8. fylknaping dem Frostupiüge, da nur am lögpinge eine lögrötta vorkam,^) und das 4. fylknating jener Zweitheilung der Landschaft in ein inneres und äusseres Drontheim, während das 2. fylknating nur um den Instanzenzug zu vervollständigen, und allen- falls der Symmetrie wegen eingeführt worden sein mochte. Endlich gehört hieher auch noch eine dritte Stelle, welche beim Processe gegen einen Landpächter, welcher seinen Verpächter als Gewährsmann zu stellen hat, demselben zu solchem Behufe eine Frist von 2 Monaten gewährt, wenn dieser ,,fyrir ütan AgSanes, eSa fyrir ofan fjall, eSa fyrir nor&an ei&", aber doch ,,innan lands" ist, aber eine Frist von 12 Monaten, wenn er ,,ütan lands" ist.^) Die angegebenen Grenzen sind die der Landschaft Drontheim; hätte sich aber zu der Zeit, in welcher die Be- stimmung entstand, das Frostuping über diese hinaus erstreckt, so hätte zweifellos zwischen die beiden genannten noch ein dritter Termin in Mitte treten müssen zu Gunsten desjenigen, welcher zwar ausserhalb Drontheims, aber doch ,,innan laga'^ sich befand. Dem gegenüber fehlt es aber ebensowenig an Stellen, welche den Dingverband ebenso entschieden über die Grenzen Drontheims hinaus erstreckt zeigen. Zwei- mal wird von einer Dingstätte „ä Jorülfsstö&um" gesprochen, welche die Könige den Uteyjar in derselben Weise verwilligt hätten, wie „allir fylkismenn*' die ihrige haben. ^) Munch will diese Dingstätte beim Hofe Jörstad auf Ytteröen suchen;^) aber diese seine Anname scheint sich

1) FrJL. IV, 64.

2) ebenda, X, 30. 8) vgl. GJL. 266. 4) Fr]>L. XII, 8.

6) ebenda, VIII, 19, und XV, 16. 6) Norges Beskrivelse, S. 74.

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lediglich auf die Aenlichkeit der Namen zu stützen, welcher denn doch sehr erhebliche materielle Bedenken entgegenstehen. Wie sollte man dazu kommen, innerhalb des ohnehin schon kleinen Skejnafylki noch ein zweites f7lkisl>ing zuzulassen, und wie konnte man die Bezeichnung üteyjar auf eine Insel anwenden, welche zwar im Gegensatze zu der dem Ejnafylki angehörigen inneren Insel (Innriey) als die äussere (Ytriey) bezeichnet wurde, welche aber, zu tiefst im Jjrdndheimsfjörö gelegen, unmöglich als Utey, und noch weniger als Uteyjar bezeichnet werden konnte? Ungleich näher liegt es, an die Hitrar zu denken, d. h. jene grosse, wohlbevölkerte Inselgruppe, welche, zu NorSmceri gehörig, wenig südlich von der Mündung des Drontheimsfjordes gelegen ist; für sie mochte der Besitz einer eigenen Dingstätte allerdings wünschenswerth sein, und auf sie passt auch der Ausdruck Uteyjar vortrefflich. Weiterhin gehören hieher zwei Stellen , welche von den Ladungsfristen handeln. Die eine von ihnen ^) spricht von dem Falle, da wegen einer Körper- verletzung ein Ding zu berufen ist, und bestimmt, auf wie viele Tage hinaus dasselbe anzuberaumen ist; es soll aber diese Frist 7 Tage be- tragen, wenn die Partheien zwar aus verschiedenen fylki, aber doch beide Innerdrönter oder beide Ausserdrönter sind, einen halben Monat, wenn der eine Theil innerdröntisch, der andere ausserdröntisch ist, oder wenn beide Partheien „ütanfjarSar'', aber „innanfylkis** sind, endlich einen ganzen Monat, wenn zwar beide Partheien „innan laga vdrra", aber die einen ,,ütanfjarSarmenn*' und die anderen „innanfjarSarmenn" sind. Hier erscheint demnach der Rechtsverband über die Landschaft Drontheim hinaus noch auf mehrere Volklande erstreckt, welche ausser- halb des Drontheimsfjordes liegen, und diese ausserdröntischen Volklande sind so gross, dass jedes von ihnen nicht etwa einem einzelnen dröntiscben fylki, sondern dem ganzen Complexe von Inner- oder Ausserdrontheim parallelisirt, das Verhältniss aber der einzelnen äusseren Volklande zu einander demjenigen gleichgestellt wird, welches zwischen ihnen und der Landschaft Drontheim gilt. Die zweite Stelle dagegen behandelt die Ladung in Civilsachen.-) Trifft derjenige, welcher die Ladung vor-

1) FJ)L. IV, 66.

2) ebenda, X, 3.

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nemen will, seinen Gegner nicht zu Hause, und erklären dessen Haus- leute nicht zu wissen, wohin derselbe gegangen sei, so soll demselben die gewöhnliche Frist von 5 Nächten vorgegeben werden, wogegen die Frist 2 Monate betragen soll, wenn jene erklären, dass der Mann ,,yfir fjall upp, e&a üt um AgSanes, eöa nor&r yfir eiS", aber doch nicht ausser Lands gegangen sei. Weiterhin wird dann aber noch bestimmt, dass für den Fall, da die Hausleute erklären zwar nicht zu wissen wohin ihr Hausherr gegangen sei, aber doch zu wissen, dass er „innan Ag&aness, ok l>essu megin fjalls e§a eiW*^ sich aufhalte, die Ladung erlassen und ein Bote dem Abwesenden' nachgeschickt werden soll, wobei die Tag- reisen „ä bd&a vega", d. h. nach beiden Seiten hin zu berechnen sind; erklären aber die Hausleute „I töi^a 4 fylkjum fyrir ütan AgSaness", der Mann sei innerhalb des fjlkis, so soll die Frist einen halben Monat, und wenn sie erklären, dass er ausserhalb des fylki, aber doch innerhalb des Landes sei, soll dieselbe 2 Monate betragen. Da ist nun zunächst klar, dass unter den 4 ausserhalb Ag6anes gelegenen Volklanden nur der Raurasdalr und NorSmceri, sowie der Naumudalr und Hälogaland verstanden werden kann, und klar auch, dass diese Landschaften zu der Zeit, in welcher die Bestimmung entstand, den Frostupingslög unter- worfen sein mussten, da ja diese sonst nicht wohl auf sie bezügliche Vorschriften der angegebenen Art hätten enthalten können; ausserdem zeigt aber auch diese Stelle wider zwei verschiedene Reihen von Be- Stimmungen combinirt. Die erste Reihe setzt voraus, dass der zu Ladende ein Drönter sei, und unterscheidet unter dieser Voraussetzung wider 3 Fälle. Wissen die Hausleute des Gegners nicht, wo er sich aufhält, soll die Frist für die heimstefna die gewöhnlichen 5 Nächte betragen; erklären sie zwar nicht zu wissen, wo er sich aufhalte, aber doch zu wissen^ dass er innerhalb Drontheims sei^ so soll man die Entfernung seines Wohnortes von den Grenzen dieser Landschaft nach beiden Richt- ungen hin abschätzen, und die Dauer der Frist nach der Entfernung auf der längeren Seite bemessen ; ist der Mann endlich ausserhalb Dront- heims, aber doch innerhalb des Landes, so soll die Frist 2 Monate be- tragen. Bei dem ersten Falle muss selbstverständlich eine Bemerkung fehlen, welche die NichtÜberschreitung eines bestimmten engeren Bezirkes innerhalb Drontheims ^ also wohl des fylkis, ausgesprochen hatte; mit

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dieser Ergänzung wird die Vorschrift aber auch sofort eine völlig wohl zusammenhängende. Die zweite Reihe von Bestimmungen setzt dagegen voraus, dass der Gegner einem der 4 Volklande ausserhalb Agöanes an- gehöre, und lässt unter dieser Voraussetzung die Ladungsfrist einen halben Monat betragen, wenn er innerhalb seines fjlki, aber 2 Monate, wenn er ausserhalb seines fylki, jedoch innerhalb des Landes ist. Während demnach für die Drönter eine 3 fache Abstufung vom Volklande zur Landschaft und von dieser zum Reiche führte, bestand für die Ange- hörigen jener anderen 4 Volklande nur eine doppelte, fylki und Reich, und möchte man hieraus schliessen, dass die letzteren zu der Zeit, in welcher diese Satzungen entstanden, mit den Dröntern nur in einem sehr losen Verbände standen, da ausserdem doch wohl für sie eine dritte, und für die Drönter eine vierte Abstufung, dem über Drontheim hinaus- reichenden Bezirke des Frostul>inges entsprechend , angesetzt worden wäre. Nicht zu übersehen ist auch, dass Hälogaland unter den 4 Volk- landen mit inbegriffen ist, welches doch nach den Landslög das Fro8tuJ>ing nicht beschickte und nach der Historia Norvegiae zu dessen Verband nicht gehörte; da ein Rückschritt in der Ausdehnung der Dingbezirke kaum anzunemen ist, wird demnach die an unseren Stellen vorausgesetzte Beziehung jener Landschaften zum Dingverbande auch aus diesem Grunde als eine nicht völlig bestimmt ausgeprägte zu betrachten sein. In än- lich unbestimmter Weise tritt endlich die Erweiterung des Verbandes über Drontheim hinaus auch darinn hervor, dass gelegentlich von Rechten gesprochen wird, welche verschiedene Könige „froendum ok öUum lögu- nautum" verwilligt hätten, oder von Rechten, welche „öllum lögunautum^^, und im Gegensatze dazu von anderen, welche „Naumdoelum" oder „Häleygjum öllum" gewährt worden seien; ^) der zwischen Drontheim und den übrigen zur Rechtsgenossenschaft gehörigen Bezirken bestehende Gegensatz ist auch aus derartigen Angaben ersichtlich» Die bisher besprochenen Stellen lassen nun sämmtlich die Deutung zu, dass die Geltung der Frostu>ingslög , in der späteren Zeit wenigstens, sich über das Bereich des Frostupinges selbst hinaus erstreckt habe, und dass so- mit Bezirke, welche nicht zu Drontheim gehörten und darum auch das

1) Fr])L. XVI, 4, dann 2—3.

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Frostu^ing nicht beschickten, dennoch mit den Dröntern gleichen Rechts .gemessen, und insoweit als deren lögunautar bezeichnet und in deren Rechtsbuch berücksichtigt werden mochten; es gilt somit nur noch, ein paar auf die Dingordnung bezügliche Bestimmungen zu erklären, welche auch ihrerseits mit der Anname schwer vereinbar scheinen, dass bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts hinein das Frostu^ing nur von der Landschaft Drontheim beschickt worden sei. Eine ernsthafte Schwie- rigkeit bietet aber zunächst der Umstand, dass unser Rechtsbuch von dem Frostu^inge ein Eyraping unterscheidet, welches letztere aus den 8 Volklanden, also der Landschaft Drontheim hervorgehen, und dabei von jedem Bauern, der einen Hülfsarbeiter besitzt, besucht werden soll, während zum Frostu^inge nur eine bestimmte Anzahl ernannter Ver- treter der einzelnen Volklande (nefndarmenn) zu kommen haben. ^) Es ist auf den ersten Blick allerdings schwer abzusehen, wie 2 verschiedene und verschieden zusammengesetzte Dingversammlungen neben einander bestehen sollten, wenn beide sich auf genau denselben Bezirk bezogen; indessen dürfte sich doch über diese Schwierigkeit wegkommen lassen. Auf der einen Seite nämlich sehen wir das Eyra^ing, das ungleich öfter in den Geschichtsquellen genannt wird als das Frostuping, in weitaus den meisten Fällen zum Behufe der Wahl eines Königs und der Hul- digung an denselben, oder doch zu anderen, speciell den König und seine Interessen berührenden Zwecken berufen, und es begreift sich, dass man in solchem Falle das Ding lieber nach den in der Nähe des Königshofes zu NiSaros gelegenen Eyrar, als nach der entfernten Halb- insel Frosta berief. Auf der anderen Seite enthalten die Gula^ingslög den Satz: 2) „nü skolo boendr aller fara til pings, er bo5 kemr tif hüs, nema einvirkjar einir; feir skolo ^rjü ping var&a, manndräps^ing, ok konongs l>ing, ok manntals^ing ; öll J>ing önnur skolo einvirkjar heima sitja" , und das gemeine Landrecht fügt als ein viertes privilegirtes Ding noch das vdpnaping hinzu/) welches in jenem älteren Rechtsbuche nur vergessen worden zu sein scheint, da der ausnamslosen Pflicht es zu

1) FrJ>L. I, 4.

2) GJL., 131.

8) Landsleigub., 56.

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beBuchen an einer anderen Stelle desselben gedacht wird.^) Dem Rechte von Drontheim ist aber sowohl das manntal8l>fng als das vapna^ing be-, kannt , ^) und das mdnndrüps][>ing dürfen wir zweifelsohne mit dem in ihm weitläufig behandelten örvarpinge identificiren ; so möchte es kaum zu gewagt erscheinen, wenn wir annemen, dass auch das konüngs^ing in den Frostul)ingslög sein Analogon gefunden haben werde. Wenn nun die 6ula][>lng8lög dieses konüngs;^ng so hoch privilegiren ^ dass zu ihm sogar die einvirkjar, d. h. diejenigen Bauern kommen müssen, welche ohne jeden Hülfsarbeiter ihr Feld bebauen, so kann nicht auf- fallen, wenn dasselbe wenigstens von solchen Leuten, welche einen Hülfs- arbeiter haben , auch nach den Frostupingslög besucht werden musste, und nicht blos eine geringere Anzahl ernannter Leute sich einzufinden gehalten war wie beim Frostu^inge. Wie die Verschiedenheit der Ding- stätte, so erklärt sich demnach auch die Verschiedenheit der Beschick- ungsweise beider Versammlungen ganz genügend, ohne dass wir dieselben aus verschiedenen Bezirken hervorgehen zu lassen brauchten, und nur das bleibt etwa noch einer Erklärung bedürftig, dass neben dem gebo- tenen auch noch ein ehehaftes Eyral>ing vorkommt, während das konüngs- ping der Gulal>ingslög stets ein gebotenes gewesen zu sein scheint. Da aber das Kyral>ing auch dann, wenn es an dem gesetzlich gebotenen Termine zusammenzutreten hatte, doch immer noch vorher eigens zu- sammengeboten werden musste, wenngleich das Unterbleiben der Ding- ladung das Ausbleiben der Bauern am Dinge nicht entschuldigte, so ist klar, dass das ehehafte Eyra))ing sich nur aus einem älteren gebotenen entwickelt haben kann, und dass somit die Abweichung unter den Rechten auch in dieser Beziehung keine ursprüngliche ist. Zu der Anname, dass das Frostu)>ing aus einem umfassenderen Bezirke hervorgegangen sein müsse, weil das E7ral>ing aus der Landschaft Drontheim beschickt wurde, liegt demnach kein Grund vor. Bedenklich ist ferner, dass unser Rechts- buch die Beschickung des Frostul»inges in einer Weise bespricht, welche anzudeuten scheint, dass dasselbe auch von Vertretern ausserhalb Dront- heims gelegener Bezirke besucht worden sei, während freilich gleich

1) G]>L., 309.

2) FrJL. VII, 8; X, 3.

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darauf Ober die zum Dinge zu sendenden Vertreter wider BestimoQungen sich gegeben finden, welche ausschliesslich auf Drontheim selbst berechnet sind;^) indessen scheint sich doch auch Ober diese Schwierigkeit weg- kommen zu lassen. So bestimmt als nur irgend möglich wird ausge- sprochen, dass „innan ör {»rändheimi*^^ je 40 Vertreter aus jedem fylki, und „ütan öi: {»rändheimi'^ je 60 solcher geschickt werden sollen, also genau dieselbe Zahl von Männern, welche die 8 Volklande Drontheims noch nach dem gemeinen Landrechte zu schicken hatten. Allerdings unterbrechen die hierauf bezüglichen Worte in störendster Weise den Zusammenhang der Stelle, welche vorher und nachher von der Besetzung der lögr^tta handelt, während doch die Angaben über die Zahl der nefndarmenn unmöglich auf diese bezogen werden können. Wenn sich zwarDahlmann zu dieser letzteren Auffassung hat verleiten lassen,^) so habe ich doch schon längst auf deren Unstichhaltigkeit aufmerksam gemacht,^) und die neueren norwegischen Historiker haben sich in gleichem Sinne erklärt,^) wenn auch zum Theil nicht ohne Bedenken.^) Die Analogie der Järnsi&a, der Landslög und der Jönsbök, welche aus einer Anzahl von 84 485 nefndarmenn übereinstimmend eine lögrötta von 36 Mitgliedern hervorgehen lassen^ legt die hier verfochtene Aus- legung um so näher, als auch schon am Gulapinge des Jahres 934 nur 3 Duzende von Männern innerhalb der „vebönd" sassen,^) und dieselbe Zahl auch für die isländischen Dinggerichte von je her massgebend war; die Unmöglichkeit aber, eine aus 400 Mitgliedern bestehende Versammlung zu gesetzgeberischen nicht nur, sondern auch zu richterlichen Zwecken zu verwenden, die ünwahrscheinlichkeit ferner einer Berufung der lendirmenn zum Ding, wie sie die Gulapingslög und Landslög aussprechen, neben einem Verbote ihres Erscheinens in der lögretta, wie solches unser Kechtsbuch verfügt, wenn Ding und lögrötta gleichbedeutende

1) Fr5L. I, 1 vgl. mit 2.

2) Geschichte von Dännemark, II, S. 81—2, und 824— 5.

3) Entstehung des isländischen Staats, S. 160 1, Anm. #

4) Manch, det norske Folks Historie, II, S. 1001; Keyser, Norges Stats- og Retsforfatning, S. 169; Hertzberg, Grandtrsekkene, S. 121-3.

5) Fr. Brandt, in Lange's Tidsskrift, V, S. 104— 5; Aschehoug, Statsforfatningen i Norge og Danmark, S. 62—3.

6) Eigla, cap. 57, S. 123.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 3

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Begri£fe waren, die Erwähnung endlich von Beschlüssen, welche am Fro8tut>inge durch väpnatak „innan lögröttu ok ütan'^ bestätigt wurden, in unserem Rechtsbuche selbst, ^) stellen vollends über jeden Zweifel hinaus fest, dass die lögrötta nur als ein engerer Ausschuss aus der Gesammtheit der nefndarmenn zu betrachten ist, welcher, aus den ältesten und besten Leuten eines jeden Bezirkes gebildet, unmöglich seinerseits zu einer Stärke von 400 Männern anwachsen konnte. Hält man an diesem Ergebnisse fest, so ist auch sofort klar, dass die Worte „nefna skal innan ör {»rändheimi 4 tigo manna ör fjlki hverjo , en ütan ör {»rändheimi 6 tigo manna 6r fylki hverjo" , lediglich als ein späteres Einschiebsel zu betrachten sind, welches durch die unmittelbar vorher- gehenden Worte: ,,drmenn skolo nefna i lögretto svd marga menn er maelt er 6r fylki hverjo" veranlasst war. An dem, leider defecten. Anfange des Abschnittes muss nach diesen Worten sowohl die Zahl der nefndarmenn, welche aus jedem fjlki, als auch die Zahl der lögr^ttu- menn genannt gewesen sein, welche aus diesen wider zu ernennen waren; ein ungeschickter Abschreiber aber, welcher die in Bezug genommene Zahl der letzteren nochmals ergänzen wollte, muss dafür die Zahl der ersteren genommen, und damit die Verwirrung angerichtet haben. An dem Orte also, an welchem die betreffenden Worte stehen, können sie allerdings nicht von Anfang an gestanden haben; aber die durch sie bezeugte Art der Vertretung am Ding für unglaubhaft zu halten, sind wir dadurch noch nicht berechtigt. Anstössiger ist nun freilich, dass in dem vorhergehenden §. ausdrücklich von Abgeordneten die Rede ist, welche von den Bezirken ,,ütanfjar6ar" geschickt werden, neben den- jenigen, welche die Bezirke „innanfjarSar" schicken, und zwar von Ab- geordneten , welche ganz wie diese letzteren ihre Diäten (piogfararfö) beziehen, also auch ganz wie diese letzteren als vollberechtigte Vertreter ihrer Districte gelten müssen. Schon aus sprachlichen Gründen geht es nicht an, die Ausdrücke „innanfjarSar" und „ütanfjarSar" mit den nachfolgenden Worten .„innan ör frdndheimi" und „ütan ör l)rdndheimi'* zu identificiren , und ein paar Parallelstellen aus unserem Rechtsbuche selbst und aus dem gemeinen Landrechte stellen überdiess schlechter-

1) Fr iL., V, 46.

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dings fest, dass dieselben auf die Landschaft Drontheim einerseits und auf die ausserhalb des Drontheimsfjordes gelegenen Yolklande anderer- seits zu beziehen sind.^) Dass von einem Dingbesuche Seitens der Ver- treter solcher äusserer Volklande an unserer Stelle gesprochen wird, ist hiernach allerdings ausser Zweifel; aber mehr als diess besagt dieselbe auch nicht, und insbesondere spricht sie keineswegs aus, dass es sich dabei gerade um den Besuch des Frostul>inges handle. Die Lücke am Anfange des ersten Buches lässt freilich nicht mit Sicherheit erkennen, in welchem Sinne von einer Dingfahrt der ütanfjar5armenn gesprochen werden wolle; wahrscheinlich ist mir indessen immerhin, dass dem Frostu^inge der Drönter in jedem der ,,4 fylki fyrir ütan Ag&aness'* das fjlkisl>ing als lögt>lng entsprach, und dass die Beschickung dieses letzteren nur darum in unserem Rechtsbuche mit besprochen wurde, weil auch diese 4 Volklande den Frostutingslög unterworfen waren. Nor&moeri, der Raumsdalr und der Naumudalr wären hiernach bis zur Erlassung des gemeinen Landrechtes wesentlich in demselben Verhältnisse zum Frostul>]nge gestanden, in welchem Hälogaland auch nach jenem Zeitpunkte noch verblieb, und würde sich von hier aus ganz befriedigend erklären, warum einerseits ein 8 fylknaping die höchste Instanz im' Ge- biete des Frostul>inges bilden, und andererseits doch auch wider von einem Dingbesuche der ütanfjarSarmenn gesprochen werden konnte, warum an einzelnen Stellen der Dingverband als auf Drontheim beschränkt, und an anderen doch die Rechtsgemeinschaft als auch die 4 äusseren Volkslande mit umfassend bezeichnet werden kann. Zum Schlüsse möchte ich noch auf ein eigenthümliches Vorkommniss aufmerksam macheu. Gelegentlich des Streites, welcher in den letzten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts zwischen Kirche und Staat geführt wurde, erhob einmal Herr Bjarni Erlingsson an offenem Ding zu BrüSarberg auf der Insel Vägar gegen die Verlesung einer ,,Vdgab6k" Einsprache, weil der König nur noch ein einziges Gesetzbuch im Lande gelten lassen wolle. ^) Man besass also damals in Hälogaland ein eigenes Rechtsbuch, an welchem man auch noch nach der Promulgation der Landslög festhalten zu dürfen

1) Frl)L. IV, 56; Landslög, I>ingfararb., 2.

2) Diplom. Norveg., III, nr. 30, S. 30 (a. 1291).

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glaubte. Mag sein, dass dieses nur eine eigens für diese Provinz be- arbeitete Recension der Frostu^ingslög war, welcher man darum fort- währende Geltung beilegen zu dürfen meinte, weil man die am Froetu* )>inge erfolgte Anname des Landrechtes für eine an diesem nicht ver- tretene Landschaft als unverbindlich ansah; mag sein aber auch, dass unser Text der Frostupingslög selbst nur eine für eines der äusseren Volklande, Nor6moeri etwa, bestimmte Bearbeitung derselben ist.

Wende ich mich nach diesen Bemerkungen über das Geltungsgebiet unseres Rechtsbuches zu einer Betrachtung seiner selbst, so gilt es vor Allem, den handschriftlichen Befund bezüglich desselben festzustellen. Aenlich wie von den Gulapingslög ist uns auch von den Frostupingslög nur ein einziger annähernd vollständiger Text erhalten, welchem sodann noch eine kleine Zahl sehr wenig umfangreicher Handschriften-Fragmente zur Seite steht ; aber anders als dort liegt uns selbst jener einzige Text nur in sehr ungenügender Weise vor* Die einzige Membrane nämlich, welche ihn enthalten hatte, der Codex Beseniantcs, ist mit dem ganzen Handschriftenschatze Resens im Kopenhagener Brande des Jahres 1728 zu .Grunde gegangen. Nur durch jüngere Abschriften , deren 4 in der arnamagnsBanischen und 2 in der königlichen Bibliothek zu Kopenhagen liegen, ist dessen Inhalt uns aufbewahrt; aber nur eine einzige dieser Abschriften stammt von einer völlig verlässigen Hand, der ArniMagnüsson'Sy und gerade sie ist sehr geringen Umfangs, soferne sie bereits im §. 7 des II. Buches abbricht, die sämmtlichen übrigen Copieen sind aber^ wie die Vergleichung jener ersteren zeigt. Nichts weniger als verlässig, und geben zumal die Orthographie des Originales keineswegs treu wider. Das Alter des Codex Resenianus lässt sich unter solchen Umständen nicht mehr mit irgendwelcher Sicherheit bestimmen ; unsere einzige Aus- gabe der Quelle,^) welche grossentheils auf ihm beruht, und seinen Text mit A, dessen einzelne Copieen aber mit A, a f bezeichnet, folgt darum mit Recht nicht der sehr zufälligen Schreibweise dieser Papierhandschriften, sondern einer im Wesentlichen nach Ami Magnüsson's Abschrift nor- malisirten Orthographie. Zu der Zeit, da die Abschriften von ihm ge- nommen wurden, war übrigens der Originalcodex bereits mehrfach defect

1) Norges gamle Love indtil 1387; Bd. I, S. 121--258 (Christiania, 1846).

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gewesen, und nur zum Tbeil lassen seine Lacken Eiich aus anderweitigen Hfllfsmitteln , zumal der Järnslöa, ergänzen. Ich will, ehe ich zur Be-

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sprechung der sonst verffigbaren handschriftlichen Behelfe übergehe, vorerst eine Uebersicht über Inhalt und Anordnung dieses unseres Grund- textes geben. Es steht aber an dessen Spitze eine Einleitung, welche die Ueberschrift trägt: „Hörhefr upp, ok segir frä lögum t>eim er setti Häkon konüngr, son Häkonar konüngs'^, und welche sodann mit den Worten beginnt: ,, Häkon konüngr, son Häkonar konüngs, sonarson Sverris konüngs, sendir lendum ok IsBräum. büendum ok bül>egnum, verandum ok vi5rkomendum , öllum gu5s vinum ok sinum I>eim sem Noreg byggja, kveöju gu&s ok sina". In fortlaufend numerirte §. §. ge- theilt, deren jeder, mit Ausname des ersten, seine gesonderte Ueberschrift trägt, bricht der Text mitten in §.13 ab, und bemerken 2 der Copieen, dass hier im Manuscript ein Blatt fehle; in der Mitte eines Satzes be- ginnt derselbe sodann wider (§. 14), um sich bis zu §. 25 fortzusetzen, welcher unter der Ueberschrift : „Her hefr upp ok segir i hvessu marga sta&i Frosto)>ingsbök er skipt'% eine Bemerkung über die Eintheilung des folgenden Rechtsbuches enthält, aber ebenfalls wider an seinem Schlüsse defect ist. Da auch das Rechtsbuch selbst an seinem Anfange defect ist, und nach dem Zeugnisse von 3 Copieen auch hier wider in der Membrane ein Blatt fehlte, lässt sich weder ersehen, ob die Einleitung mit einer Schlussformel, noch auch ob das Rechtsbuch selbst mit einer Eingangsformel versehen war. Das Rechtsbuch ist, wie diess der Schluss- paragraph der Einleitung anzeigt, in 16 BQclier zerlegt; aus diesem letzteren ergiebt sich aber andererseits auch, dass dasselbe ursprünglich ganz ebenso wie die Gula^ingslög oder die späteren Landslög, in Abschnitte zerfallen war, für welche die Bezeichnung bdlkar gegolten hatte. ^) Bei

1) Die Stelle lautet: Bok )>e88i er ä ero skyrd* FrostaMngslög, höfam ver skipt i 16 stadri, ok hefir hverr lutr I>ä bolku i ser, er nökkor likindi hefir hverr vidr annan, eptir l^vi er ver mattum naest l^essum haetti gseta, svä at eigi brygdri binni fomu skipan, er a FrostoKngsbok hefir verit. En fyrr höfam ver bokinni skipt i fleiri stad'i, ok greint Ht lutanna ä med'al, sem ver mattum af hverja omni hverr er, at l^eim vaeri aod'velldra at finna, }a sem ]>eir villdi, er ad'r er skipan okannigabök, ok eigi vita hvar hverkis skolo leita; ok skyrir nd i öndverdTu, af hverja emni hverr latrinn er. Kn sfdran greinir in capitalis hvem bolk eptir annan, baed'i emni ok skipan, er i hveijam lut er, ok finnz svä i bokinni fremmi, sem her er skipat in capital . . . Der Rest fehlt ; statt ,,En fyrr'^ dürfte übrigens za lesen sein „En fyrir l)vi".

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dieser neuen Eintheilung soll die ältere soweit möglich berücksichtigt worden sein, indem man jedem Buche diejenigen Abschnitte zugewiesen habe, welche unter einander die meiste innere Verwandtschaft zeigten; der Sinn dieser, keineswegs besonders glücklich ausgedrückten Angabe kann aber kaum ein anderer sein als der, dass die Abschnitte, in welche sich das Rechtsbuch ursprünglich getheilt hatte, nicht zerrissen, sondern nur mit Rücksicht auf ihren Inhalt anders geordnet werden wollten, wobei der Natur der Sache nach ebensowohl Theile verschiedener sich folgender Abschnitte zu einem und demselben Buche vereinigt, als um- gekehrt einheitliche Abschnitte unter mehrere sich folgende Bücher ver- theilt werden konnten. Als Grund für die Aenderung der Kintheilung wird der Wunsch bezeichnet^ das Rechtsbuch durch seine Zerlegung in eine grössere Zahl von Abschnitten für den Gebrauch handlicher zu machen; zu demselben Behufe habe man, am Schlüsse der Einleitung natürlich, ein Inhaltsverzeichniss der einzelnen Bücher beigefügt ; sodann aber jedes Buch in Capitel zerlegt, und jedem ein Verzeichniss der in ihm enthaltenen Capitel vorangeschickt. An ihrem Schlüsse defect, ist allerdings diese letztere Angabe wider nicht völlig klar, und nicht minder fehlt in Folge der bereits erwähnten Lücke das an die Spitze des Rechts- buches gestellte Inhaltsverzeichniss; doch scheint sich aus der Einrichtung des folgenden Textes selbst der Sinn der dunklen Worte mit ziemlicher Sicherheit erschliessen zu lassen. Mit dem Inhalte aber der 16 Bücher verhält es sich so, dass das l^*', an seinem Anfang defecte, die Ding- ordnung enthält, während das 2^'' und 3^"" das Christenrecht bringen, ohne dass sich für dessen Zerlegung in zwei Bücher ein anderer Grund er- sehen Hesse, als der, dass dasselbe für ein einziges Buch zu umfangreich schien. Eemerkenswerth ist aber, dass die dem zweiten Buche voran- gehende Inhaltsliste mit den Worten beginnt: ,,I. hinn fyrsti capituli i kristnum retti um konüngs kosning**, während die übrigen Handschriften, wie sich unten zeigen wird, von diesem ersten Capitel Nichts wissen; leider fehlt aber in unserem Grundtexte der Schluss der Inhaltsliste sammt dem Anfange des Textes selbst, welcher erst mitten in der Ueber- schrift desjenigen §. wider beginnt, welcher in den übrigen Handschriften der erste ist. ^) Nach dem Zeugnisse zweier Copieen fehlten in der

1) vgl. Norges gamle Love, I, S. 129, Anm. 1, und S. 130, Anm. 5.

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Membrane 1 2 Blätter; auf diesen können demnach jene Bestimmungen Über die Eönigswahl recht wohl gestanden haben, und ebenso die in einer anderen Handschrift an die Spitze des Christen rechtes gestellte Eingangsformel „}>at er upphaf laga v&rra'^^ welche ja hier^ ganz wie diess in unseren 6}>L. der Fall ist^ schon vor die Thronfolgeordnung zu stehen gekommen sein musste, wenn diese überhaupt einmal in den Anfang des Christenrechtes eingeschaltet worden war. Die 3 nächst- folgenden Bücher, das 4*®, 5** und 6** also, enthalten denjenigen Ab- schnitt, welchen wir anderwärts als Mannhelgi bezeichnet finden, und die Anfangsworte des 4^° Buches zeigen, dass dieselbe Benennung des- selbei^ ursprünglich auch dem Rechte Drontheims bekannt gewesen war; ^) im Uebrigen ist die Abgrenzung dieses Buches vom 5**" wider eine durchaus willkürliche, wogegen das 6*® lediglich die Wergeidstafel ent- hält, und insoferne eine gewisse Geschlossenheit zeigt. In §. 2 6, dann §. 23 40, hat das 5*® Buch Lücken, welche nur theilweise aus anderweitigen Behelfen zu ergänzen sind. Das 7*^ Buch behandelt so- dann die Heeresordnung, und entspricht somit dem Utfararbalk oder UtgerSarbälk anderer Quellen; das Inhaltsverzeichniss desselben gewährt denn auch wirklich den ersteren Namen. Im 8**° und 9*''° Buche folgt das Erbrecht, jedoch so^ dass auch noch das Recht der Freigelassenen in dasselbe hineingeschoben ist, wofür vielleicht die Erbrechte, welche dem Freilasser seinem Freigelassenen gegenüber zustanden, bestimmend waren. Das 10^^ und ll^^'Buch behandelt das Vertragsrecht; doch nimmt den grösseren Theil des letzteren Buches das Eherecht ein, wi^ ja auch in den GpL. die „Kvennagiftir^' an den Kaupabälk sich anschliessen. Am Anfange des lO*®"" Buches steht aber eine solenne, nur freilich nicht recht klare Eingaugsformel. 2) Das 12*® Buch enthält den Abschnitt, welchen die GpL. als 05alsbrig6i bezeichnen, und das 13*®, sowie der Anfang des H*®"" das, was anderwärts unter der Aufschrift Landsleigubälkr auftritt, jedoch so, dass das Recht der Almenden, dann der Jagd und Fischerei, einschliesslich des Walfischfanges, mit berücksichtigt wird.

1) Fr)>L. rV, 1: ]>at er fyrst i mannhelgi varre: vgl. §.7, wo für innan helgi zu lesen ist: i mannhelgi.

2) Fl^L. X, 1: I>at er uppsaga laga varra 1 lögum manna, at engi skal fyrir öd'ram taka ertog ed'a ertog meira.

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Mit §.12 des 14^" Buches beginnt sodann die Besprechung des Dieb- stales, der {»jöfabälkr also, welchem Gegenstande auch noch das ganse 15*' Buch gewidmet ist, wobei indessen auch noch die Lehre von den Reinigungseiden hereingezogen wird, ganz wie diess in den späteren Gesetzbüchern der Fall ist. Das letzte Buch endlich giebt lediglich eine Zusammenstellung von röttarbaBtr, d. h. Privilegien, welche von ver- schiedenen Königen gewährt worden waren, und stehen dabei einige Privilegien der Könige Sigur6r Jörsalafari, Ejsteinn und Olafr voran, worauf die Erwähnung eines von den Königen Harald und Magnus ge- gebenen Privileges folgt, endlich aber eine ganz allgemein gefasste Be- stätigung der Gesetze des heil. Olafs und aller Privilegien den Schluss macht, welche die späteren Könige aus seinem Hause dem Volke er- theilt hätten.

Soviel aber die übrigen Handschriften betrifft, welche für die Fr}>L. zu Gebote stehen, ist vor Allem zu bemerken, dass man bezüglich des Christenrechtes über ungleich reichere Hülfsmittel verfügt, als be- züglich der weltlichen Theile des Rechtsbuches, eine Thatsache, welche sich sehr einfach daraus erklärt, dass jenes auch noch in einer Zeit eine, freilich nicht unbestrittene, Geltung behauptete, in welcher diese durch das gemeine Landrecht des König Magnus lagabsetir längst be- seitigt waren. Wir besitzen aber zunächst eine vollständige Membrane des Christenrechtes, welche, als nr. 60 in 4'" bezeichnet, in der Äma- magnceana aufbewahrt wird; ungefähr im ersten Viertel des 14. Jahr- hunderts geschrieben, enthält dieselbe zugleich das gemeine Landrecht, u. dgl. m., und ist in unserer Ausgabe der Fr])L., welche im Uebrigen auf dem Codex Resenianus beruht, für das Christenrecht zu Grunde gelegt, wesshalb sie auch mit keinem besonderen Buchstaben bezeichnet ist. Eine zweite, ebenfalls zur Arnamagnssana gehörige, und als nr. 322 fol. bezeichnete Membrane ist mit derselben Hand wie die vorige ge- schrieben, und mit ihr auch ungefähr gleichen Inhalts; auch sie enthält das ganze Christenrecbt, und wird in unserer Ausgabe mit B bezeichnet. Das Capitel von der Königswahl fehlt beiden Handschriften, im Texte sowohl als im Capitelverzeichnisse ; indessen lässt sich diess theils daraus erklären, dass beide eben nur das Christenrecbt geben wollten, theils aber auch daraus, dass die älteren Thronfolgeordnungen keinen prak-

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tischen Werth mehr hatten, seitdem sie durch die von König Magnus lagaboetir eingeführte ersetzt waren. Eine dritte Membrane gehört der königlichen Bibliothek in Stockholm, und ist daselbst als C. 22 in 4^" bezeichnet. Ungefähr um die Mitte des 14. Jahrhunderts geschrieben, giebt sie indessen den Anfang des Christenrechtes bis zu §. 15 nicht nach dem Texte der Frl>L. , sondern nach dem viel späteren Christen- rechte des Erzbischofs Jon, und folgt somit erst vom Schlüsse jenes §. jenem ersteren; 'unsere Ausgabe bezeichnet diese Handschrift mit S.^) Ausserdem enthält die Ämamagnceana , in nr. 315 foL eingeheftet, noch ein Membränfragment aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, welches die Herausgeber mit X, und ein zweites, ungefähr gleichzeitiges, und in dieselbe Nummer eingeheftetes, welches sie mit Y bezeichnet haben; das erstere beginnt in II, 1, und reicht bis II, 3,^) das zweite dagegen be- ginnt in III, 22, und reicht bis an den Schluss des Christenrechtes,^) sodass ako beide Stücke nur sehr geringen ümfanges sind. Weiterhin sind sodann aber noch Bruchstücke von 5 verschiedenen Handschriften des Rechtsbuches aufgefunden worden, welche sämmtlich zum Einbinden älterer Amtsrechnungen verwendet worden waren; während die bisher besprochenen Handschriften bereits bei der Herausgabe der FrpL. im \ ersten Bande der Sammlung altnorwegischer Gesetze hatten benützt werden können, finden sich diese letzteren im zweiten Bande dieser Sammlung auf S. 500 522 vollständig abgedruckt, und bezeichne ich sie, diesem Abdrucke folgend, als Fragment I V.*) Es enthält aber Fr. I nur ein paar unbedeutende Stücke aus dem Christenrechte, und diese nur in sehr defectem Zustande;^) geschrieben ist die Handschrift ungefähr am Schlüsse des 13. Jahrhunderts. Dagegen bietet Fr. 11^ aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts stammend (?), Bruchstücke

1) Wenn Arwidsson, Förteckning öfver Kongl. Bibliothekets i Stockholm Isländska Hand- skrifter, S. 164, an giebt, dass die Handschrift die FrostuMngslög enthalte, so ist darunter nur ein für das Frostu^ing eingerichteter Text der Landslög zu verstehen. Vgl. Norges gamle Love, II, S. 4 und 340.

2) S. 180, Anm. 10, und S. 132, Anm. 6.

3) S. 155, Anm. 12.

4) vgl. übrigens auch Munoh, in Lange's Norsk Tidsskrift, Bd. I^ S. 25— 52, zumal S. 29—30. 6) vgl. FrjL. II, 5—13, mit N.g.L., II, S. 500-501.

Abh. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 4

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aus Mannhelgi, ütfararb., Arfab., Kaupab., Landsleigub., und Jgofab&lk;^) theils durch Zahl und Umfang der erhaltenen Stücke, tbeils durch deren Vertheilung über soviele Abschnitte des Rechtsbuches, theils endlich auch weil einige der hier erhaltenen Stücke in willkommenster Weise Lücken des Codex Resenianus ergänzen, ist diese Handschrift von be- sonderer Bedeutung. Fr. III ist etwa um die Mitte des 13. Jahrhunderts geschrieben , und enthält Stücke aus Mannhelgi und dem Arfabälke.^} Fr. IV soll demselben Codex angehört haben wie das 'oben mit X be- zeichnete Bruchstück des Christenrechtes, und somit schon in der ersten Hälfte des 13.' Jahrhunderts geschrieben sein; dasselbe enthält die In- haltsliste und die ersten §. §. der Wergeidstafel, aber freilich in einem sehr defecten Zustande, was um so mehr zu bedauern ist, als der Text gerade dieses Bruchstückes einen besonderen Grad von Selbstständigkeit zeigt. ^) Endlich Fr. V soll auch bereits in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts geschrieben sein, enthält jedoch nur ein Stück des Landsleigubälks, und selbst dieses in sehr defectem Zustande.^)

Diess unser handschriftliches Material. Die Untersuchung der Ent- stehungszeit unseres Rechtsbuches wird mit Rücksicht auf den fragmen- tarischen Charakter aller übrigen Handschriften selbstverständlich vom Codex Resenianus auszugehen, und dabei das Rechtsbuch selbst von der Einleitung getrennt zu halten haben^ welche demselben vorangeht, wie sich denn diese Einleitung selbst sehr bestimmt der Frostapingsbök ge* genüberstellt,^) oder von den lögbaekr überhaupt als von ihr gegenüber- stehenden spricht/) oder auch sich selbst von der früheren Gesetzgebung unterscheidet.*^) Offenbar haben wir es hier mit einer neueren Zuthat

1) vgl. Frl)L. IV, 1—6, 27—30, 85—40; V, 12-14, und 22—84; VII, 4—8; VIII, 1—4, nnd 11—16; IX, Inhaltsliste und §. 1 ; X, 17—24, 24—27, 32—35; XIV, 6-7, und 10—14, mit N.g.L, n, S. 501—15.

2) vgl. FrjL. IV, 9—13, und 85—41, dann VIII, 5-15, mit N.g.L., II, S. 515—19. 8) vgl. FtIL. VI mit N.g.L., II, S 520-21.

4) vgl. FrjL. XIV, 1—2, und 8-4, mit N.g.L., II, S. 521—22.

5) Einleitung, §. 2: eptir Ivi sem Frosta^ingsbok vattar; §.25: bok iessi, er a ero skirtF FrostaMngslög u. s. w., siehe oben, S. 21, Anm.

6) §.9: sva vatta ok lögbcBkr allar ok landslög; §. 14: eptir )>vi sem bok v4ttar; §. 21: ok vätta 16 lögbcBkr, und wider: sem allar lögboekr vatta i landinu.

7) §. 6: eptir }vf sem adTr er i lögum mselt; §. 12: er ad'r ero i lögum skildir; §. 23: sem ad'r er i lögum mselt.

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zu thun, welche die Existenz eines älteren Rechtsbucbes bereits voraus- setzt, und dessen Inhalt theils bestätigt, tkells aber auch ergänzt oder verändert; die Entstehungszeit der Einleitung muss demnach selbstver- ständlich eine andere und spätere sein als die des Rechtsbuches selbst, und wird die Feststellung dieser und jener einer durchaus gesonderten Prüfung bedürfen. Bezüglich der Einleitung wird aber die Untersuchung durch den Umstand sehr erschwert, dass dieselbe sowohl in ihrer Mitte als an ihrem Ende defect ist. Von hier aus eröffnet sich nämlich die Möglichkeit, dass die beiden durch die erstere Lücke getrennten Hälften der Einleitung verschiedener Entstehungszeit sein könnten, und dass sich somit die König Häkon als deren Verfasser nennenden Eingangsworte nur auf deren erste Hälfte' bezögen, während bezüglich der zweiten zufolge jener doppelten Lücke jede Andeutung über die Verfasserschaft fehlen würde; bezüglich beider Hälften der Einleitung wird darum die Untersuchung unter steter Beachtung dieser Möglichkeit völlig gesondert geführt werden müssen.

Es bezeichnet sich aber die erste Hälfte der Einleitung selbst als einen Erlass König Häkons, welcher an die gesammte Einwohnerschaft Norwegens, also nicht etwa blos an die Angehörigen des Frostapinges gerichtet war (§. 1); wenn demnach in derselben hinterher speciell auf die Frostal)ingsbök Bezug genommen wird (§. 2), so wird diess nur daraus zu erklären sein, dass die uns vorliegende Ausfertigung speciell für das Frostul>ing bestimmt war, und mochte in anderen Ausfertigungen dafür die Gula^ingsbök, Borgarl)ingsbök oder Eidsifja^ingsbök eingestellt sein. Der Erlass erklärt ferner (§. 1) entstanden zu sein „me& rä5i erkibiskups ok ]jö5biskupa, lendra manna ok laer&ra, lögmanna ok annarra enna vitrastu manna i landinu^', also mit dem Beirathe eines Reichstages. Er stimmt endlich seinem Inhalte nach durchaus zu den Angaben, welche die Lebensbeschreibung des Königs über dessen straf- rechtliche Gesetzgebung macht, ^) und andererseits nicht minder zu Aus-

1) Häkonar s. gamla, cap. 832, S. 152: Hann let mjök baeta log ok landsrett f Noregi ; hann let }at setja i bokina, sem era köllud' hin nyja log; bann tok af oll manndr&p ok fot- bögg ok handhöggf innan lands; engl skyldi ^rifast i landi, er Ueki annars manns eiginkonu; 8ett?ig oll let bann aftaka, svä at engl skyldi gjalda annars tilverka, nema

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zQgen aus dieser Gesetzgebung, welche die Järnsfda bringt,^) und mit Notizen über die von König Häkon erlassenen Novellen, welche das ge- meine Landrecht an seinem Schlüsse enthält;^) die genaueren Angaben, welche diese letzteren Quellen über den Verlauf dieser Gesetzgebung gewähren, dürfen ebendarum von uns unbedenklich zur Bestimmung der Entstehungszeit jener Einleitung verwendet werden. Es bezeichnet aber die Jdrnsi5a die betreffenden Bestimmungen als eine besondere Uebereinkunft (einkamäl), welche König Häkon mit seinem Sohne, König Magnus, dann mit dem Erzbischofe Einar und seinen Suffraganbischöfen, sowie mit den weltlichen Magnaten des ganzen Reiches erlassen habe,^) und sie bietet damit die Möglichkeit einer genaueren Zeitbestimmung. Da wir nämlich wissen, dass Einarr Gunnasssqn in den Jahren 1255 63 auf dem erzbischöflichen Stuhle sass^ und dass dem Junker Magnus erst im Jahre 1257 der Königsname beigelegt wurde, kann die Novelle nur in den Jahren 1257 63 entstanden sein; dass dieselbe aber „allum Noregs mannum'' ertheilt sei, und somit auf einem Reichstage, nicht auf einer blosen Provincialversammlung entstanden sein muss^ bestätigt auch der Novellenkatalog der Landslög, und sicherlich ist es nur etwas Zufälliges, dass in der im Uebrigen den Worten der Järnsi6a ganz ent- sprechenden Fassung unserer Einleitung der Name den Erzbischofes aus- gefallen, und auch der Mitwirkung des König Magnus nicht gedacht ist. Auf einem anderen Wege scheint sich aber ein noch bestimmteres Ergebniss über den Zeitpunkt und die Art des Zustandekommens unseres Gesetzes gewinnen zu lassen. Die Järnsi5a sowohl als eine andere, nur um wenige Jahre ältere Quelle enthält eine Thronfolgeordnung , von welcher beide übereinstimmend bemerken , dass sie König Häkon mit dem Beirathe und der Zustimmung seines Sohnes, König Magnus^ dann des Erzbischofs Einar und seiner sämmtlichen Suffragane , sowie der

bseta at )>eim lata, sem log segdri a bann. Die Flbk, III, cap. 287, S. 232, liest aber: bann l^t setja bokina, er er kölladr, u. 8. w.

1) Mannbelgi, 2 und 7.

2) Landslög, X, 1.

8) Mannb. 7: I>es8or einkamäl varo tekin med" rad'e Hakonar konungs bins koronad'a, sunar- sunar Sverris konungs, med' asjaMagnüss konungs sunar bans, Einars erkibiskups ok ^odr- biskopa, lendra manna ok laerdTra, lögmanna ok allra annarra hinna vitrustu manna i land- inu, at minka manndrapin.

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Landherrn, Kleriker, Lögmänner und Dienstleute, soviele deren anwesend waren, endlich auch aller Dingleute erlassen, und am Frostu)>inge „ins Buch einzurücken'^ (i bök setja) befohlen habe, worauf dann König Magnus dieselbe in allen Theilen des Landes den Ding Versammlungen bekannt gegeben, und deren rechtsförmliche Anname erzielt habe.^) Dieses Thronfolgegesetz, nach welchem jederzeit der älteste ächtgeborene Sohn des verstorbenen Königs, und in Ermangelung eines solchen des Königs ältester unächtgeborener Sohn succediren, eventuell aber der nach Erbrecht und Oöalsrecht nächstberufene männliche Angehörige des Königshauses den Thron besteigen sollte^ ist hiernach augenscheinlich zuerst von einem in Ni6arÖ8 versammelten Herrentage beschlossen, und sodann von einem gleichzeitig versammelten Frostu)>inge angenommen worden, worauf dann dieselbe Anname für die übrigen Dingbezirke des Reichs an einer Dingstätte nach der anderen sich widerholte« Da genau dieselben Personen bei demselben mitwirkten, deren Mitwirkung bei unserer strafrechtlichen Novelle erwähnt wird, da ferner auch diese letztere einerseits für ganz Norwegen erlassen, andererseits aber doch auch wider in speciellere Beziehungen zu den Frostu)>ingslög gesetzt ist, wird man wohl annemen dürfen, dass beide Gesetze an einem und dem- selben Reichstage erlassen, und sofort einem und demselben Frostu)>fnge zur Anname vorgelegt worden seien; wenn es demnach gelingen sollte, für das Thronfolgegesetz das Entstehungsjahr genauer zu ermitteln, so dürfte das erzielte Ergebniss unbedenklich auch auf unsere Strafgesetz- gebung übertragen werden. Nun wissen wir, dass das Königthum in Norwegen zwar von Alters her erblich war, dass aber doch die Thron- folge keine völlig fest geregelte, und jedenfalls keine den Staatsinteressen entsprechend geregelte war. Unbedenklich liess man uneheliche Söhne neben den acht geborenen succediren, wenn sie nur von ihrem Vater anerkannt waren, und seit dem Anfange des 12. Jahrhunderts liess man sogar die fehlende Anerkennung durch die Eisenprobe ersetzen; unbe- denklich berief man auch gleich nah Verwandte neben einander zur Thronfolge, mochten sie nun das Reich theilen oder über eine gemein-

1) Järnsid'a, Eristindomsb., 3; neuerer 6l)ErR., 4.

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same Regierung sich einigeD; wenn endlich zwar das ältere Recht nur Königssöhne zur Succession berufen hatte, so war doch auch dieser Grundsatz einigermassen streitig geworden, seitdem sich das gemeine Erbrecht den Weibern und dem Weibsstamme günstiger gestaltet hatte. Das Thronfolgegesetz von 1 1 64 hatte allerdings , soweit es überhaupt das Erbrecht gewähren Hess, sowohl die Individualsuccession festgestellt als die unächte Geburt ausgeschlossen; aber es hatte dafür den Weibs- stamm in demselben Umfange zur Thronfolge zugelassen, in welchem ihn das gemeine Erbrecht zuliess, und ausserdem durch den Einfiuss, welchen es den Prälaten auf die Besetzung des Thrones einräumte, das Reich im Grunde in ein Wahlreich verwandelt. ^J Ueberdiess konnte dieses Gesetz, seitdem König Magnus Erlingsson vor König Sverrir ge- fallen war, überhaupt nicht mehr als zu Recht bestehend gelten; als geordnet konnte demnach noch zu Anfang des 13. Jahrhunderts die Thronfolge keineswegs bezeichnet werden. So erfahren wir denn auch, dass König Häkon schon frühzeitig bemüht war, diesen Mängeln abzu- helfen. Zuerst war es nur die Stellung der unächten Geburt, welche er ins Auge fasste. Obwohl er selber einen älteren unehelichen Sohn Namens Sigur5 hatte, welcher erst im Jahre 1254 starb,^) liess er den- noch im Jahre 1240 nicht diesen, sondern seinen jüngeren, aber acht geborenen Sohn, Häkon, zu seinem Mitkönige wählen;^) ja er liess so- gar nach Jahre lang betriebenen Unterhandlungen im Jahre 1246 sich selbst durch Papst Innocenz IV. ausdrücklich von dem Makel der un- ehelichen Geburt dispensiren,*) womit denn doch die Bedeutung der ehelichen Abstammung für die Thronfolge so bestimmt als nur überhaupt möglich anerkannt war. Später wurden dann auch die Gefahren ins Auge gefasst, mit welchen der Grundsatz der gleichzeitigen Succession gleich nahe Berufener das Reich bedrohte, und welche um so näher gerückt waren, weil der König neben jenem Häkon noch einen jüngeren und gleichfalls acht geborenen Sohn Namens Magnus hatte. . Anfangs

1) 6^L. 2.

2) Häkonar s., cap. 109, S. 849—50, und cap. 282, S. 59; Annalar, h. a.

3) Hakonar 8., cap. 223, S. 496; Annälar, h. a.

4) Diplom. Norveg., I, nr. 38, S. 29—30.

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hatte grosser Zwiespalt darüber geherrscht, ob unter beiden Brüdern das alte Recht der gleichen Theilung zur Anwendung kommen, oder ob der jüngere Bruder nur ein Drittel oder die Hälfte des Reiches mit dem Herzogstitel erhalten, der Königsname aber ungetheilt dem älteren vor- behalten bleiben solle; der alte König stellte die Entscheidung, die er selber zu treffen zu weichherzig war, Gott anheim, und sie fiel in Bälde dadurch, dass der junge Häkon starb (1257).^) Jetzt lag die Sache einfach; Magnus wurde noch in demselben Jahre zum König gewählt,^) indem der Junker Sverrir, des jungen Häkons Sohn, welcher erst im Jahre 1261 starb,^) dem damals geltenden Rechte gemäss durch seinen Oheim ausgeschlossen wurde, und jetzt wurde auch der Entwurf einer neuen Thronfolgeordnung sofort energisch in AngriflF genommen. Wir ersehen aus der Lebensbeschreibung König Häkons, dass dieser im Som- mer des Jahres 1260 am Frostu^nge anwesend war, und hier Ange- legenheiten ordnete, welche das Königthum betrafen,*) und wir können kaum bezweifeln, dass damit gerade auf die Entstehung unseres Thron- folgegesetzes hingedeutet werden will, welches ja in den Jahren 1257 63 entstanden sein muss, und von dem wir überdiess wissen, dass es gerade am FrostuI)inge zu Stande kam. Für das Thronfolgegesetz darf diese Zeitbestimmung in der That als unbestritten gelten ; ^) aber auch für unsere strafrechtliche Novelle wird sie nach Munchs Vorgang unbedenklich angenommen werden dürfen, und scheint nur noch ein ganz vereinzelter Punkt einer näheren Erörterung bedürftig. Im Ganzen stimmt der hieher bezugliche Inhalt der JärnsiSa mit den An- gaben der ersteren Hälfte unserer Einleitung vollkommen befriedigend überein, wenn wir nur berücksichtigen , dass die strafrechtliche Novelle des Jahres 1260 hier wie dort nur auszugsweise und nicht ihrem Wort- laute nach mitgetheilt werden wollte, und dass überdiess zufolge des

1) Hakonar s., cap. 284, S. 62. and cap. 288, S. 73; Annalar, h. a.

2) Hakonar 8., cap. 291—2, S. 79-80; vgl. Flbk, III, S. 198-99; Annalar, h. a.

3) Hakonar s., cap. 295, S. 91, and cap. 303, S. 100; Annalar, h. a.

4) Hakonar s., cap. 308, S. 100: um snmarit eptir för Hakon konüngr inn til Fro8tal)ing8, ok skipadri l^ar konungsmalum ; die SteUe fehlt freilich in der Flbk, III, S. 208.

5) vgl. Keys er, Kirchengeschichte, I, S. 427—28, und Rechtsgeschichte, S. 61; Manch, Norwegische Geschichte, JV, 1, S. 190—202; Aschehoag, Statsforfatningen i Norge og Danmark, S. 22—23, u. s. w.

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defecten Zustandes der Einleitung manche ursprünglich in derselben enthaltene Bestimmung für uns ausgefallen sein kann. Es erklärt sich von hier aus recht wohl, dass einerseits die hier und dort überlieferten Satzungen sich zumeist fast wörtlich entsprechen, andererseits aber doch auch nicht wenige Abweichungen von einander zeigen, sei es nun, dass es sich dabei nur um eine Umstellung einzelner Bestimmungen handle,^) oder dass der eine Text 'einzelne Vorschriften enthalte, welche dem an- deren fremd sind;^) es erklärt sich aber auch nicht minder, dass die in der Häkonar s. erwähnten Bestimmungen über die handhögg und föthögg in beiden Quellen fehlen. Auch das Verzeichniss der Novellen König Häkons, welches die Landslög an ihrem Schlüsse enthalten, stimmt im Wesentlichen mit jenen Angaben überein, wenn es auch als ein kurzer Auszug Manches unerwähnt lässt, was die Järnsi5a und unsere Einleitung erwähnen; um so auffälliger ist aber, dass unter den Novellen des Königs auch der Herabsetzung aller zu entrichtenden Friedensgelder auf ein Drittel ihres ursprünglichen Hetrages gedacht wird, vermöge deren ins- besondere die 40 Markbusse auf 13^/3, und die 1 5 Markbusse auf 5 Mark gefallen sei, und dass demgemäss auch in dem Texte einer Vorschrift, welche jene beiden Quellen im üebrigen gleichmässig kennen, hier das l>ögngildi auf 13^/3 Mark herabgesetzt auftritt.^) Auch schon an einer früheren Stelle der Landslög zeigt sich die Herabsetzung des tegngildi berücksichtigt,^) wogegen dieselbe weder in der Einleitung zu den Fr^L.,

1) Die Einleitung, §.1 und 8, zeigt eine Auseinandersetzung in zwei Stücke zerleg t, welche in der JärnsidTa, Mannhelgi, §.7, einheitlich steht; dort knüpft sich ferner in §.2 6 eine Besprechung der Folgen des Todtsohlages an, welche hier an ganz anderem Orte, nämlich Mannhelgi, §. 2-4, steht, wiewohl ebenfalls als eine Neuerung König Hakon« bezeichnet.

2) Die Einleitung enthält in §. 6—7 Bestimmungen über Selbstbülfe und Rache in Ter- wundungs- und Unzucbtsfällen ; in §.11 eine Vorschrift über das Verbrechen der Bestialität, welche aus G{L. 30, geschöpft ist, während die Frl)L. III, 18, milder waren; in §. 12 eine solche über die Verpflichtung der Bauern sowohl als der königlichen Beamten, das Land von Verbrechern zu säubern; in §. 18 endlich eine Bestimmung über falsche Eide, welche von 6l)L. 60, sowohl als Fl>L. XIII, 26, abweicht, dagegen mit Landsl. I>jdfab. 16, übereinstimmt. Der JärnsidTa sind alle diese Stellen fremd.

8) Einleitung, §. 2: ]>a skal konüngr taka eigi meira i (egngildi en ad'r er vandi d, und ebenso JärnsidTa, Mannhelgi, §.1; dagegen Landslög, X, §. I: )>ä skal konüngr taka eigi meira (egngildi en 8 örtugar ok 18 merkr silfrs.

i) Mannhelgi, 2.

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noch in der Häkonar s., noch in der Järnsiöa ausdrücklich erwähut wird, und in der letzteren sogar noch an ein paar Stellen die alte 40 Mark- busse festgehalten ist, wie wenn jene Herabsetzung derselben gar nicht erfolgt wäre.^) Indessen lässt sich doch auch diese Schwierigkeit lösen. Die Järnsi5a zeigt anderwärts die Herabsetzung der Bussen berücksichtigt, wie sie denn zumal an einer den Fr^L. entlehnten Stelle richtig 5 Mark setzt, wo diese ihre Quelle deren 15 angesetzt hatte, ^) und man wird demnach ^ ihre Nichtberücksichtigung an jenen beiden anderen Stellen nur auf jene nahezu unbegreifliche Flüchtigkeit der Compilation zurück- führen dürfen, welche sich auch sonst allerwärts in diesem Gesetzbuche bemerkbar macht, also nur soviel aus ihr zu schliessen haben, dass die an jenen beiden Stellen benützten Materialien älter als die Novelle ge- wesen sein müssen, welche die Königsbussen herabsetzte. Die eine der beiden Stellen kehrt, während sie weder aus den Gl>L. noch aus den Frl»L. geschöpft sein kann, in den Landslög wider, nur dass hier die ISVdMark an die Stelle der 40 getreten sind,^) und die zweite ist aus der Thronfolgedrdnung von 1260 geflossen;^) beide mögen sie demnach auf Novellen König Häkons beruhen, aber auf Novellen, welche vor der von ihm verfügten Bussreduction erlassen wurden, und umgekehrt kann diese letztere Massregel unmöglich vor dem Jahre 1260 erfolgt sein. Die Nichtberücksichtigung dieser Neuerung in unserer Einleitung erklärt sich damit von selbst; andererseits ist aber auch wirklich von einer Versammlung die Rede, welche König Häkon im Frühjahre 1263 un- mittelbar vor seiner Abfahrt naeh Schottland in Bergen abgehalten, und auf welcher er sich mit allgemeinen Landesangelegenheiten befasst habe/) und hier mochte demnach auch jene Herabsetzung der Königsbussen erfolgt sein.

Ungleich schwieriger ist es, über die zweite Hälfte der Ein- leitung ins Klare zu kommen. Feststellen lässt sich zunächst nur

1) Kristindomsb. 4; |>j6fab. 10.

2) |)ingfararb. 4, vgl. mit FJ)L. V, 46.

8) vgl. Jarnsid'a, |>j6fab. 10 mit Landslög, |>j6fab. 14, und andererseits mit 0(L.

133 und Frl)L., XV, 7—14. 4) JarnsidTa, Kristindomsb. 4; das Thronfolgegesetz des König Magnus hat auch hier

die 40 Mark durch 18 Vs ersetzt; Landsl-, Kristindomsb. 6. 6) Hakonar s., cap. 317, S. 119-20; Flbk. III, 8,217—18.

Abb. d. I. CI. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 5

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oder wollte. Vor dem Jahre 1260 musste diese ümredaction des Rechts- buches erfolgt sein, da sie in diesem Jahre bereits durch die oben be- sprochene erste Hälfte der Einleitung vermehrt wurde; um wieviel früher sie aber erfolgte, und auf welchen König sie etwa zurückzuführen sei, ist in Folge der beide Hälften trennenden Lücke nicht zu ersehen. Die Erledigung der Frage ist natürlich durch eine Untersuchung des Alters bedingt, welche wir unserer Bearbeitung des Rechtsbuches selbst zuzu- schreiben haben, und ich will dieser einstweilen noch nicht vorgreifen; doch map: schon hier die Bemerkung stehen, dass man möglicherweise auf die beiden Hälften unserer Einleitung die doppelte Wortfassung einer Notiz in der Häkonar s., beziehen könnte, welche oben bereits mitge- theilt wurde. ^) Die Angabe, dass König Häkon „in das Buch' ^ dasjenige habe setzen lassen, was man „das neue Gesetz'^ nenne, weist deutlich auf die strafrechtliche Novelle, welche den Inhalt der ersten Hälfte bildet; die Angabe, dass er „das Buch'' habe setzen lassen, welches „das neue Gesetz" heisse, würde möglicherweise auf die Umredaction der Fr^L. sammt der ihr zugehörigen zweiten Hälfte der Einleitung sich beziehen lassen, neben welcher dann die folgenden Worte der Stelle die straf- rechtliche Novelle noch besonders hervorheben würden, und würden sich demnach beide Wortfassungen der üeberlieferung unter der Voraussetzung als gleichmässig richtig betrachten lassen , dass man auch die zweite Hälfte der Einleitung, und damit die neue Redaction des Rechtsbuches selbst, dem König Häkon gamli zuzuschreiben hätte.

Eine Vergleichung der uns erhaltenen Membranfragraente mit dem Codex Resenianus scheint den aus der Einleitung gezogenen Schluss, dass eine ältere Umredaction der Frostul^ingslög um das Jahr 1260 mit einer neuen Einleitung versehen neuerdings publicirt worden sein möge, zu bestätigen, indem sie denselben zugleich näher präcisirt und erweitert. Allerdings enthält kein einziges jener Fragmente irgend ein Stück von der unserem Rechtsbuche vorangesetzten Einleitung; indessen ist es nicht gestattet, aus diesem Umstände irgendwelche Folgerungen zu ziehen. Bei denjenigen Handschriften, welche nur das Christenrecht enthalten,

1) vgl. oben, S. 27-28, Anm. 1.

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ist abgesehen davon, dass mehreren unter ihnen selbst dessen Anfang fehlt (S, X, Y, Fragment I), jene Einleitung von Vornherein nicht zu erwarten, und von den übrigen reicht, offenbar lediglich aus Zufall, überhaupt keine über Mannhelgi zurück, sodass sich von keinem dieser fragmentarischen Texte ersehen lässt, wieweit er etwa ursprünglich diese Einleitung, ganz oder theilweise, enthalten haben möge. Doch lässt sich immerhin Soviel wahrscheinlich machen, dass diesen letzteren Frag- menten sammt und sonders bereits jene Redaction unseres Rechtsbuches zu Grunde gelegen habe, welche die wesentliche Grundlage unseres Codex Resenianus bildete. So zeigt Fr. II die Seitenüberschriften: ,,fjor6e lutr -^ l)ingsbocar**, „fimti bocar", oder „fimti lutrr Frosto- pings bocarr", ,,sjaunndi ings bocarr'*, „attandi bocarr*' oder „attanndi lutrr Frostotings bocarr", „niundi lutrr Frosto^ings-

bocarr", „um XI lut Frostopingsbocarr" und ,,um XV (zweimal)

)>ings bocarr";^) es ist demnach klar, dass die Handschrift, von welcher diese Bruchstücke herrühren, bereits die neue Eintheilung des Rechts* buches in 16 Bücher kennt, wobei die falsche Bezeichnung des 10^'' und 1 4^"" Buches mit XI und XV doch wohl einfach aus einer irrigen Zählung zu erklären ist, und dringend wahrscheinlich ist somit auch, dass diese Handschrift wenigstens den zweiten Theil unserer Einleitung ebenfalls bereits enthielt. An der Spitze des Inhaltsverzeichnisses von Fr. IV

stehen ferner die Worte: ,,Her heefr upp kapitulum af setta lut ",

was unwidersprechlich zeigt, dass auch diese Handschrift bereits der neuen Eintheilung folgte, und wenn Fr. III einmal als Rest einer Seiten- überschrift die Worte: utr Frosto pings bocar*' zeigt ,2) so ge- nfigen auch diese um den gleichen Schluss zu begründen, soferne die Bezeichnung hlutr für die einzelnen Abschnitte nur der neuen Eintheilung des Rechtsbuches eigen ist, während die ältere dafür die Bezeichnung bälkr gebraucht hatte. Drei von den über das Christenrecht hinaus- reichenden Fragmenten gehören demnach sicherlich bereits jener Um- arbeitung des Rechtsbuches an, gelegentlich deren dessen neue Eintheilung durchgeführt wurde; das vierte. Fr. V nämlich, ist aber allzu geringen Umfanges, als dass sich aus ihm ersehen Hesse, ob dasselbe des gleichen

1) Norges gamle Love, II, S. 501, 504, 505, 506, 507, 509, 510, 511, 518 und 514.

2) ebenda, S. 517.

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Schlages sei oder nicht. Schwerer ist zu bestimmen, ob diese sämmt- lichen Fragmente auch der Ausgabe des Rechtsbuches vom Jahre 1260 angehörten, oder ob nicht vielleicht einzelne von ihnen jene frühere Recension zeigten, welche zwar auch bereits in 16 Bücher sich getheilt hatte, aber doch jedenfalls die erste Hälfte unserer Einleitung noch nicht enthalten konnte; indessen dürfte sich auch nach dieser Seite hin we- nigstens bezüglich des einen oder anderen Fragmentes zu bestimmten Ergebnissen gelangen lassen. Vor Allem zeigt Fr. IV, so dürftig und defect es ist, doch unzweideutig eine ganz andere Wergeldstafel, als welche unser Haupttext bietet. Dazu kommt, dass die Art, in welcher das betreffende Buch im Codex Resenianus eingeleitet und behandelt wird, höchst auffallig genannt werden muss. Die Einleitung desselben klagt nach dieser letzteren Recension darüber,^) dass zur Zeit nur wenige Männer sowohl richtiges Verständniss als guten Willen genug haben, um die Vertheilung der Wergeidssummen, auf welche ein gerichtliches Urtheil laute, richtig besorgen zu können, während doch nunmehr der Gebrauch aufgekommen sei, bei Gerichts- oder Vergleichsverhandlungen anstatt der gesetzlich festgestellten Beträge, wie solche die Frostat>ing8bök einem Jeden je nach Geburt und Würde zuweise, andere und willkürlich bestimmte auszusprechen, welche sich bald höher, bald nidriger beliefen als jene. Man sieht, einer neueren Richtung, welche sich in der Praxis geltend zu machen gewusst hat, stellt sich hier eine conservative Juris- prudenz gegenüber, welche an dem altüberlieferten Rechte des einhei- mischen Provincialrechtes soweit thunlich festzuhalten, und dieses der einbrechenden Rechtsunkenntniss gegenüber zu vertheidigen sucht. Die Klage über das Ueberhandnemen der Gewaltthaten im Volke, wie solche die Eingangsworte unserer Stelle nebenbei aussprechen, stimmt voll- kommen mit änlichen Herzensergiessungen überein^ welche König Häkon

1) FrJL., VI, §. 1: Her befr upp oc segir i frä )>vi er flestum er myrkt oc (yrfta (6 marger at vita, fjrer l>vi at vandrsed'i vaxa manna a millum, eri )>eir )>verra, er hostfi höfd'u til yit oc godTan vilja, bvessa scipta scylldi ikvedTnum botam, ef (eer ero doemdar, fyrir l>vl at l>at er meiri sidTr at aDemna boetr bvesso margar mercr golls uppi sculu vera eptir Hnn er af var tecinn, oc velldr l^at at marger yito eigi bvat lagabot er, en ))6at vissi, )>4 yilia fäer 1>vi ana. £n Frosto^ingsboc scipter lagab6t bvcriom eptir sinam burdr ocmetordri; en ecki binum botum, er (eir ofsa e^r vansa er i domam sitia oc sattmäl gera.

