286,6 Kibrarp of tbe Museum OF COMPARATIVE ZOÖLOGY, AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. The = of Chu a ag | Feettschaft m | N Pe un. 2272, 2 12773 10 PL ER | Bi WM N A % | ABHANDLUNGEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU HALLE. ORIGINALAUFSATZE AUS DEM GEBIETE DER GESAMMTEN NATURWISSENSCHAFTEN. VORGELEGT INDEN SITZUNGEN DER GESELLSCHAFT Vierzchnter Sand. HALLE, DRUCK UND VERLAG von H. W. Scumipr, Sm 1880. a T % N K7 . AREA T, Mi a ur hna wre Be EN FOR, ur: en e. BELeE Bi 7) Inhalt des XIV. Bandes. Schaitz, Dr. Frdr., Die Familiendiagramme der Rhoeadinen. Ein Beitrag zur vergleichenden Seite Morphologie der Phanerogamen. Mit 1 Tafel. 1—140, Kanıesskı, Dr. Fr., Vergleichende Anatomie der Primulaceen. Mit 10 Tafeln. 141—230. MaArcHAND, Dr. F., Beiträge zur Kenntniss der Ovarien-Tumoren. Mit 2 Tafeln, 231—292. TASCHENBERG, Dr. E, O., Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden, Mit 2 Tafeln. 293—343, Sitzungsberichte, Die Familiendiagramme der Rhoeadinen. Ein Beitrag zur vergleichenden Morphologie der Phanerogamen., Von Dr. Friedrich Schmitz, Privatdocenten der Botanik an der Universität Halle. Mit einer Tafel. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 1 . hi x ER ET see ol »iynlo or ‚rl Bey “ [ET TEITENT ni Er eat; + j ’ ı Vi» Ra du mA “ - ’ \ u nd 2 Ber f . pn JB .: u5 * = E D K} B . = Be | * B 2 2 x L E} EIER se - “ Vorwort. Die vorliegende Arbeit will weder eine „phylogenetische Untersuchung“ sein noch eine Untersuchung aus dem (Gebiete der „topischen Morphologie“. Sie will es vielmehr versuchen, von einem eigenartigen Standpunkte aus den verschiedenen Richtungen morphologischer Forschung, die sich heutigen Tages auf dem Gebiete der Phanerogamen so heftig und zum Theil leidenschaftlich bekämpfen, gleichmässig gerecht zu werden und eine Einigung derselben herbeizuführen, indem sie die einzelnen Forschungsmethoden auf ihr eigentliches Wesen zurückführt und daraus ableitet, welche objektive Wahrheit überhaupt den Resultaten dieser verschiedenen eimzelnen Forschungs- richtungen zukommen kann. Dieser Zweck hätte sich durch eine rein theoretische Erörterung der einzelnen Forschungs- richtungen und ihrer Methoden erreichen lassen. Allein praktisch zweckmässiger erschien es, an einem bestimmten Problem der vergleichenden Morphologie den eigenen Standpunkt klar darzulegen und an einem durchgeführten Beispiele zu zeigen, in welchem Verhältnisse die verschiedenen Rich- tungen morphologischer Forschung zu einander stehen, welche Forschungsresultate dieselben zu bieten vermögen. Der eigene Standpunkt der vorliegenden Arbeit, das Ergebniss ausgedehnter historisch- kritischer Studien auf dem Gebiete der morphologischen Literatur, ist keineswegs ganz neu. Allein bisher findet er sich, so weit ich sehen kann, in der morphologischen Literatur noch nirgends bewusst vertreten consequent durchgeführt. Das Bestreben, diesen Standpunkt klar und präcis hinzustellen und ihn so emer kritischen Prüfung um so besser zugänglich zu machen, mag einzelne Wiederholungen erklären und zugleich auch die apodiktische Fassung mancher Behauptungen rechtfertigen. Das letztere gilt insbesondere von den Urtheilen über die phylogenetische Morphologie und ihre Forschungsresultate. In Bezug auf die Citate habe ich mich, um nieht zu ausführlich zu werden, nur an die wichtigsten Werke der neueren morphologischen Litteratur gehalten, namentlich an das (leider noch nicht vollendete) klassische Werk von Eichler: Blüthendiagramme (Leipzig. 1875). Diesem Werke, sowie einigen anderen Abhandlungen Eichler’s sind auch die meisten der besprochenen morpho- logischen Anschauungen entlehnt worden, weil Ja in dem Verfasser derselben diese ganze Richtung der vergleichenden Morphologie heutigen Tages ihren Hauptvertreter gefunden hat. Halle a. S. den 2. November 1877. Fr. Schmitz. f nd I. Das Diagramm der Cruciferen. Eichler's Erklärungsweise der Cruciferen-Blüthe ist heutigen Tages wohl von der Mehrzahl der Morphologen als die richtige angenommen. Allein von Zeit zu Zeit tauchen doch noch immer einzelne Widersprüche gegen dieselbe auf und beweisen damit, dass die Sicherheit der Beweisführung dieser Erklärungsweise doch keine absolute, jeden Widerspruch ausschliessende sein könne. Wiederholt sind seit der ersten grundlegenden Arbeit Eichler’s') einzelne Autoren für jene ältere Erklärungsweise, welche die Cruciferen-Blüthe aus viergliedrigen Wirteln aufgebaut sein lässt, eingetreten, und noch neuerdings hat diese Anschauungsweise in A. Chatin?) einen Vertreter gefunden. Es mag somit nicht unzweckmässig erscheinen, die ganze Frage nach dem Blüthenbau der Uruciferen einer erneuten Untersuchung zu unter- ziehen und die beiden entgegenstehenden Ansichten in Bezug auf ihre Berechtigung etwas genauer zu prüfen, Eine unregehnässige Blüthe von Zesperis matronalis L., die ich jüngst beob- achtete, mag bei dieser Besprechung als Ausgangspunkt dienen. In einem sonst ganz regelmässigen Blüthenstand tand sich eine einzelne Blüthe abweichend gebaut (Fig. 4.). Vor einem Deckblatt dieser Blüthe war nicht das geringste zu bemerken; der Blüthenstiel fand sich ohne jede Spur von Vorblättern. Der Kelch der Blüthe war 5-blättrig, die Blätter desselben unter einander nicht ganz gleich, Ebenso wie an der gewöhnlichen regelmässigen Blüthe von Hesperis (und zahlreichen andern Crueiferen) die beiden lateralen Kelchblätter etwas grösser sind als die medianen und etwas tiefer am Blüthenstiel inserirt, so waren auch hier zwei laterale Blätter 1) A. W. Eichler, Ueber den Blüthenbau der Fumariaceen, Cruciferen und einiger Capparideen, Flora 1865. p. 433 ff. 2, Ad. Chatin, Organozenie comparde de l’androcde ete. in Comptes rendus hebdomadaires des scances de l’acad. des sciences, 1874, Tome 78. p. 121; und Quelques faits gendraux qui se degagent de l'androg@nie comparde in Comptes rendus. 1874. Tome 78. p. 819— 820. N etwas grösser als die übrigen Kelchblätter und etwas tiefer an der Blüthenachse ein- gefügt. Allein ihre Stellung war nicht genau lateral, sondern sie waren beide etwas nach der Rückseite der Blüthe verschoben. Etwas höher an der Blüthenachse standen die drei übrigen Kelehblätter, untereinander gleich, eines median rückwärts, die beiden anderen auf der Vorderseite der Blüthe. Diestellung dieser fünf Kelchblätter, sowie die Deckung ihrer Seitenränder war genau ebenso beschaffen, als ob sie zusammen einen 5-blättrigen (nach ?/,) succedanen Wirtel bildeten, dessen beide ersten Blätter, etwas grösser als die übrigen, lateral gestellt waren. — Auf diesen 5-blättrigen Kelch folgte, genau alternirend, ein 5-blättriger Kronblattwirtel, dessen unpaares Blatt median nach vorne stand. Sämmtliche 5 Kronblätter waren untereinander vollständig gleich, standen sämmtlich ganz gleich weit von einander entfernt und auf gleicher Höhe an der Blüthenachse inserirt und bildeten so einen durchaus regelmässigen 5-gliedrigen Wirtel. — Staubgefässe fanden sich in der Blüthe in Zahl von 10, sämmtlich regel- mässig 4-fächerig.') Zwei derselben, genau lateral gestellt, waren kürzer als die übrigen und etwas tiefer an der Blüthenachse eingefügt, ganz ebenso wie die beiden kleineren seitlichen Staubgefässe der regelmässigen CUruciferen-Blüthe. Die übrigen 8 Staubgefässe, untereinander gleich gestaltet, entsprachen in ihrer Stellung durchaus den 4 längeren Staubgefässen der gewöhnlichen Blüthe. Statt des hinteren Paares dieser gewöhnlichen Blüthe fanden sich hier jedoch drei ganz gleiche Staubgefässe, die sich gleichmässig in den Raum des gewöhnlichen Paares theilten. Auf der Vorder- seite der Blüthe war das linke Staubgefäss der regelmässigen Blüthe durch drei Staubgefässe, das rechte dagegen durch zwei ganz gleiche Staubgefässe ersetzt. Die Staubgetässe derselben Gruppe standen dicht neben einander, die beiden Gruppen selbst waren seitlich durch einen schmalen Zwischenraum getrennt. — Am Pistill der Blüthe ward keine Abweichung von dem normalen Blüthenbau beobachtet. Wie ist nun diese Blüthe zu erklären? Nach Eichler’s Auftassung ist die normale Blüthe der Cruciferen nach dem Schema K 2+2, © 4, A 2-+2?, G (2) gebaut”). Auf ein gewöhnlich abortirtes laterales Paar von Vorblättern (Fig. 3) folgen zwei 2-gliedrige Kelchwirtel, der untere Wirtel 1) Ich gebrauche im Folgenden die Ausdrücke: vierfücherige, zweitächerige, einfächerige Anthere u.s. w. stets entsprechend der Anzahl der Staubbeutelfächer, also verschieden von den Ausdrücken Antherae biloculares, uniloculares u.s.w. der beschreibenden Botanik. 2) Eichler, Syllabus der Vorlesungen über Phanerogamenkunde. 1876. p. 23. en median, der obere lateral. Dann folgt ein 4-gliedriger Corollenwirtel in diagonaler Stellung; dann ein lateraler zweigliedriger Staubgefässwirtel und mit diesem alternirend ein oberer zweigliedriger medianer Staubgefässwirtel, dessen Glieder durch „collaterale Chorise“ in zwei Paare von Staubgefässen getheilt sind. Auf diesen Wirtel endlich folgt ein zweigliedriger lateraler Wirtel von Carpidien, zu welchem in seltenen Fällen noch ein zweiter oberer medianer Carpidienwirtel hinzutritt. Dieser Eichler'schen Auffassung steht eine andere Anschauungsweise gegen- über, die zwar bei den einzelnen Autoren etwas verschieden modifieirt erscheint, im Wesentlichen aber darauf hinausläuft, dass die Blüthe aus 4-gliedrigen alternirenden Wirteln aufgebaut wird (Fig. 2). Darnach besteht die Cruciferen-Blüthe aus einem 4-blättrigen quermedianen Kelch, einer alternirenden 4-blättrigen Blumenkrone in diago- naler Stellung, einem alternirenden unteren 4-gliedrigen Staubgefässwirtel, dessen mediane Glieder ablastiren, einem oberen diagonalen 4-gliedrigen Staubgefässwirtel und einem 4-gliedrigen Carpidienwirtel, dessen mediane Glieder fast stets ablastiren. Versuchen wir nun, in welcher Weise nach diesen beiden Auftassungsweisen') die oben beschriebene unregelmässige Blüthe von Hesperis matronalis sich erklären lässt. Doch bevor wir zu dieser Erklärung selbst übergehen, sei noch auf einige Variationen des Blüthenbaus hingewiesen, die häufig in sonst ganz regelmässigen Cruciferen-Blüthen beobachtet werden. So ist es zunächst gar nicht sehr schwierig, „collaterale Chorise“ einzelner Blüthentheile in den Blüthen von Cruciferen zu beob- achten. Die Cruciferen gehören zwar, wie bekannt, zu denjenigen Familien, die in den Zahlenverhältnissen der einzelnen Blüthentheile nur selten eine Abweichung von dem regelmässigen Blüthenbau erkennen lassen. Allein bei geduldiger Prüfung einer grossen Anzahl von Blüthen gelingt es nicht grade selten, solche Blüthen aufzufinden, in denen einzelne Kronblätter oder Staubgefässe, seltener Kelchblätter?) durch zwei oder selbst drei und mehr ganz gleich und regelmässig gestaltete gleichartige Organe ersetzt sind, die genau dieselbe Stelle in der Blüthe einnehmen, wie sonst das ein- zelne Organ der regelmässigen Blüthe. Solche Fälle einer vollständigen collateralen 1) Andere Theorien zur Erklärung der Cruciferen-Blüthe, an denen es durchaus nicht gefehlt hat, kommen heutigen Tages neben jencn beiden Theorien kaum in Betracht. Von einzelnen wird übri- gens noch gelegentlich die Rede sein. 2) Eichler beschreibt in der Flora 1872 p. 333—334 auch Chorise der Carpidien. ee Chorise!) lassen sich mit den regelmässigen Blüthen durch zahlreiche Zwischenformen verbinden, die alle Uebergangsstufen zwischen dem einfachen Organ, ‚einem mehr oder weniger tief gespaltenen, vollständig getheilten und endlich einem Paare ganz oleich gestalteter Organe darbieten. Derartige Fälle sind bereits von früheren Autoren wiederholt erwähnt worden, so von A.P.de Öandolle, Moquin-Tandon und Webb, Eichler?) u. A. Ich selbst habe solche Fälle wiederholt beobachtet bei Arten von Cardamine, Brassica, Raphanus, Sinapıis. etc. Auf der anderen Seite aber lassen sich bei Arten mit normalem Blüthenbau auch öfters solche: Fälle beobachten, in denen zwei benachbarte Glieder eines und desselben Blüthenwirtels mehr oder weniger vollständig seitlich mit einander ver- wachsen sind. Dass dies häufiger bei den 4 längeren Staubgefässen der Urueiferen- Blüthe stattfindet, ist schon wiederholt hervorgehoben worden?) Hier findet man öfter das vordere oder hintere Paar von Staubgefässen oder beide Paare zugleich mehr oder weniger vollständig zu einem einfachen gespaltenen Organe verwachsen; und von solchen deutlich verwachsenen Staubgefässpaaren lassen sich dann alle Üebergangsformen auffinden bis zu einzelnen regelmässig vierfächerigen Staubgefässen, die an Stelle jener Paare der gewöhnlichen Cruciferen -Blüthe stehen. Ganz analoge Verwachsungen, bald mehr bald weniger vollständig, werden aber auch, wenngleich seltener, zwischen zwei benachbarten Gliedern des Kronblattwirtels beobachtet”). Und ebensolche seit- 1) Eichler unterscheidet (Blüthendiagramme p. 5, vgl. auch Flora 1865. p. 507) „eigentliches Dedoublement oder Chorise“ und „Spaltung im engern Siun“. Im ersteren Falle sollen die Theilstücke „die Beschaffenheit vollständiger Phyllome annehmen“, im zweiten Falle dagegen nur die Hälfte oder einen kleineren „Theil des gespaltenen Phyllums repräsentiren‘“, Ob das eine oder das andere stattfindet, das wird sich in der Praxis höchstens bei zwei- resp vierfächerigen Antheren entscheiden lassen. Deshalb möchte ich es vorziehen, die Ausdrücke Spaltung und Chorise, resp. Dedoublement und Verdoppelung in ganz gleicher Bedeutung anzuwenden. 2) Vgl. die Literaturnachweise bei Eichler in der Flora 1865. p. 49) ff. 3) Solche seitliche Verwachsungen zweier Kronblätter zu einem einzelnen Organ in der Mediane der Blüthe hat neuerdings auch Meschajeff (Bulletin de la soeiete imper. des natur. de Moscou. 1872, n. 2 p. 335 ff., im Auszuge referirt in der Botanischen Zeitung 1873. p. 189— 10) beschrieben. Mescha- jeff selbst sagt zwar, dass man „solehe Fälle einzelner Glieder genau an der Stelle eines Paares“ „nicht mit Verwachsung erkläreu“ dürfe, „sondern als Wiederkehrung zum ursprünglichen Typus.‘ Allein einen entscheidenden Grund gegen die Deutung jener Gebilde als Verwachsungen vermag ich weder in den Angaben des deutschen Auszuges der russisch geschriebenen Originalabhandlung noch in den Abbildungen, die der letzteren beigegeben sind, aufzufinden. a Ge liche Verwachsungen finden auch statt zwischen zwei benachbarten der vier Kelch- blätter, z. B. dem median vorderen und dem links seitlichen u. a., Verwachsungen, die bald durch eine zweizähnige bis zweitheilige Spitze des verwachsenen Organs, bald nur durch eine grössere Breite desselben kenntlich sind. — Andere Verwachsungen zwischen Gliedern verschiedener Wirtel, die ebenfalls zuweilen auftreten, seien hier nicht weiter erwähnt; nur das eine sei noch hervorgehoben, dass ich einmal bei Brassica Napus auch eine Verwachsung des linken seitlichen kurzen Staubgefässes mit dem benachbarten längeren des vorderen Paares zu einem einzelnen, etwas ver- breiterten Staubgefüss beobachtet habe.') So finden sich also in sonst ganz regelmässigen Blüthen öfters einzelne Wirtel- glieder getheilt oder gespalten oder vollständig durch zwei gleichgestaltete Glieder ersetzt, und ebenso finden sich öfters zwei benachbarte Wirtelglieder mehr oder weniger mit einander verwachsen oder gradezu durch ein einzelnes einfaches entsprechendes Glied ersetzt. Es lassen sich in der Familie der Cruciferen ebenso wie bei anderen Phanerogamen bei Arten mit normalem Blüthenbau in einzelnen, sonst ganz regel- mässigen Blüthen öfters vollständige Verwachsungen oder Spaltungen einzelner Wirtel- glieder beobachten. Da mögen wohl auch bei dem Aufbau anderer, mehr unregel- mässiger Blüthen von Cruciferen derartige vollständige Verwachsungen oder Spaltungen mitwirken, die nieht so deutlich aut der Hand liegen, wie in den besprochenen Fällen. Meschajeft folgert aus den genannten Blüthen, dass auch die vier Kronblätter der normalen Cruci- feren-Blüthe durch Spaltung eines zweigliedrigen medianen Blattwirtels entstanden seien. in derselben Weise wie dies nach der Spaltungstheorie Eichler’s bei den vier oberen längeren Staubgefässen der Fall ist. Allein ganz analoge Verwachsungsprodukte zweier Kronblätter, wie sie Meschajeff in der Mediane der Blüthe beobachtet hat, finden sich in anderen Blüthen in lateraler Stellung. Ich selbst habe solche Blüthen 7. B. bei Brassica Napus beobachtet. Aus solchen Blüthen müsste dann consequenter Weise gefolgert werden, dass die vier Kronblätter der normalen Crueiferen -Blüthe durch Spaltung eines zweigliedrigen lateralen Wirtels entstanden seien. Beide Folgerungen aber können ja unmöglich nebeneinander bestehen. Die Folgerung, die Meschajeff aus jenen Blüthen ableitet, erscheint somit als eine keineswegs berechtigte: Ja seine Erklärung jener Blüthen erscheint bej genauerer Betrachtung auch keineswegs als die nächstliegende, da jene Blüthen sich sehr einfach durch Annahme einer mehr oder weniger vollständigen seitlichen Verwachsung zweier Blüthenphyllome erklären lassen. 1) Ich halte es nicht für nothwendig, hier alle einzelnen abnormen Blüthen mit Spaltung oder Verwachsung einzelner Blüthentheile, die ich beobachtete, ausführlich zu beschreiben. Eine sorgfältige Prüfung einer grösseren Anzahl von Cruciferen-Blüthen wird Jedem derart'ge Fälle in mehr oder min- der grosser Anzahl darbieten. Ablı. d. ntl. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 2 er Jedenfalls wird in solchen unregelmässigen Blüthen die Annahme von vollständigen und selbst von congenitalen Verwachsungen und Spaltungen durchaus zulässig sein, wenn sich dieselben dadurch erklären lassen. Ja es wird auch die Annahme, dass bei dem Aufbau der gewöhnlichen, regelmässigen Cruciferen - Blüthe derartige con- genitale Verwachsungen oder Chorisen mitwirken, durchaus nicht von der Hand zu weisen sein. Eine Erklärung dieser Blüthe durch eine derartige Annahme muss viel- mehr als durchaus zulässig und berechtigt erscheinen, wenn dieselbe durch andere Verhältnisse nahe gelegt wird.') Versuchen wir nun, die oben beschriebene Blüthe von Aesperis matronalis zu erklären. Wir legen zunächst Eiehler’s Erklärungsweise der normalen Cruciferen-Blüthe zu Grunde, Nach Eichler ist der mediane zweigliedrige Kelchwirtel der äussere, der laterale Wirtel, der an der entwickelten Blüthe oft tiefer inserirt erscheint, der innere Wirte. Um auf dieses Schema den 5-blättrigen Kelch jener Blüthe von Hesperis zurückzuführen, müssen wir annehmen, dass das vordere Blatt des medianen Kelch- wirtels durch congenitale Uhorise in zwei Blätter gespalten sei unter Verbreiterung der Insertionsstelle; infolge dieser Verbreiterung seien dann die Blätter des lateralen Wirtels aus ihrer genau lateralen Stellung etwas weiter nach der Rückseite der Blüthe bingerückt.?) — Die 5-blättrige Blumenkrone aber lässt eine Erklärung durch Chorise eines Gliedes des normal viergliedrigen Kronenwirtels nicht zu, da alle fünf Petala gleich weit von einander entfernt stehen, einen genau regelmässigen fünfglie- drigen Wirtel bilden. Hier lässt sich nur annehmen, dass an Stelle des normal vier- gliedrigen Wirtels ein „typisch“ fünfgliedriger Wirtel ausnahmsweise entwickelt worden sei. — Die Vermehrung der Zahl der Staubgefässe aber lässt sich wieder einfach durch collaterale Chorise erklären. Der laterale äussere Wirtel ist regelmässig !) In ganz analoger Weise wird ja auch eine „eongenitale Verwachsung‘“ der beiden hinteren Petala zur Erklärung der ganz regelmässig viertheiligen Blumenkrone von Plantago angenommen. Vgl. Eichler, Blüthendiagramme p. 225. 2) Zur Erklärung dieses Kelches liesse sich aber auch annehmen, dass hier der mediane Wirtel abnorm dreigliedrig ausgebildet worden sei. Es würde dann der 5gliedrige Kelch aus einem dreigliedrigen und einem zweigliedrigen Wirtel zusammengesetzt sein, ähnlich wie dies nach Eichler (Blüthendiagramme p. 19) bei der Mehrzahl der fünfgliedrigen Kelche der Fall ist. Allerdings würde bier der dreigliedrige Wirtel der untere sein, während dieser nach Eichler sonst der obere ist. a entwickelt. Bei dem medianen inneren zweigliedrigen Wirtel aber hat collaterale Chorise stattgefunden, das vordere Staubblatt hat sich in 5, das hintere in 3 Staubgefässe gespalten. — Etwas anders lautet die Erklärung dieser Blüthe nach der zweiten Auffassungs- weise, die wir mit Eichler als Aborttheorie bezeichnen wollen. Nach dieser Deutung der Urueiferen-Blüthe ist der Kelchwirtel viergliedrig, häufig mit etwas ungleicher Ausbildung der medianen und lateralen Glieder; die Blumenkrone ist ebenfalls durch einen viergliedrigen Wirtel gebildet. Nimmt man nun an, es seien anstatt der vierglie- drigen Wirtel deren fünfgliedrige entwickelt worden‘), so erhält man Kelch und Blumenkrone der obigen Blüthe von Hesperis. Der äussere Staubgefässwirtel ist in dieser Blüthe wie in der normalen Cruciteren-Blüthe durch Abort zweigliedrig. Im inneren Staubgetässwirtel aber ist Chorise der beiden vorderen und eines hinteren Staubgefässes eingetreten und hat eine Vervielfältigung der Gliederzahl dieses Wirtels bewirkt. — (Oder aber man könnte auch annehmen, dass im vorliegenden Falle auch beide Staubgefässwirtel fünfgliedrig geworden und beide vollständig entwickelt seien; von diesen 10 Staubgefässen aber seien die beiden lateralen im Laufe der Entwickelung etwas tiefer an der Blüthenachse zu stehen gekommen und etwas an Länge hinter den übrigen zurückgeblieben, entsprechend den beiden lateralen ebenfalls abweichend ausgebildeten Kelchblättern. Diese Erklärungsweise würde in der obigen Blüthe 4 alternirende fünfgliedrige Wirtel erkennen. Allein diese Erklärungs- weise möchte bei der abweichenden Stellung und Grösse der seitlichen Staubgefüsse doch wohl etwas gewagt und kühn erscheinen.) Die beiden verschiedenen Erklärungsweisen der Uruciferen-Blüthe lassen also beide eine Erklärung der abnormen Hesper?s-Blüthe zu, eime Erklärung, die keine anderen Gestaltungsvariationen zu Hülfe nimmt ausser solchen, die auch anderwärts in Angiospermen -Blüthen beobachtet werden. Beide Erklärungen nehmen congenitale Spaltung im Andröceum an, die eine in mehr, die andere in weniger ausgedehntem 1) Eine solche Variation der Gliederzahl der Blüthenwirtel ist ja bei den Angiospermen eine sehr häufige Erscheinung. Häufig finden sielı z. B. bei Arten mit normal 5-gliedrigen Blüthenwirteln einzelne Blüthen mit 4-zähligen oder 6-zähligen Wirteln. Dabei findet in solehen abnormen Blüthen die Variation der Gliederzahl meist gleichmässig durch alle Blüthenwirtel hindurch statt. Seltener finden sich Fälle, in denen eine Variation der Gliederzahl nur in einem oder in einigen wenigen Wirteln eintritt, während die übrigen Blüthenwirtel die regelmässige Gliederzahl aufweisen. Be 7 en Masse, um jene Hesperis-Blüthe auf die normale Cruciferen - Blüthe zurückzuführen. Hinsichtlich der Blüthenhülle nimmt die Aborttheorie einen Ersatz der normalen 4-gliedrigen Wirtel durch fünfgliedrige an und erklärt so jene Blüthe sehr einfach. Die Eichler’sche Spaltungstheorie nimmt eine solche Variation der Gliederzahl ebenfalls an, aber nur im Üorollenwirtel, nimmt dagegen zur Erklärung des Kelches der Hesperis-Blüthe wieder Chorise und seitliche Verschiebung einzelner Glieder der beiden 2-gliedrigen Kelchwirtel zur Hülfe.') — Jene Hesperis-Blüthe ist aber keineswegs die einzige unregelmässige Blüthen- gestalt, die bisher bei Crueiferen bekannt geworden ist. Es werden hier mancherlei verschiedene Blüthenformen beobachtet, die mehr oder minder bedeutende Abweichun- gen von dem gewöhnlichen d. i. normalen Bau darbieten bis zu solchen Blüthen hin, die vollständig in Laubsprosse umgewandelt sind. Alle solche von dem gewöhnlichen Blüthenbau abweichenden d. i. abnormen Blüthen bedürfen der Erklärung, und fragt es sich da, welche Erklärungen jene beiden Theorien zu bieten vermögen. Einige dieser abnormen Blüthen mögen hier eingehender besprochen werden. Zunächst hat man Blüthen beobachtet von ganz normalen Bau mit Ausnahme des einen Momentes, dass 8 Staubgefässe das Andröceum zusammensetzten; und zwar waren diese Staubgefässe in einen unteren quermedianen viergliedrigen Wirtel und einen oberen viergliedrigen diagonalen Wirtel geordnet?) Die Aborttheorie sieht in solchen Blüthen die typische Gestalt der Urueiteren-Blüthe mit vollständiger Aus- bildung der beiden normal ablastirenden medianen Staubgefässe. Die Eichler'sche Spaltungstheorie dagegen erklärt diese Blüthen in ziemlich complieirter Weise. Eichler?) selbst sagt darüber: „Ich meine, dass, wenn die viergliedrige Anordnung, wie wir sie in der Corolle der Urueiferen sehen, sich ausnahmsweise auch einmal aut das Andröceum fortsetzt und die Glieder in beiden Wirteln ganz bleiben, — statt dass sonst, wie wir nach der Spaltungstheorie annehmen, die Blüthe mit den Staub- 1) Oder aber es setzt diese "Üheorie ausser in dem Corollenwirtel auch in dem ersten unteren Kelchwirtel eine typische Vermehrung der Gliederzahl bei jener Hesperis-Blüthe voraus. 2) Es erwähnt z. B. Bernhardi in der Flora 1838. I. p. 133 solche Blüthen, die C. Presl beobachtet hatte. Ich selbst habe in einer Blütbe von Brassica Rapa, deren Theile sämmtlich schwach vergrünt waren, acht Staubgefässe, vier quermediane untere und vier diagonale obere, beobachtet; eins der vier Staubgefässe des oberen Wirtels zeigte ausserdem infolge seitlicher Spaltung einen sehr kleinen Nebenstaubfaden. 3) Flora 1865 p. 516— 517. Er gefässen wieder zweigliedrig wird und der zweite Wirtel sich spaltet, — dass alsdann die octandrische Blüthe bezeichneter Art ebensowohl zum Vorschein kommen wird, als nach der anderen Theorie durch exceptionelle Ausbildung sonst abortirender Glieder.“ In der That lässt sich in dieser Weise jene octandrische Blüthe sehr wohl erklären. Denn dass in einer Blüthe die höheren Wirtel ausnahmsweise aus einer grösseren Gliederzahl sich zusammensetzen, als dies noımal der Fall ist, das lässt sich öfters bei Angiospermen beobachten. Die Annahme, dass dies auch einmal bei den Staubgefässwirteln der Crueiferen geschehe, ist deshalb durchaus berechtigt und jene Erklärung der octandrischen Blüthe, wenn auch etwas fernliegend, so doch durchaus zulässig. Nur darf man sich nicht verhehlen, dass diese Erklärung der octandrischen Blüthe weit weniger einfach und naheliegend erscheint als jene der Aborttheorie, die in der octandrischen Blüthe die typische Blüthengestalt selbst aus- gebildet findet Abweichend vom gewöhnlichen Bau der Orueiferen - Blüthe erscheint ferner das Andröceum gestaltet bei manchen Arten von Vella, Sterigma, Anchontum, Boleum, Dontostemon u. A.'‘) An Stelle der medianen Paare von langen Staubgefässen finden sich hier einzelne breitere, mehr oder minder tief gespaltene Staubgefässe mit voll- ständig ausgebildetem vierfächerigem Staubbeutel an jedem Gabelaste. Bei Atelanthera trägt dagegen jeder der beiden Gabeläste nur einen zweifächerigen Staubbeutel. Die Spaltungstheorie sieht in all diesen Fällen die beiden Glieder des oberen medianen Staubgefässwirtels nur unvollständig gespalten, nicht wie gewöhnlich vollständig durch collaterale Spaltung getheilt. Die Aborttheorie dagegen erklärt diese Blüthen einfach durch unvollständige paarweise Verwachsung der vier diagonalen Staubgefässe des inneren Wirtels.”) Analoge Blüthengestalten .finden sich ausnahmsweise auch bei Gattungen und Arten, die gewöhnlich den normalen Bau der Cruciferen - Blüthe zeigen. Alle Mittel- formen zwischen vollständig freien langen Staubgefässen, paarweise verbundenen bis 1) Vgl. Baillon, Histoire des plantes. tome III. p. 218. 2) Dass jedes Staubgefäss der beiden verwachsenen Paare bei Atelanthera nur eine zweifächerige Anthere trägt, nicht wie gewöhnlich eine vierfächrige, kann ja unmöglich ein Hinderniss für diese Auffas- sung sein. Eichler sagt zwar in der Flora 1869 p. 103, dass bei einer Verwachsung zweier Staubge- fässe „das Endprodukt ein Staubgefäss mit 4 Theis, 8 Loculis ete. sein müsste“. Allein einen zwingen- den Grund für diese Behauptung vermag ich durchaus nicht abzusehen. Ze zu einfachen Staubgefässen an Stelle jener Paare sind hier zu beobachten. Die Aborttheorie sieht hierin überall eine mehr oder weniger vollständige paarweise Verwachsung der diagonalen Staubgefässe, die Spaltungstheorie dagegen umgekehrt eine mehr oder weniger vollständige Spaltung der ursprünglich einfachen Anlagen. Wiederholt sind ferner bei verschiedenen Gattungen, Cardamine, Nasturtium, Capsella, Senebiera, Lepidium u. A,, Blüthen beobachtet. worden, die nur jene vier langen diagonalen Staubgefässe der normalen Oruciferen - Blüthe enthielten. Die kurzen lateralen Staubgefässe fehlten gänzlich. Die Aborttheorie sieht in solchen Blüthen den äusseren quermedianen Staubgefässwirtel vollständig ablastirt; die Spaltungstheorie nimmt hier ebenfalls einfach den Ablast des äusseren, ihrer Ansicht nach zweigliedrigen lateralen Staubgefässwirtels an, Einfache Staubgefässe an Stelle der vorderen oder binteren Paare von langen Staubgetässen der normalen Blüthe finden sich ferner sehr häufig bei mehreren Arten der Gattung Lepidium und zwar in der verschiedensten Weise combinirt mit Ablast des einen oder beider lateralen Staubgefässe. Eichler hat in seiner Arbeit (Flora 1865 p. 505 ff.) eine Reihe verschiedener Modifikationen, die hier das Andrö- ceum darbietet, zusammengestellt. Alle diese Modifikationen aber lassen sich mit derselben Leichtigkeit von der Spaltungstheorie, wie von der Aborttheorie erklären. Die erstere sieht die Glieder des oberen medianen Staubgefässwirtels bald einfach bald durch collaterale Chorise getheilt, während die Glieder des lateralen Wirtels bald beide, bald nur zum Theil ablastiren. Die Aborttheorie dagegen sieht die Glieder des oberen diagonalen Wirtels bald paarweise verwachsen, bald getrennt, während von den Gliedern des unteren quermedianen Wirtels ausser den zweinormal ablastirenden medianen Staubgefässen bald noch ein drittes, bald auch noch das vierte Staubgefäss ablastirt.') : 1) Eichler hat in seiner Arbeit (Flora 1865 p. 506) diese Blüthengestalten von Zepidium in ganz anderer Weise nach der Aborttheorie erklärt. Er lässt die Annahme einer paarweisen Verwachsung von zwei diagonalen Staubgefässen zu einem medianen einfachen Staubgefäss ganz bei Seite. Nach seiner Darstellung hat die Aborttheorie in einem einzelnen medianen Staubgefäss stets eins jener Glieder des unteren Staubgefässwirtels zu erkennen, die gewöhnlich ablastiren. Diese Auffassung, die allerdings auch von einzelnen Anhängern der Aborttheorie vertreten worden ist, hat in der That zur Folge, dass, wie Eichler sagt, zur Erklärung der verschiedenen Gestaltungen des Andröceums von Zepidium „Entwicklung und Abort sonst regelmässig vorhandener Theile“ in buntestem „Durcheinander“ angenommen werden müssen, dem gegenüber der Spaltungstheorie der „Vorzug grösserer Einfachheit“ in der Erklärung zu- Aehnliche Modifikationen im Bau des Andröceums wie bei Lepidium sind auch, wenngleich seltener, bei anderen Gattungen beobachtet worden. Eichler zählt (l. c. p. 505-506) eine Reihe von Fällen auf aus den Gattungen Cardamine, Senebiera, Nasturtium, Crambe etc. Sie erklären sich alle in derselben Weise wie bei Lepidium. Eine grössere Anzahl von Staubgefüssen (8—16) zeigen dann einzelne Arten von Megacarpaea. Leider aber fehlen von diesen Blüthen genauere Analysen nach frischem Materiale vollständig, und so lässt sich jetzt noch nicht bestimmen, in welcher Weise diese Blüthen zu erklären seien. Die Thatsache jedoch, dass auch anderwärts bei Gattungen mit normalem Blüthenbau ausnahmsweise eine Vermehrung der Zahl der Staubgefässe eintritt infolge von Chorise einzelner oder mehrerer der 6 normalen Staubgefässe, diese Thatsache lässt Eichler’s Annahme‘), dass in analoger Weise der Blüthenbau von Megacarpaea zu Stande komme, als durchaus zulässig erscheinen, zumal die Polyandrie der nahe verwandten Cleomeen in der That in dieser Weise zu Stande kommt. Weniger ausgiebige Verschiedenheiten als das Andröceum bietet in solchen Crueiferen-Blüthen, in denen der allgemeine Blüthenbau nicht wesentlich geändert worden ist, das Pistill dar. Die normale Cruciferen-Blüthe zeigt bekanntlich im Inneren des Fruchtknotens zwei wandständige Samenleisten in medianer Stellung, meist durch eine „secundäre‘“ Scheidewand mit einander verbunden. Die Frucht- knotenwandung zerfällt somit in zwei laterale Hälften, die durch die Samenleisten mit kommt. Allein die Aborttheorie kann eben jene Blüthen von Zepidium in ganz anderer Weise und ganz ebenso einfach wie die Spaltungstheorie erklären, nämlich durch vollständige Verwachsung. Zu dieser Erklärung aber wird sie gradezu gezwungen dadurch, dass Eichler selbst (p. 519) durch die Untersuchung der Entwicklungsgeschichte nachgewiesen hat, dass jene einzelnen medianen Staubgefässe von Lepidium in der That dem inneren Staubgefässwirtel angehören, nicht, wie jene supponirte Erklärungsweise der Abort- theorie annimmt, dem äusseren Wirtel. An die Möglichkeit der Annahme einer paarweisen Verwachsung zweier diagonaler Staubgefässe zu einem medianen hat Eichler allerdings auch gedacht, allein er hält diese Annahme für unzulässig, da „die Insertionsbreite“ des angeblich verwachsenen Filamentes, „die gewöhnlich von der der seitlichen Staubgefässe nicht merklich verschieden, für eine solche Annahme viel zu gering ist“, Sollte dies wirk- lich ein entscheidender Grund gegen jene Annahme sein? — 1) Flora 1865. p. 521. ee. einander zusammenhängen. Man kann diese Hälften als Carpidien bezeichnen und so der normalen Orueiferen-Blüthe zwei laterale Carpidien zuschreiben. Die Spaltungs- theorie Eichler’s sieht in diesen beiden Carpidien einen zweigliedrigen lateralen Wirtel, der in einfacher Alternation an den oberen medianen zweigliedrigen Staub- gefässwirtel anschliesst. Die Aborttheorie gestattet hier eine doppelte Auffassung. Sie kann auch hier wie in allen übrigen Blüthenwirteln der Cruciferen-Blüthe einen normal viergliedrigen Wirtel annehmen, dessen mediane Glieder wie bei dem unteren Staubgefässwirtel regelmässig ablastiren. Und diese Auffassungsweise haben wir oben (p. 7) unserer Darstellung der Aborttheorie zu Grunde gelegt. Sie kann aber auch in Uebereinstimmung mit der Spaltungstheorie einen typisch zweigliedrigen lateralen Carpidienwirtel annehmen. Denn dass die Gliederzahl des Carpidienwirtels eine geringere ist als die der vorhergehenden Blüthenwirtel, dass der Carpidienwirtel oligomer wird, dafür lassen sich unter den Dikotylen zahlreiche Beispiele aufzählen. Abweichungen von diesem Bau des Pistills finden sich nun in sonst ganz regelmässigen Blüthen in der Weise entwickelt, dass anstatt zweier Carpidien deren drei oder vier, im letzteren Falle in quermedianer Stellung, zur Bildung des Frucht- knotens zusammentreten. Solche Blüthen sind wiederholt mehr oder minder häufig beobachtet worden bei den Gattungen Lunaria, Cheiranthus, Alltaria, Hesperis u. A. Bei einigen Arten erhält sich diese Abweichung von der normalen Blüthengestalt sogar durch Samen constant, so bei der als Tetrapoma barbaraeifolia Turez. kulti- virten Varietät von Nasturtium palustre R Br.'); und ebenso ist sie constant bei einer Art von Draba, die als Holargidium Kusnetzowi Turez. von der Gattung Draba abgetrennt wird. Die vier Carpidien, die in diesen Fällen den Fruchtknoten zusanımen- setzen, sind dabei untereinander bald völlig gleich, bald erscheinen die medianen schmaler als die beiden lateraien und oft deutlich höher als die lateralen der Blüthen- achse eingefügt. Eichler sieht in all diesen Fällen ausser dem normalen lateralen Carpidienwirtel noch ein oder beide Glieder eines überzähligen oberen medianen Carpidienwirtels ausgebildet, wie ja öfter bei Blüthen von Angiospermen ausser dem normalen Oarpidienwirtel ausnahmsweise noch ein überzähliger oberer Carpidienwirtel beobachtet wird. Die Aborttheorie dagegen wird, je nach ihrer verschiedenen Fassung, entweder in derselben Weise wie Eichler diese Fruchtknoten mit 3—4 Carpidien erklären, oder aber sie wird in diesen überzähligen Carpidien die sonst regelmässig ı) Vgl. Baillon, Histoire des plantes. t. III. p. 186. note 1. = Io ablastirenden Glieder des typisch vierzähligen Carpidienwirtels erkennen und in dem vierzähligen Fruchtknoten die normale typische Ausbildung des Crueiteren-Frucht- knotens wiederfinden. Dass die medianen Glieder des entwickelten vierzähligen Fruchtknotens öfter höher inserirt sind als die lateralen, das wird der letzteren Auffassungsweise kaum Schwierigkeiten bereiten, da sie es einfach durch nachträgliche Verschiebung und ungleichmässige Ausbildung der Blüthenachse wird erklären können. Seltener als eine Zusammensetzung des sonst regelmässigen Fruchtknotens aus 3 oder 4 Carpidien wird eine noch grössere Anzahl der Carpidien beobachtet. So beschreibt Eichler!) sechsfächerige Fruchtknoten von Brassica Napus, in denen die medianen Carpidien des vierzähligen Fruchtknotens durch je zwei Carpidien ersetzt waren. „Buchenau (Bremer Jahresbericht 1871. p. 477) hat sogar bei einer Drassica- Schote Zerfällung der Medianglieder in je 6 Theilstücke beobachtet.“”) Alle diese Fälle sind einfach durch vollständige collaterale Spaltung der imedianen Carpidien des vierzähligen Fruchtknotens zu erklären, mag man diese nun für Glieder eines zweiten oberen zweigliedrigen Uarpidienwirtels ansehen oder aber für die medianen, sonst ablastirenden Glieder eines quermedianen viergliedrigen Carpidienwirtels. — = In allen den bisher besprochenen Fällen handelte es sich um Blüthen, die zwar von der gewöhnlichen oder regelmässigen Cruciferen -Blüthe verschieden waren, deren Verschiedenheiten aber sich beschränkten auf eine abweichende Anzahl der Glieder in den einzelnen Organkreisen. Die verschiedenen Organkreise selbst waren in ihrer selbständigen und eigenartigen Beschaffenheit unverändert geblieben. Es finden sich nun häufig auch abnorme Blüthen, in denen dies nicht mehr der Fall ist. Verwachsungen verschiedenartiger Organe untereinander, der Kronblätter und der Staubgefässe ete., treten auf, verbunden mit den verschiedenartigsten Formen der Spaltung und Vermehrung, wie dies namentlich bei den sg. gefüllten Cruciferen- Blüthen der Fall ist. Solche Blüthen erfordern zu ihrer Erklärung oft recht compli- cirte Annahmen, die für beide entgegenstehenden Blüthentheorien gleich grosse Schwierigkeiten darbieten. Jedenfalls aber erscheinen solche Blüthen durchaus nicht geeignet, eine von beiden Theorien als die allein richtige zu beweisen. 1) Eichler, Abermals einige Bemerkungen über die Crueiferenblüthe in Flora 1872. p. 333. 2) Eichler, 1. ce. 1872. p. 334. Abh. d. naturf, Ges. zu Halle. Bd. XIV. Fan 22 Eine tiefergehende Verwirrung der einzelnen selbständigen Organkreise der Cruciferen-Blüthe zeigen dann solche abnormen Blüthengestalten, deren einzelne Glieder eine andere Funktion zu erfüllen haben als in der normalen Orueiferen-Blüthe, solche Blüthen, bei denen, wie man zu sagen pflegt, die Kronblätter in Staubgefässe umgewandelt sind (z. B. die apetalen, zehnmännigen Blüthen von Capsella bursa pastoris) oder die Staubgefüsse in Carpidien ete. Häufig zeigt sich in solchen Fällen der allgemeine Bauplan der Blüthe hinsichtlich der Zahl der Wirtel und der Stellung der einzelnen Glieder nicht verändert oder bietet nur solche Abweichungen dar, wie sie oben besprochen sind, durch Verwachsung oder Spaltung einzelner oder mehrerer Wirtelelieder. Derartige Blüthen, wie sie z. B. mit Verwandlung der Staubgefässe in Carpidien schon mehrfach bei Oheiranthus Cheiri L. beschrieben worden sind,') bedürfen keiner weiteren Besprechung, sie erklären sich in ganz analoger Weise wie die zuvor besprochenen Blüthen mit normaler Vertheilung der Funktionen an die einzelnen Blüthenglieder. Anders ist es dagegen vielfach bei den sogenannten vergrünten Blüthen, die ziemlich häufig bei Cruciferen beobachtet werden. In solchen Blüthen erscheinen die einzelnen Glieder sämmtlich oder zum Theil mehr oder weniger vollständig in kleige grüne Laubblätter umgewandelt. Eine solche chlorotische Ausbildung der einzelnen Blüthenglieder findet sich zwar auch häufig bei Blüthen, die in Bezug auf Zahl und Anordnung der einzelnen Blüthenwirtel durchaus keine Abweichung von der normalen Blüthengestalt erkennen lassen. In den meisten Fällen aber treten mehr oder minder ausgiebige Modifikationen des normalen Blüthenplanes ein. Spaltung und Verwachsung treten in der verschiedensten Weise auf, die Zahl der Blüthenwirtel variirt, die Zusammensetzung der einzelnen Wirtel wird eine abweichende ete,, bis man zuletzt als Endglied der ganzen Reihe von chlorotisch veränderten Blüthen in 1) Häufig tritt bei solchen Blüthen von Cheiranthus Cheiri, deren Staubgefässe in Carpidien um- gewandelt sind, noch Verwachsung und Abort einzelner Glieder des Andröceums oder Gynäceums hinzu, wie solche Fälle in grösserer Anzahl Duchartre (Note sur une monstruosite de la fleur du Violier (Cheiranthus Cheiri L.) in Annales des seiences naturelles; botanique. V serie. "Tome XIII p. 315 ff.) beschrieben hat. Derartige abnorme Blüthen benutzt Duchartre zur Begründung seiner eigenen Deutung des Pistills der normalen Cruciferen-Blüthe, wonach dasselbe aus vier quermedianen Carpidien zusammen- gesetzt sei, deren mediane Glieder in der Bildung der Placenten und der Scheidewand aufgingen. Doch möchte ich entschieden Eichler beistimmen, nach dessen Ansicht (Flora 1872. p. 332) „überhaupt nicht derart von dem carpellisirten Andröceum auf das normale Pistill geschlossen werden darf“. Ba, der vergrünten Blüthentraube an der Stelle einer normalen Blüthe eine normale Laubknospe findet. Solche stark vergrünten und ganz unregelmässig gewordenen Blüthen sind schon mehrfach bei Cruciferen beschrieben worden‘). Neuerdings hat Engler?) eine Anzahl derartiger Blüthen von Darbaraea vulgaris beschrieben. Ich selbst habe ausser anderen Fällen solche Blüthen in grösserer Anzahl bei Brassica oleracea 1.beobachtet. Die einfach- sten Fälle (Fig. 5) zeigten die normale Stellung der einzelnen Blüthentheile unverändert, nur waren sämmtliche Theile mehr oder weniger in grüne Blättchen umgewandelt. Andere Blüthen waren mehr oder weniger verändert, Bei einer solchen Blüthe (Fig. 8) fanden sich zu äusserst zwei untere laterale Kelchblätter?) mit kleinen Achselknospen, dann zwei ähnliche mediane Blättchen; auf diese folgten in diagonaler Stellung vier kleinere grüne Blättchen, die Kronblätter, und auf diese in ganz normaler Anordnung sechs Staminodien; der Fruchtknoten sackartig aufgetrieben, aber noch geschlossen. In einer anderen Blüthe (Fig. 9) folgten auf zwei laterale untere und zwei mediane obere Blättchen vier kleinere Blättchen in diagonaler Stellung, auf diese abermals vier Blättchen in diagonaler Stellung, jenen superponirt, dann zwei laterale Blättchen, dann ein medianes auf der Rückseite der Blüthe, und an dieses schlossen sich noch mehrere kleine grüne Blättchen in spiraliger Aufeinanderfolge an. In anderen Blüthen fehlte nur eins der grünen Blättchen, die an Stelle der kurzen Staubgefässe der 1) Eine Zusammenstellung der älteren Litteratur über vergrünte Blüthen von Cruciferen findet sich bei Peyritsch, Ueber Bildungsabweichungen bei Cruciferen in Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot. VII. p.123 Anm. (1872). — Peyritsch beschreibt in diesem Autsatze ausserdem eine Anzahl vergrünter Blüthen von Arabis alpina mit ganz abnorm ausgebildetem Pistill bei Abort einzelner oder aller übrigen BJüthentheile. ?) Engler, Ueber monströse Blüthen von Barbaraea vulgaris Br., ein Beitrag zur Bestätigung des Dedoublements in der Crueiferenblüthe. Flora 1872. p. 449 fi. ®) Engler (l. c. p. 450) hat an den vergrünten Blüthen von Barbaraea ebenfalls als äussersten Blattwirtel stets zwei laterale Blättehen beobachtet, die „länglich kahnförmig, hohl und am Grunde kurz sackförmig“ gestaltet waren, „wie häufig die Blätter des obern Kelchwirtels vieler Crueiferen“., Dennoch sieht er in diesen Blättchen zwei „unmittelbar an die Kelchblätter herangerückte Vorblätter“. Mir ist nicht recht ersichtlich, weshalb diese Blättchen nieht den lateralen Gliedern des normalen Kelches entsprechen sollen, die ja vielfach an der entwickelten Urueiferen-Blüthe tieter an der Blüthenachse ein- gefügt sind als die medianen. Die oben beschriebenen Blüthen von Brassica zeigten mir überdies alle Uebergänge von einem normal gestalteten Kelch bis zu zwei deutlich getrennten Blattwirteln, einem unteren lateralen und einem oberen medianen, so wie auch Engler die vergrünten Blüthen von Barbaraea beschreibt. .- o 20 normalen Blüthe standen, oder es folgte dem lateralen Blattpaare, das dem Carpidien- wirtel der normalen Blüthe entsprach, noch ein zweiter medianer Blattwirtel, und erst dann begann die spiralige Anordnung der folgenden kleinen Blättchen. (z. B. Fig. 6. — Fig. 7 zeigt eine andere ähnliche Blüthe von abweichendem Blüthenbau.) In allen Fällen aber waren deutlich die vier Blätter des vergrünten Kelches in einen unteren lateralen und einen oberen medianen zweigliedrigen Wirtel geordnet. — An diese Blüthen liessen sich dann solche anreihen, in denen die vergrünten Kronblätter paarweise mehr oder weniger verwachsen waren zu einem lateralen Wirtel von zweispaltigen grünen Blättchen. Solehen Verwachsungen der vergrünten Kronblätter entsprachen dabei meist veränderte Stellungen der vergrünten Staubgefässe. So folgten in einer Blithe (Fig. 10) auf zwei untere laterale und zwei obere mediane vergrünte Kelch- blätter, je mit einer kleinen Knospe in der Achsel, zwei laterale zweigespaltene Plättchen, ebenfalls mit je einer Achselknospe, dann median zwei Blättchen, dann diagonal vier Blättchen, und an diese schloss sich noch eine kleine Knospe spiralig angeordneter kleiner Rlättchen an. In einer anderen Blüthe (Fig. 11) fanden sich zu äusserst zwei laterale, dann etwas höher zwei mediane grüne Blättchen mit Achsel- knospen; darauf folgte ein laterales Blattpaar, dessen linkes Blatt deutlich aus zwei Blättern mit zwei getrennten Achselknospen verwachsen war, während das rechte einfache Blättchen nur eine einzelne Achselknospe in seiner Achsel barg; darauf folgte ein medianes Blattpaar ohne Achselknospen, das hintere Blatt einfach, das vordere zweitheilig, dann ein laterales und darauf wieder ein medianes Paar einfacher Blättchen, an welche sich dann noch mehrere kleinere spiralig angeordnete Blättchen anschlossen. Eine dritte Blüthe (Fig. 12) zeigte auf einander folgend ein laterales, dann ein medianes und wieder ein laterales Paar einfacher Blättchen mit je einer Achselknospe; von dem folgenden medianen Paare war das hintere Blatt mit einer einzelnen Achselknospe zweispaltig, das vordere, ebenfalls mit Achselknospe versehen, einfach; dann folgte ein laterales Paar einfacher Blättchen ohne Achselknospe und nun eine Anzahl spiralig geordneter kleiner Blättchen. Eine andere Blüthe (Fig. 13) ferner zeigte ein laterales, ein medianes und wieder ein laterales Paar einfacher Blättchen mit je einer Achselknospe; dann folgte ein einzelnes grünes Blättchen median vorne, dann diagonal vier Blättchen, von denen die beiden hinteren als unvollständige Staubgetässe ausgebildet waren, und nun eine Anzahl spiralig geordneter kleiner Blättchen. In ähnlicher Weise fanden sich noch mehrere Blüthen, in denen auf ra: = zwei äussere Wirtel einfacher Blättehen mehrere zweigliedrige Wirtel folgten, deren Glieder beide oder einzeln gespalten‘) waren und öfters auch zwei Knospen in der Blattachsel bargen. Dabei standen diese zweispaltigen Blättchen bald lateral, bald median ohne bestimmte Regel. Von den beiden äussersten Wirteln der vergrünten Blüthe aber war stets der äusserste unterste lateral, der obere median gestellt. — An diese vergrünten Blüthen schliessen sich dann andere an, die ausschliesslich aus mehreren alternirenden zweigliedrigen Wirteln einfacher grüner Blättchen mit Achsel- knospen, an die sich dann noch mehrere spiralig angeordnete Blättchen anreihten, aufgebaut waren (Fig. 14). Und diese bieten dann wieder einen einfachen Uebergang dar zu solchen Blüthen-Vergrünungen, wie sie ebenfalls in der vergrünten Blüthen- traube sich vorfanden, in denen aufzwei äussere laterale einfache Blättchen eine grössere Anzahl grüner Blättchen, nach °/, geordnet und zu einer Knospe zusammengeschlossen, direkt nachfolgte. — Es fanden sich eben in der vergrünten Inflorescenz von Brassica oleracea alle Uebergänge von regelmässigen Blüthen mit chlorotisch entwickelten Gliedern bis zu einfachen Laubknospen an Stelle von Blüthen in der Achsel der "bald entwickelten, bald fehlenden Deckblätter. Aus solchen vergrünten Blüthen einen Schluss zu ziehen auf den Bau der normalen Urueiferen -Blüthe, möchte kaum zulässig erscheinen. Die beschriebenen Blüthen und ebenso diejenigen, die Engler (l. c.) beschrieben hat, könnten ja allen möglichen willkürlichen Theorien als Beweisobjekte dienen, wenn man ihnen überhaupt eine bestimmte Beweiskraft zugestehen wollte. So könnte man z. B. aus denjenigen Blüthen, bei denen auf einen äusseren lateralen und einen zweiten medianen blattwirtel ein lateraler Wirtel folgt mit einfachen oder zweispaltigen Blättchen, den Schluss ableiten, dass auch die Blumenkrone der normalen Cruciteren - Blüthe ebenso wie der !) Engler (l. ec.) hat alle derartigen zweispaltigen Blättchen, die auch er vielfach in den ver- grünten Blüthen von Barbaraea antraf, als unvollständig getheilt aufgefasst und ausdrücklich die Annahme, sie seien durch Verwachsung zweier Blättehen entstanden, verworfen. Er führt als Grund gegen diese Annahme hauptsächlich an, dass „eine solche Erklärung auf die absonderlichsten Stellungsverhältnisse füh- ren‘‘ müsste. Allein die „absonderlichsten Stellungsverhältnisse‘“ liegen in diesen vergrünten Blüthen von Mir selbst erscheint in einzelnen Fällen die Annahme, dass die zweispaltigen Blättchen durch seitliche Ver- Barbaraea und Brassica trotzdem thatsächlich vor auch ohne jene Annahme einer Verwachsung. wachsung zweier Blättchen entstanden seien, ganz unvermeidlich, z. B. bei der oben beschriebenen Blüthe fig. 11. In anderen Fällen mag die Spaltung auf den Beginn einer collateralen Chorise zurückzuführen sein. In jedem einzelnen Falle dies bestimmt zu entscheiden, scheint mir bei solchen vergrünten Blüthen unmöglich, Tr zweite Staubgefässwirtel einen zweigliedrigen Wirtel mit collateraler Chorise der beiden Glieder darstelle. Allein, es zeigen diese vergrünten Blüthen insgesammt so abweichend und verschiedenartig gebaute Gestalten, dass wir nicht umhin können zu behaupten, es sei in denselben der Bauplan der normalen Cruciferen-Blüthe ganz unkenntlich geworden, oder es könne doch derselbe zum wenigsten aus solchen vergrünten Blüthen niemals sicher erkannt werden. Sämmtliche abnormen Blüthen, mögen dieselben sich allein durch eine abwei- chende Anzahl der Blüthentheile von den regelmässigen Blüthen unterscheiden, oder mag ein tiefer gehender Unterschied zwischen ihnen und den regelmässigen Blüthen vorhanden sein, erweisen sich somit als durchaus unzureichend, um zwischen den entgegenstehenden Blüthentheorien eine definitive Entscheidung zu treften'). Das Hauptmoment aber, das von den Anhängern der Spaltungstheorie als beweisend angeführt wird, ist die Entwicklungsgeschichte der normalen Crueiferen- Blüthe. Allein leider lassen auch die Thatsachen dieser Entwicklungsgeschichte eine verschiedenartige Deutung zu. Der wesentlichste Unterschied der beiden entgegenstehenden Blüthentheorien liegt in der verschiedenartigen Auffassung des Andröceums. Der äussere untere Staubgefässwirtel zeigt in der entwickelten Cruciferen-Blüthe normal zwei laterale t) Ich gehe bei dieser Beurtheilung des Werthes der vergrünten Blüthen noch etwas weiter als Engler (l. e.), der in den durchweg zweigliedrigen Wirteln mit einfachen oder zweispaltigen Blättchen, wie er sie bei Barbaraea beobachtet hat, eine Stütze findet für die Annahme einer eollateralen Chorise im inneren Staubgefässwirtel, während dieselben Gestalten für eine analoge Annahme hinsichtlich des Blumenkron- wirtels nichts beweisen sollen. „Eine vorurtheilsfreie Betrachtung dieser Verhältnisse, wie sie in Fig. 2, 5, 9, 11, 12, 14, 15 dargestellt sind, stellt ausser Zweifel, dass zum Typus der Crueiferen-Blüthe 2 zwei- gliedrige Staubblattwirtel gehören, deren einzelne Glieder sich dedoubliren können, während es in der Regel nur der obere mediane thur“. (p. 454). „— die besprochenen Monstrositäten zeigen nur, dass derselbe“ (d. i. der Corollenwirtel) „durch einen zweigliedrigen ersetzt werden kann; aber nicht, dass der- selbe ursprünglich zweigliedrig ist“. (p. 455) — Engler glaubt eben aus anderen Gründen an die Chorise des oberen Staubgefässwirtels und verwirft die Annahme einer Chorise beim Corollenwirtel: daher das verschiedene Urtheil iiber die Beweiskraft der beschriebenen Monstrositäten in beiden ganz analogen Fragen. et kurze Staubgefässe. Die Beobachtung der Entwicklungsgeschichte') lässt von weiteren Gliedern dieses Wirtels keine Spur auffinden; darin stimmen alle Beobachter unter- einander überein. Die Spaltungstheorie Eichler's nimmt hier nun einfach einen zweigliedrigen lateralen Staubgefässwirtel an. Die Aborttheorie dagegen findet hier einen viergliedrigen quermedianen Wirtel, dessen mediane Glieder ablastiren. Ein solches vollständiges Fehlen einzelner Wirtelglieder ohne all und jede Spuren, ein solcher Ablast von Blüthentheilen, die doch im Bauplan der Blüthe vorhanden sind, wird nun aber von sämmtlichen Morphologen?), mögen sie der Aborttheorie oder der Spaltungstheorie sich anschliessen, im Allgemeinen als thatsächlich vorkommend anerkannt. Zur Annahme eines solchen Ablastes sind im einzelnen Falle andere Momente entscheidend, die Entwicklungsgeschichte allein gibt keine Entscheidung. So ist denn auch hier in der Crueiferen-Blüthe das vollständige Fehlen aller Spuren der medianen Glieder im normalen Gange der Blüthenentwicklung, auch im Sinne Eichler's?), keineswegs entscheidend gegen die Auffassung der Aborttheorie. Die Thatsachen lassen auch im Sinne Eichler's beide Deutungen zu, sowohl die der Aborttheorie, wie auch diejenige der Spaltungstheorie. Hinsichtlich des inneren Staubgefässwirtels weichen die Angaben der Beobachter von einander ab. Payer*) und Eichler’) lassen bei der Entwicklung ‘der vier langen Staubgefässe zuerst zwei mediane verbreiterte Höcker auftreten, aus deren 1) Nach A. Chatin (Comptes rendus 1874. tom. 78. p. 121) werden diese beiden kurzen Staub- gefässe erst angelegt, nachdem die langen Staubgefässe angelegt sind, während alle übrigen Beobachter das entgegengesetzte Verhalten beschreiben und abbilden. Nur bei Cheiranthus Cheiri soll nach Payer (Organogenie de la fleur p. 211) zuerst das vordere Paar der langen Staubgefässe angelegt werden, dann die beiden seitlichen kurzen Staubgefässe und zuletzt erst das hintere Paar; eine Angabe, die jedoch späterhin von Wretschko entschieden in Abrede gestellt ward. 2) Von jener Richtung der Morphologie, die im Diagramm der Blüthe einzig und allein die beob- achteten Thatsachen wiedergeben will, sei hier vorläufig abgesehen. — Von der Bedeutung des Ausdrucks „Ablast‘‘ wird ebenfalls späterhin noch weiter die Rede sein. 3) Eichler selbst (Flora 1865. p. 519) nimmt in den zweimännigen Blüthen von Zepidium ohne Bedenken den vollständigen Abort d.i. Ablast der beiden lateralen Staubgefässe an, obwohl er beim Studium der Entwicklungsgeschichte keine Spur derselben aufzufinden vermochte. 4) Payer, Traite d’organogenie comparede de la fleur. 1857. p. 211. taf. 44, 5) Eichler, Ueber den Blüthenbau der Fumariaceen ete. Flora 1865. p.517 ff. und Einige Bemer- kungen über den Bau der Crueiferen-Blüthe und das Dedoublement, Flora 1869. p. 97 #. em Oberfläche dann je zwei kleine Höcker hervorwachsen und sich allmählich zu den einzelnen langen Staubgefässen ausbilden. Dagegen entstehen nach den älteren Angaben von Krause!), P. Duchartre?), Ad. Chatin?) und den neueren von Wretschko*) und Ad. Chatin?) die vier langen Staubgefässe von Anfang an als getrennte Höcker an (der Blüthenanlage, so zwar, dass sie häufig paarweise einander genähert sind. Bestimmt zu entscheiden, welche dieser Darstellungen thatsächlich richtig ist, ist nicht leicht, ja ich möchte behaupten, ist gradezu unmöglich. Beschränkt man sich bei derBeobachtung der Blüthenentwicklung auf die Beobachtung der Höcker, wie das bisher meist geschehen ist, so wird es in vielenFällen unmöglich, eine ein- seitige Verbreiterung, eine lokale Anschwellung der Blüthenachse von einem flachen Blatthöcker zu unterscheiden. Es ist ja eine sehr häufig zu beobachtende Thatsache, dass die Achsenspitze vor der Anlage eines neuen Blattes oder Blattwirtels sich etwas ungleichmässig verbreitert. Eine solche Verbreiterung der Achsenspitze von dem Auftreten eines ganz flachen Blattprimordiums zu unterscheiden, dazu gibt es oftmals ganz und gar kein Mittel ausser der subjektiven Willkür. Jene Primordien der medianen Staubgefässpaare der Crueiteren-Blüthe sind aber auch nach Eichler's eigener Darstellung*) sehr flach und wenig deutlich und lassen gleich nach ihrem ersten Siehtbarwerden die einzelnen Staubgefässanlagen hervorsprossen. Da mag denn eine Entscheidung der Frage, ob man hier mit Eichler von zwei medianen Primor- dien, aus denen die Staubgefässpaare hervorsprossen, reden soll, oder mit Wretschko von vier getrennten Primsrdien der Staubgefässe, die aus der Blüthenachse selbst direkt hervortreten, eine ziemlich schwierige sein. Oder vielmehr die Entscheidung 1) Krause, Einige Bemerke über den Blumenbau der Fumariaceae und Cruciferae. Botanische Zeitung 1846. p. 142. 2), P. Duchartre, kevue botanique. Tome II. 1846—1847. p. 207. 3) Ad. Chatin, Sur l’androcde des Cruciferes in Bulletin de la societe botanique de France, Tome VIII. 1861. p. 373, 471 ft. 4) Wretschko, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Cruciferen-Blüthe. Sitzungsb. der k. Akad. d. Wissensch. zu Wien Band LVIH. (Jahrg. 1868.) Abth. I. p. 6 ff. des Sep. Abdr. 5) Ad. Chatin, Örganogenie comparde de l’androcee, in Comptes rendus des seances de l’aca- demie des sciences. 1874. tome 78. p. 121 ff. und Quelques faits generaux qui se degagent de l’andro- genie comparee, in Comptes rendus 1784. p. 819—820. 6, Flora 1869. p. 99: „Die gemeinsamen Primordien der langen Staubgefässe sind breit und flach, in der Mitte nicht merklich höher als am Rande, gegen die Axenspitze nicht sehr deutlich abgegrenzt.“ ist hier eine rein willkürliche, da es sich darum handelt, ob man eine nicht sehr deutliche, breite und flache Anschwellung als Blattprimordium bezeichnen, oder ob man darin nur eine bedeutungslose Anschwellung der Blüthenachse erkennen will. Die Thatsachen, so wie sie in Eichler’s und Wretschko’s Abbildungen wieder- gegeben sind, lassen beide Ausdrucksweisen zu. Allein auch wenn jene beiden angeblichen Primordien in der Mediane der Blüthe noch weit deutlicher als einzelne Querwülste hervorträten, als dies nach Eichlers (und Payer's) Abbildungen der Fall ist, so wäre auch damit noch keines- wegs bewiesen, dass in der Cruciferen-Blüthe die vier langen Staubgefässe einen medianen zweigliedrigen Wirtel mit seitlicher Spaltung der beiden Glieder bilden. Die Entwicklungsgeschichte der phanerogamen Blüthen zeigt uns zahlreiche Beispiele dafür, dass zwei oder mehrere einfache Blüthentheile mit einem einzelnen gemeinsamen Primordium beginnen, aus dem erst weiterhin die einzelnen Theile getrennt hervor- sprossen!). Es sei nur kurz an die zahlreichen Fälle erinnert, in denen die Anlage eines Blüthenwirtels mit dem Auftreten eines vollständig geschlossenen Ringwalles beginnt, aus welchem später die einzelnen Glieder frei oder mehr oder weniger an der Basis zusammenhängend hervortreten, z. B. die Andröceen von Papaver?), Capparis?), Cistus*), Helianthemum*) u. s. w. Bei den Primulaceen entstehen ferner bekanntlich die Petala zugleich mit den superponirten Staubgefässen je als einzelne kleine Primordien an der Blüthenachse?). Ebenso könnten nun auch im vorliegenden Falle bei den Cruciferen die vier langen Staubgefässe paarweise vereint in Gestalt einfacher Primor- dien zuerst hervortreten und erst weiterhin als getrennte freie Organe sich ausbilden. Die Entwicklung zweier deutlicher medianer Höcker, viel deutlicher noch als sie nach Eichlers (und Payer's) Abbildungen in Wirklichkeit sind, wäre somit noch lange kein Beweis dafür, dass hier zwei mediane Staubgefässe vorhanden sind, die sich normal in zwei Hälften spalten. Es liessen die Thatsachen ganz ebenso gut die 1) „Die Verwachsung tritt mitunter so früh ein, dass die T'heile mit einfachem Primordium in die Erscheinung treten“, sagt auch Eichler (Blüthendiagramme p. 5.). 2) Payer, Organogenie de la fleur. pl. 47. 3) Payer, l. c. p. 204. pl. 41. a), Payer, lsespgloepleo: 5) Pfeffer, Zur Blüthenentwicklung der Primulaceen und Ampelideen, in Pringsheim’s Jahrb. f. wiss, Bot. VIII. p. 194 ff. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 4 - 26 - Deutung zu, dass von den vier einzelnen diagonalen Staubgefässen je zwei paarweise vereint in Gestalt eines einzelnen medianen Primordiums zuerst in die Erscheinung treten. Umgekehrt würde aber auch ein viergliedriger diagonaler Wirtel noch keines- wegs bewiesen sein, wenn bei der ersten Anlage die vier langen Staubgefässe als vier zweifellos getrennte einzelne Primordien an der Blüthenachse sichtbar würden. Die collaterale Spaltung geht ja oft so weit, dass die Theile des einzelnen Blattes von Anfang an als gänzlich gesonderte Höcker hervortreten, so z. B. im Andröceum der Polygonaceen und Phytolaccaceen') und in manchen anderen Fällen. So könnte man auch hier im Andröceum der Cruciferen die vier langen Staubgefässe auffassen als einen zweigliedrigen medianen Wirtel mit congenitaler Spaltung der Glieder, auch wenn die vier langen Staubgefässe als einfache getrennte Primordien zuerst sichtbar würden. Die Thatsachen würden dieser Auffassungsweise sicher nicht im Wege stehen. Die Entwicklungsgeschichte vermag somit hier im Andröceum der ÜUrueiferen gar kein bestimmtes, entscheidendes Urtheil abzugeben, weder für die Spaltungstheorie, noch für die Aborttheorie?). Die Thatsachen lassen beide genannten Deutungen zu. Beide Theorien können für ihre Auffassung der Thatsachen Analogien aus der Eutwicklungsgeschichte anderer Blüthen anführen und dadurch dieselbe rechtfertigen. Ihre eigene Auffassungsweise als die einzig richtige nachzuweisen und damit die entgegengesetzte zu widerlegen, das vermag weder die eine, noch die andere Theorie. — Die Entwicklungsgeschichte, soweit wir sie bisher berücksichtigt haben, beschränkt sich aber auf die Beobachtung der Höcker, sie geht somit noch keines- wegs auf die allerersten Anlagen der einzelnen Blüthentheile zurück. Das Sichtbar- werden eines Höckers an der Aussenfläche der Achsenspitze geht Hand in Hand mit reichlicher Vermehrung und Vergrösserung der Zellen im Inneren des ganzen Organes. Diese neue Vermehrungsweise der Zellen durch 'T'heilung beginnt aber schon lange vor dem ersten Hervortreten des betreffenden Höckers an der äusseren Oberfläche. Will man also auf die erste Anlage der Primordien zurückgehen, so hat man die ersten Zelltheilungen, die zur Anlage eines solchen Höckers führen, zu berücksichtigen. 1, A. Chatin, Organogenie comparee de l’androcde ete., in Comptes rendus hebdomadaires 1874. Tome 78. p. 174 ff,, p. 254 ff. 2) Das hat auch Eichler selbst in der Flora 1869. p 101 — 102 ausgesprochen. men ER Eine solche Untersuchung der Entwicklungsgeschichte der Cruciferen-Blüthe aber liegt heutigen Tages noch nicht vor. Allein auch sie würde noch nicht im Stande sein, ein entscheidendes Urtheil in der vorliegenden Frage zu ermöglichen. Selbst wenn die ersten Zelltheilungen, die zur Anlage eines Paares der langen Staubgefässe hin- fiihren, an einem Punkte in der Mediane der Blüthe stattfänden, selbst dann würde die Annahme, dass hier je zwei differente Staubgefässe mit gemeinsamem Primordium ihre Entwicklung beginnen, noch keineswegs widerlegt sein; denn auch bei Primula beginnen die Zelltheilungen, die zur Anlage des gemeinsamen Primordiums von Kronblatt und Staubgefäss hinführen, an einer einzelnen Stelle, es entsprechen den beiden differenten Blüthentheilen keineswegs differente Anfangspunkte der Zelltheilung. Umgekehrt würden vier difterente Anfangspunkte der Zelltheilung in der Diagonale der Blüthe noch keineswegs die Annahme eines medianen zweigliedrigen Staubgefässwirtels mit congenitaler Spaltung ausschliessen: denn diese Spaltung könnte ja ebenso gut bis auf die allerersten Zelltheilungen zurückgehen und schon mit diesen congenital sein'). Endlich würde eine unregelmässige Vertheilung der Anfangspunkte jener Zelltheilungen, die zur Anlage der vier langen Staubgefässe hinführen, von keimer der beiden entgegenstehenden Theorien auch nur mit einigem Scheine von Berechtigung zum Beweise resp. zur Widerlegung benutzt werden können. So ergibt sich also, dass auch eine Untersuchung der Entwicklungsgeschichte, die bis auf die einzelnen Zelltheilungen zurückgeht, weder für die eine, noch für die andere Blüthentheorie beweisend oder widerlegend sein kann?). Wie die Resultate dieser Untersuchung auch ausfallen mögen, beide Auftassungsweisen der Orueiferen- 1) Die bisher vorliegenden Untersuchungen der Entwieklungsgeschichte, die bis auf die Zellen zurückeehen, haben ja schon Beispiele genug dafür nachgewiesen, dass die Zelltheilung, die zur Anlage emes einzelnen Blattes hinführt, namentlich bei breiteren Primordien an mehreren Stellen des inneren ‚Gewebes beginnt. Keineswegs finden wir, dass bei der Anlage eines Blattes die Zelltheilung stets an einem Punkte, dem Insertionspunkte des betreffenden Blattes, beginnt und von da aus regelmässig nach beiden Seiten hin fortschreitet. Dieses letztere Verhalten müsste aber notlıwendig erst als das allgemein gesetzmässige nachgewiesen werden, wenn man das Auftreten von vier getrennten Anfangspunkten der Zelltheilung in der Diagonale der Blüthe verwerthen wollte als Beweis gegen die Annahme eines medianen zweigliedrigen Wirtels mit congenitaler Spaltung. 2) Aus diesem Grunde habe ich es auch unterlassen, eine solche Untersuchung der Entw icklungs- geschichte bis auf die ersten Zelltheilungen zu unternehmen. Das Resultat einer solehen Untersuchung würde für die Frage, die unserer ganzen Erörterung zu Grunde liegt, gar keine Entscheidung gewähren. 4% Bee er Blüthe werden sich mit gleicher Leichtigkeit damit vereinigen lassen. Und es gilt somit von dieser Untersuchung der Blüthenentwicklung bis auf die einzelnen Zell- theilungen hin ganz dasselbe, was von der Entwicklungsgeschichte, die nur Höcker berücksichtigt, gesagt werden musste: sie beweist weder, noch widerlegt sie eine der beiden T'heorien.') — Allein die ersten Zelltheilungen sind noch keineswegs die allerersten Anfänge der Entwicklung einzelner Blüthentheile. Den ersten Zelltheilungen gehen noch eine Reihe einleitender Gestaltungsprozesse innerhalb derjenigen Zellen, die sich zuerst theilen, voraus. Es sind diese Vorgänge bis jetzt allerdings der Beobachtung gänz- lich unzugänglich. Allein auch wenn dieselben vollständig zugänglich und sichtbar wären, so würden auch diese ein entscheidendes Urtheil der morphologischen Forschung noch keineswegs ermöglichen. Es würde damit ganz ebenso ergehen, wie mit den Thatsachen der Entwicklungsgeschichte, die sich in dem Auftreten von Höckern oder von ersten Zelltheilungen aussprechen. Beiderlei Blüthentheorien würden sich ganz in gleicher Weise damit vereinigen lassen, die Thatsachen würden ebenso gut nach der einen, wie nach der anderen Auffassungsweise sich deuten lassen. Dies im Einzelnen nachzuweisen an den verschiedenen denkbaren Möglichkeiten jener Gestal- tungsprozesse, ist wohl kaum nothwendig, die Analogie der „Höckermethode“ und der Zellenmethode zeigt ja leicht, in welcher Weise dies etwa geschehen könnte. Und so 1) Ein ganz anderes Urtheil über den Werth und die Beweiskraft einer Untersuchung der Blü- thenentwicklung bis auf die einzelnen Zelltheilungen bat Eichler in seinem Aufsatze in der Flora 1869 ausgesprochen. Dort (p. 102 Anm.) bezeichnet er „die von der ersten Zelle an geführte Entwickelungsge- schiehte“ geradezu als „das einzige und entscheidende Beweismittel morphologischer Forschung.“ Und doch sagt er in derselben Anmerkung, dass es denkbar sei, dass zwei differente Blätter schon „mit den ersten Zellen verwachsen‘ oder dass Blätter „schon mit den ersten Zellen sich theilen.“ Wie soll man denn im einzelnen Falle entscheiden, ob hier zwei Blättchen, die mit den ersten Zellen verwachsen, angelegt werden oder nur ein einzelnes Blatt, und ebenso ob ein einzelnes Blatt angelegt wird, das mit den ersten Zellen’ sich theilt, oder zwei differente Blätter? Darüber vermag auch das „einzige und entscheidende Beweismittel morphologischer Forschung“ eine bestimmte Entscheidung nicht zu gewähren. — Ein entschei- dendes Beweismittel morphologischer Forschung würde die Untersuchung der ersten Zelltheilungen nur dann sein, wenn es feststünde, dass bei der Anlage eines Blattes die Zelltheilungen stets an einem einzelnen Punkte, dem Insertionspunkte des betreffenden Blattes, beginnen und von hier aus fortschreiten, und dass umgekehrt ein jeder derartiger Anfangspunkt von Zelltheilungen die erste Anlage eines Blattes darstellt. Das ist aber thatsächlich entschieden nicht der Fall. Z a lange nicht der Versuch gemacht ist, in einem bestimmten Falle den Beweis einer morphologischen Deutung in bestimmten derartigen Gestaltungsprozessen des Zell- plasmas zu suchen, erscheint es unnöthig, ausführlicher gegen die Beweiskraft dieser gründlichen Entwicklungsgeschichte anzukämpfen. Es genügt hier vollständig, darauf hinzuweisen, dass auch dieser Methode entwicklungsgeschichtlicher Forschung in morphologischen Fragen dieselbe Beweiskraft zukommt, wie der Höckermethode oder Zellenmethode: eine entscheidende Beweiskraft tür die eine oder die andere Blüthen- theorie besitzt die Entwicklungsgeschichte überhaupt nicht. Ganz dasselbe, was wir bisher in Bezug auf den Hauptdifferenzpunkt der beiden entgegenstehenden Blüthentheorien, die Zusammensetzung des Andröceums, von der Entwicklungsgeschichte zu sagen hatten, ganz dasselbe gilt auch in Bezug auf die übrigen Differenzpunkte: die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte lassen beiderlei Erklärungen zu. Berücksichtigen wir zunächst die Entstehung des vierblättrigen Kelches, so werden nach Eichler’s') und Wretschk.o’s?) Darstellung zuerst an der Blüthen- anlage die medianen Blättchen entwickelt, bald das vordere, bald das hintere zuerst, und darnach erst entstehen gleichzeitig die lateralen Kelchblätter?), mit jenen auf gleicher Höhe. Späterhin bewirkt häufig eine ungleiche Entwicklung des Blüthen- bodens eine deutlich tiefere Insertion dieser lateralen Kelchblätter. Diese vier Kelch- blätter mögen somit, wie es von der Spaltungstheorie geschieht, als zwei zweigliedrige Wirtel gedeutet werden, von denen der mediane zuerst angelegt wird und den äusseren Wirtel darstellt, der später entwickelte laterale dagegen den zweiten inneren Wirtel bildet, öfters mit einer nachträglichen Verschiebung der Insertionshöhe. Man kann aber auch die Anordnung der beiden Wirtel umgekehrt auffassen und den lateralen, häufig tiefer inserirten Wirtel als den äusseren Wirtel betrachten, den medianen als den inneren, indem man annimmt, dass die Reihenfolge in der Entwicklung beider Wirtel umgekehrt worden sei, wie dies ja öfters bei den beiden Staubgefässwirteln 1) Eichler in Flora 1865. p. 517, vgl. auch Flora 1869. p. 98 Anm, 2) Wretschko im Sitzb. d. k. Akad. d, Wissensch. zu Wien. Band LVIII. 1868. p.5 des Sep. Abdr. ®) Nach Payer (Organogenie de la fleur. p. 210) soll bei Cheiranthus Cheiri zuerst das vordere Kelchblatt angelegt werden, dann die beiden seitlichen und zuletzt das hintere. Eichler (Flora 1865. p. 517 Anm.) und Wretschko (l.c. p. 6) haben diese Angabe nicht bestätigen können. FRE wet diplostemoner Blüthen (z. B. der Commelinaceae ') zu beobachten ist. Die oben beschrie- benen vergrünten Blüthen, ebenso wie zahlreiche normale Cruciferen-Blüthen, bei welehen im entwickelten Zustande die lateralen Kelehblätter deutlich tiefer an der Blüthenachse inserirt sind, als die medianen, würden sehr für eine derartige Deutung des Kelches sprechen. — Die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte lassen sich aber ebenso leicht auch mit der Aborttheorie vereinigen, die in diesen vier Kelchblättern nur einen einzigen quermedianen viergliedrigen Wirtel sieht. Eine ungleichzeitige Entstehung der einzelnen Glieder eines Wirtels ist ja bei den Blüthen der Phanero- gamen eine sehr häufige Erscheinung, und namentlich geschieht dies sehr häufig bei dem Kelchwirtel. Die Glieder eines viergliedrigen Wirtels in quermedianer Stellung ordnen sich dabei häufig in zwei zweigliedrige Wirtel, die nach einander angelegt werden, mag nun der mediane oder der laterale Wirtel zuerst entstehen. Beispiele finden sich für diese Entwieklungsweise eines viergliedrigen Kelches vielfach, z. B. bei den Melastomaceae?), Onagraceae?), Trapaceae*), Urticaceae?) u.a. Und so können denn auch die vier Kelehblätter der Crueiferen - Blüthe trotz ihrer suecedanen Ent- wieklung als ein einfacher viergliedriger quermedianer Wirtel gedeutet werden, so wie es die Aborttheorie verlangt. Ebenso wie beim Kelche lassen sich aber auch beim Fruchtknoten der normalen Öruciferen-Blüthe beiderlei Blüthentheorien in gleicher Weise mit den Thatsachen vereinigen. Die Entwicklungsgeschichte, so wie sie Payer und Eichler beschrieben und durch Abbildungen erläutert haben, zeigt das Auftreten zweier lateraler Öarpidien, die zusammen zu dem normalen Fruchtknoten heranwachsen®) Von medianen Oarpidien, 1) Vgl. Eichler, Blüthendiagramme p. 142. 2) Payer, Organogenie de la fleur. p. 495. 3) ]. e. p. 450. pl. 9. 4) ]. c. p. 455. pl. 106. 5) 1. e. p. 275. pl. 60. 6) Huisgen (Untersuchungen über die Entwicklung der Placenten. Inaug. Diss. Bonn 1873. p. 14—16) schildert die Entwieklung des Fruchtknotens von Cheiranthus Cheiri etwas genauer, als dies die früheren Darstellungen der Cruciferen -Blüthenentwicklung gethan hatten. Er betont dabei besonders die frühe Anlage und Anfangs überwiegende Ausbildung der Placenten der übrigen Fruchtknotenwandung ge- genüber. Dieses frühzeitige deutliche Hervortreten der Placenten hat ihn veranlasst, diese Placenten als einen medianen zweigliedrigen Blattwirtel aufzufassen, alternirend mit dem eigentlichen lateralen Carpidien- wirtel. — Wir werden weiterhin noch näher auf diese Anschauungsweise zurückkommen. ee die angelegt würden, aber nicht zur Ausbildung gelangten, ist nichts zu beobachten. Dieser thatsächliche Vorgang entspricht nun ebenso gut der einen Auffassungsweise, die nur einen zweigliedrigen lateralen Carpidienwirtel annimmt, wie auch jener anderen Ansicht, die hier einen quermedianen viergliedrigen Wirtel mit normalem Ablast der medianen Glieder erblickt. Und auch die Entwicklungsgeschichte des vierzähligen Fruchtknotens bei jener Varietät von Nasturtium palustre R. Br. (Tetrapoma' barbaraeifolia Turez.) lässt, soweit Payer’s Angaben (l- c. p.211—212) ein Urtheil erlauben, die beiden verschiedenen Auffassungsweisen als berechtigt zu. Es bleibt somit auch hier beim Kelch und Fruchtknoten ganz dasselbe Urtheil in Geltung, das wir in Betreff der Entwicklungsgeschichte bei Besprechung des Andröceums aussprechen mussten: Die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte lassen beiderlei Deutungen zu, die Aborttheorie eben sowohl, als auch die Spaltungstheorie; die Entwicklungsgeschichte besitzt keineswegs eine entscheidende beweisende Kraft für die eine oder die andere jener beiden Theorien. — So ergibt sich also für die Beurtheilung der beiden entgegenstehenden Theorien der Crueiferen-Blüthe, der Aborttheorie und der Spaltungstheorie, das gleiche Resultat, mögen wir die entwickelten Blüthen nach ihrer verschiedenartigen, normalen oder abnormen Gestaltung ins Auge fassen, oder mögen wir die einzelnen Thatsachen der Entwicklungsgeschichte berücksichtigen: Die Thatsachen lassen sich sämmtlich in gleicher Weise mit der Aborttheorie, wie mit der Spaltungstheorie vereinigen. Zu beweisen vermögen wir durch die Thatsachen keine der beiden Theorien. Und doch schliesst ja die eine Theorie die andere vollständig aus, es können unmöglich beide Theorien zugleich richtig sein. Alle Methoden, die bisher die morphologische Forschung ausfindig gemacht und benutzt hat, lassen uns im Stich, wenn es gilt, hier die eine oder die andere Theorie zu beweisen. Da erhebt sich von selbst die Frage, ob denn hier ein Beweis überhaupt möglich ist. In der That, die vorliegende Frage morphologischer Forschung gehört in das Gebiet jener Spekulationen, bei denen von exakten Beweisen gar nicht die Rede ist. Eine Erörterung des Begriffes „Blüthendiagramm“ wird dies deutlich nachweisen, II. Die Bedeutung der Blüthendiagramme. Man pflegt allgemein ein empirisches und ein theoretisches Blüthendiagramm zu unterscheiden. Jenes soll allein die Thatsachen der äusseren Erscheinung einer Blüthe wiedergeben, dieses zugleich die Erklärung der betreffenden Einzelblüthe enthalten. Diese einfache Unterscheidung reicht jedoch keineswegs aus. Es bedarf viel- mehr durchaus einer genaueren Besprechung der einzelnen Begriffe. Thatsächlichb gegeben sind in der Natur allein die Einzelblüthen in ihrer so ausserordentlich grossen Mannigfaltigkeit der Gestaltung. Diese einzelnen Blüthen in all ihren Entwicklungsstadien ausführlich zu beschreiben oder durch Abbildungen genau wiederzugeben, ist nun für manche Zwecke der wissenschaftlichen Betrachtung ganz überflüssig, so z. B. für dieZwecke der beschreibenden Systematik. Man begnügt sich hier mit der Beschreibung eines einzelnen Entwicklungsstadiums, der Beschrei- bung der Blüthe zur Zeit der Geschlechtsreife der Geschlechtsorgane. Für manche Zwecke ist aber auch eine austührliche Beschreibung dieses einen Entwicklungs- stadiums noch zu ausführlich, vielfach reicht es aus, die Anzahl der einzelnen verschiedenartigen Blüthentheile und ihr gegenseitiges Stellungsverhältniss innerhalb der fertigen Einzelblüthe zu kennen. Diese ausschliesslich räumlichen Verhältnisse lassen sich nun natürlich leicht durch einfache geometrische Construktionen wieder- geben. Und solche einfachen geometrischen Oonstruktionen stellen eben die empirischen Blüthendiagramme dar. Es sind Horizontalprojektionen der Blüthen, in denen die verschiedenen einzelnen Blüthentheile durch verschiedene schematische Zeichen dar- gestellt und ihr gegenseitiges Stellungsverhältniss durch die Anordnung dieser schema- tischen Zeichen wiedergegeben werden soll, Bei der Oonstruktion solcher rein empirischen Blüthendiagramme haben alle theoretischen Spekulationen fern zu bleiben. Nur allein die thatsächlich vorhandenen einzelnen Blüthentheile sind in ihrer bestimmten gegenseitigen Stellung in das Diagramm einzutragen. Alle einzelnen Theile der Blüthe, die von der beschreibenden Botanik als besondere Blüthentheile unterschieden und mit besonderen Namen belegt werden, müssen durch besondere schematische Zeichen ausgedrückt und im Blüthendiagramme je nach ihrer bestimmt gegebenen Anordnung eingetragen werden: sobald jedoch ausserdem noch theoretische Spekulationen, Deutungen einzelner Blüthentheile u. s. w. berück- sichtigt werden, hört damit sofort das Diagramm auf, ein rein empirisches zu sein. So ist vor allen Dingen im empirischen Diagramm absolut kein Raum für die gesammte Metamorphosenlehre und alle ihre Folgerungen in Bezug auf die Deutung und Beurtheilung der einzelnen Blüthentheile. Diese Anschauungsweise, die in der Blüthe einen metamorphosirten verkürzten Spross sieht, die sämmtliche Kelchblätter, Blumenblätter, Staubgefässe etc. als eigenartig ausgebildete Phyllome einer verkürzten Blüthenachse betrachtet, diese Anschauungsweise ist in der Natur keineswegs unmittel- bar gegeben, sie ist vielmehr aus der zusammenfassenden, vergleichenden Betrachtung einer grossen Menge von Einzelgestalten abgeleitet worden, sie ist das Resultat theoretischer Spekulation und darf deshalb dort durchaus keine Berücksichtigung finden, wo es sich allein darum handelt, die Thatsachen der unmittelbaren Beobach- tung zusammenzustellen, So ist z B. an dem mehrfächerigen Fruchtknoten von einer Zusammensetzung aus mehreren Fruchtblättern direkt gar nichts zu beobachten: das empirische Diagramm kann deshalb auch von Fruchtblättern gar nicht reden, es hat vielmehr einfach die spe- cielle Gestaltung des Fruchtknotens durch ein bestimmtes schematisches Zeichen wieder- zugeben. Bei den sg. sympetalen Dikotylen zeigt uns ferner die unmittelbare Beob- achtung nichts weiter als eine einzelne röhrenförmige, radförmige etc. Blumenkrone mit beispielsweise fünftheiligem Saum; die direkte Beobachtung zeigt nichts von fünf verwachsenen Blumenblättern:.das empirische Diagramm kann somit auch nicht von fünf Blumenblättern sprechen, sondern einzig und allein von einer einzelnen Blumenkrone. Aehnliches gilt von zahlreichen anderen unmittelbar gegebenen Blüthentheilen. Die sg. verzweigten Staubgefässe z. B sind vielfach 'Thatsachen der Beobachtung: ob dies verzweigte oder verwachsene Staubblätter seien, das lehrt die direkte Beob- achtung nicht. — In der Blumenkronröhre der Borragineen und der Sapotaceen finden sich vielfach kleine Schüppchen. Die unmittelbare Beobachtung zeigt dieselben als Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 5 ei thatsächlich vorhanden. Die Spekulation belehrt uns, dass dieselben bei den Borra- gineen unwesentliche, bei den Sapotaceen wesentliche Blüthentheile, modifieirte Phyllome seien. Das empirische Diagramm kann aber allein die Thatsachen der Beobachtung wiedergeben ohne Berücksichtigung der Spekulation und hat deshalb in beiden Fällen in gleicher Weise diese Schüppchen zu berücksichtigen. Zahlreiche andere Beispiele liessen sich ausserdem noch anführen, um zu bewei- sen, wie sehr die ausdeutende Spekulation sich eindrängt selbst in die gewöhnlichen einfachsten Ausdrücke der Terminologie, während doch das empirische Diagramm von all und jeder Spekulation ganz frei und unabhängig bleiben soll. Es sei hier nur allein auf die sg. calycifloren Blüthen der Dikotylen und die Blüthen mit unter- ständigem Fruchtknoten hingewiesen. Von Verwachsung getrennter Blüthentheile zeigt die direkte Beobachtung keine Spur: das empirische Diagramm kann deshalb hier nimmer von verwachsenen Kelchblättern etc. reden, sondern hat allein alle jene thatsächlich gegebenen Verhältnisse in schematisch abgekürzter Form wiederzugeben.') — Beobachtet man diese wesentliche Forderung, dass das rein empirische Diagramm nur allein die empirischen Thatsachen in abgekürzter Form wiedergeben kann und soll, so ergeben sich in Bezug auf die seither aufgestellten, angeblich empirischen Diagramme einige nicht unwesentliche Bemerkungen. Vor Allem muss sofort einleuch- ten, dass die bisher gebräuchlichen Zeichen für Kelchblätter, Kronblätter, Staubbläter und Carpidien bei weitem nicht ausreichen zur Aufstellung der empirischen Diagramme. Nur beim Pistill hat man bis jetzt thatsächlich verschiedene einzelne schematische Zeichen benutzt zur Darstellung der verschiedenen Gestalten, die der Fruchtknoten darbietet (z. B. in Sachs, Lehrbuch der Botanik). Kelch und Blumenkrone aber werden bisher fast ganz allgemein durch einzelne getrennte Zeichen als zusammen- gesetzt aus differenten Phyllomen dargestellt ohne Rücksicht darauf, ob dieselben „treiblättrig“ oder „verwachsenblättrig“ sind. Und.doch weiss ja die empirische . Beobachtung bei verwachsenblättriger Blumenkrone von dem Verwachsensein mehrerer Blätter ganz und gar nichts. Es gehen eben thatsächlich fast alle Autoren, die seither sich damit beschäftigt haben, empirische Diagramme zu entwerfen, von dem Standpunkte der Metamorphosenlehre aus und tragen diese Anschauungsweise mehr 1) Dieser Definition des empirischen Diagramms zufolge kann natürlich auch niemals in einem solehen Diagramm von Blüthentheilen, die nicht thatsächlich vorhanden sind, die Rede sein. Ablastirende Blüthentheile können in einem rein empirischen Diagramm nicht berücksichtigt werden. .— 355 — oder weniger unbewusst in die einfache Beobachtung und die abgekürzte Wiedergabe der beobachteten Tlhatsachen hinein. — Der wissenschaftliche Werth, der solehen rein empirischen Blüthendiagrammen zukommt, ist nun ein recht bedeutender. Sie geben in abgekürzter und deshalb leicht übersichtlicher Form die einzelnen Thatsachen der Beobachtung wieder. Sie bieten dadurch einer vergleichenden Betrachtung der thatsächlichen Einzelfälle ein ausserordentlich bequemes Hülfsmittel dar. Eine vergleichende Betrachtung der rein empirischen Blüthendiagramme wird somit am besten geeignet sein, die Regeln und Gesetze, die sich in der Mannigfaltigkeit der Gestaltenbildung bei den Blüthen der Phanerogamen autfinden lassen, zu ermitteln.) — 1) Solcher Gesetze der Blüthengestaltung weist die Morphologie der Phanerogamen eine grosse Anzahl auf. Dahin gehört z. B. das Gesetz von der Alternation der suecessiven Wirtel, der regelmässig acropetalen Entwicklungsfolge der einzelnen Blüthenwirtel bei der ersten Anlage der Blüthe, u. a, m. Geht man aber der Sache etwas genauer auf den Grund, so stellt sich heraus, dass vielleicht auch nicht eines dieser Gesetze wirklich als solches sich nachweisen lässt. Es sind alle diese Gesetze vielmehr nur empirische Regeln, zu vergleichen den grammatischen Regeln dieser oder jener Sprache, aber keineswegs wirkliche Naturgesetze. — Die Vergleichung zahlreicher Einzelblüthen oder der empirischen Diagramme derselben zeigt, dass in der Mehrzahl der Fälle die successiven gleichzähligen Wirtel alterniren. In einer geringeren Anzahl von Fällen findet ein solehes Alterniren nicht statt. Das Alterniren ist also der gewöhnliche, regelmässige Fall. Damit ist aber ein solches Alterniren der Wirtel noch lange nicht Gesetz, es bezeichnet vielmehr nur eine Erfahrungsregel, -die durchaus nicht ohne Ausnahme dasteht. — Ganz ebenso ist es aber auch mit allen übrigen angeblichen Gesetzen der Blüthenmorphologie. Es sind das Regeln, die überall den häufigeren Fall aussprechen, die aber keineswegs ausnahmslose Geltung besitzen. (Vgl. Hanstein, die Entwicklung des Keimes der Monokotylen und Dikotylen. p. 97”—98.) Nur in dem Falle, dass alle T'hatsachen der Beobachtung jener Regel sich fügten, würde die Forschung berechtigt sein, von empirischen Gesetzen der Blüthengestaltung zu sprechen. Die verglei- chende Morphologie der Phanerogamen aber ist bei der Aufstellung ihrer Gesetze durchaus nicht so eng- herzig. Sie greift den thatsächlich häufigsten Fall heraus und macht ihn zum Gesetz, alle jene Fälle dagegen, die diesem Gesetze sich nicht unmittelbar fügen oder ihm wohl gar direkt widersprechen, werden einfach für scheinbare Ausnahmen erklärt. Man nimmt an, dass in solchen Ausnahmefällen durch irgend eine anderweitige Ursache die normale gesetzmässige Gestaltung nicht zur Ausbildung gelangt sei, und ist auch niemals um die Aufstellung einer solchen hypothetischen anderweitigen Ursache verlegen. Alterniren z.B. in einer Blüthe zwei Wirtel nicht, so ist ein zwischenliegender alternirender Wirtel ausgefallen, abortirt, auch wenn die Beobachtung davon nichts zu sehen vermag: durch diese hypothetische Annahme 5* 36 —— Die rein empirischen Blüthendiagramme, von denen bisher die Rede gewesen ist, hatten allein die Aufgabe, die Anzahl und die gegenseitige Stellung der einzelnen fügt sich dann dieser Ausnahmefall dem allgemeinen Gesetze, das Gesetz als solches ist somit gerettet.‘ Solehe und ähnliche hypothetischen Annahmen lassen sich überall in Hülle und Fülle ersinnen, um die Ausnahmefälle unter das angebliche Gesetz unterzuordnen, und damit .ässt sich dann auch jede beliebige Behauptung als morphologisches Gesetz nachweisen. Ein solches Verfahren aber widerspricht durchaus dem Wesen einer jeden exakten Forschung. Man geht allerdings auch anderwärts, in der Physik und Chemie, in ähnlicher Weise zu Werke, wenn es gilt, ein empirisches Gesetz aufzustellen. Aus einer grossen Anzahl einzelner Thatsachen wird die Regel abgeleitet und als empirisches Gesetz hingestellt, wenn keine Thatsachen derselben zuwiderlaufen. Widersprechen einzelne Einzelfälle, dann gilt allerdings die hypothetische Annahme, dass hier anderweitige mitwirkende Ursachen die Wirkungen jenes Gesetzes verdecken oder aufheben, vorläufig als zulässig. Allein so lange dies letztere nicht thatsächlich nachgewiesen ist, gilt auch jenes Gesetz nicht als bewiesen und wird nur vorläufig und mit Vorbehalt als empirisches Gesetz zugelassen. Keineswegs aber gilt es hier als erlaubt, jenes Gesetz als Gesetz in eine Deduktion einzuflechten und dasselbe zu irgend einer Beweis- führung zu benutzen. Ganz anders verfährt jedoch, wie gesagt, beim Aufstellen ihrer Gesetze die vergleichende Morpho- logie. Ein thatsächliches Verhältniss, das häufig wiederkehrt, wird als gesetzmässig hingestellt; die Aus- nahmefälle, die jenem Gesetz sich nicht fügen, werden durch Hypothesen „erklärt“ und „gedeutet‘‘ und jenem Gesetze untergeordnet; und damit gilt nun das Gesetz als bewiesen und wird unbedenklich benutzt, um wieder andere ähnliche Gesetze zu beweisen oder entgegenstehende Annahmen zu widerlegen. An einen wirklichen Beweis jener Annahmen, der allein auch erst das Gesetz als solches wirklich beweisen würde, wird in der vergleichenden Morphologie kaum gedacht. Ja sogar wenn die Beobachtung jene hypothetischen Annahmen als unriehtig nachweist, dann wird nicht etwa das angebliche Gesetz als unbeweisbar und somit unbegründet fallen gelassen, nein, in einem solchen Falle werden wieder neue und immer wieder neue Hypothesen ersonnen, um jene Ausnahmefälle doch unter das fragliche Gesetz unterzuordnen und dasselbe in seiner unumschränkten Gültigkeit zu erhalten, „dem Gesetze zu seinem Rechte zu verhelfen.‘ Wie wenig hat z.B. gegen das Gesetz der Alternation successiver Blüthenwirtel der Nachweis vermocht, dass in einzelnen Fällen superponirte Wirtel thatsächlich vorhanden sind, bei denen auch die genaueste Beobachtung von einem angeblich abortirenden Zwischenwirtel nichts erkennen kann. Das Gesetz flüchtet sich immer weiter in Gebiete zurück, die der Beobachtung bisher unzugänglich waren. Als die Beobachtung keiue Höcker als Rudimente der abortirenden Staubgefässe von Primula finden konnte, sollten diese Staubgefässe schon mit den ersten Zelltheilungen abortiren. Nun hat die Beobachtung auch dieses lange unzugängliche Gebiet eröffnet, allein von jenen Zelltheilungen, den ersten Anlagen jener angeblichen Staubgefässe, nichts auffinden können. Das Gesetz von der Alternation der Blüthenwirtel schien damit endgültig als Gesetz widerlegt: allein vielfach noch wird dies Gesetz nach wie vor von den Morphologen * als empirisches Gesetz unerschütterlich festgehalten. — ee en Blüthentheile in der fertig entwickelten Blüthe in abgekürzter Form wiederzugeben. Es lassen sieh in solchen rein empirischen Diagrammen aber auch noch einige weitere Momente der Blüthengestaltung berücksichtigen. Dahin gehören vor allem die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte der ein- zelnen Blüthentheile. Die Beobachtung lehrt uns, dass in der Mehrzahl der Fälle die Anlage der einzelnen Theile der Blüthe in acropetaler Reihenfolge stattfindet, die äussersten Blüthentheile zuerst angelegt werden, die innersten zuletzt. Allein es finden sich thatsächlich auch zahlreiche Fälle, in denen die Anlage der einzelnen Blüthen- theile nicht dieser Regel entsprechend erfolgt, in denen vielmehr einzelne höhere Blüthentheile oder ganze Wirtel früher angelegt werden als tiefere‘), Ferner sehen wir die Glieder eines und desselben Blüthenwirtels bald simultan angelegt, bald succedan, meist in ganz bestimmter eigenartiger Reihenfolge. Dann kommt es auch vor, dass die erste Anlage von zwei oder mehr Blüthentheilen, die in der fertig entwickelten Blüthe völlig getrennt erscheinen, mit einem einzelnen einfachen Primordium Und ebenso ist es mit all den Gesetzen der Blüthengestaltung, welche von der vergleichenden Morphologie aufgestellt worden sind. Sie werden aufgestellt und durch Hypothesen aller Art gestützt; sie gelten als bewiesen, auch ohne dass jene Hypothesen als richtig nachgewiesen sind; ja selbst, wenn diese hypothetischen Annahmen als unrichtig nachgewiesen werden, hat dies auf die Anerkennung jener Gesetze gar keinen Einfluss; neue Hypothesen lassen sich in Menge ersinnen, um gleichwohl jene Ausnahmefälle der thatsächlichen Herrschaft des Gesetzes unterzuordnen. Alle diese angeblichen Gesetze der Blüthenmorphologie aber stellen sich bei genauer Prüfung auf ihre wirkliche Bedeutung vielmehr nur als Regeln der Gestaltenbildung heraus. Diese Regeln formuliren denjenigen Fall, der thatsächlich der häufigste ist, während der umgekehrte Fall seltener eintritt, aber doch bisweilen wirklich stattfindet. Wirkliche Gesetze im Sinne naturwissenschaftlicher Forschung sind alle diese angeblichen Gesetze nicht. — 1) Hofmeister (Allgemeine Morphologie der Gewächse p. 462—469) hat eine Reihe von Fällen aufgezählt, bei welchen tiefer inserirte Blüthentheile später angelegt werden als höhere, oder selbst ganze Wirtel erst sichtbar werden, nachdem höhere Wirtel schon vorher angelegt sind. Einzelne der hier auf- gezählten Fälle sind seitdem durch genauere Beobachtung alsnicht hierher gehörig nachgewiesen worden. So hat Frank (Ueber die Entwicklung einiger Blüthen ete., in Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. X. p. 204 ff.) neuerdings gezeigt, dass in der Blüthe von Oxalis und Geranium die einzelnen Blüthenwirtel in regelmässig acropetaler Folge angelegt werden. Trotzdem aber bleiben immer noch genug andere Fälle übrig, in denen thatsächlich tiefere Wirtel später angelegt werden als höhere, z. B. die Staubgefässwirtel der Commelinaceen, Dioscoraeaceen, Haemodoraceen ete, (vgl. Chatin’s Angaben in Comptes rendus 1874. Tome 78. p. 122 fi. u. p. 887.). a beginnt, oder es verschmelzen umgekehrt zwei Anfangs getrennte Primordien zu einem einzelnen einfachen Blüthentheile der entwickeiten Blüthe (z. B. die medianen Staub- gefässe von Hypecoum). Alle solche und ähnliche Thatsachen der Entwicklungs- geschichte lassen sich in dem empirischen Diagramme wiedergeben, das ja eben nichts anderes als eine Wiedergabe der thatsächlichen Verhältnisse in abgekürzter Form sein soll. Die Diagramme, die solche entwicklungsgeschichtlichen Momente berück- sichtigen, werden oft von jenen empirischen Diagrammen, die nur die entwickelte Blüthe kurz skizziren sollen, nicht verschieden sein, oft aber werden sie auch eine gänzlich abweichende Gestalt zeigen. Ja es wird das empirische Diagramm einer bestimmten Einzelblüthe eine mehrfach verschiedene Gestaltung zeigen können, je nachdem mehr ‚oder weniger Momente darin ausgedrückt werden sollen. Im einzelnen bestimmten Falle wird es deshalb stets nothwendig sein, genau festzustellen, welcher Art das empirische Diagramm sein soll, vor dem die Rede ist, welehe Momente der Gestaltung darin zum Ausdruck gelangen sollen. Ein einziges bestimmtes empirisches Diagramm einer Einzelblüthe, über dessen Gestaltung eine Verschiedenheit der Ansichten nicht möglich wäre, gibt es überhaupt nicht. — Vom empirischen Diagramme ist nun wesentlich verschieden das theoretische Diagramm: Jenes berücksichtigt stets nur die unmittelbar gegebene Einzelblüthe; es beschreibt in abgekürzter Form die Gestaltung der bestimmten Einzelblüthe. Das theoretische Diagramm berücksichtigt im Gegensatze dazu stets mehrere oder viele einzelne Blüthengestalten, es setzt stets die vergleichende Beobachtung mehrerer empirischer Diagramme voraus, es ist nicht der Ausdruck einer unmittelbar gegebenen Thatsache, sondern ein Produkt der Spekulation. Einer solchen vergleichenden Betrachtung können nun alle jene verschieden- artigen empirischen Diagramme, von denen die Rede war, unterworfen werden, Beschränken wir uns jedoch hier der Einfachheit wegen zunächst auf solche empiri- schen Diagramme, die allein Zahl und Anordnung der einzelnen Theile in der ent- wickelten Blüthe wiedergeben sollen. Bei der Mehrzahl der Blüthenpflanzen stimmen sämmtliche Einzelblüthen einer und derselben Species in diesen Momenten überein. Dann sind auch die empirischen Diagramme sämmtlich unter einander gleich, und man kann alsdann dieses identische Diagramm als Diagramm der Pflanzenart bezeichnen, um durch dasselbe in einem kurzen Ausdruck den Blüthenbau der betreffenden Art zu beschreiben. Dieses Dia- gramm der Art ist nun aber stets ein Ausdruck theoretischer Spekulation, eine construirte Formel. Es stimmt überein mit dem empirischen Diagramm der einzelnen Blüthen, gibt aber nicht wie dieses eine unmittelbar gegebene Thatsache wieder, sondern fasst eine grössere Anzahl von gleichartigen Thatsachen in einen einzelnen Ausdruck zusammen. Objektive Realität besitzt dies Diagramm der Art als solches somit nicht. Bei anderen Arten zeigt der Bau der Einzelblüthen einzelne Verschiedenheiten. Die Einzelblüthe ist z. B. bald 4-gliedrig, bald 5-gliedrig (Auta), der Fruchtknoten bald 2-, bald 3-fächerig, die Staubgefässe bald einfach, bald verdoppelt (öfter z. B. bei Adoxa moschatellina, Paris quadrifolia, Seleranthus) u..s. w. Bisweilen ist "die Mehrzahl der Blüthen ganz gleich gestaltet, nur wenige oder selbst nur ganz verein-- zelte Blüthen (— man redet dann von unregelmässiger oder abnormen Blüthen —) weichen in ihrer Gestaltung ab. Bisweilen aber wird es auch schwer, anzugeben, welche einzelne Blüthengestalt eigentlich die häufigere ist. In all diesen Fällen aber stimmen die einzelnen empirischen Diagramme nicht unter einander überein. Von der Aufstellung eines Artdiagramms in derselben Weise wie in dem vorhergehenden Falle kann somit hier nicht die Rede sein. — Dennoch lässt sich auch hier ein Diagramm der Art aufstellen. Die Unterschiede in der Gestaltung der Einzelblüthen sind in all solchen Fällen nur geringe‘). Die Anzahl der Wirtelglieder in den Blüthenwirteln schwankt, freilich zumeist nur um eine geringe Zahl; einzelne Blüthentheile der einen Blüthe erscheinen in der ianderen Blüthe mehr oder weniger rudimentär oder fehlen ganz, ablastiren; einzelne Blüthentheile der einen Blüthe erscheinen in der anderen Blüthe mehr oder weniger verwachsen, ja selbst durch einen einzelnen Blüthentheil ersetzt; oder 1) Von den sg. vergrünten Blüthen, die häufig bei einzelnen Arten auftreten und durch beträcht- lichere, oft sehr bedeutende Unterschiede von der normalen Blüthengestalt abweichen, ist hier der Einfach- heit der Darstellung wegen abgesehen worden. Man wird aber leicht einsehen, dass die ganze Schlussfol- gerung dieselbe bleibt, auch wenn man diese ganz abnormen Blüthen bei der Aufstellung des Artdiagramms zugleich berücksichtigt. Das Artdiagramm wird nur eine etwas andere Gestalt annehmen, und zahlreichere und bedeutendere Aenderungen werden nothwendig sein, um alle einzelnen empirischen Diagramme von dem Artdiagramm abzuleiten, a es findet sich an Stelle eines einzelnen Blüthentheiles der einen Blüthe in, der anderen Blüthe ein gespaltenes Organ oder selbst ein Paar oder eine Vielzahl entsprechender Theile, jener einzelne Blüthentheil erscheint hier verdoppelt; u.s. f. Es liessen sich derartige Verschiedenheiten der einzelnen Blüthen ein und derselben Pflanzenart noch mehrere aufzählen, doch genügen die genannten schon vollständig, um die hier vorkommenden Variationen der Gestaltung kurz zu charakterisiren. Durchweg aber sind es nur geringe Variationen der Blüthengestaltung. * Dementsprechend lassen sich denn auch überall die einzelnen empirischen Diagramme durch geringe Aenderungen in einander überführen und umwandeln. Von all solchen verschiedenen empirischen Diagrammen einer Pflanzenart kann man nun ein einzelnes herausgreifen und als das Diagramm der Art hinstellen. Ueber- wiegt eine bestimmte Blüthengestalt der Zahl nach bedeutend, so wird man wohl am zweckmässigsten das Diagramm dieser Blüthenform zum Diagramm der Art wählen. Ist dies nicht der Fall, so kann man unter den verschiedenen empirischen Diagrammen dasjenige auswählen, aus welchem am leichtesten, durch möglichst wenige und geringe Aenderungen, alle übrigen empirischen Diagramme sich herstellen lassen. Oder aber man kann auch ein solches Diagramm der letzteren Art einfach construiren; und dies wird sich sogar dann als das zweckmässigere Verfahren empfehlen, wenn ein solches construirtes Diagramm besser als irgend ein einzelnes der gegebenen empiri- schen Diagramme eine Ableitung aller übrigen empirischen Diagramme durch kleine unbedeutende Aenderungen zulässt. Stets aber lässt sich in einer oder der anderen Weise ein bestimmtes Diagramm aufstellen, aus welchem sämmtliche einzelnen empirischen Diagramme in sehr einfacher Weise abgeleitet werden können; und dieses Diagramm kann man dann als Diagramm der Art bezeichnen. Beide Fälle, mögen nun die empirischen Einzeldiagramme untereinander gleich sein oder nicht, lassen sich zusammenfassen in einen einfachen Ausdruck, indem man als Artdiagramm allgemein ein solches Diagramm bezeichnet, aus welchem in der einfachsten Weise, durch möglichst geringe Aenderungen, die empirischen Einzel- diagramme hergeleitet werden können. Sind die letzteren sämmtlich oder zumeist einander gleich, so erfolgt jene Herleitung in der einfachsten Weise natürlich dann, wenn das Artdiagramm jenen empirischen Diagrammen gleich angenommen wird. eat — Ein solches Artdiagramm ist aber stets von einem empirischen Diagramm dem Wesen nach gänzlich verschieden, mag es dem letzteren in der Gestaltung auch ganz gleich sein. Dieses nämlich gibt eine Thatsache der Beobachtung unmittelbar wieder, jenes dagegen stellt eine theoretische Formel dar, welche in möglichst einfacher Weise die verschiedenen Beobachtungsthatsachen zusammenfasst. Solche Formeln sind nun keineswegs als werthlose Spielereien zu betrachten. Sie dienen nicht allein dem Gedächtniss als werthvolle Hülfsmittel zur Beherrschung der verschiedenen Einzel-Thatsachen, sie sind auch geeignet, jenes Hauptziel wissen- schaftlicher Spekulation, die Zusammenfassung der Einzelthatsachen unter einen ein- heitlichen Gesichtspunkt, näher zu rücken, wenn sie auch diesen einheitlichen Ueber- blick nur durch einen construirenden Schematismus erreichen. Schematische Formeln zu einer solehen Zusammenfassung einer grösseren Anzahl verschiedener Einzel- Thatsachen lassen sich in sehr verschiedener Weise und in grosser Anzahl entwerfen. Von allen solchen construirten Formeln aber wird man stets diejenigen als die zweckmässigsten und nützlichsten bezeichnen, die in möglichst einfacher Weise eine einheitliche Zusammenfassung der verschiedenen einzelnen Thatsachen ermöglichen. So wird man denn auch im vorliegenden Falle von den zahlreichen möglichen Artdiagrammen stets dasjenige als das zweckmässigste auswählen, welches in möglichst einfacher Weise eine Ableitung aller gegebenen empiri- schen Diagramme erlaubt Und aus diesem Grunde ward die Bedingung einer grösst- möglichen Einfachheit der Ableitung schon direkt in die obige Vorschrift zur Auf- stellung der Artdiagramme aufgenommen. — Thatsächlich werden allerdings im ein- zelnen Falle die Ansichten der Autoren oft weit auseinandergehen und bald dieses, bald jenes Diagramm als das zweckmässigste bezeichnen. Bei der Benutzung und Verwerthung solcher Artdiagramme darf man nun niemals ausser Acht lassen, dass man es hier mit rein theoretischen Construktionen zu thun hat. Die empirischen Diagramme geben Thatsachen der objektiven Beobach- tung in abgekürzter Form wieder, sie gelten stets nur für Einzelblüthen; die Art- diagramme dagegen sind theoretische Construktionen, Formeln zur Zusammenfassung mehrerer oder zahlreicher einzelner empirischer Diagramme, mögen diese untereinander gleich oder ungleich sein. Dementsprechend kann auch bei einem einzelnen Artdiagramm niemals die Frage aufgeworfen werden, ob dasselbe richtig oder unrichtig sei. Richtig oder Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 6 > Be "ünrichtig, d.i. den Thatsachen entsprechend oder nicht, kann ein einzelnes empiri- sches Diagranım genannt werden. Oder es kann, wenn die Thatsachen noch nicht sämmtlich durch die Beobachtung ermittelt sind, ein solches empirisches Diagramm als wahrscheinlich oder unwahrschemlich gelten. Allein aut das Artdiagramm sind alle diese Begriffe seiner Definition zufolge gar nicht anzuwenden. Ein einzelnes Artdiagramm kann allein zweckmässig oder unzweckmässig heissen, niemals richtig oder unrichtig, wahrscheinlich oder unwahrscheinlich. Und ebenso kann auch bei einem Artdiagramm von einem Beweise der Wahrheit desselben nicht die Rede sein. — Das Artdiagramm, von dem bis jetzt die Rede gewesen ist, fasst eine grosse Anzahl empirischer Einzeldiagramme zusammen. Man kann nun in ganz derselben Weise noch weiter gehen und eine immer grössere Anzahl empirischer Diagramme durch einen einzelnen Ausdruck zusammenfassen, für eine stets grössere Anzahl von Einzelblüthen theoretische Diagramme construiren. Das Artdiagramm fasst alle Einzelblüthen eimer und derselben Pflanzenart zusammen. In derselben Weise lässt sich ein theoretisches Diagramım für zwei oder mehrere nächstverwandte Arten construiren. In derselben Weise auch lassen sich sämmtliche Arten ein und derselben Gattung vereinigen und für sämmtliche einzelnen verschiedenartigen empirischen Diagramme ein einzelnes theoretisches Diagramm entwerfen, das dann als Gattungsdiagramm bezeichnet werden mag. Die Verschieden- heiten, welche die sämmtlichen empirischen Einzeldiagramme untereinander darbieten, werden dabei vielfach etwas beträchtlicher sein als bei den Blüthen einer einzelnen PHlanzenart; es wird hier bedeutenderer Aenderungen bedürfen, um aus dem theore- tischen Diagramm sämmtliche empirischen Einzeldiagramme herzustellen, als in jenem Falle, allein im Uebrigen werden diese Gattungsdiagramme durchaus den Artdiagram- men entsprechen. Bisweilen werden die empirischen Einzeldiagramme sämmtlich untereinander übereinstimmen, and dann wird das Gattungsdiagramm am zweck- mässigsten jenen Einzeldiagrammen gleich construirt; vielfach aber werden jene empirischen Diagramme mehr oder minder grosse Verschiedenheiten untereinander aufweisen, und dann wird vielfach Verschiedenheit der Ansichten sich geltend machen, ob dem Gattungsdiagramm am zweckmässigsten diese oder jene Gestalt zu geben sei. m In ganz derselben Weise aber kann man auch noch weiter gehen und die Gattungen derselben Familie zusammenfassen, ein theoretisches Familiendiagramm construiren, von welchem in möglichst einfacher Weise alle empirischen Einzel- diagramme oder, was ja im Grunde auf ganz dasselbe hinausläuft, alle Gattungs- diagramme abgeleitet werden können. Ebenso lassen sich die Familien derselben Ordnung zusammenfassen, die Ordnungen derselben Gruppe etc., bis man zuletzt sämmtliche Dikotylen oder Monokotylen oder selbst sämmtliche Angiospermen vereinigen kann und für diese ein einzelnes theoretisches Diagramm construiren, aus welchem alle Einzelformen sich möglichst leicht ableiten lassen. Bei all diesen Diagrammen, wie sie den verschiedenen mehr und mehr umfassen- den Gruppen des natürlichen Systems angehören, werden die Veränderungen, deren es bedarf, um alle Einzelformen aus dem allgemeinen Schema abzuleiten, immer grössere werden, diese Ableitung selbst immer complieirter. Soust aber gilt von all diesen Diagrammen ganz dasselbe, was von dem Artdiagramm zuvor gesagt worden ist. Alle diese Diagramme, mögen sie Gattungsdiagramme oder Familiendiagramme sein oder noch umfassenderen Gruppen zugehören, sind der Definition zufolge theoretische Construktionen, schematische Formeln, entworfen zu dem Zweck, eine mehr oder minder grosse Anzahl von Einzelgestalten zusammenzufassen und unter einem gemein- samen Ueberbliek zu verbinden. Sie besitzen keineswegs objektive Realität. In der Pflanzenwelt selbst gibt es ein Familiendiagramm nicht, noch auch irgend einen thatsächlichen Gegenstand, der diesem Begriffe vollständig entspräche. Und wenn auch häufig ein einzelnes empirisches Diagramm in seiner Gestaltung ganz mit dem Familiendiagramım übereinstimmt, eine Einzelblüthe also thatsächlich denselben Bau zeigt, den das Familiendiagramm wiedergibt, so hat doch auch hier das Familien- diagramm als solches niemals objektive Realität. Es findet dann nur eine zufällige Uebereinstimmung des empirischen Einzeldiagramms und der Einzelblüthe mit dem Familiendiagramm statt. Das letztere aber ist und bleibt seiner Definition zufolge stets nur eine construirte Formel. Eben derselben Definition zufolge kann auch von Beweis eines Gattungs- oder Familiendiagrammes etc. oder dessen Widerlegung überhaupt nicht die Rede sein, ebensowenig wie bei dem eingehender besprochenen Artdiagramme. Es kann bei der Erörterung eines bestimmten einzelnen Familiendiagramms stets nur die Frage erhoben werden, ob von demselben in möglichst einfacher Weise alle einzelnen 6: BE Gattungsdiagramme abgeleitet werden können, ob es zweckmässig ist oder nicht. Von seiner Wahrheit kann gar nicht die Rede sein und ebensowenig von seiner Wahr- scheinlichkeit. Ebenso aber kann natürlich auch die Beweiskraft dieses oder jenes Momentes, dieser oder jener T'hatsache für die Feststellung des richtigen Familien- diagramms gar nicht in Frage kommen. Denn wo von Beweis überhaupt nicht die Rede sein kann, da besitzt auch kein einzelnes Moment sei es positive oder sei es negative Beweiskraft. Ebenso wie beim Artdiagramm muss endlich auch hier bei den Gattungs-, Familien- etc. Diagrammen hervorgehoben werden, dass solche Construktionen keines- wegs als werthlose Spielereien zu betrachten sind. Alle diese Construktionen sind zunächst von grossem mnemonischem Werthe, vor allem die Familiendiagramme. Sie erleichtern dem Gedächtniss, dem die Einprägung der zahllosen einzelnen Blüthengestalten viel zu schwierig ist, ganz ausserordentlich seine Aufgabe und setzen es dadurch in Stand, die Fülle des Einzelmaterials zu beherrschen und leicht zu übersehen. So sind denn auch in der T'hat derartige Diagramme, namentlich die Familiendiagramme, vielfach in praktischer Verwendung beim Unterricht. — Die Diagramme der Gattungen, Ordnungen und der höheren Abtheilungen des Systems stehen allerdings jenen Familien- diagrammen an mnemonischem Werthe bedeutend nach. Dann aber bieten alle diese Gattungs-, Familien- ete. Diagramme ein vor- treffliches Mittel dar, eine grössere Anzahl einzelner Thatsachen einheitlich zusammen- zufassen. Unser ganzes wissenschaftliches Streben geht ja darauf hinaus, die zahllosen empirischen Einzeldinge einheitlich zusammenzufassen. Wir suchen nach einem Band, das in den Dingen selbst begründet alle solche Einzeldinge zusanmmenhält. Wo aber in der Natur selbst ein solches Band nicht zu finden ist, da tragen wir selbst ein derartiges Band zu den Dingen hinzu, um auch dann jenem Grundtrieb des Geistes nach einheitlicher Zusammenfassung der Einzeldinge gerecht zu werden. Eine solche Verknüpfung der einzelnen 'Thatschen ermöglichen uns nun eben jene Gruppen - Diagramme. Sie sind nicht durch die Beobachtung selbst gegeben, sondern construirt, sind entworfen, um als Hülfsmittel zu einer Zusammenfassung der einzelnen empirischen Diagramme zu einheitlichen Gruppen zu dienen. Entbehren sie somit auch der objektiven Realität, so sind sie doch als ein Ersatz jenes fehlenden objektiven Zusammen- hanges immerhin von hohem wissenschaftlichen Werthe. — Me, - Ausser den theoretischen Diagrammen, von denen bisher die Rede gewesen ist, lassen sich nun noch zahlreiche andere entwerfen. Es ward bisher stets die Bedingung festgehalten, jenen Gruppendiagrammen eine solche Beschaffenheit zu geben, dass daraus sämmtliche Einzeldiagramme in möglichst einfacher Weise abgeleitet werden können. Diese beschränkende Bedingung der Aufgabe kann man weglassen und einfach Diagramme construiren, aus denen die Einzeldiagramme durch irgend welche Veränderungen herzuleiten sind. Damit wächst natürlich die Zahl der möglichen theoretischen Gruppen-Diagramme ins Unendliche. Allein je complieirter die Ableitung der Einzeldiagramme von einem solchen Gruppendiagramm wird, desto weniger wird dasselbe dem oben besprochenen eigentlichen Zwecke der Aufstellung solcher Diagramme entsprechen, desto werthloser wird es damit werden, um zuletzt zur blossen Spielerei herabzusinken. Als „wissenschaftlich werthvoll werden allein jene Gruppendiagramme anzuerkennen sein, die in möglichst einfacher Weise die Ableitung der Einzeldiagramme gestatten, und das sind stets diejenigen, welche sich möglichst enge an die Gestaltung dieser Einzeldiagramme selbst anschliessen. Eine Art solcher Gruppen-Diagramme, die ohne Festhalten jener beschränken- den Bedingung construirt sind, mag übrigens noch in Kürze hier erwähnt werden, da sie vielfach ausgeführt worden ist. Man hat häufig das theoretische Diagramm einer einzelnen Art so entworfen, dass sich davon zugleich noch eine grössere Anzahl anderer Artdiagramme, oder auch sämmtliche übrigen Artdiagramme derselben Familie in einfacher Weise ableiten lassen, während die einfache Zusammenfassung der empirischen Einzeldiagramme zu einer einfacheren Form des theoretischen Artdiagramms hingeführt hätte. Beachtet man das beobachtete Verfahren genauer, so zeigt sich, dass man hier eben ein theoretisches Familiendiagramm construirt hat, mit Ueber- springung des nächstliegenden Artdiagramms, das man construiren wollte. Als Familiendiagramm mag ein solches Diagramm alsdann sehr zweckmässig zu nennen sein, als Artdiagramm aber ist es entschieden unzweckmässig und ebenso wie alle jene theoretischen Diagramme, die eine möglichst einfache Ableitung der Einzel- diagramme ausser Acht lassen, wenig werthvoll. — Weiterhin wird sich die Zahl der möglichen theoretischen Diagramme noch als beträchtlich grösser darstellen, wenn man berücksichtigt, dass die ganze vorstehende Erörterung ausschliesslich auf solche empirische Einzeldiagramme gegründet wurde, die allein Zahl und Anordnung der einzelnen Theile der entwickelten Blüthe berück- 2. sichtigen. Der empirischen Diagramme lassen sich aber, wie wir gesehen haben, ausserdem noch mehrere verschiedene Arten aufstellen. Alle diese verschiedenartigen empirischen Diagramme lassen nun wieder die Aufstellung besonderer theoretischer Gruppen-Diagramme der besprochenen”Art zu. Von allen diesen gilt dann wieder ganz dasselbe, was zuvor von der einen, eingehender besprochenen Art solcher theore- tischer Diagramme gesagt worden ist. — Welche von all diesen möglichen Diagrammen übrigens thatsächlich aufgestellt werden sollen, darüber kann allein die praktische Brauchbarkeit und Nützlichkeit entscheiden. — Allein auch damit ist die Anzahl der theoretischen Diagramme noch keines- wegs erschöpft. Die empirischen Einzeldiagramme haben, wie wir gesehen haben, so lange sie wirklich rein empirisch bleiben wollen, all und jede Anwendung der Metamorphosenlehre zu vermeiden. Im rein ‚empirischen Diagramm ist nur Raum tür Staubgefässe, Pistille u. s. w., nicht für Staubblätter, Fruchtblätter u. s. w. Die vergleichende Betrachtung der gesammten Welt der Blüthenpflanzen hat nun aber zu der Anschauungsweise geführt, alle einzelnen Blüthentheile aufzufassen als einzelne Phyllome oder Verwachsungs- resp. Theilungsprodukte von Phyllomen. Diese ganze Anschauungsweise, mag nun ihre objektive Berechtigung sein, welche sie wolle, geht jedenfalls aus von der Vergleichung der ganzen Masse der Blüthenpflanzen. Bringt man also diese Anschauungsweise zu einem einzelnen Pflanzentheil, einer einzelnen Blüthe hinzu, so betrachtet man dieselbe stets mit Rücksicht auf alle übrigen Blüthen- pflanzen; eine unbewusste vergleichende Betrachtung der übrigen Blüthenpflanzen findet dabei stets gleichzeitig statt. Und ebenso, trägt man diese Anschauungsweise in das Diagramm eimer Einzelblüthe hinein, so hört dieses Diagramm damit sofort auf, .ein rein empirisches zu sein, einfach die einzelnen Thatsachen als solche wieder- zugeben. Es wird vielmehr sofort zu einem theoretischen Diagramm, einem Diagramm der Einzelblüthe, das unter Berücksichtigung aller übrigen Blüthenpflanzen construirt ist, das die Einzelblüthe schildert, so wie sie im Lichte eimer alle Blüthenpflanzen umfassenden theoretischen Anschauungsweise erscheint. So kann jedes einzelne der zahlreichen verschiedenen empirischen Einzel- diagramme, die wir zuvor unterschieden haben, durch Hineintragen der Metamor- phosenlehre zu einem theoretischen Einzeldiagramm werden. Und aus diesen theore- tischen Einzeldiagrammen können dann wieder Gruppendiagramme construirt werden ganz in derselben Weise, wie dies oben besprochen worden ist. Solche Gruppen-, ar diagramme unterscheiden sich von den oben besprochenen dann allein dadurch, dass in diesen letzteren nur von Staubgefässen, Pistillen u. s. w. die Rede ist, jene aber im Geiste der Metamorphosenlehre Staubblätter, Fruchtblätter u. s. w. mit ihren Theilungen und Verwachsungen unterscheiden, — Man sieht, die Zahl der möglichen Diagramme ist eine ausserordentlich grosse. Sie sämmtlich aber lassen sich in zwei Gruppen scheiden. Entweder gibt das Dia- gramm die objektiven Thatsachen allein in kurzem Ausdrucke wieder: wir nannten es dann ein empirisches; ein solches empirisches Diagramm aber kann stets nur ‘ eine einzelne Blüthe allein berücksichtigen. Oder aber das Diagramm berücksichtigt gleichzeitig zwei oder mehrere und selbst sämmtliche Blüthen aller Blüthenpflanzen: wir nennen es dann ein theoretisches, mag seine Gestaltung im Einzelnen sein, welche es wolle, mag es ausschliesslich die vorhandenen Theile einer gegebenen Einzelblüthe aufzählen, dieselben aber im Lichte einer umfassenden Blüthenmorphologie deuten, oder mag es ein construirtes Schema darstellen, das ausser der gegebenen Einzelblüthe auch noch andere Blüthengestalten abzuleiten gestattet. Die vorstehende Darstellung hat eine grosse Reihe verschiedener Arten von Blüthendiagrammen aufgezählt, die im gegebenen Falle stets sorgfältig unterschieden werden müssen. Die morphologische Litteratur hat aber thatsächlich bisher den Unterschied der verschiedenen Arten von Diagrammen nur wenig beachtet. Da ist es denn ganz natürlich, dass die Ansichten und Meinungen der Morphologen vielfach sehr weit auseinandergehen. Man unterscheidet wohl auch zwischen emipirischem und theoretischem Dia- gramm. Das erstere soll nach Eichler‘) „die äussere Erscheinung der Blüthe ohne Erklärungsversuch“ wiedergeben, das letztere dagegen „zugleich die Erklärung“ der betreftenden Blüthengestalt enthalten d. h. diese Blüthengestalt mit den sonst bekannten Blüthengestalten „zusammenreimen“. Diese Definitionen aber bedürfen selbst noch einer genaueren Erörterung und näheren Erklärung. i Wenden wir uns deshalb lieber den aufgestellten Diagrammen selbst zu, mögen sie als empirische oder als theoretische bezeichnet werden, um zu sehen, welchen unter den oben unterschiedenen Arten von Diagrammen sie entsprechen. 