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in der ersten Hälfte der Einleitung zu den Fr^L., dann auch in anderen Ueberlieferungen seiner strafrechtlichen Novelle vom Jahre 1260 zum Besten giebt, und wäre insoweit recht wohl möglich, dass gelegentlich ihrer Verbindung mit unserem Rechtsbuche eine nochmalige Revision desselben, oder doch wenigstens seines 6^° Buches stattgefunden hätte, gelegentlich welcher dieses jene Gestalt angenommen hätte, welche das- selbe im Codex Resenianus zeigt. Während der Schluss der Kinleitung ausdrücklich Capiteiverzeichnisse aber die einzelnen Bücher in Aussicht stellt, und der Codex Resenianus wirklich an der Spitze aller anderen Bücher solche bringt^ enthält derselbe kein solches Verzeichniss vor dem 6***^ Buche, wogegen doch Fr. IV ein solches hat, und würde sich diess recht wohl zu der Anname schicken, dass das letztere die ältere, der erstere dagegen die neuere der beiden hier in Betracht kommenden Recensionen vertrete. Ihrem Inhalte nach gehen ferner beide Recensionen nicht unerheblich von einander ab, und ergiebt sich, dass unser Haupt- text, trotz alles conservativen Eifers, welchen seine Eingangsworte zeigen, eben doch in manchen Beziehungen einer jüngeren Praxis folgt. Der verstümmelte Zustand, in welchem Fr. IV uns vorliegt, lässt zwar nicht klar erkennen, wie weit jene Abweichungen im Einzelnen reichen; in- dessen können doch folgende Punkte immerhin mit Sicherheit festge- stellt werden. Die Grundanlage der Wergeldsvertheilung ist hier wie dort die gleiche, soferne die Unterscheidung der bauggildismenn , nef- gildismenn und sakaukar, dann auch die Aufstellung von 4 baugar, hier wie dort gleichmässig widerkehrt. Aber während Fr. IV nur eine nefgildisböt gekannt, und diese gleich neben den baugar, in bestimmtem Verhältnisse zu diesen stehend besprochen zu haben scheint, unterscheidet unser Haupttext zwiscxben einem mikla nefgildi und litla nefgildi, und setzt für beide ganz selbstständige Beträge an, welche erst besprochen werden, nachdem das bauggildi nicht nur, sondern auch die sakaukar abgehandelt worden sind; von einem tryggvakaup ist in Fr. IV noch die Rede, aber nicht mehr in unserem Haupttexte, und muss demnach, da auch dieser an den Formalien des veita tryggvar festhält,^) diese

1) Fr))L. V, §. 9.

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Zahlung hier in die Hauptsummen mit eingerechnet worden sein; end- lich ist auch insoferne die Berechnungsweise eine verschiedene, als der Codex Resenianus nach einander die Vertheilung eines Wergeides von 6, 5, 4, 3 Marken, 20 Unzen, und 2 Marken Goldes bespricht, während Fr. IV nur einen einzigen Wergeidsbetrag zu Grunde legt, und dann nur noch hinterher der geringeren Beträge Erwähnung thut, welche für den Fall erlegt werden sollen, da der Erschlagene unfreien Standes oder ein Freigelassener war. Nun kann jene im Codex Resenianus massgebende Gradation von Zahlungen unmöglich auf die althergebrachte Abstufung der Standesverhältnisse zurückgeführt werden; sie ist für diese zu vielgliederig, und würden, wenn sie massgebend wäre, auch wohl die betreffenden Standesbezeichnungen nicht fehlen, ausserdem aber ist der niderste Ansatz, 2 Mark Goldes =16 Mark Silber, für die in Fr. IV erwähnten Unfreien viel zu hoch, da ja der Durchschnittspreis eines solchen sich nachweisbar nur auf iy2, oder höchstens 3 Mark Silber stellte.^) Um so auffälliger erinnert dieselbe dagegen an jene Wergeldstafel des Bjarni Maröarson, welche uns als Anhang zu den GpL. überliefert ist; 2) auch diese bespricht ja nach einander die Ver- theilung von Wergeidsbeträgen zu 6, 5,4 und 3 Goldmarken, sodass also nur die zwei geringsten Ansätze unseres Codex Resenianus in ihr fehlen , wogegen sie aber allerdings den von unserem Haupttexte fest- gehaltenen Gegensatz des bauggildi, nefgildi und der sakaukar fallen gelassen hat. Berücksichtigt man nun, dass Bjarni Mar5arson uns in den Jahren 1198 1223 genannt wird, und zwar im Jahre 1223 genannt als ein Lögmann „ör frsendalögum", so ist klar, dass seine Wergelds- tafel sicherlich auch für das Gebiet des Frosta^inges entworfen war, und könnte die Vergleichung mit ihr allenfalls benützt werden, um das Alter der beiden hier in Frage stehenden Recensionen zu bestimmen. Munch hat einen derartigen Versuch gemacht,^) und zwar wollte er daraus, dass unser Codex Resenianus den tyborin son noch berücksichtigt, welchen Bjarni unerwähnt lässt, den Schluss ziehen, dass der Text des

1) vgl. Gjessing, in den Annaler for Nordisk Oldkyndighed, 1862, S. 123—5.

2) vgl. über sie meine Abbandlang über die GulaMngslög, S. 129 30.

3) Norw. Gesch., IV, 1, S. 117—18.

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ersteren älteren Ursprunges sein müsse als die Arbeit des letzteren. Die Beseitigung der Scheidung zwischen bauggildi und nefgildi, dann den sakaukar, hätte für denselben Schluss verwerthet werden können; indessen dürfte damit für unseren Zweck doch nur wenig gewonnen sein. Aus den bezeichneten Anhaltspunkten lässt sich nämlich zwar schliessen, dass unser Codex Resenianus in einzelnen Beziehungen einem älteren Rechtsgebrauche folgt, als Bjarni Mar5arson, aber ganz und gar nicht, dass sein Text, so wie er liegt, vor der Arbeit dieses letzteren entstanden sein müsse. Die oben angeführten Eingangsworte unseres Textes zeigen, dass zu der Zeit, in welcher derselbe redigirt wurde, bereits der Gebrauch aufgekommen war, in den Gerichten sowohl als bei Vergleichsverhandlungen die Wergelder auf eine bestimmte Zahl von Goldmarken festzusetzen, ohne Rücksicht auf die Beträge, welche die alte Frostotingsbok jedem Einzelnen je nach Stand und Würde zuge- billigt hatte; sie zeigen aber auch, dass der Verfasser unserer Recension nicht dieser Neuerung, sondern nur der Unsicherheit abhelfen wollte, welche sich in Folge derselben hinsichtlich, der Vertheilung der Wergelder unter die einzelnen Verwandten ergeben hatte. Dem entspricht nun vollkommen, dass derselbe die Wergeidsbeträge zwar mit Bjarni's neuer Wergeldstafel gemein hat, aber bezüglich der Art ihrer Vertheilung sich näher an das ältere Recht anschliesst, und mochte gerade durch diesen Anschluss an das ältere Recht auch der l>yborinn sonr noch in unsere Recension herübergekommen sein ; da die Unfreiheit in Norwegen nicht gesetzlich abgeschafft wurde, sondern nur ganz allmälig ausser Gebrauch kam, kann eine derartige Reminiscenz an dieselbe um so weniger zu einer Zeitbestimmung benützt werden, wie denn in der That noch Erz- bischof Jons Christenrecht in der Lehre von der Testamentserrichtung der Unfreien gedenkt. So fällt demnach nicht nur aller Anhaltspunkt für den Schluss weg, dass die Wergeldstafel unseres Codex Resenianus älter als die Bjarni's, also älter als etwa das Jahr 1220 sein mflsse, sondern es erscheint gerade umgekehrt das Gegentheil sehr wahrscheinlich, und dem fatalen Schlüsse, dass das Fr. IV noch um so viel weiter zu- rückgerückt werden müsse, während es doch ebenfalls bereits die Eintheil- ung in 16 Bücher kennt, und dass somit ein in älterer Weise in bälkar sich theilendes Rechtsbuch noch viel weiter in das 12. Jahrhundert

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hinauf verlegt werden müsse, können wir mit aller Rahe ausweichen. Wunderlich bleibt aber immerhin noch der doctrinäre Charakter, welchen nicht nur jene mehrerwähnten Eingangsworte, sondern auch noch einige andere Stellen in der Wergeldstafel des Codex Resenianus zeigen. Der Verfasser stellt sich selber dem fiberlieferten Rechtsbuche so zu sagen fremd gegenüber; er sucht ein besseres System in dieses hineinzubringen, und bestrebt sich die Gründe darzulegen, welche für die in ihm auf- genommenen Sätze sprechen;^) er wahrt sich endlich ihm gegenüber so vollständig die Selbstständigkeit seines eigenen Urtheils, dass er auf einzelne Lücken ausdrücklich aufmerksam macht, welche er in dessen Bestimmungen zu finden glaubt, und dass er, nicht zufrieden sie zu kritisiren, diese auch frischweg nach bestem eigenem Wissen auszufüllen sucht. ^j Man könnte sich veranlasst sehen, aus dieser Haltung der Darstellung den Schluss zu ziehen, dass die Wergeldstafel unseres Codex Resenianus von einem Privatmanne entworfen und in das Rechtsbuch eingeschoben worden sei, um die zu diesem gehörige zugleich näher zu erläutern und mit der neueren Praxis in besseren Einklang zu bringen; indessen ist doch schwer zu glauben, dass sich ein solcher zu einer so durchgreifenden und zugleich so sicher auftretenden Veränderung eines Legaltextes befugt gehalten haben sollte, und dürfte sich demnach wohl eher die andere Anname empfelen, dass König Häkon selbst das betref- fende Buch im Jahre 1260 irgend einem Lögmanne, oder auch einer Commission von Lögmännern zur Revision übergeben habe, und dass dann von diesen Bearbeitern demselben jene individueller gefärbte 6e-

1) Fr Hj. vi, §.11: En fyrir {vi boetum vor eigi lengra upp i eetter, at ä K er bjggjanda, ok Hdrin frsendsemi. Varia zna (at yel allt saman vera sakir ok sifskapir.

2) ebendai§. 6: MadTr er sa einn, er ver höfum eigi fundit i söktale 4 Frosto^iogsbok, en bann er )>6 bittr i fraendsemei ok er eigi firnajre en födTorbrödTer sammoed'ra. Varia er ad 88Btt med' heilu gor, er slfkir sitja fyrir dtan, ok er vad'e vegandanom, at eigi er vitf bann boett; er honom her bot setlud' med' brod'orsyne sammoedTre. §.9: Nii seger til l>eirra manna, er ver höfum eigi fundit 1 saktali bvar l>eim er i boetr skipat, fyrer (vi at Frosto- Kngsbok gerer enga grein ä in hvärt besser menn ero sammoedder ed'a samfedder; en (eir mego eigi aller 1 einni bot vera, ]»6 at I>eir se jamskyllder at frsendseme, ok ma l>ar taka til doema sem brod^er sammoed'ra er ; eigi er honum skipat i bot med* bröd'or samfed'ra, bann er baugamadrr, en hinn er sakauki, ok er )>ar sin bot bvärum aetlnt, ok svä er nii l^esBum epter nyrri skipan, sem bdr mun til segja.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 6

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stalt verliehen worden sei, welche dasselbe zeigt. Ist doch nur wenige Jahrzehnte später König Birgir in Schweden in Bezug auf Uplandslagen erweislichermassen wirklich in dieser Weise vorgegangen, was denn auch die weitere Folge gehabt hat, dass dieses Rechtsbuch durchaus die fiber- lieferte Form eines Rechtsvortrages, nicht die einer Gesetzgebung, an sich trägt. Die im genannten Jahre erlassene, und sofort mit den Fr^L. in Verbindung gesetzte strafrechtliche Novelle König Häkons musste den Gedanken, die Wergeldstafel einer Ueberarbeitung zu unterziehen, um der in der Praxis eingerissenen Rechtsunsicherheit ein Ende zu machen, in derXhat ganz besonders nahe legen; fraglich muss aber dem gegen- über zunächst noch bleiben, ob sich solche Revision ausschliesslich auf das sie enthaltende 6^ Buch beschränkt, oder ob sich dieselbe nicht- vielmehr auch auf die übrigen Theile des Rechtsbuches erstreckt habe» Vielleicht gewährt nach dieser Seite hin die Vergleicfiung zweier anderer Membranfragmente, nämlich Fr. II und III, einigen Aufschluss. Schon das Inhaltsverzeichniss, welches in Fr. II dem 4^° Buche voran- geht, deutet auf eine etwas andere Eintheilung als die des Codex Re- senianus hin, und im Zusammenhange damit sind auch die Ueberschriften ganz verschieden gestaltet, welche hier und dort den einzelnen §. §. ge- geben werden; ^) dieselbe Differenz widerholt sich ferner, und zwar in Bezug auf die beiden hervorgehobenen Punkte, bei einer Vergleichung des Textes der beiden Recensionen.^) Ausserdem fehlt aber auch in §. 2 des Fragmentes eine längere Stelle (En ef konüngr eigi innan fylkis), welche der Codex Resenianus hat, und liest §. 35 des

1) Fr. II, § 51, entspricht Fr JL. IV, §. 67—60, unserer Ausgabe; Fr, II, §. 62, aber §. 61, und Fr. II, §. 53, dem §. 62 ebenda«

2) Fr. II, §. 1, entspricht Fr{L. IV, §. 1—4, init,

§■ 3,

M

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§.4.

§. 3,

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§.6.

§. 26,

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§•27,

§.37,

V

§■ 28,

§•23,

tt

1f

§• 29,

§ 32,

ff

tt

§. 35,

§■ 33,

ff

tt

§. 34 und 36,

§. 84,

tt

tt

§.37,

§. 35,

tt

§. 39,

§. 36,

tt

tt

§. 40.

43

Fragmentes stjüpmoöer, wo der Codex Resenianus stjüpdotter bietet, während doch kaum an eine blose Corruptel zu denken sein dürfte, wie diess bei §. 40 des Codex Resenianus augenscheinlich der Fall ist, welcher aus §. 36 des Fr. II einfach zu berichtigen kommt. In Fr. III, welches ebenfalls einen Theil des 4^^ Buches enthält, sind die einzelnen §. §. nicht numerirt, und ist darum die Vergleichung der befolgten Ein- theilong mit der des Codex Resenianus erschwert; aber doch besteht in den üeberschriften weder mit diesem noch mit Fr. II volle üeber- einstimmung, und überdiess zeigt sich §. 34 unserer Ausgabe ganz ebenso wie in Fr. II zwischen deren §.35 und 36 eingeschoben, wogegen der in Fr. II fehlende, vielleicht aber auch nur versetzte, und dadurch in das fehlende Stück gefallene §. 38 sich hier findet. Ganz änliche Er- scheinungen widerholen sich im ö*""" Buche, von welchem Fr. II eben- falls wider einige Stücke enthält; die Eintheiluhg sowohl als die üeber- schriften der einzelnen §. §. sind auch hier wider in beiden Recensionen verschieden.^) Widerum weicht im 8***^ Buche, welches vom Erbrechte handelt, die Eintheilung des Fr. II von der des Codex Resenianus einiger- massen ab.^) Dabei zeigt sich die im Fr. eingehaltene Ordnung insö- ferne als die richtigere ^ als dasselbe die Vorschrift, vermöge deren der

1) Fr. II, §.11, entspricht Frl)L. V, §. 12,

« §. 12, §. 13 und 14,

i> §• 21, §. 22.

Von hier ab hat zwar der Codex Resenianus eine Lücke, welche sich z. Th. aus Fr. II er- gänzen lässt; aber die Vergleichung mit seinem Inhaltsverzeichnisse lässt Abweichungen in der Eintheilung auch hier erkennen.

2) Fr. II, §. 2, entspricht Frl)L. VIII, §. 2--3,

»• 3, ,f §. 4,

§. 10, n §. n,

§.11, » « §. 12,

§. 12, §. 13,

§. 13, §. 15,

§. lö, ., §. 16;

wobei indessen zu bemerken kommt, dass das Inhaltsverzeichniss des Fr. II als §.13 den- jenigen anführt, welcher im Codex Resenianus als §.14 eintritt. Da jedoch §. 14 des In- haltsverzeichnisses zwar dem §. 16 des Codex Resenianus entspricht, bei §. 15 des Inhalts- verzeichnisses aber ebenso wie bei §.17 in Folge einer Lacune die Ceberschrift fehlt, während §.16 dem §. IS des Codex Resenianus entspricht, fragt sich, ob §. 15 des letzteren nicht etwa auch im Inhaltsverzeichnisse unter der gleichen Nummer eintratt, also §. 16 des Codex Resenianus nur versetzt war.

G*

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PrsBsumptiverbe durch die Tödtung seines Erblassers des Erbrechtes verlustig gehen soll, nicht unter die Erbschaftsclassen mitzählt^ wie diess der Codex Resenianus thut, und somit nur auf 13, nicht auf 14 Erb- schaftsclassen kommt, als dasselbe ferner die Bestimmungen des §. 2 3 des Codex Resenianus, welche gleichmässig die 2'^ Classe be- treffen, in einen einzigen §. zusammenzieht, und dadurch die Zählung der §. §. mit der Zählung der Erbschaftsclassen parallel erhält; aber freilich fällt auf, dass das unserem Fragment vorangehende Inhalts- verzeichniss mit der Anordnung seines Textes nicht übereinstimmt, viel- mehr in einzelnen Punkten sich mehr der Ordnung des Codex Resenianus nähert, in anderen dagegen völlig selbstständig verhält, eine Er- scheinung, welche sich wohl nur durch die Anname erklären lässt, dass der Schreiber des Fragmentes sich für dessen Text einer anderen Hand- schrift bediente y als aus welcher er das Inhaltsverzeichniss entlehnte. Beachtenswerth ist ferner, dass Fr. II nicht nur durch seinen §. 2 die verstümmelte Lesart des §. 3 im Codex Resenianus zu ergänzen vermag, sondern auch in seinem §.11 die Lesart ,,systkinna tvseggia doetr^^ bietet, während dieser letztere „systkina doetra synir 2^^ liest, wobei Ersteres offenbar die richtige Lesart ist. Hinsichtlich dieser letzteren Stelle folgt denn auch Fr. III unserem Fr. II, nicht dem Codex Rese- nianus, und ebenso stimmt es mit jenem darinn überein, dass es nur 1 3) nicht 1 4 Erbschaftsclassen zählt, also die in Fr. II nicht mitgezählte Vorschrift auch seinerseits ungezählt lässt; dagegen zeigt sich §. 18 des Codex Resenianus hier zwischen §.14 und 15 hineingeschoben, und mit einem Zusätze versehen , welcher defect und dadurch vollkommen un- verständlich ist, aber jedenfalls in keiner anderen Recension sich nach- weisen lässt. Indessen wäre immerhin möglich, dass die beiden Frag- mente auch in diesem Punkte Hand in Hand gegangen wären. Es fehlt nämlich in Fr. II am Schlüsse seines §. 12 (= §. 13 des Codex Rese- nianus) ein Stück, auf welchem der §.14 des Codex Resenianus un- nnmerirt gestanden haben konnte, möglicher Weise aber auch noch dessen §. 18, der ja in Fr. III wirklich in dieser Weise untergebracht ist. Auch im 9**° Buche, welches die Lehre vom Erbrechte fortsetzt, zeigt Fr. II eine etwas andere Eintheilung als der Codex Resenianus; der §.16 des letzteren zeigt sich im Fragmente in 2 §. §. zerlegt, so-

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dass von hier ab die Zählung um eine Ziffer differirt, und dieselbe Zer- legung kehrt bei §.18 des Codex Reseniänus wider. Uebrigens enthält das Fragment von diesem Buche nur ein kleines Stück des ersten §* und einen Theil des Inhaltsverzeichnisses, sodass sich nicht mit Sicher- heit erkennen lässt, ob nicht etwa auch hier, wie bei dem vorangehenden Buche, Text und Inhaltsverzeichniss von einander abwichen. Endlich kehrt auch im 10**° Buche, dem Vertragsrechte, jene Verschiedenheit der Eintheilung wider, ^) woneben in §. 32 des Codex Reseniänus dessen verstümmelter Text einmal aus dem des Fragmentes ergänzt werden kann. Man sieht, es fehlt nicht ah Abweichungen zwischen den ver- . schiedenen uns ganz oder theilweise überlieferten Recensionen; aber doch will es schwer halten , aus diesen einigermassen gesicherte Schlüsse zu ziehen. Differenzen in den Lesarten, welche sichtlich nur auf einer Verstümmelung oder sonstigen Corruptel in der einen Recension beruhen, können zu solchen begreiflich nicht benützt werden, und auf Abweich- ungen in der Numerirung der §. §* oder in den ihnen vorgesetzten Ueber- schriften dürfte ebenfalls kein allzu grosses Gewicht zu legen sein, da sich wohl denken lässt, dass die Abschreiber es in dieser Beziehung nicht sehr ängstlich mit dem Widorgeben ihrer Vorlagen namen, wie denn in der That gerade nach dieser Seite hin sogar in einer und der- selben Handschrift zwischen dem Texte und dem ihm vorangehenden Inhaltsverzeichnisse Abweichungen hin und wider sich ergeben. Als einigermassen ernsthaftere Abweichungen wage ich nur etwa das Fehlen einer Stelle in Fr^L. IV, §. 4, und die Versetzung in §. 34 36 zu be- zeichnen, von welchen die letztere in Fr. II und III gleichmässig wider- kehrt; während für die erstere Stelle überhaupt nur jenes erstere Frag- xnent in Betracht kommt; ferner die Lesart systkinna tveggja doetr in Frl>L. VIII, §. 12, und die Nichtzahlung der ebenda, §. 14, aufgeführten

1) Fr. II, §. 20, entspricht FrJL. X, §. 21,

§. 21, ,y §. 22,

»1 §• 22, §. 23,

§. 23, §. 24 init.,

§. 24, §. 24.

Die §. §. 25—27 folgen sich sodann in beiden Handschriften gleichmässig; aber §. 38 des Fr. entspricht wider dem §. 84 des Codex Reseniänus.

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Bestimmung unter den Erbscbaftsclassen, welche ebenfalls beiden Frag- menten gleichheitlich eigen sind. Unter solchen Umständen lässt sich für die Anname, dass die Revision des Jahres 1260 neben dem 6'®*^ Buche auch über die anderen Theile unseres Rechtsbuches sich erstreckt habe, im besten Falle nur einige Wahrscheinlichkeit erbringen, und lasse ich demnach diese Frage hier auf sich beruhen.

Es wird hiernach schliesslich noch der Versuch gemacht werden müssen , ob nicht die eingehendere Prüfung des Textes unserer Fr^L. selbst zu einer bestimmteren Ueberzeugung über deren Entstehungszeit verhelfen könne, und wird dabei zugleich auch die andere Frage mit ins Äuge zu fassen sein, aus welchen Quellen die uns vorliegenden Re- censionen des Rechtsbuches etwa geschöpft, und welche Grundsätze bei deren Bearbeitung etwa befolgt worden sein möchten. Indem ich zu dieser Untersuchung hiemit übergehe, scheint mir aber zweckmässig, zunächst die Aufmerksamkeit ausschliesslich auf das Ghristenrecht zu concentriren, als für welches die geschichtlichen Behelfe zu einer Zeit- bestimmung weitaus am Günstigsten liegen.

Wir finden aber in dem Christenrechte unseres Rechtsbuches einmal auf jenes Mo8trarl>ing Bezug genommen ;^) welches nach dem Zeugniss der Gl>L. der heil. Olaf mit seinem Bischöfe Grimkell gehalten hatte, und auf welchem eine Reihe der wichtigsten kirchenrechtlichen Bestimmungen von Beiden durchgesetzt wurde;^) die Art, wie diese Be- zugname erfolgt, lässt aber erkennen, dass mit derselben eben nur auf die Gesetzgebung des heil. Olafs als die weit zurückliegende letzte Quelle der betreffenden Vorschrift hingewiesen werden will, und die verschwom- mene Weise, in welcher das Citat auftritt, zeigt deutlich, dass dasselbe bereits durch mehrfache Bearbeitungen hindurchgelaufen sein musste. In dem Festkataloge unseres Christenrechtes treten ferner nicht nur die beiden Olafsmessen auf, sondern auch die Hallvarösmessa, welche doch erst unter König Harald harörä&i aufkam;^) die im Jahre 1135 einge- führte Magnüsmessa wird nur in der einzigen Handschrift erwähnt,

1) FrJL. III, 1.

2) vgl. meine Abhandlung über die älteren Gulalingslög, S. 11 12.

3) FrJL. II, 24-26.

47

welche unsere Ausgabe zu Grunde legt, und kann somit zu einem Schlüsse nicht benützt werden. Der Zehnt ist ferner in unserer Quelle geboten,^) welcher doch erst unter König Sigurö Jorsalafari in Norwegen eingeführt wurde, und umgekehrt ist von den Sportein, welche vor seiner Einführung für die Taufe, das Begräbniss u. dgL zu entrichten gewesen waren, keine Rede mehr, und bezüglich der letzten Oelung wird sogar ausdrücklich die unentgeldliche Verrichtung vorgeschrieben.^) Widerum wird einmal auf eine Satzung ,,des guten Gardinales Nikolaus, welcher später Papst wurde, und des Erzbischofes Jon" Bezug genommen,^) und ein andermal einer Bestimmung erwähnt, welche ebendieser Erzbischof Jon (11 52 57) über die Taufe erlassen habe;*) von einem einheimischen Erzbischofe wird auch sonst oft genug gesprochen, was doch erst seit de];o Jahre 1152 geschehen konnte, des Romschatzes wird gedacht,^) welcher in demselben Jahre eingeführt worden zu sein scheint, und auch des Domcapitels geschieht mehrfache Erwähnung,^) welches doch frühestens um dieselbe Zeit eingerichtet worden sein kann; endlich werden auch Nonnen genannt,^) während doch Nonnenklöster erst gegen die Mitte des 12. Jahrhunderts in Norwegen auftreten; vgl. Munch, 11, 855—6 und 626; Lange, 214—15, 315—16, 456—7. Allerdings ist richtig, dass andererseits auch wider an so manchen anderen, und sogar weit zahlreicheren Stellen vom Bischöfe ' gesprochen wird, woraus man möglicherweise den Schluss ziehen könnte, dass die betreffenden Stellen vor der Erhöhung des Stuhles zu Ni^aros zu einem Metropolitan- sitze entstanden sein müssten; indessen kann doch jener Wechsel der Bezeichnungen recht wohl auch aus einem ganz anderen Grunde erklärt werden, aus dem Umstände nämlich, dass der Erzbischof zu Niöarös neben den Metropolitanrechten, welche ihm über seine ganze Provinz zustanden, auch noch die bischöflichen Rechte über die ihm unmittelbar unterstellte Diöcese besass, und somit dieser letzteren gegenüber wirklich

1) ebenda, 18—19.

2) ebenda, 17; vgl. meine angef. Abhandl., S. 50. 8) FrI)L. III, 17.

4) ebenda, II, 3.

5) ebenda, 20.

6) ebenda, 40 und 45.

7) ebenda, III, 14.

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als Bischof bezeichnet werden konnte. Vielleicht war unser Ghristenrecht von Vornherein nicht nur für die Diöcese Niöarös, also das Frostaping, allein bestimmt, sondern für das ganze Reich, und war aus diesem Grunde in demselben stets nur der Bischof genannt worden, wo es galt das Haupt der einzelnen Diöcese zu bezeichnen; vielleicht hatte man auch wohl geglaubt, die Diöcesanrechte des Erzbischofs von seinen Me- tropolitanrechten dadurch schärfer unterscheiden zu sollen , dass man nur von dem Bischöfe sprach, wo es sich um die ersteren handelte; mag sein auch, dass diese Bezeichnung aus einer älteren Vorlage herüber- genommen worden war, welche wirklich schon vor dem Jahre 1152 entstanden war. Im einen wie im anderen Falle erklärt sich leicht, dass an einzelnen Stellen die eine Handschrift den Bischof, die andere aber den Erzbischof nennt , ^) oder dass an einer und derselben Stelle beide Bezeichnungen wechseln,^) oder dass wider ein anderes Mal der Erzbischof genannt wird, während doch nur die dem Haupte einer Diö- cese als solchem zustehenden Befugnisse in Frage stehen.^) Weiterhin wird aber auch noch einer Milderung in der Handhabung der Festtags- ordnung gedacht, welche Papst Alexander III. (1159 81), und zwar nach dem Codex Resenianus auf Bitten des Erzbischofs Ey^teinn (1160 —88), des König Magnus (1161—84) und des Jarles Erllng (f 1179), zu Gunsten der norwegischen Fischerei verwilligte ;^) auf ungefähr die- selbe Zeit weist ferner auch noch die weitere Bestimmung hin, dass anstatt der früher gebotenen alljährlichen Freilassung einer gewissen Anzahl von Sklaven fortan ein gewisses Mass von Wegearbeit treten solle , ^) da wir ja die Abschaffung dieser Freilassungen in den GjJt^L. ausdrücklich dem König Magnus Erlingsson zugeschrieben finden,^) und doch wohl annemen dürfen, dass deren Abschaffung in beiden Ding- verbänden gleichzeitig erfolgt sein werde. Weisen aber schon diese letzteren Notizen mit ziemlicher Bestimmtheit auf Erzbischof Eysteins

1) Fr)>L. II, 2, Anm. 4; dann §. 21.

2) ebenda, 44. 8) ebenda, 45. 4) ebenda, 26.

6) ebenda, III, 19.

6) vgl. meine Abhandlung über die 6(L., S. 52 53.

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Lebenszeit herab, so fehlt es nicht an Anhaltspunkten, welche noch ungleich bestimmter in derselben Richtung sprechen. Wir wissen aus den verlässigsten geschichtlichen Quellen,^) dass Erzbischof Eysteinn die Bauern in Drontheim dazu zu bringen wusste, dass sie durch einen förmlichen Beschluss der Landsgemeinde ihm die Bezahlung seiner Straf- gelder in Silber statt in den gewöhnlichen Zahlmitteln zusagten, und dass diese Steigerung seiner Einkünfte vom Jarle Erlfng Anfangs als den Gesetzen des heil. Olafs und dem geschriebenen Rechte der Land- schaft zuwiderlaufend beanstandet wurde, bis er später gegen die Ver- willigung der kirchlichen Krönung seines Sohnes diesen seinen Wider- spruch fallen liess. Wir erfahren ferner;,^) dass König Sverrir hinterher eben diesen Streitpunkt nochmals aufgriff, und zwar widerum unter Berufung auf die Gesetze des heil. Olafs, und dass unter ihm zu dieser ersten Differenz noch ein paar weitere Streitpunkte hinzutraten, nämlich einmal ein Conflict aber das Laienpatronat , welches der König seinem vollen Umfange nach festgehalten wissen wollte, während der Erzbischof die ungetheilte Herrschaft über alle Kirchen, sowie sie nur erst geweiht waren, und die freie Anstellung der Priester an denselben für sich in Anspruch nam, und zweitens ein Streit übör die Zahl der Begleiter, welche der Erzbischof bei seinen Amtsreisen mit sich führen sollte, in- dem der König ihm nur 30 Männer und 12 weisse Schilde zugestehen wollte, der Erzbischof aber von jeder derartigen Beschränkung frei zu sein behauptete.^) Ausdrücklich wird uns dabei gesagt, dass der König wenigstens bezüglich der beiden letzteren Streitfragen sich auf „das Rechtsbuch der Drönter, welches die Grdgäs genannt wird, und welches König Magnus der Gute, Olafs Sohn, hatte schreiben lassen^^, oder auch auf „das Landrecht, welches der heil. König Olaf gesetzt hatte*', berief, wogegen der Erzbischof neben dem kanonischen Rechte und päpstlichen Bullen auch auf „das Buch, welches Gullfjö6ur genannt wird, und welches Erzbischof Eysteinn schreiben liess'S sich stützte, von welchen Behelfen

1) Heimskr. Magnus s. Erlingssonar, cap. 16, S. 792 und cap. 21, S. 795— 6; FMS., YII, cap. 8, S. 299—300 und cap. 18, S. 804-7; Fajfrsk. §. 268, S. 179—80.

2) Sverris s, cap. 112, S. 269-71. 8) ebenda, cap. 117, S. 277— 80.

Abb. d. I. Gl d. k. Ak. d. Wies. XlII. Bd. III. Abtb 7

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die ersteren doch höchstens über die Patronatsfrage allenfalls Aufschluss geben konnten. Klar ist hiernach, da^s die Goldfeder wenigstens in Bezug auf die Stärke der Begleitung des Rrzbischofes^ wahrscheinlich aber auch in Bezug auf das Laienpatronat Bestimmungen enthalten haben mu&s^ welche den Ansprüchen des Klerus günstig waren, während die übrigen damals in der Landschaft Drontheim vorhandenen Rechts- aufzeichnungen noch an den älteren, von König Sverrir verfochtenen Bestimmungen über diese Punkte festhielten; keinem Zweifel wird aber auch unterliegen können, dass der Erzbischof nicht unterlassen haben wird, den ihm financiell so wichtigen Beschluss der Landsgemeinde be- züglich seiner Strafgelder in sein eigenes Rechtsbuch einzutragen, und jedenfalls steht soviel fest, dass auch von diesem in den älteren Rechts- büchern unmöglich die Rede gewesen sein konnte. In Bezug auf alle 3 Streitfragen stellt sich nun aber unser Christenrecht mit der vollsten Bestimmtheit auf die Seite des Erzbischofes , nicht des Königs, und es enthält demgemäss gerade diejenigen Vorschriften, welche in der „Gold- feder'^ gestanden haben müssen und in den älteren Rechtsbüchern nicht gestanden haben können. Einmal nämlich findet sich die Vorschrift, dass alle im Christenrechte vorgesehenen Bussen mit einigen wenigen Ausnamen stets in Silber entrichtet werden sollen. ^) Zweitens wird ausgesprochen, dass dem Erzbischofe bei seinen Amtsreisen von den Bauern „jedes Pferd, auf welches schon Sattel oder Geschirr gelegt wurde'*, gestellt werden müsse, wenn er sich nicht etwa selbst mit weniger be- gnüge,^) und dass damit in der That auf ein der Zahl nach unbeschränktes Gefolge desselben hingedeutet werden wolle, wie solches Erzbischof Eysteinn für sich in Anspruch genommen hatte, kann um so weniger einem Zweifel unterliegen, als die übrigen Christenrechte dem Bischöfe wirklich nur 30 Pferde, oder 30 Begleiter, oder 30 Begleiter mit 30 Pferden verwilligen, ^) also gerade diejenige Zahl, welche auch im Drontheimischen das ältere Recht verwilligt hatte. Drittens endlich wird auch noch aus-

1) Fr5L. III, 2.

2) ebenda, II, 44.

3) GIL 33; Bt>L. I, 10 und II, 19, wogegen §. 27 aus den FrtL. entlehnt ist; ferner III, 14; E)>L. I, 34.

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drücklich bestimmt, dass der Bischof über alle Kirchen Gewalt habe, und dass er nach eigenem Gutdünken alle Geistlichen ansetzen möge,^) und wenn dabei zwar beigefügt wird, dass derselbe versprochen habe nur tüchtige und den Gemeinden zusagende Männer zu ernennen, so ist doch leicht ersichtlich, dass damit keine rechtliche, sondern nur eine moralisch bindende Verpflichtung eingegangen werden will; der sofort folgende weitere Beisatz: „l>at er forn r^ttr'^, mag sodann entweder im klericalen Sinne verstanden werden, also dahin dass jenes Recht des Erzbischofes nicht etwa eine Erfindung Ebsteins, sondern ein uraltes Gebot der Kirche sei, oder umgekehrt im weltlichen Sinne, nämlich 80, dass die Verpflichtung des Erzbischofs, auf den Wunsch und Willen der Bauern Rücksicht zu nemen, als althergebrachtes Recht bezeichnet werden wollte; immer bleibt derselbe ein bloses Glossem, welches die Bedeutung der Vorschrift selbst in keiner Weise zu berühren vermag. Man sieht, in allen den Punkten, in welchen Erzbischof Ejsteins Gold- feder nachweisbar vom älteren Rechte abgieng, folgt unser Ghristenrecht der von ihr gewiesenen Spur, und älter als sie kann dasselbe somit in keinem Falle gewesen sein. Einige weitere Anhaltspunkte scheinen aber überdiess darauf schliessen zu lassen, dass dasselbe wenigstens seinem Grundstocke nach, auch nicht nach Eysteins Zeiten entstanden sein werde. Es ist oben bereits erwähnt worden,^) dass das Inhaltsverzeichniss, welches der Codex Resenianus an die Spitze des Christenrechtes stellt, dessen erstes Capitel „um konüngs kosning'^ handeln lässt. Nun fehlt allerdino[s der Schluss des Inhaltsverzeichnisses sowohl als dieses ganze erste Capitel in Folge eines aus der Handschrift abhanden gekommenen Blattes, und beginnt unser Te:ict erst wider mitten in der zu §, 2 ge- hörigen üeberschrift; aber immerhin genügt selbst jene kurze Notiz im Inhaltsverzeichnisse, um das Alter der verlorenen Vorschrift^ erkennen zu lassen. Bis in die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts herab war das Königthum schlechterdings erblich gewesen; erst in Folge der Ab- machungen zwischen dem Jarle Erling und dem Erzbischofe Eystein, welche zur Krönung des jungen Magnus führten, wurde das Reich ia

1) FrtL. II, 11.

2) siehe oben, S. 22.

7*

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ein Wahlreich verwandelt (1164), und als dann König Sverrir und dessen Geschlecht gegen Magnus Erlfngsson und die klericale Parthei sich er- hoben, wurde jene Neuerung wider fallen gelassen. Die Thronfolge- ordnung, welche im Jahre 1260 von König Häkon erlassen wurde, weiss demgemäss Nichts von einer Königswahl, und erst in dem Thronfolge- gesetze des König Magnus vom Jahre 1273 kommt dieselbe insoweit wider in Betracht, als für den Fall eines gänzlichen Erlöschens des königlichen Hauses zu ihr gegriflfen werden soll. Wenn nun unser In- haltsverzeichniss von einer Bestimmung ,,uber die Königswahl'^ spricht, so ist klar, dass der Codex Resenianus eine ganz änliche Vorschrift wie sie in die 6t>L. , §« 2, sich eingeschaltet zeigt, enthalten haben muss^ d. h. eine Vorschrift, welche der Thronfolgeordnung des Jahres 1164 entnommen war; eine derartige Einschaltung aber konnte unmöglich unter der Regierung König Sverrir' s oder seiner Nachfolger erfolgt sein, deren Legitimität ja mit der Geltung des Gesetzes von 1164 schlechthin unvereinbar war, während dieselbe recht wohl von König Magnus Erlingsson und Erzbischof Eysteinn herrühren konnte. So wird ferner bei Be- sprechung der Entweihung von Kirchen und Kirchhöfen durch Blut- vergiessen eine Abstufung der Straffolgen mit Rücksicht auf das ver- schiedene Mass von Ansehen befolgt, dessen die einzelnen Kirchen ge- niessen;^) am Schwersten aber wird dabei dieThat geahndet, welche „£ Kristkirkju, e5a i Marie kirkju, e6a i kirkjugar5i l>eirra'' begangen wurde. Zu der Zeit, in welcher diese Bestimmung erlassen wurde, hatten also die Ghristkirche und die Marienkirche einen gemeinsamen Kirchhof, und nur daraus lässt sich denn auch erklären, dass die höhere Weihe, welche der ersteren als der Kathedralkirche zukam, auch auf die letztere herüber- erstreckt wurde; nun wissen wir aber dass die Marienkirche, welche König Haraldr har5rd§i, und die Christkirche oder Trinitatiskirche, welche König Olaf r kyrri gebaut hatte, bis auf Erzbischof Eysteins Zeiten neben einander standen, wie denn das diesem letzteren gewidmete Gescbichts- werk des Mönches Theodorich beide noch neben einander in Ni5arÖ8 nennt, ^) wogegen eben dieser Eysteinn jene ältere Christkirche beträchtlich

1) FrtL. II, 10; z. Th. auch in Fr. I, S. 500, enthalten

2) Theodoricus Monachus, cap. 29.

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Erweitern, zugleich aber die Marienkirche abbrechen und nach dem Augustiner kloster zu Helgisetr überführen liess«^) Nur nach König Olafs Bauführung und nur vor dem von Erzbischof Ey stein unternommenen Umbaue können demnach die obigen Worte unseres Christenrechtes ge- schrieben sein, und ihre Aufzeichnung muss demnach in die Amtsperiode dieses letzteren hineinfallen, da sich ja, wie oben dargelegt, die in deren ersten Jahren durchgeführten Neuerungen in demselben bereits ganz consequent berücksichtigt zeigen. So darf auch nicht übersehen werden, dass unsere Stelle von dem Betrage, welcher durch die Entweihung der Christ- oder Marienkirche verwirkt wird, sagt: „en l>at ä halft hinn helgi Olafr konüngr, en hälft jarolegr konüngr", soferne diese Gegen- überstellung des heil. Olafs als des himmlischen, und des jeweiligen Regenten als des irdischen Königs über Norwegen ganz zu der mystischen AuJBTassung passt, welche Eysteinn für das Verhältniss des Königthumes zum erzbischöflichen Stuhle in Aufname zu bringen suchte. Endlich ist vielleicht auch der Umstand zu beachten, dass unsere Stelle sich aus- drücklich der „bok", d. h. der Frosto^ingsbok , gegenüberstellt,^) und dass auch noch an einer weiteren Stelle eine änliche Gegenüberstellung vorkommt. An sich wäre allerdings denkbar, dass damit nur der Ge- gensatz einer neueren Novelle zu einem älteren Rechtsbuche hervor- gehoben werden wollte; indessen will doch wenig einleuchten, dasi^ dieser Gegensatz in solcher Form überhaupt noch zum Ausdrupk gelangen konnte, nachdem die betreffende Novelle einmal in das Rechtsbuch ein- gestellt , und damit selbst zu einem Bestandtheile desselben gemacht worden war. Bedenkt man überdiess, dass in unserer Quelle widerholt der „kristinrettr" in einen ebensolchen Gegensatz zum übrigen Rechte gebracht, und andererseits der „lög^^ auch mehrmals als einer subsidiären Rechtsquelle in einer Weise gedacht wird, welche darunter nur das ge- meine kanonische Recht zu verstehen gestattet, so wird man eher ge-

1) Agrip, cap. 86, S. 408; Morkinskinna, S. 122; Flbk, III, S. 399. Vgl. Munch, in Lange's Norsk Tidsskrift, II, S. 67-78.

2) En um einka grid* oll skal standa sem i bok ekil (al. fari svä sem bok segir). Vgl. auch III, §.19: i stad* manfraslsis Vess, er i lagum varum er (al. msslt er i lögom värom; mselt var i laogum). «

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neigt sein jene Gegenüberstellung auf den Gegensatz zu beziehen, in welchem das neue, vom Erzbischofe einseitig erlassene Christenrecht zum Landrechte stehen musste, als dessen Bestandtheil es selbst nicht mehr angesehen werden wollte, weil es, wenigstens materiell, von der geistlichen, und nicht wie dieses von der weltlichen Gewalt ausgegangen war. Nach allem Dem wird man wohl als sicher betrachten dürfen, dass den Grundstock unseres Christenrechtes gerade jene „Goldfeder" bildete, welche Erzbischof Eysteinn schreiben liess. Da unser Christen- recht die Thronfolgeordnung von 1164 bereits enthielt, und auch seinem übrigen Inhalte nach die Uebereinkunft der Kirche mit dem Staate, welche im genannten Jahre zu Stande kam, als bereits abgeschlossen voraussetzt, und da dasselbe andererseits noch vor der Verlegung der Marienkirche nach Helgisetr entstanden sein musste, welche Verlegung noch nicht erfolgt war, als Erlingr jarl begraben wurde (1179),^) und als der Mönch Theodorich schrieb, also nach 1176,^) aber doch vor Erzbischof Eysteins Tod (1188J nicht nur, sondern auch vor seiner Flucht aus dem Lande (1180) entstanden sein musste, soferne ^eder im Auslande noch nach der Heimkehr (1183) ein dem König Sverrir so wenig acceptables Werk hätte ausgehen können, begrenzt sich die Entstehungszeit desselben auf die Jahre 11 64 80. Wenn wir übrigens zwar unbedenklich annemen dürfen, dass unser Christenrecht im Grossen und Ganzen auf der Goldfeder Eysteins, und nicht auf jenen älteren Christenrechten beruht, welche vor dessen Zeit gegolten hatten, so will damit doch in keiner Weise gesagt sein, dass dasselbe auch wirklich einen völlig reinen und unverfälschten Text dieser Goldfeder enthalte, ohne alle und jede spätere Zuthat; im Gegen theil lässt sich vielmehr nicht verkennen, dass dasselbe auch in späterer Zeit noch einzelne Zu- sätze erfahren hat^ wenn es auch schwer genug fallt, den Umfang der- selben zu bestimmen. Keinem Zweifel kann zunächst unterliegen, dass in unser Christenrecht das Gebot der österlichen Communion eingestellt sich findet,^) welches doch erst im Jahre 1215 von der IV. lateranischen

1) Sverris e., oap. 38, S. 99.

2j vgl. Storm, in den Aarböger for nordisk Oldkyndighed og Historie, 1871, S. 424.

3) F]>L. II, 40.

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Synode erlassen wurde.') Allerdings hält dem gegenüber unser Christen- recht bezüglich der verbotenen Verwandtschaftsgrade die Bestimmungen des älteren Rechtes fest, ohne der auf eben diesem Concile ver willigten Milderungen irgendwie zu gedenken;^) indessen darf hierauf um so weniger Gewicht gelegt werden, als ja auch unser Sachsenspiegel jener kirchenrechtlichen Neuerung jeden Einfiuss auf das weltliche Recht ver- sagte, ganz abgesehen davon, dass eine Veränderung der betreffenden Bestimmungen in der gebrauchten Vorlage allenfalls auch einfach ver- gessen worden sein konnte. Ein weiterer Zusatz dürfte sich auf die viSreldistiund , d. h. den Zehnt beziehen, welcher von den Nutzungen des Hausviehes zu entrichten war. Die Entrichtung des Zehnts von allem viöreldi findet sich in derjenigen Recension der G^L., welche auf König Magnus Erlingsson zurückzuführen ist, noch schlechthin vorge- schrieben^^) und es ist hiernach von Vornherein anzunemen, dass die- selbe auch in einer gleichzeitig entstandenen Aufzeichnung des für das Frostu^ing bestimmten Christenrechtes nicht gefehlt haben werde; es spricht hiefür aber überdiess auch der weitere umstand, dass nach einer Stelle', welche in dem sogenannten Christenrechte König Sverrirs sich findet, wirklich eine ältere Recension der FrjL. oder doch ihres Christen- rechtes jenen Zehnt noch gekannt hatte. Während nämlich an einer Stelle dieses Rechtsbuches die obige Vorschrift dei^ G^L. so gut wie wortgetreu widergegeben wird,*) ist an einer anderen eine weitere Vor- schrift über die Entrichtung der vi&reldistiund zu lesen, welche ungleich detaillirter ist, und sich an Bestimmungen anschliesst, welche nahezu wörtlich in unserer Redaction der Fr^L. widerkehren. ^) Berücksichtigt man einerseits diesen Zusammenhang, und andererseits den bekannten Umstand, dass das sog. Christenrecht Sverrirs in rohester Weise aus den Christenrechten der GpL. und FrjL. compilirt ist, so darf der Schluss

1) vgl. c. 12, X, de pönitent. (5, 88).

2) FrtL. III, 1.

S) G)>L. 8: at ver skolom gera tiond alla ok falla, bsed*! af avexti ollam ok yid'reldi, fiski ok ollom rettom fangom.

4) Sverris KrR. §. 7.

5) ebenda, §. 35: Vid'reldistiund skal ok gera ok framgreid'a af slfkn sem lifir at hvitasannadegi kvikendi (ser sem koemr 4:11. En ef minna verd'r, ik se s6 lausn a er mselt er; fyll at ertog, kälfr at 10 penfngam taldom, lamb at 5 penfngum taldam, ok sva kid* ok grin.

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als ziemlich gesichert angesehen werden, dass der Compilator in diesem wie in so manchem anderen Falle an verschiedenen Stellen seines Mach- werkes die Vorschriften beider Rechtsbücher über denselben Gegenstand eingestellt haben, und dass die zuletzt angeführte Stelle aus den Fr])L. entlehnt sein werde, während die zuerst angeführte zweifellos den Gjj^L. entnommen ist. Dem gegenüber findet sich nun aber in dem Christen- rechte unserer FrpL. eine ganz andere Bestimmung, und zwar an einer Stelle, deren erstere Hälfte in dem Christenrechte Sverrirs unmittelbar vor denjenigen auf die viöreldistiund bezüglichen Worten enthalten ist, welche soeben besprochen wurden.^) Ali die Stelle der vi5reldistiund soll hiernach ein Reichniss an Käse treten, zu welchem alle Milch zu verwenden ist, welche am nächsten Freitage vor Johanni fällt, und soll bezüglich desselben die Theilung unter Bischof, Priester, Kirche und Arme ganz ebenso eintreten wie bei dem Zehnten selbst; augenscheinlich handelt es sich demnach hier um eine spätere Veränderung, welche im Rechte des Frostapinges eingetreten war, während der §.35 des Sverris KrR. noch das ältere Recht festhält. Von den späteren Quellen repro- ducirt das neuere Gulapingschristenrecht einfach die Bestimmung der älteren GpL.,^) worauf indessen ein entscheidendes Gewicht wohl kaum zu legen ist, da möglicherweise nur ein gedankenloses Herübernemen einer nicht mehr anwendbaren Bestimmung dabei zu Grunde liegen könnte; dagegen aber bestätigte eine im Jahre 1277 in Tunsberg er- lassene Vorschrift über die Erhebung des Zehnts^ welche sowohl in eine isländische Uebersetzung des Tünsberger Vergleiches^) als auch in das Christenrecht des Erzbischofs Jon^) übergegangen ist, die Verwandlung der Zehntleistung in jenes Käsereichniss, nur mit der Erweiterung, dass für den Fall^ da der Eigenthümer der Thiere diese nicht verpachtete, vielmehr selbst benützte, noch der Käse aus der Milch eines zweiten

1) Fr]>L. II, 16: 1 stad' vid'reldistiundar )>a skolu menn ost prera af mjölk (eirre allre er verd'r frjadagenn fyrir JonsmessOf ok skolo )>rfr lutir snuazt til kirkju, ok til biskaps, ok til kennimanns, en ]>at snuizt a fatsekra manna lut, er H er eptir.

2) neuerer G))KrR. 1, §. 9; II, §. 5.

S) Korges gamle Love, II, S. 474: Kn ostr staadi fyrir vid'reldi, sem äd'r, af ieirri ngolk allri, Bern verirr frjädaginn fyrir Jons messo. Enn af (vi büi scm menn bafa ser til nytja, 8vä at >eir byggja eigi, greidri ost af eins dags mjolk allri fyrir iiund ok leigu af mj61k.

4) Jons KrK. §. 19.

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Tages hinzuzukommen hatte, w eichen Varianten als den Freitag zunächst vor der früheren Olafsmessa (29. Juli) bezeichnen. Diese Erweiterung wird aber in der Art begründet, dass bei geliehenem Vieho der Ver- pächter von jeder geliehenen Kuh (leiguk/r) oder jedem geliehenen Kuhwerthe (kyrlag) 5 gewogene Pfennige als Zehnt zu geben hatte, während der Pächter jenes Käsereichniss von der vor Johanni gewon- nenen Milch seinerseits zu geben hatte, und dass somit, wenn die Zehnt- berechtigten nicht zu Schaden kommen sollten, von demjenigen, der sein Vieh nicht verpachtete, neben dem vom Pächter zu gebenden lleich- nisse noch ein weiteres beansprucht werden musste; mit dem älteren Rechte jedoch stand sie im Widerspruche, und es begreift sich, dass sie sofort auf Widerstand stiess, als der Tünsberger Vergleich bei wider ausbrechendem Streite zwischen Kirche und Staat nicht mehr respectirt werden wollte. In der That ersehen wir aus einer Urkunde vom 9. März 1291,^) dass Herr Bjarni Erlingsson neben manchem Anderen auch die „k^rleigutiund ok ostatiund, er bann kalla&e n/ar", zu entrichten ver- bot, wobei selbstverständlich nur das der kyrleigutiund entsprechende zweite Käsereichniss verstanden sein kann. Man wird nun allerdings nicht mit Munch^j daraus, dass das sogenannte Christenrecht Sverrirs die vi5reldistiund noch als solche kennt, schliessen dürfen^ dass jene Verwandlung derselben in ein Käsereichniss erst nach König Sverrirs Zeiten erfolgt sei; darf doch als feststehend betrachtet werden, dass dieses Christenrecht den Namen Sverrirs ganz mit Unrecht trägt, und einer weit späteren Zeit als der seinigen, ja vielleicht erst der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts angehört^^) und darf doch andererseits bei der rohen Weise, in welcher dasselbe compilirt wurde, keineswegs als sicher angenommen werden, dass eine in dasselbe herübergenommene Bestimmung auch wirklich zu der Zeit gegolten habe, in welcher die Compilation entstand. Immerhin bleibt indessen soviel bestehen, dass anstatt der ursprünglich gegebenen vi&reldistfund später ein bloses Käse- reichniss eingeführt wurde, welches man dann gelegentlich des Tüns-

1) Diplom. Norveg., III, nr. 30, S. 80.

2) Norweg. Gesch., IV, 1, S. 113, Anm.

3) vgl* meine Abhandlung über dasselbe in Bartsch's Germanistischen Stadien, I, 57 76.

Abb. d. I. OL d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 8

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berger Vergleiches wider zu erweiteru bestrebt war; fest steht demnach auch, dass für das sogenannte Christenrecht Sverrirs ein älterer Text der FrpL. benützt wurde als der uns vorliegende; dieses Käsereichniss erscheint als eine Milderung der früheren Prsestation, und kann schon aus diesem Grunde nicht auf Erzbischof Eystein zurückgeführt werden, von dem wir wissen, dass er unter Verweisung auf die Erhöhung seines Stuhles zu einem erzbischöflichen und die dadurch bedingte Steigerung seiner Bedürfnisse ^ dessen Einkünfte erfolgreich zu vermehren bestrebt war, und der somit gewiss nicht seinen Bauern eine Erleichterung von Lasten verwilligt haben würde, welche im Bereiche des 6ula}>inges unan- gefochten noch fortbestanden. Wir werden demnach anzunemen berechtigt sein, dass die betreffende Stelle des Christenrechtes Sverrirs aus der Goldfeder entnommen sein werde, und werden somit in der anstatt ihrer eingeschobenen Bemerkung der Fr}>L. eine Veränderung zu erkennen haben, welche erst einer späteren Zeit angehörte. Weitere Zusätze, welche sich mit voller Sicherheit auf die Zeit nach Erzbischof Eysteinn zurückführen Hessen, weiss ich allerdings nicht nachzuweisen, wie denn auch Münch nur auf diese beiden Vorkommnisse sich zu berufen ver- mochte; aber sie genügen, um zu beweisen, dass wir in unserem Christen- rechte der Fr^L. keineswegs den unveränderten Text der Goldfeder vor uns haben. Erinnern wir uns nun daran , dass in späterer Zeit öfters von einem Christenrechte gesprochen wird, welches König Häkon gamli in üebereinstimraung mit seinem Erzbischof Sigurö (1230 52) erlassen habe,^) so liegt der Schluss nahe genug, dass gerade dieses Christenrecht das in unseren FrpL. erhaltene sein möge, und wird es nur noch gelten die Zeit näher zu bestimmen, in welcher dieses Christenrecht zu Stande kam. Wir wissen, dass bereits im Jahre 1223 auf einem Herrentage zu Bergen das nördlichste Drittel des Reiches, soweit die Diöcese des Erzbischofes von Ni&arös reichte, dem Sküli jarl verliehen wurde, ^) und

1) Ein paar königliche Verordnungen ans den Jahren 1290, 1316 und 1327 beziehen sich aaf ein solches Chris teni echt, welches sie von den späteren Christen rechten des König Magnus la^rabsetir sowohl als des Erzbischofs Jon unterscheiden, und ihnen gegenüber als da« alte bezeichnen; vgl. Norges gamle Love, III, S. 18, 117 und 153—4, sowie auch die Arna biskups saga, cap. 36, S. 729.

2) Hakonar s., cap. 98, S. 336—7.

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dass im Jahre 1236 an die Stelle dieser Theilung eine andere tratt, kraft welcher der Jarl an allen Sysseln im Lande den dritten Theil haben sollte; ^J dabei hatte es sein Bewenden, bis Sküli, seit 1237 Herzog, sich im Jahre 1239 den Königstitel beilegen liess, und im Jahre 1240 fiel. Hiernach ist klar, dass vor dem Jahre 1 240 von einer sei es nun für das ganze Land oder speciell für Drontheim bestimmten Gesetzgebung nicht die Rede sein konnte ohne Sküli's Mitwirkung, und andererseits waren die Verhältnisse zwischen diesem und dem Könige allzu gespannt, als dass sich an ein Zusammenwirken beider zu solchem Behufe hätte denken lassen. Anderentheils wissen wir aber auch, dass der Cardinal- legat Wilhelm von Sabina, welcher im Jahre 1247 in Norwegen anwesend war, daselbst die Abschaffung der Eisenprobe als einer ungerechtfertigten Versuchung Gottes durchsetzte,^) und dass er andererseits eine Milderung der älteren Festtagsordnung zu Gunsten der Fischerei nicht nur sondern auch der landwirthschaftlichen Arbeiten verwilligte ;^J in unserem Christen - rechte aber finden wir einerseits dieser Verwilligung nicht gedacht, und andererseits der Gottesurtheile widerholt als emes vollkommen zu Recht bestehenden Beweismittels Erwähnung gethan.*) Nun ist zwar allerdings wohl richtig, dass aus der Nichtberücksichtigung neuerer Rechtssätze und Vorgänge nicht mit voller Sicherheit auf die frühere Entstehungszeit eines Rechtsbuches geschlossen werden kann ; hält doch unser Christen- recht selbst trotz des lateranischen Conciles an den älteren Bestim- mungen über die verbotenen Verwandtschaftsgrade fest, und blieb doch selbst die völlig unpassend gewordene Bestimmung in demselben stehen, welche sich auf die nunmehr längst von der Christkirche getrennte Marienkirche bezog. Aber doch hätte die Erwähnung der von Papst Alexander IN. verwilligten Milderungen der Feiertagsordnung nothwendig zur Erwähnung der in gleicher Richtung von Cardinal Wilhelm zuge- standenen weiteren Ermässigungen fähren müssen, wenn diese überhaupt schon vor der Entstehung unserer Redaction des Christenrechtes erfolgt

1) ebenda, cap. 192, S. 451.

2) ebenda, cap. 255, S. 22.

S) Norges gamle Love, I, S. 453; auch Diplom. Island., I, nr. 140, 8. 556-- 6, und

Diplom. Norveg., VII, nr. 18, S. 17. 4) Fr>L. II, 1 nnd 45; III, 15 and 18.

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gewesen wären, und wäre rein undenkbar, dass das Gottesurtheil in diesem ganz consequent als ein geltendes Institut bebandelt sein sollte, wenn dasselbe wirklich nur wenige Jahre zuvor durch einen päpstlichen Cardinallegaten als eine sOndliche Versuchung Gottes gebrandmarkt, und daraufhin feierlich abgeschafft worden wäre. In den letzten fünf Lebens-' Jahren Erzbischof Sigurös wird hiernach unser Christenrecht nicht ent- standen sein; andererseits wissen wir, dass König Hdkon den Sommer 1240 und den folgenden Winter in Bergen zubrachte, und von hier aus nach Vikin sich begab, ^) dass er den Sommer 1241 wider in Bergen zubrachte, und erst im Herbste nach Drontheim gieng, um hier zu über- wintern,^) — dass er den Sommer 1242 wider in Bergen war, im Herbste nach Vikin gehen wollte, aber bald wider nach Bergen zurückkam und hier überwinterte,^) dass er hier noch einen zweiten Winter (1243 44) zubrachte, dann im Frühjahre nach Drontheim gieng, und erst im Herbste nach Vikin sich wandte, um hier den Winter zu bleiben,*) dass er im Sommer 1245 den Erzbischof Sigurö sammt den übrigen Bischöfen zu sich berief, um mit ihnen über seine Krönung zu verhan- deln,^) und dann den folgenden Winter wider in Bergen sass,^) da^s er im Herbste 1246 nach Drontheim gieng und dort überwinterte,*^) endlich dass er im Frühjahre 1247 sich nach Bergen wandte, und dort den Cardinallegaten empfieng. ^) Zwischen den Jahren 1240 47 also befand sich der König nur ein einziges Mal zu der Zeit' im Drontheim- ischen, zu welcher das FrostaI)ing gehalten wurde, nämlich im Sommer des Jahres 1244, und werden wir demnach die Entstehung unseres Christenrechtes unbedenklich gerade diesem Jahre zuweisen dürfen, da dieses denn doch offenbar nur am Fro8taI)inge erlassen werden konnte.^)

1) Häkonar s., cap. 243, S. 1—2.

2) ebenda, cap. 243, S. 3.

3) ebenda, cap. 244, S. 3—4.

4) ebenda, cap. 246, S. 5-6.

5) ebenda, cap. 247, S. 6—7.

6) ebenda, cap. 248, S. 7.

7) ebenda, cap. 248, S. 8.

8) ebenda, cap 249, S. 8—10.

0) Ich folge insoweit ganz der Beweisführung R. Key ser 8, Kircheng., I, S. 397, and Man eh p, IV, 1, S. 110-111, Anm. 2.

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t^^^^M.

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In der That passt diese Zeitbestimtnung vortrefflich zu den Begebenheiten, welche sich in den betreffenden Jahren zutrugen. Wir wissen, dass die Verhandlungen, welche König Häkon mit dem päpstlichen Stuhle führte, um von demselben seine feierliche Krönung zu erreichen, im Jahre 1241 neuerdings aufgenommen wurden,^) und dass sie zumal seit der Thron- besteigung Papst Innocenz IV. (1243) in rascheren Fluss gekommen waren; gerade im Jahre 1244 hatte der Abt Björn von Hölmr dem Könige ein Schreiben dieses Pap&tes so freundlicher Art heimgebracht, „dass kaum jemals ein solcher Brief von einem Papste nach Norwegen kam^S Gerade damals also mochte der König mehr wie je der Kirche Concessionen zu machen geneigt sein, und wenn wir erfahren, dass im Sommer 1245 der Episkopat, freilich vergebens, es wagen konnte von dem Könige zu fordern, dass er denselben Krönungseid zu schwören sich verpflichten solle, wie ihn weiland König Magnus Erlingsson ge- schworen hatte, kann es uns nicht auffallen, wenn der König ein Jahr zuvor wirklich so weit gieng, die Geltung der Goldfeder mit wenigen Abänderungen seinem Erzbischofe zuzugestehen; wenn Cardinal Wilhelm wider um ein paar Jahre später ein ausdrückliches Zeugniss über den zufriedenstellenden Zustand ausstellen konnte, in welchem er die nor- wegische Kirchenverfassung gefunden habe,^) so mag dabei gerade an diese Einigung über das bis dahin streitig gewesene Kirchenrecht ge- dacht worden sein, und wenn derselbe Cardinal in einer anderen, oben bereits angeführten Urkunde „quendam librum extraordinarium jn wlgari eorum scriptum^* in Bezug nimmt, in welchem die ältere Feiertagsordnung enthalten sei, so mag darunter gerade unser erst 3 Jahre zuvor zu ge- setzlicher Anerkennung gelangtes Christenrecht zu verstehen sein.

Nach allem Dem wird man als ziemlich sicher betrachten dürfen, dass das Christenrecht unserer Fr^L. im Grossen und Ganzen aus der Goldfeder Erzbischof Eysteins geflossen sei, jedoch in der Gestalt, in welcher es uns vorliegt, auf einer üebereinkunft beruhe, welche König Häkon im Jahre 1244 mit seinem Erzbischof Sigurö geschlossen habe.

1) Diplom. Norveg. I, nr. 25, S. 20; über frühere Verhandlungen, nr. 11, S. 9, und rir. 12, S- 10, ebenda.

2) Norges gamle Love, I, S. 450 1; auch Diplom. Island., I, nr. 139, S. 546—8, und Diplom. Norvog. VIII, nr. 6, S. 8—9.

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und dnss dasselbe in diesem letzteren Jahre jene Zusätze erhalten habe, welche wir in demselben erkennen können. Dieses Ergebniss als fest- stehend angenommen, entsteht aber sofort die andere Frage, ob wohl auch bezüglich der übrigen Theile des Rechtsbuches eine änliche üeber- arbeitung in dem genannten Jahre auzunemen sei, und diese zweite Frage ist ungleich schwerer zu beantworten als jene erste. Fs ist bereits darauf aufmerksam gemacht worden, dass das Christenrecht sich wider- holt der ,,b6k" in einer Weise gegenüberstellt, welche dasselbe als nicht zu derselben gehörig zu bezeichnen scheint^ ^) oder des Christenrechtes in einer Weise gedenkt, welche auf denselben Gegensatz hinweist,*) oder endlich die landslög den guöslög in änlicher Weise gegenüberstellt; *) es darf nunmehr beigefügt werden, dass änliche Beziehungen auf das Christenrecht,*) oder auf die gu&slög,^) auch in den übrigen Theilen des Rechtsbuches sich finden. Man könnte daraus den Schluss ziehen wollen, dass das Christenrecht wirklich als ein gesondertes Gesetz dem weltlichen Rechte gegenübergestanden sei, und dass somit die für des ersteren Entstehungszeit gewonnenen Anhaltspunkte auf die Entstehungszeit des letzteren keinen Schluss zuliessen; indessen darf doch, nicht übersehen werden, dass auch in anderen Abschnitten des Gesetzbuches ganz änliche Redewendungen sich finden. Im ersten Buche z. R. kommen sehr be- stimmte Verwei<5ungen auf die bök oder lögbök vor,^) und im sechsten Buche wird auf die Frosto^ingsbök sehr entschieden als auf etwas An- deres hingewiesen, welchem sich unser Text gegenüberstellt;'') will man aber gegen die Bezugname auf das erstere den Einwand erheben, dass der l>ingfararb. ja überhaupt nicht zum Texte des Rechtsbuches selbst gezählt zu werden pflege, und gegen die Bezugname auf das letztere,

1) Fr(L. II, 10: sem i bok skil; II, 45: er i lagum eru til skild; III, 1: sem log skilja; III, 24: 8va er maelt i lagum manna.

2) Fr)>L III, 2: i kristnum rette; III, 20: um krisiin rött; III, 23: i kristnum retti, zweimal; III, 24: i kristnum retti, um kristin rett.

3) Fr(L. III, 10: eptir landslögum fornum ok med* gud's lagum; at gud's lagum.

4) Fr)>L. IV, 24: sem skilt er i kristnum rette; Fragm. II zu V, 27: sem skil i kristnum retti (fehlt im Haupttext), XI, 1 : er skildar eru i kristnum retti.

5) Fr]>L. XI, 14: moti gud's lögum; at gud's lögum.

6) Fr(L. I, 2: eptir >vi er lögbok segir; er bok skill eigi.

7) F r )> L. VI, 1 : en Fro8to])ingsb6k skiptir lagaboi, u. s. w. ; 6 : mad'r er sa einn, er ver höfam eigi fundit i söktali ä FrostoMngsbok ; 9 : fyrir I>vi at Frosto^ingsbok gerer enga grein ä >vL

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daBS aach bezüglich des saktal ein Gleiches gegolten zu haben pflege, so bleibt doch auch aus den übrigen Büchern , die keinem derartigen Einwände unterliegen , noch manches hieher Gehörige anzuführen. Das 4** und 5*® Buch werden gelegentlich als Mannhelgi bezeichnet;*) andere- male wird auf die log hingewiesen , 2) oder auf die bök,^) oder wider auf das alte Recht, ^) sodass man sieht, wie die Anführung einer speciellen Bezeichnung für ein einzelnes Buch dieses ebensogut als einen Abschnitt des Ganzen, wie als ein selbstständiges dem übrigen Gesetzbuche Gegen- überstehendes charakterisiren konnte, und dass die Beziehung auf die log oder die bok diese nicht nothwendig als ein von dem Abschnitte, in welchem das Citat steht, Verschiedenes bezeichnen muss. An einer Stelle wird ausdrücklich „sjä bok'' als eine erst neuerdings angenommene bezeichnet, und bestimmt, wieweit deren Vorschriften rückwirkende Kraft haben sollten,^) ganz in demselben Sinne, in welchem dieselbe Frage ein andermal einem nymaeli gegenüber aufgeworfen wird;®) warum sollte da nicht auch in anderen Wendungen der blose Gegensatz eines älteren Hechtes und einer neueren Veränderung desselben hervorgehoben sein können? Suchen wir aber durch derartige Argumente unbeirrt aus dem Inhalte der übrigen Bücher einen Schluss auf deren Knt- stehungszeit zu gewinnen, so bieten sich hiefür folgende Anhaltspunkte. Widerholt wird auf Zustände hingewiesen, wie sie „um Olafs daga*', oder genauer gesprochen „um daga Olafs hins helga'' begründet waren, sei es nun, dass es sich dabei um die Betheiligung der Landherren an der Heerlast, oder um den Besitzstand an Wasserrechten, oder um die Befugnisse der Bauern gegenüber den Almenden handle;^) die Verweis- ungen bind aber dabei stets so gehalten, dass sie nur einer Zeit ange- hören können^ welche von der Lebenszeit dieses Königs bereits ziemlich

1) Frl^L. ly, 1: )>at er fyrst i mannhelgi yärri; 7: vitni ]>aa er skfrskotat er ander i mann- helgi (so zu lesen statt innan helgi; vgl. Landslög, Mannh. 11).

2) Frl^L. y, 6: slikt er log ero; y, 9: til skildir at lögum; yill, 14: svä er ok melt ok talt i lögam manna; X, 1: Ht er uppsaga laga varra i lögum manna.

8) Fr)>L. IX, 19: (eim er töld ero ä bok Tarri; X, 23: lar at eins er skilt er i bok v&rri. 4) Fr])L. yil, 27: stä er mselt at fornum retti. 6) FrJL. XII, 1.

6) Frl)L. Xiy, ü.

7) ebenda, yil, 18; XIIl, 9; XVI, 2.

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weit abstand, ohne dieselbe doch noch völlig aus dem Gedächtnisse verloren zu haben, und in dem zuletzt erwähnten Falle gehört die Ver- weisung ganz unzweifelhaft erst den ersten Jahren des 1 2. Jahrhunderts an. An einer Stelle des 16**" Buches wird sodann eines Privileges ge- dacht, welches die Könige Harald und Magnus den Dröntern und ihren Rechtsgenossen verliehen hätten;^) ungesagt bleibt dabei allerdings, ob unter den genannten Königen Uaraldr harSrä&i und Magnus g65i, oder aber Haraldr gilli und Magnus blindi zu verstehen seien , indessen ist <loch das Erstere weitaus wahrscheinlicher, da das Verhältniss, in welchem die letzteren beiden Könige zu einander standen, nicht danach angethan war, um uns eine gemeinsame Legislation derselben erwarten zu lassen. Widerholt, und nicht blos in jenem Anhange von Novellen, ist ferner von Aenderungen in der Gesetzgebung die Rede, welche König Sigurdr Jörsalafari mit seinen Brüdern verwilligt habe,^) und zumal scheint auch die Verwilligung einer eigenen Dingstätte zu Jörülfssta&ir auf sie zurück- geführt werden zu müssen, da unter den dabei in Bezug genommenen „konüngar'^ doch wohl nur die kurz vorher oder nachher genannten 3 Brüder verstanden werden können.^) Sehr häufig wird ferner des Erzbischofes gedacht,^) und zwar in einer Weise, welche nur auf einen einheimischen Erzbischof bezogen werden kann; wenn demnach ander- wärts auch wider des Bischofes Erwähnung geschieht,^) ja einmal, bei Besprechung der Busssätze, sogar neben dem Erzbischofe, ^J so wird diess zum Theil daraus erklärt werden müssen, dass der Erzbischof für seine eigene Diöcese eben doch auch zugleich als Bischof in Betracht kam, zum Theil aber auch daraus, dass oft genug Suffragane desselben} sei es nun auf den Ruf ihres Metropoliten oder aus anderem Anlasse, in den Bezirk des Frostu})iQges kamen, und somit unter dem Schutze des dortigen Rechtes sich bewegton. Weist der einheimische Erzbischof bereits auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, so lässt die Erwähnung

1) ebenda, XVJ, 4.

2) ebenda, VIII, 15, welche Stelle auch in Fragm. II und III widerkehrt; dann XVI, 1.

3) ebenda, VIII, 19 und XV, 16.

4) ebenda, IV, 24, 35 (vgl. Fr. II und III), 57; XIII, 15; XIV, 3. ö) ebenda, IV, 59; V, 28 (nur in Fr. II}; VIII, (Fr. II); IX, 10. ^) ebenda, XIII, 15.

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der Aebtissinn ungefähr auf dieselbe Zeit schliessen/) da Frauenklöster in Norwegen erst kurz vor diesem Zeitpunkte gegründet wurden. Aber es wird auch noch auf Neuerungen Bezug genommen, welche Erzbischof EysteinUj^J oder welche König Magnus zugleich mit diesem Erzbischofe angeordnet habe,^) und es fehlt auch nicht an Bestimmungen, welche ' ohne den einen oder anderen Namen zu nennen, doch auf die Lebenszeit beider Männer zurückzuweisen scheinen. Die tiundargjöf und fjöräüngs- gjöf z. B. wird erwähnt,*) welche im Christenrechte und anderwärts auf Cardinal Nikolaus und Erzbischof Jon zurückgeführt wird;^) der Satz aber, dass die Kirche durch 30jährigen Besitz 05alsrecht erwerbe,^) kann nur aus der ausserordentlichen Ersitzung des römischen Rechts erklärt werden, welches doch nur durch das von Erzbischof Eysteinn so kräftig vertretene kanonische Recht auf das norwegische Rechtsbuch Einfluss gewonnen haben konnte« Oft genug geschieht ferner in unserem Rechts- buche des Jarles Erwähnung,*^) und doch wissen wir, dass die Jarlswürde schon seit des heil. Olafs Zeiten aufgehört hatte eine regelmässige Ein- richtung im Lande zu sein, und dass bis aufSküli Bdr^arson herab nur Erlingr iskakki, des Königs Magnus Vater, eine hervorragende Rolle unter diesen späteren Jarlen gespielt hat.^) Führen alle diese Behelfe die Entstehungszeit unseres Rechtsbuches, so wie es uns vorliegt, min- destens auf die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts herab, so hält es andererseits auch nicht schwer eine Endgrenze festzustellen, über welche dieselbe in der Zeit nicht herabgerückt werden kann« Die erste Hälfte der Einleitung König Hdkons konnten wir mit ziemlicher Sicherheit dem Jahre 1260 zuweisen, und älter als dieses Jahr muss demnach unser Rechtsbuch unzweifelhaft sein. Wir konnten aber auch darthun, dass die zweite Hälfte dieser Einleitung schon vor jener ersteren entstanden

1) Frl>L. XIII, 15.

2) ebenda, I, 3.

3) ebenda, V, 44.

4) ebenda, IX, 4 und 18.

6) ebenda, III, 17; N.g.L. I, 447—8.

6) FrJL. XIV, 3; anch Fr. V.

7) ebenda, IV, 51; V, 28 (nur in Fr. II); VIII, 16; XIII, 15; auch im Cbriatenrechte, II, 6. 8j Ein namentliches Verzeichniss der Jarle des 11., 12. und 13. Jahrhunderts giebt Keys er

in seiner Rechtsgeschichte, S. 74.

Abh. d. I. Gl d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 9

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sein musste, und doch kündigt schon sie jene neue Eintheilung des Rechtsbuches an, welche wir in unserem Texte desselben durchgeführt finden; diese zweite Hälfte der Eintheilung musste demnach jedenfalls mit einer, wenigstens formellen, Umgestaltung des letzteren in Verbindung gestanden haben. Wenn wir nun auch in den weltlichen Theilen unseres Rechtsbuches die Gottesurtheile, und zwar jdrnbur5 sowohl als ketiltak, in vollster Geltung finden,^) so liegt der Schluss immerhin nahe, dass diese Umgestaltung vor dem Jahre 1247 erfolgt sein werde, und wird es weiterhin als wahrscheinlich bezeichnet werden dürfen, dass die Re- vision dieser anderen Theile des Rechtsbuches mit der Einigung über das demselben angehörige Christenrecht gleichzeitig erfolgt sein werde. Die RevisioQsarbeit scheint sich übrigens, was das weltliche Recht be- trifft ebensogut wie hinsichtlich des Christenrechtes, materiell auf ein Minimum von Neuerungen beschränkt zu haben. Hiemit scheint es zu- sammenzuhängen, dass man so vielfache einzelne Vorschriften über ein« zelne Punkte, die einer Neugestaltung bedürftig schienen, in die Ein- leitung verwies, was doch kaum hätte nöthig erscheinen können, wenn man die zweckmässig befundenen Neuerungen gleich am geeigneten Orte in das Rechtsbuch selbst hätte einschalten mögen. Eine andere Folge derselben Verfahrungsweise ist aber die, dass in unserem Texte eine Reihe von Bestimmungen und Ausdrücken stehen geblieben sind, welche um die Mitte des 13. Jahrhunderts oder selbst in etwas früherer Zeit nicht mehr recht praktisch gewesen sein können. Oft genug spricht unser Rechtsbuch z. B. von ^vselaLr^) oder von mansmenn,^) und es geht selbst gelegentlich auf die Verschiedenheit ein, welche in Bezug auf ihren Rang und ihre Bedienstung zwischen diesen bestanden;^) dasselbe gedenkt ferner auch der leysingjar^) und l)yrmslumenn,^) dann des ty borin son*^) und J>y borin brö&ir®) widerholt und eingehend, und doch

1) FrjL. IV, 5, 6, 14, 23, 35, 62; V, 27 (nur in Fr. II); VIU, 16; IX, 10.

2) Fr))L. IV, 5 (Fr. II, 3 und 31), 65, 66, 61; V, 20; IX, 12; X, 40 nnd 44; XI, 20; XIII, 21; XIV, 10; XV, 8, 16 und 16.

3) ebenda, IV, 44; V, 41; VII, 10; VIII, 3 (vgl. Fr. II); IX, 16.

4) ebenda, XI, 21.

5) ebenda, IV, 4, 49, 63; IX, 10, 11, 16; X, 85, 41, 46; XI, 23; XIII, 15; XV, 1. H) ebenda, IV, 4 and 45; X, 14, 36, 39, 46; XV, 1.

7) ebenda, VI, 5, 14, 21, 28, 35, 42; Vill, 8 (vgl. Fr. III); IX, 1 und 17; X, 47.

8) ebenda, VI, 10, 17, 24, 31, 35, 38, 45.

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ist Nichts gewisser, als dass die Unfreiheit in Norwegen bereits am Schlüsse des 12. Jahrhunderts im Verschwinden begriffen war, wie denn auch wirklich die zweite Hälfte unserer Einleitung sich bereits genöthigt sah, durch besondere polizeiliche Vorschriften dem Mangel an freien Arbeitskräften vorzubeugen, welcher sich auf dem Lande geltend machte.^) Wenn ferner unser Rechtsbuch ausdrücklich Vorschriften über den be- waffneten Widerstand enthält, welchen die Bauerschaft widerrechtlichen , Angriffen des Königs, Jarles und Landherren entgegensetzen soll,^) so wollen auch diese der gesteigerten Königsmacht des 13. Jahrhunderts in keiner Weise mehr entsprechen, und werden auch sie nur als Trüm- mer einer früheren Rechtsordnung betrachtet werden dürfen, welche

bei der flüchtigen Bearbeitung unseres Textes stehen gelassen wurden. Wie leicht derartige veraltete Bestimmungen in neuere Bearbeitungen übergehen können, zeigt sich darinn, dass selbst das saktal, welches in unserem Texte sich findet, den l>yborin son und brö&ir widerholt nennt, während dasselbe doch sicherlich nicht vor der Mitte des 13. Jahr- hunderts entstanden sein kann, und in der That ist zwar kaum glaub- lich, dass das im Jahre 1247 als sündhaft abgeschaffte Gottesurtheil in einer den Jahren 1247 60 angehörigen Textesredaction könnte stehen geblieben sein, aber ganz und gar nicht verwunderlich, wenn eine Er- innerung an das ältere Recht in Fällen stehen blieb , in welchen dieses nicht durch einen legislativen Act beseitigt, sondern nur allmälig ausser Uebung gekommen war. Keinen erheblichen Werth glaube ich dagegen dem Umstände beilegen zu sollen, dass unser Rechtsbuch sowohl als auch die zweite Hälfte seiner Einleitung regelmässig von ärmenn, und nicht von 43yslumenn des Königs sprechen. Munch, welcher annimmt, dass die syslumenn an die Stelle der ärmenn getreten, und erst seit König Sverrir recht in Aufname gekommen seien,^) muss selbstverständlich diese Thatsache sehr auffällig finden;^) indessen kann ich einerseits jene Anname über die allmälige Entwicklung des Amtes der s/slumenn nicht begründet finden, und andererseits ebensowenig zugeben, dass unser

1) ebenda, Kinleitung, §. 20.

2) ebenda, IV, 60—62.

8) Norw. Gesch., I, 1, S. 672—8; U, 988—9; III, 108-9 und 194—6. 4) ebenda, IV, 1, S 116.

.*.

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Text derselben keine Erwähnung thue. Der BegriflF sysla reicht aller- . dings weit genug, um jede Art von Amtsdiensten zu umfassen, und es kann demnach nicht Wunder nemen, wenn ebensogut, wie gelegentlich von einer biskupssysla die Rede ist,^) auch einmal das Amt des drmanns als eine sysla bezeichnet wird;^) aber in bei Weitem den meisten Ffillen wird der Ausdruck in einem engeren Sinne genommen, und wird darum bereits im 10. und 11. Jahrhundert zwischen systur und ärmenningar geschieden ^j Syslumenn in diesem engeren Sinne werden bereits unter König Harald härfagri genannt, unter Häkon jarl und dessen Sohn Eirik, unter König Olaf Tryggvason und Olaf helgi, unter Magnus göoi, Siguro Jörsalafari, Harald gilli und Häkon her5ibrei6, sodass deren Einfuhrung in keiner Weise auf König Sverrir zurückgeführt werden kann. An- dererseits nennt unser Rechtsbuch ein paar Male des Königs syslumann,^) oder deutet durch die Bezeichnung „drma5r ok yfirsöknarmenn'' we- nigstens auf ihn hin,^) während die erste Hälfte unserer Einleitung, welche doch aus dem Jahre 1260 stammt, noch einmal den syslumann e6r ärmann neben einander nennt, ^) sodass das neben einander Vor- kommen beider Amtswürden, wie.es weit über König Sverrirs Zeiten zurückreicht, anderntheils auch für die Mitte des 13. Jahrhunderts noch wohl bezeugt ist. Ebensowenig vermag ich endlich auch der Art eine massgebende Bedeutung zuzuerkennen, in welcher die zweite Hälfte der Einleitung zu unserem Rechtsbuche der Lögmänner gedenkt.*^) Der König, welcher dieselbe ausgehen Hess, beschwert sich nämlich daselbst darüber, dass so manche Leute sich weigern, der Ladung vor den Lög- mann Folge zu leisten, oder auch der von diesem erlassenen Entscheidung sich zu fügen, während er diesen doch zu dem Behufo mit eigenen

1) Sigurd'ar 8. Jorsalafara, cap. 52, S. 172. (FMS. VH).

2) 6)>L. 30: (eir yfirsoknarmenn er (ar eigu Byslor bnä"! af konüngs hendi ok biskaps; die Stelle gehört der Recension des Magnus Erliagwon an.

3) Olafs 8. Tryggvasonar, cap. 103, S. 204; Heimskr. Magnus s. god'a, cap. 3, S. 617; so aachG^L. 8: lendir menn, ed'a armenn, ed'a Byslutnenn, und gehört auch diese Stelle der Recension des Magnus Erlingsson an.

4) Fr)»L. IV, 41; V, 46.

5) ebenda, Y, 13.

6) ebenda, Einleitung, §. 12.

7) ebenda, §.16.

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finanziellen Opfern eingesetzt habe, damit er durch seinen Spruch den Rechtsstreitigkeiten ein Ziel setzte; er bedroht ferner diejenigen mit einer Geldbusse, welche fortan in der einen oder anderen Weise sich ungehorsam bezeigen wurden. Munch, welcher auch das Amt der Lög- männer erst von König Sverrir eingeführt glaubt, versteht diese Worte dahin , als ob dasselbe durch sie als eine neue Einrichtung bezeichnet werden wollte, und findet ebendarum den Ausspruch mit der Anname nicht recht vereinbar, dass dieser erst von König Hdkon gamli gethan worden sein sollte; ^) ich glaube indessen einerseits schon anderwärts genugsam nachgewiesen zu haben, dass diesem Amte ein ungleich höheres Alter zuzuerkennen sei,^) und andererseits kann ich in der hier in Be- tracht kommenden Stelle nicht den Sinn finden, welcher in dieselbe hineingelegt werden will. Nicht das Amt des Lögmannes selbst bezeichnet meines Erachtens König Häkon als eine Neuerung, sondern nur die dem lögmanns orskuröe beigelegte Bedeutung einer rechtsverbindlichen p]nt- scheidung, und die Verpflichtung, sich auf Verlangen vor demselben zu stellen, eine Ausprägung des Amtes also, welche, wie die Vergleichung des isländischen Rechtes zeigte demselben allerdings ursprünglich fremd gewesen war, von welcher wir aber auch nicht nachweisen können, wann sie eingetreten sei. Nichts hindert anzunemen, dass König Häkon selbst diese Umgestaltung des alten Amtes vorgenommen, und bei dieser Gelegenheit allenfalls auch eine Dotation für dasselbe ausgeworfen haben könne, und unter dieser Voraussetzung wird sofort auch nach dieser Seite hin- jeder Anstoss beseitigt. Wenn demnach Munch die so nahe liegende Anname, dass König Häkon gamli der Verfasser wie der ersten, 80 auch der zweiten Hälfte unserer Einleitung, und somit auch der Urheber der neuen Eintheilung unseres Rechtsbuches in 16 Bücher sein werde, fallen Hess, und sich zuerst^ allerdings zögernd, dahin aussprach, dass die beiden letzteren Arbeiten vielmehr von König Häkon Sverrisson

1) Norweg. Gescliichte, IV, 1, S. 114—15.

2) Kritischo Vierteljahresschrift, X. S. 374—81; Entstehung der GulaKngslög, S. 165—66. Hertzberg, der in Bezog aaf das Alter des Amtes einen Mittelweg zu gehen sucht, steht doch hinsichtlich der Auslegung der hier fraglichen Stelle auf meiner Seite; Tgl. Grund- trsekkene, S. 169—70.

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herrühren könnten , ^) hinterher aber gar als vollkommen gewiss und unzweifelhaft bezeichnete, dass dieselben von Niemanden anders als von König Sverrir selbst herstammten,^) so kann ich diese Meinung weder in ihrer einen noch in ihrer anderen Gestaltung theilen. Dass der Text des Rechtsbuches die von der lateranischen Synode des Jahres 1215 verfugte Beschränkung der verbotenen Verwandtschaftsgrade unberück- sichtigt lässt, ist, wie oben schon bemerkt, richtig; aber richtig auch, dass er das gleichzeitig eingeführte prseceptum paschale kennt. Dass aus der Nichterwähnung, oder vielmehr nur seltenen Erwähnung, .der syslumenn, und der häufigen Besprechung der ärmenn keine Schlüsse gezogen werden dürfen, und dass auch die Bemerkung über die Stellung der lögmenn in der Einleitung Nichts beweist, ist soeben ausgeführt worden. Endlich wurde auch bereits gezeigt, dass Nichts im Wege steht, jene ältere Redaction des 6**° Buches, welche unser Fragment IV ent- hält, einer um das Jahr 1244 entstandenen Redaction des Rechtsbuches zuzuweisen. Umgekehrt ist es aber, selbst abgesehen von jener Erwähnung des prseceptum paschale, geradezu unmöglich, dass König Sverrir ein Ghristenrecht wie das in unseren Frt>L. enthaltene jemals hätte ausgehen lassen können, und auch so gut wie unmöglich, dass König Häkon Sverrisson während seiner nicht ganz zweijährigen Regierung zu einer Umredaction der Frl>L. hätte Zeit und Ruhe finden sollen; rein will- kürlich ist endlich, wenn die Angaben, welche sich auf die Einführung eines Christenrechtes durch König Hdkon und Erzbischof Sigur6 beziehen, auf die blose Erstreckung des Geltungsgebietes eines älteren, nur für das Frostut>fng bestimmten Christenrechtes auf das ganze Reich bezogen werden wollen.

Wenn ich nun als annähernd festgestellt betrachte, dass König Häkon. im Jahre 1244 nicht nur im Einverständnisse mit seinem Erz- bischofe Sigurö das Christenrecht des Frostut)inges ordnete, sondern auch die übrigen Theile des dortigen Rechtsbuches revidirte, mit einer Einleitung versah, deren Ueberreste die zweite Hälfte unserer Einleitung uns aufbewahrte, und dem ganzen Rechtsbuche dieEintheilung in 16 Bücher

1) Norweg. Geschiebte, IV, 1, S. 110—11, Anm., und S. 116-17, Anm.

2) ebenda, IV, 2, als Zusatz zu der zuletzt angeführten Stelle.

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gab, dasfi ferner derselbe König im Jahre 1260 das Rechtsbuch mit einer weiteren Einleitung versah, von welcher uns gleichfalls ein Stück erhalten ist, und bei dieser Gelegenheit jedenfalls die Wergeldstafel, vielleicht aber auch noch andere Theile des Gesetzbuches einer noch- maligen Revision unterzog, so vermesse ich mich doch nicht im Ein- zelnen auszuscheiden, was jeder einzelnen dieser Umredactionen ange- hören oder nicht angehören möge. Ein paar Male wird ausdrücklich auf älteres Recht hingewiesen, welches in den neuen Text aufgenommen wurde, obwohl es doch kaum mehr recht praktisch erscheinen mochte;^) anderemale wird einer Bestimmung ausdrücklich rückwirkende Kraft für die Zeit vor der gesetzlichen Anname des Rechtsbuches abgesprochen,^) und wesentlich dasselbe an einer andern Stelle widerholt, welche sich selbst als ein n/mseli bezeichnet;^) wider andere Male lässt der Charakter und die Ausdrucks weise einzelner Stellen diese als Neuerungen erscheinen, welche in König Häkons Zeit fallen,^) u. dgl. m. In solchen Fällen lässt sich kaum feststellen, ob die betreffenden Zusätze dem Jahre 1244 oder 1260 angehören, und selbst wo sich vereinzelte ßestimmungen an einem Orte finden, an welchen sie doch nicht recht zu gehören scheinen, wie z. B. bei den in Buch XI am Schlüsse des Eherechts beigefügten Anhängen der Fall ist, von welchen höchstens eine einzige Bestimmung^) dem Eherechte, und einige weitere zur Noth dem Kaufrechte sich bei- zählen lassen, oder wider bei den dem Diebsrechte angeschlossenen Vor- schriften über die Reinigungseide , u. dgl. m. , lässt sich der gleiche Zweifel erheben, obwohl hier allerdings die grössere Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass sie gelegentlich der Umgestaltung der Eintheilung des Rechtsbuches aus ihrem ursprünglichen Zusammenhange gerissen worden seien. Auf die Gesetzgebung des Jahres 1244 möchte ich es

1) z. B. Frl^L. II, 11: ]^at er forn rettr; VII, 27: Sva er mselt at fomam r^tti.

2) ebenda, XII, 1: En (etta er um )>aa mal, er sid'an geraz, er b6k 8J4 var tekin, en hin fyrru fari sva som vitni bersk.

3) ebenda, XIV, 6: En hvatki malum er lykzk hafa fyrir nymaeli um slik mali stände sem INiu bafa gör Terit. Ebenso Fr. II.

4) z. B. XIII, 24: En )>vi er (etta mal gört, at opt eru ill vitni ofsud' fyrir skaps sakar, ok Isetr opt hinn lid'lausi sitt mal ]>6 at bann bafi rettara.

5) ebenda, XI, 22.

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auch zurückführen, wenn die Bestimmung über die Dingstätte zu Jörülfästadir an zwei verschiedenen Stellen unseres Rechtsbuches eingeschaltet worden ist,^) und vielleicht ist durch sie auch der wunderlich dürftige Inhalt des 16**" Buches veranlasst, soferne der Bearbeiter einen Theil der ur- sprünglich im Novellenkataloge enthaltenen rettarbsetr in das Recht&buch selbst verarbeitet, und dann Anstand genommen haben mochte, sia in diesem letzteren nochmals zu widerholen. Doch kann bei Aenderungen dieser letzteren Art recht wohl auch noch die andere Frage aufgeworfen werden, ob sie nicht vielleicht, wenn zwar nicht auf die Legislation des Jahres 1260, so doch umgekehrt auf eine Redaction zurückzuführen seien, welche noch hinter dem Jahre 1244 zurückliege, und wirklich fehlt es nicht an Anhaltspunkten für die Anname, dass eine solche wirklich bereits in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts stattgefunden habe. Hiemit hat es aber folgende Bewandtniss.

Ks ist bereits erwähnt worden,^) dass der „Über extraordinarius",

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welchen Cardinal Wilhelm von Sabina in Norwegen in Geltung fand, und welcher „in vülgari eorum'*, d. h. in norwegischer Sprache geschrieben war, recht wohl das von König Hdkon im Jahre 1 244 erlassene Christen- recht, oder vielmehr das Rechtsbuch sein konnte, von welchem dieses nur einen Bestandtheil ausmachte. Aber auch darauf war bereits auf- merksam zu machen,^) dass die Einleitung zu unserem Rechtsbuche selbst, und zwar in ihrer zweiten sowohl als in ihrer ersten Hälfte, widerholt auf das Zeugniss älterer „lögbsßkr^^ sich beruft. Es mag dabei darauf kein Werth zu legen sein, dass ihrer widerholt in einer Weise gedacht wird, wie wenn darunter nicht blos verschiedene Abschriften eines und des* selben Rechtsbuches, sondern geradezu verschiedene Rechtsbücher ver- standen werden wollten; man kann ja an den einschlägigen Stellen allen- falls auch an die Rechtsbücher der verschiedenen Dingverbände im Lande denken. Aber bedenklicher wird schon, dass im Jahre 1239, als es sich darum handelte, dem Herzoge Sküli den Königsnamen beizulegen, eine Reihe seiner Anhänger ihm „baekr" vorlasen^ um ihm zu beweisen.

1) ebenda, VIII, 10, und XV, 16.

2) oben, S. 61.

3) oben, S. 26, Anm. 6.

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„at hann aetti eigi si&r at taka konüngsnafn i erfö en eignir eöa 65öl";^) Rechtsbücher mussten es sein, welche hier gemeint Rind, und zwar drönter Rechtsbücher, da die Verhandlungen in Niöarös gepflogen wurden, und das Eyraping das bei der Anname eines Königs entscheidende war, und es müssen somit damals Rechtsbücher sehr verschiedenen Inhaltes im Umlaufe gewesen sein, wenn es solche gab, welche den Ansprüchen Sküli's auf den Thron günstig waren. Erinnern wir uns nun, dass das Christenrecht unseres Rechtsbuches nachweisbar auf jener ,, Goldfeder^' beruht, welche Erzbischof Eysteinn hatte schreiben lassen, und dass die Einschaltung eines Capitels „um konüngs kosning" in jenes Christenrecht, von welcher das Inhaltsverzeichniss des Codex Resenianus Zeugniss giebt, nur im Hinblicke auf die von ihm mit Erling jarl vereinbarte Thron- folgeordnung verständlich wird, bedenken wir ferner, dass unter Magnus Erlingsson erweislichermassen eine neue Redaction der Gula- tingslög erfolgte, welche vorzugsweise auf das Christenrecht sich bezog, jedoch auch die übrigen Theile des Rechtsbuches mit umfasste, und welche dieselbe Einschaltung des Thronfolgegesetzes in das Christenrecht zeigt, so erscheint der Schluss kaum als zu gewagt^ dass unter demselben Könige auch die Frostu^ingslög in änlicher Weise umgearbeitet worden seien, und mag ja wohl sein, dass die Bezeichnung „Gullfjööur^^ sich gar nicht auf ein bloses Christenrecht, sondern auf eine neue Redaction der gesammten Fr^L. bezog, für deren Aufzeichnung nur Erzbischof Eysteinn eine besondere Fürsorge entwickelt hatte, weil das in ihr ent- haltene Christenrecht das mit ihm vereinbarte, und seinen Interessen ganz besonders zusagend war. Wie bei den Gl>L. scheint diese Recension des König Magnus Erlingsson die Eintheilung in Balken gehabt zu haben, welche später König Häkon änderte, und sie mag es gewesen sein, welche von den Anhängern Herzog Sküli's zur Unterstützung seiner Bewerbung um die Krone benützt wurde, da sie ja, dem Gesetze des Jahres 1164 entsprechend, die Thronfolge auf das gemeine Erbrecht zurückführen musste, soweit dieselbe überhaupt auf Erbrecht und nicht auf die Wahl der geistlichen Herren und ihrer Creaturen gestützt werden wollte; dass in dem uns erhaltenen Rechtsbuche gerade von Bestimmungen, welche

1) Hakonar 8. gamla, cap. 198, S. 460; Flbk, III, cap. 166, S. 122-8. Abb. d. I. Gl. d k. Ak. d. Wies. XIII. Bd III. Abth. 10

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oder sie bezeichnen ihn wenigstens als den ersten Stifter der Frostu* l>ingslög und 6ulat>ingslög; ^) doch schreiben ihm einige unter ihnen nur die Abfassung der 6ulat>ingslög zu,^) oder sprechen auch wohl nur in ganz allgemeinen Ausdrucken von seiner Thätigkeit für die gesammte norwegische Gesetzgebung, auf welcher später die Gesetzgebung des heil. Olafs vielfach gefusst habe.^) Weiterhin gedenken dann dieselben Quellen einer tief eingreifenden Wirksamkeit des heil. Olafs für die Fro8tut>ingslög, wobei sie ebenfalls wider hervorheben, dass derselbe auf dem von König Häkon gelegten Grunde fortbaute; ^J da ich mich über die vielfach bedeutsame legislative Thätigkeit dieses Königs bereits in meiner Abhandlung über die Entstehung der Gula)>ingslög (S. 105 10) ausgebrochen habe, darf ich mich hier auf das früher Gesagte einfach beziehen. Aber auch dem König Magnus g66i wird die Aufzeichnung eines Rechtsbuches zugeschrieben, welches „Grägäs^^ geheissen habe, für Drontheim bestimmt gewesen sei^ und welches man wenigstens am Schlüsse des 12. Jahrhunderts daselbst noch gehabt haben sollte; gerade diese Nachricht aber ist es, welche Schwierigkeiten macht. Dieselbe tritt uns in zweifacher Gestalt entgegen, nämlich einmal in der Lebensbeschreibung des König Magnus, woselbst die Abfassung des Gesetzbuches mit der Versöhnung des Königs mit seinen Bauern in Zusammenhang gebracht wird, welche Sighvatr skäld durch seine Bersöglisvisur bewirkt haben sollte;^) sodann aber in der Lebensbeschreibung des König Sverrir, und zwar hier in ungleich eigen thümlicherer Verbindung.^) Bei einem Streite,

1) Heimskr. Häkonar 8. god'a, cap. 11, S. 90; Olafs 8. Tryggvasonar, in den FMS., I, cap. 20, S. 81, und der Flbk, I, 8. 54.

2) Agrip, cap. 5, S. 882; legendarische Olafs s. helga, cap. 81, S. 28. 8) Fagrskinna, §. 29, S. 18.

4) Heimskr. Olafs s. helga, cap. 56, S.258; üngers nnd Mttnchs Ausgabe, cap.48, 8. 44, und Flbk, II, S. 48; ebenso mit Auslassung weniger Worte FMS., IV, cap. 58, 8. 108—9.

5) Heimskr. Magnus s. god'a, cap. 17, S. 528: Sid'an l^t Magnus konungr rita lögbok H er enn er i |>randheimi, ok köllud* er Grägäs; ebenso die Olafs s. helga, cap. 261, S. 239 40, ed. Munch und Unger, und wenig anders FMS., V, cap: 244, S. 181.

6) Sverris s., cap. 117, S. 277: til landslaga Mrra, er sett hafiSri hinn helgi Olafr, ok til lagabokar |>r8eDda, >eirrar er köllud* er Gragas, er rita hafd'i latit Magnds konungr hinn god-i, Ölafsson; Flbk, II, S. 686—7.

10*

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welcheu König Sverrir im Jahre 1190 mit seinem Erzbischof Eirik hatte, berief sich der erstere ^,aaf das Landrecht , welches der heil. Olaf ge- setzt hatte, und auf das Rechtsbuch der Drönter, welches die Graugans genannt ist, welches König Magnus der Gute, Olafs Sohn, hatte schreiben lassen'^ ^^^ Erzbischof dagegen „auf das Buch, welches Goldfeder heisst, und welches Erzbischof Eysteinn schreiben liess'', und daneben auf das kanonische Recht und eine Reihe päpstlicher Urkunden. Offenbar wird damit eine ältere Redaction der Fr^L. jener jüngeren gegenübergestellt, welche von König Magnus Erlingsson herrührte, oder doch dem zu ihr gehörigen, von dem genannten Könige mit seinem Erzbischofe verein- barten Christenrechte, und kann, was über den Inhalt beider an der Stelle mitgetheilt wird, hierüber keinen Zweifel lassen; diese ältere Re- daction aber wird als eine bezeichnet, welche auf Befehl des Königs Magnus gö6i geschrieben sei. Da der König das von ihm in Bezug genommene Rechtsbuch sofort an offener Dingstätte verlesen liess, kann dessen Existenz allerdings nicht bezweifelt werden; um so zweifelhafter dürfte dagegen der demselben zugeschriebene Ursprung sein. Berück- sichtigt man die Art, wie die Heimskringla sammt den übrigen mit ihr zusammenhängenden Sagen aus älteren Quellen compilirt wurde, so liegt die Vermuthung nahe, dass ihre Notiz über das angebliche Gesetzbuch des König Magnus lediglich aus der um einige Jahrzehnte älteren Sverris s. geschöpft sein werde. Die Bemerkung, dass dasselbe noch in Drontheim vorhanden sei, dürfte gerade auf die von jener Sage be- richtete Vorlegung desselben am Dinge sich stützen, und der Zusam- menhang, in welchen die Aufzeichnung des Rechtsbuches mit der Ver- söhnung zwischen dem Könige und seinen Bauern gebracht wird, nur auf einer Conjectur des Compilators beruhen, welcher in anderen Be- arbeitungen von röttarbsetr, welche der König bei jener Gelegenheit verheissen habe,^) oder doch von der guten Haltung der Gesetze durch denselben^) gesprochen fand, und darum die der Sverris s. entnomn^ene Notiz gerade hier unterbringen zu können glaubte. Es ist demnach im

1) FMS., VI, cap.22, S. 45; verschwommener in der Flbk, III, S. 270; die Morkinskinna ist hier defect^ und Ap^rip, cap. 29, S. 402, nähert sich der Flbk.

2) Fagrsk. §. 131, S. 99.

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Grunde ein einziges Zeugnisa, auf welchem unsere Wissenschaft von der betreffenden Legislation beruht; auf der anderen Seite aber stehen seiner Glaubwürdigkeit sehr erhebliche Bedenken im Wege. Weder die Fagr- skinna, noch das Agrip oder Theodorich, noch endlich die in die Fla- teyjarbok eingeheftete Sage oder die im 6*®" Bande der Fornmannasögur benfitzten Bearbeitungen der Lebensgeschichte des König Magnus, mit einziger Ausname der Heimskringla, wissen etwas von dessen angeblicher Legislation, und anderweitige Erwägungen lassen dieselbe wenig wahr- scheinlich erscheinen. Als man zu Anfang des 12. Jahrhunderts auf Island den Versuch machte, das lateinische Alphabet der einheimischen Sprache anzupassen, sah man sich genöthigt nach englischen Mustern zu greifen;^) wie wäre diess zu erklären, wenn bereits um 60 80 Jahre früher in Norwegen umfangreiche Rechtsaufzeichnungen in der gleichea Sprache erfolgt gewesen wären? Ein Grammatiker, der mit feinem Verständnisse die Verwandtschaft der angelsächsischen Sprache mit der nordischen herauszufinden wusste, hätte sicherlich den Vortheil sich nicht, entgehen lassen, welchen ein derartiger Vorgang in Norwegen seinett Bestrebungen geboten hätte, und unbekannt konnte einem solchen das Vorhandensein einer norwegischen Legislation auch nicht bleiben.^) Wir haben ferner ausführliche Berichte über einen Streit, welchen Erlingr jarl im Jahre 1164 mit Erzbischof Eysteinn hatte; ^) in diesem Streite beruft sich der Jarl ebenfalls auf die „log hins helga Olafs konüngs"^ und auf das geschriebene Recht von Drontheim (lögskra frsenda; lög- bsßkr), aber nicht mit einem Worte ist dabei von einem Gesetzbuche die Rede, welches König Magnus gö5i habe schreiben lassen, und es ist diess um so auffälliger, als der Jarl selbst von einer Verschiedenheit des Textes spricht, welche zwischen den verschiedenen Rechtsaufzeich- nungen bestehe.^) Da sich Erlingr selbst seiner mehr als gewöhnlichea

1) Snorra Edda, II, S. 12.

2) Ich habe von anderer Seite her auf diesen Punkt bereits in der Zeitschrift für deutsche Philologie, I, S. 46—49, aufmerksam zu machen Veranlassung gehabt.

3) Fagrsk. §. 268, S. 179 80, deren Darstellung die beste ist; Heimskr. Magnus s. Erl* ingssonar, cap. 21, S. 795—7, und FMS., VII, cap. 13, S. 304—7.

4) In der Fagrsk. lauten die einschlägigen Worte : ««Med" }>yi, herra, at eigi er ritat i öllum lögbokum, at sa skuli konüngr vera, er eigi er konüngssonr*^

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Rechtskenntniss rüiimen durfte,^) konnte es ihm unmöglich unbekannt sein, wenn eine von König Magnus Olafsson selbst herrährende Hand- schrift des Gesetzbuches an Ort und Stelle vorhanden war, und musste er auf diese Bezug nemen, wenn es galt, unter den Abweichungen, die zwischen verschiedenen Recensionen bestanden, den authentischen Text herauszufinden; wollte man aber annemen, dass er um seines eigenen Interesses willen diess verschmäht habe, so ist auch damit Nichts ge- wonnen, da solchenfalls von seinem Gegner die gleiche Berufung auf den officiellen Text mit gleicher Bestimmtheit zu erwarten war, soferne Erzbischof Eysteinn, im Drontheimischen angesessen und vornemster Abkuhft,^) dabei vordem als Caplan und Schatzmeister bei König Ingi bedienstet,^) auch seinerseits des geltenden Rechtes vollkommen mächtig sein musste. Im Jahre 1164 also war im Drontheimischen von irgend einem authentischen, oder vollends von einem auf König Magnus g65i selbst zurückzuführenden Legaltexte Nichts bekannt; vielmehr besass man damals daselbst nur verschiedene, unter sich mehrfach abweichende Aufzeichnungen des geltenden Rechts, deren keine auf irgendwelche formale Autorität Anspruch machen konnte, und welchen man den Namen der Gesetze des heil. Olafs somit wohl nur aus dem Grunde beilegte, weil man in ihnen das alte Recht, wie es von diesem Könige gesetzt sein sollte, materiell enthalten glaubte. Nicht anders stand es aber auch noch am Anfange des 13. Jahrhunderts, soferne der noch von König Sverrir als Lögmann eingesetzte Gunnar, wie oben bemerkt, nur auf die „lögbök hins heilaga Olafs konüngs'^, nicht auf irgendwelche von König Magnus Olafsson veranlasste Rechtsaufzeicbnung sich zu be- rufen vermochte. Es ist aber schlechterdings undenkbar, dass im Jahre 1190 in Drontheim ein authentischer Legaltext vorhanden gewesen wäre, von welchem weder im Jahre 1164 noch im Jahre 1223 die rechts- verständigsten Männer irgendwelche Kenntniss gehabt hätten ; undenkbar auch, dass zu einer Zeit, da man in Drontheim eine officielle, durch König Magnus göoi besorgte Aufzeichnung des vom heil. Olaf gesetzten

1) Heimskr. : „En ^tt ek sjä eigi konüngr ^tS\ af konänga seit kominn, \k hafa (eir koDÜngar nu verit fleBtir i vära minni, er eigi vissa jafnvel sem ek til laga ed'a landsrettar'^

2) Heimskr., cap. 16, S. 792; FMS., VII, cap. 8, S. 299.

3) Anekdoton Sverreri, §. 18, S. 186.

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Rechtes hatte ^ ein unter den Augen Erzbischof Eysteins schreibender Verfasser die Aufzeichnung eben dieses Rechtes dem heil. Olaf selbst zuschreiben konnte.^) Nach allem Dem wird nur die Anname übrig bleiben, dass bei König Sverrirs Berufung auf das Gesetzbuch des König Magnus ein Irrthum obgewaltet habe. Dass bereits um das Jahr 1164 im Drontheimischen Rechtsaufzeichnungen umliefen, auf welche man um ihres Inhaltes willen die Bezeichnung als „log hins helga Olafs'^ an- wandte, wissen wir, und es hat auch nichts Befremdendes, wenn ein einzelnes, besonders altes Exemplar derselben etwa den Namen der Gr&gäs getragen haben sollte; mag sein, dass in demselben Verordnungen Magnus des Guten, wie wir solche in der Mitte unserer Gl>L. eingeschaltet finden, an den Anfang oder Schluss des Ganzen gestellt waren, und dass darum feinspürigere Leute, die sich bei dem gemeinen Glauben an eine vom heil. Olfif selbst herrührende Aufzeichnung nicht beruhigen wollten, die ganze Handschrift auf jenen König zurückführen zu dürfen glaubten, mag sein auch, class der verschlagene Sverrir, dem es auf eine Täuschung mehr oder weniger nicht ankam, wenn es galt seine Zwecke zu fördern, sich eines solchen Anhaltspunktes gerne bediente, um das Ansehen der hochgeachteten Könige zu seinen Gunsten verwerthen zu können. Jeden- falls darf nicht übersehen werden, wie König Sverrir das Gesetzbuch, welches auf Magnus gö6i zurückgeführt werden will, unbedenklich mit den Gesetzen des heil. Olafs zusammenwirft. Es ist ihm nur darum zu thun, dem Erzbischofe, der sich auf Brief und Siegel des Papstes, dann auf das ^,göttliche Recht'', wie es im Decrete Gratians enthalten war, zu stützen suchte, durch die Berufung auf die Autorität des heil. Königs und Landespatrones, und allenfalls auch auf die seines be- liebten Sohnes, auf den ja stets ein Abglanz der väterlichen Heiligkeit hinübergefallen war,^) Widerpart zu halten; nur zu diesem Ende wird die angebliche Legislation des letzteren herangezogen, und es mag ja wohl sein, dass der schillernde Ausdruck absichtlich gewählt ist, um zwischen der doppelten Fassung der Tradition hindurchzulaviren, welche

1) Theodorioas Monaohus, cap. 16.

2) vgl. Manch, II, S. 160.

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bald den heil. Olaf, bald dessen Sohn Magnus als den Urheber der be^ treffenden Aufzeichnungen betrachten wollte. Ks versteht sich übrigens von selbst, dass die officielle Textesredaction , welche König Magnus Erlingsson, oder vielmehr dessen Vater, Erlingr skakki, in seinem Namen hatte vornemen lassen, sofort bezüglich ihrer Rechtsgültigkeit wider in Frage gestellt werden musste, sowie König Sverrir sich den Thron er- kämpft hatte. Im Jahre 1190 sahen wir den König in seinem Streite mit dem Erzbischofe ganz unumwunden wider auf die älteren Rechts- aufzeichnungen zurückgreifen, und die neue Codification verwerfen; wenn gerade von jetzt ab die Beziehungen auf die ,, Gesetze des heil. Olafs" in königlichen Erlassen und bei anderen officiellen Gelegenheiten sich sehr auffällig mehren, so mag diess geradezu dadurch veranlasst sein, dass die IHrkenbeine und ihre Könige den in klerikalem Sinne erfolgten Neugestaltungen gegenüber jenen Namen ausspielten. Andererseits aber hielt der Klerus sammt der ihm anhängenden Parthei mit aller Ent- schiedenheit an der Legislation des Königs Magnus ufid des Erzbischofs Eysteinn fest, wie diess ja gleichfalls bereits bei jenem Streite des Jahres 1190 zu Tage tritt, und gerade mit diesem Nebeneinanderbestehen von Rechtsbüchern älteren und neueren Schlages mag es zusammenhängen, wenn, wie wir oben gesehen haben, im Jahre 1239 noch dem Herzog Sküli Rechtsbücher vorgelegt werden konnten, welche sich seinen An- sprüchen auf die Krone günstig zeigten, oder wenn König Hdkon noch im Jahre 1244, und wider im Jahre 1260 von verschiedenen Rechts- büchern sprechen konnte, welche im Lande gegolten hätten. In der Praxis freilich scheint die Redaction Magnus Erlingsson's, theils weil vom Klerus begünstigt, theils aber auch, weil in so manchen Beziehungen den geänderten Zeitverhältnissen entsprechender, entschieden Eingang gefunden zu haben, und daher mag es sicherklären, dass König Hdkon, als er einerseits mit der Kirche seinen Frieden zu machen, und ande- rerseits den Rechtszustand seines Reiches zu ordnen suchte, bei seiner Revisionsarbeit des Jahres 1244 im Wesentlichen an sie sich anschloss. Welcher Beschaffenheit übrigens jene ältesten Rechtsaufzeichnungen waren, welche bereits vor der Legislation des König Magnus Erlingsson existiiten, lässt sich nicht mehr mit Sicherheit feststellen. Da dieselben jedoch bereits im Jahre 1164 nicht völlig gleichartig gestaltet waren,

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und da schon damals die rechtskundigsten Männer in Drontheim auf einen authentischen Legaltext sich zu berufen nicht im Stande waren, werden wir zu der Anname berechtigt sein, dass dieselben sammt und sonders blose Privatarbeiten waren, welche man aus Gewohnheitsrecht, einzelnen gesetzlichen Bestimmungen und vielleicht auch aus Rechts- vortragen einzelner Lögmänner compilirt hatte. Selbst der uns über- lieferte Text scheint noch Spuren davon zu zeigen, däss derselbe ur- sprünglich kein Product der Legislation gewesen war, und insbesondere scheint selbst bei ihm noch Manches an einen Zusammenhang mit den dem Lögmanne obliegenden RechtsvortrSgen zu erinnern. Nicht nur im 6**" Buche wimmelt es, wie oben bereits zu ben.erken war, von Aus- drucksweisen des doctrinärsten Charakters, sondern auch in den übrigen Theilen des Rechtsbuches kommt Dergleichen, wenn auch in geringerem Umfange und in etwas anderer Weise, nicht eben selten vor. Sehr haü£g wird von einem segja upp gesprochen, sei es nun dass die Worte gebraucht werden: sem ä5r var uppsagt,^) sem var uppsagt,^) oder dass geradezu von einer uppsaga gesprochen wird,^) und man wird sich daran erinnern müssen, dass diess auf Island die technische Bezeichnung sowohl für den Rechtsvortrag des Lögsögumanns ist, als für alle anderen demselben obliegenden officiellen Verkündigungen ; wenn zwar eine der- artige Wendung ganz vereinzelt auch einmal im Christenrechte gebraucht wird,^) welches doch so wie es uns vorliegt, zweifellos legislativen Ur- sprunges ist, so erklärt sich diess doch leicht daraus, dass der im An- schlüsse an den Rechtsvortrag einmal festgestellte juristische Styl hinterher auch bei Werken festgehalten wurde, welche einen ganz anderen Charakter an sich trugen. Jene persönliche Sprechweise, welche in den 6>L. sich 80 vielfach geltend macht, ^) und welche den Sprechenden für die 6e- sammtheit der Dinggenossen das Wort führend zeigt, begegnet uns auch

1) Fr>L. IV, 17; 61; V, 9; XIII, 11; XIV, 4.

2) ebenda, VII, 2; 11.

8) ebenda, X, 1: I>at er uppsaga laga Tarra i lögum manna.

4) ebenda, II, 88, Anm. 14.

5) Ygl. meine Abhandlang über sie, S. 160—61.

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. IIL Abtb. 1 1

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hier wider oft genug. ^) Es wird auch wohl einmal mit einer Rechts«- Vorschrift noch die Hinweisung auf eine blose Cautel verbunden,^) was zwar nicht nothwendig auf den Rechtsvortrag eines Lögmannes hinweist, aber doch jedenfalls einen legislativen Ursprung der betre£fenden Stelle ausschliesst; oder es stellt sich allenfalls auch der Sprechende dem Reohtsbuche in einer Weise gegenüber, welche ganz und gar doctrinärer, nicht aber legisflatorischer Art ist.^) U. dgl. m. Dass dabei die Eigen- thflmlichkeiten einer dem mündlichen Vortrage nachgebildeten DarsteU lungsweise in den Fr)>L. weit mehr verwischt sind als in den 6^L., ist allerdings richtig; es kann diess aber auch in keiner Weise aufifallen, wenn man die zahlreichen officiellen Ueberarbeitun^en erwägt, welche das erstere Rechtsbuch bereits erfahren hatte , ehe es diejenige Gestalt erlangt hatte, in welcher es uns vorliegt.

Die Geschichte unseres Rechtsbuches, wie sie zufolge der im Bis- herigen vorgeführten Untersuchungen sich herausstellt, ist demnach fol« gende. Zunächst entstanden Rechtsaufzeichnungen nicht legislativen Ursprunges, welche ihrem Inhalte nach aus gesetzlichen sowohl als ge-> wohnheitsrechtlichen Normen compilirt waren, ihre Form aber dem Rechtsvortrage der Lögmänner entlehnten, ohne dass sich bestimmen Hesse, ob sie mit diesem auch in einem aüsserlichen Zusammenhange standen. Ihre Entstehungszeit lässt sich nicht genau feststellen, fällt aber jedenfalls über die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück; die Yer- gleichung der Gulal>ingslög macht indessen wahrscheinlich, dass dieselbe dem ersten Anfange dieses Jahrhunderts zuzuweisen ist , derselben Zeit also, in welcher man auch auf Island zur Aufzeichnung einzelner Gesetze, und weiterhin ganzer Abschnitte des geltenden Rechtes schritt* Kurs nach der Mitte des 12. Jahrhunderts werden diese Aufzeichnungen be«

1) Fr]^L. IV, 1: (at er fyrst i mannlielgi varri, ai varr landi skal hverr frid>heilagr innan lands ok ütanlands; 7: ütan lagfa värra, innan laga varra; IX, 19: ]>eira er iold ero ä bok varri, ]>au ero log var; 28: innan laga värra; X, 1: l>at er uppsaga laga varra: 23: Wt at eins er skilt er i bok varri; 40: innan laga värra, dtan laga varra; XIV, 1: innan laga v4rra; 2: ütan laga varra; 4: utan laga v4rra, innan laga varra.

2) ebenda, VII, 26: ok er rHtara, eptir at spyrja.

3) ebenda, X, 23: en eigi skal eid" sverja fyrir dautt brjost, nema l^ar at eins er skilt" er i bok v4rri. Ebenso Fr. II.

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xeits als die ,,6e8etze des heil. Olafs^^ bezeichnet, ganz wie diese Be« Zeichnung auch der änlich gearteten älteren Redaction der 6)>L. zukam; indessen darf man in derselben nicht geschichtliche Wahrheit, sondern nur ein Zeugniss dafür suchen, dass das Volk in jenen Aufzeichnungen ein. treues Abbild seines Rechtes erkannte, wie es solches von dem heil. Olaf gestiftet und geordnet glaubte. Durch König Magnus £rliDgS6on und seinen Erzbischof Eysteinn erfuhr sodann, in den Jahren 1164 74 etwa, das Rechtsbuch eine officielle Bearbeitung, bei welcher die zwischen Beiden vereinbarte Thron folgeordnung in dasselbe eingeschaltet wurde, ganz wie das Gleiche um dieselbe Zeit den 6l>L. widerfuhr; sei es nun diese ganze Textesredaction, oder doch das zu ihr gehörige Christenrecht, wird bereits im Jahre 1190 unter dem Namen der „Goldfeder^' ange- führt, wogegen die älteren Gestaltungen des Rechtsbuches fortan nur um so energischer an den Namen des heil. Olafs sich anklammerten. Da die Goldfeder in durchaus klerikalem Sinne bearbeitet war, von einem als illegitim behandelten Könige herrührte, und jedenfalls durch die in sie eingerückte Thron folgeordnung schweren Anstoss bot, konnte sie von König Sverrir und seinen Nachkommen nicht anerkannt werden; zwei verschiedene Classen von Rechtsbüchern liefen demnach fortan im Reiche um, welche, die eine vom Königthume, die andere aber vom Klerus festgehalten , mit einander im Streite lagen , bis endlich König Häkon Häkonarson im Jahre 1244 mit seinem Erzbischofe Sigur5 über einen einheitlichen Legaltext sich einigte. Bei dieser zweiten officiellen Bearbeitung scheint im Wesentlichen die Recension des Magnus Erlingsson zu Grunde gelegt worden zu sein; doch wurde die Eintheilung des Ge* setzbuches geändert, und demselben ein Vorwort vorgesetzt, welches einzelne Zusätze und Neuerungen über die verschiedensten Gegenstände enthielt, und welches uns z. Th. in der zweiten Hälfte unserer Einleitung erhalten ist. Im Jahre 1260 erfolgte unter demselben Könige eine dritte officielle Bearbeitung, bei welcher das 6^ Buch völlig umgestaltet und dem Ganzen ein neues Vorwort vorangestellt wurde, das uns in der ersten Hälfte der Einleitung theilweise erhalten ist. Nur in dieser letzteren Bearbeitung liegt uns das Rechtsbuch einigermassen vollständig vor, während von der Recension des Jahres 1244 nur ein paar dürftige Fragmente erhalten zu sein scheinen; der Parallelismus aber, welcher

11*

84

zwischen seiner Entstehangsgesohiohte und der unserer Gnla^ihgslög besteht, springt in die Augen, and darf als ein sehr bedeutsames Ar- gument für die Richtigkeit der über die Genesis beider aufgestellten Ansichten bezeichnet werden.

Ein

neuer Eambyses-Text.

Von

Dr. Lauth.

(M it einer Tafel.)

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. III. Abth.

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Ein neuer Kambyses-Text.

Von

Dr. Lauth.

(Mit einer Tafel.)

In einer früheren Abhandlung^) habe ich einen äthiopischen Er- oberer Aegypten's vorgeführt, der nach allen Anzeichen mit Manetho's li/Ltfii(}i.g Al&io^ zu identificiren und an die Spitze der XXVI. Dynastie zu setzen ist, unmittelbar nach der aus drei Aethiopen bestehenden XXV. Dynastie, und vor die eigentliche XXVI. Dyn. der Saiten, so dass des Pianchi-Amunmeri Herrschaft dem Zeithorizonte der Dodekarchie entspricht. Die assyrischen Annalen des Assurbauipal, Nachfolgers von Essarhaddon, lieferten mir in Keilschrift die nämlichen zwanzig Vasallen, welche auch auf der Pianchi-Stele erscheinen und sind ihre Namen nach meinem Vorgange später von Anderen mehr oder minder voll- ständig^) identificirt worden. Meine Uebersetzung der folgenden Gruppe

jft/vvv/vNA..^^ ^ ^ ur{sar) en Ämu „Vasal des Asiaten" ist indessen angQ-

zweifelt worden und zwar von keinem Geringeren als vom Vicomte De Rouge, wie ich aus einer seiner nachgelassenen Schriften^) entnehme : „M. Lauth a voulu traduire „Vassal des Asiatiques;" mais ce n'est autre

chose q'une Variante abregee du titre ^ /N^^^/vA^^^TtTJ-^ '^^^^^ M ^ ' (»^^l^öf des auxiliaires Maschoasch"). C'est ce que demontrent les st^les d'Apis et ce qu'on pouvait trouver, depuis 1858, dans le Königsbuch de M. Lepsius (No. 604) dans les Variantes du prince Petisis". So H. Vic. De

1) Denkschriften der k. b. Akad. 1870, unter dem Titel: „Die Piancbi-Stele".

2) Zeitschrift f. aeg. Sp. 1871 p. 112 fif. von Haigh; 1872 p. 29 von Brugscb.

3) Melanges d' archeol. egypt. et assyr. tome I fascioule 3, p. 87.

LA

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De Rouge. Wie lautet aber die Variante im Königsbuche von Lepsius,

worauf der Einwurf verweist? Einfach ^%^|^' motu, das bekannte

M&.TOI milites, also nicht Maschoasclm als Abbreviatur, sondern dieser Ausdruck ist ersetzt durch die Sinn- Variante m&.toi, weil dieses Wort den allgemeinen Begriff der Miethlinge darstellt, und selbst aus dem Volksnamen der Mataiu entstanden ist, die ähnlich wie die Maschoaschu (Ma^ffff?) als Gendarmerie dienten.

Was ferner die Apis-Stelen betrifft, so gibt es allerdings^) die

Variante 1^1^'''^^%^ 1^' „Oberchef der Ma(schoa8ch)" allein man be- merke doch den Unterschied im Determinative : hier beständig ^ 1 der gemeine Mann mit dem dreifachen Striche als Pluralzeichen, während die Pianchi-Stele^) neunmal constant -%^lr^ bietet mit dem Deutbilde

der königlichen Person und ohne Pluralbezeichnung! Ich habe also doch Recht gehabt „Vasall des Amu-Asiaten'' zu übersetzen und wenn mich De Rouge „Vassaux des Asiatiques'' sagen lässt, so ist dies eine Ungenauigkeit, die nicht mir, sondern meinem Kritiker zur Last fällt* De Rouge rückt die Epoche der Pianchi-Stele höher hinauf, als ich gethan, indem er ihr zwischen Dyn. XXII'u. XXIII ihre Stelle an- weist. Allein ich gebe wiederholt zu bedenken, ob sich bei dieser Annahme auch nur die Hieroglyphen schrift des am Berge Barkai gefundenen Denkmales begreifen lässt. Bei meinem Ansätze jedoch^ hinter der halbhundertjährigen Herrschaft der Aethiopen: Schabaka, Schabataka, Taharqa, ist die Kenntniss der Hieroglyphen auf äthiopischem Boden sehr natürlich, abgesehen davon, dass sich an meinen Amunmeri Pianchi = liju/iit^is Al&ioip (bei Manetho), sein Haupt-Gegner Tefnacht als 2:re(piydTr]g ungezwungen anschliesst.

Phonetik der persischen Königsnamen.

So wie nun dieser !diiifie()ig, der äthiopische Eroberer Amunmeri Pianchi^ die XXVI. Dyn. Manetho's einleitet, ebenso steht an der Spitze

4) Siehe Lieblein: diction. hierogl. II p. 330 unter No. 1011 vergl. mit 1012.

5) Cf: Lieblein: 1. 1. p. 332/333 unter Nr. 1016.

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der nächstfolgenden XXVII. Dynastie ITe^wr ßaaiktwv rf der asiatische Eroberer Aegyptens: Kafißvarjg und zwar mit 6 jähriger Herrschaft» Bevor ich den neuen auf diesen König bezüglichen Text mittheile und bespreche, ist es erforderlich, die bisher aus andern Denkmälern bekannt gewordenen Schreibungen seines Namens sowie der seiner Nachfolger etwas grundlicher zu behandeln, als es bisher geschehen ist, um dar- zuthun, dass die ägyptischen Schreiber die Laute der persischen Wörter und Namen doch genauer auffassten und wiedergaben, als es den üb- lichen Transscriptionen zufolge scheinen könnte.

Ich lege, wie billig, diejenige Form zu Grunde, welche aus der Keilschrift sich monumental ergeben hat. Diese bietet nun, um von Cyrus: Kurusch^) abzusehen, der bisher in keinem ägyptischen Texte aufgetreten ist, für den classischen Kambyses die Form Kam-bu-zi-t/a'^f wobei zu bemerken ist, dass der Nasal der ersten Sylbe Kam dem Vocale iuhaerirt, also gerade so gut als Anusvara(m) wie als Anunasika(n) aufgefasst werden mochte. In der That begegnet uns diese doppelte Eigenschaft des Nasals in den ägyptischen Schreibungen des Namens. Auf einem Felsen von Hammamat an der Qosseir-Strasse wo die drei ersten Herrscher der XXVII. Dyn. und zwar unter Aufsicht eines Persers Atiuhi mit ihren Regierungsjahren angeschrieben worden sind, erscheint

Kambyses mit dem Schilde: f J^ü]^) Kanhuza. Dagegen auf der

sogenannten Statuette naophore des Vaticans, deren reichhaltigen Text ich weiterhin vorführen werde, stellt sich derselbe Namen so dar:

(^^^^^^^ Ji ^ ^ J ^ Kambuzia, nicht Kembatet, wie Lepsius in seinem

6) Nur ein Schild Lieblein dict. hierogl. No. 1185: ( ^^^z^ o >^ '^ J Nd)ruh „Herr des

Abends'S das anägyptisoh genug aussieht, ist vielleicht mit leichter Aenderong als f ^c=:n<o^$\ i u i I

Kunutch zu fassen. Lieblein ordnet dieses auf einer Stele von Bnlaq zugleich mit dem Namen SebeJchotep vorkommende Schild „le roi fait ses offrandes ä Sebekhotep'^ zur XXYI. Dyn. Cyms II ?

7) Cf. Tafel, V.

8) Siehe Tafel, IIa.

9) Siehe Tafel, IL

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Königsbuche und Andere nach ihm den Namen transscribirt haben, nicht bedenkend, dass die einzelnen Zeichen eines Namens innerhalb des Schildes bisweilen, aus Rücksicht auf die Symmetrie, anders ange- ordnet sind 9 als sie beim Lesen sich folgen müssen. Der Umstand,

dass auf der Statuette naophore das Schild stets aufrecht stehend fj erscheint, hat die veränderte Stellung der beiden letzten Zeichen h

und die irrige Lesung Kembatet veranlasst. Die Aegypter müssten wohl sehr ungeschickt in der Wiedergabe ausländischer Namen ver- fahren sein, wenn sie statt eines gehörten Kambuziya einen Kembatet geschrieben hätten. Man sieht an der Wahl der Gruppe *^, die dem koptischen fxi entspricht, dass sie dem persischen Prototype gerecht werden wollten , und daraus ergibt sich mit Nothwendigkeit, dass das Zeichen 1] = a, beim Lesen an das Ende kommt, wie ich es oben an* geordnet habe.

Eine dritte Variante des Namens' Kambyses liefert mir der weiter- hin zu besprechende neue d. h. bisher nicht erkannte Text, nämlich

(^^^^^ J^o) Kambunsa. Was die Anlautsylbe Kam betriflft, so

hat der betreffende Vogel A^, dem bezeichnender Weise die Bedeutung „finden" eignet cf. (^^\Me. gallina, ö'imi invenire zur Variante

den Pfahl ] mit der Lautung Kam (cf. rä^m arundo). Für V bietet der Text selbst wegen der häufigen Gruppirung jV bu-sa, die Lautung*

bu in dem Wortspiele J bu locus. Endlich in Bezug auf ^^ ns,

das innerhalb des Koptischen zu s (cio scaramum) geworden ist, zeigen^ die koptischen Transscriptionen des Papyrus gnost. zu Leyden col. IX lin. 7; X, 18; 25 den demotischen Wörtern arunsarba^ nseu^ bunsanan gegenüber constant ein z auf: d^poTTd^p&di, '^^ot, ÄoT-^Ä^ndiT, und es sind diese drei Wörter überhaupt die einzigen, in welchen dort ein koptisches -^ auftritt. Auch aus der Art und Weise, wie die Griechen die Sylbe _^Z^ ns transscribirten z. B. in dem ziemlich häufigen Namen

10) Siehe Tafel, I.

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Z-ßivdijTig oder ^-ßiv<ft]Tis =■ ^^^hH^ Ns-ba-n-dat, mu88 der Schluss

gezogen werden , dass die Aegypter mit der Lautverbindung ns ein £f auszudrücken suchten. Denigeraäss ist unsere dritte Variante Kambuza zu lautiren, und wie nahe dieses dem Kafißvarjg^ hat uns schon der Wechsel des Anlautes in dem Namen Zßtvdrint; = 2:ßiydrp:ig gezeigt.

£s existirt übrigens auf ägyptischem Boden mehrfach die Gräci- sirung Kaixßvaaig, welche sowohl das i als das a der Urform Kambuziya erhalten hat. Am bekannten Colosse des Königs Amenophis III, die tönende Memnons-Säule genannt, ist fCaußvarjg öfter als Verstümmeier dieses Sitzbildes (mit Unrecht) erwähnt. Besonders thut sich eine gewisse Julia Balbilla, welche den Kaiser Hadrian mit seiner Gemahlin Sabina 132 n. Chr. nach Aegypten begleitete, als poetischer „bas bleu^^) Blaustrumpfs hervor, indem sie die alterthfimlichsten Formen des äolo- dorischen Dialectes anwendet. Der betreffende Passus lautet ^^j:

XaTQ€ zal av^daaig 7i()6(p(fü)r, r€Xa[7t€i(}i€ MejLiyoy] Tay [nQüod-ey fioQ(pay nolV dno^vifo/jeyog]

rkiüooay fiiyroi dXe^LyMXoy xri^y i7itoixiy'\ Ka/ißvaaig ä&€og roy [uoi icoae koyoy]

Jwxty TOI noivay riS a[iS vß(fiouaTog //c^' (Ly]

Tay [t' e^(f]aa^ Idniy xal rw [!t4fiü)aiy dyoy] etc.

Den Vor- oder Thronnamen anlangend, so heisst er auf der Statuette naophore tSs(®(] y fl)^^) Bamesut was sehr nahe an ^PajtiioTr^g des Her- mapion anstreife , während sonst Ramessu = ^Pa/iieaarig der Hauptname des Ramesses-Sesostris (aus Ramessu -Sestsu-Sesustra) lautet. Die Auf- fassung dieses Ramesut anlangend, so ist für mich kein Zweifel, dass er mit Sol natus zu übersetzen ist, da die gewöhnliche Annahme Sole natus nicht nur an der ägyptischen Grammatik scheitert, sondern auch durch die Inschrift der Statuette geradezu widerlegt wird. Denn un-

11) Letronne: Recu. d. inscriptt. grecq. II p. 350 cf. 356, 357.

12) Die Ergänzungen sind von Franz Corp* inscriptt. graec. mit Ausnahme des letzten Penta* meters, den ich selbst nach den Spuren herstelle.

13) Siehe Tafel, la.

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mittelbar hinter dem Schilde mit dem Namen Ramesut fuhrt der Inhaber üzahorsunt so fort: „Hierauf machte ich Seine Majestät bekannt mit der Bedeutung von Sala, welche Stadt die Wohnung der Neith ist, der grossen Mutter, die den Sonnengott geboren; wie derselbe ein Erstgeborner, Selbsterzeugter, Unerschaffner ist". Der Ausdruck *JU.|^ an cheper bezieht sich auf die Läugnung der väterlichen Miturheber- schaft bei dieser Zeugung, wie denn die Alten z. B. Horapollo I 10, 12

den Käfer^*) ausschliesslich auf die väterliche yiyyrjaig deuten; ^ .^

= avTo<pvrjg ist das natürliche CoroUar dazu. Diese Selbstzeugung des Sonnengottes ist in vielen Stellen z. B. Todtenbuch c. XV col. 14 deutlich ausgesprochen. Seltener sind solche, wo die Neith von Sals, jene ver- schleierte Göttin, als die Mutter des Ra (Sol) erscheint. Im Pap.

Leydens. I 345, 3 lin. 10 heisst es vom ^^^^Tc^f'^^^c^ ^^ *w^ „dem

jugendlichen Sonnengotte^' : ^^^^^^IJn^'^ ß\ ^ vV ' ' qernam n Nit cheperU'f „geschaffen sind von der Neith seine Formen" und weiter-

tat SU m to an Nit nebt Sait „was den Sonnengott (Ra) betrifft, so ist er geboren (zur Erde gethan) durch Neith die Herrin von Sals". Also ist nirgends von einem Vater des Ra die Rede.

So wie nun Kambyses den Vornamen Ramesut-Sol natus erhielt, 60 hiess sein Vorgänger auf dem ägyptischen Throne, der durch seine Unterschiebung der Nitetis nach Herodot den feindlichen Zug des Persers

veranlasste: (((]m^ ^1 Äah-mesu ^'^dfiaaig = Lunus natus. Er führt

den Zusatz si-Nit = filius r^g Neith in seinem Schilde. Den Namen der Nitetis anlangend , die eine Tochter des Apries war (Haabra Hophra, OvaipffTjg) während Amasis dem Kambyses seine eigne Tochter versprochen gehabt, so begegnet uns zwar dieser Name bisher noch nicht in einer genealogischen Liste der XVI. Dynastie. Allein auf gleichzeitigen Denk- mälern wird er nicht selten angetroffen. Ich beschränke mich auf zwei Beispiele. Auf einem Sarkophage des Berliner Museums heissen die

14) Cf. Clemeos Alex. Str. V 237. Ammian. Marcellin. XVII 4; der Araber bei Hammer-PurgatalL

AA/VAAA

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Eltern eines gewissen Petisis: Psenahet und ^^^^QICh Niteüa und diese

ist ^!l>c=K aJiit n NU „Erheitrerin der Neith". Eine Stele der Münchner Sammlung nennt einen Hui, Sohn des ^^ Nemu („Zwerg"), mit der IM Nitit als Mutter. Genügt dieses Material einstweilen zur Be- glaubigung der h er odot eischen Nirrjig, so wird uns dadurch zugleich begreiflich, warum Kambyses, der Inschrift der Statuette zufolge, dem Tempel der Neith zu Sais solche Aufmerksamkeit schenkte und sich in die Mysterien dieser Göttin durch Uzahorsunt einweihen liess.

Die Varianten des Namens Darius sind ziemlich zahlreich, was sich aus der langen, 36 jährigen Herrschaft dieses Königs in Aegypten er- klärt. Die dem persischen Prototype Dareiumsch zunächst kommende

Schreibung ist y^^ Wjt I^ J I^^^'^ivusch, kürzer gefasst i ^TJJ j

Tar(i)vusch. Meist wird jedoch das anlautende D durch die Verbindung iiT gegeben, wie im Neugriechischen vre = de. Ich citire in dieser Beziehung die Legenden einer Stele in Louvre, die ich 1864 copirt habe. Sie trägt das Datum: „Jahr 34, Monat Mechir, Tag 10 des Königs

von Ober- und Unter- Aegypten, ^Q^ ('PJ'IiHVj „des Herrn beider

Ebenen: Ntari(u)scha'' . Er heisst ferner 1J| ^^^i^D»« ^| ^1"^! „der gute Gott, der Vereiniger Persiens, der dem Hapi-Stier wohlgesinnte". Der auffallende Nachschlag des Vokals a in dieser Variante erklärt sich aus der Gewohnheit der Schreiber, dem Zeichen Jßß^ ein "^ folgen zu lassen, weil dieser a-Laut dem breiten Zischlaut seh inhärirt. Häufig

ist die Variante (Hli 1] T-^LMj Ntariwasch , die sich zunächst an die

ebengenannte anschliesst. Sie kehrt auch in einer demotischen Kauf- urkunde wieder, woBrugsch^^J mit Unrecht bemerkt: on a insere entre le signe phonetique ou et seh la lettre ä, ce qui produit la lecture eNTaRIOUHe§. Es steht deutlich DARIVOSCH, also sehr genau und richtig.

15) Grammaire demot. p. 200 pl. IV ult. Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 13

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Dass Darius I den Kanal zwischen dem Nil und dem Rotbeu Meere als Nachfolger des Sesostris, mit dem er desshalb auf gleiche Linie gestellt werden wollte ^^), wieder habe ausgraben lassen, wissen wir ans Herodot und seit der französischen Expedition aus den in jener Gegend aufgefundenen Keilschriftdenkmälern. Während der Grabung des seit 1869 eröffneten entdeckte man Trümmer eines durch Feuer zerstörten grossen Steindenkmales ^^) , welche auf der einen Seite Hieroglyphen , auf der andern Keilschrift zeigen und zwar sind es die 20 Provinzen des per- sischen Reiches unter Darius I, dessen Namen nicht fehlt. Ich werde weiterhin eine Inschrift von Hammamat besprechen, die uns den König Darius als Urheber eines Wüstenbrunnens darthut, nicht weit von der Stelle, wo er zwischen Kambyses und Xerxes I als Gründer der Qosseir- Strasse erscheint. De Rouge ^'^) gedenkt der genauen Schreibung dieser drei Namen und fährt fort: ,,tandisque, sur la statue naophore du Yatican, Torthographe NTaRiSchM montre combien les sons de la langue persane ont embarrassee l'ecrivain egyptien et diminue l'autorite de l'orthographe KaMVeTT qui se trouve sur le meme monument". Der ägyptische Schreiber des Textes auf der Statuette war nicht so unge- schickt; er schrieb Kambuzia genau wie er es hörte und so muss auch die Lesung NtariscJim einer unrichtigen Auffassung der Aegyptologen entstammen. In der That stellt sich die Schildlegende so dar:

( ^^C3CD J Nt(a)r(i)vusch. Denn das vorletzte Zeicheu ist das

liegende Kalb mit der Lautung vu und das Schlusszeichen nicht / ^^J,^ sondern c^.

Die zunächst folgenden Namen des Xerxes^^) und Artaxerxea ^^) sind uns durch die bilingue Alabastervase von Venedig, welche für die

l(i) Diodor 1 68.

17) Ct. Oppert: Rapports ontre rKjrypte et rAgsyrie.

18) Aahines p. 189, 11.

19) Es steht umgekehrt / , vielleicht statt ^ > und dieses = si'h wie (j =:^ ma u. ttvhu.

20) Die von Herodot VI 98 gebotene Bedeutung dieser beiden Kamen als Uq^Yos und tAh/«^ '-l^if/of wird mehr als zweifelhaft, wenn man die cuneiformo Schreibung berücksichtigt. Ob die Gleichung Jtt(}ffvg = fgieifjc oder ^'(^c^^/V .,der Thätige'* auf besserem Grunde ruht, mögen Andere entscheiden.