1) Eichler, Blüthendiagramme p.2, Vgl. auchSachs, Lehrbuch der Botanik. 4te Aufl, p. 578. ne er Da müssen wir nun zunächst hervorheben, dass weitaus die grosse Mehrzahl dieser Diagramme theoretische Diagramme darstellt. In fast allen Diagrammen wird die Metamorphosenlehre vorausgesetzt, fast sämmtliche sg. empirischen Diagramme reden von Staubblättern, Fruchtblättern u.s. w. Nur vereinzelte Diagramme können wirklich als einfache abgekürzte Schilderungen der nackten Thatsachen bezeichnet werden ohne alle Einmischung theoretischer Spekulationen. Diese auch in unserem Sinne wirklich empirischen Diagramme unterscheiden aber fast niemals die verschie- denen Gesichtspunkte, nach denen sie entworfen sind, ob sie ausschliesslich die Zahl und Anordnungsweise der Theile einer entwickelten Blüthe wiedergeben sollen, oder ob sie die Thatsachen der Entwicklungsgeschichte berücksichtigen sollen, oder was sonst das Diagramm in abgekürzter Form darstellen soll. Man geht eben fast allgemein von der Ansicht aus, dass es nur ein einziges empirisches Diagramm einer jeden Blüthe geben könne, und vergisst dabei gänzlich, dass das Blüthendiagramm seiner Definition nach ja nur eine abgekürzte, vereinfachte Beschreibung einer Blüthe unter ausschliesslicher Berücksichtigung eines bestimmten willkürlich herausgegriffenen Theiles der T'hhatsachen darstellt. Solcher Theile der Thatsachen aber kann man ja sehr verschiedene herausgreifen und somit sehr verschiedenartige Diagramme entwer- ten. Ein einziges empirisches Diagramm einer Einzelblüthe, dem ausschliesslich objektive Wahrheit zukäme, kann es somit gar nicht geben. Die grosse Mehrzahl der sg. empirischen Diagramme aber setzt, wie schon erwähnt, die Metamorphosenlehre voraus. Die Anschauungsweise, die in allen Blüthen- theilen metamorphosirte Phyllome sieht, liegt fast allen sg. empirischen, ebenso wie allen sg. theoretischen Diagrammen zu Grunde. Sie sind somit sämmtlich ohne Unterschied nicht empirische, sondern theoretische Einzeldiagramme nach unserer obigen Unterscheidung. Die sg. theoretischen Diagramme aber müssen wir nach unserer obigen Darstellung als theoretische Gruppendiagramme bezeichnen. Sie sind sämmtlich so construirt, dass von denselben mehrere Einzeldiagramme abgeleitet werden können. Jene Vorschrift, die wir für solche Gruppendiagramme in den Vordergrund stellten, dass dieselben sich möglichst enge den Einzeldiagrammen anschliessen sollten, um dadurch eine möglichst einfache Ableitung sämmtlicher Einzeldiagramme zu ermög- lichen, diese Vorschritt ist bald mehr bald weniger befolgt. Man hat sich vielfach mit der Aufstellung von Familiendiagrammen beschäftigt; und diese Familiendia- De a gramme berücksichtigen thatsächlich jene Vorschrift meist sorgfältig, wenn auch ohne die direkt ausgesprochene Absicht dazu. Dagegen sind die aufgestellten Gattungs- und Artdiagramme meist ganz ohne Rücksicht auf jene Vorschrift entworfen worden. Sie stellen vielmehr fast stets Diagramme dar, die keineswegs ausschliesslich den betreffenden Einzeldiagrammen sich enge anschliessen, sondern vielmehr gleichzeitig noch die Gestaltung der verwandten Bliüthengestalten berücksichtigen. Es sind das eben meistentheils Gruppendiagramme jener Art, die oben näher besprochen worden ist, Diagramme, die als Gattungs- resp. Ärtdiagramme sehr unzweckmässig genannt werden müssen, vielfach aber sehr zweckmässig sein würden, wenn man sie als das hinstellte, was sie ihrer Ableitungsweise nach wirklich sind, nämlich als Familien- resp. Gattungsdiagramme. — Alle diese sg. theoretischen Diagramme sind nun, wie sich bei genauer Prütung leicht herausstellt, thatsächlich stets so gewonnen worden, wie unsere obige Regel zur Aufstellung theoretischer Gruppendiagramme vorschreibt, nämlich durch einfache schematisirende Construktion. Die Ansicht ihrer Autören über ihren Ursprung und im Zusammenhange damit auch über ihren wissenschaftlichen Werth ist aber eine ganz andere. Nach unserer Darstellung sind jene Gruppendiagramme nichts weiter als theoretische Construktionen von grossem praktischem Werthe. Die ıneisten Blüthen- morphologen aber werden diesem Urtheil über jene Gruppendiagramme oder, um die meist besprochene Art derselben hervorzuheben, über die Familiendiagramme keines- wegs beistimmen. Ihnen besitzen dies® Diagramme objektive Realität. Nach ihrer Ansicht kann über die Wahrheit oder Richtigkeit eines solchen Familiendiagramms eine Erörterung stattfinden, während nach unserer Darstellung nur die Zweckmässig- keit oder Unzweckmässigkeit eines einzelnen derartigen Diagramms in Frage kommen kann. Die objektive Realität, die man diesen Familiendiagrammen zugetheilt hat, ist übrigens zu verschiedenen Zeiten eine ganz verschiedene gewesen. Die ältere Anschauung sah in einem solchen Familiendiagramme den gemeinsamen Bauplan, der allen Bliithenformen derselben Familie zu Grunde lag. Die grosse Ueberein- stimmung aller Blüthengestalten einer und derselben Familie legt den Gedanken sehr nahe, dass die Gesammt-Constellation der Kräfte, welche die Gestaltung der Blüthen bedingen, bei den verschiedenen Pflanzen derselben Familie eine ziemlich überein- stimmende sein müsse. Daraus machte man eine allgemein iübereinstimmende Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV, 7 Be, Beschaffenheit dieser Kräfte, die nur durch secundäre Ursachen in den einzelnen Fällen modifieirt würde. Ohne solche secundäre Einwirkungen musste dieser Ansicht nach jene Kräfte-Constellation überall zu einer und derselben Blüthengestalt hin- führen. Diese sg. typische Blüthengestalt sollte nun durch das Familiendiagramm wiedergegeben werden; dasselbe sollte gewissermassen den ursprünglichen Bauplan aller jener Blüthen skizziren, den Bauplan, der in den einzelnen Blüthengestalten mehr oder weniger modificirt zu Tage trat. Diesem Bauplan aber schrieb man dann objektive Realität zu, ohne klarer festzustellen, wie diese überhaupt zu denken sei. Es ging eben mit diesem gemeinsamen Bauplan aller Blüthen derselben Familie wie mit so vielen anderen Begriffen in jenen ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts. Metaphysische Begriffe wurden unterschiedslos mit physikalischen durcheinander- geworfen, metaphysische Realität mit der physikalischen vermengt und in gleicher Weise wie diese für objektiv ausgegeben. — Zu den Produkten dieser Vermengung exakter Naturforschung und metaphysischer Begriffsdichtung gehört auch der Begriff des objektiv realen gemeinsamen Bauplans aller Blüthen derselben Familie, ein Bauplan, der eben in dem Familiendiagramm zum Ausdruck gebracht werden sollte. Als die Hochfluth dieser romantischen Zeit der organischen Naturwissenschaften allmählich sich verlief und man allmählich wieder das Bedürfniss fühlte, in der Naturwissenschaft mit klaren Begriffen zu rechnen, musste auch jener mystische gemeinsame Blüthenbauplan fallen oder doch eine andere Deutung annehmen. Man ersann nunmehr die Hypothese, dass die erste Anlage aller Blüthen derselben Familie in ganz gleicher Weise erfolge, eben in der Weise, die das Familiendiagramm angab, während allein nachträgliche Variationen der Gestaltung die verschiedenen Formen der fertigen Einzelblüthen zur Folge hätten. Diese Hypothese war völlig klar gedacht und als solche durchaus zulässig, Nur hätte man verlangen sollen, dass ihre Autoren möglichst bald zum Beweise derselben schritten. Statt dessen galt ihnen diese Hypo- these, einmal aufgestellt, an sich schon als durchaus wahr und zweifellos. Die Unter- suchung der Blüthenentwicklung, die allmählich bearbeitet ward, vermochte, soweit die ersten Anlagen der Blüthentheile in Gestalt von Höckern hervortraten, jene Hypothese nicht zu bestätigen. Allein die Hypothese, die sich somit auf gar keine thatsächlichen Momente zu stützen vermochte, liess sich gleichwohl nicht erschüttern. Man verlangte eine genauere Untersuchung der ersten Anlage der einzelnen Blüthentheile bis zu den ersten Stadien zurück, die bis dahin der Forschung noch gänzlich unzugänglich regt waren, hielt aber bis zu einer Widerlegung durch derartige Untersuchungen jene Hypothese unerschütterlich als feststehende Thatsache fest. Und doch verlangt ja umgekehrt die Methodik einer jeden wissenschaftlichen Forschung den Beweis einer aufgestellten Hypothese, nicht ihre Widerlegung. Vor allem aber darf niemals eine unbewiesene Hypothese mit dem Anspruch auftreten, allgemein als wahr anerkannt zu werden, so lange’ sie nicht widerlegt sei. Die genannte Hypothese aber hat auch eine genauere Untersuchung der Blüthenentwicklung bis auf die ersten Zelltheilungen hin nicht zu bestätigen vermocht. Ob damit nun jene Hypothese einer objektiven Realität des Familiendiagramms sich als widerlegt anerkennt, das lässt sich zur Zeit nur schwer entscheiden. Ihr bliebe ja in Consequenz ihres früheren Verfahrens innmer noch die Ausflucht offen, dass die erste Anlage der einzelnen Blüthentheile in der That stets jenem Familiendiagramm entsprechend erfolge, allein jene secundären Variationen der Gestaltung schon vor dem ersten Auftreten der ersten sichtbaren Zelltheilungen ihren Anfang nähmen. Unter dieser Annahme wäre ja jene hypothetische objektive Realität des Familien- diagramms immerhin noch unanfechtbar und gerettet. Allein in letzter Zeit hat diese Hypothese, so weit mir bekannt, in der Litteratur keinen Vertreter mehr gefunden. Doch selbst wenn dieselbe auch jetzt noch hier oder da Anhänger zählen sollte, so würde sie doch, wie schon erwähnt, als gänzlich grundlose Hypothese keiner eingehen- deren Widerlegung bedürten, so lange nicht wenigstens der Versuch zu einer objektiven Begründung derselben gemacht ist. Um so zahlreichere Anhänger aber zählt heutigen Tages eine andere Hypo- these über die objektive Realität des Familiendiagramms. Seitdem durch Darwin’s Werke die fast vergessene Idee einer gemeinsamen Abstammung und Blutsverwandt- schaft der organischen Wesen wieder hervorgezogen und zu fast allgemeiner Anerken- nung gelangt ist, hat sich mehr und mehr die Anschauung Bahn gebrochen, dass alle Species einer einzelnen Familie des natürlichen Systemes der Organismen von einer einzelnen Stammform herstammen, dass erst im Laufe der Zeit in dieser Nach- kommenschaft ein und derselben Stammform Gestaltungsunterschiede anfgetreten seien. Diese Anschauungsweise ist zwar auch für die übrigen mehr oder weniger umfassen- den Abtheilungen des Systems geltend gemacht worden, allein durchaus nicht mit der gleichen allgemeinen Zustimmung der Autoren. Für die Familien des natürlichen = 4 Denn; Systemes der Blüthenpflanzen aber hat sie ganz allgemeine Anerkennung gefunden. In jenen alten Familiendiagrammen besass man nun seit langem solche Blüthengestalten, aus denen alle einzelnen differenten Blüthentormen, die innerhalb der Familie auf- traten, sich leicht ableiten liessen. Da lag es denn sehr nahe, jener gedachten Stammform der Familie eine Bliüthe zuzuschreiben, die in ihrem Bau ganz dem Familiendiagramm entsprach. Man gewann dadurch zugleich für jene hypothetische Stammform aller jetzt lebenden Blüther eine bestimmte greifbare Gestalt und konnte zugleich dem Blüthendiagramm, dessen objektive Realität doch immerhin manchem Autor bis dahin nicht so recht fest begründet erschien, eine bestimmte klar vorstell- bare Realität verschaffen. So erklärt man denn jetzt allgemein das Familiendiagramm für das empirische Diagramm jener Stammblüthe der ganzen Familie. Und aus dieser sollen dann alle einzelnen Blüthen in derselben Weise sich hervorgebildet haben, wie man aus jenem Familiendiagramm die einzelnen Diagramme ableitete. Durch diese Deutung erhält allerdings das Familiendiagramm eine objektive Realität und hört auf, eine einfache Uonstruktion, eine einfache schematische Formel zu sein. Allein leider ist jene Realität des Familiendiagramms eine prähistorische und gänzlich dem Gebiete der schrankenlosesten Willkür anheimgegeben. Zunächst nämlich ist jene Annahme, dass alle Glieder derselben Familie des natürlichen Systems von emer und derselben Stammform herstammen, eine durchaus willkürliche, selbst wenn man sich vollständig auf den Boden der Descendenz- theorie stellt.) Ein monophyletischer Ursprung einer einzelnen Familie ist ganz ebenso denkbar wie ein polyphyletischer und ist an sich um nichts mehr wahrschein- lich als dieser. Die Annahme eines monophyletischen Ursprungs mag allerdings dem menschlichen Geiste einfacher und deshalb plausibeler erscheinen. Allein objektiv wird dadurch doch derselbe um nichts wahrscheinlicher. Die Annahme eines solchen monophyletischen Ursprungs einer einzelnen bestimmten Familie ist somit stets eine ganz und gar willkürliche. Noch viel mehr aber muss die Armahme, dass allen Familien der Blüthenpflanzen in gleicher. Weise ein solcher Ursprung zukomme, als eine durchaus willkürliche bezeichnet werden. — In Wirklichkeit mag in manchen Fällen ein solcher monophyletischer Ursprung stattgefunden haben, in 1) Vgl. auch A. Braun, Die Frage nach der Gymnospermie der Cycadeen (Monatsberichte der Berliner Akademie, April 1875. p. 217—249.). Zur anderen wird er nicht erfolgt sein: jedenfalls aber fehlt uns in jedem einzelnen Falle all und jeder Anhalt zu einer Entscheidung. ') Mag aber auch einmal ein solcher monophyletischer Ursprung einer einzelnen Familie angenommen werden, so fehlt doch stets all und jedes Mittel, festzustellen, welche Gestaltung denn jener Stammblüthe der ganzen Familie eigen gewesen ist. Dass jene Stammblüthe dem aufgestellten Familiendiagramm entsprochen habe, das ist eine ganz willkürliche Annahme. Mit ganz derselben Berechtigung kann man zahl- reiche andere Blüthendiagramme als das Diagramm jener Stammblüthe hinstellen. Von Beweis ist hier eben ganz und gar nicht die Rede, und ebensowenig von Wahr- scheinlichkeit; nur allein die subjektive Willkür ist hier bestimmend, und diese allein kann jenes Familiendiagramm zum Diagramm der Stammbiüthe der ganzen Familie machen. Endlich liegt auch darin noch eine durchaus willkürliche Annahme, dass man voraussetzt, alle jene Nachkommen derselben Stammform hätten sich in der einfach- sten Weise und auf dem kürzesten Wege aus dieser Stammform hervorgebildet. Auch für diese Annahme fehlt durchaus jeder objektive Anhalt. Möglich ist es, dass in dieser Weise die jetzt lebenden Einzelgestalten entstanden sind; ebenso möglich und wahr- scheinlich aber ist es auch, dass der fortgesetzte Gestaltungsprozess die mannigfaltig- sten Umwege eingeschlagen hat, bis er zuletzt die jetzt lebenden Gestalten zu Tage förderte. Wie dem aber auch gewesen sein mag, jedenfalls bleibt die Annahme, dass jene Veränderung der Gestalt der Stammform in der denkbar einfachsten Weise erfolgt sei, conform den Veränderungen, durch welche auf dem kürzesten Wege aus dem Familiendiagramm die Einzeldiagramme hergeleitet werden, jedentalls bleibt diese Annahme eine ganz und gar willkürliche. So sehen wir denn die ganze Anschauungsweise, die den Familiendiagrammen eine prähistorische objektive Realität beilegt, nach jeder Richtung hin vollständig in 1) Es ist eine ganz allgemeine Voraussetzung aller phylogenetischen Spekulationen und Theorien, dass der Grad der Blutsverwandtschaft zweier Organismen genau congruent sei dem Grade ihrer Aehnlich- keit. Diese Voraussetzung liegt stillschweigend allen phylogenetischen Theorien zu Grunde, ja muss als das Grundprinzip aller Phylogenetik betrachtet werden. Und doch ist dieser Satz, dessen nothwendige Folge der monophyletische Ursprung der einzelnen Thier- und Pflanzenfamilien sein würde, noch von keinem Phylogenetiker bewiesen worden. In Wirklichkeit aber ist derselbe nichts anderes als eine ganz willkürliche Annahme, die von vornherein schon sehr zweifelhaft erscheinen muss, bei genauer Beob- achtung der Thatsachen aber leicht als falsch nachgewiesen werden kann. ee - der Luft schweben. Sie gehört ganz und gar dem Gebiete willkürlicher Hypo- thesen an, einem Gebiete, das der empirischen Beobachtung gänzlich unzugänglich ist. Wollen wir auf dem Boden einer exakten wissenschaft!ichen Forschung stehen bleiben, so müssen wir deshalb diese ganze Anschauungsweise zur Seite lassen, so schön und verführerisch sie in der That auch sein mag. Wir müssen überhaupt jene Formeln, für welche sich somit in keiner Weise eine bestimmte objektive Realität ausfindig machen lässt, einfach als das gelten lassen, was sie ihrer Entstehung nach sind, als rein schematisirende Construktionen, als construirte Formeln ohne alle objektive Realität.') Doch bleibt es darum dem poetischen Sinne des einzelnen Forschers immerhin unbenommen, sich jene abstrakten Formeln durch poetische Ausdeutung zu beleben und jener Anschauungsweise entsprechend in diesen Familiendiagrammen die Blüthen der Stammpflanzen der einzelnen Familien zu erblicken, wofern nur die wahre Bedeutung dieser Formeln nicht mit der subjektiven Ausdeutung derselben verwech- selt wird. Die wahre Bedeutung dieser Formeln aber liegt in ihrer Eigenschaft als schematische Uonstruktionen. Objektive Realität besitzen sie nicht. Von thatsäch- licher Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit derselben kann ebenso wenig die Rede sein, wie von einem Beweis oder einer Widerlegung derselben. — In Wirklichkeit aber hat man vielfach versucht, die Richtigkeit oder Unrichtig- keit solcher Diagramme nachzuweisen. Die morphologische Litteratur ist reich an derartigen Erörterungen über das Diagramm dieser oder jener Familie, und nament- lich hat das Diagramm derjenigen Familie, von deren Besprechung wir ausgegangen sind, das Diagramm der Crueiferen, zu zahlreichen Erörterungen Anlass gegeben. Von der grossen Mehrzahl all dieser Abhandlungen über Familiendiagramme muss !) Eine vielfach verbreitete andere Anschauungsweise spricht sich in einer Aeusserung Cela- kovsky’s deutlich aus. Derselbe sagt (Vergleichende Darstellung der Placenten. 1876. p. 69): „Wie wäre es aber möglich, den Vergleich mit solcher relativen Sicherheit und objektiven Wahrheit anzuwen- den, wenn nicht wirklich ein morphologischer Grundtypus alle die anscheinend so verschiedenen Formen beherrschte und zu einer schönen Einheit verknüpfte?“ — Aus der Thatsache, dass zahlreiche ver- schiedene Einzelformen auf ein einzelnes Schema, einen einzelnen morphologischen Grundtypus in Gedan- ken sich zurückführen lassen, schliesst man auf die objektive Realität dieses Grundtypus: ein durchaus unberechtigter Schluss. Möglich ist es, dass einmal einem solehen Grundtypus objektive Realität zukommt: allein ob dies der Fall ist oder nicht, darüber lässt sich aus jener Thatsache allein ganz und gar nichts folgern. 2: aber gesagt werden, dass darin über die Bedeutung des Begriffs Familiendiagramm durchaus keine bestimmte klare Ansicht zu finden ist. Darin nur stimmen fast alle Autoren überein, dass eine objektive Realität des Familiendiagramms als selbst- verständlich vorausgesetzt wird, wenn auch nur selten hervortritt, in welcher Art der einzelne Autor diese Realität sich vorstellt. Ausserdem aber schwankt die Bedeutung des Begriffes Diagramm fast in allen derartigen Abhandlungen hin und her. Bald wird unter Diagramm das empirische Einzeldiagramm verstanden mit oder ohne Berücksichtigung der Entwicklungsgeschichte, bald das entsprechende theoretische Einzeldiagramm, bald das theoretische Gruppendiagranım unserer obigen Darstel- lung, u.s.f. Alle diese verschiedenen Arten des Diagramms werden zumeist unter- schiedslos durcheinander geworfen und verwechselt, und kann da natürlich von einer Uebereinstimmung in den Ergebnissen solcher Deduktionen kaum die Rede sein. In den erwähnten Erörterungen über die Gestaltung der einzelnen Familiendia- gramme bedient man sich zum Beweise oder zur Widerlegung dieses oder jenes Dia- grammes seit Alters wesentlich derselben Methode.') Der Vergleich einer grösseren Anzahl einzelner Blüthengestalten galt von jeher als beweisend für die Wahrheit des einzelnen Diagramms. In früheren Zeiten beschränkte man sich auf die vergleichende Betrachtung der fertigen Blüthen und berücksichtigte dabei nicht allein die normalen und abnormen Blüthen derselben Familie, sondern zog auch die Blüthengestalten anderer mehr oder weniger nahe verwandter Familien mit in Betracht. In neuerer Zeit, seit die Beobachtung der Blüthenentwicklung mit Erfolg betrieben worden ist, ward auch den Ergebnissen einer vergleichenden Betrachtung der successiven Ent- wicklungsstadien derselben Blüthe oder, wie man zu sagen pflegt, der Entwicklungs- geschichte in den morphologischen Fragen eine entscheidende beweisende Kraft zu- gesprochen. Diese vergleichende Betrachtung zahlreicher Einzelgestalten ergab aber viel- fach ein verschiedenes Resultat, je nachdem man diese oder jene Gruppe von Blüthen 1) Man hat vielfach mehrere verschiedenartige Methoden der Forschung in der vorliegenden und in ähnlichen Fragen der vergleichenden Morphologie unterscheiden zu müssen geglaubt. Ich kann dage- gen nur aufs entschiedenste A. Braun beistimmen, wenn er sagt (Die Frage nach der Gymnospermie der Cyeadeen. Monatsb. d. Berliner Akad. 1875. p. 263): „Ich kann daher in den angeblich verschiedenen Methoden der morphologischen Forschung überall nur eine erkennen, die vergleichende Methode in ihren verschiedenen Abstufungen.‘ a ee, berücksichtigte- Es widersprachen z. B. häufig die Resultate einer vergleichenden Betrachtung der vergrünten Blüthen denjenigen Resultaten, die man aus der Unter- suchung der Entwicklungsgeschichte abgeleitet hatte. So ist man denn vielfach gezwungen gewesen, diese verschiedenen Resultate gegen einander abzuwägen, um zu dem erstrebten richtigen Resultate zu gelangen. Und das hat naturgemäss zu zahl- reichen Erörterungen über die Beweiskraft dieses oder jenes Momentes hingeführt. Die morphologische Litteratur ist reich an solchen Erörterungen über die Beweis- kraft der Entwicklungsgeschichte, die Beweiskraft der sg. abnormen Blüthen und vor allem der vergrünten Blüthen. Die Resultate aller dieser Erörterungen aber gehen weit aus einander. Während z. B. von der einen Seite die Entwicklungsgeschichte als das einzige und entscheidende Beweismittel morphologischer Forschung gepriesen wird, legt man auf der anderen Seite der Vergleichung der successiven Entwicklungs- stadien derselben Blüthe eine sehr viel geringere Bedeutung bei als z. B. dem Vergleiche der vergrünten Blüthen. Eine Einigung über die Beweiskraft der einzelnen Momente ist noch gänzlich fern. Vergleicht man aber die Beweiskraft, die thatsächlich bei der Erörterung der einzelnen morphologischen Probleme den einzelnen Beweismitteln zuerkannt wird, so zeigt sich, dass die Beweiskraft dieser einzelnen Momente stets ganz willkürlich festgestellt wird. Die Entwieklungsgeschichte, die abnormen Blüthen, die Blüthen verwandter Familien gelten bald als beweisend, bald werden sie als bedeutungslos bei Seite gelegt, die Ergebnisse ihrer Untersuchung für trügerisch und verfälscht erklärt. Im einzelnen Falle leitet dabei den einzelnen Autor stets sein morphologischer Takt d. i. die Summe seiner vorgefassten Meinungen oder seine subjektive Willkür. Ein und dasselbe Moment gilt als beweisend oder als bedeutungslos, je nachdem es der vorgefassten Meinung entspricht oder nicht, je nachdem es im einzelnen Falle gerade passt oder nicht. Alle diese Rrörterungen über die Beweiskraft dieses oder jenes Momentes, die Beweiskraft der Entwicklungsgeschichte, der vergrünten Blüthen u. s. f., sind nun sehr einfach zu entscheiden. Es handelt sich, wie wir gesehen haben, bei der Frage der Familiendiagramme einzig und allein um schematische Formeln, um Construktionen, entworfen zu dem Zwecke, die zahlreichen thatsächlichen Einzelgestalten in Gedan- ken übersichtlich zusammenzufassen, Die Gestaltung dieser schematischen Formeln ist von vornherein ganz willkürlich, sie können in der verschiedensten Weise entwor- i er) fen werden. Nur allein die praktische Zweckmässigkeit kann uns bestimmen, die einfachsten derartigen Formeln vorzuziehen und deshalb die grösstmögliche Einfach- heit als einschränkende Bedingung für die Aufstellung der Familiendiagramme zu fordern. Einer weiteren Bedingung sind diese Diagramme überhaupt nicht unterwor- fen. Objektive Thatsachen, welche durch dieselben wiedergegeben werden sollten, welchen sie deshalb entsprechen müssten, fehlen gänzlich. Von einer Wahrheit der- selben kaun somit gar nicht die Rede sein, und infolge dessen auch nicht von einem Beweise dieser Wahrheit. Und deshalb kann auch keinem einzigen Momente in die- ser Frage beweisende Kraft zukommen. Weder die Entwicklungsgeschichte, noch die abnormen Blüthen sind entscheidende Beweismittel der morphologischen Forschung; ja es gibt hier iiberhaupt gar keine entscheidenden Beweismittel. Die Aufstellung des Familiendiagramms wird einzig und allein geleitet und bestimmt durch die Rück- sicht auf die möglichst grosse praktische Zweckmässigkeit, die durch eine möglichst grosse Einfachheit der Ableitung aller einzelnen Artdiagramme gewonnen wird. Nur insofern der Vergleich der abnormen Blüthen, der Blüthen verwandter Familien, der Vergleich der successiven Entwicklungsstadien derselben Blüthe dazu beiträgt, eine solche praktische Zweckmässigkeit des Familiendiagramms zu erreichen, nur insofern kommt denselben neben dem Vergleich der entwickelten normalen Blüthen eine bestimmte Bedeutung zu. Eine beweisende Kraft aber fehlt in der Frage der Blüthendiagramme allen diesen Momenten gänzlich.') 1) Wenn wir somit der Entwieklungsgeschichte, den abnormen Blüthen u. s. f. alle und jede ent- scheidende Beweiskraft in der Frage der Blüthendiagramme absprechen, so soll damit doch der hohe Werth, den gleichwohl jene Momente in dem vorliegenden Gebiete morphologischer Forschung zumeist besitzen, keineswegs in Abrede gestellt werden. Dieser Werth aber wird einzig und allein dadurch begründet, dass die Aufstellung eines möglichst einfachen und zweekmässigen Familiendiagramms, aus dem in mög- lichst einfacher Weise sämmtliche Einzeldiagramme sich ableiten lassen, oft gar nicht möglich ist olıne Berücksichtigung jener Momente, vielfach aber durch die Rücksichtnahme auf dieselben ausserordentlich erleichtert wird. - Eine genauere Besprechung des Beispiels der abnormen Blüthen mag dies noch deutlicher darthun, Die abnormen Blüthen sind für die vergleichende Morphologie thatsächlich vorhandene Einzelge- stalten von ganz derselben Art, wie alle einzelnen normalen Blüthen. Nur ihres überwiegend häufi- gen Vorkommens wegen werden diese letzteren als normale Blüthen jenen selteneren abnormen Blüthen gegenübergestellt. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 8 BER ö Von wirklich exakten Beweisen ist eben in der Lehre von den Blüthendia- grammen überhaupt nicht die Rede. Ein dunkles Gefühl davon schwebt übrigens auch den Blüthenmorphologen selbst vor. Das zeigt sich deutlich in der ganzen Art und Weise, wie die einzelnen widerstreitenden Ansichten sich gegenseitig bekämpfen. Jeder Autor schreibt sich allein „vorurtheilsfreie Betrachtung“ der Verhältnisse zu, bekämpft die Ansicht des Gegners als „vorgefasste Meinung“, als „der Natur wider- Sollen nun die sämmtlichen einzelnen Blüthengestalten einer Familie, wozu natürlich neben den normalen auch die abnormen gehören, auf ein und dasselbe Blüthenschema zurückgeführt werden, so wird man zur Entwerfung dieses Familiendiagramms zumeist ausgehen von der Betrachtung der häufigeren, sg. normalen Blüthen. Bei dem Versuche, diese sämmtlich auf ein Schema zurückzuführen, bieten sich fast stets verschiedene Methoden dar, die in gleicher Weise eine solche Zurückführung ermöglichen. Finden sich nun thatsächlieh ausser den Blüthen, von deren Betrachtung man ausgegangen ist, noch andere Ge- stalten vor, welche irgend ein Stadium aus einem jener gedachten Ableitungsprozesse wirklich verkörpert darstellen, so wird man bei der Auswahl unter den möglichen Ableitungsweisen entschieden dieser einen Ableitungsweise den Vorzug geben; denn sie erlaubt nicht nur die Ableitung der zunächst betrachteten Blüthen, sondern zugleich auch noch die Ableitung jener Mittelformen, wird also sicher einfacher und deshalb zweckmässiger sein als jede andere Ableitungsweise. Solche nützlichen Mittelformen aber stellen gerade die sg. abnormen Blithen besonders häufig dar. Sie zeigen vielfach den Weg, den man bei der Aufstellung eines zweckmässigen Familiendiagramms einzuschlagen hat. Und darin eben beruht ihr Werth für die vergleichende Blüthenmorphologie. Dieser ihr Werth aber ist oft ein recht bedeutender. In anderen Fällen dagegen lassen die sämmtlichen normalen Blüthen einer Familie die Aufstellung eines sehr einfachen und zweckmässigen Familiendiagrammmes zu, ohne dass eine einfache Ableitung aller abnormen Blüthen derselben Familie davon möglich wäre. Es geschieht das namentlich, wenn solehe abnormen Blüthen dureh bedeutendere Unterschiede von den normalen Blüthen abweichen, wie das bei den vergrün- ten Blüthen häufig der Fall ist. Dann kann man zwar stets auch noch diese sehr abweichenden abnormen Blüthen mit dem gemeinsamen Diagramm der übrigen Blüthen der Familie vereinigen zu einem gemeinsamen Familiendiagramm; allein dieses Familiendiagramm verliert dann oft all und jedes charakte- ristisches Gepräge, seine Aufstellung entbehrt dann all und jeder praktischen Nützlichkeit. In solchen Fäl- len mag es dann nützlicher und zweckmässiger sein, von jenen bedeutend abweichenden abnormen Blüthen, z.B. den stark vergrünten Blüthen, bei der Aufstellung des Familiendiagramms gänzlich abzusehen. So zeigen also die abnormen Blüthen für die vergleichende Blüthenmorpholögie und speciell für die Lehre von den Familiendiagrammen vielfach einen sehr bedeutenden Werth; bisweilen aber müssen dieselben als gänzlich werthlos für diese Fragen bei Seite gelegt werden, da ihre Berücksichtigung den Zweck der ganzen vergleichenden Betrachtung, praktisch nützliche Formeln zu entwerfen, durchaus illuso- risch machen würde. Dieses letztere aber ist zumeist bei den sg. vergrünten Blüthen der Fall. — aa sprechend“, als „weniger logisch“ oder gar als „unlogisch“, und wie die hier benutz- ten Ausdrücke weiter heissen mögen. Im Einzelnen das Vorurtheil oder den Wider- spruch gegen die Logik als solchen aufzuweisen, das unterlässt jeder, denn das ist eben nicht möglich. Derjenige Grund aber, der zumeist benutzt wird zur angeblichen Beweisführung einer bestimmten Anschauungsweise, ist der Nachweis, dass diese Anschauungsweise weit einfacher sei als eine andere. Und doch kommt ja die Einfachheit einer Anschauungsweise ganz und gar nicht in Betracht, wenn es sich um den Nachweis der objektiven Wahrheit derselben handelt. Gleichwohl jedoch ist, wie wir gesehen haben, bei der Beurtheilung der Familien- diagramme in der That ganz wesentlich die Einfachheit derselben von Belang, wie man richtig herausgefühlt hat, aber in ganz anderem Sinne, als dies angenommen wird. Das einfachste Familiendiagramm ist eben das zweckmässigste und entspricht, wie wir oben gesehen haben, am besten der Aufgabe, der man durch die Aufstellung von Familiendiagrammen überhaupt gerecht werden will. — Was bei allen Erörterungen über die Familiendiagramme vermisst wird, das ist eine vorhergehende Aufklärung und feste Bestimmung der Grundbegriffe. Diese Grundbegriffe erscheinen überall in ihrer Bedeutung unklar und schwankend. Eine nothwendige Folge davon ist es, dass eine endgültige Lösung der schwebenden Fragen unmöglich ist. In der That schwanken die Ansichten in der Lehre von den Dia- grammen noch heute ebenso hin und her wie vor fünfzig Jahren. Dieselben Ansichten sind oft wiederholt aufgestellt und ebenso oft angeblich widerlegt worden, ohne jedoch von der Tagesordnung zu verschwinden. Auch der angebliche Nachweis einer Ansicht als unlogisch hat nicht vermocht, dieselbe für alle Zeiten gänzlich zu widerlegen. Die Methoden der Beweisführung, die man hier benutzt hat, sind eben nicht zu einer wirklichen Beweisführung geeignet und erlauben eine ganz ebenso bündige Beweisführung resp. Widerlegung der einen wie der anderen von zwei entgegenstehenden Anschauungsweisen. Ein vortreffliches Beispiel dazu bietet uns die alte Streitfrage über das Dia- gramm der Cruciferen. Die Litteratur über diese Frage ist sehr umfangreich. Kaum ein einziges Moment ist hier aufzufinden, das nicht von der einen Seite zum Beweise der einen Blüthentheorie, von der anderen Seite zum Beweise der entgegengesetzten benutzt worden wäre. Unsere ganze obige Darstellung des ersten Abschnittes hat 8* auch gradezu den Zweck, an einem ausführlich durchgeführten Beispiele zu zeigen, wie auf dem bisherigen Boden der Blüthenmorphologie und mit den bisherigen Beweismitteln derselben zu keinem bestimmten Resultate zu gelangen ist. Alle Methoden sind hier zweischneidig, keine definitiv beweisend, keine definitiv widerlegend. Der Grund davon liegt, wie gesagt, einzig und allein daran, dass es an einer genügenden Klarheit und Bestimmtheit der Grundbegriffe durchaus fehlt. Die obige Darstellung hat versucht, diese Lücke auszufüllen. Eine andere Bedeutung des Begriffs Familiendiagramm als die angegebene aber war nicht aufzufinden. Diese Bedeutung mag man als unzweckmässig verwerfen, allein klar und bestimmt ist sie jedenfalls und entrückt diesen Begrift vollständig sowohl dem Bereiche mystisch dunkler Spekulation und metaphysischer Begriffs- romantik, als auch dem Bereiche der modernen schrankenlosen Hypothesendichtung, worin er bisher seine Stelle gefunden hatte. Das Familiendiagramm erscheint darnach als eine schematische Construktion, entworfen, um eine Menge von Einzelgestalten in einheitlichem Ueberblick zusammen- zufassen und so zu bewältigen, als eine schematische Formel ohne alle objektive Realität. II. Die Lehre von der Metamorphose der Pflanzen. Die vorstehende Besprechung der verschiedenen Arten von Diagrammen, die unterschieden werden können, hat auch in Kürze das Grundgesetz der gesammten vergleichenden Morphologie der Phanerogamen berührt, ohne jedoch dessen objektive Bedeutung genauer zu erörtern. Es ward nur erwähnt, dass dieses Grundgesetz, der Satz von der Metamorphose der Blüthenpflanze, nicht in den Thatsachen selbst unmittelbar gegeben, sondern durch vergleichende Betrachtung derselben gewonnen worden sei. Dieses Grundgesetz der vergleichenden Morphologie wird aber, wie wir gesehen haben, durchweg den Blüthen-Diagrammen zu Grunde gelegt, mögen dieselben Einzeldiagramme oder Gruppendiagramme darstellen. Dies mag es rechtfertigen, wenn wir hier im Anschluss an die vorstehende Erörterung über das Diagramm noch etwas näher auf diese Lehre eingehen, die für die gesammte Doktrin von den Diagrammen von so grundlegender Bedeutung ist. Es gilt, hier die erwähnte Auffassungsweise dieser Lehre etwas ausführlicher darzulegen und in Kürze zu begründen. — Man kann jenem Grundgesetze der vergleichenden Morphologie der Phanero- gamen einfach die Fassung geben, dass alle Theile der sämmtlichen Blüthenpflanzen entweder Wurzeln oder Caulome oder Phyllome oder Trichome oder (um auch diese zuletzt aufgestellte Kategorie nicht zu übergehen) Emergenzen') in verschiedenartiger specieller Ausbildung darstellen. Dieses Grundgesetz, das ja eine Geltung a priori unmöglich in Anspruch nehmen kann, setzt unbedingt eine Ableitung aus der Erfahrung, aus vergleichender 1) Es ist für unsere folgende Betrachtung ganz gleichgültig, ob wir diese fünf Kategorien aufstellen odermit A. Braun (Gymmospermie der Cycadeen. Monatsb. der Berl. Akad. 1875. p. 263 Anm.) an der alten Trias „Wurzel, Stengel und Blatt“ festhalten oder daneben als vierte Kategorie noch Triehome unter- scheiden wollen, N Betrachtung zahlreicher Einzelgestalten, der einzelnen verschiedenartigen Blüthen- pflanzen, voraus. In welcher Weise ist nun dieses Gesetz aus der Erfahrung abgeleitet worden ? etwa durch einfache Induktion oder in welcher Weise sonst? Es sei erlaubt, hier etwas weiter auszuholen. Sind eine grosse Menge einzelner Objekte dem menschlichen Geiste dargeboten, so macht sich ihm unwiderstehlich das Bedürfniss geltend, dieselben zu einer Einheit zusammenzufassen, um die Fülle der differenten Einzeldinge zu bewältigen. Das kann nun in zweifacher Weise geschehen. Entweder führt eine Vergleichung der Einzeldinge dazu, eine Reihe gemein- samer Merkmale in sämmtlichen einzelnen Objekten aufzufinden. Diese gemeinsamen Merkmale bilden dann in ihrer Gesammtheit ein objektives einigendes Band, das alle jene Einzeldinge thatsächlich und unabhängig von der willkürlichen Auffassung des Beobachters verbindet. In solchen Fällen wird die einheitliche Zusammenfassung der zahlreichen Einzeldinge durch diese Dinge selbst vorgezeichnet, das einigende Band, eben die Summe der gemeinsamen Merkmale aller Einzeldinge, erscheint objektiv, in den Thatsachen selbst begründet. Oder aber eine Vergleichung aller jener Einzelobjekte, seien es einzelne Gegenstände oder Einzelvorgänge, führt dazu, dieselben sämmtlich in Gedanken auf ein einzelnes dieser Objekte ausdeutend, schematisirend zurückzuführen. Man denkt sich die sämmtlichen Einzelobjekte als Modifikationen jenes einen, das man beliebig herausgegriffen hat, indem man dessen Theile in den einzelnen Theilen der anderen Einzelobjekte in bestimmt charakteristischer Weise verändert und umgestaltet wieder- erkennt. Auch bleibt dies Verfahren ganz dasselbe, wenn man ein solches einzelnes Objekt, auf welches man alle übrigen zurückführt, von welchem man alle übrigen in Gedanken durch gedachte Umänderungen der einzelnen Theile ableitet, einfach construirt als ein Produkt der Spekulation, wenn man also nicht ein einzelnes der gegebenen Objekte zum Typus aller übrigen, wie wir dies nennen wollen, erhebt, sondern einen solchen Typus einfach erfindet. In beiden Fällen bleibt das Verfahren wesentlich dasselbe. Man denkt sich ebenalle gegebenen Einzelobjekte nach einem und demselben Typus entworfen und nur secundär in der speciellen Ausgestaltung verschieden modifieirt. — Durch ein solches Verfahren gelingt es, die gegebenen Einzel- objekte sämmtlich unter einen gemeinsamen einheitlichen Gesichtspunkt zu bringen und so jenen ersehnten einheitlichen Zusammenhang der verschiedenartigen Einzel- dinge herzustellen. Allein dieser einheitliche Zusammenhang ist hier stets von aussen hinzugebracht, rein subjektiv begründet, durch die Dinge selbst zunächst nicht gegeben. Bei der Aufstellung eines solchen Typus kann man übrigens in sehr verschie- dener Weise zu Werke gehen. Am zweckmässigsten aber wird man jedenfalls dann verfahren, wenn man den Typus so construirt, dass er sich den gegebenen Einzel- objekten möglichst enge anschliesst, dass sich die sämmtlichen Einzelobjekte in möglichst einfacher Weise von demselben ableiten lassen. Ja man kann auch diese Beschaffenheit des Typus gradezu als Bedingung der ganzen Autgabe, einen solchen Typus zu construiren, hinstellen. Der einheitliche Zusammenhang, den die Aufstellung eines solchen Typus in die verschiedenen Einzelobjekte bringt, ist nun zunächst der ganzen Verfahrungs- weise zufolge ein rein subjektiver, nur im Geiste des vergleichenden Beobachters wirklich vorhanden. Möglich ist es dabei jedoch immer, dass ganz derselbe Zusammenhang auch in den Dingen selbst objektiv vorhanden ist. Möglich ist es, dass in der That jener Typus allen Einzelobjekten wirklich zu Grunde liegt, iiberall nur secundär modificirt erscheint, dass z, B. in einer Anzahl verschiedener Einzelvorgänge in der That derselbe Vorgang, eben jener typische Vorgang, vorliegt und nur durch secundäre Ursachen das allgemeine Gesetz im einzelnen Fall beeinträchtigt, verdunkelt erscheint. Allein dass dies so ist, das muss in jedem einzelnen Fall erst wirklich bewiesen werden. Es muss in jedem derartigen Fall genau bewiesen werden, dass der Zusammenhang, in den man zunächst nur in Gedanken die Einzel- objekte gebracht hat, in der That auch wirklich in den Dingen selbst begründet ist, in deu Dingen selbst vorhanden ist. Ohne diesen Beweis bleibt jener Zusammen- hang stets nur ein subjektiver, die einheitliche Zusammenfassung der Einzeldinge stets nur eine subjektive Betrachtungsweise. Ein solcher zunächst rein subjektiver, erdachter Zusammenhang der Einzel- dinge, eine solche zunächst rein subjektive Betrachtungsweise kann allerdings die für den Fortschritt der Wissenschaft höchst wichtige Bedeutung einer wissenschaftli- chen Hypothese annehmen, wenn jener einfach erdachte Zusammenhang derart ist, dass derselbe eventuell als objektiv wahr und thatsächlich vorhanden durch die Be- obachtung nachgewiesen werden kann, wenn ein solcher erdachter Zusammenhang BER Ne der Bestätigung durch die Erfahrung wirklich zugänglich ist. So lange aber dieser Beweis der thatsächlichen Wahrheit durch die Beobachtung noch nicht geführt ist, bleibt doch auch jene wissenschaftliche Hypothese stets dasselbe, was sie ihrer Ent- stehung nach ist, nämlich eine rein subjektive Zusammenfassung zahlreicher Einzel- dinge unter eine einheitliche Idee, eine rein subjektive Betrachtungsweise. In dieser Beziehung ist zwischen einer wissenschaftlichen Hypothese und jeder beliebigen er- dachten Combination, der man den Rang einer wissenschaftlich zulässigen Hypo- these nicht zuerkennt, durchaus kein Unterschied, der Zusammenhang, welcher da- durch in die Einzeldinge gebracht wird, ist stets nur ein rein subjektiver. In zweierlei Weise lässt sich somit durch Vergleichung von Einzelobjekten ein einheitlicher Zusammenhang derselben gewinnen: Entweder durch einen kritisch prüfenden Vergleich der sämmtlichen einzelnen Merkmale aller Einzelobjekte und durch Zusammenfassung der gemeinsamen Merkmale, oder aber durch schematisirende Re- duktion aller Einzelobjekte aut ein und dasselbe Schema.') Das erstere Verfahren er- fordert mehr ein scharfes und logisch präcises Denken und Schliessen, das letztere Verfahren dagegen ist mehr Sache der schaffenden Phantasie und der poetischen Spekulation. Beide Verfahren führen zum Auffinden empirischer Gesetze; das erstere durch reine klare Induktion zahlreicher Einzelfälle, das letztere auf indirektem Wege dadurch, dass es öfters gelingt, den erdachten typischen Vorgang nachträglich auch als den thatsächlich gesetzmässigen nachzuweisen, die hypothetische Annahme durch die Beobachtung zu bestätigen. — Die Mehrzahl der bekannten naturwissen- schaftlichen Gesetze ist thatsächlich wohl in letzterer Weise gefunden worden. — Wenden wir uns nun jenem Grundgesetze der Morphologie der Blüthenpflanzen zu, das aus der Betrachtung zahlloser Einzelfälle abgeleitet alle die mannigfaltigen Einzelgestalten der Blüthenpflanzen in einen einheitlichen Zusammenhang bringt. Welcher Art ist der Zusammenhang der Einzelgestalten, der uns durch dieses Gesetz geboten wird? Dies Gesetz erklärt alle Keimblätter, Niederblätter, Laubblätter, Hochblätter, Kelchblätter, Blumenblätter, Staubgefässe — um von den Pistillen, die angeblich aus Fruchtblättern zusammengesetzt sind, einmal ganz abzusehen — für Phyllome. Ver- gleicht man alle genannten Theile der Blüthenpflanzen sorgfältig untereinander, so t) Vgl. oben p. 44. re lässt sich kein einziges gemeinsames Merkmal derselben auffinden, das nicht auch allen übrigen Theilen der Blüthenpflanzen, die man in die Kategorien Wurzel, Caulom, Trichom: und Emergenz vertheilt, zukäme. Ein ganz analoges Resultat stellt sich auch heraus, wenn man in ähnlicher Weise sämmtliche Pflanzentheile untereinander vergleicht, die je in die Kategorien Wurzel, Caulom, Trichom und Emergenz eingeordnet zu werden pflegen. Die Vergleichung aller einzelnen Blüthenpflanzen und ihrer Theile unter sorg- fältiger Berücksichtigung aller vorhandenen Merkmale und unter Feststellung der gemeinsamen Merkmale führt keineswegs zu einer Rubrizirung aller jener Theile in die fünf verschiedenen Kategorien Wurzeln, Caulome, Phyllome, Trichome und Emergenzen.') 1) Es ist eben nicht möglich, alle diejenigen Pflanzentheile, die man bisher als Phyllome, Cau- lome etc. zusammengefasst hat, jeweilig durch bestimmte speeifische Merkmale scharf zu charakterisiren. Es ist nicht möglich, für die Begriffe Phyllom, Caulom ete., so wie sie bisher in der praktischen Anwendung benutzt worden sind, bestimmte unterscheidende Definitionen aufzufinden, eine Grenze zwischen diesen ein- zelnen Begriffen zu bestimmen. Phyllome und Caulome u.s. w. der bisherigen Morphologie sind nicht eigenartige Gebilde, sondern gleichwerthige Ausgliederungen desselben Pflanzenkörpers, gleichwerthige Theile desselben Ganzen, durch zahlreiche Uebergangsformen verbunden und nur der jeweiligen physiologischen Funktion entsprechend verschieden ausgebildet. Diese Thatsache ist bekanntlich schon wiederholt von verschiedenen Autoren hervorgehoben worden, z.B. von Hanstein, die Entwicklung des Keimes der Monokotylen und Dikotylen (1870) p. 91—92; Treeul, Observations sur la nature des diverses parties de la fleur, in Comptes rendus. Tome 75 (1872). p- 654—655; u. a.m. Mit der Anerkennung dieser Thhatsache fallen aber sofort alle die zahlreichen morphologischen Probleme, die zur Aufgabe haben, die morphologische Natur eines Pflanzentheiles, ob Caulom oder Phyllom u. s. w., zu bestimmen, einfach als gegenstandslos weg.. Denn wenn zwischen jenen Begriffen keine bestimmte Grenze vorhanden ist, so bleibt auch jeder Versuch, einen bestimmten Pflanzentheil als Phyllom oder als Caulom u.s,w. nachzuweisen, gänzlich illusorisch. Es fallen damit zahlreiche alte Streitfragen hinweg, die viel Kopfzerbrechen und Ueberlegen hervorgeruten haben. Es fällt damit aber auch das gesammte Gesetz der Metamorphosenlehre einfach weg und stellt sich als unrichtig heraus. Denn wenn Uebergangsformen von Phyllomen, Caulomen u.s.w. vorhanden sind, so ist die Behauptung, dass ein einzelner Pflanzentheil entweder ein Phyllom oder ein Caulom u. s. w. sei, einfach unrichtig. Allein es lässt sich, wie wir sogleich sehen werden, dieses Gesetz gleichwohl noch festhalten und demselben ein bestimmter objektiver Inhalt unterlegen, wenn man bei der Auffassung der Begriffe Phyllom, Caulom u. s. w. sich nicht an die Benennungen der einzelnen Pflanzentheile durch das bisherige Herkom- men bindet. Abh. d. ntf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. b) ee Nach jener ersten Methode, die gegebenen Einzelgestalten durch einfache Induktion in eine einheitliche Verbindung zu bringen, ist somit der einheitliche Zusammenhang, in den dies Gesetz alle Blüthenpflanzen bringt, keineswegs zu gewin- nen. Und in der That ist das Gesetz auch historisch keineswegs in solcher Weise durch klare Induktion und scharfe logische Schlussfolgerung gewonnen worden. Seinen Ursprung verdankt es vielmehr wesentlich der poetisch schaffenden Phantasie. Ja es ist bekanntlich Niemand anders als der grösste deutsche Dichter selbst gewesen, der das Gesetz zuerst aufgestellt hat, Niemand anders als Göthe selbst. Ihn erdrückte die Fülle der mannigtaltig wechselnden Gestalten der Blüthen- pflanzen, die er nicht zu bewältigen vermochte, und rastlos suchte er nach einem einheitlichen Zusammenhange dieser Einzelformen. So tauchte allmählich das Bild jener Urpflanze in seiner Seele auf und gewann mehr und mehr Klarheit und greif- bare Gestalt, das Bild der typischen Pflanze, die allen noch so verschiedenartigen Blüthenpflanzen zu Grunde lag, auf welche sich alle einfach und leicht zurückführen, wovon sie sich einfach und leicht ableiten liessen. Späterhin hat eine weitere Beschäftigung mit dieser Urpflanze das Bild der- selben mehr und mehr im Einzelnen ausgearbeitet und zuletzt zu jener Formulirung des ganzen Gesetzes der Metamorphosenlehre hingeführt, die wir oben erwähnt haben. Seinen historisch ersten?) Ursprung aber verdankt das Gesetz der Metamorphosen- lehre, dieses Grundgesetz der vergleichenden Morphologie der Phanerogamen, der poetisch schaffenden Phantasie, die ganz m derselben Weise, wie oben angegeben, einen Typus für alle Blüthenpflanzen entwarf und dadurch dieselben in einen ein- heitlichen umfassenden Zusammenhang brachte. Ursprünglich also ist dieses ganze Gesetz nichts weiter als eine einfache subjektive Betrachtungsweise, die in Gedanken 1) Vgl. Göthe’s eigenen Bericht: „Geschichte meines botanischen Studiums‘ in der „Morphologie‘“ und zahlreiche Stellen der „Italiänischen Reise.“ Namentlich die letzteren Stellen erläutern die Art und Weise, wie Göthe zur Aufstellung seiner Urpflanze gelangt ist, aufs trefflichste. 2) Zuerst ausgesprochen findet sich bekanntlich die Idee der Metamorphose schon lange vor Göthe bei Casp. Fried. Wolff. Allein diese Idee blieb völlig unbeachtet, bis Göthe dieselbe von neuem selbstständig aufgestellt und ausgesprochen hatte. — Uebrigens ist diese Idee bei Wolft ebensowohl wie bei Göthe ein Produkt der poetischen Spekulation und nicht, wie Schleiden geglaubt hat, das Resultat einer methodischen Reflexion über die beobachteten Thatsachen. (Vgl. auch A. Kirchhoff, Die Idee der Pflanzen-Metamorphose bei Wolff und bei Göthe. Berlin. 1867.) a alle Gestalten der Blüthenpflanzen auf ein und dasselbe erdachte Schema zurückführte ; ein Schema, das allerdings auch der früher hervorgehobenen Bedingung, den Typus möglichst einfach zu construiren, ganz vortrefflich gerecht wird. Im Sinne des Autors der Urpflanze und im Sinne aller derer, die seiner Lehre sich anschlossen, war aber dies Gesetz weit mehr als nur eine zweckmässige schema- tisirende Betrachtungsweise. Im Sinne dieser Forscher, deren Zahl bald reissend zunahm und allen Zweifel und Bedenken gegen die objektive Wahrheit der Lehre erdrückte, war es ein Naturgesetz der organischen Welt, das man hier ermittelt hatte, ein Gesetz, das sogar all und jeder Darstellung der wissenschaftlichen Botanik zu Grunde gelegt werden musste, Und auch heutigen Tages noch sieht weitaus die Mehrzahl der Morphologen in jener Metamorphosenlehre Göthe’s, die in Einzelpunkten allerdings modificirt worden ist, ein wirkliches Gesetz der organischen Natur, das Grundgesetz aller Morphologie der Blüthenpflanzen, keineswegs nur eine Construktion einer schematisirenden vergleichenden Betrachtung. Allein das ist jene Urpflanze ihrem ersten Ursprunge nach dennoch, und, dürfen wir hinzusetzen, ist es auch heutigen Tages noch. Damit aus einem Typus der schematisirenden Spekulation ein empirisches Gesetz werde, muss, wie wir gesehen haben, der Beweis geführt werden, dass der Zusammenhang, der durch Aufstellung jenes Typus in die Einzelobjekte gebracht wird, auch wirklich in den Dingen selbst objektiv vorhanden sei. Dieser Beweis aber ist für die Metamor- phosenlehre bis auf den heutigen Tag noch niemals und von Nie- mandem!') erbracht worden. Bis auf den heutigen Tag ist vielmehr jene Göthe’sche Urpflanze nichts anderes als eine schematische Construktion der Spekulation ohne alle objektive Realität, ist die ganze Metamorphosenlehre nichts weiter als eine subjektive Betrachtungsweise zur einheitlichen Zusammenfassung der mannigfaltigen Gestalten der Blüthenpflanzen. Objektive Gültigkeit und Wahrheit besitzt diese Lehre auch heute noch ganz und gar nicht. Die Bedeutung, die wir hier der gesammten Metamorphosenlehre beilegen, ist somit ganz dieselbe, wie jene, die wir oben dem theoretischen Gruppendiagramm 1) Es würde natürlich viel zu weit führen, dies hier durch Besprechung aller der zahlreichen Versuche, die seit Göthe zu einem solehen Beweise unternommen worden sind, eingehend nachzuweisen. Die obige Behauptung aber ist das Resultat ausgedehnter historischer Studien der morphologischen Litteratur. 9* — 68 — zugesprochen haben. Die Analogie dieser Gruppendiagramme und der Urpflanze geht aber noch viel weiter. Ja wir können gradezu die Göthe’sche Urpflanze als ein derartiges Diagramm bezeichnen, das für sämmtliche Blüthenpflanzen entworfen ist und alle Theile derselben, nicht die Blüthen allein, berücksichtigt. Diese Analogie der Urpflanze und jener Familiendiagramme geht selbst soweit, dass man dieselben neuerdings in ganz gleicher Weise gedeutet, denselben eine ganz gleiche Bedeutung untergelegt hat. Die objektive Geltung der Metamorphosenlehre erschien nämlich wohl Manchem nicht ohne einige Bedenken, ebenso wie die objektive Realität der Familiendiagramme, Da hat man denn neuerdings beide zu retten gesucht, indem man eine objektive Realität der Urpflanze und der Familiendiagramme lehrte, die in prähistorischen Zeiten stattgefunden hat. Die Familiendiagramme machte man zu Blüthendiagrammen der Stammpflanzen der einzelnen F amilien. Die Göthe’sche Urpflanze aber machte man zur Stammpflanze aller Blüthenpflanzen. Damit erlangte diese in der That eine objektive Realität, allein eine rein hypothetische Realität. Für alle jene prähistorischen Vorgänge und Gestaltungsänderungen, deren Endprodukte uns heute in den lebenden Thier- und Pflanzenarten vorliegen, fehlt uns all und jeder Anhalt zu einer bestimmten sicheren Behauptung. Was über diese Vorgänge auch gelehrt werden mag, was immer über die Gestaltung der gedachten prähistorischen Pflanzen und speciell jener Urpflanze, der Stammform aller jetzt lebenden Blüthenpflanzen, gesagt werden mag, das entbehrt durchaus all und jeder Begründung in den Thatsachen, das sind alles durchweg unbewiesene Behauptungen. Ja es sind sogar alle solche Behauptungen dem exakten Beweise, der Bestätigung durch die Beobachtung und Erfahrung ganz und gar unzugänglich, sodass jenen Theorien auch nicht einmal der Rang von berechtigten und wissenschaftlich zulässigen Hypothesen zuerkannt werden kann.') Essind das vielmehr sämmtlich rein willkürliche Annahmen. 1) Vgl. Wigand, Der Darwinismus und die Naturforschung Newtons und Cuviers. (1874) Basis p- 9: „Wissenschaftlich berechtigt ist nur eine solche Hypothese, welche wirklich den Weg zu einer Erklärung von Naturerscheinungen bahnt; — wogegen eine Hypothese, welche nicht hierzu geeignet ist, oder welche im Widerspruch mit den Thatsachen steht, oder welche sich ein für allemal der Bestätigung oder Widerlegung entzieht und daher ihrer Natur nach von vornherein dazu bestimmt‘ ist, für immer als Hypothese in der Luft zu schweben, nicht den Namen einer wissenschaftlichen Hypothese, sondern höchstens den einer Vorstellungsweise zur Befriedigung des subjectiven Bedürfnisses verdient.“ Den N On Und so muss es auch als eine ganz und gar willkürliche und unbeweisbare Behaup- tung bezeichnet werden, wenn man der Stammpflanze aller jetzt lebenden Blüthen- pflanzen — vorausgesetzt dass eine solche überhaupt existirt hat — jene Gestaltung zuschreibt, die der Göthe’schen Urpflanze entspricht, wenn man so dieser "Urpflanze eine objektive Realität verleiht. Will man, getreu dem Grundprinzipe aller Natur- wissenschaft, auf dem Boden exakter Forschung stehen bleiben, so wird man viel- mehr jene Urpflanze stets nur als eine Construktion schematisirender Vergleichung betrachten können, eine Construktion, der all und jede objektive Realität mangelt. — Auf ganz anderem Wege als dem eben besprochenen haben einzelne Morpho- logen versucht, dem Gesetz der Metamorphosenlehre zu objektiver Realität zu verhelten. Man hat versucht, zunächst den einzelnen Kategorien Wurzel, Caulom, Phyllom, Trichom und Emergenz bestimmte klare Begriffe unterzulegen und darnach alle ein- zelnen Pflanzentheile daraufhin zu untersuchen, welcher unter jenen Kategorien die- selben einzureihen seien. Ein solcher Versuch muss natürlich: zu dem erstrebten Ziele hinführen, dem Gesetz der Metamorphosenlehre objektive Realität zu verschaffen, wenn nur jene Kategorien aut einer logisch richtigen und vollständigen Eintheilung mit klaren Definitionen beruhen. Ist dies der Fall, so müssen allerdings alle einzelnen Theile der Blüthenpflanzen entweder Wurzeln oder Caulome oder Phyllome oder Triehome oder Emergenzen darstellen, so wie es das Gesetz der Metamorphosenlehre verlangt. Allein dabei fragt es sich dann, ob die Gruppirung aller Pflanzentheile, die man durch dieses Verfahren gewinnt, irgend welche praktische Zweckmässigkeit besitzt. Seither sind alle derartigen Versuche, die mehrfach unternommen wurden, noch nicht consequent und vollständig durchgeführt worden. Es hat sich vieltach früher oder später wieder die Methode der alten schematisirenden Metamorphosenlehre dieser klaren und exakten Forschungsweise beigemengt und ihre vollständige Dürch- führung vereitelt. Das gilt beispielsweise von jenem Versuche Schleiden’s, dem Begrift Phyllom eine bestimmte entwicklungsgeschichtliche Bedeutung beizulegen und darnach dann erst zu untersuchen, welche Pflanzentheile dieser Definition zufolge unter den Begriff Phyllom gehören Dasselbe Grundprinzip befolgt neuerdings auch jene moderne Richtung morphologischer Forschung, die von den Gegnern so vielfach als „topische Morphologie“ bekämpft wird, diejenige Richtung, die durch bestimmte Stellungsmerkmale die Begriffe Phyllom und Caulom definiren und unterscheiden will. BepeR,, | En Diese und alle derartigen Richtungen morphologischer Forschung befolgen eine durchaus klar bestimmte und exakte Methode und sind deshalb als durchaus berechtigt in einer exakten Wissenschaft anzuerkennen gegenüber den unklaren Deduktionen der alten” „vergleichenden Morphologie“.') Allein, wie gesagt, noch keiner jener 1) Die vielfachen Angriffe, die neuerdings gegen diese Riehtung morphologischer Forschung unter- nommen worden sind, verkennen sämmtlich den Grundstandpunkt derselben. Die „topische Morphologie“, die in den Phyllomen, Caulomen u.s. w. der bisherigen vergleichenden Morphologie ganz unklare Begriffe ohne jeden bestimmten Inhalt vorgefunden hatte, sucht diesen Ausdrücken durch eine bestimmte Definition eine bestimmte klare Bedeutung unterzulegen und will demgemäss mit den Ausdrücken Phyllom, Caulom u. s. w. nichts anderes bezeichnen als eben bestimmte räumliche Verhältnisse der gegenseitigen Stellung. Wenn sie einem bestimmten Pflanzentheile die morphologische Bedeutung eines Phylloms, Cauloms u. s. w. zuschreibt, so will sie damit nichts anderes sagen, als dass diesem Pflanzentheile die und die bestimmten Stellungsmerkmale zukommen, dass derselbe eben deshalb und deshalb allein ein Phyllom, Caulom ete, genannt werden müsse. Für sie besitzen die Begriffe Phyllom, Caulom u.S.Ww. gar keine anderen Merkmale als eben die bestimmten Merkmale der gegenseitigen räumlichen Stellung. — Diese topische Morphologie ist somit, so lange sie sich selbst eonsequent bleibt, von der alten vergleichen- den Morphologie, mag dieselbe in ihrem alten Gewande oder in der modernen phylogenetischen Einkleidung erscheinen, ihrem ersten Grundprinzip nach grundverschieden, ebenso verschieden wie die künstliche und die natürliche Methode in der Systematik. Diese topische Morphologie stützt sich in ihren Erklärungen einzelner Pflanzentheile ausschliesslich auf die Entwicklungsgeschichte. Man hat derselben vielfach dies zum Vorwurf gemacht und namentlich neuerdings vielfach gegen die unvorbereitete und einseitige Handhabung der Entwicklungsgeschichte geschrieben. Allein der Grundstandpunkt der topischen Morphologie bringt diese ausschliessliche Berück- sichtigung der Entwicklungsgeschichte mit Nothwendigkeit mit sich. Die topische Morphologie hat ja nach dem eben Gesagten allein die Aufgabe, die räumlichen Verhältnisse der gegenseitigen Stellung bei den einzelnen Pflanzentheilen zu ermitteln, und diese Aufgabe lässt sich mit Sicherheit nur allein durch die genaue Beobachtung des gesammten Entwicklungsganges der einzelnen Pflanzentheile feststellen. Die topische Morphologie kann also ihrem Grundprinzipe zufolge gar nicht anders, als ihre Forschungsresultate auf die Entwieklungsgeschichte allein zu stützen, für sie ist diese letztere nothwendiger Weise das einzige entscheidende Moment, was man auch dagegen sagen mag. Will man den Standpunkt dieser topischen Morphologie bekämpfen, so muss dies in ganz anderer Weise geschehen, als es bisher unternommen worden ist. Gegen die wissenschaftliche Berechtigung des Standpunktes an sich lässt sich ganz und gar nichts einwenden, so lange er selbst klar und consequent festgehalten wird. Nur allein das kann in Frage kommen, ob diese topische Morpho- logie zu einer zweckmässigen, praktisch nützlichen Anordnung der sämmtlichen einzelnen Pflanzengestalten in mehrere bestimmte Kategorien hinführt. Bei jeder einzelnen Gruppirung zahlreicher Objekte in mehrere Fr Versuche ist bis jetzt vollständig und consequent durchgeführt worden. Und somit ist es auch auf diesem Wege bisher noch nicht gelungen, dem Gesetze der Metamor- phosenlehre eine objektive Realität und objektive Gültigkeit zu verschaffen. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass die Metamorphosenlehre allgemein in der Botanik sich eingebürgert hat, so zu sagen in Fleisch und Blut der Botaniker übergegangen ist. Ein Versuch, diese objektiv ganz unbeweisbare Lehre aus dem Schatze der Resultate botanischer Forschung zu verdrängen, dürfte deshalb kaum Aussicht auf Erfolg haben und würde sicher das Schicksal mehrerer früherer derartiger Versuche theilen. Nun denn, so mag man sich nach wie vor in der Praxis, bei der Beschreibung der Pflanzen und in der Darstellung der Lehrbücher, dieser ganzen Anschauungsweise und all ihrer Oonsequenzen bedienen, aber man vergesse dabei nie ihren wirklichen objektiven Werth. Die gesammte Metamorphosenlehre ist nichts weiter als eine subjektive Anschauungs- und Betrachtungsweise, vortrefflich geeignet, die Gestaltenmannigfaltigkeit der Blüthenpflanzen unter einen Gesichtspunkt einheitlich zusammenzufassen, allein ohne alle objektive Wahrheit, sie ist ein Produkt der schaf- fenden Phantasie, ersonnen zu einheitlicher Verknüpfung zahlloser einzelner verschie- denartiger Pflanzengestalten, nicht ein. Resultat methodischer Forschung des erken- nenden Verstandes. Darin allein vermag ich den Werth und die Berechtigung der gesammten Metamorphosenlehre zu erkennen. Ihr gesammter Werth ist ein rein subjektiver. Dieser ihr subjektiver Werth aber ist ein sehr bedeutender. Denn diese Lehre ermög- licht uns eine einheitliche Zusammenfassung der erdrückenden Fülle von Einzelgestalten, in der uns die Blüthenpflanzen entgegentreten. Dadurch erscheint diese Lehre von ausserordentlicher praktischer Zweckmässigkeit und Brauchbarkeit. Allein von Wahrheit derselben kann keine Rede sein, und ebensowenig lässt sich die Wahrheit derselben beweisen. — Kategorien kann man ja die praktische Zweckmässigkeit derselben prüfen und darnach diese Gruppirung als nützlich annehmen oder als unzweckmässig verwerfen. Und so kann man auch jene Anordnung aller Pflanzentheile in mehrere Kategorien, die allein nach den Merkmalen der räumlichen Stellung bestimmt werden, als praktisch unzweckmässig bekämpfen. Als unrichtig dieselbe nachzuweisen, das ist aber ganz und gar nicht möglich. — Den Versuch, diese Gruppirung aller Pflanzentheile nach der räumlichen Stellung einfach als praktisch unzweckmässig nachzuweisen und sie deshalb zu bekämpfen, diesen Versuch hat jedoch bisher noch keiner ihrer Gegner unternommen. Alle Angriffe richten sich vielmehr bis jetzt allein gegen die objektive Wahrheit dieser Gruppirung, die doch in Wirklichkeit gar nicht in Frage kommen kann, en a Ganz dasselbe, was bisher von jenem Hauptsatze der Metamorphosenlehre gesagt worden ist, gilt natürlich auch von allen einzelnen Lehrsätzen der vergleichenden Morphologie, die als einzelne Anwendungen dieser Metamorphosenlehre erscheinen, vor allem von allen jenen Lehrsätzen, die den morphologischen Werth dieses oder jenes Pflanzentheiles bestimmen. Es handelt sich dabei stets um die Frage, ob dieser oder jener Pflanzentheil den Werth eines Cauloms oder Phylloms u. s. w. besitze. Nach unserer Auffassung kann, so lange jener Versuch der topischen Morphologie noch nicht vollständig und consequent durchgeführt worden ist, eine solche Frage auf dem Boden einer exakten Wissenschaft gar keinen anderen bestimmten Sinn besitzen als den, festzu- stellen, auf welchen Theil der typischen Urpflanze, Caulom oder Phyllom u. s. w., der betreffende Pflanzentheil zweckmässiger Weise in Gedanken zurückzuführen sei. Denn dass derselbe thatsächlich ein Caulom oder Phyllom u. s. w. darstelle, das lässt sich gar nicht entscheiden und nicht einmal fragen, so lange scharfe und präcise Definitionen dieser Begriffe noch vollständig fehlen. Und ob ein einzel- ner Pflanzentheil durch allmähliche Veränderung im Laufe der Zeit aus einem Sten- gel oder Blatt u. s. w. der prähistorischen Urpflanze hervorgegangen sei — wie man heutigen Tages ganz allgemein die Frage nach dem morphologischen Werthe eines Pflanzentheiles deutet!) —, das lässt sich mit Hülfe der Mittel einer exakten Forschung, der Beobachtung und der Reflexion, ganz und gar nicht entscheiden; darauf weiss allein die Willkür einer schrankenlosen Phantasie eine Antwort zu ertheilen. Ob man aber einen bestimmten einzelnen Pflanzentheil schematisirend aut einen Stengel oder ein Blatt u. s. w. der typischen Urpflanze zurückführen soll, diese Frage zu entscheiden, ist einfach ein Problem der Zweckmässigkeit. Hier kann von Richtigkeit oder Unrichtigkeit der einen oder der andern Ableitung gar nicht die Rede sein. Es handelt sich hier vielmehr nur darum, ob diese oder jene Ableitung zweckmässiger ist, dem Zwecke des ganzen Schematisirens besser entspricht. So kann z.B. bei dem so viel besprochenen Problem des morphologischen Werthes der Samenknospe nur allein die Frage aufgeworfen werden, ob diese oder 1) Statt zahlreicher Citate aus den neueren morphologischen Schriften sei hier nur eine Stelle aus Celakovsky, Vergleichende Darstellung der Placenten in den Fruchtknoten der Phanerogamen (Abh. d. böhm. Ges. d. Wiss. VI. Folge, 8. Band. 1876) p. 54 angeführt: „Die Frage nach dem morphologischen Werthe eines Gebildes ist einfach eine Frage nach der Herkunft, nach der Art der Metamorphose, durch die es geworden ist“ (nämlich: im Laufe der phylogenetischen Entwieklung). re TER jene Deutung derselben zweckmässig sei oder nicht, ob man die Samenknospe zweck- mässiger Weise auf diesen oder jenen Theil der schematischen Urpflanze zurückfüh- ren solle. Alle angeblichen Beweise dafür, dass die Samenknospe eine wirkliche Knospe darstelle oder einen Phyllomtheil oder was sonst, alle diese angeblichen Beweise be- weisen in der That ganz und gar nichts. Ja sie verkennen ganz die hier allein mögliche Fragestellung. Denn hier wie in allen derartigen Fragen ist von Beweisen gar nicht die Rede, nur die Zweckmässigkeit dieser oder jener schematisirenden Ab- leitung kann in Frage kommen.') 1) Ueber die morphologische Bedeutung der Samenknospe habe ich selbst mich früherhin von einem anderen Standpunkte aus in etwas anderer Weise ausgesprochen. In einer kurzen vorläufigen Mit- theilung über die Blüthenentwicklung der Piperaceen (Sitzungsberichte der Niederrhein. Ges. f. Natur- u. Heilkunde zu Bonn. Sitzung vom 2. August 1869, abgedruckt in der Botanischen Zeitung 1870 p. 40) schrieb ich der Samenknospe im Allgemeinen eine variabele morphologische Bedeutung zu. Dieselbe An- schauungsweise vertritt auch meine spätere Abhandlung: Die Blüthen-Entwicklung der Piperaceen (Hanstein’s Bot. Abhandlungen. Bd. II. Heft I. 1872. p. 58—63). Diese Anschauungsweise, die der Samenknospe einen sehr verschiedenen morphologischen Werth beilegt je nach der verschiedenen Stellung derselben in- nerhalb der Blüthe, ging aus von jenem oben (p. 70. Anm.t) erwähnten Standpunkt der topischen Morphologie, der die morphologischen Begriffe einfach durch gewisse Stellungsmerkmale definirt, die morphologische Be- deutung eines Organes einfach durch sein Stellungsverhältniss zum Sprossganzen bestimmt (l. e. p. 61) und durch jene morphologischen Begriffe auch nichts anderes bezeichnen will als eben jene Stellungs- verhältnisse. Diese Anschauungsweise ist neuerdings vielfach angegriffen worden. Allein alle diese Angriffe gehen aus von einem ganz verschiedenen Grundstandpuhkte, legen der Frage nach dem morphologischen Werthe eines Organes einen ganz anderen Sinn unter, als die genannte Anschauungsweise, und treffen so den Kern dieser letzteren ganz und gar nicht. Die Stellungsverhältnisse der Samenknospen innerhalb der Blüthen sind ja einmal thatsächlich sehr verschieden. So lange man nun den morphologischen Werth eines Pflanzentheiles nach den Verhält- nissen seiner räumlichen Stellung bestimmt, kann man folglich gar nicht anders, als den Samenknospen eine wechselnde morphologische Bedeutung zuzuschreiben. So lange die Gruppirung aller Pflanzentheile nach bestimmten Stellungsverhältnissen nicht als praktisch unzweekmässig nachgewiesen ist, so lange bleibt die genannte Anschauungsweise unanfechtbar, ist die einzig richtige Antwort auf die allgemeine Frage naeh dem morphologischen Werthe der Samenknospe. Will man aber diese Anschauungsweise mit Erfolg an- greifen, so muss man eben die Definition der morphologischen Kategorien durch Merkmale der räumlichen Stellung als unzweckmässig nachweisen (— sie als unrichtig nachzuweisen ist ja nicht möglich —). Das aber ist, wie schon oben hervorgehoben, noch durch keinen einzigen der zahlreichen Angriffe auf diesen Standpunkt geschehen. Abh.. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 10 ie Ganz ebenso liegen die Dinge bei allen jenen morphologischen Streitfragen, die in neuerer Zeit so vielfach erörtert worden sind, den Fragen nach der Gymno- spermie der Gymnospermen, dem Blüthenbau von Zuphorbia u. s. w. Entweder handelt es sich hier überall nur um Fragen der Terminologie, ob man dieses oder jenes Gebilde mit diesem oder jenem Worte benennen solle: und dann läuft die ganze Streitfrage auf eine Erörterung der zweckmässigsten Auswahl der Benennungen hinaus. Oder — .und das ist die Auffassung fast aller Autoren, die an jenen Erör- terungen Theil genommen haben — der morphologische Werth der einzelnen Pflan- zentheile soll ermittelt und festgestellt werden. Diese letztere Frage aber hat inner- halb der Grenzen einer exakten Wissenschaft, soweit ich sehen kann, nur dann einen Sinn und zwar einen klaren und scharf präcisirten, wenn sie die Aufgabe enthält, den betreffenden Pflanzentheil auf einen Theil jener schematischen Urpflanze sche- matisirend zurückzuführen. Auf welchen Theil der Urpflanze man aber den einzelnen Pflanzentheil zurückführen solle, darüber gibt es gar keinen objektiven Entscheidungs- grund, hierüber entscheidet allein die praktische Zweckmässigkeit. Die objektive Wahrheit und Richtigkeit irgend einer der Antworten, die man auf jene Fragen ertheilt hat oder ertheilen kann, kommt hier niemals in Betracht.') Man kann jedoch der Frage nach dem morphologischen Werthe der Samenknospe noch eine ganz andere Bedeutung unterlegen, indem man sich, wie wir es in der vorliegenden Arbeit thun, auf den Stand- punkt einer schematisirenden Morphologie stellt. Und von hier aus kann man dann diese Frage in sehr verschiedener Weise beantworten: Man kann sämmtliche Samenknospen auf ein einzelnes oder auf mehrere Schemata zurückführen und kann dabei diese Schemata in sehr verschiedener Weise auswählen. Bei der Beantwortung der alten Streitfrage nach dem morphologischen Werthe der Samenknospe liegt also entweder ein Problem der topischen Morphologie vor: und dann entscheidet allein die Definition der morphologischen Grundbegriffe über den morphologischen Werth der Samenknospen; oder es handelt sich um ein Problem der schematisirenden vergleichenden Morphologie: und dann kann man die gesammte Menge der Samenknospen in verschiedener Weise schematisirend zusammenfassen und sie, sei es auf ein einzelnes, sei es auf mehrere Schemata oder typische Grundgestalten zurückführen. Die praktische Zweckmässigkeit allein vermag zu entscheiden, welche jener möglichen Schematisirungen vorzuziehen sei. ä Beweisen als die allein richtige aber lässt sich von diesen verschiedenen Arten schematisirender Reduktion keine einzige, weder mit morphologischen, noch mit phylogenetischen Beweisgründen. Alle Versuche, durch noch so zahlreiche „phylogenetische Untersuchungen‘ die eine oder die andere Anschau- ungsweise als „die einzig mögliche“ zu beweisen, sind gänzlich erfolglos und vergeblich. ') In der Flora 1871. p. 417 ff. (Zur Deutung der Euphorbia-Blüthe) habe ich mich früherhin dahin ausgesprochen, dass das Cyathium von Euphorbia einen Blüthenstand darstelle, nicht eine einzelne ra... So läuft also unserer Ansicht nach die ganze Lehre von der Metamorphose der Pflanzen und allen ihren Anwendungen allein auf ein Schematisiren hinaus, eine wirkliche Naturerkenntniss wird dadurch gar nicht gewonnen.) Das gesammte Re- Blüthe. Die Thatsachen der Entwieklungsgeschichte liessen nach meiner Ansicht beiderlei Deutungen zu, dagegen schienen mir die beobachteten abnormen Blüthengestalten im höchsten Grade für die Blüthen- standstheorie zu sprechen. Die abnormen Blüthen, die ich damals mittheilte, sind seitdem öfters anders gedeutet worden, als ich selbst es gethan hatte, die Beweiskraft meiner Schlussfolgerungen ward bestritten und angeblich widerlegt, gegentheilige Blüthentheorien wurden angeblich bewiesen. Die ganze Streitfrage ist bisher ausschliesslich ein Problem der vergleichenden Morphologie geblie- ben. Noch keine der zahlreichen Untersuchungen über das Cyathium von Euphorbia hat die Frage rein als ein Problem der Terminologie aufgefasst. Die vergleichende Morphologie aber lässt sehr verschiedene Lösungen des Problems zu, die gegebenen 'Thatsachen lassen sich in sehr verschiedener Weise schemati- sirend zusammenfassen und auf eine einzelne typische Gestalt in Gedanken zurückführen. Das zeigen ja schon deutlich die verschiedenen „Deutungen“, die bisher wirklich ausgeführt worden sind, von denen keine die andere gänzlich hat verdrängen können. Alle diese „Deutungen“ sind in der That zulässig. Welche derselben man vorziehen soll, ob man das Cyathium als Blüthe oder als Blüthenstand „deuten“ soll, ob man in letzterem Falle das einzige Staubgefäss der männlichen Blüthen als ein Caulom oder als ein terminales Phyllom „deuten“ soll u. s. w., über alle diese Fragen vermag allein die praktische Zweckmässigkeit zu entscheiden. Zu beweisen oder zu widerlegen ist keine einzige der verschiedenen Erklärungsweisen. Mir selbst erscheint die „Deutung‘“ des Cyathiums als Blüthenstand auch heute noch als das zweckmässigste. Diese „Deutung“ scheint mir am einfachsten eine einheitliche Zusammenfassung der nor- malen und abnormen Cyathien von Euphorbia zu ermöglichen, vor allem aber am einfachsten eine Zurück- führung der Blüthen von Euphorbia und der nächst verwandten Gattungen der Euphorbiaceen auf ein und dasselbe einheitliche Schema. zu gestatten. Beweisende Momente für diese „Deutungsweise“ aber vermag ich nieht aufzufinden, ja überhaupt nicht als möglich anzuerkennen, 1) Es sei gestattet, hier ausdrücklich noch einer weit verbreiteten Auffassung entgegenzutreten, 2s ist eine allgemeine Annahme, dass eine bestimmte organische Gestaltung „erklärt“, dem „Verständniss zugänglich“ gemacht sei, wenn es gelungen ist, dieselbe unter Zuhülfenahme von hypothetischem Abort, Verwachsung ete. dem allgemeinen morphologischen Grundgesetz oder den einzelnen aufgestellten morpho- logischen Gesetzen unterzuordnen. ‚Ja es wird vielfach angenommen, dass nur allein durch eine solche Unterordnung unter die angenommenen morphologischen Gesetze eine wissenschaftliche „Erklärung“ der organischen Gestalt zu gewinnen sei. So sagt Eichler (Bot. Zeitung 1873. p. 217) dieser Anschauungs- weise entsprechend: „Wer sich durchaus an die bare Empirie halten will“, d. h. „Erklärungen“ jener Art unterlässt, „wird jedenfalls manche Klippe vermeiden, die dem, der auch der Spekulation einen Platz einräumt, sich in den Weg stellt; aber ich glaube, man muss dann zugleich auch auf ein eigentliches 10 = en sultat all jener Arbeit der morphologischen Forschung besteht in nichts anderem als einer Anzahl von schematischen Formeln. Dies Urtheil wird der Mehrzahl der Mor- Verständniss der organischen Welt verzichten, „dann hat man die Theile in der Hand, fehlt leider nur das geistige Band.“ ‘ Allein welcher Art ist denn jenes „eigentliche Verständniss der organischen Welt“? Welches ist hier das „geistige Band“, das jenes Diehterwort erwähnt? — Eichler selbst will (Blüthendiagramme 1875. p. 2) unter „Erklären“ der Pflanzengestalten nichts weiter verstehen, als „etwas mit unseren sonstigen Kenntnissen zusammenreimen“, Doch diese Erklärung des Wortes bedarf selbst wieder einer näheren Erörterung. Beachtet man die einzelnen aufgestellten Erklärungen bestimmter organischer Gestalten etwas genauer, so zeigt sich, dass jene angebliche „Erklärung‘“ der einzelnen organischen Gestalt in einer schematisirenden Zurückführung derselben auf einen vorher angenommenen Typus besteht, mag dieser nun in anderen Gestaltungen wirklich vorliegen oder vollständig theoretisch construirt sein. Alle angeblichen morphologischen „Erklärungen“ laufen im Grunde auf solche schematisirende Construktionen hinaus, sind somit in Wirklichkeit nichts weniger als wirkliche Erklärungen im Sinne einer exakten Naturwissenschaft, Jenes angebliche „eigentliche Verständniss der organischen Welt“ läuft im Grunde hinaus auf eine schema- tisirende Zusammenfassung der zahlreichen, mannigfaltigen, organischen Gestalten unter einem einheitlichen Gesichtspunkt, durch eine einzelne Gesammtidee, allein eine Idee, die von aussen als Schema hinzugebracht wird, nicht in den Dingen selbst gegeben ist. Ein solches „Verständniss der organischen Welt‘ aber ist grundverschieden von dem Verständniss der anorganischen Welt, das uns die Physik lehrt, grundverschieden von einer Erkenntniss nach dem Causalitätsprinzip, ist somit im Grunde nichts weniger als eine wirkliche Erkenntniss. a Jenes „eigentliche Verständniss der organischen Welt‘ besteht in Wirklichkeit nur in der schema- tisirenden Unterordnung aller einzelnen Pflanzengestalten unter gewisse willkürliche Regeln, angebliche Gesetze, vermittelst der verschiedenartigsten willkürlichen Umdeutungen. Insofern allerdings kann man mit Eichler das morphologische „Erklären“ ein „Zusammenreimen mit den sonstigen Kenntnissen“ nennen. Wirklich erklärt, im Sinne der physikalischen Bedeutung dieses Wortes, werden die einzelnen Pflanzen- gestalten durch morphologische „Erklärungen‘ aber nimmermehr. Ebensowenig aber wird eine wirkliche Erklärung der einzelnen Pflanzengestalten, eine Erklärung nach dem Causalgesetz, gewonnen, wenn man, wie es die moderne Richtung der Morphologie thut, jenen schematisirenden Construktionen die Descendenzidee unterlegt, dieselben im Geiste der Descendenzlehre ausdeutet. Willkürliche, aller empirischen Prüfung unzugängliche Hypothesen aufzustellen über die Gestaltveränderungen, welche die jetzt lebenden Pflanzenarten im Laufe der vergangenen Erdperioden durchlaufen haben, das ist von einer wirklichen naturwissenschaftlichen Erklärung der Pflanzengestalten unendlich weit verschieden. — Ja selbst, wenn wirmit Sicherheit alle diese früheren Gestaltungsänderungen angeben könnten, selbst dann würde noch keine wirkliche Erklärung der einzelnen Pflanzengestalt, eine Erklärung nach dem Causalitätsprinzipe, gewonnen sein, sondern nur eine genaue Kenntniss des histori- Ze phologen als eine allzu kühne Behauptung erscheinen. Allein eine genaue sorgfäl- tige Kritik und Prüfung der Grundprinzipien der gesammten vergleichenden Morpho- logie der Blüthenpflanzen zwingt meines Erachtens zu jenem Urtheil und zeigt, dass jenem ganzen System von Lehrsätzen, das man als Lehre von der Metamorphose der Pflanzen zusammenfasst, keine objektive Wahrheit zukommt. — Die Bedeutung, welche heutigen Tages die meisten Autoren jenen schematischen Formeln beilegen, ist jedoch eine ganz andere. Sie ziehen es allgemein vor, der modernen Richtung der Morphologie entsprechend alle jene trockenen Formeln durch Hineintragen der Descendenzlehre zu beleben. Alle jene trockenen Formeln erhalten dadurch in der T'hat wirkliches Leben und objektive Realität, jenes schematisirende Zurückführen und Ableiten wird zum Beschreiben eines thatsächlichen Vorganges, die Resultate dieser ganzen morphologischen Forschung erhalten eine objektive Wahrheit. Allein, wie schon oben gesagt, all jene objektive Realität ist in prähi- storischer Zeit gelegen und bleibt der empirischen Forschung so gut wie gänzlich unzugänglich'). Wir werden durch solche Deutungen jener Formeln in ein Gebiet hineingeführt, in welchem allein die willkürlichste Phantasie herrscht, Gesetze nach ihrem Belieben aufstellt, Stammformen erfindet und diese sich wandeln lässt im Laufe der.Zeiten, so wie es ihr beliebt. Von exakter Beweisführung ist in diesem Gebiete nirgends die Rede’) Alle jene Theorien und Deutungen schen Entwicklungsganges der einzelnen Pflanzengestalt. Eine wirkliche Erklärung, eine Zurückführung auf die Ursachen, würde nun erst zu beginnen haben. (Vgl. A. Braun, Die Frage nach der Gymno- spermie der Cycadeen. Monatsb. d. Berliner Akademie. 1875. p. 266. Anm.) ö !) Die wenigen Thatsachen, die uns die Paläontologie über einige Gestaltungsänderungen einzelner weniger Arten in früheren Erdepochen liefert, sind viel zu vereinzelt, um hier in Betracht zu kommen. Im grossen Ganzen ist die gesammte Vorgeschichte der einzelnen organischen Wesen der empirischen Forschung gänzlich unzugänglich, zum wenigsten bis auf den heutigen Tag gänzlich unzugänglich. Das wird auch von den Anhängern der phylogenetischen Morphologie allgemein zugegeben. So sagt z. B. Strasburger (Coniferen und Gnetaceen. p. 396): „Die paläontologischen Befunde sind so unvollkommen, dass sie eine direkte Verfolgung der geschichtlichen Formentwicklung kaum oder doch nur in den gröb- sten Zügen zulassen — man bleibt fast ausschliesslich auf die indirekten Methoden angewiesen.“ — Vgl, auch A. Braun, Die Frage nach der Gymnospermie der Cycadeen (Monatsberichte der Berliner Akademie, April 1875) p. 245 —246. 2) „— ich biete jedem Trotz, der nur von einer einzigen Gattung, ja von einer einzigen phanero- gamischen Familie in wissenschaftlich überzeugender Weise den Stammbaum aufzeigen will,“ sagt auch Eichler, Botanische Zeitung 1876. p. 517. En zählen somit keineswegs zu den gesicherten Resultaten einer exakten Forschung, sie stellen vielmehr ein grossartiges System von willkürlichen Hypothesen dar und gehören weit eher in das Gebiet einer besonderen poetischen Disciplin der Phylogenetik, als in dasjenige einer exakten Naturwissenschaft. Einer solchen sind sowohl die Urpflanze, als auch alle ihre verschiedenen Nachkommen, die im Laufe der Zeit wieder dahingestorben sind, nichts anderes als eine Anzahl schematischer Construktionen zu nützlichem praktischem Gebrauche. Damit soll aber der Phylogenetik, die heutigen Tages ja in der organischen Naturwissenschaft so weite Anerkennung gefunden hat, dass ein Angriff gegen die absolute Gültigkeit und Wahrheit ihrer Theorien fast als ein wissenschaftliches Verbrechen erscheint, keineswegs all und jeder Werth abgesprochen werden. Im Gegentheil, der Werth derselben fir den einzelnen Forscher ist ein recht hoher, allein ein rein subjektiver. Diese phylogenetischen Theorien geben uns ein treffliches Mittel an die Hand, durch eine einzelne Grundidee‘) die zahllosen, so unendlich mannigfaltigen Gestalten der einzelnen organischen Wesen zusammenzufassen und in Gedanken einen einheitlichen Zusammenhang in jene anscheinend unibersehbare Gestaltenfülle hineinzutragen?). Diese Theorien sind ferner eines der wirksamsten Anregungsmittel zu erneuten empirischen Forschungen, indem sie Lücken aufweisen in den bisherigen Kenntnissen, Fragen aufwerfen, die bisher nicht beachtet sind, und neue Gesichtspunkte eröffnen, die zu den erfolgreichsten Untersuchungen und 1) Es dürfte wohl kaum nothwendig sein, hier ausdrücklich hervorzuheben, dass die Anerkennung, die der allgemeinen Idee der Descendenz gebührt, ganz und gar nicht berührt wird durch die Behaup- tung, dass es thatsächlich ohne die willkürliehsten Hypothesen nicht möglich sei, im einzelnen Falle den speceiellen Gang dieser Descendenz nachzuweisen, soweit derselbe in prähistorische Zeiten fällt. 2) Alle phylogenetischen Theorien und Stammbäume laufen ja einfach darauf hinaus, die einzelnen empirischen Thatsachen durch die Idee der Blutsverwandtschaft aller organischen Wesen untereinander zu verbinden und diese Blutsverwandtschaft im einzelnen Falle nachzuweisen. — Will man solche Stamm- bäume aufstellen, einzig und allein zu dem Zwecke, um in der Darstellung alle einzelnen empirischen Thatsachen durch eine einzelne Idee zu verknüpfen, ohne dass man den Anspruch erhebt, damit ein wahres Bild vergangener thatsächlicher Vorgänge zu entwerfen, so ist dagegen vom Standpunkte einer exakten Forschung kaum etwas einzuwenden. Sobald aber diese Stammbäume und Theorien mehr sein wollen als eine blosse Form der Verknüpfung der einzelnen 'Thatsachen in der Darstellung, sobald sie auf objektive Gültigkeit Anspruch erheben, gehören sie in das Gebiet willkürlicher unbewiesener und unbeweisbarer Hypothesen. =. Beobachtungen veranlassen. Und endlich wird auch ein jeder einzelne Forscher gerne in den schattigen Hainen und Laubengängen dieser poetischen Disciplin Erholung suchen von der Arbeit auf dem Felde der reinen nackten Empirie. Allein man verwechsele eben nicht diese nackte trockene Forschung mit den farbenprächtigen Bildern der Phantasie. Nur jene trockene Forschung!) berechtigt uns, auch für unsere organische Naturwissenschaft den Namen einer exakten Wissenschaft in Anspruch zu nehmen. Ausserhalb der Grenzen dieser Wissenschaft können wir dann ja immer nach Herzenslust Hypothesen auf Hypothesen thürmen. 1) Man hat vielfach diese vorsichtige, exakt- empirische Forschung, die stets scharf zwischen Hypothese und bewiesener Wahrheit unterscheidet, herabzusetzen gesucht und dieser nackten crassen Empirie gegenüber diejenige Forschungsriehtung, die „auch der Spekulation einen Platz einräumt“, als die wahre wissenschaftliche Forschungsweise erhoben und gepriesen. Allein man vergisst dabei, dass nur allein die Resultate jener crassen Empirie, d. h. der Beobachtung und der logisch strengen Reflexion über das Beobachtete, im Laufe der Zeit Bestand behalten, wie uns die Geschichte aller einzelnen Naturwissenschaften deutlich zeigt. Die grossen Theorien und Hypothesen kommen und gehen, nur allein die Resultate jener verpönten crassen Empirie bleiben bestehen, und nur sie sind es, die den Schatz gesicherter Resultate der Forschung bereichern und vermehren. Anziehender und verlockender mag es sein, die Resultate der empirischen Forschung durch geistreiche Hypothesen zu verbinden und auszuschmücken, ohne Rücksicht darauf, ob diese Hypothesen überhaupt der Beobachtung und der Bestätigung durch die Erfahrung zugänglich sind; ja Niemandem, der das subjektive Bedürfniss dazu fühlt, kann es gewehrt werden, dies zu seiner eigenen Befriedigung auszuführen: — allein eine exakte Wissenschaft wird stets zwischen Empirie und poetischem Schaffen strenge unterscheiden. Dass ein solcher exakt-empirischer Standpunkt übrigens ganz verschieden ist von „einem empirischen Verfahren, welches bei der Auffassung der einzelnen Form stehen bleibend, das Verständniss eines einheit- lichen Zusammenhanges verschmäht“, wie auch Wigand (Der Darwinismus und die Naturforschung N ew- tons und Cuviers. (1874.) Bd. I. p. 447) ausdrücklich betont hat, das bedarf hier wohl keiner weiteren Nachweisung und: Begründung. IV. Die Familiendiagramme der Rhoeadinen. Cruciferae. In dem zweiten Abschnitte unserer Darstellung haben wir ausführlich!) die Bedeutung dargelegt, die unserer Ansicht nach dem Begriffe Familiendiagramm zu- kommt. Wir erkannten darin lediglich eine schematische Construktion, eine schema- tische Formel, aufgestellt zu dem Zwecke, die sämmtlichen Einzeldiagramme einer Familie einheitlich zusammenzufassen. Alle übrigen Bedeutungen, die man dem Familiendiagramm untergelegt hat, erwiesen sich als unhaltbar, mochten sie nun von Seiten der älteren vergleichenden Morphologie oder von Seiten der modernen phylo- genetischen Morphologie?) aufgestellt worden sein. 1) Die Darstellung der beiden vorhergehenden Abschnitte über die Bedeutung der morphologischen Grundbegriffe mag wohl hie und da den Vorwurf einer allzu grossen Ausführlichkeit und Breite hervor- rufen. Allein wer die neuere morphologische Litteratur mit einiger Aufmerksamkeit verfolgt hat, der wird zugeben müssen, dass die zahlreichen Meinungsverschiedenheiten auf diesem Gebiete sehr wesentlich mit begründet sind durch die gegenseitigen Missverständnisse der einzelnen Autoren über die Grundan- schauungen der Gegner. Daraus ergibt sich mit Nothwendigkeit die Forderung, bei morphologischen Un- tersuchungen den eigenen Standpunkt, namentlich wenn er nicht ganz mit den hergebrachten Traditionen übereinstimmt, möglichst klar und deutlich umschrieben hinzustellen. Und das geht oft ohne einige Aus- führlichkeit nicht an, zumal auf einem Gebiete, auf welchem die Grundanschauungen so sehr weit auseinandergehen. 2) Dass diese neuere phylogenetische Morphologie nichts anderes ist als die alte vergleichende Morphologie in einem neuen Gewande, ist bereits wiederholt von den verschiedensten Seiten her hervorge- hoben worden. In der That unterscheidet sich diese phylogenetische Morphologie von der älteren ver- gleichenden Morphologie einzig und allein dadurch, dass sie die Idee der Blutsverwandtschaft überall in die vergleichende Betrachtung der Einzelgestalten hineinträgt, die Einzelgestalten sich phylogenetisch ver- knüpft denkt. Die schematischen Construetionen und Typen werden zu ‘prähistorischen Stammformen er- hoben, und dadurch wird an die Stelle der gänzlich unfassbaren und unklaren metaphysischen Realität der älteren Morphologie die klare Vorstellung einer physikalischen, aber leider ganz und gar hypothetischen ragt Von diesem Standpunkte aus möge denn nun die Frage nach dem Familien- diagramm der Cruciferen von Neuem in Angriff genommen werden. Es wird sich also darum handeln, für die Familie der Cruciferen eine sche- matische Formel zu construiren, von der alle einzelnen Cruciferen-Blüthen möglichst leicht und einfach sich ableiten lassen. Die empirischen Einzeldiagramme können, wie wir gesehen haben, verschie- dene Gestalt zeigen, je nachdem sie verschiedene thatsächliche Momente wiedergeben sollen. Durch Hineintragen der Metamorphosenlehre werden alle diese empirischen Diagramme zu verschiedenartigen theoretischen Einzeldiagrammen. Und aus allen diesen theoretischen Einzeldiagrammen können dann wieder theoretische Gruppen- diagramme construirt werden. Darnach lassen sich verschiedene Familiendiagramme für die Cruciferen ent- werfen. Es sei hier die Aufgabe gestellt, die sämmtlichen theoretischen Einzeldia- gramme, welche Zahl und Anordnung der Blüthenphyllome nicht nur in der ent- wickelten Blüthe, sondern auch in den früheren Entwicklungsstadien derselben be- rücksichtigen, zu einem Familiendiagramm zusammenzufassen. Unserer Aufgabe legen wir somit die Betrachtungsweise der Metamorphosenlehre unter, in dem Sinne, wie die- selbe im vorhergehenden Abschnitte (p. 71) näher erörtert worden ist, und berück- sichtigen nicht nur die Resultate einer vergleichenden Betrachtung der entwickelten Blüthen, der normalen sowohl, als auch der abnormen, sondern auch die Entwick- lungsgeschichte. Dieser Aufgabe aber möchte wohl als beste Lösung das Diagramm der Abort- theorie (Fig. 2) entsprechen. Das Familiendiagramm der Cruciferen sei demnach construirt aus fünf alternirenden viergliedrigen Wirteln, mit der Blüthenformel K4,C4,A4+4G(4). Realität gesetzt. In der Praxis der morphologischen Untersuchungen unterscheidet sich die sg. phylogene- tische Methode von der vergleichenden Forschungsweise der älteren Morphologie allein dadurch, dass sie sorgfältiger als jene darauf ausgeht, die gegebenen Einzelgestalten zunächst mit den entsprechenden Ge- stalten der nächstverwandten Pflanzen auf ein gemeinsames Schema zurückzuführen, in zweiter Linie dann erst fernerstehende Arten und Gattungen zu berücksichtigen, oder, wie A. Braun (Gymnospermie der Cycadeen ]. e. p. 242) sagt, den Einzelfall aus dem Gesichtspunkt der natürlichen Verwandtschaft zu beurtheilen sucht. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 11 32 — Das theoretische Einzeldiagramm der meisten Cruciferen -Blüthen (Fig. 1) zeigt 4 Kelchblätter in quermedianer Stellung, bald in gleicher Höhe inserirt, bald die beiden lateralen Kelchblätter tiefer an der Blüthenachse befestigt und stärker entwickelt als die beiden medianen. Ihrer ersten Anlage nach sind die beiden medianen Kelch- blätter (ob stets?) die älteren, wobei bald das vordere, bald das hintere zuerst sichtbar wird; die beiden lateralen Kelchblätter werden erst etwas später angelegt. — Nur in seltenen Fällen ward ein fünfgliedriger Kelchwirtel, dessen unpaares Kelchblatt auf der Rückseite der Blüthe stand, mit zwei etwas grösseren und tiefer inserirten lateralen Kelchblättern beobachtet. Die Kronblätter finden sich fast stets in der typischen Anzahl in einen regel- mässig viergliedrigen diagonalen Wirtel geordnet. Nur ausnahmsweise findet sich statt dessen ein regelmässiger fünfgliedriger Wirtel alternirend mit einem fünfgliedrigen Kelche. Die Glieder des viergliedrigen Kronwirtels werden an der Blüthenanlage genau gleichzeitig angelegt.') Der äussere quermediane Staubblattwirtel zeigt fast stets nur die beiden lateralen Glieder entwickelt ohne Spur der ablastirenden?) medianen Glieder, Nur in seltenen Fällen sind sämmtliche vier Glieder dieses Wirtels ausgebildet. 1) Nach Hofmeister (Allgemeine Morphologie p. 464) entstehen die beiden vorderen Kronblätter früher als die beiden hinteren. Hofmeister beruft sich dabei auf die Untersuchungen von Wretschko. Allein dessen später veröffentlichte Abhandlung (l.c. p. 6) lässt die Kronblätter genau gleichzeitig entste- hen, ebenso wie dies alle übrigen Autoren angeben. | 2) Ueber die Bedeutung des Ausdruckes „Ablast‘‘ seien hier noch einige Bemerkungen beigefügt. In meiner Abhandlung: Die Blüthenentwicklung der Piperaceen (Hanstein’s Botanische Abhand- lungen. Bd. II. Heft 1. 1872. p. 58) hatte ich diesen Ausdruck „Ablast‘“ an Stelle der ganz synonymen älteren Ausdrücke „vollständiger Abort“, „eongenitaler Abort“ u.s. w. vorgeschlagen, um den Widerspruch zwischen begrifflicher und etymologischer Bedeutung, der diesen letzteren Ausdrücken innewohnt, zu vermeiden. Denn das Wort „Abort“ setzt etymologisch ein Entstehen von Dingen, die fehlschlagen, voraus, bei „vollständigem Abort‘‘ aber entsteht ja bekanntlich thatsächlich gar nichts. Ich hatte dabei hervorgehoben, dass die beiden Begriffe „Abort“ und „Ablast‘“ (= „vollständiger Abort‘‘) „durchaus verschieden“ seien: „Abort bezeichnet das Fehlschlagen angelegter Theile, Ablast das Ausbleiben jeder Neubildung, wo man dieselbe erwartet hätte — oder, im Sinne der Descendenztheorie, wo dieselbe bei den Vorfahren der vorliegenden Form vorhanden war.