95

Assyriologie so wichtig geworden ist, in der Schreibung ( ©T^TJ ^ ^ TJJ 1

Chschiarscha = jVp^iyff und (^^ ^TMjlHil J Artakhschesesch = ^Aifza-

§^(f$^i9 näher dem biblischen ::trrr'i{< bekannt geworden. Ein in neuerer Zeit zu Cairo entdecktes Denkmal-^) hat in Bezug auf Xerxes manches

Neue gebracht. Ptolemäus Lagi wird ic^;^,,^^ « pe chschatrapan

der Satrape|genannt, wie bei Curtius X, 10 ,^satrapes Ptolemaeus Äegypti^^. Er stellt dem Tempel der Gottheiten von Buto seine Domänen zurück,

die ursprünglich vom Könige M jj u J»T J J Chabbasch gestiftet, durch den Feind j/j^ choß oder w nif „den Frevler: c3=3((c3eii oder

t-Tr-i[ f T»T J Chscherischa geraubt waren. Hier hat Xerxes nicht einmal die

Ebre der Schildeinfassung seines Namens und das hinter seiner Legende

angebrachte Deutbild ^ des enthaupteten Mannes , dem noch das Messer

an der Kehle sitzt, soll gewiss keine Schmeichelei sein, sowenig als die Titel „Feind" und „Frevler". Eine Stelle verdient noch besondere Erwägung; der Text sagt: „Horus von Buto, der Rächer seines Vaters, das Prototyp der Könige, den sich Ptolemäus zu seinem Vorbilde wählt, habe den Frevler Chscherischa

vertrieben aus seinem Palaste nebst seinem ältesten Sohne, sich kund machend in Sais der Stadt der Neith an diesem Tage zur Seite der göttlichen Mutter". Welches Ereigniss ist hiemit gemeint? Offenbar sollte gesagt werden, dass Xerxes mit seinem ältesten Sohne für die Beraubung des Tempels von Buto eine Strafe von Seite der Götter Horus und üti erhalten habe und zwar in der Stadt Sais, \^o er seinen Wohnsitz genommen. Erinnert dies sofort an den Aufenthalt des Kambyses und seines Kriegsvolkes im Tempel der Neith zu Sais und die Entfernung der Soldaten aus dem heiligen Bezirke durch die Bitten

21) Cf. „Ausland*' 1871 meine Uebersetzung und Zeitschrift f. ägypt. Spr. 1871, 1—13 dio von Brugscb.

13*

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des UzahorsuQt (statuette naophore) , so liegt darin zugleich eine An- jdeutung, dass die Rache der Gottheit an Xerxes durch einen Abkömm- ling der Saitendynastie (XXVI.) vollzogen worden ist. In der That trat schon zu Kambyses Zeiten um 520 v. Chr. ein lybischer Gegenkönig Etearchus auf; des Darius Herrschaft wurde durch einen Psammetich bestritten; unmittelbar auf Darius muss jener oben erwähnte Chahhasch

gefolgt sein, den ich wegen seines Vornamens f I lll Senen ('

TIlTlOlf

imago) Tanen (Tavov &aüv Id^fvaarro) hinter dem herodotischen (-JavvvQag vermuthe. Dessen Sohn war ^fya()iog 6 Aißvs und nach ihm kamen *AixvQraTog und ITavat()ig. Herodot III 15 sagt ausdrücklich.: UvaQio re xai uijivqrtaiov ovSafioi xo) Ui^öag yMxa TiXeo) sQydaayro. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Inaros im Sinne der Stele von Cairo das Rächer- amt gegen Xerxes und Artaxerxes geübt hat. Von Wichtigkeit wäre die Zeitbezeichnung „an diesem Tage*\ wenn nicht das Datum an der Spitze des Textes zu allgemein „Monat Thot*' lautete. Oder sollte ein Haupt- fest der Neith gemeint sein? Im Kalender von E^neh^^) ist der 1., 2.

und 3. Pharmuthi zu Festen und Processionen der Neith und ihres

«

Sohnes Hekapechrat oder Horus bestimmt. Auf einer Stele des Louvre (y^, 88) sagt ein gewisser Psametik Sohn der Nefrusebek

„ich habe in Procession gefeiert die Neith an ihrer schönen Panegyrie am 5. Pharmuti", was bei Annahme eines 5 tägigen Festes zum Kalender von Esneh stimmt und zu der Wahrnehmung, dass der letzte Tag einer solchen Quinquatrus das Hauptfest war.

Zur Zeit des Artaxerxes II Mnemon, als er mit seinem Bruder Cyrus dem Jüngeren um die Krone rang, und zwar gleich im Anfange seiner Regierung 405 v. Chr. fiel Aegypten definitiv von den Persern ab und es erscheinen naturgemäss zwei Saiten l4f,tvi)xaXog (Amunrut) und Wäjitfiovd^tg^^) (Psametik IV) als anerkannte Könige. Zu letzterem floh nach Diodor XIV 35 Olymp. 95, 1 = 400/399 v. Chr. Tamos, um von

22) Brugsch: Materiaux pl. XII col. 10a. 11.

24) Vergl. meinen dessfalsigen Aufsatz iu der Ztschr. f. äg. Spr. 1869, p. 53—55.

97

ihm verrathen zu werden. Nach der 21jährigen Herrschaft der Mendesier (XXIX. Dyn.) und den drei Sebennyten der XXX. Dyn. mit 38 Jahren, erscheinen um das Jahr 340 v. Chr. die Perser noch einmal und herrschen als XXXI. Dyn. 2 + 3 + 4 = 9 Jahre, worauf Alexander ihrem Regiment ein Ende machte. Weder von Artaxerxes III Ochus, noch von Arses und Darius III Kodomannus sind bisher Spuren auf ägyptischen Denk- mälern nachgewiesen. Es ist jedoch nicht ^u bezweifeln, dass die Aegypter den Ochus wirklich „Messer'^ ^axcti^cc und „Esel" ovog^^) benannten, wegen seiner an dem hl. Apis verübten Frevel, die an das gleiche Verfahren des Kambyses erinnern. Was den llQafjg betrifft, der von den Einen „Sohn" von den Andern „Bruder" des Ochus genannt wird, so glaube ich seinen Namen auf zwei Denkmälern nachweisen zu können. Im Louvre befindet sich neben der oben besprochenen Apis- Stele vom J. 34 des Darius I ein kleiner Stein mit ^^ f^ j^-^ ^ j „Sohn des Sonnengottes : Ärschu^^. Die nämliche Sammlung besitzt eine Apis-Stele ^^) mit der Legende (^ T ,g;a. ummr JJJ J. Da der Löwe ausser

der Lautung labu auch die von Ü^T'^^) «r hat, was zu ^"^K ari leo stimmt und woraus sich kopt. d^pe^ oypiT custos begreift; da ferner der Gruppe (l^'^v^imimr ari häufig der Thürflägel als Determinativ bei- gegeben ist: so werde ich kaum fehlgreifen, wenn ich den Schildnamen Ärscha lautire, woraus ^^(fofjs. Auch das Datum „Jahr 4" widerspricht dieser Annahme nicht, da Arses nach Africanus 3, nach Eusebius 4 Jahre also factisch wohl noch die erste Hälfte des 4. Jahres regiert hat.

Das Jahr der Eroberung Aegyptens durch Kambyses.«

Nach allgemeiner Annahme fällt der Zug des Kambyses wider Aegypten und Psammenit (Psametich ÜI-mi-Nit) in das Jahr 525 v. Chr. Allein Josephus'^'') hat die bestimmte Meldung: Ka}ißvar]<; g' IVij ßaai-

24) Plotarch de Is. c. 11 u. 3J.

25) Lieblein: dict. hierogl. Nr. 1051 a. 1218.

26) Brugsch: lex. p. 206 oben.

27) Cf. Syncell. p. 457. Dindorf.

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Xevoag inanioy i^ AlyvnTOV S-yrioxei ir Jauaaxio und Herodot HI 64 gibt die näheren Umstände an, unter denen dieser Tod des Kambyses erfolgte; nämlich beim Herabspringen vom Pferde habe sich sein Schwert aus der Scheide gelöst und ihm die Hüfte roi^ uij^oy verwundet, an derselben Stelle t/7 avrög n^foxeifov rar räv Alytmriioy d-fijy ^Aniy f7iA7/|f. Dies geschah in ^A^ßararsL der Stadt Syriens, während Kambyses selbst, einem Orakelspruche von Buto zufolge, im medischen U/ßdrava sein Lebensende finden zu sollen glaubte. Da nun der astronomische Kanon dem Kambyses eine Gesammtdauer von 8 Jahren als König zuschreibt, so muss er in seinem Jahre Aegypten erobert haben, also 527 v. Chr. was bis zu seinem Tode 521 richtig 6 Jahre ägyptischer Herrschaft ergibt.

Der zweite Zeuge ist Manetho und zwar im Auszuge des Jul. Afri- canus, der ihm ebenfalls 6 Jahre beilegt, obgleich er ihn Aegypten im 5. Jahre seiner persischen Herrschaft erobern lässt. Eusebius setzt ebenfalls das 5. Jahr hiefür fest und gibt ihm eine nur 3 jährige Herr- schaft in Aegypten. Wenn man bedenkt, dass die zweite Epoche, die der Wuth des Kambyses wegen seines misslungenen Wüstenzuges gegen Aethiopien und der als Schadenfreude von ihm gedeuteten Apisfeier in Memphis, mit dem J. 525 zusammenfällt, so begreift man, wie das 5. statt -des 3. als das Jahr der Eroberung sich einschleichen konnte. Wir haben aber für letzteres noch einen monunlentalen , ja fast offiziellen Beweis.

An der Qosseir-Strasse, auf einem Felsen des Thaies Hammamat hat ein persischer Beamter, Gouverneur der benachbarten Festung Koptos, dem ithyphallischen Gotte Khem ein Proskynema angeschrieben und zwar im 12. Jahre Xerxes I also 474 v. Chr. Bei dieser Gelegen- heit wird auch Darius I erwähnt mit seiner richtigen Regierungsdauer von 36 Jahren. Vorher geht das Schild des Kanbuza mit darüber- stehenden 6 Jahren. Da hiebei nicht an seine persische Herrschaft gedacht werdsn kann, die bekannlich 8 Jahre gedauert hat, so müssen wir die 6 Jahre des Kambyses auf seine Regierungsdauer im Lande Aegypten beziehen. Dazukommt, dass über den drei Zahlen 6, 36, 12 ein Zeichen ^^ steht, welches mit dem ägyptischen bei Summirungen gebräuchlichen xo/^ Verwandtschaft zeigt. In der auf die 3 Schilder

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folgenden Columne ist, den Spuren nach zu urtheilen, die Rede von einem Wege ^^^^ «=;==, derto (-xoopeq accessus) zu ihr <=>Y (Kemi-Aegypten ist feminin) '^^^^^T^ von Persien her'. £in Beamter, welcher unter Artaxerxes I eine Inschrift setzen Hess, scheint QFT'^ Äriarta ge-

heissen zuhaben; der halbzerstörte Name seines Vaters 0 ^^^P dürfte

Ärdhames zu lautiren sein. Gemahnt ersterer in seinem Anlaute an den vielen mit Äri beginnenden Namen Aryandes, Ariabignes, Ariobar- zanes etc., so erinnert letzterer an Id^aa^u]^^ den Achämeniden, den Vater des Hystapes (Herod. I 209), ein Name, der sich öfter wiederholt und sogar als Variante neben yf(}(7fig auftritt, was aber nur aus der Legende luiftlo^ III *AQadaov (Syncell. p. 487) Var. Uifjttüvadjiiov und zwar unrichtig erschlossen wird. Dass die mit Arta- beginnenden Namen häufig sind, beweist ausser dem Königsnamen Artaxerxes der U()Tayfifarig (Xenophon Anab. VII) ferner IdQxavxrijg, U()TefißdQas und UQTaßaQti^ (Herod. 1X66,89; 107; 116; 122). Wir haben sonach in Ariarta und Ärdhames jedenfalls persische Namen zu erkennen, und dieser Umstand vermehrt das Gewicht der Angabe, dass Kanbuza sechs Jahre ägyptischer Herrschaft zählte.

Dass der Bruder des Kambyses: Sixi^dii; (Bardiya^^) auf einem ägyptischen Denkmale als Herrscher nicht erscheint, liegt in der Natur der Sache begründet; regierte er ja nur als Stellvertreter und nur in Asien. Dagegen könnte der ältere Sohn des Xerxes, trotz seiner nur 7 monatlichen Regierung, um so eher auf ägyptischem Boden getroffen werden, als ihn die Stele von Cairo ausdrücklich bezeichnet, wenn auch nicht mit Namen nennt, wo sie sagt, dass Cherischa sammt seinem ältesten Sohne von Horus dem Rächer an der Seite der göttlichen Mutter (Neith) aus seinem Palaste in Sais vertrieben worden sei. Dieser älteste Sohn des Xerxes hiess Artabanos, eine Namensform, die sich an die eben aufgezählten, mit Arta- beginnenden passend anschliesst. Bekanntlich existirt auch die Schreibung A rtapanos^^), welche auf

28) Curtius VIII 1, 7 nennt einen Berdes, welcher Name besser entspricht als Smerdis.

29) So hiess unter andern ein jüdischer Schriftsteller des I. saec. v. Chr.

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ein Compositum ähnlich dem Khschatrapan scbliessen lässt. Mit Berücksichtigung dieser Variante ist es vielleicht nicht allzu verwegen, wenn ich eine demotische Legende hieher ziehe. Sie befindet sich unter den Schätzen des Louvre auf einer oberhalb abgebrochenen Grabstele ^% welche laut der 8 wohl erhaltenen Hieroglyphenzeilen einem Basiliko- grammaten etc. Namens Nebanch, Sohnes vom Basilikogrammaten Spa* metik (sie! statt Psametik) und der Hausherrin Tarot, eignet. Als sein Geburtstag ist der 13. Choiahk, leider! ohne das Jahr genannt. Der demotische Text unterhalb gibt die priesterlichen Titel in kürzerer Fassung, dafür aber einige andere mehr, die im hieroglyphischen Theile nicht erscheinen. Dahin gehört „Prophet des Amon . . . Oberer der

Haus wache ^^^f'f^i ^ 1 ^^^ Artapan (Fremdlings)" die Phonetik

des ersten Zeichens &|| ist bekanntlich sau, die von v^ hingegen ar^

wie oben bei Arses bemerkt ist. Die Qualität der Namen, besonders des Psametik, würde meiner Annahme, dass hier ein Denkmal aus der kurzen Regierungszeit des Artapanos vorliegt, nicht widersprechen. Indessen gebe ich meine Vermuthung nur als solche mit allem Vor- behalte. Nur bemerke ich, dass an den Trupan T()V(p(joy oder fPvaxior nicht zu denken ist, da der Anlaut sich dagegen sträubt.

Aber vielleicht könnte ^oydiavog, der Nachfolger des Xerxes II, mit ebenfalls 7 monatlicher Regierung, in dieser demotischen Legende verborgen sein? So lange uns nicht das persische Prototyp dieses Namens in Keilschrift vorliegt, was meines Wissens bis jetzt nicht der Fall ist, lässt sich hierüber nichts bestimmen. Denn es ist nicht gewiss, dass der Name der Landschaft Sogdiana das gleiche Etymon hat.

Um nichts zu verschweigen , was zur Kenntniss persischer Namen auf ägyptischem Boden beitragen könnte, erwähne ich aus der weiterhin zu besprechenden Inschrift dos Darius in liammamat die Legende

^^Ö^^^J^^|J"^]^(j D^(^ „der König des oberen und des

unteren Landes, der Herr der beiden Ebenen, der ewig lebende (Darius), geboren von der königlichen Mutter Aäm". Das dahinter angebrachte

30) Brugsch: Sammlung demot. Urkunden pl. IV, 7.

<1

lai

Derutbild zeigt eine vornehme Frau mit dem UräuB an der Stirne, also sollte jedenfalls ihre fürstliche Herkunft angedeutet werden. War die Mutter des Darius ebenfalls, wie sein Vater , von dem Stamme der Acb&meniden, oder war sie aus dem Hause des Cyrus? Der Name Aäm scheint ein gentiler zu sein und sich nur auf die Asiatin (oy) im All- gemeinen zu beziehen.

£& ist jetzt, nachdem die Phonetik der persischen Königsnamen 80 ziemlich erschöpft ist und ihre Besprechung manches Einleitende geboten hat, der rechte Zeitpunkt gekommen, die drei Haupttexte der persischen Fremdherrschaft in Aegypten näher zu behandeln.

Die Inschrift der naophoren Statue im Vatican.

1 4. y,Der Anhängliche an Neith, die grosse Göttin-Mutter und die Götter von Sals, der vornehme Chef, der Zahlvogt, der erste der Aerzte, der wahrhaftige Verwandte des Königs, der ihn liebt, der aus- gezeichnete Schreiber, der Obergrammate, der Vorsteher des grossen Gelehrten-Gollegiums, der Befehlshaber der Pylone, der Admiral der königlichen Flotte unter Seiner Majestät dem König von Ober- und Unterägypten: Rachnum-het (Amasis), Admiral der königlichen Flotte unter Sr. Maj. dem König von Ober- und ünterägy pten : Anch-ka-en-ra (Psametik III) : Uzahorsunt, Sohn des Palastintendanten, des Comman- danten der Jungmannschaft, des Priesters der Neith, des Propheten der Göttin, die in Sais residirt: Pefainit

5 . Er spricht : Ein Feldzug ward unternommen durch den Gross- fürsten, den Herrn der ganzen Welt: Kambueia^ wider Kemi (Aegypten). Da die Völker der ganzen Erde mit ihm waren, so bemächtigte er sich dieses Landes in seiner ganzen Ausdehnung. Er machte alle diese Völker ruhig (ansässig) daselbst , da er zum Grosskönig Aegyptens geworden, zum Oberherrscher der gesammten Welt. Seine Majestät übertrug mir das Amt eines Zahlvogtes; der König verordnete, dass ich überall sein sollte, wo er sich befände, als der Erste der Aerzte und Commandant der Pylone. Es veränderte S. M. seinen Namen in den als Herrscher Ober- und Unterägyptens: Bamesut (Sol natus). Darnach machte man Seine Majestät bekannt mit der .Bedeutung von Sais, welche Stadt die Wohnung der Neith ist, der grossen Mutter die

Abb. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. U

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den Sonnengott geboren (^^ yvtp xal xay&a^^UdTjya?)^ wie der- selbe ein Erstgeborner, Unerzeagter, Selbstgesohaffener ist; ebenso mit der Lehre von der Grösse des Haupttempels der Neith in allen seinen Beziehungen, femer auch mit der Lehre über die (andern) Tempel der Neith und über alle Götter und Göttinen welche daselbst residiren; weiterhin auch mit der Lehre über die Bedeutung des Königspalastes in Hacheb , welcher der Sitz des Grosskönigs und Herrn des Himmels (Osiris) ist ; endlich auch mit der Lehre über die Gröseo des Sudhauses, des Nordhauses, der Tempel des Ra (Morgensonne) und Tarn (Abend- sonne), der Ürstätten aller Götter".

1. sqq. Der seiner Landesgottheit und allen Göttern Anhängliche etc. üzahorsunt, Sohn der Tumartisu, spricht:

„Ich brachte eine Bitte vor bei der göttlichen Majestät des Königs Kambuza, in Betreff der Kriegsleute, welche sich im Tempel der Neith niedergelassen, auf dass sie daraus vertrieben wurden und so die gött- liche Behausung der Neith in alle ihre Rechte wieder eingesetzt wäre, wie sie es vordem gewesen. Seine Majestät verordnete, dass alle Kriegs- völker, die sich im Tempel der Neith angesiedelt, vertrieben, alle ihre Baracken zerstört wurden, sowie Alles was sie in besagtem Tempel errichtet hatten und dass sie heraustrügen [alle ihre Utensilien] vor das Eingangsthor der Umfassungsmauer dieses Tempels. Seine Majestät befahl, dass der Tempel der Neith purificirt und ihm seine ganze ehe- malige Bevölkerung zurückgestellt würde [welche durch die Soldaten verdrängt worden war]. Seine Majestät gebot zu verrichten die heiligen Opfer für die Neith, die grosse Göttin-Mutter , und für die grosse^ Götter, die in Sais residiren, wie es vordem gehalten worden. Seine Majestät ordnete an, alle ihre Panegjrien und Feste zu feiern, wie es vordem geschehen. Seine Majestät ordnete an, dass ich ihn (sie!) bekannt machte mit der Grösse von Sais, welches die Heimat aller Götter ist, die daselbst wohnen auf ihren Thronen immerdar.^'

„Eine Reise ward unternommen durch den König von Ober- und Unterägjpten : Kambuza,' gen Sais. Der König kam selber zum Tempel der Neith; er näherte sich dem grossen und hauptsächlichsten heiligen Platze Ihrer Heiligkeit [der Neith], wie es jeder König zu thun pflegte. Er verrichtete ein grosses Opfer von jeder Art guter Dinge für Neith,

103

die Göitin-Mutter und die grossen Götter, welche in Sals residiren, wie 68 alle wohlgesinnten Könige gethan. Seine Majest&t wollte zugleich, dasB ihm (sie!) bekannt gemacht würde die Grösse Ihrer Heiligkeit der Neith, welche die Mutter des Sonnengottes selber ist'S

(Links.) ,,Der Oberzahlvogt üzahorsunt spricht: ,,Seine Majestät erffiUte alle Gebräuche im Tempel der Neith; er trug Sorge, dass dem Herrn der Ewigkeit (Osiris) ein Gussopfer dargebracht wurde im Heilig- thume der Neith, wie es alle Könige vordem gethan. Seine Majestät wollte auch kennen lernen und erfüllen alle Gebräuche, die ein jeder König in diesem Tempel beobachtete, damit die WQrde dieses heiligen Ortes, des Wohnsitzes aller Götter, beständig dauerte für immerdar.'^

(Rechte Flanke.) Der den Göttern von Sais Geweihte, der Ober- zahlvogt Üzahorsunt, spricht: „Ich stellte die göttliche Religion der Neith wieder her, der grossen Göttin-Mutter, auf Befehl Seiner Majestät, in ihrer ganzen Fülle, für immerdar. Ich versah den Gottes-Dienst der Neith, der Herrin von Sais, mit jeder Art guter Dinge, wie es ein guter Diener seines Herrn thun musste. Ich der ich bin einer der Guten in seinem Lande, rettete ihre (der Neith) Bevölkerung bei dem schrecklichen Unglücke, welches über Aegypten herein- brach, wie ein solches niemals in diesem Lande stattgefunden. Da ich einen hervorragenden Posten bei meinem Herrn bekleidete, so konnte ich die schon Bedrohten erretten/'

(Linke Flanke.) „Der der Gottheit beider Länder Geweihte, der Oberzahlvogt üzahorsunt, spricht: „Ich bin ein Mann der Pietät gegen seinen (sie!) Vater, der Lobpreisung gegen seine Mutter, der seinen Brüdern die Prophetenwürde verschafft hat. Auf Befehl Seiner Majestät habe ich ihnen eine reiche Domäne als vollständiges £igenthum für immer aufgerichtet. Ich habe eine Begräbnissstätte (Familiengrab) bauen lassen da, wo es keine gab; ich habe alle ihre Kinder genährt, ihre Häuser aufgerichtet und ihnen allerlei Gutes erwiesen, wie es ein Vater für seinen Sohn thut. Da ereignete sich das Unglück in diesem Gaue, bei dem grossen argen Unglücke welches im ganzen Lande geschah.^' (Anspielung auf die Verbrennung der Mumie des Amasis in Sais und die Erstechung des heiligen Apis in Memphis

durch Kambyses.)

14*

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jyDer vomehme Chef, der Oberzahlvogt, der Erste unter den Aerzten, der Oberintendant Uzahorsunt, Sohn der Tumartisa, spricht: ^Die Majest&t des Königs von Ober* und Unter&gypten : Darivusoh, des ewig- lebenden, befahl mir nach Aegypten zu gehen, w&hrend Seine Majestät in Elam (üf^y Elymais am persischen Meerbusen) sich befand, als er zum Herrscher der ganzen Welt wurde, zum Grosskönig von Aegypten, damit ich das CoUegium der Hierogrammaten (in Sals) wieder herstellete [und in Ordnung zurückbrächte], was verstört worden war. Ich über* nahm die Sorge für Land *und Leute, von Gau zu Gau, indem ich die Ordnung wiederherstellte in Aegypten nach dem Befehle des Herrn der beiden Länder. Handelnd gemäss den Verordnungen Seiner heiligen Majestät nahm fbh ein Inventar von Allem auf: Die ganze Bevölkerung fand sich bei mir ein und Niemand sprach Uebles über mich, weil ich ihnen zurückgab was die Rechte eines Jeden erheischen [und die Ent» Schädigungen] für alle ihre Arbeiten. Und es befahl Seine Majestät, dass man ihnen alle Wohlthaten des ^"^^x. Ueberschwemmungs-Niles an- gedeihen Hesse, damit sie alle ihre Arbeiten verrichteten. Ich setzte sie in alle ihre Rechte wieder ein und in alle Grenzmarken ihrer Güter, so wie sie sich in den Besitzrollen fanden und wie sie vordem bestanden. Seine Majestät wollte gleicherweise, dass der Glanz dieser Behausung (der Neith in Sais) gewahrt würde und dass man alle Begräbnissfeier- lichkeiten (des Osiris) wieder aufleben machte, sowie dass man die Liturgien aller (andern) Götter in den ihnen angehörigen Wohnungen wieder einführte, dass man ihre göttlichen Opfer darbrächte und dass man ihre Panegyrien feierte immerdar."

Dieser reichhaltige Text befindet sich an einem Standbilde aus grünem Basalte in der Sammlung des Vaticans. Der betreffende Mann hält vor sich ein kleines Tempelchen oder vaog mit dem Mumienbilde des Gottes Osiris. Das ganze ist von feiner Arbeit und mit Ausnahme des Kopfes und der einen Schulter ist Alles wohl erhalten. Schon ChampoUion hatte die Inschrift während seines ersten Aufenthaltes in Rom sorgflkltig studirt und darin die Namensschilder der Könige Amasis, Psammenit, Kambyses und Darius entdeckt. In seiner Grammatik p. 500, 501 sind zwei Sätze citirt und genau übersetzt; ersterer bezieht

105

lieh auf den Feldzug des Kambuza gegen Aegyptqn ; letzterer auf die Sendung des Uzahorsunt aus Assyrien nach Aegypten durch Darius* War somit der historische Charakter der Inschrift dargethan und durch Rosellini in seinen Monumenti storici wegen der Königsschilder weit- läufig, wenn auch nicht selir glücklich behandelt, so fibrigte eine voll- ständige Uebersetzung des Ganzen zu liefern. Dies ist 1851^^) geschehen und zwar von der berufenen Hand des Vic. £* de Rouge, leider ohne die Beigabe des Originaltextes. fiei dem gegenwärtigen Stande der Wissenschaft lässt sich dieser schon leichter entbehren und sind es verhältnissmässig nur wenige Punkte, die noch Schwierigkeiten darbieten. Ich will sie der Reihe nach, wie sie auftreten, besprechen und dadurch meine Abweichungen rechtfertigen.

Der Name des dargestellten Mannes stellt sich so geschrieben dar :

^/^/^AJ^'\

1 ^ Uza-Hor-sunt. De Rouge bemerkt mit Recht: ce dernier

mot represente une demeure du ciel meridional par Opposition avec

mehen '^^ Station du nord. Ces deux demeures ou stations fönt egale-

ment partie des litanies d' Osiris*^). Le sens mystique du nom propre est donc: 1' oeil d^ Horus dans la partie meridional du ciel'*. Ueber die Aussprache der beiden ersten Namensbestandtheile Uz a- Hör kann kein Zweifel bestehen. Dagegen unterliegt der Schluss der Legende:

I ^ einer Beanstandung, weil Brugsch auf Grund demotischer Legenden die verwandte Gruppe -^^ die sonst asu lautirt wurde, durch kemsi

transscribirt. Ich bleibe übrigens dabei, hierin nur eine Sinn-Variante zu erblicken. Denn ffir die Aussprache asu spricht nicht nur der Name ^Aavj, welchen Plutarch de Is« c. 13 als den der Gehülfin des Tvqmv erwähnt ßaaikiaaar «I Al&ionLat; naffoDaar, ijr oyofid^ovaiy Idam. Man sieht, es handelt sich um eine Personification des Südens und wirklich wird c. 39 gesagt: ^ dt avys^og avrov ßaaiXlg Al&iojKav

31) Revne archeoL 1851. p. 36—60.

32) Todtenbaoh cap. 142 obere Reihe Nr. 11 u. 12. An einer späteren Stelle nnseres Textes ist die sunt- und fne^n^St&tte für Süd nnd Nord gebraucht, wie Ri^ und Tum für Ost und West.

AkWVSA

106

alrirrttai nraag voxlovg. In der That erscheint/Typhon unter seinem Namen Nubti COfißog) nicht selten so bezeichnet: f'4^^}^''^^^=^"i^ NubH

neb A'SU^^) y,Nabti der Herr des Südarmes^'. Im Koptischen existirt dieser Ausdruck noch unter der Form ecie elatus, weil der Süden als Oberland

dem Norden als Unterland gegenübersteht. Dieselbe Gruppe -^ asu

bezeichnet aber auch die Priesterinen oder S&ngerinen* z. B. des Amon: es ist diCidi.(T) Chorus, coetus canentium. Die ursprüngliche Bedeutung

der Pflanze 1 gibt Plutarch c. 36 mit den Worten &QV(p ßaaiJJa xal To votior xXifia rov xoofiov y^a^povai, in Ueberein Stimmung mit den

Denkmälern, die auf Schritt und Tritt 1 mit und ohne das Complement für den „König'' (coTTcon dirigere) und in der häufigen Verbindung

resu = pHc auster, meridies wörtlich pars australis fDr den Süden

darbieten. Dasselbe 1 bildet den Schluss der Legende der Stadt Hera- kleopolis: ChennsUj woraus ^tiHc bei den Kopten, Djö Chanes bei den Ebräern geworden ist.

Sprechen somit alle Anzeichen zu Gunsten der Lautirung 1 su^ so

darf doch nicht geläugnet werden, dass die Phonetik der Gruppe 1 '=^ wegen der grammatischen Bildung des Wortes Bedenken erregt. Allein die nämliche Schwierigkeit würde sich bei der Lesung Kema-nt ergeben. Auch für mehent bietet das kopt. Lexicon nur eu^iT, ohne Spur eines Nasals in der letzten Sylbe. Vielleicht liegt nur eine der so häufigen Nasalirungen des Stammes vor.

„königlich'^ Die beiden Begriffe „Süden" und „Oben", also

auch „der Obere'' = der König, fliessen aus einer Quelle und maii mag daher jenes uns beschäftigende sunt zum Unterschiede von suten eigens differenzirt haben. Beschränkt man sich auf die Bestandtheile Uza- Hör, so ist zu bemerken , dass dieser Name auch mit der Umstellung Hor-uza geschrieben, aber wohl stets Uza-Hor lautirt, sehr häufig er-

statt 1

T

A^VWW

83) Wilkinson: Manners and cnstoms pl. 79.

107

soheint» Ich vermuthe auch, däss der Königsname VaoxtoQ der XXI. Dyn. damit identisch ist und keine Verderbniss des später auftretenden Xtooffxoyy darstellt, wie Lieblein^^) annimmt. In meiner Annahme best&rkt mich die gelegentlich der Pianchi-Stele erwähnte Namensform Pi-son- Hor ,,der Bruder d^s Horus (auch Hor-pi-son geschrieben!) die keil- schriftlich in den Annalen des Assurbanipal Pi-sun-churi lautet.

Einer der wichtigsten Titel unseres Uzahorsunt, den De Rouge durch .... als ihm unbekannt bezeichnet hat, ist durch den Pfeil ^t-« und das Gefass o ausgedrückt. De Rouge denkt an einen capitaine des chasses oder einen inspecteur. Aliein es ist sicher die abkOrzende

Schreibung des so häufigen Wortes [l^^^o% ' ^ sunnu Var. n<Öoö v^ ^

sannu coTrtt pretium, und da ,^der Grosse'* vorangeht, so ist dieser Titel mit „Zahlmeister^^ zu übersetzen. Ich neige zur Lautirung sannu also zur Schreibung mit dem Fische für die Sylbe an, weil wir dadurch eines der unserm Texte eigenthüm liehen Wortspiele erhalten. Wirklich

bedeutet H^^Q^ö^^ sannu ^ kürzer ^^ san cd^ein medicus und De

Rouge vergisst bei dieser Gelegenheit nicht zu erwähnen, dass nach Herodot II 129 (lies III 129) Kambyses (lies Darius) ägyptische Aerzte wegen des Rufes ihrer Geschicklichkeit um sich zu habei; pflegte.

Der Titel l"^ rechsulen „Bekannter des Königs**, in Aegypten seit den

ältesten Zeiten einheimisch, war auch am persischen Hofe gebräuchlich; man begegnet solchen avyyayeig rov ßaaiXitog besonders seit Alexander und den Lagiden. Ich selbst habe unlängst in einer demotischen Inschrift

von Hammamat^^) den Titel ^^^^'f |c^S/^^==^c^ '^^^ nffwrcoy (piXü)v ToO &€0v Tov nai^iov für Ptolemäus 1 Lag! in seinem Verhältniss zu dem jungen Alexander II aufgefunden.

Das Wort ''=^J Kabentj mit dem Determinativ JiQ.JiQ.JiQ.> war

Hrn. De Rougö noch unverständlich geblieben ; wir wissen jetzt^ dass es „die Flotte" bedeutet. Auf der mehrerwähnten Stele von Cairo ist

84) „Aegjptische Chronologie** p. 82 and „Die &g. Denkmäler** p. 10.

85) Cf. de Saulcy Revue archeolog. 1845 pL I, 1.

108

Aber Ptolemäus I gesagt, dass er mit vielen Joniem nebst ihrer Cavallerie ton und ihrer .^=^ J^-^ wider Syrien auszog, in das Innere dieses feind- lichen Landes eindrang, wie ein Geier unter die kleinen Vögel; wie er

ni

dann sie alle zumal erfasste, ihre Häuptlinge, Kavallerie, ihre ^^^^ U,

und ihre Schätze all nach Aegypten brachte. Ursprünglich bedeutete Kahen% dessen Spur vielleicht in Koirpoc (Kovros aus Kovn-os) prora erhalten ist, ein Fahrzeug überhaupt, wie ja auch ftd^pd^^e plaustrum und nagivium besagt und das jetzige 9nerkeb der Araber „Schiff'^ das- selbe Wort ist, wie nps^o merkabah, stat« constr. merkabeth das im

Aegyptischen als -%^"'^'^=^ J^ll|^='"^ merkabutha auftritt und entschieden currus bedeutet*

Zu der Stelle der Inschrift, wo die Rede ist von Wiederherstellung der Ordnung und Gerechtigkeit durch Darius, übersetzt De Rouge ,,qu'on leur donnät tous les bienfaits de la culture" bemerkt aber in der Note: „peut-Stre de l'irrigation, le mot "-«^isl mer se prSte b, Tun et ä l'autre sens'^ Ich glaube der Verfasser der Inschrift beabsichtige eine An- spielung auf die Legende rD J^^^ heb't ^e&i aratrum, welche Darius in

einem seiner Thronschilde führt, begleitet von dem Deutbilde o^^), das auch für Länder gebraucht wird. Es scheint also mit diesem „Lande des Pfluges^' Aegypten selbst gemeint und dem Darius in Rücksicht auf seine Fürsorge für den ägyptischen Ackerbau diese Legende in sein Schild eingesetzt worden zu sein.

Von diesem Heb ist wohl zu unterscheiden die Stadt

cheb welche Brugsch Geogr. 1 248 mit der kopt. T€Ke&i oder t^<o6i, acht Stunden nordwestlich von Sais identifizirt. Sie kehrt in unserer Inschrift öfter wieder in Verbindung mit dem Namen von Osiris, der

auch der Gott von 8—^ (Todt. c. 142 mit dem Determinativ der Faust

und der Stadt) genannt wird. Es liegt nahe, hiebei an die von Strabo

36) Revue archeol. 1845 II p. 725 berichtet Prisse d'Avesnes dass er zu Medinet-el-Giahel (= \SL ^^^^ ^>^° fragment de siele faneraire^* gefunden hat, mit der Legende ro jlo nom qui etait le meme que celui de la capitale de la grande Oasis (Hebe)*'.

109

p. 803 oberhalb Saia erwähnte Lokalität ro rov X)ai^i($og äavkoi' zu denken. Vielleicht hatte der Ort seinen Namen Hemaq von einem Gewaltakte y der im Kopt. ^tokmi». rebellio defectio noch eine Spur hinterlassen hat und steht vermuthlich in Beziehung zu der Verfolgung des Osiris durch Typhon. Es ist hier nicht der Ort, auf die düstere Feier des Osiris in Sais näher einzugehen; Herodot II, 62, 170, 171 bietet das Nothwendige.

Die Gaumünzen^^) von Naukratis, das zum saitischen Nomos gehörte, zeigen „un culte d'Horus'^ wegen des darauf vorkommenden Sperbers und einer bärtigen Schlange«

Es konnte auch nicht fehlen, da er inschriftlich sowohl als Har- uer „Horus der Aeltere" als in seiner Eigenschaft als Har-pu khrat Id^nox^axTig „Horus das Kind" in Sals verehrt wurde. Das Gleiche gilt von der Isis. Auf dem Sarge des Petisis zu Berlin heisst sie „Isis- Sothis die Grosse im göttlichen Hause von Sais^'. Sie spricht im hiera- tischen Papyrus der Nainai^^) zu ihrem Gemahle Osiris: „0 du Gott An

j| ^, komdie zur Stadt Sais, denn der saitische heissest du; komme zur

Stadt Aper, dass du schauest deine Mutter Nit."

Dass diese Isis hinwiederum mit der Neith zusammenfloss, ist nicht zu verwundern. War sie ja doch die Mutter des Horus, wie Neith die Mutter des Ra, und zugleich des Osiris, des nächtlichen Sonnengottes* Die Griechen identifizirten bekanntlich die Neith mit ihrer liStjyTj, wozu das Weberschiffchen x>(, der libysche Pfeil und Bogen Anlass genug boten. Sie betrachteten den Namen palindromisch, gaben ihr auf den Ganmflnzen sogar die Eule als Attribut und leiteten Athen sowie seine Benennung äarv aus dem Aegyptischen ab^^J. Wirklich gab es in der

Umgebung von Sais einen Ort n i Astu-Üa, „Sitze des Sonhengottes^^^

dessen Bewohnerin „Neith die grosse, die göttliche Mutter ^^)^^ genannt wird. Indem uns der Text des vaticanischen Standbildes die Einweihung

87) Cf. Jacques de Rouge: Monnaies des nomes de l'Egypte p. 64.

88) Cf. de Horrack: les lamentations d'Isis et de Nepbtbys.

39) Diodor. I 28.

40) Texte von Edfu: Dümichen Recoeil III pL 67, 89.

Abb .d. I. Cl. d. k. Ak d. Wiss. XIII. Bd. III. Abtb. 15

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des Kambjses in die Mysterien der Neith zu Saia mittheilt, macht er uns plötzlich mit einer Thatsache bekannt, die man nach dem classi- scheu Renommee dieses Königs nicht hätte erwarten sollen. Auch seine Willfährigkeit, die persischen Soldaten, welche sich in dem heiligen Tempelraume daselbst häuslich angesiedelt hatten, wieder zu entfernen, steht mit seinem Wäthen gegen den Apis und die Tempel überhaupt in grellem Widerspruche. Allein der oben schon berührte Umschlag seiner Gesinnung ist durch den Misserfolg der äthiopischen Expedition sowie die als Schadenfreude aufgefasste Festlichkeit in Memphis wegen eines neu aufgefundenen Apis hinlänglich motivirt, ohne dass man nöthig hätte, mit den Gewährsmännern des Herodot III 30 zur Erklärung seiner Wuth einen als Strafe für seinen Frevel gegen den Apis über ihn verhüngten Wahnsinn (i/uayr]) anzunehmen. Auch unser Text ge- denkt, wenn auch nur allgemein und in verblümtem Ausdrucke, der über die Tempel Aegyptens durch Kambjses herbeigeführten Katastrophe. Uzahorsunt rühmt sich dass er die Tempelbevölkerung der Neith von Sais rettete „bei dem entsetzlichen Unglücke, welches hereinbrach über Aegypten" (rechte Flanke), ebenso, dass er für die Mitglieder seiner Familie väterlich gesorgt habe im Leben und im Tode; dann fährt er fort:

„da das Unglück geschah in diesem Gaue, bei dem überaus grossen Unglücke, welches geschah im ganzen Lande'^ Der von Uzahorsunt geleistete Schutz kann sich nicht auf die erste Anwesenheit des Kam- bjses bezieben, wo dieser sich für die Mysterien der Neith interessirte und die Bitte der Tempelbe Völker ung wegen Entfernung des Kriegs- volkes erhörte, sondern es muss hiemit das Ereigniss gemeint sein, welches Herodot III 16 folgendermassen erzählt: „Von Memphis kam Kambyses nach der Stadt Sais in der Absiclit auszuführen was er denn auch wirklich ausfährte. Nachdem er nämlich in die Behausungen des Amasis eingetreten war, liess er die Mumie des Amasis herausschaffen, geissein, ihr die Haare ausraufen, sie zerstechen und überhaupt misshandeln, endlich weil der einbalsamirte Körper der Zerstörung widerstand, ruch- loser Weise verbrennen etc.'^ Dies geschah nach der Hinrichtung des Psammenit, den er anfangs geschont hatte. Was er dem Apis in Memphis

111

anthat, erzählt Herodot III 27 30; ich übergehe es hier, weil ich es oben schon besprochen habe und es ohnehin bekannt genug ist. Von Ptah weiterhin. Wenn ich den Kafxftvamg oben von der Ver- stümmelung des Memnon freigesprochen habe, so ist dieses aus dem guten Grunde geschehen, dass dieses Sitzbild erst später, unter Augustus^^), durch ein Erdbeben zerstört wurde. Aber die Zerstörung und Plün- derung des x^vaovs xvxlog im Ramesseum von 365 Ellen legten ihm die Gewährsmänner des Diodor I 49 mit grösserer Wahrscheinlichkeit

zu Last, da die Legenden des grossen Ramses f iM^^ || Vesu-ma-nuti-ä

wirklich den Namen Xjav-/ica-v^v-a-g ergeben, wie ich schon früher*^) vermuthet habe. Auch meldet Plinius : hac admiratione operis effectum est, ut, quum oppidum id (Solis urbs . . . . D gressus inde ubi fuit Mnevidis regia) expugnaret Cambyses rex, vontumque esset incendiis ad crepidines obelisci, exstingui juberet, molis reverentia, qui nuUam habuerat urbis. Wir hätten also jedenfalls Zerstörungen des Kambyses in den drei Hauptstädten Aegyptens: Theben, Memphis und Heliopolis (Apis und Mnevis) und ausserdem die der Mumie des Amasis in Sais zu constatiren. Unser Text der vaticanischen Statue sagt also nicht zu viel, wenn er ein entsetzliches, haarsträubendes Ereigniss in Sais neben einer allgemeinen Katastrophe meldet^ die Kambyses über das ganze Land gebracht. Denn jeder Gedanke an ein Naturereigniss ist durch den Zusammenhang des Textes ausgeschlossen. Dass sich der Verfasser des Textes nicht deutlich, sondern nur allgemein und verblümt aus- drückt, liegt in dem Umstände begründet, dass zur Zeit der Abfassung die persische Herrschaft in Aegypten factisch und zu Recht bestand, also eine gewisse Schonung der Dynastie und Zurückhaltung des Un- muthes geboten erschien«

Diese eigenthümthümlichen Verhältnisse müssen gehörig erwogen werden, wenn man den folgenden (neuen) Text aus der Regierungszeit des Kambyses nicht bloss in dem Mitgetheilten verstehen will sondern auch in dem, was so zu sagen zwischen den Zeilen zu lesen ist.

41) Letronne : La statue vocale de Memnou.

42) Der Hohepriester und Oberbaameister Bokenchons Zd. DM6 1863.

15

112

Der neue Kamby ses-Text von Hammamät.

(Wörtliche üebersetzung.)

lin. h „Der gnte Gott: Ra-sechem-uot-chau „Sonne, mächtige, frisch an (Kronen) Aufgängen^'.

2. Sohn des Sonnengottes: Kambuza, der beständig und ewig lebende,

3* des Set, Herrn der Set- Länder, Liebling, der ewig mit Leben bespendete :

5. Der König, der Erhabeue, kam zu dem Bau, welcher enthält den grossen Gott, (und) es sah gnädig an

5* der Set das Nsa von Gaben des

6. Oekonomen dieser Ba-Stätte (Steinbruch): Ran-seneb-(ka) Sohnes von Ranseneb dem seeligeu

7. [und seiner Mutter, der Herrin] des Hauses: Sit-iu-seneb. Er war Set-Priester aller heiligen Bauten des Tempels von Chonsu,

8. [dem Planausführenden] Oekonom (Verwalter oder Haus* Intendant) des göttlichen Hauses von Ptah, dem seiner Sfldmauer

9. [dem grossen Gotte und Mittelpunkte] von Hatptahka (Memphis) Oekonom dieses Hauses von Set dem Grossen

10. [an Tapferkeit. Es wurde] Ranseneb Gefährte (Freund^ eigent- lich „Wärter'') des Königs an jedem Orte; er wurde Sendbote

11. [mit seinen Aufträgen]. Er wurde Oberaufseher der Expedition (und) Inhaber des Prachtstabes der Gerechtigkeit (der Elle?). Es machte

f2. der König, der Erhabene, den Ranseneb zum Intendanten des Insiegels und des Schreibwerkzeuges,

13. zum Intendanten der Rebenpflanzung im Garten des Königs, des Erhabenen. Es fand das Wohlgefallen

14. des königlichen Antlitzes die Lobeserhebung dieses göttlichen Hauses, des ersten (vorzüglichen) der Bauten des Intendanten der Sarkophagslätte".

Bevor ich zur- Erklärung dieses sonderbaren Textes schreite, den ich auf der Tafel nach Lepsius getreu wiedergegeben und in deutliche Hieroglyphen transscribirt habe, ist es unumgänglich noth wendig, den Beweis zu liefern, dass sich derselbe wirklich auf Kambuza bezieht.

11»

Die Strasse von Qosseir bildet bekanntlich die Verbindung zwischen Koptos am Nil und denoi Hafen Leukos Hormos am rotben Meere. Es bestanden hier 8 Stationen oder Wüstenbrunnen, inschriftlich vd{f€Vfiara genannt, ungefähr der Zahl der Reisetage entsprechend. Der ithy phalli- sche Gott Khem von Chemmis, den die Griechen als Pan auffassten woher auch der Ort Panium auf der Wüstenstrasse von Edfu nach dem Smaragdberge und Berenike - wird gewöhnlich als evoSog bezeichnet und gefeiert, weil er die Reisenden auf dem gefährlichen Wustenwege zu beschützen schien. So z. B. schreibt ein gewisser Aeschrion aus Thracien: Evkoycj zw EvoiSov &f6v. Zwei Soldaten Julius und sein Kamerad Djdimas machen ihr Tiffooxvyrjfia dem &e(p ITavl, (ki evtlaxog ifiBiv (lies fijMv) yiyovf, so wie am vif(f€v/j,a von Panium ein gewisser EvtUSag seinen Dank für Rettung aus den Händen der Troglodyten ausspricht: awS^üg ix T(Hoy(i.)o<fvTwy.

Wegen der Ausbeutung der Steinbrüche und Bergwerke dürfen Titel wie folgende nicht befremden*^): (neTakXaQxV^ Zfia{fdinov KaaLov Ma(}xa(}lTov xal kazofiiSv navTiav OT()aTiünai i^fyo^orr^g axXr]()ov(fyog i€(foykv(pog aidri{fav{}yog dkaßaav(fiyr]g innevg laT(}6g Xc^hcorvjiog.

Diesen Umständen verdankt man die grosse Zahl historischer In- schriften, da die Könige theils wegen ihrer Verdienste um die Her- stellung der Strasse, theils als chronologische Symptome daselbst er- scheinen. Als ihr Vorbild sieht man „Horus den Sohn der Isis, den Ersten und Grossen, den Herrn des Himmels'' als Khem von Koptos in ein Schild eingeschrieben. Die Namen der Könige Assa (Tatkera V. Dyn.) Pepi (Phiops VI. Dyn.) Sanchkera (XI. Dyn.) werden dort

getroffen. Ein Proskynema des Königs ^f^CG-^=::^^^j Ra-neb-toui „Sonne

Herr der beiden Welten^' mit dem Hauptnamen Mendhuhotep ist datirt vom Jahre 2, Monat Phaophi, Tag 3. Da auch seine Bannerdevise und sein Geier- Uräus Titel ^^ lauten, so ist es mir sehr wahrscheinlich, dass die Legenden die Veranlassung boten, dem Darius in der oben erwähnten nnd noch weiterhin zu besprechenden Inschrift denselben

43) Letronne: Recueil des inscpipt. grecq. II 239—256; 420—466.

114

Thronnamen 0^==^^^ zu geben. Von den späteren Königen, deren Namen an den Felsen der Qosseir-Strasse '^*) zu lesen sind, muss ich hier die Schilder und Legenden des Sebake^nsaf besonders hervorheben, weil diese offenbar das Prototyp bilden fär die sonderbare Gestaltung des Namens des Kambuza, die ich oben bereits als dritte Variante den beiden bishei'igen zugesellt habe. Der am Uräus kenntliche König bringt dem ithy- phallischen Khem in zwei Vasen o ein Trank- oder Gussopfer dar. Der Gott hat den Titel ^^^^ wer set chen „der Grosse des Binnenlandes oder Gebirges". Der König heisst dessen Liebling -'^^x.lJH meri und es

wird der Wunsch angefügt A ■¥•, dass er ..,mit Leben begabt*' sein möge ^ (Var. für oj ^^) gleich der „Sonne" '^T^ „immerdar". Die Schilder

des Königs repräsentiren sich so: Tiroölsili j^^ T'?«^ ^k *^**^ J

Ra-sechem-uot-chau Sebakemsa f ^^). E's ist offenbar, dass dem Schreiber des Kambjses-Textes diese Schilder als Vorbild oder Veranlassung für seine Arbeit vorschwebten, da er minutiös sogar den Titel nuter nefer „der gutej Gott" dem Thronschilde voranstellte. Nur wählte er statt

der Schlinge -°J**4* ^^® Variante und {lomophone y, die gerade in dem

Namen des Sebakem^af ebenfalls vorkommt und machte aus dem Kerast, nebst dem flüchtig geschriebenen Pluralzeichen iii k«^ die Gruppe '^^

nsa = za, weil er eben Kam-hu-za herausbringen wollte. Um dieses za bewerkstelligen, musste er dem Krokodil Sebak, das den Namen des Königs der XII 1. Dynastie: Sebakemsaf anlautet, mit Hinzunahme der

Präposition ^v m, <iie Lautung Kam substituiren und dieses ergab

sich unmittelbar, weil das hieratische Krokodil dem hieratischen Vogel A^ ganz gleichgebildet erscheint. Er musste aber auch dem Zeichen

Y sa die Lautung hu abgewinnen. Dies that er, weil jv husa eine

44) Cf. Priese: Monn. egypt. pl. VI— VIII.

45) PI. VI, 7. PI. XVir lautet die Formel "^'l^QQ*^^ „lebend gleich dem Sonnengotta

immerdar". 46) Cf. Tafel I, III, Illa.

115

80 häufige Verbindung ist, dass De Rouge ^'') noch in seiner gründlichen

Arbeit über die Stele des Exorcismus dem Zeichen v und der Schlinge

die Lautung hes (nach seiner Methode ves) beilegte. So umschreibt er z. B. den Namen Sebahemsaf p. 133 note mit Sevekemvesw.

Ich hätte es übrigens nie gewagt, das betreffende Schild der Felsen- inschrift von Hammamat auf Kambuza zu deuten, wenn nicht die so- gleich zu besprechenden Wortspiele mit den drei Sylben Kam, hu und nsa = za, meine Hypothese gleichsam aufnöthigten. Ehe ich dieses durch die Analysis näher begründe, muss ich einem Einwurfe begegnen, der mir gemacht werden könnte ja eigentlich müsste, weil er sich gleichsam von selbst aufdrängt. Man könnte nämlich fragen: Wie kommt es, dass hier dem Kambuza ein ganz anderer Thronschildname beigelegt ist, als auf der Statue des Vaticans, wo er Bamesut Sol natus genannt wird? Meine Antwort lautet: Es liegt hier der ganz gleiche Fall vor, wie bezüglich des Thronschildnamens von Darius. Während

dieser sonst ^\^( (1^^^ J^iO S '•«^r. J Meri Amon-ra Hebt vesur

chopsch „Liebling des Amon Ra vom Heb-lande, der Siegreiche" lautet,

treffen wir in Hammamat den einfacheren To^^z^^^ j Ra-neb-toui „Sonne,

Herr der beiden Welten". So wie für diese letztere Wahl die Nach- barschaft des Thronschildnamens von Mendhuhotep der XI. Dyn. mass- gebend war, ebenso gut konnte für Kambyses statt Kamesat der Vor- name Ra-sechem-vot-chau vom Könige Sebakemsaf der XIII. Dynastie eingesetzt werden, sei es, dass die in der Wüste abgesondert lebenden Textverfasser von dem offiziell bestimmten Thronnamen keine Kenntniss hatten, oder anderweitige Absichten mit ihrer speziellen Wahl verfolgten. In unserm Falle scheint letzteres angenommen werden zu müssen, weil der Verfasser des Textes, ein hoher Würdenträger des Kambuza selbst, die offiziellen Namen seines Herrn wissen musste. Dass er dessen un- geachtet einen ihm eigenthümlichen Weg einschlug, bildet gerade ein Hauptinteresse dieses Textes, da die sonderbare Art der Namensadaptirung

47) £tude Bur une stele egypt. pag. IIO-ISÖ.

11

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117

dem RQckentext des Bokenchons col. 6 Li^^ Kamu geschrieben wird, eine Anspielung auf den ausländischen König Kain(buza) sein, weil dieser

Pfahl 1 das beständige Kennzeichen der Fremdvölker ist, und er auch in der oben erläuterten Gruppe qam{h) angebracht ist.

Noch deutlicher spricht die eigenthümliche Einführung des tjpho- nischen Gottes Set in unserm Texte für einen asiatischen König. Wir haben oben gesehen , dass der ithyphallische Gott Chem von Koptos und Chemmis an der Strasse von Hammamat als ^^^^ uer set chen ,, Grosser des Binnenlandes oder Gebirges^' bezeichnet wurde. Die Lautir-

und set für h^^ ist durch die häufige Legende ^ set über allen

Zweifel gesichert, wie ich schon früher in einem Artikel ^^j über die

Gruppe \^ ^ Setmati unwiderleglich dargethan habe. Ich bediente mich

dabei unter andern auch einiger Legenden am Sarkophage des Königs Set(o8ch)i I Meneptah^^), wo diese Gruppe unmittelbar neben der rein

phonetisehen \\ Amenti li/tiav&Tjg vorkommt, zum deutlichen Be-

I AAAAAA v^B^^i^

weise, dass beide nicht identisch sein können. Bekanntlich gibt es drei

Hauptvarianten des Königsnamens Seti t|, Ci und td, denen sämmtlich

ein ableitendes i: J\J\ angefügt wird, um wie ich glaube Setuchi Sutechi = 2£&oig, 2i&(joaig zu ergeben. Von Wortspielen mit diesem Namen

sind mir daselbst folgende aufgestossen : 0«^^""^ setau, Olk aeda,

n^iA seti, dÄj setu. Der Name des Gottes Set selbst ist entweder

9; n^ mit dem Deutbilde des Steines oder 1^11 suti mit dem Deter-

amD ' I (miii t\\ v

minativ des Feuers (cä.t€ ignis), oder in den Ampliativformen 1 ^ J) suten (an Satan erinnernd) oder Yl Sutech geschrieben. Ich übergebe

hier die mancherlei Deutungen und Herleitungen dieser Namen z. B. aus dem Semitischen; nur kann ich nicht verschweigen, dass mir ccht infra die Urbedeutng zu enthalten scheint, weil die Polarität der beiden

49) Zeitschrift f. aeg. Sp. 1866.

50) S. Sharpe : the sarcophagus of Oimeneptah.

Abh. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 16

118

Götter Horus und Set-Typhon seit den ältesten Zeiten stets wiederkehrt und Horus in €^pd^i super supra sein £tymon hat. Auf dem Sarko- phage des Königs Sethos I pl. 1 3 steht eine Figur mit dem Kopfe eines Sperbers ^ und des typhonischen Thieres ^ zugleich, mit der Legende

K.-^ hra-f snau ,.sein Gesicht ist doppelt" oder „der Zweiköpfige". In

einem Leydener Pap. (dem sogenannten gnostischen) hat der Gott mit dem Kopfe des typhonischen Thieres in jeder Hand eine Lanze oder Pfeil {c^'^ sagitta) und auf der Brust den Namen cne^, welcher im Contexte als Bestandtheil der Gomposita z. B. &o^^o-cHe^ wiederkehrt. H. Pleyte^^) hat in einer Monographie sowohl die Legenden als die Darstellungen dieses Gottes gesammelt. Darunter befindet sich auch eine, wo Set mit menschlichem Kopfe erscheint^ nur dass zwei aus dem Hute hervorstechende Hörner seine eigentliche Herkunft aus ^ leise andeuten. ^Wie dieser Gott, nach dem sich Könige wie Sethos benannten, dem Tempel und Priesterthümer gewidmet waren, in Misscredit gerieth, so dass seine Figur sorgfältig und consequent ausgemeisselt wurde, habe ich in meiner Abhandlung über die Pianchi-Stele ausfuhrlicher erörtert und H. Pleyte's Ansicht, dass diess während der XXVI. Dynastie ge- schehen sei, dahin präcisirt, dass die Invasion der .Assyrer, die Theben plünderten und zum Theile zerstörten^ diese Ausmerzung des Set ver- aixlasst habe.

Obwohl in genealogischem Zusammenhange mit dem ägyptischen Pantheon denn Seb-Nut (K(}6yog 'Pea) sind seine Eltern und Nebt-^*)

51) Sur quelques monuments relatifs au dieu Set.

52) Vielleicht nur wegen seines so häufigen Beinamens nSSTx jl O Nuhtif woher ^Ofiftog =

Kum Ombo. Diese und die rein phonetische Schreibung aa^/wv U Vk *) nebed ist im kopt. ticft^

implexio filorum erhalten. Aus dem Begriffe des Flechtens ergibt sich wie im lat. plectere der des Fesseins. Daher ist Set-Nubti wohl als der «^Gefesselte'* zu fassen. Die Rosettana Übersetzt

^.pSS^ durch i^e(»rf^oc d«Ti7raXot;(-iüi^) und Plutarch de Is. cap 50 hat imioynoxd(jLioy {Tv^^ya)

^9p' ov ßißfißfy li Qtt^» Vergl. I) auf *^^ im Nomoswappen von Deuderah: alle drei Darstell- ungen bezeichnen den Sieg des Lichtes und der Wahrheit über das Dunkel und die Lüge.

•) Cf. Dümichen Histor. Ins. Taf. XXXVI col. 28 : '^'^'^J'^^t^ ^^ ^^^^^ Sohn ^ar Nut

119

but die Schwester von Osiris und Isis wird ihm als Gemahlin beigegeben galt Set-Sutech doch vorwiegend als Gott des Auslandes, beson- ders Asiens, und geht desshalb dem U ^^ Balu ^£3 parallel, der

sogar identisch determinirt erscheint. Dabei wird seine Figur immer durch eine grellere Farbe unterschieden. Auf der Stele des Sebeka in der Münchner Glyptothek, die sonst keine Spur von Bemalung zeigt, hat das typhonische Thier welches als Name zweier Sclaven verwendet ist, allein eine hellere Tiöte, die offenbar eigens in die Vertiefungen der Umrisse eingesetzt ist. Auch Plutarch de Is. bestätigt, dass ^tjS- feuerfarbig nv^^og, 7iv(fQ6x(}ovg dargestellt wurde und dass man typhonische d. h. rothhaarige Menschen d. h. wohl Ausländer, verbrannte und ihre Asche mit Wurfschaufeln in alle Winde zerstreutet^).

Im Papyrus Sallier 1, wo der diplomatische Verkehr des Königs Sqenenra {JSoixovvig) mit dem Hykschos Apophis erzählt wird, heisst

es in Bezug auf letzteren: „er erwählte sich den Gott Sutech j^ zum

Herrn ; er diente keinem andern Gotte von denen, die im ganzen Lande (Aegypten) sind; er baute dem Sutech allein einen Tempel von schöner dauernder Arbeit zur Seite seines eigenen Palastes (in Ha-var Ava(figy^. In dem Friedensvertrage des Ramses Il-Sesostris mit dem Chetakönige Chetasar , trifft man als Garanten auf Seite des Ausländers fast nur den Sutech.

Das typhonische Thier wird schon in ägyptischen Texten häufig mit» dem Esel verwechselt. Daher rührt wohl die Bezeichnung des Artaxerxes Ochus als byog; daher die fälschliche Angabe des ägyptischen Schriftstellers Apion, gegen welchen Flavius Josephus schrieb, dass die Juden in Jerusalem einen Esel verehrten; daher endlich die bekannte in dem Kaiserpalaste zu Rom gefundene und jetzt im Museo Kircheriano befindliche Darstellung eines gekreuzigten Menschen (Gottes?) mit Esels- kopf und der Beischrift: l4Xe^afi€yog aeßsxe (oeßerai) &eoy.

Kehren wir nach dieser Abschweifung zu der einfachsten Schreibung f" set zurück, so belehrt uns die Variante ^ ^^ dass damit der

53} Cf. Diodor I 88.

16*

120

glatt zugehauenene Stein ursprünglich gemeint war, oder das glättende Instrument, vielleicht in coTqcq ascia „Zimmermannsbeil dolatorium, HobeP', erhalten. Es ist wahrscheinlich; dass die Benennung /xdxaifHx ,, Messer '^!5>^", welche dem Ochus neben dem „Esel*' eignete, wieder nur auf Set als Gott des Auslandes Bezug hatte.

Betrachten wir nun, so vorbereitet, unsern neuen Kambyses-Text vonHammamat. Der König Kambuza wird darin lin. 3 genannt: ,, Lieb- ling /Jm „des Dnnin ^ Seb neb setu „Set des Herrn der set-Länder**. Das Wortspiel ist nicht zu verkennen. Zugleich zeigt aber die sonder- bare Schreibung ^^ , wozu allerdings in den Varianten c^^^ und ™i

eine Vorstufe gegeben ist, eine gewisse Scheu, den Set geradezu zu nennen, etwa so wie die jetzigen Orientalen den Namen Scheitan (Satan) nur im Afifecte aussprechen, sonst aber vermeiden. Aus der abkürzen- den Schreibweise erklärt sich auch die Localität lino mit welcher der

Gott Set so oft verbunden wird : es ist nichts anderes als eine Variante zu "^1^1 setu „die Berggegenden". Sowie nämlich das Pronomen

promiscue —^0 = s und , fl^ = st^^) lautet und man z. B.

statt K^ setzt, so ist in unserem Falle flin statt [1^ und für tv^

das Stadt- oder Landzeichen o gewählt. Das Wortspiel setzt sich in der nächsten Zeile fort, indem das erste Wort suten ,^König" dem diese Lautung eignet und wegen des unmittelbar folgenden tennu ,,der Er- habene*' gewiss zukommt, hier zugleich lautlich und begrifflich eine An- spielung darstellt^ indem ja, wie ich oben erwähnt habe, I 3 suten ebenfalls eine Variante für Set bildet.

Die nächste Zeile beginnt wieder mit dem Namen des Gottes Set, diesmal mittels des Schakales '^ dem die Lautung set mit oder ohne

Schlinge ^ um den Hals häufig zukommt ^^), phonetisch ausgedrückt und determinirt durch das typhonische Thier, das vielleicht nicht un- absichtlich die Gestalt des Esels erhalten hat sowie durch das Deut-

54) Daher auf der Pianchi-Stele das Wortspiel n^^^^-^ÄZz^^-s^-:^ sed aeset „rücken den Riegel**.

55) Cf. Brugsch lex. p. 1331.

enthält sicbtlioh einen Parallelismus zwischen Nebed = rsn^ und Set

121

bild des Gottes ^, wodurch jeder Zweifel über den Sinn der Gruppe gehoben wird. Todtb. c. 144, 16/17 /l^rTN^Ij^^:::^-:^^}^— J-^

(cToi aroma). „Er hat Wohlgeruch an sich ; nicht erreicht ihn der Nebed. ^^ In der neunten Zeile begegnen wir dem Set noch einmal in der Ver- bindung n^ ^ n^'**^riJiJj ^jSitz dieser des Set, des grossen (an

Tapferkeit)'^ Es handelt sich entschieden um einen Tempel des Set und desshalb ist auch die Stelle lin. 4 „der König, der Erhabene, kam

zu dem n /L |^*^ Orte welcher enthält den grossen Gott" auf den

Tempel des Set zu beziehen. Ebenso der Passus der vorletzten Zeile „Es fand das Wohlgefallen des königlichen Antlitzes die Lobpreisung

des "IcTD® I. göttlichen Hauses". Fragen wir, wo dieser Tempel des Set

gestanden haben wird, so liegt die Antwort nahe, dass derselbe in un- mittelbarer Nähe des Steinbruches gesucht werden dürfe, in welchem unsre Inschrift sich befindet. Abgesehen von den ofiTiziellen Namen Sethos etc. und dem Titel „Liebling des Sutech (von Havar)'*, „Opfer dem Sutech aa pehuti (wie ich den Anfang der Zeile 10 sicher ergänzt habe), die in der Blüthezeit des ägyptischen Reiches nicht selten vor- kommen, gab es auch eigentliche Tempel des Set ausserhalb Havaria und nicht bloss in der Hykschoszeit. So wird ein gewisser Nefermennu trotz seiner Anhänglichkeit oder Pietät für Osiris „Schreiber der gött- lichen WohniTng des Set (Sutech)" genannt: ß'lQVS^^^* ^^ ^^^^' ^^* der Zeit des Philopator, werden neben dem „Widdergotte von Mendea dem ersten seiner Brüder*', ,,dem Harschafi ^A^a^prig) von ,Herakleopolis*%

„dem selberschaflfenen Bennu", „dem Menhi und Aqu** vier H Set bei- gefügt, nach den Städten ünnu (Hermopolis), Chennu (Silsilis?) und den beiden Ländern ^^(g Utiu und dem Gau von t^rJl/i Meru benannt. Letzteres ist nicht Meroe wie man früher annahm, sondern eine Be- zeichnung der Berggegend ^"^j, von Brugsch lex. p. 675 passend mit

66) Pleyte bl. pl. II, 4. Cf. Prisse Monn. pl. XXVII, Stempel. 57} Cf. meine Abhandlung: üeber altägyptitohe Musik S. 575, 10«

122

dem ebräi sehen (<i^p vallum, agger zusammeDgestellt. Was die Bedeut- ung des ebenfalls durch das gebirgige Land determinirten Wortes Utiu betrifift, so wissen wir, dass es Wein producirte; es ist indess wahr- scheinlich, weil der Mumiengott Anubis und die Einbalsamirer ihren Namen uti (ot ligare) davon haben, dass auch dieser Ausdruck Utiu nur das Hochland als Todtengegend bezeichnen sollte. Hiemit steht in Uebereinstimmung die Angabe Plutarch's de Is. c. 33 Tv(pdiva näy TO avx/^TKfor xal nvQÖjÖBg xal ^(favrixbv oXiDg xal nolefiioy rfi vyffatrjri (xaXovaiv)^ sowie oie Schlusslegende von Edfu: „Dies sind jene grossen

und heiligen Götter a^^v^^ auf dem Hochlande ; sie gelten als die herr-

lichen Geister der Kinder des (Sonnengottes) Tum'^ Dass der Cult des Set bis in die letzten Zeiten des ägyptischen Reiches unter einheimischen Dynastieen fortdauerte, dafür liefert mir, ausser andern Denkmälern und Urkunden, eine Steinbruch-Inschrift^^) den vollgültigsten Beweis. Sie ist an einer Felsen wand angeschrieben und trägt das Datum : „Jahr 1

des Königs Tra^^^^^ Hagaur = "Ax(o(}ig der XXIX. Dynastie also

393 V. Chr. Sie besagt aber nicht, wie Brugsch übersetzt „un proscy- nöme fait devant, le dieu Thoth et la grande deesse ...?... et devant, le graod dieu Min (?)'^, sondern eine ganz andere Triade ist gemeint. Um von dem sichersten Theile auszugehen, ist es offenbar, dass die letzten Gruppen dieses demotischen Textes nur, wie ich gethan habe,

mit ^^'"''^^ ^ H |r^^*^ ni meto Set pe nuter ao „(Proskynema) vor Set,

dem grossen Gotte^' transscribirt und übersetzt werden können. Die diesem Gotte vorangehende, durch die beiden Augenbrauen bezeichnete

Göttin ^ ist keine andere, als , ^"^v^-^^ oder ^^ Smeti, eine Form

der Hathor, wie man schon aus der Legende ^^^^'^^^^^^'^=^10^^)

„Hathor die grosse, die Herrin von Smeti auf ihrer Uot-Pflanze^' ersieht. Dazu kommt, dass in Esneh folgendes Proskynema angeschrieben steht ^^): nXcLTiov "EQjjLiovog i]xaj na^a z^y fisylaxrjy &eav lEfii&iv. Es ist dies

58) Siehe Tafel, IV ; cf. Brugsch Recueil I pl. X No. 10.

59) Brugsch: Recueil III pl. 72, 19. i

60) Letronne: Rec. des inscript. grecq. Atlas pl. XXIII No. CLXIX.

123

nicht eine Gräcieirung der Göttin 1 Ju. Subent (auch Nebent und so- gar Nenesch lautirt, obgleich die Variante r^ L^O f^v Subent spricht^

(wohin auch der Name irey-aovay-ig führt) sondern JS/LiL&ig ist keine andre als Hathor. In dem gnostischen Papyrus von Leyden erscheint öfter das demotische Wort smeti von dem Deutbilde der Molecüle, oder wie oben, von dem bewimperten Auge ^^ begleitet. Es" ist dieses smeti das ins Griechische übergegangene a/ni&ioy, womit bekanntlich die Augenschminke bezeichnet wird. Da nun arißij stibium arififii CTHM, ceHM antimonium collyrium und im Aegypt. ^^ mit vielen Varianten in derselben Bedeutung vorkommt, so ist es wahrscheinlich, dass smet und stem blosse Metathesen desselben Stammes sind« Wie Hathor, die Göttin der Schönheit und des Liebreizes, zu der Benennung SfiiS-K; kommen mochte, ist leicht begreiflich. Ich werde sofort ein kleines Denkmal besprechen, dessen Inschrift uns hierüber vollständig aufklärt. Es ist jene von Wilkinson^^) und Andern mitgetheilte Dar- stellung, auf welcher in Form eines Triangels eine ägyptische Triade erscheint: rechts sitzt der sperberköpfige Sonnengott mit dem Scepter

I in der Linken, dem Lebenszeichen y in der Rechten; links (vom

Denkmale aus betrachtet) eine Göttin mit Froschkopf worüber ein

Discus mit Uräus, in den Händen T und -r-. Ueber beiden schwebt

als drittes Mitglied der göttlichen Triade eine geflügelte Schlange mit

Discus auf dem Kopfe und •¥• in der Windung. Der Avers zeigt folgende

deutlich geschriebene griechische Inschrifti die ich zur grösseren Deut- lichkeit in die einzelnen Wörter trenne und mit Accenten nebst Spiritus

versehe :

Elg Bäh elg, li&(OQ fiia rwy Bia, elg '!t4xo)^i'

Xai^e nan^ xoofiov, /atp« r^ifio^e &eog.

Die drei Gottheiten Batr, ji&w^ und ^jixo}(fi stehen als Angeredete gerade so im Vocativ, wie nazeif und r^ifio^q>e &€6g. Die Stellung des

61) Lepsias Denkm. IX, IV, 82 unterhalb der Schilder des Nerva bei den Namen anderer Götter und Göttinen.

62) Manners and customs I 232.

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fiia hinter li&w(}^ während elg vor 'jixm^i steht, würde am Anfange des Hexameters auch die Bezeichnung gestatten : Elg Bah elg statt Elg Bah dg d. h. „Einer Bait bist du" statt „Bist, Bait, Einer, Hathor eine (der) ß/a, einer Akoris" „Gruss dir du Vater der Welt, dreifachgestalteter Gott". Der die bevorzugte Stelle zur Rechten des Denkmals einnehmende Gott ist jedenfalls Bdh^ die koptische also jedenfalls ziemlich späte Form Amt accipiter. Auch HorapoUo hat diese Wortbildung im Sinne, wenn er I 7 schreibt: xaulxai ya() Tiap' Alyvnzioig b u^a^ ßaii^&. Wenn er dieses Wort als Compositum betrachtet und in ßat = V^/^ und ijS- = xa^dia zerlegt, so kann uns dies jetzt nicht mehr beirren, seitdem wir aus den Denkmälern wissen, dass das hieroglyphische Prototyp jenes

ßaCr]& bauk ^'^"^^^^ (^ar. zu J^^'^^^^) lautet, woraus die kop- tischen Ausdrücke £lh^ &Hfx fid^ic fid^iT durch Quetschung und Assibi- lation entstanden sind. Ueber die Göttin Id&mQ kann kein Zweifel entstehen oder bestehen , da wir für diese Lautung ja sogar für die

Bedeutung ihres Namens Hat-Hor = olxog "SIqov [^ das classische Zeug-

niss Plutarchs besitzen. Eben so unterliegt das dritte Mitglied der Triade: die geflügelte Schlange, von sprachlicher Seite keiner Beanstandung,

da das kopt. dwKcopi aspis, serpens, sowie das hierogl. 'v^ ^^l^r^

der Schlangengott Akor hiefür genügende Bürgschaft leistet.

Es erübrigt noch das Wort Bia zu erklären, das hier einen Plural vor- stellen muss, weil Hathor eine (/uia) rwy Bia genannt wird. Der Kürze halber bemerke ich nur, dass dieses Bia eine Variante ist zu B^ov ßiov und

der Plural zu dem oben erwähnten ßat = V^/^. Der Vogel ba ^5j^'

welcher stets zum Ausdrucke für „Seele'' gebraucht wird, erscheint

ebenso häufig in der Gruppirung *^^ bau = ßia (mit Rücksicht auf

das Versmass).

Glücklicherweise bietet uns das cap. 108 des Todtenbuches für sich allein schon ausreichende Hülfsmittel, um nicht nur den Ausdruck ßia, sondern das ganze Distichon zu erläutern. Das Kapitel handelt von der

Kenntniss der „Seelen'* oder „Geister" bau = ßia : *^^ von Setmati".

Als Mitglieder der göttlichen Triade, welche durch diese Geisterdreiheit

125

ausgedrflckt wird, sind in der letzten Golumne genannt: >^_^^ | iA^^ Sonnengott Tum, P J^""^c^ der krokodilköpfige Gott Sebak als Herr des

Ostgebirges Btichi und I^^/VA Hathor am Abend, genannt auch jj^ Isis'^

Im Verlaufe des Textes wird nicht bloss die Schlange Q^^^iöÄh Apophis genannt und verwünscht col. 8 „verflucht sei dieser (Apophis-, Riesen- schlange) und soll gehen auf seinem Bauche", sondern es wird auch

^^^' ^ N^ ^^ Akor erwähnt in dem Satze: „Ich bin gekommen und

habe bewältigt den Akor(Schlangengott) für den Sonnengott Ra". col. 7/8

heisst es über l'^c^ den Gott Set (Suti): „er wird gehemmt, es wird

ihm eine Kette von (baa) Eisen um seinen Hals gethan und er dahin gebracht, dass er alles wieder erbricht, was er verschlungen hat". Da

sonst hinter der Namenform Suti das Feuer \\ angebracht ist, so er- innert diese Stelle an die Bemerkung des Herodot anlässlich der Ver- brennung des mumificirten Amasis durch Kambyses: Alyvitiioiai dt verofiiarai t6 tivq &T]()ioy elrat efir/jvxoy navxa de avro xaTsa&itiy rdneQ av Xdßrj' nkfiad-iy de avro r^g ßofr^g, avyanoS^rjOxsiv r(p xan- a&iofiivtp, Ovxcoy S-ri^ioiai rofiog ovdafidig a(pl iari roy yexvy didoyar xai dia raiha xaQixBVOvoi, %ya firi xsifieyog vno svXiwy xaraßoioS-fj. Das

Thier d^rnfiov ist eben das typhoniache des Set: 'ßJj. Nehmen wir

hinzu, was in Denderah gelegentlich der Erklärung des Nomos-Symbols

(Krokodil mit Feder) gesagt wird : „Das Krokodil hier fi ^ B^ Set

pu das ist der Set; die Feder, das ist Osiris*' womit, weil dieser den Feind überwindet, der Hass der Tentyriten gegen das Krokodil erklär- lich wird so haben wir Alles, was nöthig ist, um sowohl die Dar- stellung der Triade mit dem Distichon, als die Bau des cap. 108 im Todtenbuche, als auch unsre Steinbruchinschrift von Tura (mons Troicus

[^yy^ Tarovu = Ajotti Cairo) zu begreifen. Es entsprechen sich

nämlich die Gottheiten:

BatT, ji&wQ, ^!Axü}^ig

Tum, Hathor, Sebak

Bank, Semet, Set.

Abh. d. I. Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. IIL Abth. 1 7

126

Es ist demnach nicht Thoth zu lesen, wie Brugsch gethan, sondern J(|^^;3^^ oder ^j^ J) Bank „der Sperber- oder Sonnengott'^ Bei

Annahme der letzteren Legende die demotischen SchriftzQge sind leider in diesem Theile undeutlich oder verwischt muss berück- sichtigt werden, dass auf der Stele von Kuban (Goldminen) Horus von

Edfu als ^^ x=T 15^ ^"^© Hör neb Baki ,3orus Herr der Stadt Baki"

genannt wird, sei es, dass diese nubische Stadt nur allgemein £tdwKi urbs oäer speciell mit Beziehung auf den Horus hauk als die „Sperberstadt^^ bezeichnet ist. Eigennamen die mit diesem hauk = U^a^ gebildet sind, triflft man häufig so z. B. ira-ßrjXig, li^ni^xrjg, liQ-ndrixig^^ ^ji^-ßrixig. Diese zeigen noch keine Quetschung wie £tH^, £tHf2& oder Erweichung

zu £tdwIC, &dwIT.

Eine fernere Anspielung auf den Namen Set enthält der Priester- titel set lin. 7 in dem Satze: ;,er war set- Priester aller heiligen (göttlichen) Bauten im Hause des Chonsu^^ Dass der Schakal im All- gemeinen den „Priester'' bedeutet^ zeigen die Originaltexte, zur Bestätigung dessen was HorapoUo I 39 sagt: xvioy = IsQoyQafifiarevg, nQO(prftrig, irra- cpiaOTi^g. Da nun nach Clemens v. Alex, der n^focptfirig zugleich zrig diayofirjg rwy n^oaoSojv inLOxaxrig war, so wurde es sich begreifen, dass ein mit den Bauten betrauter Beamter ein Set-Priester sein mochte. So wie Plutarch de Is. c. 49 dem Namen des Gottes IStid- die Bedeutung avaar^ocpri beilegt, so auch HorapoUo 11, 22: Avxog ^ xvtov dneargau^ fifyog dnoargoipriy driXol. Es ist der Sckakal mit oder ohne Um- wendung des Kopfes. Das kopt. Compos. Td^-cee convertere eigentlich facere couversionem entspricht durchaus diesem set {ste)^ das ausser- ordentlich vieldeutig ist und unter andern auch fär ciot pretium redemptionis, cot€ filum (mit -$- oder g) verwendet wird. Es fragt sich daher, ob nicht die Formen co^ic, cico^^ ciio^ canis canicula auf den Urnamen des Schakals: set zurückgehen, und nur wegen des Sternes Supd = 17 2kS&ig in ihrer Endung beeinflusst sind. Es ist zu bedenken, dass die beiden ersten den männlichen Artikel ni bei sich haben, und nur cico'^ mit dem femininen '^ begleitet wird.

63) Leironne: Rec. inscriptt. grecq. 11 p. 448, 4S9.

127

Dieser Titel eines Set-Priesters aller heiligen Bauten des Chonsu- Tempels kann sich naturgemäss nur auf Theben beziehen. Wir wissen aus der Stele Bamses XII ^^), dessen Namen mit denen des Ramsea II Sesostris ganz identisch sind^ dass dieser Gott, dessen Orakel dem Herodot II 83 mit Recht "^H^axliog fiavrrfiov^ da wir die Gleichungen Xwv(b(;) = 'ÜQaxlijg ^tuic = D]n == 'H^saxi^onolig besitzen, selbst in Asien, wo er den Dämon (Chu) der Prinzessin Bentrosch von Buchtan durch sein blosses Erscheinen vertrieb, sich des Rufes als eines Heilgottes erfreute. Ich habe desshalb die zerstörte Stelle durch p-ari-secher „des Planausführen- den" ergänzt, so wie ich eine Zeile höher muth-ef-nebt par „seine Mutter die Herrin, des Hauses^^ mit genügender Sicherheit in die wohl vom windgepeitschten Wüstensande verwischte Stelle einsetzen konnte.

Auch die Ergänzung der nächsten Zeile in ihrem Anfange durch pe nuter aa her{het) „des grossen Gottes in (Memphis)" kann keiner Beanstandung unterliegen, da unmittelbar Mtir tep nuter hat en Ftah res anbU'f „Oberintendant des Tempels des Ptah seines Südwalles'' voraus- geht. Es könnte übrigens beim Leser Anstoss erregen, dass Ranseneb, der Urheber unserer Inschrift, unter seinen Titeln auch diesen hier an* führt, da doch Kambyses nach Herodot III 37 gerade den Ptah von Memphis so lächerlich fand: ig (fri xat rov 'Htpaiarov t6 Igoy rjX&e xal noXla rcij^dX/iari xareyiXaaB' eari ycfp rov 'Hcpaiarov rdiyaXfia roToi 4H)iyixritoiai ITaraLXolai ifKpsffhtaroy. Er meint offenbar die Zwerg- gestalt des Ptah, den die Aegypter absichtlich so bildeten, weil er nach Mempbitischer Lehre den Anfang der Dinge bedeutete und wirklich die Reihe der Lokalgötter von Hakaptah d. i. Memphis einleitete. Allein ich bemerke, dass der „Ptah seines Südwalles'' nicht nothwendig in Zwerggestalt zu denken ist. Dieser Süd wall, der bis in die Zeit des Protomonarchen Menes zurückreicht, wurde auch von den Persem sorgfältig als Festungsschanze bewacht: hi ^b xal vvy vnb Ue^eury 6 ayxüpy ovTog rov N'slXoVy og am^fiiyog (tesi, iy (pvXaxfjai fieyakuai. l/crat (Herod. II 99). Es ist der Theil, wo nach Herodot III 91 zwölf Myriaden Perser nebst ihren Bundesgenossen angesiedelt waren; er nennt ihn %o Jisvxay Tsixog ro iy Mefitpi. Auch Thucydides I 104 gedenkt dieses

64) Cf. De Rouge: iStado sur nne stele n. meine akad. Abhd. „Die Prinzessin Bentrosch und Sesostris 11'* 1875.

17*

128

Punktes, indem er erz&hlt, daas ^lydifiosy Sohn des Psammetich (III?) die Athener gegen die Perser zu Hülfe rief. Diese erschienen mit einer Flotte auf dem Nil, nahmen zwei Quatiere von Memphis und zwangen die Perser sich in die eigentliche Citadelle zurückzuziehen: rb TQiroy uBQog o xalürai Aevxw ru^og f| ^ aneh hat „die weisse Mauer" Name

von Memphis und des ganzen dazu gehörigen Gaues. Es war dies also die von Zid-co&ig (Atuta) dem zweiten König der I. Dynastie aus weissem Steine "erbaute Königsburg 6 ra iv Ms/upei ßaailßia oheo^ofirjaag, wo- zu sein Vorgänger Menes durch die Abdämmung des Nils und die Er- bauung des Ptahtempels den Anstoss gegeben hatte.

Es muss ferner berücksichtigt werden, dass Ranseneb diesen priester- lichen Titel sowie den auf den Chorisutempel in Theben bezüglichen schon vor Ankunft des Kambuza geführt haben mochte. Uebrigens steht auch nichts im Wege anzunehmen, dass dieser sie ihm verliehen habe. Denn in der Nachricht des Herodot III 37 ist zwar gesagt, dass Kambyses die Zwergbilder der Kabiren, die für Kinder des Ptafa gelten, nach reichlicher Verspottung sogar verbrennen Hess, aber das xat „so- gar" deutet an, dass er den Ptah Pataeken = mjyfuxiav dy^ffog fiifiriaig nur belachte aber nicht verbrannte.

Betrachten wir jetzt die übrigen Titel des Ranseneb. Sie gewinnen durch ihre Beziehung auf die Localität der Inschrift und die Person des Königs Kambuza ein erhöhtes Interesse.

Er nennt sich gleich Eingarii^s, unmittelbar vor seinem Namen und

seiner Abstammung, lin. 6 ^v <=z>noi ^ mur par hat ten „Haus-

intendant dieses Bergwerkes'^ Zwar ist das Zeichen c^, dessen Lautung bat uns der Sarkophag des Sethosis I liefert, nicht deutlich, allein das Pronomen ten lässt wohl kein anderes Substantiv erwarten. Auf jeden Fall weist „diese*' auf den Fundort der Inschrift hin. Die Minen von

Wadi Maghara auf Sinai heissen ebenfalls so: M^ mit kopt. 6h /ivi?- fiBuc von Brugsch lex. p. 374 um so passender verglichen, als das Wadi seinen Namen von den Gruben n^i^Q hat.

Dieselbe Localität scheint am Ende der Inschrift noch einmal aufzu- tauchen, da wo sich Ranseneb mur ast neb auch ^V<=>fJ'^ '^^^^T <a ^^^^

129

nennt. Es ist nur das Schlusszeichen zweifelhaft. Was soll nun aber „Vorsteher der Stätte des Herrn des Lebens'^ bedeuten? Man muss sich erinDern, dass neb-änch einer der Namen des Sarkophages ist. So wird z. B. auf der Stele Zech (Hotel Shepherd zu Cairo) gesagt:

jJfl'^ir^-Y-fl^^M'^ „beschriftet ward der Sarkophag ringsum**. Der

schöne Alabastersarkophag des Sethosis I stammt gewiss vom mons alabastrites. Der früher aber mit Unrecht dem Alexander, dann dem Amyrtäus zugeschriebene, indess für den Nechtharheb Nezrareßtig be- stimmte Sarkophag stammt sicherlich ans den Gruben der breccia verde. Ueberhaupt war das östliche oder arabische Gebirge Aegjptens reich- haltig an solchen Steinen und es begreift sich jetzt, wie Ranseneb zu gleich Vorsteher eines Bergwerkes und eines solchen Steinbruches sein mochte*

In der vorletzten Zeile kommt ein nuter par vor, das ich oben auf den Set bezogen habe. Da indess in diesem Falle nuter hat stehen

CTD® Ui nuter par tep ent ka sich füg-

licher übersetzen lässt „das göttliche Haus das erste (vorzügliche) der Person" und dieses LI auch eferadezu für ''^^^^ ip^n nomen gebraucht wird, so fragt es sich, ob wir es hier nicht vielmehr mit einer nach dem Könige benannten Niederlassung oder Militärposten zu thun haben. Das Itinerarium gibt zwar Cambysu (= KafißvaovnoXig) in der Gegend des jetzigen Canals an; allein dieser Punkt ist nicht ausgemacht und es kann auch mehrere dieses Namens gegeben haben.

Der bedeutsamste Titel ist ^ic ^ ^i^ ^^ \i. , chenemem

/www .^^^ i3*vb ü T a/vww-2t^äI '^'^ ^

suten em hu nib „Gefährte des Königs an jedem Orte'*. Man erinnere sich, dass auf der Statue des Vatican sich Uzahorsunt rühmt: „Der König (Kambuzia) verordnete, dass ich überall sein sollte, wo er sich befände**. Ferner haben wir oben ebenfalls aus Hammamät^ die Legende chenemu tep = raiv n^ükioy cpilwr „einer der ersten Freunde** (des Königs) getroffen. Die Gruppe chenemem ist in unserem Falle deter- minirt, wie „die Wärter** ^^^^ chenemti^^) (oder wieder chenemem zu

65) Cf Brugsch: Recueil I pl. VI, 2 passim.

130

lesen) und „die Wärterinen^^ Allein ich halte dafür, dass hier nur eine Allusion oder Wortspielerei vorliegt und dass sogar in der Inschrift

aus Harn mamät^^), ^o der Mannesname ^^^^t=jvs (^^P Mendhu-

hotep'Chenems vorkommt, der eigentliche Sinn „Gefahrte des Königs Mendhuhotep^' sein dQrfte.

Mit dem eben besprochenen Titel „Freund oder Gefährte des Königs^^ hängt der zunächst folgende Satz: su hob em aputi-u-f den ich

^^ ¥^*^JiC^^ n^^^"^^ J ^^^^ Analogie anderer Inschriften er- gänzt habe, aufs Innigste zusammen. So wird z. B. ein ^^ ^^^l\/<=>^^ ^^)

„Oberhausintendant, Bete des Königs zu jedem Fremdlande'' und ähn- liche genannt. Darum mag auch Ranseneb trotz seiner Hausintendantur zu Missionen verwendet worden sein.

Daran schliesst sich unmittelbar: ^^<=>^| 1-^ ^wr tep utut

„Oberaufseher der Expedition''. Von Aegypten aus unternahm Kambyses einen einzigen Feldzug und zwar den nach Aethiopien, der ihm so übel bekommen sollte. Zwar sagt Herodot III 17: Merä Tavra o Kafi- ßvatig ißovXevaaro XQKpaaiag aT^arrftag, int re Ka^fxriSwicfvg^ xal im jI/jl- ixwviovg xal im ravg . . Ald-ionag. Allein der Seezug gegen Karthago scheiterte an dem Widerwillen der Phckiiker, gegen ihre eigne Colonie zu ziehen. Das gegen die Ammonier gesendete Fussvolk „ward nicht mehr gesehen"; es scheint also im Sande der Wüste einer ähnlichen Katastrophe erlegen zu sein, wie der von Kambyses persönlich geleitete Zug gegen die Aethiopen, von welchem nur wenige nach Theben und Memphis zurückkehrten. Zu diesen Glücklichen gehörte unser Ranseneb der in Rücksicht auf seine Aemter dem Kambuza möglichst nahe bleiben

musste. Ranseneb war femer ^v<i>Ö^S^-c=3 mur sechem chepes mä't

„Inhaber des Prachtstabes der Gerechtigkeit". Auf einer Stele der Münchner Sammlung sind zwei Männer: Qeni-chem und QahUj Vater und

Sohn, als ^f v ^^jlAP »'^^^S®^ ^®^ Stabes am Sitze der Gerechtig-

66) Prisse: Monn. egypt. pl. VI, 8.

67) Brngsoh: Reoaeil I pl. V, 3.

131

keit*^ bezeichnet. Dies ist ofifenbar ein juristischer Titel, der an den bätonnier des französischen barreau erinnert« Sollte aber auch die Elle Tiijxvg gemeint sein, so erhellt jedenfalls aus diesem Titel, dass Ranseneb mit einer wichtigen Function der inneren Verwaltung betraut war. Dies wird besonders durch den nächsten Titel nahe gelegt.

Der Text fährt nämlich unmittelbar darauf fort und es ist glück- licherweise keine Lücke mehr durch Conjectur zu ergänzen :

„es machte der König, der E habene, den Ranseneb zum Hausinten- danten des Insiegels und de^ ^ohreib Werkzeuges". Was das Insiegel betriflFt: o, so hatte ich schon n meinem „Manetho" vor zehn Jahren

vermuthet, dass die Lautung 6 o^ chennu^ die auf einem kleinen Denk-

mal des Louvre in der bekanit ' orm des am Finger getragenen Siegel- ringes mit o in einem Schilde verbunden erscheint, den Namen XeyeQrjg der II. Dyn. wiedergibt, den ich daher ^HXioaq)QdyiaTog übersetzt habe. In seiner Chrestomathie egypt. hat De Rouge wirklich p. 106 die Legende

ß ö^czDi, zum klaren Beweise, dass ich richtig vermuthete. Vielleicht

hat sich die Urbedeutung dieses chen(iiu)y assibilirt, in a|in-pioq mystax moustache im Sinne von „Einfassung, Umrahmung des Mundes'' erhalten.

In a|(on excludere, verglichen mit dem sinnverwandten oiioTeM ^^s. Q

Dnn claudere obstruere, «e in a|o\-^ wenn man man es aus chen +

^ entstanden denkt, mit ii ieutung stigmate signare dürfte der ursprüngliche Sinn wirksam r\n. Ich will nur vorübergehend an die Stelle der Genesis Moses I 42 orinnern, wo gesagt wird, dass der Pharao dem Joseph den Siegelring an die Hand steckte, den er selbst ausgezogen hatte. Das betreffende Wort rij^ss tabeathj hängt mit VSH($ e-t^eba digitus

und eben so sicher mit dem ägypt. \*^ d\ t'ebä „Finger*' zusammen*

welches, wie das Deutbild des Siegels und die Schreibung 1^ teba%

sowie die kopt. Wörter t€&, eo£t, Tdwo£t, Too£t€, Tioibc, t€&c, o<o£tig, ^o£tig

signo crucis munire (impressio) darthun, alle mit dem Sinne „Siegel, besiegeln** behaftet sind. Bei dieser durchgängigen Gleichheit der Be- zeichnung ist es auch wahrscheinlich, dass dem ägyptischen S chen

132

mit der Grundbedeutung Schlinge, Windung das ebr. n)T{f ,,8ich wieder- holen", woher „Jahr** etc. entspricht.

Ich komme nun zu der Gruppe, die ich mit f^Schreibwerkzeug*^ übersetzt habe. Der primäre Sinn des Compositums ^^t^ ist wörtlich „Handhabung'S Im Todtenbuche c. 94, 2 spricht der Verstorbene: „möge ich versehen werden mit den Schriften des Thot. Gehe Akori, Sprössling des Suti, bringe mir die Palette (Schreibtafel) und den Farben- topf (Tintenfass) ^P]^f^^^'|fjT"k^ ^^^^'^ '***' ^^' ^^^^^ „dieses Schreibgeräthe des Thot". Im Koptischen hat sich nepedw als instru- mentum erhalten; in den Recepten wiederholt sich /(>d) (Imperativ von XQoiouai?) mit dem Sinne utere; vielleicht ist eine Amalgamation mit dem altägjptischen cher-ä Utensil ia vorhanden. Statt des Deutbildes

der Schrift ^^ hat unser Text das phonetische p[A, das ich schon

I /www I B

im ^,Papyru8 Prisse^' als die ursprüngliche Lautung des ägyptischen Schreibzeuges nachgewiesen habe. H. Birch^®) war von anderer Seite auf die nämliche Phonetik an gekommen. Auf einer Stele der Wiener

Sammlung wird eine Hausherrin '^^kw^V^) Amma erwähnt und

dann die Persönlichkeit U des RA ^ ^ an suten „kgl. Schreibers

Entisenebef ^ Auffallend ist hiebei, dass das Schreibzeug der Lautung an vorausgeht* Vielleicht ist „Schreiber der königlichen Schreibtafel" zu übersetzen, da -f auch mit dem Determ. n erscheint. Auch bemerke man die ausnahmsweise mit dieser Lesung stimmende Stellung des suten '^^ Es übrigt noch eine Würde desRanseneb: in der drittletzten

Zeile heisst er: ^ <==>li3jl^T \%^^^^ ^1 ^ ^ ö mur schalt en

.^^^ ^\L /vwsAA I jy^ ^JjL T >w>aaa /\aaaaa

suten tennu „Intendant der Rebenpflauzung im Garten des Königs, des Erhabenen'^ Was zunächst die Bedeutung des Wortes scha't anlangt, welches durch die Pflanze ^ und die Ecke \> determinirt ist, so ver- weise ich einfach auf die Varr. LT^T^A und TiTJ/^^^^, welche theils

68) Sar nne patere du Louvre.

69) Cf. ufAfjLasi ovttii xttXovai rac nvtvfAoxixäg [ifßiQtts, Vergl. oben Aam, die Matter des Darias.

70) Zeitschrift 1866 in meinem Aufsätze über änigmatische SchrifU

133

den Baum auch bei den Römern wurde die vitis zu den arbores gerechnet theils die Laubpflanze ^ hinter sich aufweisen. Das Bei- spiel LT^T ^ ^^^^^^^"if]^'^^^ T *4^ *^® Denderah wird von Brugsch lex. p. 1422 übersetzt: „Der Weinstock des Gartens steht in Farbenpracht". Man sieht, wie hier die Ecke \> als Determinativ an das nasalirte kanem

= Kam = 1 TO^ V'^ ~ ^toAi hortus gefügt worden ist. Soll das Gewächs des Weinstocks oder der Wein selbst bezeichnet werden, so setzt man die Vasen « hinzu wie z. B. in Edfu am Pylone*: „ihre Herzen sind froh,

'^/ Hilß trunken ('^Äi) von achtem Scha- trank "^^j d. h. Weine".

Vielleicht hat sich in ^ik\iK Comp, von LTJ und (1*^1^ ^XoXe =

vinea, eine Spur des scha erhalten.

Dass die Perser der Weincultur oblagen, könnte man schon aus den Geschenken schliessen, die Kambyses seinen Kundschaftern an den König der Aethiopen mitgab. Der barbarische Häuptling der „Sonnen- tafel" nur Fleisch und Milch kennend, bezeichnete das Brod (äffrog) als Koth (xoTiffog) und fügte hinzu, dass die Perser bei dieser Kost es nicht einmal zu 80 Jahren brächten sl /jrj r(p nofiaxi TipSe ay€(pv(}€oy, (pQat^wr rdloi ^Ix^votpayoiOi tov olyov roirco yäf) iavzovg vno ITe^aivjy iaaova&ai (Herodot HI 22).

Unser Text, enthält übrigens ausser den bisher erläuterten deut- lichen Beziehungen auf Kambyses auch noch einige Andeutungen, die man gleichsam zwischen den Zeilen lesen muss; ich will« sie der Reihe nach, wie sie sich darbieten, in Kürze behandeln. Dahin gehört zu- vörderst die Bezeichnung des Kambuza durch den Schakal und das

Deutbild des Esels statt "cJj. Auf die Parallele mit Artaxerxes Ochus etc.

habe ich schon wiederholt hingewiesen.

Die zweite Anspielung liegt in der lakonischen Bezeichnung „Ober- aufseher der Expedition^'« Es ist eben der unglücklich ausgefallene Zug gegen Aethiopien gemeint und desshalb aus Vorsicht jede nähere Angabe vermieden.

71) So habe ich diesen Aosdrack in der Ztsoh. 1S66 übersetzt, wo ich soerst auf die Dirnen-' sionen des Pylons anfmerksam machte. Abh. d. I. Q. d. k. Ak. d. WUs. XIII. Bd. III. Abth. X8

134

Das dritte Beispiel einer klugen Zweideutigkeit liegt in der eigen- thümlichen Schreibung des Wortes Jiakenu der vorletzten Zeile. Während

dieses sonst mit doppeltem n 8 ö^ geschrieben wird, erscheint hier der zweite Radical verdoppelt warum ? weil der Urheber der Inschrift eine Gruppe bilden wollte, die mit ?A Hap=!^;i/tf graphische Ver- wandtschaft zeigt. Darum schrieb er 8 0. Der ganze Satz, in welchem diese Gruppe vorkommt: '^ö^-^^l ^ ? a^ v^ ^^^^ suten Jira

/www —ZI 1 AÄ/VS/>A *'— ^- A / \ JI i_i^

kakknu ,,e8 fand das Wohlgefallen des königlichen Angesichtes die Lobes- erhebung" etc. wobei ich^durch die Wahl des heb-ung ähnlich auf Hapi anspiele ist eine xar^ dvricpifaaiy aufzufassende Allusion auf die Misshandlung des Hapi-Stieres durch Kambyses.

Endlich ist die gesammte Art des dadurch so schwierig zu ent- ziffernden Textes eine so zu sagen änigmatische, wie sie sich nur durch die Annahme erklärt, dass der Schreiber oder Verfasser, in Rücksicht auf die gerade in Hammamät häufig anwesenden Perser und ihre ägyp- tischen Zuträger, die verblümte Ausdrucksweise gewählt hat, um zugleich seine offizielle Stellung und seine ägyptische Ueberzeugung zu wahren.

W^enden wir uns schliesslich zu der ebenfalls in Hammamät befind- lichen Inschrift aus der Regierungszeit des Darius, eines Herrschers, dessen Lob ungeheuchelt sein konnte.

Felseninschrift von Hammamät, auf Darius I bezüglich.

1. (quer) „Jahr 30, Monat Pharmuti, Tag 15, des Königs von Ober- und Unterägypten, des Herrn der beiden Ebenen (östlich und westlich vom Nil): Ntariusch des ewiglebendeh, von jedem Gotte geliebten

2. [spricht] der Baumeister des ganzen Landes, der Intendant der Süd- und der Nordgegend : Ra-chnumhet, Sohn des Intendanten der Bauten der Süd- und der Nordgegend: Aahmes-si-Nit:

3. (vertical) ,,Der König von Ober- und ünterägypten : Ra neb taui, der ewiglebende, geboren von der königlichen Mutter Aäm den 23. Paophi veranlasste Arbeiten

4. an diesem Berge in der Gegend, wo die Sarkophagsteine liegen.

135

Er schuf ein Schachtwerk, er liess hauen. (Es wurden ge-) schauet die Wunderthaten dieses Gottes,

5. der seinen Geist den (todten) Bildern verleiht, der gemacht ein Gebirg zu einem Ueberschwemmungsdistrict, der eingeführt das Wasser auf die Gefilde der rothen Ebene (Wüste) : eine Cisterne (Brunnen) im Mittel- punkte des Hochthaies

6. zehn Ellen z.u zehn Ellen, ihr ganzes Innere gefüllt mit frischem Wasser. Ihre Flüssigkeit wurde rein und sauber gehalten wider die Gazellen und eingedämmt (?)

7. für (wider?) die Hirten des Gebirges. Es waren wohl hieroben erschienen auf dem Wachposten Soldaten der Altvorvorderen: der Könige, welche existirten

8. vordem. Allein nicht sah dieselbe (Cisterne) irgend ein Auge, nicht fiel das Angesicht eines Menschen auf dieselbe. Als aber ihre Güte Seiner Majestät selbst sich gezeigt hatte, alsdann (siehe da!) begrüsste er sie,

9. erkannte die Quelle dieses Berges und begnadete die Bearbeitung dieses FLcks mit Liebe, den Augenblick verehrend (beachtend) seinen Oberen (Gott Set), anerkennend

10. die Wohlthaten Seiner (göttlichen) Majestät: welcher schuf eine Insel auf seinen Set-Ländern seinem Sohne Ranebtaui, dem ewigleben- den. Es vernahmen dies die Bewohner von Tomera (ITrluvifis, Aegypten),

11. welche im Südlande und im Nordlande sind: sie beugten ihr Haupt indem sie mit Lob erhoben

12. die Wohlthaten Seiner Majestät lange und beständig.^'

Dieser Text gehört als Vertical-Inschrift von zehn Columnen zu zwei Querzeilen, in denen ein mit dem Vornamensschild des Amasis benannter Oberbaumeister: Rachnumhet, Sohn eines Aahmes-si-Nit, eben- falls Oberbaumeister bis zum 44. also letzten Jahre des Amasis, eine wichtige Kunde über einen dort von Darius hergestellten Wüstenbrunnen verewigt hat. Ich habe die Liste der 25 Oberbaumeister, die Rachnum- het als seine Vorgänger ebendaselbst aufführt, in meiner Abhandlung über den Bokenchons der Münchner Glyptothek schon besprochen, da auch er zu den hier aufgezählten „Oberbaumeistern'' gehört. Die Wieder-

18*

136

gäbe des Textes, wie er bei Burton ''^) steht, bedarf mancher Berich- tigung. So z. B. muss m des oberen querlaufenden Datum's in ctd ver- bessert; statt eines schräge stehen unägyptischen Zeichens \ muss im

Namen iy|^Q]<=>^Ml Ntar(i)u8ch die Hieroglyphe ] t gelesen werden. In der zweiten Querzeile ist unrichtig ^^ statt ^^ in dem Ausdrucke ta terf „des ganzen Landes" und eben so ^^x=t s^^tt ^^. <=> mur gesetzt.

Eine grössere Schwierigkeit liegt in dem Doppeldatum: 15. Phar- muthi und 23. Phaophi. Letzteres ist offenbar das richtige, weil mit dem Texte selbst zusammenhangende. Es muss desshalb das in der oberen Querzeile befindliche Datum zu der Liste der Oberbaumeister gezogen werden. Was das Jahr betrifft, so haben wir die Wahl zwischen den Zahlen 26, 27, 28 und 30* Jedenfalls gehört die Felseninschrift in das letzte Viertel der Regierungszeit des Darius, innerhalb dessen manche die Daniel'sche Prophezeiung der Ankunft des Messias nach siebzig Jahreswochen d. h. 70 x 7 = 490 Jahren ansetzen. Ich will der Kurze wegen nur ein Beispiel citiren. In der neugegrändeten englischen Zeitschrift: Transactions of the Society of biblical Archaeology schliesst H. Bosanquet seinen Artikel On the date of Christ's nativity I p. 105 mit den Worten: But there is another view of this subject which I am sure would be interesting to all present, though it is too late to enter upon it on this occasion. I mean the connexion of the date of the birth of Christ, in the sabbatical year B.C. 3 2, with the fulfilment of the predicted „seventy weeks" of years spoken of by Daniel, that is of seventy sabbatical weeks^ counted from the time when Darius, the king under whom Daniel lived, was „about threeshcre and two years old."

Zu allen Zeiten war die Anlegung von Cisternen oder Brunnen auf den Verkehrsstrassen der Wüste ein unabvveisliches BedQrfniss und von solcher Wichtigkeit, dass ein solches Ereigniss regelmässig durch eine Inschrift der Nachwelt überliefert wurde. Ich will nur einige der interessanteren hieher gehörigen Texte ihrem Inhalte nach kurz skizziren.

72) Excerpta hieroglyphica : Tablet in the Cosseir road.

137

In der Nähe von Radesieh , schräg gegenüber von Edfu, führt ein Wüstenweg vom Nil zum Rothen Meere vorüber. Dort befinden sich die Trümmer einer Tempelanlage, die von Sethosis I herrührt und laut der Inschrift anlässlich der Grabung eines Brunnens gegründet wurde. Der leidlich wohl erhaltene Text*^^) sagt unter anderem: ,,Jahr 9 den 20. Epiphi. An diesem Tage war S. M. beschäftigt, die nach der Ge- birgsseite hin gelegenen Gegenden in Ordnung zu bringen. Sein Herz wünschte die Bergwerke zu sehen, aus denen das Gold hervorkommt. Da geschah es, dass der König sich durch die der Wasserquellen Kun- digen an Ort und Stelle führen Hess. Auf dem Wege machte er Halt um mit sich selbst Rathes zu pflegen, indem er bei sich sprach: ,^Das ist ein gefährlicher Weg beim Mangel an Wasser, eine wahre Busse für Reisende ; ihre Kehlen vertrocknen, anstatt dass ihr Durst gelöscht wird. Das Land Aegypten ist ferne; die Gebirgs-Gegend ist wüste: wehe dem Menschen, der hier vom Durste überfallen wird! Diese Bewohner bringen mir ihre Schätze als Huldigung; ich werde ihnen also auch die Möglichkeit zu leben verschaffen. Sie werden dafür meinem Namen göttliche Ehre erweisen; nach Jahrhunderten werden sie noch kommen und meine Tüchtigkeit preisen; denn ich [habe eine langdauernde Wohl- that dem Lande erwiesen]." Nachdem S. M. so bei sich gesprochen, machte er eine Rundreise in der Gegend, suchend eine passende Stätte um eine Station daselbst zu errichten. Es gefiel ihm Arbeiter zu ex- pediren, welche den Stein bearbeiten, um zu graben einen Brunnen auf (in) den Felsen [die ihm Wasser zu versprechen schienen]. Alsdann ward diese Niederlassung auf den Namen des Königs (Ramenmat) ge- gründet und das Wasser kam im Ueberflusse hervor, wie der Nil aus den beiden Strudeln (qer-ti = KQviipi und Mü)(pi) bei Elephantine."

Sethosis suchte auch in der nubischen Landschaft wegen Aus- beutung der Goldbergwerke einen Brunnen herzustellen. Die Stele von Kuban gibt hierüber sehr ausführliche Auskunft, wie Ramses-Sesostris das von seinem Vater Sethosis begonnene Werk zu glücklichem Ende führte: „Es war der Wunsch eines jeden Königs der Vorzeit gewesen, zu graben einen Brunnen auf dem Wege der goldhaltigen Wüstenland-

78) Yergl. meine akad. Abhandlung^en: „Die ältesten Landkarten'^

138

echaft Akaita, aber es war ihnen nicht gelungen. Es hatte der König Rainenmät (Sethosis I) gleicherweise einen Brunnen von 120 Ellen an Tiefe herstellen lassen während seiner Zeit. Aber er blieb unterwegs d. h. unzollendet : „nicht kam Wasser daraus hervor". Der Gouverneur von Kusch spricht weiter zum Könige Ramses-Sesostris: „Wenn du selber sprichst zu deinem Vater Häpi (Nil), dem Vater der Götter: „Lass doch auftauchen Wasser auf dem Berge!" so wird er nach deinen Worten all, nach deiuen liedanken all verfahren ^*/^ Am Schlüsse der sehr reichhaltigen Inschrift ist denn auch wirklich gemeldet, dass der be- treffende Brunnen glücklich Wasser lieferte und den Namen des Rainses erhielt.

Auf dem Plane der Goldfelder (in der Nähe des Gebel Dosche) der im Turiner Museum aufbewahrt wird, ist ein solcher Wüstenbruunen durch runde Einfassung und die bekannten Wellenlinien figürlich dar- gestellt und von der Legende begleitet: "^^^^^l ^ c^ ( ® ß J

„Der Brunnen des Königs Ramenmät*' oflFenbar hatte er ihn bohren ? jl^^ oder graben ^^\ lassen.

Vergleicht man mit diesen Angaben der Denkmäler die Nachricht der Bibel (Exodus) dass Moses durch seinen Stab am Sinai dem Durste der Kinder Israels eine ergiebige Quelle eröflfnete, so hat man genügen- des Material um den Text der Felseninschrift von Hammaniät, der sich auf ein analoges wohltbätiges Werk des Darius bezieht, in seiner Be- deutung und Tragweite zu würdigen. Es ist jedoch, wegen der Wieder- grabung des Canals durch Ptolemäus Philadelphus, nachdem Sesostris und Darius ihm darin vorangegangen waren , vielleicht nicht unan- gemessen, hier noch dasjenige beizufügen, was Strabo (XVII) über die Anstalten des Philadelphus bezüglich der Qosseir-Strasse meldet:

„Dieser König verwendete zuerst eine Armee um diese Strasse zu dem Verkehre zu öffnen; da sie ohne Wasser war, liess er dort Stationen erbauen sowohl für die Reisenden zu Fuss als auch für diejenigen, die

74) Vier Zeilen höher steht der Satz: „Wenn du (König Ramses II) sprichst zum Wasser: ,,komme auf den Berg'\ so erscheint ein AbyssusschwaH nach deinem Worte*'.

139

sich der Kameele bedieDen. Uebrigens hatte er diesen Weg bevorzugt, weil die Fahrt auf dem Rothen Meere, besonders im Winkel des arabi- schen Golfes, grosse Schwierigkeit darbot. Die Erfahrung bestätigte die ausserordentliche Nützlichkeit dieses seines Unternehmens, indem gegenwärtig der gesammte Transithandel aus Indien und Arabien und Aethiopien seinen Weg (durch die Strasse von Qosseir) nach der Stadt Koptos nimmt, welche so der Stapelplatz der Waaren geworden ist. Die Stadt ApoUinopolis parva (Qüs), in geringer Entfernung von Koptos, nimmt zwar auch hieran Theil, aber man gibt doch den beiden End- punkten des Ueberlandwegs : Muris (am Rothen Meere) und Koptos (am Nil) den Vorzug und bedient sich desselben jetzt allgemein. Ehemals zogen die Wanderer auf Kameelen während der Nacht, indem sie sich, wie Seefahrende, nach den Gestirnen richteten und das nöthige Wasser mitführten. Gegenwärtig jedoch hat man das Wasser in tiefen Cisternen gesammelt, welche die Regen trotz ihrer Seltenheit fortwährend unter- halten. Man findet auf diesem Isthmus Smaragde und andere Edelsteine, welche die Araber aus beträchtlicher Tiefe herauszugraben suchen.*'

Treten wir nach dieser Einleitung dem Texte selbst näher. Die erste Columne der Verticalinschrift, deren wesentlichen Theil ich schon oben analysirt habe, besagt: „Der König des oberen und des unteren Landes, der Sonnengott, der Herr der beiden Welten (oder der beiden Ebenen westlich und östlich vom Nil), der ewig leben möge, geboren von der königlichen Mutter Aam, im zweiten Monate der ersten Jahres- zeit, am 23. Tage (23. Phaophi) veranlasste Arbeiten y^^^^ ^dt em katu. Statt des unrichtigen Determinativs o bei Burton ist jeden- falls der bewaffnete Arm ^.—o zu setzen. Die Präposition '^v erklärt

sich daraus, dass udt als unabhängiges Substantiv gedacht wurde, wie wenn wir sagen würden: „König Darius, 23. Paophi, Veranlassung von Arbeiten'^ Man darf übrigens dieses udt trotz seines lautlichen An-

klanges, nicht mit | ut „Befehl, befehlen", verwechseln. Im Allgemeinen

entspricht udt unserm „äussern edere, verursachen, veranlassen".

Wenn p-ooTT promptus ein Compositum ist, so würde promere dazu stimmen.

140

diesem Berge, in der Gegend, wo liegen die Sarkophage*'. Die Schwierig- keit steckt hier nur in den drei letzten Gruppen. Indess ist toah oTd^g^e projicero recumbere nicht bloss in transitiver, sondern auch in intransi- tiver Bedeutung wohl belegt. Ich citire der Kürze wegen nur das Hauptwort oT^^g^c mansio oasis, worüber wir ein doppeltes Zeugniss besitzen: xalovai ^t rag roiavrag oiscijaeig av aasig oi Alyviirioi (Strabo II 130). Avaaeig d^ oi AlyviiTioi xaXovai Tctg olxov/neyag xd^ag^ ne(fiey^o/jitvag xvxXw f^uyalmg i(jT]iuiaig, wg ay vrjOovg TteXayiag (id. XVII 791). Der Sinn von toahe^ woher oaoig und avaatg^ ist also ursprünglich wohl „Niederlassung".

In Betreff des nebänch als Sarkophag habe ich oben bereits das Nöthige beigebracht. An die Uebersetzung ,)Herr des Lebens** kann hier füglich wohl nicht gedacht werden. Nur diejenige Deutung wäre möglich und zulässig, wonach das „Liegen des Sarkophages** (in collec- tivem Sinne) auf die Nekropolis zu beziehen wäre. Allein, abgesehen davon, dass wir in jener Gegend von keiner solchen Todtenstätte wissen, ist der positive Beweis für die Verwendung jener Gesteine für Sarko- phage so gut erbracht, dass er als endgültig angesehen werden kann.

Es folgt zunächst eine in ihrem Anlaute zweifelhafte Gruppe, die

ich nach den Spuren bei Burton zu | ^v qam Variante von L gestalte.

Die Grundbedeutung ist schaffen creare, in kim movere erhalten, in- soferne der erste Anstoss zur Bewegung, mit dem Schöpferact identisch gedacht werden kann. Das Object zu dieser Handlung bildet die Gruppe

y(]^^^, welche ich wegen fler Variante J^^^cs^^j für identisch mit

ÜH halte, das wir oben mit der Bedeutung „Bergwerk'* erhärtet

gefunden haben.

Gleichsam in Parallelismus, wenigstens gleich lakonisch folgt der

Satz Vj^i ^^^ ^^^ jedenfalls hier abschliessen müssen, da die nächste

Gruppe zum Folgenden gehört. Ich habe dieses arit hu ebenso bündig ,,er Hess hauen** übersetzt. Dass dem arit die Bedeutung facere und dem Verbum hu {huni, hi) ^ die von „hauen, schlagen** zukommt, ist

i\

, 141

aasgemacht. Der Text föhrt fort : ^^^^^^^L\'l ' ^^<^ cheperu

na nuter pen „es wurden geschauet die Wunderthaten dieses Gottes !^^ Da jede Personbezeichnung fehlt, so könnte man an eine imperative Wendung denken. Indessen empfiehlt es sich besser den firzählungston fortherrscben zu lassen, wenn auch zugleich die passivische Auffassung eintreten muss. Zudem fehlt es nicht an Beispielen solchen raschen Wechsels, und selbst im Koptischen dient der blosse Stamm z. B. othii aperiri im Gegensatze zu oTcon aperire, zum Ausdrucke der leidenden Form, wie ich auch für das hieroglyphische un am Anfange des Papyrus Prisse nachgewiesen habe. Die Gruppe cheperu (ohne Determinativ) könnte zwar, wie sonst, die „Verwandlungen" bedeuten, deren bedeutendste

die in Muraienform fl, das gewöhnliche Deutbild zu W cheper der

Käfer ist überhaupt das Symbol der Metamorphose in dem Augu- stinischen gabarae erhalten ist. In der That«wird vom Könige Darius denn er ist mit „dieser Gott" gemeint in der nächsten Columne gesagt, dass er seinen Geist hiu den Bilder mitgetheilt habe. Allein gerade solche Verwandlungen bilden das Wesen des Wunders und desshalb glaube ich hier das kopt. uic^npi portentum prodigium mira- culum beiziehon zu müssen, indem ich übersetze: „die Wunderthaten, Wunderwerke".

Dritte Columne: Es wird über Darius weiter gesagt ^ '^E^^'^^^m ^^' ^^^^ ^^ achemtu „welcher verleiht seinen Geist den (todten) Bildern". Hier verursacht nur der kauernde Vogel eine Schwierigkeit. Zwar ist die

Lautung ^v Sehern, das kopt. b^^OM, aquila und die Bedeutung

„Symbol in Sperber- oder Adlerform" gesichert allein was soll man damit hier anfangen? Nach dem zunächst folgenden Parallelismus zu schliessen, ist auch hier ein Gegensatz, also zwischen Geist und Materie zu statuiren. Da aber der Begriff „Geist" durch die drei Ba- Vögel ausgedrückt ist, worüber ich oben anlässlich der Bia gehandelt habe, 80 hat der Verfasser des Textes auch für die (todte) Materie einen adäquaten Ausdruck mittelst der achom- Vögel gesucht und gefunden. Denn diese achemu stellen überall die mumificirte Gestalt der Sperber,

Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abtb. 19

142

also etwas Todtes vor. Jede grössere Sammlung enthält solche achemu aas Holz oder Stein, gewöhnlich auf dem Gerüste ^ angebracht.

Der nächste Passus lautet: ^^^_^o(j(j3^ arit set m nuni

,,der gemacht ein Gebirge zu einem Ueberschwemmungsdistrict^S Die Bedeutung von nuni mit dem Deutbilde des Wasserbehälters, das rovy HorapoUo's = iVatilot; avaßaaig, noein agitari, iion profundum, ist ge- sichert. Eine nahe gelegene Inschrift aus Hammamät liefert mir folgende

Parallelstelle: "^'^^ll " VQ*®»-! ^ " ^ f) TT 74) «r machte das Bergland zu einem Stromgebiete, die Hochthäler zu einem Regen- bezirke'^ Hier haben wir es mit lauter bekannten Ausdrücken zu thun : aiur^ aur id^po *)*i^<^ flumen^ Nilus; an'Uhert ^ix^J[ji^\) ydXM^y e^P^^i supra;

wat^ eine Variante zu -^^K^ '""^^^ w;aw und *(JJ^ w?ai stellt sich zu dem kopt. otoi cursus und (ooT(Mne) pluvia.

Der Text setzt die begonnenen Parallelismen so fort:

AAAAAA^ ^i^T'^^ ^^'' ^'*^ *^ ^^ ^^^ ^^ ^ rfe^cÄcri „der em- geführt das Wasser auf die Felder der rothen Ebene (Wüste^^ Auch hier bietet sich ein sehr nahe verwandter Text zur Vergleichung * dar :

(1^^ flJr aII''''''^ I I (3iinin^^) awiwa les't mu hi tep du „möchtest du ein- führen das Wasser auf den Berg'^ Auch kennen wir aus der Tanitica für hes't die Bedeutung nffoaxardyeiy. Das durch eine Art Flamingo bezeichnete Land, das rothe: deschert kopt. e^copog Tpoig ruber, steht beständig in Antithese zu ^^g Kämet Xrjjuia JChmi das schwarze Land fielayyaiog Aegypten. Also kann mit Deschert nur desertum „die Wüste" gemeint sein.

Jetzt erst bringt der Text die Hauptsache, um welche sich die

ganze Inschrift dreht: ^^:i\^^^v §O^Qö "^ chnemt m hur ant „einen

Brunnen inmitten der Ant". Ob chnem't in ^onfre fons, scatebra erhalten ist oder nicht, jedenfalls bedeutet es den Brunnen, die Gisterne, wie auch noch zum Ueberflusse das Deutbild mit den Wellenlinien beweist.

74) Chabas: Voyage d'an EgyptioD p. 59. 76) Chabas 1. I. p. 269.

.. L

143

Aehnlich ist ant mit dem Determinativ ti^^^ ebensowohl in d^ifdw(ndwi) ncd^T vallis, als in dwitTcooT regio montana zu suchen, obwohl hier ^' du Tü)OT mons mitenthalten sein durfte.

Die Gestalt solcher Wasserbehälter, Cisterneii oder Wüstenbrunnen betreffend, möge ein Reisender der Neuzeit '^^) darüber gehört werden: ,;ÄeusBerlich bestehen sie aus einer viereckigen Umfassungsmauer von 50 Meter Länge und 3 bis 4 Meter Höhe. In zwei Winkeln stehen massive Thürme von drei Meter Mauerdicke. Das Innere umfasst vier 'Reihen ganz gleicher kleiner Zimmerräume, den Mauern parallel laufend, von denen sie nur durch ein schmales Couloir getrennt sind, das die Circulation längs der Mauern gestattet, um das Aeussere zu beherrschen. Im Centrum des Ganzen ist ein kreisrunder Brunnen von beträcht- licher Dimension, um welchen eine Art Wendeltreppe läuft, durch die man ehedem bis zum Spiegel des Wassers niederstieg. Gegenwärtig sind diese Brunnen zum Theile verschüttet, aber auf dem Grunde von mehreren bemerkt man noch eine üppige Vegetation, das sichere Symptom der Nähe des Wassers^'.

Diese Beschreibung gilt einem Wüstenbrunnen etwas nördlich von der Qosseir-Strasse. Sehen wir zu, wie sich unser Text dazu verhält.

Vierte Columne.

Es folgen nun die Dimensionen des Brunnens, den Darius her-

stellen Hess : T^ i ^ n mah meti er mah meti „Ellen zehn zu Ellen

zehn'^ Wir wissen aus der Schenkungsurkunde von Edfu*^*^), dass die Präposition <=> er = ad bei Dimensionen angewendet wird , um gleich unserm „zu^^ oder „:'' in den Proportionen das Verhältniss auszudrücken« Demnach hätten wir hier ein Bassin von quadratischer Form 10: 10 Ellen vor uns. Allein das Deutbild und die Beschreibung Bachelu's sprechen entschieden für eine kreisrunde Form des fraglichen Wüstenbrunnens. In der That erlauben die Ausdrücke der Inschrift auch diese Annahme, da man den Kreis gerade so gut als eine ursprüngliche Ellipse mit zwei verschiedenen Dimensionen ansehen mochte, wie das Quadrat als

76) Description de 1' Egypie-Memoire de Roziöre, von Bachela.

77) Lepsias: Ueber eine hierogL Inschrift von Edfa.

19

144

Rechteck. Strenge genommen würde in beiden Fällen eine Dimension genügen.

So viel, was die Form betrifft. Nunmehr kommt der Inhalt: Hc«^^^^'*'*'^^ hur-s nib mehet em mu renpe „ihr (der Cisterne)

ganzes Innere gef&Ut mit frischem Wasser'^ Hier liegt die Schwierig- keit in der ersten Gruppe. Mit Rücksicht darauf, dass unmittelbar vorher am Schlüsse der dritten Columne die componirte Präposition

$ O g^XC g^oTp in interiore (parte) gebraucht ist, und wegen des Sinnes

k"

fasse ich hier nicht als gpdw facies, sondern als g^oTp ,,das Innere^^

Man könnte allerdings an die „Oberfläche'^ denken und dem Verbum mehet welches ein Wortspiel zu mah Elle darstellt die modificirte Bedeutung „erreicht^' beilegen; allein dann passt das Pronomen nib ^=7

wieder nicht. Wegen renpe^ das sonst { oder '^ -bei sich hat, und

wohl aus repa entstanden ist, dürfte die Metathesis in das kopt. ftcpi novus, recens, anzunehmen sein. Der Sinn ist jedoch nicht ganz gleich unserm „frischen^* Wasser, sondern es ist ein Wasser gemeint, das jetzt erst neu zum Vorscheine kam. Es folgen nun die Massregeln welche Darius treffen Hess, um die Cisterne gegen Verunreinigung und Ver- schüttung zu sichern:

iPPn=PC->]il^^(>J!.^\]fl-=-4i- \i

retu-s se-ubta seturta er gahesu, tertita er Anutiu setiu „Ihre Flü88igkeit(en) wurde rein und sauber gehalten wider die Gazellen und eingedämmt wider die Hirten der ßerggegend". Hier sind mehrere Punkte zweifel- haft. Die erste Gruppe "^s, weil ihr Determ. auch bei (j ^ v^s „Fluss^'

oben vorgekommen ist, fasse ich als Variante zu J3^ y y> welches im

Khindpapyrus mit ^^ mu „Wasser" übersetzt wird. Das Wort nipHTcop puteus, aqua turbida, ist vielleicht zu zerlegen in ni Artic. pHT unser ret und top von aur id^po Nilus flumen^ also eigentlich „Flusswasser'^ bedeutend. Die zweite Gruppe mit zweifelhaftem Character ist die

Gazelle mit folgendem Miii, so dass man an ^^^SP^^ gahes (Tjoc ^^^c

145

9oQxag erinnert wird. Wenn das Wort SP^^J^®) dasselbe Thier be- zeichnet was ich wegen der sonstigen Lautirung von ^P ^ gahes = Kdwg^c mos vermuthe, so hätten wir für unsre Gruppe wenigstens ein Analogon.

^Die nächste Hieroglyphe «???=» gehört sicher zur folgenden Gruppe ^und bildet das Verbum tare oder tale Tdw\e, Tdw\o vallare. Wegen des fj-Vogels, der dahinter erscheint und der gewöhnlich die Reduplication anzeigt, könnte auch an die Lautirung ratt^Xot^ sepiro gedacht werden. Dass es sich jedenfalls hier um die äussere Umfassungsmauer und die für die Garnison erforderlichen Räume handelt, lehrt sofort der un- mittelbar folgende Abschnitt über die Soldaten :

pert haat hi resi an meschau n apaaui, sutenu cheperu eher hsL't ,,Es waren erschienen hier oben auf dem Wachposten Soldaten der Altvorvordern, der Könige, welche existirten vordem". Die beiden Verba pert und hcui't sind hier als Substantiva oder Passiva im Sinne von „Erscheinung

und Nahung" zu fassen, weil ^JJ^ an darauf folgt. So wie nun un an fibersetzt wird „es war" so hier „es erschienen" „hier oben" statt „nahend" setze ich in Rücksicht auf den Fundort der Inschrift. resi kopt. pcoic vigilantia poeic vigilia bezieht sich offenbar auf den um die Cisterne logirten militärischen Wachposten. Die Phonetik des mit Bogen und Pfeil bewaffneten Mannes anlangend, so habe ich mehr- fach ^k*"^*^^ (Louvre 44, Stele des Cheperkera) mescha Mooge? neben

menfedi gefunden. Ersteres bezeichnet analog dem lat.

miles, den Soldaten als „marschirenden", letzteres wie es scheint „den üniformirten". Von der Waffe hiessen sie Md^Toi.

Die Gruppen des zweiten Theiles sind in ihrer Bedeutung sämmt- lieh gesichert und bekannt. Aehnlich haben wir auf der Stele von Kuban die Stelle getroffen: es war der Wunsch aller Könige der Vor- zeit gewesen etc. Auch dürfte es nicht zu verwegen erscheinen, wenn

.i

78) Brugsch: Recueil I Taf. XLIII col. 4.

146

man Garnisonen gerade jener Könige hier annehmen würde, deren Namen theils in Proskynemen theils als chronologische Symptome angeschrieben stehen, also von Phiops angefangen bis auf die Zeit des Darius herunter. Dass aus der griechisch-römischen Zeit ziemlich viel Soldaten arffaridSrai und Innsig und Offiziere z. B. ein d^xavbg decurio*^^) sich durch Inschriften in Hammamät bethätigt haben , ist oben Eingangs schon erwähnt. Mit der Gruppe cher-ha't „vordem" sind wir bereits eingetreten in die

Sechste Columne:

/VWWN I I Vw^^ ^ r .2^^ I

P

an m^ia-nes int nib^ an eher hra en redhu hers „nicht sah dieselbe irgend ein Auge, nicht fiel das Gesicht der Menschen darauf *. Man könnte diesen Satz auch organisch mit dem vorhergehenden verbinden, indem man sagte: „Obschon in der früheren Zeit viele Soldaten der alten Könige dorthin gekommen, so hatte doch noch Niemand die Quelle entdeckt". Ich habe mir erlaubt, nach der ersten Negation *ju., zwischen Auge und Adler das Zeichen _^, welches bei Burton fehlt, einzuschalten, weil es zum Sinne unerlässlich ist und wirklich auch noch im Koptischen das Verbum „sehen'' die Präposition e = au = ad verlangt, die hier durch 'vvw>a vertreten wird, entsprechend unserm „sehen auf etwas". Dass das ,,Auge" durch ^S" bezeichnet wird, lehrt hier der Zusammenhang; ich habe in Rücksicht auf Plutarch's. Gleichung l()i = {xp&aX/jiog die Umschrift irit gewählt. Es scheint übrigens, als ob auch die l^is 'iifidog daher stamme.

Der zweite* Theil des .Parallelismus bewegt sich nach Art der bib- lischen in einer Umschreibung des nämlichen Satzes: „nicht fiel das Gesicht der Menschen darauf'. Der Begriff fallen, sonst phonetisch ^y=<\ eher u^d^ipi prosternere geschrieben, ist hier bloss durch das figurative Bild des hinstürzenden Mannes bezeichnet. Dass wir in „Auge und sah", „Gesicht" jp^. und darauf e£pdwi-c Wortspiele vor uns haben, ist klar. Was das Wort redhu betrifft, so werden in der Liste der vier Menschenracen die rothhäutigen Aegjpter dadurch ausgedrückt.

79) Letronne: Rec. des inscript. fifrecq. 11 445.

147

Schliesslich noch die Bemerkung, dass sich das Pronomen Sj das uns hier zweimal begegnet ist, noch immer auf die chnemt „Cisterne oder Wasserquelle'^ bezieht.

Fortsetzung der sechsten Columne:

per nofrU'S en hon-f c'esef^ astu chert senu-nef-s „Nachdem (aber) er- schienen war ihre Güte Seiner Majestät, siehe ! da begrüsste er sie auch'^ Die Gonstruction anlangend, habe ich oben in der fünften Columne etwas ganz Aehnliches aufgezeigt. Hier zwingt die Partikel astu kopt. €ic, geiTcc ecce! des zweiten Theiles förmlich zur Annahme einer solchen Zusammengehörigkeit.

Die Partikel chert anlangend, die ich mit „auch" übersetzt habe, 80 entspricht sie den kopt. -xe, (T€, (Th, die wie so viele andre Wörter das alte Schluss-r abgeworfen haben.

Die Gruppe senu mit dem unverkennbaren Deutbilde des sich niederbückenden Mannes begleitet, hat sehr häufig noch die Erdschichte bei sich und bedeutet ohne Zweifel alsdann die orientalische Begrüssung mittelst Bodenküssung. Ich vermuthe dass uiini salutare die breitere Aussprache unseres senu darstellt.

Siebente Columne: Hier erheben sich bedeutende Schwierigkeiten, die sowohl in der Auslassung der Determinative, als in der Verwechslung der Zeichen, als in der Schadhaftigkeit einer Stelle begründet sind. Zwar die beiden Yerba, die im Präteritum stehen: ^^ nef, schliessen sich unmittelbar an das so eben besprochene senu-nef salutavit an. Ich lese den ersten

Theil des dichotomischen Satzes ^ ^ ^ O * rech-nef nieter du

pen ,^er (der König Darius) erkannte den Strudel dieses Berges'^ Das Wort meter, hier durch das runde Loch determinirt (nicht O wodurch Aiepi meridies bezeichnet wird), während sonst das Bassin T=r oder die Wellenlinien IHamx^ dahinter folgen, entspricht dem Worte mto gurges.

SO) Burton hat unrichtig ^^; vielleicht '^^ ti^ um die Verdoppelang nefer-nefer anzadeaten.

I

<.

148

Isis suchte ihren Bruder 0.^iris auf einem solchen ineter^^); nach Plutarch c. 1 5 sass sie in der Stadt Bjblos bei einer Quelle xa&iaaaav im xQfjyrig auf der Suche nach dem Odiris.

Das zweite Glied ist etwas dunkler r^ ö^^h ' ''"'^^ chemotnef hanti so}) pen en mer „er begnadete die Bearbeitung dieses Flecks mit Liebe'^ So geschraubt diese Ausdrucksweise auch erscheinen mag, so wird meine Uebersetzung doch nicht weit von der Wahrheit abliegen. Be- achten wir zuerst das Wortspiel, das in che-mot, han (mit hon) und in mer liegt, nachdem meter so eben vorausgegangen war. Dazu kommt,

dass sonst das Verbum chemot häufig in der Schreibung r^^

statt HnÄ chomt = u|omt tres, 3, vorkommt, obschon natürlich nur

an die drei Striche gedacht wurde, nicht an die 3 Wellenlinien, die erst in der hieratischen Schrift zu ^^^ werden. Ich habe indess viele und gute Gründe, dem Worte chomt ausser der Bedeutung von 3 und Dreizack auch die von g^MOT gratia ep-£MOT gratificari beizu- legen. Wenigstens darf hier nicht an die Bedeutung des Wortes chemt = ignorare oblivisci gedacht werden. Eine noch grössere Vieldeutig- keit eignet der Wurzel hanti oder hanhan. Da hier jedes Deutbild fehlt, 60 müssen wir uns wohl oder übel an die allgemeinste Bedeutung halten und diese ist sicher „das Feld bearbeiten**. Hätte die Gruppe "^ am Ende des Satzes die Bedeutung „Haue'' ligo wie denn dieses Wort an M€p ligare anklingt so wäre damit ausgesprochen, dass der König die Cultur dieses Flecks (sop- so habe ich es im Papyrus Prisse®^) ge- fasst ,, Posten") zu genehmigen geruhte. Allerdings folgt in der Wüste überall auf die Entdeckung einer Quelle z. B. jetzt durch Bohrung artesischer Brunnen auch die Anlage von Gärten wie in Timsah und Ismailiah am Canal. Allein auch die Uebersetzung wonach der König diesen Fleck und seinen Anbau „mit Liebe** (Mcpe amare, actio amandi) begnadete, entfernt sich nicht von dieser Grundansicht. Die unmittel- bar hinter "^^ folgenden Zeichen müssen jedenfalls davon getrennt

81) Harris: Standards F. 13.

82) Cf. Ebers : Die Sutue dos Harwal DMQ. Ztsch. 1873.

149

gehalten und diese Gruppe in ^g verbessert werden, um überhaupt einen Sinn zu ergeben. Dieses Wort, das auch mit der Schreibung ^^Q vorkommt, lautet at und ist wohl in id^T e.^T horizon intuitus erhalten. Von da bis zum Begriffe „Augenblick, plötzlich" ist nicht gar weit. Wenn im Todtenbuche cap. 144 beim Wächter des vierten

Pylons gesagt wird: er heisst nebat-ho „Brandgesicht" ^J^^ «^^n

kahabu at „stossend, plötzlich'' so stimmt dies nicht nur zur Abbildung, sondern es kann auch at nicht ein gewöhnliches Object zu stossen vorstellen, da es im Allgemeinen (cf. Horapollon II 20) ä(fa bedeutet. Wir sind also auf Annahme des adverbiellen Zeitbegriffes ,,augenblick-

lich, plötzlich stossend'' angewiesen.

«

Hier leitet at einen Satz ein, der ein neues £llement enthält; denn der weitere Verlauf des Textes, wo Darius als ,^8ein Sohn'' bezeichnet ist, zwingt zur Statuirung des (unbekannten) Gottes als Subject dieser

Handlung ^^Q^^k^^^*^---^^ nden Augenblick beachtend seinen

Gott (Oberer), anerkennend etc.'' Es muss jedenfalls der Sperber statt des dritten Adlers bei Burton eingesetzt werden. Welches ist nun dieser Gott? Der Text gebraucht nur den allgemeinen Ausdruck her

^' ^ "^®^ Obere" wie die Lateiner superi statt Dii gebrauchen. Bei her denkt man aber zunächst an Horus der meist vv oder

geschrieben wird. Erinnern wir uns an die oben besprochene Polarität von Horus und Set und dass schon in der Pyramidenzeit eine Prin- zessin Hontsen als „Verehrerin ^^^^^^ von Horus und Set" er- scheint, so werden wir auch hier den Set unter dem Oberen zu denken haben, der „verehrt", wörtlich „beachtet, berücksichtigt'* wird. Im Rhind-Papyrus wird dieses Verbum demotisch durch t4schtau = otco^t adorare übersetzt.

Die Scene selbst erinnert an die Erzählung (des Exodus) anlässlich der Quellenauffindung durch Hagar und Moses, so wie an die Thatsache der neuesten Zeit, dass Araber (Beduinen) der Wüste, als in der Sahara der erste Wasserstrom aus einem artesisch erbohrten Brunnen quoll,

Abb. id. I. a d. k. Ak. d. Wies. XIII. Bd. IIL Abtb. 20

150

sich sofort auf die Erde niederwarfen und laut ausriefen: ,,Allab kerim! Gott ist barmherzig!^*

Achte Columne: Es fehlt uns noch das Object zu „anerkennend' *, es liegt in der

Gruppe /vN^ciütay menchu hon-f „die Woblthaten Seiner Majest&t".

Hiemit ist der wohlthätige Gott (Set) gemeint. Aehnlich wird auf der Stele des Exorcismus mit „Sf. Majestät^' bald der König Ramses XII, bald Chonsu der Gott, bald der Dämon (chu) gemeint. Im folgenden Satze ist nun ofifenbar der Gott das Subject:

^^ K-o^To '^=37 ^^J-¥-Z^ arifmat hi setw-f en si-f

Bafiebtoui anch cet „welcher schuf eine Insel auf seinen Set-Ländern für seinen Sohn, den Herrn beider Welten, der ewig leben möge!"

Offenbar haben wir in -^cz=> mit etwas undeutlichem Determinativ

ein Wortspiel mit ^ ^ ^^ „verehren'* zu erkennen : es ist juotc in-

sula, ein nicht unpassender Ausdruck für die durch die Quelle bewirkte Oase. Dass unter dem Gotte Set gemeint ist, gibt das Wortspiel „setu die Set- oder Wüstenländer" zu verstehen.

Von jetzt an wird die Erzählung einfacher und darum verstand-

lieber r^^^P ''^u '^^""''^^Iö^im^^^^'*^' ^^" entiu? em Toinera^tiu „es hörten dies die Bewohner von Tomera't" d. h. die Aegypter; denn U-ri'/LiVffig war nach Stephanus* von Bjzanz und den Denkmälern einer der Namen Aegyptens, speciell des Delta's. Die Anbringung des ti-

Vogels ^ ist zu bemerken.

Neunte und zehnte Columne:

enti her to res hna to mhit wahsen c'o-senu m sedoasen(u) „welche im Süd- und im Nordlande; sie beugten ihr Haupt, indem sie

nefm hon-f enheh hna c^et. mit Lob erhoben die Güte Sr. Majestät ewig und immerdar,"

Ä^WWV

•15I

Der Ausdruck wab-c'o ist im Koptischen fteg^-^co inclinate caput getreu erhalten. Der einzige Ausdruck, welcher nicht ganz gewöhn* lieh ist: se-doa erklart sich als Causativ von ^^^^^^^^P oder von

'^^^ j| = yc^ TÄ.CIO laudare laudibus eflFerre* Diess stimmt zu dem guten Rufe des Darius in Aegypten, den wir auch noch auf einem beim Ganale gefundenen bilinguen Denkmale treffen. Da ich dieses Monument und seine Behandlung durch Oppert schon oben p. 94 angeführt habe, 80 begnüge ich mich hier damit, den Leser darauf zu verweisen.

Auch in der westlichen Wüste und zwar in der Oase Kargeh trifft man die Schilder des Darius. Nach der Zurückkunft der deutschen Expedition dahin unter der Führung Rohlfs besprach Lepsius in der Zeitschrift für ägypt. Spr. 1874 die Legenden dieses Perserkönigs und heuer 1875 (März- April-Heft p. 54) kam Brugsch, der ebenfalls diese Oase besucht hatte, auf die Schilder des Darius I zurück, indem er

schrieb: „Dieser König mit der Legende (^P^^^J Settura (Sesostris?)

dürfte, wie Sie (H. Lepsius) vermuthet haben, der erste Darius sein.'^

Für mich war diese Gleichstellung des Setetura mit Darius I von Anfang an nicht im Mindesten zweifelhaft, und eben so wenige dass wir darin eine Nebenform zu JSsacootifig zu erblicken haben. Denn ich erinnerte mich sofort der Stelle des Herodot II 110: o iffsvg rov ^Hipaiaxov X^oy(p fxexinena nokhp JaQBvov rov ITi^orjv ov neffiei^e iaxavTa sunQoaO-er avS^iavta^ tpag ov ot nenocrjad-ai e^a olansQ JSsaa)- axQi r(p AlyvnxLw. Auch Diodor I 58 gedenkt dieser Weigerung der Priesterschaft und seine Bezeichnung JaQslog 6 SiQ^ov naxriQ anov^äaag iv MifjitpBt xiir IdLav elxova ax^aai n^o xfjg xov JSsaociaiog benimmt jeden Zweifel. So wie nun die Namensformen Sesustra = SiavoaxQig^ Sesesu = JSeaocjoig aus ""Pafieaorjgj so ist Setetura aus 'Pa/Lihxrjg entstanden. Auch Kamhyses hatte, wie uns die Statuette naophore des Vaticans belehrt (cf. supra p. 91, 115) in sein Thronschild den Namen Ba-mesut Sol natus aufgenommen, wohl aus demselben Grunde, wie sein Nachfolger Darius I weil eben Sesostris der berühmteste aller Pha* raonen der ägyptischen Geschichte gewesen.