“ Eichler ist dieser Anschauung entgegengetreten (Botanische Zeitung 1873. p. 216—217. Anm. und Blüthendiagramme. 1874. p. 52—53) und bestreitet, „dass Abort und Ablast gänzlich verschiedene ee Der innere diagonale Staubblattwirtel ist zumeist vollständig und regelmässig entwickelt. Bisweilen finden sich aber die vier diagonalen Staubblätter zu je zwei Begriffe seien.‘‘ Er behauptet vielmehr, „dass die beiden, mit diesen Namen bezeichneten Erscheinungen nur gradweise verschieden seien.“ Der Beweis dafür wird ihm gegeben durch die zahlreichen Uebergangs- bildungen, die sich zuweilen zwischen abortirenden und ablastirenden Organen vorfinden und sich oft zu einer fast continuirlichen Uebergangsreihe anordnen lassen. Dieser Auffassung Eichler's gegenüber ist zunächst zu betonen, dass auch eine fast eontinuirliche Reihe von Mittelgliedern zwischen zwei Begriffen über die wesentliche Uebereinstimmung oder Verschieden- heit dieser beiden Begriffe gar nichts entscheidet. Zwei Begriffe (oder Erscheinungen) können ohne ein einziges gemeinsames Merkmal sein, also wesentlich, prinzipiell verschieden sein, auch wenn eine fast eontinuirliche Kette von Mittelgliedern sich aufstellen lässt. h Der Widerspruch Eichler's gegen meine Behauptung ist aber wohl wesentlich dadurch hervor- gerufen worden, dass ich (]. e.) nicht scharf genug hervorgehoben habe, worin denn eigentlich der Unter- schied der beiden Begriffe „Abort‘‘ und „Ablast‘‘ besteht. Der wesentliche Unterschied der beiden, mit diesen Namen bezeichneten Erscheinungen liegt eben darin, dass in dem einen Falle thatsächlich etwas entsteht, etwas Neues gebildet wird, — mag dies neu Entstehende auch noch so unbedeutend sein —, im anderen Falle aber gar nichts entsteht. Handelt es sich also darum, allein die thatsächlichen Vorgänge zu beschreiben, so müssen die sg. abortirenden Organe Berücksichtigung finden, von den sg. ablastirenden Organen aber kann in einer solchen Darstellung gar nicht die Rede sein, Ablastirende Organe kennt allein jene vergleichende Betrachtung, welche mehrere oder viele that- sächlich gegebene Einzelgestalten in Gedanken auf ein einzelnes Schema zurückführt. Ablastirende Organe sind, wie ich damals sagte, Organe, die „man nach der Analogie verwandter Formen“ „erwartet hätte“, die aber in Wirklichkeit „nicht vorhanden sind‘ — oder, wie ich der Ausdrucksweise der vor- liegenden Arbeit entsprechend jetzt lieber sagen möchte, ablastirende Organe sind’ solche, die in dem construirten Schema, dem Typus, vorhanden sind, der betreffenden Einzelgestalt aber thatsächlich fehlen (— im Sinne der Descendenztheorie: Organe der Stammformen —). Abortirende Organe sind dagegen thatsächlich vorhandene Dinge, welche auch eine vergleichende Betrachtung, die nicht schematisirt, die allein die Thatsachen als solche ins Auge fasst und vergleicht, berücksichtigen muss. Die Ausdeutung dieser Dinge als fehlschlagende Organe dieser oder jener bestimmten Art wird allerdings erst durch eine schematisirende Morphologie gegeben (wie Eichler mit Recht hervor- hebt). Allein diese Organe besitzen auch schon an sich für eine nicht schematisirende vergleichende Betrachtung eine wirkliche Realität: ablastirende Organe aber sind für eine solche Betrachtungsweise gar nicht vorhanden. Darin eben beruht der Unterschied der beiden Begriffe „Abort“ und „Ablast‘“, von dem ich sprach. Einer nicht schematisirenden Morphologie sind die beiden Begriffe ebenso verschieden, wie „Sein“ und „Nieht sein“; und das kann man doch wohl einen wesentlichen Unterschied nennen. 112 ö = mehr oder weniger tief gespaltenen oder sogar ganz einfachen medianen Staubgefässen verwachsen. Ja auch bei den meisten (ob allen?) Blüthen mit späterhin ganz freien Staubgefässen zeigt sich bei der ersten Anlage des oberen Staubblattwirtels eine Andeutung von Verwachsung, indem die Primordien der vier Staubgefässe in der Mediane der Blüthe einander paarweise genähert sind oder sogar paarweise vereint in Gestalt zweier medianer Primordien zuerst in die Erscheinung treten. Der quermediane Fruchtblattwirtel zeigt fast stets nur die beiden lateralen Glieder entwickelt, die beiden medianen Glieder dagegen ablastiren. Nur selten wird auch von diesen beiden medianen Gliedern das eine oder selbst beide ausgebildet. ') Ganz anders ist es dagegen, wenn es sich darum handelt, zahlreiche differente Einzelgestalten in Gedanken auf ein einzelnes Schema, auf einen, einzelnen Grundtypus zurückzuführen. Einer solchen sehematisirenden Morphologie (und ebenso der phylogenetischen Morphologie, die ja identisch mit derselben ist bis auf die willkürliche Ausdeutung und Belebung der gewonnenen Schemata) sind allerdings ablastirende und abortirende Organe nur gradweise verschiedene Dinge; einer solchen Morphologie sind die beiden Begriffe „Abort“ und „Ablast“ durchaus nicht prinzipiell verschieden, „sondern nur graduelle Differenzen eines und desselben Vorganges.“ Auf diesem Standpunkte der schematisirenden Morphologie steht Eichler in allen seinen morpho- logischen Untersuchungen, ebenso wie bisher die grosse Mehrzahl aller Morphologen, und von diesem Standpunkte aus sind seine Einwände gegen meine frühere Behauptung in der T'hat durchaus berechtigt. Meine damalige Behauptung aber war von dem Standpunkte einer nicht schematisirenden vergleichenden Betrachtung der Thatsachen aus gethan worden, und auf diesem Standpunkte ist sie wohl auch jetzt noch unanfechtbar. Die vorliegende Arbeit aber stellt sich ja vollständig auf den Standpunkt der schematisirenden Morphologie und gebraucht demgemäss die Ausdrücke „Abort‘‘ und „Ablast‘“ ganz wie Eichler als nur gradweise verschiedene Begriffe. — Es ist wohl kaum nothwendig, hinzuzufügen, dass von den Ausdrücken „Verwachsung‘“ und „eongenitale Verwachsung‘“, „Spaltung“ und „congenitale Spaltung“ u. ä. ganz das Analoge gilt, was hier von „Abort“ und „Ablast“ (= „vollständiger oder eongenitaler Abort‘‘) gesagt worden ist. 1) Huisgen lässt, wie schon oben (p. 30. Anm. 6) bemerkt, den Fruchtknoten der normalen Crueiferen-Blüthe entstehen aus einem lateralen, zweigliedrigen Carpidienwirtel und einem folgenden medianen zweigliedrigen Blattwirtel, dessen Glieder zu Placenten umgewandelt sind. Diese Anschauungs- weise, die auch früherhin schon wiederholt von anderen Autoren, wenn auch auf andere Gründe gestützt, ausgesprochen worden ist, hat zahlreiche Widersprüche neuerdings hervorgerufen. A. Braun spricht sich in einem Berichte über die Arbeit von Huisgen (Verhandl. d. bot. Vereins d. Prov. Brandenburg XVI (1874) p. 45 ff.) entschieden gegen diese Deutung der Placenten aus, namentlich auf Grund der wiederholt beobachteten abnormen Blüthen, die deutlich die Samenknospen an den freien Rändern von Fruchtblättern u — * In sämmtlichen Wirtelu, namentlich aber in den Staubblatt- und Kronblattwirteln, wird öfters durch mehr oder weniger vollständige Spaltung einzelner Glieder die angeheftet zeigen und so einer Deutung der Placenten als besonderer Phyllome durchaus widersprechen. Auch Eichler (Blütbendiagramme p. 46) äussert einige Zweifel an der Berechtigung dieser Anschauungs- weise für die Familie der Cruciferen. Nach Celakovsky (Vergl. Darstellung der Placenten p-. #5) wird dieselbe sogar „entschieden widerlegt“ durch die erwähnten wiederholt beobachteten abnormen Blüthen. Diese von Huisgen vertretene Anschauungsweise, die wiederholt auch auf andere pbanerogamische Familien übertragen worden ist, muss sehr verschieden beurtheilt werden, je nachdem man sich auf den Standpunkt der sg. topischen Morphologie (— ich möchte lieber sagen: terminologischen Morphologie — ) oder denjenigen der schematisirenden Morphologie stellt. Man kann den Begriff „Phyllom“ a priori z.B. so definiren, dass jeder einzelne kleine Höcker, der an der jungen Blüthenanlage selbständig auftritt, ein Phyllom darstellt, dass niemals zwei benachbarte kleine Höcker einem einzigen Phyllom angehören. Dann besagt die Benennung eines bestimmten einzelnen Blüthentheiles als Phyllom gar nichts anderes, als dass derselbe eben in der genannten Weise als ein ein- zelner selbständiger Höcker angelegt wird. AufGrund einer solchen oder ähnlichen Definition von Phyllom können dann auch die Placenten der Cruciferen, resp. anderer Familien. falls ihre Entwieklungsweise jener Definition entspricht, selbständige Phyllome genannt werden. Diese Bezeichnungsweise ist bei einer conse- quenten Durchführung des ganzen Standpunktes in Bezug auf Richtigkeit ganz und gar nicht anzugreifen, geschweige denn zu widerlegen. Es wird sich nur allein darüber streiten lassen, ob jene Definition des Begriffes Phyllom eine praktisch zweckmässige sei oder nicht. Eine consequente Durchführung jenes Standpunktes aber führt bei einer derartigen Definition des Begriffes Phyllom, wie die genannte, zu einer Classifieirung aller Blüthentheile, die, wir mir scheint, kaum praktisch zweckmässig genannt werden kann. Und aus diesem Grunde möchte ich mich auch jener Definition des Begriffes Phyllom nicht anschliessen. Bei einer consequenten Durchführung des genannten Standpunktes aber beweisen alle Einwürfe, die man bisher gegen die Huisgen’sche Anschauungsweise und ihre Berechtigung geltend gemacht hat, ganz und gar nichts. = Ganz etwas anderes ist es dagegen vom Standpunkte der schematisirenden Morphologie aus, dem Standpunkte, auf welchen auch wir uns bei der Entwerfung der Familiendiagramme der Rhoeadinen gestellt haben. Hier handelt es sich allein um die Frage, ob man den Fruchtknoten der Cruciferen auf zwei laterale Carpidien, deren verdiekte seitliche Ränder die Placenten darstellen, schematisirend zurück- führen soll, oder aber auf zwei alternirende zweigliedrige Wirtel von Phyllomen, deren obere zu Placenten umgewandelt sind. Das eine Verfahren ist so gut thunlich und zulässig wie das andere. Das erstere aber erscheint mir weit einfacher und zweckmässiger aus Rücksicht aut die Fälle des drei- und vierfächerigen Fruchtknotens und auf die abnormen Blüthen. Namentlich solelıe Fälle, wie die früher (p- 18) erwähnten Blüthen von Cheiranthus Cheirimit Verwandlung der Staubgefässe in Carpidien und die häufig beobachteten vergrünten u Anzahl der einzelnen Blüthentheile vergrössert, oder aber es verwachsen zwei benach- barte Blüthenphyllome mehr oder weniger vollständig mit einander zu gespaltenen oder selbst einfachen Blüthentheilen. Sämmtliche Wirtel alterniren mit einander und werden in einfacher acropetaler Reihenfolge an der Blüthenachse angelegt mit der einzigen Ausnahme (wenn sich nämlich Chatin’s Angabe!) entgegen den "sorgfältigen früheren Beobachtungen von Eichler und Wretschko bestätigen sollte), dass die Reihenfolge bei der ersten Anlage der beiden Staubblattwirtel umgekehrt eine acrofugale ist. — Dieses Diagramm der Aborttheorie, das aus 5 alternirenden viergliedrigen Wirteln das Familiendiagramm der Cruciferen aufbaut, erscheint mir am besten ‚geeignet, die oben gestellte Aufgabe zu lösen?). Es entspricht meines Erachtens am besten der Bedingung eines zweckmässigen Familiendiagramms, dass in möglichst einfacher Weise alle einzelnen Blüthengestalten sich daraus sollen herleiten lassen. Weit weniger scheint mir das Diagramm der Eichler’schen Spaltungstheorie Anspruch auf eine derartige Zweckmässigkeit erheben zu können. Jene Blüthen mit fünt- gliedrigen Kelchblatt- und.Kronblattwirteln lassen sich weit weniger einfach von diesem Diagramm der Spaltungstheorie ableiten. Vor allem aber bedarf die Spaltungstheorie weit complicirterer Ableitungen, um jene Blüthen mit vier unteren quermedianen Staubgefässen auf das Familiendiagramm zurückzuführen (vgl. oben p. 12—13). Obwohl also auch das Diagramm der Spaltungstheorie im Sinne Eichler's durch- aus geeignet ist, alle einzelnen Blüthengestalten daraus herzuleiten, so erscheint doch meines Erachtens jenes Diagramm der Aborttheorie diesem Zwecke weit mehr Blüthen mit Samenknospen an den freien Rändern der Fruchtblätter, möchten sich nur sehr schwierig auf jenes andere Schema zurückführen lassen. E Dass aber solche abnormen Blüthen grade diese Deutungsweise beweisen, jene andere Anschauungs- weise, die Huisgen vertreten hatte, widerlegen sollten, wie Celakovsky meint, davon kann gar nicht die Rede sein, 1) A. Chatin, Organogenie comparde de l’androcee, in Comptes rend» de l’acad. des sciences. Tom. 78. 1874. p. 121. *) In welcher Weise von diesem Diagramm die Blüthe von Senebiera didyma Pers. mit zwei medianen und vier diagonalen Staubgefässen, die Wydler (Flora 1845. p. 612) beschreibt, abzuleiten sei, das möchte ich nicht ohne Vergleich der frischen Blüthen, die mir zur Zeit nicht zu Gebote stehen, entscheiden. 4 2.7 angemessen, ja es erscheint mir bisher dieses letztere Diagramm als dasjenige, welches überhaupt am besten diesem Zwecke entspricht. Und aus diesem Grunde möchte ich dasselbe als das Familiendiagramm der Cruciferen hinstellen. — Bei der Aufstellung dieses Familiendiagramms und.der kurzen Angabe der Veränderungen, durch welche aus dem Familiendiagramm die Einzelblüthen abzuleiten sind, haben wir die sg. vergrünten Blüthen ganz unberücksichtigt gelassen.') Wir haben früherhin (p. 18—21) bereits gesehen, dass diese vergrünten Blüthen bei den Cruciferen eine sehr mannigfaltige Gestaltung aufweisen bis zu solchen Gestalten hin, die von gewöhnlichen Laubknospen sich kaum noch unterscheiden. Man könnte auch diese vergrünten Blüthen sämmtlich mitberücksichtigen bei den schematisirenden Construk- tionen, die zur Aufstellung des Familiendiagramms hinführen. Allein das Diagramm, das man alsdann zuletzt erhielte, würde so allgemein sein, dass sich daraus so ziemlich alle vorhandenen Blüthen ableiten liessen. Zur kurzen Charakterisirung des Blüthen- baus der einzelnen Familie. der Cruciferen gegenüber den übrigen Familien würde ein solches Diagramm ganz urigeeignet sein. Seine Aufstellung würde somit allen praktischen Werthes entbehren. Aus diesem Grunde erscheint es weit zweckmässiger, bei der Aufstellung des Familiendiagramms von den vergrünten Blüthen ganz abzu- sehen. Und so haben wir dieselben denn auch bei der Aufstellung des Familien- diagramms der Oruciferen ganz unbericksichtigt gelassen.?) — 1) Dagegen sind bei der Aufstellung des obigen Familiendiagramms diejenigen abnormen Blütheır, die nicht so tiefgreifende Unterschiede von den normalen Blüthen zeigen wie die vergrünten Blüthen, berücksichtigt worden. Alle abnormen Blüthen unterscheiden sich ja von den normalen einzig und allein durch ihr selteneres Vorkommen und werden nur aus diesem Grunde als abnorme Blüthen bezeichnet. Sie müssen deshalb ganz ebenso wie die normalen Blüthen berücksichtigt werden, wenn es gilt, für sämmtliche Blüthen einer Familie ein gemeinsames Schema, ein typisches Diagramm zu entwerfen. — Man kann allerdings auch die Aufgabe ändern und nur für die sg. normalen Blüthen ein solches typisches Diagramm verlangen. Allein dann ergibt sich die grosse Schwierigkeit, die Grenze zwischen abnormen und normalen d.i. zwischen häufigen und seltenen Blüthengestalten festzustellen, was nicht anders als rein willkürlich möglich sein würde. ?®) Im ersten Abschnitte p. 21—22 war den vergrünten Blüthen der Cruciferen für die Frage des Familiendiagramms jede bestimmte Beweiskraft abgesprochen worden, da sich aus denselben alle möglichen willkürlichen Blüthentheorien ableiten liessen. Dieser Grund gegen eine Beweiskraft der vergrünten Blüthen dürfte einer genauen kritischen Prüfung gegenüber kaum als stichhaltig sich erweisen oder wenigstens als einer näheren Erklärung durchaus bedürftig. Diese Erklärung ergibt sich aus der obigen Darstellung BE - | - Der Frage nach dem Bau des Familiendiagrammes schliesst sich nun noch die Frage nach dem Anschluss der Blüthe an die vorausgehenden Blattformationen, die Frage nach etwa vorhandenen Vorblättern oder Deckblättern unmittelbar an. Im Anschluss an das Familiendiagramm möge auch diese Frage für die Cruciferen noch etwas eingehender erörtert werden. Die Blüthen der Cruciferen stehen fast durchweg in traubigen oder dolden- traubigen Blüthenständen. Die einzelne Blüthe entbehrt in den meisten Fällen des Deckblattes gänzlich, nur in wenigen Fällen ist dasselbe entwickelt. In den meisten Fällen ist der Blüthenstiel nackt, nur in wenigen Fällen finden sich zwei kleine laterale Vorblätter ausgebildet. Thatsächlich findet sich ein Deckblatt der einzelnen Blüthe bald ausgebildet, vollständig entwickelt oder nur rudimentär, bald fehlt es vollständig spurlos, wie die Beobachtung der Entwicklungsgeschichte leicht darthut‘). Wollen wir allein die sehr leicht. Die vergrünten Blüthen (— und ebenso ist es mit manchen gefüllten Blüthen von Cruciferen, z.B. den gefüllten Levkojen —) zeigen so mannigfaltige Gestalten, dass eine Berücksichtigung derselben zu der Construktion der verschiedensten, allgemeinsten Familiendiagramme ohne praktische Zweekmässigkeit hinführen müsste. Zweckmässiger Weise wird man sie deshalb bei der Construktion des Familiendiagramms bei Seite lassen oder, in der älteren Ausdrucksweise zu reden, ihnen alle Beweiskraft für das Familien- diagramm absprechen. In dieser Weise erledigt sich die alte, so vielfach erörterte Streitfrage über die Bedeutung der vergrünten Blüthen fiir die Lehre von den Familiendiagrammen aufs einfachste. Wir dürfen aber noch weiter gehen und behaupten, dass auch der Streit über die Bedeutung der vergrünten Blüthen und überhaupt der abnormen Gestalten, der sg. Bildungsabweichungen für alle übrigen Probleme der vergleichenden Morphologie in ganz analoger Weise sich erledigt. Alle diese Probleme der vergleichenden Morphologie der Blüthenpflanzen laufen auf ein schematisirendes Zurückführen einer grösseren Anzahl von Einzelgestalten auf ein einzelnes Schema, eine einzelne typische Gestalt hinaus Bei ällen solehen Schematisirungen erhebt sich die Frage, welche Summe von Einzelvestalten soll man auf ein und dasselbe Schema zurückführen? soll man bestimmte abweichende, sg. abnorme Gestalten noch mitberück- siehtigen oder nieht? Die Antwort auf diese Fragen wird stets durch die Rücksicht auf die praktische Zweckmässigkeit der gewonnenen Schemata bestimmt werden. — In der Praxis dieses Schematisirens haben die einzelnen Autoren eine Berücksichtigung der abnormen Gestalten bald zugelassen, bald verworfen oder, in der bisherigen Ausdrucksweise zu reden, den Bildungsabweichungen, zumal den zumeist besprochenen vergrünten Blüthen, bald Beweiskraft zugestanden, bald gänzlich abgesprochen. In Wirklichkeit aber kann von Beweiskraft bei allen diesen Problemen der vergleichenden Morphologie gar nicht die Rede sein. 1) Bei einzelnen Crueiferen sind die Blüthen constant mit Deekblättern versehen. Bei vielen Arten finden sich die Deekblätter bei einzelnen Blüthen vollständig entwickelt, auch wenn der Mehrzahl ze ae Thatsachen beschreiben, so müssen wir uns auf die Angabe beschränken, dass die gestielte Blüthe bald aus der Achsel eines Deckblattes entspringt, bald, und zwar in der Mehrzahl der Fälle, eines Deckblattes entbehrt. Allein wir können auch beide Fälle in Gedanken auf ein und dasselbe Schema, ein und denselben Typus zurück- führen und dann entweder den einer oder den andern Fall zum typischen Fall machen. Im Grunde geschieht dies schon unwillkürlich bei der einfachen Beschreibung: der Thatsachen. Denn die Ausdrücke: „das Deckblatt fehlt spurlos“ u. ä., machen ja eigentlich schon an sich den einen Fall des entwickelten Deckblattes zum typischen - Fall. Dieser Fall ist, wie erwähnt, bei den Blüthen der Cruciferen der seltenere, allein er ist unter allen phanerogamischen Pflanzen so sehr der häufigere, dass wir ihn auch hier bei den Cruciferen zweckmässiger Weise zu dem typischen Falle machen und auch der Blüthe der Cruciferen typisch ein Deckblatt zuschreiben können. Wir müssen uns dabei aber stets gegenwärtig halten, dass wir damit keineswegs die That- sachen beschreiben, sondern allein die thatsächlich verschiedenen Fälle auf einen einzelnen Fall in Gedanken schematisirend zurückführen. An dem Blüthenstiel der einzelnen Cruciferen-Blüthe finden sich ferner bis- weilen zwei laterale Vorblätter ausgebildet, meist aber ist dieser Blüthenstiel voll- ständig nackt‘), So allein lassen sich die Thatsachen ihrer Gestaltung nach beschrei- ben. Wir können aber auch hier beiderlei Fälle in Gedanken auf ein und dasselbe Schema zurückführen und den einen oder den anderen jener beiden Fälle zu diesem Schema, zu dem typischen Falle machen. Es fragt sich, ob auch hier wie bei dem Blüthendeckblatt die Zweckmässigkeit für eine derartige Schematisirung spricht, und welcher von beiden Fällen zu dem typischen erhoben werden soll. Vergleichen wir die Gesammtmenge der Blüthen der Dikotylen, so finden wir der Blüthen die Deckblätter gänzlich fehlen. Bei manchen Arten lässt die Entwicklungsgeschichte rudi- mentäre Deckblätter erkennen, die angelegt werden als kleine Höcker, aber nicht zu vollständiger Aus- bildung gelangen. Bei anderen dagegen vermag die Untersuchung der Entwieklungsgeschichte keine Spur derselben zu erkennen. Vgl. Wydler, Kleine Beiträge zur Kenntniss einheimischer Gewächse, in Flora 1859, p- 296; Wretschko, Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Cruciferen-Blüthe (1868); und War ming, Recherches sur la ramification des Phanerogames (Copenhague. 1872.). 1) Die Entwicklungsgeschichte (Wretsehko, 1. c.) lässt öfters bei Arten mit nacktem Blüthenstiel diese Vorblätter in Gestalt kleiner lateraler Höcker, die nicht weiter sich entwickeln, an den Blüthenanlagen erkennen. Bei anderen Arten dagegen vermag die Entwicklungsgeschichte keine Spur derselben nachzuweisen, Abh. d. ntf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 12 Ben er bei blattachselständigen Blüthen den Blüthenstiel bald nackt, bald mit Vorblättern besetzt; im letzteren Falle sind häufig zwei laterale Vorblätter vorhanden. Die Glieder des äussersten Blüthenwirtels, des Kelchwirtels, entstehen ferner häufig nicht gleichzeitig, sondern nach einander in spiraliger Auteinanderfolge. Da zeigt sich nun öfters thatsächlich die Anordnung der eirfzelnen Phyllome an der Blüthenachse der Art, dass bei nacktem Blüthenstiel die beiden ältesten Kelchblätter lateral stehen, oder dass bei Anwesenheit von zwei lateralen Vorblättern die ältesten Kelchblätter in spiraliger Anordnung an diese Vorblätter anschliessen. In beiden Fällen finden sich somit am Blüthenspross zunächst zwei laterale Phyllome, an welche sich die folgenden Phyl- lome in spiraliger Stellung anreihen. Dieser Fall tritt, wie gesagt, häufig thatsächlich auf, allein keineswegs immer. Thatsächlich finden sich bei anderen Blüthen noch verschiedene andere Stellungsverhältnisse der ersten Phyllome der blüthenachse. Doch ist jener Fall immerhin thatsächlich häufiger als jeder einzelne Fall eines anderen Stellungsverhältnisses. Man kann nun ebenso wie in anderen Fällen, wo es sich um verschiedenartige Gestaltungen handelt, so auch hier alle verschiedenen Einzelfälle aut einen bestimmten Einzelfall in Gedanken schematisirend zurückführen, um dadurch eine einheitliche Auffassungsweise zu gewinnen. Man kann speciell jenen genannten Fall, dass nämlich am Blüthenspross zunächst zwei laterale Phyllome auftreten und an diese die nächst- folgenden Phyllome spiralig sich anschliessen, zum typischen Falle machen und auf denselben alle übrigen Stellungsverhältnisse zurückführen. Doch darf man dabei nur nicht vergessen, dass man in Wirklichkeit nichts anderes thut, als eine schema- tisirende Construktion in Gedanken auszuführen. Man darf nur nicht jenes Schema mit einem empirischen Gesetz der Gestaltenbildung verwechseln. Allein bei dem genannten Schema erhebt sich die Frage: Ist seine Aufstellung als Typus wirklich zweckmässig? Und da kann man meines Erachtens verschiedener Ansicht sein. Jenes Schema dient ja in der That ganz trefflich dazu, alle Einzel- fälle unter einen einheitlichen Gesichtspunkt zusammenzufassen. Allein eine schema- tisirende Umänderung, eine Ausdeutung der Thatsachen, um sie auf den typischen Fall zurückzuführen, ist hier in so vielen Einzeltällen nothwendig, die Zahl der Fälle, die keine solche morphologische Deutung erfordern, ist so wenig überwiegend, dass es wohl zweckmässiger erscheint, die verschiedenen Einzelfälle als solche gelten zu = 2 ee lassen und zu beschreiben, anstatt sie sämmtlich auf einen einzelnen typischen Fall zurückzuführen.') Die ältere Morphologie hat vielfach den genannten typischen Fall als den gesetzmässigen hingestellt, hat aus dieser Stellungsweise der Phyllome an der Blüthen- achse gradezu ein morphologisches Gesetz gemacht. Allein ein wirkliches Gesetz liegt hier keineswegs vor, kaum eine empirische Regel, nur allein ein construirtes Schema. Die Aufstellung eben dieses Schemas aber scheint mir dem Zwecke, den man bei allem solchem Schematisiren verfolgt, und der den Werth desselben aus- schliesslich bedingt, durchaus nicht zu entsprechen, es erscheint mir vielmehr zweck- mässiger, im vorliegenden Falle iiberhaupt auf die Aufstellung eines allgemeinen Schemas, eines allgemeinen Typus für alle Dikotylen gänzlich zu verzichten. Demgemäss kann denn auch hier die ‚vielfach erörterte Frage, auf welche Weise man die Stellung der 4 quermedianen Kelchblätter mit oder ohne vorausgehende laterale Vorblätter jenem allgemeinen Typus (oder irgend einem anderen) unterordnen solle, als gänzlich bedeutungslos bei Seite gelegt werden. Es bleibt dann aber immer noch die Frage zu beantworten, ob wenigstens für die Crueciferen-Blüthe allein (auch wenn ein allgemeiner Typus für sämmtliche Dikotylen-Blüthen zweckmässiger Weise nicht aufgestellt werden kann) ein typischer Fall der Vorblattbildung festgestellt werden soll. Zwei verschiedene Fälle finden sich hier thatsächlich vor. Diese aber mag man immerhin der Einfachheit halber auf einen typischen Fall zurückführen. Die zwei lateralen Vorblätter finden sich zwar thatsächlich bei Oruciferen-Blüthen nur sehr selten entwickelt, allein gleichwohl wird man doch lieber den Fall der ausgebildeten Vorblätter zum typischen machen, als den entgegengesetzten, da man es allgemein, allerdings ohne zwingenden Grund, vorzieht, durch die Annahme ablastirender Phyllome einen einzelnen Fall auf ein 1) Die praktische Zweckmässigkeit ist bei allem solchem Schematisiren das einzig entseheidende Moment. Sie allein vermag den Ausschlag zu geben in der Frage, ob man eine grössere Anzahl verschiedener Einzel- fälle auf ein einzelnes Schema zurückführen oder ob man mehrere derartige Schemata, mehrere typische Fälle unterscheiden solle. So handelt es sich auch bei der früherhin so vielfach erörterten Streitfrage, ob alle Formen der Blattstellung auf die rein spiralige zurückzuführen seien, oder ob man daneben auch die wirtelige Blattstellung als eine ursprüngliche, typische anzusehen habe (vgl. Eichler, Blüthendiagramme p. 13—15), ausschliesslich um eine Frage der praktischen Zweckmässigkeit, die verschiedene Autoren in verschiedener Weise beantworten können 12% BE 0. typisches Schema zurückzuführen, lieber als durch die Annahme eines plötzlichen Auftretens ganz neuer Phyllome. Dementsprechend seien denn auch hier dem Familien- diagramm der Orueiferen ausser einem typischen Deckblatt noch zwei typische laterale Vorblätter zugeschrieben. — Das Familiendiagramm der Cruciferen (Fig. 2) zeigt nach alledem unserer Anschauungsweise zufolge 5 alternirende viergliedrige Wirtel bei quermedianer Stellung des Kelchwirtels; die ganze Blüthe, mit zwei lateralen Vorblättern aus- gerüstet, steht in der Achsel eines Deckblattes. Man pflegt allgemein bei Besprechung des Familiendiagramms einer: bestimmten Familie die nächstverwandten Familien und ebenso fernerstehende Familien von analoger Blüthengestaltung zu berücksichtigen und die Gestaltung der Diagramme dieser Familien als Beweismomente für diese oder jene Blüthentheorie zu verwerthen. So ist vielfach auch das Diagramm der Capparidaceen und Fumariaceen und ebenso, wenn auch seltener, dasjenige der Oleaceen benutzt worden, um einen Analogiebeweis für diese oder jene Auftassung des Uruciferen-Diagramms zu liefern. Von einem wirklichen Beweis aber kann in solchen Fällen gar nicht die Rede sein. Das ergibt sich ja schon ganz von selbst aus der obigen Definition vom Familiendiagramm. In einer verwandten oder analogen Familie mag die Gestalt der Blüthen sein, welche sie wolle, das hat gar keinen Einfluss auf die Lösung der Aufgabe, für die verschie- denen Blüthen einer bestimmten gegebenen Familie ein möglichst einfaches typisches Schema zu construiren. Für die Lösung dieser Aufgabe in Bezug auf die Familie der Crueiferen, für das Familiendiagramm der Cruciferen kommen nur allein Cruci- feren-Blüthen in Betracht, die Blüthen der Capparidaceen und der übrigen Rhoeadinen, der Oleaceen u. s. w. bleiben für diese Aufgabe ganz bedeutungslos. Die Analogie der letzteren Familien beweist für die Cruciferen ganz und gar nichts.') 1) Beweiskraft besitzen die verwandten und analogen Familien in der vorliegenden Frage ganz und gar nicht. Gleiehwohl aber ist die Berücksichtung dieser Familien bei der Aufstellung der Familien- diagramme oft von grosser Bedeutung. Der Grund davon liegt einfach darin, dass die Diagramme solcher Familien vielfach sehr werthvolle Hinweise für eine zweckmässige Schematisirung liefern. Nahe verwandte Familien zeigen zumeist sehr ähnliche Blüthengestalten, sie werden demgemäss auch meist in ganz ähnlicher Weise auf eine typische Blüthengestalt zurückzuführen sein. Und ganz ebenso wird bei Familien mit ru In derselben Weise wie die Cruciferen mögen nun auch die übrigen Familien aus der Ordnung der Rhoeadinen hier noch etwas eingehender in Bezug auf die Gestaltung des Familiendiagramms besprochen werden. Der endgültigen Aufstellung des Familiendiagramms stellen sich übrigens bei diesen Familien weit mehr Schwierigkeiten entgegen als bei den Crueiferen. Die Thatsachen des Blüthenbaus sind hier bis jetzt weit weniger vollständig bekannt ge- worden, als dies bei den Cruciferen der Fall ist. Die Gestalt der entwickelten Blüthe variirt hier weit mannigfaltiger als in jener Familie, die Blüthenentwicklung ist bis- her nur sehr unvollständig untersucht worden, und endlich erlaubt auch der getrock- nete Zustand, in welchem manche Gattungen bisher allein in Europa bekannt geworden sind, häufig nicht eine genaue Feststellung der gegenseitigen Stellung der einzelnen Blüthentheile. So werden vollständigere Untersuchungen der Thatsachen wohl mehr- fach dazu führen, dem Familien- Diagramm eine etwas andere Gestaltung zu geben, Allein die bisher bekannten Thatsachen sind doch immerhin zahlreich genug, um dieselben schon jetzt durch einzelne Schemata zusammenzufassen. Und das sollen eben die folgenden Diagramme für die Capparidaceen, Fumariaceen, Papaveraceen und Resedaceen auszuführen versuchen. Sie sollen die Thatsachen, so weit sie bekannt sind, zusammenfassen, nicht aber, wie man bisher bei wenig bekannten Familien zu tlun pflegte, hypothetische Vermuthungen über das wahre Familiendia- gramm derselben darstellen. analoger Blüthengestaltung meist eine zweckmässige Schematisirung in ganz analoger Weise zu erfolgen haben. So wird man aus der Betrachtung der Familiendiagramme der verwandten und der analogen Fa- milien vielfach werthvolle Andeutungen für die Gestaltung eines zweckmässigen Diagramms der in Rede stehenden Familie gewinnen. In diesem Umstande liegt die Bedeutung begründet, die den verwandten und den analogen Familien in der vorliegenden Frage der Familiendiagramme (und ebenso in zahlreichen anderen Fragen der vergleichenden Morpholozie) thatsächlich zukommt, nicht aber in irgend einer Beweis- kraft derselben durch Analogie. Uebrigens möchte ich das Familiendiagramm der Oleaceen, auf welche Engler und Eichler in ihren Angaben über das Diagramm der Cruciferen sich mehrfach berufen, in ganz anderer Weise con- struiren, als dies Eichler in seinem klassischen Werke über Familiendiagramme (p. 234 fi.) gethan hat, Statt nämlich mit Eichler das Andröceum dieser Blüthe als typisch dimer zu betrachten, halte ich es. für zweckmässiger mit Rücksicht auf zahlreiche abnorme Blüthen mit drei oder vier Staubgefässen, die ich bei verschiedenen Arten von Öleaceen beobachtet habe, der Blüthe der Oleaceen einen typisch viergliedri- gen Staubblattwirtel zuzuschreiben, von dessen vier Phyllomen meistens zwei ablastiren. - ge Capparidaceae. Aın meisten Uebereinstimmung mit den Cruciferen hinsichtlich der Gesamnt- organisation von Blüthe und F rucht zeigen die Capparidaceen, die deshalb allgemein als die nächsten Verwandten der Urueiferen betrachtet werden.') Von den verschiedenen Abtheilungen dieser Familie schliessen sich zunächst die Cleomeae ganz unmittelbar den Cruciferenan. Ihr Blüthenbau stimmt so sehr mit dem- jenigen der letzteren Familie überein, dass es überhaupt nur sehr untergeordnete Merkmale sind, welche diese Gruppe der Capparidaceen von den Cruciferen unterscheiden lassen. Die Blüthen stehen auch hier wie bei den Cruciferen zumeist in traubigen Inflorescenzen, doch ist das Deckblatt der einzelnen Blüthe hier meist vollständig ausgebildet. Der Kelch besteht wie. bei den Oruciferen aus 4 quermedianen Kelch- blättern, deren Entwicklungsfolge nach Eichler's Darstellung?) ganz dieselbe ist, wie in jener Familie: es entsteht zuerst das vordere Kelchblatt, dann das hintere und zuletzt gleichzeitig die beiden lateralen Kelchblätter. Die Blumenkrone wird, wie bei den Cruciferen, aus 4 diagonalen Blumenblättern gebildet, und ebenso stimmt auch der Fruchtknoten in seiner Zusammensetzung aus zwei lateralen Carpidien ganz mit dem Fruchtknoten der Cruciferen überein. Das Andröceum zeigt öfters 6 Staubgefässe in ganz derselben Anordnung wie bei den Crueiferen: 2 laterale untere und 4 diagonale obere Staubgefässe. Diese letzteren beginnen nach Eichler’s Untersuchungen an Gynandropsis pentaphylla ihre erste Entwicklung mit dem Auftreten zweier Primordien in der Mediane der Blüthe,?) aus denen weiterhin die beiden Paare von Staubgefässen als einzelne freie Blüthentheile hervorsprossen. — In anderen Fällen geht die paarweise Verwachsung 1) Sieht man ab von allen unbeweisbaren, willkürlichen Annahmen über Blutsverwandtschaft, so ist der Ausdruck „verwandt“ im Sinne der natürlichen Systematik ja durchaus synonym mit „ähnlich“, besagt nichts mehr und nichts weniger als dieser. 2) Flora 1865. p. 546—547. Eichler berichtigt hier zugleich die abweichenden Angaben Payer's (Organogenie. p. 201) für Cleome und Polanisia. 3) Payer (Organogenie. p.202) beschreibt die erste Anlage der Staubgefässe in den Blüthen von Cleome spinosa folgendermassen: les deux &tamines laterales se montrent d’abord, et ce n’est que plus tard que les groupes anterieur et posterieur apparaissent simultandment. — Nach A. Chatin (Comptes rendus. 1874. Tome 78. p. 820) entstehen bei Cleome und Gynandropsis die vier langen Staubgefässe als vier einzelne getrennte Höcker an der Blüthenanlage. x en en der oberen Staubgefässe, die sich im Auftreten von gemeinsamen Primordien aus- spricht,') noch weiter: es findet sich öfters an Stelle der beiden Paare oder nur eines derselben je ein einzelnes einfaches Staubgefäss entwickelt, theils normal, wie bei einzelnen Arten von Cleome, Dactylaena, Gynandropsis u. A., theils ausnahmsweise bei Arten, deren Blüthen meistentheils vier obere freie Staubgefässe besitzen. Die Mehrzahl der Cleomeae aber besitzt zahlreiche Staubgefässe. Die Ent- wicklungsgeschichte der Blüthen, die allerdings nur für wenige Arten (Polanisia gra- veolens von Payer?), P. graveolens und uniglandulosa von Eichler’)) bisher be- obachtet ist, zeigt nach den Angaben von Eichler zwei laterale untere und zwei mediane obere Primordien, aus denen dann mehr oder minder zahlreiche freie Staub- gefässe hervorsprossen.?) Die Vielzahl der Staubgefässe wird somit in den untersuch- ten Fällen durch mehr oder minder ausgiebige collaterale Spaltung derselben Pri- mordien erreicht, die auch in den Blüthen mit 6 Staubgefässen auftreten. Die voll- ständige Analogie der übrigen polystemonen Blüthen, deren Entwicklungsgeschichte noch nicht genauer untersucht ist, berechtigt aber wohl zu der Annahme, dass auch bei diesen die Vielzahl der Staubgefässe allgemein in derselben Weise, durch wieder- holte Spaltung derselben Primordien, bewerkstelligt werde. Selten nur finden sich Blüthen mit 4 unteren quermedianen und vier oberen diagonalen Staubgefässen. Bisher sind solche Fälle nur an abnormen Blüthen von Cleome spinosa durch Eichler?) beobachtet und beschrieben worden. Dazu waren noch in den beschriebenen Blüthen die einzelnen Staubgefässe öfters durch collaterale 1) Ich ziehe es vor, hier ebenso wie bei den Cruciferen jene Primordien in der Mediane der Blüthen als gemeinsame Primordien je zweier diagonaler Staubblätter zu deuten, anstatt in denselben je ein einzelnes Phyllom, das sich weiterhin collateral spaltet, zu sehen. An sich sind beide schematisirende Deutungsweisen der Thatsachen gleich zulässig. Allein die Rücksicht auf eine schematisirende Zurückfüh- rung sämmtlicher Cleomeen-Blüthen auf einen einzelnen Typus bestimmt mich zu der ersteren Deutung. 2), Payer, 14 cr p.202. 3) Eichler, 1. ce. p. 547 —548. 4) Payer sagt ]. e. über die Entwicklung der Staubgefässe von Polanisia: ce sont les deux dta- mines posterieurs qui apparaissent d’abord, puis les deux laterales, puis les quatre anterieures. — A. Cha- tin aber lässt (l. ce.) die sämmtlichen einzelnen Staubgefässe von Polanisia als einzelne getrennte Blattan- lagen entstehen und stellt demgemäss ein Dedoublement für die Staubblätter dieser Blüthe gänzlich in Abrede. 5) Eichler in Flora 1865. p. 513—515. re . Chorise vollständig gespalten und zum Theil als Staminodien oder gar als Blumen- blätter ausgebildet. Fassen wir alle diese Angaben über die Verschiedenheiten, die der Blüthenbau bei den (leomeae darbietet, zusammen, so finden wir darin ganz analoge Verhältnisse wieder wie bei den Cruciferen. , Das bestimmt uns auch, für die Oleomeae das Diagramm ganz in derselben Form zu entwerfen, wie bei den Oruciferen (Fig. 2), dasselbe nämlich ebenfalls aus 5 alternirenden viergliedrigen Wirteln bei quermedianer Stellung des Kelchwirtels aufzubauen.') Der hauptsächlichste Unterschied beider Gruppen liegt allein darin, dass collaterale Spaltung der Staubblätter hier viel häufiger und ausgiebiger auftritt als bei den Cruciferen und bei zahlreichen Arten der Üleomeae sogar eine regelmässige Vielzahl von Staubgefässen zur Folge hat. Die Gründe, die zur Aufstellung dieses Diagramms bestimmen, sind ganz die- selben, die oben bei dem Diagramm der Crueiferen in Betracht kamen. Es erscheint ebenso wie dort das vorliegende Diagramm als das zweckmässigste, zweckmässiger besonders als dasjenige Diagramm, das Eichler für die Cleomeae entworfen hat, Eichler führt nämlich den Blüthenbau der Cleomeen auf dasselbe Diagramm zurück wie denjenigen der Crueiferen, er nimmt also durchweg mit Ausnahme der Blumen- krone alternirende zweigliedrige Wirtel an. Allein wie bei den Cruciferen scheinen mir auch hier die Blüthen mit 2x 4 Staubgefüssen Schwierigkeiten zu bereiten. Diese Blüthen lassen sich nur sehr schwierig von jenem 2-gliedrigen Diagramm ableiten.?) Dem gegenüber erscheint mir eine schematisirende Ableitung sämmtlicher ') Nach den Angaben von Ad. Chatin (Comptes rendus 1874. Tom. 78. p. 121—122) entstehen auch bei den Capparidaceen und zwar sowohl den Cleomeae, als auch den Cappareae, ebenso wie bei den Crueiferen die Staubgefässwirtel acrofugal, während alle übrigen Wirtel einfach acropetal aufeinander folgen. Diese Angabe weicht ebenso wie die gleiche Angabe für die Crueiferen von den früheren Angaben aller übrigen Beobachter vollständig ab. 2) Eichler nimmt, wie schon oben p. 12-13 bei Besprechung der oetandrichen Cruciferen-Blüthe erwähnt wurde, bei solchen Blüthen an, dass hier statt der normalen zweigliedrigen Wirtel einmal aus- nahmsweise viergliedrige Staminalwirtel entwiekelt worden seien. Dadurch stellt er eigentlich für solche Blüthen eine andere typische Form, ein anderes Diagramm auf als für die übrigen Blüthen derselben Familie. Damit hört dann aber zugleich jedes der beiden Diagramme auf, ein Familiendiagramm zu sein. Will man eine typische Blüthengestalt für eine Familie entwerfen, ein Familiendiagramm construiren, so müssen sämmtliche Einzelblüthen darauf zurückgeführt werden. Zwei Familiendiagramme, die neben einander bestehen, kann es gar nicht geben. Be - verschiedener Blüthengestalten der Cleomeae von einem Diagramm mit 5 alternirenden viergliedrigen Wirteln weit einfacher. Und aus diesem Grunde möchte ich ebenso wie bei den Cruciferen das letztere Diagramm als das zweckmässigere jenem Diagramm Eichler's!) vorziehen. — Die zweite Abtheilung der Capparidaceen, die Cappareae, sind der speciellen Gestaltung der Blüthen nach weit weniger noch bekannt als die Oleomeae. Die Staubgefässe sind bisweilen ebenfalls in Zahl von 6 vorhanden, meist aber finden sich zahlreiche Staubgefässe vor. Ueber die Anordnung derselben in der Blüthe ist wenig bekannt, da die Untersuchung des meist allein zugänglichen trocknen Materiales keine bestimmte Auskunft gibt, die Entwieklungsgeschichte aber bisher nur bei zwei Species, Capparıs spinosa und viridiflora,”) näher untersucht worden ist. Bei einigen Arten ist auch die Gestaltung von Kelch und Blumenkrone noch nicht mit hinreichen- der Sicherheit ermittelt worden. Gleichwohl sei es erlaubt, die bisher vorliegenden Thatsachen einheitlich zusammenzufassen und auch für die Cappareae ein gemeinsames Diagramm zu con- struiren. Für diese Gruppe, die man übrigens mit Baillon?) zweckmässiger Weise wieder in zwei Gruppen, Cappareae und Maerueae, theilen sollte, sei dabei dieses Diagramm ganz in derselben Gestalt entworfen wie bei den (leomeae, zusammengesetzt aus 5 alternirenden viergliedrigen Wirteln (Fig. 2). Kelch und Blumenkrone stimmen meistens mit den Uleomeen vollständig über- ein. Auch die Entwicklungsfolge der einzelnen Glieder derselben ist wenigstens bei !) Eichler's Auffassung der Cleomeen -Blüthe schliesst sich in der Deutung des polystemonen Andröceums von Polanisia u. ä. A. allerdings etwas einfacher den Thatsachen an. Er sieht in dem ein- zelnen Primordium in der Mediane der Blüthe, aus welchem weiterhin die einzelnen Staubgefässe hervor- sprossen, die Anlage eines einzelnen Phylloms, das sich weiterhin collateral spaltet. Unsere Auffassung dagegen sieht in diesen Primordien die gemeinsamen Anlagen von je zwei diagonalen Phyllomen, die sich weiterhin erst differenziren und gleichzeitig mehr oder minder häufig collateral spalten. Beide schema- tisirende Deutungen der 'Thatsachen sind möglich und zulässig, die erstere erscheint zunächst einfacher und deshalb zweckmässiger. Allen wenn man sämmtliche Thhatsachen des Blüthenbaues der Cleomeen berück- sichtigt und zumal die Aufgabe bedenkt, alle diese verschiedenen Blüthen auf einen einzelnen Typus zurückzuführen, so möchte doch die letztere Art schematisirender Ausdeutung auch beim Andröceum von Polanisia als die zweckmässigere erscheinen, ?) Payer, Organogenie. p. 203—204. pl. 41. ®) Baillon, Histoire des plantes. Tome III. 1872. p. 166. Abh. d. naturf. Ges zu Halle. Bd. XIV. 13 u Japparis nach Payer') eine ganz analoge wie dort, auch hier entstehen zuerst die medianen Kelchblätter, darnach erst die lateralen. Selten finden sich statt der 4-gliedrigen Wirtel fünfgliedrige: so zuweilen im Kelch (ob auch in der Blumenkrone?) von Capparis; ferner bei der australischen Gattung Ymblingia?), die einen 5-gliedrigen Kelch besitzt, während von den Blumenblättern nur zwei auf der Rückseite der Blüthe ausgebildet sind. Bisweilen ablastirt die Blumenkrone: so bei den Gattungen BDoscia, Thylachlum, Niebuhria, bei Arten von Maerua etc. Bisweilen sind nur zwei von den 4 typischen Blumenblättern entwickelt wie ausser der schon genannten Gattung Emblingia bei einzelnen Arten von Cadaba. Bei Apophyllum schwankt die Zahl der Blumenblätter zwischen 2 und 4. Endlich finden sich bei (apparis zuweilen zahlreiche Blumenblätter vor, wahrscheinlich durch Spaltung der typischen vier Petala entstanden. Die typische Zahl von 2x 4 Staubgetässen ist bisher noch nicht bestimmt nachgewiesen worden. Allerdings finden sich zuweilen 8 Staubgefässe in der einzelnen Blüthe, z. B. bei Orataeva. Allein die Anordnung derselben ist nicht genauer fest- gestellt, und bleibt es zweifelhaft, ob hier die beiden typischen viergliedrigen Wirtel regelmässig entwickelt sind. Bei Steriphoma finden sich nach Eichler (l. ce. p. 552) wie bei den Cruciferen und vielen Uleomeen 6 Staubgefässe, 2 untere laterale und 4 obere diagonale. Bei anderen Arten finden sich wenig zahlreiche Staubgefässe in nicht näher bestimmter Anordnung, so bei Euadenia 5, Cadaba 4—8, Atamisques 9—12 etc. In der Mehrzahl der Fälle aber sind die Staubgefässe zahlreich. — Bei Capparis spinosa entsteht nach Payer zunächst eine einzelne ringförmige Anschwel- lung an der Blüthenachse, ein gemeinsames Primordium der zahlreichen Staubgefässe. Auf dem Gipfel dieses Ringwalles sprossen dann vier Staubgefässe hervor, alternirend mit den Blumenblättern; dann ein wenig tiefer als diese vier weitere Staubgefäss- anlagen, mit den ersteren alternirend und mit denselben zu einem zusammengesetzten achtgliedrigen Wirtel zusammenschliessend; dann mit diesen 8 Staubgefässen alternirend abermals etwas tiefer weitere acht Staubgefässe; darauf wieder alternirend sechzehn Staubgefässe”) und so fort, stets in acrofugaler Reihentolge, bis die zahlreichen 1) Payer, Organogenie, p. 203. pl. 41. ?) F. Müller, Fragmenta Phyt. Austral. If. p.2 ff. t. 11. 3) Mit dieser Darstellung des Textes (p. 204) stimmen die Abbildungen (pl. 41) nicht ganz über- ein. Fig. 10 zeigt ausser dem ersten achtgliedrigen Wirtel einen zweiten achtgliedrigen Wirtel, der mit dem ersteren alternirt, und noch einen dritten, der mit dem zweiten alternirt. Auch Fig. 11, das nächst ER. ARE Staubgefässe simmtlich angelegt sind.') — Bei Capparis viridiflora entsteht ebentalls zunächst ein Ringwall an der jungen Blüthenanlage, aus welchem dann in acrofugaler Folge die Staubgefisse in Wirtel geordnet hervorsprossen, doch ist hier die Glieder- zahl der einzelnen Wirtel Payer’s Abbildung (pl. 41. fig. 32) zufolge eine andere als bei Capparis spinosa. Genauere Angaben darüber fehlen jedoch. — Ob auch in den übrigen Fällen polystemoner Blüthen die Entwicklung der Staubgefässe in der- selben Weise erfolgt wie bei Capparis, oder ob bisweilen die Polystemonie zu Stande kommt durch wiederholte Spaltung mehrerer Primordien wie bei Polanisia, das muss vorläufig noch dahmgestellt bleiben. Der Fruchtknotenwirtel ist nur in wenigen Fällen typisch ausgebildet. Viel- fach sind nur zwei Carpidien entwickelt, und diese stehen dann, soweit ihre Stellung sicher ermittelt ist, lateral z. B. bei Steriphoma, Crataeva, Maerua, zahlreichen Arten von Capparis u.a. Bei anderen Arten finden sich 3 oder 4 Carpidien ausgebildet. Vielfach aber ist eine grössere Anzahl von Fruchtblättern entwickelt, der Fruchblatt- wirtel ist mehrgliedrig oder selbst vielgliedrig, wobei die Zahl der Glieder selbst bei den Blüthen ein und derselben Species variirt.?) — folgende Stadium, zeigt keinen 16-gliedrigen Wirtel. Allein sämmtliche Figuren zeigen deutlich eine acro- fugale Anlage der Staubgefässe in Wirteln, deren Gliederzahl allmählich zunimmt, die aber sämmtlich mit einander alterniren. ') Hofmeister (Allgemeine Morphologie p. 467) schildert die Entwicklung der Staubgefüsse von Capparis ganz ebenso wiePayer, ohne jedoch das Auftreten eines Ringwalles zu erwähnen. Hofmeister eitirt bei seiner Darstellung die Angaben von Payer, doch ist nicht recht ersichtlich, ob er seine .eigene Darstellung ausschliesslich auf diese Angaben von Payer oder auch auf eigene Untersuchungen stützt. Eichler (Blüthendiagramme p. 51) glaubt die absteigende Entwickelung der Staubgefässe von Capparis „durch centrifugales Dedoublement aus einigen wenigen acropetal angelegten Primordien“ erklären zu sollen (vgl. Flora 1865. p. 552). Ich selbst möchte hei der Beschreibung des einfachen Thatbestandes nicht anders schematisirend deuten, als dies Payer und Hofmeister thun. Beim schematisirenden Zusammenfassen sämmtlicher Blüthen der Capparidaceen aber möchte ich auch das Andröceum von Capparis zurückführen auf zwei alternirende viergliedrige Wirtel. Das lässt sich ausführen, indem man sich denkt, dass die Glieder beider Wirtel gemeinsam angelegt werden in Gestalt eines einfachen Ringwalles, dass ferner die acht Staubblätter sich wiederholt spalten in verschiedener Richtung, und dass endlich diese zahlreichen Segmente in mehrere alternirende Wirtel sich anordnen und dementsprechend und in absteigender Folge angelegt werden ?) Es ist eine sehr häufige Erscheinung bei den Blüthen der Dikotylen, dass der Fruchtblattwir- tel von den vorhergehenden Blüthenwirteln hinsichtlich der Gliederzahl abweicht, bald pleiomer, bald 15* — Mb - Das Diagramm der beiden Abtheilungen der Familie der Capparidaceae ist somit ganz übereinstimmend gestaltet. Wir können demgemäss dieses gemeinsame Diagramm ohne weiteres auch als Diagramm der ganzen Familie hinstellen und fin- den so das Diagramm der beiden nahe verwandten Familien, der Cruciferen und der Capparidaceen, in ganz gleicher Weise gestaltet. — Es fragt sich nur, ob auch den Blüthen der Capparidaceen typisch ein Deck- blatt und zwei laterale Vorblätter zuzuschreiben sind wie den Blüthen der Cruciferen. Thatsächlich ist das Deckblatt zumeist vollständig ausgebildet, bisweilen aber fehlt es spurlos. Thatsächlich sind in der Mehrzahl der Fälle zwei laterale Vorblätter am Blüthenstiele vorhanden, während m einzelnen Fällen die Beobachtung keine Spur derselben nachzuweisen vermag. Alle diese thatsächlich verschiedenen Fälle aber wird man in zweckmässiger Weise zusammenfassen, indem man der Blüthe der Uapparidaceen (Fig. 2) typisch ein Deckblatt und zwei laterale Vorblätter zuschreibt. Dadurch wird die Uebereinstimmung des Diagramms der Capparidaceen mit demje- nigen der Uruciferen eine noch weit vollständigere.') i oligomer ist. In einzelnen Familien ist eine solche Pleiomerie resp. Oligomerie durchaus constant, und dann wird sie auch zweckmässiger Weise im Diagramm ihren Ausdruck finden. In anderen Familien dagegen varüirt die Zahl der Glieder des Carpidienwirtels, und dann halte ich es für das zweckmässigere, die typische Gliederzahl dieses Wirtels der Gliederzahl der übrigen Blüthenwirtel entsprechend anzunehmen. Eichler (Blüthendiagramme p. 9) dagegen zieht es in den allermeisten Fällen vor, eine solche Oligomerie des Fruchtblattwirtels für typisch zu erklären und in das Familiendiagramm aufzunehmen, — Die Entschei- dung ist bier eine ziemlich willkürliche. Handelt es sich ja doch bei diesem ganzen Verfahren stets nur darum, ob diese oder jene schematisirende Reduktion die zweckmässigere sei. Von einem entscheidenden Grunde für diese oder jene Annahme ist hier nirgends die Rede. t) Baillon (Hist. d. pl. III) reehnet ausser den Gruppen der Cleomeae, Cappareae und Maerueae auch noch die Ropalocarpene und Moringeae, allerdings nur mit Vorbehalt, zur Familie der Capparidaceae. Es mag hier von diesen beiden Gruppen der Familie abgesehen werden, so lange ihre Zugehörigkeit zur Familie nicht bestimmter nachgewiesen ist. — Die Gruppe der Moringeae, die so vielfach schon im System umhergeworfen worden ist, wird übrigens wohl besser aus der Ordnung der Rhoeadinen ganz auszuschlies- sen sein. Die Moringaceae bilden wohl am besten als selbständige Familie ein verbindendes Zwischenglied zwischen den Ordnungen der Rhoeadinae und Parietales, Guttiferae und Aesculinae einerseits und den Leguminosae und Rosiflorae andererseits (ef. Baillon in Adansonia IX. p. 333—335.). — 101 — Fumariaceae. Ausser den Capparidaceae schliessen sich den Cruciferen durch grosse Ueber- einstimmung im Bau von Blüthe und Frucht die untereinander nahe verwandten Familien der Fumariaceae und Papaveraceae aufs engste an. Zunächst mag hier für die Fumariaceen das Familiendiagramm entworfen werden. Im Blüthenbau der einzelnen Gattungen dieser Familie zeigt sich im Gegen- satz zu den Capparidaceae eine grosse Uebereinstimmung. Das theoretische Einzel- diagramm der einzelnen Blüthen, die zumeist in traubigen Inflorescenzen angeordnet sind, ist hier durchweg ganz übereinstimmend gebaut. Berücksichtigen wir zugleich den Bau der entwickelten Blüthe und die Resul- tate der Entwicklungsgeschichte, die zuletzt durch Eichler!) aufs eingehendste unter- sucht worden ist, so lässt sich das Familiendiagramm (Fig. 15) construiren aus zwei medianen Kelchblättern, zwei unteren lateralen und zwei oberen medianen Blumen- blättern, zwei lateralen dreitheiligen Staubblättern und zwei lateralen Carpidien: K 2, C2+2, A2°, G (2). Von den beiden Kelchblättern entsteht zuerst das vordere, dann das hintere Blatt. Alle übrigen zweigliedrigen Wirtel aber entstehen simultan und werden in acropetaler Folge an der Blüthe angelegt. Die Glieder des lateralen Staubblattwir- teils entwickeln sich entweder zu einer 3-gliedrigen Staubgefässgruppe mit mehr oder weniger zusammenhängenden Staubfäden und freien Staubbeuteln, wobei nur der mittlere Staubbeutel vierfächrig ist, die beiden seitlichen dagegen zweifächrig (Di- centra, Fumaria, Corydalis ete.), oder aber es verwachsen die seitlichen Lappen der beiden dreitheiligen Staubblätter?) paarweise mit einander und entwickeln sich 1) Flora 1865. p. 434 fi. — Fast ganz übereinstimmende Resultate einer älteren entwicklungs- geschichtlichen Untersuchung der Blüthe von Fumaria o/fieinalis berichtet auch Buchenau, Bemerkun- gen über den Blüthenbau der Fumariaceen und Crueiferen, Flora 1866. p. 39 ff. 2) Eichler erörtert (Flora 1865. p. 451—452) ausführlich die Frage, ob diese seitlichen Lappen als „Seitenlappen‘“ des Blattes „im gewöhnlichen Sinne oder aber als seine Nebenblätter zu betrachten ‘“ seien, und entscheidet sich dabei für die letztere Alternative. Ich muss gestehen, dass ich nicht recht einsehe, welche Momente bei dieser Fragestellung entscheidend sein sollen, ja nicht einmal zu erkennen vermag, worin der Unterschied der beiden angeblich verschiedenen Fälle bestehen soll. Will man ein dreitheiliges Staubblatt auf ein gedreihtes Blatt ohne Nebenblätter oder ein einfaches Blatt mit Neben- blättern schematisirend zurückführen, so ist das eine so gut thunlich wie das andere. Die Zweckmäs- sigkeit eines solchen Schematisirens aber ist im einen Falle wohl ebenso problematisch als im anderen. Er = zu zwei regelmässigen vierfächerigen Staubgefässen (Hypecoum). — Sämmtliche Wir- tel des Diagramms alterniren mit einander, nur allein die beiden letzten Wirtel, Staubblatt- und Fruchtblattwirtel, sind einander superponirt. — Eichler hat in seiner erwähnten Arbeit über den Blüthenbau der Fumaria- ceen, Cruciferen und Capparideen (Flora 1865) ein anderes Familiendiagramm der Fumariaceen entworfen, das sich hauptsächlich durch die Anwesenheit eines zweiten oberen, medianen, zweigliedrigen Staubblattwirtels von dem beschriebenen Diagramm unterscheidet. Dieser zweite obere Staubblattwirtel soll regelmässig abortiren. Eichler gründet die Aufnahme dieses zweiten Staubblattwirtels in das Diagraınm theils auf die Entwieklungsgeschichte, theils auf die Forderung jenes morphologischen Gesetzes, das regelmässige Alternation der Blüthenwirtel verlangt. Nach Eichler's eigener Darstellung (l. ec. p. 443) erhebt sich „fast gleich- zeitig mit dem Sichtbarwerden“ der Primordien der beiden lateralen Staubblätter zwischen denselben das Gewebe der Blüthenachse „etwas, wenn auch in sehr geringem Grade“ und gibt „damit deutlich den Beginn einer selbständigen Entwickelung an diesen Stellen zu erkennen“. Eine weitere Entwickelung dieser ersten Anlage aber erfolgt nicht, „nur in einem einzigen, als abnorm zu betrachtenden Falle“ beobachtete Eichler hier die Bildung „eines ziemlich ansehnlichen, wenn auch in Bezug auf die übrigen allerdings kleinen Höckers“. — Dieser eigenen Darstellung Eichler's gegenüber kann ich nicht umhin, Bedenken gegen die Deutung dieser so sehr geringen Anschwellungen der Blüthenachse auszusprechen. Ich möchte vielmehr in diesen so sehr geringen Anschwellungen nichts weiter sehen als einfach Anschwellungen der Blüthenachse selbst, wie solche bei der ersten Anlage der Blüthen öfters zwischen den einzelnen Phyllomen zu beobachten sind, keineswegs aber möchte ich sie als Phyllome deuten. Ueberall sonst, wo derartige flache Höcker zweckmässiger Weise als abortirende Phyllome gedeutet werden, pflegen diese Phyllome gelegentlich sich weiter zu entwickeln und stärker auszubilden‘). So weit ich sehe, sind aber an dieser Stelle der Fumariaceen-Blüthe noch niemals entwickelte Staubgefässe oder auch nur rudimentäre Staminodien beobachtet worden. Ich vermag deshalb keinen ausreichenden 1) „Fast in allen Fällen, in denen die Annahme eines Aborts durch vergleichende Beobachtung sicher indieirt ist, hat man wirklich die unterdrückten Organe gelegentlich entwickelt gefunden.“ sagt auch Eichler, Blüthendiagramme p. 6 Anm.**, 103 — Grund zu finden, diese so sehr Hachen Anschwellungen der Blüthenachse, von denen Payer') und Buchenau?) früherhin nichts beobachtet hatten, und die auch Caruel?) späterhin nicht hat auffinden können, als Phyllome zu deuten. In der That hat sich wohl auch Eichler hauptsächlich durch jenes angebliche morphologische Gesetz bestimmen lassen, diese Anschwellungen als abortirende Phyllome zu deuten. Dieses Gesetz aber kann in Wirklichkeit auf eine allgemeine Gültigkeit durchaus keinen Anspruch erheben. Vergleicht man die zahlreichen verschiedenen Blüthengestalten der Phanero- gamen, so zeigen uns die Thatsachen, so weit dieselben bisher bekannt geworden sind (— und nur wirklich beobachtete Thatsachen können in Betracht kommen, wenn es sich darum handelt, aus den Thatsachen Regeln und Gesetze abzuleiten, niemals aber hypothetisch angenommene 'Thatsachen, von denen Niemand etwas beobachtet hat —), dass in der Mehrzahl der Fälle die einzelnen Wirtel der wirtelig gebauten Blüthen mit einander alterniren. Oefters lässt auch bei Blüthen, die sich anscheinend dieser Regel nicht fügen, eine genauere Untersuchung zwischen zwei superponirten Wirteln einen Zwischenwirtel auffinden, dessen Glieder angelegt werden, aber nicht zur vollständigen Ausbildung gelangen, abortiren. Allein in anderen Fällen vermag auch die genaueste Untersuchung solche abortirende Zwischenwirtel absolut nicht nachzuweisen, hier sind thatsächlich superponirte Wirtel vorhanden, wie z. B. Blumenkron- und Staubgefässwirtel in der Blüthe der Primulaceen, Ampelideen u.a. Berücksichtigen wir die Thatsachen, so ist allerdings die Alternation der Blüthen- wirtel weitaus der häufigste Fall, allein auch der entgegengesetzte Fall superponirter Blüthenwirtel kommt thatsächlich vor. Die Alternation auf einander folgender Blüthen- wirtel ist somit thatsächlich die Regel, ein Gesetz aber ist sie keineswegs.*) Gleichwohl kann man sie der einheitlichen Auffassung halber schematisirend zum „morphologischen Gesetz“ oder, richtiger gesagt, zum typischen Falle machen. Man kann alle Fälle der verschiedenartigen Aufeinanderfolge der Blüthenwirtel aut 1) Payer, Organogenie. p. 223—229. 2) Buchenau, Flora 1866. p. 42. 3) Caruel, Note sur l’androcde des Fumarides, in Bulletin de la societ€ botanique de France. XIV (1867) p. 229. 4) Vgl. oben p. 35. Anm. 1) lg den häufigsten Fall der regelmässigen Alternation schematisirend zurückführen!) und z.B. eine Blüthe mit zwei superponirten Wirteln so betrachten, als ob ein alterniren- der Zwischenwirtel vorhanden sei, durch Annahme eines ablastirenden Zwischenwirtels jene Blüthe auf den typischen Fall zurückführen, sie „erklären“. Allein ein zwingen- der Grund dazu ist durchaus nicht vorhanden. Nur die Zweckmässigkeit einer ein- facheren Anschauungsweise kann dazu bestimmen?). So könnte man auch im vorliegenden Falle der Fumariaceen-Blüthe einfache Alternation sämmtlicher Blüthenwirtel herstellen durch die Annahme eines ablastiren- den oberen medianen Staubblattwirtels. Allein diese an sich ganz zulässige Annahme _ würde zu einem Familiendiagramm hinführen, das unserer obigen Anforderung an ein zweckmässigss Familiendiagramm, möglichst enge an die Einzelblüthen sich anzuschliessen, widerspricht. Dieser Anforderung genügt ja ein Diagramm mit abla- stirendem oberem Staubblattwirtel weit weniger als ein Diagramm, das einfach den lateralen Staubblattwirtel und den lateralen Carpidienwirtel superponirt aufeinander folgen lässt. So möchte denn nach allem dem Gesagten das Diagramm Eichler's weniger zweckmässig und brauchbar zum Familiendiagramm der Fumariaceen zu nennen sein als jenes andere Diagramm, das oben als Diagramm dieser Familie hingestellt wurde. Wem es dagegen zweckmässiger erscheint, jene flachen Anschwellungen der Blüthen- achse als abortirende Phyllome zu deuten, der wird in der That mit Eichler dem Familiendiagramm der Fumariaceen noch einen oberen medianen Staublattwirtel hinzufügen müssen. — 1) In ähnlicher Weise, wie man so das alte Gesetz von der Alternation successiver Wirtel verwen- r den kann. um in zweekmässiger Weise die verschiedenartigen Blüthengestalten auf einen einzelnen Typus zurückzuführen, in ganz ähnlicher Weise kann man auch aller übrigen morphologischen Gesetze, die bisher aufgestellt worden sind, sich bedienen. Man kann dieselben sämmtlich benutzen als leitende Regeln für ein zweckmässiges Schematisiren und kann denselben in dieser Weise eine Art von gesetzlicher Kraft zutheilen. die ihnen sonst, wie wir schon oben (p. 35. Anm.!)) gesehen haben, gänzlich mangelt. 2) Wenn Eichler (Blüthendiagramme p. 11) sagt: „So allgemein in der That ist jene Regel‘ (dass gleichzählige successive Wirtel alterniren), „dass ich eine Blüthe, in der noch superponirte Quirle angenommen werden, nicht für erklärt halten kann,‘ so ist dies ein subjektiv ganz berechtigter Standpunkt, zu welchem die Rücksicht auf die praktische Zweckmässigkeit des Schematisirens veranlassen mag, ein abjektiver, zwingender Grund zu dieser Auftassungsweise aber ist nicht vorhanden. — 105 — In ganz anderer Weise ward der Bau des Audröceums der Fumariaceen von Caruel') gedeutet in einer kurzen Notiz, die durch Eichler's erwähnte Abhandlung hervorgerufen wurde. Caruel bestätigt darin vollständig die thatsächlichen Angaben Eichler's über die Entwicklungsgeschichte der Fumariaceen - Blüthe, mit der einen schon erwähnten Ausnahme, dass er die angeblichen Primordien der medianen Staub- gefässe nicht hat auffinden können. Allein er glaubt die Thatsachen in ganz anderer Weise als Eichler deuten zu müssen. Er leitet, der alten de Oandolle’schen Auffassungsweise?) entsprechend, aus der vergleichenden Betrachtung der entwickelten Blüthen die Ansicht ab, dass bei den Fumariaceen das Andröceum aus zwei alterni- renden zweigliedrigen Wirteln von Staubblättern zusammengesetzt sei. Von diesen vier Staubblättern seien in der Mehrzahl der Blüthen die beiden oberen medianen collateral gespalten und ihre Hälften mehr oder weniger vollständig mit den lateralen Staubblättern seitlich verwachsen. Diese Deutung des Andröceums als Produkt zweier Staubblattwirtel findet nun Oaruel durch die Entwicklungsgeschichte der Blüthe durchaus bestätigt; was aber die Entstehung der vier zweifächerigen Staub- gefässe der gewöhnlichen Fumariaceen-Blüthe durch collaterale Spaltung zweier medianer Staubblätter betriftt, so scheimen ihm die Thatsachen der Entwieklungsgeschichte diese Deutung jedenfalls zu gestatten, wenn sie auch keineswegs zu derselben zwingen. In dieser letzteren Annahme möchte ich Caruel durchaus beistimmen. Die Entwicklungsgeschichte zwingt weder zu der einen noch zu der anderen Weise der Deutung d.i. der schematisirenden Zusammenfassung der Thatsachen. Die T'hatsachen der Entwicklungsgeschichte der Staubgefässe lassen sich auf das allgemeine Schema des beblätterten Sprosses zurückführen ebensowohl durch die Annahme, dass zwei laterale Phyllome vorhanden seien, die sich dreitheilen, wie auch durch die Annahme, dass typisch zwei untere laterale und zwei obere mediane Phyllome sich vorfinden, von denen die medianen sich congenital spalten, deren Spaltungsprodukte ferner je mit den seitlich benachbarten lateralen Phyllomen vereint in Gestalt einfacher gemein- samer Primordien angelegt werden. Und ebenso lassen sich die Thatsachen der 1) Caruel, Note sur l’androce&e des Fumariees. ].c. p. 2283—230. 2) A. P. de Candolle, Organographie vegetale. I. p. 471: Dans les fumeterres et les genres de la möme famille on trouve deux faiseeaux qui portent chacun trois antheres: celle du milieu a deux “loges, les deux laterales a une loge; d’oü l’on peut presumer que le nombre reel des filets est de quatre, soudes deux ä deux. Abh. d. nalurf. Ges. zu Halle. Bd. XIV 14 — 106 — Entwicklungsgeschichte auch durch die Deutungsweise Caruel’s auf jenes Schema zurückführen, der annimmt, dass nach Anlage der Petala der Vegetationspunkt sich theilt, und nun aus den beiden Hälften desselben, den Primordien der lateralen Staub- blätter der ersteren Deutungsweise, die Staubgefässe einzeln und frei hervorsprossen, die lateralen Staubgefässe als selbständige Phyllome, die vier diagonalen als Hälften von zwei congenital gespaltenen medianen Phyllomen. Allein von allen diesen Deutungs- weisen erscheint die erstere, die Deutungsweise Eichler's, weitaus als die einfachste und deshalb als die zweckmässigste‘). Möglich und zulässig. ist die schematisirende Ausdeutung der T'hatsachen, deren Caruel sich bedient, durchaus. Ein Moment, das dieselbe als unzulässig widerlegte, gibt es überhaupt nicht. Einfach und zweck- mässig aber ist dieselbe entschieden nicht. Ihr gegenüber möchte die Deutungsweise Eichler’ zur Erklärung der Fumariaceen-Blüthe und zur Aufstellung des Familien- diagramms entschieden vorzuziehen sein. Ganz dieselbe Auffassung vom Bau des Andröceums der Fumariaceen wie Uaruel vertritt übrigens neuerdings auch Baillon?). Die vier einfachen Staub- gefässe der entwickelten Blüthe von Hypecoum sind ihm vier einfache Phyllome, in zwei alternirende zweigliedrige Wirtel geordnet (p. 123. annot. 2.). Bei Dicentra aber heisst es (p. 123): Les deux &tamines qui sont places en face des sepales, s’y trouvent dedou- blees dans toute leur hauteur; et chacune de leurs moitids ... . abandonne Tautre moitid et se porte en dehors pour aller se coller avec les bords de l’&tamine alternisepale. Und ganz ebenso soll auch das Andröceum der übrigen Fumariaceen - Gattungen gebaut sein. Von dieser ganzen Anschauungsweise aber gilt ganz dasselbe, was zuvor von der Deutungsweise Caruel’s gesagt worden ist. Sie schliesst sich weit weniger 1) Caruel hebt Eichler gegenüber hervor, dass es sicher viel einfacher und natürlicher sei, die unregelmässigen Blüthen durch die regelmässigen zu erklären, als umgekehrt zu verfahren und das regelmässige Andröceum von Hypecoum, das doch deutlich einen unteren lateralen und einen oberen medianen zweigliedrigen Staubblattwirtel erkennen lasse, auf die unregelmässige Blüthe der übrigen Fumariaceen zurückzuführen. Allein die Blüthe von Hypecoum ist, wie die Entwicklungsgeschichte zeigt, keineswegs der ersten Anlage nach regelmässig; die regelmässige Gestaltung der entwickelten Blüthe ist vielmehr das Resultat einer eigenthümlichen Ausbildung der ursprünglich durchaus unregelmässigen Anlage, sodass jener Einwand Caruel’s hier gar nicht in Betracht kommen kann. 2) Baillon, Histoire des plantes. Tome III. 1872. —— 107 — einfach den Thatsachen an als die Eichler’sche Auffassungsweise und steht deshalb hinter dieser letzteren Art der schematisirenden Deutung weit zurück. — Die Blüthen der Fumariaceen stehen meist in traubigen Inflorescenzen einzeln in der Achsel eines Deckblattes, so zwar dass die Orientirung der einzelnen Blüthen- theile zur Abstammungsachse eine ganz bestimmte ist; selten nur sind endständige Blüthen entwickelt‘). Der Stiel der einzelnen Blüthe ist bald vollständig nackt (meist bei Corydalıs, Fumaria, Sarcocapnos ete.), bald finden sich an demselben zwei laterale kleine Laubblätter (7/ypecoum) oder zwei kleine Brakteen (Dicentra, Adlumia ete.). In einzelnen Fällen z. B. bei Corydalis glauca*) sind in derselben Bltithentraube diese Brakteen bald entwickelt, bald rudimentär, bald fehlen sie gänzlich. Es lassen sich hier „die Uebergänge zwischen vollkommener Entwicklung bis zu kaum erkennbarer Spur und endlich vollständigem Verschwinden auf das Schönste verfolgen.“?) Alle 1) Regelmässig in der Blüthentraube von Corydalis glauca nach Wydler (Flora 1845. p. 611—612, und Flora 1859. p. 290.). 2) Eichler, Flora 1865 p. 455. 3) Eichler Zieht (l.e. p. 455) aus diesen Thatsachen den Schluss, über den „Niemand“ „zweifel- haft sein“ könne, dass hier die Vorblätter stets „als im Plane vorhanden angenommen werden müssen‘, auch wenn nicht die geringste Spur derselben zu beobachten ist. Bei Besprechung eines ganz analogen Falles (Bot. Zeitung 1873. p.215 Anm. 2) sagt er, dass die Gründe zu einer solehen Annahme auf der Hand liegen. Ich muss gestehen, ich sehe nur eine Anzahl thatsächlich verschiedener Einzelfälle, die einander sehr ähnlich sind und sich in eine fast lückenlose Reihe neben einander ordnen lassen. In Gedanken kann man alle diese Einzelfälle auf einen einzelnen Fall schematisirend zurückführen, z. B, auf den Fall der entwickelten Vorblätter. Eine solche Schematisirung erscheint praktisch zweckmässig, da sie alle Einzelfälle einheitlich zusammenzufassen gestattet, allein einen objektiven zwingenden Grund zu einer solehen Schematisirung vermag ich nicht zu erkennen. Die Thatsachen enthalten einen solchen nicht. Die Thatsachen zeigen nur, dass die Summe der gestaltbildenden Kräfte innerhalb des Körpers derjenigen einander sehr ähnlichen Pflanzen, die wir unter dem Namen Corydalis glauca zusammenfassen, in ihrer Zusammensetzung in der Weise variirt, dass sie bald die Entwicklung von vollständigen oder rudi- mentären Vorblättern zur Folge hat, bald jede Neubildung hier unterbleibt. Das zeigt, dass die Zusammen- setzung der gestaltbildenden Kräfte hier eine nicht sehr feste, vielmehr leicht in bestimmter Richtung schwankende, leicht durch eventuelle Einwirkungen (— ohne solche ist ja dem Causalitätsgesetz zufolge eine Veränderung gar nicht denkbar —) in bestimmter Richtung veränderliche ist. Eine andere Folgerung vermag ich aus jenen T'hatsachen nicht abzuleiten. Vor allem nicht die Folgerung, dass hier die Vorblätter stets „im Plane vorhanden“ seien; wenn nicht etwa dieser dunkle Ausdruck identisch sein soll mit unserem 14* en diese thatsächlich verschiedenen Einzelfälle lassen sich aber in Gedanken leicht auf ein einzelnes Schema zurückführen. Dementsprechend können wir der Blüthe der Fumariaceen typisch zwei laterale Vorblätter zuschreiben (Fig. 15), wie dies auch zuvor bei den Cruciferen und Capparidaceen geschehen ist. — z In gleich zweckmässiger Weise wird man aber auch die Blüthe der Fumariaceen als typisch seitenständig, in der Achsel eines Decklattes entwickelt, bezeichnen und dadurch die selteneren Fälle der entwickelten endständigen Blüthe dem weitaus häufigeren Falle seitenständiger Blüthen unterordnen. — Papaveraceae. Den Fumariaceae schliessen sich die Papaveraceae so nahe an, dass sie vielfach mit denselben zu ein und derselben Familie der Papaveraceae (s. 1.) vereinigt werden. Das Diagramm der Familie der Papaveradeae (s. str.) lässt sich nun demjenigen der Fumariaceae ganz analog entwerfen. Berücksichtigen wir zunächst ausschliesslich die sg. regelmässigen Blüthen, so können wir das Familiendiagramm (Fig. 18) con- struiren aus zwei Kelchblättern, zwei alternirenden unteren und zwei ebenfalls alter- nirenden oberen Blumenblättern, zahlreichen Staubgefässen und zwei alternisepalen Fruchtblättern: K 2, C 2+2, A», G (2). Mehrere alternirende zweigliedrige Wirtel bauen somit die Blüthe der Papa- veraceae auf, nur das Andröceum wird aus zahlreichen Staubblättern zusammengesetzt. Alle übrigen Wirtel aber werden in einfacher acropetaler Folge an der jungen Blüthenanlage entwickelt. Statt dieser typischen zweigliedrigen Blüthenwirtel finden sich nun häufig theils normal (Argemone, Platystigma, Platystemon), theils ausnahmsweise (Papaver, Eschscholtzia, Chelidonium ete.) durchweg dreigliedrige Wirtel') in der einzelnen Papa- veraceen-blüthe vor. Ausdrucke ‚in dem construirten Schema oder typisch vorhanden“. Dann aber steht es in jedes Einzelnen Belieben, ob er diese Annahme durch die Aufstellung eben jenes genannten Schemas machen will oder nicht. Eine objektive Nöthigung dazu liegt ganz und gar nicht vor. 1) Einzelne Angaben der Litteratur weisen auch auf das Vorkommen viergliedriger Blüthenwirtel hin. So sagen z. B. Beutham and Hooker (Genera plantarum I. 1. p. 52) in der Charakteristik der Gattung Argemone: Sepala 2—3 ırarius 4?); petala 4+— 6 (rarius 8°). Doch finde ich nirgends eine bestimmte sichere Angabe über derartige Blüthen, noch habe ich selbst solche Blüthen auffinden können.. — u — Die Glieder des Kelchwirtels entstehen nach Payer') bald gleichzeitig, bald ungleichzeitig. — Die Glieder der beiden Kronenwirtel dagegen entstehen stets simultan. Bisweilen fehlt die Blumenkrone gänzlich (Bocconia?), Macleya) oder die Glieder der beiden Kronenwirtel theilen sich durch collaterale Spaltung in je zwei oder drei Blumenblätter, sodass die gesammte Blumenkrone aus 8—12 Blumenblättern gebildet wird (Sanguinaria nach Baillon?)). Das Andröceum wird zumeist aus zahlreichen Staubgefässen gebildet, die sich ziemlich gleichmässig in den gegebenen ringförmigen Raum theilen. Die Anordnung derselben im Einzelnen zeigt mancherlei Verschiedenheiten, doch lässt sich dieselbe an entwickelten Blüthen kaum genau feststellen. Die bisher vorliegenden entwicklungs- geschichtlichen Angaben von Payer?) und Hofmeister?) aber stimmen keineswegs völlig unter einander überein. Bei Docconia frutescens finden sich nämlich nach Payer in der einzelnen Blüthe öfters nur 6 Staubgefässe, von denen zuerst zwei mit den Kelchblättern alternirend angelegt werden, während die übrigen vier paarweise den Kelchblättern superponirt erst etwas später sichtbar werden. Payer ordnet dieselben in einen äusseren einfachen und einen inneren verdoppelten zweigliedrigen Staubblattwirtel. Bisweilen unterbleibt die collaterale Spaltung bei einem der beiden Glieder dieses oberen Wirtels, und alsdann finden sich in der Blüthe nur fünf Staubgefässe entwickelt). — Andere Blüthen derselben Species zeigen übrigens nach Baillon’) zahlreichere Staubgefässe, doch liegen über die Entwicklungsgeschichte derselben keine näheren Angaben vor. Bei Macleya cordata sind nach Payer die Staubgefässe meist in vier scchs- gliedrige alternirende Wirtel angeordnet. Von den 6 Staubgefässen des untersten Wirtels entstehen zuerst zwei mit den Kelchblättern alternirend, dann die vier übrigen, !) Payer, Organogenie p. 218. ?2) Moquin-Tandon, Pflanzen-Teratologie (deutsche Ausgabe von Schauer) p. 325, erwähnt eine Blüthe von Bocconia mit entwickelter Corolle, die Adanson beobachtet hatte. ®) Baillon, Hist. des plantes III. p. 115. 4) Payer, l.c. p.219—220. pl. 45—48. 5) Hofmeister, Allgemeine Morphologie der Gewächse. p. 473 — 475. 6) Mit dieser Darstellung des Textes stimmen jedoch die eigenen Abbildungen Payer's (pl. 48. fig. 4—6, 9) nur wenig überein. - ?) Baillon Hist. des plantes. III p.116. ann. 3. — 110 —. paarweise den Kelchblättern superponirt. Die Staubgefässe des folgenden zweiten Wirtels alterniren mit den Gliedern des ersten Wirtels, sodass zwei Paare von Staub- gefässen mit den Kelchblättern alterniren, zwei einzelne Staubgefässe denselben super- ponirt sind. Der dritte sechsgliedrige Wirtel steht über dem ersten, der vierte über dem zweiten Wirtel. Bei Eschscholtzia erocea sollen nach Payer ebenfalls die zahlreichen Staub- gefässe in alternirenden sechsgliedrigen Wirteln angeordnet sein, die acropetal auf- einanderfolgend angelegt werden. In jedem Wirtel entstehen die 6 Staubgefässe in zwei Zeitabschnitten, zuerst vier Staubgefässe, durch Verdoppelung eines zweigliedrigen Wirtels entstanden, und dann die beiden übrigen in einfachem zweigliedrigem Wirtel, Die Staubgefässpaare des untersten Wirtels alterniren mit den oberen Blumenblättern, die beiden einfachen Staubgefässe stehen vor denselben. In etwas anderer Weise schildert Hofmeister die Entwicklung der Staub- gefässe bei derselben Pflanze. Darnach stehen die sämmtlichen Staubgefässe dieser Blüthe in zweigliedrigen Wirteln, allein die successiven Wirtel alterniren nicht regel- mässig mit einander, sondern sind in verschiedener Weise seitlich gegen einander ver- schoben „Die beiden ersten Staubblattwirtel alterniren entweder mit den vier Kro- nenblättern, oder der erste ist dem älteren Kronenblattpaare opponirt. In einem wie im anderen Falle (der erstere ist der häufigere) entstehen die übrigen Staubblätter in vom ersten Wirtel aus seitwärts fortschreitender Aufeinanderfolge, die vorhandenen Liicken zwischen den zwei oder vier ersten Staubblättern ausfüllend, sodass 12-glied- vige einander opponirte Wirtel gebildet werden.“ Bei Glaucium luteum kommen nach Hofmeister nicht nur zwei, sondern drei verschiedene Entstehungsfolgen der Staubblätter vor. „Entweder zeigen sich die ersten Staubblätter als viergliedriger Wirtel, mit den Petalen alternirend, und es entspricht dann der weitere Entwicklungsgang der Staubblätter zunächst dem bei Eschscholtzia gewöhnlicheren Falle; nur wird nach Anlegung eines äussersten 12 glied- rigen zusammengesetzten Wirtels ein mit diesem alternirender von gleicher Gliederzahl gebildet. Oder es treten in den Lücken zwischen den Petalen Staubblattpaare auf, einen achtgliedrigen Wirtel bildend; von den Blattpaaren dieses Wirtels aus schreitet die Anlegung von Staubblättern seitlich fort, so dass 24 gliedrige zusammengesetzte Wirtel gebildet werden. Oder endlich es erscheinen die ersten Staubblätter paar- weise vor den Mittellinien der vier Kronenblätter, zunächst vor denen des äusseren, — 111 — dann vor denen des inneren Paares; der weitere Entwickelungsgang ist dem des zwei- ten Falles analog.“ Dem letzteren Falle im Wesentlichen ähnlich ist nach Hofmeister die Ent- wicklung des Andröceums von Chelidonium. Dagegen gibt Payer an, dass bei Chelidonium majus die Staubgefässe in alternirenden achtgliedrigen Wirteln angeord- net seien. Von dem untersten ältesten Wirtel werden zunächst zwei Staubgefässpaare, mit den oberen Blumenblättern alternirend, sichtbar, dann zwei Staubgefässpaare, jenen Blumenblättern superponirt. Der zweite achtgliedrige Staubgefässwirtel, mit dem ersten alternirend, entsteht sogar in drei Zeitabschnitten. Zuerst entstehen zwei Staubgefässe mit den oberen Blumenblättern alternirend, dann zwei Staubgefässe vor diesen Blumenblättern und endlich vier Staubgefässe mit diesen letzten vier Staub- gefässen alternirend. Ein dritter achtgliedriger Staubgefässwirtel, der zuweilen ge- bildet wird, alternirt mit dem zweiten, seine Glieder aber werden sämmtlich gleich- zeitig angelegt. Bei Platystemon californicum fand Payer die Entwicklung der Staubgefässe ganz ähnlich, wie er sie bei Eschscholtzia beobachtet hatte. Die zahlreichen Staub- gefässe stehen auch hier in mehrere alternirende Wirtel geordnet. Jeder dieser Wir- tel setzt sich zusammen aus einem ersten Wirtel, dessen Glieder sich verdoppeln, und einem zweiten Wirtel, dessen Glieder einfach bleiben. Alle diese Wirtel aber sind den dreigliedrigen Wirteln der Blüthenhülle entsprechend sämmtlich ursprünglich dreigliedrig. Die ausgebildeten Staubgetässe sind demgemäss in alternirende neun- gliedrige Wirtel angeordnet. Bei Papaver bracteatum endlich war es Payer nicht mehr möglich, eine bestimmte Anordnung und Reihenfolge bei der ersten Anlage der zahlreichen Staub- gefüsse zu erkennen. Er vermochte nur festzustellen, dass die Entwicklungsfolge eine regelmässig acropetale war. Seine Abbildungen (pl. 47. fig. 16—17) aber zeigen ausserdem noch, dass der Anlage der einzelnen Staminalhöcker die Ausbildung eines Ringwalles vorhergeht, aus welchem erst die einzelnen Staubgetässanlagen hervorsprossen. Hofmeister dagegen gibt für die Arten von Papaver mit dreigliedrigen Wirteln in der Blüthenhülle an, dass die ersten Staubblätter in den Interstitien der sechs Kronblätter angelegt werden; „und von da schreitet die Anlegung von Staubblättern gegen die sechs Längsstreifen der Blüthenachse über der Mittellinie jedes Petalum vor. Nachdem so ein erster, vielzähliger (bei Pap. somniferum 15—30zähliger) Staub- ei blattwirtel gebildet ist, entsteht mit ihm alternirend ein zweiter gleichzähliger, und so fort in steter Alternation bis zur Erreichung der Vollzahl der Stamina“. Auch hier in diesen späteren Wirteln erfolgt dabei das Hervortreten der einzelnen Glieder keineswegs ganz gleichzeitig. — Ausserdem entstehen auch noch die Glieder der ein- zelnen zwei- resp. dreigliedrigen Wirtel, aus denen die vielzähligen zusammengesetzten Wirtel des Andröceums bei Papaver und ebenso auch bei Glaucrum und Chelidonium zusammengezogen sind, keineswegs gleichzeitig, sondern nach Hofmeister's Angaben durchweg suecedan, wenn auch die zwischenliegende Zeitdifterenz bisweilen verschwin- dend gering ist. Alle diese entwicklungsgeschichtlichen Angaben von Payer und Hofmeister aber stimmen darin überein, dass die vielgliedrigen Staubgefässwirtel in den Blüthen der Papaveraceen zusammengesetzte Wirtel seien, zusammengesetzt zumeist aus zwei- resp. dreigliedrigen Wirteln mit einfachen oder verdoppelten Gliedern. Das legt den Gedanken nahe, das Andröceum der Papaveraceen typisch aus einer Anzahl von zwei- gliedrigen Wirteln, deren Glieder theils einfach bleiben, theils durch collaterale Spaltung sich verdoppeln, aufzubauen. Allein bei einem Versuche, dies im Einzelnen durchzuführen und von einem typischen Andröceum mit zahlreichen alternirenden zwei- (resp, drei-) gliedrigen Wirteln die sämmtlichen einzelnen Blüthen, so wie sie thatsächlich gestaltet sind, abzuleiten, stellen sich bald so zahlreiche Schwierigkeiten heraus, dass es zweck- mässiger erscheint, in anderer Weise eine schematisirende Zusammenfassung aller einzelnen Blüthengestalten zu versuchen. So verlockend es somit zunächst auch sein mag, die ganze Blüthe der Papaveraceen typisch aus mehreren alternirenden zwei- gliedrigen Wirteln aufzubauen, so erscheint es schliesslich doch zweekmässiger, der typischen Blüthe d. i. dem Familiendiagramm einfach zahlreiche Staubgefässe zuzu- schreiben, die in mehrere alternirende vielgliedrige Wirtel angeordnet gleichmässig in den Raum des Andröceums sich theilen und in einfach acropetaler Folge angelegt werden. Von einem solehen Andröceum lassen sich alle genannten einzelnen Fälle, die Payer und Hofmeister beschreiben, leicht ableiten durch die Annahme ungleich- zeitigen Entstehens der einzelnen Wirtelglieder, die in mehreren Pausen angelegt werden und so zu Wirteln von einer geringeren Gliederzahl sich ordnen; dann durch die Annahme collateraler Spaltung einzelner Wirtelglieder u. s. w. Auch selbst eine — 113 — spiralige Entwicklungsfolge und Anordnung der zahlreichen Staubgefässe liesse sich leicht aus solchen alterrirenden vielzähligen Wirteln herstellen; und ebenso auch ein wenigzähliges Andröceum, wie es bei Bocconia frutescens und einzelnen anderen Arten der Papaveraceen beobachtet wird. — Die Zahl der Carpidien variirt in der Blüthe der Papaveraceen ausserordent- lich. Bei Ohelidonium, Glaueium, Eschscholtzia, Dendromecon, Sanguinaria, Bocconia, Macleya, Avten von Stylophorum und Roemeria finden sich normal zwei Carpidien, die, soweit bekannt, stets mit den Kelchblättern alterniren.!) Bei anderen Papa- veraceen finden sich statt dessen 3, 4, 5 oder 6 Carpidien, oder es variirt die Zahl derselben noch weit mehr bis zu zahlreichen Carpidien, wie dies bei Papaver, Meco- nopsis und Platystemon der Fall ist. Stets aber bilden die Carpidien sämmtlich einen einzelnen Wirtel, dessen Glieder gleichzeitig an der Blüthenachse angelegt werden. — Alle diese verschiedenen Gynäceen aber lassen sich leicht auf den typischen zweigliedri- gen alternisepalen Wirtel zurückführen und als pleiomer gewordene Wirtel davon ableiten.?) — 1) Die umgekehrte Stellung der Carpidien über den Kelchblättern in dem Diagramm von Cheli- donium bei Sachs, Lehrbuch der Botanik. 4. Aufl. p. 621. fig. 464 A. ist wohl nur ein Versehen. 2) A. Tr&cul hat bei seinen vergleichenden Studien über die Zusammensetzung und den Bau des Pistills der Phanerogamen auch die Papaveraceen einer genaueren Untersuchung unterworfen (De la theorie carpellaire d’apres des Papaveraeces, in Comptes rendus. 1873. Tome 76. p.159—145, 181—189, 322—326). Er kommt dabei zu dem Resultate, dass bei siimmtlichen untersuchten Papaveraceen das Pistill nicht aus Fruchtblättern zusammengesetzt sei, sondern eine Modifikation des Stengels darstelle (que le pistil de ces plantes n’est pas le r@sultat d’une modification des feuilles, mais plutöt de la tige. p. 189), — Wir müssen anf diese Auffassungsweise hier noch etwas näher eingehen, Treceul geht bei seinen Untersuchungen von der Ueberzeugung aus, dass nur die anatomischen Merkmale eines Pflanzentheils den morphologischen Wertli desselben enthüllen. „— je m’appuierai prinei- palement sur des caracteres anatomiques; eux seuls peuvent nous &elairer sur la veritable nature des car- pelles“, sagt er selbst 1. c. p. 140, und ebenso p. 188: „Les caracteres anatomiques peuvent seuls mar- quer avec certitude le degre de ressemblance que les ovaires et les fruits peuvent avoir avec la feuille ou avec la tige.“ Er untersucht deshalb vor Allem mit grösster Sorgfalt den Bau des Fibrovasalsysteims innerhalb der einzelnen Theile der Blüthe und findet nun ebenso wie bei anderen Familien, so auch bei den Papaveraceen eine grosse Uebereinstimmung des Verlaufes der Fibrovasalstränge im Pistill mit dem Verlauf der Stränge innerhalb des Stengels, aber nur sehr wenig Uebereinstimmung mit der Nervation der Laubblätter der betreffenden Pflanzen. Daraus schliesst er, dass hier überall von Fruchtblättern, welche das Pistill zusammensetzen, nicht die Rede sein kann. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 15 — 114 — So erhalten wir denn als Familiendiagramm der Papaveraceen ein Diagramm, das mit Ausnahme des Andröceums aus lauter zweigliedrigen alternirenden Wirteln, die in acropetaler Folge angelegt werden, sich aufbaut, Dieses Diagramm stimmt Es sucht somit Tre&eul wesentlich nach den anatomischen Merkmalen der einzelnen Pflanzentheile den morphologischen Werth derselben, ob Phyllom oder Caulom, zu bestimmen. Aehnliche Versuche sind bekanntlich auch von verschiedenen anderen Autoren unternommen worden, ohne jedoch grosse Anerken- nung auf Seiten der Morphologen zu gewinnen; ja vielfach sind derartige Versuche analog den Bestrebun- gen der sg. topischen Morphologie als ganz unwissenschaftlich gänzlich verworfen worden. Gegen alle solche Versuche lässt sich jedoch von Seiten einer exakten Forschung ganz und gar nichts einwenden, so lange sie consequent und klar durchgeführt werden (vgl. oben p. 85 Anm.). Mankann zunächst, wie dies oben schon auseinandergesetzt ward, die Begriffe „Phyllom“, „Caulom“ u. s. w. durch irgend welche Merkmale z.B. anatomische fest bestimmen und definiren und darnach untersuchen, welchem dieser Begriffe sich nun die einzelnen Pflanzentheile unterordnen. Man wird bei einer sorgfältigen Auswahl der Definitionen durch ein solches Verfahren dazu gelangen, sämmtliche Pflanzentheile in eine geringe Anzahl von Kategorien einzuordnen. Allein es wird sich dann stets fragen, ob gerade diese Eintheilung, zu der man dabei gelangt ist, irgendwie praktisch zweckmässig genannt werden kann. — Von all den bisher gemachten Versuchen einer Eintheilung ausschliesslich auf Grund von anatomischen Merkmalen, Versuchen, die zudem sämmtlich nicht eonsequent durchgeführt worden sind, möchte dies kaum zu behaupten sein. — Bei Tr&eul selbst fehlt ausserdem auch jede feste, bestimmte Definition, wonach er thatsächlich Phyllome und Caulome unterscheidet, gänzlich. Er vergleicht einfach den anatomischen Bau des fraglichen Pflanzentheils mit demjenigen der Stengeltheile und Blattgebilde derselben Pflanze und bestimmt dann je nach der grösseren Uebereinstimmung mit den Stengeln oder den Blättern den morphologischen Werth des fraglichen Pflanzentheiles. Seine Untersuchungen häufen somit ein reichliches Material anatomischer Thatsachen an, allein bei seinen morphologischen Folgerungen fehlt jedes bestimmte Prinzip der Deutung. Bei einem solehen Verfahren, wie Tr&cul es in der vorliegenden Frage anwendet, ist jeder willkürlichen Deutung Thür und Thor geöffnet. — Stellen wir uns jedoch auf den Boden einer schematisirenden Morphologie und fragen, ob man in Anbetracht der Aechnlichkeiten des anatomischen Baues, die Tr&eul nachgewiesen hat, die Pistille der Papaveraceen (u. a. Familien) auf ein Caulom der typischen Urpflanze zurückführen solle, so müssen wir wohl zweckmässiger Weise dies verneinen. Zweckmässiger erscheint es mir wenigstens, das Pistjll aus einem Cyklus von Carpidien aufgebaut zu betrachten, als dasselbe als eine ausgehöhlte Achse anzusehen. Möglich und zulässig erscheint die letztere Weise schematisirender Zurückführung jedenfalls. Nur möchte ich die erstere für einfacher und zweckmässiger halten, weil sie gleichzeitig auch noch die Zurückführung der abnormen Blüthen mit verlaubtem Pistill auf ein und denselben Typus gestattet, was bei der Deutung des Pistills als Achsenorgan ja nicht der Fall ist, — —— 115 — fast vollständig mit dem Familiendiagramm der nahe verwandten Fumariaceen über- ein. Nur allein die Gestaltung des Andröceums ist in den typischen Blüthen der beiden Familien verschieden: auf der einen Seite ein zweigliedriger Wirtel, dessen Glieder dreitheilig sich spalten, auf der andern Seite zahlreiche Staubgefässe. Kelch und Blumenkrone aber und ebenso das Pistill sind in der typischen Blüthe beider Familien ganz gleichmässig gestaltet. Einen Unterschied beider Familien aber bedingt die Stellung der Blüthe, Bei den Fumariaceen ist die Blüthe typisch seitenständig in der Achsel eines Deck- blattes, typisch mit zwei lateralen Vorblättern versehen und mit festbestimmter Orientirung der einzelnen Blüthentheile zur Abstammungsachse. Bei den Papavera- ceen dagegen ist die Blüthe typisch als endständig zu bezeichnen. Bei der Mehrzahl der Papaveraceen stehen die Blüthen auch in der That endständig an der Spitze beblätterter Sprosse. Die, einzelnen Blüthentheile sind dabei stets') so geordnet, dass die beiden Kelchblätter mit den beiden obersten Laub- blättern alterniren. Die Zahl der Laubblätter an dem einzelnen Spross varüirt jedoch ausserordentlich. An dem Hauptspross der einzelnen Pflanzen und den älteren Seitensprossen finden sich meist zahlreiche Laubblätter, an den jüngeren Seitenspros- sen und den letzten Auszweigungen aber wird die Zahl der Laubblätter meist eine geringere und sinkt häufig auf zwei oder selbst ein einziges herab. Stets aber wird die Stellung der Kelchblätter, an Seitensprossen somit auch ihre Orientirung zu der Abstammungsachse, bedingt durch die Anzahl der vorhergehenden Laubblätter. Bei Papaver somniferum L. z.B. zeigen die Seitensprosse eine sehr wechselnde Anzahl von Laubblättern, die Kelchblätter der endständigen Blüthe aber alterniren stets mit den beiden obersten Laubblättern. Bei den letzten Auszweigungen sind häufig nur zwei Laubblätter vorhanden in lateraler Stellung, etwas nach der Rückseite der Blüthe hin verschoben: die Kelchblätter stehen alsdann genau median. Bisweilen war an einem solchen Seitenspross nur ein Laubblatt entwickelt auf der Rückseite desselben, etwas nach der Seite hin verschoben: dann standen die Kelchblätter schräg lateral, genau mit der Medianebene jenes Laubblattes gekreuzt?). Oefters auch ” 1) Ich habe wenigstens bisher noch keine Ausnahme von dieser Regel auffinden können. 2) Die abweichende Angabe von Wydler (Flora 1859. p. 289), dass in den Blüthen von Papaver ete. bei einem Vorblatt „das eine Kelchblatt dem Vorblatt gegenüber‘ stehe, kann ich nach meinen eigenen Beobachtungen nicht bestätigen. 158 —— 116 — fehlten säimmtliche Laubblätter an dem Seitenspross, der Blüthenstiel war nackt: die beiden Kelchblätter standen dann genau lateral. Bei Eschscholtzia cal'fornica Cham. und Glaucium Fischeri Bernh. ist der Haupt- spross und ebenso die ersten Seitenzweige desselben mit mehreren Blättern besetzt, bevor sie mit Blüthen abschliessen. Die weiteren Verzweigungen aber tragen stets nur zwei laterale Laubblätter: an diesen späteren Seitensprossen stehen dann die Kelchblätter stets genau median (Fig. 17). Nur bei wenigen Papaveraceen sind die Blüthen sämmtlich seitenständig mit constanter Orientirung der einzelnen Blüthentheile zur Abstammungsachse. So stehen bei Chelidonium die Blüthen in doldenartigen Inflorescenzen; die einzelnen Blüthen- stiele sind nackt, die Kelchblätter aber stehen nach Payer’s Angaben!) stets median zur Abstammungsachse. Bei Bocconia (frutescens) dagegen sind nach Payer') eben- falls die Blüthenstiele in den reichblüthigen Inflorescenzen nackt, allein die Kelch- blätter stehen hier lateral, nicht median wie bei Chelidonium, vielmehr ganz so wie es bei den Blüthen von Papaver somniferum mit nacktem Blüthenstiele beobachtet ward, Eine allgemein gültige Regel für die Orientirung der einzelnen Blüthentheile zur Abstammungsachse lässt sich somit bei den Papaveraceen nicht aufstellen. Die Blüthen sind vielmehr am zweckmässigsten als typisch terminal am Hauptspross oder den Seitensprossen desselben zu bezeichnen. Die Kelchblätter alterniren mit den beiden obersten Laubblättern. Besitzen die Seitensprossen nur zwei Laubblätter, die durchweg lateral stehen, so stehen infolge dessen die Kelchblätter median. Sind die Seitensprossen nackt, so stehen die Kelchblätter bald lateral, bald median zur Abstammungsachse.”) — Bei der bisherigen Besprechung des Familiendiagramms der Papaveraceen ist ausschliesslich von den normalen Blüthen die Rede gewesen. Es finden sich aber auch in dieser Familie häufig unregelmässige Blüthen vor. 1) Payer, Organog£nie. p. 218. 2) Darnach berichtigt sich Payer’s Angabe (Örganogenie p. 218), dass ausser bei Bocconia frutescens, deren Blüthenstiel nackt ist und deren Kelchblätter lateral gestellt sind, stets bei allen Papa- veraceen die Kelehblätter median stehen, mögen zwei laterale Hochblätter vorhanden sein oder nicht. — HT — Die sg. gefüllten Blüthen von Papaver und Ohelidonium schliessen sich einfach den normalen Blüthen dieser Gattungen an, sie unterscheiden sich nur allein durch die petaloidische Ausbildung der Staubblätter. Ebenso lassen sich jene Blüthen von Papaver somniferum L. und anderen Arten der Gattung Papaver, in denen umgekehrt durch „vorschreitende Metamorphose“ die Staubblätter sämmtlich oder zum Theil in Carpidien umgewandelt sind, im ganz einfacher Weise auf das Familiendiagramm zurückführen. . Einer eingehenderen Besprechung aber bedürfen die Blüthen mit fünfgliedriger, anstatt vier- oder sechsgliedriger Blumenkrone, die nicht selten bei Papaveraceen beobachtet werden. Derartige Blüthen habe ich selbst wiederholt bei verschiedenen Arten der Familie aufgefunden. Die Blumenkrone war in solchen Blüthen aus fünf Blumenblättern zusammengesetzt, die in regelmässig spiraliger Anordnung (nach */,) am Blüthenboden befestigt waren. Die einzelnen Blumenblätter, unter einander völlig gleich oder von verschiedener, allmählich abnehmender Grösse, deckten sich mit den Rändern, genau entsprechend ihrer */, Stellung. Andröceum und Gynäceum waren in solchen Bliüthen meist ganz regelmässig gestaltet; der Kelch war meist bereits abgefallen, bisweilen aber liess er sich in seiner Zusammensetzung aus 2 oder 3 Kelchblättern noch genau feststellen. Solche Blüthen, die bis auf die fünfgliedrige Blumenkrone durchaus regelmässig waren, habe ich wiederholt beobachtet, bald mehr, bald weniger häufig, bei Ohelidonium majus 1.., Eschscholtzia californica Cham., Glaueitum cornieulatum Curt., (1. Fischer Bernh., verschiedenen Arten von Papaver, Argemone u. s. w. Bisweilen war die Anzalıl der Carpidien in solchen Blüthen mit fünfgliedriger Blumenkrone eine unregelmässige. So fand ich in einer solchen Blüthe von Esch- scholtzia californica Cham. vier Uarpidien anstatt (der beiden normalen. In einer Blüthe von Argemone mexicana L., deren Kelch bereits abgefallen war, fanden sich fünf Blumenblätter, zahlreiche Staubgefässe und fünf Carpidien, die mit den Blumen- blättern alternirten. Bei Papaver arenarium M. bbrst. dagegen fanden sich in einer ganz analogen Blüthe fünf Carpidien den Blumenblättern superponirt. Bei Glaucium Fischeri Bernh. fanden sich in einer Blüthe drei Kelchblätter, fünf Blumenblätter in ”/, Stellung, zahlreiche Staubgefüsse und zwei Carpidien (Fig. 17).') !) Die Anreihung des fünfgliedrigen Corollenwirtels an den dreigliedrigen Kelchwirtel war jedoch — 118 — In weleher Weise sind nun alle diese Blüthen mit fünfgliedriger Blumenkrone von dem Familiendiagramm abzuleiten? Oder bedarf es etwa gar der Aufstellung eines anderen typischen Schemas, um mit den normalen Blüthen auch diese abnormen Blüthen auf ein und dasselbe Familiendiagramm zurückzuführen ? Man kann in der T'hat hier in verschiedener Weise verfahren. Man kann entweder diese fünfgliedrige Blumenkrone auf die typisch 2+2-gliedrige zurückführen oder umgekehrt die 4-gliedrige Blumenkrone der normalen Blüthen von einer typisch füntgliedrigen ableiten. s Wie sehon erwähnt, wechseln die zweizähligen Blüthen bei den Papaveraceen häufig mit dreizähligen ab. Bei Arten mit normal zweizähligen Blüthen finden sich öfters dreizählige Blüthen vor und ebenso umgekehrt zweizälilige bei normal drei- zähligen Arten. Nimmt man nun an, dass eine solche Variation der Gliederzahl nur in einem der beiden normalen Blumenblattwirtel eintrete, und dass ferner die Glieder beider Wirtel succedan angelegt werden in der Reihenfolge einer ?/, Spirale, so erhält man die fünfgliedrige Blumenkrone mit ihrer regelmässig spiraligen Anordnung (nach ?/,), so wie sie oberi beschrieben worden ist.‘) nicht immer dieselbe, wie sie die Figur 17 wiedergibt. Iclı habe bei Papaver arenarium M. Bbrst. auch .den Fall beobachtet, dass ein Blumenblatt, und zwar das zweite Blatt des ?/,-Cyklus, genau oberhalb der Mitte zwischen zwei Blätter des dreigliedrigen Kelchwirtels fiel, dem dritten Kelchblatt also grade gegen- über stand, nieht demselben superponirt war, wie in Fig. 17 das fünfte Blumenblatt. !) In den genannten Blüthen liegt in der "That ein fünfgliedriger, (nach ?/,) succedaner Blüthen- wirtel vor, der an Stelle zweier sesonderter Wirtel der normalen Blüthen steht. Er bildet das Aequivalent zweier Wirtel, insofern er eben an der Stelle derselben steht. Einen solchen Wirtel mag man aus zwei Wirteln, einem zweigliedrigen und einem dreigliedrigen, zusammengezogen benennen, insofern man beab- siehtigt, beide thatsächlich verschiedenen Fälle in Gedanken auf einen derselben, den Fall der beiden gesonderten Wirtel, zurückzuführen. Eichler betrachtet (Blüthendiagramme p. 19—20) in ähnlicher Weise den fünfgliedrigen Kelch aller gewöhnlichen Dikotylen-Blüthen als zusammengesetzt aus zwei Wirteln, einem unteren zweigliedrigen und einem oberen dreigliedrigen; Wirteln, die öfters zu einer vermittelnden, zwei derartigen Wirteln „äqui- valenten“ Spirale zusammengezogen sind. Diese ganze Anschauungsweise kann keineswegs den Anspruch‘ erheben, in kurzer, präeiser Fassung einfach die Thatsachen wiederzugeben. Sie stellt vielmehr eine jener schematisirenden Deutungsweisen dar, die mehrere verschiedene Einzelfälle auf einen einzelnen Fall als den typischen schematisirend zurückführen. Als solche ist diese Anschauungsweise natürlich durchaus berechtigt Allein von einem Beweise der objektiven Wahrheit derselben kann gar nicht die Rede sein, noch auch von einem zwingenden Grunde, der grade zu dieser Form der schematisirenden Zusammen- — 119 —. Umgekehrt bei Zugrundelegung einer typisch !fünfgliedrigen Blumenkrone braucht man nur anzunehmen, dass die typische Füntzahl in vier oder sechs variire, und dass diese vier resp. sechs Blumenblätter in zwei alternirende Wirtel sich ordnen, um die 2+2-gliedrige, resp. 3+3-gliedrige Blumenkrone der normalen Papaveraceen- Blüthen aus der fünfgliedrigen Blumenkrone schematisirend herzuleiten. Ein Familiendiagramm von der Form K 2, C5(?,), Acc, G(2) würde somit ebenfalls geeignet erscheinen, darauf sämmtliche Blüthen der Papaveraceen, die nor- malen ebensowohl wie die abnormen, zurückzuführen, in derselben Weise wie dies auch bei dem obigen Diagramın K2, 0©2+2, Ax, G (2) der Fall ist. Beide schemati- schen Construktionen sind in gleicher Weise ausführbar und zulässig. Die letztere aber erscheint doch wohl als die einfachere. Denn bei dieser bedarf es einer bei weitem geringeren Anzahl schematisirender Umdeutungen, um aus dem Familien- diagramm alle einzelnen thatsächlichen Blüthengestalten herzuleiten. Und so mag denn auch unter Berücksichtigung der beschriebenen unregelmäs- sigen Blüthen für das Familiendiagramm der Papaveraceen die oben aufgestellte Ge- stalt beibehalten werden. Das Familiendiagramm der Papaveraceen mag aufgebaut werden (Fig. 18) aus zwei Kelchblättern, 2x 2 Blumenblättern, zahlreichen Staubge- fässen und zwei alternisepalen Carpidien: K 2, 0 2+2, Ax, G(2). Resedaceae. Zur Ordnung der Rhoeadinae wird ausser den besprochenen Familien der Uru- ciferae, Capparidaceae, Fumariaceae und Papaveraceae jetzt allgemein noch ‚die kleine Familie der Zesedaceae gerechnet. In der That zeigen die Zresedaceae eine ziemlich grosse Uebereinstimmung in der Gesammtorganisation von Blüthe und Frucht fassung veranlasste. Im Gegentheil, jede andere Weise der Schematisirung erscheint ganz in gleicher Weise berechtigt, und mit ganz derselben Berechtigung mag man auch alle verschiedenen Gestalten des fünfgliedrigen Dikotylen-Kelches zurückführen auf das Schema eines einzelnen, simultanen oder succedanen, fünfgliedrigen Wirtels, so wie man es bisher meist zu thun pflegte. Mir selbst erscheint sogar diese letztere Weise schem atisirender Zusammenfassung weit einfacher und zweckmässiger als die Deutungsweise Eichler's, und möchte ich deshalb diese der letzteren entschieden vorziehen. Doch gibt es hier wie in allen solchen Fragen schematisirender Ausdeutung keinen einzigen zwingenden Grund weder für die eine, noch für die andere Deutungsweise. = mit den Oapparidaceae, namentlich der Unterabtheilung der Cappareae, und schlies- sen sich durch Vermittlung dieser Gruppe an die übrigen Rhoeadinen an, wenn auch nicht zu leugnen ist, dass die Verwandtschaft der übrigen, bereits besprochenen Familien der Rhoeadinae untereinander eine weit grössere ist, als diejenige dersel- ben mit den Resedaceen. Das Familiendiagramm der Resedaceen (Fig. 16) aber lässt sich einfach aus fünt fünfgliedrigen Wirteln aufbauen.') Diese typische Gestalt der Resedaceen-Blüthe findet sich nirgends, so weit be- kannt, thatsächlich verwirklicht. Alle einzelnen Blüthen der Familie weichen mehr oder weniger von der typischen Blüthengestalt ab, bei allen bedarf es mehr oder weniger zahlreicher Aenderungen, um aus dem Familiendiagramm die einzelnen Blüthen abzuleiten. Vor allem sind die Blüthen durchweg unregelmässig. Die Blüthen, die sämmt- lich in traubigen oder ährigen Blüthenständen einzeln in der Achsel eines Deckblat- tes stehen ohne Vorblätter, zeigen allgemein auf der Rückseite die einzelnen Blütben- theile weit stärker ausgebildet, als auf der Vorderseite. Dem entspricht auch eine durchaus ungleichzeitige Anlage der Glieder aller einzelnen Blüthenwirtel, die zuerst auf der Rückseite der Blüthe angelegt werden, zuletzt erst auf der Vorderseite der Blüthe. Dann varürt die Gliederzahl der Blüthenwirtel sehr vielfach; anstatt der typisch fünfzähligen Blüthen finden sich häufig vierzählige (Keseda luteola) oder sechszählige Blüthen (Zeseda lutea) und selbst achtzählige (Kandonıa). Und endlich tritt im Andröceum vielfach collaterale Spaltung der einzelnen Phyllome auf. Der typisch 5-gliedrige Kelch erscheint häufig, selbst bei Blüthen einer und derselben Species 4- oder 6-gliedrig, selbst 7- oder 3-gliedrig. Bei fünfgliedrigem Kelehwirtel, wie er vielfach bei Reseda, Caylusea, Astrocapus, Ochradenus auftritt, steht das unpaare Kelchblatt median auf der Rückseite der Blüthe. Bei viergliedrigem 1, Es würde hier viel zu weit führen, auf die reichhaltige ältere Litteratur über das Diagramm oder, nach der französischen Ausdrucksweise, die Symmetrie der Resedaceen-Blüthe näher einzugehen und alle früheren Deutungen der Blüthe zu besprechen. Es sei nur allein an die eigenthümliche Deutung erinnert, die Lindley einige Zeit lang vorgetragen hat, dass nämlich die Blüthe von Reseda eine Inflores- cenz darstelle von ähnlicher Zusammensetzung wie das Cyathium von Euphorbia. Späterhin hat bekannt- lich Lindley selbst diese Deutung wieder fallen gelassen. — 121 — Kelchwirtel, wie er für die Untergattung Zuteola Tourn. von Reseda charakteristisch ist, stehen die vier Kelchblätter diagonal. Bei sechsgliedrigem Kelchwirtel, der sich vielfach bei den übrigen Arten von Reseda findet, ferner bei Ochradenus u. s. w., steht ein Kelchblatt median rückwärts, eins median vorne und vier schräg seit- lich.') Auch bei sieben- und achtgliedrigem Kelehe, der sich häufig bei Reseda odorata L. findet, steht ein Kelchblatt median auf der Rückseite‘ der Blüthe. Bei Oligomeris sind von den fünf typischen Kelchblättern, von denen eins auf der Rück- seite der Blüthe steht, häufig L—3 abortir. — Die Entwicklungsgeschichte zeigt nach Payer’s Darstellung, dass von dem fünfgliedrigen Kelche von Astrocarpus sesa- moides und Feseda odorata L. (— die letztere Species besitzt allerdings zumeist einen sechsgliedrigen Kelchwirtel —) zuerst die beiden seitlichen Kelchblätter entstehen, dann das hintere, zuletzt die beiden vorderen.?) !) Payer (Örganogenie p. 194) sagt: Quand la fleur est quaternaire, un sepale est posterieur, un autre anterieur et deux sont lateraux. Enfin quand la fleur est construite sur le type 6, deux sdpales sont anterieurs, deux posterieurs, et deux lateraux. — Ich habe dagegen die Stellung der Kelchblätter bei vier- und sechsgliedrigem Kelehe stets bei allen Arten, die ich beobachtete, grade umgekehrt gefunden. Und ebenso findet sich die Stellung der 4 resp. 6 Kelchblätter bei allen übrigen Autoren in der oben angegebenen Weise beschrieben (z. B. Buchenau, Beitr. zur Morphologie von Reseda, Bot. Zeitung 1853. p. 363— 364; Döll, Flora d. Grss. Baden. p.1255; Müller Arg. in De Candolle’s Prodromus XVI, II, p. 548 ff.; ete.). — Die Stellung der Kelehblätter und Kronblätter in dem Diagramm von Reseda odorata bei Baillon, Hist. des plantes III. p. 299 ist wohl nur die Folge eines Versehens, denn der Text gibt (p.295) ausdrücklich eine andere Stellung der sechs Kelchblätter an. ®) Payer, Örganogenie p. 194. pl. 39—40. — Payer fährt dann weiter fort: Dans la fleur quaternaire, c'est le m@me ordre d’evolution. Le ealice des Reseda peut done ötre eonsiderd comme com- pose de deux paires de feuilles, l’une alterne avec la bractee me£re, l’autre antero-posterieure dont l’une des feuilles, celle qui est superposede ä la bractee mere, se dedouble parfois pour former un calice quinaire au lieu d’un calice quaternaire. Payer sucht somit den fünfgliedrigen und den viergliedrigen Kelch der verschiedenen Arten von Reseda auf eine einzelne typische Gestalt zurückzuführen durch die Annahme, dass der Kelch hier stets aus zwei zweigliedrigen Wirteln, einem unteren lateralen und einem oberen medianen, zusammengesetzt sei, von denen der obere Wirtel häufig durch Spaltung des vorderen Blattes dreizählig würde. Er betrachtet somit den Kelelı der Reseda-Blüthen als dieyklisch, in ähnlicher Weise wie dies auch Eichler (vgl.p. 118 Anm.!)) beim Kelch der meisten Dikotylen-Blüthen thut. Allein abgesehen davon, dass dieser typische Kelch Payer's bei Reseda weit weniger zweckmässig genannt werden dürfte als die Annahme eines einzelnen succedanen Kelchwirtels, beruht auch Payer’s Anschauungsweise, wie schon angegeben wurde, auf einer unrichtigen Beobachtung der Stellung der Kelchblätter bei viergliedrigem Kelche. Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 16 BE Die Kronblätter alterniren allgemein mit den Kelchblättern und sind den- selben gleichzählig. Entsprechend dem Kelehwirtel ändert die typische Fünfzahl der Blumenblätter daher häufig in 4') oder 6, selbst 7 oder 8 ab. Die Blumen- blätter sind durchweg untereinander ungleich, die der hinteren Seite der Blüthe sind stets am vollkommensten ausgebildet, die der vorderen Seite am unvollkommensten. Bei Oligomeris sind nur die beiden hinteren Blumenblätter, die mit dem hinteren medianen Kelehblatt alterniren, entwickelt. Bei Ochradenus fehlen die Blumenblätter vollständig. — Die Entwicklungsgeschichte zeigt nach den Beobachtungen von Payer an Reseda und Astrocarpus, dass die Anlage der Blumenblätter auf der Rückseite der Blüthe beginnt und von da an beiden Seiten bis zur Vorderseite vorschreitet; das median vordere Blatt des fünfgliedrigen Blumenblattwirtels ist stets das jüngste. Die Zahl der Staubgefässe variirt in den Blüthen der Resedaceen vielfach, oft an einer und derselben Species. Meist ist eine grössere Anzahl von Staubgefäs- sen vorhanden, ihre Anordnung aber lässt sich an der entwickelten Blüthe nicht sicher ermitteln. — Die Entwicklungsgeschichte zeigt nach Payers Darstellung, dass nach der Anlage der Blumenblätter an der ziemlich konischen Blüthenanlage ein Ringwulst auftritt, dessen Entwicklung ebenfalls auf der Rückseite der Blüthe eine stärkere und frühere ist als auf der Vorderseite. Auf der Höhe dieses Ringwul- stes sprossen die Staubgefässe hervor; der untere Theil dieses Ringwulstes aber wächst nach der Anlage der Staubgefässe zu jener drüsigen, namentlich auf der Rückseite der Blüthe stark entwickelten, verbreiterten Scheibe (Diskus) aus, welche für die Blüthe der Resedaceen charakteristisch ist. Die Anlage der Staubgefässe beginnt auf der Rückseite der Blüthe mit einem einzelnen medianen Staubgefäss, superponirt dem medianen Kelchblatt, und schreitet von da an beiden Seiten der Blüthe gleichmässig zur Vorderseite fort, ohne dass nachträglich neue Staubgefässe t) Ich lasse dahingestellt, ob die Blüthe von Zuteola 'Tourn. mit viergliedrigem Keleh- und Kronen- wirtel aus typisch viergliedrigen Wirteln aufgebaut sei oder ob dieselbe zweckmässiger als eine Blüthe mit pseudotetrameren Wirteln im Sinne von A. Braun (Sitzungsb. 1. bot. Ver. d. Prov. Brandenburg. 29. Januar "1875; vgl. Bot. Zeitung 1875. p. 309) zu deuten sei. Mir will es fast zweckmässiger erscheinen, die vier- gliedrigen Wirtel dieser Blüthe in letzterer Weise zu deuten, anstatt jene Vierzahl nur als eine einfache Variation der typischen Fünfzahl zu betrachten. (Auch Wydler sagt in der Flora 1859. p. 295 von R. luteola: „Kelch und Krone durch Fehlschlagen des medianen (hintern) Sepalum des medianen (vordern) Petalum ‚von dem doch oft Spuren vorhanden) tetramerisch.‘ rn zwischen die bereits gebildeten Anlagen eingeschoben würden. Bei Reseda werden nach Payer meist 11 oder 13, seltener zahlreichere Staubgefässe entwickelt. Im ersteren Falle zeigt die Entwicklungsgeschichte, dass vor dem medianen Kelchblatt ein Staub- gefäss angelegt wird, vor den übrigen Kelchblättern aber je ein Paar von Staub- gefässen und endlich noch vor den beiden hinteren Blumenblättern je ein einzelnes Staubgefäss, etwas tiefer an der Blüthenanlage inserirt als die episepalen Staubgefässe. Bei 13 Staubgefässen stehen vor den beiden vorderen Kelchblättern je drei Staub- gefässe. (Dasselbe ist nach Payer's Abbildungen Taf. 40 auch bei Astrocarpus sesa- moides der Fall.) Bei zahlreichen Staubgetässen aber, wie sie z. B. Reseda odorata zukommen, finden sich vor den seitlichen und den vorderen Kelchblättern je Gruppen von mehreren collateralen Staubgefässen, wobei die Grappen vor den vorderen Kelch- blättern stets zahlreicher sind als diejenigen vor den seitlichen. Nach Payer wird in allen diesen Fällen das Andröceum aus zwei füntgliedrigen Wirteln gebildet, von denen der Wirtel der Kronstaubblätter nur die beiden hinteren Glieder entwickelt, während von den Kelchstaubblättern nur das mediane hintere Staubblatt einfach bleibt, die übrigen sämmtlich durch collaterale Chorise sich in zwei oder mehr Staubgefässe spalten. — Bei Oligomertis sect. Resedella finden sich in der Blüthe nur drei Staubgefässe ausgebildet. Sie stehen auf der Rückseite der Blüthe vor dem medianen Kelchblatt und den beiden hinteren Blumenblättern und entsprechen so den drei ältesten Staub- gefässen von Zteseda.') — Bei Astrocarpus finden sich in der Blüthe 6— 20 Staub- gefässe, bei Oligomeris sect. Holopetalum 6—1V, bei Caylusea 10—15, bei Ochradenus (0— 30 uud bei Kandonia meist 16 Staubgetässe. Genauere Angaben über die Stellung dieser Staubgefässe aber liegen nicht vor, und so muss es auch dahingestellt bleiben, ob etwa in den fünfzähligen Blüthen von Caylusea mit 10 Staubgefässen oder in den 8-zähligen von Pandonia mit 16 Staubgefässen diese Staubgefässe in zwei regelmässige alternirende Wirtel angeordnet sind. Dennoch stehe ich. nicht an, die bisher vorliegenden Thatsachen über den Bau des Andröceums der Resedaceen in der angetührten Weise zusammenzufassen’ und der typischen Resedaceen-Blüthe zwei alternirende fünfgliedrige Staubblattwirtel zuzuschreiben. Auf ein derartiges typisches Andröceum lassen sich die bisher vor- i) Payerl.c. p. 196. 16* m — liegenden Thatsachen leicht durch Annahme von Spaltung und Ablast einzelner Glieder zurückführen, wie schon die erwähnte Deutung des Andröceuns von Zeseda durch Payer darthut.') Aller Analogie nach aber lässt sich erwarten, dass auch die übri- gen, noch nicht genauer untersuchten Resedaceen-Blüthen eine Zurückführung auf dasselbe Schema zulassen werden. Der Carpidienwirtel zeigt ebenfalls in der Mehrzahl der Resedaceen-Blüthen ‚eine Abweichung von der typischen Fünfzahl und wird pleiomer oder oligomer. Bei Astrocarpus finden sich meistens fünf Carpidien regelmässig ausgebildet den Blumen- blättern superponirt?); doch treten auch häufig an Stelle derselben vier oder sechs Uarpidien auf. Bei Caylusea ist die Sechszahl der Carpidien der häufigere Fall, seltener finden sich deren fünf.’) Bei Reseda*), Oligomeris, Ochradenus und Randonia 1) Hofmeister (Allgemeine Morphologie p. 463) beschreibt die Entwicklung des Andröceums von Resedu und A4strocarpus ganz übereinstimmend mit den Angaben von Payer, ohne jedoch das anfängliche Auftreten eines Ringwulstes zu erwähnen! Er schreibt dabei den meisten Blüthen der Resedaceen nur einen einzigen, vielgliedrigen Wirtel von Staubblättern zu. Mir erscheint dagegen die obige schema- tisirende Ausdeutung der Andröceen nach den sämmtlichen bisher vorliegenden T'hatsachen als die zweck- miässigere. ?2) Payer, Organogenie ete. pl. 40. Baillon, Histoire des plantes, "Tome. III. p. 294. 3) Ob diese fünf Carpidien von Caylusea den Petalen superponirt sind oder mit denselben alter- niren, vermag ich aus den vorliegenden Litteraturangaben nicht zu ersehen. %#) Huisgen (Untersuchungen über die Entwieklung der Placenten. p. 11) deutet auch die Placenten von Reseda luteola analog den Placenten der Urueiferen auf Grund ihrer Ertwicklungsweise als besondere Blüthenphyllome und schreibt demgemäss der Blüthe dieser Speeies ausser dem Carpidienwirtel noch einen weiteren alternirenden Phyllomwirtel zu. Dieselbe Bedeutung sollen die Placenten bei allen Resedaceen besitzen. Dagegen hat bereits A. Braun (Verhandl. des Bot. Vereins d. Prov. Brandenburg XVI. (1874) p. 47) mit techt hervorgehoben, dass eine Ausdehnung dieser Deutungsweise der Placenten von der einzigen beobachteten Species Reseda luteola auf die ganze Familie bei der hier obwaltenden Gestaltenmannigfaltig- keit durchaus unthunlich sei. Was aber diese Deutung der Placenten speciell für Reseda luteola betrifft, so ist hiergegen ganz das Analoge einzuwenden, was oben (p. 84. Anm. ')) gegen die entsprechende Deutung der Placenten der Crueiferen bemerkt worden ist. Eine praktisch nützliche, zweckmässige Definition des Begriffes „Phyllom“, die zur Bezeichnung jener Placenten als Phyllome nöthigte, liegt zur Zeit nicht vor. Wenn aber die Aufgabe gestellt ist, die vorhandenen Einzelgestalten der verschiedenen Blüthen der Resedaceen auf einen einzelnen Typus schematisirend zurückzuführen, so erscheint es mir am zweckmässigsten, die Placenten von Beseda als die verdiekten Ränder der seitlich verwachsenen Carpidien zu deuten, der Blüthe derselben somit nur einen einzelnen einfachen Carpidienwirtel zuzuschreiben. era aber wird der Carpidienwirtel meist aus 3 oder 4 Gliedern zusammengesetzt mit wechselnder Stellung der Glieder, seltener finden sich zwei oder fünf Carpidien entwickelt. — Die Entwicklungsgeschichte zeigt nach den Angaben von Payer, dass auch die Glieder des Carpidienwirtels ungleichzeitig angelegt werden, ebenso wie die Glieder aller übrigen Blüthenwirtel, indem auch hier die Anlage auf der Rückseite der Blüthe begmnt und von da nach der Vorderseite fortschreitet. So baut sich also das Diagramm der Resedaceen aus fünf fünfgliedrigen Wirteln auf. Kelch- und Corollenwirtel alterniren regelmässig. Die beiden Staubgefässwirtel stehen vor den beiden Wirteln der Blüthenhülle und alterniren unter einander. Der Carpidienwirtel endlich steht vor dem Corollenwirtel.') Nach den Abbildungen Payer’s (pl. 40. fig. 6—8) entstehen die beiden Staub- gefässe des Wirtels der Kronstaubblätter weiter auswärts?) an der Blüthenachse, als die Kelchstaubblätter. Die Reihenfolge der Entwicklung aber beginnt mit dem medianen hinteren Staubgefäss und schreitet von da nach der Vorderseite der Blüthe gleichmässig fort, ohne dass eine Anordnung der Staubgefässe in zwei Wirtel durch einen Unterschied in der Zeit der ersten Anlage derselben deutlich ausgesprochen würde.”) Die beiden Staminalwirtel, von denen der äussere vor dem Blumenblatt- wirtel steht, der innere vor dem Kelchwirtel*), entstehen somit gleichzeitig. 1) Röper sagt in der Botanischen Zeitung 1846. p. 245 in Bezug auf die Resedaceae: „Die Frucht ist bei einigen isomer und dann stehen die Karpelle vor den Kelehblättern“‘, Ich vermag nicht zu sagen, auf welche Formen sich diese Angabe bezieht. Bei Astrocarpus ist die Stellung der Carpidien vielmehr epipetal. ?2), Payer's Darstellung im "Texte (l.c. p. 196) sagt, oflenbar infolge eines Schreibfehlers: ... . deux etamines quisont plus int@erieurs que les autres, ce qui est un cas assez rare dans le regne vegetal. — Dass die epipetalen Staubgefässe weiter nach Innen stehen als die episepalen, ist ja bei Phanerogamen keineswegs ein seltener Fall. 3) Ad. Chatin (Comptes rendus. 1874. Tom. 78. p. 122) behauptet auch für die Resedaceen centrifugale Entwicklung der beiden Staminalwirtel, ohne jedoch nähere Angaben darüber beizubringen. So lange nieht ausführlichere Mittheilungen vorliegen, muss diese Angabe Uhatin’s dahingestellt bleiben. 4) Die Blüthen der Resedaceen sind somit obdiplostemon. — Mit diesem Ausdrucke „obdiplostemon“ möchte ich alle diejenigen Blüthen mit zwei Staubblatt- wirteln bezeichnen, deren epipetaler Staubblattwirtel tiefer inserirt ist als der episepale, mag nun die Entwicklungsfolge beider Wirtel eine acropetale sein, wiez.B. nach Frank (Pringsheim’s Jahrb. f. wiss. Bot. X. p. 216 fl.) bei Oxalis und Geranium, oder eine acrofugale, wie nach Chatin (Comptes rendus 1874, em Der typischen Blüthe der Resedaceen werden wir demnach zweckmässiger Weise fünf fünfgliedrige Wirtel (Fig. 16) zuschreiben, die regelmässig alterniren mit Ausnahme des Corollenwirtels und des äusseren Staminalwirtels, die einander super- ponirt sind. Sämmtliche Wirtel folgen einander in acropetaler Reihenfolge, nur die beiden Staubblattwirtel werden gleichzeitig angelegt. Die Blüthen stehen in der Achsel eines Deckblattes und sind so zur Abstammungsachse orientirt, dass das unpaare Kelchblatt auf der Rückseite der Blüthe genau median steht. Vorblätter fehlen der Blüthe gänzlich. Tome 78. p. 887) bei der Mehrzahl der Dikotylen-Blüthen mit zwei Staubblattwirteln, oder mögen beide Wirtel genau gleichzeitig entwiekelt werden, oder mögen endlich die Glieder der beiden Wirtel in noch anderer Reihenfolge angelegt werden, wie z.B. eben bei Reseda. Die Stellung der Carpidien, ob epipetal, wie in den meisten Fällen, oder episepal, mag bei dieser Bezeichnung, die von der Gestaltung des Andrö- ceums hergenommen ist, besser ganz unberücksichtigt bleiben. — Als diplostemon dagegen möchte ich die- jenigen Blüthen bezeichnen, die einen unteren episepalen und einen oberen epipetalen Staubblattwirtel besitzen ohne Rücksicht auf die Entwicklungsfolge beider Wirtel und die episepale oder epipetale Stellung des Carpidienwirtels. Beiderlei Blüthen, die obdiplostemonen und die diplostemonen, sind übrigens durch Mittelformen mit zwei gleich hoch inserirten Staubblattwirteln verbunden, Ad. Chatin, der zuerst den Ausdruck obdiplostemon gebraucht hat (Comptes rendus 1856. "Tome 42, p. 14), wendet denselben an zur Bezeichnung des einen der beiden Blüthentypen, die er bei den Blüthen mit zwei Staubblattwirteln unterscheidet, derjenigen Blüthen nämlich, welche einen jüngeren unteren epipetalen und einen älteren oberen episepalen Staubblattwirtel und einen epipetalen Carpidienwirtel besitzen. Chatin unterlässt es, dabei genauer anzugeben, welches dieser Merkmale nun das eigentlich entscheidende für die Benennung obdiplostemon sein soll. Er erwähnt überhaupt zu jener Zeit ausser diesen obdiplostemonen Blüthen nur noch Blüthen mit fünf regelmässig alternirenden Wirteln als einfach diplostemone Blüthen. — Neuerdings (Comptes rendus 1874. Tiome 78. p. 175) bezeichnet er die Blüthen mit aerofugaler Entwicklungs- folge der beiden Staubblattwirtel und tieferer Insertion des epipetalen Wirtels als obdiplostemon Auch Eichler (Blüthendiagramme p. 188, p. 335—336) erwähnt als obdiplostemon nur Blüthen mit acrofugaler Folge der beiden Staubblattwirtel bei tieferer Stellung der Kronstaubgefässe und epipetaler Stellung der Carpidien. Für Celakovsky (Ueber den „eingeschalteten“ epipetalen Staubgefässkreis. Flora 1875) endlich ist bei der Anwendung der Ausdrücke obdiplostemon und diplostemon nur allein die epipetale resp. episepale Stellung der Carpidien bestimmend. die Stellung und Entwicklungsfolge der Staubblätter dagegen ganz bedeutungslos. (Das zeigt am deutlichsten die Stelle p.520, die von den Caryophylleen Malachium und Cerastium handelt.) u — Diagramm der Rhoeadinen. Unsere obige Besprechung der verschiedenen Arten von Blüthen-Diagrammen hat schon hervorgehoben, dass in derselben Weise, wie im Familiendiagramm die Gattungsdiagramme zusammengefasst werden, so auch die verschiedenen Familien- diagramme einer Ordnung zu einem einzelnen Gesammtdiagramm vereinigt werden können. Es sei hier noch unsere Autgabe, dieses Gesammtdiagramm für sämmtliche Familien der Rhoeadinen zu entwerfen. Das Diagramm der Capparidaceen stimmt, wie wir gesehen haben, vollständig mit dem Diagramm der Uruciferen überein. Das Diagramm der Fumariaceen aber unterschied sich nur sehr wenig von demjenigen der nahe verwandten Papaveraceen, Diese beiden letzteren Diagramme lassen sich nun zunächst leicht zu einem einzelnen Diagramm von der Gestalt des obigen Papaveraceen-Diagramms zusammen- fassen. Der einzige Unterschied des Blüthendiagramms der beiden Familien, abgesehen von Deckblatt und Vorblättern, bestand ja darin, dass in der typischen Blüthe der Papaveraceen das Andröceum aus zahlreichen Staubblättern gebildet wurde, in der Blüthe der Fumariaceen dagegen aus zwei lateralen dreitheiligen Staubblättern. Dieses letztere Andröceum lässt sich nun leicht aus dem ersteren ableiten‘); ja es lässt sich überhaupt kein anderes typisches Andröceum aufstellen, das in noch ein- tacherer Weise eine Ableitung der beiderlei Andröceen der Fumariaceen und Papa- veraceen gestattete. So wird man denn am zweckmässigsten dem gemeinsamen Dia- gramm der beiden Familien die Gestalt des Familiendiagramms der Papaveraceen beilegen. — Vereinigt man übrigens, wie das vielfach geschieht, die beiden nahe verwandten Familien mit einander zu einer einzelnen Familie der Papaveraceen (s. 1), so wird jenes gemeinsame Diagramm der beiden Familien einfach zum Familien- diagramm dieser erweiterten Familie der Papaveraceen. In welcher Weise aber lässt sich dieses gemeinsame Diagramm der Fumariaceen und Papaveraceen mit dem identischen Diagramm der Cruciferen und Capparidaceen ') In welcher Weise die beiden lateralen dreigliedrigen Staubgefässbündel der Fumariaceen am zweckmässigsten von den zahlreichen Staubblättern dieses gemeinsamen Diagramms abzuleiten seien, mag dahingestellt bleiben. Am einfachsten wäre allerdings eine einfache Reduktion der Zahl der Staubblätter bis auf zwei. Allein einzelne Momente möchten wohl den Gedanken nahe legen, jene Staubgefässbündel durch theilweise Verwachsung mehrerer Phyllome abzuleiten, zu „deuten“, 128 — vereinigen? und wie ist damit das Diagramm der Resedaceen zu verbinden, um sämmt- liche Familien der Rhoeadinen auf ein einzelnes Gesammtdiagramm zurückzuführen ? Zunächst erscheinen die beiden Diagramme der Papaveraceen resp. Fumaria- ceen und der Urueiferen resp. Capparidaceen durchaus heterogen. Das erstere Dia- gramm zeigt mit Ausnahme des vielgliedrigen Andröceums durchweg zweigliedrige Blüthenwirtel mit doppelter Blumenkrone, das letztere Diagramm dagegen setzt sich aus lauter viergliedrigen Wirteln mit einfacher Blumenkrone zusammen. Weit grösser erscheint auf den ersten Blick die Uebereinstimmung des Eichler’schen Orueiferen-Diagramms, das wir oben wegen seiner geringeren Zweck- mässigkeit als Familiendiagramm der Oruciferen verworfen haben, mit dem Familien- diagramm der Fumariaceen und Papaveraceen. Und in der That hat wohl auch diese anscheinende Uebereinstimmung der Diagramme der naheverwandten Familien, wie sie durch Eiehler's Örueiferen - Diagramm hergestellt wurde, viel dazu beige- tragen, dem Eichler’schen Diagramm die Zustimmung der Morphologen zu gewinnen, das ältere COrneiferen - Diagramm zu verdrängen. Denn auch dieses Eichler'sche Crueiferen -Diagranım ist wie das Diagramm der Fumariaceen und Papaveraceen wesentlich aus zweigliedrigen Wirteln aufgebaut. Allein bei genauerem Vergleich zeigt sich doch ein beträchtlicher Unterschied. Während bei den Papaveraceen und Fumariaceen dem einfachen zweigliedrigen Kelchwirtel zwei alternirende zweigliedrige Corollenwirtel folgen, finden sich im Diagramm der Crueiferen und ebenso in dem- jenigen der Capparidaceen zwei alternirende -zweigliedrige Kelchwirtel und darauf ein einfacher viergliedriger Oorollenwirtel. Beiderlei Diagramme lassen sich somit nicht ohne complieirte Aenderungen!) mit einander zu einem gemeinsamen Diagramme vereinigen, Aenderungen, die keineswegs weniger complieirt sind als diejenigen, durch welche, wie wir sogleich sehen werden, das vierzählige Crueiferen-Diagramm mit dem zweizähligen Papaveraceen-Diagramm vereinigt werden kann. 1) Man könnte etwa schematisirend den vierzähligen diagonalen Corollenwirtel der Cruciferen durch paarweise Verwachsung der Blumenblätter in einen zweizähligen medianen Corollenwirtel verwandeln und den zweiten lateralen Kelehwirtel durch Aenderung der physiologischen Funktion zu einem äusseren Gorollenwirtel machen; oder aber man könnte annehmen, dass der dritte Blüthenwirtel bei den Cruciferen abweichend von den übrigen zweigliedrigen Wirteln ausnahmsweise viergliedrig geworden sei, müsste dann aber ebenfalls eine verschiedene Funktion des zweiten Blüthenwirtels bei Cruciferen resp. Capparidaceen und Papaveraceen resp. Fumariaceen annehmen. Diese beiden Diagramme nämlich lassen sich, zugleich mit dem Diagramm der Resedaceen, zu einem Gesammtdiagramm vereinigen, das aus fünf alternirenden fünfgliedrigen Wirteln aufgebaut ist (Fig. 19.): K5, 05, A5+5, G 5. Eine einfache Variation der Gliederzahl der einzelnen Wirtel zugleich mit einer Feststellung der Orientirung der Blüthe zur Abstammungsachse gestattet? aus diesem gemeinsamen Diagramm der Rhoeadinen das Diagramm der Cruciferen und Capparidaceen abzuleiten. Eine ungleichzeitige Entstehung des Kelchwirtels und eine häufige collaterale Spaltung der Staubblätter verbunden mit Ablast bestimmter einzelner dieser Staubblätter sind die wichtigsten Variationen, die innerhalb der beiden Familien der Blüthenbau aufweist. Etwas complieirter allerdings sind die Aenderungen, welche aus diesem gemein- samen Diagramme das Diagramm der FPapaveraceen und Fumariaceen herstellen lassen. Hier muss zunächst der fünfgliedrige Kelchwirtel oligomer werden durch Reduktion auf zwei Kelchblätter und ebenso der Carpidienwirtel durch oligomere Ausbildung auf zwei Carpidien reducirt werden, welche in ihrer Stellung mit den beiden Kelehblättern alterniren. Gleichzeitig muss der Corollenwirtel aus der Fünf- zahl in die Vierzahl umändern, so zwar, dass zwei von den vier Blumenblättern den beiden Kelchblättern superponirt sind, und es müssen sich die vier Blumenblätter in zwei alternirende zweigliedrige Wirtel ordnen. Endlich aber müssen die beiden Staminalwirtel in ein vielgliedriges Andröceum umgewandelt werden'). 1) Zur Ableitung des Andröceums der Einzeldiagramme vom Gruppendiagramm bedarf es viel- fach bei den Dikotylen zahlreicher verschiedenartiger Aenderungen. Es ist eine sehr häufige Erscheinung, dass die Blüthen derselben Familie einen sehr verschiedenen Bau des Andröceums darbieten. Als zweck- mässigster Typus für alle verschiedenen Einzelfälle bietet sich aber fast stets das Andröceum aus zwei alternirenden gleiehzähligen Wirteln dar. Die Glieder dieser Wirtel können theilweise abortiren oder ablastiren, verwachsen oder sich spalten in der verschiedensten Weise. Es können die Wirtel pleiomer oder vielzählig werden, in einen doppelzähligen Wirtel zusammenrücken oder in mehrere seceundäre Wirtel auseinandertreten. Es können ferner die vielzähligen Wirtel in eine Spiralstellung übergehen oder aus dieser wieder zu complieirter wirteliger Stellung zusammenrücken u.s.w. Alle solchen verschiedenartigen Andröceen, wie sie oft in derselben Familie neben einander sich vorfinden, lassen sich mehr oder minder direkt von dem Andröceum aus zwei gleichzähligen alternirenden Wirteln ableiten. Namentlich aber gilt dies von allen den verschiedenartigen Formen des polystemonen Andröceums, die durch die verschiedensten Zwischenformen mit dem typischen Andröceum in Zusammenhang gebracht werden können. Abh. d. naturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 17 130 - Etwas anderer Art sind endlich die ‚Veränderungen, welche aus dem gemein- samen Rhoeadinen-Diagramm das Diagramm der Resedaceen abzuleiten gestatten. Neben einer gleichzeitigen Entwicklung der beiden Staminalwirtel, des dritten und vierten Blüthenwirtels, muss noch die Aenderung eingeführt werden, dass der vierte Wirtel der Kronstaubblätter nicht oberhalb des dritten angelegt wird, sondern unter- halb desselben zwischen diesem und dem Corollenwirtel sich einschiebt, somit zum äusseren Staminalwirtel wird. Im Zusammenhang mit dieser Aenderung der Stellung der beiden Staminalwirtel ändert auch der fünfte Blüthenwirtel, der Carpidienwirtel, seine Stellung aus der episepalen in die epipetale, sodass er nun mit dem räumlich nächsten, inneren Staminalwirtel, dem ursprünglich dritten Wirtel der typischen Blüthe alternirt‘). 1) In analoger Weise sind meines Erachtens alle obdiplostemonen Blüthen von einer diplostemonen typischen Blüthe abzuleiten. Wenigstens ist mir bis jetzt noch keine Blüthe bekannt geworden, bei welcher mir eine andere Ableitung zweckmässiger erschienen wäre. Eichler (Blüthendiagramme p. 51, p. 336—338) entscheidet: sich bei einer Besprechung der verschiedenen früheren Versuche, die obdiplostemonen Blüthen auf die typischen diplostemonen Blüthen zurückzuführen, oder, wie er selbst im Sinne der alten Morphologie sagt, zu „erklären“, für eine andere Erklärungsweise. Ihm erscheint die St. Hilaire’sche „Erklärung “ der obdiplostemonen Blüthen durch Deutung der Kronstaubgefässe als serialer Segmente der Blumenblätter als die plausibelste und zweckmässigste, wenn er auch nicht in Abrede stellen will, dass vielleicht auch eine andere Erklärungsweise in einzelnen Fällen berechtigt sein möchte, dass z. B. jener Wirtel von Kronstaubgefässen bisweilen einen besonderen nachträglich eingeschobenen Wirtel „intercalirter Phyllome“ darstellen möchte. Demgegenüber kann ich nur hervorheben, dass mir bisher noch stets in allen einzelnen Fällen die oben genannte Ableitung als die einfachere und deshalb zweckmässigere erschienen ist. Noch weniger aber möchte ich einer anderen Auffassung Eichler’s mich anschliessen. Eichler sieht (l.e. p. 338) nämlich in allen obdiplostemonen Blüthen nur eine Modifikation der haplostemonen Blüthen, führt die ersteren sämmtlich auf die letztere typische Gestaltung zurück, indem er“ in dem Wirtel der Kronstaubgefässe (— er berücksichtigt 1. c. nur obdiplostemone Blüthen mit inverser Entwicklungsfolge der Staminalwirtel —) nur einen Wirtel „unwesentlicher, accessorischer‘‘ Organe sieht, nicht einen Wirtel von Organen, „die im Plane der Blüthe wesentlich und nothwendig sind“. Dieser Deutung der epipetalen Staubgefässe möchte ich nicht beistimmen. Mir erscheint es zweckmässiger, die obdiplostemonen Blüthen auf den Typus der diplostemonen Blüthen zurückzuführen durch die Annahme, dass der obere Staubblatt- wirtel der letzteren an der Blüthenachse herabgerückt ist bis unterhalb des unteren Staubblattwirtels, unter Beibehaltung der typischen aeropetalen Entwicklungsfolge oder auch unter geänderter Reihenfolge, und dass zugleich, wenigstens in der Mehrzahl der Fälle, der Carpidienwirtel seine typisch episepale Stellung geändert hat in eine epipetale, sodass er wieder mit dem räumlich nächsten Wirtel alternirt. u Be In dieser Weise lassen sich die verschiedenen einzelnen Familiendiagramme der Rhoeadinen von jenem gemeinsamen Diagramm ableiten, und so erlaubt uns dieses gemeinsame Diagramm alle einzelnen Familiendiagramme auf eine und dieselbe typische Gestalt zurückzuführen. Allerdings ist diese Ableitung zum Theil nur in einer nicht sehr einfachen Weise auszuführen. Allein, so weit ich sehe, ist ein gemeinsames Diagramm, das in einfacherer Weise eine Ableitung der einzelnen Familiendiagramme ermöglichte, nicht aufzufinden. Und so müssen wir denn das Diagramm, das aus fünf alternirenden fünfgliedrigen Wirteln sich aufbaut, als das zweckmässigste gemeinsame Diagramm der Rhoeadinen bezeichnen.) — Mir erscheint es aber auch noch weiterhin zweckmässiger, den Typus der haplostemonen Blüthen als solchen ganz fallen zu lassen und alle derartigen Blüthen auf die typisch diplostemone pentacyklische Blüche zurückzuführen durch Annahme des Ablastes des oberen Staminalwirtels und einer begleitenden Stellungsänderung des Carpidienwirtels. die denselben dann wieder in Alternation mit dem räumlich nächsten Wirtel setzt. (Vgl. auch Ad. Chatin in Comptes rendus 1874. Tome 78. p. 1029—1031.) Ich stimme somit vollständig mit den Resultaten überein, zu welchen Celakovsky in seinem Aufsatze: „Ueber den „eingeschalteten“ epipetalen Staubgefässkreis“ (Flora 1875. p. 481 ff.) gelangt. Auch nach Celakovsky’s Ansicht ist „für die Eleutheropetalen und vielleicht auch für die Sympetalen die pentacyklische Blüthe ebenso als typisch anzusehen, wie bei den Monoeotylen“ (p. 523). Allein der Beweis- führung, durch welche Celakovsky seine Anschauungsweise zu begründen sucht, kann ich durchaus nicht beistimmen. Alle seine Beweismomente entbehren, wie sich bei genauer Prüfung herausstellt, aller und jeder Beweiskraft gänzlich. Sie zeigen allein, dass eine schematisirende Ableitung der haplostemonen und der obdiplostemonen Blüthen von der pentacyklisch diplostemonen Blüthe „die Zusammenfassung möglichst vieler Fälle unter einen Gesichtspunkt‘“ in möglichst einfacher Weise erlaubt. Dieser Umstand mag zur Aufstellung der pentaeyklisch diplostemonen Blüthe als der typischen Blüthe veranlassen, weil dadurch eben eine zweckmässige Zusammenfassung ermöglicht wird. Allein er zwingt durchaus nicht dazu, Einen zwingenden Grund zur Aufstellung jener Blüthe als der typischen vermag auch eine „phylogenetische Untersuchung“ nicht nachzuweisen. Nur die Rücksicht auf ein zweckmässiges Schematisiren kann zur Aufstellung eines solchen T'ypus veranlassen. Und nur solche Zweckmässigkeitsgründe sind es, die mich zur Aufstellung des einzigen Typus der pentacyklisch diplostemonen Blüthe bestimmen. — !) Dieses Diagramm der Rhoeadinen aus fünf alternirenden fünfgliedrigen Wirteln muss auch im Hinblick auf die Verwandtschaftsverhältnisse der besprochenen Familien weit zweckmässiger erscheinen als ein Diagramm, das etwa aus einer wechselnden Anzahl von alternirenden zweigliedrigen Wirteln aufgebaut ist. Die meisten Verwandtschaftsbeziehungen der Rhoeadinen weisen ja auf die Familien der Parietales hin, und hier in diesen Familien findet sich vielfach die pentacyklische Blüthe mehr oder weniger regel- 17* en Dieses Diagramm der Rhoeadinen aber ist identisch mit dem gemeinsamen Blüthendiagranım aller Dikotylen. Der Versuch, für alle Familien der Rhoeadinen ein gemeinsames Diagramm aufzustellen, führt uns somit zu einer typischen Blüthen- gestalt, aus der sich zugleich sämmtliche Blüthen der Dikotylen ableiten lassen. Allein das ist bei den meisten Ordnungen der Dikotylen, namentlich der eleuthero- petalen Dikotylen der Fall. Nur bei wenigen Ordnungen, zumal der sympetalen Dikotylen gelingt es, ein Ordnungsdiagramm zu entwerfen, das von jenem gemein- samen Dikotylen - Diagramm durch besondere Eigenthümlichkeiten sich unterscheidet. Dieser Umstand lässt den praktischen Werth der Ordnungsdiagramme im Allgemeinen ° als einen sehr geringen erscheinen und hat es jedenfalls auch verursacht, dass man sich seither noch sehr wenig mit der Construktion soleber wenig zweckmässiger Ordnungs- diagramme beschäftigt hat. Von grösserer praktischer Zweckmässigkeit aber erscheint es wieder, alle Blüthen der Dikotylen auf ein einzelnes Schema zurückzuführen. Als Schema dieser Art aber ergibt sich am zweckmässigsten das genannte Diagramm mit fünf alternirenden tünfgliedrigen Wirteln (Fig. 19.). Vieltach allerdings ist man bei dem Zurückführen der einzelnen Blüthen- gestalten auf typische Schemata nicht soweit gegangen, dass man sämmtliche Dikotylen- Blüthen auf einen einzelnen T'ypus reducirte. Man hat jene Blüthe mit fünf alter- nirenden fünfgliedrigen Wirteln allerdings als Typus einer grossen Anzahl von Blüthen hingestellt, hat daneben aber noch mehrere andere „ursprüngliche“ Blüthentypen annehmen zu müssen geglaubt, so z. B. den Typus der haplostemonen Blüthen, der rein acyklischen Blüthen u. s. w.') So hat man namentlich auch für die Rhoeadinen mässig ausgebildet oder erscheint doch wenigstens durchweg als die zweckmässigste Form der typischen Blüthe, Und selbst in der Ordnung der Polycarpicae, an welche auf der anderen Seite die Rhveadinae zunächst sich anschliessen, erscheint diese pentacyklische Blüthe allgemein als der zweckmässigste Typus, auf welehen die sänimtlichen hier so mannigfaltig gestalteten Blüthenformen zurückzuführen sind. Wollte man dagegen die typische Blüthe der Rhoeadinae im Anschluss an die Eichler’schen Diagramme der Orueiferen, Capparidaceen und Fumariaceen aus mehreren zweigliedrigen Wirteln aufbauen, so würde die Differenz des Blüthenbaues in den so nahe verwandten Ordnungen als eine sehr wesentliche erscheinen, während doch in der 'Ihat die Uebereinstimmung so gross ist, dass man bei manchen Gattungen, z. B. Jeffersonia, Crossosoma u.a., zweifelhaft sein kann, ob man sie den Rhoeadinae oder den Polycarpicae resp. Parietales zurechnen solle. ') Vgl. Sachs, Lehrbuch der Botanik 4. Aufl. 1874. p. 617: Die Blüthen der Dikotylen „lassen 133 — einen besonderen Blüthentypus aus lauter alternirenden zweigliedrigen Wirteln in wechselnder Anzahl construirt. Die Aufstellung mehrerer solcher ursprünglicher Blüthentypen aber kann wohl nicht Anspruch auf die Bezeichnung einer zweckmässigen Verfahrungsweise machen. Es handelt sich ja, wie wir gesehen haben, bei diesem ganzen Verfahren allem um schematische Construktionen; es gilt der praktischen Zweckmässigkeit wegen die mannigfaltigen Einzelgestalten schematisirend zusammen- zufassen.. Das geschieht allerdings, wenn man alle Blüthen der Dikotylen auf wenige typische Gestalten zurückführt. Allein weshalb man hier nun stehen bleiben soll und nicht vielmehr auch diese Typen wieder auf einen Gesammttypus zurückführen, das ist nicht recht abzusehen. Dass aber ein Zurückführen sämmtlicher bisher aufgestellter Blüthentypen aut den genannten gemeinsamen Typus aller Dikotylen-Blüthen in einfacher Weise aus- führbar ist, das habe ich versucht, im Vorhergehenden an dem Beispiel der Rhoea- dinen zu zeigen. In ähnlicher Weise lässt sich dies bei allen übrigen Ordnungen leicht ausführen. Es würde zu weit führen, diesnoch eingehend hier nachzuweisen. Nur wenige Bemerkungen mögen hier noch beigefügt werden, um anzudeuten, in welcher Weise eine solche Ableitung bei der den Rhoeadinen so nahe verwandten Ordnung der Polycarpieae, in dieser Beziehung wohl der schwierigsten unter. allen Dikotylen, aus- geführt werden kann. Das typische Dikotylen-Diagramm selbst findet sich in dieser Ordnung der Polycarpicae nur selten, wenn überhaupt in irgend einem einzelnen Falle, verwirklicht. Bei den Aanunculaceae werden vielfach bei regelmässigem Kelch und Blumenkrone die Stammal- und Carpidienwirtel vielzählig, die vielzähligen Glieder ordnen sich spiralig. Häufig greift ferner dieser Vorgang auch auf Blumenkrone und Kelch iiber: es werden alsdann siimmtliche Blüthenorgane vielzählig und.ordnen sich spiralig, oft ohne scharfe Grenze zwischen den verschiedenartigen einzelnen Organen, wie bei den Magnoliaceae und Nymphaeaceae. Weiterhin gehen die zahlreichen spiralig geordneten Blüthenglieder wieder in wirtelige Anordnung über, sie ordnen sich in mehrere superponirte Wirtel, die bei grader Gliederzahl gewöhnlich in alternirende sich nicht, wie die Monocotylen mit wenigen Ausnahmen, auf einen Typus zurückführen. Selbst die Aufstellung verschiedener Typen für ebenso viele grössere Gruppen ist mit manchen Unsicherheiten ver- bunden ete.“ — er Me Wirtel von halber Gliederzahl auseinandertreten (Derberis, Epimedium, Menispermaceae, Lauraceae') ete.), oder in zahlreiche Wirtel mit einfacher oder complicirter Alternation, Su sie stellen sich in ganz unregelmässiger Anordnung neben einander u. s. w. ı) Die meisten Blüthen von Berberis besitzen bekanntlich je zwei, regelmässig alternirende,Kelchwirtel, Corollenwirtel tind Staubblattwirtel, die sämmtlich dreigliedrig, nur selten zweigliedrig sind. Man schreibt dieser Blüthe zumeist (z.B. Eichler, Blüthendiagramme) auch typisch je zwei derartige Wirtel zu. Ich möchte jedoch diese Blüthe in ganz anderer Weise „erklären“ d.h. auf einen ganz anderen Typus dieselbe schematisirend zurückführen, und zwar auf einen T'ypus, von welchem zugleich zahlreiche andere Blüthen naheverwandter Pflanzen sich ableiten lassen. Dieser Typus ist eine Blüthe mit regelmässig spiraliger An- ordnung der einzelnen Blüthentheile. Aus einer solchen Blüthe mit ?/;-Stellung der Blüthenphyllome er- gibt sich sehr einfach eine Blüthe mit superponirten fünfgliedrigen Wirteln, denen je eine andere physiolo- gische Funktion der Blüthenphyllome zugetheilt ist. Durch einfache Variation der Zahl der Wirtelglieder entstehen statt der 5-gliedrigen superponirten Wirtel deren vier- oder sechsgliedrige, und diese treten dann leicht in alternirende Wirtel von der halben Gliederzahl aus einander. Seltener nur bleibt die Fünfzahl der Wirtelglieder erhalten. In dieser Weise glaube ich am zwecekmässigsten die Blüthe von Berberis mit den Blüthen der verwandten Polycarpicae auf ein gemeinsames Schema zurückführen zu können. Und dieser Art des Schematisirens schliessen sich auch die selteneren fünfzähligen Berberis-Blüthen mit superponirten fünfglie- drigen Keleh-, Corollen- und Staubblattwirteln (Fig. 20) meines Erachtens aufs einfachste an. Jedenfalls erscheint mir diese „Erklärung“ der letzterwähnten fünfzähligen Berberis-Blüthen weit zweckmässiger als diejenige, die Eichler (l. e. p. 16) aufgestellt hat, nach dessen Auffassungsweise hier jeder fünfzählige Wirtel aus einem zwei- und einem dreigliedrigen Wirtel zusammengesetzt ist, die fünfzählige Blüthe von der normalen Berberis-Blüthe sich somit nur dadurch unterscheidet, dass abwechselnd zwei- und dreigliedrige Wirtel dieselbe aufbauen statt der durchweg drei- resp. zweigliedrigen Wirtel der normalen Blüthe, — In ganz analoger Weise wie die Blüthen von Berberis scheinen mir auch die Blüthen von Epi- medium auf ein typisches Schema zurückzuführen und ganz ebenso die seltenen fünfzähligen Blüthen die- ser Gattung (vgl. Baillon, Adansoniall. p. 271, Histoire des plantes Ill. p. 56. ann, 5.) zu „erklären‘‘; desgleichen die Blüthen der Menispermaceae, Lauraceae u.s.w. — Umgekehrt möchte ich die entsprechenden fünfzähligen Blüthen der Monokotylen „erklären“, Solche Blüthen mit 5 Perigonblättern und fünf superponirten Staubblättern lassen sich öfters bei verschie- denen Gattungen der Monokotylen‘, namentlich der Liliitloren, z. B. G@agea, Colchicum u. s. w., beobachten. Solche Blüthen möchte ich auf das Schema der normalen Monokotylen-Blüthe mit je zwei dreigliedrigen Perigon- und Staubblattwirteln zurückführen durch die Annahme, dass die zwei gleichartigen dreiglie- drigen Wirtel zu einem sechsgliedrigen zusammengerückt sind und dieser heteromer fünfgliedrig geworden ist. An diese Blüthen mit superponirten fünfgliedrigen Wirteln reihen sich dann andere mit einfach spi- raliger Anordnung (nach 2/,, 3/,, 2/; u.s.w.) der Blüthentheile an, wie sie z. B. bei Colchicum autumnale bisweilen zu beobachten sind. 135 — Durch solche Aenderungen, zu denen dann noch Ablast, Spaltung und Verwach- sung einzelner Bliitthentheile hinzutreten, lassen sich sämmtliche einzelnen Blüthen der Polycarpicae trotz ihrer mannigfaltigen Gestaltung auf das gemeinsame Schema aller Dikotylen-Blüthen mehr oder minder direkt zurückführen, ohne dass es der Aufstellung eines besonderen Typus der rein acyklischen Blüthe oder einer Blüthe mit 2—3-fachem Kelche, 2—3-facher Blumenkrone u. a. m. bedürfte. Und in ganz analoger Weise lassen auch die Blüthen aller übrigen Ordnungen der Dikotylen eine Zurückführung auf die eine typische Dikotylen-Blüthe bald in mehr, bald in weniger einfacher Weise zu. — Schlusswort. Zum Schlusse dieser ganzen Darstellung sei noch einmal in Kürze der Grund- gedanke derselben hervorgehoben. Unsere ganze obige Darstellung hat versucht, theils durch theoretische Erör- terungen, theils durch vollständige Durchführung eines bestimmten praktischen Bei- spiels, nachzuweisen, dass es sich bei allen den zahlreichen Gruppendiagrammen, die man construiren mag, stets nur um schematische Construktionen handelt. Das gilt von den Artdiagrammen ebensowohl, wie von den Gattungs- und Familiendia- grammen u. s. w., und ganz ebenso auch von dem Gesammtdiagramm aller Dikotylen- Blüthen. Es sind alles dies nur schematische Construktionen, die mehr oder minder zweckmässig ausgeführt werden können. Alles Beweisen ist von diesem ganzen Ge- biete wissehschaftlicher Spekulation gänzlich ausgeschlossen. Nur allein die praktische Zweckmässigkeit der einzelnen aufgestellten Construktionen und Schemata kann in Frage kommen. Dieses Schicksal aber theilt die Lehre von den Blüthendiagrammen mit der gesammten Metamorphosenlehre, ja fast mit der gesammten bisherigen vergleichenden Morphologie der Phanerogamen'). Es handelt sich hier fast überall ausschliesslich um schematisirende Construktionen. 1) Die vergleichende Morphologie der Phanerogamen bietet heutigen Tages ein Beispiel weit- gehender Meinungsdifferenzen der Autoren dar. Mehrere verschiedene Richtungen morphologischer For- schung stehen sich gegenüber und bekämpfen einander. Jede dieser Richtungen schreibt nur sich allein eine wissenschaftliche Berechtigung zu. Daneben aber wird vielfach die gesammte morphologische For- schung als allen wissenschaftlichen Werthes bar gänzlich bei Seite geworfen. — Diesem Widerstreite der Meinungen gegenüber wird nur eine eingehende Erörterung der Grundprinzipien der verschiedenen For- schungsmethoden zu einer befriedigenden Uebereinstimmung der Ansichten hinführen können. Drei Hauptriehtungen morphologischer Forschung lassen sich zur Zeit unterscheiden. Zwei der- selben, die ältere vergleichende Morphologie und die phylogenetische Morphologie, stehen einander sehr nahe, sie weichen von einander eigentlich nur in der Ausdeutung der Forschungsergebnisse ab. Beide suchen auf dem Wege des Vergleichs die zahlreichen, so äusserst mannigfaltigen Einzelgestalten auf ein- zelne Grundtypen zurückzuführen. Diesen Grundtypen schreiben beide objektive Realität und Wahrheit zu. Während aber nun die ältere vergleichende Morphologie diesen objektiv wahren und realen Grund- typen eine metaphysische, rein ideelle Realität beilegte, hat die phylogenetische Morphologie diese meta- physische Realität als naturwissenschaftlich unfassbar und unzulässig verworfen und jene Grundtypen zu Se Solche Construktionen aber besitzen als Hülfsmittel zu einheitlicher Zusammen- fassung zahlreicher verschiedener Einzelgestalten entschieden wissenschaftlichen Werth den Stammformen aller jetzt lebenden Pflanzengestalten erhoben, ihnen damit eine streng physikalische Rea- lität verliehen. In der Forschungsweise, den Methoden der Beweisführung und selbst in den Resultaten der Untersuchung stimmen aber beide Richtungen morphologischer Forschung vollständig überein. Diesen beiden nahe verwandten Richtungen steht eine dritte gegenüber, die neuerdings wieder eine grössere Reihe von Vertretern gefunden hat. Sie mag wohl nicht mit Unrecht als eine termino- logische Richtung bezeichnet werden. Auch sie bezweckt, die Fülle der mannigfaltigen Einzelgestalten auf einzelne Grundtypen zurückzuführen. Allein diese Grundtypen sind ihr weder metaphysische Ideen, noch hypothetische Stammformen — über beiderlei Dinge vermag ihrer Ansicht nach eine exakte For- schung gar nichts auszusagen —, sondern nur Rubriken einer übersichtliehen Anordnung. Sie stellt auf Grund einer vergleichenden Betrachtung der Einzelgestalten eine Anzahl Rubriken oder Kategorien aut, definirt bestimmt und scharf die wesentlichen Merkmale dieser Rubriken und ordnet alsdann die Einzel- gestalten in dieselben ein. Auf diese Weise werden jeweilig zahlreiche Einzelgestalten in eine Kategorie unter einheitlicher Bezeichnung zusammengefasst, auf einen Grundtypus zurückgeführt. Dieser Grund- typus ist dann aber nichts anderes als ein gemeinsamer Oberbegriff, durch die genannten wesentlichen Merkmale charakterisirt. Die Zurückführung eines einzelnen Falles auf einen einzelnen Grundtypus ist dann niehts anderes als eine Unterordnung des einzelnen Falles unter den betreffenden Oberbegriff, will auch nichts anderes besagen, als dass dem einzelnen Falle eben jene Merkmale zukommen, die den be- treffenden Oberbegriff, den betreffenden Grundtypus charakterisiren. Diese ganze Riehtung morphologischer Forschung läuft somit hinaus auf die Aufstellung bestimmter scharf definirter Oberbegriffe und die Unter- ordnung der einzelnen Thatsachen unter dieselbe oder mit anderen Worten auf die Benennung der ein- zelnen T'hatsachen mit den vorher ihrer Bedeutung nach genau präcisirten Namen. Insofern dürfen wir Menn auch diese ganze Richtung eine terminologisehe nennen. Die Grundtypen dieser terminologischen Morphologie sind aber, wie sich aus dem Gesagten von selbst ergibt, notwendig wesentlich verschieden von den Grundtypen der beiden anderen Richtungen morphologischer Forschung, auch wenn die Namen derselben ganz gleichlautend sind. Zu dieser terminologischen Morphologie gehören nun vor allem auch jene Bestrebungen wmorpho- logischer Forschung, die unter dem Namen der topischen Morphologie von den verbündeten Richtungen der älteren vergleichenden und der phylogenetischen Morphologie neuerdings so vielfach und zum Theil äusserst heftig und leidenschaftlich angegriffen werden. Diese topische Morphologie definirt, wie wir schon oben gesehen haben (p. 70 Anm. )), die Kategorien „Caulom‘‘ und „Phyllom‘‘ durch bestimmte Merkmale der räumlichen Stellung und sucht nun die einzelnen thatsächlichen Gestalten in diese Kategorien einzuordnen. Ihr besitzen somit diese Kategorien „Caulom“, „Phyllom“ u. a. ähnliche nothwendiger Weise eine wesentlich andere Bedeutung als jenen beiden anderen Richtungen der Morphologie. Der Streit dieser verschiedenen Richtungen morphologischer Forschung beruht nun im Grunde auf einem vollständigen gegenseitigen Missverständniss, begründet in dem Mangel einer Aufklärung über die Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 18 a und Berechtigung. Sie verlieren aber sofort alle objektive Geltung, wenn sie mehr sein wollen als eben schematisirende Construktionen, wenn sie prähistorische thatsäch- = heiderseitigen Grundprinzipien. Die Begriffe „Caulom“ und „Phyllom‘“ der topischen Morphologie sind ganz wesentlich verschieden von den gleichnamigen Grundtypen der älteren vergleichenden und der phylogene- tischen Morphologie. Und ebenso ist es auch mit allen den übrigen Typen, die von der vergleichenden Morphologie aufgestellt worden sind. Ihre Bedeutung im Sinne der terminologischen Morphologie ist eine ganz andere als im Sinne der beiden anderen Richtungen morphologischer Forschung. Ueberhaupt ist diese ganze terminologische Morphologie ihrem Wesen nach gänzlich verschieden von jenen beiden anderen Richtungen, ihr Endziel ist ein ganz verschiedenes, und demgemäss muss auch ihre ganze Forschungsweise und ihre Methoden ganz andere sein, die Beweiskraft der einzelnen’Beweismomente muss eine ganz andere sein: kurzum eine Uebereinstimmung der beiderlei Richtungen in den Resultaten der Forschung kann nur zufällig erfolgen, eine Verschiedenheit wird die allgemeine Regel sein. Fassen wir aber die drei genannten Richtungen an sich in Bezug auf ihre wissenschaftliche Be- rechtigung etwas näher ins Auge, so muss zunächst der terminologischen Morphologie eine solche Berech- tigung durchaus zugestanden werden. Sie beschränkt sich ausschliesslich auf eine Anordnung und Rubri- zirung der einzelnen Thatsachen. Der Werth der gewonnenen Resultate dieser Forschungsweise wird jeweilig durch die praktische Brauchbarkeit der aufgestellten Anordnung der Thatsachen bestimmt werden. Die beiden anderen Richtungen morphologischer Forschung, die man vielfach als vergleichende Morphologie zusammenfasst, laufen im Grunde hinaus auf ein schematisirendes Zurückführen aller ver- schiedenartigen Einzelgestalten auf beliebige einzelne, sg. typische Gestalten, denen dann objektive Rea- lität zugeschrieben wird. Eine solche Realität der Grundtypen, mag sie nun eine ideelle metaphysische sein oder eine hypothetische physikalische, kann aber eine exakte Forschung nicht anerkennen. Man hat deshalb vielfach die ganze Forschungsweise der vergleichenden Morphologie als wissenschaftlich werthlos verworfen. Allein wohl mit Unrecht. Eine schematisirende Reduktion der zahlreichen Einzelgestalter auf einzelne Grundtypen muss vielmehr, wie mir scheint, durchaus als zulässig und selbst zweckmässig an- erkannt werden, wofern man nur in jenen Grundtypen nichts anderes sehen will als eben Produkte einer schematisirenden Construktion, als rein schematische Formeln. Dadurch reduciren sich nun jene beiden Richtungen der vergleichenden Morphologie auf eine einzelne. Diese schematisirende Morphologie wird dann aber neben jener terminologischen Morphologie als eine durchaus berechtigte Richtung morphologischer Forschung anerkannt werden müssen, allein von jener ihrem ganzen Wesen nach grundverschieden und nur zufällig mit derselben in den Resultaten der Forschung übereinstimmend. Bisher stehen diese verschiedenen Richtungen morphologischer Forschung noch in heftigem Streite. Es herrscht noch allgemein die Anschauung, dass nur eine einzelne vergleichende Morphologie möglich sei, deren Resultate objektive, allgemein bindende Gültigkeit besässen. Die Methoden der beiderlei Riehtungen werden vielfach durcheinandergeworfen und vermengt, ihre Beweiskraft verkannt. Eine Einigung dieser widerstreitenden Meinungen ist aber nur möglich, wenn die so wesentlich verschiedenen Forschungsweisen —— 139 —- liche Vorgänge aus der Geschichte der Pflanzenwelt wiedergeben wollen, die doch aller und jeder empirischen Beobachtung und Prüfung gänzlich unzugänglich sind, Derartige Ausdeutungen der schematischen Construktionen durch rein willkürliche Annahmen gehören vielmehr allein in das Gebiet der poetischen Phylogenetik.'!) — Uebrigens ist es ja auch ganz und gar nicht schwierig, jene nackten Schemata der vergleichenden Morphologie, z. B. die Diagramme und Construktionen der obigen auseinander gehalten werden, wenn man den Ergebnissen der beiderlei Forschungsweisen keine andere ob- jektive Berechtigung und Wahrheit zusehreibt, als denselben dem Wesen der einzelnen Forschungsweise entsprechend wirklich zukommen kann. Eine Aufklärung über das Wesen dieser verschiedenen Richtungen morphologischer Forschung und den wissenschaftlichen Werth ihrer Ergebnisse aber ist heutigen Tages um so mehr nothwendig, als dieselbe Verwirrung, die in der Morphologie der Phanerogamen zur Zeit herrscht, auch im Gebiete der niederen Kryptogamen einzureissen droht, ein Gebiet, das bisher von den Streitig- keiten der vergleichenden Morphologie noch verschont gewesen ist. !) Man hat dem Vorwurfe, dass alle jene zahlreichen phylugenetischen Theorien und Systeme aus lauter willkürlichen Hypothesen aufgebaut seien ohne jede Berechtigung innerhalb einer exakten Wis- senschaft, von Seiten der Phylogenetiker entgegen gehalten, dass ja Hypothesen in jeder einzelnen Natur- wissenschaft als zulässig gelten, dass selbst diejenige Naturwissenschaft, der doch Niemand den Beinamen einer exakten streitig machen würde, die Physik, einen ausgedehnten Gebrauch von Hypothesen mache. Allein, vergleicht man den Gebrauch, den die Physik thatsächlich von Hypothesen macht, so zeigt sich sofort ein ganz bedeutender Unterschied. Hier in der Physik gelten die Hypothesen stets nur als vorläu- fige Annahmen, deren hypothetische Gültigkeit niemals ausser Acht gelassen wird, deren exakter Beweis stets das Ziel der Forschung bleibt. Und ferner gelten hier stets nur solehe Hypothesen als berechtigt und erlaubt, die überhaupt einer Bestätigung durch die Erfahrung zugänglich sind. In der Phylogenetik dagegen sind es Annahmen über frühere thatsächliche Vorgänge, die nach dem eigenen Urtheil der Phy- logenetiker der empirischen Forschung ganz unzugänglich sind, Annahmen, die, willkürlich aufgestellt, mit einigem Raisonnement subjektiv plausibel gemacht werden und von nun an als erwiesene Thatsachen, als phylogenetische Gesetze gelten sollen. Wie wenig objektive Sicherheit den Resultaten solcher „phylogenetischer Untersuchungen “ inne- wohne, darüber hat Strasburger selbst einmal (Coniferen und Gnetaceen p. 397) sich ausgesprochen. „Man wird uns vorwerfen,‘“ sagt er, „dass die Sicherheit der gewonnenen Resultate eine sehr zweifelhafte sei, doch, dem ist entgegenzuhalten, dass wir eben nicht mehr von dem Gegenstande verlangen können, als was er zu bieten vermag und dass ganze Zweige der Naturwissenschaften: vor allem die Geologie gar nicht existiren könnten, wenn solcher Schlussfolgerung die Berechtigung versagt werden sollte“, In wie- fern andere Zweige der Naturwissenschaften den Anforderungen einer exakten Forschung gegenüber Stich halten oder niekt, das mag den Vertretern derselben überlassen bleiben. Für uns ist hier nur das Ge- ständniss eines der ersten Vorkämpfer der Phylogenetik von Bedeutung, dass diese Phylogenetik nicht mehr als Resultate von sehr zweifelhafter Sicherheit zu bieten vermag. 6 - Darstellung, durch Hineintragen der Descendenzidee auszudeuten und zu beleben. Eine solche Ausdeutung /wird man deshalb stets dem einzelnen Fachgenossen überlassen dürfen, zumal bei dem entgegengesetzten Verfahren, die schematischen Gonstruktionen selbst auszudeuten, eine Gefahr gar zu nahe liegt, die nicht sorgfältig genug vermieden werden kann, die Gefahr nämlich, dass willkürliche Annahmen init erwiesenen objektiven Wahrheiten verwechselt werden. Allerdings lässt sich demgegenüber auch behaupten, dass es für einen strengen Anhänger der reinen Empirie ebenfalls nicht schwer sein werde, aus einer „morpho- logischen Studie“, die alle Thatsachen im Lichte der Descendenzlehre darstellt, diese reinen Thatsachen herauszulesen und sie der phylogenetischen Ausdeutung zu entklei- den. Allem eine solche Darstellung der Thatsachen im Lichte der Descendenztheorie legt doch, wie gesagt, jene Gefahr gar zu nahe, dass die subjektive Ausdentung der Thatsachen mit den objektiven Ergebnissen der Forschung 'verwechselt werde. In jedem Falle aber wird dem Geiste einer exakten Wissenschaft die trockene Schilderung der nackten Thatsachen weit mehr entsprechen als die poetisch ausdeutende Darstellung einer „phylogenetischen Untersuchung“, so viel interessanter und bestechender diese letztere immerhin auch sein mag. Allein der Zug der Zeit geht einmal in der organischen Naturwissenschaft zur phylogenetischen Dichtung hin. Wer nur auf die Darstellung der einzelnen Thatsachen oder deren zweckmässige Verknüpfung und Zusammenfassung sich beschränkt, der setzt sich der Gefahr des Vorwurfes aus, dass ihm die „höchsten Auf- gaben“ der modernen Richtung wissenschaftlicher Forschung unzugänglich und ver- schlossen seien. Und doch ist diese moderne Richtung nichts weiter als eime Vermengung der schematisirenden Betrachtung gegebener einzelner organischer Gestal- ten mit rein willkürlichen, wenn auch öfters höchst geistreichen Hypothesen. — Abhandl.d.Naturf. Gesellsch.zu Halle. Bd.XIV SESL®) & © © ® ® KO © (& 1&) &) Te —— &) 9 (O8) &) ir 2,2 ans ai 4 1 = Fi 2 Ir ; ’ 2 1 Vergleichende Anatomie der Primulaceen Dr. Fr, Kamienski. Mit Tafel II—XI. Abh. d. uturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. oisnh abnadalslerıht > - z 12 a r 5 | ae 2 = iR as» >» > siv mid : or mim AH ad 427-1 banD IM Vergleichende Anatomie der Primulaceen. ‘) Das Hauptziel, welchem die heutige Botanik auf Grund der allgemein aner- kannten Descendenztheorie nachstrebt, ist die Auffindung der Verwandtschaft, welche unter den Pflanzen stattfindet, so wie auch die Darstellung dieser Verwandtschaft in der Form eines natürlichen Pflanzensystems. üs wäre dieses Ziel nieht schwer zu erreichen, wenn wir die phyletische (historische) Entwicklung jeder Pflanze gründlich kennten, das heisst wenn wir wüss- ten, von welchen Urpflanzen und auf welche Weise die jetzt lebenden, die wir, nach unseren jetzigen Begriffen, in Arten, Gattungen, Familien ete. gruppiren, sich ent- wickelt haben. — Wenn wir solehe Entwicklungsgeschichten aller Pflanzenformen wiüssten, könnten wir künftig einen vollständigen Pflanzenstammbaum aufstellen, des- sen Endzweige uns die jetzt lebenden, auf Grund der wirklichen Verwandtschaft in ein natürliches System geordneten Pflanzen darstellten. Unsere jetzigen Kenntnisse über die verstorbenen Pflanzenformen sind jedoch, um das oben genannte Ziel zu erreichen, zu ungenügend; die Pflanzenpaläontologie kann, wegen Mangels an Material und der damit verbundenen Unvollständigkeit der Forschungen, uns zu diesem Zwecke nur sehr wenige Dienste leisten. Es bleibt also nur ein einziger möglicher Weg — das ist: eine gründliche und allseitige Erfor- schung der jetzt lebenden Pflanzen, um daraus die sogenannten genetischen oder Verwandtschaftscharaktere aufzufinden. Vor allem stellt sich jedoch uns die Frage auf: was wir eigentlich unter genetischen Charakteren verstehen und worauf sich diese begründen; wie auch, wenn diese Charaktere von verschiedenem Werth sind, ob wir vermittelst derselben auch entsprechend ihre nähere oder entferntere Verwandtschaft bestimmen können ? Um die Frage zu beantworten, missen wir uns zuerst die Art und Weise der Entstehung der Pflanzenformen verständlich machen und auf die Darwin’sche Theorie hinweisen. 1) Pamietnik Akademii Umiejetnosei w Krakowie 1876, 19* — 144 — Ich habe nicht die Absicht, die Darwin’sche Lehre, die sich einerseits auf die Wechselwirkung von Vererbung und Anpassung, andererseits auf den überall in der Natur nachweisbaren Kampf ums Dasein stützt, näher zu besprechen. Ich will nur das erwähnen, dass die Pflanzenformen in der historischen Entwickelungs- reihe unter verschiedenen, oft wechselnden äusseren Einflüssen ) oder Lebens- bedingungen, sich verschieden zu den letzten anpassen, aber doch immer, durch Vererbung, gewisse Charaktere ihrer Mutterform behalten. Die letzteren, die auf Gestalten basirt sind (morphologische Charaktere), indem sie für gewisse in verschie- denen Lebensbedingungen entstandene Pflanzenformen gemeinschaftlich sind, die gemeinsame Abstammung von einer Mutterform zeigen und darum als Verwandtschafts- charaktere zu bezeichnen sein sollten. Der Process der Entstehung neuer Pflanzenformen ist aber bei höher organi- sirten Pflanzen sehr complieirt. Die Phanerogamen, von welchen hier hauptsächlich die Rede sein wird, gehören zu sehr complieirten Organismen. Sie bestehen aus verschiedenen Organen, die auch verschiedene Functionen erfüllen; diese sind: Wurzel, Stengel, Blätter, Blüthen, Früchte ete. Diese Organe sind unter gewissen Lebensbedingungen verschiedenen Functionen angepasst; sie ändern sich aber, wenn letztere sich ändern. Diese umgeänderten Formen der Organe sind in verschiedenem Grade vererbt, d. h. sie werden in verschiedenem Verhältnisse statirt. Daraus sehen wir, dass die Charaktere, die auf den Gestalten der verschiedenen Organe basirt 1) Nach Naegeli sind das die „inneren Ursachen“ der Formveränderung. Naegeli nämlich (Ueber den Einfluss äusserer Verhältnisse auf die Varietätenbildung im Pflanzenreiche. Sitzungsberichte der Königl. Bayr. Akad. der Wissensch. zu München 1865. I. Heft III. Seite 228) sucht nachzuweisen, dass die Varietätenbildung nicht von äusseren, sondern von inneren, uns völlig unbekannten Ursachen abhängt, Naegeli behauptet, indem er mehrere Beispiele beifügt, dass Pflanzen, die sich in gleichen Lebens- bedingungen, wie z.B. auf einem und demselben Erdbeet und in gleicher Temperatur, Feuchtigkeit und Lichtstärke ete. befinden, oft abändern; die Ursache dieser Abänderungen soll aber innerhalb, nicht ausser- halb der Pflanze liegen. Insofern diese Anschauung Naegeli’s über die Entstehung der Pflanzenformen und die Art und Weise der Beweisführung ein Zeichen der Genialität trägt, insofern aber kann sie relativ sein und im Grunde die Sache nicht geändert haben. Es kann doch Niemand behaupten, dass diese inneren unbekannten Ursachen nicht in Vermittelung mit den äusseren stehen und die Folgen der letzten sind; die äusseren Einflüsse nämlich könnten im Wesen der Pflanze gewisse innere unbekannte Aenderungen hervorrufen, welche erst später, in nächsten Generationen, in eigener unbekannter Art zum Vorschein kommen oder sichtbare Veränderung der Formen verursachen. e — 45) — sind, auch verschiedenen genetischen Werth besitzen; nämlich die, aus den Organen mit mehr veränderlichen Gestalten eutnommenen Charaktere sind verhältnissmässig in der Verwandtschaftsbestimmung der Pflanzen von geringerem Werth, als die Charak- tere, die aus den mehr vererbten Gestalten herstammen. Es stellt sich also hier direkt die Frage, die wir schon oben erwähnt haben: von welchen Organen und Gestalten man die Charaktere nehmen soll, die in der Verwandtschaftsbestimmung den grössten Werth besitzen, d. h. welche Charaktere in der phyletischen Entwickelung der Pflanze die ältesten oder, was daraus folgt, die vererbtesten sind’? In dem Leben der Pflanzen finden wir zwei Hauptfunctionen, von denen die erste in der Lebenserhaltung des Pflanzenindividuums besteht — in dem Vegetiren der Pflanze; die andere in der Erhaltung der Pflanzenform, z. B. einer Species ausser- halb der Gränzen des Lebens eines Individuums — d.h. in der Fortpflanzung. Diese beiden Functionen, die das ganze Leben der Pflanze ausfüllen, werden von zwei Arten von Organen ausgeführt, welche das Pflanzenindividuum zusammensetzen und nach ihren Functionen die einen — Vegetationsorgane, die audern — Fortpflanzungsorgane') genannt werden. Die Vegetationsorgane sind in den meisten Fällen, die wir hier berücksichtigen (bei den Phanerogamen): Wurzel, Stengel und Blätter; die Fortpflanzungs- organe — die Blüthe und die Frucht mit allen ihren Theilen. Die Kenntniss der Lebenserscheinungen zeigt uns, wie manmnichfaltig und complieirt die Ernährungsfunktionen sind und wie sie unter verschiedenen Bedingungen erfüllt werden. Fassen wir nur beispielsweise den Assimilationsprocess ins Auge, so ist er anders bei den Wasserpflanzen, anders bei den Landpflanzen; unter den letzteren findet er auf andere Weise bei den in trockenen, sandigen Standorten wachsenden statt, die immer dem Einfluss der Sonne ausgesetzt sind, als bei den Pflanzen, die in schattigen, feuchten Gebüschen leben und dergleichen. Die Vegetationsorgane werden auch verschieden umgestaltet und angepasst, indem sie den verschiedenen, oft wechselnden äusseren Einflüssen direkt und durch das ganze Leben des Individuums 1) Es wird hier nur von den geschlechtlichen Fortpflanzungsorganen geredet, weil die ungeschlecht- lichen, wie Adventivknospen, Bulben, Knollen ete. keine integralen Theile eines morphologischen Pflanzen- individuums bilden, sie stellen nur Hülfsorgane dar, die zu der Entwicklung des Individuums nicht zu gehören brauchen. 146 preisgegeben sind. Es ist also leicht zu begreifen, dass die Gestalten der Organe und die daraus entnommenen Charaktere sehr veränderlich sein müssen. In der That werden einerseits die Gestalten der Vegetationsorgane nicht immer ausserhalb der Species vererbt; ja sie werden auch oft, wie z, B. bei den amphi- bischen Pflanzen, die bald im Wasser bald ausserhalb desselben leben, auf emem und demselben Individuum umgeändert, je nachdem es von dem Wasserleben in das Landleben übergeht und umgekehrt. Andererseits, Pflanzen von verschiedener gene- tischer Abstammung und verschiedener Verwandtschaft, die sich in gleichen Lebens- bedingungen und unter gleichen Einflüssen befinden, können ihre Vegetationsorgane gleichartig gestalten und anpassen. Das sehen wir in allbekannten Beispielen, wie in Euphorbia offieinalis und einigen Üereusarten, Myriophyllum und Batrachium ete. Daraus folgt sehr evident, dass die Identität der morphologischen Charaktere, die auf den Vegetationsorganen gewisser Pflanzen basirt sind, nicht immer der Verwandt- schaft dieser Pflanzen entspricht; man darf also diese Charaktere mit wenigen Aus- nahmen nicht allgemein als genetische Charaktere betrachten. Bei der Fortpflanzung aber steht die Sache ganz anders. Sie haben nur ein Hauptziel: den neuen Individuen, die den mütterlichen ähnlich sind, ihren Anfang zu geben oder durch die geschlechtliche Fortpflanzung die Mutterform (wie z. B. eine Art oder Varietät) zu erhalten. Die Funktionen, die die Fortpflanzungsorgane auf dem Wege zum oben erwähnten Ziel zu erfüllen haben, sind gleichartig und hängen von den äusseren Einflüssen wenig ab‘). Die Blüthe, die sich nur periodisch in gewisser Zeitdauer im dem Leben der Pflanze zeigt, wenn die letztere nämlich sich in derselben Zeit immer in mehr oder weniger gleichen Lebensbedingungen befindet, und, ob sie gleich ein complieirtes Organ ist, doch aber kurz dauert und sehr schnell ihre Funktion ausfüllt — besitzt einen durchgehenden und zeitlichen, vielmehr ephemerischen Charakter. Die Blüthe also unterliegt ohne Zweifel viel weniger 1) Mit Ausnahme vielleicht der Funktionen der Bestaubung, welche, obgleich sie von veschiedenen äusseren Einflüssen (Inseeten, Wind, Wasser ete.) abhängt, doch für gewisse bestimmte Pflanzenformen mehr oder weniger so beständig und so einfach zu sein scheint, dass die Umänderung der Gestalten und Anpassung der Blüthenorgane die Verwandtschaftscharaktere nicht verwischt, die immer als solche in der Entwieklungsgeschichte der Blüthe aufzufinden sind. Oft können ‘auch die, aus diesen Anpassungsgestalten entnommeren Charaktere, nämlich in dem Falle, wo sie schon längst vererbt sind, als Verwandtschafts- charaktere dienen. — 14 irgend welchen äusseren und veränderlichen Einflüssen, als die Vegetationsorgane der Pflanze; gleichwie auch die länger vererbten Verwandtschaftscharaktere in den Blüthentheilen viel deutlicher und weniger durch allerlei Anpassungen verdeckt sind. Die Fortpflanzungsorgane also sind die Träger der Verwandtschattscharaktere, die den grössten Werth für Bestimmung der Verwandtschaft der Pflanzen mit ein- ander besitzen; das sind die Grundlagen, auf welche das ganze natürliche System der Phanerogamen basirt werden soll und ist. Diese Charaktere fallen bei der näheren Kenntniss der Pflanzen so leicht ins Auge, dass man sie schon bei den frühesten Bemühungen der älteren Botaniker, ohne von der Descendenztheorie etwas zu wissen und sogar auf den, der letzteren ganz widersprechenden Basen, wie dem Dogma der Constanz der Arten, Pflanzensysteme zu gründen, hauptsächlich zur Charakteristik der Klassen angewendet hat. Man hat erst in der letzten Zeit, im welcher die Pllanzenanatomie eine gewisse Individualität inzwischen den anderen Theilen der Botanik gewonnen hat, vielfach darauf hingewiesen, dass unsere jetzige Systematik, welche nur auf Blüthencharaktere gegründet ist, einseitig sei, und wenn die morphologischen Charaktere der Vegetations- organe veränderlich sind, so soll doch bei der wirklichen Verwandtschaft das Erblich- keitsgesetz sich im inneren, anatomischen Bau der vegetativen Organe geltend machen. Schon fängt Mirbel') im Jahre 1810 bei der Bearbeitung der Labiaten an, die Anatomie derselben in seinen systematischen Ansichten zu verwerthen. Dann will Chatin?) ähnlich, wie in der Systematik der 'Thiere, dieselbe der Pflanzen auf die anatomische Struktur der letzteren basiren. Ausführlicher aber und vollständiger sind die Untersuchungen tiber den Werth der anatomischen Charaktere von Regnault?), der in seiner Anatomie der Uyclospermeen zu der Ueberzeugung gekommen ist, dass „il est dejä permis de eroire, que son importance est assez grande dans certains cas, puisque les recherches faites jusqu’a ce moment ont toujours montre que les particularites importantes de structure correspondent A des groupes parfaitement naturels“ (pag. 158). 1) Mirbel: Memoire sur l’anatomie et la physiologie des plantes de la famille des Labiees (Annales du Museum d’histoire naturelle. Tome quinzieme. Paris 1810, pag. 213). ?) Chatin: Application de l’anatomie comparee vegetale a la classification. 1840. und Anatomie comparee des Plantes. 3) Regnault: Recherches sur l’anatomie de quelques tiges de Cyelospermdes (Ann. des science. nat, Botanique 1860). u Nach Regnault sind in derselben Richtung viele anatomische Publikationen erschienen, in denen kleinere oder grössere natürliche Gruppen besprochen werden. Von diesen Publikationen kann ich nur auf die wichtigsten hinweisen und deren Hauptresultate kurz anfihren. Van Tieghem') spricht in seiner klassischen Arbeit über Anatomie der Aroideen das Hauptresultat seiner Forschungen in folgenden Worten aus: „les grandes divisions fonddes sur l’anatomie ne coincident pas avec celles que l’on tire de lorgani- sation florale.. Le milieu intervient iei d’une maniere @vidente pour donner la meme strueture fondamentale ä des plantes dout les fleurs sont construites sur des types differents, pour imprimer au contraire une organisation vegetative differente & des vegetaux, qui ont la m&me forme florale“. Dann gruppirt und bestimmt Reinke?) die Verwandtschaft der verschiedenen Gunneraspecies mit anatomischen Charakteren dieser Species. Vöchting?) macht dasselbe mit den verschiedenen Species der Gattungen, die zu den Rhipsalideen gehören. Und schliesslich glaubt L. Radlkofer?) in seiner Monographie der Gattung Seriania den wirklichen Werth für Systematik in bis jetzt vernachlässigten anatomischen Charakteren aufzufinden. Er sagt nämlich: „Die Zukunft des Pflanzensystems liegt darin, dass es aus einem morphologischen ein biologisches werde. Alle biologischen Momente, alles, was den Lebensinhalt jeder Pflanze aus- macht, soll darin zur Geltung kommen, nicht blos ein solches Moment, und sei es auch, wie das in den morphologischen Verhältnissen sich darstellende, von besonders hoher Bedeutung. Vor allem gebührt, um von Anderem hier abzusehen, den anato- mischen Verhältnissen neben den im eingentlichen Sinne so genannten morpholo- gischen die Beachtung im Systeme, denn sie stehen diesen am nächsten und sind selbst, streng genommen, nichts Anderes, als feinere verborgenere morphologische Verhältnisse“ (pag. II). 1) Van Tieghem: Recherches sur la structure des Aroidees (Ann. des seiene. natur. Botanique 1866). 2) Morphologische Abhandlungen von Reinke: Untersuchungen über die Morphologie, die Vegetations- organe von Gunnera. ») Vöchting: Beiträge zur Morphologie und Anatomie der Rhipsalideen (Pringsheims Jahrb, Bd. IX. 1874.). . *) L. Radlkofer: Seriania Sapindacearum Genus monographice deseriptum. München 1875. . — 19 — Aus den angeführten Resultaten der verschiedenen Arbeiten sehen wir leicht, dass sie einmal mehr oder weniger mit einander zusammenstimmen, ein anderes mal aber sind sie einander ganz entgegengesetzt. Das Widersprechen oder Uebereinstimmen der Resultate kann höchstens das bedeuten, dass in verschiedenen kleineren oder grösseren Pflanzengruppen die ana- tomischen Charaktere bei der Bestimmung der Verwandtschaft der Pflanzen auch verschiedenen Werth besitzen. P Die Untersuchungen Van Tieghem’s über Aroideen bestimmen am richtigsten den Werth der anatomischen Uharaktere; sie zeigen namentlich, dass diese Charaktere sich in denselben Verhältnissen befinden, wie die morphologischen der vegativen Organe. Die Untersuchungen der anderen Forscher aber, von welchen Re gnault am deutlichsten eine ganz widersprechende Meinung geäussert hat, erschüttern die Van Tieghem’schen Untersuchungen in keiner Weise. Das Widerspreehen der Meinungen dieser Forscher ist nur relativ und scheinbar, weil ja das Uebereinstimmen der anatomischen Charaktere der Vegetationsorgane mit denen der Blüthenorgane ganz andere Ursache, aber nicht nur die Verwandtschaft haben kann; es konnten nämlich die untersuchten Pflanzengruppen in der Zeit ihrer phyletischen Ent- wickelung in mehr gleichartigen und einförmigen Lebensbedingungen als die Aroideen sich gestalten; deswegen unterlag auch der innere Bau dieser Pflanzen nicht so verschiedenen Umänderungen. Mit einem Wort: die vergleichenden anatomischen Untersuchungen aller dieser Forscher sind noch zu wenig ausreichend, um sicher und vollständig den wahren Werth der anatomischen Charaktere bei der Verwandtschaftsbestimmung der Pflanzen aufzufinden. Die Grenze soleber Untersuchungen geht sehr weit, und Regnault sagt ganz richtig, dass „la vie d’un seul botaniste ne suffirait pas sans doute pour les mener ä bonne fin; mais les efforts r&unis de plusieurs travailleurs peuvent häter la solution du probleme“ (pag. 31). Die vorliegende Arbeit soll dazu theilweise wenigstens als Beitrag dienen. Vor allen aber stellen sich uns hier zwei Fragen entgegen, welche die zwei einzigen möglichen Fälle in sich einschliessen: 1) Ob überhaupt die anatomischen Charaktere der vegetativen Pflanzentheile Verwandtschaftscharaktere sind, die mit denjenigen der Blüthen parallel gehen; d. h. ob die Aehnlichkeit dieser anatomischen Charaktere, so wie die der morphologischen Blüthencharaktere der Pflanzen auf ihre Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 20 — 190 — ; Verwandtschaft hinweise? Oder umgekehrt 2) ob nur die Identität der anatomischen Charaktere, so wie die der morphologischen (zusammen oder von den letzten unabhängig). zeigen, dass nur die verglichenen Pflanzen sich in gleichen Lebens- bedingungen befinden, oder mit anderen Worten: ob die anatomischen Charaktere nur Anpassungserscheinungen sind, die nach verschiedener Lebensweise und verschie- denen Lebensbedingungen der Pflanzen sich auch verschieden verhalten? Diese zwei einzigen Möglichkeiten lassen sich nicht streng von einander trennen; ja sogar sie vereinigen sich in gewissen Punkten und hängen von einander so ab, dass eine die andere nicht ausschliesst. Da aber der anatomische Bau der Pflanze theils sehr lange erblich oder zum Theil erst jetzt angeerbt sein kann, so dass er nur in gewissen Fällen mehr oder weniger den äusseren Einflüssen und Lebensbedingungen unterliegen kann, so kommt noch eine Frage hinzu: 3) Wenn der anatomische Bau von den äusseren veränder- lichen Einflüssen abhängt, wie gross nun die Abhängigkeit ist und wie weit wir aus den anatomischen Charakteren der vegativen Organe, wenn sie dem Vererbungsgesetze folgen, auf die Verwandtschaft der Pflanzen schliessen können. Man muss also die Dignität dieser Charaktere innerhalb einer Species, Gattung, Familie oder einer höheren Ordnung, welche Begriffe, wenngleich relativ, doch immer auf den verschie- denen Werth der Blüthencharaktere basirt, bestimmen. Um die oben gestellten Fragen befriedigend zu lösen, muss man eine grössere Reihe anatomischer Untersuchungen unternehmen: einerseits über nahe verwandte Pflanzen, die aber möglicher Weise unter verschiedenen Bedingungen leben, anderer- seits über Pflanzen, welche in gleichen Lebensverhältnissen sich befinden, die aber im Systeme entfernt stehen. In der vorliegenden Arbeit will ich die Resultate, die ich aus Untersuchungen der erstgenannten Art erhalten habe, angeben. Zu solchen Untersuchungen habe ich die Familie der Primulaceen, welche, ihrem verschiedenen Habitus, ihrer klima- tischen und geographischen Verbreitung und ihren verschiedenen Standorten nach, mög- lichst verschiedene Lebensweise haben, doch aber, was ihre Verwandtschatt betrifft, eine natürliche Familie bilden, ausgewählt. — ll — Das Material für meine Untersuchungen verdanke ich hauptsächlich den Herren: Professor Dr. A. de Bary, Direktor des botanischen Gartens in Strassburg, ‚ Professor Dr. Fr. Cohn in Breslau, Geheimrath Professor Dr. Göppert, Direktor des botanischen Gartens daselbst und Professor Dr. Alexandrowicz, Direktor des botanischen Gartens in Warschau. Zu ganz besonderem Danke fühle ich mich dem Herrn Prof. A. de Bary, unter dessen Leitung diese Arbeit begonnen und beendiet wurde, sowie Herrn Prof. Fr. Cohn für wissenschaftliche Unterstützung im Laufe dieser Arbeit verpflichtet. Die Primulaceen im Ganzen waren bis jetzt noch von Niemanden anatomisch bearbeitet; in der botanischen Literatur aber finden wir grössere und kleinere Aut- sätze, die einzelne Species besprechen. Zwei Arbeiten nur verdienen nähere Auf- merksamkeit: die eine betrifit die Gattung Preimula, in welcher sich eine ziemlich genaue, aber entwickelungsgeschichtlich nicht befriedigende und deswegen kein klares Bild gebende anatomische Beschreibung der Rhizome von Primula sinensis, elatior et offiemalis und Aurieula, von Vaupell') befindet, die zweite über Keimung der Cyelamen und den Bau ihrer Knolle von Gressner°) (ohne anzugeben, welche Species die Untersuchungen betreffen). Ausführliche Referate der Vaupell’schen und Gressner'schen Arbeiten scheinen mir an dieser Stelle überflüssig zu sein; im Laufe dieser Arbeit werde ich mehrfach auf diese, wie auch auf andere Literaturangaben zurückkommen. — Schliesslich muss ich noch hinzufügen, dass, aus Mangel an einer gründlichen Monographie der Primulaceen, ich mich bei der Verwandtschaftsbestimmung und systematischen Gruppirung dieser Pflanzen hauptsächlich an Endlicher‘) und De Candolle*) gehalten habe, 1) Chr. Vaupell: Untersuchungen über das peripherische Wachsthum der Gefässbindel der dieotyledonen Rhizome. Leipzig, 1855. ®) Dr. Heinrich Gressner: Zur Keimungsgeschichte von Cyclamen (Botan. Zeitung. 1874. No, 50, 51 und 52). 3) Endlicher: Genera Plantarum. 1836—50. *) De Candolle: Prodromus systematis naturalis regni vegetabilis. Pars VII. Auet. Duby. z0* ve l, Androsaceen. Von den Androsaceen habe ich folgende Genera untersucht: Primula.') Verschiedene Arten der Gattung Primula verhalten sich im anatomischen Bau ihrer Vegetationsorgane sehr verschieden. Die Primeln, die ich untersucht habe, lassen sich in folgenden vier Typen unterbringen. I. Primula sinensis. Wurzel. Die Hauptwurzel der Keimpflanze geht bald zu Grunde und wird durch viele Nebenwurzeln ersetzt, welche ihrerseits wieder eine grosse Anzahl von Nebenwurzeln erzeugen; auf diese Weise bildet sich ein stark verzweigtes Wurzel- system, deren einzelne Wurzelspitzen sehr dünn und klein bleiben. Ein Längsschnitt durch den Vegetationspunkt der Hauptwurzel (Fig. 1. Taf. 1.) zeigt, dass Bau und Wachsthum derselben dem zweiten (Helianthus-) Typus von Janczewski”) entsprechen. Das nur aus wenigen Initialen (x) bestehende Plerom () lässt sich deutlich von dem, mit einer oder zwei nebeneinander liegenden Initialen wachsenden, Periblem (/) unterscheiden. Die Epidermis (r) umkleidet vollständig das Periblem und geht an der Spitze in eine wenig entwickelte (5 Zellen breite) calyp- trogene Schicht über, welche eine sehr kleine, höchstens aus 3 Zellenlagen bestehende, Wurzelhaube (AR) nach unten und Epidermis nach oben erzeugt. Die calyptrogene Schicht reducirt sich an kleinen Nebenwurzeln, welche sonst denselben Bau wie die Hauptwurzel haben, auf 2 oder sogar auf eine Zelle. Die weitere Entwickelung der einzelnen besprochenen Wurzelelenmente geschieht in folgender Weise: Die Epidermiszellen theilen sich, wachsen in die Länge und bilden Wurzelhaare in Form langer einfacher Schläuche. Die Periblemzellen, und zwar besonders die mittleren, nehmen bedeutend an Grösse zu und gehen bald in Dauergewebe über — sie bilden die Wurzelrinde. Die innerste Zellenschicht wird zur Schutzscheide (s), deren einzelne Zellen die charakteristischen wellenförmigen Membranen zeigen. Die Pleromzellen endlich, die sich vorwiegend der Länge nach 1) Fr. Kamienski: Zur vergleichenden Anatomie der Primeln, Strassburg. 1875. 2) Janezewski: Das Spitzenwachsthum der Phanerogamenwurzel. Bot. Zeitung 1874, me tlıeilen, nehmen eime Janggezogene Form an und werden zu den einzelnen Elementen des Gefässbündeleylinders. Die äussersten Pleromzellen bilden Pericambium (7), in welchem die Nebenwurzeln ihren Ursprung nehmen. Ein Querschnitt durch die Wurzel, einige Millimeter von der Spitze, zeigt den typischen Dikotyledonen-Wurzelbau. Fig. 2 (Taf. I.) stellt einen solchen Querschnitt vor: Unter der mit vielen Wurzelhaaren (2) versehenen Epidermis (n) liegt gewöhn- lich eine aus 3—4 Zellschichten bestehende Rinde (%k), deren äussere und innere Zellen wenig grösser als die Epidermiszellen sind, die mittleren dagegen die letzteren mehrfach an Grösse übertreffen. Die Schutzscheide (s), welche den Gefässbündel- cylinder umhüllt, besteht aus Zellen, die etwas kleiner als die der daneben liegenden Rinde sind, und deren Scheidewände deutlich die schwarzen Caspary’schen Punkte zeigen. Der Gefässbündeleylinder, von dem einschichtigen Pericambium (p) umgeben, ist gewöhnlich di- selten triarchisch. Es sind zwei Holztheile (z), welche aus einigen Ringgefässen bestehen, und mit denselben alternirend zwei Basttheile (p%), in denen einige Siebröhren sich befinden. Der einfache, typische Wurzelbau ist nur in jungen Wurzeln, nicht weit von der Spitze zu finden, später ist er durch secundäres Dickenwachsthum vollständig unkenntlich. Wenn man mehr nach oben, weiter von der Wurzelspitze entfernt, Quer- schnitte macht, so bemerkt man, dass die Zellen, welche jeden Basttheil von beiden Holztheilen trennen, zahlreiche T'heilungen zeigen und zwei Cambiumpartien bilden, die je einem Basttheil entsprechen. Durch Thätigkeit dieses Cambiums wird das Diekenwachsthum der Wurzel verursacht. Die neuen Holzelemente ordnen sich in der Weise, dass sie mit den beiden Holztheilen einen eylindrischen Holzkörper bilden. In derselben Zeit verschmelzen die beiden oben besprochenen Cambiumpartien ver- mittelst der nach aussen von dem diarchen Holzkörper liegenden Pericambiumzellen zu einem Cambiumring, welcher den inneren neu gebildeten Holzkörper umgibt. Nachdem dies geschehen, werden durch die Thätigkeit dieses Cambiumringes regel- mässig nach innen Holz- und nach aussen Bastelemente abgelagert, hierdurch ver- grössert der Gefässbündeleylinder der Wurzel beträchtlich seine Dicke und übt auf die anderen nach aussen liegenden Gewebe einen Druck aus, gegenüber welchem sich dieselben verschieden verhalten. Zuerst geben die äusseren Bastzellen diesem Drucke nach, indem sie sich tangential strecken und radial theilen; so verhalten sich auch die Pericambiumzellen, welche sich später mit dem Baste vollständig vereinigen. Die Schutzscheide zeigt in diesem Falle ein merkwürdiges Verhalten: die Zellen derselben strecken sich auch tangential und theilen sich radial. Dies geschieht mit solcher Regelmässigkeit, dass die ursprünglichen Zellen in ihrer Lage noch sehr ‘gut erkannt werden können. Die Schutzscheidezellen zeigen verdickte Membranen und bilden die äusserste Zelllage der Wurzel, weil die übrigen Gewebe, Rinde und Epidermis, welche dem Diekenwachsthum nicht folgen können, abgeworfen werden. Die Schutzscheide vertritt also an älteren Wurzeln gleichsam die Epidermis. Betrachtet man den Querschnitt einer alten Wurzel, so ist es auf den ersten Blick nicht leicht, die Struktur derselben zu erklären. Das geschieht aber leicht, wenn man, wie oben gezeigt, die Entwicklungsgeschichte zur Hülfe nimmt. Wie Fig. 3 (Taf. I.) zeigt, liegt in der Mitte der Wurzel der eylindrische Holz- körper (x), welcher aus Gefüssen und ziemlich vielen Holzzellen besteht, und in welchem noch das primäre diarche Holz mit seinen durch geringere Querschnittsgrösse sich von anderen unterscheidenden Gefässen, zu bemerken ist. Dann kommt ein geschlossener Cambiumring (ec), welcher den Holzkörper von dem nach aussen liegen- den Bastring trennt. Der letztere (ph) besteht aus prosenchymatischen Zellen, deren Wände eollenchymartig verdickt sind. Zwischen diesen liegen gruppenweise zerstreut sehr kleine Elemente, welche Siebröhren zu sein scheinen, Dies Alles umgiebt die stark entwickelte Schutzscheide (s), deren grosse primäre Zellen durch’Querwände in mehrere kleinere getheilt werden. Bei alten Wurzeln findet oft Borkenbildung statt, indem im Bastringe eine Phellogenschicht entsteht, welehe einen Theil des Bastes nach aussen abtrennt und die Wurzel mit einer Korkschicht umgiebt. Hypokotyles Stengelglied. Es ist schwer, bei einem Keimpflänzchen der Primula sinensis eine scharfe Grenze zwischen Wurzel und hypokotylem Gliede zu ziehen, weil die Wurzel ganz allmählich in das hypokotyle Glied iibergeht. Der ganze Unterschied besteht darin, dass man an dem letzteren keine Nebenwurzeln bemerkt. Dieses Merkmal passt nicht nur auf die Keim-, sondern auch auf die ältere Pflanze, bei welcher das hypokotyle Stengelglied immer wurzellos bleibt oder doch nur sehr wenig Adventivwurzeln bildet. Der anatomische Bau des hypokotylen Stengelgliedes unterscheidet sich auch nicht viel von dem der Wurzel. Erst nahe bei der Ansatzstelle der Kotyledonen — 159 — bemerkt man am (Querschnitt in der Mitte des Holzkörpers einige Markzellen und sieht den Holzkörper und, dem entsprechend, den Bastring in zwei Theile sich gruppiren, um zwei Gefässbündel zu bilden, welche den Kotyledonen angehören. Weiter nach oben, näher den Kotyledonen, spalten sich die zwei Bündel zuerst in drei, dann in vier und schliesslich dicht unter der Kotyledonenansatzstelle in fünf Gefässbündel, von welchen zwei Kotyledonar-, die anderen die Blattspurstränge der am Stengel erstentstandenen Blätter vorstellen. In dem hypokotylen Stengelglied findet gerade so, wie in der Wurzel und im Stamm, von welchem weiter die Rede sein wird, Diekenwachsthum statt, wobei die Schutzscheide dasselbe Verhalten zeigt, wie an der Wurzel. Stengel (Rhizom.) Der Stengel eines Keimpflänzchens von Primula sinensis im Längsschnitt Fig. 5. (Taf. I). Der Vegetationspunkt (v) des Stengels ist klein und sehr wenig gewölbt oder flach; man bemerkt an demselben in spiraliger Anord- nung die Blattanlagen, die sich bald zu jungen Blättern umwandeln. Die histiologische Struktur des Vegetationspunktes bietet nichts Besonderes dar. Es ist ein meristematisches Gewebe, dessen äusserste Zellen als Epidermis zu bezeichnen sind, während die übrigen keine Sonderung in Plerom und Periblem im Hanstein’schen') Sinne erkennen lassen. Die Differenzirung der Gewebe in Vegetationspunkte, so wie die Entwicklungs- geschichte der Geftässbündel von Primula sinensis stimmt mit den Angaben von Sanio?) und von Vöchting*) überein. Es ist aber zu bemerken, dass auf ent- sprechenden Querschnitten die Differenzirung des Urmarks hier nicht vor der Entste- hung des Verdickungsringes stattfindet, was wohl in der flachen Gestalt des Vege- tationspunktes und in der raschen Entwickelung der Blätter seine Ursache haben mag. Auf dem in Fig. 1 (Taf. II) abgebildeten Querschnitte durch den Vegetations- pundt bemerkt man dicht unter der Epidermis an einer Stelle, welche der jüngsten Blattanlage entspricht, 2 oder 3 Zellen in rascher Theilung begriffen; bald darauf sieht man an zwei anderen Stellen, den nächst jüngsten, zwei Blattanlagen entspre- chend, ähnliche Zelltheilungen eintreten, so dass drei Gruppen von kleinen Zellen 1) J. Hanstein: Die Scheitelzellgruppe im Vegetationspunkt der Phanerogamen. 1868. 2) Sanio: Bot. Ztg. Nr. 47 ff. 1863. 3) Vöchting: Beiträge zur Morphologie und Anatomie der Rhipsalideen: Pringsheim’s Jahrb. Bd. IX. 1874. entstehen, welche sich schnell zu einem Ring (Fig. 2. Taf. II.) mit einander verbinden, indem zwischen ihnen neue Zelltheilungen stattfinden, welehe von der Entstehung neuer Blattanlagen abhängen. Dieser Ring (Fig. 3. Taf. II.) ist nicht gleichmässig dick: an der Stelle, welche der jüngsten Blattanlage entspricht, besteht er nur aus einer Zelle, während er unter der ältesten Blattanlage ungefähr 5 Zellen dick ist und hier einen Procambiumstrang darstellt. Auf einem in Fig. 3. (Taf. 11.) gezeigten, mehr nach unten durchgeführten, Querschnitte komnıt der älteste Procambiumbiindel fast zur vollen Entwickelung: er bekommt nämlich die ersten Siebröhren im Baste. Die zwei jüngeren Bündel findet man schon weit in der Enntwickelung vorgeschritten, sie bilden aus kleinen Zellen bestehende Procambiumgruppen; aus den zwischen diesen Bündeln liegenden Zellen werden neue kleinzellige Gruppen — das Procanıbium der Interfaseieularbündel — gebildet. Die weitere Entwickelung der Gefässbündel aus einzelnen Procambiumsträngen zeigt nichts Besonderes; es muss aber hervorgehoben werden, dass es kein primär angelegtes Holz giebt. Die Holzgefüsse kommen sehr spät zur Entwiekelung. Erst nachdem die Bastgruppen (Fig. 4. Taf. I.) ihre vollständige Ausbildung erreicht haben und das Cambium (ce), welches hier normal angeordnet ist, seine Thätigkeit begonnen hat, bilden sich aus den Zellen desselben die ersten Holzgefässe. Der eben erwähnte, auch für andere Primeln dieses Typus charakteristische, Vorgang ist sehr auffallend, da man auf Querschnitten weit unterhalb des Vegetationspunktes, wo schon alle Gefässbindel zu einem Ring verschmolzen und viele Bastgruppen vorhanden sind, innerhalb der letzteren nur ein mehr oder minder entwickeltes Cambium, aber kein Holz zu sehen bekommt. Dieses tritt erst in den ältesten Blattspuren auf.) Damit stimmt auch die nicht seltene Erscheinung überein, dass in der Lamina der älteren Blätter die Endnerven und ihre Anastomosen blos aus Bastbündeln bestehen. Die Entwickelung des Markes und der Rinde ist ganz einfach. Die innerhalb des Gefässbündelringes liegenden Zellen vergrössern sich und bilden das Mark — das Parenchym mit verhältnissmässig sehr kleinen Intercellularräumen, die nach aussen wenig an Grösse zunehmen und zu Rindenzellen werden. Die innerste Zellen- schicht der Rinde bildet die Schutzscheide, deren Zellen etwas kleiner, aber mehr tangential gestreckt sind. 1) Ein ähnliches Verhalten habe ich im Rhizom von Stachys palustris gefunden. — 1517 — Der Verlauf und die Anordnung der Gefässbündel, welche bald ihre Indi- vidualität verlieren und zu einem an wenigen Stellen unterbrochenen Ring zusammen- schmelzen, hängt bei den Primeln, wo der Stengel aus ganz verkürzten Internodien besteht, mit der Blattstellung auf’s innigste zusammen. Fig. 4. (Taf. II.) stellt einen Stengelquerschnitt vor, wo man im Gefässbündel- ringe 6 Gefässbündelgruppen bemerkt, von denen 3 kleinere (1, 2, 3) die Blattspuren der nächstoberen Blätter sind, und 3 zwischen denselben liegende grössere (4+7, 5+8 und 6). Von diesen zeigen wiederum zwei eine deutliche Zusammensetzung aus 2 Gruppen (4+7 besteht aus 4 und 7 und 5+8 aus 5 und 8), so dass man im Ganzen auf dem Querschnitt 8 mehr oder minder gesonderte Gefässbündelgruppen zählt. Die Zahl spricht für die °/s Blattstellung, was gerade mit dem bei dieser Stellung construirten Schema des Gefässbindelverlaufs und der Anordnung am Quer- schnitte vollständig übereinstimmt. Ich habe noch versucht an Querschnitten die Winkel, welche die successiv in die Blätter eintretenden Blattspuren mit einander bilden, zu messen. — Die mittlere, aus vielen Messungen erhaltene Zahl ist 135°, welche der ®/s Stellung auch vollständig entspricht ') ; Es sei hier noch bemerkt, dass an dem, aus den Blättern austretenden Gefäss- bündel drei Theile zu unterscheiden sind, so dass also eine Blattspur ursprünglich aus drei Gefässbiindeln besteht. Der Bau der Gefüssbündel im fertigen Zustande stimmt mit dem der meisten Dikotylen überein; die Gestalt der Gefässbündel und Bestandelemente der letzten ist leicht aus der Fig. 4. (Taf. I.) zu erkennen. Der nach aussen liegende Bast (ph) besteht aus langen, der Grösse nach verschiedenen Zellen, deren Membranen schwach verdickt, aber weichbastartige Beschaffenheit besitzen, indem sie einen anderen Liehtbrechungscoefficient haben und im Querschnitt hell aussehen. Dazwischen liegen die oben besprochenen Siebröhrengruppen, deren Siebröhren ihrer ungemeinen Klein- heit wegen sehr schwer zu finden und später nicht mehr recht zu unterscheiden sind. 1) Dieser Gefässbündelverlauf entspricht demjenigen von Androsace septentrionalis, wovon wir später sprechen werden, mit dem Unterschied anderer Zahlenverhältnisse. Fig. 12. (Taf. VI.), welche ein Schema des Gefässbündelverlaufs von Androsace seplentrionalis vorstellt, wird also für Primula sinensis dienen können; nur ist bei dieser letzten Pflanze. dieses Schema durch Auftreten von vielen Interfaseieular- bündeln nicht so merklich und deutlich. Alıh. d, nturl, Ges, zu Halle, Bd, XIV, 2 BD) 158 — Das Holz (x) besteht aus Gefässen und Holzzellen. Die Gefässe sind Spiral- mit Uebergängen zu Ringtracheen und aus kurzen, nicht bedeutend langen, ursprünglichen Zellen zusammengesetzt. Die Holzzellen sind mit einfachen Tüpfeln versehene Zellen, deren Membranen schwach verdiekt sind. Zwischen den beiden Elementen des Gefässbindels liegt, wie schon oben erwähnt, das stark entwickelte Cambium, welches durch seine Thätigkeit das Dickenwachsthum vermittelt. Nach aussen sind die Getässbündel mit einer mehr oder minder undulirten Schutzscheide umgeben, welche beim Dickenwachsthum des Stengels dasselbe Verhalten, wie in der Wurzel, zeigt, indem die wenig entwickelte, aus einfachen parenchymatischen Zellen und mit vielen Intercellularräumen versehene Rinde, bei fortschreitendem Dickenwachsthum oft bis auf die Schutzscheide zerstört wird, und deren Spuren manchmal noch am Stengel zwischen den dicht stehenden Blättern haften bleiben. Der Bau des Markes ist ebenso einfach wie derjenige der Rinde. Es besteht aus parenchymatischen mässig grossen Zellen und erfüllt den grösseren inneren Theil des Stengels und stirbt bei lebendigen Pflanzen nie ab. Ich will hier eine Anomalie nicht unerwähnt lassen, weil dieselbe sogar bei Vaupell als em normaler Vorgang Erwähnung gefunden hat. Er sagt nämlich: „Die Kambialzellen befinden sich auch innerhalb der Gefässe (zwischen diesen und dem Mark), sowie zwischen den verschiedenen Gefüssgruppen“ '). Diese Anomalie, welche einen krankhaften Charakter hat, besteht darin, dass einzelne oder mehrere neben einander stehende Gefässe noch in ihrer Jugend mit einer gelben oder braunen, viel Gerbstoff enthaltenden Substanz sich erfüllen und von dem übrigen gesunden Gewebe durch eine meristematische, cambiumartige Schicht von den gesunden Theilen abgetrennt werden (Fig. 3. Taf. II). Geschieht dies bei den dicht am Mark liegen- den Gefässen, so werden diese durch das genannte cambiumartige Gewebe in das Mark hineingerückt, ein Umstand, weleber ein ungewöhnliches Aussehen hervorruft. Zuweilen sind viele Zellen im Marke, in der Rinde und in den Gefässbiindeln mit Gerbstoff und anderen chemisch nieht näher untersuchten Substanzen erfüllt. Blätter. Der anatomische Bau der Blätter ist in seinen Hauptzügen folgender: Die Gefässbündel gehen, wie schon oben bemerkt, in der 3Zahl von dem Stengel in den Blattstiel über, indem sie zu einem Blattbündel verschmelzen. Der 1) Vaupell: ]l. c. pag. 6. — 439 nach aussen, d. h. der unteren Blattfläche zugekehrte Bast biegt sich mit seinem Rande um den Holztheil in der Richtung der Blattoberfläche so nach innen, dass die Blattspur ungefähr eine halbmondförmige Gestalt annimmt, welche im weiteren Verlaufe der Gefässbiindel (Blattnerven) in der Blattlamina nicht mehr zu sehen ist. Fig. 2. (Taf. III.) stellt eben so einen Bündel auf einem Blattstielquerschnitt dar. Die histiologische Zusammensetzung der Gefässbündel ist dieselbe, wie die im Stengel; nur dass im Holztheil die Spiraltracheen alle anderen Elemente vertreten und in den letzten Endigungen der Getässbündel (Blattnerven) in den Blattzipfeln allein übrig bleibend eine pinselartige Anordnung aufweisen. Ein Cambium ist in den Blattspuren nicht vorhanden oder doch nur sehr schwach entwickelt. Es muss hier noch eine interessante anatomische Thatsache erwähnt werden, nämlich das Vorkommen einer mehr oder minder deutlichen, undulirten Schutzscheide um die Blattgefässbündel selbst bis weit in ihre Verzweigungen hinein. Aus der Betrachtung der Blattquerschnitte und der in Kali durchsichtig gemachten Blatipräparate kann man sehr leicht die ganze Blattstructur ermitteln. Den grössten Raum des Querschnitts nimmt das Blattparenchym ein, welches oben ungefähr ein dreischichtiges Pallisadengewebe bildet, dessen Zellen nur wenig länger als breit sind und in ihrem inneren Wandbeleg viele Chlorophylikörner enthalten. Das Parenchym der unteren Blattseite (Fig. 6. Tat. II.) besteht aus lockerem, wenig chlorophylihaltigem Gewebe, dessen Zellen unregelmässig, etwas plattgedrückt, mit Auswichsen versehen sind, mit welchen sie sich gegänseitig berühren und auf diese Weise grosse Inter- cellularräume bilden. Zwischen den beiden Theilen des Blattparenchyms liegen die Gefüssbündel, welche, sich immer mehr verzweigend, kleiner und einfacher werden, so dass sie schliesslich an ihrem Ende auf eine Trachee reducirt werden. Die Epi- dermis der unteren Blattfläche besteht aus tafelförmigen Zellen, deren Scheidewände vielfach gewunden sind. Sie ist reichlich mit Spaltöffnungen versehen, deren Schliess- zellen, der Dicke nach, viel kleiner als die Epidermiszellen sind und deren Oberfläche etwas hinausragt. Gestalt und Entstehung der Spaltöffnungen sind ganz einfach. Sie entstehen aus Epidermiszellen, welche nach zweimaliger Theilung Spaltöffnungsmutter- zellen abschneiden, die sich wieder längs theilen und zwei länglich nierenförmige Schliesszellen, zwischen denen sich die Spalte befindet, bilden. Die Epidermis der Blattoberfläche unterscheidet sich von der Unterfläche nur dadurch, dass ihre Zellen grösser sind und weniger undulirte Membranen besitzen. Die Spaltöffnungen sind RG 468 - hier in geringerer Zahl vorhanden und besitzen einen ganz einfachen Bau, wie dies Fig. 5. (Taf. Il.) zeigt. Interessant ist der Bau der Blattzipfel, deren Epidermis einige grosse neben- einander liegende Spaltöffnungen enthält, unter denen ein paar Schichten kleiner parenchymatischer Zellen liegen, innerhalb welcher sich die oben beschriebenen pinselartig angeordneten Nervenenden befinden. Diese Spaltöffnungen gehören zu der Kategorie der s. g. Wasserspaltöffnungen; sie dienen nicht zum Athmen, sondern um den hydrostatischen Druck innerhalb der Pflanzengewebe zu reguliren, indem der Ueberfluss des Wassers, welches sich in den Gefässen einsammelt, durch diese Spalt- öftnungen in Form von kleinen Wassertropfen ausgeschieden wird. Fig. 7. (Taf. II.) stellt nämlich einen zur Blattoberfläche parallelen Querschnitt eines kleinen Blattzipfels dar. Es sei noch hier angeführt, dass an den Stellen, wo Blattnerven verlaufen, sowie auf dem Blattstiele, die Epidermis aus längsgezogenen Zellen besteht. Eine ähnliche Oberhaut bedeckt auch die sehr kleinen Theile der jungen Stengel zwischen den Blattansätzen, welche, wie oben schon gesagt, dieht an einander stehen. Behaarung. Die Epidermis von Primula sinensis trägt zweierlei Köpfchen- haare, die auf beiden Blattoberflächen besonders reichlich vorkommen. Die genannten Haare (Fig. 8. Taf. I.) bestehen meistens aus zwei Zellen, von welchen eine kurze eylin- drische untere die Stielzelle und eine kugelige obere das Köpfchen bildet. Die Zellen zeigen schaumigen Inhalt mit grossen Vacuolen und werden, wie die Epidermis, mit einer dünnen Outicula überzogen, unter welcher eine dünne wohlriechende Substanz entsteht. Die Bildung dieser Substanz geschieht auf dem Gipfel des Haares und auf dieselbe Weise, wie es Hanstein!') bei Syringa vu’garis beschrieben hat. Fig. 8. (Taf. I.) stellt verschiedene Entwickelungsstadien dieser Flüssigkeit vor. Zuerst auf der Spitze des Köpfchens zwischen der Outicula und der eigentlichen Membran der Zelle scheidet sich die subeutieulare Substanz aus. Das Quantum derselben wird immer grösser und die Cuticula immer mehr aufgeblasen “5, c, d und e), bis sie schliesslich platzt und die Substanz ausfliessen lässt. Dass die Substanz sich nicht etwa in der Zelle bildet, sondern ächt subeutieulären Ursprungs ist, kann man leicht nachweisen, wenn man allmälig die Substanz in verschiedenen Stadien der Entwickelung mit Alkohol auszieht. Fig. 8. (Taf. 1.) /, g und % zeigt nämlich so behandelte Haare, wo g und % 1) Hanstein: Bot. Zeit. 1868. S. 697. 2 eh einige anomale Fälle darstellen; sonst sind die Zeichnungen von selbst vollständig genug und bedürfen keiner näheren Erklärung. Meyen') hat schon im Jahre 1837 den Bau dieser Haare, für seine Zeit ziemlich vollständig, untersucht. Jetzt aber sind seine Beschreibungen ohne Werth, indem sie ‚mit unseren jetzigen Begriffen über Zelltheilung nicht übereinstimmen. Bei der Ortsbestimmung der Bildung der subeuticularen Substanz sagt er: „Drüsen- köpfehen in denjenigen Zuständen, wie sie in den Fig. 11, 12, 8 und 9 dargestellt sind, schwitzen dann die ätherische Flüssigkeit durch ihre Zellwände‘“ (pag. 28), was, wie wir aus dem oben Gesagten gesehen haben, nicht richtig ist. Die anderen Haare sind den besprochenen sehr ähnlich, nur sitzen sie, wie Fig. 6. (Taf. 1.) zeigt, auf einem langen Stiel, welcher aus 2, 3 bis 4 .Zellen besteht, von denen die zwei untersten langausgezogen und etwas breiter als die übrigen sind; sie secerniren keine Substanz aus. Die Entwickelungsgeschichte dieser Haare ist sehr einfach. Sie entstehen aus auswachsenden Epidermiszellen, die sich in mehrere Zellen theilen, von welchen die oberste immer zu einem Köpfchen wird und die unteren den Stiel bilden. Fig. 7. (Taf. I.) stellt verschiedene Entwickelungsstadien dar. Blüthenstandsaxe. Die Blüthenstandsaxe, welche auf ihrer Spitze den Blüthenstand trägt, ist ein Achselspross. Der anatomische Bau derselben unterscheidet sich von dem des Stengels dadurch, dass hier ein Sclerenchymring auftritt, welcher ausserhalb der einzelnen, nicht zu einem Ring verschmolzenen Gefässbündel, liegt, von welchen Fig. 1. (Taf. III.) einen zeigt, und sie zum Theil umgibt. Die Scleren- chymzellen sind Rinden- und Markstrahlenzellen, die sehr stark ‚verdickte, eintach getüpfelte Membranen besitzen und hier als specifische mechanische Zellen in Schwendener's?) Sinne fungiren, indem sie zur Unterstützung der langen, dünnen, aufrechtstehenden und an ihrem Gipfel die schwere Inflorescenz tragenden Spindel dienen. Die Gefässbündel, deren Zahl sehr wechselt und oft 20 übersteigt, haben (auf dem Querschnitt) Keilform mit breitem nach aussen gekehrten Ende und unter- scheiden sich im Bau nicht von denen des Stengels. Dies lässt sich auch von Mark und Rinde sagen. Eine der Schutzscheide entsprechende Zellschicht ist auch hier 1) F. J. Meyen: Ueber die Sekretionsorgane der Pflanzen. Berlin. 1837. 