In meiner vorigen Abh. Sitzungsb. 1S76.I. p. 183, 18 lies: „WiderBaoherei oder Widersprecberei"*

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Die

Far akataloge

im

griechischen und römischen Drama,

Von

Wilh. Ohrist.

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII.Bd. III. Abtb. 2 1

Die

Parakataloge im griechischen und römischen Drama

von

Wilh. Christ.

Die erhaltenen Werke der dramatischen Dichter des Alterthums sind uns ein unversiegbarer Quell geistigen Genusses durch ihren In- halt, durch die in Worten ausgesprochenen Gedanken erhabener Denkungs- weise und durch die aus dem Gefüge der Verse und der Rede uns entgegenstrahlende Kunst der Composition. Aber so sehr auch der Text eines Dramas zu allen Zeiten die Hauptsache bildete, und so sehr auch die Dichter selbst den Schwerpunkt ihrer Aufgabe in der ge- schickten Entwicklung der Handlung und der kunstvollen Gestaltung der Rede suchten, so machte doch bei den Griechen die auf den Text verwandte Mühe nur einen Theil der dramatischen Kunst aus, und galt im Alterthum das Lesen einer Tragödie oder Komödie nur als ein kümmerlicher, ohnehin erst spät und selten gesuchter Ersatz für die lebensvolle Darstellung im Theater. Aristoteles zählt in der Poetik sechs Theile der Tragödie auf: die Fabel (liiv&og)^ die Charaktere (ijO'ri), die Gedanken {diavoid)^ dieJRede {Xe^ig), die musikalische Composition (fiekonoua)^ und den zum Sehen bestimmten scenischen Apparat (oipig). Von diesen sechs Theilen liegen uns vier, die Fabel, die Charaktere, die

Anm. Vorstehende Abhandlung wurde bereits vor mebr als anderthalb Jahren, also vor dem Erscheinen meiner Metrik, niedergeschrieben and in der Akademie vorgetragen.

21*

156

Gedanken und die Rede in den erhaltenen Texten vor, die beiden übrigen, auf das Auge und das Ohr berechneten Theile trugen gewiss nicht am wenigsten zur beifälligen Aufnahme eines Stückes im Dionysos- Theater zu Athen bei, und der tragische Dichter hätte leicht die Aus- sicht auf den Siegeskranz verscherzt, wenn er in übertriebener Bevor- ziehung der mit dem Auge des Geistes zu erfassenden Theile seiner Kunst den unmittelbar empfundenen Reiz der Sinne vernachlässigt hätte. Zur Zeit als die scenischen Spiele in die Siebenhügelstadt am Tiber- strande verpflanzt wurden, war freilich schon eine grössere Trennung der in dem Drama zur Geltung kommenden Künste eingetreten; aber doch fand immer noch in der die Aufi*ührung eines Stückes bezeugenden Urkunde, in der Didaskalie, neben dem Dichter, der den Text schrieb, der Schauspieler oder richtiger Schauspiel -Director (princeps catervae), der für die oipig zu sorgen hatte, und der Musiker, der die Melodie erdachte (modos fecit)^ namentliche Erwähnung. Erst der Zeit des Ver- falls der antiken Kunst unter den römischen Kaisern blieb es vor- behalten, das Band, das in alter Zeit die verschwisterten Künste um- schlungen hatte, erst zu lockern und dann vollends zu lösen, so dass in dem Pantomimus und den operettenartigen Gesangsvorträgen der Kitharöden und Tragöden^) der geistige Inhalt des gottgeweihten Spieles des Dionysos fast gänzlich vernachlässigt und nur dem Ohr und dem Auge der Zuschauer ein verführerischer Reiz bereitet wurde.

Auf eine genaue Kenntniss jener entarteten Verhältnisse der rö- mischen Bühne verzichten wir leicht; hingegen muss es jeder Freund der antiken Kunst bedauern, dass uns der volle Genuss der dramatischen

1) Das Haaptzeugniss über die spätere Ausscheidang der ehemals im Drama vereinigten Künste ist uns bei dem Grammatiker Diomodes p. 491 K. erhalten: primis temporibus, sicuti adserit Tranquülus, omnia quae in scena versantur in comoedia agebantur^ nam et pantomimus et pythaules et choraules in comoedia canebant^ sed quia non poterant omnia simnl apud omnes artifices pariter excellere^ si qui erant inter actores comoediarum pro facultate et arte po- tioreSf principatum sibi artificii vindicabant, sie factum est, ut nolentibus cedere mimis in artificio suo ceteris separatio fierit reliquorum. nam dum potiores inferioribus , qui in com- muni ergasterio erant, seroire dedigrtantur, se ipsos a comoedia sepuraverunt, ac sie factum est, ut exemplo semel sumpto usus quisque ortis suae rem exequi coeperit neque in comoediam venire. Näheres siehe bei Grysar, die Citharoden und die Cantores tragoediamm in der Kaiserzeit, in Sitzb. d. k. Ak. z. Wien XV, 403 ff.

157

Meisterwerke des griechischen Genius nicht mehr vergönnt ist, und jeden Versuch, mit der Divination des Künstlers oder der strengen Beweisführung des Gelehrten jene Lücken unserer Erkenntniss zu er- gänzen, willkommen heissen. Nicht allzuschwer aber ist es, den die oipig betreffenden Theil der Aufführung einer Tragödie im Alterthum durch phantasievolle Combination und geschickte Nachbildung uns zu vergegenwärtigen. Aus den Resten antiker Bühnengebäude und aus den Zeugnissen der Schriftsteller lässt sich ungefähr ein Bild des athenischen Theaters mitsammt den Decorationen und den Personen der Bühne wie der Orchestra entwerfen, und ein Ambivius wird in Rom den Aeschinus in Terenz Brüdern kaum mit anderem Gebärdenspiel gegeben haben, als ein Possart auf unserer Münchener Bühne. Aber vollständig verzweifeln muss man daran, je wieder ein gleich anschau- liches Bild von dem musikalischen Theile eines antiken Dramas zu ge- winnen. Selbst bezüglich des Rhythmus, für den uns in der Silben- quantität der Texte eine bestimmte Grundlage geboten ist, lässt sich allem Anschein nach so bald nicht ein Ausgleich der verschiedenen Ansichten erzielen, und bezüglich der Melodie ermangeln wir vollends jener Anhaltspunkte, welche uns über ein blosses Rathen und Ahnen hinüberhelfen könnten» Aber selbst darüber schwanken die Meinungen hin und her, wie weit der Gesang und die musikalische Begleitung ge- reicht habe. In den Brüdern des Terenz, wie sie uns auf der Bühne vorgeführt werden, und in den Stücken deutscher, englischer und fran- zösischer Meister, welche Komödien des Plautus oder Terenz nach- gebildet haben, ist von Arie und Recitativ keine Rede, und muss sich die Musik auf die bescheidene Stelle in der Ouvertüre und den Zwischenacten beschränken^). Hingegen ist in den Kreisen der Gelehrten

2) Die Ouvertüre ist keine Erfindung der neueren Zeit, es gab eine solche auch schon im Alter- thum. Wir werden darüber durch Donat in der kleinen Abhandlung de tragoedia et comoedia belehrt, aus der wir zugleich erfahren, dass in der Regel die Musik eines Canticum auch zur Ouvertüre für das betreffende Stück verwendet wurde; s. G. Hermann, de cantico in Roma- norum fabtUis sceniciSy Opusc, i, 296. Jenes Vorspiel, das auch bei der Aufführung einer musikalischen Symphonie nicht fehlte, hiess nach Sueton, Nero c, 21 principium; verwandt war dasselbe mit dem n^oav^oy der Nomen (s. Plato Cratjlus 417 E), und mit der dyaßoXif der Dithyramben. Auch die n(}ooifua xiS-agtitducä des Terpander (s. Plut. de mus. 4) und das xofifidrtoy der Parabase (vgl. Pollux IV, 112 xofifiänoy xaraßoXij xlg iaxi. ß^ax^og (isXovs) nahm eine verwandte Stellung ein.

violfuch die Moiiiiin^ veibreitet, da.s.s der Flöteuspieler bei dem ganzen KtrK;k iinuntcrbrochori in Thätigkeit gewesen &ei und mit seiner Doppelflöte Howohl den (ioniing als aucii die Action der Schauspieler unterstützt hubo'^j. Auch in üezug auf die griechischen Tragiker haben die Kunst- richtor, Mtjitdorn mIo hich mit dieser Frage zu beschäftigen begannen, verhchindoriü Annichten über die Ausdehnung der Melopoie aufgestellt. Während <lie einen unter Berufung auf die bekannte Stelle der Ars poetica des lloraz

Auf iiiUHikaliKcIio ZwiHclicnHpicIo zwischen den einzelnen Acten weist der bekannte Vers den PliiuiuH im l'HeuduIuH nm SchluB.so des ersten Aktes hin:

tihicen tos intcrea hie delectaverit, AuriNürdeni ist «his nniHikaÜHche Zwischenspiel an einer freilich bis jetzt durch einen leichten Kt'liler jfetrühten Stolle dos DonatuH, de conioedia p. 8 ed. Reifferscheid, angedeutet: comoediae autnn a morc atttiquo divUie^ quid in vicitt fiuinsmodi carmina initio agebantur apud Graecos, lU in Italia rompitaliciin ludicn'sy admixto pronnntiationis modulo, quo, dum actus cornfnu- taiUur popuius (Utiuehatnr^ wo olTonbar statt admixto pronuntiationis modulo zu lesen ist admixto proHuntiationi modulo.

I>i»r riiinisi'-lj« Kliitonspieler trat liior an <lie Stelle des griechischen Chors, dessen Stasiroa dio /oit zwischün dem Abtroten der einen und dem Wiederauftreten der anderen Schauspieler uuHfnlltcn. l)as will offenbar auch Donat besagen, wenn er zur Andria in der Einleitung be- merkt: i'tit iijitur attt'nte animadvertendum, uhi et quando scena vacua sit ab Omnibus per^ Honiitt ut in ta choru^i rel tibicen audiri possit, quod cum viderimus^ ibi actum esse finitum dfhnnua tupuK^cnr. Vorwandt sind nut jenen Zwischenspielen zwischen den einzelnen Akten tlio i/'iA« X(i()r,i4(au tu *V r»«V <o<)«/V ^u€fT€tvhxu, deren Aristides Quintilianus, ae mus. p. 20 M. godonkt; vgl. Loutsoh. (iruntlriss zu Vorlesungen über griechische Metrik. S 359.

Auch ein musikalisches Nachspiel hat Kitschi in den Polegomena zum Trinummns p. XXX ungonounnon und oino Hostätigung seiner Meinung in der handschriftlichen liCsart am Schlüsse dos l*orsA : idtuidite pantio gefunden . die er mit glänzendem Scharfsinn in plaudite cantio omondirt. Wio passend aU»r den Körnern eine die Beifjillsrufe begleitende und ordnende Musik orsohionon sei. ersieht man aus Taoitus Ann. XVI, 2: phbs quidem urbis, histriomum quo*lHK> «;«**h4i? iuvitre soiitti, ptrsonabat certis moilis plaiutuque composito, und aus Orid Ars I. IK«:

in metlio pUutsu phmsus tunc arte carebant

»YX populo prutdae Mt/Mt» petenda dedit.

l\) Kino durchgängige Begleitung der röniisohen Komö*lie durfte aus der Bemerkung Rahnken*s «ur l>idaskalio der Andria ..wiMiujf fWtt, i. e, Uijes musicas praescripifit, quns tibicen in can- (undiK «lo^»^ in agendo obserttiret** nicht herausgelesen werden, da der grosse Gelehrte dabei nur dio von Livius Vll, 2 gi^sohildorte Vortragsweise der Cantica durch einen singenden Knal>eu und einen gestioulirenden Schauspieler im Auge grehabt zu haben scheint. Hingegen spricht von den neueren Krklarern des Plaut us Xaulet von dem Aocompagnement der Cantica und Uiverbia wie von einer ausgemachton Sache ; siehe zu Cas. IV. 3. 1 : tibicen semper €kii*ab<tt in |>nvt\YHK\ Ht iMwfMS tt dicerbüM mi^h/is tetni^ntret* und zu Pseud. I, 5. 16»>: ad tibiam et MgMiK^id CiMKebtiHt et dicerbia etiam ptvnitHttab^tnt,

159

Tibia non ut nunc orichalco vincta tubaeque aemula^ sed tenuis siniplexque foramine piuco adspirare et adesse choris erat utilis die musikalische Begleitung auf die Chorlieder einschränkten und höchstens nur noch auf die lyrisch gebauten Monodien sich erstrecken Hessen, haben andere, wie in neuerer Zeit besonders Westphal, das Accom- pagnement auf alle Theile der Tragödie und somit auch auf den Dialog ausgedehnt und mit dieser kühnen Behauptung manigfachen Anklang gefunden^). Die Sache selbst aber ist von weittragender Bedeutung und hat auch schon in Fragen der Texteskritik eine Rolle zu spielen begonnen. Denn nicht bloss muss sich die Vorstellung von dem Wesen des antiken Dramas verschieden gestalten, je nach dem man durch- gängige, oder nur theilweise musikalische Begleitung abnimmt, auch

4) Westphal spricht sich in der Metrik II, 480 noch vorsichtig aus, indem er nur behauptet, das? die dialogischen Jaraben*der Tragödie wenigstens theilweise molodramatisch vorgetragen wurden. In den Prolegomena zu Aeschylus S. 200 hingegen tritt er, ohne neue Beweise erbracht zu haben, viel zuversichtlicher mit dem Satze auf: „Welche Partien der tragischen ia/ußfia ge- sungen, welche melodramatisch vorgetragen wurden, ist uns nicht tiberliefert und wird sich auch wohl niemals ermitteln lassen, aber es steht fest, dass eine iambische Partie entweder auf die eine oder auf die andere Weise vorgetragen ward". Schon vor Westphal hat Geppert in seinem Buch über die altgriechische Bühne S. 240 denselben Gedanken ausgesprochen : „Die griechischen Schauspieler waren insgesammt Sänger, und sie mussten es sein, denn nicht nur die sogenannten Gesänge arto axtjytjg und die x6fjifxoi erforderten in diesem Punkt einen hohen Grad von Ausbildung, sondern auch die Trochäen, die Anapäste, selbst die Jamben wurden zum Theil gesungen, und die, welche nicht gesungen wurden, waren melodramatisch componirt und wurden zur Begleitung eines Saiteninstrumentes gesprochen. Die Tragödie kannte, wie sich mit ziemlicher Bestimmtheit nachweisen lässt, nur diesen Wechsel zwischen der durchgeführten musikalischen Composition und dem Melodram und glich insofern der italienischen Oper, wo- die Kicitative, die die grösseren Musikstücke mit einander verbinden, ebenfalls nur durch Saiteninstrumente begleitet zu werden pflegen und wo das volle Orchester nur bei denjenigen Parthien angewandt wird, in denen eine strengere rhythmische Behandlung vorherrscht. In der Eomoedie dagegen ist wahrscheinlich weit mehr und vielleicht auch ohne alle musikalische Begleitung gesprochen worden, wie bei uns in der sogenannten romantischen Oper, wo der Dialog die Musikstücke mit einander verbindet". Von ähnlicher Anschauung ging Genelli, das Theater zu Athen S. 132, aus, indem er durchgängig die Worte des Dialoges von einem In- strumente begleitet sein liess, das den Sänger bei fester Intonation erhalten habe, nicht aber dem Melodema Note um Note gefolgt sei. Auch im vorigen Jahrhundert haben die meisten Gelehrten die Epeisodien der antiken Dramen auf eine Stufe mit dem Recitativ unserer Opern gestellt, während andere, wie Duclos, sich gegen eine musikalische Declamation aussprachen,, weil eine solche den natürlichen Ausdruck der vom Moment geborenen Empfindung des Schau- spielers störe und verderbe; siehe darüber in dem bekannten Werke Bume/s, über die antike Musik, den 9. Abschnitt, der von der dramatischen Musik handelt.

UU)

diiH in gewisnen Kreinen geradezu zur literarischen Mode gewordene Streben Htrophi«che Composition auch in den Trimetern des Dialoges nachzuwciHen, findet an dem den Vortrag begleitenden Melos einen be- deutungsvollen Rückhalt. „Diejenigen, sagt ein Vertreter jener Lehre vom Hymmetrischon Hau des Dialoges, C. Nacke in Rh. M. XVII, 521, donon es vergönnt war zu de» Dichters Lebzeiten seine Dramen auf der Kühne zu Hehon, vyerden denn auch wohl nicht so in Zweifel über die lieziohungen zwiHchon den einzelnen Theilen seines symmetrischen Huues gewoHcn sein, die er Helbst im Auge hatte. Ihnen war dafür eine Kriterium gegeben, welches freilich für uns verloren ist, die musi- kuÜHcho Begleitung, von der wir annehmen müssen, dass sie auch den rocitativurtigen Dialogen nicht gefehlt habe^^ Und allerdings müssen wir den Ily})üthesen von der strophischen Gliederung des Dialoges weit mehr lleachtung Hchenken, wenn die musikalische Begleitung desselben aich als sichere TtiatHuche erweist; obschon auf der andern Seite aus <lem recitativarti gen Vortrag nicht sofort auf strenge Symmetrie im Bau der Dialogpartien und auf durchgängige strophenartige Composition geaohlossen worden darf. Denn warum sollte die bereits seit Jahr- hunderten geübte und durch grosse Meister geförderte Kitharistik und Auletik noch nach den Perserkriegen so dürftig und mager gewesen aoin, duHH sie sich auf wenige, stets einförmig wiederholte Motive hätte beschränken müssen ?

Sei indess dem, wie ihm wolle, sicherlich ist die Frage nach der Ausdehnung der Melopoiie im antiken Drama interessant und wichtig genug, um eine specielle Untersuchung zu verlohnen. Ich habe mich, sunäohst durch metrische Untersuchungen veranlasst, oft und viel mit der Sache beschäftigt« kam aber lange so wenig zu einer festen Mei- nung, dass ich anfangs nur die Gründe dafür und dawider nach aris- totelischer Weise nebeneinanderstellen wollte. Schliesslich aber gestal- tete sieh mir doch die Richtigkeit der einen Meinung zur überzeugenden Gewissheits und ich werde demgemäss auf den folgenden Blättern den Beweis su liefern versuchen, dass man mit Unrecht für den iambischen Trimeter des Dialogs durchgängige musikalische Begleitung angenommen hat« Bevor ioh jedoch diesen Beweis antrete, muss ich zuvor die ver- schiedene Vorti^agsweise metrischer Dichtungen überhaupt berühren.

161

Gedichte wurden bei den Hellenen entweder gesungen {lidetcu, can- tatur) oder gesprochen (Xiyerai xaraXeyerai, pronuntiatur) Das Singen galt in der classischen Zeit als die regelmässige, dem Wesen der metrischen Form allein entsprechende Vortragsweise. Am klarsten hat dieses Plato in den Gesetzen II. p. 469 D ausgesprochen, indem er die Trennung des im Metrum ausgeprägten Rhythmus vom Gesang als etwas Naturwidriges bezeichnete: rama Tb yä^f offioai ndyra xvxtifuyay xal hi diaanvjoir oi nonixal ^v&fxvv /tiir xal oy^ifiara (schreibe ^rjfiard) /jiiXovg ^fCüpiV, Xoyovg yjikovi; d^; fih(ja TiS^fvzegy /tteXog ^^av xal ^vd-uoy ärev (tTjfidTiov, xf^nXfi xi9'a(jiaei rs xal avh]aH 7iffoax(f(Jo,u^yoi. Erst im siebenten Jahrhundert, nachdem viele Menschenalter hindurch der epische Gesang geblüht hatte, scheint zuerst der Jambendichler Archilochus das Sprechen von Versen eingeführt zu haben. Doch wagte auch er es noch nicht mit dem alten Herkommen vollständig zu brechen, indem er zu den gesprochenen Versen einige den Rhythmus regulirende und die Vers- schlüsse markirende Klänge auf der Kithara ertönen liess^). Ein völ- liges Lossagen vom Melos trat einige Zeit nachher im elegischen Vers-

5) Das Zeugniss über den bezeichneten Vortrag der Jamben des Archilochns ist uns bei Plntarch, de mos. c. 28 erhalten, wo anter den Neuerungen, welche allgemach in die Musik eingef&hrt worden, auch angeführt ist: aXXu fxi^y xal *Aqx^^^X^^ ^'7^ ^^^ tQifAkt^taif ^vS-fionouay n^of- e^ft'^€ , , » , in 6i raiy iu/ÄjSfttuy ro ra fxsy XiyfaS'at nagte t^y xgovaiy, ra di ^dtad-ai 'Jq~ XiXoxoy tpatsi xaradfi^ui. Die Stelle wird noch weiter unten eine eingehendere Besprechung finden. Hier möge nur darauf hingewiesen werden, dass es mit jener Vortragsweise zusammen- hängt, wenn später, wie wir auo : iato, Ion p. 531 j4 und Athenaus XIV p. 620 £ erfahren, die Gedichte des Archilochus gerade so wie die intj des Homer und Hesiod von Rhapsoden vor- getragen wurden. Bei ihnen allen scheint im Gegensatz zu den eigentlichen Liedern der Ge- saug wesentlich nur aaf einen rhythmischen Vortrag hinausgelaufen zu sein, der blos an den ge- hobenen Stellen und an den Periodenschlüssen das melodische Element etwas starker hervor- treten liess. Der Gegensatz zwischen gesungenen und gesprochenen Jamben oder Spottgedichten erhielt sich auch noch in der jüngeren Literatur der Griechen, aus der uns die Sprechjamben des Asopodoros (s. Athenäus X p. 445 B: avy&iruty oyo/iaTtuy no^fiaa 'A(itun66utf)os 6 ^Xidaios ixgnaaro iy loig xaxaXoyadr^y iäfjißotg) und die Meliamben des Kerkidas (s. Bergk in der Ausgabe der Poet. lyr. gr.) genannt werden. Aber wie uns die erhaltenen Fragmente der letz- teren belehren, waren dieselben, wie ja auch theilweise die Jamben (Epoden) des Horaz, gar nicht mehr im jambischen Rhythmus, sondern in den freieren Versmassen der Melik gedichtet, so dass sie nur in Bezug auf ihre Eigenschaft als Spottgedichte den Namen Jamben erhalten haben können. Danach darf man wohl annehmen, dass im Gegensatz dazu dio Jamben des Aso- podorus in jambischen Trimetern abgefasst waren und eben desshalb zur musiklosen Poesie (noificic ^i/tif) zahlten. Leider hat sich uns kein einziges Bruchstück derselben erhalten, und fehlen uns auch die nöthigen Anhaltspunkte, um das Zeitalter des Asopodorus mit Sicherheit

Abb. d. L Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 22

162

mtuBB ein, worüber uns Athenftus in seinem Philosophenmahl XIV. 682 D unterrichtet. Dort entschuldigt nämlich der Grammatiker die Unregelmässigkeiten homerischer Verse durch den die prosodischen Mängel des Textes ausgleichenden Gesang und fährt dann in folgender Weise fort: Stvoipavri^ dk xal JSoXoyv xat Oioyvig xal ^(oxvXi^rjg, eri Jti TU^lavdQog o Ko^ivxhiog iXeyeionoiot xal rdiv XoimSv oi firj nQoaanxovreg nifi)^ xa noirifiaxa fieX(p^iay ixnovovOi rovg arixovg rolg aQid^/iolg xat rfj rdS^i rtSv fxh:{HjJV xal axonovaiVj onwg avzvSy firj^elg dxiipaXog earac iJLr{iB Xaya(f()g /iuin fieiov()og. Jedoch hüte man sich daraus schliessen zu wollen, dass nach Xenophanes und Solon nun durchweg alle daktylischen Metra ohne Gesang und ohne musikalische Begleitung vorgetragen worden seien. Umgekehrt erhielt sich noch lang die alte Sitte, dass die Rhapsoden die Verse Homers und Hesiods mit der Kithara und einem woun auch nur wenig über die rhythmische Kecitation sich er- hebenden Gesang vortrugen. So sagt Piato vom Rhapsoden Ion in dem gleichnamigen Dialog, dass er es als seine Kunst oder vielmehr als sein Handwerk ansehe, die Kithara zu spielen (p. 540 D) und dass seine Seele aufwache und aufjubele, wenn er ein Melos seines Lieblings- dichters Homer vorgetragen höre (p. 536 B). Ja noch in der römischen Kaiaeraeit lässt Plutarch einen gewissen Eraton beim Festmahl Verse aus den Werken des Hesiod zur Lyra singen; s. Plut. Conviv. IX, 2: iho .7(>tt5foi' jiih' {xtXiV(7ey (foai rby ^Egarwra nQog rfiv XvQav qaavxo>: (fs rfi .7(Hur« ruiy ^'fipycor .,oi»x äga jnovyoy efjy iQiffioy y^yog^', h:if]yiaBy (og xto xanHo .ipfidrrttis: «piioarr iif ror ^).

lu b«9timroen. Nor Termothangsweise l&sst sich ans der angeführten Stelle des Athenios ent- nehmen, dass er nicht lange Tor oder nach dem Aoleten Antigeneides hlfihte and somit dem 5. oder 4. Jahrhundert v. Ch. angehörte. Damals also hielt man es noch filr nothig in der reberschrilt eigens aniogehen, dass die Jamhen nicht mm Singen, sondern mm Becitiren (rgL Uesx^hius: ««laX«}*^'* ro ra ^fiataft^ rrfo fiiXft Xiyur) bestimmt seien.

6) Der f<^^nUche Gesang homerischer Verse galt in der spateren Zeit ab ABmahme tod der Reg«L Sdion Plato stellt den Vortrag des Rhapsoden Ion so dar, als ob sich bot an patke- üsehen Stellen die Stimme desselben nm Gesang erhoben habe. Wie fr&he beim Hexameter ii# einfacbe rhrthmische Declamation inr Regel wnrde, ersieht man anch ans dem Namen i^^, mit dem bereits PlaU.\ de rep. III p. S94 C. und Aristoteles, metaph. XII, 6 die daktylischem Seehslisaler benannten. Sextos Empirien, adr. mathem. VI« 17 spricht roUeads rom Gesang h<«ieffis(lier Vene im Tempos der Vergangenheit: ^uskn yi ?«< x«i o< :tM^ai iulmrf^fi li^ ymmmt umi tm \\«Y^r H^ tälm :rf^ ^vf«r 5#rr». Damals also, gigfm Schlnss des ^ Jahzh.

163 Neben Gesang; und Declamation unterschieden nun aber die Alten ^•'^^^^

" ^ ftb«r die

noch eine dritte Art des Vortrags, die auf Archilochus als ihren Er- pv^intoioffe. finder zurückgefürte TiaQaxaraloyri. Man verstand darunter das Ricitiren von Versen unter musikalischer Begleitung. Ich stelle zuerst die mir bekannt gewordenen Zeugnisse über diese Vortragsweise zusammen, ehe ich zur weiteren Discussion übergehe. Das Hauptzeugniss steht bei Plutarch in der Schrift de musica c. 28: lägx^^oxog TTjy xdiy Tffifih()a)y ^vd-fKmoCtav 7i(>oa(§£V(fe xat rrjy slg rovg ov/ o/ioyeyeZg ^vd^fiovg syraair xal TTjy naffaxaraXoyijy xal rrir tisqI ravra xgcwoiy und dann weiter unten in demselben Capitel: szi ^e rüy lafißaimy rb ra fxty liyea&ai na(fä rrjy xQovaiy^ ^s adeaS^ai Id^x^'^X^^ (paai xata^aT^aij 819^ owcta XQ^caaS-ai rovg Xifayixovg noiijtag^ Kifi^oy dk Xaßoyxa slg di&v^fafißov X^Oiy (man erwartet r^r X(fV^^^) ciyccysly. Vielleicht gehört auch aus jener Schrift des Plutarch hieher die Stelle im 21 Capitel: rfi yä(f neffl rag ^vS-fKmoitag noixikia ovaj] TiOiXilanBQa sx^oayto ol nalaioi' hifiary yovy T^y ^v&fiixijy noixiliay^ xal %a neffl rag x{fovafiarixäg d% diaXixrovg rate TtoixilioreQa fjy' ol fxtv yä{i vvv (piXo/uadsig (an (piXo/xeXBig'^) , oi (fe rate q)il6(f()vd^fioL'^). Zwar versteht Bürette in dem Commentar zu unserer Schrift (Memoires de l'Acad. des inscriptions t. XIll. p. 306) unter xQovOfiarixal SiaXexroi den freien Vortrag von Melodien, die ohne

T. Gh. war die Lyra aus der Hand der Rhapsoden ganz Terschwanden und hörte man Verse des Homer in der Regel nur noch declamiren, nicht mehr singen. Es ist daher der Zweifel be- rechtigt, ob das Wort ^6iay in dem Verse

einer Grabinschrift aus dem 2. Jahrhundert unserer Zeitrechnung (0. I. 6r. 8436) im wörtlichen Sinne zu nehmen oder als eine Nachahmung des homerischen Sprachgebrauchs zu erklären sei. Ohne nfihere Bestimmung der Zeit sagt Eustathius zu Homer*s IL p. 6 nur im Allgemeinen: T^r 'O/i^Qix^y TtoltifTiy ol varepoy vnfxgiyayto SQafjunixtaTfQoy' vgl. v. Leutsch, Griech. Metr. S. 429 ff. Wenn neuerdings DQntzer, Homerische Fragen S. 170, sagt: „Eine ganz andere Art des Vortrags tritt uns in späterer Zeit bei den sogenannten Rhapsoden entgegen. Diese hatten die Phorminx ganz abgelegt; sie sangen nicht, sondern sagten (deklamirten) die Gedichte", so vermisse ich für diese zuversichtliche Behauptung die begründenden Belege. 7) Die Ausdrücke yvy und tote in der angeführten Stelle des Plutarch dürfen nicht mit Bezug auf die Zeit des Plutarch erklärt werden. Denn der kurz vorausgehende Satz: jjxa^Xov 6Ut Tig r^ fifj /(>^<J^a< TfXfjiai^ofifyog xarhyytuafTat ToSr firj x^f^^^^^ ayyougy^ noXXtSy ay rig ^&äyoi xal xtoy yvy xarayiytotncüty oloy rtoy fily Jut^ioyiuty rov *JyTiyfyiSfiov XQonov Xitra» ipQoyovytfoy^ inftSirifQ ov /^i^ra« aittp, taiy ^* * jiyrtyeyt6ilu)y rov JutQuayiov 6td r^r avrify ftiT{tty*\ hat mit dem 1. oder 2. Jahrhundert n. Chr., in denen es gewiss keine Auleten- schulen des Dorion und Antigenides mehr gab , nicht das mindeste zu thun. Da nun aber

22»

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Gesang auf der Kithara oJer Flöte executirt wurden, und wird in dieser Auffassung durch den gleich nachher zu erörternden lateinischen Sprach- gebrauch von ad tihias dicere (Lampridius Vita Heliogabali c. 31) und ad fistulam dicere (Apulejus, metam. VI, 24) unterstützt®). Aber näher scheint es doch zu liegen an unserer Stelle an die von Musik beglei- tete Declamation zu denken und dabei an das 36. Gapitel der Schrift des Plutarch ober Musik zu erinnern, wo unter den Theilen 'der ge- sammten musikalischen Kunst auch die i9e(x)(fla 7if(fi zb r^y xffovaiy re xal rf)y U^iv aufgez&hlt wird^).

Plutarch den ^rSssten Theil seiner Schrift über die Masik den Werken des grossen musikalischen Theoretikers Aristoxenns entlehnt hat (s. Westphal in seiner Ausgabe der Schrift S. 19) und auf dessen Zeit recht wohl die Erwähnung des Dorion passt, so werden wir auch das tote und rZy unserer Stelle mit Bezug auf die Zeit des Aristoxenus fassen.

8) Die beiden lateinischen Stellen hat Bürette zur Bekräftigung seiner Behauptung nicht ange- führt, hingegen auf eine andere Stelle im Plutarch, de mus. c. 36 hingewiesen : ^trtoxgirue ydg Sy xig axovtoy avXriTov, TtotfQoy nore cvfJL<ptM}yovaiy ol avXoi 5 ovy xal ndregoy ^ SiaXfxroc aatpfig 17 tovyttyxioy tovrtay S^ixafftoy /liQoc itrtiy TJjg avXtjTiX^f kQfAriy^ias^ ov fJtiyxoi tikog^ tiyx iyexa rov tiXovg yiydfifyoy'', wo allerdings didXfxvog so viel als prononciation instru* mentale zu bedeuten scheint. Ich setze den Wortlaut der ganzen Stelle her, um daran noch einige weitere gelegentliche Bemerkungen zu knüpfen: ^61" ag d^aixiag ovx otdy x ef avtS§y tovTüty yfyi<T-9'ai XQirtxCy nftgatioy xarafia-S'fiy' ngtatoy ix xov ^fiiy ^noxiia-S'ai xa fJLiy xtoy XQiyofJiiyiay xiXutt, xd 6* axiXtl' xiXfue fiiy avro X€ iwy TtottjfidTaiy ixa<ixoy^ oloy x6 i^doiifyoy ^ avXovfifyoy f xi&aQi^ofJLfyoy, tf ri kxdaxov avxioy kQfA^yfia, oloy ff xf avXijtrig xal 17 (y6^ xai xd Xomd xtoy xoiovxtoy drsXij de xd TtQos xecvxa trvyxfiyoyxa xai xd xovxuty iyfxn yiyojLUya^ xoiavxa 6k xd fiigti x^g kgfjiriyiUtg' 6fvXfQoy ix xrig noiriatwg' tuaavxtug yuQ xai atxff vno- XQiyfie ydg ay xig dxovuty avXrjTov, noxfgoy Tioxe (rvfi^toyovoiy oi avXol ij ov, xal rtoxf^oy if 6tuX(xxof aaq>tlg 5 tovyayxioy' xovxuty 6* Ixaaxoy (ligog daxl xijf avXtjrix^s ^Qfirjyftaf, ov fiiy^ xot xiXog, dXX* iyfxa xov liXovg ywo/Äfyoy' nagd tavxa ydg av xal xd xoiatxa ndyxa XQt- dviaitai x6 Xfif k^finiydas ^S'og, fi oixtioy dnoSiSorai rw TtaQonoitj&iyTi nonj^uan". Hier müssen vor allem, wie in der Hauptsache schon Bürette erkannte, die Wortes 6fvxf^y sx Tr,g noiifcetag' tacavxtog ydg xal avtti von ihrer Stelle weggerückt und hinter iy^xa xov xiXovg ytyofjuyoy gesetzt werden. Sodann dient zur Erklärung des Satzes not^^oy note avfuputyovaiy Ol avXoi einzig die Stelle in Theophrast^s hist. plant. IV. II, 7: avfjuptuyety 6k xdg yXtJxrac xdc ix xov ttvxov (uaoyoyrtxiov, xdg 6i uXXag ov <TvfA<p(oyfty, xai rijy fUy ngog ^i(n d^vr- xegdy flyat^ x^y 6i ti^V roiV ßXacxovg S^^idy' xfnj$'iyxog de Si^a xov gxiaoyoyaxiov x6 axofiu riff yXiüSxXfig ixaxigag yiyia&ai xtexd xrjy xov XftXdfxov xo^ijy* idy 6k dXXoy xgunoy tgyaaSwffiy ttl yXiSxxai, xavxag ov ndyv avfiq>wy$ty. Aus dieser Stelle des Theopbrast erhellt dann weiter, dass die Doppelflöten der Alten nicht, wie mao- noch so vielfach annimmt, in 0 i n Mundstück endeten, sondern, dass jede der beiden Flöten ein eigenes Mundstück (yXtuxxrc) hatte.

9) Von der ^ewgia negi rf rijV xgovcty xf xal x^y Xi^iy haben wir, beiläufig gesagt, noch ein wichtiges Bruchstück, das gerade anf Aristoxenus, dem Plutarch in seiner Schrift über Musik das meiste und beste entlehnte, zurückgeführt wird. Es steht bei Athenäus XIV p 467 A

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Eiii weiteres Zeugniss für die Parakataloge , der unmittelbaren Gegenwart entnommen, gibt uns Xenophon im Gastmahl c. 6: 17 ovv ßovXeo&By eq)T]^ äaneg Ifixoar^arog o vjioxQiT^g zsrQajLUTQa tiqos r.ov avlJw xarsXeysVj ovtü) xai vnb ror ävXov vfuy xaTaX^yaijuai; Nikostratos war einer der berühmtesten Schauspieler Athens, dessen Thätigkeit auf der Bahne den Zeitgenossen des Sokrates noch in lebhafter Erinnerung war. Wenn aber gerade ihm die Gewohnheit die Tetrameter zur Flöte zu recitiren beigelegt wird, so darf dieses gewiss nicht so erklärt werden, als ob jene Vortragsweise allgemein verbreitet gewesen und Nikostratos nur als Repräsentant der Schauspieler zu nehmen sei. Auch verbieten uns die später noch näher zu erörternden Verhältnisse der römischen Bühne die Annahme, dass Hermogenes oder Xenophon nur desshalb, weil damals bereits, nach dem Tode des Nikostratos, die Tetrameter ohne jede musikalische Begleitung vorgetragen zu werden pflegten, auf die frühere Vortragsweise, des Nikostratos hingewiesen habe. Vielmehr wird man wohl aus der Fassung der Stelle schliessen müssen, dass ehedem die Tetrameter zur Flöte förmlich gesungen wur- den und dass erst Nikostratos die Parakataloge derselben einführte, vielleicht ohne damit allgemeine Nachahmung zu finden. In diesem Sinne möchte ich auch die Stelle des Plutarch in der Schrift UatsQov jiS^valoi xaxa TioXefioy ^ xaxa aotpiav ivSoSürtegoi c. 4 p. 348 E erklären: iy&a fuv dt] TiQoairüHJay vn^ avXoig xat Xv^ig Tioiijral XiyovxBs xai (fdovTBg: j^evynifietv XQ^ xä^laraa&ai xoig fifiBXBQOiai x^9^^^^^'^^ Denn die Worte Xeyorreg xai adovxeg wollen doch wohl besagen, dass solche Tetrameter zur Flöte und Lyra theils gesprochen, theils gesungen wurden.

Die angeführten Stellen bezeugen die Parakataloge der jambischen Trimeter durch Archilochus und der trochäischen Tetrameter durch Nikostratus; über eine noch weitere Ausdehnung der Parakataloge belehrt uns Aristoteles in den Problemen XIX, 6: Sia xi fi Ttapaxaxa- Xoyrj iv xalg (o^alg xQayixov; ^ dia xrp/ dyco/LiaXlay ; na&ijrixov yag xo aywfiaXeg xai iy f.uyiS'eL xvxTjg rj XvTiTjg^ xo J"« ofiaXig k%axxay yodideg.

und lautet: 01 ya^ fiovaixoi, xaS-äm^ *A^i<rt6ierof 9>V^*t ^^ oiyfjux "kiyeip TfagjiTovyTo Sia to ffxXfj^OTOfAov fivttt Xtti dyfTtij^Sfioy avX^»

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Demnach hörte Aristoteles, oder wer immer jene Probleme verfasst hat, auch Liedertexte einfach zur Flöte sprechen, sei es nun dass jene Oden, worauf zunächt die oben ausgeschriebene Stelle des Plntarch, de mus. c. 28 hinweist, Dithyramben waren oder Theile von Tragödien bildeten. Es schien aber diese Parakataloge von Liedern etwas Ungleich m&ssiges zu haben und sich in Folge dessen mehr für die Tragödie als Komödie zu eignen, weil sie von der gewöhnlichen Vortragsweise, dem einfachen Sprechen oder Singen, abwich und den Widerstreit von sprachlicher Declamation und musikalischer Begleitung in sich trug.

Ausserdem findet sich die Parakataloge noch erwähnt von Athe- näus im Philosophenmahl XIV. p. 636 B: „eV olg oqyavoig xwg lifißavg JiSw^ hx/ißvxag ixahwv, bv olg nagexatalo/i^orTO {naQsXoyU^oyro vtdgo, corr. Bergk) ta iv xoig /lezQoig, xXeif/iafißovg*^ Die Stelle des Lampri- dius im Leben des Heliogabal c. 31: j^ipse cantavit^ saltavit, ad tibias dixit, tuba cecinü^ pandurizavit^ organo modulatus est^% gehört nicht hieher, da schon Salmasius unter Berufung auf Apuleius Metam. VI, 24 : j^scena sibi sie concinnata, ut Musae quidem chorum canerent, tibias inflaret Sa- tyruQ et Faniscm ad fistidam diceret^% darauf aufmerksam gemacht hat, dass in der späteren Latinität ad tibias dicere ganz im Sinne von tibiis canere gebraucht wurde, und wahrscheinlich auch das Horazische die tibia (Od. III, 4, 1) in gleichem Sinne zu erklären ist. Nur theilweise zu unserer Frage gehört die Glosse des Hesychius: y,xaraloyri' xo qafiaxa fi^ vno fiekei Xsyeiv", wo xaxaloyri nichts wie M. Schmidt an- nimmt, für na^axaxaloyr] steht, sondern auf die einfache, des Gesangs und der Flötenbegleitung entbehrende Declamation von Oden hinweist und weniger an die Klepsiamben des Alkman, als an die bereits oben erwähnten lafißot oi xaxakoydSrjr des Asopodorus erinnert. suiiaigdar Um iu der weiteren Besprechung gleich an die Glosse des Hesy-

chius anzuknüpfen, so stund also die 7ia(faxaxaXoyTj in der Mitte zwischen der nackten Declamation (xaxaXoytj) und dem von der menschlichen Stimme und den Tönen eines Instrumentes zugleich ausgeführten Melos. Von dieser Stellung und der Annäherung an die xaxaXoyrj scheint die- selbe auch ihren Namen bekommen zu haben; wenigstens führt die Analogie von 7ia(fla/Lißog, notQiaov, nagix&Baig eher auf diesen Ursprung des Wortes, als auf die Herleitung von xardkey^iv na^ä xriv xQovaiv.

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£s darf daher auch nicht befremden, wenn die Schriftsteller bei un- genauerer Ausdrucks weise von Partien, welche parakatalogisch vorge- tragen wurden, das Wort Xsyerai so gut wie dsi^erai gebrauchen.

In* der Geschichte der hellenischen Poesie und Musik bildet die Parakataloge den Uebergang vom Gesang zur Declamation, was ins- besondere beim jambischen Trimeter, aber auch beim Dithyrambus und den Oden sich nachweisen lässt. Zur Zeit des Horaz war es gewiss Regel, wenn auch nicht ausschliessliche Regel, die Oden ohne Gesang und ohne begleitendes Saiteninstrument zu recitiren. Die Oden Pindars hingegen wurden vom Dichter ausschliesslich zum Gesang bestimmt und verloren ihren Reiz, als man sie nicht mehr singen hörte und sich auf das Lesen des blossen Textes angewiesen sah; den Uebergang ver- mittelte Krexos, der Dithyramben zur Flöte declamirte. Der Uebergang war aber gewiss kein allgemein durchschlagender, so dass etwa von einem gewissen Zeitpunkte an Verse, die man früher zu singen pflegte, nur parakatalogisch vorgetragen wurden. Dem widerspricht nicht blos das auf diesem Gebiete allgemein herrschende Schwanken, sondern auch die Thatsache^ dass Archilochus nach Plutarch Jamben bald sang, bald declamatorisch vortrug, und dass auch aus späterer Zeit einzelne Fälle von gesungenen jambischen Trimetern uns be- gegnen ^% Dass nun aber Oberhaupt die Griechen durch die Mittel- stufe der Parakataloge von dem Gesang zur Declamation der Verse übergingen; das hat wohl zunächst seinen Grund in jenem stufenmässigen, alle Sprünge vermeidenden Gang der Entwicklung, der uns auf allen

10) Gesäugen wurden nach ansdrücklicher Angabe die Jambischen Trimeter des Phallosliedes bei Athenans XIV p. 522 C:

aoi, Bdxx^, xärSe /lovaav ayXutl^ofJLty^

dn'kovy ^vS'fior x^^^^^^ aidXt^ fji6Xn, Gesungen worden zweifelsohne anch die jambischen Trimeter in den melischen Partien, nament- lich in den docbmischen Gesängen der Dramatiker. Nach Sueton im Leben des Nero c. 46 ward auch der Trimeter ^S^ayelr (a^ Syinyt ovyya/iof, /i^ri^^», TtariJQ* gesungen, wiewohl er aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in einem Melos, sondern in einer Bhesis der Tragödie Oedipus vorkam. Doch darf man bei der Vieldeutigkeit des lateinischen Verbums eantaue auf jenes Zeugniss kein grosses Gewicht legen, ebenso wenig wie auf das des Gellius IV, 5 über den durch die ganze Stadt gesungenen Vers mciLum comüium consuliofi ptsswmumst^ oder das des Scholiasten zu Aristophanes Frieden y. 291 über das fUXog JäriSoc „oie liSof^at xai /«/- QOfjLm luvtp^alpofAM^ Dass man jedenfalls schon früh aufhörte jambische Trimeter zu singen, beweist

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Gebietea des hellenischen Geisteslebens in so überraschender Weise ent- gegentritt* Theilweise waren aber auch äussere Verhältnisse daran Schuld^ dass man nicht so rasch zur Declamation der Verse überging und wenn auch des Gesangs, so doch nicht der musikalischen Begleitung entrathen zu können glaubte. Viele Vßrse wurden nämlich bei den Alten unter orchestischen Bewegungen und nicht von einem einzelnen, sondern von mehreren zusammen vorgetragen, bei der Declamation würde bich aber leicht ein unverständliches Kauderwelsch ergeben hüben, wenn die rhyth- mische Ordnung und die gleichzeitige Aussprache der Worte nicht durch das begleitende Instrument geregelt worden wäre. Namentlich mochte sich so im Theater das Bedürfniss einer musikalischen Begleitung gel- ' tend machen, zumeist bei den Griechen, in deren Dramen die Verse des Chors einen grossen Theil einnahmen, aber theilweise auch bei den Kömern, in deren Komödie wenigstens die Schlussworte einige Mal von der Gesammtheit der Schauspielertruppe (grex) vorgetragen wurden ^^).

unter anderm der Umstand, dass in den Canticis des Plautus sich keine jambischen Trimeter finden. Zwar hat Geppert einen solchen mitten unter Tetrametern im Epidicus I, 1, 67 ange- nommen, aber dieses gewiss mit Unrecht, da daselbst im engeren Anschluss an die Ueber- lieferung zu schreiben ist: miUA nwnc tarn; natniÜe me votuit ddmum venire: ad Chaeribulum iüsait huc in pröxumum, Dom gegenüber ist freilich auffällig, dass nicht selten Terenz, einigemal auch Aristophanes (s. Frieden v. 553 u. vgl. Aesch. Prometh. 93. 116) mitten im Satz von Tiimetern zu Tetrametern Übergeht.

11) Bentley nahm unter Berufung auf die bekannten Worte des Horaz

seseuri donec cantor voa plaudite dicat an, dass die Aufforderurg zum Bei&llklatschen in den Stücken des Terenz vom Cantor aus- gegangen sei. Davon ist, wie Bitschi in den Prolegomena zum Trinummus p. XXX nach- wies, keine Rede, da das jenem plaudite vorgesetzte £1 nicht aus CA. verderbt ist, sondern die zuletzt auftretende Person nach dem System jener Grammatiker bezeichnete, welche mit vorgesetzten griechischen Buchstaben A B r J , , . ^e 1. 2. 3. 4 . . . Person ausdrückten. In den Plautus Handschriften werden die Schluss werte theils gar keiner bestimmten Person, theils ganz allgemein dem recitcUor (Casina) oder poeta (Epidicus) in den Mund gelegt. In denjenigen Stücken, in denen das Verbum der Schlussanrede im Plural steht, wie in den Bacchidcs und Captivi, haben die Herausgeber die Schlussverse der Schauspielertruppe, der ca* terva oder grex zugeschrieben, wohl mit Recht, wiewohl ich auch Brix nicht zu wiederlegen wüsste, der im Commentar zu den Captivi bemerkt, dass auch ein einzelner Schauspieler im Namen der übrigen gesprochen haben könne, Aufs bestimmteste wird die vax caUrvae von Cicero pro Sestio LV, 118 erwähnt: Nam cum ageretur togata, eimulans, ut apincr, caterva tota dariforma conceniione in ore impuri hominis imminens contionata est:

hinc, Tite, tua pöstprincipia atque ^tus vitiösae vitae.

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Als begleitendes Instrument für die Parakataloge wird der Kieps- i^g^l^^*"^^^^ iambos an der oben S. 166 ausgeschriebenen Stelle des Athenäus XIV «'die

_ , , -inii o ^ Parakatftloge.

j). 636 genannt. Derselbe gehörte, wie wir aus der Stelle erfahren, zu den Saiteninstrumenten, war aber nach Apollodorus bei Athenäus XIV p. 636 F wenig in Gebrauch (afiavQoreQa rfj /pf/« xa&iarrixe). Mit dem Klepsiambus wurden ojBFenbar die von dem Instumente benannten Kleps- iamben des Alkman begleitet, deren Andenken sich uns in einer aus Aristoxenus geflossenen Glosse des Hesychius „xkayua/ußor ligiaro^evog, /iekrj riva na^a Ahcfiavi^' erhalten hat. Wahrscheinlich handhabte dieses Instrument auch der Rhapsode Simonides aus Zakynthus, wenn er im Theater auf einem StuWe sitzend die Gedichte des Archilochus vortrug; s. Athenäus XIV p. 620 C. : ^A^x^loy^ov b JSi/j(oyi^r]g 6 Zaxvv&iog iv roTg &edT()oig Inl SicpQov xaS^j^/uerog i^^aipcpifei. Denn diese Stellung eignete sich am meisten für den Rhapsoden, wenn er zugleich mit den Händen ein Saiteninstrument spielte. Aber ausser dem Klepsiambus diente auch die Flöte nach dem oben S. 165 angeführten Zeugniss des Xenophon zur Begleitung der Parakataloge; und wenn auch der dort erwähnte Nikostratos kein Schauspieler gewesen wäre, so würden wir doch schon aus dem, was wir sonst von den Instrumenten des Theaters wissen, schliessen müssen, dass in dem Drama meistens, wenn nicht ausschliesslich, die Flöte den declamirenden Schauspieler begleitete. Es hängt aber dieser Uebergang von der Lyra zur Flöte mit dem Vorzug zusammen, den man in jüngerer Zeit nach Aristoteles, probl. XIX, 43 überhaupt der Flöte bei Begleitung des Gesanges einräumte.

Schliesslich müssen wir noch einen Punkt bezüglich der Parakataloge pom dir^ar»- zur Besprechung bringen, der uns wieder zum Ausgangspunkt unserer ^»uiogisciien Untersuchung zurückführt. Welche Arten von Versen, fragt man, wurden vorzüglich parakatalogisch vorgetragen? Das oben angeführte Zeugniss des Xenophon nennt die rsTQa/LieTQa^ wobei wir zunächst an trochäische Tetrameter zu denken haben, aber auch den Gedanken an anapästische und jambische Tetrameter um so weniger auszuschliessen brauchen, als nach dem Scholiasten zu den Wolken des Aristophanes v. 1355 gerade die anapästischen und jambischen Tetrameter der Schauspieler von Tanz-

Abb. d. I. Cl. d. k. k. Ad. Wiss. XIII. Bd. IIl. Abth. 2 3

^jt.

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bewegungen des Chors begleitet zu werden pflegten ^^). Das steht gut in Einklang mit dem, was wir oben über die Mittelstellung der Para- kataloge bemerkt haben. Denn die Tetrameter erheben sich auf der einen Seite durch ihre grössere Länge, ihre Doppelgliederung und ihren strengeren Bau über den der Form der gewöhnlichen Umgangssprache sich am meisten nähernden jambischen Trimeter, und stehen auf der anderen Seite hinter der reichen Gliederung lyrischer Perioden und dem mannigfachen Wechsel in der Form der einzelnen Füsse melischer Kola weit zurück. Gut passt dazu auch die metrische Composition des antiken Dramas, indem besonders oft die Komiker^ hin und wieder aber auch die tragischen Dichter, wie Aeschylus in den Persern t. 215 S. und Euripides im Ion v. 508 ff., in den Bacchen v. 604 ff., in den Phönissen v. 588 ff. trochäische oder sonstige Tetrameter den üeber- gang von den Trimetern des Dialoges zu den melischen Partien des Chorgesanges und des Kommos bilden lassen.

Aristoteles an der oben besprochenen Stelle der Probleme XIX, 6 erwähnt auch der Parakataloge von Oden, und Plutarch, de mus. 28 belehrt uns, dass eijf, gewisser, sonst nicht näher bekannter Dichter Krexos die Parakataloge von Dithyramben eingeführt hat. Aber aus Aristoteles ersieht man auch, dass jener parakatalogische Vortrag von lyrischen Gedichten etwas Absonderliches hatte, so dass Krexos mit seinem Beginnen so ziemlich vereinzelt stehen geblieben zu sein scheint. In der That musste derselbe in den meisten lyrischen Perioden einen unnatürlichen störenden Zwiespalt zur Folge haben, wenn anders die jetzt allgemein gebilligte Lehre von den drei-, vier- und fünfzeitigen

12) Der Scholiast zu Aristophanes Wolken v. 1355 sagt: tXiyoy 7t(i6s x^Q^y Xiyfiy^ ote %ov vno- jCQitov SuKTiS^f/iiyov rijy ^aiy 6 x^^S dp/ffrar 6t6 xai AcXiyoyrat iy xolg xoiovtoig td TitQafittpa ^ Ttt dyancucTixd { td lafAßud 6td xo ^adita^ ifAninrity iy tovroig toy totovtoy (vd'fioy. Damit yergleidie man noch das Scholion zu den Fröschen t. 924 (Suidas unter $f4(jUXeuc) Xoyuty €fji(U}^ta xvfiUos 17 fAttd (uXovg r^ayixtj ogxn^^S' ©^ »f ^poV tag ^^ag tnoQX*!^'^** ^^^ '^ ^^^ Vögeln y. 681 ^noXXdxis ngog avXoy Xiyovai tug nu^aßdaiig. Ein ähnlicher Gedanke war wohl auch in dem leider nicht vollständig lesbaren Schluss des delphischen Eünstlenrerzeichnisses bei Wescher und Foucart, Inscr. de Delphes n. 4 enthalten, wo nach den Namen der 7 komischen Choreuten und den ihnen beigegebenen 2 Garderobiers und yor dem Namen des den Chor einübenden Didaskalos zwei Zeilen stehen:

MfyiSfjfjiog 'E^yotiXov ^H^axXkitittis

. . . laxoiuyu . . (i Tt^ocavX^aat

171

Längen der lyrischen Versmasse richtig ist. Nur dann, wenn, wie bei Horaz, die Verse so gebaut waren, dass mit jedem Kolon ein Wort schloss, konnte die Diflferenz einigermassen ausgeglichen werden, indem z. B. der Sprechende beim Vortrag des Verses

- ^ I »u vj-A |-\»v|-u(-a|

Maecenas atavis edite regibus

nach atavis eine kleine Pause machen konnte, während der Flötenspieler zur Sylbe is einen 3^2 zeitigen Ton blies. Aber bekanntlich haben gerade die (Rassischen Lyriker der Griechen, wie Pindar, die Cäsur am Schlüsse der Kola ausserordentlich häufig und selbst Euripides nicht selten vernachlässigt.

Das eigentliche Gebiet der Parakataloge werden daher immer diejenigen /LuzQa und avarrifiara i^ o/uoiwr gewesen sein, deren Rhyth- mus auch beim Sprechen leicht gewahrt werden konnte. Unter jenen Metren nennt aber Plutarch, de mus. 28 auch die la/ußsTa des Archilochus. Jamben eigneten sich nun zwar vortrefflich zum Sprechen; da aber Archilochus keine jambischen Tetrameter, sondern nur Trimeter gedichtet hat, so scheint danach auch derjenige Vers, welcher am freiesten gebildet wurde und der gewöhnlichen Umgangs- sprache am nächsten kam, dem Gebiet der 7ia(}axarakoyTi zuzufallen, und der xaraXoyrj nichts als die prosaische Rede zu bleiben. Doch so weit erlaubt uns das Zeugniss des Plutarch nicht in unserer Schlussfolge zu gehen. Denn derselbe spricht nur von den Jamben des Archilochus und der dem Beispiel des parischen Dichters folgenden Tragiker; die Trimeter der jüngeren Jambographen, der Komödie und des Satyrspiels lässt er ganz ausser Betracht, freilich auch ohne ausdrücklich eine ver- schiedene Vortragsweise der Verse dieser Dichtungsarten zu behaupten. Die Parakataloge der Trimeter des Archilochus aber hat gar nichts Be- fremdendes: in der ihm vorausgegangenen Zeit hörte man Verse nur singen, er wagte es zuerst gewisse dem Tone der gewöhnlichen Sprache sich besonders nähernde Stellen seiner jambischen Gedichte zu decla- miren, begleitete aber diese Stellen so gut wie die gesungenen mit einem Saiteninstrument. Eine Begleitung konnte man sich aber bei diesen Spottversen um so eher gefallen lassen, als sie keine pathetischen Stellen enthielten, bei denen der Vortragende lieber dem augenblicklichen

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Dia

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I

Impulse zu folgen als von den Tönen des begleitenden Instrumentes ab- zuhängen hätte wünschen müssen. Hingegen kann man sich nur schwer in den Gedanken finden, dasö auch alle Trimeter der Tragödie unter mu- sikalischer Begleitung vorgetragen worden sein sollen, dass also dem antiken Schauspieler jene Freiheit der Action und Declamation versagt gewesen sei, die wir heut zu Tag als das Lebenselement der Schau- spielkunst betrachten. Parakauio e ^^^ üntersuchuug der Frage , ob der Vortrag der Trimeter des

im Drarao. Dramas durch ein begleitendes Instrument geregelt war, wird man durch allgemeine Erwägungen und durch Betrachtung der über den Vortrag der Tragödien im allgemeinen gebrauchten Ausdrücke nicht sehr weit kommen ; nichts desto weniger wird es gut sein, mit diesem allgemeinen Theile die Untersuchung zu beginnen.

Von vornherein also möchte ich vor einer gewissen Vorein- genommenheit des Urtheils warnen, die, in unseren Anschauungen und Gewohnheiten befangen, das gleiche auch auf das Alterthum überträgt. Denn es ist noch nicht so lange her, dass man auch an die Bemalung der Marmorflächen antiker Säulen und Statuen nicht glauben wollte, während dieselbe in unseren Tagen als eine feststehende Thatsache all- gemein anerkannt wird. Und, um ein näherliegendes Gebiet zu be- rühren, welchem unserer Redner würde es jetzt noch einfallen, sich durch einen Flötenbläser die Höhe des Tones, das Steigen und Sinken der Stimme angeben zu lassen? und doch that dieses nach den glaub- würdigsten Zeugen ein römischer Volksredner, C. Gracchus; s. Cicero, de orat. III, 60, 225: Gracchus, quod potes audire, Catule, ex Licinio diente tuo^ literato homine^ quem servum sibi ille Jiabuit ad tnanum, cum ebumea solitus est habere fistula, qui staret occulte post ipsutn cum contio- naretur^ peritum hominem qui inflaret celeriter cum sonum, qui illum aut remissum excitaret aut a contentione revocaret, u. vgl. Quintilian I, 10, 27, Gellius I, 11, Valerius Maximus VIII, 10, 1, Plutarch, Vita Tib. Gracchi c. II. u. de cohibendu ira p. 456 A. Sodann haben wir die verlässigsten Zeugnisse darüber, dass plautinische Dialogscenen, welche aus lauter trochäischen Septenaren bestunden, unter Flötenbegleituug vorgetragen wurden. Und wenn man nun bedenkt, dass beiläufig zwei Drittel eines terenzianischen Stückes aus katalektischen oder akataiek-

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tischen Tetrainetern bestehen, so macht es in Bezug auf Jas Ungewöhn- liche der antiken Vortragsweise wenig aus, wenn man auch noch das letzte, aus jambischen Trimetern bestehende Drittel von der Flöte begleitet sein lässt. Endlich brauchte ja auch der Musiker nicht zu jedem Trimeter dieselbe Weise zu spielen; er konnte mehrere, wenn auch gleiche Verse zu einem gösseren Ganzen durch die Musik zu- sammenfassen, er konnte die Begleitung so ermässigen, dass sie nur an \venigen significanten Stellen hervortrat; kurz wir sind nicht berech- tigt desshalb, weil uns eine Flötenbegleitung des Dialoges unnatürlich vorkommt, die betreffenden Zeugnisse von kurzer Hand abzuweisen. Gehen wir daher ohne vorgefasste Meinung auf die Sache ein und be- trachten wir zunächst die für den Vortrag dos Dramas im Alterthum gebräuchlichen Namen.

Die Namen T^aycpdia und xcoficp^ia weisen auf Gesang (^cp^rj) hin, wess- Zeugnisse rar halb der Scholiast zu Plato, de rep. III. p. 364 C in die Definition von Tra- «m Drama, godie und Komödie die Bestimmung noitjOig Bfifiex^os n()bg äjuiXXar (pSfjg ge- bracht hat; daraus folgt aber blos, dass das antike Drama aus einen Singspiel hervorgegangen ist; für die Vortragsweise einer Tragödie des Aeschylus oder einer Komödie des Aristophanes kann daraus nichts ge- schlossen werden. Umgekehrt wird dadurch auch die Beweiskraft ge- schwächt, die einer aus den lateinischen Ausdrücken tragoediam cantare^ con- cinere tragoedo, decantare personam etc. für den Gesang der an den betreffenden Stellen angeführten Stücke herleiten könnte. Denn was steht der An- nähme entgegen, dass jene Ausdrücke nicht wörtlich zu nehmen, son- dern als blosse üebersetzungen der griechischen Verba x^ay(i}deiy und ziDfxioSelv anzusehen seien? Unzweifelhaft sogar ist in der Notiz des Euanthius, de comoedia j^etenim per priscos poetas non, ut nunc, ficta penitus argumenta, sed res gestae a civibus palam cum eorum saepe, qui gesserantj nomine decantabantur^^ das Verbum decantare nur mit Bezug auf das orof^iaörl Tcayfioydelv des bekannten attischen Gesetzes angewandt. Aber auch an anderen Stellen, wo von denselben Ereignissen lateinische Historiker den Ausdruck cantare tragoediam^ griechische das Verbum v7iox^ly€a&ai gebrauchen ^^), ist von vornherein die Möglichkeit nicht

18) So wird das Auftreten des Thrasea in einem tragischen Wettkampfe folgen dermassen yon Tacitns and Cassins Dio geschildert: Tac. Ann. XI, 21: ThrMea Patavii, unde erat ortus,

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ausgeschlossen, dass die Griechen mit ihrem vnoxQivsa&ai die Art des Vortrags genauer bezeichnet haben als die Lateiner mit ihrem dem griechischen r^ytpSslr nachgebildeten vieldeutigen cantare tragoediam. Um so weniger aber möchte ich auf jenes cantare der lateinischen Schriftsteller ein grosses Gewicht legen, als dasselbe bekanntlich ja auch von dem blos rhythmischen Vortrag gebraucht wurde, so dass von denselben Versen sich bald cantare^ bald pronuntiare oder dicere gebraucht findet; siehe Sueton im Leben des Caligula c. 54: ^,canendi ac saltandi voluptate üa efferehatur, tU ne publicis quidem spectaculis tempe- raretj qtto minus et tragoedo pronuntianti concineret et gestum his- trionis quasi laudans vel corrigens palam ef finget et J'^ Donat im Leben des Vergil: ,^btccolica eo successu edidit, ut in scena qtwque per cantores crebro pronuntiarentur/^ Capitolinus im Leben des Maximinus c. 9: „mimtis quidam in theatro praesente illo dicitur versus graecos dixisse . . cum Maximinus interrogaret amicos^ quid mimicus scurra dixisset, dic^ tum est ei quod antiquos versus cantaret contra homines asperos scriptos'^. Vergleiche auch im Griechischen Plutarch, Vita Solonis c. 8: „ileyela J* avvS^elg xal fieXeri^aag aiaze Xiyeiv äno arouarog . .. iv (p(ffi ^iBSf^k&h xrjv iksyeiav^^ Lucian, de conscrib. historia c. 1.: „r^v Ev{fmidov "Av- difofiidav ifiovcpdovr xal z^r rov TTsifaecog ^fjaiv iv fii{fH ^uS/jeaar.'^ Dio Chrysostomus or. Xll. p. 382 R. : ^yVnoXaßovxeg ovv einate, 7iat€(ßoy aQjjLotrwv b Xoyog ovrog ri ro qaua (nämlich Ver^e des Hesiod) rfj avvodip yivoiz' aV." Uom. Od. & 492—6:

„«Ax' «y« Jy) fjLBxaßri&i. xat innov XüOfiov aeioov SovQarfov, rbv ^Ensibg inoirjoav ^v *A&rivji,

ludis caesticis (fort, scenicis) a Troiano Antenore tnstüutis habitu tragico cecinerat (vgl. Ann. XV, 65 ut Nero cithara, üa Piso tragieo omatu canebat), Dio Cassios LXII, 26: Ogattiag dtifSfliato ov6ir, xaitot ir nazecovü(t ntctQiSt r^ayt^iav xatd ti natQioP iv kogtfi tirt tf^ifpLovtaktfiQUi, f&noKQ^vfjLfyog, £ine gleiche Abweichung im Gebrauche der das Spielen be* zeichnenden Aasdrücke finden wir in der Sehildemng, welche Sueton und Cassius Dio von den tragischen Fcstvorstellungen des Kaisers Nero gaben : Sueton, Nero c. 46 : tragoeduu quoque caniavit personatua . . . inter cetera ccMtavit Canaeen parturientefn, Orestem fiuitricidam, Oedipodem exeaecaUtm, HercuUm inaanum .... observatum etiam fuerat novisHmam fabulam canta»$e eum publice Oedipodem eondem, Cassius Dio LXUl, 9: xai to ngocumtlop vno6vto^ dnißakXe x6 t?^ ^ytfAoyiai d{uofur i6flto tig 6(f€cniTfig, dg)o6tiyflTo tag rvtpXdg, ixv€i, itutfr, Bfiairito, ijXaro, ror OiSinodn xai toy Oviatijy^ roy rf 'HQoxXfa xai toy 'j4lxf4aitoytt, toy tf 'O^ioTny tag nXif^fi vnoxgiy6fifyog.

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oy Tior' ig äx(fonoXiy dohp ijyaye cyiog ^Odvoa^g,

avdQwv ifinli^aagj dl ^'IXior i^aXana^av .

bX xav Sri fioi ravra xarä fj.6iQav xaralS^rjg xzX.^^ Aristophanes Nub. 1371: „6 S^ ev&vg fjO^ EvqittLSov ^fjaiv.^' Plato Ion p. 535 B: „orar sv eXnrjg btitj xal BxnXri^g /ndliara ravg S-etafiB- yovg, rj rov ^OSvaaia orav km xov avSbv iipaXXo/jieyoy äSrjg x. r. A." vgU Plato, de rep. III, 390 E, Plutarch Moral, p. 348 E, schoL Theocrit.

I, 19. Es musste aber in der Kaiserzeit der Ausdruck cantare tragoe- diam den lateinischen Schriftstellern um so mehr mundgerecht sein, als in der That damals die Schauspieler, ja sogar die Declamatoren und Redner^*) einen singenden Vortrag zur Schau zu tragen pflegten. Das sieht man unter anderm aus der bekannten Stelle des Petron c. 64: solebas suavius esse, helle canturire diverhia, dicere melica. Denn die von Bücheier vorgenommene Umstellung diverbia dicere, melica cantv/rire hat keine Wahrscheinlichkeit, da vom Gesang melischer Partien nicht das Verbum canturire, sondern cantare erwartet werden müsste, und auf der anderen Seite die lyrischen Dichter den Ausdruck dicere gar nicht selten vom Vortrag der Oden gebrauchten, s. 0 Jahn, im Hermes II, 420.

Aber selbst angenommen, dass die Verba cantare und aSeiv auf einen förmlichen Gesang hinweisen, so darf doch nicht aus der Erwäh- nung von musikalischen Weisen ein allgemeiner, sämmtliche Theile der Tragödie umfassender Schluss gezogen werden. Stellen also, wie die Cicero's de legg. I, 4: j,Roscitis in senectute numeros in cantu remiserat ipsasque tardiores fecerat tibias'% oder die des Claudian in Entropium

II, 363 : „Äf tragicos meminere modos, his fabula Tereus, his necdum com-

14) Wie yerbreitet das Unwesen eines halbsingenden Vortrags in der römischen Kaiserzeit war, er- sieht man namentlich aus Qointilian J, 8, 2 : Ht autem in primis lectio viriUs et cum «tia- vitate quadem gravis et tum quidem proaae simüiBf quia et carmen est et ae paetcte canere testantuTf non tarnen in eanticum diseoiuta nee ptaemate, ut nunc a plerisque fit, effeminata, de quo genere aptime C. Caesarem praetextatum adhuc accepimua dixisBe: ei cantae, mdU cantae; ei legis, cantas, Dass selbst in die Gerichtssäle jener affektirte Ton gedrungen sei. sagt uns der Verfasser des Dialoges de oratoribns c. 26: ne virüis quidem cultus est, quo fUrique tempomm nostrorum aetores ita utuntur, ut lascivia verborum et levitate sententiarum et lieentia compositionis histrionales modos exprimant; quodque vix auditu fas esse debeat, laudis et gloriae loco pUrique iactant cantari sältarique commentarios suos. Man sprach daher geradezu von der i^6ij, der fioyi^iia und dem fiiXo^ der Redner, wie unter andern häufig Philostratos in dem Leben der Sophisten; siehe Kaiser im Commentar zu I, 8 p. 191.