2) Schwendener: ige: g 2 — vorhanden. Sie liegt ausserhalb des Sclerenchymringes und führt Stärkekörner; die charakteristischen Caspary’schen Punkte sind hier auch zu bemerken. Die Epidermis, welche die Spindel bedeckt, unterscheidet sich nicht von der des Blattstiels. Sie trägt Spaltöffnungen und beiderlei Haare, von welchen die nicht secernirenden lang sind und oft aus 6—7 Zellen bestehen. Die Entwickelungsgeschichte dieser Gewebe der Blüthenstandsaxe ist dieselbe, wie die des Stengels; hier wie da entsteht zuerst ein meristematischer Ring, in welchem einzelne Procambiumstränge sich differenziren, aus denen später Gefässbündel und aus dem dazwischen gebliebenen Gewebe Sclerenchym ausgebildet wird. In Fig. 4. (Taf. III) sehen wir im @Querschnitte die Entstehung der Procambiumstränge, in welchen schon ‚die Protophloemzellen ausgebildet sind. Folgende von mir untersuchte Primeln schliessen sich in ihrem anatomischen Bau an den obenbesprochenen Typus an: Primula Boveana. Die Wurzel, wie der Stengel sind wie die der P. sinensis gebaut, mit dem Unterschied jedoch, dass die Wurzel am häufigsten triarche Holz- körper aufweist, der Bau des Stengels durch reichliche Wurzelbildung, welche ihren Sitz im Cambium hat, complieirt wird, und dass die Thätigkeit des Cambiums bei der Bildung des Holzes hier noch deutlicher als bei Pr. sinensis ist. Der Haupt- unterschied besteht im Baue des Gefässbündelsystems des Blattstiels, dessen @uer- schnitt Fig. 5. (Taf. III.) zeigt. Hier besteht es aus drei getrennten, nicht wie bei Pr. sinensis verschmolzenen Gefässbündeln, die im Querschnitt eine keilförmige Gestalt besitzen und von einander durch einige Parenchymschichten getrennt sind. Nie sind so angeordnet, dass sie mit ihren spitzen Enden ungefähr zusammenstossen. Was ihren Bau betrifft, so zeigen sie, wie wir aus der erwähnten Figur sehen, ein stark entwickeltes Cambium, welches dafür zu sprechen scheint, dass die Blätter nicht nach Verlauf einer kurzen Zeitperiode abfallen und durch neue ersetzt werden, sondern dass sie etwa perennirend sind, was auch mit der Beobachtung übereinstimmt. Der Holz- und der Basttheil unterscheiden sich von denjenigen der Primula sinensis nicht; nur im Holztheile findet man verhältnissmässig mehr Holzzellen als Gefüsse, von welchen die ersteren verdiekte und mit einfachen Tüpfeln versehene Zellwände besitzen. = Am Primula corthusoides. Die Stengelinternodien sind kürzer als die der Pr. sinen- sis, so dass die Blätter noch mehr gedrängt stehen. In den Blattachseln bilden sich reichlich Seitenknospen, die sich bald, je älter sie werden, mit vielen Wurzeln am Boden befestigen und, sich von der Mutterpflanze ablösend, zu selbstständigen Pflanzen werden, wodurch ein rasenförmiger Wuchs bedingt wird. . Die Wurzeln haben denselben Bau, wie die der Pr. sinensis; ihr Gefässbündel- eylinder ist gewöhnlich tetrarch. Das Diekenwachsthum geht auch auf dieselbe Weise vor sich. Fig. 1. (Taf. IV.) stellt einen Querschnitt von einer alten Wurzel vor, welche durch Dickenwachsthum ihre ursprüngliche Form schon geändert hat. Beim ersten Blick fällt sogleich die sehr kleme (Quantität der Gefässe ins Auge; in der Mitte liegt ziemlich grosses parenchymatisches Wurzelmark; ein Cambiumring bildet neue Bast- und Holzelemente, in den letzten aber sind meist nur Holzzellen und wenige Gefässe enthalten, welche zwischen dem primären tetrarchen Holzkörper in 4 Partien gruppirt sind und einen vierstrahligen Stern bilden, welcher sich mit den primären Holztheilen kreuzt. Der Bau der Stengel und Blätter ist von dem der Pr. Boveana nicht zu unterscheiden, es ist jedoch zu bemerken, dass im Holztheil der Gefässbindel ver- hältnissmässig viel weniger Gefässe vorhanden sind als bei den obengenannten Primeln, und dass die Blattspur aus einem grossen, nierenförmigen Gefässbiindel besteht, dessen Struktur dieselbe ist, wie bei Pr. sinensis. Das Uharakteristische ist aber für Pr. cor- thusoides das Vorkommen der Sclerenchymzellen im Marke. Diese Zellen sind ein- fache, parenchymatische Markzellen, deren Membranen sehr stark verdickt und mit vielen verzweigten Tüpfeln versehen sind. Die Selerenchymzellen sind gruppenweise (Fig. 6. Taf. III.) geordnet und füllen fast das ganze Mark aus bei kleineren Pflanzen. Sie begleiten oft noch eine kleine Strecke weit die in die Blätter eintretenden Gefässbindel, hören hier aber bald auf und sind nur vereinzelt im Blattstiel zu finden. Solche vereinzelte Sclerenchymzellen befinden sich auch in der Rinde des Stengels. Schliesslich will ich noch bemerken, dass die nicht secernirenden Haare viel länger sind und bis aus 10 Zellen bestehen. = 164 II. Primula elatior. Wurzel. Bei dieser Primel stirbt, wie bei den anderen, die Hauptwurzel bald ab und wird durch Adventivwurzeln ersetzt. Ich habe nicht Gelegenheit gehabt, die Hauptwurzel zu untersuchen. Die Adventivwurzeln sind zahlreich, viel dicker als bei den vorigen Primeln, nicht so stark verzweigt, sondern meist einfach. Die Wunzelspitze, die hier grösser ist, so dass die Initialen des Plerom, des Periblems und der calyptrogenen Schichte aus zahlreicheren Zellen bestehen, ist nach demselben Bau- und Wachsthumtypus gestaltet. In ihrer weiteren Entwickelung verhalten sich die Wurzeln anders als die der Pr. sinensis, indem das Dickenwachsthum, wenn es iiberhaupt eintritt, so unbedeutend ist, dass die primäre Struktur der Wurzel immer deutlich zu erkennen bleibt. Ein Querschnitt durch eine junge Wurzel zeigt folgen- des: In der Mitte liegt ein typischer, in der Regel pentarcher Gefässbündeleylinder, dessen Holztheile nicht zusammenstossen, sondern ein aus einer Anzahl parenchy- matischer Zellen bestehendes Wurzelmark übrig lassen. Nach aussen liegen das schwach entwickelte Pericambium, die Schutzscheide, die Rinde, welche aus verhält- nissmässig kleinen, aber zahlreichen Zellen besteht, und die Epidermis. Mit dem Alter, wie wir das aus der Fig. 2 (Taf. IV.) sehen, werden die eben beschriebenen Strukturverhältnisse nicht verändert, nur das Wurzelmark wird ganz selerenchymatisch, indem seine’Zellen stark ihre Membranen verdicken und einfache Tüpfel bekommen. Zwischen Bast und Holz bildet sich ein schwach entwickeltes Cambium, welches einige wenige Holzgetässe und Bastelemente erzeugt, die sich an die primären anlegen. Die übrigen nach aussen liegenden Gewebe, von welchen die Rinde hier die Haupt- masse der Wurzel bildet, gehen in Dauergewebe über, indem ihre Zellen etwas grösser werden und ihre Membranen sich schwach verdicken. Stengel. Die Struktur des Stengels ist bei Preimula elatior viel complicirter als bei Pr. sinensis und durch zahlreiche und sehr früh eintretende Adventivwurzel- und Achselsprossbildungen schwer verständlich. Um sich ein klares Bild über den Bau des Stengels und seiner Gefässbündel zu machen, müssen wir den Vegetations- punkt betrachten und die Entwickelungsgeschichte verfolgen. Dieser Vegetationspunkt ist in Gestalt nnd Bau von dem der Pr. sinensis nicht zu unterscheiden. Dasselbe gilt für die Differenzirung der Gewebe und die erste Anlage der Gefässbündelelemente. Hier findet man auch einen an den Stellen, wo sich die Blattspuren abtrennen, — 165 — unterbrochenen Gefässbündelring, dessen histiologische Zusammensetzung auch die- selbe ist, indem nach aussen Bast und nach innen Holz sich befindet und der mittelst eines normal liegenden Cambiums in die Dieke wächst. Es kommt aber eine Compli- kation dazu, welche darin besteht, dass sich ein zweites Gefässbündelsystem bildet, welches in direeter Verbindung mit dem der Adventivwurzeln steht, und das Blatt- spurbündelsystem von aussen in Form eines komplieirten Netzes umgiebt. Wenn man Stengelquerschnitte, die nicht weit vom Vegetationspunkt gemacht sind (Fig. 3. Taf. IV.), betrachtet, so bemerkt man, dass ausserhalb der schon entwickelten Gefäss- bündel die dicht am Bast anliegenden Zellen sich tangential theilen und ein cambium- artiges Gewebe bilden, welches mit der weiteren Entwickelung der Getässbündel den ganzen Gefässbündelring umgibt. Diese Art Cambium ist nicht gleichmässig entwickelt; in einigen Stellen, wo die Wurzeln entstehen, ist es bis 5 Zellen diek, in anderen viel weniger und auf 1—2 Zellen reducirt. Hiervon auch hängt seine grössere oder geringere Thätigkeit ab, welche darin besteht, dass seine inneren Zellen zu neuen Holz- und Bastelementen werden, die das obengenannte Gefässbündelsystem bilden. Diese Bündel bestehen in einigen Stellen aus lauter Holzgefässen, an anderen aus Holz- und Bastbündeln. In Anordnung und Verlauf zeigen sie eine sehr grosse Verschiedenheit und Unregelmässigkeit. Zuweilen verlaufen sie in derselben Richtung wie die Blattspurgefässbündel, was jedoch selten der Fall ist; meistens machen sie in ihrem Verlauf mit den letzteren einen mehr oder weniger grossen Winkel, so dass sie zur Richtung des Stengels fast perpendikulär verlaufen und auf Stengel- querschnitten (Fig. 4. Taf. IV.) in ihrem Längsschnitt in senkrechter Lage zu den Blattspurbündeln zu liegen kommen; auf Längsschnitten kehrt sich dies Verhältniss um: die ersteren sieht man alsdann in Längsrichtung, die zweiten in Querrichtung. Auf den in Kali durchsichtig gemachten Präparaten ist die Unregelmässigkeit des oben beschriebenen Verlauts und das Verhältniss der secundären zu den primären Biündeln am deutlichsten zu sehen. Fig. 5. (Tat. IV.) stellt ein solches Präparat vor; hier kann man den Verlauf dieser Bündel ungefähr so bestimmen: sie gehen von der Wurzelbasis 5 nach allen Richtungen und vereinigen sich theils mit den Bündeln, die von anderen Wurzeln herkommen, theils aber, wie bei d, sich an Stengelgefüäss- biindeln anlegen. Die Adventivwurzeln des Stengels entstehen sehr früh im äusseren Cambium. Die Art und Weise der Entstehung in ihren ersten Anlagen konnte ich nicht mit Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 22 166 — Genauigkeit verfolgen. Es ist nur das sicher, dass das Blattspurgefässbündelsystem mit der Entstehung der Wurzel in keiner direeten Beziehung steht und dass die Vermittelung zwischen beiden Gefässbündelsystemen — des Stengels und der Wurzel — durch die oben beschriebenen, ausserhalb des ersteren liegenden Bündel des Stengels hervorgebracht wird, indem diese gerade da, wo die Wurzel anfängt, am meisten entwickelt sind und, sich zum Gefässbiindeleylinder anordnend, divekt in die Wurzel eintreten. In älteren Stengeltheilen und überhaupt da, wo keine Adventivwurzeln gebildet werden, hört die Thätigkeit des äusseren Cambiums schon früh auf; es kommt an diesen Stellen aussen eine Schutzscheide, deren Zellen sehr deutliche Undulationen der Membranen zeigen, zur Entwickelung. Die Selerenehymgruppen, deren Zellen, je nach Lage, kürzer oder länger sind und sieh sonst von denjenigen der Pr. corthusordes nicht unterscheiden, stehen mit den Gefässbündeln in Verbindung Sie liegen entweder innerhalb derselben im Marke oder zwischen den primären und secundären Gefässbiindeln; sie treten „mit den letzten in die Wurzel ein, um das oben beschriebene Wurzelmarkselerenchym zu bilden. Der Bau des Markes und der Rinde ist bei Pr. elatior derselbe wie bei Pr. sinensis; nur ist hinzuzufügen, dass die äusseren Zellen des secundären Cambiums zur Rinde werden, indem sie sich regelmässig radial anordnen und eine ungefähr 4—5 Zellen dicke Schicht darstellen. Die Zellen. dieser Gewebe und besonders die des Markes besitzen in ihrem Alter derbe, etwas verdickte und mit grossen einfachen Tüpfeln versehene Membranen, . Die Blätter sowie die nach Irmisch immer terminale Blüthenstandaxe '') unterscheiden sich in ihrer Struktur nicht von denen der obengenannten Primeln, nur der Bau der Gefässbindel im unteren schmalen Ende der Blätter (die bekannt- lich sitzend, nicht gestielt sind), welcher sonst, wie bei Pr. corthusordes gebaut ist, zeigt eine kleine Abweichung: sie sind nach aussen mit einem selerenchymatischen Bogen umgeben, und nach innen ist die Einbuchtung des Holztheiles mit ähnlichen Sclerenchymzellen ausgefüllt. 1) Thilo Irmisch: Zur Morphologie der monokotylischen Knollen und Zwiebelgewächse. S. 184. — 167 — Die Behaarung ist auch dieselbe, nur sind die nicht secernirenden Haare länger und bestehen aus mehreren, bis 10 Zellen. An diesen Bautypus schliesst sich unmittelbar Pr. offieinalis an, welche durch- aus in allen ihren Einzelheiten dieselbe Struktur wie die der Primula elatior besitzt. II. Primula Aurieula. Wurzel. Die Hauptwurzel mit ihren Nebenwurzeln, welche von derjenigen der Primula elatior nur durch die geringe Zahl der Elemente verschieden ist, geht wie dort, bald zu Grunde und wird durch Adventivwurzeln ersetzt, die ebenfalls nur durch die Abwesenheit oder das seltene Vorkommen des Markselerenchyms von denen der genannten Pflanze verschieden sind. Das hypokotyle Stengelglied ist in seinem Bau die Fortsetzung der Wurzel mit dem Unterschied, dass im Gefässbündeleylinder zwei Basttheile um einen in der Mitte liegenden Holztheil auftreten, welcher Holztheil seinerseits weiter oben auch in zwei Theile zerfällt. Auf diese Weise entstehen zwei Bündel, welche plötzlich in die zwei Kotyledonen eintreten, indem sie in der Mitte ein einziges Stammbiündel zwischen sich lassen. Stengel. Die anatomische Struktur des Stengels weicht nicht nur von der der beiden vorhin beschriebenen Typen, sondern auch vom allgemeinen Dikotylen- typus ab und nähert sich, wie schon Vaupell') gezeigt hat, der der Monokotylen. Wenn man einen Stengelquerschnitt betrachtet, so bemerkt man keine Differen- zirung zwischen Rinde und Mark, die ganze Schnittfläche stellt ein gleichmässiges Parenechym dar, welches demjenigen der Wurzelrinde in seiner histiologischen Zusammensetzung vollständig gleicht. In diesem Parenchym liegen einzelne Gefäss- bündel, welche in der Peripherie des Stengels in verschiedener Zahl (meistens 15 —20) in einen Kreis geordnet sind, ‚innerhalb dessen viele einzelne Gefässbündel zerstreut stehen (Fig. 6. Taf. IV.). Dicke, in Kali durchsichtig gemachte Präparate, von welchen eines in Fig. 1. (Taf. V.) abgezeichnet ist, zeigen, dass sowohl die peripheri- 1) Vaupelll. ce. pag. 15. ee schen als auch die in der Mitte zerstreuten Gefässbündel 'einen sehr verschiedenen, unregelmässigen, meist schiefen, vielfach gebogenen Verlauf haben, indem sie noch init einander zahlreiche Anastomosen bilden. Um sich ein klares und verständliches Bild über diesen complieirten Verlauf der Getässbündel zu machen, müssen wir mit dem Keimpflänzchen, wo die Verlaufs- verhältnisse sich am einfachsten darstellen, anfangen. In einer Keimpflanze (Fig. 2. Taf. V.), welche schon ungefähr sechs ausgebildete Blätter hat, sehen wir, dass die Blattspurbündel, welche je von einem Blatt kommen, sich direet an das nächst folgende legen, so dass wir im Stamm nur ein centrales Getässbündel sehen. Bald aber treten mit dem Wachsthum des Stengels und der Entstehung neuer Blätter Complikationen ein. Die in den Stengel eintretenden Bündel behalten immer länger ihre Selbständigkeit, verlaufen einige Internodien weit nach unten, dabei oft einen Bogen nach rechts oder nach links beschreibend, und legen sich erst später an irgend ein anderes von ihnen getroffenes Getässbündel an, oder begleiten dasselbe vorher durch mehrere Internodien abwärts; so z.B. in Fig. 7. (Taf. IV.), wo das Bündel 5 sich nicht an den mittleren, sondern an a, der mehr unten verläuft, anlegt. Die Stelle, wo sich die betreffenden Bündel anlegen, ist also keine bestimmte und hängt auch nicht mit der Blattstellung zusammen, welche bei dieser Aurikel °/; zu sein scheint. Dieser noch ziemlich einfache Gefässbündelverlauf wird bei älteren Stengeln, an denen sich viel mehr entwickelte und grössere Blätter befinden, viel complicirter. Die grösseren Blätter der Aurikel sitzen mit breiter, eine grosse Anzahl, bis 20 Gefäss- bündel enthaltenden, oft mehr als die Hältte des Stengelumfanges umfassenden Basis dem Stengel an. Die medianen eingetretenen Blattspurbündel am Stengelquerschnitte (Fig. 6. Tat. IV.) sind im Kreise geordnet, die lateralen aber verlaufen im Stamme entweder ausserhalb des Gefässbündelkreises, — dies sind die kleineren jüngst entstandenen Bündel, — oder sie setzen sich sogleich an die (in Beziehung auf das Blatt) medianen Bündel an oder aber, was häufiger ist, sie treten durch die Maschen der letzteren in das Mark ein, um hier, nach mehr oder weniger langem Verlauf, mit einander und mit den medianen Bündeln durch zahlreiche Anastomosen sich zu verbinden. Auf diese:Weise kommt der scheinbar ordnungslose, complieirte Verlauf der Gefässbündel der Aurikel zu Stande. Die in Kali durchsichtig gemachten Stengelpräparate von grösseren Keimpflänzchen (die schon wenigstens 20 Blätter I, - besitzen), von welchen Fig. 7. (Taf. IV.) eins zeigt, veranschaulichen diese Verlaufs- verhältnisse ganz deutlich. Wir finden am untern Stengelende nur ein centrales Gefässbündel, welches nach oben sich vielfach verzweigt und dessen Zweige unter sich vielfach anastomosiren. Aus dem oben Gesagten ergibt sich, dass wir hier keine stammeigenen Bündel haben, dass sogar die in der Mitte des Stengels verlaufenden Bündel Blattspuren sind. Damit stimmt auch die Thatsache überein, dass im Vegetationspunkte ausser den Gefässbündeln, welche unter jeder Blattanlage entstehen und welehe zum Blatt gehören, keine anderen zu sehen sind. Der ganz flache Vegetationspunkt der Aurikel besteht aus einem gleichmässigen, meristematischen, von Epidermis überzogenen Gewebe. Die Differenzirung der Gewebe weicht etwas von der oben für Primula sinensis beschriebenen ab, indem hier der Verdiekungsring nicht nachzuweisen ist. Auf einem entsprechenden Querschnitte, welchen Fig. 3. (Taf. V.) darstellt, dicht unter dem Vegetationspunkte sieht man in dem gleichmässig vertheilten Gewebe an den, den jüngsten Blattanlagen entsprechen- den Stellen einige Zellen in rascher 'Theilung begriften, wodurch ein aus kleineren Zellen zusammengesetzter Procambiumstrang entsteht, welcher zum Gefässbündel wird. Die Ausbildung der Gefässbündel aus den Procambiumsträngen geht, wenn man von Einzelheiten absieht, auf folgende Weise vor sich. Zuerst bilden sich im äusseren Theile des Procambiumstranges, der aut dem Querschnitte eine abgerundete Form besitzt, die ersten Siebelemente des Bastes (Protophloemzellen von Russow')) (Fig. 4. ph, Taf. V.), die bald darauf auch an beiden Seiten des Stranges entstehen. Nicht viel später zeigen sich an der Innenseite die ersten Holzelemente (Protoxylem- zellen nach Russow) (x) in Form von Spiralgefässen. Damit hat schon das Gefäss- bündel eine definitive Gestalt, welche wir in Fig. 4. (Taf, V.) sehen, bekommen, indem nach innen zu Holz zu liegen kommt, welches nach aussen und von beiden Seiten mit Bast umgeben ist. Die weitere Ausbildung des Gefässbündels beruht darauf, dass die Zahl der einzelnen Bast- und Holzelemente sich in der Richtung zur Mitte des Biindels vermehrt, wo ein schwach entwickeltes und vorübergehendes Cambium entsteht, welches ein geringes und bald erlöschendes Dickenwachsthum des Bündels 1) E. Russow: Vergleich, Untersuch. z. Histiol. d. Leitbündel-Kryptogamen und der Phanero- gamen, insbesond. d. Marsiliaceen. Petersburg. 1872. — verursacht. Endlich muss ich noch bemerken, dass die Gefässbündel vollständig ringsherum mit einer typisch ausgebildeten Schutzscheide umschlossen sind, die nicht aus dem Procambium entsteht, sondern aus umgrenzenden, dem Stengelparenchym angehörenden Zellen, welche sich tangential zum Gefässbündel theilen (Fig. 4 Tat. V.); die inneren der durch diese Theilung entstandenen Zellen bekommen Wellungen an ihren Membranen und werden zu Schutzscheidezellen. Die Entstehung der Schutz- scheide geht mit der definitiven Ausbildung der Gefässbündel aus den Procambium- strängen parallel. Die Struktur des Stengelparenehyms wurde schon oben besprochen, es erübrigt noch hinzuzufügen, dass an verschiedenen Stellen des älteren Stengels ähnlich wie bei Primula corthusoides und elatior Scelerenchymgruppen vorkommen, die hier wie dort aus Parenchymzellen mit stark verdickten Membranen bestehen. In Fig. 1. (Tat. V.) sind diese Selerenchymgruppen mit si: bezeichnet. Auch in den Gefäss- bündeln selbst ist Sclerenchym zu finden, da wo an dieselben sich Adventivwurzeln anlegen, die in den äusseren Zellen des Bastes ihren Ursprung nehmen. Ueber die Entstehung der Adventivwurzeln habe ich keine näheren Untersuchungen angestellt. Den jungen Stengel der Aurikel überzieht eine einfach gebaute, aus platten- förmigen, mit graden Seitenwänden versehenen Zellen bestehende Epidermis, welche mit einer ziemlich entwickelten Cutieula überzogen ist. Später wird diese Epidermis durch Periderm ersetzt. Blätter. Die anatomische Struktur der Blätter zeigt nichts Besonderes und stimmt im Ganzen mit der oben für Primula sinensis beschriebenen überein. Die Aurikelblätter sind bekanntlich sitzend und mit breiter Basis Stengel umfassend und lassen, wie oben schon gesagt, über 20 Blattbündel in den Stengel eintreten. Die - Struktur dieser Bündel ist vollständig dieselbe wie bei Primula sinensis und von der- selben mehr oder minder halbmondförmigen Gestalt. Wir sehen hier, dass die Gefässbündel im Stengel von denen der Blätter nur durch die mehr abgerundete Form und durch das unbedeutende Dickenwachsthum, welches auch manchmal im unteren Theile der Blätter nachzuweisen ist, verschieden sind. Aus den Blättern verlaufen dieselben direkt in den Stamm und behalten dabei immer ihre Selbständig- keit, sie bleiben isolirt und verschmelzen nicht, wie bei den meisten typischen Diko- tylen, zu einem mittelst Cambium in die Dieke wachsenden Gefässbündelringe. Die Blätter sind suceulenter als bei den oben genannten Primeln. Das Blattparenchym, ae > dessen Zellen hier mehr abgerundet sind und consistentere Membranen besitzen, ist hier stärker entwickelt. Das Pallisadenparenchym im basalen Theile des Blattes ist schwächer ausgebildet als in der Blattlaınina. In der letzten besteht es aus wenigstens 3 Zellschiehten, deren Zellen viel länger als breit sind. Die Zellen der Epidermis der unteren Blattfläche sind hier dicker als die der oberen; Spaltöffnungen sind auch weniger als auf der oberen Fläche zu zählen. Die an der unteren und oberen Blatt- fläche liegende Epidermis ist mit einer ziemlich stark entwickelten Outieula überzogen, die eigenthümlich gefaltet erscheint dadurch, dass sie auf jeder besonderen Zelle gewisse streifenartige Vertiefungen und Erhabenheiten zeigt. Die Bereifung, die bei Pr. Auricula vorkommt, besteht nicht aus Wachs, sondern ist ein anderer Ueberzug und wie de Bary angibt, von Wachs „dadurch verschieden, dass er erstlich, wie schon Göppert') fand, aus (krystallinischen) Theilchen von Körpern besteht, welche in kaltem Alkohol leicht löslich, und daher von Göppert als Harz, von Klotzsch?) als Pseudo-Steoroptene bezeichnet worden sind, und dass er ferner, wie Mettenius’) für die in Frage kommenden Farne schon angab, ausschliesslich von der kugeligen Endzelle kopfiger Haare producirt wird“.*) Die Behaarung ist bei der Aurikel sparsam. Es finden sich auch hier die beiden Sorten der Haare, die wir bei Pr. sinensis gesehen haben. Die aber, welche den längeren Haaren entsprechen, sind hier kurz, nur aus 3 Zellen bestehend, von denen die untere Stielzelle durch ihre breite Basis, mit der sie der Epidermis aufsitzt, auffällt. Diese Haare sind steif, und da sie hauptsächlich am Rande der Blätter sitzen, so verleihen sie dem Blattrande eine gewisse Rauhigkeit. Die Blüthenstandaxe, welche an ihrem Gipfel Blüthen trägt, ist in ihrer Struktur gar nicht von der der Primula sinensis verschieden. An diesen Bautypus schliessen sich verschiedene, meist echte Gebirgsprimeln, die ich mehr oder minder, theils nach getrockneten, theils nach Spiritusmaterial untersucht habe, an. ') Nova Acta Carol. Leopold. Vol. XVIII. Suppl. 1. p. 206. 2) Vergl. Bot. Ztg. 1852. S. 200. 3) Filices horti Lipsiensis pag. +2. 4) Bot. Ztg. 1871. 8. 131. 2 —_ Primula Palinura und Pr. calycina schliessen sich in ihrem Bau direkt an Pr. Auricula an. Primula spectabilis unterscheidet sich von der Aurikel in dem Bau ihrer Wurzel und in deren Wachsthumsart nicht wesentlich. Bei dieser Pflanze habe ich nicht wie bei den obengenannten Primeln ein aus Scelerenchym bestehendes Wurzelmark gefun- den. Vielmehr treten hier an die Stelle eines bei jungen Wurzeln schwach ent- wickelten Markes, später Holzgefässe mit Holzzellen, welche den centralen Theil des Gefässbündeleylinders ganz ausfüllen. Auch die anatomische Struktur des Stengels ist von der bei Pr. Arricula nicht verschieden; wir haben hier nur eine Vereinfachung im Gefässbündelverlauf, indem wir auf einem Stengelquerschnitte nur einen Gefässbündelkreis vorfinden, ausserhalb dessen noch einige zerstreute, kleinere Gefässbündel zu sehen sind (Fig. 5 u. 6. Taf. V.). Es lässt sich hier der Verlauf der Gefässbiindel unschwer bestimmen durch Vergleichung successiver Stengelquerschnitte und in Kali durchsichtig gemachter Präparate. Dieser Verlauf, der schematisch in Fig. 8. (Taf. V.) gezeichnet ist, ist folgender: Jedes Blattspurbündel, welches in den Stamm eintritt, nimmt von beiden Seiten zwei Biindel, die zu den nächst seitlichen oben liegenden Blättern gehören, auf und verläuft ein Internodium nach unten, wo es sich in 2 Schenkel gabelt, die sich an die beiderseits nächstliegenden zwei unteren Blattspurbündel anlegen. Wir bekommen also in der Längsansicht ein Netzwerk zu sehen, dessen Maschen eine kurze, spindelförmige oder rhombische Gestalt besitzen und von denen je eine einem blatte entspricht, dessen Bündel in der unteren Ecke der Masche sitzt. Die 2 oberen Seiten jeder Masche werden von 2 Schenkeln, die durch Gabelung des von oben herabkommenden Bündels entstanden sind, gebildet, die 2 unteren auch von 2 Schenkeln, die aber zu verschiedenen Bündeln gehören, und sich an die zwischen sie eintretende Blattspur anlegen. Nehmen wir z. B. das, mit 7 in Fig. 8. (Taf. V.) bezeichnete Bündel zur Ansicht, so sehen wir, dass das Bündel, indem es in den Stengel eintritt, von jeder Seite je einen Schenkel des Bündels 4 und 2, einnimmt und seinerseits im weiteren Verlauf sich in zwei Schenkel gabelt, die sich mit Biindel 10 und 12 ver- einigen. Auf einem (Fig. 5. Taf. V.) durch die Blattansatzstelle geführten Stengel- querschnitte erscheinen 8 Bündel in einen Kreis geordnet; etwas unter der Blatt- ansatzstelle sieht man zuerst ein, bald darauf ein zweites derselben schwinden, so dass nur noch 6 Biindel übrig bleiben (Fig. 6. Taf. V.). Dieser Umstand findet darin — seine Erklärung, dass die neu in den Stengel eingetretene Blattspur sich mit zwei seitlichen zu einem Bündel vereinigt. Weiter unten wird die Achtzahl wieder her- gestellt, indem sich eines der Gefässbündel in 2 Schenkel spaltet und an der nächsten Blattansatzstelle ein neues Blattspurbündel dazu kommt. Die Zahlen der Gefässbündel auf dem Querschnitte scheinen für die °/ Blattstellung zu sprechen; auch stimmt das für dieselbe construirte Schema des Gefässbündelverlaufes mit dem bei Pr. spec- tabilis beobachteten und oben beschriebenen vollständig überein. Ein solches Schema stellt Fig. 8. (Taf. V.) vor, welches zugleich ein vollständiges Bild des Gefässbündelverlauts, in einer Fläche ausgebreitet, zeigt. Die horizontalen Linien entsprechen den Ansatzstellen der Blätter, die senkrechten den Orthostichen, deren wir 8 zählen. Hier, wie bei der Aurikel, kommen ausser den medianen Blattgefässbündeln auch seitliche vor, aber in viel geringerer Zahl. Diese gehen aber nicht in die Mitte des Stengels (Fig.5 und 6. Taf. V.), sondern sie legen sich an das oben beschrie- bene Gefässbündelsystem an, indem sie sich mit den medianen direkt verbinden oder in den Maschen derselben vielfach anatomisiren, wodurch der oben beschriebene Verlauf einigermassen unkenntlich wird. Die histiologische Zusammensetzung des Stengelparenchyms und der Gefäss- bündel ist derjenigen der Aurikel ganz ähnlich; nur in dem Stengelparenchym babe ich keine Sclerenchymbildungen gesehen, dagegen kommen solche sehr oft in den Gefässbündeln vor. Die in den Stengel eintretenden Gefässbündel pflegen gewöhnlich dieselbe mehr oder minder halbmondförmige Gestalt, die sie im basalen Theile der Blätter haben, zu behalten. Die Einbuchtung, die bei solcher Gestalt das Holz besitzt, ist immer mit Selerenchym gefüllt, so dass sich der Querschnitt der kreis- runden Form nähert. Dass diese kurzprosenchymatischen Sclerenchymzellen nicht zum Stengelparenchym, sondern zum Gefässbündel gehören, schliesse ich daraus, dass sie sammt dem ganzen Gefässbündel von einer deutlich ausgebildeten Schutzscheide umschlossen sind. Was die Struktur der Blätter und die Behaarung betrifft, so ist sie im Wesent- lichen ganz der der Aurikel ähnlich. An Primula speetabilis schliessen sich durch ihre anatomischen Merkmale direkt an: Primula latifolia, ferner Pr. marginata, die durch ihre sparsame Behaarung Abh. d. nturf, Ges, zu Halle, Bd, XIV, 23 ö I und Pr. villosa, die durch ihre steifen, stark ausgebildeten, am Rande der Blätter dicht stehenden Haare, auffallend sind. An Primula spectabilis schliesst sich auch Pr. minima an. Die Wurzel dieser Pflanze zeigt aber ein schwaches Diekenwachsthum, welches jedoch, wie bei den vorigen Primeln dieses Bautypus, die primäre Struktur derselben nicht vermischt. Die Stengelstruktur ist die der Pr. speetabeilis; die Sclerenchymbildung findet aber frühzeitig und viel reichlicher statt, so dass oft das ganze Gefässbündel auf einige Gefässe mit den entsprechenden Bastelementen reducirt ist und seine Hauptmasse aus Selerenchym besteht. Der Gefässbündelverlauf ist derselbe wie bei Pr. spectabilis, aber weit regelmässiger. Die seitlichen Blattspurbündel, welche fast dieselbe Grösse und denselben Entwickelungsgrad haben, wie Fig. 9. (Taf. V.) zeigt, legen sich haupt- sächlich an den unteren rechten‘) Rand jeder Masche des Gefässbündelnetzes an, so dass diese Ränder, die desshalb stärker entwickelt sind als die anderen, und der ?,, Blattstellung entsprechend, als drei von links nach rechts gewundene, dicht mit Blattspuren besetzte Spiralen erscheinen. Die in Kali durchsichtig gemachten Stengel- präparate stellen dieses Verhältniss am klarsten und schönsten dar. Die Blattstruktur ist dieselbe wie bei Primula spectabilis, nur sind die Blattspurbündel im Querschnitte nicht halbmondtörmige, sondern nehmen mehr keilförmige Gestalt an. Schliesslich gehören hierher noch einige kleinere Primeln, wie Primula Mistas- sinica, bei welcher die Vereinfachung im Gefässbündelverlaufe noch weiter geht, indem hier keine seitlichen Blattgefässbündel vorhanden sind, sondern nur mediane, die nach der ?/, Blattstellung verlaufen. Auf Querschnitten haben wir hier 3 (Fig. 10. Tat. V.) oder 2 (Fig. 11. Taf. V.) Gefässbündel, nachdem der Schnitt durch die Ahsatzstelle oder unterhalb der letzten geführt ist. IV. Primula farinosa. Wurzel. Primula farinosa ist in ihrem Wurzelbau der Primula Auricula und Pr. elatior darin ähnlich, dass kein oder nur ein ganz schwaches Dickenwachsthum stattfindet, so dass die primäre Struktur immer deutlicher zu erkennen bleibt. Die 4%) Der Stengel wird vor uns mit seinem Gipfel nach oben gekehrt, gedacht, es —- Wurzel dieser Pflanze ist aber dadurch von denen der oben erwähnten Primeln verschieden, dass ihre Gewebe viel zarter aussehen und auch im Alter.die Membranen der Zellen nicht so stark verdickt erscheinen. Die unter der Epidermis liegende Rindenzellenschicht (Fig. 1. Taf. VI.) zeigt in ausgezeichnetster Weise die auch bei anderen Primeln in geringerem Grade vorkommende Eigenthümlichkeit, dass ihre dicht nebeneinander stehenden Zellen auffallend radial ausgezogen und sehr dünn- wandig sind. Diese Rindenschicht, obwohl von sehr zartem Aussehen, scheint hier die sehr hinfällige und bald zu Grunde gehende Epidermis zu ersetzen. In dem gewöhnlich tetrarchen Gefässbündeleylinder konnte ich kein Selerenehym finden, obgleich das Wurzelmark hier sehr stark entwickelt ist. Das Pericambium ist stark entwickelt, zwei- oder dreischichtig (Fig. 2 p, Taf. VI... Das Wachsthum der Wurzel- spitze geschieht gerade so, wie bei andern Primeln. Stengel. Der Stengel von Primula farinosa, welche ähnlichen rosenförmigen Wuchs, wie Pr. Corthusoides besitzt, ist auffallend kurz, dicht mit Blättern besetzt und zeigt im Längsschnitte eine kurzkeilförmige Gestalt. Das breite Ende ist nur etwas nach oben gewölbt und trägt viele Achselsprossen; das spitze Ende ist der abgestorbene untere T'heil des Stengels. Die Gewebedifferenzirung in dem flachen, kleinen und zwischen dicht stehen- den Blättern, reichlichen Seitensprossen, axillären Infloreseenzen und frühzeitig sich entwickelnden Adventivwurzeln verborgenen Stengelvegetationspunkt ist schwer zu beobachten. Es scheinen dieselben Vorgänge wie bei der Aurikel stattzufinden; über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Verdickungsringes vermag ich aber kein Urtheil auszusprechen. D Primula farinosa scheint in ihrem Stengelbau die Mitte zwischen Pr. speeta- bilis und Pr. sinensis zu halten, indem die jüngeren Stengeltheile dem Aurikelsystem sich nähern; die älteren dagegen an Pr. sinensis erinnern. Um den schwer verständ- lichen Stengelbau dieser Primel sich einigermassen klar zu machen, müssen wir mit den aus den Blättern in den Stengel eintretenden Gefässbündeln beginnen. Ein Quer- schnitt durch den basalen Theil des Blattes zeigt nur ein Blattbündel, dessen Struktur dem der Pr. Auricula ganz ähnlich ist. Es hat eine breite halbmondförmige Gestalt und ist mit einer Schutzscheide umgeben, deren Zellen sich von dem benachbarten Blattparenchym und von den Bastzellen nicht auffallend unterscheiden und leicht übersehen werden können; nur an recht glatten und dünnen Querschnitten kann Br” 25* — 116 — man dieselbe an der wellenförmigen Beschaffenheit der Membranen deutlich erkennen. Diese Blattspurbündel nehmen allmälig etwas tangential ausgezogene Form an, indem sie in den Stengel eintreten, wo sie sich kreisförmig anordnen. Auf Stengelquer- schnitten bekommen wir also einen Gefässbündelkreis, der je nach dem Schnitte, wie bei Pr. spectabils, aus 6 oder 8 Bündeln besteht. Die letzteren aber weichen etwas in ihrer Form von denen der Pr. spectabilis ab, indem sie dieselbe oben beschriebene Struktur, welche sie in den Blättern gehabt haben, bewahren. Im weiteren Verlauf nach unten nähern sich die Gefässbündel einander immer mehr, indem sie tangential an Breite zunehmen. Ihre Ränder aber sind immer zurückgeschlagen, so dass der Bast auch hier nach innen zu liegen kommt (Fig. 3. Taf. VI). Am unteren gewöhn- lich absterbenden Ende des Stengels sind die Gefässbündel zu einem Ring verschmolzen. Interessant ist bei diesem Vorgang das Verhalten der Schutzscheide, welche, wie oben schon bemerkt, das ganze Blattspurbündel von allen Seiten umgibt. Im weiteren Verlauf nach unten, wo die Gefässbündel sich immer mehr näbern, ist die Schutz- scheide an der inneren Seite nicht mehr nachweisbar und begleitet nur noch die zurückgebogenen Ränder (Fig. 3. Taf. VL). Schliesslich verschwindet sie vollständig an der Innenseite und umgibt den verschmolzenen Gefässbündelring nur von aussen. Das Diekenwachsthum ist auf ältere Stengeltheile beschränkt, wo secundärer Bast und gewöhnlich regelmässig radial geordnete Holzelemente durch die Thätigkeit eines ziemlich stark ausgebildeten Cambiums gebildet werden. ’ Was Mark und Rinde betrifft, so sind sie nur da getrennt, wo die Gefäss- bündel in einen geschlossenen Ring übergehen; ihre histiologische Struktur gleicht der der Aurikel, nur sind die Membranen der parenchymatischen Zellen viel dünner und zarter. Im Marke kommen, wie bei Primula corthusoides, Selerenchymgruppen vor. Die Anatomie der nach der °/s Blattstellung geordneten Blätter und der Blüthenstandaxe ist ganz wie bei Pr. sinensis. Die für Pr. farinosa charäkteristische Bereifung gehört, nach de Bary'), in dieselbe Kategorie wie die von Pr. Auricula, wovon oben die Rede war. Die Behaarung ist dieselbe, wie bei Pr. sinensis; die nichtsecernirenden Haare sind hier klein und von den secernirenden an Grösse und Gestalt wenig verschieden. 1) de Bary: 1. c. pag. 129. — IM — An Primula farinosa schliessen sich viele andere habituell mehr oder weniger ähnliche, und nur mit kleinen Verschiedenheiten, die von relativer Grösse, allgemeiner Gestalt der Pflanzen ete. abhängen, versehene Primeln an, wie Pr. strieta, Pr. sibirica mit in der Regel triarchen Wurzeln, Pr. longiflora ete. Primula denticulata zeigt auch im Wesentlichen dieselbe Struktur, wie Pr. fari- nosa. Die Blattgefässbündel besitzen im unteren Theil der Blätter die Eigenthümlich- keit, dass neben der Einbuchtung des Holztheiles sich ein kleines Gefässbündel befindet (Fig. 4. Taf. VL), dessen Holz- und Basttheile in umgekehrter Lage angeordnet sind, so dass das Holz nach aussen, der Bast nach innen zu liegen kommt. Die Gefässbündel im Stengel zeigen die Umbiegung der Ränder nach innen in sehr starker Weise, so dass sie sich dem Bau der Gefässbündel der Aurikel nähern. Sie ver- sehmelzen auch im älteren unteren Stengeltheile zu einem geschlossenen Ring, inner- halb dessen im Marke kleine Gefässbündel sich vorfinden, welche zum Gefässbindel_ ring ähnlich gelagert sind, wie die im Blatte vorkommenden (Fig. 5. Tat. VI.), über deren Bedeutung und Entstehung ich aber, wegen Mangels an entsprechendem Material, keine Untersuchungen anstellen konnte. Androsace. Diese Primulaceengattung, welche nach Primula die speciesreichste ist, wird durch viel grössere Einförmigkeit im anatomischen Baue als die vorige charakterisirt, weshalb wir hier keine so verschiedenartigen Bautypen finden, wie wir sie bei den Primeln gesehen haben. Die Unterschiede im Baue einzelner Androsacespecies gehen nicht über die Gränze des Bautypus von Primula sinensis hinaus und stehen in einem solchen Verhältniss, wie einzelne zu diesem Typus gehörende Primeln. Die Bautypen bei Androsace haben andere Bedeutung, wie bei Primeln, sie sind viel ähnlicher, weniger von einander begränzt und mit verschiedenen Uebergangstormen verbunden. Von dieser Gattung hatte ich Gelegenheit, nur einige Species im frischen Zustande zu untersuchen, sonst benutzte ich grösstentheils getrocknete Exemplare und von Aretien sogar ausschliesslich die letzteren. Die untersuchten Species nach dem Bau der Haare, welcher mannigfache Verschiedenheiten darstellt, lassen sich in nachfolgende Typen gruppiren. — I. Androsace septentrionalis. Die Androsace septentrionalis ist einjährig. Eine junge Keimpflanze, deren Dickenwachsthum viel grösser als ihr Längenwachsthum ist, wodurch sie einen ganz flachen Vegetationspunkt und eine fast isodiametrische Gestalt des Stengels erhält, welcher sich unter der Ansatzstelle der Kotyledonen plötzlich nach unten verdünnt, indem sie zuerst ein hypokotyles Stengelglied und weiter, ähnlich wie bei Primula sinensis, eine stark verzweigte Pfahlwurzel bildet. Der Bau der kleinen und feinen Wurzelenden ist einfacher als bei Primula sinensis, weil sie aus einer kleineren Anzahl von Zellen bestehen. Das Diekenwachsthum findet hier gerade so wie da statt. Der dicht mit spiralig angeordneten Blättern besetzte Stengel hat einen ein- fachen, den der Primula sinensis und damit der meisten Dikotyledonen ähnlichen Bau. Am Stengelquerschnitte finden wir bis 20 Gefässbündel, welche, mit Ausnahme einiger, die in der Querschnittsstelle von den Blättern herabkommen, so dicht neben einander gestellt sind, dass sie fast einen geschlossenen Ring bilden; dieser Gefäss- bündelring ist nach aussen von der Rinde mit einer deutlichen Schutzscheide abge- trennt. Was den anatomischen Bau der Gefässbündel betrifft, so lässt sich von dem- selben fast nichts weiter bemerken, als was von dem der Preimula sinensis gesagt ist. Die einzelnen Bast- und Holzelemente sind hier viel regelmässiger angeordnet, indem sie der radialen Anordnung der Zellen des Cambiums, welches hier ziemlich stark entwickelt ist, entsprechen. Im Holztheile sind die Gefässe nicht zahlreicher als die dünnwandigen Holz- zellen; die Gefässe (spiralige) selbst sind aus kurzen, durch grosse, die ganzen Quer- wände einnehmende Tiptel kommunieirende Zellen zusammengesetzt (Fig. 7 a und b, Taf. VL). Diese Erscheinung, dass die Gefässe kurzzellig sind, lässt sich ohne Zweifel durch sehr kleinen Längenwachsthum des Stengels erklären, wodurch die entstehenden Gefässe keine Gelegenheit haben, sich mit der Streckung der Stengelinternodien zu verlängern. Hier, wie bei Primula sinensis, findet Dickenwachsthum mittels eines Cambiums statt, wobei die Schutzscheide und die Rinde sich in derselben Weise verhält, wie bei der erwähnten Primel. Es ist schwer, die Entwickelungsgeschichte der Gefässbündel im Verhältniss zu den anderen Geweben im Vegetationspunkte zu verfolgen, was in der Gestalt des — 19 - letzteren und selbst des Stengels seine Ursache hat. Im Querschnitte verlaufen die procambialen Zellen, indem sie sich parallel zur Peripherie des Stengels ausstrecken, schief, wodurch unter dem Mikroskop sogar in den feinsten Schnitten ein unklares Bild entsteht. Die Entwickelungsgeschichte der Gefässbündelelemente kann man am besten in den Ansatzstellen der Blätter, auf einem dicht über dem Vegetationspunkt geführten Querschnitt, welcher in Fig. 8. (Taf. Vl.) abgebildet ist, verfolgen; hier haben wir auf einmal alle successiven Entwickelungsstadien der Blattspurbündel, von der ersten Blattanlage bis zu dem vollständig entwickelten Blatte, vor uns. Am Querschnitte der jüngsten Blattanlage finden wir ein noch undifferenzirtes, meristematisches Gewebe, dessen äussere Schicht Epidermis bildet. Am Querschnitt der nächsten (Fig. 9. Taf. VL) in Fig. 8. (Taf. VI.) z. B. mit der Zahl 2 angezeichneten Anlage fangen einige in der Mitte des meristematischen Gewebes liegende Zellen an, sich stärker als die anderen zu theilen. In den folgenden differenzirt sich aus diesen Zellen in der Mitte des @Querschnittes eine Gruppe von einem kleinzelligen Gewebe; das ist der Procambiumstrang, aus welchem später Bast- und Holzelemente ausgebildet werden. Diese erscheinen in den nächsten Entwickelungsstadien nicht gleichzeitig: zuerst diffterenziren sich (Fig. 10, ph, Tat. VI.) an der Peripherie des Bündels nach aussen die ersten Siebröhren, dann die ersten Spiralgefässe (Fig. 11, x, Taf. VL). Danach ist der Getässbündel schon fertig, und die weitere Entwickelung beruht auf der Vermehrung der Siebröhren und der Gefässe und auf der Entstehung der Schutzscheide. Der Bau der ausgebildeten Getässbündel unterscheidet sich nicht von dem der Primula sinensis in der Blattbasis, wo die Bündel eine halbmondförmige Gestalt annehmen, sowie auch in dem Stengel selbst. Der Gefässbündelverlauf ist gerade so, wie bei Primula spectabilis, mit einem unwesentlichen, von der dichten Stellung und Anordnung der Blätter herkommenden Unterschiede. Die Blattstellung bei der Androsace septentrionahs ist #5, das l4te Blatt liegt also gerade unter dem ersten. Fig. 12. (Taf. VI.) stellt ein nach denselben (Gesetzen wie bei Primula spectabilis (Fig. 8, Taf. V.) aber bei 5 Blattstellung con- struirtes Schema dar. Wenn man dasselbe mit den in KHO durchsichtig gemachten Stengelpräparaten der Androsace septentrionalis vergleicht, kaun man sich leicht überzeugen, dass dieses Schema dem factischen Gefässbündelverlauf dieser Pflanze vollständig entspricht. — 180 —- Sehr charakteristisch ist der Bau des Markes der Androsace septentrionalis, was in Fig. 6. (Taf. VI.) abgebildet ist. Die Markzellen liegen so dicht nebeneinander, dass sie keine Intercellularräume bilden; das Wachsthum der Zellwände ist in der Jugend besonders so stark, dass sie, um grösseren Raum zu gewinnen, sich verschie- den ausstrecken und ausbiegen. In älteren Stengeln werden die Markzellen nur ein wenig abgerundet. Der Blätterbau der Androsace septentrionalis ist genau derselbe wie bei Primula sinensis. Die Cuticula ist ähnlich gestaltet, wie bei Primula Auricula; die Haare sind auch von zweierlei Gestalt: die einen, welche die subeuticulare Substanz absondern, unterscheiden sich nieht von denen der Primeln, die anderen aber, mehr complieirt, sind dadurch charakteristisch, dass sie verschiedenartig verzweigt sind. Eine ausführliche Beschreibung der mannigfaltig verzweigten, dornartigen Haare würde uns zu weit geführt haben und scheint auch überflüssig zu sein, deswegen habe ich in Fig. 13. (Taf. VI.) die am häufigsten vorkommenden Formen dieser Haare von den einfachsten, wie a, bis zu den complicirtesten, wie /, abgebildet. Sie sind alle mit einer runzeligen starken Cuticula bekleidet. Die Entwickelungsgeschichte dieser Haare ist sehr einfach: jedes Haar nämlich wird aus einer Epidermiszelle, die sich so theilt, dass immer in der Haarspitze die jüngste Zelle bleibt, gebildet; manch- mal kommen zusammengesetzte Formen, wie %, vor, die aus einigen Epidermiszellen, gebildet werden und als Haarcomplexe betrachtet werden können. Der Bau der Blüthenstandaxe ist wesentlich derselbe wie der der Primeln. Zum Bautypus der Androsace septentrionalis können folgende annuelle und biannuelle Androsacearten gerechnet werden: Androsace maxima. Der Bau der Wurzel ist der der vorhergehenden Species. Von dem Stengelbau lässt sich fast dasselbe sagen; der Stengel aber ist mehr ver- längert und mehr einem Cylinder äbnlich, wodurch die Gefässbündel senkrechter verlaufen und die Internodien viel länger werden. Der Gefässbündelverlauf ist auch derselbe mit diesem Unterschiede, dass von jedem Blatte nicht ein, sondern drei Bündel herabkommen, die aber, indem sie in den Stengel eintreten, sich zu einer Blattspur vereinigen. Es ist noch zu bemerken, dass die Blattstellung hier einfacher als bei Androsace septentrionalis ist und ?/; beträgt. —— - 181 Die histiologische Struktur der Gefässbündel zeigt sich auch als dieselbe, wie bei der vorhergehenden Species; sie sind aber einander mehr genähert, fast zu einem Ring verschmolzen. Das Mark ist aus abgerundeten Zellen zusammengesetzt und enthält dadurch grosse und zahlreiche Intercellularräume. Auch die Blätter unter- scheiden sich nicht von denen der vorhergehenden Species. Die Behaarung ist hier sehr sparsam und die Haare sind einfach, nicht verzweigt (Fig. 1. Taf. V1I.), ziemlich lang und ungefähr aus 12 cylindrischen Zellen zusammengesetzt. Die anderen Androsacespecies habe ich nur in getrockneten Exemplaren unter- suchen können; es sind folgende, die hierher zu rechnen sind: Androsace elongata charakterisirt sich durch ganz einfache, conische, aus zwei oder drei Zellen zusammengesetzte Haare (Fig. 2. Taf. VII.), die nicht zahlreich- zwischen den Köpfchenhaaren zerstreut sind. Die zweijährigen Arter gehören auch hierher: Androsace lactiflora unterscheidet sich nicht ron Androsace septentrionalis; die einfachen Haare sind denen der vorhergehenden Species ähnlich. Androsace multiscapa und Androsace armena Duby haben ähnliche, wie bei Androsace septentrionalis, aber stärker verzweigte Haare; die Haarzellen sind mehr verlängert, weshalb die Haare viel schlanker und lockerer aussehen (Fig. 3. Taf. VII.). II. Androsace lactea. Diese Species gehört zu den perennirenden, welche ihren Stengel in dem Gipfel mit jeder eintretenden Vegetationsperiode — im Frühjahr — auf die Weise verjüngen, dass das erste neu entwickelte Internodium sich sehr stark verlängert und am Ende eine der vorjährigen ähnliche Blattrosette bildet. So wird der Stengel verlängert und in gewissen Abständen dicht mit Blättern besetzt. Was den anatomischen.Bau des Stengels dieser Pflanze betrifft, so ist er von dem der vorhergehenden ein- und zweijährigen Arten nicht verschieden. Der Gefüss- bündelverlauf ist hier gerade so, wie bei Androsace septentrionalis; die Gefässbündel aber in den verlängerten Internodien sind zu einem geschlossenen Ring verbunden. In Fig. 4. (Taf. VIL) sehen wir ein in KHO durchsichtig gemachtes Präparat von einem Stengeltheil, in welchem a der Ansatzstelle der Blattrosette entspricht, die ein Jahr älter ist, von der ähnlichen bei b. Abh. d. nturl. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 24 Ba Der histiologische Bau der Stengelgewebe der Androsace lactea ist nicht anders, als der der Androsace septentrionalis. Bei Androsace lactes so wie bei den andern perennirenden Arten werden in der Blattachsel zahlreiche seitliche Ausläufer gebildet, die später, wie der Hauptstengel, in dem Gipfel sich jedes Jahr erneuern und wieder verzweigen, wodurch die Androsace- species und besonders die echten Gebirgsarten einen charakteristischen rasenförmigen Wuchs erhalten. Der Bau der neuen Ausläufer, nämlich des blattlosen Theils der- selben, ist ein wenig von dem des Stengels verschieden. Dieser Unterschied besteht darin, dass die Bündel unabhängig von einander verlaufen, sich nicht in einen geschlossenen Ring vereinigen und kein Dickenwachsthum aufweisen, wodurch die Rinde mit der Epidermis nicht abgeworfen wird. Diese zwei letzteren Gewebe sind in Fig. 5. (Tat. VII.) an einem Querschnitt dargestellt. Die Epidermis, aus einfachen, mit dicken Aussenwänden versehenen Zellen zusammengesetzt, ist von stark entwickelter, gefalteter Cuticula bedeckt. Auf der Epidermis befinden sich zerstreute Haare, die denen der Androsace multiscapa, nur weniger verzweigt, ähnlich sind. Die Rinde ist dadurch charakteristisch, dass drei oder vier Zellschichten zu Sclerenchym werden. Der Blätterbau ist der der Androsace septentrionalis. Die braunen Flecken und Punkte auf den Blättern kommen von einer chemisch näher nicht untersuchten Substanz her, welche ganze Zellgruppen des Blattparenchyms ausfüllt. Die Behaarung ist sehr sparsamı; die Haare befinden sich nur an den Blattspitzen, selten an den Blatträndern; sie sind einfach oder schwach verzweigt und mit warzenförmiger Cuti- cula bekleidet. Zu demselben Bautypus gehören: Androsace ceiliata Pour. mit ähnlichen, wie bei Androsace septentrionalis, aber schwächer verzweigten Haaren, die an den Blatträndern sitzen, wie auch Androsace Lehmanni, Andr. pennina und Andr. sarmentosa; die letztere ist mit langen einfachen Haaren, die aus wenigen starkdickwandigen Zellen bestehen (Fig. 6. Taf. VII.), besetzt. Aehnliche, aber aus mehreren Zellen zusammengesetzte Haare (Fig. 7. Taf. VII) besitzt Androsace villosa und Andr. arachnordea. Die Androsace Chamaejasme, welche mit sehr langen, ungefähr aus 12 diekwandigen Zellen bestehenden, mit warziger Cuticula bekleideten und am Rande der Blätter stehenden Haaren versehen ist, gehört auch hierher. I Endlich muss ich hier Androsace cylindrica erwähnen, die sich von den oben besprochenen Androsacespecies dadurch unterscheidet, dass sie keine Ausläufer bildet, sondern der Stengel, der eine lange, walzenförmige Gestalt hat, ist dicht gleichmässig, ähnlich wie bei Andr. septentrionalis, mit Blättern besetzt. Dieser Stengel, der immer an der Spitze wächst, verzweigt sich ziemlich stark und unterscheidet sich sonst nicht in dem Baue von Androsace Chamaejasme. Die Behaarung ist auch die der letzteren Species. Dionysia. Aus dieser Gattung habe ich nur eine Species untersucht, nämlich Dionysia Aucher! Duby. Diese Pflanze ist perennirend und besitzt einen strauchartigen Stengel, dessen Bau sich anfangs nicht von dem der Andr. septentrionalis unterscheidet, später aber mittels eines sehr entwickelten Cambiums stark in die Dicke wächst. Der Querschnitt von einem alten Stengel erweist, dass die Gefissbündel in einem voll- ständig geschlossenen Ring, dessen Bast oder vielmehr Holz beträchtliche Dicke besitzt, verschmolzen sind. Diese Pflanze entwickelt keine Ausläufer, Die Behaarung ist dieselbe, die wir oben bei Primula sinensis gesehen haben, es sind hier also beide Arten von Köptchenhaaren vorhanden. Cortusa. Die einzige Species dieser Gattung, Cortusa Matthioli L., unterscheidet sich im Baue der Gefässbündel, des Markes und des in diesem sich befindenden Seleren- chyms, so wie auch im Baue der Blätter, in der Behaarung ete. von Primula cortu- soides nicht wesentlich, die Beschreibung des anatomischen Baues der Cortusa Mattioli scheint mir also hier überflüssig zu sein. Die ganze Uharakteristik dieser Pflanze besteht in der Wurzel, welche sich im Baue von der der Primula farinosa nicht unterscheidet; hier wie da ist das Pericambium, in den neben den triarchen Holz- theilen des Gefässbtindeleylinders liegenden Stellen, mehrschichtig: die Zahl der Zellschichten ist wechselnd und beträgt ungefähr 3 bis 4. 24* Dodecatheon. Gerade so, wie die vorhergehende Pflanze im ihrem Baue, mit Ausnahme der Wurzel, sich nieht von der Primula cortusoides unterscheidet, ebenso wird Dodecatheon Meadia von Primula elatior auch nicht wesentlich unterschieden. Nur das ist zu bemerken, dass die äusseren Wurzelgefässbündel, indem sie in den Stengel eintreten, keinen so complieirten Verlauf, wie bei der letzterwähnten Primel besitzen, sondern diese gehen mehr oder weniger eine kurze Strecke ausserhalb der Stengel- bindel und vereimigen sich bald mit den letzteren. Der Bau der Wurzel ist auch vollständig derselbe wie bei Primula elatior. Die Behaarung ist sehr sparsam, es finden sich auf dem Blüthenstandstiel und den Blättern nur sehr zerstreut einzelne Köpfchenhaare. Interessant sind die morphologischen Verhältnisse bei der Keimung der Samen dieser Pflanze. Die Keimpflänzchen, die ich aber leider zur Ansicht nicht bekommen konnte, hat Bernhardi') schon längst beschrieben und abgebildet. Nach diesem Forscher sind die Cotyledonenstiele zu einer langen Röhre, aus welcher der Stengel herauswächst, verwachsen, Ich habe keine Gelegenheit gehabt, die anderen Species dieser Gattung zu untersuchen. Cyclamen. Von allen Primulaceengenera hat Cyclamen durch seinen Bau des Embryo und des knollenartig verdickten Rhizoms am meisten die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich gezogen. Bekanntlich keimt Üyelamen mit einem Blatt, dessen morphologische Deutung man verschieden zu erklären gesucht hat. Ich habe nicht die Absicht, die verschiedenen Meinungen der Forscher über diesen Gegenstand zu kritisiren und der Literatur hier zu erwähnen, weil dieselbe ausführlich in der letzten Arbeit von Gressner”) zusammengestellt ist. Dieser Forscher nämlich nimmt die kleine Protuberanz, die dem ersten Blatte gegenüber neben dem Vegetationspunkte liegt, für das zweite Cotyledon an, gleichwerthig mit diesem Blatte, welches den einen Cotyledon darstellen soll. 1) Bernhardi: Ueber die merkwürdigsten Verschiedenheiten des entwickelten Pflanzenembryo “ und ihren Werth für Systematik. Linnaea 1832. 2) Dr. Heinrich Gressner: Zur Keimungsgeschichte von Oyclamen. Botan. Zeitung 1874. Nr. 50, 51 und 52. Zı _ Gressner sagt nämlich: „Oyelamen hat zwei Cotyledonen, von denen der eine vollständig ausgebildet ist und die Funktion eines Saugorgans zum Zwecke der Ueberführung der Reservenahrung aus dem Albumen in die Keimpflanze aus- übt — der andere jedoch in seiner Entwickelung zurückgeblieben und beim ruhen- den Embryo nur der Anlage nach vorhanden ist. — Jener erste als Saugorgan dienende Cotyledon entwickelt sich zum ersten, jener zweite zurückgebliebene Cotyledon entwickelt sich zum zweiten grünen Blatt an der Pflanze“. ! Meine Untersuchungen darüber, dass diese Protuberanz oder Anlage, von welcher die Rede ist, zu einem zweiten Blatte auswächst, stimmen vollständig mit dem oben angeführten Satze überein; die Frage aber, ob das erste und zweite Blatt bei der Keimung der Cyclamen morphologisch den Cotyledonen entspricht, kann nur die Embryoentwickelungsgeschichte definitiv lösen. i Ueber die morphologische Deutung der Cyclamenknolle finden wir in der Literatur verschiedene Meinungen, welche auch in der oben citirten Arbeit von Gressner besprochen sind. Gressner giebt auf die Frage: „welcher Theil des Embryo ist es, der sich zur Knolle umbildet?“*) die richtige Antwort, „dass das hypoecotyle Glied Sitz der knolligen Verdiekung bei Uyelamen ist‘). Alle oben erwähnten Untersuchungen betreffen hauptsächlich Uyclamen europaeum und Oyclamen persicum, welche auch der Gegenstand meiner Untersuchungen über Keimung dieser Pflanze waren. Gressner giebt die Species nicht an, welche er untersucht hat, aber seine Resultate lassen sich auf die ganze Gattung, die sich im Baue überhaupt durch Gleichmässigkeit charakterisivt, beziehen. Die Cyclamenarten, so wie sie habituell und morphologisch ähnlich sind, stellen auch anatomisch keine grossen Verschiedenheiten dar. Ich habe folgende Species anatomisch untersucht: } 1. Cyelamen persieum. Die Hauptwurzel funktionirt nicht lange und wird bald von vielen Neben- wurzeln ersetzt. Der anatomische Bau der Wurzel ist sehr einfach und entspricht in den Hauptzügen dem der Primula elatior; hier aber sind die einzelnen Gewebe N) Ibid. pag. 837. 2) Ibid. pag. 823. 3) Ibid. pag. 824. Be zarter und schwächer entwickelt. Im Gefässbündeleylinder sind die Holztheile zu einem Stern mit einer unbeständigen Zahl der Strahlen geordnet, so dass sie gewöhn- lich einen tri-, tetra-, penta- oder heptarchischen Bau. darstellen; in der Mitte bleibt ein, gewöhnlich aus wenigen Zellen, die später diekwandig werden, bestehendes Mark. Die Schutzscheide und das Pericambium sind typisch entwickelt. Das Cambium ist selten vorhanden und dann ist seine Thätigkeit sehr klein. Die Rinde ist schwach entwickelt, sie besteht aus dünnwandigen Zellen, die im Alter grösstentheils mit einer braunen, gerbstoffhaltigen Substanz erfüllt sind; diese Substanz befindet sich auch in den Zellen der Schutzscheide und der Epidermis, die für diese Pflanze charakteristisch ist: sie besteht nämlich aus kleinen Zellen, die sämmtlich Wurzelhaare ausbilden, wodurch die ganze Wurzeloberfläche dicht behaart ist. Das -hypokotyle Stengelglied ist nämlich dasjenige, welches die knollige Verdiekung der Oyclamen bildet. Der anatomische Bau der Knolle ist im Quer- schnitte in Fig. 8. (Taf. VII.) dargestellt. Wir sehen, dass das Wesentliche der Knolle ein homogenes Parenchym bildet, dessen Zellen sich nach allen Richtungen theilen. In einer gewissen Eintfernung von der Peripherie liegt die Schutzscheide, indem sie einen geschlossenen Ring bildet, der die ganze Querschnittsfläche in zwei Theile scheidet: nach aussen ist die Rinde, und nach innen eine kreisförmige Scheibe, in welcher zerstreute Gefässbündel liegen. Die Schutzscheide (Fig. 8. s. Taf. VIl.), welche von Gressner unrichtiger Weise für Pericambium gehalten und in seiner Fig. 8 und 9 mit Buchstaben pe bezeichnet wird, stellt auf dünnen und reinen Querschnitten (Fig. 8. s. Taf. VII.) sehr deutlich die schwarzen Caspary’schen Punkte dar. Die Zellen der Schutzscheide sind in der tangentialen Richtung gestreckt und, indem die Knolle in die Dieke wächst, theilen sie sich in die Quere und Länge. Dabei ver- einigen sich die durch tangentiale Theilung neu entstandenen Zellen nach aussen mit der Rinde so, dass die Schutzscheide ihre Peripherie vergrössert, aber immer einschichtig bleibt. Die Ursache solcher Theilung ist die, -dass die Zellen dieser Gewebe nach innen etwas diekwandig werden, die radialen Scheidewände aber sind, wie Fig. 13. (Taf. VII.) zeigt, charakteristisch gefaltet. Im Innern des durch die Schutzscheide geschlossenen Theils der Knolle befinden sich schwach entwickelte, einzeln zerstreute Gefässbündel, von welchen die bei der Differenzirung der meristematischen Gewebe des Keimpflänzchens erstentstan- denen besondere Aufmerksamkeit verdienen. Das sind eigentlich nur einzelne N Spiralgefässe, die in Vierzahl, in vier entsprechenden Stellen, an den Enden der zwei Diagonalen, in der Gegend der Schutzscheide entstehen. Solche Getässe werden auch später an verschiedenen Stellen des von der Schutzscheide geschlossenen Parenchyms gebildet. Die nächstfolgenden sind typisch gebaute Gefässbündel: der Holztheil besteht aus einer geringen Anzahl von Spiralgefässen, der Basttheil aus wenigen Siebröhren „und Bastzellen; in älteren Bindeln kommt ein schwaches Diekenwachsthum mittels eines Cambiums vor. Der Entstehungsort dieser Bündel lässt sich gut bestimmen. Gressner aber ist in dieser Beziehung zu ganz anderen Resultaten als ich gekom- men. Er sagt nämlich: „Während diese ersten Gefässstränge unmittelbar aus dem Procambium hervorgehen, differenziren sich die folgenden aus dem Pericambium. (Die "Zellen desselben sind tangential gestreckt, die Streckung nimmt mit der Ver- grösserung der Knolle zu).“ ') Dieser Forscher hat hier zwei Fehler gemacht: zuerst, wie ich oben erwähnt habe, indem er die Schutzscheide für Pericambium ansieht, weil ja Pericambium bekanntlich eine äussere Zellschicht des Getässbiündeleylinders der Wurzel ist, wo die Nebenwurzeln ihren Ursprung nehmen, aber nicht mit der Schutzscheide iden- tisch. Zweiteus entstehen aus diesem Gewebe, von welchem die Rede ist (der Schutz- scheide), wie oben gesagt, durch tangentiale Theilung nach aussen neue Rinden- schichten und die nach innen liegende Zellschicht erzeugt immer nur die Schutz- scheide, Nach meinen Untersuchungen sind immer die, der Schutzscheide anliegen- den Zellen des inneren Parenchyms, der Entstehungsort neuer Gefässbündel (Fig. 8, g. Tat. VIL). Hier theilen sich eine oder einige neben einander liegende Zellen und dadurch wird ein Procambiumstrang gebildet, in welchem ein von Gressner mit dem Namen „Bildungsgewebe“?) vollständig unrichtig benannter Basttheil zuerst und dann später die ersten Gefässe, als zweiter Bestandtheil der Gefässbündel, entsteht. Bei Uyclamen persicum kann man oft zerstreute kleine Bastbündel finden. In der Gefässbündelanordnung auf dem Querschnitte meint Gressner bestimmte Regelmässigkeit zu sehen und sogar gewisse Gesetze, mit welchen meine Unter- 1) Ibid. pag. 825. *) „Mit Ausnahme der ersten vier enthalten sämmtliche Fibrovasalbündel an der dem Procambium zugekehrten Seite Bildungsgewebe“. Ibid. pag. 825. 183 suchungen nieht übereinstimmen, aufgefunden zu haben. Er sagt nämlich: „Zunächst entstehen wieder 4 Stränge, welche so geordnet sind, dass je einer ausserhalb zweier vorhandener der ersten Gruppe zu liegen kommt (vergl. Fig. 9.). Diese Gefässstränge 2. Ordnung liegen ebenfalls symmetrisch, je 2 einander gegenüber. Die 3. Gruppe der Gefässstränge wird abermals an vier (ausserhalb der Gefässstr. 1. und 2. O, liegen- den) symmetrisch, orientirten Punkten angelegt, je zwei Stränge einander gegenüber ungefähr an den Eckpunkten eines (Quadrates u. s.t. Dasselbe Gesetz, welches für. die Entstehung der Gefässstränge 1, 2. und 3.0. galt, gilt auch für Entstehung der folgenden Gruppen (vgl. die schematische Darstellung Fig. 5—7.).“') In der That entstehen die ersten ausgebildeten Gefässbündel in der Zahl vier ungefähr zwischen den ersten oben beschriebenen Gefässen. Diese vier Gefässbündel gehören zu den am stärksten entwickelten, so dass sie immer, auch in sehr alten Knollen, an dem (@uerschnitte leicht zu erinitteln sind (Fig. 9. a. Taf. VIl.). Die nächstentstehenden Bündel sind ganz ohne Ordnung zerstreut, so dass ich in keinem aus den zahlreichen durchgesehenen Präparaten die oben eitirten Gressner'schen (Gesetze anwenden konnte. Die Knolle wächst sehr stark in die Dieke; der Dickenwachsthum ist hier aber nicht genau localisirt, weil, wie wir das in Fig. 8. (Taf. VIL) sehen, fast alle Parenchymzellen sich in verschiedene Richtungen theilen; der Hauptsitz aber des Dickenwachsthums scheint ungefähr an der Peripherie des mit der Schutzscheide geschlossenen 'Theils der Knolle zu liegen. Wir sehen auch in Fig. 8. (Tat. VU.), dass die Zellen dieser Gegend viel häufiger getheilt werden und dadurch kleiner aussehen, als die inneren. Auf diese Weise verändern die einst entstandenen Gefäss- bündel ihren Ort fast gar nicht und die neu gebildeten kommen immer ausserhalb der älteren zu liegen; die mehr innerhalb liegenden Bündel sind also die ältesten, die nach aussen die jüngsten. Der Gefässbündelverlauf in der Knolle ist in der Längsrichtung sehr einfach: alle Bündel gehen aus dem Gipfel der Knolle, in welcher sie bogenartig nach unten verlaufen und dann vereinigen sie sich in einem Gefässbündeleylinder in der Wurzel. Die jüngeren Bündel sind stärker zur Peripherie gebogen, die älteren nähern sich mehr einer geraden Linie. Der Gefässbündelverlauf, wie das Fig. 10. (Tat. VII) zeigt, 1) Ibid. pag. 825. — 189 — ist nicht gleichmässig, weil die Bündel sich verschiedenartig ausbiegen und sich oft mit Anastomosen vereinigen. In dem Gipfel der Knolle, wo der Vegetationspunkt liegt und wo junge Blätter entstehen, verlaufen die Blattspurbündel vollständig regellos. Fig. 11. (Taf. VII.) zeigt nämlich diesen Verlauf der Bündel von der Vegetationspunktansicht; die Blätter, hier spiralig nach +’; geordnet, sind abgeschnitten. Die Blattspurbündel der neu entstehenden Blätter legen sich, indem sie in die Knolle eintreten (weil bekanntlich Oyelamen persieum keinen oberirdischen Stengel bildet), direkt an die anderen regellos an. Von der Rinde ist schon oben gesprochen worden. Epidermis bedeckt nur in der Jugend die Knolle, später wird sie abgeworfen und durch Periderm ersetzt (Fig. 3. d. Taf. VIL.); sie besteht aus platten parenchy- matischen, sonst ganz gewöhnlichen Zellen und ist mit wenigen, etwas über die Epidermisoberfläche erhabenen Spaltöffnungen und zahlreichen Haaren versehen. Die letzteren gehören zur Kategorie der Köpfchenhaare, die, ähnlich wie bei Primula sinensis, subeuticulare Substanz absondern. Das Köpfchen des, in Fig. 12. (Taf. VII.) abgebildeten Haares ist aus zwei Zellen zusammengesetzt, die durch Längstheilung der Endzeile entstanden sind. Diese beiden Zellen stehen dicht nebeneinander und sind walzenförmig verlängert; die subeuticulare Substanz wird zuerst auf dem Gipfel dieser Zellen von ihrer Verwachsungsstelle an abgesondert. Im Alter werden die ein- zelnen Zellen der Haare, der Epidermis und sogar der inneren Gewebe der Knolle und Blätter mit einer braunen, gerbstofthaltigen Substanz erfüllt. Bei Cyelamen persieum ist bekanntlich kein Stengel vorhanden. Der Vege- tationspunkt, wie schon oben gesagt, liegt an dem Scheitel der Knolle und erzeugt nach ı’r angeordnete Blätter, was in Fig. 11. (Taf. VIL), wo die Zahlen die abge- schnittenen Blätter bezeichnen, zu sehen ist. Der Vegetationspunkt nebst den jüng- sten Blattanlagen sind zwischen dichten, braunen, oben beschriebenen Haaren verborgen. Der anatomische Bau der Blätter (auch das erste nicht ausschliessend) ist dem der Primula sinensis ähnlich. Der Gefässbündelbau in den Blattstielen ist auch der- selbe. Erst steigt in grösseren Blättern im Blattstiel die Zahl der Bündel bis auf drei, bei welchen zwischen dem Holz- und Basttheil ein normal entwickeltes Cambium entsteht. = Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 25 Sa Die rothe Farbe der unteren Blattfläche und der Blatt- und Blüthenstiele rührt von einem Farbstoff im Innern der Epidermiszellen her. II. Cyelamen hederaefolium. Diese Cyclamenspecies unterscheidet sich im anatomischen Baue nicht viel von dem der vorigen Species. Die Hauptwurzel stirbt hier sehr früh ab, und wird durch viele Adventivwurzeln, die an der ganzen Oberfläche der Knolle austreten, ersetzt. Aut Grund dieses letzten Umstandes hat Richard Müller!) die Gattung Cyelamen in zwei Theile getheilt: zum ersten Theil gehören nach ihm die Species, bei welchen die Wurzeln nur unterseits der Knolle entstehen, zum zweiten diejenigen, bei denen die ganze Oberfläche der Knolle mit Wurzeln besetzt ist. Der Bau der Knolle der Cyclamen hederaefolium unterscheidet sich nur dadurch von dem der vorigen Art, dass die Unregelmässigkeit im Verlaufe und der Anordnung der Gefässbündel hier viel grösser ist: sogar die ersten vier Bündel, von welchen oben die Rede war, sind hier auf dem Querschnitte nicht mehr von anderen zu unter- scheiden. Da ich keine ausführlichen Untersuchungen über die Entstehung der Adventivwurzeln vorgenommen habe, kann ich nur das sagen, dass die Wurzeln in derselben Geweberegion, in welcher neue Gefässbündel ihren Ursprung nehmen, entstehen; innerhalb der Schutzscheide, fast gleichzeitig mit der Wurzelentstehung, wird ein Gefässbündel, das mit dem Gefässbündelcylinder der Wurzel sich vereinigt, gebildet. An dem Scheitel der Knolle entsteht ein dicht mit Blättern besetzter, oft einige Zoll langer Stengel, dessen Gestalt und Bau wesentlich derselbe ist, wie der der Primula sinensis. Auf einem (Querschnitt haben wir hier auch einen Gefäss- bündelring, der nur in den Antrittsstellen der Blattspuren unterbrochen ist. Die Differenzirung der Gewebe im Vegetationspunkt ist auch dieselbe, wie bei den erwähn- ten Primeln. Der blätterbau ist der der vorhergehenden Art ähnlich. !) Richard Müller: Ueber Cyclamen. Sitzungsberichte der Gesellschaft Isis in Dresden 1871, Januar, Februar, März. pag. 18. — 191 — Von den anderen Oyclamenspecies habe ich noch Cyclamen neapohtanum und Cyelamen europaeum untersucht. Diese beiden Arten unterscheiden sich im anatomi- schen Baue von Üyclamen hederaefolium nicht; der Stengel von Oyclamen europaeum ist nur viel stärker entwickelt, oft kriechend und verzweigt, so wie auch die Bündel stärker entwickelt sind. Soldanella. Von einigen Species dieser Gattung habe ich nur Gelegenheit gehabt, Solda- nella alpina 1. und Saldanella montana W. zu untersuchen und mich überzeugt, dass die beiden Species im anatomischen Baue keinen Unterschied darstellen. Der Wurzelbau ist der von Primula elatior; die Wurzelrinde, deren Zellen, so wie auch die Schutzscheidezellen, etwas verdickt sind, ist stark entwickelt. In der Mitte zwischen den 5strahlig geordneten Holztheilen befindet sich das, aus wenigen dünnwandigen Zellen gebildete Wurzelmark. Der kriechende Rhizom ist stark verzweigt und bildet zahlreiche Adventiv- wurzeln. Der anatomische Bau des Rhizoms ist fast derselbe der Primula sinens:s; die Gefässbündel sind auch hier zu einem Ring geschlossen; der Hauptunterschied besteht in dem Mark- und Rindenbau. Die Rinde dieser Pflanze ist stark entwickelt und wird nicht abgeworfen; die Zellen werden abgerundet und ziemlich stark diekwandig. Die Epidermis, die zahl- reiche Ausläufer bekleidet, besteht auch aus diekwandigen Zellen und ist mit starken getalteten Outicula bekleidet. Die Schutzscheide, die hier typisch ausgebildet ist, wie dies Fig. 14. (Tat. VII.) zeigt, verdiekt ihre Zellen noch stärker als die Rinde, so dass das Lumen derselben mehr als um die Hälfte verkleinert ist. Das Mark wird dadurch charakteristisch, dass sich hier, ähnlich wie bei Primula cortusoides, kleine oder grössere Gruppen von Sclerenchymzellen, die manchmal das ganze Mark ausfüllen, befinden. Die Haare, die auf jungen Blättern und Ausläufern zerstreut stehen, sind denen der Primula sinensis, welche subeuticulare Substanz absondern, ähnlich. [59] a * gg ll, Lysimachieen. Die hierher gehörenden Primulaceen unterscheiden sich dadurch von den vorigen, dass sie einen oberirdischen, mit ausgestreckten Internodien und quirlständigen, selten spiraligen Blättern versehenen, Stengel besitzen. Lysimachia. Die Lysimachieenspecies, die ich untersucht habe, sind folgende: I. Lysimachia vulgaris. Sehr interessant sind die morphologischen Untersuchungen von Thilo Irmisch') über die Keimung dieser Pflanze, die ich hier vollständig bestätigen kann. Der hypokotyle Stengeltheil des Keimpflänzchens ist klein und geht allmählig nach unten in die Wurzel über; die Kotyledonen sind klein, elliptisch oder eiförmig und sonst von den Stengelblättern nicht verschieden. Der mit opponirten Blättern besetzte Hauptstengel ist auch klein und erreicht nur einige Zoll Höhe. Sehr trüh entsteht in der Achsel der beiden Kotyledonen je ein Ausläufer, der sich zuerst in seiner Spitze nach unten biegt und dann eine kleine Strecke, indem er einige Inter- nodien ausbildet, auf der Erde kriecht. Dann krümmt sich der Giptel des Ausläufers plötzlich nach oben und wächst zu einem Stengel aus; gleichzeitig werden in der Krümmungsstelle zahlreiche Wurzeln gebildet, mit welchen der neue Stengel an den Boden angeheftet wird. Der Hauptstengel und die Hauptwurzeln werden dabei nicht weiter entwickelt und sterben bald ab. Der Wurzelbau ist von dem der Primula elatior nicht verschieden ; aber die einzeln zerstreuten Zellen der Epidermis, der Rinde, der Schutzscheide und des Gefässbündeleylinders sind mit einer festen krystallinischen (in der Form von Sphaerokrystallen), in Alkohol löslichen, dunkelrothen Substanz erfüllt, die aus nadeltörmigen radial angeordneten Krystallen besteht. Der Bau des hypokotylen Stengeltheils hat nichts Charakteristisches; die Rinde ist dünner als die in der Wurzel, sie besteht nur aus einigen Schichten von ziemlich grossen Zellen. In der Mitte des Querschnitts zeigt sich ein wenigzelliges !) Thilo Irmisch: Botan. Zeitung 1861. pag. 112. — 199 — Mark und in dem Uebergang von der Wurzel ins hypokotyle Stengelglied werden zuerst zwei, dann drei Gefässbündel, von denen zwei den Kotyledonen angehören, gebildet. Der Stengel von ZLysimachia vulgaris ist einige Fuss hoch und mit spiralig, opponirt oder quirlständig zu 3 oder 4 angeordneten Blättern besetzt. Diese ver- schiedenartige Blattstellung hängt nicht von der ungleichmässigen Entwickelung der Internodien ab, wie das bei vielen anderen Pflanzen der Fall ist, sondern sie weist sich direkt schon im Vegetationspunkte ‘aus, wo bei dem Stengel mit spiralig gestellten Bättern die letzten spiralig nach °/; angelegt werden; bei denselben mit dreiblättrigen Quirlen, wie das Fig. 1. (Taf. VIII.) zeigt, entstehen gleichzeitig in Forn von einem Dreieck, 3 Blattanlagen. Schliesslich werden an den Stengel mit opponirten Blättern und vierblättrigen Quirlen die Blätter im Vegetationspunkte immer paarweise opponirt angelegt; nur, wenn alle Internodien gleichmässig ausgebildet sind, bekommen wii opponirte Blätter, wenn aber nur je das zweite Internodium zur Ausbildung kommt, entstehen vierblättrige Quirle an dem Stengel. Alle diese Blattstellungen können oft auf einem und demselben Individuum vorkommen, so dass am Hauptstengel die Blätter spiralig und an den Zweigen opponirt oder in Quirlen u. dgl. stehen. Der anatomische Bau des Stengels ist typisch dikotyledonisch. Auf einem durch einen alten Stengel geführten Querschnitt nimmt das Mark den grössten Theil in der Mitte ein, welches aus, in der Richtung des Stengels etwas gestreckten und abgerundeten Zellen besteht, so dass die letzteren grosse Intercellularräume bilden. Die Gefässbündel sind zu einem vollständig geschlossenen Ring, welcher mit stark entwickelten Cambium (Fig. 2. ce. Taf. VIII.) in die Dicke wächst, verschmolzen. Der Holztheil charakterisirt sich besonders durch die grossen Gefässe, von welchen die älteren oder von der Markseite liegenden spiralig, die mehr nach aussen mit gehöften Tüpfeln (Fig. 3. Taf. VIIL) versehen sind. Zwischen den Gefässen liegen zahlreiche Holzzellen, die verdickte Wände und sich kreuzende längliche 'Tüpfel (Fig. 4. Taf. VII.) besitzen. Ausserdem kommen die Uebergangsformen zwischen den Holzzellen und Gefässen vor. Im Basttheile besitzen die Zellen, die an der Schutzscheide, welche den ganzen Gefässbündelring umgiebt, anliegen, sehr dicke Wände, auch bilden diese Zellen zahlreiche grössere oder kleinere Selerenchymgruppen (Fig. 2. sk, Taf. VIII). in Die Rinde (Fig. 2. %, Taf. VIII) ist schwach entwickelt, mit grossen und zahl- reichen Intercellularräumen versehen. Die Epidermis (Fig. 2. n. Taf. VIII.) ist mit starken, besonders bei der Berührungsstelle gefalteten Outieula bedeckt. Die Entwickelungsgeschichte der Gefässbündel im Vegetationspunkte ist wesent- lich dieselbe, wie bei Primula sinensis. Der Vegetationspunkt ist, wie Fig. 5. (Taf. VII.) zeigt, entweder flach, klein und eng oder, wie wir aus der Fig. 6. (Taf. VILL.) sehen, breit und etwas erhaben. Die Blattanlagen werden verschieden, grösstentheils aber bei der opponirten Stellung, auf dieselbe Weise, wie die beiden oben erwähnten Figuren zeigen, gebildet. Sie entwickeln sich sehr schnell und veranlassen die Gestalt des Vegetationspunktes. So haben wir den Vegetationspunkt in Fig. 6. (Taf. VILL) etwas erhaben, indem aber zwei neue Blattanlagen entstehen, wird derselbe wegen raschen Wachsthums der letzteren zuerst verengt und schinal, wie Fig. 5. (Taf. VII.) vorstellt, bis er zu der ursprünglichen Form kommt. Der histiologische Bau dieses Vegetationspunktes ist, wie wir aus den beiden Figuren sehen, folgender: Der ganze Vegetationspunkt ist von der Epidermis bekleidet, unter welcher sich ein meristematisches Gewebe befindet, dessen in der Mitte liegende Zellen abeerundet und zu Markzellen ausgebildet werden, die unterhalb der Blatt- anlagen, indem sie sich vorwiegend längs theilen, Procambiumstränge vorstellen. An den Querschnitten, die durch die Stammspitze geführt sind, befinden sich in den, den Blattanlagen entsprechenden Stellen kleinzellige Gruppen — die Procambiumstränge — zwischen welchen bald andere kleinere procambiale Stränge, aus denen Interfaseicularbündel ausgebildet werden, entstehen und auf diese Weise einen geschlossenen Gefässbündelring bilden. Die Ausbildung der einzelnen Holz- und Bastelemente aus dem Procambium- gewebe ist dieselbe, wie bei Primula oder Androsace septentrionalis, natürlich mit dem Unterschiede, der von der Gestalt der Bündel selbst abhängt. Alles, was ich von der Differenzirung der Gewebe im Vegetationspunkte gesagt habe, bezieht sich auf den spiralig beblätterten Stengel; in anders beblätterten Stengeln ist gerade dasselbe der Fall, nur mit Umänderung der Zahlverhältnisse und Stellung der Bündel. Die Entwiekelungsgeschichte der Gefässbündel in dem Stengel mit opponirten Blättern unterscheidet sich nicht von der der Zysimachia nummularia, wovon später die Rede sein wird. - 195 Der Gefässbindelverlauf bei Lysimachia vulgaris ist verschieden in den ver- schiedenartig beblätterten Stengeln. Im Stengel mit spiralig angeordneten Blättern verläuft jedes Bündel, das von einem Blatte kommt, frei drei Internodien nach unten, in dem vierten vereinigt es sich mit einem benachbarten Bündel und, indem es noch weiter durch fünf Internodien durchgeht, legt es sich an die nächst benachbarten Bündel an. Dieser Verlauf ist nicht immer so regelmässig und deutlich und wird bald durch Auftreten der Interfascieularbündel, bald durch Entstehung eines Gefäss- bündelringes verdeckt. Mehr charakteristisch ist der, in den quirlständig beblätterten Stengeln vorkommende Gefässbündelverlauf, dessen Schema Fig. 8. (Taf. VIII) und für solche mit dreiblättrigen Quirlen Fig. 7. (Taf. VIll.) vorstellt. Wenn wir diese beiden Figuren mit Fig. 8. (Taf. V.), die ein Schema für Getässbündelverlauf der Primula spectabilis zeigt, vergleichen, so sehen wir den ganzen Unterschied nur in der anderen Blattanordnung und verschiedenen Internodienentwickelung. Bei Lysima- chia geht jedes Bündel, das vom Blatte in den Stengel eintritt, frei nach unten bis zu dem nächsten Knoten, wo er von beiden Seiten je einen Schenkel der zwei benachbarten Bündel annimmt und so bis zu dem zweiten Knoten verläuft und sich dort in zwei Schenkel gabelt, die mit zwei nebenverlaufenden Bündeln vereinigt werden. Im älteren Stengel werden die Gefässbiündel zu einem geschlossenen Ring verschmolzen, wodurch, wie schon oben bemerkt, der primäre Gefässbündelverlauf nicht mehr deutlich zu erkennen ist. Der Blätterbau bei Lysimachia vulgaris ist wesentlich von dem der Primeln nicht verschieden. Das Blattstielbündel ist dem der Primula elatior ähnlich, besitzt aber kein Selerenchym. Sehr charakteristisch sind die von verschiedener Grösse in der Blattspitze von beiden Seiten des Hauptnerves liegenden und auch auf der ganzen Blattfläche zerstreuten, rothen Punkte, welche schon längst die Aufmerksamkeit der Forscher, wie Link'), Moldenhawer?) und Meyen?), auf sich gezogen haben. Der letztere hat erst den Bau derselben näher untersucht; er behauptet aber unrichtig, dass die rothe Substanz, die die rothen Punkte verursacht, innerhalb der Zellen gebildet wird. Diese Substanz, von deren Consistenz schon bei der Beschreibung 1) Link: Grundlehre der Anatomie und Physiologie der Pflanzen. pag. 9, $.2. 2) J.P. Moldenhawer: Beyträge zur Anatomie der Pflanzen. 1812. pag. 162. 3) Meyen: l.c. pag. 61. Taf. IV. Fig. 26—31. —— 196 — der Wurzel die Rede war \ füllt kleinere oder grössere circumscisse, intercelluläre Räume oder Behälter, die man gewöhnlich innere Drüsen nennt. Diese Drüsen entstehen hier sehr früh, schon in noch ganz unentwickelten Blättern; um ihre " Entwiekelungsgeschichte zu verfolgen, muss man deswegen sehr junge Blätter zur Untersuchung benutzen. Die Quer- und Längsschnitte sehr junger Blätter zeigen, dass diese Drüsen aus einer Zelle bestehen, die zuerst mit einer Scheidewand in zwei Fig. 9. «‘, (Taf. VIIL), dann mit zwei zu jener perpendikulären Wänden in 8 Zellen getheilt wird, die so angeordnet sind, wie Quadraten der Kugel oder vielmehr, indem sie eubische Form annehmen, wie 8 Würfel, von welchen von der Seite, wie auf Fig. 9. a, (Taf. VIH.), nur 4 zu sehen sind. In der Berührungsstelle aller acht Zellen bildet sich, indem sie auseinander weichen, ein Intercellularraum, der sich sogleich mit rother Substanz ausfüllt (Fig. 9. b, Taf. VIIL). Das Herkommen dieser Substanz lässt sich nicht leicht genau bestimmen, ich konnte nämlich nicht constatiren, ob diese Substanz aus den benachbarten Zellen in den Intercellularraum durch die Zellwände ausgeschieden, oder, ähnlich wie die subeuticulare Substanz in Köpfchenhaaren, durch die chemische Umänderung der Zellwandschichte in der Berührungsstelle der Zellen gebildet wird. Die erste Voraussetzung scheint mir jedenfalls viel wahrscheinlicher zu sein, wenn man unter anderem beachtet, dass die Quantität dieser Substanz sehr beträchtlich wird; sie kann möglicher Weise nicht nur aus den Zellen, sondern auch aus den benachbarten Geweben durch Filtration von einer Zelle in die andere, sich in die Drüse einsammeln. Ich muss aber darauf aufmerksam machen, dass das Vorhandensein dieser Substanz sich nicht innerhalb der den Intercellularraum begrenzenden Zellen mikroskopisch nachweisen lässt, die definitive, also chemische Ausbildung der Substanz muss im Innern der Drüse stattfinden. Die Substanz entwickelt sich sehr schnell und die Drüse kommt zu solcher Ausdehnung, dass man sie mit blossen Augen leicht sehen kann. Bei der Vergrösserung der Drüse werden die begränzenden Drüsen- zellen passiv in der Richtung der Oberfläche ausgezogen und dadurch tafelförmig; auch werden sie mit Querwänden in einige Zellen getheilt (Fig. 9. c. Taf. VIII). Oft thei- len sich die noch jungen Drüsenzellen wie ihre Mutterzellen in 8 neue und so werden neue Behälter der rothen Substanz gebildet, die sich, indem sie immer grösser werden, mit daneben liegenden zu einer grossen, zusammengesetzten Drüse vereinigen. Zwei solche zusammengesetzte Drüsen bilden die zwei grossen rothen Flecken, die in den — 191° — Blatt- und Kelchblattzipfeln sich befinden. Es kommen auch verschiedene Abwei- chungen von der oben beschriebenen Entwickelungsgeschichte der Drüsen vor. Ich finde sie unwesentlich und will nur das bemerken, dass die Abweichungen nur auf der verschiedenen Anordnung der Zellen, ihrer Zahl etc. beruhen. Fig. 9. d. (Taf. VIII.) stellt eine aus zwei, Fig. 9. e. (Taf. VIII.) aus drei Zellen entstehende Drise dar. Die Blätter und der Stengel sind in der Jugend mit Haaren von zweierlei Art, ähnlich wie bei Primula sinensis, besetzt. Die Köpfehenhaare, welche subeuti- culare Substanz absondern, stellt Fig. 15. (Tat. VII.) vor; das Köpfchen besteht hier aus zwei, ähnlich wie bei Cyclamen gebildeten, Zellen, die aber eine etwas andere Gestalt besitzen und in ihrer Berührungsstelle eine kleine (Quantität der Substanz absondern. Die anderen Haare bedecken den Stengel ziemlich dicht und sind ganz einfach gebaut; sie bestehen nämlich aus einer Reihe von wenigen Zellen, von denen die Endzelle etwas abgerundet ist. Meyen') hat die Haare von Lysimachia vulgaris in seiner oben erwähnten Arbeit genau beschrieben und abgebildet. Der anatomische Bau der Ausläufer unterscheidet sich durch die stärkere Ausbildung der Rinde von der des Stengel. Die Epidermis ist mit zahlreichen Spaltöflnungen und kurzen Haaren versehen. Die Gefässbündel, die hier auch zu einem Ring verbunden sind, haben einen sehr schwach entwickelten Holztheil und einen viel stärker ausgebildeten, aber zarten Basttheil. Die Schutzscheide, die den Gefässbündelring urygiebt, ist mit sehr deutlichen schwarzen ÖUaspary’schen Punkten versehen. In der Rinde besonders, nicht weit von der Epidermis entternt, sind die oben besprochenen inneren Drüsen zerstreut. Lysimachia punetata hat im Allgemeinen denselben Bau, wie Zysimachia vul- garis; die Wurzel aber wird durch den stärker ausgebildeten Gefässbündeleylinder .charakterisirt und die, mit rother Substanz erfüllten Zellen sind hier viel zahlreicher. In dem Stengel sind die Scelerenchymgruppen, die in dem Bast vorkommen, nur einzeln zerstreut und sogar in vielen Fällen nicht vorhanden. 1) Meyen: I. c. pag. 31. Taf. II. Fig. 42. Abh. d. nturf, Ges, zu Halle, Bd. XIV, 96 En Die inneren Drüsen, die hier von Link, wie oben bemerkt, zuerst erkannt worden und die von den bei Zysimachia vulgaris nicht zu unterscheiden sind, befinden sich auch sehr zahlreich im Marke. Ueberhaupt sind diese Drüsen hier überall vorhanden, wovon auch der Speciesname der ZLysimachia punctata kommt. Die Haare sind auch dieselben wie bei der vorigen Art, sie sind aber länger und dichter stehend. Die folgenden, nach getrockneten Exemplaren untersuchten Species haben sich als wesentlich im Baue von Zysimachia vulgaris nicht verschieden erwiesen: Lysimachia clethroides Duby und Lysim. angustifolia Mich. Beide werden durch grosse und zahlreiche Gefässe in den Stengelbündeln und den entwickelten Seleren- chymring charakterisirt; Zysimachia lobelioides Walt. und Lysim. cuspidata Blum. besitzen das Sclerenchym schwach ausgebildet und das aus grossen parenchymatischen Zellen bestehende Mark. ll. Lysimachia nummularia. Die Wurzel dieser Pflanze ist nur durch seltenes Vorkommen der rothen Substinz in den Zellen von der der Zysimachia vulgaris verschieden. Der Stengel ist bekanntlich kriechend und mit zahlreichen Adventivwurzeln, die an den Stengelknoten entstehen, an den Boden fixirt. Der anatomische Bau des Stengels ist wesentlich der der Lysimachia vulgaris, nur die Grössenverhältnisse der einzelnen Gewebe sind anders. | Die aus parenchymatischen, in der Richtung des Stengels etwas ausgezogenen, im Alter etwas verdickten Zellen bestehende Rinde nimmt den grössten Theil der (uerschnittsfläche ein. In der Rinde befinden sich hier und da einzelne mit rother Substanz erfüllte Drüsen, die, wie ich schon bemerkt habe, für alle Lysimachiaarten charakteristisch sind. In den vier Kanten oder Leisten des Stengels, die zu zwei etwas genähert sind, ist aus wenig verdickten Zellen bestehendes Collenchym vorhanden. Die Gefäss- bündel auf dem Stengelquerschnitt sind zu einem elliptischen Ring. verschmolzen, der in der Mitte nur aus wenigen Zellen bestehendes Mark umschliesst. Der histologische Bau des Gefässbindelringes ist von dem der Lysimachia vulgaris nur durch Abwesen- —— 199 —- heit des Sclerenchyms verschieden. Dieser Umstand lässt sich dadurch leicht erklären, dass der am Boden kriechende Stengel der Zysimachia nummularia keine Verstärkung der Stengelgewebe braucht, was natürlich bei der mit einem hohen, aufrecht stehen- den Stengel versehenen Zysimachra vulgaris fast unmöglich wäre. Zwischen Holz und Bast befindet sich ein, nicht zahlreiche Gefässbiindelelemente erzeugendes Cambium ; nach aussen des Ringes liegt eine deutlich entwickelte, aus kleinen Zellen bestehende Schutzscheide. Der Gefässbündelverlauf im Stengel ist sehr einfach und von dem der mit opponirten Blättern versehenen Zysimachta vulgaris nicht verschieden. Hier wie da verwischen die Interfascieularbündel den primären Gefässbündelverlauf; man kann aber doch immer die zwei, dem nächst oben liegenden Blattpaar entsprechenden Bündel, die am Ende der kleineren Ellipsisaxe liegen, unterscheiden. Der Vegetationspunkt ist klein und flach und die jungen Blattanlagen entstehen gleichzeitig paarweise, so dass jedes Paar mit dem folgenden um 90° gedreht ist, wie wir das in Fig. 10. (Taf. VIII.) sehen können. Die Difterenzirung der Gewebe im Vegetationspunkte unterscheidet sich im Allgemeinen nicht von der, welche bei ZLysimachta vulgaris beschrieben war. Fig. 11. (Tat. VIII.) stellt einen Vegetationspunktquerschnitt vor, in welchem wir die, den zwei Blattanlagen entsprechenden, zwei kleinen Procambiumbindel erblicken. Auf dem mehr nach unten durchgeführten und in Fig. 12. (Taf. VIII.) abgebildeten Querschnitt sind die ersten Procambiumbindel schon sehr stark aus- gebildet und ausserdem kreuzweise mit den letzteren zwei neue, dem jüngsten nächst- stehenden Blattpaare angehörenden, Procambiumbündel entstanden; zwischen diesen 4 Bündeln ist ein die letzteren zu einem Ring verbindendes kleinzelliges Gewebe gebildet, in welchem interfascieuläre Bündel entstehen. Auf derselben Figur sehen wir die ersten Entstehungsstadien der Schutzscheide. An einigen Stellen ausserhalb der Procambiumbündel liegende Rindenzellen theilen sich tangential und die dadurch gebildeten, nach innen liegenden Zellen werden zu Schutzscheidezellen, die nach aussen sich mit der Rinde verbinden. Die weitere Ausbildung der Bündel aus ihrem Procambium geht auf dieselbe Weise, wie bei Lysimachia vulgaris, weiter vor sich. Im Blätterbau der Zysimachta nummularia finden wir nichts Charakteristisches und das, was ich von Zysimachta vulgaris gesagt habe, kann man auch hier wieder- 26* ma ee holen; das muss ich aber erwähnen, dass im Blattstielbündel, ähnlich wie bei Primula elatior, Selerenchym vorkommt. Die mit rother Substanz erfüllten Behälter sind hier nicht zahlreich, aber die zwei in der Blattspitze liegenden sind durch ihre Grösse auffallend. Die sehr sparsame Behaarung besteht nur aus kurzen Köptchenhaaren, deren in Fig. 13. (Taf. VIIL) abgebildete Köpfchen nicht aus zwei, wie bei ZLysimachia vulgaris, sondern aus vier Zellen zusammengesetzt sind. Lysimachia ephemerum ist ähnlich wie Lysim. nummularia gebaut; sie unter- scheidet sich aber durch grosse Rindenzellen und Intercellularräume, sowie durch zahlreich in dem Stengel, den Blättern und der Wurzel vorkommende innere Drüsen. Schliesslich gehört auch ZLysimachia quadrifolia hierher. III. Lysimachia nemorum. Der Wurzelbau ist dem der vorhergehenden Art ähnlich. Der Gefässbündel- cylinder, welcher stark entwickelt ist und mittels eines Cambiums sehr schwach in die Dicke wächst, ist in der Mitte reichlich mit Sclerenchym ausgefüllt. Die rothe Substanz kommt in der Wurzel selten vor. Der Stengel ist in seinem anatomischen Bau dadurch von der vorhergehenden Lysimachiaspecies verschieden, dass am Stengelquerschnitt die Gefässbündel keinen. geschlossenen Ring bilden, sondern, wie Fig. 1. (Tat. IX.) zeigt, in vier Gruppen, die mit Sclerenchymstrichen zu einem Kreis verbunden, geordnet sind. Der Querschnitts- umriss ist ungefähr dem der Zysimachta nummularia ähnlich; hier aber bildet die Rinde eine viel kleinere äussere Schicht, die keine Collenchymzellen besitzt; das Mark dagegen ist stärker entwickelt und besteht aus grossen abgerundeten Zellen. Die vier Gefässbündel, die mehr oder weniger regelmässig in der Richtung der vier Kanten des Stengels liegen, haben vollständig denselben histiologischen Bau, wie bei der vorigen Lysimachiaspecies; das Cambium, obgleich schwach entwickelt, ist hier auch vorhanden. Die, im Vergleich mit den anderen Lysimachieen, kleine Quantität der harten Holzelemente ist hier durch vier Sclerenchymtheile, welche die Holztheile — mit einander zu einem geschlossenen Ring verbinden, ersetzt. Das Sclerenchym, welches nie in den Basttheil eintritt, besteht aus kleinen, aber dickwandigen Zellen, die mit zahlreichen einfachen Tüpfeln versehen sind. Interessant ist folgendes Factum, welches sehr deutlich die mechanische Bedeutung des Sclerenchyms in dem Stengel zeigt: Ich habe sehr oft bemerkt, dass in denjenigen Stengeltheilen, die mehr frei und aufsteigend in die Höhe wachsen, die Selerenchymzellen stärker diekwandig sind als bei den auf dem Boden kriechenden Stengeln, wo das Sclerenchym sehr schwach und manchmal gar nicht entwickelt ist. Schliesslich muss ich das zugeben, dass ausserhalb der Bündel und des Sclerenchyms eine aus kleinen dünnwandigen Zellen bestehende Schutzscheide liegt. Die Entwickelungsgeschichte der Gefässbündel ist dieselbe wie bei Zysimachia nummularia; ihr Verlaut aber ist hier sehr charakteristisch und verlangt deshalb nähere Besprechung. Auf den successiven Querschnitten durch den Stengel kann man den Gefäss- biindelverlauf am besten verfolgen. Auf einem nicht weit über der Ansatzstelle des blattpaares durchgeführten Querschnitt (Fig. 2. Taf. IX.) sehen wir drei Blattstiel- bündel, von denen der mittlere, in dem nächsten mehr unten geführten Querschnitt (Fig. 3. Taf. IX.), sich in zwei Schenkel theilt und bald mit dem seitlichen sich vereinigt. Wir bekommen auf diese Weise (Fig. 4. Taf. IX.) aus jedem Blatte zwei Bündel in den Stengel eintretend, die sich an die lim Stengel verlaufenden nächst- liegenden Bündel anlegen, so dass wir (Fig. 5. Taf. IX.) wieder dieselben vier Bündel haben, die in den oberen Internodien verlaufen sind. Fig. 6. (Taf. IX.) stellt uns ein, aus den successiven (Juerschnitten und in KHO durchsichtig gemachten Stengelpräparaten construirtes Schema des Gefässbindel- verlaufs dar, an welchem wir sehen können, dass die Lage der vier in den Stengel verlaufenden Bündel sich nicht ändert und nur die aus den Blättern kommenden Bündel, nach den oben angegebenen Regeln, an sie angelegt werden. Im Blätterbau der Zysimachia nemorum ist nichts Charakteristisches; die Rauhigkeit der Blattränder kommt davon, dass die mit starken Cutieula bedeckten Randzellen der Epidermis in Form von kleinen Zähnchen auswachsen. Die Behaarung ist sehr sparsam und von der der Lysimachia nummularia nicht verschieden. 202 Denselben anatomischen Bau wie die Zysimachia nemorum hat die mit starker Selerenehymausbildung sich charakterisirende Zysimachra lanceolata Walt. Naumburgia. Die einzige nach getrockneten Exemplaren untersuchte Species dieser Gattung, Naumburgia thyrsiflora, ist in ihrem anatomischen Bau nicht von Lysim. vulgaris verschieden; ich halte es deswegen für überflüssig, von dieser Pflanze ausführlicher zu sprechen. Lubinia. Lubinia spathulata, die ich auch nur in getrockneten unvollständigen Exzem- plaren untersucht habe, ist dadurch verschieden, dass in ihren verkehrt eiförmigen Blättern die Behälter der rothen Substanz, so wie auch zahlreiche Spaltöffnungen, besonders auf der unteren Fläche gleichmässig zerstreut sind. Glaux. Die Wurzel der Glauxr maritima wird durch die starke Entwickelung der Rinde charakterisirt. Die aus grossen, dünnwandigen, parenchymatischen Zellen bestehende Rinde nimmt den grössten Theil des Querschnitts ein; die äusseren Schichten der Rinde bilden etwas kleinere und diekwandige Zellen, die hier die schwach entwickelte, zarte und hinfällige Epidermis ersetzen. Der mit opponirten Blättern dicht besetzte Stengel zeigt einen, dem der Lysimachia nummularia ähnlichen anatomischen Bau; die Differenzirung der Gewebe im Vegetationspunkte ist auch fast dieselbe. Die, wie in der Wurzel, stark entwickelte Rinde ist aus ähnlichen dünnwandigen, aber etwas kleineren Zellen zusammengesetzt. Die Gefässbindel, die in einem geschlossenen Ringe verbunden und nach aussen mit einer Schutzscheide bekleidet sind, besitzen denselben Bau wie die erwähnte Lysimachre. Der ganze Unterschied besteht in dem Bau des Holztheils und dem Vorhanden- sein des Cambiums. Den Holztheil setzen zahlreiche, mässig grosse und sehr regel- mässig radial angeordnete Spiralgefässe und ähnliche, wie bei Lysimachia nummularia, aber selten so diekwandige Holzzellen zusammen; ausserdem kommen Tüpfelgefässe a e von verschiedener Gestalt vor. Das Dickenwachsthum mittels stark entwickelten Cambiums ist insofern charakteristisch, als es die tangentiale Streckung der Schutz- scheidezellen, die auch mit wenigen radialen Zellwänden getheilt werden, verursacht. Am meisten charakteristisch ist das Mark, welches aus wenigen grossen, etwas dick- wandigen, getüpfelten Zellen besteht, die so dicht aneinander liegen, dass sie keine Intercellularräuine bilden. Was den Gefässbündelverlauf betrifft, kann ich hier nur dasselbe wiederholen, was ich von Lysimachta nummularia gesagt habe. Auch der Bau der Blätter ist der- selbe. Die Haare, die auf dem Stengel und den Blättern sehr zerstreut stehen, sind denjenigen der Samolus littoralis ähnlich, wovon weiter unten die Rede sein wird. Die Behälter der rothen Substanz sind hier nicht vorhanden, nur einige ein- zelne Zellen, von verschiedenen Geweben, sind, wie bei allen anderen Primulaceen, mit brauner gerbstofthaltiger Substanz erfüllt. Asterolinum. Asterolinum Linum stellatum gehört zu den kleinsten Primulaceenarten. Die Hauptwurzel dieses kleinen, höchstens zwei Zoll hohen Pflänzchens ist dadurch unter- schieden, dass ihr Gefässbündeleylinder mittels eines Cambiums, ähnlich wie bei den Androsacearten, ziemlich beträchtlich in die Dieke wächst, Dabei wird der primäre, gewöhnlich diarche, Bau des Gefässbündeleylinders der Wurzel durch Zuwachs der neuen Bast- und Holzelemente verwischt, die Epidermis und die aus wenigen Schich- ten von grossen Zellen bestehende Rinde werden abgeworfen und die Schutzscheide- zellen werden tangential ausgezogen und getheilt. Der Bau des Holzes und des Bastes bietet nichts Uharakteristisches, nur im Holztheile befinden sich ähnliche, wie bei Lysimachta vulgaris beschriebene Tracheiden. Der Stengel des Asterolinum Linum stellatum ist, ähnlich wie bei Glaus märitima, dicht mit opponirten Blättern besetzt, seine Gestalt aber und sein Bau nähern sich viel mehr den der Lysimachia nemorum. Die Rinde, die verhältnissmässig einen klei- nen Theil des Stengels einnimmt, besteht aus parenchymatischen Zellen, deren Wände immer dünner als die der Epidermis sind; die vier, ähnlich wie bei Lysimachia nemorum geordneten, Gefässbündel unterscheiden sich im anatomischen Baue dadurch, dass ihr Holz hauptsächlich aus Spiralgefässen und dünnwandigen Holzzellen besteht. 204 Sehr charakteristisch ist das Vorkommen des sehr früh in Gefässbündeln entstehenden Cambiums, welches nicht nur zwischen den Holz- und Basttheilen, sondern auch zwischen den einzelnen Bündeln in Form eines cambialen Ringes am Stengel- querschnitt zu sehen ist. In den letzterwähnten Stellen ist es schwächer entwickelt und erzeugt nur wenige und einzelne Bastgruppen, aber keine Holzelemente. Dasselbe Verhältniss finden wir bei Trientalis, wovon wir später Gelegenheit haben werden zu reden. Der Gefässbiindelverlauf ist vollständig derselbe wie bei Lysimachia nemorum und das in Fig. 6. (Taf. IX.) abgebildete Schema lässt sich hier vollständig anwenden. Der Bau der Blätter ist nicht von dem der Lysimachia nemorum verschieden, ja sogar die Zähne an den Rändern der Blätter sind hier ebenfalls vorhanden. Die Behaarung ist wie bei Lysimachia nummularia. Trientalis. Trientalis europaea bildet kriechende, mit vielen Wurzeln besetzte Rhizome, welche mit jedem Frühjahr junge, an der Basis etwas knollig verdiekte Sprossen, die in oberirdische Stengel auswachsen, erzeugt. Dieser Stengel ist mit spiralig gestellten Blättern besetzt, welche an der Spitze des Stengels, durch die Verkürzung der Inter- nodien rosettenartig, gedrängt stehen. Der Wurzelbau der Trientalis europaea, der sich durch Abwesenheit des Cambiums charakterisirt, ist dem schon ötter bei anderen Primulaceen erwähnten Baue ähnlich. Die Wurzelrinde ist mässig entwickelt und besteht aus etwas diekwandigen Zellen; nur die dieht unter der Epidermis liegende Aussenschicht bilden dünnwandige Zellen, die von den Epidermiszellen nicht verschieden sind. Die Schutzscheidezellen sind denen der Rinde ähnlich, aber kleiner und wenig tangential verlängert. Der gewöhnlich triarchisch gebaute Gefässbündeleylinder besitzt kein Wurzelmark. Der Stengel stellt einen, wie bei Glaux mäaritima ähnlichen anatomischen Bau dar, welcher von Sanio untersucht und in seiner Arbeit: „Ueber endogene Gefäss- bündelbildung“ beschrieben worden ist. Dieser Forscher sagt nämlich: „Bei Trientalis europaea ist die Aussenscheide gleichfalls sehr entwickelt, sie besteht aus 3—4 Reihen stark verdiekter und verholzter Zellen. Ueber ihr liegt eine zur Rinde gehörige Zellreihe, von den übrigen Rindenzellen schon durch geringe Grösse verschieden; —— 205 — sie stellt die Caspary’sche Schutzscheide vor, und hat hier sogar den dunklen Caspary’schen Punkt auf den radialen Wandungen. Bemerkenswerth ist, dass bei Trientalis die Cambiformbündel nicht allein über den Gefässbündeln‘) vorkommen, sondern sich auch zwischen denselben finden.“”) Es bleibt nur noch übrig, dazu einen in Fig. 8. (Taf. IX.) abgebildeten Theil des Stengelquerschnitts zu geben und das noch zu bemerken, dass hier die Gewebe sehr zart gebaut sind und die mehr innerhalb liegenden Selerenchymzellen, ähnlich wie bei Glauxw maritima, verschieden- artig getüpfelte Gestalten aufweisen. Die Entwickelungsgeschichte der Gefässbindel in dem flachen oder kaum erhabenen Vegetationspunkte unterscheidet sich nicht von der der Lysimachia und Glaux. Sehr charakteristisch und viel deutlicher als bei den anderen Primulaceen ist hier die Bildung der Schutzscheide. Fig. 7. (Taf. IX.) stellt einen Theil des nicht weit von dem Vegetationspunkt nach unten gemachten Stengelquerschnitts vor, in welchem die Zellen der ausserhalb der Procambiumbündel liegenden Rindenschicht sich tangential theilen und dadurch nach innen die Schutzscheide s—s abtrennen. Der Bau des unterirdischen Stengels unterscheidet sich von dem des ober- irdischen durch die stärkere Entwickelung der Rinde und die schwächere des Scleren- chyms. Was den Gefässbündelverlauf betrifft, so lässt sich von ihm dasselbe sagen, was von Primula sinensis gesagt wurde, weil hier wie dort die Bündel sehr früh zu einem geschlossenen Ring verwachsen sind und die spiralige Blattstellung auch der */s Divergenz entspricht. In dem Baue der Blätter finden wir wesentlich nichts Charakteristisches; der Selerenchymring umgiebt ähnlich wie bei Primula elatior den in dem Blattstiel verlaufenden Btindel. Die mit gefalteter Cutieula bekleidete Epidermis, von dem- selben Baue wie bei Iysimachia vulgaris, trägt zerstreute Köpfchenhaare, deren Zellen gewöhnlich länger und wie bei Cyelamen mit brauner gerbstoffhaltiger Substanz erfüllt sind. Die aus den getrockneten Exemplaren untersuchte Trientals americana Purck. unterscheidet sich nicht im anatomischen Baue von der vorhergehenden Species. 1, Unter dem Gefässbündel versteht Sanio hier nur den Holztheil; nach jetzigen anatomischen Begriffen ist aber ein Gefässbündel aus zwei Bestandtheilen, aus Holz ‘und Bast, zusammengesetzt. 2) Sanio:; Ueber endogene Gefässbündelbildung. Botan. Zeitung 1864. pag. 222. Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 27 - 206 — Coris. Die halbstrauchartige Species dieser Gattung, Üoris monspeliensis, stimmt, soweit ich dies aus den Untersuchungen der getrockneten Exemplare beurtheilen kann, in ihrem anatomischen Bau mit Lysimachta vulgaris wesentlich überein, nur mit dem Unterschied, dass im Stengel kein Sclerenchym vorkommt und dass das starke Dickenwachsthum mittels eines Cambiums stattfindet. Das Holz dieser Pflanze ist sehr stark entwickelt und zeigt dieke jährliche Zuwachsringe, deren ich in den von mir untersuchten Exemplaren 4 bis 5 gezählt habe. Die für Coris charakteristischen schwarzen, längs des Hauptnervs der linealisch- länglichen Blätter liegenden Flecken scheinen, wie bei den Lysimachien, von ähnli- chen mit schwarzer Substanz erfüllten inneren Drüsen herzukommen. Die in der Jugend die Pflanze bedeckenden Haare sind Köpfchenhaare, die sich von denjenigen der Lysimachia vulgaris nur durch einen längeren, bis aus 7 Zellen bestehenden, Stiel unterscheiden. II. Anagallideen. Anagallis. Sehr zahlreiche Species dieser Gattung stellen im anatomischen Baue keine grossen Unterschiede vor, sie verhalten sich untereinander ungefähr gleichmässig. Anagallis arvensis. Die hier angegebenen Resultate beziehen sich hauptsächlich auf var. caerulea, die sich in keiner Weise von der typischen Anagallis arvensis unterscheidet. Diese Pflanze keimt auf dieselbe Weise, wie der grösste Theil der typischen Dikotylen; die nach unten wachsende Hauptwurzel bleibt durch das ganze Leben der Pflanze und erzeugt sehr zahlreiche Nebenwurzeln; in dem Gipfel zwischen den beiden Kotyledonen wächst der, mehrere lange und niederliegende seitliche Zweige erzeugende Hauptstengel hervor. Besondere Aufmerksamkeit aber verdient hier das ziemlich lange hypokotyle Stengelglied, auf welchem zahlreiche, in seitlichen Aus- läufern auswachsende Adventivknospen entstehen. Diese Ausläufer hat zuerst Wydler') beobachtet und beschrieben und sich überzeugt, dass sie auch in dem !) H. Wydler: Ueber subkotyledonäre Sprossbildung. Flora 1850. pag. 337. — _ 20 blühenden Stengel auf der ganzen Strecke zwischen der Wurzel und Kotyledonen- ansatzstelle ordnungslos entstehen. Die Entwickelungsgeschichte dieser subkotyledonären Knospen der Anagallis arvensis'), die ich verfolgt habe, ist deswegen sehr interessant, weil sie beweist, dass diese Knospen ausschliesslich aus den Epidermiszellen*) gebildet werden. Eine solche Knospe entsteht aus einer Zelle, die mittels 3 zu einander perpen- dikulärer, successiver Scheidewände zuerst in 8 Zellen zerfällt, die ähnlich wie die Mutterzelle getheilt werden. Auf diese Weise wird aus einer Epidermiszelle, an welche sich durch uuregelmässige Theilung benachbarte anschliessen, ein meriste- matisches Gewebe (Fig. 9. a, Taf. IX.) gebildet. In den nächsten Entwickelungsstadien theilen sich die Zellen dieses Gewebes ın verschiedene Richtungen und bald kann man nach aussen Epidermis, die den gebildeten Vegetationspunkt der Knospe bedeckt, und nach innen einige sich in der Längsrichtung der Knospe theilende Zellen sehen, die den Ursprung der Procambiumbündel geben. Fig. 10. (Taf. IX.) stellt nämlich ‚dieses Entwickelungsstadium vor, wo wir ausserdem zwei sehr junge opponirte Blatt- anlagen in Form von kleinen Protuberanzen erblicken. In der weiteren Entwickelung verlängert sich die Knospe und geht in einen Ausläufer über, welcher an der Spitze mit einem Vegetationspunkt, der immer neue Blattpaare erzeugt, in die Länge wächst. Bei der Adventivknospenentstelung wird ausschliesslich nur Epidermis des hypokotylen Stengelgliedes betheiligt, die Rinde ist dabei ausgeschlossen; sie bildet nur die Vermittelung zwischen dem Gefässbündelsystem der Knospe mit dem des hypokotylen Stengeltheils. Die unmittelbar unter der aus der Epidermis gebildeten Adventivknospe liegenden Rindezellen, in dem Stadium, welches ungefähr Fig 11. (Taf. IX.) zeigt, theilen sich in der Längsrichtung der Knospe; diese Theilung schreitet immer weiter 1) Das Material zu dieser Untersuchung verdanke ich Herrn Ernst Junger, Kunstgärtner in Breslau, der mir dasselbe und besonders verschiedene Keimpflänzchen der Primulaceen mit grosser Freund- lichkeit zu Gebote stellte. 2) Aehnliche aus den Epidermiszellen entstehende Knospen waren von Carnell (Nota su di una transformatione di pili in Gemme. Nuovo Giornalo botanico italiano. 