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missa choro cantatur Agave'^ oder des Diodor XV, 7: „o dt Jiovvaiog rij^ eig rot Ttonifcara a7iov(yfjg ovx acpiorauivog dg luv rfjy ^Oi-v/iTnaxip' narr^ yvQiv i^aneareils rovg evqxjjvoraxovg rdir vnox^ixäv dia&rioofxhrovg tv röig oxi^oig fiex* wd^g noiriaara'^^ oder des Arrian im Epiktet III, 14: „üx; oi xaxol rQay(pdot fiovoi qaai ov SvvavTai akXa fienä noXXdiv, ovriog i'vioi fiwot aaac ov dvrarzai'^, (vgl. Chrysostomus vol. IX, p. 403 D) beweisen für den Gesang oder die musikalische Begleitung der Trimeter nichts, sie beweisen nur, dass der Tragöde auch gewisse Partien zu singen hatte, und dass man in der späteren Zeit zu epideiktischen Vorstellungen vorzüglich Monodien aus classischen Tragödien auszuwählen pflegte ^^j. Eben so wenig darf aus dem bekannten Vers des Horaz

sessuri donec cantor vos plaudite dicat der Gesang der Trimeter des Dialoges gefolgert werden. Denn selbst

15) üebcr die Hereinzielmng dramatischer Vortrage in die uralten musischen Wettkämpfe der Pjrthien belehrt mis Platarch, Symp. quaest. V, 2: iy üv^ioi^ dyiyyoyro Xoyoi nigl xaiy im^ ^etuty dyüiyiafAatfjjy tuf dyatgtria' nagtt&f'^äfi^yoi yuQ ini XQiai xoig xa^fotutaiy i^ f^QXi^* avXrjrfi UvSiXip xal xtSaQtarg xai xiS-aQiuii^, toy r^ayt^tSoy, utantg nvXti^ ayoix-S-^tar^ff ovk dyjeaxoy d^-^ffoig avyfnirt&ffjiiyoig xai rrvyfiauiwn TtayroSccrfois axiiodfdccct, vgl. Philostratus Vita Apoll. 6, 10 u. Vita Soph. IJ, 27. Wie frühe schon bei den olympischen Spielen tragische Fest Vorstellungen zugelassen wurden, zeigt uns das im Text angeführte Beispiel des älteren Dionysius. Ueber die dramatischen Vorstellungen an vielen anderen Festen belehren uns die Inschriften, die zu diesem Zwecke Lüders, die dramatischen Künstler S. 105 ff. verwerthet hat. Dass bei diesen Festen auch ganze Tragödien und Komödien aufgeführt wurden, lässt sich nach den inschriftlichen Zeugnissen wenigstens für die ältere Zeit nicht in Abrede stellen ; aber es lag doch in der Natur der Sache, dass man bei solchen Gelegenheiten in der Begel nur einzelne effektvolle Stellen aus berühmten Tragödien herausgriff. Nun waren aber gerade die pathetischsten Stellen von vornherein in lyrischen Rhythmen abgefasst und zum Gesang, nicht zur Declama- tion bestimmt. Da hiezu in der Zeit des Nero die ausgesprochene Vorliebe für Ge- sangsvorträge kam, so wurden damals zu Festvorstellungen fast ausschliesslich nur Can- tica gewählt. Der Tragöde sang dabei den Text, hatte aber ganz in der Weise, wie uns Livius VII, 2 den Vortrag der alten Cantica schildert, noch einen gesticulirenden Schauspieler neben sich. Das ersieht man am schönsten aus Sueton, Nero 24 : atque etiam in tragico quo- dam actu, cum elapsum baculum cito resumaissett pavidus et metuens ne ob ddicium certa- mint 8iibmw)eretur, non aliter confirmatua est quam adiurante hypocrita non animadversum id inter consultationea sucdamationeaque populi. Denn der Singular hypocrita zeigt, dass dabei nicht an einen beliebigen, ausser Nero auf der Bühne zufällig anwesenden Schauspieler gedacht werden kann, sondern nur an jenen einen Schauspieler, der in der Begel mit seinen Gesticulationen den Gesang des Tragöden zu begleiten pflegte In diesem Sinne sagt auch Apuleius Florid. p. 141 ed. Bip.: comoedm sermocinatur, tragoedus vociferatur . . . histrio gesticidatur ; siehe im übrigen A. G. Lange, Vindiciae tragoediae Romanae p. 24 ff. und das dritte Capitel in Grysars trefflicher Abhandlung über das Canticum und den Chor in der rö- mischen Tragödie.

Zeufniss«

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wenn man zugibt, dass cantor nicht in der allgemeinen Bedeutung von Schauspieler, eines singenden sowohl als eines singenden und decla- mirenden, gebraucht worden sei, sondern speciell nur den singenden Schauspieler bedeutet habe, so kann doch daraus schon desshalb kein Schluss auf den Vortrag der Trimeter gezogen werden, weil die Schluss- scenen lateinischer Stücke, von denen allein Horaz an jener Stelle spricht, fast ausnahmslos nicht in Trimetern, sondern in Tetrametern gedichtet waren; vgl. Anm/ 23.

Also die Ausdrücke rffayipSia^ xw/umSia, r(fay(üd€iy, xco/j^cp^etr, tra^ ^, ^^^ goediam cantare m. a. bieten zur Entscheidung der uns hier beschäfti- ^?ö«i*™»*»^^

•^ " im Drama.

genden Frage keinen sicheren Anhaltspunkt. Auf der anderen Seite aber scheint die oft wiederholte Unterscheidung von gesungenen und gesprochenen Theilen des antiken Dramas uns zur Annahme zu nöthigen, dass der Vortrag der Trimeter des Dialoges jedes musikalischen Ele- mentes entbehrte. Eine solche Unterscheidung ist aber ausgesprochen in der Entgegenstellung von cantica und diverbia (s. Diomedes p. 491 K», Donatus im Commentum de comoedia und in der Prafatio zum Eunuchen und den Brüdern des Terenz, Petron c. 64), von cantica und versus, cantores und actores (s. TertuUian, de spect. c. 29 u. Euanthius, de comoedia), von fiikri und fiezQa, i^dri und Xi^t(;, /Urilt] und ^riOBig, XOQixd und TtQoXoyog, OTaaijxa und ineiOo^ia (s. Aristoteles poet. c. 1 u. 12, Tzetzes, de trag, poesi v. 75.flf., Dio Chrysostomus or. XIX extr., Sextus Empiricus adv. math. VI. 17), von (p^rj und inlQQrifia, ävxtpdri und dmmQQr^lLia (s. Hephaestion p. 74 W. PoUux IV, 112, schol. Aristoph.), sowie in Stellen wie ro7g dnb xrjg axtjyijg keyojtievoig xal 7t()6g lv(fav ddo- jLievoig bei Plutarch, de aud. poet. p. 35 F, oder ^rjaeig olxjQag h^ayipdei .... ÜKog dt aa xal avlovyiag iwQaxtyai xivdg rare xal älXovg avra- dovxag iv xvxXw avvhGximag bei Lucian, Anach. c. 23, oder tragoedo vociferante exclamationes ille alicuius prophetae retractahit et inter effeminati histrionis ^^) modos psalmum secum comminiscetur? bei TertuUian, de spect.

16) Dem Zusammenhang nach kann hier nicht histrio den Schauspieler im allgemeinen bedeuten; denn wie konnte er dann dem Trägöden, der doch auch ein Schauspieler war, entgegengesetzt werden ? Schon die Verhältnisse der damaligen Bühne nöthigen uns an den Mimen oder Pan- tomimen zu denken, vergleiche die Glosse histrio^ pantomtmus bei Salmasius ad Script, bist. Abb. d. I. Ol. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abtb. 24

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c. 25, oder jiiax(}äy ^^aiy dTJOtfiyoyra ey roTg o^vQ/ioTg fj xal adoytag re xal xonrofiiyovg bei Plato, do rep. X p. 605 C, oder AXa^vlog b TQa- yixoy (pwytjfia xal wpQvoeaaay äoi^Tjy nvQyaiaag bei Antipater in Anthol. VII, 39. Doch gilt es auch hier vorsichtig zu sein und der etymolo- gischen Bedeutung der Worte kein zu grosses Gewicht beizulegen. So sind z. B. die imQ^rjjiiaTa der Parabase vom Sprechen benannt und den Gesangspartien {ipSai) entgegengesetzt; da sie aber in Tetrametern und zum Theil sogar in päonischem Rhythmus abgefasst sind, so gehörten sie sicher nicht zu den xpiXa fth^a x(x)fi(p(^iag und wurden nicht einfach, sondern unter Begleitung eines musikalischen Instrumentes gesprochen. Ebenso deutlich scheint das Wort (ftjaig im Gegensatz von (p(^i^ auf eine einfache Declamation hinzuweisen; nun sprechen aber Suidas unter i/n- jiiiXeia und der Scholiast des Aristophanes (Ran. 924) von dem Ensemble der ^^Oig vnox^ixiSy und der 0Qx,riaig x,o{}ov^ und ist es doch ganz und gar undenkbar, dass der Chor je ohne begleitendes Instrument seine Tanzbewegungen ausgeführt habe. Also auf Unterschiede im Vortrag weisen wohl die angeführten Worte und Phrasen hin, aber die nackte Declamation einzelner Partien des Dramas kann doch daraus nicht mit Sicherheit gefolgert werden.

Dürfte man Worte eines Dichters haarscharf deuten, so würde uns auch ein Zeugniss für den Ausschluss der musikalischen Begleitung des Dialoges in den Versen des Horaz, Ars poet. 202 ff. vorliegen:

tihia non ut nunc orichalco vincta tubaeque aemulaj sed tenuis simplexque foramine pauco adspirare et adesse cJioris erat utilis. Denn nach ihnen scheint die Flöte nur den Chor im Vortra«r unter- stützt zu haben. Aber dieser Auffassung stehen die gesichertsten Thatsachen entgegen. Denn nicht blos begegnen uns in den griechischen Dramen zahlreiche jueXri dfwißala, welche vom Chorführer und einem Schauspieler gesungen wurden, auch in den Komödien des Plautus und

Aug. p. 852, und Lactantins, Instit. div. VI, 20, wo gleichfalls der histrio = mimus dem tragoedus entgegengestellt ist. Dass aber auch im Mimus Gantica vorkamen, zeigt Sueton im Leben des Nero c. 39, und dass sie selbst ans dem Pantomimns nicht ausgeschlossen waren, dentet die Notiz bei Eusebins, chron. p. 143 ed. Schöne an : Pylades Cilix pantomimus, cum veterea ipsi canerent aique saltarent, primua Romae chorum et fiatidam Mi praecinere fecit.

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Terenz, welche gar keinen Chor hatten, ist die musikalische Begleitung von Monologen und Dialogpartien urkundlich bezeugt.

Treten wir nun an den Kern unserer Frage, den Vortrag jam- ^^"^^"y^^^^ bischer Trimeter, näher heran, so belehrt uns insbesondere die bekannte ^^ Trimeter

des Dramas.

Stelle des Lucian, de salt. 27, dass auch die Jamben der Tragödie zu- weilen gesungen wurden : r^v j^ayipSiav dt ye äno rov a/riuaxog ji(j(VToy xarafidS^couev dia iaiiv, cog eWex&^^S OLfict xal ipoße^ov O-ea/ja elg /iF^xog oLQifvS'^ior TjOxrjfiayog äyd-^fiOJiog . . . €it' tyi^oS-er avrog xex()ayibg, iavTor avaxkvjy xal xaraxläy, iylore xal ne^fic^dioy lafißsTa, xal ro Jry aXö/jaroy fjLfiXipddJy rag av/Li(fO()äg xal (.loy^g rfjg (pcüyfjg VTiBvS-vyoy 7ia{)tx(^y iavroy yä(} äXka rolg noiiiToig ifie?.r]aa n^fo nokkov nore yeyo/ueyoig' xal fi^X(fi fity ^AvS^fOfia/ji ng r] *^Exaßfj iari, (poQfjrog i) iodt], orar (T« ^H()axXfig avrog sigeld-cjy fioyip^fj iniXad-oiaeyog avrov xal fitfre ttjv Xeoyzijy al^eaS-elg fif'fte rb (ßonaloy o ne^fixenai, aoXoixiat^ €V (f()oyd)y elxorcog (palij ay rtg ro 7i()äyua, Das gleiche besagt, wenn auch nicht mit gleich klaren Worten, Plu- tarch, Conviv. I, 5, 2: ^i6 xal rovg (t/ßoifag iy rdig iniXoyoig xal rovg vnox()iräg iy roJg dSv()iuoig aj^fifta no jueXw^ely 7i()oadyoyTag 6()iouey xal Tiaifareiyorrag riiv (fioy/jy. Nach diesen beiden Zeugnissen wurden also einzelne Trimeter in der Tragödie gesungen; aber damit kommen wir in unserer Untersuchung noch nicht weit. Denn dass einzelne Trimeter, namentlich wenn sie mit Dochmien verbunden waren und melischen Partien entweder vorausgingen oder nachfolgten, gesungen und von Instrumentalmusik begleitet wurden^ erhellt aus der Form der strophischen Responsion ^"^j und wird von allen Verständigen zugegeben. Aber es handelt sich eben nicht um die Ausnahmen, sondern um die Regel, und nach dieser wurden, wie bei Lucian zwischen den Zeilen steht, die Trimeter des Dramas gesprochen und nicht gesungen.

Aber wenn auch die Declamation der Trimeter die Regel war, so ist doch damit die musikalische Begleitung noch nicht absolut aus- geschlossen. Eben diese aber scheint durch zwei Stellen bezeugt zu sein, deren Tragweite indess genauer beleuchtet werden muss. Das erste der beiden Zeugnisse ist in den schon angeführten Worten des Plutarch de mus. 28 enthalten: eri r^f räv iaußeiojy xo fitv Xtyea&ai na^ä T?]r

17) Siehe über diesen Punkt besonders Nake, über Symmetrie im Bau der Dialoge griechischer Tragödien, im Rhein. Mos. XVII, 508 ff.

24*

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xifovaiVy xa cT« qSeaS^ai (sc* Tiifoae^Bv^ev l4Qx^^^X^)f ^^^' ovrw ;f(»^acTi^ai rovg rQayixovg noitjrdg, KqbSov ^e laßoyra slg ^i&VQajußoy /p^cTiy äyayeiy. Hätten wir hier einen präcisen, jedes seiner Worte auf die Gold wage legenden Schriftsteller vor uns, so müssten wir allerdings aus der Stelle heraus lesen^ dass die Trimeter der Tragiker nur entweder gesungen, oder unter Instrumentalbegleitung declamirt wurden. Aber dann müssten wir auch annehmen, dass die Dithyramben des Krexos aus jambischen Trimetern bestanden hätten Da dieses aber absurd ist und daran ge* wiss von keinem gedacht wird, so därfen wir auch für die Tragödie eine freiere Auslegung der Worte des Plutarch beanspruchen. Ver- muthlich wollte aber Plutarch oder sein Gewährsmann nur sagen, dass die Parakataloge in der Tragödie auf das Vorbild des Archilochus zurückzuführen sei, ohne zugleich auch auszusprechen, dass die Art der parakatalogisch vorgetragenen Verse die gleiche war.

Noch weniger Beweiskraft haben aber die Inschrift von Korkjra im C. J. Gr. 1845, wonach zur Feier der alle zwei Jahre zu bege- henden Dionjsien drei Auleten, drei Tragöden und drei Komöden in Sold genommen werden sollten, und das Dekret des Künstlervereins in Jonien (Le Bas, Asie mineure n. 281), das die Abordnung von 2 Au- leten. 2 Tragöden und 2 Komöden nach Jasos anordnet. Bei dem ersten Lesen möchte man nämlich allerdings mit Genelli daran denken, dass die gleiche Zahl der Flötenspieler und Schauspieler auf der Zu- weisung von je einem Flötenspieler für je einen Schauspieler beruhe; aber auch nur beim ersten Lesen, denn bei weiterem Nachdenken wird man begreifen, wie es geradezu komisch gewesen wäre, wenn bei einem laschen, innerhalb des Verses wechselnden Zwiegespräch zu den zwei oder drei Theilen des Verses zwei oder drei Flötisten das Accompagne- ment gespielt hätten. Auch ohne daher mit Böckh zur lyrischen Tra- gödie, oder mit Lüders (Die dionysischen Künstler S. 122) zu drei Protagonisten von drei Schauspielertruppen seine Zuflucht zu nehmen, wird man die Beweiskraft jener Inschriften für die Parakataloge der dra- matischen Trimeter ablehnen und die Dreizahl der Auleten aus ihrer vielfachen Thätigkeit bei dem Accompagnement der Chorpartien der Tragödie und Komödie, sowie bei den festlichen Aufzügen herleiten. Eine Hauptstütze erhält aber diese Deutung der beiden Inschriften durch

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die erst jüngst aufgefundenen Verzeichnisse der bei der Feier der So- terien in Delphi thätigen dionysischen Künstler aus dem 3. Jahrhuaderte vor unserer Zeitrechnung; s. Wescher et Foucart, Inscr. de Delphes 3 6 u. Lüders, die dionysischen Künstler S. 187 197, Denn nach ihnen war immer je 3 Schauspielern 1 Aulete beigegeben. Drei Tragöden oder Komöden waren aber zur Aufführung eines antiken Dramas regelmässig nöthig, die Aufgabe der Begleitung fiel also in einem ganzen Stück immer nur einem Flötenspieler zu, der obendrein auch noch an dem Ende der einzelnen Akte den Zuschauer mit seinem Flötenspiel zu ergötzen hatte.

Führen uns so die allgemeinen Zeugnisse über den Vortrag der Trimeter noch nicht zu einem festen Resultat, so wird es doppelt angezeigt sein aus der allgemeinen Betrachtung zur Prüfung einzelner Fälle über- zugehen, um vielleicht aus der Durchmusterung der erhaltenen Dramen verlässigere Anhaltspunkte zur Entscheidung unserer Frage su gewinnen. Wir beginnen aber mit den Komödien des Plautus und Terenz, da uns über deren Vortrag bessere Quellen zu Gebote stehen.

Die Untersuchung über die Vortragsweise römischer Komödien haben erst in unserer Zeit eine sichere Grundlage durch die auf den Vortrag bezüg- lichen notae der palatinischen Handschriften des Plautus erhalten, welche zu gleicher Zeit von zwei ausgezeichneten Kennern des Dichters, von Ritschi im Rhein. Mus. Bd. XXVI und Bergk im Philologus Bd« XXXI in übereinstim- mender Weise gedeutet wurden. Die früheren Untersuchungen von G. Wolff, de canticis in Romanorum fabulis scenicis, von G. Hermann, de cantico in Romanorum fabulis scenico (Opusc. I, 290 307), und von Grjsar, über das Canticum und den Chor in der römischen Tragödie (Stzb. d. kais. Akad. XV, 365 423) konnten zu keinem genügenden Ergebniss führen und .beweisen nur, wie gerade in derartigen Fragen auch der grösste Scharfsinn den Mangel des urkundlichen Materials nicht zu er- setzen vermag. Man war nämlich ehedem ausser auf die Didaskalien des Terenz und die allgemein gehaltenen Notizen des Donatus vorzüg- lich auf die Stelle des Grammatikers Diomedes p. 490 K. angewiesen : membra comoediarum sunt tria, diverbium canticum cJiorus . . . diverbia sunt partes comoediarum, in quibiis diversorum personae versantur . . . in canticis autem una tantum debet esse persona, aut, si duae fuerint, ita esse debenty

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ut ex occulto una audiat nee eonloquatur, sed secum^ si opus fuerit^ verha faciat^ in chons vero numerus personarum definitus non est, quippe iunctim omnes loqui dehent, quasi voce confusa et coneei^tu in unam personam se for- mantes. Latinae igitur comoediae chorum non habent, sed duobus membris tantum constant, diverbio et cantico. Nach diesen Worten musste man an- nehmen, daas nur Monologe oder richtiger Monodien in der römischen Komödie gesungen wurden ^^3 Bedenken gegen diesen Satz erregte freilich schon die letzte Scene im Stichus des Plautus die, wie keine andere zum Singen geeignet ist und sogar ausdrücklich des Flötenspielers und des Tanzes gedenkt, gleichwohl aber unter mehrere Personen vertheilt ist; Bedenken auch die Stelle desselben Diomedes p. 490 K., wonach die Zahl der Cantica in den römischen Dramen grösser als in den griechischen gewesen sein soll. Denn wären nur Monodien gesungen worden, so hätte umgekehrt die römische Komödie nur ausser- ordentlich wenige Cantica gehabt, wesshalb auch Casaubonus an der bezeichneten Stelle des Grammatikers „latine fabulae appellantur sive fati- bulae (ob vatibtdae?), in latinis enim fabulis plura sunt cantica quae ca- nuntur^% geradezu plura in pauca ändern wollte. Aber jene Bedenken haben erst jetzt ihre Bestätigung gefunden durch den Buchstaben C,

18) Zu dieser falschen Annahme wurde Diomedes oder vielmehr sein Gewährsmann Sueton durch die Etymologie von Diverbium verleitet, welche in dem zweiten Theil der Komödie, dem Can- ticum, das Gegentheil von Zwiegespräch , üen Monolog oder die Monodie, vennuthen Hess. In neuerer Zeit hat Dziatzko (s. Rh. Mus. XXVI, 101 ff. u. Jahrb. f. Phil. 1871 S. 79 ff.) den Irrthnm mit der Wurzel auszurotten gesucht, indem er die oft in den Handschriften wieder- kehrende Schreibung deoerbium als die richtige zu erweisen suchte und dieses deverhium für eine Uebcrsetzung des griechischen xaraXoyij ausgab, die mit dem Worte Dialog gar nichts gemein habe. Aber abgesehen davon, dass die Lateiner sonst das griechische xataXiyfiy mit recitare oder pronuntiare wiedergaben, spricht gegen die Schreibung deverhium auch ein gewichtiges grammatisches Bedenken. Die mit einor Präposition zusammengesetzten lateinischen Substan- tive sind nämlich keine Composita im strengen Sinne des Wortes, sondern nomina derivata, abgeleitet von zusammengesetzten Zeitwörtern. Das Nomen deverhium wQrde demnach ein Verbum deverbare voraussetzen, welches nicht blos nicht vorkommt, sondern auch nicht aus dem analogen Gebrauch verwandter Wörter vermuthet werden kann. Ich ziehe es daher mit Bücheier (Jahn's Jahrbl. 1871 S. 274) vor, bei der Schreibung diverhium stehen zu bleiben und einen leicht erklärlichen Irrthum des Grammatikers anzunehmen. Da nämlich thatsächlich die Monodien in Bezug auf den Vortrag eine Sonderstellung einnahmen, und in der Zeit des Sueton fast aussschliesslich nur Monodien zum Gesang ausgewählt zu werden pflegten, so konnte leicht bei der Gegenüberstellung von Gesang und Dcclamation der erste mit Monodie, die zweite mit Wechselgespräch verwechselt werden.

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d. i. Canticum, der bei Plautus nicht einmal, sondern dutzendmal solchen Scenen vorgesetzt ist, in welchen mehrere Schauspieler auftreten.

Ebenso wenig kann es jetzt noch jemanden in den Sinn kommen, bei der Frage, welche Scenen zu den Cantica zu zählen seien, von der bekannten Stelle des Livius VII, 2 auszugehen: Liviics .... dicitur, cum saepius revocatus vocem obtudisset, venia petita pueruni ad canendum afite tibicinem cum statuisset^ canticum egisse aliquanto magis vigente niotu^ quia nihil vocis usus impediehat; inde ad manum cantari histrionibus coeptum, diverbiaque tantum ipsorum voci relicta. Denn bei den meisten im Cod. vetus als Cantica bezeichneten Scenen des Plautus kann an eine solche Vortragsweise gar nicht gedacht werden, und es bleibt nur die Alter- native übrig, dass entweder Livius sich ganz und gar geirrt und die zu seiner Zeit aufkommende Manier des Pantomimus ^^} irrthümlich auf die Cantica der alten Dramen übertragen habe, oder dass jene Trennung des tanzenden und ge^ticulirenden Schauspielers von der Person des Sängers auf wenige Cantica und speciell nur auf monodische Cantica beschränkt gewesen sei.

Endlich geht es jetzt auch nicht mehr an, ein Canticum nur da zu vermuthen, wo der Dichter lyrische Rhythmen, wie Kretiker, Bacchien, Choriamben oder kurze wechselnde Kola statt langer sich gleichförmig

19) Die Zeugnisse, welche uns über den Vortrag der Pantomimen erbalten sind, lassen kaum einen Zweifel darüber, dass sich Livius in seiner Darstellung der Sache durch die Bühnenverhältnisse seiner Zeit beeinflussen Hess. Wahrscheinlich hatte irgend ein Grammatiker, der ähnlich wie Sueton an der oben Anm. 1 angeführten Stelle den Zusammenhang der neuen Bühnen- verhältnisse mit den alten darthun wollte, den Pantomimus auf die Cantica der alten Tragödie zurückgeführt. Es stimmen aber die Worte des Historikers ganz und gar zu der Schilderung, welche Lucian, de salt. 80 von der Entwicklung des Pantomimus gibt : näXai füy ydg ol atroi xal ^6oy Xtti (ii(»/oi;»^o' elt^ ^n€i6ij xtyovfiiytoy t6 ScS/jia t^y (^6ijy kxuQatXfy^ «fiiiyoy iSoj^er ttXXovg avToig vn^dety womit man noch die Verbindungen von acroamata et histriones bei Sueton, Octavian 74 (vgl. Sueton, Nero 24 und oben Anm. 15) und die Worte agerUibus com- müitonibiM cum suis acroamcUis in der unlängst von Th. Mommsen im Hermes V, 308 ff be- sprochenen Inschriffc der späten Kaiserzeit zusammenstelle. Dagegen hat Dziatzko neuerdings in seiner Ausgabe des Phormio S. 23 die Richtigkeit der Livianisehen Notiz aus der Erwäh- nung des cantor an der bekannten Stelle des Horaz A. p. 155 donec cantor vos plaudite dicat zu erweisen gesucht. Aber wie ich oben S. 177 angedeutet, ward in der That die Exodos griechischer wie lateinischer Dramen gesungen, und scheint überdiess die Nachricht von dem Vortrag der Bucolica des Vergil durch Cantores (s. Vita Vergilii p. 60 in Suetoni rell. p 60 ed. Reif.) darauf hinzuweisen, dass zu Horaz Zeiten cantor geradezu im Sinne von Schau- spieler gebraucht wurde.

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wiederholender Verse angewandt hat. Denn nicht blo8 würde man dann bei Terenz nur sehr wenige Cantica herausbringen, sondern sich auch in Widerspruch mit den Noten setzen, welche bezüglich der Art des Vortrags den einzelnen Scenen im Cod. vetus des Plautus vorge- setzt sind. Danach zählten nur die in Senaren geschriebenen Scenen zu den Diverbien; alle anderen, und namentlich auch alle, oder doch fast alle in trochäischen Septenaren gedichteten galten als Cantica. Die genaueren Nachweise hierüber hat Ritschi in der angeführten Abhand- lung S. 39 erbracht und dabei gewiss mit Recht in den zwei Fällen, wo eine lyrische Scene mit D V, und in dem einem Fall, wo eine Senarscene mit C überschrieben ist, Versehen der Abschreiber ange- nommen.

Aber wenn nun auch sämmtliche in Trimetern geschriebenen Scenen der römischen Komödien Diverbia hiessen, so ist auch damit die Frage über die Parakataloge der Trimeter noch nicht entschieden. Denn möglich wäre es ja, dass auch in jenen Scenen die Verse von der Flöte begleitet worden wären, und der Name diverbium sich nur darauf bezogen hätte, dass die Worte des Textes nicht gesungen, sondern ge- sprochen wurden. Für diese Meinung könnte man sogar die erhaltenen Didaskalien des Terenz geltend zu machen suchen. In den meisten derselben steht nämlich hinter der Angabe des Componisten und der Flötengattung das Wörtschen tota oder totam; so lesen wir in der Didaskalie des Phormio : modos fecit Flaccus Claudii tibiis imparibus tota, in der der Hecyra modos fecit Flaccus Claudi tibis Sarranis tota, in der der Adelphi modos fecit Flaccus Claudii tibis Sarranis tota, und in der des anibrosianischen Palimpsestes , welche Ritschi auf den Stichus des Plautus bezogen hat, m^dos fecit Marcipor Oppii tibiis Sarranis totam. Der alte Erklärer des Terenz, Donatus, hat zwar jenes tota zum fol- genden Absatz der Didaskalie bezogen, wie aus seiner Umschreibung der Didaskalie der Andria hervorgeht: modos fecit Flaccus Claudii filius tibiis paribus dextris et sinistris et est tota graeca edüa M. Marcello et Sulpicio consulibus. Aber es kann kein Zweifel sein, dass jenes tota vielmehr auf die Musikgattung bezogen werden muss, und dass die Worte tibiis paribus tota einen eigenen Absatz bilden, zu dem ein Verbum, wie acta

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est, zu ergänzen ist^^). Ist aber diesB" Interpretation allein zu billigen^ 80 könnte man in jenem tota eine Bestätigung der Meinung finden, dass das ganze Stück, die Cantica so gut wie die Diverbia, von

20) Ueber die Didaskalien des Terenz sind in neuerer Zeit zwei Spccialnntersnchungen erschienen, eine von W. Wilmanns, de didascaliis Terentianis, als Inaugoral-Dissertation zu Berlin 1864 aus- gegeben, und eino zweite von Dziatzko, über die Terenzianischen Didaskalien, mitgetheilt im Bbcin. Mus. Bd. XX. u. XXI. Ihnen verdanken wir vor allem die genaue Eennlniss des kri- tischen Apparats zu jenen Bühnenurkunden. Leider fehlt in den beiden Familien der Hand- schriften des Terenz die Didaskalie der Andria, so dass wir hier einzig auf die Paraphrase des Donatus angewiesen sind. In derselben steht nun allerdings: modos fecit Flaccm Claudn fdius tibiis parihus dextris et sinistriSy et est tota graeca edita M, Marcello et Sulpicio consulibus; aber in diesen Worten ist sicherlich nicht die ächte, ursprüngliche Form der Didaskalie erhalten. Denn gleich in der ersten Zeile ist zu Claudii falschlich filius statt servus ergänzt (s. Wilma nns S. 26) und hinter der Bemerkung Über die musikalische Begleitung fehlt die Angabe, das wievielste Stbck des Terenz die Andria war. Da überdiess das uns hier zu- nächst intcressirende totä falsch bezögen ist, so habe ich bei der Frage über die Deutung jenes tota nur die fünf übrigen Stücke des Terenz berücksichtigt. In der ächten Didaskalie der An- dria stand wahrscheinlich tibtü paribus tota oder tibiis dextris tota oder tibiis parihus dex- tris tota. Die Lesart tibiis parihus dextris et sinistris tota Hesse sich höchstens so recht- fertigen, dass man das tota speciell auf paribus im Gegensatze zu einem möglichen partim paribus, partim imparibus bezöge.

Dass nun tota nicht mit Donat zum folgenden Absatz der Didaskalie, 'sondern zur An- gabe der musikalischen Begleitung zu stellen ist, darin stimmen, so viel ich sehe, alle neueren Erklärer überein. Weniger ist die Bedeutung der Flötengattungen tibiis paribus^ tibiis im- paribus, tibiis duabus dextris, tibiis Sarranis aufgeklärt. Von vornherein sollte man am ehe- sten eine Angabe der Tonart erwarten, in welcher die Musik gesetzt war; denn nach den ver- schiedenen Tonarten waren wenigstens in alter Zeit die Flöten gestimmt; s. Athenäus XIV p. 631 E : t6 6e naXatoy tjaay iStot xa^' ixuatijy aQfioyiay avXoi xai kxdatots «vXiyrwi' vnrJQ^oy avXol ikäriTi] a(j/Äoyi(f n^oaffOQot iv roig dytaaty, Il^oyofiog &* 6 Sijßaiog Tt^Cixog rjvXtiüfy dnu rmy «vruiy fwXijy ndcag dgftoyiag, vgl. Pausanias IX, 12, 4. Da nun aussserdem Donatus an zwei Stellen, in der Präfatio zum Eunuchen und zu den Brüdern, tibiis dextris mit tibiis lydiis aus alter Quelle, wie dieses schon die Schreibweise ludis statt lydiis zeigt, erklärt, so hat man in den Beiwörtern dextris sinistris Sarranis eine den Römern eigenthümliche Be- zeichnung der verschiedenen Tonarten finden wollen. Gegen diese Annahme hat sich schon im vorigen Jahrhundert Burney, Musik der Alten, übersetzt von Eschenburg S. 186, und neuerdings Wilmanns ausgesprochen, und dieses mit gutem Recht. Denn wenn man auch annehmen wollte, dass die Römer als Halbbarbaren sich auf zwei in dem Unterschied der rechten und linken Flöte ausgeprägte Tonarten beschränkt hätten, so dürfte man doch unter keiner Bedingung eine ähnliche Beschränkung auch bei den Griechen annehmen, die gleichwohl, so gut wie die Römer, rechte und linke Flöten kannten und im Theater anwandten, wie schon aus dem Plural Xttßk rd (fiaaTtiQitt Arist. Lys. 1242 und xovs aiXovi Xaßtoy Eccles. 891 hervorgeht; s. Wie- seler, Advers. in Aesch. Prometh. et Aristoph. Av. p. 69. Sodann lebte jener Pronomos, der nach der angeführten Stelle des Athenäus die Kunst auf einer Flöte verschiedene Tonarten zu blasen erfand, schon zwei Jahrhunderte vor Plautus (s. Wieseler, Satjrspiel S. 20 f.), so dass man gewiss nicht mehr in der Blüthezeit des römischen Lustspiels verschiedene Flöten

Abb. d. 1. Cl. d. k. Ad. Wiss. XIII. Bd. ilL Abth. 2 5

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dem Flötenspieler begleitet worden sei. Aber mehr als ein Einwurf steht einer solchen Deatung entgegen. Erstens würde man dann mit Recht fragen, welche Lunge denn ein Flötenspieler gehabt haben müsse, der die Ouvertüre, die Zwischenspiele, das Nachspiel und das ununter* brochene Accompagnement des ganzen Stückes habe ausführen können. Für die Schauspieler traf man nach Vitruv (Praef. lib. V) Vorsorge, dass sie in den Zwischenacten während der Chorgesänge ausruhen konnten, den Flötenspieler soll man so unbarmherzig angestrengt haben, dass man ihm während zwei bis drei Stunden keinen Augenblick Ruhe gönnte ?^^) Sodann wäre es bei einer solchen Auffassung von tota

nach der Verschiedenheit der Tonart ge1)raachte. Endlich ist ein Concentos ans einer Ijdisch und einer dorisch oder jonisch gestimmten Flöte ohnehin nicht leicht denkbar, völlig nnwahr- scheinlich aber bei den strengen Gegensätzen, welche sich in den antiken Melodien an die Unterschiede der yerschiedenen Tonarten knüpften. Ich nehme daher mit Wilmanns an, dass eine rechte Flöte dorchans nicht immer lydisch gestimmt sein mnsste, nnd daas jene Notii des Donat tibiis dextris i. e. lydiis entweder aus einer yollstandigeren Didaskalie stammt, in der neben der Flötengattnng auch noch die Tonart angemerkt war, oder von einem Masik* kenner herrührt, der ans Erfahrung wusste, da^s die rechten Flöten mit ihrer tiefen Tonlage sich am meisten für die in Ijdischer Melodie gesetzten Musikstücke eignete. Die ungleichen Flöten, tibiae impares, aber spielten keine zwei verschiedenen Tonarten, sondern dasselbe Meloa in einer höheren und einer* tieferen Oktave. Dass nämlich die rechte Flöte die tieferen, die linke die höheren Töne desselben Melos spielte, ersieht man aus Varro, de re rust. I, 2 : dextra tihia älia quam sinistra, ita tarnen ut sit quodam modo eoniuncta, quod est altera eius* dam carminia incentiva, altera succentiva , bestimmter noch aus Apuleius, Florid. I, 3, 9 : Hyagnis primtia duas tibias uno spiritu animavit, prtmus laeois et dextris foraminibus^ acuto tinnitu, gravi bombo concentum miacuit. Dass aber die in dem Interwall einer Octave sich bewegende Symphonie bei den Alten nicht bloss als die schönste gepriesen wurde, sondern auch bei dem von Instrumenten begleiteten Gesang allein in Anwendung kam, darüber klärt uns das 19. Buch der Aristotelischen Probleme auf; siehe insbesondere c. 18: 6td ri ^ did naauiy avfi^utyla tf6eT€ei f^oyij; u. c. 16: Sttl ji ^Sioy ro dyriipujyoy tov üV(ji<p(6yov ; ^ oti /jiaXXoy 6tä6rjXoy yiyetai to avfigxuyffy ij ^tny itQog t^y av/ji(p(oylay nSjj; aytiyxfi yu^ tiir Hi^ay ofAofptoykiy) £cT€ 6vo itQOs fiiay ^Ußyijy ytyofifyai dtpayilovai tfiy iri^ay.

Mit den ungleichen Flöten also wurde eine gewisse Symphonie erzeugt, mit den gleichen wurde blos der Ton verstärkt, etwas was besonders in dem antiken Theater am Platze war, wo das ganze Orchester nar aus einem einzigen Manne bestand, der Zuschauerraum aber meist ausgedehnter als heutzutage war. Die Deutung aber, welche Diomedes p. 492 K der Doppel- flöte gibt : sed quod „paribus tibiia^* vel f,imparilm8" invenimua scriptum, hoc significat, quod si quando monodio agebat, unam tibiam inflabat, si quando synodio, utrasque, kann schwer- lich für die Komödien des Plautus und Terenz Geltung haben, da in ihnen kein Chor vorkam und der Wechselgesänge kein Stück entbehrte.

21) Dabei setze ich voraus, dass nur ein Flötonbläser bei Aufführung eines Stückes thätig war. Für die römische Komödie liegt dafür der Beweis in den erhaltenen Didaskalien. Denn diese

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ganz und gar unerklärlich, warum dieser Zusatz in der Didaskalie zweier Stflcke, des Hautontimorumenos und des Eunuchen, fehlt. Denn aus der Anlagt und der Form dieser Stücke selbst kann das Fehlen von Ma nicht erklärt werden, da dieselben in allen wesentlichen Punkten mit den übrigen Komödien des Terenz fibereinstimmen und insbesondere geradeso wie jene aus Trimetern und Tetrametern bestehen. Aber die musikalische Begleitung der beiden Stücke zeigte nach den Didaskalien eine erhebliche Abweichung, die uns eine völlig genügende Erklärung jenes tota an die Hand gibt. Die Musik im Hautontimorumenos' war nämlich nicht in allen Theilen des Stückes die gleiche, sondern wurde, um gleich die Worte der Didaskalie zu gebrauchen, primum tibiis impa- ribus^ deinde dtMbw dextris ausgeführt. Zum Eunuchen merkt zwar die Didaskalie, wie sie in den Handschriften steht, nur eine Art von Flöten, tibiis duabus dextris, an, aber bei Donatus steht die Angabe modulante Flacco Claudio tibiis dextra et sinistra und ich zweifle nicht, dass dieselbe eine Spur des Richtigen enthält, und auf tibiis paribus et dextris et sinis- tris oder tibiis dextris et sinistris zurückzuführen ist; vgl. Wümanns^ de didascaliis Terentianis p. 44^ sqq. Jedenfalls muss das tota der vier Didaskalien darauf bezogen werden, dass in dem ganzen Stück die gleiche Flötengattung zur Anwendung kam.

sprechen Jarchweg nur von einem einzigen, der die Mnaik zu den einzelnen StQcken gemacht habe, dieser eine war aber ein Sklave, so dass man in ihm nicht das Hanpt einer ganzen Musikbande oder den blos mit der Composition, nicht auch mit der Execation der Musikstücke betrauten Künstler vermnthen darf. Noch bestimmter aber ist für die Aufführung der griechischen Dramen nach dem Jahr 297 v. Chr., oder dem Stiftungstag der delphischen Soterien, die Ver- wendung von nur je einem Auleten durch die delphischen Inschriften bei Wescher— Foucart, Inscr. de Delphes n. 3—6 (s. oben S. 181) bezeugt. Doch waren damals wahrscheinlich schon die Chorgesänge aus den Tragödien und Komödien yerschwunden, da es mindestens zweifelhaft ist, ob die in denselben Inschriften angeführten Knaben- und Mannerchöre mit der Aufführung der Dramen etwas zu thun hatten. Dafür haben wir aber ein anderes Zeugniss in dem Scholion zu den Wespen v. 580 „fi^op fjy «V talg sfodoig xüv Ttjg T^ttytüdiag ;|fo^iX(uv ngoaaTtaty tiqo- tiytiaS'tti nv}jjtfjy, uiaTS etvXovyta n^cnifineiy'^ dass auch dem Chor nur ein Aulet Torauszog; vgl. Wieseler, Satjrspiel S. 42 ff. Wenn hingegen in den Vögeln des Aristophanes vier Vögel als Musikanten auftraten, wie Wieseler, Advers. ad AescK et Prom. p. 87 sqq. wahrscheinlich gemacht hat, so war dieses eben eine Ausnahme von der Begel. In den erwähnten delphischen Inschriften ist zweimal (n. 4 u. 5) einem komischen Chor von 7 Choreuten 1 Aulete zugewiesen, und folgen einmal (n. 3) auf das Verzeichniss der nai6eg /o(>f vra/ oder aySgfg j^o^vtai die Namen 2 Auleten, während sonst den Chören von Knaben und Männern keine eigenen Flöten- spieler beigegeben sind.

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Für die Ausdehnung der Parakataloge auf die Senarscenen beweist also jenes tota der Didaskalien nichts. Aber vielleicht fuhrt uns der Unterschied zwischen der Art, mit der Dbnat die Gantica des Terenz bezeichnet fand, and derjenigen, mit der sie im Cod. vetus des Plautua thatsftchlich bezeichnet sind, in unserer Untersuchung dem Ziele näher. Donat nämlich bemerkt in der Einleitung zu den Brüdern folgendes über die den Scenen vorgesetzten Zeichen : modtdata est atäem tibiis dextris .... saepe tarnen mutatis per scenam modis cantata^ quod sigm-^ ficat tittUus scenae Habens subiectaa personis litteras M. M. C. Dagegen steht in den Plautushandschriften über den Scenen, welche zn^^^dffn Ganticis zählten^ nur ein einfaches C. Ritschi wirft desshalb die Frage auf, wie diese Abweichung zu erklären sei, und kommt dabei zu fol*» gendem Schluss : „es bleibt nichts übrig als au erkennen und anzuer- kennen, dass der Bericht des Donatus * sachlich unvollständig ist, daas wir in ihm ein nachlässig geivachtes Excerpt vor uns haben. Er geht mit einem Sprunge von.;deh cantica saepe mutatis modis^^ = M. M. C. zu den ,,diverbiQii = DV. über, und lässt die dazwischen liegende Stufe, die y,cantica hon mutatis'^ oder wenigstens ^ynon saepe mutatis modis^^ = ganz -aus. So tritt also die Terenzische Semeiosis nicht in Widersprach mit der Plautiniscben, sondern erscheint nur weiter ausgebildet durch eine neue Unterabtheilung. Während die Plautinische sich begnügte nur musikalischen und nicht musikalischen Vortrag gegenüber zu stellen, fand es jene angemessen innerhalb der- musikalischen die zwei Arten zu unterscheiden, die wir oben melodramatisch und recitativisch benennen durften, und die sb fühlbare Ungleichartigkeit der Septenar scenen und der wirklich lyrischen Scenen auch durch zwei gesonderte Zeichen zu niarkiren."

Ohne vorerst Stellung zu dieser Annahme zu nehmen, will ich zuvor auseinandersetzen wesshalb ich überhaupt die bezeichneten Unterschiede zwischen der Terenzianischen und Plautinischen Se- meiosis in die Untersuchung über die Parakataloge der Trimeter her- eingezogen habe. Es steht nämlich ein anderer, scheinbar einfacherer Weg zur Deutung der drei Zeichen M. M. G. offen, nämlich der, dass die Erklärer des Terenz geradeso wie die des Plautus nur die zwei Unterschiede von Ganticum und Diverbium kannten, die gesun- genen Partien aber desshalb als cantica mutatis modis bezeichneten, weil

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auch die diver bia von, der Flöte accompagnirt wurden, nur nicht mqdis mutatisj sondern modis simpUcibtis sive non mutatis. Aber wiederum träte uns dann die Frage entgegen, wie denn ein solches ununterbrochenes, stundenlanges Blasen einem einzigen Flötenspieler habe zugemuthet werden können. Sodann wäre es doch eine wunderliche Grille des Musikers gewesen, wenn er bei der Wiederholung von Septenaren die Musik gewechselt hätte;, bei der Wiederholung von Senaren aber nicht. Jedenfalls müsste man dann Anzeichen jenes Unterschiedes in dem Text der Septenarscenen, etwa in der in bestimmten Zwischenräumen wieder* kehrenden Interpunction und in der Responsion der einzelnen Abschnitt^ erwarten müssen^ Nun können wir zwar, wie wir weiter unten darthun werden , derartige Marksteine des Periodenbaues in griechischen Tetra^ metern nachweisen, haben solche aber bei Plautus und Terenz vergebens aufzudecken gesucht. Endlich Hesse sich, und wir kommen damit zur Hauptsache, ein Gegensatz von ,^canticum mutatis nwdi^ et tihicinis et cantoris cantatum^^ und von ^,diverhium modis tibicinis non mutatis pro- nuntiatum^' nur dann denken, wenn die als Cantica bezeichneten Sceneq •alle wirklich gesungen worden seien. Dem ist nun aber entschieden nicht 80, wie wir bestimmt an der Hand des Dichters selbst beweisen können.

Die Ausdrücke für Gesang, Singen, Tanzen, welche sich in lyrische^ Partien griechischer Dramatiker so häufig finden, begegnen uns be^ Terenz gar nicht, bei Plautus nur selten und nie in Scenen mit fort- laufenden trochäischen Septenaren. Durchweg vielmehr beziehen sich dieselben entweder auf lyrische Masse des päonischen Rhythmus, wie im Curculio v. 145:

jPiT. quid si adeam ad foris dtque occentem? FÄ. si lubet

neque votö neque iubeo,

quändo ego te video inmutatis moribus esse, ere, dtque ingenio,

FH. Pessuli, heus pissuli, vös salutö lubens etc. und im Pseudulus v. 1272:

sed pöstquam exurrexij ordnt med ut sdltem: ad hünc me modum Uli intuli satis facete. oder auf freier gestaltete wechselreiche Verse des diplasischen Takt- geschlechtes, wie im Stichus v. 760:

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Upidam et suavem cäntionem aliquam occipito cinaidicum.

V. 768:

cedo cäntionem viteri pro vinö novam. qui iönictis aut cinaedicusty qui hoc täte facere pössit? In der Casina IV, 3: OL. dge Hbicen^ dum illam educunt hüc novam nuptdm foras, suävi cantu cöncelebra omnem hanc pldteam hpmenaeö, io hymen hymenaeel hymen! ST. quid agis, mea salüs? OL. esurio hercle dtqt^e adeo haud sitiö minus *^). 8T. dt ego amo. OL. at ego mehSrcle, nihili facto amore si peris.

mihi inanitdte iamdudum intestina mürmurant. ST. ndm quid ülaec nunc tämdiu intus remoratur remeligines?

quasi ob industridm quanto ego plus propero, tanto ülaec mirnis. OL. quid etiam si occentem hymenaeum sitque fausta hymnodia. ST. censeOy et ego te ddiutabo in nupHis commünibus,

OL. hymen hymenaee! io hymen! ST. periiy hercle^ ego misSr; dirumpi cdntando hymenaeum licet,

illo morbOj quo dirumpi cupio, non est copia, beziehen sich die Worte cantare^ occentare, hymnodia zunächst nur auf den Hochzeitsgesang hymen hymenaee! io hymen. Gar nicht auf die Vortragsweise, sondern auf die sprichwörtliche liedensart scheint sich cantare an einer anderen Stelle der Casina 111, 1, 9 zu beziehen: sed facitodum mente praeco vörsus quos cantät colas: cum cibo suo quiqui facito ut veniant^ quasi eant Sutrium.

22) Ich habe minus nach sitio und me vor hercle nach einem mir freundlichst mitget heilten Vor- schlag A. Spengels eingesetzt. Derselbe schlägt im 5. Vers statt des handschriftlichen tibi amar pericli vor: tibi amar si perit, und schreibt im 2. nnd 3. Vers:

pldteam hymen, euai hymen liymin hymen, euai hymen. unter Berufung auf Ovid, Ars I, 563:

pars hymenaee canunt, pars clamat Eition euai.

Im 9. Vers, der erst durch den Ambrosianus seine Ergänzung erhielt, habe ich die L&cke der Handschrift mit fau&ta hymnodia ergänzt, während Geppert ein nichtssagendes pulcra einsetzt.

An der zweiten Stelle der Casina war es mir unmöglich eine sichere Emendation der verderbten bandschriftlichen Lesart merui a per vorsus quos cantat zu finden ; mein Vorschlag stützt sich auf die Vermathung, dass per tjursus aus pco vorsus verderbt sei.

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Während so die lateinischen Komiker nur äusserst selten ihren Schauspielern die Worte Singen oder Tanzen in den Mund legen, ger brauchen sie von dem Vortrag der Scenen, welche entweder wirklich in den Handschriften das Vorzeichen C (canticum) haben^ oder doch dasr selbe nach Analogie der handschriftlich gesicherten Beispiele haben müssten, ganz gewöhnlich solche Verba, welche das Sprechen der Um- gangssprache bezeichnen ; und zwar findet sich unter jenen Ausdrücken nicht bloss das vieldeutige^ auch von lyrischen Dichtern nicht gemie- dene dicere, sondern auch loqui mit seinen Compositis conloqui adloqui proloquij ferner spondes, sermonem caedere und ähnliche. Die Belege hiefür sind so zahlreich, und so über alle Stücke zerstreut, dass ich mich der Mühe überheben kann durch Zusammenstellung der Beispiele die Wahrheit des Gesagten zu erhärten. Ich greife desshalb nur aufs Gerathewohl zwei Scenen heraus, die zweite Scene im fünften Act dea Trinummus, welche aus 50 trochäischen Septenaren besteht und im Cod. Vetus als Canticum bezeichnet ist, und die zweite Scene im fünften Act der Andria, in deren Darstellung auf einer Marmorplatte des Museo Burbonico der Flötenbläser nicht fehlt. In der ersten steht me nominal V. 1134, conloqui v. 1135. 1150, loqui y. 1136, dicere v. 1137, sermonem interrumpere v. 1149, saluiat v. 1152, spondeo v. 1158 /f., in der zweiten impero v. 842, adloqui v. 845, respondes v. 849, dixti v. 852, 858, inquam v* 862. Daraus folgt nun aber, dass die Cantica der römischen Komödie, wenn nicht alle, so doch zum grössten Theil auch in Bezug auf den Vortrag nicht den griechischen wcfai gleichzustellen, sondern in das Gebiet der Parakataloge zu verweisen sind. Ist aber dieses der Fall^ dann bleibt für die in Trimetern geschriebenen Diverbia keine andere als die jeder musikalischen Begleitung entbehrende Vortragsweise übrig ^^).

23) Daraas erklärt sich auch vollständig die Richtigkeit des oben berührten Aussprachs des Gram* matikers Diomedea p. 490 E., dass die Cantica in den römischen Dramen einen grösseren Um- fang als in den griechischen einnehmen. Denn die Zahl der Trimeter in den Stücken des Plaatns nnd Terenz ist nnverhältnissmassig kleiner als in denen des Sophokles und Aristophanes. In der Andria des Terenz z, B. sind anter 981 Versen nor 416 jambische Trimeter, and davon gehören mehrere» da sie, was eine specielle Eigenthümlichkeit des Terenz ist, mitten unter Tetrametem stehen, noch zu den Cantica. Im Stichus des Plaatas stellt sich das Verhaltniss der Diverbia zu den Cantica noch ungünstiger für die ersteren, indem der ganze 4. Act und ausser der Ezodos auch noch der Eingang des Stückes in Versen geschrieben ist, welche Ge-

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Nur beiläufig bemerke ich, ohne einen neuen Beweis für den ohnehin genügend bewiesenen Satz beibringen zu wollen, dass zu dem- selben sehr hübsch die Composition der letzten Scene des Stichus stimmt. Dieselbe gehört wie alle Schlussscenen des Plautns und Terenz zu den gesungenen Partien ^^) und ist im Cod. vetus ausdrücklich als Canticum bezeichnet. In Ueberein Stimmung damit ist sie bis auf einen kleinen Theil in Tetrametern geschrieben; aber auch jene kleine Aus- nahme bestätigt hübsch unsere Auffassung. Zur Feier der glücklichen Rückkunft der Herren will sich auch die Dienerschaft einen guten Tag anthun. Die Sclaven, Stichus und Sagarinus^ haben sich bereits zum lustigen Festgelage zusammengefunden; endlich tritt auch ihr Schatz, Stephanion, gewaschen und geputzt mit schmeichelnder Rede ein und lässt sich zwischen den beiden Liebhabern nieder; Stichus, ausser sich vor Lust, heisst das schöne Mädchen tanzen; Stephanion weigert sich nicht, befiehlt aber zuerst dem Flötenbläser einen Schluck zu reichen. Bis dahin bewegt sich die Rede in lauter Tetrametern. Während nun aber der Flötenbläser den Becher nimmt und ihn an den Mund setzt, schlagen plötzlich die trochäischen Tetrameter in jam-

sang und musikalische Begleitung voraussetzen. Insbesondere verdient noch hervorgehoben zu werden, dass sämmtliehe Stücke des Plautüs und Terenz mit einem Canticum abschliesaen. während bereits bei Euripides in den meisten StQcken das alte liiko^ d^o^ioy entweder ganz, wie im Kyklops, weggefallen, oder durch formelhaft wiederholte, mit der Handlung des Stuckes nur lose zusammenhängende Anapäste, wie :

"^'ii fjiiytt affiyrj yixvp roy «tioi'

ßioToy xaT€/ot^

X(ci fÄti Xr^yoi^ (rxifftcyovan. oder:

n6kXo)y riifdi«s ZfiV ^V *0Ai'(U;7w,

rroXXa 6* eeeXrtnag XQuiyovni ^toi,

Xfti Tt( doxrj^iyT'' ovx ertXiat^r,,

TÜiy 6* ('(6oXiiTujy noQoy tjvQt xhul^'

ToioyS^ nnsßti T66t 7r(jttyu(€, ersetzt worden ist. 24) Es ist gewiss nicht zufällig, dass kein Stück des Plautus oder Terenz, von dem zweiten Aus- gang der Andria und dem ersten des Pönulua abgesehen, mit einer in Trimctern geschriebenen Scene schliesst ; das weist eben darauf hin. dass auch das rdmische Drama mit einem Canticum endigte. Es war aber diese Sitte von der griechischen Bühne herübergenoromen worden^ in welcher der Abzug {€§o6og) des Chors so gut wie sein Einzug (nti(>oSog) das Aufspielen eines Musikstückes erheischte, damit nach dessen Takten der Marsch der aus 12 24 Mann be- stehenden Rotte sich regeln konnte; siehe Suidas: e^ddtoy rofdoi avXixoi, 6i* Jjv iStjf(r«y ot

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bische Trimeter (762 68) um. Der Wiederbeginn der Tetrameter aber wird eingeleitet mit der Aufforderung an den Tibicen wieder die Flöte zu nehmen und ein neues Stück aufzuspielen:

age^ iam infla huccasi nunc tarn aliquid suäviter,

cedo cäntionem veteri pro vino novam. Die Erklärung also, dass die modi mutati cantici der Terenzianischen Semeiosis im Gegensatz zu dem einfachen Accompagnement der in Tri- metern geschriebenen Diverbien stehe, muss entschieden zurückgewiesen werden. Desshalb kann ich aber doch Ritschl's Annahme noch nicht beitreten, zumal gerade im Terenz, bei dem sich nur drei Cantica in lyrischen Versmassen (Andr. 111, 2. IV, 1, Ad. IV, 4) finden, am wenigsten Grund zur Unterscheidung einer doppelten Art von Cantica vorlag. Da überdiess, was Ritschl's Scharfsinn nicht entgangen ist, ein Canticum mit wechselnder Melodie mit C. M. M. und nicht mit M. M. C. hätte bezeichnet werden müssen, so sind wir, denke ich, be- rechtigt, von Donats Versuch jene Zeichen zu deuten, ganz abzusehen und einen neuen selbstständigen Weg der Erklärung zu suchen. Dann aber werden wir am ehesten in M. M* C. die drei Anfangsbuchstaben

XOQol xai Ol av}.rjTai* ovTut KgatTvos „rovg e^o&iovg vfity iv* nvktZ xovg vofiovg**^ vgl. PoUox IV, 108 u. schol. ad Arist. Vesp. 270. Erst bei Seneka finden wir eine durchgängige Abweichung von jenem alten Herkommen, indem seine sämmtlichen Tragödien mit Trimeterscenen abschliessend so dass der Chor, wenn die Stücke zur Anfifuhrnng gelangt wären, ohne mnsikalische Beglei- tung hätte abziehen müssen. Es ist dieser AbfEill von der alten Uebong auffällig bei einem Dichter der sonst so pedantisch auch in scenischen Dingen, wie in der Verwendung von nur 3 Schauspielern (s. H. Weil in Revae arch^ol. 1865, I, 21—35) seine griechischen Originale copirte. Hingegen sind, was meines Wissens noch nicht bemerkt worden, die Verfasser der beiden dem Seneka falschlich beigelegten Tragödien, des Hercules Oetaeus und der Octavia, zur alten Weise zurückgekehrt und haben den Schlass ihrer Tragödien in Anapästen geschrieben. Bezüglich des doppelten Ausgangs des Pönulus und der Andria aber verdient die unlängst von A. Spengel in den Sitzb. d. b. Akad. v. J. 1873 S. 620 f. etwas rasch entschiedene Frage, welcher von den beiden Aasgängen vom Dichter selbst herrühre und früher geschrieben sei, doch auch noch nach den eben hier in Anregung gebrachten Gesichtspunkten geprüft zu werden. Schliesslich lässt sich aus der gegebenen Darstellung auch erklären, wesshalb Horaz in der A. p. v. 155

8t89uri donec cantor „vo$ pUmtite** dieat das Wort cantor gebrauchte. Er that das gewiss nicht, weil er, wie Wolff, de canticis in roro. fab. scen. p. 18 meinte, den gesticulirenden Schauspieler von dem recitirenden Sänger unter- scheiden wollte, sondern entweder weil in seiner Zeit der Schauspieler überhaupt a potior« parte officii den Namen cantor führte (s. 6. Hermann Qpusc L 302) oder weil in der That die Schlussscene und somit auch jenes „plaudite** gesungen zu werden pflegte.

Abb. d. L Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 26

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von modi musici cantici erkennen. Sei aber dem wie ihm wolle, jedenfalls hat unsere Untersuchung das doppelte Resultat ergeben, erstens, dass nicht alle Theile einer römischen Komödie von Flöten- musik begleitet waren, und zweitens, dass die Lateiner mit .Canticum auch eine nicht gesungene, sondern nur parakatalogisch unter Flöten- begleitung gesprochene Partie 2^) bezeichneten.

Vortrag der i^j^ staud uuu aber die Sache bei den Griechen? Wichen in dieser

Trimeter im

griechischen Beziehuug die Römer von ihren Originalen ab, denen sie sich sonst so

Drama.

eng und sciavisch anschlössen^ oder haben sie auch hier ihre Lehr- meister treu copirt? Von vornherein wird jeder das letztere für wahr* scheinlich halten: haben also die römischen Schauspieler die Trimeter ohne musikalische Begleitung einfach gesprochen, so hat es alle Wahr- scheinlichkeit, dass das Gleiche auch in Athen der Fall* war. Was wir aber so von vornherein vermuthen, das erhält auch seine Bestätigung durch specielle Zeugnisse. Vor allem muss ich in dieser Beziehung

25) Nach dem lateinischen Sprachgehraach müsste man auch die in Tetrametern und anapästiscben Systemen geschriebenen Scenen griechischer Dramen als fiiXfj oder toSccl bezeichnen. Die Griechen haben aber, wie schon die Gegenüberstellung von ai^ij und iniQQti^te zeigt, die Be^ Zeichnung Gesang auf die in lyrischen Versmassen gedichteten, mit reicher Modulation vorge- tragenen Partien beschränkt. Belehrend sind in dieser Beziehung zwei Stellen des Aristophanes, wo der Dichter das Verbum tjdtit^ von lyrischen Gesängen im Gegensatz zu den parakatalogisch vorgetragenen Tetrametern gebraucht. Die eine Stelle steht in den Wespen v. 270 ff.:

(lXk€i fioi 6oX€i aidytteg €yS{c6\ (üy6(}ef, u&oyxt(s uvtoy ix^uXity^ ^y ti Ttiug €c3covc«g Tovfjiov [xiXovg vip* r^doyti^ ^('^i'Cfl S-iJ(Jtc^f.

Tl TlOZ^ ov 7t(j6 SvtfiZy

{fuiyii* üq ri(Jily 6 yif)(üy

Ov6' V7tttX0ttl\

Hier beginnt das adtty und das fiiXog erst mit dem Kolon ri rror' ov rr^o Svfjtoy, die voraus- gehenden Tetrametem wurden also nicht gesungen, wenigstens nicht förmlich gesungen und galten nicht als Canticum.

Die zweite Stelle steht am Schluss der Ecclesiazusen v. 1158 ff.:

tTttfCofiai fii}.os tt fit^oSetTiyixoy'

«jfJiiXQoy 6* vnod'ia&ai toig x^iratai ßovXo/nat. Auch hier beginnt das angesagte Melos erst unten mit lyrischen Kolen unter kretischer Tanz- bewegung; die vorausgehenden trocbäischen Tetrameter, in denen der Chor die Richter zum gerechten und einsichtsvollem Urtheil crmahnt {vTtoriS^Teu), sollten also kein fieXoc sein und auch nicht förmlich gesungen werden. Mit diesem Sprachgebranch des Aristophanes stimmt auch Ileliodor, wenn er zu den anapästischen Tetrametern in den Wolken v. 476 f. bemerkt: dy ixd-iaai Stari^oy dyartatatixoy xtT(fäfiirQoy ettuSi yuQ futtl to ti^nai dndyfty Sicri/oy,

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nochmals auf die bereits oben S* 165 angezogene Stelle in Xenophons Gastmahl zurückkommen. Xenophon oder vielmehr Hermogenes sagt dort, der Schauspieler Nikostratos habe die Tetrameter zur Flöte ge- sprochen: warum nennt er aber die Tetrameter und nicht die doch viel häufiger vorkommenden Trimeter? offenbar aus keinem anderen Grunde, als weil eine solche Parakataloge bei den Trimetern nicht vorkam.

Bei unbefangener Betrachtung wird hiemit jeder die Frage über die Ausdehnung der Parakataloge im griechischen Drama der Haupt- sache nach für entschieden halten. Höchstens könnte es einem ein- fallen, einen Unterschied zwischen der Zeit des Xenophon oder Nikos- tratos und der unmittelbar vorausgehenden Zeit aufzustellen. Aber es wäre doch höchst auffallig, wenn in einem solchen Falle Aristoteles in dem Bericht über die allmähliche Entwicklung der Tragödie (poot. c. 4) einer so bedeutungsvollen Umgestaltung nicht gedacht hätte. Der for- male Charakter aber der Tragödien des Aeschylus einerseits und der des Sophokles und Euripides andererseits rechtfertigt die Annahme einer 80 totalen Aenderung im Vortrag der Trimeter keineswegs. Denn mag man auch bei Aeschylus mehr Anzeichen des symmetrischen Baues der Dialogpartien nachweisen können, fehlen thun dieselben auch bei Sopho- kles und Euripides nicht, und den gleichlangen Reden der Boten in den Sieben des Aeschylus, deren völlige Gleichheit obendrein erst mit ziem- lich gewaltsamen Mitteln hergestellt werden muss, stellt sich die ähn- liche Gleichheit der Reden des Eteokles und Polynikes in den Phö- nissen des Euripides (v. 469 96 = 499 525) zur Seite.

Aber wir sind auch bezüglich der Griechen gar nicht blos auf jenes Zeugniss des Xenophon angewiesen; wenigstens für die Komödie ist uns das Gleiche durch eine Stelle des Aristophanes selbst bezeugt. In den Fröschen v. 1304 ff. lässt nämlich der Dichter den Aeschylus, bevor er das wunderliche Quodlibet Euripideischer Gesangsstejlen vor- trägt, sagen:

ivt^xaro) rtg ro Xv()tm^' xairoi ri ^ai

Xv()ag im rovrov] nov ^ariv f] roTg oar{fdxoig

avTrj x(}OTOvaa; ^€V()o, Mova^ Ev()tm^ov,

26*

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Aechylas verlangt also die Lyra, um sich selbst beim Singen der nachfolgenden Verse zu begleiten, folglich hatte er bei den voraus- gehenden Versen und diese sind jambische Trimeter keine Lyra in der Hand und sprach dieselben ohne musikalische Begleitung. Aber diesen Trimetern gehen wieder Verse aus Chorgesängen voraus , die doch sicher gesungen und unter musikalischer Begleitung gesungen wurden, ohne dass auch dort der Schauspieler sich eine Lyra reichen Hesse. Also, könnte einer schliessen, darf auch bei den Trimetern daraus, dass eines begleitenden Instrumentes keine Erwähnung geschieht, die reine Declamation derselben nicht gefolgert werden. Ein solcher Schluss wäre aber von vornherein, weil allzu spitzfindig, wenig haltbar; denn wir werden doch dem Dichter nicht zumuthen, dass er, so oft er eine Partie gesungen wissen will, des begleitenden Instrumentes Er- wähnung thue ; aber wenn ein Schauspieler mitten in seiner Rolle nach einer Lyra verlangt^ um sich in seinem Gesang zu unterstützen, so hat er die unmittelbar vorausgehende Partie sicher ohne ein begleitendes Instrument vorgetragen. Zum Ueberfluss ist uns aber auch noch über- liefert, dass auch das erste Potpourri von Chorversen unter Begleitung nicht zwar einer Lyra, wohl aber einer Flöte vorgetragen wurde, denn zu dem ersten Vers jenes Potpourri

ist uns in den Scholien die alte scenische Notiz erhalten: diavhov 7i{foaavXel rig.

Dass aber in gleicher Weise auch die Trimeter der Tragödie des musikalischen Elementes entbehrten, dafür spricht die Darstellung des Aristoteles in der Poetik. Im sechsten Capital gibt er nämlich von der Tragödie folgende Definition: j^saxiv ovv x{)aycpSia jui/irjaig n^aiecag anovSaiag xal xeXeiag, fiayed^og k^ovariSy -^(^va/tsvip Xoycp /copig fixaaxip xdiv elifiSy iv roTg ao{fLoig, und bestimmt dann gleich nachher den letzten Absatz dahin : xo dt /copi^ xoig eii^sai xo ^la fiix{f(ov iyia jjiovov 7i€(fai- VBO&ai xal TidXiy txB{fa diä jtuXovg, Damit stimmt aber auch das über- ein, was am Schluss des zweiten Capitels über den Unterschied von Dithyrambos und Nomos einerseits, und Tragödie und Komödie ander- seits bemerkt ist: elal de xiveg, ott näai /pcSKrat xolg elQfjjuivoig, Uy^ ^^ olov ^v&uip xal fiiXBL xal uexQtpy wanep ij x€ xOjv di&vifdijißiDv Tioiijaig

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xal rj röjv v6/LL(oy xal Yj ra r^ayipöia xal ^ xiontpdLa* diaipt^ovai St, oncc ai jiity aua Tiäaiv, al dt xaxa jueQog. In der Tragödie war also auch die Rede versüsst durch Rhythmus, der seinen Ausdruck und zugleich seine Begränzung in Versen oder Metren (Trimetern, Tetrametern, Hexa- metern) fand, und durch Melodie, welche sich in musikalischen Gliedern (xdika) und Perioden {ne^LoSoi) aufbaute. Aber Metra und Melos fanden sich im Nomos, dessen Hexametern zugleich eine Melodie unter- legt war, zusammen, nicht so auch in der Tragödie, deren Theile sich so in jene zwei Mittel der Redeverschönerung theilten, dass die einen, die Stasima, Monodien und Kommoi, nur das Melos, die andern, der Prolog und die Epeisodien, nur das Metron sich aneigneten.

Dass also die Trimeter der Tragödie einfach, ohne musikalische Begleitung declamirt wurden, sagt Aristoteles wenn auch nicht mit dürren Worten, so doch immerhin deutlich genug. Auffällig bleibt dabei nur, dass Aristoteles dann des Gebietes der Parakataloge gar nicht gedenkt. Vielleicht hängt dieses damit zusammen, dass damals die Parakataloge von der griechischen Bühne so gut wie verschwunden war und höchstens nur noch bei den Chorgesängen und Monodien als Ersatz für den vollen Gesang eine Stelle hatte, worauf auch, wie wir oben S. 165 andeuteten, das Imperfect xariXsyav im Berichte des Xeno- phon hinweist.

Mit unseren Beweisen sind wir hiermit zu Ende; in einer so dunklen Sache aber, wie die Vortragsweise der antiken Dramen, ist es erlaubt, ja sogar geboten, die Lücken der üeberlieferung durch Com- binationen zu ergänzen, welche aus dem Gebiet des strengen Beweises in das der freien Phantasie hinüberstreifen. Mit Hülfe solcher Com- binationen also will ich auf Grund der gesicherten Thatsachen ein Bild von der Entwicklung des Gesangs und der Parakataloge im antiken Drama zu entwerfen versuchen.