1875, Nr. 3. pag. 292) bei Begonia phyllomaniaca und von Naudin (Note sur les bourgeons nes sur une feuille de Drosera intermedia. Ann. d. se, nat. Bot. ser. II. tom. XIV. pag. 14) und Nitschke (Wachsthumsverhältnisse des runden blättrigen Sonnenthaues. Bot. Ztng. 1860, pag. 57) bei Drosera, sowie auch bei anderen Pflanzen von anderen Autoren untersucht. eu nach innen und schliesslich in die Zelle der Schutzscheide vor und geht selbst in den Gefässbündeleylinder über. Auf diese Weise entsteht ein aus dünnen, langen Zellen zusammengesetzter Procambiumstrang, aus dem später ein Verbindungsbiündel ausgebildet wird. Dieses Bündel ist ganz einfach, später aber verzweigt es sich selbst in der Knospe (Fig. 12. Taf. IX.) und stellt die zwei ersten Blattspurbündel dar; die nächstenstehenden Bündel verlaufen normal wie im Hauptstengel nach der Regel, von welcher weiter unten die Rede sein wird. Der Wurzelbau unterscheidet sich von dem des Asterolinum nicht, hier wie da findet das Dickenwachsthum der Wurzel mittels eines Cambiums statt, wobei die Rinde mit der Epidermis abgeworfen wird. Der Stengelbau ist dem der Lysimachia nemorum wesentlich ähnlich; der ganze Unterschied besteht darin, dass die aus wenigen dünnwandigen Zellen beste- hende Rinde und die zarte Epidermis, gewöhnlich im Alter, abgeworfen werden. Die Gefässbündel sind in den mit spiralig beblätterten Exemplaren an dem Stengel- querschnitt zu vier gestellt, sie besitzen, wie bei der erwähnten Zysimachia, denselben Bau und sind mit Sclerenchym zu einem Ring verbunden. Ausserhalb aber des Selerenchyms ist ein schwach entwickeltes Cambium zu sehen, welches unbedeutende Bastgruppen erzeugt. Die Schutzscheide ist stark entwickelt, sie umgiebt nach aussen die Gefässbündel mit Sclerenchym und, indem die Rinde abgeworfen wird, theilen sich die Schutzscheidezellen und verdiecken ihre Wände. Der Gefässbündelverlaut ist von Naegeli') ausführlich untersucht und beschrieben worden. Es wäre überflüssig, diese ganze lange Beschreibung der ver- schiedenen Stengelquerschnitte der Anagallis arvensis hier zu geben; ich werde nur die Naegelischen und meine Resultate im Kurzen hier anführen. An einem entwickelten Spross sind die Blätter opponirt oder in 3-, selten in 4zählige Quirlen gestellt. In dem Vegetationspunkt stehen die Blattanlagen oft genau spivalig, oft auch zeigen sie eine zwischen der Spiral- und Quirlstellung mittlere Anord- nung; ich habe am meisten, wie bei Zysimachia, das letztere gesehen. Verfolgt man die Entwickelung von dem Knospenzustande an, so ist die Verwandlung der Spiral- in die Quirlstellung überaus deutlich. Sie geschieht dadurch, dass erstens einzelne 1) Naegeli: Beiträge zur Wissensch. Botanik. Das Wachsthum des Stammes und der Wurzel der Gefässpflanzen und die Anordnung der Gefässstränge im Stengel. i ui Internodien sich in die Länge strecken, während die übrigen verkürzt bleiben, und dass zweitens die Horizontalabstände zwischen den beisammen bleibenden Blättern sich ausgleichen. Der Gefässbündelverlauf ist fast derselbe wie bei Lysimachia nemorum, wit diesem Unterschied aber, dass nach Naegeli die zwei Blattstränge, die aus dem Blatte in den Stengel eintreten, nach unten auseinander weichen und innerhalb der Stengelknoten durch zwei Internodien abwärts gehen. Man findet daher auf dem Q@uerschnitte unter der Terminalknospe 8 Stränge paarweise in jeder Stengelkante genähert. Das Schema dieses Gefässbündelverlaufs hat Naegeli für Stachys angustifolia Biberst., wo dieselben Bündelverlaufsverhältnisse, wie bei Anagallis arvensis stattfinden, abgebilde. Die in den Stengelkanten bei Anagallis arvensis stehenden Bündel verwachsen so schnell mit einander zu einem Bündel, dass man annehmen kann, dass die zwei Blattbündel beim Eintritt in den Stengel sich direkt an die in Stengelkanten verlaufenden Bündel anlegen, und das Schema, welches ich Fig. 6. (Taf. IX.) tür Lysimachia nemorum gezeichnet habe, lässt sich auch hier anwenden. Bei den 3zähligen Quirlen und 6kantigen Internodien beobachtet man zuwei- len einen ähnlichen Verlauf und 6 Strangpaare auf dem (uerschnitt, die später durch Vereinigung zu 6 Strängen werden. Da indess eine Stengelseite gewöhnlich mehr oder weniger verkümmert ist und die Internodien 5kantig sind, so treten 2 Paare zusammen und wir bekommen schliesslich nach der Verschmelzung bloss 5 Bündel, jedes innerhalb einer Ecke. Auch in den 4kantigen Stengelinternodien tritt die Vereinigung der 4 Paare zu 4 Strängen ein. Die Gewebedifterenzirung unterscheidet sich von derjenigen der Lysimachia nicht. Der Blätterbau hat nichts Charakteristisches, er ist dem von Asterolnum ganz ähnlich. Die Behaarung auf dem Stengel und den Blättern ist in der Jugend dicht; die Haare sind kurz und wie bei Lysimachia vulgaris mit Köpfchen versehen. Die sehr zahlreichen rothen Punkte, welche die Blätter zeigen, sind einfache mit rothem Farbstoff ausgefüllte Zellen. Von der anderen Anagallisspecies habe ich folgende in getrockneten Exemplaren untersucht: | Anagallis reptans DU. und Anagallis latifolia L., die sich wesentlich von der vorhergehenden Species nicht unterscheiden; Anagallis alternifolia Car. charakterisirt —— 210. sich durch eine 'stark entwickelte Rinde und durch einen verhältnissmässig kleinen, starken, aber mittels des Cambiums in die Dieke wachsenden Gefässbündelring, der ein wenigzelliges Mark umschliesst. Ausserdem sind zahlreiche Rinden und Mark- zellen mit einer rothen Substanz angefüllt, Anagallis tenella L. besitzt auch denselben anatomischen Bau wie Anagallis arvensis, unterscheidet sich aber in allen Theilen. durch viel zartere und wenigzellige Gewebe, so wie durch ein schwach entwickeltes Cambium. Centunculus. ... Die untersuchte europäische Species — kleine einjährige Pflanze — Centuneu- lus minimus lässt sich in Bezug auf ihren anatomischen Bau bei demselben Typus wie Anagallis arvensis unterbringen. In der Wurzel findet kein Diekenwachsthum statt, wodurch sie immer typischen primären Bau ausweist. In dem Stengel befindet sich auch kein Cambium; im den Gefässbündeln ist der Basttheil zum Theil mit Sclerenchym, dessen Zellen schwach verdickt sind, ersetzt. Der Blätterbau und die Behaarung sind vollständig dieselben, wie bei Lys- machta nummularia;, die rothen Punkte, die sich auf den Blättern befinden, rühren von denselben Ursachen her, wie bei Anagallıs arvensis. IV. Hottonieen. Hottonia. Diese Gattung ist die einzige unter den Primulaceen, welche aus Wasser- pflanzen besteht. Aus wenigen Species dieser Gattung habe ich nur die gemeine europäische Art Hottonia palustris untersucht. Im anatomischen Baue unterscheidet sie sich in einigen Punkten von anderen Primulaceen und nähert sich mehr einigen Wasserpflanzen. Hottonia palustris besitzt einen langen, im Wasser untergetauchten und mit alternirenden oder häufiger quirlständigen Blättern versehenen Stengel, der mit zahl- reichen langen, aber nicht tief in der Erde stehenden Adventivwurzeln an den Boden — befestigt ist. Der Stengel verzweigt sich, indem in der Blattachsel Sprossen gebildet werden, die, wenn das Wasser austrocknet und die Pflanze nur auf dem nassen Boden bleibt, in ähnliche Ausläufer auswachsen, wie bei Lysimachia vulgaris. Ueberhaupt verändert diese Pflanze, wenn sie ausserhalb des Wassers auf dem Boden zu wachsen gezwungen ist, ihren Habitus: der Stengel wird dann viel kürzer und dichter mit kleineren, schwächer fiederspaltigen, mit kürzeren und breiteren Fiedertheilen ver- sehenen Blättern besetzt, die an dem Gipfel des Stengels eine Blattrosette bilden. Die Wurzel und besonders das Ende derselben charakterisirt sich durch grosse Begelmässigkeit im anatomischen Baue. Fig. 1. (Taf. X.) stellt den medianen Längs- schnitt des Wurzelendes vor, woraus sich erweist, dass der Bau des letzteren im Hauptrisse dem der Primula sinensis und der anderen Primulaceen ganz ähnlich ist und dem Janczewskischen') Helianthustypus entspricht. Die stark und regelmässig entwickelte calyptrogene Schicht bildet nach aussen eine ziemlich grosse und weit das Wurzelende umhüllende Wurzelhaube, nach innen — die Epidermis; die Rinde und der Gefässbiündeleylinder wachsen an der Spitze unabhängig von einander. Die weitere Eintwickelung der Wurzel und ihre vollkommend Ausbilduug unterscheiden sich nicht von denen der Cortusa oder der Primula farinosa. Hier ist das Peri- cambium auch stark entwickelt und wird bis zwei Zellen dick. Die Siebröhren und die Bastzellen des gewöhnlich pentarch oder heptarch gebauten Gefässbündeleylinders sind fast so gross wie die des Pericambiums und die Holztheile sind in der Mitte so miteinander vereinigt, dass sie kein Mark zwischen sich lassen. Hottonia palustris ist im anatomischen Bau des Stengels den anderen Wasser- pflanzen und besonders dem von Vöchting”) schr genau und ausführlich beschrie- benen Myriophyllum ähnlich. Der Vegetationspunkt, wie Fig. 2. (Taf. X.) zeigt, ist erhaben, sogar ziemlich verlängert und erzeugt nach °/s geordnete Blattanlagen (a). Die Blätter werden durch eine unregelmässige Internodienentwickelung, ähnlich wie bei Anagallis, in Quirlen geordnet. Den histiologischen Bau der Stengelspitze zeigt auch Fig. 2. (Taf. X.), wo wir die Epidermis den ganzen Vegetationspunkt mit den Blattanlagen bedeckend sehen; unter der Epidermis liegt ein meristematisches 1) Janezewski l.e. ?2) H. Vöchting: Zur Histologie und Entwickelungsgeschiehte von Myriophyllum. Nova Acta acad. Caes. Leop. Carol. Dresden, 1873. 212 — undifferenzirtes Gewebe, dessen peripherische Zellen sich vergrössern und in Dauer- gewebe der Rinde übergehen; die mittleren dagegen theilen sich in der Entfernung von mehr als 10 Zellen von der Spitze längs und sind der Anfang eines Procam- biumstrangs. Der Procambiumstrang entsteht, wie der entsprechende Querschnitt, der unter- halb der letzten Blattanlage durch den Vegetationspunkt geführt und in Fig. 3. (Taf. X.) abgebildet ist, zeigt, fast immer in der Mitte des Stengels. Dass der Gefässbündel- strang stammeigen ist, lüsst sich nicht nachweisen, weil er immer unterhalb der jüngsten Blattanlage entsteht; das ist aber sicher, dass die Procambien der Blatt- spuren dicht unter «den Blattanlagen gebildet werden und sich dann später zu dem centralen Procambiumbiindel vereinigen. Auf den successiven mehr nach unten geführten Querschnitten sieht man, dass die peripherischen Zellen des centralen Procambiumbündels, wie Fig. 4. (Taf. X.) zeigt, sich viel stärker theilen als die mittleren und dadurch einen aus kleinzelligen Geweben bestehenden Ring bilden. Damit sind die zwei Bestandtheile des centralen Procambiumstranges differenzirt: der oben erwähnte Ring nach aussen, welcher dem Basttheil entspricht, umschliesst den in der Mitte liegenden Holztheil. Die Ausbildung der einzelnen Gefässbündelele- mente geschieht nicht gleichzeitig: zuerst entstehen von der Seite der am meisten entwickelten dicht oben liegenden Blattanlage die Protophloemzellen und dann später die ersten Spiralgefässe. Auf diese Weise wird in weiterer Entwickelung ein aus zerstreuten Gefässen und dünnwandigen Holzzellen bestehender centraler Holz- eylinder gebildet, der nach aussen von Bastgruppen, die zu einem Ring verschmolzen sind, umgeben ist. Fig. 13. (Taf. IX.) stellt einen Stengelquerschnitt vor, auf welchem alle Gewebe schon vollständig ausgebildet sind; wir sehen hier die gegenseitige Anordnung der letzteren. Es bleibt noch zu erwähnen, dass in älteren Stengeltheilen in der Mitte des Holzeylinders sich oft ein parenchymatisches Mark entwickelt, wodurch die Gefüsse nach der Peripherie etwas verschoben werden. Die, den ganzen centralen Gefäss- bindeleylinder umgebende Schutzscheide entsteht aus den innersten Rindezellen auf dieselbe Weise, wie ich schon bei den Lysimachieen und anderen Primulaceen oben beschrieben habe. Zwischen dem Holz und Bast wird im Alter eine Cambiumzone gebildet, die einen schwachen Diekenwachsthum hervorruft. u, 0 Von dem Gefässbündelverlauf kann hier nicht die Rede sein, weil die beiden Bestandtheile der Bündel einen ganz von einander verschiedenen Verlauf ausweisen. Der Holztheil verläuft in der Mitte des Stengels unabhängig von dem Blattbündel, dessen Holztheile sich direkt an den centralen anlegen, dagegen setzen die Basttheile der Blattbündel den Basttheil des centralen Stengelbündels zusammen und verlaufen hier vollständig nach demselben Schema, das ich in Fig. 7 und 8. (Taf. VII.) für Lysimachia vulgaris abgebildet habe. Sehr charakteristisch ist hier der Bau der Rinde, die, wie man in Fig 13. (Taf. IX.) sehen kann, in einem mit grossen Intercellularräuinen versehenen Gewebe erscheint. Diese Räume, gewöhnlich mit Lutt ausgefüllt, sind durch einfache Zell- schichten, die im (@uerschnitte wie netzartige Zellfäden aussehen, von einander getrennt; in den äusseren und inneren Rindenschichten sind die Zellen viel dichter und lassen nur kleine Intercellularräume zwischen sich. Die Entwickelungsgeschichte der Rinde ist sehr einfach: sie entsteht aus der oben erwähnten peripherischen Zell- schicht des meristematischen Vegetationspunktgewebes, in welchem in denselben Rich- tungen durch Wachsthum und Theilung der einzelnen Zellreihen meist kleine Inter- cellularräume (Fig. 4. Tat. X.), die sich vielfach vergrössern, gebildet werden. Diese Intercellularräume verlaufen durch das ganze Internodium und bei der Ansatzstelle der Blätter werden sie durch Querlamellen der parenchymatischen Rinde geschlossen. Die den Stengel bedeckende Epidermis hat nichts Charakteristisches, Der Bau der Blätter ist dadurch verschieden, dass sich auch hier im bBlatt- parenchym zahlreiche und grosse Intercellularräume und besonders an der Spitze der Fiedertheile viele und grosse Wasserspaltöffnungen befinden, von welchen ich bei der Blattbeschreibung der Primula sinensis gesprochen habe; diese Spaltöftnungen wurden hier zuerst von Askenasy!') entdeckt und für rudimentäre Organe gehalten. Die sparsame Behaarung der Hottonia palustris besteht aus Köpfchenhaaren, die denselben Bau wie bei Primula sinensis haben. Die einen Haare aber unterscheiden sich durch etwas verlängerte, die anderen durch abgerundete, kugelförmige Köpfchen. Merk- würdig ist es, dass diese Haare die subeuticulare Substanz, gleichviel ob die Pflanze 1) Dr. E. Askenasy: Ueber den Einfluss des Wachsthumsmediums auf die Gestalt der Pflanzen. Bot. Zeitung 1870, pag. 235. Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 28 ag tief unter dem Wasser oder ausserhalb des letzteren wächst, in derselben Quantität und Vollkommenheit absondern, wie bei der erwähnten Primel. V, Samoleen. samolus. Aus vielen Arten dieser Gattung konnte ich nur zwei: die neuholländische Samolus litoralis R. Brown und die kosmopolitische Samolus Valerandi L. untersuchen. Samolus litoralis R. Brown. Diese perennirende Species besitzt ein mit zahlreichen Wurzeln versehenes Rhizom, das einige oberirdische, mit spiralig angeordneten Blättern besetzte Stengel bildet, die an ihrem Gipfel Inflorescenzen tragen. Der anatomische Wurzelbau unterscheidet sich von dem der Zysimachia vulgaris nur durch grössere Regelmässigkeit und stärkere Ausbildung des Selerenchyms, welches das Wurzelmark bildet. Der Bau des Rhizoms ist auch dem der Zysimachia vulgaris ähnlich, aber mit diesem Unterschied, dass der Holztheil der Getässbiindel bei Samolus litoralis verhält- nissmässig ziemlich diek und strahlartig gebaut ist und dass in der Rinde und in dem Mark nur einzelne mit dicken Wänden versehene Sclerenchymzellen sind. Der oberirdische Stengel charakterisirt sich hauptsächlich durch die anı Querschnitt im Kreise angeordneten, nicht aber zu einem Ringe verwachsenen 8 Gefässbiindel, von welchen eins in Fig. 5. (Tat. X.) abgebildet ist. Die Gestalt des Bündels ist mehr oder weniger die, wie sie für die im Blüthen- standstiel bei Prönula sinensis angegeben wurde; das Cambium ist schwach entwickelt und die jüngst gebildeten Gefüsse sind vielmals grösser als die zuerst entstandenen, am meisten nach innen liegenden. Diese Bündel vereinigen sich mit einander mittels stark entwickelten Sclerenchyms, das sich zuerst ausserhalb der Bündel, später weiter nach innen ausbildet und schliesslich vollständig die Bündel umgiebt und einen geschlossenen Ring bildet. Ausserhalb des letzteren liegt die mit deutlichen Cas- pary’schen Punkten versehene Schutzscheidee Die Entwickelungsgeschichte der um Gewebe unterscheidet sich im Vegetationspunkte von der der Lysimachia vulgaris nicht; das Sclerenchym entsteht aus dem kleinzelligen die Bündel umgebenden Gewebe. Der Gefässbündelverlauf ist hier sehr einfach: au dem Stengelquerschnitte sind, wie schon oben erwähnt, 8 Biindel vorhanden, was der °/s Blattstellung ent- spricht. Fig. 6. (Taf. X.) stellt ein Schema des Gefässbiindelverlaufs dar, welches aus den auf den Stengelquer- und -längsschnitten erhaltenen Resultaten construirt wurde. Es zeigt sich daraus deutlich, dass jedes Blattspurbündel, das durch Vereini- gung des mittlern und zweier seitlichen entsteht, in dem Stengel durch vier Inter- nodien abwärts verläuft und sich an ein nächstliegendes anlegt. Der Bau der Blätter ist wesentlich dem der Lysimachia nummularia ähnlich und nur insofern verschieden, als die Gestalt der Blätter verschieden ist; sie sind nämlich bei Samolus ltoralis kurz, eng und wegen des stark entwickelten Blattparen- chyms dick. Die Epidermis ist hier ziemlich charakteristisch, sie besteht aus Zellen, die am Blattquerschnitte eng und mit starken und dieken Outieula bedeckt sind (Fig. 8. Taf. X.). Die sehr zerstreut an dem Stengel und den Blättern stehenden Haare sind wie bei Lysimachia nemorum kurz mit in mehrere Zellen getheilten Köpf- chen (Fig. 9. Taf. X.) und ganz in besondere Epidermisvertiefungen eingesenkt (Bier du Dae Ro). Samolus Valerandi L. Diese Art ist einjährig und unterscheidet sich nicht viel von der vorigen. Das Rhizom ist klein, kurz und entwickelt eine aus grossen und zahlreichen Blättern bestehende Rosette, aus deren Mitte ein spiralig beblätterter, an seinem Giptel (wie bei der vorhergehenden Species) Inflorescenz tragender oberirdischer Stengel auswächst. Was den anatomischen Bau betrifft, so ist er wie bei Samolus litoralis, nur dass hier die Gewebe der Wurzel und des Stengels viel zarter sind und das Sclerenchym schwächer ausgebildet ist; es besteht aus nicht stark verdickten Zellen. Das letztere befindet sich nur im oberirdischen Stengel, wo es ausserhalb der Bündel auf einem (Juerschnitt einen geschlossenen Ring bildet und demselben ein in der Blüthenstand- axe der Primula sinensis ähnliches Ansehen giebt. Das Uaınbium, welches auch hier vorhanden, ist viel schwächer als bei der vorhergehenden Species entwickelt. Schliess- lich ist der Blätterbau dem der Samolus ltoralis ganz ähnlich, das Blattparenehym 28* — 216 — ist aber hier viel schwächer ausgebildet und die Haare, die auch denselben Bau besitzen, sind nicht eingesenkt, sondern sie stehen einzeln auf der Oberfläche der zarten und diinnen Epidermis. Zusammenstellung der anatomischen Hauptresultate. Wenn wir einen Blick auf den oben geschilderten anatomischen Bau der Primulaceen werfen, so kommen wir zu den folgenden Resultaten: Das Spitzenwachsthum der Wurzel ist bei allen Primulaceen dem bei Primula sinensis beschriebenen ähnlich. Der ganze Unterschied besteht in der grösseren (Hottonia, etc.) oder kleineren (Primula sinensis, Androsace, etc.) Ausbildung der Wurzelbestandtheile. Der Wurzelbau zeigt zwei verschiedene Formen: 1) Die bei Primula sinensis näher beschriebene Wurzel mit mächtigem Diekenwachsthum mittels eines Cambiumringes, wodurch die primäre Struktur der Wurzel im Alter verwischt wird. Solche Wurzeln besitzen die zu dem Bautypus der Primula sinensis gehörenden Primeln, Androsace, Dyonisia und zum Theil auch Asterolinum und Anagallıs. 2) Wurzeln, bei welchen kein, oder doch nur ein sehr unbedeutendes, die primäre Struktur nicht verwischendes Dickenwachsthum stattfindet. Solche Wurzeln, die ich bei Primula elatior näher beschrieben habe und die ausserdem bei Primeln des Aurikeltypus zu finden sind, kommen auch den übrigen untersuchten Primulaceen zu. Man muss aber bei den letzteren auf den Unterschied aufmerksam machen, welcher Primula farinosa, Cortusa und Hottonia charakterisirt und in der stärkeren Aus- bildung des Pericambiums besteht. Der Stengel der Primulaceen stellt uns zwei verschiedene Formen dar, die von der Internodienentwickelung abhängen. Der Stengel der Androsaceen ist verhält- nissmässig kurz, unterirdisch (Rhizom) und dicht mit Blättern, die am Stengelgipfel eine Rosette bilden, besetzt; dagegen sind die Lysimachieer, Anagallideen, Hottonieen und Samoleen ausserdem mit einem oberirdischen, gewöhnlich quirlständig, seltener spiralig beblätterten, oft aufrechten Stengel versehen. Der anatomische Bau entspricht diesen zwei morphologischen Unterschieden des Stengels nicht, so dass zwischen den nur das Rhizom besitzenden und den mit oberirdischem Stengel versehenen Species sehr grosse anatomische Unterschiede vorkommen; umgekehrt finden wir in den morphologisch verschiedenen Formen einen gleichen anatomischen Bau. — 217 — Im Baue des Stengels habe ich 5, davon 4 bei der anatomischen Beschreibung der Primeln angegebene, Typen gefunden, wobei einzelne Gewebetheile des Stengels sich verschieden verhalten: 1) Der Typus der Primula sinensis, zu welchem sich der grösste Theil der Primulaceen mit unbedeutenden Unterschieden zählen lässt, besitzt einen typischen dikotyledonischen, anatomischen Bau. 2) Der Typus der Primula Aurieula unterscheidet sich nicht nur von allen übrigen Primulaceen, sondern auch von dem der meisten Dikotylen. 3) Ganz isolirt steht hier Primula elatior mit ihren äusseren Gefässbündeln, welche die der Wurzel mit denen des Stengels vereinigen. 4) Einen Uebergangstypus zwischen dem Aurikeltypus und Primula sinensis scheint Primula farinosa zu bilden, indem sie sich, wie oben beschrieben, in dem oberen Theil des Stengels wie die erste, im unteren wie die zweite verhält. Schliesslich 5) ist der Typus der Hottonia palustris nur dieser Wasserprimulacee eigenthümlich. Im Gefässbiindelbaue an den Querschnitten zeigt sich grosse Verschiedenheit. Entweder sind die Gefässbiindel zu einem Ringe, der mittels Cambiums in die Dicke wächst, verbunden, wie bei den perennirenden Primula sinensis ete., Androsace, Cortusa, Oyclamen europaeum ete., Soldanella, Coris, Lysimachia vulgaris ete., oder es kommt, wie bei den meisten annuellen Primulaceen, kein Cambium vor. Dieser Gefässbiindelring wird an mehreren Stellen unterbrochen, oder vielmehr, die Gefäss- biindel verschmelzen sich nicht mit einander, sondern stehen vereinzelt am Stengel- querschnitte im Kreise, wie bei Primula mistassinica, einigen Androsacearten, etc. Glaux und Trientalis sind die Uebergangsformen, indem die zwischen den Gefäss- bündeln liegenden Bastgruppen die letzteren zu einem geschlossenen Ringe vereinigen. Die einfachen Gefässbündel können mit einander mittels Sclerenchyms verbunden sein, wie das bei Zysimachia nemorum, Anagallis, Soldanella der Fall ist. Es kommen auch oft im Kreise angeordnete, im Marke und Rinde zerstreute Gefässbiindel vor, wie bei Prömula Auricula, Prim. spectabilis. Schliesslich finden wir bei Hottonia ein centrales zusammengesetztes Gefässbündel. Der Verlaut der Gefässbündel ist, wie der Bau derselben, sehr mannichfaltig. Bei fast allen Androsaceen ist der Verlauf mehr oder minder mit dem, welchen ich für Primula spectabilis und Androsace septentrionalis beschrieben habe, identisch, wird aber verschieden complicirt. Das eine Mal sehen wir, wie in dem Aurikeltypus zwei Gefässbündelsysteme auftreten: ein System, in welchem die Bündel vielfache Unregel- mässigkeiten in ihrem typischen Verlauf zeigen, bilden die medianen Bündel der ar 0 Blätter, ein anderes die seitlichen. Die letzteren sind nur bei grösseren Formen zahlreich ausgebildet, bei kleineren weniger und bei Primula mistassinica fehlen sie vollständig. Ein anderes Mal verschmelzen die Bündel zu einem geschlossenen Cylinder, wie z. B. bei Prömula sinensis. Wieder eine andere Art des Gefässbündel- verlaufs zeigen die caulescenten Primulaceen; hier finden wir bei einigen Species einen wie bei Zysimachta nemorum und Anagallis ähnlichen Verlauf, bei anderen, mit spiralig gestellten Blättern versehenen Arten wie bei Samolus; und schliesslich haben wir den eigenthimlichen bei Hottonia, wo die Holztheile anders als die Bast- theile verlaufen. Interessant ist das Vorkommen der Schutzscheide, die hier nicht nur in der Wurzel, sondern auch im Stengel und in den Blättern zu finden ist. Da, wo die Gefässbindel einen geschlossenen Ring bilden, umgiebt diesen die Schutzscheide von aussen, indem sie den Bast von der Rinde trennt; wo aber die letztere durch Dicken- wachsthum abgeworfen wird, liegt die Schutzscheide nach aussen. Bei den Primeln, die dem Aurikeltypus angehören, sind die einzelnen Gefäss- bündel ringsum von einer Schutzscheide umschlossen. Primula farinosa stellt hier wieder den Uebergang dar, indem die Schutzscheide einmal die Gefässbündel voll- ständig umgiebt, ein anderesmal sie nur von aussen bekleidet. In den Blättern ist sie auch immer vorhanden, sie umgiebt die Blattgefüssbiindel im Blattstiel oder im basalen Blatttheil und geht weit in die Blattlamina, fast bis zu den letzten Gefüss- bündelverzweigungen, wo sie allmählig verschwindet. Die Schutzscheide ist bei allen Primulaceen') nachweisbar, wo sie immer an recht dünnen und glatten Querschnit- ten au den charakteristischen schwarzen Caspary’schen Punkten zu erkennen ist. Manchmal aber sind die Undulationen der Membranen so schwach, dass man die eben genannten Punkte auf den Querschnitten nicht sieht; dann ist jedoch die Schutz- scheide immer erkennbar an der Gestalt und der Lage ihrer Zellen, die auffallend anders aussehen, als die benachbarten Rinden- und Bastzellen, indem sie oft grösser und tangential gestreckt sind und charakteristisch verdickte Membranen besitzen — Struktureigenthümlichkeiten, die besonders an in Kali durchsichtig gemachten Längs- schnitten deutlich hervortreten. 1) Auch bei vielen anderen Pflanzen aus verschiedenen Familien, z. B. bei Zythrum, Chenopodium, Atriplex, Euphorbia, Linum, Genista, Commelina etc. —— 219 — In der Differenzirung der Gewebe im Vegetationspunkte sind bei Primulaceen drei Typen zu unterscheiden. Der Repräsentant des ersten Typus ist Primula sinen- sis, welche sich durch einen meristematischen Gewebering charakterisirt, aus welchem Blattspur- und Interfascieularbündel gebildet werden. Den zweiten Typus stellt uns Primula Auricula vor, wo die Bündel im allgemeinen meristematischen Gewebe ver- einzelt entstehen. Schliesslich bildet Hottonia palustris den dritten Typus, bei wel- chem in der Mitte der Holztheil mit einem ihn umgebenden Basttheil entsteht. Mark und Rinde sind hier fast immer von einander abgesondert; das Mark nimmt gewöhnlich die Mitte des Stengels ein und steht mittels Markstrahlen mit der Rinde in Verbindung; nur bei den Primeln, die nach dem Aurikeltypus gebaut sind, ist diese Sonderung von Mark und Rinde nicht so scharf ausgesprochen, hier findet sich ein gleichmässiges parenchymatisches Gewebe, in dem die Gefässbindel liegen. Bei diesen Primulaceen, wo ein starkes Dickenwachsthum vorkommt, wird gewöhnlich die Rinde, die dem Diekenwachsthum nicht nachfolgen kann, abgeworfen. Bei Hot- tonia wieder finden wir kein Mark, es ist hier nur die Rinde vorhanden. Sclerenchymbildungen kominen, wie wir gesehen haben, oft bei den Primula- ceen vor, im Marke als Sclerenchymzellgruppen, was für Prömula cortusotdes, Pr. elatior, Pr. Aurticula, Pr. farinosa, Cortusa, Soldanella, Samolus ganz charakteristisch ist; oft auch im Gefässbindel selbst, wie bei Pr. elatior und den aurikelähnlichen Primeln. In der Rinde kommen nur einzelne Sclerenchymzellen vor oder ein Sclerenchymring;, welcher nur in caulescenten, mit aufrecht stehendem Stengel und immer in der Blüthenstandaxe der mit kurzem Stengel versehenen Primulaceen zu finden ist. Hier spielt er die Rolle eines m Schwendener’s') Sinn mechanischen Systems, welches zur Unterstützung der Organe, wo er vorkommt, dienen soll. Einen solchen Scleren- chymring finden wir auch oft im basalen Theile der Blätter, wo er die Blattgefäss- bündel umgiebt. Die Struktur der Blätter ist bei den verschiedenen Primulaceen im Wesent- lichen sich ähnlich und nur so weit verschieden, als Beschaffenheit und Consistenz der Blätter auch verschieden sind. Die Blätter von Primula sinensis haben zartere Struktur, indem die Zellmembranen schwach verdickt sind; die der Aurikel dagegen besitzen mehr verdickte Zellmembranen. Die Epidermis ist auch hier überall, wie 1) Schwen dener. Das mechanische Prineip im anatomischen Bau der Monokotylen ete. 1874, — 220 — ich sie bei Primula sinensis beschrieben habe. Bei einigen Primulaceen aber, wie bei Samolus litoralis, sind die Epidermiszellen am Blattquerschnitte höher als breit und mit geraden, nicht wellenförmig gekrümmten Zellwänden versehen. In der Be- haarung kommen bei den Primulaceen keine wesentlichen Unterschiede vor. Ueberall sind die, subeuticulare Flüssigkeit secernirenden Köpfchenhaare verbreitet, die bei allen Primulaceen vorkommen, auch, was auffallend ist, an den im Wasser unterge- tauchten Blättern von Hottonia palustris. Die anderen Haare sind zwar auch kopf- artig, aber, wie bei den Androsaceen, verschieden gestaltet; sie sondern keine Flüs- sigkeit ab. Die Blüthenstandaxe schliesslich ist bei allen Primulaceen auf dieselbe Weise gebaut, wie ich sie für Primula sinensis näher beschrieben habe. Allgemeine Schlussbemerkungen , die aus der Zusammenstellung der Hauptresultate folgen. Ein Ueberblick über die, aus den anatomischen Untersuchungen der Primula- ceen gewonnenen, Resultate zeigt, dass dieselben ausser dem Bau der Wurzelspitze, der Behaarung und einigermassen dem Baue der Blätter und der Blüthenstandaxe, welche ja auch bei vielen anderen mit den Primulaceen nicht verwandten Pflanzen dieselbe Struktur besitzen, nichts gemeinsam Charakteristisches haben. Wir haben dagegen grosse Unterschiede gefunden, deren Werth weit die Gränzen einer Familie zu überschreiten scheint. Wenn man z.B. Prömula sinensis näher ins Auge fassen will und sie mit Primula Auricula und Hottonia palustris vergleicht, so findet man, dass die anatomi- schen Oharaktere der vegetativen Organe dieser Pflanzen gar nicht mit einander übereimstimmen, dass dagegen die Blüthencharaktere auf die innigste Verwandtschaft dieser drei Pflanzen hinweisen. Vergleicht man aber dieselbe Primula sinensis mit irgend welcher typisch dikotylen Pflanze, wie z. B. mit einer Crassulaspecies, Primula Aurieula mit den von Reinke!) beschriebenen Gunneraspecies und Hottonia mit Myriophyllum, welches ausführlich und sehr genau von Vöchting?”) untersucht und 1) Reinke l. e. 2) Vöchting |. e. a beschrieben worden ist, so zeigt sich in der Struktur des Stengels und auch im Bau der Gefässbiindel und deren Anordnung und Verlauf viel Gemeinsames, was aber durchaus in keiner Beziehung zu der Verwandtschaft der verglichenen Pflanzen steht, weil ja bekanntlich diese Pflanzen zu verschiedenen, weit von einander entfernten Familien gehören. Was kann man also aus diesem Vergleich schliessen ? Vor allem stellt es sich deutlich heraus, dass, wenn man die Blüthencharak- tere für genetische oder Verwandtschaftscharaktere annimmt, die anatomischen Kenn- zeichen der vegetativen Organe mit den Blüthencharakteren nicht parallel gehen und folglich nicht als Verwandtschaftscharaktere betrachtet werden können. Diese Kenn- zeichen sind also innerhalb einer Familie nicht erblich und besitzen deswegen im Vergleich mit den Blüthencharakteren in der Systematik der Pflanzen nur einen untergeordneten Werth. Die Aehnlichkeit im Baue der Vegetationsorgane der verglichenen Pflanzen lässt sich, wenn sie nicht ein Resultat der Verwandtschaft der letzteren ist, immer der Descendenztheorie folgend, nur durch Anpassung an dieselben Lebensbedingungen erklären. In der That leben die verglichenen Pflanzen ungefähr unter gleichen Be- dingungen und unterliegen gleichen äusseren Einflüissen, was man am deutlichsten an Wasserpflanzen (Myriophyllum und Hottonia) sehen kann. In welcher Beziehung der gleiche anatomische Bau zu den gleichen Lebensbedingungen der Pflanzen steht und auf welche Weise man die gewissen Anpassungen an entsprechende äussere Einflüsse erklären soll, das will ich schon deshalb nicht näher berühren, weil unsere bisjetzigen Erfahrungen darüber noch zu ungenügend sind, um diese Frage zu beantworten. Hier haben wir ein sehr dankbares und weites Gebiet zu neuen Er- torschungen und Entdeckungen. Hiermit haben wir den Werth der anatomischen Charaktere innerhalb einer Familie bestimmt und haben uns iiberzeugt, dass diese Charaktere, wenn sie nicht mit Blüthencharakteren, die ausschliesslich nur die Familien ausweisen, parallel gehen, nicht zur Charakteristik derselben benutzt werden können; das Uebereinstimmen dieser anatomischen Charaktere, wenn es sich innerhalb einer Familie befindet, bezeichnet vielmehr nur, dass in der phyletischen Entwickelung der Bestandspecies der Familie gleiche Lebensbedingungen und gleiche äussere Einflüsse herrschten. Abh, d. nturf, Ges, zu Halle, Bd. XIV, 29 — dB - Es bleibt uns zum Schluss unserer Untersuchungen noch übrig, den näheren Werth der anatomischen Charaktere in kleineren Verwandtschaftskreisen, wie innerhalb einzelner Gattungen, zu bestimmen. Hier kann man trotz der grösseren Verschie- denheit im Grunde dasselbe wiederholen, was ich von der ganzen Familie gesagt habe. In den verschiedenen Primulaceengenera ist der Werth der anatomischen Charaktere zwar auch verschieden; am meisten unterscheidet sich aber von den an- deren Gattungen Primula, von welcher sich dasselbe, wie von der ganzen Familie sagen lässt; die Species dieser Gattung stellen einen sehr verschiedenartigen Bau vor, wie wir das aus den vier oben beschriebenen Bautypen leicht ersehen können. Wenn man die vier oben beschriebenen Bautypen der Primeln betrachtet, so zeigt es sich, dass innerhalb eines jeden Typus sich eine Anzahl von Species der Primula gruppiren, die anatomisch sehr ähnlich sind und nur kleine Unterschiede aufweisen. So z. B. sieht man, um wieder auf die Aurikel zurückzukommen und diese mit Primula spectabilis und Prim. minima zu vergleichen, dass die beiden letz- teren in der Gefässbündelstruktur und deren Verlauf und Anordnung einander doch ähnlicher als der Aurikel sind, was auch mit der relativen Verwandtschaft dieser 3 Primeln übereinstimmt, indem Primula spectabilis näher der Primula minima als der Prim. Auricula zu stehen kommt.') Dies ist aber die Gränze, innerhalb welcher noch die anatomischen Kennzeichen der vegetativen Theile mit den Verwandtschaftscha- rakteren parallel gehen — die Gränze, die bei den Primeln mit derjenigen eines jeden der vier Bautypen zusammenfällt. Dieser für die Gattung Primula geltende Satz ist aber nicht für andere Pri- mulaceengenera anwendbar. Die letzteren zeigen keine so grosse Mannigfaltigkeit in dem Bau ihrer vegetativen Organe. Sie sind viel homögener gebaut und die Verschiedenheiten der einzelnen Species sind geringer als die der einzelnen Primeln eines Bautypus, so dass die anatomischen Kennzeichen der vegetativen T'heile mit den Blüthencharakteren in gewisser Correlation stehen. In der z. B. nach Primula umfangreichsten Gattung Androsace geben uns Gestalt und Bau der Haare, wie wir oben gesehen haben, sehr gute Charaktere zur Unterscheidung des grössten Theils 1) Es ist nieht meine Aufgabe, hier die Verwandtschaft aller Primula- und Primulaceenspeeies näher zu besprechen und dabei auf die anatomischen Charaktere hinzuweisen — was in das Gebiet einer Monographie der Primulaceen gehört. — 223 der annuellen von der biannuellen Species. Cyclamen charakterisirt sich durch An- wesenheit der Knolle und deren Bau; ZLysimachia durch die mit der rothen Substanz ausgefüllten Behälter, die sonst bei anderen Primulaceen nirgends vorkommen; etc. Dagegen unterscheidet sich Cortusa, die habituell der Primula cortusoides ähnlich ist, auch im anatomischen Baue von derselben nicht, obgleich die Verwandtschaft dieser beiden Primulaceen nicht so bedeutend ist. Kurz wir sehen hier Verschiedenheiten, die beweisen, dass überall die anato- mischen Charaktere nicht als Verwandtschattscharaktere, sondern nur als Anpassungs- charaktere zu betrachten sind. Bei solchen Species, die von gemeinsamen Vorfahren abstammen und bei deren Entstehung die Lebensbedingungen wenig veränderlich waren, können möglicher Weise auch die Kennzeichen in den vegetativen Organen wenig verändert worden sein, und also als Verwandtschaftscharaktere dienen. So zZ. B. bei Androsace, Lysimachia etc. Da aber, wo bei der Entstehung der Species verschiedene, vielleicht auch bis zum Extrem entgegengesetzte Lebensbedingungen herrschten, konnten die Anpassungscharaktere die Verwandtschaftscharaktere, welche nur in den Blüthen geblieben sind, überwogen haben. So z. B. bei Primula. Dieser auffallende Unterschied in den Bauverhältnissen der einzelnen Species dieser letzten Gattung lässt sich, im Vergleich mit den anderen Primulaceengattungen, nur durch Annahme der folgenden zwei Vermuthungen erklären: 1) Wenn man die Gattung Primula als die älteste der Primulaceen in der historischen Entwickelung dieser Pflanzen fir die erstentstandene annimmt, so ist es wahrscheinlich, dass die einzelnen Species dieser Gattung, durch diese lange Zeitdauer ihrer Entstehung, sich unter sehr verschiedenen Lebensbedingungen befunden haben; dagegen waren die Species der anderen, später entstandenen Gattungen viel kiiızere Zeit der Veränder- lichkeit der Lebensbedingungen ausgesetzt, und deswegen haben sie ihren Bau nicht viel umgeändert. Oder aber 2) wenn ınan die gleichzeitige Entstehung aller Primula- ceengenera annimmt, müssten die Primeln sich unter mehr wechselnden Einflüssen ausgebildet haben, als die anderen Gattungen. Die erste Vermuthung scheint mir viel wahrschemlicher zu sem; da sie aber eine nicht auf positive Gründe eestützte Vermuthung ist, so kann sie auch nur theoretischer Natur sein. 29* Erklärung der Abbildungen. Bei allen Figuren ist: c = Cambium. sk = Scelerenchym. d = Kork. sz = Spaltöffnung. g = Gefässbündel. t = Haare, h = Wurzelhaube. v = Vegetationspunkt. n = Epidermis. pr = Cuticula. p = Pericambium. w = Gefässbündeleylinder der Wurzel. ph = Bast (Phloem) oder die Siebröhren. x = Holz (Xylem) oder die Gefässe. s = Schutzscheide. Alle Abbildungen sind mittels eines Zeichenprisma entworfen; die Vergrösserungen sind in Zah- len, die in Klammern eingeschlossen sind, angegeben. Primula sinensis. Tafel 1. Fig. 1. Längsschnitt durch eine Wurzelspitze, die nach unten gerichtet ist; die einzelnen Gewebe- systeme sind der Deutlichkeit wegen mit diekeren Linien begränzt; &—x die Initialen des Gefässbündel- eylinders (440). Fig. 2. Wurzelquerschnitt, der, nicht weit von der Wurzelspitze entfernt, durchgeführt ist (220). Fig. 3. Ein Theil des Querschnitts von einer alten Wurzel, in welcher durch Diekenwachsthum. die Epidermis und die Rinde abgeworfen ist (120). Fig. 4. Ein Theil des Stengelquersehnitts, der, nicht weit von dem Gipfel entfernt, geführt ist (250). Fig. 5. Längsschnitt eines jungen Keimpflänzchens. Am Vegetationspunkte » sind junge Blatt- anlagen zu sehen; die älteren Blätter, so wie auch die beiden Kotyledonen cl sind abgeschnitten; alle Gefässbündel vereinigen sich, indem sie nach unten in den hypokotylen Stengeltheil übergehen, zu einem Strang (45). Fig. 6. Eins der grösseren auf den Blättern stehenden Haare, die keine subeuticulare Substanz. absondern (155), Fig. 7. Verschiedene Entwicklungsstadien der bei a grösseren, bei 5b kleineren Haare, die die: subeutieulare Substanz absondern (155). a Fig. 8. Entstehung der subeutieularen Substanz in verschiedenen Entwieklungsstadien, mit dem ersten Erscheinen der Flüssigkeit a beginnend, bis zur vollständigen Ausbildung, wo Cutieula stark erhoben und gespannt ist und sich im Begriff zu platzen befindet; in f, g und Ah ist die subeutieulare Substanz mit Alkohol ausgezogen, dabei stellen g und h kleine Anomalien in der Entwickelung vor (170). Tafel II. Fig. 1. Vegetationspunktquerschnitt des Stengels einer Keimpflanze. Im gleichmässigen meriste- matischen Gewebe sind, den jüngsten Blattanlagen entsprechend, die ersten Anfänge der Procambiumstränge in Form der kleinzelligen Gruppen zu sehen (350). Fig. 2. Ein Theil eines ähnlichen, aber etwas älteren Querschnittes; a«—a die ersten Entwicke- lungsstadien der Procambiumstränge, die sich zu einem, aus kleinzelligem meristematischem Gewebe be- stehenden Ring verbunden haben (350). Fig. 3. Ein ähnlicher Querschnitt, aber in viel weiter vorgeschrittener Entwickelung. Die drei ältesten, ausgebildeten Procambiumstränge sind mit einem meristematischen Gewebering verbunden, in welchem sich schon neue Procambiumstränge differenziren. Im ältesten Procambiumbündel sind schon Protophloemzellen ausgebildet (250). Fig. 4. Ein Querschnitt von einem alten Stengel. Die Zahlen bezeichnen die Gefässbündel in ihrer Entstehungsfolge (8). Fig. 5. Spaltöffnungsquerschnitt aus der Blattoberfläche (300). Fig. 6. Das Blattparenchym von der Unterfläche des Blattes gesehen; in drei Zellen ist das Chlorophyll gezeichnet (152). Fig. 7. Medianer Flächenschnitt eines Blattzipfels, in welchem, gegenüber einer Wasserspaltöft- nung sz, ein Blattgefässbündel & endet (253). Tafel II. Fig. 1. Gefässbündelquerschnitt einer Blüthenstandaxe (152). Fig. 2. Gefässbündelquersehnitt von einem kleinen Blattstiel (187). Fig. 3. Die mit einer braunen gerbstoffhaltigen Substanz angefüllten und zum Theil verdorbe- nen Gefässe an dem (Querschnitt eines alten Stengels (100). Fig. 4. Querschnitt von einer jungen Blüthenstandaxe; im meristematischen, kleinzelligen Gewebe- ring differenziren sich Procambiumstränge, von welchen zwei schon mit ersten Siebröhren, die in der Figur schwarz umsäumt, versehen sind (300). Primula Boveana. Fig. 5. Blattstielquerschnitt mit drei Gefässbündeln (253). Primula cortusoides. Fig. 6. Eine Sclerenchymgruppe aus dem Stengelmark (185). 286 - Tafel IV. Fig. 1. Querschnitt von einer alten Wurzel, bei welcher die Rinde und Epidermis durch das Dickenwachsthum abgeworfen sind (80). Primula elatior. Fig. 2. Querschnitt einer alten Wurzel mit pentarchisch gebautem Gefässbündeleylinder (100). Fig. 3. Ein Theil des Stengelquerschnitts, der nicht weit von dem Vegetationspunkt entfernt durchgeführt ist; ausserhalb des Bastes ph ist ein Cambium c, in welchem Adventivwurzel und äussere Stengelgefässbündel ihren Ursprung nehmen, abgebildet (244). Fig. 4. Aehnlicher Stengelquerschnitt von einem älteren Stengel; die äusseren Gefässbündel sind schon ausgebildet (244). Fig. 5. Ein Stück des in Kali durchsichtig gemachten Stengelpräparats; im Hintergrunde ver- laufen die inneren norınalen Gefässbündel, ausserhalb derselben dagegen von der Wurzelbasis 5 ausge- hende, sich vielfach anastomosirende äussere Gefässbündel, die sich bei d mit den inneren vereinigen (25). Primula Auricula. Fig. 6. Stengelquerschnitt, welcher die Anordnung der Gefässbündel zeigt (6). Fig. 7. Abbildung eines in Kali durchsichtig gemachten Stengelpräparates von einer Keim- pflanze, welche die Entstehung des Gefässbündelverlaufs zeigt; die Blattspurbündel bei der Ansatzstelle der Blätter sind abgeschnitten (15). Tatel V. Fig. 1. Längsschnitt eines alten Stengels: a eine seitliche Knospe; 5 die abgeschnittene Blüthen- standaxe (5). Fig. 2. Längsschnitt einer sehr jungen Keimpflanze; die Blätter, sowie auch die Kotyledonen cl und der hypokotyle Stengeltheil pl. I. sind abgeschnitten (10). Fig. 3. Ein unter den Vegetationspunkt einer jungen Pflanze geführter Stengelquerschnitt; die drei, den drei jüngsten Blättern entsprechenden Procambiumbündel sind sehr deutlich entwiekelt, das vierte fängt erst an sich zu bilden (353). Fig. 4. Kleines junges, aber vollständig ausgebildetes Gefässbündel im Querschnitt (355). Primula spectabilis. Fig. 5 und 6. Zwei Stengelquerschnitte, welche die Gefässbündelanordnung zeigen (6). Fig. 7. Gefässbündelquerschnitt aus einem alten Stengel (244). Fig. 8. Schema des Gefässbündelverlaufs; die Zahlen bezeichnen, mit den jüngsten anfangend, die Blätter in ihrer Entstehungsfolge. Primula minima. Fig. 9. Ein in Kali durchsichtig gemachtes Stengelpräparat, welches den Gefässbündelverlauf dieser Pflanze zeigt; die Blätterbündel sind abgeschnitten (18). Fig. © Fig. Fig. 1. Fig. Fig. > Fig. Fig. 4. 3. 6. Ze BE; - , ARE Primula Wistassinica. . 10 und 11. Zwei Stengelquerschnitte. Primula farinosa. Tafel VI. Peripherietheil eines Wurzelquerschnitts (250). Ein Theil des Wurzelquersehnitts mit Schutzscheide s und Pericambium p (250). Die Hälfte eines Gefässbündelquerschnitts des Stengels; a das Mark (241). Primula denticulata. Gefässbündelquerschnitt im Blattstiel (70). (uerschnitt des unteren Stengeltheils (18). Androsace septentrienalis. (uerschnitt des Stengelmarks (152). Spiralgefässe des Stengels; a aus dem zwischen den Blattansatzstellen liegenden Stengel- theile, 4 in dem Stengelknoten (244). Fig. 8. Dicht über dem Vegetationspunkt geführter Querschnitt, welcher die mit Zahlen bezeich- nete Blattstellung zeigt (21). Fig. Fig. Fig. Fig. Fig. br) 10, It. 12. 13. Querschnitt einer Blattanlage, die in Fig. 8 mit 1 bezeichnet ist (245). Aehnlicher Querschnitt der in Fig. 8 mit 9 bezeichneten Blattanlage (244). Die 11te (in Fig. 8) Blattanlage im Querschnitt (244). Schema des Gefässbündelverlaufs; die Zahlenbedeutung ist die, wie bei Fig. 8. (Taf. V). Haare von den Blättern, a—l verschiedene Gestalten derselben, wobei in a, b und ce die Cutieulafaltungen gezeichnet sind (75). Fig. Blätter dicht Fig. 4. Androsace maxima. Tatel VII. Haare des Blattes (88). Androsace elongata. Aehnliche Haare (187). Androsace multisceapa. Aehnliche Haare (187). Androsace lactea. Ein in Kali durchsichtig gemachtes Stengelpräparat; der Stengelknoten a, wo die nebeneinander stehen, ist ein Jahr älter als der Knoten b (12). 3. Peripherietheil des Ausläuferquerschnitts (240). — 28 Androsace sarmentosa. Fig. 6. An den Blättern stehende Haare (88). Androsace arachnoidea. Fig. 7. Aehnliche Haare (88). Cyclamen persicum. Fig. 8. Querschnittstheil einer jungen Knolle; a die ersten bei der Keimung entstehenden Ge- fässe (90). Fig. 9. Derselbe Querschnitt im Ganzen; a die vier ältesten normal ausgebildeten Gefässbündel (10), Fig. 10. Längsschnitt einer jungen Knolle, wobei der Längsverlauf der Bündel zu sehen ist; «@ die abgeschnittene Hauptwurzel, d die Nebenwurzel (5). Fig. 11. Ein in Kali durchsichtig gemachtes Knollenpräparat von der Vegetationspunktseite gesehen. Diese Abbildung zeigt den Gefässbündelverlauf in dem Gipfel der Knolle und die Anordnung der hier abgeschnittenen und mit Zahlen in ihrer Entstehungsfolge bezeichneten Blätter; 1 das erste bei der Keimung sich zeigende Blatt, cl das im Embryo als eine kleine Anlage gegenüber dem ersten Blatte stehende, zweite Blatt (20). Fig. 12. Die Cyclamen in der Jugend bedeckenden Haare (90). Fig. 15. Die aus einem Kalipräparat der Knolle abgezeichnete Schutzscheide (90) soldanella montana. Fig. 14. Ein T’heil des Stengelquerschnitts (440). Lysimachia vulgaris. Fig. 15. Haare und ihre Entwickelungsgeschichte von a—d; e ein Haar etwas von der Seite o° =) gesehen; f Bildung der subentieularen Substanz (250). Tafel VII. Fig. 1. Vegetationspunkt mit zu drei gestellten quirlständigen Blattanlagen von oben gesehen (187). Fig. 2. Ein Querschnittstheil des alten Stengels (200). Fig. 3. Ein Tüpfelgefäss aus dem Stengelholz (440). Fig. 4. Daneben liegende mit sich kreuzenden einfachen Tüpfeln versehene Holzzellen (440). Fig. 5. Vegetationspunktlängsschnitt des Stengels; a, a die jüngsten Blattanlagen, g, g den letz- ten entsprechende Procambiumstränge, b das Mark (440). Fig. 6. Aehnlicher Längsschnitt in dem anderen Entwickelungsstadium (272). Fig. 7. Schema des Gefässbündelverlaufs in dem mit dreiblättrigen Quirlen versehenen Stengel. Fig. 8. Aehnliches Schema für den mit vierblättrigen Quirlen versehenen Stengel. Lysimachia punctata., Fig. 9. Die mit rother Substanz ausgefüllte innere Drüse; a’, a, b, c die Entwickelung derselben, d, e anomale Fälle in der Entwickelung (440). a - Lysimachia nummularia. Fig. 10. Vegetationspunktsansicht von oben betrachtet und die Anordnung der Blätter zeigend (125). Fig. 11. Vegetationspunktsquerschnitt des Stengels (272). Fig. 12. Aehnlicher, aber mehr nach unten durchgeführter Querschnitt (272). Fig. 13. Köpfchen der Haare, von oben gesehen (272). Lysimachia nemorum. Tatel IX. Fig. 1. Stengelquersehnitt (20). Fig. 2—5. Sucecessive Querschnitte durch einen Stengelknoten, welche Gefässbündelverlauf zeigen ; a das mediane Blattbündel, b, 5 die seitlichen (3). Fig. 6. Schema des Gefässbündelverlaufs; die Buchstabendeutung ist dieselbe, wie in der vorigen Figur. Trientalis europaea. Fig. 7. Ein Theil des Stengelquerschnitts, nicht weit von dem Vegetationspunkt entfernt (272). Fig. 8. Aehnlicher Querschnitt eines alten Stengels (272). Anagallis arvensis. Fig. 9. Ein Querschnittstheil des hypokotylen Stengelglieds, wobei aus der Epidermiszelle a eine Adventivknospe entsteht (272). Fig. 10. Aehnlicher Querschnitt, der weitere Entwiekelung der Adventivknospe zeigt; a—a die ersten Blattanlagen; Epidermis und das aus den Epidermiszellen entstandene meristematische Gewebe der Adventivknospe sind der Deutlichkeit wegen mit schwarzer Linie umgränzt (272). Fig. 11. Dasselbe in noch weiterer Entwickelung, wobei ein Verbindungsstrang in der Rinde des hypokotylen Stengeltheils zu sehen ist (187). Fig. 12. Querschnitt des hypokotylen Stengeltheils mit schon vollständig ausgebildeter Adventiv- knospe; g die Gefässbündel der letzteren (70). Hottonia palustris. Fig. 13. Stengelquerschnitt; @ die intercellularen Lufträume der Rinde (272). Tafel X. Fig. 1. Längsschnitt der Wurzelspitze (244). Fig. 2. Vegetationspunktslängsschnitt des Stengels; a die Blattanlagen, g, g Procambiumstränge des Bastes (325). Fig. 3. Vegetationspunktsquerschnitt des Stengels, in der Stelle der jüngsten Blattanlagen durchgeführt (325). Abh. d. nturf. Ges. zu Halle. Bd. XIV. 30 — 230 Fig. 4. Aehnlicher (uerschnitt, aber viel weiter nach unten von dem Vegetationspunkt entfernt, i die Intercellularräume der Rinde in den ersten Entwickelungsstadien (320), samolus litoralis. Fig. 5. Querschnitt eines Gefässbündels des Stengels (272). Fig. 6. Schema des Gefässbündelverlaufs des Stengels. Fig. 7. Peripherischer Querschnittstheil des Stengels mit einem Haar (272). Fig. 8. Aehnlicher Querschnittstheil mit einer Spaltöffnung (272). Fig. 9. Köpfchen der Haare von oben gesehen (272). Taf: 1. Ihbhandl naturf Gesellsch.zu Halle. ba. XIV. | 17. Lith. Anst.von M.Salb in Krakau. 4 D" F. Kamieniski de! ‚Abhandl. naturf: Gesellsch. zu Halle Bd. XIV > [? sen RE HN Fe Een Se \ LTE Sr ? —/ O a Bi | 28 Lith. Anst.von M. Salb ın Krakau. Tat IM, Abhandl. nalurf Gesellsch.zu Halle baAWV Iıth. Anst von M. Salb in Krakau. ale: = Tr D° FE Kamienski del. Taf. W Abhandl. naturf‘ len zu Halle. Ba. XV Zu 5 y vB — Bi = S % Lith. Anst. von M. Salb in Krakau. DE F Kamienski del. ’ 4 02 N + ur‘ PN Jbhand! naturf Gesellsch. zu Halle ball f em Tu eT Erg iQ ü Dr F.Kamienski. del. Lith. Anst. von. M. Salb ın Krakav. a naturf Gesellseh. zu Halle. BENV ee Pr nst.von M. Salb ın Krakai ıth.Ar I Dr f. Kamieniskt del. Taf. 7. Ba.Xl. Abhandl. naturf‘ Gesellsch. zu Halle. z u > - E Kamienski del ‚Dr Taf VI. Abhandl. naturf Gesellsch. zu Halle Bd. X“ m | = > je BLIIIODODE —— Sasse» D “ na Lith.Anst. von M.Salb in Krakau. JafIN. Abhand! naturf‘ hesellsch zu Halle Bd XV AN, s \N Lith. Anst.von M. Salb ın Krakau. el. DE, R Kamienski ä ed Taf. X. ET natur Cesellschri Halle BdXV Lith. Anst. von M. Salb in Krakau: Beiträge Kenntniss der Ovarien-Tumoren Dr, F. Marchand, Assistent am Pathologischen Institut in Halle a S. Mit 2 Tafeln. Abh. der nuturf. Ges zu Halle. XIV, 3. Hft. 31 einlia 5 ‘ syn Tai var an 1 Vor Aare REM u r Ze: a ” ne er Ü 4 Ei “ oe - ” EN 4 v% FR ri ® = rs . » Obwohl die Eierstocksgeschwülste bereits häufig zum Gegenstand eingehender anatomischer Untersuchung gemacht worden sind, so sind wir dennoch von einer genauen Kenntniss derselben noch ziemlich weit entfernt. Mit Vorliebe haben sich sowohl Gynäkologen als pathologische Anatomen mit den Kystomen beschäftigt, da diese Geschwülste die häufigsten Ovarialtumoren bilden, und einen so colssalen Um- fang erreichen können, dass sie nicht selten die Veranlassung zu lebensrettenden Operationen werden. Bei der immer allgemeineren Verbreitung der Ovariotomie wächst nun einerseits das praktische Interesse an der Natur der Ovarialgeschwülste, namentlich in Bezug auf die Prognose der Operation, andrerseits wird durch diese selbst ein so reiches Material geliefert, — und gerade hier in Halle sind wir in der Lage, über ein solches zu verfügen — dass die Gelegenheit zu einem möglichst ge- nauen Studium dieser interessanten Neubildungen geboten ist. Was die sogenannten Kystome betrifft, so haben dieselben in Virchow, Fox, Waldeyer und Anderen treffliche Bearbeiter gefunden. Dabei zeigte sich, wie so häufig in ähnlichen Fällen, dass Dinge, welche sich äusserlich recht ähnlich verhielten, ihrem Wesen nach vollständig verschieden waren, und diese Erkenntniss führte zunächst zur Scheidung des gewöhnlichen Hydrops ovarii von den proliterirenden Kystomen, wäh- rend die Dermoide von jeher eine Sonderstellung einnahmen. Die feineren Strueturver- hältnisse der Kystome sind erst in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren erkannt worden, aber auch hier stellt sich wieder die Nothwendigkeit heraus, Scheidungen vorzu- nehmen, und, wie ich, dem Vorgange des Prof. Olshausen folgend, in Folgendem zu zeigen versuchen werde, muss eine solche Trennung der „papillären Kystome“ von den gewöhnlichen multiloculären Kystomen stattfinden — eine Trennung, welche nicht blos in anatomischer Beziehung, sondern auch klinisch von Interesse ist. Was sodann die sogenannten soliden Ovarialtumoren betrifft, welche weit sel- tener vorkommen als jene, aber durch ihre häufig malignen Eigenschaften das Leben Sylz 234 noch ernstlicher bedrohen können, so gilt von diesen in noch höherem Masse das von jenen Bemerkte. Man pflegt in der Regel zu diesen soliden, nicht rein eystischen Geschwiilsten zu rechnen : die Papillargeschwülste, die Careinome, die Sarkome und die weniger wichtigen Fibrome. Häufig kommen Combinationen mit Öystengeschwülsten vor. Den Papillargeschwülsten, soweit sie als selbstständige Neubildungan der Ober- Aäche der Ovarien vorkommen, hat man bisher keine besondere Bedeutung beige- messen: ich bin in der Lage, an einem Falle zu zeigen, dass dieselben unter Umstän- den maligne Eigenschaften erlangen können. In Bezug auf die Uarcinome stossen wir am Ovarium auf grosse Schwierig- keiten. Denn wenn bereits an andern Organen der Nachweis der epithelialen Her- kunft der Geschwulstelemente zuweilen mit grossen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist diesinnoch höherem Masse am Ovarium der Fall, abgesehen von denjenigen Neubildungen, welche nachweislich vom Oberflächenepithel oder dess:»n Abkömmlingen ausgehen. Die Zellen der normalen Corpora lutea sind so epithelähnlich, dass Neubildungen, welehe von denselben ausgehen, einen carcinomatösen Charakter erhalten, obwohl sie richtiger als Sarkome zu deuten sind. Esist wahrscheinlich, dass die sogenannten Ovarialcareinome, welche bei jugendlichen Individuen vorkommen, zum Theil in diese Kategorie gehören. Eine Schwierigkeit liegt ferner darin, dass am Ovarium Uebergänge von gut- artigen Neubildungen in bösartige nicht zu den Seltenheiten gehören, wofür sich im Folgenden einige Beispiele finden. Andrerseits sind, wie ich vermuthe, Geschwülste als Uareinome beschrieben worden, welche nicht von epithelialen Elementen, sondern von den Endothelien, von Elementen des Bindegewebes herzuleiten sind. Dass auch derartige Neubildungen, welche bisber am Ovarium so gut wie gar nicht bekannt waren, thatsächlich vor- kommen, glaube ich ebentalls nachweisen zu können. 1. Die papillären Kystome. Die Grundlage für die vorliegende Untersuchung bildeten drei Geschwülste, welche ich im Laufe des letzten Jahres zu beobachten Gelegenheit hatte. Herrn Professor Olshausen, welcher mirdie Benutzung derselben gütigst gestattete, spreche ich an dieser Stelle meinen verbindlichsten Dank aus. Ich werde zunächst diese drei Fälle in extenso mittheilen. en - (F.1.) Grosses papilläres Kysiom beider (?) Ovarien mit Flimmerepithel. Totale Verwachsung der Haupticyste mit dem Peritoneum. Frau A., 44 Jahre alt. Ungefähr fünf Wochen vor dem Tode war durch Prof. Olshausen die Övariotomie versucht worden, doch musste auf die Exstirpation der Geschwulst verzichtet werden, als sich die sehr ungünstigen Verhältnisse derselben ergaben. Der Tod erfolgte an Erschöpfung. Bei der Section (am 4ten Juli 1878) zeigte sich die von der Laparotomie herrührende Wunde in ihrem unteren Theile, etwa im Umfang eines Dreimarkstückes auseinanderklaffend; darin lag ein Drain- rohr, und es entleerte sich, anscheinend aus der Bauchhöhle selbst, in welche man einen freien Einblick zu haben meinte, dünne eiterige Flüssigkeit. Nach der Spaltung der Bauchdecken zeigte es sich jedoch, dass der vorliegende Raum einer den ganzen vorderen Theil der Bauchhöhle einnehmenden Cyste ange- hörte, welehe mit ihrer Aussenfläche vollständig mit dem Peritoneum verwachsen war; von den Organen der Bauchhöhle war vorläufig nichts zu sehen, da sich die Hinterwand der Öyste parallel mit der Bauech- wand in Form einer glatten schmutzig grauen, zum T'heil mit gelbliehen Auflagerungen und mit dünner eiteriger Flüssigkeit bedeckten Membran ausspannte, welche sich sowohl nach oben auf die Oberfläche der Leber und des Magens, und sodann auf die untere Fläche des Zwerchfells fortsetzte, als auch seitlich ohne Grenze auf die Bauchwand überging. Zunächst oberhalb der Symphyse, etwas nach rechts, zeigte sich eine mit klarer gelblicher Flüssigkeit gefüllte dünnwandige Cyste von der (Grösse eines mittleren Apfels, welehe ebenfalls mit der vorderen Bauehwand verwachsen war, und daher mit dieser zugleich eröffnet wurde. Dieselbe machte Anfangs deu Eindruck der Harnblase, doch zeigten die glatten, mit mehreren leistenföormigen Vorsprüngen versehenen dünnen Wände, dass es sich um eine neugebildete Cyste handelte. Im Grunde derselben erblickte man einen weisslichen halbkugeligen der Cystenwand auf- sitzenden soliden Körper von Kirschkerngrösse. Oberhalb dieser Cyste lag, ebenfalls etwas nach rechts, eine ungefähr gänseeigrosse blumenkohlartige Geschwulstmasse, welche aus sehr zahlreichen warzigen und pa- pillären Bildungen zusammengesetzt war. Die einzelnen Läppehen der Geschwulst waren meist dünn ge- stielt, erbsen- bis kirschengross, und selbst wieder mit zahlreichen kleinen papillären Auswüchsen versehen, ihre Farbe grösstentheils grauroth, doch war die Oberfläche überzogen von gelblichen Auflagerungen, welche die Vertiefungen ‚zwischen den Läppehen ausfüllten und letztere z.’ Th. mit einander verklebten. Diese papilläre Geschwulstmasse ragte also frei in die Haupteyste hinein. Erst nach Durehsehneidung der sehr derben mehrere Millimeter starken Hinterwand der letzteren gelangte man zu den in ihrer natürlichen Anordnung gelagerten Dünndärmen, welche sowohl unter einander, als mit der Cystenwand durch sehr spärliche, leicht trennbare Adhäsionen verbunden waren. Der grössten- theils zusammengezogene Diekdarm war ‚ebenfalls normal gelagert, aber mit der Cystenwand fest verlöthet. Die kleine atrophische Milz war ebenfalls ganz von derben Adhäsionen umhüllt, und mit der Cystenwand verwachsen, hinter welcher in der Gegend des Colon transversum und des Magens noch eine deutlich er- kennbare, fast einen centim. dicke Fettschieht — anscheinend dem Netz angehörend — erkennbar war. Die Organe des kleinen Beckens waren unter einander und mit der papillären Geschwulstmasse zu einem festen Convolut vereinigt, welches die ganze Höhle des kleinen Beckens ausfüllte.e An dem hinteren Umfang verlief, nur wenig aus seiner Lage gebracht, das Reetum. Beide Ureteren beschrieben ni — einen nach abwärts convexen Bogen, um von unten her in die kleine, zusammengezogene, etwas nach links verschobene Blase zu gelangen. Der Uterus war stark nach rechts verdrängt, so dass sein Fundus un- mittelbar unter der oberhalb der Symphyse befindlichen Cyste lag, mit welcher er, ebenso wie mit seiner übrigen Umgebung, fest verwachsen war. Der Körper des Uterus war klein, abgesehen von den Ad- häsionen ohne Veränderung. Etwas oberhalb, nach rechts von der Papillargeschwulst, ragte das deutlich erkennbare Fimbrienende der rechten Tuba hervor. Die Hauptmasse des ganzen, die Beckenhöhle ausfüllenden Convolutes wurde durch eine Anzahl dünnwandiger Cysten gebildet, welche mit einander eng verbunden waren, so dass bei der Eröffnung der einen sich die Wand der dahinterliegenden zeigte. Diese Cysten — von beiläufig Tauben- bis Gänseei- grösse — waren mit klarer gelblicher, theils dünner, theils stark schleimiger Flüssigkeit gefüllt, und sämmtlich an ihrer Innenwand mit mehr oder weniger dicht stehenden papillären Gebilden von weisslicher Farbe besetzt, welche in einigen Cysten haselnuss- bis wallnussgrosse weiche Geschwülste bildeten, während an der z. Th. spiegelplatten Innenfläche einer andern sich neben einer grösseren Papillar- geschwulst zahlreiche kaum sichtbare Knötehen und Zöttehen befanden, welche beim Anfühlen deutlich eine sandige Beschaffenheit wahrnehmen liessen. In der der Haupteyste zugekehrten Decke derselben Cyste fand sich sogar eine umfangreiche etwa markstückgrosse knochenharte Platte von mehreren Millim. Dicke. Es zeigte sich endlich, dass auch unmittelbar unter der grossen Papillargeschwulst sich eine ähnliche Cyste befand, welche an ihrer Oberfläche die gestielten Läppchen jener Geschwulstmasse trug, während ihre In- nenfläche ebenso wie die der übrigen Cysten mit papillären Exerescenzen besetzt war. Zwischen den einzelnen Theilen des fast kopfgrossen Convolutes fand sich reichliches Fettgewebe, welches sämmtliche Lücken ausfüllte; von den Ovarien, der linken Tuba, den breiten Mutterbändern war nichts zu erkennen. Nach unten reichte die Geschwulstmasse ungefähr bis zur Mitte der Vagina. Zu erwähnen ist noch die Beschaffenheit der Innenfläche der Haupteyste, welche in der ganzen Ausdehnung dasselbe schwielige, derbe Aussehen hatte, wie die septumartig ausgespannte Hinterwand. Indess hatten die seitlichen und vorderen T'heile eine mehr rauhe, sammetartige Oberfläche, und diese war be- dingt durch eine 1— 2 Millimeter dieke aus dicht gedrängten Papillen bestehende Schicht, welche in den tieferen Gegenden continuirlich, höher oben mehr fleckweise verbreitet war. Doch wechselten auch dort allerlei Knötchen, flache Prominenzen und glatte Stellen mit der sammetartigen Oberfläche ab, ebenso wie auclı die Farbe theils röthlichweis, theils schwärzlich war. Auf dem Durchschnitt zeigte sich die Cystenwand ganz mit dem Peritoneum verschmolzen. Auf die papilläre Schicht folgte zunächst eine sehr derbe weiss- liche schwer zu schneidende Bindegewebslage von mehreren Millimeter Dicke, welche in das Peritoneum überging, sodann folgte eine dünne, ehemals subseröse Fettschieht, nach aussen endlich die Faseia. Die mikroskopische Untersuchung, welche zunächst an den die Innenwand der kleinen Cysten bedeckenden Papillargeschwülsten im frischen Zustand (resp. nach dem Verweilen in Müller'scher Flüssigkeit) vorgenommen wurde, ergab zahllose feine Zöttchen aus zartem Bindegewebe mit spärlichen Spindel- und Rundzellen und meist leeren Kapillarschlingen. Die Gestalt der kleinsten Zöttehen und Pa- pillen ist ausserordentlich verschieden; in manchen Öysten finden sich hauptsächlich kleine knopfförmige Erhebungen, an andern Stellen zerfallen diese durch Auswachsen in mehrere kleinere, endlich kommen u. dendritisch verzweigte Zottenbäumchen zu Stande, welche wieder mit langen dünnen, oder mit mehr kol- bigen Endzweigen ausgestattet sind. Der Epithelüberzug der Zotten und der glatten Innenfläche der Cysten zeigt ein sehr variables Verhalten, denn wenn derselbe auch grösstentheils als Cylinderepithel zu bezeichnen ist, so kommen doch in Gestalt und Beschaffenheit der Zellen die wesentlichsten Verschiedenheiten vor. An der freien Innenfläche der Cysten ist das Epithel meist niedrig, die Zellen ebenso hoch als breit. Von der Fläche gesehen erscheint das Epithel als regelmässige Mosaik aus geradlinigen polygonalen, meist 5—6 eckigen Figuren mit verhältnissmässig grossen Kernen und Kernkörperchen zusammengesetzt. An Falten, welche den optischen Durchschnitt erkennen lassen, zeigt sich, dass ein Theil der Zellen an der freien Fläche mit Cilien besetzt ist, durchaus nicht alle, vielmehr ragen die Cilienbüschel in gewissen Abständen über die glatte Grenzlinie der übrigen Zellen hervor. An der Oberfläche der Zotten oder Pa- pillen ist das Epithel meist viel dieker, aus ziemlich hohen Cylinderzellen zusammengesetzt, welche ebenso wie dort stellenweise Cilien tragen. Die Flimmerzellen bilden hier und da kleine Gruppen, meist sind sie indess ebenso vereinzelt, wie dort. Die Höhe der Zellen beträgt durchschnittlich 0,02mm., die der Flimmerzellen meist etwas mehr, 0,0225—0,025mm. Das Epithel übertrifft an Massenhaftigkeit die Grundsubstanz bedeutend, beim Zerzupfen kann man es in grossen zusammenhängenden Lagen, in hauben- förmigen Stücken ablösen. An vielen Stellen, namentlich an den ganz kleinen, jungen Zotten nehmen die Epithelzellen eine mehr rundliche Gestalt an, so dass die äussere Begrenzung des Epithels keine gerade Linie mehr bildet, sondern jede Zelle halbkugelig hervorragt. Dabei sind sie jedoch nach Art der Cylinderzellen gruppirt, mit der schmäleren Basis auf der Grundlage haftend. Endlich können die Zellen ganz kugelig, oder durch gegenseitigen Druck polyedrisch werden (wobei sie die kleinen Cylinderzellen an Grösse bedeutend übertreffen). Sie bedecken die kleinsten Zöttchen, deren Grundlage nur durch eine dünne Capillarschlinge gebildet wird, so dass bei dem leeren Zustande der letzteren es den Anschein haben kann, als beständen diese kleinsten Zotten lediglich aus Epithelzellen. Viele der letzteren enthalten übrigens 1—2 rundliche durchsichtige Vacuolen, wodurch ihr Umfang noch vergrössert wird. Diese Zellformen sind stets frei von Cilien. An einigen Zotten, welche mikroskopisch opak weisslich aussahen, hatten die Zellen Fetttropfen aufgenommen, zuweilen so reichlich, dass der Kern ganz verdeckt wurde. Endlich finden sich an anderen Stellen der Oystenwand grosse sehr dünne Plattenepithelien von länglich spindelförmiger Gestalt, welche sich in Form eines zusammenhängenden Häutchens ablösen lassen. Doch auch von diesen Formen finden sich an einem und demselben Epithelstück unmittelbar nebenein- ander Uebergänge zu den Cylinderepithelien, indem sie allmählich höher werden, während sie an Umfang abnehmen; auch unter diesen ist eine Anzahl mit Cilien versehen. Bei dieser Gelegenheit muss ich eine Beobachtung erwähnen, welche ich an den lose herumlie- genden Flimmerzellen machte; es fanden sich einzelne bauchig aufgetriebene ziemlich kurze Zellen mit Cilien und zwei nebeneinander liegenden Kernen, welche also auf einen Theilungsvorgang der Zellen deuteten. Sehr bald fanden sich auch ähnliche bauchige Zellen mit einem in querer Richtung verbreiterten Kern, welcher von seinem oberen Rande her mehr oder weniger tief eingeschnürt war; jede Hälfte des Kernes besass ein Kernkörperehen. Der Fuss der Zelle betheiligte sich nicht an der Auftrei- Ba, - bung, so dass bei gewissen Lagen die bauchige Anschwellung der Zelle unsymmetrisch hervorragte; alle diese Zellen waren übrigens nur halb so hoch, als die vollständigen Flimmerzellen, indem der bei den letzteren oft die halbe Höhe einnehmende Fuss abgerissen schien. An diese Zellformen mit zwei Kernen schlossen sich sodann noch einige Doppelzellen an, bei denen man zweifelhaft sein konnte, ob man eine oder zwei festzusammenhaftende Zellen vor sich hatte. (S. Fig. 5.) Aus diesen Bildern geht unzweifelhaft eine Vermehrung der Flimmerepithelien dieser Geschwulst durch Quertheilung hervor, eine Vermehrungsart, welche man bisher an eylindrischen — namentlich Flimmerepithelien — soviel mir bekannt, nicht beobachtet hat. Die nothwendige Folge dieser Vermeh- rungsart der Zellen ist, dass das Epithel einschiehtig bleibt, während ein Auswachsen der Basalzellen in der Längsrichtung die Mehrschichtigkeit bedingt. Jedenfalls ist es nicht richtig, den letzteren Wachsthums- typus als allgemein gültig für sämmtliche Epithelien mit eylindrischen Zellen hinzustellen (ef. Krause). Durch die beschriebene Vermehrungsart erklärt sich wahrscheinlich auch das Verlorengehen der Cilien, in- dem nämlich der seitlich abgeschnürte Theil der Flimmerzelle frei von Wimpern bleiben kann. Durch allmäbliehe Vermmderung der Höhe kann endlich aus den ursprünglich hohen Flimmerzellen ein voll- kommen endothelartiges Plattenepithel werden, (wie solches auch von Beigel in seinem später zu besprechen- den Falle — als Spindelzellen, welche die Cystenwand auskleiden, beschrieben und abgebildet ist). Für die umgekehrte Entwiekelungsart, dass Platten - oder einfache Cylinderepithelien sich unter Umständen in Flimmerepithelien umwandeln können, besitzen wir dagegen keine Anhaltspunkte. Die Cystenwand besteht grösstentheils aus derbem Bindegewebe, welches auf dem Durchschnitt eine feine parallele Streifung darbietet, nur an der inneren Schicht der Wandung vermisst man die Streifung, der Zellenreichthum ist dagegen bedeutend grösser (Fig. 3.). Bei stärkerer Vergrösserung hat man das Bild des jungen in Wucherung begriffenen Bindegewebes, ein Netz von Spalträumen mit Zellen an den Knoten- punkten in einer homogenen Zwischensubstanz. Durch dasselbe Gewebe werden die papillären Vorsprünge der Innenfläche gebildet, welche sieh in sehr verschiedener Gestalt darstellen, von der einfachen knopf- förmigen Erhebung bis zur vielfach verzweigten Zotte. Die ersteren sind gefässarm, die letzteren dagegen bestehen grösstentheils aus Gefässschlingen, welche von spärlichen Spindelzellen begleitet werden. Die grösseren, mit vielfachen knopfförmigen oder feinwarzigen Auswüchsen versehenen Blumenkohlgeschwülste, welche sich auf dünnen Stielen erheben, und oft Haselnussgrösse erreichen, besitzen einen festen binde: gewebigen Körper, der von weiten Gefässen durchzogen ist. Zugleich mit dem Bindegewebe wuchert das Epithel, wie schon aus der Beschreibung des letzteren hervorgeht; gerade auf den zusammengesetzten Papillen oder Zottenbäumchen findet die üppigste Entwicke- lung statt, so dass das oft nur zarte bindegewebige Gerüst durch den vielfach gefalteten Epithelüberzug häufig verdeckt wird. Man kann also weder sagen, dass das eine der beiden Elemente sich passiv verhält, weder, (dass das Epithel durch Sprossenbildung in die Wand hinein Theile der letzteren abschnürt, noch auch, dass das wuchernde Bindegewebe das Epithel einfach vor sich hertreibt. Dagegen ist festzuhalten, dass die Papillen stets sich über das allgemeine Niveau erheben; schlauchförmige Einsenkungen in die Tiefe habe ich nicht beobachtet. In den tieferen Theilen der Wandung kommen allerdings spalt- oder schlauchförmige Hohlräume vor, welche mit Epithel ausgekleidet sind (letzteres ist meist niedrig, nur selten flimmernd): die Richtung der- — 239 — selben ist aber nicht senkrecht zur Oberfläche, sondern parallel der Streifung. Man findet hier ganz schmale, aus zwei Zellenreihen bestehende epitheliale Bildungen, welehe an andern Stellen in weitere Hohlräume übergehen. In letzteren kann man den Beginn der Papillenbildung ebenfalls beobachten. In grosser Zahl kommen in der Wand, hauptsächlich der Haupteyste, runde Kalkkörper vor , so dass die Anfertigung von Schnitten ohne vorherige Entkalkung häufig kaum gelingt. Sie haben im Allge- meinen eine maulbeerförmige Gestalt, und lassen eine concentrische Schichtung erkennen, die nach der Entkalkung noch deutlicher wird; sie sitzen z. Th. in den Papillen, häufiger aber in der Wand selbst, und zwar in den peripherischen Schiehten, doch auch hier lässt sich eine besondere Beziehung zu den epi- thelialen Räumen nicht verkennen. Häufig liegen die Kalkkörper derartig frei in den Spalten oder Hohl- räumen, nur von einer Anhäufung von Epithel umgeben, dass es scheint, als seien sie in Letzterem selbst entstanden; ich glaube mich jedoch stets überzeugen zu können, dass die frei in die Hohlräume hinein- ragenden Kalkkörper noch von einer dünnen Lage Bindegewebe überzogen sind, oder selbst in kleinen Zotten in die Höhle hineinhängen. Der zweite hierhergehörige Fall betraf eine Frau von 31 Jahren, bei welcher Herr Prof. Olshausen am 5. Juli die Ovariotomie versucht, jedoch wegen vielfacher Verwachsungen der Geschwulst unbeendigt gelassen hatte. Die Pat. starb wenige Tage nach der Operation unter septischen Erscheinungen. (Fall 2.) Grosses papilläres Kystom beider Ovarien, mit Flimmerepithel. Ausgedehnte Verwach- sungen. Bildung von Metastasen. Bei der Sektion, am 9. Juli 1878, fand sich ein colossaler eystischer Tumor, welcher beinahe die ganze stark ausgedehnte Bauchhöhle ausfüllte, obwohl bei der Operation ausser sieben Pfund Aseites- Flüssigkeit bereits 17 Pfund Cysteninhalt entfernt worden war. Bei dem Versuche, einige fibrinös-eiterige Verklebungen zwischen dem oberen Umfang des Tumor und einigen darüber liegenden Dünndarmschlingen abzutrennen, entstand in ersterem eine Oeflnung mit unregelmässigen in Zerfall begriffenen gelblichen Rändern, aus welcher sich ein Strahl dünner schmutzig gelblicher Flüssigkeit ergoss. (An dieser Stelle war eine Incision zur Entleerung der Cyste und nachträg- licher Verschluss durch Catgut gemacht worden; eine zweite ähnliche Stelle war noch verschlossen). Die Gesehwulst war mit ihrem ganzen seitlichen und vorderen Umfang mit der Bauchwand, respective den Organen des kleinen Beckens verwachsen, so dass sie im Zusammenhang mit den letzteren exenterirt werden musste Die übrigen Organe boten bis auf geringe Hydronephrose nichts Bemerkenswerthes — abgesehen vom Zwerchfell, an dessen unterer Fläche eine grosse Anzahl kleiner sandkornähnlicher Erhabenheiten fühlbar waren. An dem zur Untersuchung herausgenommenen Zwerchfellstück (z. Th. dem Centrum tend. angehörig) fanden sich ausser den kleinen Knötchen an der unteren Fläche, auch an dessen oberer Fläche einige plattrundliche bohnen- bis haselnussgrosse, mit bindegewebigen Kapseln versehene Geschwülste, dem Aussehen nach infiltrirte Lymphdrüsen. Der herausgenommene Tumor misst im zusammengefallenen Zustande noch eica 27 cent. im Durch- messer, und wiegt nach Entleerung des grössten Theils der Flüssigkeit 25380 grmm. Er besteht aus einer Abh. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 3. Hft, 32 240 - Haupteyste, und aus einem ungefähr zwei Fäuste grossen Convolut kleinerer Cysten, welche unter einander und mit der Haupteyste fest verbunden sind, und rechts neben der Mitte liegen. Harnblase und Uterus sind ebenfalls mit der Geschwulst verwachsen, die erstere etwas nach links verdrängt; der Uterus ist sehr verlängert, 13 centimeter, wovon 7 auf den Cervix kommen. Seine ganze Hinterwand ist äusserst fest mit der Wand des grossen Tumor verbunden, an dessen vorderen untern Umfang sich der Uterus anlegt. In der Umgebung sind so vielfache strangförmige und membranöse Bindegewebsadhäsionen zwischen Tumor, Genitalorganen und vorderer Bauchwand vorhanden, dass Ligamenta lata etc. nicht zu sehen sind. Die rechte Tuba verläuft ziemlich frei am vordern Umfang der rechts gelegenen Geschwulstmasse, sie hat eine Länge von 16 cent, und ist in ihrem äusseren Theile durch ein kurzes Mesosalpinx mit der Geschwulst verbunden; die linke Tuba ist erst nach genauer Präparation aufzufinden , sie verläuft im Bogen um die grosse Cyste, mit deren Wand sie fest verwachsen ist. Ihre äussere Hälfte, ebenso wie ihr Anfangstheil ist durchgängig, die Tuba sehr atrophisch die Fimbrien ebenfalls, daher schwer erkennbar. Die Länge dieser Tuba beträgt 22—23 centimeter. — Die Ovarien sind nicht aufzufinden. In der Gegend, welche ungefähr dem rechten Ovarium entspricht, haftet an der Tuba und dem Mesosalpinx ein flachhöckeriger Körper, welcher an Grösse und Form ungefähr einem stark geschrumpften Ovarium entspriebt, doch besteht dieser Körper aus einer mit dieht gedrängten glänzenden Kalkconerementen vollständig imprägnirten festen Masse, ohne Reste von Ovarialgewebe. Ueberdies finden sich unmittelbar neben diesem Körper noch zwei bis drei kleinere, erbsen- bis bohnengrosse, welche offenbar von derselben Natur, und als Geschwulstmasse anzu- sehen sind. Links ist ein Ovarium ebenso wenig aufzufinden. Was den Tumor selbst betrifft, so besitzt die Haupteyste eine feste schwielige Wandung von 0,5 eentimeter Dieke; die Oberfläche ist, soweit sie nicht verwachsen ist, mit vielfachen plattenförmigen weiss- lichen Schwielen besetzt, zwischen welchen flache grubige Vertiefungen vorhanden sind. Die Oberfläche ist jedoch glatt und glänzend. Auf dem Durehschnitt ist eine 3 mm. dieke sehr feste, weissliche äussere, und eine mit derselben eng verbundene innere Schicht erkennbar. An der Innenfläche der Öyste finden sich zunächst vielfach gelbliche fibrinös-eiterige Auflagerungen, ausserdem zahlreiche kleine Exerescenzen, z. Th. rundliche Knötehen, z. Th. zarte Zotten, und endlich gestielte, melırfach verzweigte I—2 centim. lange Papillenbäumchen, letztere jedoch nur in spärlicher Anzahl. Ausserdem sind einige in die Höhle hineinragende Scheidewände, Reste von eröffneten Cysten vorhanden, von denen eine über Faustgrösse be- sessen haben mag. Im Grunde der grossen Cyste wölbt sich eine etwa faustgrosse Cyste hervor, aus welcher sich bei der Eröffnung klare gelbliche dick-schleimige Flüssigkeit entleert. Auch diese Cyste trägt an der Innenfläche zahlreiche kleinere und grössere papilläre Vorsprünge und Zottenbäumehen von weisslicher Farbe. Eben solche finden sich in mehr oder minder grosser Menge an der Innenfläche der tauben- bis hühnereigrossen Öysten, welche die nach rechts gelegene Geschwulstmasse zusammensetzen. Solide "Theile sind in der Geschwulst nicht vorhanden, bis auf die erwähnten erbsen - bis haselnussgrossen vereinzelten Knoten, welche mit Kalkkörpern ganz gefüllt sind. An einigen Stellen finden sich auch an der Aussenfläche der Geschwulst papilläre Wucherungen, welche jedoch keinen grossen Umfang erreichen. Sie finden sich fast nur in den Spalten und Lücken, wo mehrere Cysten zusammenstossen, durch bindege- webige Pseudomembranen z. Th. verdeckt. — 241 — Leider war die Fäulniss der Leiche bereits ziemlich stark vorgeschritten, so dass die Geschwulst zu feineren Untersuchungen nicht mehr recht geeignet war; indess liess sich mit hinreichender Sicherheit bereits am frischen Präparat nachweisen, dass dasselbe in allen Beziehungen — sowohl in der Beschaffen- heit des Epithels, im Bau der Wandung, in der Anwesenheit der Kalkkörper u. s. w. — mit dem vorher beschriebenen übereinstimmte, so dass in den Einzelnheiten füglich auf Letzteres verwiesen werden kann. Eine besondere Erwähnung verdienen indess noch die kleinen Knötehen an der unteren Fläche des Diaphragma, sowie die harten, mit Kalk inkrustirten Körper in der Nähe der Eileiter, und die an der Oberfläche des Zwerchfells befindlichen Drüsen. Der Peritonealüberzug des Zwerchfells ist etwas verdickt, weisslich, die Verdiekung nicht überall gleichmässig. In dem Bindegewebe sind zahlreiche Kalkkürper eingelagert, welche stellenweise zu grösse- ren Gruppen vereinigt sind, und als solche über die Oberfläche vorspringen. Was die harten Geschwulstkörper an der Oberfläche des Haupttumor betrifft, so erweisen dieselben sich auch bei der mikroskopischen Untersuchung als grösstentheils zusammengesetzt aus eoncentrisch ge- schichteten Kalkkörpern. Erst nach der Entkalkung gelingt es, Schnitte anzufertigen, welche sodann dicht gedrängte, theils kugelige, theils unregelmässig drusige geschichtete Körper zeigen, die vielfach zwi- schen sich kaum etwas Bindegewebe erkennen lassen. An vielen Stellen finden sich jedoch Reste von Hohlräumen, die mit Cylinder- (resp. Flimmer-) Epithel ausgekleidet, jedoch meist derartig zusammenge- drängt sind, dass nur eine schmale Spalte zwischen den beiden Epithellagen übrig bleibt, oder dass die letzteren selbst comprimirt und stark verändert sind. Die kleinen Geschwülste hängen durch Bindegewebe an ihrer Basis mit der Oberfläche der Hauptgeschwulst, resp. mit den Appendices zusammen; in dem Knoten, welcher an das Ovarium erinnert, tritt das Bindegewebe mit stärkern Gefässen hilusartig hinein, doch verhält sich dieser Geschwulstknoten sonst ganz wie die benachbarten. Einigen Aufschluss über die Art der Bildung dieser Körper geben die an der Oberfläche des Diaphragma befindlichen Knoten, welche augenscheinlich aus Lymphdrüsen entstanden sind, wie die Gestalt, die bindegewebige Kapsel, und endlich die deutlich nachweisbaren Reste von Lymphdrüsengewebe be- weisen. Der grösste Theil wird indess gebildet durch dicht gedrängte, kleine, jedoch makroskopisch bereits deutlich sichtbare Alveolen, welche mit durchsichtiger Gallertmasse gefüllt, und durch dünne Septa von einander getrennt sind. Diese Alveolen sind ausgekleidet mit einem sehr wohl erhaltenen Cylinder- epithel, welches an vielen Stellen unzweifelhaft Cilien erkennen lässt. In den kleinsten Alveolen ist das Epithel verhältnissmässig hoch, in den grösseren niedrig, selbst ganz flach. Der Inhalt der Höhlen zeigt (nach dem Erhärten) die gewöhnliche streifige Beschaffenheit, mit zahlreichen eingelagerten Zellen, welche in verschiedenen Stadien der Degeneration sind. Vorwiegend sind rundliche Zellen mit eben solchem Kern und körnigem Inhalt. In einem "Theile der Alveolen ist das Epithel in Wucherung begriffen; es bildet vielfach Fortsätze nach innen, auch scheinbar abgesehnürte Zellhaufen, doch scheint diese Wuche- rung des Epithels nur im Anschluss an eine Papillenbildung von Seiten des Gerüstes stattzufinden. An vielen Stellen sind nun auch hier Kalkkörper eingelagert, und zwar sitzen dieselben vorwiegend im Bindegewebe, z. Th. in die Alveolen hineinragend. Es handelt sich also hier um kleine Kystom-Metastasen, oder, wenn man will, um den Anfang einer Uareinom - Entwiekelung. (39 19 — 242 — Während die vorliegende Arbeit im Wesentlichen bereits beendet war, fügte es sich, dass Herr Prof. Olshausen am 2. November 1878 ein papilläres Kystom exstir- pirte, dessen Beschreibung ich hier ebenfalls mit gütiger Erlaubniss des Herrn Prof. Oils- hausen beifüge, besonders da dasselbe in einiger Beziehung von den bisherigen Fällen abwich, und dadurch geeignet war, manche unklare Punkte aufzuhellen. Ueberdies hatte ich die Freude, als ich die Geschwulst ungefähr acht Stunden nach der Exstirpation erhielt, die Flimmereilien noch in lebhafter Thätigkeit zu sehen. (Fall 3.) Papilläres Kystom des linken Ovarium, mit Flimmerepithel. Fr. R. 50 J. alt. (Gewicht der Geschwulst mit Inhalt: 10 Kilo.) Die Geschwulst, welche mit breiter Basis, z. Th. intraligamentär aufsass, so dass ein Stiel erst durch starkes Anziehen gebildet werden konnte, hat im nieht entleerten Zustande wohl reichlich Mannes- kopfgrösse besessen; nach Entleerung der Haupteysten ist sie grösstentheils collabirt, hat aber immer noch eirca 20 ceentim. im Durchmesser. An ihrer einen Seite hängt eine ungefähr stiefelförmige feste Geschwulstmasse von blumenkohlähnlichem Aussehen und hellrother Farbe. Ihre Länge beträgt etwa 12, die Höhe 6, die Dicke 4 —5 centimeter. Sie hängt ohne eigentlichen Stiel mit der Hälfte ihrer Grund- fläche mit der Cystengeschwulst fest zusammen. Die Oberfläche dieser Masse ist durch sehr zahlreiche, mehr oder weniger tiefe Furchen in grössere und kleinere Lappen getheilt, welche ihrerseits wieder eine fein granulirte Beschaffenheit besitzen; zwischen und in den papillären Hervorragungen selbst sieht man aber auch eine Anzahl dünnwandiger, wasserheller, oder schwach gelblicher Cysten von Stecknadelknopf- bis Erbsengrösse, ja am Rande der soliden Masse finden sich sogar einige traubenförmige Gruppen grösse- rer Cysten, aus denen sich beim Anstechen klare Flüssigkeit entleert. Zwischen der grossen Cyste und der Blumenkohlgeschwulst sind einige, theils dinnhäutige, theils fadenförmige Pseudoligamente, vielleicht Reste ursprünglicher Cystenwand, ausgespannt. Die Aussenfläche der Cystengeschwulst ist grösstentheils glatt, z. Th. jedoch mit bindegewebigen Pseudomembranen bedeckt. An der einen Seite findet sich die umfangreiche (12—13 cent. lange, 4 cent. breite) Schnittfläche. ;Die Wandung der beiden ungefähr kindskopfgrossen ‚Haupteysten ist meist sehr dünnhäutig, die Scheidewand zwischen beiden dagegen stärker, 2—3 millim. dick, auch nimmt die Wandung an dem der Papillargeschwulst zunächst liegenden Theile an Dicke und Derbheit zu. Die Innenfläche der Cysten ist grösstentheils glatt, vom Aussehen einer serösen Haut, von einem ziem- lich weitmaschigen Gefässnetz durchzogen. Am Boden der einen Cyste finder sich indess, in nächster Nähe der Insertion der papillären Geschwulstmasse eine etwa 5 centim. im Durchmesser habende kreis- förmige, durch einen schwieligen Ring begrenzte Stelle, anscheinend der Rest einer ursprünglich geschlos- senen Cyste, welche ganz durch feinhöckerige und warzige Wucherungen eingenommen ist. Zum Theil sind dies rundliche knopfförmige Erhabenheiten von Hanfkorn- bis Erbsengrösse, zum Theil dicht ge- drängte kleinere dunkelrothe Knötchen. Auch in der Umgebung dieser kreisförmigen Stelle sind einige länglichrunde Plaques von derselben warzigen Beschaffenheit vorhanden. Die zweite Cyste zeigt dieselben Wucherungen in grösserer Ausdehnung, und zugleich in weit stärkerer Entwickelung, anfangend von den kleinsten rothen Pünktchen, durch welche grössere Strecken — 213 — der Innenfläche wie mit feinem rothen Sande bestreut erscheinen, bis zu grösseren traubenförmigen Grup- pen, welche aus rundlichen kurzgestielten theils durchscheinenden, theils opaken röthlichweissen knopf- oder pilzförmigen Gebilden bestehen. Meist sind auch diese in grösseren mehrere Centimeter langen Plaques angehäuft, welche sich jedoch höchstens einen halben Centimeter über die Oberfläche erheben. Ausser den beiden Haupteysten finden sich noch einige (3—4) kleinere diekwandige Cysten, deren Innenfläche ebenfalls mit glatten knopfförmigen, z. Th. ganz durchscheinenden Gebilden dicht besetzt ist. Diese Cysten sitzen zum Theil in der Dicke der Wand verborgen, und wölben sich nur wenig nach innen oder nach aussen vor. Dazu kommen einige kirschen- bis pflaumengrosse zartwandige durchsichtige Cysten an der Aussenfläche an der Basis der Blumenkohlgeschwulst. Aus den kleinen, diekwandigen Cysten entleert sich eine vollkommen klare, höchstens durch einige Epithelflöckchen getrübte, schwach grünlichgelb tingirte Flüssigkeit von nicht deutlich schleimiger, aber beim Verdunsten klebriger Flüssigkeit. In Betreff der mikroskopischen Untersuchung der Geschwulst kann ich mich kurz fassen. Zu- nächst ist hervorzuheben, dass das frisch untersuchte Epithel, welches verschiedenen Theilen der papillären Geschwulst, sowie der Innenfläche der Cysten entnommen war, die schönste Flimmerbewegung darbot. Indess waren auch hier, wie in den früheren Fällen, die Flimmerepithelien nicht überall vorhanden, ja man kann wohl sagen, dass bei Weitem der grösste T’heil des Epithelüberzuges aus niedrigen, flimmer- losen Cylinder- oder Pflasterzellen bestand, deren Grösse ebenso wie dort, erheblich variirte. Vielfach zeigten die Kerne zwei, selbst drei Kernkörperchen; ausserdem liess sich häufig an der Oberfläche der Zellen eine feine, aber auffallend regelmässige Punktirung wahrnehmen, welche von Cilienresten herzu- rühren schien. Zu bemerken ist ferner, dass das Epithel an vielen Stellen der Geschwulst durch Fett- tröpfehen dunkelkörnig erschien, an anderen Stellen waren die von Fetttröpfchen ganz erfüllten Zellen in ziemlich regelmässigen Abständen zwischen den übrigen wohl erhaltenen zerstreut. Derartige verfettete Zellen waren in grosser Zahl der Cystenflüssigkeit beigemischt, deren Trübung sie bewirkten. An Schnitten, welehe verschiedenen Theilen der Geschwulst, sowohl der mit Papillen besetzten Cystenwand, als der grossen Papillargeschwulst entnommen sind, lässt sich ein Wechsel der verschiedensten Epithelformen unmittelbar neben einander feststellen. Im Allgemeinen ist auch hier, wie in den beiden früheren Tumoren das Epithel an der Oberfläche der grösseren knopfförmigen Papillen sehr niedrig; in den Interpapillarspalten nimmt es an Stärke zu, so sieht man in einer und derselben Spalte das niedrige Plattenepithel in ein regelmässiges Cylinderepithel mit hohen Zellen übergehen; an dieses schliesst sich wieder niedriges Epithel, welches eine kleine papilläre Hervorragung bekleidet, und sodann in ein allmäh- lich höher werdendes, mit Cilien besetztes, anfangs einfaches, sodann deutlich geschichtetes Cylinderepithel übergeht. Mehrfach (3—4fach) geschichtetes Flimmerepithel, ganz von dem Aussehen des Tracheal-Epi- thels, ist in den tieferen Theilen der Interpapillarspalten sehr verbreitet, wie man sich an hinreichend feinen Schnitten mit Sicherheit überzeugen kann. An Schnitten durch die Dicke der Cystenwand wiederholt sich im Ganzen dasselbe Bild, wie in den frühern Fällen, .die streifige Beschaffenheit des zellenarmen und von mehr oder weniger zahlreichen Ge- fässen durchzogenen Bindegewebes, der grössere Zellenreichthum der innersten Schicht, aus welcher die papillären Wucherungen hervorgehen. Nirgends finden sich in der Cystenwand eigentliche Einsenkungen a des Epithels in die Tiefe, dagegen bleiben zwischen den papillären Erhebungen häufig nur ganz schmale Spalten bestehen. Was die Papillen anbetrifft, so sind die knopflörmigen und kugeligen, welche theils mit breiter Basis aufsitzen, theils schmal gestielt sich pilzförmig ausdehnen, entschieden vorwiegend. Nur an einer Stelle fand sich eine etwa kirschkerngrosse Wucherung feiner büschelförmig zusammengesetzter Papillen. Die grösseren, welche im frischen Zustande sich durch ihr eystenähnliches durchscheinendes An- sehen auszeichneten — ähnlich den Zotten der Hydatidenmole — besitzen einen vollständig myxomatösen Bau; im frischen Zustand zerzupft liefern sie ein zartes protoplasmatisches Zellennetz, mit schleimiger Inter- cellularsubstanz, welche von sehr zahlreichen, äusserst feinen Fibrillen durchzogen ist; nach aussen wird das Gebilde durch eine hyaline Membran begrenzt; durch Verflüssigung des Inhalts kommt es in vielen Papillen zur Bildung wirklicher eystischer Hohlräume. welche allenfalls von feinen radiären Fasern durchzogen sind. Die meisten Papillen sind verhältnissmässig gefässarın , die kleinsten, welche sich als rothe Körnchen dar- stellen, zeigen nur am Grunde einige Getässschlingen. Die Hauptmasse der grossen soliden Blumenkohlgeschwulst besteht aus einem ziemlich derben, aus vielfach sich durchkreuzenden Faserbündeln bestehenden Bindegewebe; die warzigen Erhebungen an der Oberfläche verhalten sich wie die an der Innenwand der Öysten befindlichen. Bemerkenswerth ist je- doch hier das Verhalten der bereits erwähnten kleinen und grösseren Cysten, welche z. 'T’'h. in den Papillar- wucherungen selbst sitzen. Diese sind mit Epithel ausgekleidet, welches entweder niedrig und flimmerlos, oder etwas höher und flimmernd ist. Sie sitzen stets nur dicht unter der Oberfläche, unmittelbar neben den hier weit unregelmässiger verästelten Interpapillarspalten, aus denen jene Cysten unzweifelhaft hervorge- gangen sind. Es kommen Uebergänge vor von den kleinsten abgesehnürten Hohlräumen bis zu grösseren steeknadelkopt- bis hanfkorn- und erbsengrossen, welche jedoch stets dieht unter der Oberfläche liegen. Auch die wenigen grösseren Cysten, welche dieselbe dünne Wand, dieselbe Epithelauskleidung besitzen, wie jene, und zwischen den warzigen Wucherungen in der nächsten Nähe der grossen Blumenkohlge- schwulst sitzen, scheinen desselben Ursprungs zu sein. Kalkkörper sind bei weitem nicht so zahlreich vorhanden, als in den frühern Fällen, doch fehlen sie auch in diesem nicht gänzlich; es finden sich ab und zu grössere und kleinere der bekannten kugeligen und drusigen Coneremente, hauptsächlich in dem Bindegewebe der Papillen. Das linke Ovarium wurde bei der Operation klein. atrophisch gefunden und daher nicht mit entfernt. !) Dem herkömmlichen Sprachgebrauch nach werden die beschriebenen Ge- schwülste als „papilläre Kystome“ der Ovarien bezeichnet. Diese „papillären Kystome‘‘ waren den älteren Autoren z. Th. wohl bekannt, wenn ihre Kenntniss sich auch nur auf das makroskopische Verhalten gründete. Bereits Hodgkin’) stellte eine Abart der zusammengesetzten Cysten auf, bei welcher goestielte Uysten oder Filamente in Form von Büscheln oder Quasten von 1) Nach lange anhaltenden Erscheinungen von Jleus erfolgte der Tod der Pat. am 2ten December. Bei der Section fanden sich sehr ausgebreitete paritonitische Verwachsungen und abgekapselte eiterige Exsudate. ?) Medieo-chirurg. Transactions vol. XV. p. II. 1829. — 2% — der Innenfläche der Haupt- häufiger von der der secundären Cysten ausgehen. Diese langen Auswichse sind zuweilen sehr gefässreich, und nehmen lebhaft Theil an der Sekretion, welche den Sack anfüllt. F Johannes Müller‘) sah die Präparate, welche den Hodgkin’schen Uhter- suchungen zu Grunde gelegen hatten. Zwei der von ihm angeführten Fälle lassen sich deutlich als ächte papilläre Kystome erkennen. Müller brachte dieselbe in Beziehung zu den Cystosarkomen; er rechnete hierher auch einen von Prochaska kurz beschrie- benen und abgebildeten Fall, welcher ihm vor der Kenntniss jener Präparate räthsel- haft gewesen war. — Die von Prochaska°) gegebene Abbildung stellt nun in der That eine ausserordentlich merkwürdige Geschwulst beider Ovarien dar, von denen jedes in ein überfaustgrosses, einem belaubten Baume ähnliches Gewächs umgewan- delt war. Die Ovarien waren nicht als solche zu erkennen, sondern mit den viel- fach gewundenen und cystisch erweiterten Tuben verwachsen. Bemerkenswerth ist, dass die Frau, von welcher das Präparat stammte, an Ascites gestorben war. Nach Joh. Mülier ist wahrscheinlich die die Geschwulst einschliessende Cyste durchbrochen oder künstlich aufgeschnitten worden; in der Beschreibung ist nichts von einer Öyste erwähnt. Dem gegenüber glaube ich eher, dass dieser Fall das erste und zugleich kolos- salste Beispiel der von der Oberfläche der Ovarien ausgehenden Papillargeschwül- ste darstellt. Dagegen ist eine von R. Bright?) beschriebene Geschwulst offenbar hierher zu zählen, da dieselbe sowohl mit dem gleich zu besprechenden Falle von Spiegel- berg, als mit meinem Fall I. sehr übereinstimmt. Es handelte sich um eine vier- zehn Zoll im Durchmesser haltende Ovarialeyste (ebenfalls in Guy’s Museum aufbe- wahrt), welche ganz mit einer blumenkohlartigen hauptsächlich von einem Theile der Wand entspringenden Geschwulst gefüllt war. Das ganze Peritoneum war so stark verdickt, dass es der Bauchhöhle den Charakter einer Cyste gab. Durch das verdickte Peritoneum waren die Därme verhindert, zu schwimmen, und man hatte daher bei der 13- bis 14maligen Punktion in der That eine Ovariencyste vor sich zu haben geglaubt. Jedenfalls wird dies auch der Fall gewesen sein, und das vermeintliche verdickte Peritoneum war thatsächlich die mit dem Bauchfell verwachsene Cystenwand. 1) Ueber den feineren Bau und die Formen der krankh. Geschwülste p. 54. 2) Disquisitio anatomieo- physiologiea organismi. Viennae 1812 p. 170. Tab. V. 3) Observations ou abdominal Tumours in Guy’s Hospital Report vol. III. London. 1838. p. 179. Materie, 7. — 216 — Rokitansky‘) kannte ebenfalls die an der Innenwand zusammengesetzter Eier- stocks-Cystoide vorkommenden dendritischen Vegetationen, welche zu solcher Masse anwachsen können, dass ein Durchbruch nach der Peritonealhöhle erfolgt. *) Ausser- dem istnach Rokitansky der „Zottenkrebs“ „nächst den Schleimhäuten und zwar jenen der Harnblase am häufigsten auf der Innenfläche der Cysten des Cystocareinoms der Ovarien“. Dieses Cystocareinom soll häufig doppelseitig sein. ?) Ich vermuthe, dass ein grosser Theil dieser Zottenkrebse zu den papillären Kystomen gehörte. | Ein un- zweifelhafter Fall, auf welchen ich noch einmal zurückkomme, findet sich übrigens bei Rokitansky (Ueber die Cyste) angeführt. Klob*) schloss sich im Wesentlichen an Rokitansky an. Der erste genauer beschriebene Fall, in welchem es sich um eine sehr um-. fangreiche Geschwulst handelte, welche operative Eingriffe erforderte, ist der von Spiegelberg°). Wie sich aus Vergleichung dieses Falles mit unserem F.I ergiebt, so besteht zwischen beiden eine fast bis in’s Einzelne gehende Uebereinstimmung. Bei der Kranken von Spiegelberg fand sich eine colossale Haupteyste, welche der- artig mit dem Peritoneum parietale und mit den Organen des Unterleibes verwach- sen war, dass bei der versuchten Operation die Vermuthung entstanden war, dass es sich um Ansammlung freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle handelte. In der Tiefe der umfangreichen Höhle präsentirte sich „eine unebene zottige, durch die bedeckenden Eitermassen roth durchscheinende, die Beckenhöhle vollständig ausfüllende und über den Eingang hervorragende Geschwulst.“ Die Leber war von der Cystenwand überzogen, die eigentliche Bauchhöhle mit den Därmen war hinter der Cyste auf das linke Hypochondrium beschränkt, der Diekdarm verlief ziemlich normal. Auch das Resultat der mikroskopischen Untersuchung findet sich in beiden Fällen in voller Uebereinstimmung. Die Innenfläche der secundären Cysten war mit demselben zottigen und papillären Gewebe bedeckt, welches sich auf der Basis der Haupteyste fand; die zottigen Massen bestanden aus einem bindegewebigen Gerüst, meist mit verzweigten Sprossen, wie Ühorionzotten, mit einschichtigem schön 1) Ueber die Cyste. Abhandl. der Akad, zu Wien. Bd. I. 1850. 2) Lehrbuch der Pathol. Anat. Bd. I. 1855. p. 228 und Bd. III. 1861. p. 427. 3) Ueber den Zottenkrebs. Sitzungsberichte der physik. math. Klasse der Akademie zu Wien 1852. Bd. 8. p. 524. und Lehrbuch Bd. I. p. 269 und Bd. III. p. 432. #) Patholog. Anatomie der weibl. Sexualorgane 1864. p. 355 und 369. 372. 5) Monatsschrift f. Geburtskunde. Bd. XIV. 1859. p. 101. — 247 — regelmässig angeordnetem leicht abstreifbaren Oylinderepithel bedeckt, dessen Zellen alle deutliche dieke und lange Cilien trugen. Bemerkenswerth war ferner das Vorhandensein zahlreicher Kalkkörper in den Zotten, ferner eine wallnussgrosse Oyste aut der Oberfläche der Milz und einige kleinere auf der äusseren Darmwand. Nur in der ersteren befanden sich ebenfalls papilläre Wucherungen, jedoch ebenso wie in den letzteren, kein Flimmerepithel. In den neueren Beschreibungen herrscht in Bezug auf die Bezeichnung „papilläre Kystome“ zum Theil offenbar eine gewisse Unklarheit, welche sich nur daraus erklären lässt, dass einzelne Beobachter wohl characterisirte papilläre Ge- schwülste vor sich gehabt haben, wälrend Andere nicht in dieser Lage waren, und nun diejenigen Kystome als papilläre bezeichneten, welche nicht aus einfach glatt- wandigen Oysten bestanden, sondern namentlich in den jüngeren Theilen auf dem Durehschnitt Figuren zeigten, welche wie papilläre Vorsprünge an der Innenfliche sich darstellen. Bei den ächten Adeno-Kystomen der Ovarien, d. h. also bei denjenigen mul- tiloculären Geschwülsten, bei welchen sich durch Proliferation des Epitels und „colloide* Umwandlung respective Ausscheidung stets neue Oysten bilden, findet man nicht selten, sowohl an der Imnentläche älterer Uysten, als auch an der Oberfläche kleine zotten- förmige Bildungen, einfache fadenförmige Papillen, oder auch dendritische Zöttchen, welche mit Cylinderepithel bekleidet sind. Diese kleinen Papillen erreichen jedoch nie eine bedeutende Grösse, und missen als zufällige Bildungen angesehen werden, wie sie auch an anderen Ovarialgeschwülsten vorkommen. Abgesehen davon zeigt aber die in Entwickelung begriftene Uyste ein ver- schiedenes Verhalten, von dem man sich am besten an Durchschnitten jüngerer Theile überzeugt, wie sie an der Wand der sogenannten Haupteyste fast stets zu finden sind, Während man bei einer Reihe von Fällen nur Eine dünn- und glattwandige Oyste neben der andern findet, wodurch das bekannte wabenartige Bild des Durchschnittes entsteht — nur verschieden durch die melır oder weniger zähe Beschaffenheit des Inhalts — sieht man in andern Fällen die Innenfläche der kleinen Cysten durehweg besetzt mit Vorsprüngen, welche auf dem Durchschnitt das Aussehen von Papillen haben. Durch die vielfachen Verzweigungen derselben, durch die häufig regelmässig radiäre Anordnung, durch den regelmässigen Ueberzug mit stets einschichtigem Uy- linderepithel liefern diese Durchschnitte bei mikroskopischer Betrachtung überaus zierliche Bilder. Indem sich in dem centralen Hohlraum mehr und mehr Inhalt an- Abh, der naturf, Ges, zu Halle. XIV, 5. Hit, 33 Er sammelt, dehnt sich die Wand aus, und es entsteht schliesslich eine glattwandige Cyste, welche sich nieht von den Öysten anderer Formien unterscheidet, während andererseits die Proliferation des Epithels weiter um sich greift. In diesen Fällen handelt es sich nicht um eigentliche Papillen oder Zotten an der Innenfläche der Cystenwand, sondern um Durchschnitte leistenförmiger Vorsprünge, oder wirklicher Septa, wie Waldeyer'), später Böttcher), vor Beiden aber thatsächlich schon W. Fox) hervorhob. Wilson Fox,*) dessen genaue Untersuchungen über die Eierstockscysten man in vieler Beziehung als grundlegend ansehen muss, unterschied an der Innenwand der Cysten: 1. Papilläre (blumenkohlähnliche) oder dendritische Gewächse. 2. Zottige Gewächse. 3. Drüsige Gewächse. Die beiden letzteren Formen fasst er zusammen, denn die sogenannten Zotten an der Innenfläche der Haupt- und secundären Cyste smd einfach die hervorragenden Theile der Innenwand zwischen den glandulären Einsenkungen, und erlangen nur selten einen grössern Umfang. Dagegen trennt Fox scharf die eigentlichen papillären Gewächse, wel- che er als weit seltener vorkommend bezeichnet; er fand sie nur zweimal unter fünf- zehn Fällen, und diese beiden Fälle stammten von einem und demselben Individuum. Es ist nicht schwer aus der Beschreibung und Abbildung von Fox zu erkennen, dass er ohne Zweifel Geschwälste vor sich gehabt hat, welche — abgesehen von dem Flimmerepithel — mit den oben beschriebenen übereinstimmen, gestielte Pa- pillargeschwülste mit zahlreichen Verzweigungen, welche die wenig zahlreichen Cysten ausfüllen. Dennoch vermischt Böttcher) in seiner Besprechung der Fox’schen Unter- suchungen die Formen, welche dieser mit richtigem Blick von einander trennte — ja er geht noch weiter, indem er den Spiegelberg’schen Fall ohne Weiteres mit dem von ihm beschriebenen glandulären Kystom vollständig identifieirt — trotz Flim- 1) Monatsschrift f. Geburtskunde. Pd. XXVII, 368. 2) Virchsw’s Archiv. Bd. 49. p. 297. ®) l. c. p. 258. *) On the origin, structure ete. of the Cystic Tumors of the ovary, Med. chir. Transact. vol. 47. 1864. 5) 1. c. p. 331 und Fig. 1. a merepithel, trotz gestielter und verästelter frei in die Cysten hineinhängender Ge- schwülste! Daher sind auch die Schlüsse, die auf diese vermeintliche Identität basirt sind, unrichtig. ’ Auch Mayweg') spricht von mehr oder weniger umfangreichen papillären Excrescenzen an der Innenfläche der Cysten in den Geschwülsten, welche er aus „eolloider“ Entartung der G raa schen Follikel entstehen lässt. Aus seiner Beschreibung geht indess hervor, dass es sich auch hier nicht um papilläre Geschwülste in unserm Sinne handelte, sondern um die gewöhnlichen Wucherungen der multiloeulären Kystome. Auf diese allein passen Ausdrücke, wie „höckerige Kugeln“, welche Cysten enthalten u.s. w. Die Beziehung auf Fox’ Theorie der Öystenbildung ist in Folge dessen eben- falls nicht richtig. Waldeyer?) hat in seiner Hauptarbeit über die Eierstockscysten offenbar das ächte papilläre Kystom vor sich gehabt, anscheinend jedoch nur einen Fall, und zwar denselben, welchen Spiegelberg in seinem Aufsatz iiber Perforation der Ova- rialeysten *) beschreibt. Er unterscheidet das Kystoma prolifterum papillare und das Kystoma prolife- rum glandulare, welche er beide als Formen des Myxoidkystoms ansieht. Während bei den glandulären Formen die Epithelwucherung das Ueberwiegende ist, sollte bei den papillären Formen die epitheliale und die bindegewebige Wucherung gleichen Schritt halten — respective die letztere überwiegen. (Aus’der Beschreibung einer früher von Spiegelberg exstirpivrten Geschwulst scheint hervorzugehen, dass Waldeyer damals das ächte papilläre Kystom nicht kannte.*) Wenn Rindfleisch von einer glatten, kaum gelappten Oberfläche der grösseren Geschwülste, welche man gelegent- lich in den Cysten trifft, spricht, „während man doch, wenn man sie auf Durchschnitten untersucht, keinen Zweifel darüber haben kann, dass es sich in der That um ächte Papillome handelt“, °) so scheint mir aus dieser Beschreibung klar hervorzugehen, dass es sich nicht um Papillargeschwülste inı Sinne von Fox, und in unserm Sinne handelt, sondern dass die scheinbar verwachsenen Papillen Durchschnitte von Scheide- wänden in ursprünglich drüsigen Hohlräumen darstellen. 2. 1) Die Entwickelungsgeschichte der Cystengeschwülste des Eierstocks. Inaug.-Diss. Bonn 1868. ?) Archiv für Gynäkologie. 1570. Bd. 1. p. 259. u. Fig. 3. 3) Archiv für Gynäkologie. Bd. I. p. 62. %) Monatsschr. f. (seburtskunde. Bd. 27. p. 368. 5) Rindfleisch, Lehrbuch der Pathol. Gewebelehre. 1878. p. 468. Dagegen stimnit der von B eigel') beschriebene Fall, weichen Prof. Olshausen?) ebenfalls zu den papillären Kystomen rechnet, während Klebs°) denselben als papil- läres Uareinom auffasst, in der allgemeinen Structur so genau mit den oben beschrie- benen tiberein, dass ich mich der Ansicht Olshausen’s anschliesse. Es fehlt jedoch auch hier die Erwähnung des Flimmerepithels, dagegen ist der Bau der Papillen- bildungen, das Vorhandensein der Kalkkörper iibereinstimmend. Wenn Klebs die Diagnose Carcinom hauptsächlich auf den Umstand basirt, dass es sich in dem Falle von Beigel um eine secundäre Geschwulst handelt, so spricht dies, wie wir sehen werden, nicht gegen die Diagnose derselben als Kystom. Klebs*) erwähnt ein sogenanntes „Papillom* aus der Würzburger Sammlung, welches das Reetum durchbrochen hatte, Reeklinghausen?) untersuchte eine von Müller bei Scanzoni exstirpirte ähnliche Geschwulst, mit Perforation in die Bauch- höhle. Zu diesen Fällen kommen noch einige andere, welche Prof. Olshausen bereits in seinem Handbuche aufführt, und auf welche ich an dieser Stelle nicht näher eingehe. Es sind die von Stilling, Homans, Marcy, Hegar, der Fall aus Kiel, und die von Professor Olshausen selbst beobachteten. Der Altmeister der Ovariotomie, Spencer Wells, erwähnt dendritische Bildun- gen an der Innenfläche der Bierstockseysten, ohne jedoch näher auf dieselben einzugehen. Er scheint dieselben stets für krebsig zu halten.®) Die etwas unkenntliche Figur 16 stellt eimen @uerschnitt einer solchen Cystenwand dar, welche ganz aus fibrösem Gewebe zusamınengesetzt ist „mit Ausnahme des oberen Randes, wo sie Epithel hat, und wo die dendritischen Bildungen in aktivem Fortschreiten sind.“ (Einige kugelige Gebilde, vielleicht Kalkkörper, sind daselbst zu bemerken). Neuerdings gedenkt auch Koeberl&’) der papillären Kystome oder genauer, der Papillargeschwülste, welche an der äusseren und inneren Oberfläche von Ovarial- cysten vorkommen; die beiden Fälle, welche Koeberl& beobachtete, waren doppel- seitig; nach der von ihm gegebenen Abbildung könnte es scheinen, als handele es 1) Virchow’s Archiv. Bd. 45. p. 103. 2) Handbuch der Frauenkrankheiten, Krankheiten der Ovarien. 1877. p. 58. 3) Handbuch I. p. 808. *) Ebenda pag. 795. 5) Seanzoni, Beiträge zur Geburtskunde. 1868. Bd. V. pag. 145. 6, Sp. Wells, die Krankheiten der Eierstöcke, übersetzt von Grenser. Leipzig 1874. p. 44. ?) Des maladies des ovaires, Nouveau diet. demedee. et dechir. prat. Paris 1878. T.XXV. p 509. eg sich um Oberflächenpapillome, doch ist ausdrücklich bemerkt, dass dieselben mit den Vegetationen an der Innenfläche zusammenhingen. K. leitet dieselben von den Graat’schen Follikeln ab. Bisher habe ich keine strenge Rücksicht genommen auf die Beschaftenheit des Epithels, welches in einigen wohl charakterisirten Fällen als Himmernd, in an- deren als nicht flimmernd angegeben wurde. Bevor ich auf diesen Punkt näher eingehe, ist es nöthig, eine Reihe von Fällen zu besprechen, welche zwar nicht als papilläre Kystome bezeichnet wurden, sondern einfache oder ınultiple Ovarialeysten mit Flimmerpithel darstellten. Einfache Oysten mit Flimmerepithel sind nur sehr selten im Ovarium ge- funden worden, einmal von Spiegelberg '), welcher die Cyste als hydropisch ent- arteten Follikel mit Flimmerepithel auffasste, Luschka?) fand in einem, uns leider nur durch eine kurze Notiz bekannten Fall an der inneren Oberfläche einer faustgros- sen Eierstockseyste zahlreiche papilläre Auswiichse mit dem schönsten Flimmerepithel. In einer anderen Reihe von Fällen fanden sieh multiple Cysten mit Flimmer- epithel in Gemeinschaft mit Demoideysten, und wenn auch jene vielleicht den gleichen Ursprung hatten, wie die anderer Fälle, so handelt es sich doch hier um eine Bil- dung eomplieirterer Natur. Dahin gehören die Fälle von Virchow’), Friedreich'), Eichwald°®), E. Martin‘) und Flesch’?), auf welche ich hier nicht näher eingehe. Wichtiger ist eine Beobachtung von Wilks°), welcher in einem Ovarientu- mor von der Grösse eines Kindskopfes eine unendliche Zahl Cysten mit dicker gela- tinöser Masse fand. Die grösste hatte den Umfang eines Hihnereies; das Epithel der Uysten war wie gewöhnlich aus sechsseitigen Pflasterzellen zusammengesetzt, aber von den Scheidewänden zwischen den Cysten wuchsen mikroskopische Büschel oder zottige Fortsätze, deren Oberfläche mit Flimmerepithel bedeckt war. Das Ovarium der anderen Seite ist nicht erwähnt. 1) Monatsschrift f Geburtskunde. Bd. XIV, p. 1 2. 2) Virchow’s Archiv. XI. p. 469, *) Ebenda. #) Virebow’s Archiv. XIII. p. 498. 5) Würzb. med. Zeitschrift. Bd. V. 1864. p. 270 und Fig. 10 (welehe auch Sp. Wells wiedergiebt). 6) Berl. klin. Wochenschrift Nr. 10. 1872. ?) Verhandlungen der phys.