Das griechische Drama, die Tragödie wie Komödie, war aus lyri- schen Elementen hervorgegangen, und hatte daher anfangs den Cha- rakter eines Singspieles. Ausgesprochen wurde dieses in der Bezeich- nung der neuen Dichtungsarten mit r(fayipdia, xijoixmdia, welche ebenso wie die der verwandten Hilarodie und Magodie (s. Athen« XIV p. 620 f.) auf Gesang hinweist, während der Name der erst später in der alexan-

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drinischen Zeit aufgekommenen Kinädologie einen rein declamatorischen Vortrag voraussetzt. Je weiter sich aber das Drama von seinem Ur- sprünge entfernte, desto mehr schränkte es auch das lyrische und mu- sikalische Element ein. Zunächst gesellte sich zu dem eigentlichen Gesang die Parakataloge. Wie nämlich einst Archilochus nicht direct vom Gesang zur Declamation übergegangen war, sondern auch den ge- sprochenen Theil seiner Jamben noch mit einem Saiteninstrument be- gleitet hatte, so begann man auch im Drama die den melischen Vers- massen beigesellten Tetrameter parakatalogisch vorzutragen. In ein- zelnen Stücken des Epicharmus also, welche aus lauter Tetrametern bestanden, war von einem einfachen Sprechen ohne mitsikalische Be- gleitung noch keine Rede. Auch in Attika bildeten so lange ^ulog und 7ia^a}caral(}yri die einzigen Theile der Tragödie und Komödie, als der Dialog in Tetrametern geschrieben war. Das einfache Sprechen trat erst mit der Einführung des Trimeters in das Drama ein, so dass die Worte des Aristoteles in der Poetik c. 4: ro IlUv yap 7i{)WTor rer^a- fihifO) i/^^vjVTO dia ro aarvfjixrjy xat oQ/riarLXVDre^ay Blvai ri^y noiijaiy, Xi^tiog (^8 yeyofiiytjg auTTj tj qwaig ro olxeloy uh(}oy evQey (vgl. rhet, III, 1 p. 1404 a) ganz wörtlich zu nehmen sind. Aber selbst die Trimeter wurden anfangs nicht alle schlechthin gesprochen, erst später, in der Zeit des Aristoteles scheint man allgemein der Meinung gewesen zu sein, dass der Trimeter untauglich für den Gesang und nur zum Sprechen geeignet sei. Bei den drei grossen Dramatikern und nament- lich bei Aeschylus wurden viele Trimeter in der Umgebung von Chor- und Wechselgesängen von dem lyrischen Elemente wie von einem Magnet angezogen, und lange haben sich von dem ehemaligen lyrischen Vortrag des Dialoges Anklänge und Nachwirkungen in der Stichomythie und in dem symmetrischen Bau der Dialogpartien erhalten, ähnlich wie in der Kunst die Marmorcopien älterer Bronzestatuen noch lange die schärfer geschnittenen Linien und die schmächtigeren Körperformen der Originale bewahrten ^^). Aber doch wurde von vornherein der Trimeter in der Regel einfach gespochen: war er ja doch nach Aris-

26) Mit dieser Auffassung steht es in Einklang, wenn Euripides in den älteren StQckcn sich noch strenger an die Gesetze der Eurythmie im Bau des Dialoges und der Einzelreden ((W<r^if)

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toteles desshalb statt des Tetrameter eingeführt worden, weil er sich besser als jener zum Sprechen eignete. Insbesondere wurden die Jamben des Prologes, der eben vom Sprechen seinen Namen erhielt, stets und gleich vom Anfang her gesprochen. Wie hätte auch hier eine Begleitung durch die Flöte stattfinden können, da der Flötenbläser erst später mit dem Chor auf die Bühne zog? Es geht aber schon in fünf der sieben uns erhaltenen Tragödien des Aeschjlus ein jambischer Prolog voraus und blos in zweien, den Persern und den Schutzflehenden, beginnt das Stück mit dem von Anapästen begleiteten Einzug des Chors ^'^). Vom Prolog, der zuerst zum alten Singspiel als neues Element

gehalten, in den jüngsten Stücken aber sich fast ganz von der Strenge der alten Kunst eman- cipirt bat. Es hat diesen Gedanken besonders H. Hirzel in der gehaltreichen besonnenen Schrift, de Euripidis in componendis diverbiis arte, durchgeführt und schliesslich (p. 94) in dem Satz zusammengefasst : trimetrorum aequaliter disponendofum ars non eadem fuü in Omnibus Euripidis fahulis, sed tempore senuit et abolevit , . . quam quideni artem tamdiu observavit, quamdiu non recessit ab antiquiorum temporum diligentia et severitate; sed cum in aliis rebtut^ ut in metris, maiorein sibi licentiam condonare inciperet tragicae artis flore iam indinante, hanc quoque legem satis molestam labefactavit et labefactatam deposuit; quo factum ebt, ut quae ars et late diffusa et düigentissime elaborata est in antiquioribus fabuUs eiusdem in rccentioribus tenuia tantum vestigia exstent. Wenn aber derselbe Gelehrte jene Symmetrie des Gedankenausdruckes in den alteren Stücken des Euripides nicht als eine blosse Nachwirkung der ursprünglichen Vortragsweise ansieht, sondern nur aus der fortdauernden musikalischen Begleitung erklären zu können glaubt, so steht dieser Annahme vor allem die angezogene Stelle aus Xenophons Gastmahl c. 6 entgegen, die uns deutlieh belehrt, dass gegen Ende des 5. Jahrhunderts schon die Begleitung des Vortrages der Tetrameter durch die Töne eines Flötenspielers aus der Mode gekommen war. Denn wenn Bernhardy in seiner Griech, Literaturgeschichte II, 230 behauptet, Xenophon habe einen Vortrag ausserhalb der Bühne ge- meint, so vermisse ich für diese allzu zuversichtlich ausgesprochene Behauptung jeden Versuch einer Begründung. Die anfängliche Gewohnheit, die Tragödien wie Komödien zu singen und recitativisch vorzutragen, konnte aber auch nach veränderter Weise der Aufführung auf den symmetrischen Bau des Dialoges um so mehr noch nachwirken, als es an anderen Mitteln nicht gebrach, jene Symmetrie zum äusseren Ausdruck zu bringen. Der Wechsel der Personen, die Handbewegungen des Schauspielers, die Pausen im Vortrag, alles dieses konnte dazu dienen, die einzelnen Absätze und die Ebenmässigkeit der Composition zur Anschauung zu bringen, so dass das, was uns pedantisch und phantasielos scheint, den Eindruck gefalliger Schönheit hervorbrachte. 27) Nur die Perser und die Schutzflehenden des Aeschylns beginnen mit den Anapästen des Chors. Denn dass auch tler Rhesus des Euripides mit Anapästen anbebt, ist nur eine Folge der man- gelhaften Üeber lieferung, da der Verfasser der Hypothesis noch in seinem Exemplar den Prolog und zwar in doppelter Gestalt vorfand. Es stimmte aber der ruhige Ton der gesprochenen Trimeter des Prologs im Gegensatz zu der Aufregung der gesungenen Verse der Exodos gut zum natürlichen Gange der Handlung, die von der Ruhe einleitender Erzählung und allgemeiner Orientirung zur Gewitterschwüle der Leidenschaft und der Lösung des tragischen Conflictes

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hinzugefügt worden zu sein scheint^®), ging dann alsbald der Trimeter und mit ihm die nackte Declamation auf die Epeisodien über, so dass man im vierten Jahrhundert in der Tragödie fast nur eigentlichen Ge- sang und eigentliche Declamation zu hören gewohnt war und Xenophon in seinem Gastmahl von der Parakataloge dramatischer Partien in dem Tempus der Vergangenheit reden konnte.

Eine grössere Bedeutung erhielt der rhythmische, in der Modulation nicht viel über eine gute Declamation sich erhebende Vortrag, das Reci- tativ, im römischen Drama. Für die kunstvollen, verschlungenen Masse griechischer Chorgesänge hatte der römische Barbar so wenig Verständniss, wie für die auf ein feines Ohr berechneten Arien der entwickelten griechi- schen Musik. Hingegen liebte der Römer den Gesang und die Flötenmusik und war an diese Würze der Feste und Spiele durch seine alten saturae modis inipletae gewö^jnt. Dieser Vorliebe trugen auch die Fremdlinge und Freigelassenen, welche seit dem ersten punischen Krieg die Römer mit

überging. Es haben dessbalb die Dichter auch in späterer Zeit, als der Chor von der Bühne verschwanden war, die Gewohnheit den Prolog in Trimetern zu dichten, fast durchweg beibe« halten. Terenz hat in gar keinem Stück, Plautus nnr in wenigen, nämlich der Cistellaria, dem Epidicos, dem Persa and theilweise auch im Amphitruo eine Ausnahme von jener Regel sich erlaubt. Seneka hat nur in einer Tragödie, der Phädra, den jambischen Prolog weggelassen und das Stück gleich mit den Anapästen des vom Jagdgefolge begleiteten Hippolytus begonnen. Auf der anderen Seite wirft sich die Frage auf, wie denn in Stücken, in welchen dem Einzug des Cliors lyrische Partien (^«^'Aj? ic7i6 (rxijrrj^) vorausgehen, der Gesang begleitet worden sei. In den meisten Fällen erledigt sich diese Frage leicht; im Hippolytus des Euripides wird sich diese Frage leicht: im Hippolytus des Euripides wird sich im Jagdgefolgc des Helden irgend ein Pfeifer befunden haben; in der Elektra des Sophokles und in allen denjenigen Tra- gödien, in denen zwar die ersten lyrischen Perioden von einem Schauspieler gesungen wurden, der Chor aber zugleich mit dem Schauspieler in das Theater einzog, wird eben der Flötenspieler sein Spiel schon begonnen haben, noch ehe der Chor, dem er vorauszog, zum Worte kam. In anderen Stücken aber, ¥rie in dem Frieden des Aristophanes oder der Hekabe des Euripides moss man zur Annahme eines hinter der Scene postirten , oder doch schon vor dem Einzüge des Chors anwesenden Musikanten seine Zuflucht nehmen. Von dieser letzteren Art der musikalischen Begleitung galt der Ausdruck 6ittvXioy, den bei anderen Gelegenheiten die Schollen zu Arist. Ean. 1295 u. Av. 223 erwähnen, und mit dem sich auch die scenische Beischrift (nttQfntyQafpii) (aSij iySo&fy zu Eur. Cycl. 483 zusammenstellen lässt. 28) Aus der gegebenen Darlegung erhellt, von welcher Bedeutung in der Entwicklung des Dramas die Hinzufügung des Prologs gewesen sei. Ich kann es daher keineswegs billigen, wenn an ier bekannten Stelle der Poetik des Aristoteles c. 5 „ri^ 6e nQoaützta aniStox^y ij n^okoyovg ri 7tXij&fi vTtoxQiTüiy xfci öaa zoiavxa^ ^yyoijrai*^ G. Hermann nQoikoyovg in "koyovs geändert bat. Bedarf wirklich die handschriftliche Ueberlieferung einer Besserung, so genügt es den Singular nQoXoyoy statt des Ploral n{»6k6yovg herzustellen.

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Nachbildungen giechischer Dramen bekannt machten, Rechnung, indem sie nicht blos viele Scenen, welche in den griechischen Originalen in jambischen Trimetern geschrieben waren, in leichter singbare Tetra- meter umsetzten, sondern auch neue, grösstentheils an dem Mangel der poetischen Diction unschwer erkennbare Cantica hinzudichteten.

Eine neue Wendung nahm der Vortrag von Tragödien in der Kaiserzeit, speciell unter Nero. Ganze Tragödien zu hören fand man zu langweilig, dagegen lauschte man mit gespannter Aufmerksamkeit dem Vortrag einiger pathetischer, hochtragischer Stellen. Zu diesem Solovortrag wählte man zumeist, was ja in der Natur der Sache lag, lyrische Partien aus und legte nun ein Hauptgewicht auf den kunst- vollen Gesang. Dabei war es natürlich, dass auch einleitende Trimeter, welche des Verständnisses wegen von der Monodie nicht losgerissen werden konnten, nicht schlechthin gesprochen, sondern mit einiger Mo- dulation halbwegs gesungen wurden.

Wenn, ich mit Freunden und Musikkennern von der Parakataloge „^"'^*"''^!

o Bedentang der

der Alten sprach, ward mir oft die Frage hingeworfen, für was denn parakauioge. die Begleitung überhaupt gut gewesen sei, ob denn die griechischen und römischen Schauspieler so wenig Sinn für Rhythmus gehabt hätten, dass sie einen Vers ohne begleitendes Flötenspiel nicht richtig hätten percutiren können. Daher will ich im Anhang auch noch diese keines- wegs unwichtige Frage zur Besprechung und so weit möglich zur Lö- sung bringen.

Die grösste praktische Bedeutung also hatte die musikalische Be- gleitung, wenn Verse nicht von einem einzelnen, sondern von einer Gesammtheit gesprochen wurden. Dass die verschiedenen Stimmen zu gleicher Zeit einsetzten, sich beim Fortschreiten nicht gegenseitig störten, und an den grösseren wie kleineren Ruhepunkten alle gleichlang pau- sirten, das konnte nimmer durch den Versrhythmus und die Angabe der leeren Zeiten allein, sondern nur durch das gleichzeitige Spiel eines musikalischen Instrumentes erreicht werden. Mein verehrter, jetzt längst im Elysium weilender Lehrer Kreizner hatte die gute Gewohnheit uns die auswendig gelernten Oden des Horaz gemeinsam aufsagen zu lassen. Es prägte sich dadurch einem jeden von uns der Rhythmus der Verse fest und sicher ein; aber trotz der Taktschläge des Rektors

Abb. d. I. Cl. d. k. Ak. d. Wiss. XIII.Bd. IIL Abth. 27

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drohte manchmal der Concentus sich in ein bedenkliches Durcheinander aufzulösen; der Einklang wäre sicher besser gewahrt worden, wenn ans eine Flöte in der Einhaltung des Rhythmus und dem Herauskehren der Hebungen und Senkungen unterstützt hätte. Inwieweit freilich auf der griechischen Bühne Verse von der Gesammtheit des Chors oder doch einer Abtheilung desselben vorgetragen wurden, ist eine sehr verwickelte, kaum mit einiger Sicherheit zu entscheidende Frage. Denn wenn auch Heimsöth mit seiner Schrift, vom Vortrag des Chors in den griechischen Dramen, gewiss nur wenige zu seiner paradoxen Meinung, dass die ge- sprochenen wie gesungenen Worte in gleicher Weise dem Gesammtchor zuzuweisen seien, bekehrt hat, so ist es doch auf der anderen Seite nicht immer leicht zu bestimmen, wo der Gesang aufhörte und der blos rhythmische Vortrag begann, und haben es die Forschungen von G. Hermann, L. Bamberger und R. Arnoldt^^) wahrscheinlich gemacht, dass auch in den zum Gesang und zur gehobenen Recitation bestimmten Partien vielfach statt des Gesammtchors der denselben vertretende Ob-

29) Es würde zu weit ftlhren, wenn ich die Frage, inwieweit an die Stelle des Gesammtchors in dem antiken Drama eine einzelne Ahtheilung desselhcn oder ein einzelner Chorente getreten sei, einer eingehenden Untersuchung unterziehen wollte. Es möge daher genügen den Stand der Frage in Kürze zu erörtern.

In den Handschriften werden die Verse, welche nicht von Personen der Bühne gesprochen werden sollten, durch die üeherschrift XOPOY einfach dem Chore zngeschriehen ; nur hie und da findet sich ausserdem die speciellere Üeherschrift UMIXOPIOY. Auch die alten Grammatiker hliehen in der Regel hei diesen unhestimmten Andeutungen stehen; nur der Lexikograph PoUux IV, 109 spricht auch von einem Einzelauftreten der Choreuten in der Parodos „£ff** ÖTf xiu x«^' eya inoiovyto r^y TiäQoSoy**^ und noch hestimmter drückt sich der Scholiast zu den Siehen gegen Thehen v. 97 aus, indem er die Worte dxover\ tj ovx dxovfte x, r. X. von einzelnen Oboreuten zu einzelnen sprechen lässt; vgl. bchol. Aesch. Eum. 140. Ein grosser Werth kann aher weder den handschriftlichen Aufschriften noch den Bemerkungen der Gram- matiker heigelcgt werden, da in den ältesten Ahschriften der Tragödien und Komödien über- haupt jede Bezeichnung der sprechenden Personen gefehlt zu hahen scheint, und die Fassung des Scholions zu Arist. Ran. 375 „dyttvO-ey ^AqlatnQxog vn^rorim fj,^ öXov rov /o(>or flyai ta yr^^wr«**, sowie die vielfachen Irrthümer in der Annahme von Halhchören (s. Arnoldt, Die Chorpartien bei Aristophanes S. 181) ganz deutlich zeigen, dass die Grammatiker in ihren Aufstellungen sich nicht auf eine ältere Ueberlieferung, auch nicht auf die Praxis der Bühne, sondern ledig- lich nur auf die im Texte selbst enthaltenen Andeutungen stützten. Unter den neueren Philo- logen brachte zuerst Tyrrwhitt unsere Frage in Fluss, indem er im Commentar zur Poetik des Aristoteles S. 153 die Sätze aufstellte : totus chorus numquam, opinor, nisi cantu loquebatuff und in meris sermonibus coryphaetis twuii pro aociis verba faciebat. Einen weiteren Gesichtspunkt eröffnete dann die glänzende Beobachtung G. Hermanns, dass im Agamemnon des Aeschjlus

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mann (xo()V(falog) oder einzelne Personen des Chors eingetreten sind« Aber mögen immerhin ausor den jambischen Trimetern auch die meisten Tetrameter und Hypermeter (ovaxriuaTa ofjLoiioy) einzelne Choreuten yorgeti*agen haben, so wird doch schwerlich jemand die Meinung durchzufechten vermögen, dass der Vortrag von Tetrametern und Systemen gar nie dem Gesammtchor zugefallen sei.

Aber auch bei der Recitation von Versen, welche statt des Gesammt- chors der Koryphaios oder sonst ein einzelner Choreute übernahm, war die Instrumentalbegleitung nicht zweck- und nutzlos« Die meisten Tetrameter und Systeme finden sich jiämlich in der Parodos oder in solchen Partien, bei denen der Chor eine Schwenkung zu machen oder irgend eine orchestische Bewegung auszuführen hatte; hier nun trug die Flötenbegleitung wesentlich dazu bei, dass die Choreuten beim Marsch oder Tanz den Takt pünktlich einhielten und die Reihen des Chors nicht in Unordnung kamen. Denn durch die blosse rhythmische Recitation der Verse von Seiten des Koryphaios wäre die taktgerechte

Y. 1348—71 die eiozelnen Greise des Chores hintereinander sprachen. Von da wandten dann die £rklärer der Dramatiker, voran G. Hermann, der Untersuchang, in welchen Gattungen der metrischen Composition nnd in welchen Theilen des Dramas vorz&glich Einzelgesang anzunehmen sei, eine besondere Aufmerksamkeit zu. Ausserdem ist der Gegenstand in zwei Specialschriften behandelt und in helleres Licht gesetzt worden, von Bamberger, de carminibus Aeschyleis a partibus chori cantatis, Marb. 1832, und Amoldt, die Chorpartien bei Aristophanes, Leipz. 1873. Hingegen verfocht Heimsöth in der zwar mit Scharfsinn und Gelehrsamkeit, aber mit capricirter Verkehrtheit des ürtheils geschriebenen Abhandlung, Vom Vortrage des Chors in den griechischen Dramen, Bonn 1841, die wundeiiiche Meinung, dasa nicht blos in den Einzugsliedem , sondern auch in dem Dialog immer der ganze Chor geq>rochen habe, dass also z. 6. in den Acharnern auf die Frage des einen Dikaiopolis die Antwort aus 24 Kehlen zugleich gefolgt sei. Es gibt in allen Wissensgebieten Fragen, in denen man den gesunden Menchenverstand gegen die aus- geheckten Sätze der Gelehrsamkeit anrufen muss. Eine solche ist die unsere, insoweit sie das Zwiegespräch einer Person der Bühne mit dem Chor betrifft; dass hier nicht der Gesammt- chor, sondern nur der Koryphaios als Vertreter desselben gesprochen habe, darüber verlohnt es sich nicht weitere Worte zu verlieren. Eher konnte schon in dem Wechselgesang zwischen Chor und Schauspieler der ganze Chor eintreten, da ja auch seit alter Zeit der vorauszichende Vorsänger (praecentor, praesul) und der nachfolgende Chor sich im Wechsolgesang einander antworteten. Schwer aber ist es im Einzelnen zu unterscheiden, ob und auf welche Weise die einzelnen Choreuten oder die einzelnen Züge des Chors sich in den Vortrag der Chorpartien, namentlich in der Parodos und Ezodos theilten. Darüber lassen sich wohl, wie Amoldt gethan, allgemeine Gesichtspunkte aufstellen, aber selbst wenn man deren Bichtigkeit zugibt, hängt doch noch die Zulässigkeit ihrer Anwendung immer wieder von einer sorgsamen Prüfung der einzelnen Stellen ab.

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Bewegung des Gesammtchors gewiss nicht so sicher erreicht worden, als durch die den Takt weit schärfer markirenden, die Beine gewisser Massen elektrisirenden Töne der Flöte.

Aber nicht blos da, wo eine ganze Truppe sprach oder das Sprechen anderer mit orchestischen Bewegungen begleitete, unterstätzte und er- leichterte das Accompagnement dier Flöte die Präcision der Ausführung, auch in den Monologen und Zwiegesprächen, welche in wechselnden Versmassen gedichtet waren, leistete die begleitende Flöte wesentliche Dienste. Ich habe dabei vornehmlich die lateinischen Komödien im Auge, in denen oft der jambische Rhythmus in den trochäischen um- schlägt und nicht selten zwischen achtfüssigen Langversen kurze Tetra- podien eingelegt sind. Jambische Trimeter oder fortlaufende trochäische Tetrameter zwar muss ein gut geschulter Philologe auch ohne die von Bentley und den nachfolgenden Herausgebern beigesetzten Icten sicher und anstandslos zu lesen verstehen, aber in Sangpartien mit wechselndem Rhythmus würde leicht, fürchte ich, auch der geübteste Metriker straucheln, wenn ihn nicht die den Ictus bezeichnenden Accente auf den richtigen Weg führten. Wenn z. B. im Mercator des Plautus auf mehrere jambische Tetrameter der Vers folgt

currenti, properanti hau quisquam dignum habet decedere, so würde gewiss jeder ohne die Beihilfe darüber gesetzter Accente den- selben gleichfalls jambisch zu recitiren beginnen, bis er erst im vierten Fuss Anstoss finden und daraus den trochäischen Rhythmus des Verses erkennen würde. Nachträglich würde er dann auch einsehen, wie passend der Dichter gerade bei dem Worte currenti vom jambischen Rhythmus zu dem vom Laufen benannten trochäischen übergegangen sei. Aber die aus der Reflexion gewonnene Erkenntniss käme, wie gewöhnlich, zu spät, und würde nur zur Verbesserung, nicht auch zur Vermeidung des Fehlers führen. Um von vornherein uns vor einem Fehler in der Recitation zu schützen, dazu dient der metrische Accent auf der ersten Silbe von currenti. Denselben Dienst aber, den unserem Auge die Accente leisten^ leisteten dem Ohr des römischen Schauspielers die Töne der begleitenden Flöte; aus ihnen erkannte er sofort, ob er bei dem aufsteigenden Rhythmus bleiben oder zu dem fallenden über- gehen sollte. Wie nützlich, ja nothwendig aber eine solche Andeutung

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war, mag man aus dem Streit abnehmen, der heutzutage zwischen den gewiegtesten Kennern über den Rhythmus einzelner Verse, ja ganzer Scenen des Plautus geführt wird. Gewiss würde auch ein alter Römer, wenn er aus dem blossen Text hätte entscheiden sollen, ob die 1. Scene im 4. Act des Trinummus anapästischen oder trochäischen Rhythmus habe, um die Antwort verlegen gewesen sein. Der Text allein hätte auch den römischen Schauspieler vor ähnlichen Zweifeln, wie sie in unserer Zeit aufgeworfen wurden, nicht geschützt ; aber der erste Ton der begleitenden Flöte sagte ihm unzweideutig, ob er mit Anapästen den Ton des feierlichen Einzugsliedes anstimmen oder unter raschen Trochäen seinen Schritt bis zum halben Laufen beschleunigen sollte.

Auch über die so oft angeregten und mit Hilfe der Handschriften nur selten zuverlässig zu entscheidende Frage, ob zwei Dimeter zu einem akatalektischen Tetrameter zu vereinigen, oder getrennt in zwei Verse zu schreiben seien, half die begleitende Flötenmusik mit Sicher- heit weg. In dem Persa z. B. v. 175 ff.

potin üt taceas? potin ne moneas? menmii et scio et calleo et cömmemini, amas pol misera: id tuus scdtet animus : ego istüc pelagus tibi sit faciam,

wo der Mailänder Palimpsest 4 Dimeter, der Vetus zwei Tetrameter hat, spricht zwar schon die starke Interpunktion am Schlüsse jedes vierten Anapäst für die Verstheilung des Palimpsest, aber auf der römischen Bühne bedurfte der Schauspieler des Umwegs der Reflexion nicht, da ihm der Flötenspieler durch die Modulation und die grössere oder geringere Pause nach jedem vierten Fuss nicht verkennbare Winke an die Hand gab.

Aber nur ein Theil der Cantica oder der parakatalogischen Partien Die zusammen-

fassung

des Dramas wurde von einer Gesammtheit von Cantores vorgetragen, mehrerer Yerie oder war in wechselnden Versmassen verfasst. Eine grosse Anzahl von begleitende Scenen des Plautus und Terenz, welche ausdrücklich in den Hand- schriften als Cantica bezeichnet sind, oder nach der Analogie ähnlicher Scenen als solche anerkannt werden müssen, haben von Anfang bis zu Ende den gleichen Rhythmus und bestehen aus lauter

Mniik.

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gleichen Versen, theils trochäischen, theils jambischen Septenaren und Oktonaren ^^).

Was hat denn hier, höre ich fragen, die begleitende Flötenmusik bewirkt, und wie liess sich überhaupt bei zwölf- und mehrmaliger Wiederholung desselben Verses eine auch nur leidlich erträgliche Melodie componiren? Auf die erste Frage habe ich keine andere Antwort, als dass in derartigen Scenen höchstens beim ersten Vera das begleitende Instrument den Schauspieler im rhythmischen Vortrag unterstützte, . das8 im übrigen aber die musikalische Begleitung sich aus älterer Zeit auf

30) Unter den verschiedenen Arten von Tetrametern kommt auch bei Plautas nnd Terenz am häufigsten der katalektische trochäische Tetrameter vor, welcher schon bei den Griechen so ge- bräuchlich war, dass sie ihn schlechthin tiXQdfxitQoy nannten, ohne ihn durch einen weiteren Zusatz vom jambischen, anapästischen oder kretischen Tetrameter zu unterscheiden. Ausserdem begegnet nicht selten bei den römischen Komikern und Tragikern der katalektische jambische Tetrameter, der gewisser Massen die Stelle des bei den Griechen so beliebten, von den LateiBem aber nur selten und von Terenz gar nicht gebrauchten anapästischen Tetrameters vertrat. Diese Stelle konnte aber derselbe bei den Lateinern um so eher vertreten, als er nicht bloss den gleichen Ausgang mit dem anapästischen Tetrameter gemein hatte, sondern demselben auch im übrigen in Folge der freieren Behandlung des jambischen Fusses sehr nahe kam. Die katalektischen Formen des trochäischen, jambischen und anapästischen Tetra- meters empfahlen sich alle zur stichischen Aufeinanderfolge eben durch die Eatalexis, durch die für die Pause am Schlüsse des Verses ein gemessener Werth innerhalb des rhythmischen Gefüges geschaffen wurde. Da aber die alten Verskunstler es nicht für unbedingt nöthig er^ achteten, die Grösse der den Versschluss begleitenden Pause durch einen emmetrischen Werth zu bestuumen, so gebrauchten Plautus und Terenz auch die akatalektischen Formen jener Verse, und zwar wurde insbesondere mehrmals von Plautus wie auch von Terenz der jambische Oktonar mit seinem energischen Schluss durch eine ganze Scene hindurch angewandt, wie im Amphi- truo V. 180—218 und Hautontimorumenos v. 181—241. Eben so wie den jambischen Oktonar hat Plautus auch den trochäischen gebraucht. Denn wenn es auch zweifelhaft bleibt, ob, wie Ritschi und Fleckeisen angenommen haben, die ganze Anfangsscene im vierten Act des Tri- nummus in trocbäischen Oktonaren gedichtet ist, so findet sich doch öfters eine grössere Anzahl von unweifelhaft trochäischen Oktonaren hintereinander, wie im Curculio v. 138—146 und im Rudens v. 220-9. 920-37. 956-62. Anders steht die Sache bei Terenz, der in der Regel nur einen oder zwei, seltener drei trochäische Oktonare eipem katalektischen Tetrameter oder Dimeter (s. Andr. 155. 245. Haut. 175. 562. 567. Ad. 155. 165. 517, 617. Eun. 207. 216. 304. 558. 643. Phorm. 152. 156. 187. Hec. 516. 520. 526) vorausschickt und nur einige wenige Mal eine grössere Zahl von Oktonaren (5 in Phorm. 465—9. 730—9, 8 in Eon. 739—47) aufeinanderfolgen lässt. Die Stellen der ersten Art nämlich dürfen nicht zu den TtoiTjfittja xßta tJTixoy im engeren Sinne zählen, sondems chliessen sich noch eng an die crworif- fiatit il 6fAoiitiv der griechischen Dramatiker an, indem nur je zwei Dimeter in der Art zu einem Scheinvers zusammengefasst sind, dass am Schlüsse des zweiten ein etwas grösserer, den Fortgang des Rhythmus jedoch nicht störender Ruhepunkt zugelassen ist.

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spätere, wenngleich verschiedene Verhältnisse vererbt hat. Ehemals waren nämlich sonder Zweifel alle Tetrameter nicht parakatalogisch vorgetragen, sondern förmlich gesungen worden; in späterer Zeit er- schien also das Melos der Flöte nur als ein Rest der ehemals von dem Instrument und der menschlichen Stimme ausgeführten Melodie. Was aber den zweiten Punkt anbelangt, so sind wir nach dem Verluste der alten Melodienbücher lediglich auf Vermuthimgen angewiesen, die jedoch in der Gestalt der Texte einigen Anhalt haben.

Es ist vor allem nicht zu leugnen, dass wenn zu jedem Vers die Flöte dieselbe Melodie geblasen hätte, diese Eintönigkeit die Leute förmlich zum Theater hinausgetrieben hätte. Etwas, aber nicht viel, wäre an jener unerträglichen Monotonie geändert worden, wenn sich die Melodie in jedem Vers den rhetorischen Verhältnissen und den ver- schiedenen Satzaccenten anbequemt hätte; denn es wäre alsdann doch die eintönige Gleichheit der Grösse der einzelnen musikalischen Sätze geblieben, die zumal bei einer Beschränkung auf Achtels- und Viertels- noten eine auch nur einiger Massen befriedigende Variation der Melodie nicht zugelassen hätte. Aber die Sache gestaltete sich sofort anders, wenn der Componist die musikalische Periode theils auf die Grenze eines einzigen Verses beschränken, theils auf anderthalb, zwei und meh- rere Verse ausdehnen durfte. Dass er dieses aber durfte oder vielmehr wirklich that, dafür liefern uns die Texte selbst genügende Anhalts- punkte.

Vor allem boten zu einer solchen Abwechslung diejenigen Stellen die Hand, an welchen die aufeinander folgenden Verse akatalektisch gebaut waren. Denn nichts hinderte an denselben den Componisten, den Schlusston der musikalischen Periode erst am Ende des zweiten oder dritten Verses eintreten zu lassen, zumal wenn der erste Vers von dem zweiten durch keinen einschneidenden Sinnabschnitt geschieden war.. Es ist desshalb gewiss kein Zufall, wenn akatalektische Tetrameter zu- meist in solchen Scenen vorkommen, welche sich durch die eingestreuten lyrischen Masse und den häufigen Wechsel des Rhythmus von vornherein als eigentliche Cantica kundgeben. Noch mehr aber wies der Dichter selbst den Componisten auf die angedeutete Variation der musikalischen Sätze hin, wenn er auf einen oder zwei akatalektische Tetrameter einen

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abschliessenden Septenar, oder auf einen oder mehrere, sei es akatalek- tische, sei es katalektische Tetrameter eine kurze Clausula folgen Hess. Beispiele dieser Art der Versification finden sich überall bei Plautus und Terenz, und ich greife nur zur Beleuchtung der Sache ein und das andere heraus. In der Andria des Terenz v. 17C 8 sind dem Davus folgende vier Verse in den Mund gelegt:

mirdbar hoc si sie ahiret: et eri semper lenitas

verehar quorsum evdderet:

qui pöstquam audierat nön datum iri filio uxorem suo,

nümquam cuiquam nöstrum verbum fecit neque id aegre tulit.

Hier ist vor allem klar, dass der Componist, worauf schon die gute Declamation führt, die erste musikalische Periode nicht mit lenitas schloss, sondern bis zum Ende des abschliessenden Dimeter ausdehnte; aber auch die beiden folgenden Verse konnte er sehr passend und dem Sinn entsprechend zu einer Periode vereinigen, womit er zugleich den Vortheil erreichte, den Viertels- und Achtelsnoten eine die Variation der Melodie wesentlich erhöhende Anderthalbviertelsnote bei der zweiten Sylbe von suo hinzufügen zu können.

In den Brüdern des Terenz v. 165 f. liegen in den Handschriften folgende zwei Verse nach vorausgehendem trochäischen Septenar vor:

7wvi ego vestra haec: j^nöUem factum; iüsurandum dähitur te esse indignum iniiiria hdc^% indignis cum egomet sim acceptüs modis.

Der überlieferte Text erregt Anstoss, weil man nach ihm zur Her- stellung des Rhythmus die erste Sylbe von indignum noch zum voraus- gehenden Vers ziehen und somit eine ungewöhnliche Vertheilung der Theile eines Compositums auf zwei Verse annehmen müsste. Desshalb hat 6, Hermann, Elem. doctr. metr. p 174 die Umstellung te indignum esse vorgeschlagen, Fleckeisen dabitur ius iurandum indignum te esse ge- schrieben, Umpfenbach die zwei Verse auf drei Zeilen folgender Massen vertheilt :

növi ego vestra haec: „nöllem factum.

iüs iurandum dabitur te esse indignum iniuria häc^^, indignis

cum egomet sim acceptüs modis.

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Mit der Umstellung Hermanns wird so gut wie nichts geholfen, da ja auch sie den versus hypermeter belässt; Fleckeisens Aenderung verstösst gegen den rhetorischen Accent, der auf iusiurandum nicht auf ddbitur den Hauptnachdruck zu legen befiehlt; bedenklich auch ist die Aushilfe Umpfenbachs, da sie einen Halbvers schafft, der weder die Stellung eines Prodikon oder Epodikon, noch eines selbstständigen Verses einzunehmen geeignet ist^^). Wir erklären uns desshalb gegen jede Aenderung und erkennen in der continuatio numeri einen Finger- zeig für die Zusammenfassung beider Verse zu einer musikalischen Periode.

Aehnlich verhält es sich mit der Stelle im Hautontimorumenos V. 574 f.:

ego de me fado cöniecturam : nSmost meorum amicorum hodie apüt qt4€m expromere ömnia mea occulta, CUtipho^ aüdeam. Denn auch hier erscheint die Elision des schliessenden Vocals von hodie weniger anstössig, sobald man die beiden Verse zu einem in der beglei- tenden Musik noch deutlicher ausgedrückten System verbunden sein lässt. Keineswegs aber kann ich den Versuch der neueren Herausgeber bil- ligen, welche durch Streichung von ego den versus hypermeter be- seitigen :

de me facio cöniecturam-. nemost meorum amicorum hodie, apüt quem expromere ömnia mea occtUta^ Clitipho^ aüdeam. Denn mit dem Beginn eines neuen Gedankens wird passend vom trochäischen Rhythmus zum jambischen übergegangen; mitten im Satze aber durfte der Rhythmus um so weniger geändert werden, als weder in dem Sinn, noch in dem Wortausdruck irgend ein Anlass zum Um- schlag des Rhythmus gegeben war. Wollte man aber annehmen , dass das Flötenspiel jenen Uebergang auch mitten in einem Satze leicht habe

31) Die Halbverse können nämlich eine doppelte Stellung haben, entweder sind sie selbststandig und haben die Bedeutung einer ne^iodog fioyoxufXo^, oder sie sind unselbständig und bilden blos einen Theil einer grösseren Periode. Eine selbststandige Stellung werden wir nur den- jenigen Halbversen einräumen, welche einen in sich abgeschlossenen Gedanken enthalten, oder mit anderen Worten, vor und nach denen eine grössere Interpunction steht^ wie in Andr. 240. Haut. 178. Phorm. 183. 191. Gehörte der Halbvers oder die Clausula zu einem grosseren Granzen, so konnte er entweder als Proodikon längeren Versen vorausgehen, wie in Andr. 252. Amphit. 1072, oder als Epodikon nachfolgen, wie in Eun. 208. 212. 214. Andr. 243. 245. Ad. 816. 523, oder als Mesodikon zwischen längeren Versen stehen, wie in Andy. 522.

Abh. d. L Gl. d. k. Ak. d. Wiss. XUI. Bd. IIL Abth. 28

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vermitteln können, so müsste man annehmen, dass der sprechende Schauspieler eine Pause von 5 Moren

119 9

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gemacht habe, was offenbar viel zu sehr den Relativsatz von seinem Hauptsatz losgerissen hätte.

Um schliesslich auch noch ein Beispiel aus Plautus zu geben , so verweise ich auf den Persa v. 36 ff.:

üt mihi des numnios sescentoSj quos pro capite illitis pmdam, quos contintco tibi reponam hoc triduo aut quatriduo, age fi benignus^ sübveni. Die ausgeschriebenen Worte spricht ein Schauspieler, Toxilas; damit aber auch die Rede nicht zwei- oder mehrfach getheilt sei, son- dern als ein Ganzes erscheine, so hat der Dichter nach dem Vorbild seiner griechischen Meister (vgl. Arist. Ritter v. 299 302. 375 81. 911 8) die beiden ersten Verse ohne rhythmische Unterbrechung zu einer Periode oder einem avaTrjiaa i^ oiuoicoy zusammengefügt, dieser grossen aus 8 Doppelfüssen bestehenden Periode aber dann noch ein kurzes Scblusskolon nachgeschickt, dessen zwei erste Kürzen ganz im Einklang mit der beschleunigten Aussprache durch zwei Sechszehntel- noten in der Musik wiedergegeben werden mussten, damit die durch die Pause nach quatriduo verlorene Zeit noch in demselben Takte wieder eingebracht werden konnte. Diese Art der Composition, auf eine lange schon abgeschlossene Periode noch ein kleines Schlusskolon gleichsam zum vollständigen Abschiuss folgen zu lassen,' findet sich aber auch häufig im Griechischen, wie ich an zahlreichen Stellen meiner Metrik nachgewiesen habe. Ueberhaupt aber werden die Cantica der römischen Komiker weit mehr Aehnlichkeit mit den griechischen zu haben scheineUi wenn man sie auf die von mir eben angedeutete Weise zergliedert.

Noch auf eine andere Weise, durch den Nachweis respondirender Gruppen in den scheinbar stichisch componirten Gesangspartien, lässt sich die Zusammenfassung mehrerer Verse zu einer musikalischen Pe- riode erweisen. Es kommen dabei weniger die römischen Komiker in Betracht, da die Melodien ihrer Cantica in der That meistens modi mutati in der Weise des jüngeren Dithyrambus und der Monodien des

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Euripides gewesen zu sein scheinen ^^). Um so reichere Ausbeute bieten aber für diesen Theil unserer Untersuchung die attischen Komödien des Aristophanes.

Bekanntlich kennt Hephästion ausser den noirifiaTa xara arlxor und den nonj/uara avarijfiarixd auch noch noirnjiaxa xoird; er versteht darunter solche, welche scheinbar xarä arixor componirt sind, da sich

32) Ich sage absichtlich weniger nnd empfehle den Freunden der strophischen Composition Phtatas und Terenz als ein neues Feld ihrer Forschung. Ganz und gar lässt sich nämlich den römischen Komikern die strophische Composition nicht absprechen. Mich wenigstens hat Ritschi über- zeugt, wenn er in den Menachmen V, 6 drei bacchische Distichen herstellt, von denen jedes aus einem akatalektischen und einem katalektischen Tetrameter besteht. Ebenso hübsch hat A. Spengel, Plautus 165, im Epidicus I, 1, 88 £E!. fünf gleiche Distichen hergestellt, welche aus einem proodischen kretischen Dimeter und einem trochaischen Septenar bestehen. Auch bereue ich nicht meinen eigenen in den Sitzungsberichten unserer Akademie a. 1871, S. 44 gemachten Torschlag in der Mostellaria 858 ff. zwei gleiche anapästische Systeme anzunehmen. Einige Male gibt uns auch die Interpunction einen guten Fingerzeig an die Hand, grössere Gruppen Ton Tetrametern in gleiche Unterabtheilungen zu zerfallen. So zerlegen sich die 8 trochaischen Tetraroeter der Schlussscene der CaptiTi in 2 Strophen von je 4 Versen; ebenso einfach lassen sich nach der Interpunction die aus 6 Tetrametern bestehenden Schlussscenen der Asinaria und und Cistellaria in 8 gleiche Distichen gliedern.

Bemerkenswerth ist dabei, daas diese Anzeichen von strophischer Gliederung der Tetra- meter sich sämmtlich in der Schlussscene finden. Denn ein gleiches Verhältniss lässt sich auch in der Ezodos griechischer Dramen nachweisen, wofür ich als interessantesten Beleg den Schlnss des Königs Oedipus hersetze:

KP, «A/f Tf* dgijxftg SaxQvtuy, aXX' i&i ariyrjg iaut,

Ol. nsiarior, xei firiSky ifSv, KP. narra yuQ xaiQw xcfAa.

OL ola&^ i<f* ols oi/y fif^i; KP. Xc^Cff, xai tot* ftaofjiai xXvtay,

OL yns fi* öniüg nifjixffiis ay^axor» KP. tov &€ov fjC aitiig 66(ity, OL ttXXu ■S'foig y* l/^iffTOf ijxui. KP. toiya^ovy tcv^ei *"*^/**« OL (pi^ tä6^ ody; KP. a fjitj <pQoytu yuQ ov ^lAoi Xiy€$y (Mattir»

OL anayi rvy fi ivt^vd-fy v[6n, KP, atiij^i yvy, tixytoy 6^ d^ov. OL firiSafitSg tavtag y* iX^ fiov. KP. näyta fiij ßovXov XQutety. xai ydg ttX(tättiottf, ov üoi tt^ ßit^ ^vyiantto,

XO, (3 n dt gas Ofjßiig iyotxot^ Xfvüoft^, OiSinovg o6e, OS td xXiiy* airlyfiat^ pVi; xai XQdtiatog ^y dyiJQ, [octig ov ifiXt^ noXitöiy xai tvj^aig €7rtfiXin<oy] f<V otroy xXvStoya S^iyijg avfxfpogds iXijXv3'€y'

&<n€ ^ytitoy Svt*, ix^lyr^y nj^ tikkvtaiay iSfly i^fjLBQay enMXonovyta, f^tidiy^ 6Xß((Biy, ngiy ay ti^fia tov ßlov ne^dfffi, fiiiSky dXyetyoy nad'tay.

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in ihnen derselbe Vers ohne Abwechslung wiederholt, in der That aber aus Systemen oder Strophen bestehen, weil in ihnen immer eine gleiche Anzahl von Versen zu einem Ganzen verbunden ist. Beispielshalber verweist der Metriker p. 60 W. auf die Gedichte der Sappho im 2. und 3. Buch, deren einzelne Strophen aus je zwei gleichen Versen bestunden. Leider hat er kein Lied vollständig ausgeschrieben, dafür können wir aber, nachdem uns Meineke und Lachmann die Augen geöffnet, dieselbe Erscheinung an Horaz wahrnehmen, der regelmässig je 4 asclepiadeische Verse zu einer Strophe vereinigt hat. Zur Erkenntniss dieses Sach- verhältnisses sind unsere beiden Führer durch die Beobachtung ge- kommen, dass sich die Verszahl sämmtlicher, aus gleichen Versen be- stehenden Oden des Horaz mit 2 und, die interpolirte Ode an Censorinus (IV, 8) abgereohnet, mit 4 theilen lässt. Wie nun, wenn wir ganz gleiche Verhältnisse an den Tetrametern des Aristophanes nachweisen können? sind wir dann nicht zu der gleichen Schlussfolge berechtigt? Sicherlich; der Nachweis selbst aber soll sofort geliefert werden.

Die Aufforderung zum Gesang oder zur Ausführung einer Handlung pflegt der Chorführer ganz gewöhnlich in zwei meist anapästischen Tetrametern auszusprechen, so in den Acharnern 626, in den Rittern 333. 761, in den Wolken 959. 1034. 1351, in den Wespen 346. 379. 546. 648, in den Vögeln 352. 460. 637, in der Lysistrate 484. 539.

Die Zerlegung dieser Exodos in tristichische Gmppen ist durch den Sinn und theil- weise aach durch die Setzung stark betonter Wörter» wie Ttdvia, /ÄtiSiya, an respondirenden Stellen klar angedeutet. Der strophischen Responsion widerspricht nur die Schlussrede des Chors; aber hier habe ich um so weniger Anstand genommen den dritten auch aus andern Gründen yerdächtigen und verdächtigten Vers auszuwerfen, als uns auch in der offenbar nach- geahmten Schlusstelle der Phönissen 1758—63:

<J TtdtQtts xk&iyrig rtoTIrai, XfvtTtm*, OiS/novf o^f,

oc xXfiy^ airiyfdaz^ iyytoy xai fdiyiffrog ^y ayi^g,

of fioyog S(piyy6g xecria/oy rjc fnattpoyov XQuTtjf

yty ati(Aog avtog oixxQog t^t-XavyOfiai x^oydf,

aXXtt ydg xi ravta ^Qt^yä» xcu (jidxriy oSvgofiai;

T«f yuQ ix ^eojy uyayxag ^yTjzoy oyta dtf fpiqfiy. nur sechs nicht sieben Tetrameter vorliegen.

Auch die Anapäste der Exodos lassen sich ohne Schwierigkeit in respondircnde Gruppen bringen in dem Pbiloktet des Sophokles v 1452 79; denn auf einen einleitenden Proodns folgen dort 2x8 Dimeter, von welchen Gruppen jede wieder in eine Unterabtheilung von 3 und 5 Versen zerfallt.

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549, in den Thesmophoriazusen 531, in den Fröschen 1004, in den Ecclesiazusen 581, im Plutus 487^^). Die Verse gleichen sich überdiess darin, dass sie fast regelmässig durch die Partikel dlka eingeleitet werden, wie in den Fröschen 1004 f.:

dlX\ (i TiQüixog rdjy "^Elh^viDy Tiv^ivaag ^rjfiara as/uva xal xoa/LtTjaag zQayi)(6y XfJQor^ S^a^^div ror XQOVVoy dcpisi. Woher nun diese Uebereinstimmung in der Zweizahl und in der Conformation der Sätze? Mit der blossen Bemerkung „formelhaft" ist uns zur Erkenntniss der Sache wenig gedient; der Grund muss tiefer liegen und greifbarerer Natur sein; ein solcher ist aber die gleiche Melodie, mit der solche Verse gesungen oder doch begleitet wurden ^^). Jene zwei Verse werden also in ähnlicher Weise wie bei Sappho eine einzige Periode gebildet haben, die wir blos desshalb Strophe zu nennen Anstand nehmen, weil sie nicht öfters hintereinander wiederkehrt.

In entsprechender Weise werden wir dann aber auch andere, me- lischen Partien vorausgeschickte oder nachfolgende Doppelverse, wie in

83) Jene beiden Tetrameter sind^ wenn sie nicht, wie in den Wespen 1516, melischen Par* tien Toransgehen, in demselben Metrmn wie die nachfolgende Scene gedichtet. Als solche bilden sie, zumal sie von einem einzelnen Chorenten, dem Eoryphaios, nicht vom ganzen Chor gesprochen wurden (s. Amoldt, die Chorpartien bei Aristophanes 8. 115), den passenden Ueber- gang vom Chorgesang zum Dialog. Es steht daher nur im Einklang mit unserer Lehre, wenn in den Acharnem t. 364 f. der Chorführer yor einer in jambischen Trimetem gedichteten Scene mit zwei wahrscheinlich gleichfalls parakatalogisch vorgetragenen Irimetem die Auffor- derung zur Handlung ergehen lässt:

Seif Sev^o rovni^tjfoy iyx^^Q^*^ Xiyfiv,

Vergleiche Euripides Herc. f. 137, Hei. 253, Elect. 213, Iph. Taur. 236.

Hingegen fasst der Korjphaios in den Vögeln v. 637, trotzdem dass eine jambische Scene nachfolgt, seine Aufforderung in zwei anapästische Tetrameter zusammen, sei es nun dasa allgemach das anapästische Metrum für solche Stellen zum typischen Mass geworden war, sei es dass der Dichter der Symmetrie zu Lieb den beiden anapästischen Tetrametem, welche das Chorlied einleiten, zwei gleiche Verse am Schlüsse des Liedes gegenüberstellen wollte.

34) J. Bichter in seinen Prolegomena zu den Wespen p. 76 nimmt an, dass immer der zweite Te- trameter eine etwas yerschiedene Melodie gehabt habe, dass aber jedesmal mit dem dritten Vers wieder die gleiche Melodie zurückgekehrt sei: supra hinoa versus modoa excessisae negor verim, sed eos aitero qttoque verau repetitos esse. Aber diese Bemerkung ist viel zu allgemeiner Natur; eine stete Wiederholung zweizeiliger Strophen wäre nachgerade auch den Athenern langweilig geworden. Vollends in der Parodos der Wespen waren wiederkehrende zweizeilige Perikopen nicht am Platz, da der bedeutungsvollste Sinneinschnitt mit dem Ende des fünften Verses stattfindet.

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der Lysitrate 254. 319, dem Frieden 385, den Thesmophoriazusen 686, und in ähnlicher Stellung gebrauchte Tetrasticha, wie in den Rittern 457 60, dem Frieden 435 8, 556—9, den Ecclesiazueen 285 8, 385 9, 489—93, 500—3, den Thesmophoriazusen 655—8, 659—62, den Persern 155—8 zu einer Periode oder einer Strophe zusammen zu fassen berechtigt sein.

Noch grösser wird natürlich dann unsere Berechtigung zu einer derartigen Zusammenfassung sein , wenn die gleiche Anzahl von Versen als Strophe und Antistrophe wiederkehrt. Diese Wieder- kehr liegt offen zu Tag, wenn die bezeichneten Gruppen durch ver- schiedenartige Verse oder Perioden von einander getrennt sind, wie die 5 jambischen Tetrameter in der Lysistrate 266 70 = 281 5, oder die 5 daktylischen Hexameter in den Trachinierinnen 1009 13 = 1019 22, oder die 4 trochäischen Tetrameter in den Acharnern 204 7 = 219 22.

Ebenso unverkennbar ist die Responsion, wenn die gleiche Zahl von Versen verschiedenen Personen zufällt, wie in den Acharnern 305 22 der Chorführer und Dikaiopolis je 2 trochäische, in den Wespen 346—57 und 379—88 der Chorführer und Philokieon je 2 anapästische Tetrameter, in dem Frieden 441 52 der Chorführer und Trygaios je 3 jambische Trimeter mit einander wechseln. Den Namen Periode oder Strophe verdienen aber solche zwei oder drei wiederkehrende Verse des Wechselgespräches auch dann, wenn sie nicht Tetrameter, sondern jam- bische Trimeter sind. Denn wir haben ja nicht alle Trimeter dem Ge- biet der einfachen xaxakoyr] zugewiesen, sondern auch melische und parakatalogische Trimeter anerkannt.

Endlich ermangeln wir aber auch nicht der Anzeichen, welche uns auf die Zerlegung grösserer zusammenhängender Versgruppen in meh- rere sich entsprechende ünterabtheilungen oder Strophen führen. Die wichtigste Stelle nehmen in dieser Beziehung die eniQ^ri^axa und dvTB- TiiQQfjiLiara der Parabasen, der vollständigen wie unvollständigen, ein. Dieselben bestehen nämlich bekanntlich in der Regel (s. Ach. 676 91 = 702—18. Equ. 565—80 = 595—610. 1274—89 = 1300—15. Nub. 1115-30. Av. 753—68 = 785—800. 1071—87 = 1101—17. Thesm.

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830 45) aus 16 Versen ^^). Die constante Wiederkehr derselben Vers- zahl ist natürlich nicht zufällig; der einfachste Weg der Erklärung aber führt uns auf die Zerlegung der Zahl 16 in 4 x 4 oder des ganzen Epirrhems in vier tetrastichische Strophen. Selbst die Aus- nahmen von der Regel dienen zur Bestätigung der aufgestellten Ana- lyse; denn die Epirrhemata in den Wolken 575 594 = 607 626, in den Wespen 1071—90 = 1101—21 und in den Fröschen 686—705 = 717 37 umfassen je 20 Verse, lassen sich also gleichfalls in 5 tetra- stichische oder 4 pentastichische Strophen zerlegen. Freilich scheinen auf der andern Seite die durch die Interpunction bezeichneten Sinn- abschnitte der aufgestellten rhythmischen Gliederung wenig günstig zu sein, so dass sich sogar nicht einmal das Dilemma, ob die zwanzigzeiligen Epirrhemata in 4 fünfzeilige oder 5 vierzeilige Strophen zu zerfallen seien, n^ch den Anzeichen des Sinns entscheiden lässt. Denn in den Wespen z. B. begünstigt zwar in dem Antepirrhema v. 1101 21 der

35) Die Begel^ dass ein Epirrheraa aas 16 Versen oder doch aus einer mit 4 tbeilbaren Verszahl besteht, scheint freilich einige Aasnahmen zn erleiden, doch ist mir aus einer vollständigen Parabase kein sicherer Aasnahmsfall bekannt. Denn die zwei Schlussyerse in dem Antepirr- hema der Acharner y. 717 f., welche Hamaker (Mneraosyne II, 156) und Stanger (Blatter f. d. ba3rr. Gymnasial wesen VIII, 40) dem Aristophanes abgesprochen haben, scheinen zwar anch mir matt nnd einem fremden Znsatz nicht unähnlich zu sein ; aber die beiden Gelehrten durften alsdann nicht zur Tilgung tadelloser Verse des Epirrhema schreiten, sondern mussten rielmehr annehmen, dass jene beiden verdächtigen Verse des Antepirrhema von einem Interpolator an die Stelle zweier verlorenen ächten Verse getreten seien. Hingegen liegen in den unvollstän- digen Parabasen mehrere Epirrhemata vor, deren Verszahl keine Theilung mit 4 zulässt. Ab einen zweifelhaften Fall der Art bezeichne ich das Epirrhema in den Thesmophoriazusen 830—45, da uns wohl hier durch die Handschriften 16 Tetrameter überliefert sind, aber Ha- maker und Dindorf mit Eecht die Verse 833 und 837 für Zusätze eines Interpolators erklärten. Aber alsdann kann man wiederum zweifeln, ob die beiden Verse reine Zusätze seien, oder nur die Stelle zweier ausgefallenen Verse eingenommen haben. Hingegen haben wir drei Chorlieder, die zwar keine förmlichen Parabasen sind, aber den unvollkommenen Parabasen ähneln, in denen die Tetrameter, welche den Versen der Epirrhemen entsprechen, nicht mit 4 theilbar sind, sondern zum Schlnss noch einen epodischen Zusatz haben. So folgt in den Achamem in Strophe und Antistrophe auf die 4 melischen Perioden 971—78 = 983-90 und die 8 kretischen Tetrameter 878-86 = 991 98 zum Abschluss ein trochäischer Tetrameter. Ebenso besteht das Epirrhema in den Wespen 1275—83 aus 8 kretischen Tetrametem und einem schliessenden trochäischen Tetrameter, und ist zweifellos in dem Antepirrhema/ das jetzt nur aus 7 kre- tischen und 1 trochäischen Tetrameter besteht, ein kretischer Tetrameter in der vom Scholiasten bezeugten Lücke ausgefallen. In ähnlicher Weise folgt im Frieden auf die 16 Tetrameter des Epirrhema 1140—55 und Antepirrhema 1172 -90 zum Abschluss eine dreigliedrige trochäische Periode.

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Sinn die Zerlegung in 4 fünfzeilige Strophen, führt aber derselbe Sinn in dem Epirrhema v. 1071 90 auf eine ganz andere Theilung. Aber wenn auch der Gedankengang nicht für die Zerlegung der Epirrhemata in 4 gleiche Theile spricht^ vielmehr einige Mal, wie in den Acharnem 679. 706. 714, den Versuch einer solchen Zerlegung in bedenklicher Weise durchkreuzt, so bleibt doch die gewiss nicht vom Zufall geborene Thatsache bestehen, dass sich die Verszahl der regelrechten^*) Epirr- hemata durchweg mit 4 theilen lässt. so dass nur die Nachlässigkeit der jüngeren Dichter den ehemals schärfer markirten Schluss der ein- zelnen Systeme theilweise verwischt zu haben scheint.

Acht durch den Sinn in zwei tetrastichische Perioden zerfallende Tetrameter liegen ferner in zwei Einzugslieder des Aristophanes vor, in den Rittern 247—54:

Ttal«, Tials Toy 7iayov(}yoy xat raffa^mnoOTffazoy xal Tekcivriy xal (pa^yya xal Xa{}vß3iv äQjiayfjg xat navovQyov xal 7iarov(fyor' noXkaxig ya^ avx^ iffiS' xal yä(} ovrog fiv navovQyog noilaxis zfjg fifiiifag.

dX}ja nau xal dicjxs xal raffarre xal xvxa xal ßdehüTXOV^ xal y^if Vf^^^S, xdnixdfieyog ßoa' evXaßov (fe /i^ ^^<P^7I ^«* ^ctl yaQ ol^s rag o^ovg, aOTiBQ EvxQazTjg etpevyev ev9i> rwy xvQrißiwr.

und im Frieden v. 301—8. In der Parodos der Ritter folgen auf jene 8 Tetrameter durch die Verse des Kleon unterbrochen noch einmal 8 Tetrameter des Chors:

ey dixTj y\ ijiel xd xoiyd 7i{fly kax^lv xaxkO&Lsig, xdnoavxa'Qeig nisl^ioy xovg vnsvd-vyovg, axonüiy,

Cf > ^

oaxig airtioy cjfiog eaxiy f] ntnwy fj /ufj nsncüv^ xäy xiy^ avx(Sy yy(pg ditffdyuoy^ oyxa xal xexrjyora^

xaxacpaywr ix XeQQoyriaov, diakaßofy, dyxvfßiaag, «It' dnoaxQsipag xoy dfioy avxoy irexokTjßaaag, xal axonsXg y€ riSy nolixwy oaxig iaxly d/xyoxäy, nkovaiog xal fiTj noyrjQog xal xQsucoy xd n^ayfiaxa.

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Doch endigt hier mit dem Schlüsse des 4. Tetrameters kein Sinn- abschnitt und könnte man höchstens annehmen, dass schon durch die energische Auflösung der ersten Länge des 5 Verses der Dichter den Beginn einer neuen Strophe hinlänglich angedeutet zu haben glaubte.

Mehr noch den 16 Tetrametern der Epirrhemata vergleichen sich auch ihrem Inhalt nach die 8 Tetrameter, welche der Chorführer an dem Schluss der Ecclesiazusen v. 1155—62 an die Zuschauer und speciell an die Richter richtet. Auch bei diesen wird die Zerlegung in 4 distichische oder 2 tetrast ichische Strophen nahe gelegt, eine Zer- gliederung, welche die Sinnabschnitte nicht geradezu an die Hand geben aber auch keineswegs verbieten.

In je zwei tetrastichische und eine distichische oder in eine tetra-

stichische und eine hexastichische Periode zerfallen nach den deutlichen

Anzeichen des Sinns die zehn trochäischen Tetrameter in der Lysistrate

626-35:

dsivä yaQ rot raaSe y' riSri rovg Trolirag vov&erely^

xal Xaleiy yvyaXxag ovaag äanidog x^^V^ m^i,

xal dialXaxTHV nQog Tj/uäg ardgaöiv ylaxoovixolg,

oiöL niarov ovdtv, sl fii] 7Te() kvx(p xa^rivori.

aU.a ravS^ vcpri^/ar ijfiTy^ äy^ffsg, inl rvQayyiSr älV iuov juiy ov rvQayyevaova\ inu (pvi^d^oitiai, xal (fOff/jOü) ro iiipog r.o koinby iy fivfrrov xXadl^ äyoQdöü) t' iy roTg onloig i^^g ^A^iaroyeiroyr

wda &^ ioTTj^a} na{f avToy* avro yaQ fioi yiyyerai rfjg &€oig ix^^otg nara^ai rfja^e y()a6g zriy yyd&oy; = Lys. 648-57:

«pa TiQovcpeikü) ri /(frjardy rfj nokei naffau^eaai; (l (T' iycj yvyfi ntcpvxa, rovxo f.Lri ipf^oyslri fioi, rjy dfisiycD y' elaeyeyxct) rdiy naffoytcoy nQayjLcdTüoy rovifdyov yap f^ioi fiheori, xal yaQ äyd^ag elacpfffco.

Toig dh dvarf]yoig y^QOVoiy oif fiixaad^ vfily, insl roy h^ayoy roy leyofieyoi^ Tiannipoy ix rdiy MrjSixdSy f/r' äyaXuHJayrfg ovx dyreiöfpeQere rag datpo^fdg^ dXV v(p^ vju(3y ihakv&fiyai TjQoahi xiy^vyevofify.

Abb.d.I.Cl.d.k. Ad. Wiss. XIII. Bd. III. Abth. 29

218

äga y(fvxr6y iarir v/uy; el Xvn^aeig %i /liCj r(p^e y' ät//i^xr(p Ttara^o} r(5 xo&6(fy(p riyy yva&or.

Und damit niemand an der Zerlegung der 10 Tetrameter in die bezeichneten 3 Perioden zweifle, kehren in dem folgenden Perikopenpaar nochmals 10 Tetrameter 672-81 =- 696—705 mit den drei gleichen Sinneinschnitten wieder. Noch an einer andern Stelle desselben Stückes, in der Parodos v. 306—316, ergeben sich nach den Anzeichan des Sinns entsprechende Gruppen von Tetrametern, indem daselbst auf einen proodischen Vers 10 jambische Tetrameter folgen, welche sich in 3 + 2 = 3 + 2 Verse zerlegen lassen:

Tovrl w 7iv(f ey(}i^yo(f€y ^ediy hcari xal ^fj.

ovxovy ay, el x(h fiiy ^ha &eifi€a9^a nQwroy avroVj rfjg äfimXov (T* ig rriy x'^9^^ '^^ (payoy iyxa&sytfg atpayreg elr^ ig rrjy &VQay XQiijifoy ifiniaoifiBy;

xav fATj xalovyrary rovg fio/hyvg /aJUSkriy ai yvyalxeg, ifinifinQayai /piy rag &v(fag xal r(p xanytp nis^eiy.

&(6^€a&a J17 ro (po(yriay' (pev rov xanyau, ßaßaia^. rig ^XXaßoir^ ay rov ivXov r(3y iv 2d(iip arQarijydiy' ravrl fisy ij^Ti xr[y ^a/£V S-Xißovra fiov nhiaVTai.

oby d" iarly s(fyoy, co X'^''^(f^f ^^ äyd^ax i^ByeiQHy, T^y kafinad'^ ^/i/ieyriy oTtcog jtQWTiaz^ ifiol Jiffoaolaeig.

Auch in der Parodos der Wespen sind offenbar öfters mehrere Tetrameter zu Gruppen zusammengefasst , doch lässt sich eine durch- gängige Responsion jener Gruppen nicht nachweisen. In der zweiten Partie, v. 258—72, wird man zwar anfangs mit ziemlicher Zuversicht zwei gleiche Tetrasticha 258—01 = 202—5 lierft; teilen dürfen, aber •dann bleiben 7 Tetrameter übrig, die nur eine Theihing in eine di- stichische und penta^tichiscbe Periko])o zulassen ^^). Und ebenso

36) R. Arnoldt, die Cborpartien bei Aristophanes S. 15, hat die 15 synkopirten Tetrameter anter 4 Personen vertheilt, indem er nach dem ersten Vers

^ fiTjy dyuß aov /«rf^oi/j" iieiloyag xo?ms*u

Personenwechsel eintreten lässt, weil in dem folgenden Vers

219

entsprechen sich wohl in der ersten Partie, v. 230—47, die zwei distichischen Gruppen 240—1 und 246—7, aber dazwischen liegt eine tetrastichische Gruppe, und voraus gehen 10 Tetrameter, die Arnoldt, die Chorpartieu bei Aristophanes S. 19, nicht in 2 gleiche fünfzeilige Gruppen, sondern in 3 ungleiche Perikopen von 3, 2 und 5 Versen zer- legt hat 3^).

dXk'* ovxoai (jloi ßogßoQOs (paiy^tM Ttittovvti ohne logische Vermittlong zu einer anderen Sache übergesprangen wird. Aber ganz Tortrefflich passt es ja, wenn derselbe Alte, während er sich der offc aosgetheilten Ohrfeigen brüstet, plötz- lich selbst in den Koth tritt. Eines logischen Uebergangs im Gedankenansdnick bedarf es da nicht, da ja auch der Unfall nnd Zufall sich an kein Gesetz bindet. Also als nothwendig oder nur als angezeigt kann die Vertheilang der bezeichneten Verse unter zwei Personen nicht gelten ; auf der andern Seite stört sie die symmetrische Anordnung , die in der dramatischen Poesie und namentlich in den gesungenen Partien eine so grosse Rolle spielt.

37j Indess steht mir die Richtigkeit auch dieser Zergliederung Arnoidts keineswegs fest, und noch weniger der dafür massgebende Grundsatz, dass in der Parodos der Wespen alle 24 Choreuten nacheinander zum Sprechen gekommen seien. Wir kommen weit besser zurecht, wenn wir in der ganzen Parodos neben dem Gesammtchor nur noch die zwei Halbchöre und die vier Reihen, sowie deren Vertreter sprechen lassen. Ich vertheilc demnach den ersten Theil des Einzugsliedes^ um den es sich hier zunächst handelt, folgender Massen:

Führer des 1. Halbchors oder 1. Zuges. ^

'/(üQiif nQoßaip* tg^ußfxeyiüf' KwuCa ßQceSvyfig; flu xoy Ji\ ov fiiyroi ngo tov y\ «JIA* if<j^' Ifi^n^ xvyftog' yiyi 6c KgeitTujy Bari aov Xagiyadtj^ ßa^i^fiy. (J £TQVfÄ66tüQ€ Koyd-vXev, ßkXztöXt avySixaaToiyt Etf^yi6ris uQ* icti nov 'Viat;^', ij Xaßtjs o ^Xv£vg\

Führer des 2. Halbchors oder des 3. Zuges.

ndiitra$^3 o 6ri Xontoy y* ^i' iaxiy^ dnmtTiid nttinud^^

TißviS ixfiyfigy ijyW* iy BvJ^aytit^ j^vy^fny ,

ipQovQOvyz'* iy(o xe xta av' xtixti ntfjiTittxoZyxf: yvxrwQ

xijg dfiXOTtuiXtSoc XttS-oyx^ ixXiipafdfy xoy oXfdoy,

xa^* ijtffOfiiy xov xofixvQov^ XttX tta/iaayxeg avxoy,

Führer des 2. Zuges.

«AX* e'yxoytufjtsy, wySQfSf w^" Baxtti jid^rji yvyi* aifdßXoy 6b (pani /(jtjudxioy B/Biy nTmyrig avroy,

Führer des 4. Zuges.

/S-if yovy Kkithy 6 xridifiwy ^fily ifpiii* iy uigtf ijXi^ty i^royxas ijfÄfttujy ogyi^y X(}iujy 7toyti(jta' B7i^ avxoy^ tug xohufisyovg wy ij6ixr/x(y, dXXd artfvStüfxty^ dySQts ijXtxtgf n()iy r^fjiifjtty y^ysaS-ai.

Alle vier Zugführer oder der gesamrote Chor.

/lufiüififyf dfda x€ X(ü Xv/yto miyxti 6tuaxonijj^By^ fir^ Ttov XiS-og xts BiüTio&wy ^uug xaxoy xi 6Qd(Jf],

29*

220

Aber gegen die ganze Annahme einer mehrere Verse zur Einheit zusammenfassenden Melodie, von der wir bei der Zerlegung der zuletzt besprochenen, scheinbar xata arixor componirten Chorpartien ausge- gangen sind, könnte man leicht einwenden, dass die bezeichneten Gruppen und Absätze gar nichts mit der Melodie zu thun haben, son- dern durch den Wechsel der vortragenden Choreuten bedingt seien. Und allerdings bin ich selbst weit davon entfernt die ganze Bedeutung jener Gruppen einzig in der Melodie suchen zu wollen. Insbesondere pflichte ich in der Hauptsache ganz den scharfsinnigen Untersuchungen Arnoidts bei, der in den fiinzugsliedern der Ritter, des Friedens, der Wespen, der Lysistrate mit jedem neuen Absatz eine andere Person be- ginnen lässt. Weniger schon will mir der Gedanke Engers gefallen, der im Rh. Mus. X, 119 die Epirrhemata der Parabasen unter je 4 Choreuten der Halbchöre vertheilt. Denn^ wie bereits angedeutet, hängen die vier Perikopen der Epirrhemata oft so eng dem Sinne nach zusammen^ dass es höchst störend gewesen wäre, wenn ein anderer Choreute mitten in einem Satze fortgefahren hätte. Aber gleichwohl wird die Viertheilung der Epirrhemata noch eine andere als blos melodische Bedeutung ge- habt haben; wahrscheinlich stunden die 4 Absätze mit den Tanz- bewegungen der 4 Reihen des Chors oder Halbchors in Verbindung, so dass mit jedem neuen Absätze eine andere Reihe den Reigen begann; denn zur tanzenden Bewegung passte vortrefflich der tröchäische und päonische (s. Ach. 978. Vesp. 1275) Rhythmus des Epirrhems, und nach der veränderten Stellung, die der Chor bei der Strophe und Antistrophe angenommen hatte, war eine neue Rangierung geradezu nothwendig. Also wir selbst legen den besprochenen Absätzen und Versgruppen eine Bedeutung für den Wechsel im Vortrag und in der Orchestik bei^^).

38) Dass die liesponsion der Tetrameter an den bezeichneten Stellen nicht blos für die Melodie, sondern noch mehr für die orcb estischen Bewegungen eine Bedeutung hatte, lässt sich schon daraus abnehmen, dass die von den Schauspielern vorgetragenen Tetrameter keineswegs eine gleiche Symmetrie des Baus aufweisen. Denn selbst bei Aeschylus lassen die Tetrameter des Dialoges keine strophische Composition erkennen, und Euripides hat in den Phönissen und im Ion die Tetrameter mit der gleichen Freiheit wie die Triraeter gebaut, so dass man sich ver- sucht fühlen kann, an der Hand der oben S. 165 besprochenen Stelle im Gastmahl des Xenophon für die Tetrameter des Euripides den parakatalogischen Vortrag in Abrede zu stellen. Wenn sich nun dagegen in den Chorpartien des Aristophanes so unverkennbare Spuren der strophischen

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aber dann mussten dieselben nur um so mehr auch in der Melodie in sich abgeschlossene Gruppen bilden.

Solche Gruppen haben wir nun zunächst in denjenigen Tetrametern der Komiker nachgewiesen, welche vom Korjphaios oder einzelnen Choreuten vorgetragen wurden; bei ihnen muss die musikalische Beglei- tung, welche jene Zusammenfassung zum lebensvollen Ausdruck brachte, als selbstverständliche Sache gelten. Gewiss aber war dieselbe auch auf andere Partien von Tetrametern ausgedehnt, bei denen wir das Verhältniss einer typischen Form oder einer strophischen Responsion nicht nachzuweisen vermögen, so dass wir es wohl als Regel aufstellen dürfen, dass überall, wo einer Person mehrere Tetrameter in den Mund gelegt werden, die begleitende Musik theils zwei, drei, vier Verse zu einer Perikope verband, theils aus grösseren Gruppen zwei oder meh- rere Unterabtheilungen hervortreten Hess.

Anlage finden, so wird man den Grund dieser Abweichung in dem verscLiedenen Charakter des Chors erblicken. Der Chor aber hatte vom Tanz seinen Namen und begleitete nicht blos seinen Gesang, sonlern auch die Kecitationen seines Korjphaios mit Bewegungen des Marsches nnd Tanzes. Darin ist uns vielleicht auch der Schlüssel zur Aufklärung der auffälligen Thatsache gegeben, dass die Theile des Epirrhems der Parabase mit den Sinnabschnitten so wenig stimmen. Denn durch die ähnliche Freiheit des Horaz, der in den asclepiadeischeu Gedichten mehrmals den Satzscbluss am Ende der Strophe vernachlässigt, lässt sich jene Erscheinung nicht genügend erklären, da bei Aristophanes ungleich häufiger mit den von uns angenommenen Strophen der Sinn nicht schliesst. Aber die Sache verliert an Auffälligkeit, wenn wir annehmen, dass das ganze Epirrhema von einem Choreuten vorgetragen wurde, aber während jedes der vier Ab- schnitte eine andere Beihe {otoi^os) des Chors oder Halbchors seine Bewegungen ausführte.

Nachtrag.

Ich habe oben S. 191 und 182 die Textesüberlieferung des Dio- medes: latine fdbülae appellantur . . . in latinis enim fdbulis plura sunt cantica quae canuntur^^ unter Hinweis auf die grosse Anzahl der mit C überschriebenen Scenen der lateinischen Komiker zu rechtfertigen ge-

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sucht. Da aber derselbe Grammatiker p. 491 Canticum im Sinne eines Monologes oder Monodiums fasst und die Etymologie des Wortes dooh zu deutlich auf das Sprechen hinzuweisen scheint, so stimme ich jetzt Reifferscheid bei, der in der Ausgabe der Fragmente des Sueton, dem jener Satz entlehnt ist, zu lesen vorschlägt : in Ißtinis enim fahtdis plura sunt diverhia quae fantur quam cantica quae canuntur.

Zu den oben S. 175 angeführten Beweisstellen für den Gebrauch des lateinischen cantare im Sinne eines bloss rhythmischen Vortrags, nicht vollständigen Gesanges füge noch hinzu: Capitolinus Vita Albini V. 2 : fertur in scholis saepissime cantasse inter puerulos.

Ärma amens capio nee sat rationis in armis, (Verg. Aen. U. 314) und Macrobius Saturn. I. 24: videris enim mihi adhuc Vergüianos habere versusj qualiter eos pueri magistris praelegentibus canebamus.