-medie. Gesellsch. zu Würzburg. Neue Folge. Bd. II. 1872. p. 11i 8) 'Transactions of the Pathol. Soc. vol. III. 1856. p. 280. Von noch grösserem Interesse ist ein Fall von Brodowski'), welcher beide Ovarien von einer grossen Anzahl sehr verschieden grosser Oysten mit Flimmerepi- thel durchsetzt fand. Auf der Wand der umtangreichsten von Hühnereigrösse sass ein blumenkohlartiger Auswuchs, dessen Epithel, wie auch das der kleinsten Cysten als mehrschichtig angegeben wird, während es in den grösseren Oysten einschichtig war. Es ist zu bedauern, dass Brodowski diesen Fall mit Rücksicht auf die Ent- wiekelung nicht genauer untersucht hat; nach seiner Ansicht handelte es sich um eine Abweichung in der Entwickelung der Graaf’schen Follikel; das Flimmerepithel wäre demnach ein Derivat des Keimepithels. Brodowski sieht dies als Beweis ge- gen die Remack’sche Lehre von der normalen Entwickelung der Gewebe in patho- logischen Neubildungen an. An diesen Fall erlaube ich mir, eine kurze Beschreibung des von Prof. Ols- hausen erwähnten Leipziger Priparates, welches ich durch gütige Vermittelung des Herrn Professor Olshausen untersuchen konnte, anzuschliessen. Allerdings musste von eimer eingehenden Untersuchung Abstand genommen werden, da das Präparat geschont werden musste. Das Präparat besteht aus dem Uterus und beiden Ovarien. Der rechte Eierstock ist in eine kleinapfelgrosse Gesehwulst umgewandelt (mit grösstentheils ebener Oberfläche), welche an ihrer hintern Fläche eine grosse Anzahl auf dünnen Stielen aufsitzender Papillengeschwülste bis zu Erbsen- und Kirsch- kerngrösse trägt. Ein Theil dieser Papillen ist noch von dem Rest einer dünnen Cystenwand überdeckt. Die Tuba zieht in mehreren Windungen iiber den Tumor hinweg, mit welchem sie einschliesslich der Fimbrien fest verbunden ist. Das wenig veränderte mediale Ende des Ovarium ragt neben dem Uterus hervor. Auf dem Längsdurchschnitt bemerkt man im peripherischen 'T'heil eine Cyste- mit dicker fibröser Wandung; die erstere ist grösstentheils durch derbe papilläre Wucherungen, welche von einem "Theil der Wandung ausgehen, erfüllt; letztere ist im Uebrigen glatt. Der mediale 'Theil des "Tumor zeigt eine derbe fibröse Beschaffenheit mit kleinen und kleinsten eystischen Hohlräumen und beginnender Papillen- bildung, ist aber dem Ovarium noch am meisten ähnlich. Der linke Eierstock ist in ähnlicher Weise entartet, doch nur stark wallnussgross, mit dem Corpus uteri fest verbunden; er zeigt auf dem Durchschnitt ebenso ein festes fibröses Gewebe mit einzelnen eystischen, durch Papillen ausgefüllten Hohlräumen; in der Mitte befindet sich eine etwas grössere Uyste, deren Wände mit Haufen von Papillen wie die der anderen Seite bedeckt sind. Auch die Aussenseite ist am peripherischen 'T'heil mit papillären Wucherungen ausgestattet, welche jedoch ebenfalls mit einer, jetzt, unvollständigen dünnen Cystenmembran bekleidet gewesen waren. Mikroskopisch besteht die Hauptmasse der Geschwulst aus sehr festem Bindegewebe, welches sowohl die dicke Cystenwand als die grösstentheils kol- bentörmigen gestielten Papillargeschwülste bildet. Derartige papilläre Bildungen füllen selbst die kleinsten, 1) Virchow’s Arch. Bd. 67. p. 231. — a kaum stecknadelkopfgrossen Cysten ganz aus, aber, da sie mit einem dünnen Stiel von der Wand ausgehen, so fallen sie beim Durchschneiden leicht heraus. Sowohl die Cystenwände, als die Papillen sind mit Flimmern tragenden einschiehtigem Cylinderepithelbedeekt, welches vielfach in ein niedriges Epithel übergeht. In dem medialen Theil der grössern Geschwulst fanden sich auch einzelne enge schlauchförmige, mit Flimmerepithel ausgekleidete Bildungen. Stellenweise sind kleine corpora fibrosa, jedoch keine erhaltenen Follikel vorhanden. Zu erwähnen sind noch kugelige Kalkkörper, welche in grosser Zahl in der Ge- schwulst vorkommen, nicht selten grössere Haufen im Stroma bilden, meist aber an der Oberfläche der Papillen und Cysten, von Epithel bedeckt, hervorragen. Es liegt aut der Hand, dass wir in den zuletzt erwähnten Fällen die Jugend- zustände der oben beschriebenen Geschwiülste vor uns haben. Bereits in einem so frühen Stadium fanden wir die Eierstöcke durchsetzt von einer grossen Anzahl Uysten der verschiedensten Grösse; es handelt sich offenbar um eine meist multiple Anlage. Zweifellos ist ferner, dass die papillären Bildungen das Secundäre sind, entgegen der Angabe Böttchers'), welcher aber in der That keinen derartigen Fall vor sich gehabt hat. Recklinghausen’) sprach dieselbe Ansicht von der secundären Entstehung der Papillen in seinem Falle aus. Olshausen hat in seinem Handbuch zuerst eine Sonderstellung für einen Theil der papillären Kystome beansprucht, obwohl er für die meisten einen wesentlichen Unterschied von den glandulären Kystomen nicht zulässt. Die Gründe, welche Prof. Olshausen veranlassten, diese papillären Kystome sensu stricto, von den gewöhnlichen Kystomen zu trennen, waren folgende. Diesel- ben sind in der Mehrzahl der Fälle doppelseitig, sie sitzen meist intraligamentär, wenigstens mit einem beträchtlichen Abschnitt, sie scheinen sehr langsam zu wach- sen, „endlich, und das ist der zwingendste Grund, sie tragen an der Innenfläche stellenweise, oder überall Flimmerepithel.“ ®) Olshausen ist daher geneigt, diese Geschwülste nicht von den Elementen des Eierstocks selbst abzuleiten, sondern von dem Parovarium, und zwar von solchen Theilen des letzteren, welche in den Hilus des Ovarium hineinreichen. Er befindet sich in dieser Beziehung in Uebereinstimmung mit Waldeyer, welcher zuerst die Möglichkeit dieser Entstehung für die Flimmerepitheleysten der Ovarien aussprach?). nen ki 2) Scanzoni, p. 156. S)elze.p.l. %) Archiv f. Gynäkologie I. p. 263. Anmerkung. Es wird dadurch die vorliegende Form der papillären Kystome mit den Nebeneierstockseysten, respective COysten der ligamenta lata, in nahe Beziehung ge- bracht, und als Beleg für diese führt Olshausen eine Oyste der lig. latum an, welche durch ihre ebenfalls mit Flimmerepithel bekleideten feinwarzigen Bildungen an der Innenfläche (mit Kalkkörpern) sich den papillären Kystomen näherte. Von Interesse ist in dieser Beziehung auch eine von v. Recklinghausen untersuchte Cyste des breiten Mutterbandes, deren glatte Innenfläche mit Flimmer- epithel bekleidet war. Das zugehörige Ovarium sass der Cyste locker auf; es ent- hielt eine grosse Anzahl kleiner Oysten, deren Epithel vollständig mit dem der grossen Üyste ibereinstimmte; an der freien Oberfläche der sehr hinfälligen Zellen liess sich mehrere Stunden nach der Operation noch eine feine Punktirung wahrnehmen, und im frischen Zustand fanden sich einzelne Zellen mit Häärchen besetzt, an welchen allerdings eine Flimmerbewegung nicht wahrgenommen wurde'). Klebs°) schliesst aus dem letzteren Umstande auf eine Verschiedenheit der ovarialen Cysten und der Haupteyste. Bevor ich auf die Frage nach der Entwickelung näher emgehe, möchte ich zunächst hervorheben, dass meiner Meinung nach die sämmtlichen papillären Kystome zu- sammengefasst werden müssen, seies, dass das Vorhandensein des Flimmerepithels erwähnt, oder dass dasselbe vermisst wurde. Die Art der Entwickelung ist eine von der der gewöhnlichen Kystome ganz abweichende In sehr frühem Stadium finden sich bereits mehrfache Oysten, welche mit Flimmerepithel ausgekleidet sind. In der Regel erheben sich bald von der ursprünglich glatten Wandung papilläre Wucherungen; eine der Uysten übertrifft die andern bald an Grösse und verdrängt dieselben. Dazu können sich dann secundäre Veränderungen, Durchbruch der Oysten, Freiwerden der Papillen u. s. w. gesellen. Nirgends findet man in diesen Tumoren einen Zustand, der an die Be- schaffenheit der jüngeren Theile der gewöhnlichen Kystome erinnert, nirgends die mehr oder weniger festen, auf dem Durchschnitte bald mehr wabenartigen, bald mehr cystischen höckerigen Erhebungen an der Innenfläche der Hauptcysten, nir- gends den eigenthümlichen zäben weisslichen Inhalt jener Theile. — Andrerseits findet man kaum bei den gewöhnlichen Kystomen einen Theil der Cysten derartig 1) Scanzoni 1. ce. p. 170. 2) Handbuch p. 840. — 2359 — die Organe des kleinen Beckens durchsetzend, und mit ihnen verwachsen, wie in den beiden ersten oben beschriebenen und einigen anderen Fällen, während freilich diese Eigenschaft auch bei den papillären Kystomen fehlen kann. Dürfen wir nun diese Geschwülste in zwei verschiedene Klassen theilen, je nachdem sie Flimmerepithel besitzen, oder nicht? Da die besten Beobachter in einigen Fällen solches nicht fanden (Fox, Recklinghausen, auch Beigel u. A.), so ist ein Zweifel an der Richtigkeit der Beobachtung nicht zulässig, wenn auch hervorgehoben werden muss, dass die Untersuchung älterer Präparate nur sehr ungewisse Resultate liefert. Der wichtigste Umstand ist aber die für die obigen Fälle nachgewiesene Transforma- tionsfähigkeit des Epithels. Zweitellos kann das Flimmerepithel auf einen sehr kleinen Raum beschränkt sein, der der Untersuchung entgehen kann, und der Befund einiger weniger Flimmerzellen in situ kann für die Natur des ganzen Epithels ent- scheidend sein. Wenn wir nun auf der einen Seite für die glandulären Kystome die Entwi- ckelung von schlauchförmigen Einsenkungen des Öberflächenepithels festhalten, welche durch stets fortschreitende drüsenähnliche Bildungen den Charakter dieser Geschwülste ausmachen, so stehen für die papillären Kystome diesem Entwi- ckelungs-Modus zwei andere gegenüber; nach der einen Ansicht sollen sich dieselben aus Graaf’schen Follikeln, nach der andern aus supponirten parovarialen Einschlüssen entwickeln. Durch Waldeyer') ist zuerst nachgewiesen worden, dass das Epithel des Miller’schen Ganges, der nachmaligen Tuba genetisch eng zusammenhängt mit dem „Keimepithel“, welches das Ovarium überzieht. Erst später findet eme Tren- nung Statt, indem sich zwischen Eierstock und Fimbria ovarica ein schmaler Strei- fen Peritoneum einschiebt, indess ist die Ausdehnung dieses Streifens, sowohl bei verschiedenen Thierspecies als beim Menschen grossem Wechsel unterworfen. Aus Mangel an hinreichendem Material frischer menschlicher Früchte aus früheren Monaten habe ich dies Verhalten nicht eingehender untersuchen können, indess findet man noch beim Neugebornen, dass ein fast unmittelbarer Uebergang zwischen beiden Epithelien statt haben kann. Macht man einen Schnitt durch das Ovarium und die Fimbria ovarica ungefähr parallel der Längsaxe des ersteren, so sieht man die wellig getaltete Oberfläche der letzteren bis an die Furche an der 1) Eierstock und Ei 1870. p. 9. u. p. 124. Taf. V. Fig. 50. Abh. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 5. Hft. 4 — 3% — Basis des Ovarium sich fortsetzen. Das mit Cilien besetzte Epithel der Fimbria wird allmählich niedriger, und verliert die Cilien, hört jedoch nicht ganz auf, nimmt sodann an Dicke, in der genannten Furche oder kurz vor derselben, wieder zu, um in das bekannte Cylinderepithel des Ovariums überzugehen, welches, abgesehen von den Cilien, ganz mit dem der Tuba identisch ist. Nun beginnt die Bildung der schlauchförmigen Einsenkungen und der Follikel, welche das ganze Eierstocksparen- chym erfüllen. Indess bereits vorher, also näher der Tuba, sind ähnliche schlauch- förmige Einsenkungen vorhanden, welche in der Regel keine Follikel zu liefern scheinen, aber noch am Eierstock des Neugebornen deutlich erkennbar sind. Wann die Entstehung der Cilien beginnt, ist nicht ganz sicher (cf. Waldeyer p. 123). Ob man nun berechtigt ist, ein Flimmerepithel in einer Oyste abzuleiten von dem nicht flimmernden Keimepithel, welches aber dem Tuben-Epithel so nahe verwandt ist, wie Bruder und Schwester, oder ob man aus dem Vorhandensein des Flimmerepithels zu dem Schluss gezwungen ist, dass das Ursprungs-Epithel zur Zeit der Entstehung der Oyste bereits flimmertragend war, das lässt sich vorläufig nicht entscheiden. Indess ist es wohl nicht gezwungen, von jenen unmittelbar neben der Fim- bria gelegenen Epithelschläuchen Cysten abzuleiten, und wenn das Flimmerepithel sich einmal etwas weiter als gewöhnlich auf die Basis der Ovarien fortsetzt, so ist es erklärlich, wenn diese Oysten ebenfalls ein Flimmerepithel erhalten. Vielleicht gilt dasselbe von Graaf’schen Follikeln, welche jenem Epithel entstammen. (Auch Waldeyer erwähnt an einer Stelle seines Buches die Flimmereysten der Ovarien als Beweis für die nahe Verwandtschaft des Tuben- und des Övarienepithels. ') Gegenüber Brodowski sei bemerkt, dass es also, wenn die Entstehung der Flimmereysten aus Graaf’schen Follikeln oder richtiger, aus Bildungen, die densel- ben analog sind, nachgewiesen wird, es sich nicht um Aufhebung des Remack’schen Gesetzes handelt, sondern, dass jene Beschaffenheit des Epithels sich weit ungezwun- gener in der angegebenen Weise erklärt. Nicht unwichtig ist das Verhalten des oben beschriebenen Leipziger Präpara- tes, bei welchem an beiden Ovarien die Degeneration offenbar in dem lateralen Theil, also nahe der Tuba begonnen hatte, während die mediale Hälfte frei war. RL. pr: — 297 — Ich kann nicht nmhin, hier noch eine Beobachtung einzuschalten, welche ganz kürzlich an einer an pu erperaler Peritonitis verstorbenen, von Herrn Prof. Ackermann seeirten Fau von 23 Jahren ge- macht wurde. (Section v. 18. 11. 78.) Das linke Ovarium zeigt sich in eine 7,5 centimeter lange, 5 centim, breite, etwa 3 centim. dicke, eiförmige, sehr deutlich fluetuirende Geschwulst umgewandelt, aus welcher sich etwa 50 ce. einer blassgelben Flüssigkeit entleeren. Die Innenfläche der Cyste ist glatt, nur am äusseren Umfange, genau der Stelle entsprechend, wo die Fimbria ovarica sich anheftet, findet sich ein kreisförmig begrenzter Fleck, auf welchem sich zahlreiche dieht stehende sandkorn- bis hanfkorngrosse weissliche höckerige Prominenzen erheben. Nicht weit davon ist noch eine etwa eimen centimeter im Durchmesser haltende, von einem etwas vorspringenden Saume umgebene kreisförmige Stelle, jedoch mit glatter Oberfläche, vorhanden, offenbar von einer ehemals geschlossenen Cyste herrührend, Die ungefähr hühnereigrosse Haupteyste hat sich in dem äusseren oberen Theile des Ovarium entwickelt; ihre Wand wird grösstentheils von dem sehr ver- dünnten Ovarialgewebe gebildet, während die Hauptmasse des Eierstockes am untereren medialen Umfang der Cyste noch vorhanden ist. Sowohl in diesem Theile als auch in der bis auf 1 bis 2 millimeter ver- dünnten Oystenwand finden sich zahlreiche Follikel in allen Stadien der Reifung; einige derselben bilden hanfkorngrosse Bläschen in der Cystenwand, und ragen z. Th. nach innen, z. Th. nach aussen hervor. In sämmtlichen ist wohlerhaltenes Follikelepithel und das Ei nachweisbar. Das Epitliel der Cyste löst sich sehr leicht ab; es besteht grösstentheils aus kurz eylindrischen Zellen; beim Abschaben der Papillen erhält man zusammenhängende Epithellappen, und eines dieser haubenförmigen Stücke, welches noch im Zusammenhang mit andern von gewöhnlicher Beschaffenheit steht, zeigt wohlerhaltene Cilien, welche die ganze Oberfläche bedeeken. An einem andern, von derselben Gegend stammenden Epithelstick finden sich vereinzelte Flimmerzellen mit mehr oder weniger zahlreichen Cilien zwischen den übrigen flimmerlosen Zellen vor; doch gelang es mir weder an andern, dem frischen Präparat entnommenen Proben, noch an den sehr zahlreichen nach der Erhärtung gemachten Schnitten, anderweitig Flimmerzellen aufzufinden. Die Papillen zeigen übrigens dieselbe Beschaffenheit, wie in den oben beschriebenen Fällen; sie bilden kleine knopfförmige Hervorragungen aus weichem Bindegewebe, welche von der innersten Schicht der Wand ausgehen. Schlauehförmige Epitheleinsenkungen sind weder an der äusseren Oberfläche, noch innen vorhanden, ebenso wenig ist ein Zusammenhang mit der Tuba oder der Fimbria ovarica nachweisbar, Was die Entstehung dieser Cyste betrifft, so würde man zunächst daran denken können, dieselbe als einfachen Hydrops follieuli aufzufassen, Mag dies nun der Fall sein, oder nicht, so geht jedenfalls aus der Beschaffenheit der Wandung hervor, dass eine solche ursprünglich einfache Cyste sich durch Eröffnung von Follikeln in dieselbe hinein vergrössern kann. Denn die in der dünnen Wand derselben vorhandenen eystischen Follikel werden sich entweder nach aussen oder nach innen öffnen, je nachdem die innere oder die äussere Wand sich stärker verdünnt. Die beiden kreisförmigen, noch durch einen etwas vorspringenden Saum begrenzten Stellen in dem lateralen T'heil sind denn auch wohl sicher als geplatzte Cysten aufzufassen. Den Boden der einen finden wir nun mit dicht gedrängten Papillen besetzt, und hier sind auch Flimmer- zellen vorhanden. Gerade diese Stelle entspricht dem Ansatzpunkt der Fimbria ovarica. Es scheint, dass wir es bier mit dem Rest einer Cyste, vielleicht einem ursprünglichen Graaf’schen Follikel zu thun haben, 34* — 258 — dessen Epithel von jener Uebergangsstelle stammt, und dieser Fall darf daher wohl als eine Stütze der obigen Theorie gelten; auch dieser ist als ein frühes Stadium eines papillären Kystoms aufzufassen, welches aber einer Follienlareyste anscheinend aufgepfropft ist. Die Flüssigkeit der Cyste ist grünlich gelb, leicht getrübt, filtrirt fast klar. Specif. Gewicht 1023. Sie giebt mit Alkohol eine starke Fällung, mit Ag. dest. verdünnt, und nach vorsielitiger Ansäuerung mit Essigsäure gekocht, giebt sie einen starken feinflockigen Niederschlag, der sich etwas langsam, aber voll- ständig absetzt, so dass die darüberstehende Flüssigkeit vollkommen klar ist. Das Ovarium der anderen Seite ist 5,0 centimeter lang, 2,0 breit, 0,5 dick', stark abgeplattet, zeigt eine Anzahl alter Corpora nigra und ziemlich zahlreiche Follikulareysten. Flimmerepithel oder schlauchförmige Einsenkungen von der Oberfläche sind nicht nachweisbar. Leiten wir die in Rede stehenden Geschwülste von dem Oberflächenepithel ab, so ist das Verlorengehen der Cilien in der Neubildung nicht ohne Analogie mit dem normalen Verhalten, denn es wiederholt gewissermassen den Uebergang zwischen Epithel der Tuba und des Eierstockes. Auf diese Weise führen wir im Ganzen die papillären Kystome auf denselben, oder wenigstens annähernd denselben Ursprung zurück, wie die übrigen multiloculären Kystome. Die Frage ist nun vielleicht berechtigt, warum gerade diese Art von Cysten die Neigung besitzt, papilläre Wucherungen zu erzeugen, während dies bei den Adeno-Kystomen, welche doch von gleichwerthigen Gebilden abstammen, nicht der Fall ist. Man darf vielleicht als Grund anführen, dass diese Cysten der Tubenwand weit näher stehen, als den Ovarıum. Ein Längsdurchschnitt durch die Fimbria ovarica eines Neugebornen sieht in der That der Wand eines papillären Kystoms äusserst ähnlich. In dem einen Falle, dem der papillären Kystome, hat das Epithel den Charakter eines Oberflächen-Epithels bewahrt, in dem andern, dem der gewöhnlichen Kystome, den eines Drüsenepi- thels angenommen. Nur dem letzteren kommt daher der Name „Adeno-Kystom“ mit Recht zu. Die andere, hauptsächlich von Olshausen unterstützte Ansicht ist die Ab- leitung der papillären Kystome von Theilen des Parovarium. Diese Ansicht hat viel für sich, namentlich da das Epithel des Parovarium dem Tubenepithel ebenfalls sehr ähnlich ist. Auch die Entstehung der parovarialen Cysten ist nicht mehr zweifelhaft, und kann zuweilen schon in frühester Kindheit beobachtet werden; so fand ich vor Kurzem bei einem wenige Tage alten Kinde zwei mohnkorngrosse Flimmerepitheleysten, welche als unmittelbare Fortsetzung der Parovarialschläuche dicht bei dem Ovarium sassen. a Ein wichtiger Punkt scheint mir jedoch zu sein, dass die Parovarialcysten niemals zahlreich sind, meist solitär, selten zweikammerig. Da nun aber notorisch die papillären Kystome mit Flimmerepithel häufig multipel angelegt sind (Wilks, Brodowski, Leipziger Fall), so spricht dies allein schon gegen ihre parovariale Entstehung. ‚Ja, ich glaube, dass man eine Oyste, wie die von Recklinghausen beschriebene, bei welcher das ebenfalls eystische Ovarium der Cyste aufsass, ebenso gut von einer solchen schlauchtörmigen Einsenkung mit Flimmerepithel ableiten kann, als vom Parovarium, so auch vielleicht der Fall vom Prof. Olshausen. Aus den vorhergehenden Betrachtungen können wir den Schluss ziehen, dass die papillären Kystome von Graaf’schen Follikeln abstammen, oder von Bildungen, welche denselben äquivalent sind, und welche wahrscheinlich vom Oberflächenepithel des lateralen Theiles der Ovarien herrühren. Ob dieselben von foetalen Bildungen, oder von späteren Epithelwucherungen herzuleiten sind, ist vorläufig nicht zu entscheiden. *) Es handelt sich nun darum, einige Haupteigenschaften der papillären Kystome etwas näher zu charakterisiren. *) Erst nach Beendigung dieser Arbeit erhielt ich Kenntniss von der sehr interessanten Abhandlung von de Sinety und Malassez, Sur la structure, l'origine et le d&veloppement des Kystes de l’ovaire, Arch. de Physiologie 1878, welche in gewisser Beziehung eine Bestätigung der obigen Ansicht enthält. Leider liegt bisher nur der erste T'heil der Arbeit vor. S. und M. beschreiben darin zwei Ovarien, das eine von normaler Grösse, das andere etwas vergrössert; beide waren bei Gelegenheit der Exstirpation grosser multiloeulärer Cysten der anderen Seite mit entfernt. Leider ist die Beschaffenheit der letzteren nicht näher angegeben. In beiden Fällen fanden sich in dem Ovarium der anderen Seite, welches offenbar den Anfang der Geschwulstbildung darbot, kleine Cysten, die sich in dem einen Falle als hydropische Follikel, z. Ih. mit Eiern, erwiesen. Daneben fanden sich aber in diesem Falle, im andern dagegen allein, sogenannte Pseudo-Follikel, kleine Üysten, welche mit einem abweichenden Epithel bekleidet waren, und zwar bestand dies aus mehr oder weniger grossen Cylinderzellen, Flimmerzellen und stellen- weise auch Becherzellen. deS. und M. konnten nun in beiden Fällen hohle Epithelschläuche nachweisen, welehe mit demselben verschiedenartigen Epithel ausgekleidet waren, und welche mit dem Oberflächenepi- thel nach Art der Pflüger’schen Schläuche zusammenhingen. Diese verzweigten sich im Ovarialstroma und gaben Anlass zur Bildung von kleinen mit Flimmerepithel ausgekleideten Cysten. Es ist somit der Nachweis geführt, dass von dem Öberflächenepithel Flimmerepitheleysten im Ovarium entstehen können; es wäre nun von grossem Interesse zu erfahren, ob die exstirpirten Geschwülste der andern Seite etwa papilläre Kystome waren, wie ich vermuthen muss. Auffallend scheint mir allein das Vorhandensein von Becherzellen neben den Flimmerzellen, welche ich wenigstens nie zusammen beobachtet habe. Indess ist ja das Vorkommen von Combinationen mehrerer Cystenformen wohl denkbar, ja sogar durch die Fälle von Eichwald, Flesch u. A. erwiesen. — 260 — Ein wichtiger Punkt ist die Bildungsweise secundärer Öysten. Wilson Fox beschrieb bekanntlich die Bildung von Uysten aus interpapil- lären Spalten durch Verwachsung ‚der freien Enden der Papillen. Wohl bemerkt, nennt er jedoch selbst diese Art der Cystenbildung aceidentell, er legt ihr selbst keine grosse Bedeutung bei, und reservirt sie lediglich für seine beiden Papillar- geschwülste, während er klar und deutlich die secundären Cysten der glandulären Kystome aus Abschnürung neugebildeter Drüsenschläuche, Anhäufung von Sekret in den abgeschnürten T'heilen, Vervielfältigung durch Bildung von Septis im Grunde der drüsigen Einsenkungen entstehen lässt (in neun von seinen fünfzehn Fällen), endlich beobachtete er auch in den Fällen, in welchen keine Drüsenschläuche deutlich waren, sondern nur Öysten, Ausstülpungen der Wand der letzteren, so dass auch diese auf den allgemeinen Typus zurückgeführt wurden. Nichtsdestoweniger hat man vielfach (cf. Klebs'), Böttcher?) u. A.) die Fox’ssche Ansicht von der Entstehung der secundären Oysten aus interpapillären Spalten so aufgefasst, als sollte dieselbe für sämmtliche Kystome gelten, was offenbar unrichtig ist. Fox leitet die zusammengesetzten ebenso wie die einfachen Eierstockscysten von den Follikeln ab. Selbstverständlich entstehen die Papillargeschwülste secundär an der Innenwand der Üysten, indess kann nach Fox’ Ansicht eine Bildung: secun- därer Öysten aus interpapillären Spalten statthaben. Er selbst giebt übrigens zu, dass vielleicht nicht sämmtliche Hohlräume zwischen den Papillen bereits Cysten dar- stellen, wenn sie auch auf Durchschnitten das Aussehen haben. An sich ist eine Entstehungsweise von Cysten auf diese Art wohl möglich und an anderen drüsigen Geschwülsten mehrfach nachgewiesen ’); es wird sich aber dann in der Regel nur um kleine eystische Räume in den Papillargeschwülsten handeln. Ich selbst habe sie in meinen ersten beiden Fällen nicht beobachtet, indess bin ich vollkommen überzeugt, dass die ziemlich zahlreichen kleinen Cysten an der Oberfläche der grossen Papillargeschwulst meines dritten Falles auf diese Weise entstanden waren; eine andere Bildungsweise ist für dieselben gur nicht denkbar. Ebenso gut können solche auch in den derben Papillarwuche- rungen an der Innenfläche der Cysten vorkommen, sie bleiben aber stets an der Oberfläche der Parpillarschicht. Nicht zu verwechseln mit diesen sind die oft 1) Virchow’s Archiv Bd. 41. 1867. p. 6. 2) 1. ce. p. 3434. ®) cf. Ackermann, Virchow’s Archiv. Bd. 43. p. 88. Rindfleisch, Path. Gew.-L. p- 118. — 361 — sehr cystenähnlichen myxomatösen Papilien, welche auch in der That kleine Erwei- chungscysten einschliessen können. Ein Theil der sogenannten gestielten Cysten gehört wahrscheinlich hierher; beide kommen auch zusammen vor, wie in unserem dritten Falle. So glaube ich auch die Abbildung von Paget auffassen zu müssen ; die „endogenen“ Cysten oder Bläschen sind tausendfältig zusammengesetzt, und in grosslappigen oder warzigen Massen angehäuft. ') Es bleibt stets ein wichtiges Unterscheidungsmittel zwischen den papillären und den glandulären Kystomen, dass bei den ersteren die Cystenwucherung in der Wandung, die für die letzteren so charakteristisch ist, wegfällt. Allerdings finden sich in der dieken Wandung der Haupteysten spaltförmige mit Epithel ausgekleidete Lücken, welche stellenweise in cystische Erweiterungen übergehen. Diese Hohlräume verlaufen jedoch mit ihrer Längsaxe parallel der Streifung der Wand, und der Ober- fläche, und es ist mir wenigstens nicht gelungen, schlauchförmige Einsenkungen in die Tiefe zu finden, welche zu jenen Räumen Anlass geben könnten, so dass diese wahrscheinlich auf die ursprüngliche Anlage zurückzuführen sind. Die mehr oder weniger zahlreichen Nebeneysten, welche in die Ligamenta lata hinein oder in deren Umgebung wachsen, und nach Bildung vielfacher Adhäsionen untereinander und mit den Organen des kleinen Beckens ein dichtes, der Operation unüberwindliche Hindernisse darbietendes Oonvolut bilden können, sind am wahr- schemlichsten ebenfalls von der multipeln Anlage kerzuleiten. Was die Flüssigkeit unserer Tumoren betrifft, so habe ich derselben in den beiden ersten Fällen leider zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, und kann daher nur auf die obigen Angaben über das allgemeine Verhalten verweisen, welches sich in Uebereinstimmung mit früheren Beobachtungen befindet. In den jüngeren Cysten ist die Flüssigkeit im Allgemeinen dünnschleimig und klar, ja sie kann selbst serum- artig sein, in den grösseren ist sie dagegen dicker, weisslich getrübt durch abge- stossene körnige Epithelien, in den ganz grossen Cysten endlich ist der Inhalt durch nachträgliche Veränderungen, durch Blutungen aus den gefässreichen Papillen u. s. w. wesentlich abweichend, so z. B. wurde aus der Haupteyste unseres zweiten Falles eine sehr dieke schmutzigrothbraune Flüssigkeit entleert; Fox fand sie sogar von der Beschaffenheit dieker Erbsensuppe, doch ohne die Zähigkeit und die schleimige Consistenz anderer Öystengeschwülste. 1) Surgical lectures II. p. 81. fig. 4. — 2162 — Niemals findet sich in den kleinen Cysten jener zähe weissliche, häufig mit der Scheere schneidbare Inhalt, welcher für die glandulären Kystome so charakteristisch ist. Spiegelberg') entleerte ganz diinne Flüssigkeit aus der Haupteyste, die kleineren Cysten enthielten theils „eiterige“, die grosse Mehrzahl braune durchschei- nende zähflüssige Masse (offenbar nachträglich verändert). In einem zweiten Fall?) entleerte Spiegelberg aus der Bauchhöhle hellbraune, z. Theil spontan coagulirende Flüssigkeit, welche „mässige Mengen von gewöhnlichem Eiweiss, etwas weniges Seruni- Eiweiss“ enthielt. Bei einer zweiten Punktion enthielt die Flüssigkeit viel Paral- bumin, Gerinnsel bildeten sich nicht spontan; neben kleinen, z. Th. in Fettumwandlung begriffenen Zellen fanden sich grosse mit Vacuolen und Cholesterin-Krystalle. Sp. schloss hieraus auf Uebertritt von Geschwulstinhalt in die Bauchhöhle. Benecke) fand in dem Stilling’schen Fall in den kleinen Cysten durchaus klare eiweisshaltige Flüssigkeit. Von besonderer Wichtigkeit war es mir, die Flüssigkeit des dritten Falles von Kystoma papillare etwas genauer untersuchen zu können, wobei mir Herr Prof. Nasse mit Rath und That freundlichst beistand. Das aus der Haupteyste stammende Fluidum (a) ist trübe, grünlichgrau, dünnflüssig, nicht faden- ziehend, aber stark schäumend, beim Verdunsten stark klebrig, von 1038 Spee. Gew. Auch die in der Bauchhöhle in geringer Menge (etwa 300 cc.) befindliche Flüssigkeit (b) zeigt nach dem Absetzen einer geringen Menge Blutes eine sehr ähnliche Beschaffenheit: sie ist nur leicht ge- trübt, graugelblich, mit einem Stich in’s Grünliche, von 1027 Spee. Gewicht. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass die Trübung bedingt ist durch abgestossene vertet- tete Epithelien, welche vollständig identisch sind mit den in situ beobachteten. Durch Zerfall derselben werden Fetttröpfchen frei. Die Flüssigkeit (a) filtrirt langsam, das Filtrat ist klar, leicht opalisirend, giebt beim Erhitzen, sowie bei Zusatz von Ace. nitr. eine vollständige Gerinnung (auch mit 2 °/, Alaunlösung); im Ueberschuss von Essigsäure erfolgt kaum eine Trübung. Es wurde sodann zur Untersuchnng der Flüssigkeit nach den von Huppert zum Nachweis des Paralbumins genauer angegebenen Methoden geschritten. Beim Kochen der verdünnten (nicht filtrirten) Flüssigkeit a unter vorsichtigem Zusatz von Essigsäure erfolgte eine starke kleinflockige Gerinnung, über welcher sich sehr bald eine vollständig wasserhelle Flüssigkeit abschied. Man musste demgemäss auf voll- ständige Abwesenheit von Paralbumin schliessen. Um nun die Empfindlichkeit der Methode zu prüfen, 1) ]. ce. Monatsschrift. Bd. XIV. ”) Archiv f. Gynäkologie. Bd. I. p. 62. 3) Deutsche Klinik. 1869. N. 26. — 3163 — wurden einer geringen Menge (etwa ein Fünftel eines gewöhnlichen Reagensglases betragend) der Flüssigkeit a einige Tropfen verdünnten Cysteninhaltes eines gewöhnlichen Kystomes zugefügt (in welchem durch das Be- stehenbleiben einer starken Trübung bei gleicher Behandlung Paralbumin nachgewiesen war). Bei Wieder- holung des Versuchs bei vorsichtiger Ansäuerung blieb auch jetzt die über dem Niederschlag sich abschei- dende Flüssigkeit wasserhell. Erst bei Zusatz einer grössern Menge der Paralbuminhaltigen Flüssigkeit blieb die abfiltrirte Flüssigkeit milchig trübe. Daraus geht unzweifelhaft hervor, dass die angegebene Methode zum Nachweis kleiner Mengen Paralbumin nicht genügt. Zu näherer Bestimmung wurde eine Quantität der Flüssigkeit a mit Alkohol behandelt, der Nie- derschlag nach drei Tagen filtrirt, mit Aether übergossen und getrocknet. Nach einigen Stunden wurde derselbe mit Wasser verrieben, wobei er sich zu unserer Ueberraschung vollständig löste, Es wurde sodann eine geringe Menge der Flüssigkeit a mit ganz verdünnter Schwefelsäure etwa eine Stunde gekocht; ebenso wurde eine geringe Menge der Paralbuminhaltigen Flüssigkeit eines Kystoms behandelt. Erstere gab eine gequollene schmutziggraue Masse, von welcher sich etwas ziemlich Klare dünne Flüssigkeit abscheiden liess. Diese, mit alkalischer Kupferlösung behandelt, gab eine deutliche Re- duction der Kupferlösung (jedoch ohne Oxydulniederschlag). Die zweite, trübe Flüssigkeit, ebenso behan- delt, gab ebenfalls Reduction der Kupferlösung; am Boden des Glases schied sich nach einiger Zeit etwas Oxydul aus, Zur Controle wurde etwas der klaren Flüssigkeit, welche sich nach dem Kochen der mit Essig- säure angesäuerten Flüssigkeit a über dem erhaltenen Niederschlag abgeschieden hatte, mit alkalischer Kupferlösung behandelt, und auch diese gab eine deutliche, wenn auch schwache Reduction. Daraus geht hervor, dass sich in dieser Flüssigkeit bereits ein redueirender Körper befand, dass also die Reduction nach dem Kochen mit verdünnter Schwefelsäure keinen positiven Schluss auf das Vor- handensein von Spaltungsproducten des etwaigen Mucies zulässt, Das Resultat dieser Versuche ist, dass die Flüssigkeit des papillären Kystoms stark eiweisshaltig ist, und vielleicht ganz geringe Mengen Paralbumins enthält. Dagegen würde das Verhalten des Al- koholniederschlages sprechen, doch wird möglicherweise die Löslichkeit desselben durch noch längere Ein- wirkung des Alkohols verändert. Andrerseits geht aber daraus hervor, mit welcher Vorsicht die sämmt- lichen zum Nachweis des Paralbumins angegebenen Methoden aufzunehmen sind. Die Art der Flüssigkeit steht jedenfalls in enger Beziehung zu der Beschaften- heit der Innenfläche der Öysten, namentlich des Epithels, welches so wesentlich von dem der gewöhnlichen Kystome abweicht. Jedenfalls spielt die Transsudation von der durch die massenhaften gefässreichen Wucherungen enorm vermehrten Oberfläche bei den papillären Kystomen eine grosse Rolle, wie bereits Hodgkin und Fox annahmen. Eine Betheiligung der Zellen bei der Absonderung ist indess ebenfalls vor- handen, doch ist die „colloide* Umwandlung derselben auf ein geringes Mass be- schränkt. Gequollene Zellen mit hyalinem Inhalt finden sich in geringer Anzahl, Abh, der naturf, Ges, zu Halle, XIV, 3. Hit, 35 = häufig kommt daneben wirkliche Verfettung vor, durch welche die Anfangs klare Flüssigkeit weisslich getrübt werden kann. Zweifellos werden jedoch die locker an- haftenden Epithelzellen der Zotten überhaupt leicht abgestossen, so dass Hegar wohl im Recht ist, wenn er das Vorkommen zahlreicher kleiner Cylinderzellen (mit Cilien?) in der Punktions-Flüssigkeit als diagnostisches Kriterium ansieht. ') Bei den gewöhnlichen Kystomen ist die Betheiligung der Zellen weit bedeutender, wie aus der grossen Anzahl abgestossener körnig und colloid entarteter Zellen in der Flüssig- keit hervorgeht. Die Cylinderzellen der jungen in Wucherung begriffenen Theile zeigen in der Regel ein auf die Basis beschränktes körniges Protoplasma , welches den Kern einschliesst, und sich mit Carmin färbt, während der oberhalb des Kernes gelegene grössere Theil der Zelle durch „colloide“ Umwandlung des Inhalts, welcher sich in die Cyste ergiesst, durchsichtig ist, ja in manchen Fällen kann man an der Oberfläche der Zellen einen stark lichtbrechenden Deckel erkennen, welcher durch den Zelleninhalt ganz oder theilweise abgehoben wird. Ein solches Verhalten kommt bei den papillären Kystomen nicht vor. Einen sehr wichtigen Punkt bilden die Kalkkörper, welche oft in grosser Menge in den Papillen und den festeren Theilen der Wandung angehäuft sind, und es ist auffallend, dass auf dieselben in früheren Beobachtungen nicht mehr Werth gelegt worden ist. Allerdings finden sich die Öoneremente nicht ausschliesslich bei den in Rede stehenden Formen, sondern sie kon.men auch in anderen Ovarienge- schwülsten vor. Andrerseits sind sie von manchen Beobachtern papillärer Geschwülste nicht erwähnt, vielleicht nur übersehen worden. In den Fällen, welche ich zu unter- suchen Gelegenheit hatte, waren die Kalkkörper stets in grosser Anzahl vorhanden, so dass sie für eine Reihe der vom Keimepithel stammenden Geschwülste fast eben- so pathognomonisch zu sein scheinen, wie für die Endotheliome der Hirnhäute (ohne daraus auf eine Analogie zwischen beiden schliessen zu lassen). Verkalkungen der Wandungen grösserer Oysten kommen bei Ovarialtumoren ebenso wie bei Strumen und anderen Cystengeschwülsten vor. Eine derartige Verän- derung in der Wandung eines Eierstocks-Colloid erwähnt bereits Virchow.) Lebert?) fand geschichtete Kalk-Ooncremente ebenfalls in einem gewöhnlichen Kystom des Ovarium. 1) A. Hegar, zur Ovariotomie. Volkmann’s Klinische Vortr. 109. p. 6. ?) Verhandlungen der Gesellschaft f. Geburtshülfe. Berl. 1848. p. 226. 3) Physiologie pathologique II. p. 70. — Waldeyer') sah zahlreiche sandige Concremente in der Wandung eines glandulären Kystoms, doch waren diese nicht geschichtet; sie nahmen stets die Stelle der epithelialen Bildungen ein, hin und wieder fanden sich innerhalb derselben Räume, wo die Kalkkörper lagen, noch Epithelhaufen erhalten. Nach Waldeyer's Meinung hat diese „epitheliale Inerustation“ mit psammösen Kalkkörpern nichts zu thun, vielmehr steht. diesen Bildungen am nächsten der von Ackermann?) beschriebene Fall von inerustirtem Brustkrebs, sowie ein zweiter ganz ähnlicher, welchen Waldeyer selbst beobachtete. Die übrigen Befunde beziehen sich auf papilläre Kystome. Rokitansky°) erwähnt in den Exerescenzen an der Innenfläche der Cysten zuweilen in grosser Menge abgelagerte einfache und geschichtete, opalisirende, in- crustirte Gebilde von der Grösse eines Elementarkörnchens bis zu '/s; mm. Durch- messer. Er sah dieselben für jugendliche inerustirte Cysten an. Die Angabe, welche sich in der Erklärung zu Fig. 5. Taf. 36 seines Werkes findet, bezieht sich offenbar auf ein papilläres Kystom. („Beide Ovarien einer an Pleuritis verstorbenen Weibsperson von mittleren Jahren waren zu mehr als hühner- eigrossen, blumenkohlartigen, nackten, z. Th. von Resten einer mehrfach durchbroche- nen Uystenwand bekleideten Geschwülsten verwandelt. Die Geschwülste bestanden aus einem Aggregate meist parenchymatöser Exerescenzen mit ansehnlichen facettirten Endkolben. — Ein Stückchen eines parenchymatösen Endkolbens, ausgefüllt mit Zellgewebe, welches zahlreiche einfache und geschichtete junge Cysten mit opali- sirendem colloiden Inhalt, von der Grösse eines Nucleolus bis zu "'k,y mm. Durch- messer, daneben Incrustate ‚ähnlicher und grösserer Oysten einschliesst. Aeusserlich haftete ein Kern-Epithelium daran“). Spiegelberg fand die geschichteten Kalkkörper in seinem mehrfach erwähn- ten Falle in grosser Anzahl in den Papillen, besonders des Hauptsackes. Beigel beobachtete sie in grosser Menge ebenfalls. Dassauch bei Spencer Wells vielleicht ähnliche Concremente abgebildet sind, habe ich bereits erwähnt. Ich selbst habe mich von dem -Vorhandensein der sehr zahlreichen Kalkkör- per im dem Leipziger Präparat (sowie auch an der Innenfläche der von Herrn Prof. 1) Archiv für Gynäkologie I. p. 216. 2) Virchow’s Archiv. Bd. 45. p. 60. 3) Rokitansky, Ueber die Cyste. Denkschriften der Akademie zu Wien 1850. Bd. I. p. 326. BEN — a Olshausen erwähnten Cyste des lig. latum) überzeugt, und fand sie in grosser Anzahl in den oben beschriebenen Fällen (namentlich F. 1 und 2). Aber auch die in einem weiter unten zu beschreibenden Falle, sowohl in den Papillargeschwülsten von der Oberfläche der Ovarien und vom Peritoneum, sowie in den Krebsknoten daselbst vorhandenen Kalkeoneremente müssen als übereinstimmend mit jenen angesehen werden. Endlich habe ich ganz ähnliche geschichtete und drusige Bildungen in be- sonders grosser Zahl in kleinen metastatischen Papillargeschwülsten des Netzes, bei gleichzeitig vorhandenem nicht exstirpirten Ovarialtumor gefunden, welche ich für carcinomatös halten musste. ') Was die Bildungsweise der Concremente beiriftt, so ist diese nicht in allen Fällen die gleiche. Sie bestehen grösstentheils aus kohlensaurem Kalk mit einer organischen Grundlage. In dem zuletzt erwähnten Falle liess sich die Entwickelung der Kalkkörper in den zelligen Elementen selbst sehr genau verfolgen; auch in dem noch zu beschreibenden Fall tanden sich dieselben zum Theil in den Epithelhaufen, meist jedoch im Stroma vor, in den übrigen Fällen endlich schienen sie hauptsächlich an das letztere gebunden zu sein; stets lassen die Concremente nach der Entkalkung eine geschichtete organische Grundlage zurück, welche ursprünglich vielfach identisch mit sogenannten Üolloidkörnern zu sein scheint. Namentlich die Concremente, welche die secundären Geschwulstknötchen in Fall 2 fast ganz erfüllten, und auch die kleinen Knötchen an der Unterfläche des Zwerchfells bildeten, waren ganz aus Verkalkung des ursprünglich colloiden Alveolar-Inhalts hervorgegangen. Eine sehr wichtige Eigenschaft der papillären Kystome ist sowohl anatomisch als klinisch das Vorkommen von Metastasen, welche in verschiedenen Formen sich darstellen, als Papillarwucherungen am Peritoneum (Olshausen?), Sp. Wells°), sodann in Form von Cysten, welche an der Innenfläche wieder Papillen produciren (Hegar, Homans?)), und endlich in Form von Knoten, welche man vielleicht richtiger als carcinomatös bezeichnen muss (Fall 2). Es kann unter diesen Umständen nicht Wunder nehmen, dass nach der Ex- stirpation derartiger Tumoren aus zurückbleibenden Resten sich Recidive derselben 1) ef. Olshausen, Handbuch. p. 433. 2)l.c. p. 55. 32) Ebenda p. 53. 4) Ebenda p. 60. — 2617 — Art entwickeln, wie m dem Fall von Beigel. Bemerkenswerth ist, dass sowohl in solchen Fällen, als auch überhaupt bei frei in den Peritonealraum hineinragenden Papillargeschwülsten stets Ascites zugegen ist. In manchen älteren Beschreibungen lässt es sich nicht mehr entscheiden, ob papilläre Kystome oder Careinome vorgelegen haben, denn dass eystische Carcinome mit papillären Wucherungen am Ovarium vorkommen, ist zweifellos. In einem sol- chen Falle, welchen ich untersuchte, fanden sich auf dem Peritoneum papilläre Wu- cherungen und rundliche gestielte Knoten vor, welche aus jenen hervorgegangen waren. So verhielt es sich auch in dem bereits erwähnten, im Handbuch von Olshausen beschriebenen Falle'). Die papillären Wucherungen haben aber in diesen Fällen einen ganz anderen Bau, wie bei den papillären Kystomen, denn dort sitzen die Nester von Epithelzellen in den Zottenbildungen selbst, und so geschieht es denn, dass bei weiterem Wachsthum diese Papillen zu wirklichen Krebsknoten mit glatter Oberfläche verschmelzen, welche auf dem Durchschnitt aus einem sehr gefässreichen Bindegewebsgertist und epithelialen Zellhaufen und Zellbalken bestehen. In unseren Fällen 1 und 3 war nichts von Metastasenbildung zu bemerken, im Fall 2 dagegen fanden sich erstens mehrere verkalkte Geschwulstknoten in den Adhäsionen in der Umgebung des Haupttumor, ausserdem aber, in einiger Entfernung von der Hauptcyste, kleine sandige Knötchen an der unteren Fläche des Zwerchfells und endlich einige metastatische Knoten an der Oberfläche des letzteren. Sollen wir diese Knoten als Careinome auffassen, oder als metastatische Kystome? Unzweifelhaft handelt es sich um Bildungen von dem Typus der ur- sprünglichen, unzweifelhaft müssen verschleppte Elemente der letzteren nach ihrer Festsetzung sich zu kleinen Cysten mit Flimmerepithel, mit eigenthümlicher Abson- derungsfähigkeit, ja selbst mit der Eigenschaft, papilläre Wucherungen und Kalk- körper zu erzeugen, entwickelt haben. Wir vermissen jedoch vor der Hand die eigentliche „destruirende Wirkung der intensiveren Epithelwucherung“ (Klebs), welche wir für das Carcinom als cha- rakteristisch ansehen müssen; vielmehr scheinen diese metastatischen Geschwilste ihrer weitern Verbreitung durch frühzeitige Petrification sich selbst eine Grenze zu setzen. 1) 1. ce. p. 432. — — Demnach ist auf der andern Seite den Elementen der papillären Kystome die Fähigkeit nicht abzustreiten, ebensogut Uareinome zu produeiren, wie wir dies von den Elementen der Oberflächen-Papillargeschwülste zeigen werden. Es ist möglich, dass es sich in einem von Rokitansky !) beschriebenen Falle um ein derartiges Vorkommen handelte, d.h. um ein papilläres Kystom, welches zu ausgedehnten papillären Metastasen am Peritoneum, und zu Üarcinose des Netzes und der Leber Anlass gegeben hatte. Jedoch ist der Fall nicht speciell zu verwerthen, da eine mikroskopische Untersuchung fehlt. Es ist übrigens bekannt, dass analoge Krebsbildung aus ursprünglich gut- artigen Geschwülsten auch bei den gewöhnlichen Kystomen vorkommt, und dass auch hier das Careinom in der Beschaffenheit des Epithels, in der Bildung zahlrei- cher mit gallertiger Masse gefiller Aveolen an den ursprünglichen Typus erinnert. Diese Fälle sind treffende Beweise für die Nieht-Speeihieität der Carcinome. Erst vor einigen Monaten hatte ich Gelegenheit, ein derartiges Kystom zu untersuchen, welches an seiner Oberfläche mehrfach mit dem Netz verwachsen war, und hier einzelne rauhe, unebene Stellen von krebsiger Beschaffenheit zeigte, wäh- rend im Uebrigen der sehr umfängreiche Tumor — ohne eigentliche Haupteyste, aber mit zahlreichen kleineren, bis faustgrossen Abtheilungen — von cystoidem Bau war, so dass auf dem Durchschnitt der dickschleimige, weissliche und gelbliche Inhalt der eystischen Hohlräume; überall hervorquoll. In dem mitexstirpirten Stück des Netzes fanden sich mehrere plattrundliche harte Knoten von 1—2 centim. Durchmesser und !/, centim. Dieke, mit etwas eingezogener Mitte. Von der Schnittfläche erhielt man einen zelligen Saft, der theils lang cylindrische, mit basalem Kern versehene, ferner kleine polyedrische, aneinander gereihte und grössere in rundlichen Haufen beisammenliegende Epithelzellen zeigte. An Schnitten ergab sich ein dem Gallert- careinom ähnliches Bild, doch trugen die z. Th. mit regelmässigem Oylinderepithel ausgekleideten Hohlräume deutlich den Typus der ursprünglichen Geschwulst. Bei der fünf Wochen später angestellten Section (am 20. April 1878; Frau von 52 J.) fand sich eine sehr ausgebreitete Carcinose des Peritoneum, welche zu colossalen Verwachsungen Anlass gegeben hatte. Die histologische Untersuchung ergab denselben Bau wie an den Netzknoten. 1) Ueber den Zottenkrebs; Sitzungs-Berichte der physik.-mathem. Klasse der Akademie zu Wien. 1852. Bd. S. p. 529. a, II. Die Papillargesehwulst der Oberfläche der Ovarien. (Fall 4). Papillargeschwülste von der Oberfläche beider Ovarien; Secundäres Carcinom des Peritoneum und des grossen Netzes. Frau H., 69 Jahre alt, wurde wegen einer ungefähr faustgrossen Geschwulst am Nabel in die chirurgische Privatklinik des Herrn Geheimrath Prof. Volkmann aufgenommen. Bei der Exstirpation der Gesehwulst am 18. August 1877 zeigte sich, dass dieselbe mit dem grossen Netz zusammenhing, von welchem sie abgeschnitten werden musste. 'T’rotz des guten Wundverlaufes erfolgte nach zwei "Tagen der Tod unter Erscheinungen von Collaps. Die Section (am 21. August 1877, 15 h. p. m. Prof. Ackermann) ergab folgenden Befund: Weiblicher Leichnam von etwas mehr als mittlerer Länge und sehr erheblicher Corpulenz. Haut- decken blass; an der hinteren Körperfläche und der rechten Hälfte des Gesichts diffuse bläulichrothe Todtenflecke. Mässiger Rigor. Die Bauchdecken zeigen keine Striae, der Bauch ist sehr voluminös und die Bauchhaut in Folge eines unmittelbar vor der Section entfernten Verbandes vielfach unregelmässig gefalttet. In der Mitte der Bauchdecken befindet sich eine 13 cent. lange, durch zahlreiche Knopfnähte geschlossene Schnittwunde, deren unteres Ende 11 centimeter oberhalb der Symphyse, deren oberes 15 centimeter unterhalb des Proc. ensiformis liegt. Die Wunde verläuft genau vertieal, entsprechend der linea alba; aus dem oberen Wundwinkel ragt ein Drainrohr hervor, ein zweites etwa aus der Mitte der Wunde, ein drittes ungefähr 1 centimeter über dem unteren Ende derselben. Die Wundränder sind nicht geschwollen. Nach Entfernung der Nähte drängen sich die verklebten Wundränder auseinander, und es präsentirt sich eine vollkommen eiterfreie, mit dünnen Schichten unveränderten Blutgerinnsels bedeckte Wunde, deren Oberfläche z. Th. durch die etwa 4 centim. dieken Bauchdecken gebildet wird, während in der Tiefe, etwa im Umfange eines Zweimarkstückes eine leicht sich vordrängende mässig geröthete Darmschlinge sichtbar ist. Nach links und oben von dieser Darmschlinge gelangt man ohne Widerstand mit dem Finger in’s Cavum peritonei, während nach rechts hin die erwähnte Darmschlinge mässig fest mit dem Peritoneum parietale verklebt ist. Im rechten Pleurasack befinden sich ungefähr 200 ce. einer dünnen blutig tingirten Flüssigkeit, Die Lungen sind_bis auf geringe ältere Verwachsungen, Oedem und Blutfülle der unteren Lappen ohne besondere Veränderung. Das Herz stark mit Fett umwachsen, seine Muskulatur äusserst schlaff und mürbe, trübe und etwas blutarm. Klappen normal. Das grosse Netz ist auf’s Aeusserste verschmälert, so dass es dem Colon trans- versum nur noch in Form eines theils schmäleren, theils breiteren, höchstens etwa 8 centimeter breiten Gebildes anhängt; in diesem geschrumpften Omentum befindet sich zunächst nach rechts in der Nähe der Flexura hepatica eine ziemlich derbe, etwa 7 centim. breite, 3 centim. hohe Geschwulst mit glatter Oberfläche, mit ganz feinkör- niger Schnittfläche von vorwiegend weisslieher Farbe, auf welcher eine Anzahl nagel- kopfgrosser Einsprengungen sichtbar sind. Eine ähnliche, etwas niedrigere und schmälere Geschwulst, im Wesentlichen von gleicher Beschaffenheit, findet sich zunächst in der Mitte des Colon transversum in dem geschrumpften Omentum, und = We an dem rechten Ende dieses Tumor's findet sich eine etwas hyperämische, frische, nicht mit Eiter bedeckte Schnittfläche. Die dünnen Gedärme sind z. Th. ganz lose durch spärliche Fibrinlagen untereinander verklebt, ihre Sersosa ist im Ganzen blass, zeigt jedoch entsprechend den Winkeln, wo die Därme aneinanderstossen, eine mässige, leicht hämorrhagische Hyperämie. Flüssiges Exsudat ist in der Bauchhöhle nicht vorhanden. Die dünnen Därme sind etwas meteoristisch. Mesenterium ausserordentlich fettreich; in den Drüsen desselben nichts von Schwellung und auf- fälliger Härte zu bemerken. Das Peritoneum parietale zeigt da, wo es in die Bauchdecken übergeht, sowohl in der Mitte, wie auch zu beidenSeiten, eine sehr erhebliche Anzahl flacher, derber, vielfach eonfluirenderKnötchen, die z. Th. nur die Grösse einesSand- kornes besitzen, z. Th, aber auch etwas grösser, einige millimeter im Durchmesser haltende Platten bilden. Sie sind in breiteren und längeren Zügen angeordnet, welche bis in die Excavatio reeto-uterina hinabsteigen, und auch an der Vorderwand des Reetum und der hintern des Uterus sich vorfinden. An der Oberfläche beider etwas verkleinerter Ovarien befindet sich eine aus ziemlich langen, und vielfach ramifieirtenZotten zusammengesetzte, etwa haselnuss- grosse Geschwulst, Uterus atrophisch, schliesst eine Anzahl bis kirschengrosser Myome ein. Die Milz klein, schlaff, ihre Trabekeln etwas hyperplastisch, Nieren von grossen Fettmassen umgeben, klein, schlaff, etwas mürbe, ihre Oberfläche glatt. Die Leber etwas kleiner als normal, zäh, schmutzig gelb, mit glatter Oberfläche, anämisch, anscheinend ziemlich stark verfettet. Im Magen und Darm nichts Bemerkenswerthes. Eine nähere Untersuchung der Genitalien ergiebt Folgendes: Das linke Ovarium ist 2,5 centimeter lang, 1,5 breit, 0,9 diek, das rechte 2,2 centimeter lang, 1,3 breit, 0,8 dick. An beiden Eierstöcken, und zwar hauptsächlich am obern Rande, z. Th. auch an der hinteren Fläche finden sich zahlreiche weiche dunkelrothe Geschwülste, welche vermittelst dünner, weisslicher Stiele von der Oberfläche ausgehen, und, wie sich besonders beim Aufgiessen von Wasser zeigt, in eine grosse Menge z. Th. äusserst feiner gefässreicher gruppenweise untereinander vereinigter Papillen zerfallen. Es finden sich aut jedem Ovarium 10—12 in eollabirtem Zustande erbsen- bis kirschengrosse derartige Geschwülste, ausserdem mehrere ganz kleine. Nur die letzteren lassen sich vollständig in einzelne von dem Stiel ausgehende Zöttehen auflösen, während die grösseren einen soliden Körper enthalten, von welchen die z. Th. kolbig angeschwollenen Papillen ausgehen. Die Dicke der Stiele wechselt je nach dem Umfange der einzelnen Geschwülste, übersteigt aber kaum 1/, millimeter. Die freie Oberfläche der Ovarien ist glatt, weisslich, an dem rechten schimmern einige Cysten von kaum Steeknadelkopfgrösse durch, welche beim Anstechen ein Tröpfehen klare Flüssigkeit (mit Cylinderepithel) entleeren. Abgesehen von diesen spärlichen Follikeln und einzelnen fibrösen Körpern zeigen die Eierstöcke auf dem Durchschnitt ein derbes röthlichgraues Gewebe, welches fast ganz aus diekwandigen geschlängelten Gefässen mit wenig interstitiellem Bindegewebe besteht. Die ÖOvarien setzen sich von der etwas verdiekten und durch zahlreiche blutgefüllte Gefässe bläu- lichrother Unterlage nicht sehr scharf ab; die Schläuche des Parovarium sind deutlich erkennbar, ebenso SEN"; weis sind auch die Ligamenta ovarior., Tuben und Fimbrien wohlerhalten. Am Abdominalende der linken Tuba findet sich jedoch eine inmitten derFimbrien sitzende rundliche Geschwulst von ungefähr Bohnengrösse, weicher Consistenz und röthlichweisser Farbe; von der Schnittfläche derselben lässt sich reichlich milchige Flüssigkeit abstreichen. Das Peritoneum der Exavatio vesico-uterina ist mit sehr dieht stehenden Zöttehen besetzt, welche demselben ein rauhes filzähnliches Aussehen geben, in geringerer Menge finden sich die Zöttehen auch im Douglas’schen Raume. Mikrosk. Verhalten. Das bindegewebige Stroma der Ovarien bildet an der Oberfläche eine fibröse Schicht, welehe sich eontinuirlich in die Stiele der kleinen Geschwülste fortsetzt. Jeder der Stiele enthält einige aus dem Inneren des Organes aufsteigende Gefässe. Ein sehr niedriges Epithel, mit polygonalen Zellen, deren Höhe bedeutend geringer ist als ihre Breite, setzt sich eontinuirlich von der Oberfläche der Övarien auf die Stiele der Geschwülste fort, es nimmt jedoch auf den letzteren selbst an Dicke zu, so dass die Höhe der Zellen der Breite gleichkommt; die feinen Verzweigungen endlich sind mit Cylinder- epithel bekleidet, dessen Zelle etwa doppelt so hoch als breit, und häufig mit abgerundeten Enden versehen sind. Uebrigens haftet dies Epithel überall nur sehr locker an den Zotten, so dass der grösste Theil in mehr oder weniger zusammenhängenden Trümmern mit zahlreichen einzelnen Zellen gemischt neben den Zotten liegt. Die Zellen selbst sind sehr zart, enthalten einen länglichrunden Kern mit kleinem glänzenden Kernkörperchen. Das Gerüst der Papillen besteht aus feinstreifigem Bindegewebe mit zahlreichen eingelagerten läng- lichen Kernen, respective Spindelzellen, welche in den äusseren Schichten an Zahl zunehmen. „Jede Zotte enthält eine oder mehrere weite Gefässschlingen; das dieselbe umgebende Gewebe ist von sehr verschiedener Mächtigkeit, bei einigen gering, bei andern — kolbig angeschwollenen — stärker, mit viel heller Zwischen- substanz; die Enden dieser diekeren Zöttehen sind häufig noch mit fadenförmigen Anhängen vesehen. Nur die kleinen Zottenbäumchen lassen sich, wie erwähnt, ganz in ihre Aeste zerlegen; an den grösseren ist das Verhältniss anders, wie man sich namentlich deutlich an Schnitten kleiner erhärteter und einge- betteter Stücke überzeugen kann. Nicht allen, dass das Bindegewebsgerüst in der Mitte der kleinen Gescehwiülste an Mächtigkeit bedeutend zunimmt, so dass eine Art solider Körper entsteht, auch das Epithel wuchert, und gelangt derartig in das Innere des Gerüstes, dass an Schnitten das Aussehen allseitig von Bindegewebe umgebener und mit epithelialen Zellen gefüllter Alveolen entsteht. Die Zellen selbst gleichen in ihrem Habitus vollständig denen der Oberfläche, haben aber häufig unregelmässige polyedrische Gestalten angenommen. Üystenbildung habe ich in den Zotten nicht beobachtet. Ob es sich hier lediglich um eine eigenmächtige Wucherung des Epithels, um ein Hineinwachsen desselben in das Bindegewebe, oder mehr um ein Abgeschnürtwerden desselben von Seiten des letzteren handelt, lässt sich wohl nicht entscheiden; für den ersten Umstand spricht das Vorkommen von zapfen- förmigen Epithelsprossen, welche in das weiche Bindegewebe einzudringen scheinen, Dass diese Epithelien jedenfalls einer sehr aktiven Wucherung fähig sind, zeigt die weitere Verbreitung, wie aus dem Folgenden hervorgeht. Abh. der naturl. Ges. zu Halle. XIV, 3. Hft. 26 Ba — Zu erwähnen ist noch, dass sich in vielen Papillen zahlreiche Kalkkörper von der bekannten Form vorfinden, dieselben sitzen in dem bindegewebigen Gerüst der Zotten, und nehmen einzelne der Endanschwellungen vollkommen ein, während sie an anderen Zotten mehr vereinzelt sind, und in einem grossen Theile ganz fehlen. Zuweilen haben diese Kalkkörper einen ganz oberflächlichen Sitz, so dass sie an den Bäumehen und ihren Stielen wie angeklebt erscheinen. Die meisten haben kugelige Form und höckerige Oberfläche, zeigen dabei eine eoncentrische Schiehtung, häufig kommen auch cylindrische und unregelmässig gestaltete, aus mehren kleinen verschmolzene Körper vor. Bei Behandlung mit Säuren löst sich der Kalk (mit SO3 unter Gasentwickelung und Bildung von Gypskrystallen), und es bleibt eine orga- nische Substanz zurück, welche die Sehichtung deutlich darbietet. Die kleinen Zotten an der Oberfläche des Peritoneum im Douglas’schen Raume und in der Excavatio vesico-uterina zeigen eine grosse Uebereinstimmung mit denen der Ovarien; sie bilden vielfach verzweigte, aber meist aus sehr dünnen Aestchen bestehende Bäumchen von mehreren millim. Länge; übrigens waren sie im frischen Zustande mit demselben sehr hinfälligen Epithel überzogen: auch sind sie besonders reich an Kalkkörpern. Der kleine Tumor an dem freien Ende der linken Tuba stimmt mit dem Körper der Papillar- geschwülste im Ganzen überein, d.h. er besteht aus einem zarten, bindegewebigen, gefässtragenden Gerüst, in dessen weiten Maschen dieselben kleinen, meist eylindrischen Epithelzellen angehäuft sind, mit einem Worte, er stellt ein weiches Krebsknötchen dar. Was nun die flachen Knötchen am Peritoneum betrifft, so zeigen dieselben auf Flächen und Querschnitten zahlreiche zapfenförmige Gebilde aus epithelialen Zellen, welche sich augenscheinlich in den erweiterten spaltförmigen Lymphräumen des Peritoneum ausbreiten, und sich von ihren Anfängen in Form schmaler, mit Zellen erfüllter Gänge bis zur Ausbildung vollständiger Krebs-Alveolen verfolgen lassen. Das dazwischen liegende Bindegewebe zeigt meist eine starke Infiltration mit kleinen Rundzellen. Auch in diesen Knötehen finden sich die Kalkkörper, und zwar sowohl in den epithelialen Zellhaufen, als in dem bindegewebigen Stroma. Die Verdiekung und Schrumpfung des grossen Netzes ist durch dieselbe careinomatöse Infiltration zu Stande gebracht. Es wiederholt sich hier an Schnitten dasselbe, was bereits an den kleinen Knötehen des Peritoneum beobachtet wurde, nur in grösserem Massstabe. Es finden sich indess auch hier die ver- schiedenen Entwickelungsstadien der Krebs-Alveolen , schmale Zellstränge, aus wenigen Zellreihen bestehend, ferner weitere Kanäle, die mit Epithelzellen z. Th. ausgekleidet, z. Th. gefüllt sind, und endlich grössere, bereits makroskopisch erkennbare Alveolen. Die Zellen besitzen auch hier in der Regel cylindrische Form, hauptsächlich die, welche die Innenwand der Alveolen auskleiden, wo sie häufig einen ganz regelmässigen ein- oder mehrschichtigen Cylinderepithelüberzug darstellen, während im Inneren die Zellreihen regelloser durch einander liegen, und zwischen sich spaltförmige Lücken frei lassen. An anderen Stellen ist die Füllung diehter, und die Zellen haben unregelmässige polyedrische Gestalt angenommen; in einigen Alveolen dagegen, oder riehtiger in Durchschnitten kanalförmiger Hohlräume bildet die gewucherte zellige Masse eine dicke Wandschieht, welche in dem centralen Innern ein gelbliches feinkörniges Gerinnsel umschliesst. Das Bindegewebe des Netzes ist enorm vermehrt, so dass die eylindrischen Epithelstränge meist dureh breite Zwischenräume getrennt sind, meist ist das Gewebe derb-faserig, an vielen Stellen aber auch — Bi wit kleinen Rundzellen dieht infiltrirt. Stellenweise sind Gruppen von Fettzellen vorhanden, welche sich makroskopisch als gelbliehe Einsprengungen erkennen liessen. Auch in dieser Gesehwulstmasse finden sich zahlreiche Kalkkörper vor, auch hier z. Th. in den Zellhaufen, meist jedoch im Bindegewebe gelegen, an einigen Stellen liegen sie dicht gedrängt beisammen, und erreichen bedeutende Grösse, an anderen sind sie spärlicher und kleiner. (S. Fig. 2.). Leider ist es nicht möglich gewesen, den exstirpirten Tumor vom Nabel zu untersuchen, da der- selbe abhanden gekommen war; aus dem Sektionsbefund gebt jedoch hervor, dass dieser Tumor vom grossen Netz ausgegangen, und durch den Nabel hindurchgewachsen war. Als bei der Operation dieses Verhältniss eonstatirt wurde, musste die Geschwulst vom Netz abgeschnitten werden. Die Uebereinstimmung der secundären Neubildungen mit den Ovarialgesehwülsten ist nicht zu bezweifeln; sollte die gleichmässig wiederkehrende Zellform noch nieht die Abstammung der Metastasen beweisen, so würden die in derselben Art verbreiteten eoncentrischen Kalkkörper hinreichend charakteristisch sein. Die Verbreitungsweise der Neubildung hat übrigens an sich nichts Auffälliges; sowohl die zahlreichen Zöttehen auf dem Peritoneum des Douglas’schen Raumes und der Exeavatio vesieo-uterina erklären sich durch Herabfallen von zelligen Elementen, welche, wie es scheint, durch ihre Wucherung secundär die Zottenbildung — eine Art chronischer Peritonitis — hervorgerufen haben. Der kleine solide Tumor in den Fimbrien der einen Tuba erklärt sich ebenfalls einfach genug, da der natürliche Verbindungsweg lose Gewebselemente von der Oberfläche der Ovarien an jene Stelle führt. Die weitere Verbreitung in den Bindegewebsspalten und Lymphräumen des Peritoneum, die krebsige Degeneration des Netzes ist endlich eine der häufigsten Erscheinungen bei Careinom der Bauchorgane. Es handelt sich hier um eine Geschwulstform der Ovarien, welche an sich selten genug, in mehr als einer Hinsicht von Interesse ist. Es ist eine exquisit papilläre Neubildung, welche von der Oberfläche der Eierstöcke ausgehend, nnd selbst noch anscheinend jugendlich, zu einer sehr ausgedehnten seeundären Krebsentwicke- lung Anlass gegeben hat. Es fragt sich, als was wir die Neubildung der Ovarien aufzufassen haben. Der Form nach entspricht dieselbe am genausten den bisher nur in wenigen Fällen bekannten sogenannten „Papillomen“ von der Oberfläche dieser Organe. Diese bilde- ten ebenfalls weiche Geschwilste, welche sich in vielfach verzweigte, an den Enden leicht angeschwollene Zotten auflösten, die mit feinen, aber derben, fadenförmigen Stielen von der ganzen Oberfläche der Ovarien entsprangen (Gusserow und Eberth'). Eine Verschiedenheit besteht nur in den Angaben über das Verhalten des Epithels, denn während Eberth eim „einfach geschichtetes Plattenepithel“ fand, 1) Virchow’s Archiv. Bd. 43. 1868. p. 18. 36* 3243 — bestand dasselbe in einem ähnlichen Falle von Klebs') aus mehrfachen protoplasına- reichen Zellschiehten, in dem letzten Falle von Birceh-Hirschteld°) endlich aus inehrschichtigen kurzeylindrischen Zellen. Auf diese Verschiedenheit der Angaben ist jedoch meiner Meinung nach nicht sehr viel Werth zu legen, denn abgesehen von der etwas willkürlichen Unterscheidung von Platten- und Oylinderepithel, ist auch die Schichtung von nicht wesentlicher Bedeutung, da das ursprünglich einfache, sehr niedrige Cylinderepithel bei stärkerer Wucherung in ein höheres, dann auch geschichtetes übergehen kann. Das, worauf es ankommt, ist, dass es sich jedenfalls in allen Fällen um das Oberflächen-Epithel des Ovariums handelt, nicht etwa um gewucherte Elemente der Corpora lutea 3). Wahrscheinlich gehört in dieselbe Kate- gorie auch der oben erwähnte, von Prochaska beschriebene und abgebildete Fall von Papillargeschwülsten beider Ovarien. In den früheren Fällen handelte es sich allem Anschein nach um vollkommen gutartige Bildungen. Gusserow und Eberth sind geneigt, dieselben auf chroni- sche Entzündung, wahrscheinlich Oophoritis zurückzuführen, gewissermassen als Theilerscheinung von allgemeiner chronischer Peritonitis. Das 19-jährige Mädchen, von welchem der Birch-Hirschfeld’sche Fall stammte, starb ebenfalls an Perito- nitis, doch fehlen, ebenso wie bei Klebs, nähere Angaben. Koeberl&*) erwähnt ebenfalls die an der Oberfläche der Ovarien vorkom- menden Papillome, welche, wenn sie einen bedeutenden Umfang erreichen, Ascites verursachen. Ob diese einfachen Papillome etwas von den unseren ganz verschiedenes, reine papilläre Fibrome sind, wie sie auch auf Schleimhäuten vorkommen, oder ob ihrem Epithel bereits eine carcinomatöse Natur innewohnte, wer mag das entschei- den? Indess deutet die mehrfache Schichtung des Epithels in den beiden letzten Fällen auf eine lebhafte Betheiligung desselben bei der Wucherung. Hervorzuheben ist, dass man auch unseren Papillargschwülsten, wenn man sie isolirt vor sich gehabt hätte, irgendwelche Bösartigkeit kaum zugetraut haben würde. Erst die nähere Untersuchung wies eine so lebhafte regellose Epithelwucherung nach, dass man 1) Handbuch I. p. 794. 2) Lehrbuch der Pathol. Anatomie. p. 1101. 3) ef. Rokitansky, Lehrbuch III. 1861. p. 418 und Klob, Patholog. Anatomie der weibl. Sexualorgane. 1864. p. 343. a)Al. ec. p. 508. berechtigt sein konnte, die kleinen gestielten Geschwülste als carcinomatös, als wirk- liche „Zottenkrebse“ anzusehen. Die Uebereinstimmung der Elemente der secundären Krebswucherungen mit denen der Eierstocksgeschwülste machte diese Auffassung jedoch erst zweifellos. Indess ist, namentlich mit Rücksicht auf die oben erwähnten Fälle, die Frage wohl berechtigt, ob die kleinen Papillargeschwülste von vorn herein maligne Neubildungen darstellten, ob sie nicht vielleicht lange bestanden haben, ohne die Neigung, sich zu generalisiren. Es muss hervorgehoben werden, dass auch Slavjansky') als Ausgang der chronischen parenchymatösen Entzündung der Eierstöcke in Folge der Verbreitung der Entzündung von dem Parenchym der Follikel auf ihre Wandung und auf die Peripherie des Eierstockes an dessen Oberfläche fibröse papillenartige Gebilde beob- achtete. Er lässt diese jedoch von einer Endothelschicht bekleidet sein, welche sich von dem kurzeylindrischen Eierstocks-Epithel ziemlich scharf abgrenzt. Auch ich würde den zelligen Ueberzug der Stiele der Papillargeschwülste der Form nach als Endothel bezeichnen, wenn nicht der allmähliche Uebergang in das ziemlich hohe Cylinderepithel der Zotten nachzuweisen wäre. Leider habe ich nichts weiter über die Vorgeschichte der betreffenden Frau in Erfahrung bringen können, als dass dieselbe nie geboren haben soll. Indess weist die Beschaffenheit der Ovarien, deren Parenchym fast ganz aus geschlängelten dick- wandigen Gefässen bestand, darauf hin, dass chronische Hyperämie dieser Organe lange bestanden hat. Lassen wir unter dem Einfluss derselben an der Oberfläche kleine zottige Wucherungen entstehen, an welchen sich das Oberflächen-Epithel betheiligt, so haben wir bei allmählichem Wachstlum derselben gutartige Papillar- geschwülste vor uns — mit einfachem niedrigen Epithel, wie man es noch an den Stielen erkennen kann — welche sich von den friiher beobachteten nicht unter- scheiden. Aber die Trägerin derselben befindet sich in dem Alter, in welchem erfah- rungsgemäss die Neigung vorhanden ist, epitheliale Neubildungen maligner Natur za produeiren, und aus dem ursprünglich gutartigen — oder richtiger indifferenten Gewächs entsteht ein Careinom. 1) Archiv für Gynäkologie Bd. III. p. 192. - 276 Es scheint mir unzweifelhaft, dass überall da, wo Epithelwucherung vorkommt, auch die Gefahr der Careinomentwiekelung vorhanden ist, und es hängt nur von den localen Bedingungen ‘ab, dass die Bildung von Metastasen, „die Infection des Organismus“ eintritt. Dass diese localen Bedingungen gerade bei den Ovarien am günstigsten sind, leuchtet ein, denn hier wuchert das Epithel gewissermassen direkt in den zur Aufnahme jedweden keimfähigen Samens so empfänglichen Lymphraum der Bauchhöhle hinein. Zur Erklärung der Malignität der epithelialen Wucherung genügt dies allein freilich nicht; es muss noch eine besondere Disposition vorhanden sein, welche in den Epithelien selbst zu suchen ist. — Eine „verminderte Wider- standstähigkeit“ des Organismus kann man wohl annehmen, indess ist dies ebenfalls etwas nicht Definirbares; a priori lässt sich dieselbe nicht nachweisen. Ein Carcinom entsteht, wenn die Epithelwucherung — vorausgesetzt dass sie die unerklärliche, gewissermassen unbegrenzte atypische Wucherungsfähigkeit besitzt — den Wider- stand der Gewebe überwindet, oder, was dasselbe ist, wenn sie einen günstigen Boden, günstige locale Verhältnisse findet, wie in unserem Falle. Sicher ist wohl, dass die hier vorliegende Form des Eierstocks-Caremoms die allerseltenste ist. Aus derselben, wie sie hier in den Anfängen vorliegt, können sich unzweifelhaft umfangreiche papilläre Geschwülste entwickeln. Wenn Orth') angiebt, dass der „Zottenkrebs“ am Ovarium relativ oft gesehen wird, welcher seltener an der Oberfläche der Eierstöcke, gewöhnlich in Oysten vorkommt, so weiss ich nicht, worauf sich die erstere Angabe bezieht; in der Lite- ratur wenigstens ist mir kein derartiger Fall vorgekommen, wie der vorliegende. Nach Waldeyer?) ist es fraglich, von welchem der epithelialen Bestand- theile, Graaf’schen Follikeln, Eierstocksschläuchen, Oberflächenepithel die Carcinome abstammen; auch Birch-Hirschteld?) lässt die Frage in Bezug auf das letztere noch unentschieden. Dass die Papillargeschwülste der Oberfläche sich analog verhalten mit den an der Innenfläche von Cysten sieh entwickelnden, dürfte aus dem oben Gesagten klar hervorgehen. !) Compendium p. 250. *) Archiv für Gynäkologie 1570. Bd. I. p. 313. Snl..6. p- 1109. — 17 — III. Geschwülste des Eierstockes von endothelialer Herkunft. (F. 5.) Doppelseitige eystisch-papilläre Endothelgeschwulst mit hyaliner Degeneration („Cystosarkom“, „Angiosarkom“). Die beiden Geschwülste wurden durch Herrn Professor Olshausen am 10ten Januar 1878 exstirpirt. (Frau M. aus Leipzig, 48 Jahre alt). Auch für die Ueberlassung dieses Falles bin ich Herrn Prof. Olshausen zu grossem Dank verpflichtet. Der Tumor der einen Seite ist nicht ganz taustgross, ungefähr 9 centimeter lang, 7 breit, 5 dick, grösstentheils solide. Er zeigt äusserlich eine Anzahl glatter rundlicher Vorsprünge von Bohnen- bis Wallnussgrösse, welche z. Th. fest, z. Th. von eystischer Beschaffenheit sind. Die Cysten sind jedoch durch weiche markige Geschwulstmasse ausgefüllt, so dass nur schmale spaltförmige Räume als Lumen übrig bleiben. An der Oberfläche haftet ein 4—5 centimeter langes Stück der Tuba, mit wohl erhaltenen Fimbrien und Parovarium. Auf dem Durchschnitt (Fig. 6.) sind mehrere grössere Abtheilungen erkennbar, welche von einander durch zarte Bindegewebs-Septa getrennt sind. Diese hängen mit einer dünnen aber festen Bindegewebshülle an der Oberfläche zusammen, welche grösstentheils mit der Geschwulstmasse eng verbunden ist. An einigen Stellen lässt sie sich jedoch von derselben abheben, und es kommt darunter noch eine glattwandige dünne Cystenwand zum Vorschein. Die ganze Geschwulstmasse zeigt einen exquisit lappigen, oder richtiger blätterigen Bau, ähnlich dem Üystosarcoma mammae, so dass man von der Schnittfläche aus in zahllose schmale Spalträume gelangen kann, welche durch die papilläre Geschwulstmasse begrenzt werden. Beim Durchschneiden floss etwas klare Flüssigkeit ab. Der "Tumor der anderen Seite ist ungefähr kopfgross; er stellt hauptsächlich eine einkammerige Cyste dar mit ziemlich glatter Oberfläche, an welcher der kaum tingerdicke Stiel bemerkbar ist. An diesem hattet das ungefähr fünf centimeter lange freie Ende der Tuba, an deren Fimbrien ein etwa erbsengrosser weicher weisslicher Geschwulstknoten sitzt. Ein 'Theil der Cystenwand ist nur wenige Millimeter diek, fibrös; der grösste Theil jedoch, haupt- sächlich an der dem Stiel gegenüberliegenden Seite, ist erheblich dicker, stellenweise bis zu 3 centimeter, und wird durch Geschwulstmasse gebildet, in welcher man unschwer denselben Bau, wie an dem kleinen Tumor erkennen kann. Eine sehr dünne Bindegewebslage begrenzt diese Geschwulstmasse nach aussen, während die Innenfläche eine sehr unregelmässige rauhe Beschaffenheit darbietet, welehe durch die frei in die Cyste hineinragenden lappigen, zottigen, papillären Wucherungen bedingt wird. Die im Ganzen solide Geschwulstmasse ist durch zahlreiche tiefe bis dicht unter die Oberfläche reichende Furchen in haselnuss-, wallnuss- und taubeneigrosse Abtheilungen zerklüftet, welche sich ihrer- seits wieder in papilläre 2—3 centim. lange stricknadeldicke "Theile zerlegen lassen. An andern Stellen bilden ähnliche Bildungen eine Art Striekwerk an der Innenfläche, während weiterhin niedrigere blumen- kohlartige Wucherungen vorwiegen. Dazwischen findet man Reste dünner Cystenmembranen, welehe rundliche Gebiete abgrenzen. Nur ein kleiner Theil der Innenfläche ist frei von derartigen Wucherungen, aber chagrinartig rauh. — 2178 — Die Gesehwulstmasse war im frischen Zustande gelblichweiss, weich und sehr gefässreich. Von der Innenfläche der Cysten und der freien Oberfläche der darin befindlichen Wucherungen des kleinen Tumors liessen sich zusammenhängende Zellhäutehen von anscheinend epithelialer Beschaffenheit abstreifen, dicht an einander liegende ziemlich grosse länglichrunde Kerne mit grossem glänzenden Kernkörperchen. Beim Zerzupfen der papillären "Theile erhielt man vielfach Zellhaufen, welche ebenfalls aus dicht an ein- ander liegenden Kernen mit nicht deutlich begrenztem Protoplasma bestanden, und an Krebskörper erinnerten. Dazwischen fanden sich zahlreiche lose heruniliegende lange Spindelzellen, Fibrillenbündel, freie Kerne u. s. w. Aus diesem Befunde liess sich nichts Bestinmmtes über die Natur der Geschwulst aussagen. Zur weiteren Untersuehung wurden Theile aus beiden Geschwülsten nach Erhärtung in Müller'- scher Flüssigkeit und Alkohol benutzt. Es zeigte sich nun im Ganzen überall derselbe Bau: ein Stroma aus diehtem fibrillären Bindegewebe mit zahlreichen parallel geordneten länglichen Kernen, durch dessen Balken eine grosse Anzahl rundlicher , häufig rosettenförmiger Abtheilungen begrenzt werden, welche mit Zellen gefüllt sind. An Schnitten, welche zu diesen senkrecht gerichtet sind, finden sich dagegen längliche Spalträume, deren gegenüber liegende Flächen beiderseits mit dieken Schichten ähnlicher Zellmassen bedeckt sind. Makroskopisch erkennt man dieselbe Anordnung, je nachdem der Sehnitt die papillären Wucherungen in der Quer- oder in der Längsrichtung getroffen hat, oder, was dasselbe ist, — wenigstens an dem grossen Tumor — je nachdem der Schnitt parallel oder senkrecht zur Oberfläche der Cyste gelegt ist. Die Mitte der papillären Bildungen wird stets von fibrillärem Bindegewebe mit Gefässen eingenommen. Zum Studium der Entwiekelung der Geschwulst eignen sich am besten die soliden Knoten von der Oberfläche beider Tumoren, sowie einige Theile der fibrösen Wand des grösseren in der Nähe jener Knoten. Als offenbares Anfangsstadium der Geschwulstbildung finden sich hier zahlreiche schmale Spalt- räume in dem diehten bindegewebigen, kernreichen Stroma. (Fig. 7.) Die Spalträume sind z. Th. ausge- kleidet mit einer einfachen dünnen Zellschicht, welche sich häufig als dünnes Blatt mit regelmässig an- geordneten länglichrunden Kernen, jedoch ohne erkennbare Zellgrenzen ablösen lässt, und folglich nur als eine Endothelschicht aufgefasst werden kann. Meist ist diese aber nicht mehr in der normalen Dicke erhalten, sondern — häufig unmittelbar neben einer solchen Stelle — in augenscheinlicher Wucherung begriffen, z. Th. einfach verdickt, z. Th. mit vielkernigen Wucherungen versehen, welche kolbenförmig in den Spaltraum hineinragen (Fig. Tat). Auf diese Weise kann sich das Lumen der letzteren unregelmäsig gestalten, ja es scheinen auch die gegenüberliegenden Flächen durch brückenförmige Zellwucherungen stellenweise zu verwachsen. (Fig. 7b.) Die Regel ist jedoch, dass das Lumen der Spalten erhalten bleibt, wenn auch vielfach verengt, indem die Wucherung der Zellschicht gegen die Unterlage hin erfolgt. So findet man denn die meisten dieser Spalten ausgekleidet mit einer dieken Schicht von zelligen Massen, die in vielfachen rundlichen Vorsprüngen in die Umgebung hineinwuchern, und die erwähnten Rosetten- formen auf Durchschnitten hervorbringen. Es können auf diese Weise drüsenähnliche Bildungen entstehen, doch überzeugt man sich leicht, dass es sich nirgends um eigentliche Epithelien, sondern stets nur um Wucherung der Endothelien handelt. Die zelligen Massen, welche hei oberflächlicher Betrachtung nicht selten ein adenom- oder careinomäbnliches Aussehen zeigen, erweisen sich stets in viel innigerer Verbindung mit dem Stroma, so dass dieselben durch Auspinseln gar nicht, oder nur sehr unvollkommen zu entfernen sind; auch wenn durch Retraction nach dem Erhärten die zelligen Theile sich von dem Stroma abheben, nn bleibt eine Art feiner Verbindungsfiden zwischen beiden bestehen. (Fig. 7. d) Nirgends ist etwas von den epithelialen Elementen des Eierstocks wahrzunehmen. Auch in diesen Wucherungen sind Zellengrenzen nicht deutlich, wengleich vielfach unbestimmte Spindelformen angedeutet sind. Die Kerne, welche im Ganzen überall dieselbe Form und Grösse besitzen (durehschnittlich 0,01 — 0,0125 mm. Länge bei 0,0075 mm. Breite), behalten an der Oberfläche in der Regel ihre Anordnung in der Fläche bei, stellen sich aber in der Tiefe mehr senkrecht, respective radiär. Indem nun derselbe Process überall gleichzeitig statt findet, nähern sich allmählich die zelligen Massen mehr und mehr und bleiben nur durch schmale Bindegewebsbalken von einander getrennt, so dass die Hauptmasse eines festen Knotens durch jene gebildet wird. Vielfach treten ferner die Zellhaufen durch schmale Zellstränge — anscheinend in vorgebildeten Bahnen, welche an der Wucherung Theil nehmen, in Verbindung, so dass eine Art Netzwerk entsteht. (Fig. 8.) Während bei dem Cystosareom der Mamma das Stroma mehr und mehr in die Spalträume hinein- wuchert, und die einfache Epithelschicht vor sich her drängt, geschieht also hier das Umgekehrte, indem der Hauptantheil der Wucherung der Zellschicht der Oberfläche zukommt. Es treten nun ferner secundäre Veränderungen ein, sowohl in dem Stroma, als in den zelligen Theilen. Das erstere zeigt stellenweise eine myxomatöse Umwandlung, wodurch kolbige Anschwellungen innerhalb der Papillarwucherungen entstehen (F. 8e), andrerseits fallen die Zellhaufen oft auf grosse Stre- cken einer hyalinen Degeneration anheim, welche wie es scheint, stets an die Kerne gebunden ist. Das Resultat ist die Bildung von rundlichen scharf conturirten Lücken oder Bläschen, welche oft dieht gedrängt sind, und einen grossen T'heil der Zellenmasse einnehmen (Fig. 7, Sc). Neben den normalen Kernen mit fein granulirtem Inhalt und glänzendem Kernkörperchen kommen etwa doppelt so grosse vor, welche sich durch ihr homogenes durchscheinendes Aussehen unterscheiden. — Das Kernkürperchen ist ebenfalls ver- grössert. (In einem Falle war die Grösse des gequollenen Kernes beispielsweise 0,020 mm. Länge, 0,0125 Breite, der Durchmesser des Kernkörperchens 0,003.) Auch die grösseren hyalinen Blasen von 0,036 — 0,045 Durchmesser zeigen häufig noch ein glänzendes Korn im Innern, oder ein granulirtes, mehr kern- artiges Körperchen. Der hyaline Inhalt nimmt die Hämatoxylinfärbung an. — Nur selten komınen grössere, mit colloider Masse gefüllte Räume vor, in denen zuweilen noch stärker lichtbrechende Colloidkörner niedergeschlagen sind. Die nicht veränderten Zellen werden verdrängt, und bilden eine Art Netzwerk, dessen Maschen die hyalinen Räume darstellen. Letztere sind nicht immer kreisrund, sondern häufig langgezogen. In vielen der rosettenartigen Zellhaufen kommen Bildungen vor, welche ganz mit den zuerst von Billrotht) aus Parotisgeschwülsten beschriebenen wirbelartigen Figuren übereinstimmen. Die Mitte der Rosette ist eingenommen durch ein dichtes Gewirr feiner Fasern, welche radiär nach allen Seiten aus- strahlen; in einiger Entfernung vom Centrum treten länglichrunde Kerne auf, die ebenfalls in radiärer Richtung geordnet sind, nach aussen mehr und mehr zunehmen und an der Peripherie rundliche (acinöse) Haufen bilden, welche scharf gegen das umgebende Bindegewebe abgegrenzt sind (Fig. 9). Eine Verschie- denheit besteht zwischen den dem Centrum näheren und den peripherischen Kernen, insofern als die letzteren, als die offenbar jüngeren, Färbungen sehr viel lebhafter annehmen als erstere, welche anscheinend 1) Virchow's Archiv. Bd. 17. p. 361. Taf. VII. F. 4. Abh. der naturf, Ges, zu Halle. XIV, 5. Hit, aT 280 in Degeneration begriffen sind. Man kann sich überzeugen, dass diese scheinbar faserige Masse in der That einer Art Degeneration der Zellen ihren Ursprung verdankt, und nicht etwa dem bindegewebigen Stroma angehört. Es finden sich nämlich ähnliche Rosettenformen, welche durch allseitige Wucherung der Zellen von einem Punkt aus entstehen, und in deren Mitte man noch unveränderte Kerne und Zellen erkennen kann. Die Zellkörper, welche stets nur undeutlich begrenzt sind, strecken sich bei weiterem peripherischen Wachsthum in die Länge, so dass zuweilen lange spindelförmige Gestalten auftreten, schliesslich sieht man nur eine ziemlich regellose Streifung, in der noch einige Kerne erhalten sind. Daneben kommt häufig durch hyaline Degeneration die Bildung von Lücken vor, welche in radiärer Richtung sich verlängern, Wahrscheinlich handelt es sich in den von Billroth angeführten Fällen um einen ähnlichen Vor- gang, wie denn überhaupt die Zellenmassen jener Parotisgeschwülste, so drüsenähnliche Bildungen sie auch nieht selten darstellen, ihrer Natur nach den endothelialen Zellen am nächsten stehen. Zu bemerken ist endlich, dass sich in dem Lumen, welches häufig in der Mitte der gewucherten Zellmasse erhalten ist, nicht selten eine nach der Erhärtung geschrumpfte feinkörnige Inhaltsmasse findet. Meist ist dieselbe mit einer grossen Anzahl Rundzellen durchsetzt, welche durch ihre häufig mehrfachen kleinen Kerne sich als Lymphkörperchen ausweisen. Niemals habe ich rothe Blutkörperchen darin gefun- den, während in nächster Nähe der Zellhaufen gefüllte Blutgefässe, nicht selten auch rothbraune Pigment- haufen vorkommen. Was die Abstammung dieser Geschwulst betrifft, so müssen wir dieselbe jedenfalls auf endotheliale Gebilde zurückführen, und da kein Grund vorliegt, den Blutgefässen bei der Bildung derselben eine Rolle zu- zuweisen, so bleiben nur die Lymphgefässe und Lymphspalten als wahrscheinlicher Ausgangspunkt übrig. In der That haben auch die theils kanalförmigen, theils unregelmässig gestalteten Spalträume, an deren Innen- fläche die Zellenwucherung nachweislich ihren Ausgang nimmt, am meisten das Aussehen von Iymphatischen Gefässen. His hat uns überdies mit dem grossen Reichthum des Eierstockes an solchen bekannt gemacht. !) Wenn wir einmal die Zellwucherung von Seiten des Endothels festhalten, so sind die weiteren Veränderungen leicht verständlich, sie sind das Produet der gleichzeitigen Wucherung des Bindegewebes mit myxomatöser Degeneration, und der hyalinen Umwandlung der Zellen. Ausserdem kommt in Betracht die Bildung von Cysten durch Erweiterung der Lymphspalten, und seeundäre Veränderungen, Zerfall der Cystenwand u.s. w., welche schliesslich zur Bildung einer grossen cystischen Geschwulst geführt haben. Leider konnte die in derselben enthaltene Flüssigkeit nicht untersucht werden. F. 6. Tubulöse Endothelialgeschwulst („Angiosarkom‘“) des Ovarium bei Hernia ovarii. Die vorliegende Geschwulst verdanke ich der Güte der Herrn Dr. Barden- heuer und Dr. Thelen vom Städt. Krankenhause zu Cöln, welche mir dieselbe zur Untersuchung zuschiekten, und mir die Publication des anatomischen Befundes über- liessen, während die Operationsgeschichte durch den behandelnden Arzt der Patientin, Herrn Dr. Rheinstädter, veröffentlicht worden ist.*) Ich beschränke mich daher auf Mittheilung der Notizen, welche mir Herr Dr. Thelen über die Patientin gegeben hat. 1) Archiv für mikrosk. Anatomie. Bd, 1. 2) Centralblatt f. Gynäkologie. 1878. N. 23. Ban ee „Bei einer in den sechziger Jahren stehenden unverheiratheten Person findet sich oberhalb des Mons Veneris, nach links und oben sich erstreckend, ein länglicehrunder grosser Tumor von der Härte eines Fibroids, ohne Höcker oder sonstige Unebenheiten. Die Oeffnung des Canalis inguinalis ist nicht zu fühlen, da der 'Tumor über ihn hinausgeht. An der rechten Seite findet sich ein Leistenbruch; die innere Untersuchung ergiebt Obliteration der Scheide, Fehlen des Uterus, Ovarien nicht zu fühlen. Der Tumor ist angeboren, früher von der Grösse eines Apfels oder wohl noch kleiner gewesen, und langsam gewachsen. Alle 4 Wochen soll er angeschwollen sein. Geschlechtliche Aufregungen waren vorhanden. Operation durch Dr. Bardenheuer: Spaltung der Haut über dem Tumor; derselbe lässt sich ganz ausschälen bis auf einen zwei Finger dicken Stiel, der durch die Leistenöffnung hindurehgeht. Durchschneidung des Stiels, Vernähung des Bruchsackes. Gute Heilung.“ Die exstirpirte Geschwulst besitzt eine länglichrunde, an der einen Seite etwas abgeplattete Gestalt von 14 centim. Länge, 10 centimeter Breite und 9 cent. Dicke. Das Gewicht beträgt (nach der Erhär- tung) 730 grm. Fast die ganze Oberfläche ist mit einer glatten, durch lockeres Bindegewebe mit der Ge- sehwulst verbundenen Membran, anscheinend einer serösen Hülle (vermuthlich dem durch das Ovarium vorgestülpten Lig. latum angehörend) überzogen. Unter derselben bemerkt man eine Anzahl grösserer 7. Th. noch gefüllter Gefässe, sowie Andeutungen von Furchen, als Ausdruck mehrerer die Geschwulst zu- sammensetzender Lappen. Unter dem serösen Ueberzuge liegt noch eine feste aber ziemlich dünne fibröse Hülle, welche mit den Geschwulstlappen fest zusammenhängt, und eontinuirlich in die dieselben trennenden Bindegewebs-Septa sich fortsetzt. An dem einen Ende der Geschwulst findet sich ein kurzes bandförmiges stielartiges Gebilde von 2,5 eentim. Breite, welches unmittelbar in den Ueberzug der Geschwulst übergeht. Daran schliesst sich ein fünf centimeter langer fast fingerdicker tleischiger Körper von länglich walzenförmiger Gestalt, der grösstentheils aus derbem fibrillärem Bindegewebe mit zahlreichen Gefässen besteht, und an seinem freien Ende eine Schnittfläche trägt. An diesem Gebilde hängt sodann noch eine handtellergrosse bindegewebige Membran, deren eine ziemlich glatte Fläche im die Oberfläche des Stieles übergeht, während die andere mit Bindegewebszotten und Fettanhängseln bedeckt ist; dieselbe scheint dem Bruchsacke angehört zu haben. Der seröse Ueberzug fehlt nur im Bereiche einer dreieckigen, 8 centimeter langen, 6 centim. breiten Stelle an der abgeplatteten Seite der Geschwulst, deren eines Ende in den Stiel übergeht. An- scheinend ist der Tumor hier von seiner Unterlage abpräparirt worden, Die Consistenz der Gesehwulst ist jetzt, nachdem dieselbe in Spiritus gelegen hat, sehr fest, prall elastisch, ungefähr wie die eines erhärteten Fibroms oder Myoms, welchem die Geschwulst auch ober- flächlich gleicht. Auf dem Durchschnitt zeigt sich die Zusammensetzung derselben aus einer Anzahl rundlicher oder länglicher Lappen und Knoten von verschiedener Grösse, der grösste etwa vom Umtange eines mittleren Apfels. ; Die einzelnen Lappen sind scharf abgegrenzt, ja sie lassen zum 'lheil eine Art Spaltenbildung an ihrem Umfange erkennen, indem sich die nur durch geringe Mengen lockeres Bindegewebe verbundenen benachbarten Lappen von einander ablösen. An anderen Stellen sind sie fester vereinigt, theils durch derbes Bindegewebe, theils durch Gesehwulstmasse, welche die Lücken zwischen den Hauptlappen ausfüllt. Die Substanz der Geschwulst, wie sie sich auf dem Durchschnitt der einzelnen Lappen präsentirt, ist 97% — 282 — ziemlich homogen, gelblichweiss, doch lassen die grösseren Knoten noch zahlreiche kleinere rundliche Bezirke erkennen, welche durch schmälere oder breitere Bindegewebsstreifen getrennt sind. Theils in letzteren, theils auch inmitten der homogenen Geschwulstmasse finden sich durchsehnittene Gefässlumina von /, bis 1 millim. Weite. In der Tiefe der Geschwulst ist eine haselnussgrosse Cyste mit etwas buch- tiger Wandung vorhanden, in deren Höhle der Rest eines weichen röthlichen Gerinnsels liegt. Die mikroskopische Untersuchung ergiebt ein sehr eigenthümliches Verhalten der Geschwulst; Schnitte aus den verschiedensten Theilen derselben entnommen zeigen fast übereinstimmend eine Zusam- mensetzung aus dicht gedrängten Zellschläuchen, so dass die Geschwulst eher dem normalen Bau der Nierenrinde oder dem Hodenparenchym gleicht, als einer pathologischen Neubildung. Es handelt sich um lange, theils gestreckte, theils gewundene Röhren von ziemlich gleichem Kaliber, mit einer Art Tunica propria und einem aus Zellen bestehenden Inhalt. Die Röhren berühren sich meist unmittelbar, nur ab und zu findet sich dazwischen etwas streifiges Bindegewebe mit einzelnen Spindelzellen, stellen- weise auch Capillargefässe. Im Allgemeinen verlaufen die Kanälchen oder Schläuche einander parallel und gestreckt, so dass sie an vielen Schnitten fast nur in der Längsrichtung. getroffen sind, während man an anderen senkrecht zu letzteren angelegten fast nur Querschnitte oder kurze Abschnitte von Windungen zu Gesicht bekommt. An anderen Stellen ist die Anordnung unregelmässiger, mehr den gewundenen Kanälchen der Niere ähnlich. Man überzeugt sich leicht, dass ein eigentliches Lumen den Kanälchen fehlt, und dass auch die Zellen nicht in der Art von Drüsenepithelien angeordnet sind. Vergeblich sucht man nach einer Analogie mit irgend einem normalen Gebilde des Ovarium. Betrachtet man z. B. ein Kanälchen in der Längsansicht, so zeigen sich die länglichrunden ziemlich kleinen Keme (von 0,0075 mm. Länge und 0,005 Breite) mit ihrem längeren Durchmesser fast ausschliesslich senkrecht zur Längsaxe angeordnet, und die Grenzen der zugehörigen Zellen erscheinen da, wo sie noch erkennbar sind, spindelförmig. An Quersehnitten der Kanälchen bilden die in dieser Ansicht kreisrunden Kerne meist eine einfache Reihe dieht an der Peri- pherie, an anderen Kanälchen scheinen sie mehr ausser Ordnung gekommen, regellosser, jedoch stets peripherisch gelagert (Fig. 10.). Sie sind in eine feinkörnige, aber ziemlich homogene Protoplasma-Masse eingebettet, welche sich nach der Mitte des Kanälchens etwas aufhellt. Zellengrenzen sind an den wenigsten Stellen sichtbar, doch ist dies zum Theil vielleicht eine Folge der mit Rücksicht auf die mikroskopische Untersuchung etwas mangelhafte Conservirung der Geschwulst. Leider war ich nicht in der Lage, die letztere in frischem Zustand zu untersuchen, wodurch manche wesentliche Punkte allein hätten aufgeklärt werden können. Der Diekendurchmesser der Schläuche beträgt durchschnittlich 0,0375 —0,04 mm. Die deutlich doppelt conturirtd, anscheinend structurlose glänzende Tunica propria misst 0,0025, doch gilt dies, wie wir sehen werden, nicht für alle Theile der Geschwulst. An einigen Stellen nimmt diese eine andere Beschaffenheit an, doch lassen sich auch hier diesel- ben Elemente, in veränderter Gestalt, nachweisen. Die homogene Scheide der Zellschläuche nimmt ausserordentlich an Dicke zu (0,0075 — 0,0125), während der Inhalt etwas zusammengedrängt erscheint (0,0225 mm. dick); dabei bleibt die erstere jedoch structurlos, stark lichtbrechend, hyalin, höchstens zeigt sich eine Andeutung einer Längsstreifung. (Fig. 11.) Die Schläuche sind zugleich stärker gewunden, — 283 — häufig in sich zusammengeknickt, so dass die an der coneaven Seite der Windung gelegenen Wandungen sich gegenseitig berühren, und stellenweise sogar versebmolzen erscheinen. Von derartig beschaffenen Stellen befinden sich nun Uebergänge zu noch anderen, in welchen man von isolirten Röhren oder Zell- schläuchen nicht mehr reden kann, vielmehr findet sich hier ein hyalines Balkenwerk, dessen Balken dasselbe Aussehen, dieselbe stark lichtbrechende Beschaffenheit besitzen, wie die Tunicae propriae der Schläuche; fast stets verläuft in der Mitte der einzelnen Balken ein Streifen, welcher eine Verschmelzung aus zwei Hälften anzudeuten scheint. Ohne ein regelmässiges Netzwerk zu bilden, treten die Balken vielfach mit einander in Verbindung, oder sie scheinen kolbenfürmig zu enden, oder man findet sie quer- durchsehnitten, als kreisförmige oder länglichrunde Figuren. Die Räume, welche zwischen den Balken übrig bleiben, und der Gestalt der letzteren entspre- chend, theils spaltförmig, theils unregelmässig gestaltet, und mit Ausbuchtungen versehen sind, werden ausgefüllt durch dieselben Zellen, welche sich in den Schläuchen vorfinden, nur sind sie hier unregelmäs- siger angeordnet; da, wo zwei Balken dicht zusammenstossen,, bleibt häufig nur Raum für eine Reihe platter Zellen zwischen beiden. Man kann also von zwei Balkensystemen sprechen, von Zellenbalken, und hyalinen Balken, welche sich gegenseitig durchflechten und ergänzen. (S. Fig.12). An ganz eircum- scripten Stellen, welche sich durch ihr durchscheinendes Aussehen auszeichnen, sind die Zellen ganz zu Grunde gegangen; es zeigen sich nur vielfach gefaltete hyaline Membranen, oder Balken, in deren Maschen stellenweise Reste verfetteter Zellen, Körnchenkugeln bemerkbar sind. Endlich kann auch die Entwicke- lung des hyalinen Balkenwerkes derartig zunehmen, dass die zelligen Elemente ganz in den Hintergrund gedrängt werden, und nur vereinzelt in schmalen, spaltförmigen Räumen liegen. Zuweilen nimmt dies Gewebe eine Anordnung an, welche der des compacten Knochens ähnelt, namentlich, wenn die hyalinen Balken sich nach Art der Havers’schen Lamellen um ein centrales Gefäss eruppiren. srupp An einigen Stellen finden sich endlich unregelmässige schlauch- oder kolbenförmige Gebilde mit dieker hyaliner Wandung und zelligem Inhalt, welche mit einander nur locker durch zart fibrilläres, anscheinend schleimiges Bindegewebe vereinigt sind; von den hyalinen Scheiden gehen zuweilen kolbige Sprossen oder papilläre Vorsprünge (Falten) in die zellige Masse hinein, und diese erscheinen dann auf dem Durchschnitt als hyaline Kugein, welche allseitig von Zellen umgeben sind. Auch dieser Zustand ist nur eine Modification der oben beschriebenen Form. (Fig. 13). Aus dem im Vorhergehenden dargestellten Befunde glaube ich mich zu dem Schlusse berechtigt, dass die eigenthümlichen Schläuche, welche eine oberflächliche Aehnlichkeit mit Drüsenschläuchen besitzen, nicht mit Epithelien ausgekleidet, sondern durch Elemente von endothelialer Natur gebildet sind. Um den sicheren Nachweis zu führen, ist es allerdings nöthig, die Herkunft der Schläuche und der zelligen Elemente aufzusuchen; das Wenige, was sich in dieser Hinsicht thun liess, beschränkte sich auf die Untersuchung der aus derbem Bindegewebe bestehenden Theile an der Peripherie und zwischen den Lappen der Geschwulst, denn im Uebrigen war die ganze Neubildung, abgesehen von den oben erwähnten kleinen Varietäten, von sehr gleichförmiger Beschaffenheit. Namentlich war nirgends ein Rest ursprünglichen Eierstocksparenchyms nachweisbar. — 284 In jenen Theilen nun finden sich mehr vereinzelte, augenscheinlich jugendliche Zellschläuche, welche durch breite Lagen von derbem fibrillärem Bindegewebe getrennt sind. Die Bündel des letzteren weichen stellenweise auseinander, und der entstandene Spaltraum oder das Kanälchen ist mit einer Anzahl Zellen gefüllt, deren Grenzen nicht erkennbar, und deren Kerne parallel der Längsrichtung geordnet sind. Zuweilen verzweigen sich die so beschaffenen Kanälchen, und bilden durch Anastomosen eine Art Netzwerk; ihre Enden scheinen sich spitz zulaufend im Bindegewebe zu verlieren. An günstigen Objeeten sieht man derartige Spalten in Form eines mit Endothel ausgekleideten Kanälchens eine Strecke weit in gerader Richtung verlaufen, und allmählich weiter werden, während die Zellen sich vermehren, und Zell- sehläuche bilden, welche bereits den oben beschriebenen gleichen, indess schmäler sind; auch besitzen sie keine eigentlicbe Tunica propria, sondern sie werden begrenzt. durch das umgebende Bindegewebe; erst wenn die Schläuche sieh vermehren — in der Regel liegen sie mehrfach gewunden in Haufen beisammen, sind sie von einander durch eine dünne Bindegewebslage getrennt, welche dann den Schläuchen wesentlich anzugehören scheint. Zerzupft man solehe Präparate, so löst sich der zellige Inhalt aus der Umhüllung heraus, auch sieht man an Schnitten häufig eine spaltförmige Lücke zwischen der Wandung und den Zellen. Während an den schmaleren Kanälehen, wie erwähnt, die Kerne anfangs noch die Längsrichtung beibehalten, stellen sie sich allmählich mehr und mehr quer zur Längsaxe, indem sich die Zellen bei fortschreitender Wucherung gewissermassen von der Wand abzublättern scheinen. Auch an den ausge- bildeten Schläuchen trifft man die Zellen zuweilen noch deutlich in dieser Lage (ef. Fig. 10e). Auf diese Weise verschwindet das Lumen, wenn ein solehes vorhanden war. Deutliche Zellgrenzen sind jedoch fast nirgends sichtbar, höchstens ist das feinkörnige Protoplasma in Form eines schmalen Fortsatzes an beiden Enden des Kernes angehäuft. Was die Bedeutung der Spalten und Kanälehen in dem Bindegewebe betrifitt, so können das entweder Iymphatische Kanälchen sein, oder Bluteapillaren. Mehrere Bilder sprechen fir letztere, namentlich der meist gestreckte Verlauf und die fast gleichbleibende Dicke, indess ist eine bestimmte Ent- scheidung kaum möglich, weil sich in den Kanälehen weder Blutkörperchen, noch Reste von solchen auf- finden liessen. Wohlerhaltene kleine Gefässe sind übrigens auch in diesen Theilen der Geschwulst nachweisbar, sie erscheinen als zarte gradlinige Endothelröhren mit charakteristischen Verästelungen, die stärkeren mit einer zarten Museularis versehen. Ein Uebergang von solch’ einem unzweifelhaften Gefäss in einen Zelleneylinder habe ich indess nieht nachweisen können. Ueber das Verhalten der Capillaren in der eigentlichen Geschwulstsubstanz lässt sich nur sagen, dass in dem spärlichen Gewebe zwischen den. Schläuchen Capillargefüsse ebenfalls vorkommen. Alles in Allem bietet die Geschwulst ein sehr eigenthümliches Verhalten. Charakterisirt wird sie durch die fast gleichmässige Zusammensetzung aus drehrunden Zellencylin- dern, welche von dem bindegewebigen Stroma eine Art Tunica propria erhalten. Stellenweis wird das Aus- sehen durch eine hyaline Degeneration des letzteren modifieirt. Die Zellen selbst bewahren überall ihre ursprüngliche Beschaffenheit, und zwar kennzeichnen sie sich sowohl durch ihre Abstammung, als ihr sonstiges Verhalten als endotheliale Elemente. In den beiden letzten Fällen glaube ich die ersten Geschwülste endothelialer Herkunft vom Ovarıum beschrieben zu haben. Wahrscheinlich sind ähnliche Ge- os — schwülste hier ebenso wie an anderen Orten früher hauptsächlich aus mangelhafter Kenntniss übersehen, oder unter anderen Namen beschrieben worden. Leopold') hat ein sogenanntes Lymphangioma kystomatosum beschrieben, in welchem er eine erhebliche Wucherung endothelialer Elemente unzweifelhaft nach- wies. Doch nahm er ausserdem für einen Theil der Zellen den epithelialen Charak- ter in Anspruch, welche mit jenen in eigenthiimliche Verbindung treten sollten. Unsere beiden Fälle sind nun unter sich ausserordentlich abweichend, denn während die eine Geschwulst eine feste compaete Masse bildete, stellt die andere eine mit zahlreichen Spalträumen, Oysten, welche mit papillären Wucherungen ausgefüllt sind, durchsetzte Masse dar. Noch abweichender ist der feinere Bau beider Tumoren, so dass man auf den ersten Anblick kaum geneigt sein dürfte, beide einer Kategorie beizuäzhlen. Nach der zuletzt von Kolaczek*) gegebenen Zusammenfassung sind beide Geschwülste als Angiosarkome zu bezeichnen; doch glaube ich, dass Kolaeczek unter diesem Namen zu verschiedenartige Dinge vereinigt, und dass er zu viel Werth legt aut die Abstammung der Geschwülste von Blutgefässen; es werden dadurch Neubildungen, welche von dem Endothel ausgehen, und solche, welche von der Ad- ventitia, resp. dem „Perithel“ stammen, als gleichwerthig hingestellt, was meiner Meinung nach nicht richtig ist. Andrerseits glaube ich, dass eine grosse Anzahl dieser Geschwiilste von den Endothelien der Lymphgefässe, respective ihrer Wurzeln herstammen. Wenn Kolaczek die merkwürdige, von Birch-Hirschfeld°) be- schriebene Geschwulst aus der Bauchhöhle als Typus seiner Angiosarkome hinstellt, so kann man doch unmöglich Geschwülste, für welche die Köster’schen Fälle %) als typisch gelten mögen, als gleichartig mit jenen ansehen! Von anderer Seite ist der Versuch gemacht worden, Geschwilste desmoider Natur wegen des alveolären Baues und der Epithelähnlichkeit ihrer Zellen als „Binde- gewebskrebs‘“, Endothelkrebs den ächten Krebsen gegenüberzustellen. Das halte ich nicht für einen Fortschritt, weil dadurch der genetische Gesichtspunkt, welcher sich doch immer mehr als der sicherste Wegweiser in dem Chaos der pathologischen Neubildungen erweist, wieder verdunkelt wird. !) Archiv für Gynäkologie. Bd. VI. p. 250. ?) Deutsche Zeitschrift für Chirurgie. 1877. Bd. 9. 3) Archiv der Heilkunde. 1871. p. 167. %) Virchow’s Archiv. Bd. 40. 286 Wenn es in Folge der Untersuchungen der letzten Jahre immer allgemeiner anerkannt wird, dass eine Heteroplasie der Gewebe in pathologischen Neubildungen nicht vorkommt, wenn namentlich für den Krebs immer mehr die Abstammung von epithelialen Elementen gesichert wird, so scheint es mir den Sachverhalt wieder zu verdunkeln, wenn dieser Name nun wieder auf andere Geschwülste angewendet wer- den soll, welche man seit Beginn der mikroskopischen Forschung zuwn Theil mit Mühe davon getrennt hat. Dass nicht der alveoläre Bau, nicht das klinische Ver- halten den Krebs als solchen charakterisirt, darüber ist man hinlänglich einig. Dass die Natur der zelligen Elemente unter Umständen recht schwer erkennbar ist, wissen wir ebenfalls, was bleibt als massgebendes Kriterium übrig, als die Abstammung? Ein Uebelstand ist dabei allerdings nicht zu übersehen, nämlich der, dass unsere entwickelungsgeschichtlichen Kenntnisse noch nicht in allen Punkten zu einem gewissen Abschluss gediehen sind, in Folge dessen einerseits sämmtliche wahre Epi- thelien von dem oberen und unteren Keimblatt abgeleitet werden, während von andrer Seite auch das mittlere Keimblatt solche produeiren soll. Abgesehen von dieser Unsicherheit — welche die Epithelien der Harn- und Geschlechtsorgane betrifft — missen wir den Namen Krebs — da nun einmal der alte Ausdruck da ist — für die vom Hornblatt. und dem Darmdrüsenblatt abstam- menden malignen Neubildungen festhalten. Sachgemässer dürfte es freilich sen — und es wird über kurz und lang da- hin kommen — auch im Namen der Geschwulst das Wesen derselben möglichst klar zu bezeichnen. Ich glaube wenigstens, dass man in dieser Beziehung den Aus- führungen Robin’s') nur beistimmen kann. Dieselben Grundsätze werden auch für die Reihe der Bindegewebsgeschwülste gelten müssen. Erst nachdem Virchow mit Meisterhand das Gebiet der Sarkome abgesteckt, hat man die von den Endothelien stammenden Geschwülste genauer kennen gelernt, da erst seit jener Zeit die Trennung der wahren und „falschen“ Epithelien statt fand, und von Jahr zu Jahr mehren sich die Fälle, welche man dieser Gruppe zureehnen muss, während früher diese wenig bekannten Geschwiilste heimathlos bald hier, bald dort untergebracht — aber nirgends heimathberechtigt wurden. Daher die grosse Anzahl der verschiedensten Namen, mit welchen dieselben belegt wor- den sind. 1) Journal de l’Anatomie et de la Physiologie. 1369. p. 278. — #7 — Der Versuch ist gewiss an der Zeit, diese Geschwülste zusammenzufassen, aber ich bin, wie oben angedeutet, der Meinung, dass der Name „Angiosarkom“ noch nicht der geeignete ist. Diese Geschwülste müssen von den Sarkomen getrennt werden, ebenso gut wie man die Myxome und die Enchondrome von denselben trennt, immer mit dem Bewusstsein, dass genetisch alle mit einander verwandt sind, und dass Uebergänge zwischen den einzelnen Formen vorkommen. Ich will indess nicht den Versuch machen, zu den schon so zahlreichen Benennungen eine nene hinzuzufügen, die sich vielleicht ebenso wenig bewähren würde. Um noch einmal auf die beiden letzten Fälle zurückzukommen, so sind Ge- schwülste der ersten Art vielleicht früher als Cystosarkome, Cystocareinome, papilläre Kystome beschrieben worden; es wäre fruchtlos, in älteren Beschreibungen analoge Beobachtungen aufsuchen zu wollen, da das makroskopische Verhalten gerade hier zu den bedenklichsten Irrthümern Anlass geben kann. So können unter den vielfachen Wucherungen, welche Rokitansky an der Innenfläche von Cysten be- schreibt, wohl auch ähnliche verborgen gewesen sein. Der Habitus der Geschwulst- masse hat viel Aehnlichkeit — abgesehen von der cystischen Beschaffenheit der grossen Geschwulst — mit manchen Tumoren aus der Augenhöhle oder dem Ober- kiefer, bei welchen ebenfalls eine papilläre Anordnung der Geschwulstmasse, indess in der Regel weit umfangreichere hyaline Degeneration vorkommt. Prognostisch ist diese Verwandtschaft in sofern wichtig, als jene Geschwülste sich bekanntlich durch grosse Recidiv-Fähigkeit auszeichnen; auch in unserem Falle fand sich an den Fim- brien eine kleine offenbar durch Dissemination entstandene metastatische Geschwulst vor, doch ist die Patientin seit der Exstirpation bis jetzt gesund geblieben. Was die Beziehung unseres zweiten Falles zu früher beobachteten betrifft, so ist die Aehnlichkeit der Zellenschläuche, namentlich in den jüngeren Theilen, mit den Zelleneylindern und Schläuchen der sogenannten Cylindrome in die Augen springend.*) Indess kenne ich keine Beobachtung, welche der unserigen vollkommen an die Seite zu stellen wäre. Es kommen wohl derartige Zelleneylinder als Theile anderer Geschwülste vor, doch wird die Hauptmasse in den meisten hierhergehörigen *) Ich kann dies aus eigener Anschauung versichern, da ich mich eingehend mit der Untersuchung eines bisher nicht veröffentlichten wohl charakterisirten Falles von Cylindrom aus dem Antrum Highmori (1874 durch Geh. Rath Wilms in Bethanien, Berlin, exstirpirt) beschäftigt habe, und auch seitdem mehr- fach in der Lage gewesen bin, ähnliche Geschwiülste zu untersuchen. Ab. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 3. If. 38 Fällen bereits in sehr trüher Zeit durch hyaline Degeneration der Zellen verändert, durch welche die Zellschläuche in unregelmässige Haufen mit netzförmiger Beschaf- fenheit verwandelt werden. Diese Entartung der Zellen fehlt hier vollständig, so dass der ursprüngliche Oharakter der Geschwulst — gewissermassen als „tubulöses Endotheliom“ (Schlauchsarkom Friedreich’s) — nicht verändert wurde. Wohl ist dagegen die hyaline Degeneration an vielen Stellen des bindegewe- bigen Gerüstes, der Tunicae propriae der Schläuche eingetreten, und auch die so veränderten Stellen haben ganz die Beschaffenheit, wie man sie bei den sogenannten Cylindromen findet. (Beiläufig bemerkt, handelt es sich in diesem Falle nicht um hyaline Degeneration von Gefässwandungen). Gerade das gleichzeitige Auftreten der Degeneration in dem Bindegewebe und in den zelligen Theilen hat in früheren Fällen sehr dazu beigetragen, den wahren Sachverhalt zu verdunkeln. Einige Stellen der Geschwulst erinnern durch diese Umwandlung des Bindegewebes an die Formen, welche Meekel'), später auch Friedreich?) und Tommasi?) abbildeten. Bei dieser Gelegenheit sei erwähnt, dass die hyalinen, anscheinend kugeligen Gebilde, welche sich im Inneren einiger Schläuche finden (Fig. 13.), in unserem Falle, wie ge- sagt, nur Durchschnitte von hyalin degenerirten Bindegewebskolben darstellen, welche auf den ersten Blick sehr den hyalinen Kugeln gleichen können, die aus einer Um- wandlung der Zellen hervorgehen. In Bezug auf früher am Ovarium beobachtete Neubildungen muss hervorge- hoben werden, dass vielleicht einige sogenannte Adenome oder Carcinome that- sächlich hierhergehören. Namentlich scheint der von Mayweg*) beschriebene Fall von Oarcinoma (Adenoma?) cystoides mit unserem letzten, abgesehen von der gleichzeitigen Entwickelung umfangreicher Erweichungscysten, sehr übereinzustimmen. Die ziemlich derben Krebsknoten, welche scharf von dem umliegenden Gewebe getrennt waren, zeigten ein sehr dünntaseriges Maschenwerk, dessen fast kreisrunde Maschen mit einer grossen Menge kleiner Zellen ausgefüllt waren. „In kleineren Knoten gelang es zuweilen, an der Peripherie lange röhrenförmige Gebilde aufzufinden, die theils parallel neben einander lagen, theils sich mehrfach kreuzten. Die einzelnen Röhren hatten eine hyaline doppelt-conturirte Membran und 1) Charite-Annalen Berlin 1856. 2) Virchow’s Archiv Bd. 27. 1863. p. 375. ®) Virchow’s Archiv Bd. 31. 1864. p. 111. Sl Se.Ep.2A7. un > waren ganz mit kleinen Zellen ausgefüllt (Fig. 3). Solche Stellen, wo man mit blossem Auge noch eben eine Veränderung erkennen konnte, bestanden zum grössten Theil aus kleinen schlauchartigen Gebilden, an "denen man eine hyaline doppelt - conturirte Membran, und mehrere grosse Zellen, die derselben aufsassen, erkennen konnte.“ Die abgebildeten Schläuche sind offenbar den unserigen sehr ähnlich, nament- lieh in Bezug auf die hyalinen Säume, während die Natur der Zellen weder aus der Beschreibung noch aus der Abbildung hinreichend klar ist. Jedenfalls scheinen es keine Cylinderzellen gewesen zu sein, welche nach der Beschreibung von Rindtleisch!) und von Klebs°), in den tubulösen Drüsencareinomen vorkommen, Nur in dem: sog. Fibro-Adenom beobachtete Klebs°) ein Netzwerk aus Kanälen, welche mit kleinen Rundzellen gefüllt waren. Von besonderem Interesse ist der Umstand, dass die Geschwulst in unserem Falle sich in einer Hernie des Eierstockes entwickelt hat, gewissermassen analog der Ge- schwulstbildung in den sog. Leistenhoden. Beim Ovarium scheint eine solche nicht sehr häufig zu sein, wenigstens fand sich das Ovarium unter 38 Fällen, welche Eng- lisch*) zusammenstellt, 15 mal normal, 17 mal entzündet, 5mal eystenartig, und nur einmal „krebsig“ (bei emem Kinde von 3 Jahren; die von Guersant veröffentlichte Beobachtung ist mir leider nicht zugänglich). Aus derselben Zusammenstellung geht hervor, dass auch die mangelhafte Ausbildung der übrigen Genitalien, wie sie sich in unserem Falle vorfand, nicht selten bei Ovarialhernie beobachtet wurde. Der Autor knüpft daran die treffende Bemerkung, dass die Zeit der Entstehung in diesen Fällen in eine sehr frühe Embryonalperiode zurückreicht, „in welcher zwar die angelegte Geschlechtsdrüse sich dem weiblichen Geschlechte gemäss weiter entwickelt, die Mül- ler'schen und Wolff’schen Gänge aber den Typus des männlichen Geschlechts ein- schlagen, und die weiteren Vorgänge der Dislocation dem letzten Typus gemäss erfolgen. _ Es liegt dieser Entstehung eine Annäherung an den männlichen Typus zu Grunde, was theilweise schon äusserlich im ganzen Aussehen solcher Kranker bemerkbar. ist“. Es war anfangs sehr verlockend, noch einen Schritt weiter zu gehen, und bei einer in sehr früher Zeit auftretenden Missbildung an die Entwickelung eines — wenn 1) Lehrbuch der Path. Histol. 1878. p. 472. 2) Handbuch I. p. 810, wo für Cylinderzellen jedenfalls verdruckt „Spindelzellen“ steht. 3) Ebenda, pag. 797. 4) Wiener medie. Jahrbücher 1871. p. 335. He - auch pathologischen — tubulösen Organs an Stelle eines normalen Ovarium zu denken, indess ergiebt die Untersuchung der Geschwulst, ausser der oberflächlichen Aehnlichkeit, nichts, was für einen solchen „Hermaphroditismus“ spricht. Zum Schlusse fasse ich die Hauptergebnisse dieser Arbeit folgendermassen zusammen. 1. Die sogenannten „papillären Kystome“ der Ovarien sind von den Adeno-Kystomen zu trennen. Sie bilden eine besondere Geschwulstform, welche wahrscheinlich eine analoge Entstehung besitzt, aber in ihrer weiteren Entwickelung von den Adeno-Kystomen abweicht. Die papillären Kystome tragen an ihrer Innen- ‘ fläche zum Theil Flimmerepithel, welches in ein sehr polymorphes Epithel übergehen kann. An den Zellen des Flimmerepithels lässt sich zuweilen eine T'heilung in horizontaler Richtung nachweisen. Die Cystenflüssigkeit dieser Geschwülste zeichnet sich durch Mangel, oder sehr geringen Gehalt an Paralbumin aus. Die papillären Kystome sind fähig, Metastasen zu bilden, und können ebenso wie andere Ovarialgeschwilste careinomatös werden. Prognostisch sind dieselben ungünstiger als die Adeno-Kystome. 2. Es giebt ein papilläres Careinom, dessen Epithel von dem Oberflächen- Epithel des Ovarium abstammt. Dasselbe entwickelt sich aus Papillarwucherungen, welche wahrscheinlich in Folge von chronischer Oophoritis an der Oberfläche der Ovarien entstehen. 2, Viele papilläre Geschwülste der Ovarien, namentlich die papillären Kystome sind ausgezeichnet durch ihren Reichthum an concentrisch geschichteten Kalkkörpern. 4. Es giebt eine eystisch-papilläre Geschwulst der Ovarien, welche von den Endothelien der Lymphgefässe abstammt. 5. Es giebt eine tubulöse Geschwulstform der Ovarien, deren Zellen höchst wahrscheinlich ebenfalls endothelialer Herkunft sind. 6. Die Geschwülste endothelialer Herkunft sind von den Sarkomen zu trennen. Erklärung der Abbildungen. Fig. 1 a. Das rechte Ovarium von Fall4 mit den Papillargesehwülsten der Oberfläche. Natürl. Gr. b. Tuba, nach vorn umgeschlagen. ce. Ligam. rotundum. Fig. 2. Schnitt aus dem careinomatösen Omentum majus desselben Falles. a. Alveolen, welche mit Cylinderepithel ausgekleidet, und z. Th. durch unregelmässige Zell- wucherung gefüllt sind. Seibert V. 1. b. Kalkkörper. Fig. 3. Diekendurchschnitt der Wand einer der grossen Cysten von F. 1. Seibert 0. 1. a. Die innere zellenreiche Wucherungsschicht mit den hier nur wenig entwickelten Papillen. b b. Gefässdurchsehnitte, darunter grössere Venen. b‘ b‘. Arterien. e e. Räume, welehe mit Epithel ausgekleidet sind, das hier aus platten Zellen besteht. d d. Kalkkörper, in diesem 'T’heil der Wand ungewöhnlich sparsam. e. Cylindrisches Epithel an der Oberfläche, stellenweise flimmernd. Fig. 4. Schnitt aus einem Geschwulstknoten an der Oberfläche des Diaphragma von F. 2. Seibert ILL. 1. a. Alveoläre Räume — kleine Cysten, welche mit stellenweise körnigem colloiden Inhalt gefüllt, und mit cylindrischem, tbeilweise Cilien tragenden Epithel (b.) ausgekleidet sind. e. Lymphdrüsengewebe. d. Ein coneentrisch geschichtetes, unregelmässig gestaltetes, entkalktes Conerement. e. Stärkere Bindegewebszüge. Fig. 5. Flimmerzellen von Fall 1. a. Zelle mit abgerissenem Fuss; der Kern seitlich verbreitert. b, e. Zellen mit eingeschnürtem Kern und zwei Kernkörperchen. d. Zelle mit zwei anscheinend soeben getheilten Kermnen.. e. Zelle mit zwei Kernen. i f. Zwei Zellen, welche anscheinend aus einer hervorgegangen sind. g, bh. Zwei vollständige Zellen, mit Fuss. Fig. 6. Durchschnitt des kleineren Tumor von Fall 5. Natürl. Gr. a. Die blätterige Geschwulstmasse. b. Grössere Spalten, welche von papillärer Geschwulstmasse ausgefüllt sind. ce. Durchscheinende, mit klarem Inhalt gefüllte Cyste. d. Cystische Hervorragung an der Oberfläche. 38* 292 e. Feste Geschwulstknoten an der Oberfläche. f. Tuba. Fig. 7. Einige Lymphspalten mit gewuchertem Endothel, aus der fibrösen Wand des grösseren Tumor in der Nähe eines soliden Knotens. Seibert III. 1. a. Endothel von annähernd normaler Dicke. a!. Kolbige Wucherungen, welche in das Lumen hineinragen. b. Brückenförmige Verbindung (vielleicht nnr ein Stück der seitlichen, dureli den Schnitt ent- fernten Wand). e e. Hyalin degenerirte Kerne. d. Freier, durch Retraetion entstandener Spaltraum. e. Kernreiches Bindegewebe. f. Gefäss mit Blutkörperchen. Fig. 8. Netzförmige Zellstränge, aus einem der festeren. Theile der grossen Geschwulst. Seibert IIL. 1. a. Zellstränge. c. Hyaline Blasen. e. Myxomatöses Bindegewebe, kolbige Wucherungen bildend. f. Gefäss. Fig. 9. Eine der Zellen - Rosetten mit radienförmig faseriger Mitte (a). b. Peripherische, den Drüsen - Acinis ähnliche Zellhaufen. e. Hyaline Räume, d. Fibrilläres Bindegewebe mit länglichen Kernen. Fig. 10. Einige Zellschläuche von Fall 6 von der gewöhnlichen Beschaffenheit. Bei a hat sich der Inhalt eines im (uerschnitt getroffenen Schlauches etwas von der Wand zurückgezogen. b. Spärliches fibrilläres Bindegewebe mit einzelnen Zellen, welches zwei Gruppen von Schläu- chen von einander trennt, c. Ein Schlaueh mit nicht ganz vollständigem Inhalt, an welchem sich die eigenthümliche An- ordnung der Zellen erkennen lässt. Seibert V. 1. Fig. 11. Einige gewundene Zellschläuche mit hyaliner Degeneration der Wandung, der zellige Inhalt etwas zusammengedrängt. Seibert V. 1. Fig. 12. Hyalines Balkenwerk, welches eine weitere Entwickelung des vorigen Stadiums darstellt. Zellige und hyaline Balken durchflechten sich mit einander. Seibert II. 1. Fig. 15. Unregelmässig gestaltete Zellschläuche mit dieker Wandung; an einigen derselben sieht man kolbige Vorsprünge der letzteren, ursprünglich Faltungen der hyalinen Wand. Zwischen den Schläu- chen findet sich sehr spärliches, anscheinend schleimiges Bindegewebe. Fr & Abhandlungen der naturf. Gesellschaft zu Halle %s. Bd.XW. Tafl. Dr. Felix Marthana del. s Druckv Aug Kürth Leipzig. Abhandlungen der natunf. Gesellschaft zu alle Ys.Ba.XV. Br ee Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trematoden von Dr. E. ©. Taschenberg. Mit 2 "Tafeln. Abh. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 3, Hft. sr 19a ng Ben dere > ’& ‘ ee. er PZ mie Nachstehende Untersuchungen über marine ectoparasitische Trematoden sind im Winter 1877 und im Frühjahr 1878 in der zoologischen Station von Neapel angestellt worden. Sie gingen von den beiden Tristomum-Arten aus, welche den Anfang meiner Beiträge zur Kenntniss dieser Parasiten bilden, und erstreckten sich noch auf einige andere Formen, über welche in späteren Berichten gehandelt wer- den soll. Obgleich es mein Bestreben war, die ectoparasitische Trematodenfauna des Golfes von Neapel möglichst vollständig in das Bereich meiner Untersuchungen zu ziehen, so stellten sich dieser Absicht doch so erhebliche Schwierigkeiten in den Weg, dass sie nur in sehr geringem Grade verwirklicht werden konnte. Es darf nicht bezweifelt werden, dass sich an den Fischen des Golfes eine viel grössere An- zahl hierher gehöriger Formen findet, als sie mir zur Verfügung stand. Doch da man darauf angewiesen ist, auf dem Fischmarkte sein Material zu suchen, so hat man zunächst die Vorurtheile der Fischer zu beseitigen, um über- haupt ihre Waare darauf untersuchen zu können. Dann findet man vielfach todte und zur Untersuchung unbrauchbare Thiere an den Kiemen oder man sucht oft wochenlang vergeblich nach einem bestimmten Fische, welcher einmal Ausbeute ge- liefert hatte. Schliesslich ist zu berücksichtigen, dass eine ganze Anzahl gerade solcher Fischarten, auf welchen nach früheren Beobachtungen Trematoden schmarotzen, zu den geschätzten und mithin theneren Essfischen gehört, weshalb sie kaum der Untersuchung zugänglich sind. Die von mir aufgefundenen ectoparasitischen Formen sind folgende: Tristomum eoccineum Cuv. und Tr. papillosum Dies. an den Kiemen von Xiphias gladius. Tr. Pelamydis m. an den Kiemen von Pelamys sarda. Pseudocotyle Squatinae H. u. Ben. an der Haut von Squatina angelus. Calicotyle Kroyeri Dies. in der Kloake von Raja. Onchoeotyle appendiculata Kuhn an den Kiemen verschiedener Haie. Pleurocotyle Scombri Gerv. et Bened. an den Kiemen von Scomber colias. Octobo- thrium Scombri Kuhn ebendaher. Monocotyle Myliobatis m. an den Kiemen von Myliobates aquila. — Von diesen habe ich auch nicht alle einer eingehenderen Untersuchung wegen Mangel an Material unterziehen können. 39* en Was die Untersuchungsmethoden anlangt, so sei nur erwähnt, dass die Thiere zunächst lebend, dann aut (Quetschpräparaten, sowie auf @uer-, Längs- und Flächen- schnitten. beobachtet wurden. Zur Härtung diente Alkohol, Schwefelpikrin- und Chromsäure, zur Färbung Pikrokarmin und die vortreffliche Kleinenberg’sche Häma- toxilinlösung. Die Zeichnungen sind sämmtlich mit der Oberhäuser’schen Camera lueida und einem Hartnack’schen Mikroskope entworfen worden. 1. Tristomum coceineum Cuv. und Tr. papillosum Dies. 1. Aeussere Beschreibung. An den Kiemen des Schwertfisches leben zwei Arten der Gattung T'ristomum, welche als 'T'r. eoceineum Ouv. ') und Tr. papillosum Dies. *) beschrieben worden sind. Sie sind einander sehr ähnlich und von den verschiedenen Forschern, welche sie zum Gegenstande ihrer Untersuchungen gemacht haben, nicht immer richtig erkannt worden. So hat Blanchard°) seine Beobachtungen angeblich an Tr. coccineum an- gestellt, während aus seiner Beschreibung und Abbildung deutlich hervorgeht, dass er Tr. papillosum Dies. vor sich gehabt hat, welche Art auch die gewöhnlichere zu sein scheint. Die entscheidenden Kriterien für diese beiden Arten beruhen aut der Form des Körpers und der Beschaffenheit seiner Oberfläche. Tr. coceineum (Taf. I. tig. 1. u. 2.) ist fast ganz rund, scheibenförmig und auf der Oberfläche glatt, Zr. papillosum (Tat. II. fig. 4.) ist langgestreckt, hinten etwas erweitert (panduraeforme Diesing d.h. geigenförmig) und trägt zahlreiche, sogleich in die Augen fallende Papillen auf der Rückenseite, wo sie namentlich im hintern Abschnitte sehr dicht stehen. *) 1) Cuvier, Regne animal 1817. Tom. IV. p. 62. Pl. XV. fig. 10 et nouv. edit. Zoophytes Pl. XXXNVI. bis fig. 1. ®) Diesing, Nov. Act. Nat. Cur. XVII. 1. p. 314. Tab. XV. fig. 13—18. 3) Blanchard, Recherches sur l’organisation des Vers, Annal. d. Sciences natur. 3. Ser. VIII. 1847. p. 321. #) Blanchard (l. e. p. 324) sagt sehr irrthümlich von diesen Papillen: “Ces tubereules, qui se presentent sous la forme de vesicules sont terminds par une petite point. Quand on les exprime, on en fait sortir un peu de matiere liquide’. Baer, Wenn Diesing für erstere Art angibt, dass das hintere Körperende im Unter- schiede zur andern Art nicht ausgerandet sei, so beruht dies auf einem Irrthume. Der grosse unpaare Saugnapf liegt auf der Bauchseite und ragt nirgends über die Seitenränder hervor (während er bei den meisten anderen Arten dieser Gattung die Fortsetzung des hinteren Leibesendes bildet). Er ist becherförmig, 4 mm. im Durchmesser; der Rand von einem diinnen, etwas gekerbten Saume umgeben. Er gleicht einem Rade mit 7 Speichen, indem von einer centralen kreisförmigen Figur sieben peripherische Leisten ausstrahlen. Am hinteren Ende der ersteren beschreibt zuerst Kölliker') bei Tr. papillosum zwei divergirend gestellte, in die Muskulatur eingeführte Häkchen. Dieselben finden sich sonst bei keinem der Autoren erwähnt, sind aber bei einiger Aufmerksamkeit kaum zu übersehen und kommen in gleicher Weise auch bei Tr. coceineum vor. (Tat. Il. fig. 8.) Ausserdem sind aber noch andere Hautgebilde zu berücksichtigen, die bisher nur von Tr. papillosum näher angegeben worden sind (Blanchard hat, wie erwähnt, auch diese Art und nicht Tr. eoceineum untersucht). In seiner ersten Beschreibung von Tr. papillosum erwähnt Diesing”’) am Rückenrande quere, elliptische Erhöhungen, in welchen sich 3-4 in einer Reihe liegende, dunkelbraune, fast kreisrunde Vertiefungen befinden. Grube’) fand auf Sicilien ein Tristomum, welches er mit dem von Diesing beschriebenen für identisch hält. Die eben erwähnten Vertiefungen aber erklärt er für „wahre, nur äusserst kurze Stacheln“, von denen er auch einige herauspräparirt hat. Er hat jederseits 30 solcher Stachelkämme gezählt und bemerkt, er würde das hier, wenn es nicht schon von Diesing beschrieben sei, wegen dieser merkwürdigen Bewaffnung Tr. aculeatum genannt haben. Die nämlichen Gebilde beschreibt auch Kölliker*), ohne der Grube'schen Untersuchung Erwähnung zu thun, in folgender Weise: „Es sitzen ganz am Rande der Rückenfläche jederseits 30-50 längliche, quer gestellte Wülste, einer hinter dem 1) Kölliker, Berichte von der kgl. Zootom. Anstalt in Würzburg. II. Bericht 1849. p. 22. 2) Diesing |. c. p. 314. Er fügt hinzu: „— soeben bemerke ich nun auch am Rande der Rückenfläche von Tr. eoceineum ganz kleine kreisrunde Erhöhungen mit einem schwarzbraunen Punkte in der Mitte, die ohne bestimmte Ordnung, ziemlich nahe an einander liegend, am Rande vertheilt sind.“ 3) Grube, Actinien, Echinodermen und Würmer des adriatischen und Mittelmeeres. Königsberg 1840. p. 49. 4) Kölliker I. c. p. 22. andern, an deren Oberfläche vorn ein oder zwei, weiter hinten drei und selbst vier kleine runde Oeffnungen sichtbar werden. Untersucht man eine solche Oeffnung genauer, so findet man, dass sie am Rande leicht gekerbt ist, und im eine etwas ge- räumigere geschlossene Höhlung führt, an deren Wandung eine der Längsachse des Thieres parallel gestellte festere Platte sitzt. Diese Platte, welche ihrer Unlöslichkeit in Salpetersäure wegen als hornig angesehen werden kann, ist von halbmondför- miger Gestalt, 0,006’ breit, 0,027’ lang, sitzt mit ihrem concaven Rande in der Wandung ihrer Höhlung fest und trägt am convexen Theile eine Anzahl (15—20) sehr spitzer Zähne, von denen die äussersten die längsten sind.“ Wenn Diesing diese Gebilde als Athemlöcher oder Stigmata auffasst'), so ist Kölliker geneigt, sie für Bewegungsorgane zu halten. Blanchard?) sagt von seiner Art: ‘Tout le long du bord marginal on observe encore une serie de tubercules, mais disposes iei beaucoup plus regulierement et offrant chacun trois ou quatre petites pointes obtuses d’apparence cornee. Leuckart?) endlich bemerkt: „Bei Tr. coceineum besetzt sich der Seiten- rand des Körpers mit einer Menge querer Borstenreihen, wie wir das sonst blos bei den sog, Ohaetopoden zu finden gewohnt sind. Diese Borsten sind dieselben Gebilde, die von früheren Beobachtern als Stigmata in Anspruch genommen wurden.“ Wir haben es in diesen Gebilden, die, wie wir sahen, in der verschiedensten Weise gedeutet worden sind, mit Chitinkörpern zu thun, welche in der Haut des Thieres eingelagert sind und wahrscheinlich zum Festhalten des Parasiten beitragen. Sie finden sich sowol bei Tr. papillosum wie bei Tr. coccineum, jedoch in anderer, für jede Art charakteristischer Weise. Bei Tr. coceineum ist der ganze Seitenrand des 'Thieres auf der Rückenfläche mit dicht an einander stehenden Querreihen besetzt, deren jede in der Regel sieben kleine Chitinkörperchen enthält, welche dem unbewaffneten Auge wie schwarze Punkte erscheinen. (Taf. I. fig. 1u. 2.) Bei Tr. papillosum dagegen finden sich viel grössere Chitingebilde von hellbrauner Farbe, deren zwei oder drei neben einander liegen. Diese Reihen stehen bei weitem nicht so dicht, wie bei der andern Art; man zählt !) Es heisst bei Diesing: „Vergleichen wir die unterhalb dieser Stelle — nämlich wo die Erhöhungen stehen — befindlichen Organe, so erscheinen hier die Endigungen des verzweigten Darmkanals, und wir halten es nicht für zu gewagt, diese Organe für Athemlöcher (Stigmata) zu halten.“ 2). ec. p. 323. >) Leuekart, Menschliche Parasiten I. p. 450. — 299 —— jederseits etwa 40. Die Form dieser Körper ist nicht bei allen dieselbe. Es finden sich einspitzige, zweispitzige und solche, die am äusseren oberen Rande kammförmig gezähnt sind. (Taf. I. fig. 5... Die äussersten ragen gewöhnlich über den Seiten- rand hervor. Die lebenden T'hiere sind roth von Farbe, eine Folge des aus den Kiemen aufgenommenen Blutes. Die Länge des grössten mir zur Verfügung stehenden Exemplars von Tr. coceineum beträgt 17 mm. bei einer grössten Breite von 19 mm. Für Tr. papillosum sind diese Masse 15 und 12 mm. Die beiden in Rede stehenden Arten sind aus den Kiemen von Xiphias gladius, Tetrapturus belone und Orthagoriscus mola bekannt. Aus dem Mondfische ist ausser- dem noch eine andere Art, Tr. Molae Blauch. beschrieben. Ob sie von einer der beiden anderen wirklich verschieden ist, kann ich leider nicht entscheiden, da mir von diesem Wirthe nie ein Parasit zur Untersuchung vorgelegen hat. ') 2. Haut. Wie bei allen Trematoden und ebenso den nahe verwandten Cestoden, so besteht auch bei unserm Tristomum die Haut aus zwei Schichten, die als Cutieula und Subeuticula unterschieden werden und unserer Ansicht nach mit der Epidermis anderer Thiere auf gleiche Stufe zu stellen sind. Der gleichen Ansicht sind indess nicht alle Zoologen. So vertritt bekannt- lich Schneider?) eine andere Auffassung, indem er den Tremadoten und Oestoden ein äusseres Epithel überhaupt abspricht und die Cutieula, welche den Körper zu äusserst überzieht, mit der Basementmembran, die bei den Turbellarien zwischen der Muscularis und Epithelschicht liegt, in Vergleich stellt. Es ist nach seiner Auf- fassung das Larvenepithel beim ausgebildeten Thiere verloren gegangen. Eine noch andere Ansicht über das Epithel dieser Würmer ;hat Minot’) geäussert. Er will bei Taenia, Bothriocephalus und Caryophyllaeus eine Schicht, in !) Neben der typischen Gattung Tristomum sind von verschiedenen Autoren noch eine Anzahl anderer Gattungen aufgestellt worden, die sich indess kaum scharf diagnosiren lassen und daher von mir zu ersterer als Synonyma gezogen worden sind. Vergl. Taschenberg, Helminthologisches. Zeitschr. f. d. ges. Naturwissensch. von Giebel 1878. p. 562. 2) Schneider, Untersuchungen über Plathelminthen. XIV. Bericht d. Oberhessischen Gesell- schaft f. Natur- u. Heilkunde. Giessen 1873. p. 69. 3) Minot, Studien an 'Turbellarien. Arbeiten aus dem zoolog.- zoot. Institut in Würzburg. III. 1876— 77. p. 456. — a welcher er einige Male deutliche Cylinderzellen gefunden, ausserhalb der sog. Cuticula entdeckt haben. „Die Zellenschicht ist die wahre Epidermis, auf ihr liegt eine äusserst dünne Outieula und die angebliche, faserige Cuticula auct. ist die Basilarmembran.“ !) Dazu stimmen nun freilich die Beobachtungen Anderer schlecht, welche, wie Sommer und Landois?), Schiefferdeeker?) und Steudener) die Cuticula der Öestoden von Porenkanälen durchsetztfanden, aus denen Fortsätze der darunter gelegenen pallisadenartig gestellten Zellen in Gestalt von feinen Protoplasmacilien hervorragten. Eine von Porenkanälen durchsetzte Basilarmembran ist aber wol nicht gut denkbar, eben so wenig, dass über oder zwischen jenen Cilien noch Cylinderzellen liegen sollen, die meist ‘verloren gehen und sich so der Beobachtung entziehen. Die Minot’sche Beobachtung beruht daher wol aut einem Irrthume °), und ich sehe es für die Cestoden als zweifellos an, dass die Subeuticularschicht, die aus langgestreckten, schmalen, kegelförmigen Zellen besteht, die wahre Epidermis ist. Dafür spricht auch die Anwesenheit von Becherzellen innerhalb derselben, wie sie Steudener*) bei einigen Taenien aufgefunden hat. 1) Verfasser erklärt ferner, dass die Angaben von einer dieken Cuticula (d.h. seiner Basilar- wmembran) auf schräg gefallenen Schnitten dureh die Epidermis beruhen, welch letztere wegen ihrer un- regelmässigen Faltenbildung selten senkrecht getroffen werde. Wenn dies auch in gewissen Fällen denk- bar ist, so lassen sich doch aueb senkrechte Schnitte machen, die eine solche Irrung völlig ausschliessen. Ueberdies lehrt ein Schnitt durch Ligula oder den Scolex eines Tetrarhynchus, dass in der That die Cutieula eine sehr beträchtliche Dicke erreichen kann. ?2) Sommer und Landois, Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus Bremser. Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. XXI. p. 47. 3) Schiefferdeeker, Beiträge zur Kenntniss des feineren Baues der T’aenien. Jenaische Zeitschrift f. Naturwissenschaft VIII. 1874. p. 461. 4) Steudener, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Abhandl. d. naturforsch. Gesellschaft zu Halle XIII. 1877. p. 7. 5) Vielleicht liegen hier ähnliche Verhältnisse vor, wie sie Max Schultze veranlassten, die losge- lösten Cutieularfetzen bei Turbellarien als „Schüppehen“ zu beschreiben, die dann auch von Anderen für die Integumentzellen selbst gehalten wurden. Nachträglicher Zusatz: Minot hält auch in einer neueren Arbeit (On Distomum erassicolle with brief notes on Huxley’s proposed classification of wormes. Memoirs of the Boston soe. of nat. Hist. Vol. III. 1879) an der früheren Auffassung fest, dass die Cutieula der Autoren eine Basementmembran sei. 6) Steudener |. e. p. 9 und Abbildungen. — 301 — Bei unserm Tristomum nun findet sich eine ziemlich dicke (0,003 mm.), durch- aus homogene Cuticula, in welcher es mir nie gelungen ist, Porenkanäle nachzuweisen. Es kann uns dieser Mangel übrigens nicht wunderbar erscheinen, wenn wir bedenken, dass unsere T'hiere einen wol ausgebildeten Darmkanal besitzen, während die Cesto- den ihre Nahrung durch die Haut aufzunehmen genöthigt sind (worin ihnen die aus den Porenkanälen hervorragenden Plasmafortsätze der Matrixzellen sehr förderlich sein mögen). Die Cuticula folgt der Körperoberfläche an der Mund- und den Geschlechts- öffnuungen nach innen und kleidet somit den Pharynx und die ersten Leitungswege der Geschlechtsorgane aus. Die unter der Cutieula gelegene Subeuticularschicht trägt den zelligen Charakter in viel geringerem Grade an sich als bei den Cestoden. Leuckart') spricht von einer im allgemeinen „schwachen und undentlich begrenzten Körnerschicht,“ die indess in einzelnen Fällen eine entschieden zellige Be- schaffenheit zeige. Dies ist nach Leuckart gerade bei unserm Tristomum der Fall ?). Ich kann diese Beobachtung in gewissem Sinne bestätigen. Die Subeuticularschicht besteht bei diesem 'T'hiere im wesentlichen aus einer feinkörnigen protoplasmatischen Substanz, die keine regelmässigen Zellenabgrenzun- gen erkennen lässt. Wol aber finden sich hie und da, namentlich im den Papillen, zu welchen sich — wie oben erwähnt — bei Tr. papillosum die Haut auf der Rücken- fläche erhebt, kleine runde Kerne mit einem dunkleren Kernkörperchen oder auch letztere allein. (Taf. II. fig. 7.) In ganz ähnlicher Weise finden sich die Verhältnisse bei Amphilina foliacea wieder, von der Salensky°) u. a. sagt: „Es steht fest, dass in der Hautschicht überhaupt keine zelligen Elemente als gesonderte Zellen mit Kernen zum Vorschein treten, man trifft nur die Kerne mit eingeschlossenen Kernkörperchen.“ Ganz wie bei Amphilima finden sich nun auch bei Tristomum in der Subentieularschicht eine ') Leuckart, Menschliche Parasiten I. p. 455. 2) Auch Blumberg (Ueber den Bau des Amphistomum conieum. Inaugural - Dissertation. Dorpat 1871) beschreibt bei Amphistomum conicum ein regelmässiges Cylinderepithel und erwähnt in der Öntieula auch Porenkanäle. 3) Salensky, Ueber den Bau und die Entwicklungsgeschichte der Amphilina. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XNXIV. p. 300. Abh. der naturf, Ges, zu Halle. XIV, 5. Hit. 40 — 302 —— Menge feinster Fibrillen, die theilweisse mit Sicherheit als die letzten Endigungen der dorsoventral verlaufenden Parenchymmuskeln — wovon später — erkannt werden, zum andern Theil aber wol mit Recht als Reste oder Modificationen der ursprünglich vorhandenen Epidermiszellen, von denen nur die Kerne noch deutlich zu erkennen sind, angesehen werden dürfen. Ob nun die Uutieula in einer Zeit gebildet wird, wo die /darunterliegende Schicht noch einen deutlich zelligen Charakter zeigt, oder ob auch jene vorhin be- schriebene feingranulirte Masse eine solche abscheiden kann — das muss dahin ge- stellt bleiben; in jedem Falle erkenne ich in der Subeutieularschicht die Bildnerin der Cutieula und die Vertreterin einer wahren Epidermis. Als Hautgebilde haben wir bereits oben stachelartige Chitinkörper kennen gelernt, die sogar in ihrer verschiedenen Ausbildung bei Tr. eoceineum und Tr. papillosum als Unterscheidungsmerkmale benutzt werden können '). Bei letzterer Art, wo sie eine beträchtlichere Grösse erreichen, sind sie deut- lich geschichtet und im Innern hohl. Mit etwas verbreiterter Basis sitzen sie in der Subeutieularschicht und werden von feinen Muskelzügen umgeben, so dass sie wahrscheinlich von dem Thiere in verschiedene Stellungen gebracht werden können. Wir nahmen bereits oben diese Gebilde als Anhaftungsorgane in Anspruch; vielleicht dienen sie auch dazu, die Kiemen zu verwunden und so dem T'hiere das Blutsaugen zu erleichtern. Hierher gehören auch die mannigfachen Chitinbewaffnungen, die sich bei den Trematoden in Verbindung mit dem vordern Körperende, mit den Saugnäpfen oder den Geschlechtsöffnungen finden. Bei Tristomum lernten wir in dem grossen Bauch- saugnapfe zwei sehr kleine, stiftartige Gebilde kennen. (Taf. II. fig. 8.) Alle diese Haftorgane, wie Stacheln und Haken, {die bei den verschiedenen Saugwürmern in so verschiedener Form auftreten, sind Bildungen der Subeuticu- larschicht. Auch hierin, meine ich, ist ein Beweis zu finden, dass diese Gewebsschicht mit Recht der Epidermis anderer Thiere gleichgesetzt wird; denn wo wir nur immer 2 ähnlichen Hautgebilden begegnen, stets geht ihre Bildung von der Epidermis aus, 1) Aehnliche Gebilde sind neuerdings von Graff bei einer dendrocoelen 'Turbellarie beschrieben worden; vergl. Graff, Kurze Berichte über fortges etzte Turbellarienstudien I. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXX. Suppl. p. 461. — 303 — niemals aber vom Bindegewebe, als welches die Subeuticularschicht von einigen ange- sehen wird. — 3. Muskulatur, Wie bei den Trematoden ganz aligemein, haben wir auch bei unserm Thiere zwischen den Muskeln zu unterscheiden, welche unter der Subeutieulaturschicht ver- laufen und mit dieser einen Hautmuskelschlauch darstellen, und den sog. Paren- chymmuskeln sowie denjenigen, welche einzelnen Organen angehören. Die Muskeln des Hautmuskelschlauches sind von aussen nach innen sich folgend eine Ringfaser-, eine Längsfaser- und eine Diagonalfaserschicht, welche nicht in allen Theilen des Körpers in gleicher Mächtigkeit entwickelt sind. Eine bedeutende Ausbildung erreichen die Parenchymmuskeln, von denen es, wie bereits Leuckart') erwähnt, neben den regelmässig dorsoventral verlaufenden auch der Länge nach und diagonal angeordnete gibt, die zusammen ein zierliches Geflecht bilden. Die dorsoventralen Muskelzüge sind sehr zahlreich, wenn auch jeder einzelne eine nur unbedeutende Stärke besitzt. Sie durchsetzen den Hautmuskel- schlauch und endigen mit ihren feinen, oft pinselartig ausstrahlenden Fasern in der Subeutieularschicht (Taf. II. fig. 7.), genau wie bei Amphilina, was bereits hervorge- hoben wurde. Eine besondere Beachtung verdienen die Muskeln der Saugnäpfe, namentlich des grossen Bauchsaugnapfes, dem gegenüber die kleinen Mundsaugnäpfe sehr an Ausbildung und Leistungsfähigkeit zurücktreten. Der Bauchsaugnapf folgt in der Arordnung seiner Muskulatur den für die Trematoden im allgemeinen giltigen Gesetzen, welche Leuckart?) hervorhebt. Die mächtigsten Muskelzüge sind diejenigen, welche vom idealen Mittelpunkte des Saugnapfes peripheriewärts ausstrahlen und somit als Radiärfasern bezeichnet werden können. Sie sind zu einer grossen Anzahl von Bündeln in das Bindegewebe eingelagert, welches dadurch fast ganz zurücktritt. Dazu kommen weiter Muskelfasern, welche je eine dünne Schicht auf der innern und der äussern Fläche des Saugnapfes bilden, also cireulär verlaufen; von Leuckart Aequatorialfasern genamnt. 1) Leuckart, Menschliche Parasiten I. p. 461. ?2) Leuckart I. ec. p. 461. 40* 304 Auf dieselben folgen endlich noch Meridionalfasern, ebenfalls in eine äussere und innere Schicht gesondert. Wenn die genannten Muskelzüge den Saugnapf selbst zu verengern und zu erweitern bestimmt sind, dienen andere dazu, die Stellung desselben zum Körper zu verändern. Es sind dies, wie auch von Leuckart bereits angegeben, besonders stark ausgebildete Züge der dorsoventralen Parenchymmuskeln, die sich hier an den Saugnapf ausbreiten. Die viel kleineren Mundsaugnäpfe erscheinen deutlich als besonders entwickelte Theile des Hautmuskelschlauches, mit dem sie die Faserzüge gemeinsam haben. Dazu treten noch dorsoventrale Fasern, welche aber, besonders im Vergleich mit denjenigen des Bauchsaugnapfes, ausserordentlich schwach entwickelt sind. Dadurch tritt auch das Bindegewebe, in welches die Muskeln eingelagert sind, bedeutend her- vor. Es enthält eine grosse Menge von Zellen, die wahrscheinlich zum grösseren Theile als einzellige Drüschen zu deuten sind, wie sie von Blumberg') aus dem Saugnapfe von Amphistomum conieum beschrieben werden. Ihr Sekret dürfte dazu beitragen, den an sich schwachen Mundsaugnäpfen grössern Halt auf ihren Wirthen zu verleihen. Was die histologische Struktur der Muskeln anlangt, so wissen wir bereits durch Schwalbe?) und Leuckart °), dass dieselben bei den Trematoden langge- streckte kernlose Spindelzellen darstellen. Es ist mir auch bei Tristomum nicht gelungen, Kerne in den Muskelfasern aufzufinden. 4. Körperparenchym. Eine gesonderte Leibeshöhle existirt bei den Trematoden bekanntlich nicht, ihre Stelle wird von einer parenchymatösen Grundsubstanz vertreten, in welcher die einzelnen Organe des Körpers eingelagert sind, oft blose Lücken in ihr bildend. Diese Grundsubstanz besteht, wie bei allen Plathelminthen, aus Bindegewebe. Leucekart*) unterscheidet zwei Hauptmodifikationen desselben. Die eine ist durch die geringere Deutlichkeit der die Gewebe charakterisirenden Zellen ausge- zeichnet und erscheint als eine homogene, höchst feinkörnige, helle Substanz mit ") Blumberg l. e. p. 18. 2) Schwalbe, Ueber den feinern Bau der Muskelfaser wirbelloser Thiere. Archiv f. mikr. Anat. V. 1869. p. 205. ®») Leuckart l. e. p. 459. %) Leuckart, ]. ce. p. 457. 305 zahlreichen eingesprengten Kernen, die andere wird von einem grossblasigen Ge- webe gebildet. Anfangs glaubte ich mich dieser Ansicht auch für Tristomum anschliessen zu können, ja es schien mir, als wenn sich jene beiden von Leuckart angeführten Modi- fikationen neben einander und in einander übergehend nachweisen liessen. Man sieht nämlich an gewissen Stellen, namentlich unterkalb des Hautmuskel- schlauches, grosse zellenartige Gebilde, welche das Ansehen von Pflanzenzellen haben, wie es Leuckart für Distomum hepaticum besonders hervorhebt; an andern Stellen, und zwar mehr in der Mitte des Körpers erscheint ein fast gleichmässiges Protoplas- malager, in welchem kleine Kernchen eingebettet sind — Kernchen, die denen jener grossblasigen Zellen genau gleichen. Es würde demnach der Gedanke nahe liegen, dass das Körperparenchym ur- sprünglich aus grossen protoplasmahaltigen Zellen bestehe, die allmählich in einander fliessen und dann nur noch die Kerne erkennen lassen. Es wäre dies eine Beschaffenheit des Körperparenchyms, wie, sie vonSommer und Landois!) für Bothriocephalus latus geschildert wird. Im Laufe meiner Untersuchungen, die sich dann auch auf andere T'rematoden- formen erstreckten, bin ich indess zu einer andern Auffassung des Bindegewebes ge- langt, die in Uebereinstimmung mit dem entsprechenden Parenchym der übrigen Plathelminthen steht. Ich betrachte, um es gleich kurz zusammenzufassen, das Parenchym als em Bindegewebe, welches zu einem Maschenwerke entwickelt ist, in welcheın die ur- sprünglichen Bildungszellen theils noch vorhanden sind, theils aber nur an dem Protoplasma mit darin eingelagerten Kernen sich erkennen lassen. Jene grossblasigen, Pflanzenzellen ähnlichen Gebilde sehe ich nicht für eine von einer Membran umgebene Zelle an, sondern für eine Lücke im Bindegewebe, in welcher eine membranlose Zelle eingelagert ist. Hierzu veranlassen mich fol- gende Gründe. Die angebliche Zellmembran ist so scharf markirt, wie es sonst nicht der Fall zu sein pflegt. Oft sieht man ausserdem solche „Zellmembranen“ ohne Inhalt, d. h. man bemerkt eine kleine Lücke im Bindegewebe, welche gegen die Umgebung scharf abgegrenzt ist, und diese Grenze ist nichts anderes als die angebliche Zellmembran. 1) Sommer und Landois, Zeitschr. f. wiss. Zoolog. XXII. p. 49. Ira Zuweilen sieht man auch mehrere membranlose Zellen in einem solchen Hohl- raume liegen (Taf. II. fig. 9.) Wenn man nun ferner annehmen muss, dass die im Innern des Körpers gelegene feingranulirte Protoplasmasubstanz eine Zellenausschei- dung ist, so würde man, falls jene grossblasigen Zellen mit einer so scharf eonturirten Hülle umgeben wären, nicht einsehen können, wie das Protoplasma nach aussen ge- langt und jene Membran dem Blicke gänzlich entzogen würde. Aus diesen verschiedenen Gründen scheint mir die Auffassung richtiger, dass in einem Maschenwerke von Bindegewebsfasern und -platten membranlose Zellen gelegen sind, die ihr Protoplasma an gewissen Stellen vollständig in einander fliessen lassen und dadurch das Maschenwerk gewissermassen mit Plasma durchdrängen, in welchem dann nur noch die Zellkerne mit ihren Kernkörperchen hervortreten. Diese Auffassung gewinnt an Wahrscheinlichkeit auch noch dadurch, dass die soeben geschilderten Zellen nicht die einzigen sind, denen wir im Parenchym unseres Trematoden begegnen. Dieselben finden wir namentlich da im Körper, wo zahlreiche andere Organe die Hauptmasse bilden, so dass sie nur die Seitentheile einnehmen können. Im vor- dersten Theile des Thieres, wo die andern Organe sehr zurücktreten, finden wir eine etwas anders gestaltete Grundsubstanz. In einer bei schwacher Vergrösserung ganz homogen erscheinenden Masse liegen wiederum Zellen. Die einen sind nach dem Typus der oben betrachteten gebaut: es sind von wenig Protoplasma umgebene Kerne in einer Bindegewebslücke. Daneben liegen birn- oder spindelförmige Zellen, deren Protoplasma sehr grobkörnig ist, und die sich in einen bald längeren bald kürzeren Fortsatz ausziehen. Diese Fortsätze, deren eine Zelle zuweilen auch zwei aussendet, sind sehr zart, färben sich bei Anwendung von Tinktionsflüssigkeiten so gut wie nicht und erweisen sich von derselben Beschaffenheit wie die anscheinend homogene Grundsubstanz, wenn wir sie mit scharfen Vergrösserungen betrachten. Man erkennt sodann, dass dieselbe nicht ganz homogen ist, sondern aus einem ausserordentlich feinen Maschenwerke besteht, gebildet aus sehr zarten Fasern und ausgefüllt von Protoplasmasubstanz. Wir finden solche feine Fasern auch ohne Zusammenhang mit Zellen im Parenchym und sehen - endlich auch kleine Zellkerne mit einen kleinen Kernkörperchen in demselben liegen (Taf. I. fie. 9.). Aus diesen Einzelbefunden ziehen wir folgenden Schluss. Die mit Fortsätzen versehenen Zellen liefern auf Kosten ihres Protoplasmas das oben beschriebene feine asp Netzwerk mit dem protoplasmatischen Inhalte; ihre Kerne finden sich bisweilen in dieser Grundmasse noch erhalten. An andern Stellen gehen die Zellen keine solche Umwandlung ein, sondern bleiben in grösseren Lücken des Bindegewebes erhalten und haben dann das Aussehen von Pflanzenzellen. Eine ganz ähnliche Beschaffenheit des Bindegewebes, wie wir sie für die Trematoden in Anspruch nehmen, bieten uns die Cestoden dar, wo wir dasselbe namentlich durch die Untersuchungen Schiefferdecker's') an Taenia solium genauer kennen gelernt haben. Auch hier besteht es aus einem Netzwerke, in dessen Maschen die Binde- gewebszellen, welche die Bälkchen ausscheiden, liegen oder wenigstens, falls sie zu Grunde gegangen sind, gelegen haben. In gleicher Weise lauten auch die Resultate der Untersuchungen von Graff?) an Turbellarien und von Salensky?) an Amphilina, ein Thier, in dessen Bau wir schon mehrfache Analogien mit den Trematoden constatiren konnten. Es heisst da vom Körperparenchym, dass sich seine Zellen in Ausläufer ausbreiten und dass zwischen diesen ein System von Zwischenräumen ent- steht, welches dem Gewebe einen durchlöcherten spongiösen Charakter gibt ?). Wir werden hierdurch an jene Strukturverhältnisse des Körperparenchyms erinnert, welche Walter?) von einigen 'Trematoden beschreibt. Er erklärt dasselbe für ein Zellennetz, welches er als Saftnetz bezeichnet. Letzteres beruht auf der Annahme Walter’s, dass diese Zellenausläufer die letzten Endigungen des Gefässsystems seien, worin ihm allerdings, und wol mit Recht, von Leuckart entgegengetreten wird. Nichtsdestoweniger muss man doch zugeben, dass eine Anordnung des Kör- perparenchyms, wie wir es für die Trematoden in Anspruch nehmen, der Ernährung der einzelnen Theile des Körpers weit günstiger ist als ein System grosser runder oder polygonaler Zellen, die durch Membranen gegen einander abgegrenzt sind. 1) Schiefferdecker, Jenaische Zeitschrift 1874. VII. p. 468. 2) Graff, Zur Kennniss der 'Turbellarien, Zeitschr. f. wiss. Zoolog. NXIV. p. 133. >) Salensky I. c. p. 303. *) „An Querschnitten von Amphilina kann man sich leicht überzeugen, dass die Zellen des Körperparenchyms hüllenlos sind, dass die Kerne in Zellenkörperchen eingebettet sind und das Körper- parenchym wirklich aus verästelten und nicht aus abgeplatteten Zeilen besteht“. 1. e. p. 299. 5) Walter, Beiträge zur Anatomie und Histologie einzelner 'Trematoden. Archiv f. Naturge- schichte XXIV. 1858. p. 269. - 308 —— In diesem Sinne, meine ich, ist der Name „Saftnetz“, den Walter braucht, ganz annehmbar; wir haben dabei gar nicht nöthig, einen Zusammenhang mit dem Exkretionssystem anzunehmen, der, wie ja Walter selbst bekennen muss, seiner Auf- fassung des feinen Netzwerkes als eines der Ernährung dienenden Gefässsystems etwas im Wege steht. 5. Nervensystem. Ueber das Vorhandensein eines Nervensystems bei Tristomum sind wir bereits durch die Untersuchungen Köllikers') unterrichtet. Seinen Angaben über die Lage und den gröberen Bau desselben kann ich kaum etwas hinzufügen. Das Nervensystem ist gerade bei unserm Thiere ausser- ordentlich ausgebildet. Wir haben zwischen dem centralen Theile und den davon ausgehenden Nerven zu unterscheiden. Der centrale Theil, von Kölliker als Gehirn bezeichnet, liegt dicht vor der Mundöffnung (Taf. I. fig. 2.), hat eine ziemlich rechteckige, bei grossen Individuen mehr bogenförmige Gestalt?) und ist im allgemeinen so gebaut, wie es Leuckart?) von Distomum hepaticum und den Tematoden überhaupt schildert. Es ist ein Querband, dessen Ecken verdickt sind. „Man darf demnach sagen, dass das Nervensystem aus zwei Anschwellungen bestehe, die zu den Seiten der vor- deren Pharyngealöffnung gelegen sind und auf der Rückenfläche durch eine Quer- commissur zusammenhängen.“ Diese Auffassung wird durch die histologische Struktur des Gehirns bestätigt. An den Seiten desselben liegen die Ganglienzellen, während der mittlere Theil nur von Fasern gebildet wird, die mithin eine Quercommissur darstellen. (Taf. II. fig. 3.) Die Ganglienzellen sind grosse, unipolare Zellen, die stets emen sehr grossen (0,009-- 0,015 mm.) bläschenförmigen Kern enthalten, welcher sich in Carmin stark tingirt. (Taf. II. fig. 4.) Der Fortsatz stellt die Nervenfaser dar und diese bilden in ihrer Gesammtheit im Gehirn die Quercommissur der ganglionären Anschwellungen. Auch in den peripherischen Nerven finden sich in gewissen Zwischenräumen die näm- lichen Ganglienzellen. Es ist allerdings fast immer nur der Kern deutlich; er ist 1) Kölliker, Berichte von der kgl. zool. Anstalt zu Würzburg. II. Bericht 1849. p. 26. 2), Bei unserm T'hiere finden wir den Centraltheil in ganz ähnlicher Weise wie bei manchen o Turbellarien gebildet, besonders wie bei Turbellaria Klostermanni Graff (Graff, Zur Kenntniss der Tur- bellarien, Zeitschr. f. wiss. Zoologie XXIV. p. 123.) 3) Leuckart 1. c. p. 463. — pn = - von einer geringen Menge Protoplasma umgeben, während sich die Zellmembran in die Nervenfaser auszuziehen scheint. (Taf. I. fig. 5.) Die Verdiekung an den Ecken des Gehirns entsteht durch die Abzweigung der peripherischen Nervenstämme, die beim lebenden Thiere, sowie an ge- lungenen Präparaten fein längsgestreift erscheinen. Oberhalb des Pharynx geht zunächst jederseits ein Nervenstamm zu den Mundsaugnäpfen ab, die sehr bald jederseits noch zwei Stämme erhalten, welche etwas weiter nach unten vom Central- theile abgehen. Je ein kleiner Ast geht jederseits zum Schlundkopfe. Die Haupt- stimme verlaufen nach unten und zwar, von einem anfangs gemeinsamen Stamme sich abzweigend, der eine mehr nach aussen zwischen den Dotterstöcken, der andere zwischen den Hodenbläschen. Sie geben zahlreiche kleinere Aestchen an die Umgebung ab und lassen sich bis zum grossen Bauchsaugnapfe hinab verfolgen. (Taf. 1. fig. 2n.) An mehreren Stellen hat es mir scheinen wollen, als ob die beiden Haupt- stämme durch querverlaufende Nerven in Verbindung ständen; doch bin ich dieser Beobachtung nicht so gewiss, um besonderes Gewicht daraut legen zu können. Was nun die histologische Struktur der peripherischen Nervenstämme anlangt, so muss ich zunächst auf die Beobachtungen anderer Forscher bei verschiedenen Plattwürmern hinweisen. Ich fand rämlich aut Querschnitten durch Tristomum die gleichen Gebilde, die uns durch Sommer und Landois!) zum ersten Male von einem andern Plathel- minthen, von Bothriocephalus latus vorgeführt und als die durchschnittenen Seitenge- gefässe gedeutet werden (Taf. 11. fig. 5.). Der gleichen Deutung schliesst sich dann auch Salensky°) für die nämlichen Gebilde bei Amphilina an. Dieselben Organe von spongiösem Baue fand Nitsche‘) bei verschiedenen Taenien wieder, erkannte aber, dass ausser ihnen andere init Sicher- heit den Seitengefässen zugehörige Lumina vorhanden sind und macht daher darauf aufmerksam, dass wir es hier mit einem neuen, bisher übersehenen Organe des Cestodenleibes zu thun haben, über dessen Funktion er keinerlei Vermuthungen äussert. Bald darauf werden diese „pongiösen Stränge“, wie Nitsche sie bezeich- net, von Schneider) für die Nerven der Cestoden in Anspruch genommen, eine 1) Sommer und Landois I. e. p. 49. 2) Salensky Il. ce. p. 291. 3) Nitsche, Untersuchungen über den Bau der Taenien. Zeitschr. f. wiss. Zoologie XXIV. p. 181. 4) Schneider, Untersuchungen über Plathelminthen. XIV. Bericht der Oberhessischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde. Giessen 1875. Ab. der nalurf. Ges. zu Halle. XIV, 3. Hft. Al BEE) > Ansicht, welche durch die Aehnlichkeit derselben mit den Nervensträngen der Nemertinen gestützt wird. Zu der gleichen Annahme kommt auch Schiefferdecker'), wenngleich auch er die ganze Frage noch einer definitiven Entscheidung anheimstellt. Durch die Untersuchungen des letztgenannten Forschers angeregt, nahm Steudener?) die Frage nach dem Nervensystem der Cetoden wieder auf, fand bei Taenia, Bothriocephalus, Triaenophorus und Ligula die schon mehrfach erwähnten Gebilde, die oben in der Nähe des Kopfes eine Anastomose bilden und hier auch zwei kernhaltige Anschwellungen erkennen lassen, so dass er sich für die nervöse Natur dieser Gebilde entscheidet. Nicht nur bei den Cestoden, auch bei andern Mitgliedern der Plathelminthen begegnen wir immer wieder den gleichen Organen. Moseley?°) fand sie bei Dendrocoelum und Leptoplana, Minot*) bei ver- schiedenen Seeplanarien. Letzterer sieht in den „Balkensträngen“ eine eigenthümliche Entwicklung des Körperparenchyms, deren Bedeutung noch räthselhaft bleibe. Er hält es für ziemlich bestimmt, dass die zwei nach hinten gehenden Nervenstämme, die bei Tur- bellarien so vielfach erwähnt sind, nichts anderes als die Balkenstränge sind, denen er hier, wie auch bei den Üestoden, den nervösen Charakter entschieden abspricht °). Diese spongiösen Stränge finden sich bei Tristomum aut Querschnitten fast im ganzen Körper. f Sie haben einen spongiösen Bau, indem zahlreiche rundliche Lumina scharf abgegrenzt neben einander liegen. In letzteren findet man zuweilen, wie es Sommer und Landois auch für Bothriocephalus anführen, eine fein granulirte Masse. 1) Schiefferdecker, ]. ce. p. 459. 2) Steudener, Untersuchungen über den feineren Bau der Cestoden. Abhd]. d. naturforsch. Gesellschaft zu Halle. XIII. ; 3) Moseley, On the Anatomy and Histology of the Landplanarians of Ceylon. Phil. Trans. 1874. p. 105. 4) Minot, Studien an Turbellarien, Arbeiten aus den zoolog.-zoot. Institut in Würzburg 1876. —77. IH. p. 405. 5) Moseley hat entschieden ganz richtig beobachtet, wenn er aus dem Gehirn Fasern in die sog. Balkenstränge übergehen lässt, und Minot hat gar keinen Beweis dafür anzuführen, dass diese Balken- stränge nicht Nervenstämme seien. Verfolgt man diese Gebilde auf Querschnitten von irgend einem Theile des Körpers aus nach aufwärts d. h. nach dem Gehirn hin, so überzeugt man sich bald nit absoluter Bestimmtheit, dass sie nichts anderes sind als die davon ausstrahlenden durehschnittenen Nevenstränge, dass sie denselben Charakter haben, wie die Quer- commissur der ganglionären Anschwellungen, zumal wenn man ihr Aussehen auf Längsschnitten mit Querschnitten der letzteren vergleicht. Es wurde schon oben erwähnt, dass sich von Zeit zu Zeit auch Ganglienzellen in diesem Balkennetze finden, von denen meist nur die Kerne deutlich sind '). Dass solche Ganglienzellen im Verlaufe der Nervenstränge auch bei andern Trematoden vorkommen, ist bereits von Leuckart?) hervorgehoben worden. Die fein granulirte Masse in den Balkensträngen ist jedenfalls als Protoplasma der Gang- lienzellen aufzufassen, die sich wie in der Quercommissur des Gehirns auch in den peripherischen Nervensträngen zu langen Fasern ausziehen und denen das Balken- netz zum Gerüst dient. Da für Tristomum die nervöse Natur der „spongiösen Stränge“ keinem Zweifel unterliegt, so halte ich es für berechtigt, hierin gleichzeitig eine Bestätigung für den gleichen Charakter derselben Gebilde bei andern Plathelminthen zu erkennen, weshalb ich auch oben eingehender auf diese Verhältnisse bei den Cestoden und Turbellarien einzugehen fir angemessen hielt. — Auf dem centralen Theile des Nervensystems liegen vier schwarze Pigment- fleckchen, die derart angeordnet sind, dass die beiden vorderen sich etwas näher stehen, als die beiden hinteren. Sie sind seit Kölliker bei unserm Thiere bekannt und werden als lichtempfindende Stellen in Anspruch genommen. Sie finden sich in derselben Weise auch bei den nächst verwandten Arten. Aus der nächsten Verwandtschaft der in Rede stehenden 'Tristomum-Arten ist das Nervensystem °) bei Tr. (Epibdella) hippoglossi von van Beneden beschrieben 1) Steudener (l. e. p. 18.) erwähnt auch bei den 'Taenien die leichte Hinfälligkeit der Zellen, da man immer nur die Kerne deutlich zur Anschauung bekommt. ?2) Leuckart |. e. p. 464. 3) Was die Trematoden überhaupt anlangt, so wird ein Nervensystem schon von den älteren Beobachtern erwähnt, wie von Bojanus und Mehlis, deren Beobachtungen später von Laurer, Diesing, Siebold, Blanchard, v. Beneden bestätigt worden sind. Besonders genaue Angaben verdanken wir Walter und Leuckart, welehe auch die histologische Struktur untersuchten. Walter ist der einzige, welcher bisher einen wirklichen Schlundring beschreibt, dessen Existenz aber von Leydig (Vom Bau des 41* Fu worden. Es ist auffallend, dass der centrale Theil hier eine andere Lage hat als bei unsern Formen. Er liegt nämlich nicht vor der Mundöffnung, sondern da, wo der Pharynx in den Oesophagus übergeht, und besteht ebenfalls aus zwei durch eine Quereommissur verbundenen ganglionären Anschwellungen. Aehnlich verhält sich der Centraltheil des Nervensystems auch bei Amphistomum conicum nach der Dar- stellung Blumberg’s'), die im wesentlichen mit der älteren von Laurer übereinstimmt. Bei Tr. (Phylonella) Soleae hat das Nervensystem die gleiche Lage wie bei Tr. eoceineum und papillosum, nach den Abbildungen Carl Vogts?) zu schliessen. (Eine nähere Beschreibung des Nervensystems lag nicht in der Absicht jener Ab- handlung.) 6. Verdauungsorgane. Unterhalb der vorderen Saugnäpte öffnet sich in der Medianlinie des Körpers der Mund und führt in einen kugligen, stark muskulösen Pharynx. (Taf. I. fig. 1.) Mittelst eines kurzen und dünnen Oesophagus geht derselbe in den eigent- lichen Darm über. Bis zu diesem Punkte sind die Verhältnisse leicht zu übersehen, während der Verlauf des übrigen Verdauungstraktus einem klaren Einblicke darum nicht unerheb- liche Schwierigkeiten entgegensetzt, weil über ihm genau in derselben Weise die durch ihren Inhalt dunkel gefärbten Dotterstöcke sich verzweigen. Von allen Autoren, die unser Thier zum Gegenstande ihrer Untersuchungen gemacht haben, hat allein Blanchard°) eme richtige Darstellung der Verhältnisse geliefert. Der Oesophagus theilt sich sehr bald in zwei Zweige, die divergirend nach unten verlaufen, indem sie im allgemeinen den äusseren Körperumrissen parallel gehen. Etwas oberhalb des Bauchsaugnapfes nähern sie sich einander wieder und vereinigen sich zu einem Ringe. thierischen Körpers, Tübingen 1864. p. 135) und Leuckart (Menschliche Parasiten I. p. 465) ange- zweifelt wird. Walter scheint übrigens nur die Quercommissur der ganglionären Anschwellungen fälschlich als Schlundring zu bezeichnen. 1) Blumberg, Ueber den Bau des Amphistomum eonieum. Inaugural-Dissertation. Dorpat 1871. p. 37 2) Carl Vogt, Ueber die Fortpflanzungsorgane einiger ectoparasitischer Trematoden. Zeitschr. _ f. wissensch. Zoologie XXX. Suppl. 1878. p. 306. Taf. XV. fig. 1. 3) Blanchard, Recherches sur l’organisation des Vers, Ann. des Sciences natur. 3. Serie VIII. 1847. p. 321. 313 — Von diesem gehen in bestimmten Abständen zahlreiche Seitenzweige zur Peripherie des Körpers ab, die wieder kleinere Aestchen aussenden und so eine den- dritische Verzweigung bilden. (Taf. I. fig. 1.) Sehr bald, nachdem sich der Oesophagus in die zwei Darmschenkel erweitert hat, entspringen von letzteren zwei nach oben aufsteigende Aeste, die den Pharynx bogenförmig umgeben und sich in immer feinere Aestchen auflösend den Raum zwischen den beiden vordern Saugnäpfen erfüllen. In derselben Weise entsendet jeder der beiden herabsteigenden Hauptschenkel eine Anzahl seitlicher Zweige (ich zähle bei einem jungen Individuum von Tr. coc- cineum 12—14 jederseits), die sich mit ihren letzten Endigungen bis fast an die Peripherie des Körpers ausdehnen. Die letzten Seitenäste umgeben den Bauchsaugnapt in der Weise, wie die ersten den Pharynx und erfüllen den Raum seitlich neben und hinter dem ersteren mit ihren feinen Endzweigen. Aber nieht nur nach aussen, auch nach innen gehen Seitenäste von den ringförmig geschlossenen Darmschenkeln ab. Zwischen dem dritten und vierten äusseren Seitenzweige beginnen die beiden innern Hauptäste jederseits und laufen in der Weise schräg nach unten, dass sie sich unterhalb des Ovarıums am nächsten kommen. ‚Jeder von ihnen entsendet wieder kleinere Zweige, welche sich zwischen den Hodenbläschen vertheilen. Ausserdem entsendet der linke Darmschenkel noch einen kleinen innern Seiten- zweig, der von der gleichen Stelle ausgeht wie der zweite äussere und mit seinen wenigen Aestchen an das Ovarium herantritt. Durch die geschilderte Vertheilung des Verdauungstractus wird der gesammte Körper bis in seine letzten Enden hin mit Nährstoff versorgt. Wir haben daher wol ein gewisses Recht, in diesem weit ausgebreiteten Ernährungsapparate die Ver- einigung des eigentlichen Darmes und des Blutgefässsystems der höheren Thiere zu erkennen; ist doch letzteres nichts anderes als ein Apparat, welcher die in einem be- stimmten Körperabschnitte gewonnenen Nährstoffe den entfernteren T'heilen zuführen soll. Wir schliessen uns daher ganz der Leuckart'schen Ansicht ') an, welche dahin lautet: „Durch die anatomische Bildung des Darmes und des exkretorischen Apparats, wie durch die abgeplattete Form des Leibes werden die nutritiven, exere- 1) Leuckart |. ec. p. 476. ie torischen und respiratorischen Flächen einander in solchem Grade genähert und mit Mus- kelmasse des Körpers in so allseitige Berührung gebracht, dass es keines Blutes bedarf, tım die gegenseitigen Beziehungen dieser Gebilde in genügender Intensität zu unterhalten.“ Es gelang mir, die geschilderten Verhältnisse mit aller wünschenswerthen Klarheit an einem jugendlichen Individuum von Tr. coceineum zu eruiren, dessen Dotterstöcke fast gar noch nicht entwickelt waren und daher die Darmverzweigungen nicht verdeekten. Ist dies nicht der Fall, so entziehen sie sich völlig der Beobachtung. Dies mag denn wol auch die Veranlassung gewesen sein, dass die früheren Bearbeiter unseres T'hieres mit Ausnahme Blanchard’s eine durchaus unzulängliche Kenntniss vom Verlaufe des Verdauungsapparats gewonnen haben. So spricht Diesing') den Pharynx für den Magen an und lässt von diesem aus vier Zweige entspringen, die divergirend zu zweien an jeder Seite nach unten steigen und sich unterwegs in zahlreiche seeundäre Zweige zertheilen ?). Bei weitem gründlicher hat Kölliker‘*) diese Verhältnisse dargestellt, ohne jedoch ganz den wahren Sachverhalt zu treffen. Er beschreibt durchaus richtig, wie sich die Speiseröhre nach ganz kurzem Verlaufe in zwei dünne Darmschenkel spaltet, deren jeder sich bald wieder in einen vorderen und hinteren Schenkel theilt. Dass letztere aber ebenso wie erstere getrennt von einander blind endigen sollen, ist ein Irrthum, ebenso die weitere Darstellung, dass sie nach innen nur einen einzigen starken vorderen Ast entsenden, der mit zwei stark divergirenden T'heilen nach vorn und hinten sich wendet und bald ein Ende findet, sowie dass dicht vor dem hinteren Saugnapfe zwei Communicationsäste zur Ver- bindung unter emander abgeben sollen, von denen der vordere stärkere drei bedeutende Zweige nach vorn, der hintere nur unbedeutende Blindsäckchen aus sich hervorgehen lässt. In diesen beiden Communikationsästen haben wir die zum Cirkel geschlossenen Hauptdarmschenkel wiederzuerkennen. Nächst Blanchard beschreibt v. Baer*, bei der nahe verwandten Art Tr. elongatum (Nitzschia elegans Baer) den Verlauf des Darmtraetus am richtigsten. Er 1) Diesing Abhdl. d. Leopold.-Carol. Gesellschaft der Naturforscher XVII. ?) Wahrscheinlich sind die Hauptstämme des Exeretionsorgans, die parallel mit den Darmschenkeln verlaufen, zu diesem hinzugerechnet worden. 2) Kölliker, 1. c. p. 22. 4) v. Baer, Beiträge zur Kenntniss niederer 'Thiere. Abhdl. d. Leopold.-Carol. Gesellschaft der Naturforscher XIII. erwähnt, dass die Hauptschenkel des Darmes nach hinten entweder in einigen Fällen zusammenlaufen oder sich wenigstens einander sehr nähern '). Ganz ähnlich wie wir sie für unsere Tristomum-Arten geschildert haben, kehren die Verhältnisse bei dem nahe verwandten Tr. (Epibdella) Hippoglossi Oken wieder, welches wir aus v. Beneden’s?) Darstellung kennen. Es erübrigt noch, der histologischen Struktur des Verdauungsapparates unsere Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die Mundöflnung ist von zahlreichen Papillen umgeben, die ein Stück dem Pharynx nach innen folgen. Letzterer misst in der Richtung vom Munde zum ÖOesophagus 1,5 mım., in der dazu senkrechten Ebene 2 mm. Sein Querschnitt ist je nach dem Zustande der Muskelcontraction eine Ellipse, deren längste Achse frontal gelegen ist, oder ein Dreieck. Er wird im Innern von der Outieula der Haut ausgekleidet, die sich an der _Mundöffnung nach innen schlägt. Man kann drei Arten von Muskelzügen unterscheiden. Zu äusserst verläuft eine Schicht Längsmuskeln, durch deren Contraction der Durchmesser des Pharynx von oben nach unten verkürzt werden kann. Darauf folgt eine dünne Lage von Ringmuskeln, welcher eine etwas stärkere an der Innenseite entspricht; sie vermögen durch ihre Contraction den Innenraum zu verengern. Die bei weitem mächtigsten Muskelbündel verlaufen von der äusseren zur inneren Oberfläche des Schlundkoptes. Dieselben stellen keine continuirliche Lage dar, sondern bestehen aus einzelnen Bündeln, die in grosser Anzahl in das Bindege- webe eingelagert sind. Durch ihre Thätigkeit kann das Lumen des Pharynx er- weitert werden, sie sind also die Antagonisten der Ringmuskulatur. Zwischen den dorsoventralen Muskelzügen liegen im Bindegewebe eigenthüm- liche grosse Zellen. Siesind birnförmig, haben ein ziemlich grobkörniges Protoplasma und einen 0,015 mm. grossen bläschenförmigen Kern. Auf einem Schnitte trifft man nie die ganze Zelle wegen ihrer bedeutenden Grösse, sondern entweder das Proto- 1) Nur beiläufig sei erwähnt, dass Costa (Diario dell’ Ottavo Congresso se. ital. no. 6. p. 54) den Mund in den hinteren Saugnapf verlegt, die wahre Mundöffnung für einen After erklärt und ausser- dem ein Herz, Niere und Leber beschreibt. Diese phantastischen Angaben sind, ehe sie gedruckt wurden, bereits von Kölliker auf der Genueser Naturforscherversammlung (Diario no. 7. p. 69) berichtigt worden. 2) van Beneden |. ce. p. 25. u plasına oder den Kern. Letzterer gleicht ganz den Kernen der Ganglienzellen, und ich bin geneigt, die geschilderten Zellen für solche zu halten. Es würde dies Verhalten nicht allein dastehen; den auch Blumberg') be- schreibt aus dem Schlundkopfe von Amphistomum conicum Ganglienzellen mit langen Fortsätzen, die ich allerdings bei unserm Thiere nicht erkannt habe. Man sieht die erwähnten grossen Zellen schon am lebenden Thiere resp. auf Quetschpräparaten zwischen der Muskulatur des Pharynx hervortreten. Kölliker”’, war sogar der Ansicht, dass sie dem letzteren als besonderer Körper aufliegen. Er sagt „— äusserlich finden sich um seinen vordern Rand herum ungefähr 16 mässig weite, mit einer körnigen Masse erfüllte Canäle, die nach hinten in feine Gänge auslaufen und zu einer weisslichen gelappten drüsigen Masse sich begeben, welche die ganze hintere Hälfte des Schlundkopfes dicht umgibt und am wahrscheinlichsten als ein Agglomerat mehrfacher kleiner Speicheldrisen gedeutet wird.“ Diese Deutung schien mir anfangs auch die wahrscheinlichste, doch ich ver- mochte keine Ausfihrungsgänge innerhalb des Schlundkopfes zu erkennen. Andererseits bemerkt man am andern Ende des letzteren, da, woerin den Oeso- phagus übergeht, beiderseits ein Büschel von Drüsenausführungsgängen (Taf.1I. fie.1. x.) die sich zu einzelligen Drüsen verfolgen lassen. Diese haben eine runde oder biınförmige Gestalt, sind etwa 0,03 mm. gross; ihr Protoplasma ist dicht, feinkörnig, bei auffallendem Lichte milchweiss; darin liegt ein centraler runder Kern mit einen Kernkörperchen. Es sind diese Zellen, die ich für Speicheldrüsen halte, fast ebenso gebildet, wie die von Zeller‘) bei Polystomum integerrimum beschriebenen Drüsenzellen, die ihr Sekret gleichfalls in den Pharynx eintreten lassen. Was nun den übrigen Darmtractus anlangt, so gilt für ihn dasselbe wie für die meisten Organe unseres Thieres, d.h. er besitzt keine besonderen Wände, sondern ist ein von Epithel ausgekleidetes System von Liicken im Körperparenchym, genau so, wieesvon Stieda*) und Zeller?) fir Polystomum integerrimum angegeben wird. 1) Blumberg, ]. e. p. 22. 2) Kölliker, ]. ce. p. 23. 3, Zeller, Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau des Polystomum integerrimum Rud. Zeitschr. für wissensch. Zoologie XXI. p. 19. *) Stieda, Ueber den Bau des Polystomum integerrimum, Archiv f. Anatomie und Physiologie von Reichert u. du Bois-Reymond. 1370. p. 663. 5) Zeller, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomen, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXVI. p. 241. ; 317 — Das Epithel (Taf. I. fig. 6.) besteht aus Cylinderzellen, die nicht alle die gleiche Gestalt und Grösse besitzen. Kleinere werden oft von grösseren überragt, deren oberes Ende keulenförmig verdickt ist. Das Protoplasma ist feinkörnig und umschliesst einen in der Lage ebenfalls wechselnden runden Kern mit Kernkörperchen. 7. Excretionsorgane, Es existirt im Organismus der Trematoden wol kein Organ, welches mannig- tacheren Deutungen unterworfen gewesen wäre, welches soviel gegentheilige Behaup- tungen hervorgerufen hätte, als das jetzt allgemein als Exeretionsorgan angesehene Gefässsystem. Es kann nicht unsere Absicht sein, hier die verschiedenen Ansichten über dies Organ auseinanderzusetzen '). Nur einer Auffassung müssen wir auch hier Er- wähnung thun, da sie sich gerade auf Untersuchungen an dem in Rede stehenden Thiere stützt. Kölliker*) nämlich nimmt wenigstens einen T'heil des excretorischen Appa- rates bei Tr. papillosum als Respirationsorgan in Anspruch und vergleicht es den verästelten Kiemensäcken der Holothurien °). !) Eine Zusammenstellung der verschiedenen Deutungen dieses Organsystems findet sich bei P. v. Beneden, Bulletin de l’acad&mie Belgique XIX. 1852 p. 573; zum Theil auch M&moire sur les Vers Intestinaux p. 175 u. folge. 2) Kölliker l.c. p. 23. 3, Schon früher war eine ähnliche Ansicht für die Trematoden im allgemeinen ausgesprochen worden. Burmeister (Handbuch der Naturgeschichte. Berlin 1837. p. 528) äussert sich darüber also: „Es ist dies Gefässsystem ein gefässartiges Wasserathmungsorgan, wie das Tracheensystem der Insekten ein gefässartiges Luftathmungsorgan ist.‘ Siebold (Lehrbuch der vergleichenden Anatomie d. wirbellosen 'T'hiere. Berlin 1848. p. 157), welcher selır wol erkannt hat, dass Burmeister das Gefässsystem mit dem Excretionssystem — denn diese beiden betrachtet er als von einander gesonderte Systeme zusammengeworfen hat, tindet «den Vergleich des „abgeschlossenen Flimmergefässsystems“ mit dem T’racheensysteme der Wasserinsekten mit abgeschlosse- nem 'Tracheensystem nieht unpassend. Auch er neigt zu der Ansicht hin, dass die flimmertragenden Gefässe der KRespiration dienen könnten, ähnlich wie das flimmernde Wassergefässsystem der Polypen, Acalephen und Echinodermen, nur dass sie nicht durch Oeffnungen mit der Umgebung communieiren, sondern das von der Hautoberfläche aufgesogene Wasser in sich aufnehmen und im Körper verbreiten. Ausser diesem fraglichen Respirationssysteme unterscheidet Siebold mit Bestimmtheit zwei von einander unabhängige Gefässsysteme als Cireulations- und Exeretionsorgane. Es war den Untersuchungen H. Meckel’s (Müller's Archiv f. Anatomie und Physiologie 1546 p. 2) an gewissen kleinen durchsichtigen Distomeen, v. Beneden’s (Bulletin de l’acad. royal d. Seiene. Abh, der naturf, Ges, zu Halle. XIV, >. mn. 42 318 — Er stützt seine Auffassung auf’ folgende Gründe: dass die in Rede stehenden Kanäle 1. nicht pulsiren; 2. dass sie eine klare Flüssigkeit ohne Körner führen, die in einigen Fällen in lebhafter Strömung begriften war; 3. dass neben denselben ein pulsirendes, besonderes Gefässsystem vorkommt. Dieses letztere liegt nach Kölliker in der Mitte des Leibes, erstreckt sich von der Gegend des Schlundkopfes bis zum hintern Saugnapfe, pulsirt in kurzen Intervallen und entsendet zahlreiche Aestchen. Was Kölliker als dieses Gefüsssystem beschreibt, ist mir völlig räthselhaft geblieben, da sich kein T'heil des Excretionsorgans an dieser Stelle befindet, noch iiberhaupt ein Organ, welches eine solche Irrung hervorrufen könnte. ') Es lassen sieh an dem Exeretionsorgane der Trematoden drei Abschnitte unterscheiden: 1. ein centraler blasenartig angeschwollener Theil, welcher nach aussen mündet; 2. die starken, von ersterem ausgehenden Hauptstämme und 3. die von diesen ausgehenden feinsten Verästelungen. Bei unserm Tristomum ist der centrale T'heil ein doppelter. Zu jeder Seite des kugligen Schlundkopfes bemerkt man eine langgestreckte, etwas unregelmässig gestaltete Blase, welche mittelst einer kleinen Oeffnung an der Bauchfläche nach aussen mündet. Sie stellen gleichsam ein Reservoir dar und sind bereitsvon Kölliker’) beschrieben worden. Sie finden sich in derselben Weise wahrscheimlich bei allen Arten dieser Gattung. Bruxelles XIX. u. Memoire sur les Vers Intest. p. 176) an Distomum tereticolle und Aubert's (Zeitschr. f. wissenschaftl. Zoologie VI. p. 354) au Aspidogaster conchicola vorbehalten, den Zusammenhang des angeblichen Blutgefässsystems mit dem Exeretiongsorgane nachzuweisen und den 'Trematoden die Existenz eines Blutgefässsystems gänzlich abzusprechen. Durch verschiedene Forscher wurde dies Resultat in späterer Zeit vielfach bestätigt, so dass man jetzt wol allgemein darüber einig ist, dass die Trematoden (wie auch die Cestoden) ein einziges der Ex- eretion dienendes Gefässsystem besitzen, eines selbständigen Blut- und Respirationssystems dagegen eänzlich entbehren. !, Blanchard (Ann. d. Sceiene. nat. 1847 p. 324) kennt bei Tristomum nur ein Gefässsystem, welches er, wie bei verschiedenen anderen Arten injieirt hat. Doch gerade diese Injection, welehe auch in der Abbildung wiedergegeben ist, wurde Veranlassung zu einer falschen Beschreibung des ganzen Systems, weil sie nicht vollständig gelungen ist. Vor allem kennt er keine Oeffnungen nach aussen; in der Pharynxgegend fehlen starke Querstämme ete. 2) Kölliker l.c. p. 23. 319 —— Ich sehe sie bei Tr. Pelamydis m., Beneden') beschreibt sie bei Tr. (Epibdella) Hippoglossi und Seiaenae; Carl Vogt?) bildet sie bei Tr. (Phylonella) Soleae ab?°). Von den Endblasen gehen jederseits zwei Mauptstiämme aus, der eine nach unten, der andere nach der Mittellinie des Körpers zu, am Schlundkopf entlang, um sich mit dem gleichen der andern Seite vor letzterem bogenförmig zu verbinden. Aus der Mitte dieser Commissur steigt ein kleiner Ast senkrecht in die Höhe und spaltet sich nach rechts und links in zwei symmetrische wagrecht verlaufende Aeste, die ihrerseits zahlreiche feine Verzweigungen abgeben und mit ihnen die Mundsang- näpfe und die zwischen ihnen gelegene Gegend versorgen. Die nach unten verlaufenden Hauptstimme geben zahlreiche feine Zweige nach mnen und aussen hin ab und lösen sich schliesslich seitlich vom Bauchsaug- napfe in solche auf. Die zwischen den Darmschenkeln gelegenen Organe werden noch besonders versorgt von einigen Stämmen, welche von der den Pharynx um- gebenden bogenförmigen Commissur ihren Ursprung nehmen. Die Exeretionsorgane haben, soweit es mir zu ermitteln möglich war, eine feine strukturlose Membran. Häufig sieht man in ihnen Bewegungen, die man für Flimmerbewegung halten könnte. Doch ist es mir nie gelungen, irgend welche darauf bezügliche Apparate aufzufinden. Ich bin vielmehr zu der Ueberzeugung gelangt, dass die wahrnehmbare Bewegung im Innern der Kanäle eine Flüssigkeits- strömung ist, welche dureh den Druck, der zur Beobachtung erforderlich, besonders stark bemerkbar wird. Ganz ebenso äussert sich Steudener*) iber dieselben Ver- hältnisse bei den Üestoden. =. Geschlechtsorgane. In Folge der Vertheilung der imnern Organe kann man gewissermassen zwei Abschnitte an unsern T'hiere unterscheiden: einen centralen, dessen Umrisse im allge- ineinen denen des Körpers parallel verlaufen, und einen ihn concentrisch umgebenden 1) Beneden |.c. p. 28. ?2) Carl Vogt, Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXX. Suppl. Taf. XV. fie. 1. 3) An derselben Stelle befinden sich auch bei der auf Krabben schmarotzenden Temnocephala chilensis Gay. die zu den ectoparasitischen 'T'rematoden gehört, die blasenförmigen, nach aussen mündenden Rteservoire des Excretionsorgans. Vergl. Semper, Zoologische Aphorismen II. Zeitschr. f. wissensch, Zoologie XXI. p. 307. #), Steudener l.c. p.15. 42# f} z —— 320 —— peripherischen. Der erstere beginnt mit dem Auftreten der beiden Darmschenkel und wird von diesen, sowie von den sie deckenden Ausführungsgängen der Dotterstöcke umrahmt. Der andere nach aussen davon gelegene wird eingenommen von den Verzweigungen des Darmes und der Dotterstöcke, von dem hinteren und den beiden vorderen Saugnäpfen, dem Pharynx und den Ausführungsgängen der Geschlechtsorgane. Die keim- und samenbereitenden Organe selbst liegen also im innern Theile und treten als Eierstock und sehr mächtig entwickelte Hodenbläschen sofort in die Augen. An der linken Seite der ventralen Körperfläche, seitlich von dem kugligen Schlundkopfe, bemerkt man einen langgestreckten, nach aussen mündenden Sack, der unten zu einer bald mehr kugligen, bald mehr langgestreckten Blase anschwillt und im Innern zahlreiche Querfalten zeigt. (Tat. I. fig. 1. Taf. Il. fig.1.c.) Es ist das Endstück des männlichen Geschlechtsapparates und als Cirrusbeutel aufzufassen. In denselben sieht man das vas deferens (v.d.) eintreten, welches hier die Funktion eines Penis übernimmt. Es ist in zahlreiche Windungen gelegt und lässt sich mit Leichtigkeit bis zu den kleinen vasa efterentia verfolgen, die an die einzelnen Hodenbläs- chen gehen. Unweit der männlichen Geschlechtsöffnung (o. m.), noch etwas mehr nach links und eim wenig tiefer bemerkt man eine zweite Oeffnung, die man beim ersten Blicke für die Uterusöffnung zu halten leicht geneigt sein könnte. (v.) Dafür ist sie in der That auch von den früheren Beobachtern unseres Thieres in Anspruch genommen worden. Wir sehen sie bei Blanchard') mit dem Buch- staben f, bei Kölliker*) mit g bezeichnet. Sie führt in einen Kanal, der bei Kölliker nach emigen Windungen und nachdem er die Samenblase (1) aufgenommen hat, mit den Ausführungsgängen der Dotterstöcke und des Ovariums zusammentrifft. Bei Blanchard führt dieser Kanal, nachdem er bedeutend an Durchmesser abgenommen hat, in eine nicht weiter bezeichnete längliche Auschwellung — welche dem Kölliker'schen Samenbehälter entspricht — und mündet in die von ihm soge- nannte vesicule ovoducale. Von beiden Forschern wird dieser Kanal als Ausführungsgang der weiblichen Geschlechtsorgane aufgefasst, wie auch die Deutung der letzteren sein mag. 1) Blanchard, l.c. Pl. 14. fig. 2. f. ®) Kölliker, l.e. Tafel fig. 3.g. = Ich war anfangs gleichfalls geneigt, in jenem Kanale den Ausführungsgang des weiblichen Apparates zu erkennen. Es ist sehr leicht, seinen Verlauf bis zu einem bestimmten Punkte zu ver- folgen. Er behält eine Strecke lang ziemlich den gleichen Durchmesser bei, geht dann in ein kurzes, bedeutend engeres und mehrfach gewundenes Stick über, das sich zu einem ovalen, sackförmigen Gebilde (v.s.) erweitert — offenbar dasselbe, welches Kölliker als Samenbehälter bezeichnet und welches in der That diese Bedeutung hat. Von dieser Samenblase aus führt nun ein dünner, fast gerader Gang zu der kugligen Anschwellung, in welcher sich die queren Dottergänge vereinigen, zur Dot- terblase. (d. b.) Der einzige, welcher dies Verhalten, aber auch nur ganz beian erwähnt, ist Wasner.') In seinen ‘belminthologischen Bemerkungen an Th. v. Siebold’ heisst es zu- nächst von Daetylogyrus: „er besitzt einen Hoden, Keimstock, Dotterstock, einen sehr kurzen Eiergang, dessen Ausmündung mit einer Samenblase und dem wol als Penis fungirenden Bauchhaken versehen ist. Neben diesem befindet sich noch ein Sack, der bei Polystomum und Tristomum ebenfalls in ähnlicher Stelle vorkommt. — Der Sack enthält eine klare zähe Masse. — Bei Tr. papillosum und coc- cineum mündet dieser Sack mit besonderer Oeffnung.“ Ich glaube nicht wre zu gehen, wenn ich in diesem Sacke das vorerwähnte Gebilde wiedererkenne. Der in Rede stehende Canal ist nun nichts anderes als der von Stieda°*) bei Distomum hepatieum und Amphistomum coniecum beschriebene Laurer’sche Canal, welcher als Scheide funktionirt. Er steht bei Tristomum, wie wir sehen, noch mit einer besondern Samenblase in Verbindung, die reichlich Sperma enthält. Was die übrigen Theile des Geschlechtsapparats in ihrem Zusammenhange anlangt, so sei noch folgendes bemerkt. 1) Wagner, Zeitschrift f. wissensch. Zoologie IX. p. 85. ?) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. Archiv f. Anat. u. Physiologie 1867. und Ueber den angeblichen innern Zusammenhang der männlichen u. weiblichen Organe der Trematoden. ebda 1871. EI, Unterhalb des Pharynx kommen von den beiden längsverlaufenden Ausführungs- gängen der Dotterstöcke zwei quere Aeste sich entgegen und vereinigen sich in der Mittellinie zu der vorher schon erwähnten rundlichen Dotterblase. Unterhalb derselben liegt das gelappte Ovarıum. (ov.) Dasselbe lässt seinen kurzen Ausführungsgang neben der Dotterblase emporsteigen (ovd). Dieser Eileiter nimmt einen kurzen aus der Dotterblase komınenden Oanal auf, erweitert sich dann zu einem trapezförmigen Uterus (u.) und mündet unmittelbar neben dem männ- lichen Apparate etwas eher als derselbe nach aussen (o.f.). In den Uterus sieht man die dinnen Ausflihrungsgänge der Schalendrisen (sch.) emtreten. So sind im allgemeinen die verwickelten Geschlechtsorgane in ihrem Zusammenhange beim lebenden T'hiere und auf Präparaten zu übersehen. Betrachten wir nun dieselben im einzelnen. Wir haben zu unterscheiden: I. Männliche Geschlechtsorgane. 1. Hoden. 2. Ausführungsgänge derselben. 3. Cirrusbeutel. Il. Weibliche Geschlechtsorgane. 1. Eierstock. 2. Eileiter und Uterus. 3. Dotterstöcke. 4. Ausführungsgänge derselben und Dotterbiase. 5. Schalendrüsen. 6. Scheide (Laurer’scher Canal). I. Wännliche Geschlechtsorgane., 1. Hoden. (Taf. I. fig. 1.u.2. Taf. I. tig. 1.t.) Die Hoden sind bei unserm Thiere sehr bedeutend entwickelt. Sie bieten als Ganzes etwa den Anblick dar, wie der Querschnitt der weissen Substanz des kückenmarks in der Lumbalanschwellung, nur dass der obere und untere Einschnitt nicht so tief sind. Aus dieser Anordnung lässt sich vielleicht die ursprünglich doppelte Anlage der Hoden erkennen, wie wir sie in der Regel bei den Trematoden antreffen. En ee Sie nehmen den Raum ein zwischen dem Eierstocke und den queren Dotter- gängen einerseits und der bogenförmigen Vereinigung der beiden Darmschenkel, welch letztere auch seitlich die Begrenzung für die Hoden bilden, andrerseits. In dem vordern Einschnitte liegt ein T'heil des Eierstockes, so dass man hier auf @Querschnitten Eierstock und Hodenfollikel in einem Bilde sieht. Die Hoden bestehen aus zahlreichen einzelnen Läppchen, die zum Theil unter sich direkt zusammenhängen, zum [heil durch feine vasa efferentia verbunden sind. Die einzelnen Läppchen sind Hohlräume im Körperparenchym, ebenso wie Eierstock und Dotterstock; sie ermangeln einer besondern Membran und sind nur durch eine scharfe Contour vom umgebenden Gewebe abgegrenzt, also ebenso wie bei Bothrio- cephalus und Amphilina. In ihnen liegen verschiedenartige Gebilde, die auf einander zu beziehen mir nicht mit der erforderlichen Sicherheit gelungen ist. Die bei weitem häufigsten Elemente sind kleine runde Zellen mit einem kleinen Zellkerne, die oft in grösserer Anzahl veremigt liegen. Vielleicht ist hierin noch ein Hinweis auf ıhre Entstehung aus einer Mutterzelle zu erkennen. Als solche sind möglichenfalls grössere Zellen mit granulirtem Inhalte anzusehen, die man hie und da zwischen den kleineren findet und die namentlich in jugendlichen Individuen vorwalten. Zwischen den Zellen liegen Büschel fertig gebildeter Samenfäden. Sie entstehen zahlreich in ihren Bildungszellen, von denen man sie nicht selten radienförmig aus- strahlen sieht. Die ausgebildeten Samenfäden sind lange fadenförmige Gebilde, an deren vorderem Ende ich keinerlei Verdickungen wahrgenommen habe. Sie füllen die vasa deferentia schon bei jungen Individuen an, erscheinen beim lebenden Thiere stark opalisirend, während sie bei Anwendung von Färbungsmitteln eine intensive Tinktion annehmen. 2. Die Samenleiter. (Taf.l. fig. 1 u.2. Taf. I. fig. 1. v.d.) Bereits innerhalb des Hodens nehmen zahlreiche feine vasa efferentia ihren Ursprung und veremigen sich in zwei stärkere Samenleiter, die am oberen Ein- schnitte der Hodenmasse zu einem einzigen, sehr starken Gefässe zusammentreten. Dies vas deferens steigt ein kleines Stück ziemlich gerade nach oben, macht dann eine scharfe Biegung nach links, steigt neben dem Eierstocke in dieser Rich- tung empor bis zur Dotterblase. Unter einem scharfen Winkel biegt es hier nach — 324 — rechts, läuft dieht über den queren Dottergängen entlang bis ziemlich an die längs- verlaufenden heran, macht dann von neuem eine Biegung nach links, folgt genau der zuletzt eingehaltenen Richtung und steigt in der Gegend der Dotterblase unter zahlreichen Schlängelungen nach aufwärts, um endlich in den Cirrusbeutel tiber- zugehen. Die Hohlräume, welche die Samenleiter darstellen, sind durch eine sehr scharfe Contour vom Körperparenchym abgegrenzt; diese Wandung ist aber voll- ständig strukturlos. Die Samenfäden sind innerhalb ihrer Leitungswege zu dichten Massen zusammengeballt, welche niemals eng an den Wandungen anliegen, sondern einen gewissen Zwischenraum freilassen. 3. Cirrusbeutel. (Taf. I. fig. 1u.2. Taf. I. fig. 1. c.) Der Cirrusbeutel stellt einen langen, eylindrischen, am untern Ende etwas er- weiterten Sack dar, welcher an der linken Seite des Pharynx in der Weise schräg ver- läuft, dass seine Oeffung mehr nach aussen gelegen ist als das entgegengesetzte Ende. Innerhalb dieses Sackes liegt, das untere Dritttheil einnehmend, eine zartwan- dige retortenförmige Blase (x.) (die äussere Samenblase der Autoren) mit einem nach oben aufsteigenden Ausführungsgange. Die übrigen zwei Dritttheile des Innenraumes erscheinen in starke (uerfalten gelegt und stellen den sog. ductus ejaculatorius dar. Wo derselbe beginnt, tritt der Ausführungsgang der Blase sowol wie das vas deferens ein, letzteres auf einer kleinen Hervorragung. Innerhalb der Blase habe ich nie Spermatozoen, wol aber häufig eine körnige gelbliche Masse bemerkt, die ihren Ursprung einer Anzahl einzelliger Drüsen verdankt, welche in diesen Raum einmiinden. (y.) Die Drüsen selbst gleichen ganz denjenigen, die wir später als Schalendrüsen kennen lernen werden und liegen auch mit denselben ungefähr an der gleichen Körperstelle. Vielleicht ist die, wie es scheint, zähe Sekretmasse als eine Art Prostataflüs- sigkeit anzusehen, welche sich bei der Begattung den Spermatozoen beimischt. Diese Annahme scheint um so mehr berechtigt, als ich dieselbe klebrige Masse zwischen den Samenfäden innerhalb des Scheidenkanals (auf Querschnitten) gefun- den habe. 1) Blumberg l.c. p. 27. %) Zeller, Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. XXVII. p. 244. BE 111, Dass ähnliche Drüsen auch bei andern Trematoden vorkommen, beweisen die Beobachtungen Blumberg’s') an Amphistomum, wo sie sogar direkt als Prostata bezeichnet werden, und Zeller’s*) bei Polystomum. Bei letzterem Thiere sind die Wandungen des Cirtus von Drüsengängen durch- bohrt, welche ihren Inhalt in seine Höhlung ergiessen. „In den Drüsengängen trifft man mattglänzende Kügelchen in jMenge und man kann häufig beobachten, wie solche zwischen den Zackenspitzen des Cirruskrönchens hindurch in die Cloake und von da durch die Geschlechtsöffnung nach aussen sich entleeren“. Auf diese gelbliche Masse kann ich auch nur die Beschreibung Diesing's‘) beziehen, dass innerhalb des Cirrusbeutels zwei eiförmige, orangegefärbte Körper liegen, welche als Hoden („vielleicht Ober- und Unterhoden“) in Anspruch genom- men werden. In seiner histologischen Zusammensetzung besteht der Cirrusbeutel aus folgen- den Schichten. Vom Körperparenchym ist er durch eine ziemlich starke Lage homogenen Bindegewebes abgegrenzt. Darauf folgt eine krättige Ring- und eine etwas schwächer entwickelte Längsmuskulatur. Diese beiden Lagen bilden gleichsam die Wandung des ganzen sackartigen Gebildes. Der im Innern verlaufende Canal d.h. der ductus ejaceulatorius ist nichts anderes als eine eylindrische Einsenkung der äusseren Körperbedeckung. Er ist daher im Innern ausgekleidet von der Haut, die sich in zahlreiche Papillen erhebt, während die Cutieula auf dieser noch eine Menge ganz kleiner Chitinspitzchen bildet. Auf die Haut folgt eine aus Ring- und Längsfasern bestehende Muskellage. Zwischen der letzteren und der muskulösen Wandung des Cirrusbeutels hat sich ein retieuläres Bindegewebe ausgebildet, welches deutlich zeigt, dass es nicht aus zahlreichen, poly- gonalen abgeplatteten Zellen zusammengesetzt ist, sondern ein System von Hohlräumen darstellt, die von Bindegewebstasern und -platten gebildet werden. Hie und da findet sich darin eine Zelle oder nur deren Kern eingelagert. Bei jungen Individuen treffen wir derartige zellige Elemente bei weitem häufiger als bei den erwachsenen T'hieren. 1) und ?) siehe vorhergehende Seite. 3) Diesing, Nov. Act. Acad. Leop. Carol. XVII. Abh. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 3. Aft. 43 326 —— Der duetus ejaculatorius spielt eine wichtige Rolle bei der Begattung. Er wird nach aussen vorgestülpt, offenbar durch Contraetion des Cirrusbeutels, und er- scheint dann als ein der männlichen Geschlechtsöffnung aufsitzender Schlauch, dessen stachelige Cuticularauskleidung nach aussen gekehrt ist. Dadurch wird natürlich auch das Ende des vas deferens, welches wir am Grunde des duetus ejaculatorius in den Cirrusbeutel eintreten sahen, nach aussen hervorgezogen. Da es auf einer kleinen papillenartigen Hervorragung endet, so erscheint der vorgestülpte Schlauch wie ein praeputium mit der Eichel. Auf andere Weise wäre es gar nicht möglich, dass das vas deferens in die weibliche Geschlechtsöffnung den Samen einführen könnte, da es innerhalb des duetus ejaculatorins ohne dessen Betheiligung seine Lage nicht ändern kann. Die geschilderten Verhältnisse stimmen im allgemeinen ganz mit den bei Dis- tomum hepaticum von Leuckart') beobachteten überein. Auch bei diesem Thiere trägt der Penis d.h. der ausgestülpte duetus ejaculatorius eine stachlige Oberfläche. II. Weibliche G@eschlechtsorgane. 1. Eierstock.?) (Taf.l. fig. 1n. 2. Taf. II. fig. 1. ov.) Der Eierstock (ovarium) liegt in der vorderen Hälfte des Körpers, in der Mediane, oberhalb der Hoden und unterhalb der queren Dottergänge. Er stellt eine gelappte Drüse dar, deren einzelne Lappen sich schon im Innern des Organs zu einem Eiergange vereinigen. ?) Leuckart l.c. p. 551. 2) Es kann nach unsern jetzigen Kenntnissen kein Zweifel mehr darüber herrschen, dass der Name „Eierstock“ an Stelle des sog. „Keimstockes‘ zu gebrauchen ist, weil die in ihm entstandenen Gebilde vollständige Eier und allen andern Eierstockseiern gleichwerthig sind. Wenn C.Vogt (l.e. p- 314) für Tr. (Phylonella) Soleae angibt, dass der Keimstock nur „die primitiven Eikeime .liefert, bei welchen er keine weitere Umhüllung durch protoplasmatische Dottersubstanz, sondern nur zwei in einander geschachtelte Bläschen wahrnehmen konnte,“ so beruht dies wol auf einem Irrthume. Es würde sich mit diesem Befunde allerdings die neu ins Leben gerufene, im Grunde aber längst veraltete „Keimbläschen- theorie“ Alexander Brandt’s (Ueber das Ei und seine Bildungsstätte. Ein vergleichend morphologi- scher Versuch mit Zugrundelegung des Insekteneies. Leipzig 1878) ganz gut vertragen. Doch die Beobachtung, dass bei den Trematoden das Ei durch Differenzirung einer anfangs gleichmässigen Protoplasmamasse entsteht, beweist zur Genüge, dass das Keimbläschen des T'rrematodeneies von Anfang vom Protoplasma umgeben ist. Die Brandt’'sche Hypothese, dass dies Protoplasma ein Sekret des Keimblächens ist, wird wol kaum Anhänger finden. mn, Wie ganz allgemein früher bei den Trematoden die Dotterstöcke für das Ovarıum gehalten worden sind, so werden sie auch bei unserm Tristomum von Diesing und Blanchard dafür in Anspruch genommen. Letzterer hat den eigent- lichen Eierstock zwar gesehen, (er bildet ihn sogar ganz unverkennbar ab), aber so wenig erkannt, dass er ihn nicht einmal beschreibt und in der Figur nicht bezeichnet. Kölliker erkennt zuerst richtig das Ovarium und bezeichnet es als „Keim- bläschenstock.* Eine selbständige Membran besitzt das Ovarıum nicht, es bildet vielmehr eine Liicke im Körperparenchym, von welchem es nur durch eine scharfe Contour abgegrenzt ist; ganz so, wie es auch Salensky') für Amphilina angibt. In dem Hohlraume liegen die Eizellen auf verschiedener Stufe ihrer Ausbildung. (Tat. I. fie. 6.) Ueber ihre Entstehung bei verschiedenen andern Trematoden sind wir durch Ed. v. Beneden °’) unterrichtet, dessen Beobachtungen sich auch für nnsere Formen bestätigen lassen. Es existirt kein den Eierstock auskleidendes Epithel, sondern die einzelnen Eier bilden sich aus einer anfangs nicht zellig differenzirten Protoplasma- masse, indem sich um je einen Kern eine Portion Plasma abgrenzt. In der Regel trifft man bei den in der Geschlechtsreife oder doch nahe daran stehenden Individuen — wie sie meist zur Beobachtung kommen — von der protoplasmatischen Grundsubstanz nichts mehr an; man sieht vielmehr den ganzen Hohlraum des Eierstocks mit verschieden grossen, aber bereits selbständigen Ei- zellen gefüllt. Zwischen ihnen bemerkt man aber häufig ein feines Netz von der ursprüng- lichen Protoplasmamasse, aus der sie sich herausgebildet haben. | Wenn man indess ein hinreichend jugendliches Individuum untersucht, so kann man sich leicht davon überzeugen, dass ursprünglich ein zusammenhängendes Lager von protoplasmatischer Grundsubstanz, in welcher Kerne hervortreten, vor- handen ist. Um diese Kerne herum beginnt nun das Protoplasma sich derart abzugrenzen, dass selbständige membranlose Zellen entstehen. Mit zunehmender Ausbildung des 1) Salensky l.c. p. 322. 2) Ed. v. Beneden, Recherches sur la composition et la signification de l’oeuf. Memoires cou- ronnes et Memoires des savants etrangers, publies par l’academie royale de Belgique XXXIV. Bruxelles 1870 p. 42. . ganzen T'hieres schwindet die Grundsubstanz mehr und mehr und man findet dann im Eierstockshohlraume nur selbständige Eizellen in verschiedener Grösse, wie oben bereits erwähnt wurde. Hie und da bleibt von dem Protoplasmalager eine Zelle an der Wandung des Eierstocks zurück, die dann die Ansicht vortäuschen kann, dass ein eigentliches Epithel vorhanden sei, wie es von einigen Autoren für andere Trematoden ange- geben ist. ') Es dürfte sich bei diesen Beobachtungen um nicht ganz jugendliche Individuen gehandelt haben, bei denen der Prozess der Eibildung schon zu weit vorgeschritten war, um eimen klaren Einblick zu gestatten. Die reifen Eierstockseier sind 0,021 mm. grosse, runde Zellen mit einem 0,012 mm. grossen Keimbläschen und einem sehr klemen, oft kaum erkennbaren Keimflecke. Im jugendlichen Eie ist dagegen der Keimfleck sehr gross und tingirt sich viel stärker als das Keimbläschen. Das Protoplasma der Eizelle ist sehr fein- körnig und durch keine Membran nach aussen abgegrenzt. Betrachten wir gleich an dieser Stelle die weiteren Schicksale des Eies. Durch den Eileiter tritt das reife Eierstocksei von seiner Bildungsstätte nach aussen und wird hier sehr bald von Dotterelementen und diesen beigemischten Samenfäden umgeben, welche durch einen kurzen Kanal von der Dotterblase in den Eileiter gebracht werden. °) Man sieht in dem engen Eileiter dann mehrere Eier liegen, die durch eine gewisse Menge von Dottermasse von einander getrennt sind. Sobald durch Contractionsbewegungen des Thieres ein Ei mit der dazuge- hörigen Dottermasse in den rautenförmigen Uterus eingetreten ist, bildet sich mit rapider Schnelligkeit eine Schale darum. Dieselbe ist anfangs weich und hell, nimmt allmählich an Consistenz zu und erhält eine hellbraune Farbe. Diese Schale, der wir ganz allgemein bei den 'Trematoden begegnen, würde nach der Auffassung Ed. v. Beneden’s’) als Chorion zu bezeichnen sein. 1) Walter (Archiv f. Naturgeschichte 1858 p. 293) für Amphistomum subelavatum und Stieda (Müllers Archiv 1867 p. 57 und 1870 p. 667) für Distoma hepaticum und Polystoma integerrimum. 2) Manche Autoren nennen in Folge dessen die Fortsetzung des Eileiters „Keim-Dottergang.“ 3) Ed. v. Beneden l.c. p. 229. ‘Je propose de reserver le nom de chorion a toute membrane anhiste, formee par voie de seeretion, par les cellules Epitheliales de l’ovaire ou de l’oviducte et destinde a servir d’enveloppe a un oeuf arrive a maturite'. —— 329 — Wir schliessen uns indess derjenigen von Hubert Ludwig') an, wonach Chorion nur solche Eihüllen sind, die von den Zellen des Follikelepithels geliefert werden. In diesem Sinne ist bei unserm Thiere natürlich kein Chorion vorhanden, wir haben es einfach mit einer harten, vielleicht chitinigen „Schale“ zu thun. Dieselbe verdankt ihre Entstehung dem Sekrete bestimmter Drüsen ?), welche in den untern Theil des Uterus einmünden, wie wir bald sehen werden. Das lege- reife Ei, wie es im Uterus gebildet wird, hat die Gestalt einer dreiseitigen Pyramide, mit etwas abgerundeten Ecken der nach oben gerichteten Basis und in einen kurzen Faden ausgezogener Spitze. Diese Gestalt ist durch diejenige des Uterus bedingt, welch letzterer gleichsam die Form ist, in welche das Ei gegossen wird. Der Anhangsfaden entspricht dem untern Theile des rautenförmigen Raumes, die abgerundeten Ecken dem mittleren 'T'heile desselben. Ich möchte diese Bildungsweise vergleichen mit derjenigen des Byssusfadens bei Mytilus oder der Schneckenradula, deren Erhöhungen gleichsam die ausgegossenen Vertiefungen des sog. „Stempels“ sind. 2. Eileiter. (Taf. I. fig.1u.2. Taf. II. fig. 1. ovd.) Der Eileiter beginnt bereits innerhalb des Eierstockes, steigt in einer etwas nach links geneigten Richtung empor, seitwärts von der Dotterblase, nimmt etwas oberhalb derselben einen kurzen, von dieser ausgehenden Canal auf und tritt dicht neben dem Cirrusbeutel in einen blasenförmigen Raum ein, Hierin erweitert er sich zu dem rautenförmigen Uterus?) (u.), in welchem das Ei von der Schale umgeben wird und mündet endlich dicht neben der männlichen Geschlechtsöffnung nach aussen. 1) Hubert Ludwig, Ueber die Eibildung im Thierreiche. Eine von der philosophischen Fakultät der Universität Würzburg gekrönte Preisschrift. Würzburg 1874. p. 198. 2) Die Schale ist nicht etwa, wie Schneider meint, eine von der Eizelle selbst abgeschiedene Bildung. 3) Unter diesem Namen werden im Thierreiche eine Anzahl verschiedenartiger Gebilde verstanden, die sicherlich den gleichen Namen nicht führen würden, wenu man consequent gleiche Bezeichnungen nur auf wirklich homologe Organe anwendete. Es fragt sich, ob wir bei den T'rrematoden einen Theil des weiblichen Apparats als Uterus bezeichnen können, wenn wir darunter einen solchen verstehen wollen, der bei höheren Thieren eine analoge Funktion besitzt. Da scheint mir der Theil den meisten Anspruch auf diesen Namen zu haben, in welchem die Eier ihre schliessliche Form bekommen d.h. wo sie mit der festen Schale umgeben werden. E. v. Beneden hat für diesen Theil einen besondern Namen „Ootyp“ geschaffen (müsste übrigens richtiger Ootypeion heissen), der meines Erachtens überflüssig ist. Auch bei den RR In seiner ganzen Ausdehnung besteht der Eileiter aus strukturlosen Wandungen, wie die Samenleiter. Der Ausführungsgang des Uterus ist von einer Lage Längsmuskeln begleitet. Nach v.Beneden') münden auch bei Tr. (Epibdella) Hippoglossi und Sci- aenae die männlichen und weiblichen Organe gesondert neben einander aus. Carl Vogt?) sprieht von einer Kloake bei Tr. (Phylonella) Soleae. Nach der Abbildung münden aber die beiden Kanäle, welche zu einer solchen vereinigt sein sollen, gesondert, nur sehr dicht neben einander nach aussen. Es scheint daher die Bezeichnung ‘Kloake’ nicht gerechtfertigt. In den Uterus münden die Ausführungsgänge zahlreicher einzelliger Drüsen, die wir als 3; Sehalendrüsen (Taf. II. fig. 1. sch.) in Anspruch nehmen dürfen. Vögeln nennen wir den Abschnitt des Eileiters, in welchem das Ei von der Kalkschale umgeben wird, Uterus. Ganz analog kann man auch bei den 'Trematoden verfahren. Denjenigen Abschnitt des Eileiters, wo sich die Dotterelemente um das Ei legen, rechne ieh noch nicht zum Uterus; er ist einfach Bileiter, der auf eine besondere Bezeichnung keinen Anspruch hat, wie eine solche auch für den 'Theil des Vogeloviduets nicht existirt, in welchem das Ei vom Eiweiss umlagert wird. !) van Beneden, Note sur un T'rematode nouveau du Maigre d’Europe. Bulletin de l’Aca- demie royale de Belgique XXIII. no 10. Tafel und M&moire sur les Vers Intestinaux p. 33. Namentlich in letzterer Abhandlung tritt auf "Taf. II. fig. 1 der enge Ausführungsgang (i) des Uterus hervor. 2) Carl Vogt l.c. p. 308. Nach Carl Vogt soll die Kloake gebildet werden von dem „Scheidenkanale“ , (d. i. Fortsetzung des Uterus) und dem „Begattungsgange“ (d.i. Ausführungsgang der Samenkapsel). Ich muss offen ge- stehen, dass ich weder aus der Vogt’schen Beschreibung der Geschleelitsverhältnisse noch aus den dazu gehörigen Abbildungen klug werden kann, was auch noch dadurch erschwert wird, dass im Texte erwähnte Buchstaben in der Zeichnung nicht aufzufinden sind. Wenn mich nicht alles trügt, ist der sog. Scheiden- kanal nichts anderes als der Cirrusbeutel, worauf ausser Gestalt und Lage auch die Beschreibung, dass „er im Innern seines Lumens zahlreiche Querfalten zeigt“ durchaus passen würde. Was unter ‘Ootyp’ verstanden wird, weiss ich nicht; es soll ein mit dem Dottersack in Communication stehendes gemein- schaftliches Reservoir sein. Jedenfalls ist es nicht identisch mit dem von Beneden so bezeichneten Raume, in welchem sich die Schale bildet; denn nach Vogt sollen die Eier im Ootyp mit Dotter und Sperma- tozoen umgeben werden und dann in den Uterus gelangen, wo die Bildung der Schale erfolgt. — Die „Samenblase“ Vogt's ist möglichenfalls die auch von uns so bezeichnete Erweiterung der Scheide. Ich bin überzeugt, dass sich bei sorgfältigerer Untersuchung für Tr. Soleae eine im allgemeinen gleiche An- ordnung der Geschlechtsorgane, wie bei den übrigen Arten dieser Gattung herausstellen wird. — Ze Ihre Ausführungsgänge sind ziemlich lang und nur schwer nach den zuge- hörigen Drüsen hin zu verfolgen, weil dieselben meist von andern Organen verdeckt werden. Sie liegen in der Gegend oberhalb des Eierstocks. Es sind 0,03 mm. grosse, birnförmige Zellen mit einem ziemlich grobkörnigen Protoplasma, einem in der Mitte gelegenen runden Kern und seinem Kernkörperchen. 4. Dotterstöcke.!) (Taf. I. fig. 2.) Wie fast allgemein in der Klasse der Trematoden, sind auch bei den Tristo- miden die Dotterstöcke ganz ausserordentlich entwickelt. Sie nehmen hauptsächlich die Seitentheile des Körpers ein und verbreiten sich mit ihren Verzweigungen, die denen des Darmes genau folgen, bis zu den vordersten und hintersten Enden des l'hieres. Einzelne kleinere Zweige folgen den Darmver- zweigungen auch nach innen und liegen zwischen den Hodenbläschen. Man hat an ihnen die eigentlichen Drüsenfollikel und die Ausführungsgänge zu unterscheiden. Erstere bilden gleichsam die Beeren, letztere die Stiele einer "Traube. Die einzelnen kleinen Ausführungsgänge sammeln sich in zwei grosse, den Körper fast in seiner ganzen Länge durchziehende Gänge, dieDottergänge (Tat. II. fig. 1. dg.). Sie sind über den Darmschenkeln gelagert, und bilden wie diese ober- 1) Ich brauche den alten Namen „Dotterstock“, wenngleich ich mir sehr wol bewusst bin, dass er nieht haltbar ist. Doch er ist allen bisher vorgeschlagenen Bezeichnungen vorzuziehen. Man hat bekanntlich von verschiedenen Seiten Bedenken gegen den Namen „Dotterstock“ erhoben. Reichert will dafür Eiweissdrüse gesetzt haben, doch hat Leuekart (Menschliche Parasiten I. p. 481) Recht, dies nicht zu acceptiren, „weil das Absonderungsproduct der betreffenden Gebilde ebenso wenig und vielleicht noch weniger Eiweiss ist als Dotter.“ Minot (Studien an 'Turbellarien p. 443) schlägt den Namen „Futterstöcke“ oder „Eifutterstöcke“ vor und ist genöthigt, um die Bezeichnung „Futtergang“ zu vermeiden, von „Binährungsgängen“ zu sprechen, wenn er die Ausführungsgänge bezeichnen will. Ed. v. Beneden (l.e. p. 225) nennt die nämlichen Gebilde „Deutoplasmadrüsen“ (deutoplasmigenes), indem er ihr Sekret als gleicbwerthig dem Deutoplasma der übrigen Eier erachtet. Ludwig (Eibildung im Thierreiche p. 32) macht mit Recht darauf aufmerksam, dass hierdurch morpho- logisch verschiedene Dinge zusammengeworfen werden. Aber auch seine Bezeichnung „Hülldrüsen“ oder „Eihülldrüsen“ möchte ich nieht gern annehmen, da sie gar zu allgemein ist und ebenso auf die Schalendrüse, die gleichfalls eine Eihülle liefert, Anwendung finden könnte. Aus rein praktischen Gründen dürfte es sich empfehlen, nach wie vor von Dotterstock, Dottergängen und Dotterblase zu reden; denn man ist doeh immer genöthigt, der Kürze halber das Sekret dieser ‘Hülldrüsen’ Dotterelemente, Dotterkörnchen u. dergl. zu nennen. — 332 halb des Bauchsaugnapfes eine bogenförmige Vereinigung. Ausserdem aber ent- sendet im vordern Theile des Körpers ein jeder der längsverlaufenden Dottergänge einen queren Gang, welche sich in der Mittellinie in einer rundlichen Anschwel- lung, der Dotterblase (db.), vereinigen. Die Drüsenfollikell haben ebensowenig eine selbständige Wandung wie der Eierstock und die übrigen Organe; auch sie bilden nur Lücken im Körperparenchym, welches sich durch eine scharfe Contour dagegen abgrenzt. Nach Ed. v. Beneden') soll ein Dotterstocksepithel vorhanden sein. Ich kann diese Angabe keinesfalls bestätigen. An jugendlichen Individuen, wo man von den Dotterelementen selbst noch gar nichts wahrzunehmen vermag, gewinnt man über die Zellen der Drüsenfollikel den besten Aufschluss. Da sieht man an ceireumseripten Stellen Anhäufungen von grossen runden Zellen, die zu vier, sechs, acht und noch mehr neben einander liegen, ohne nur im entferntesten die Anordnung und Form von Epithelzellen zu zeigen. Diese Zellen haben einen trüb protoplasmatischen Inhalt, in welchem ich keinen Kern wahrzunehmen vermochte. Neben solchen finden sich Anhäufungen noch zahlreicherer kleinerer Zellen, die einen sehr deutlichen Kern mit einem kleinen Kernkörperchen zeigen und genau denen gleichen, welche wir in den Drüsenfollikeln älterer Individuen neben den bereits gebildeten Dotterelementen wiederfinden. Obgleich es mir nicht gelungen ist, die erst erwähnten grossen Zellen in Thheilung anzutreffen, glaube ich doch nicht irre zu gehen, wenn ich sie für die Mutterzellen jener kleineren anspreche, welche die eigentliche Stätte der Dotter- bildung sind. Diese Bildung besteht in einer Desorganisation, welche bei unserm Thiere mit einem gänzlichen Zerfall des Zellenkörpers endet. Anfangs treten im Zellenprotoplasma um den Kern herum kleine, stark licht- brechende Körnchen von gelbbrauner Farbe auf, diese mehren sich, machen den Zellkern immer unsichtbarer, vereinigen sich zu grösseren Dotterkugeln und liegen endlich selbständig neben den noch unversehrten Zellen (Taf. I. fig. 3.) 1) Ed.v. Beneden l.c. p. 42. 333 — Zum Theil schon in den Drüsenfollikeln erwachsener Thiere, bestimmt aber in den kleinen, stielartigen Ausführungsgängen sieht man die gelbbraunen Dotter- körnchen oder -kugeln liegen, die sich in Folge dessen auch bei Anwendung von Tinktionsflüssigkeiten nicht mehr färben. In den Drüsenfollikeln sieht man häufig an der einen Seite noch die Bildungszellen mit ihren scharf tingirten Kernen, auf der andern die bereits fertigen Dotterelemente liegen. Letztere sind nun in den längsverlaufenden und queren Dottergängen zu un- geheuern Massen angehänft und die vorerwähnte Dotterblase ist nichts als ein Reser- voir für dieselben. Diese Dotterblase ist bei geschlechtsreifen Thieren stets vorhanden und dieht mit bräunlicher Masse gefüllt. Bei jugendlichen Individuen ist sie entweder in geringer Ausbildung zu erkennen (Tat. 1. fig.1. db.) oder man sucht sie überhaupt vergebens, wie auch die Dottergänge, weil in ihnen noch keine Dotterelemente liegen und sie sich so dem Auge leicht entziehen. Die Dotterblase (vitellosae der Franzosen) kommt sehr allgemein bei den T'rematoden vor. Aus der nächsten Verwandtschaft der in Rede stehenden Formen beschreibt sie v. Beneden bei Tr. (Epibdella) Hippoglossi und Sciaenae und Carl Vogt bei (Phylonella) Soleae. Bei letzterer Art bildet die Blase einen querliegenden Sack, wie sie denn überhaupt je nach ihrem Füllungszustande ihre Form mannigfach ändern wird. Da die Dotterstöcke, wie erwähnt, von früheren Beobachtern für den Eier- stock gehalten wurden, so ist es nur folgerichtig, wenn Blanchard') die Dotter- blase als “ovisac’ bezeichnet. Ich hebe nochmals hervor, dass bei Tristomum der Zerfall der Dotterbildungs- zellen stets vor Umlagerung des Eierstockseies vollzogen ist”). Bekanntlich gibt es andere Trematoden, — und wir werden später in Onchocotyle appendiculata einen solchen kennen lernen — wo die Dotterzellen ihre Selbständigkeit noch inner- halb des von einer Schale umgebenen, legereifen Eies bewahren. 1) Blanchard l.c. p. 325. 2) Carl Vogt (l.e. p. 309) findet in der Dotterblase (Dottersack) bei Tr. Soleae ebenfalls formlose Masse. Wenn er solehe auch in den blinden Enden der Drüse beobachtet hat, so ist dies er- klärlich, sobald ältere Thiere untersucht sind, bei denen die Bildungszellen bereits vollständig desorganisirt waren. Wie sich dagegen in den grösseren Dottergängen diese Massen differenzirt, kuglig um die Kern- chen geballt haben und so „wahre Zellen“ bilden sollen, bleibt mir unverständlich. Abh, der naturf, Ges, zu Halle. XIV. 5. Hit. 44 Be Ich muss hier noch auf einen Umstand aufmerksam machen, der leicht zu Irrungen Veranlassung geben könnte. Wo bei unserm Tristomum die Dotterblase liegt, bemerken wir auch bei Distomum hepaticum einen „kugligen Körper“, den man auf den ersten Blick als analoges Gebilde in Anspruch zu nehmen kein Bedenken tragen würde. Doch dieser kuglige Körper ist hier, wie wir durch Leuckart') und Stieda°) wissen, die Schalendrüse, in welche ausser den Dottergängen auch der Eiergang und die Scheide einminden. ?) Gerade dieser letztere Umstand macht die Analogie dieser Schalendrüse mit unserer Dotterblase noch evidenter; denn auch hier treffen die Dottergänge, der Eiergang (wenigstens mittelbar durch einen kleinen selbständigen Kanal) und .die Scheide zusammen. Und doch ist die Dotterblase entschieden nichts anderes als ein einfaches Reservoir für die Dottermasse und entbehrt jeglichen Charakters einer Drüse, wie durch sie geführte Schnitte über allen Zweifel erheben. So sehr also der Anschein für eine Analogie der Schalendrüse von Distoma und der Dotterblase unserer For- men spricht, eine solche ist bei genauerer Untersuchung nicht vorhanden. Diese Dotterblase ist übrigens von entschiedener Wichtigkeit für die ganzen Geschlechtsverhältnisse unserer Thiere. Wie erwähnt, tritt in sie die Scheide ein. Dadurch werden also die Sper- matozoen zu den Dotterelementen geleitet, vermischen sich hier mit ihnen und ge- langen durch den beschriebenen kurzen Canal in den Eiergang, wo sie mit dem Eie zusammentreffen, um es zugleich zu befruchten und mit Dottermasse zu umgeben. 5. Scheide (Laurer'scher Canal) ?). Die Scheide, welche zur Uebertragung des Samens eines Individuums zu den Eiern eines anderen dient, öffnet sich an der linken Seite der Bauchfläche in der 1) Leuckart l.c. p. 561. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. Müller’s Archiv 1867. p. 27. 3) Genau dieselbe Anordnuug beschreibt Kerbert für sein neues Distomum Westermanni aus den Lungen von Felis tigris. Veırgl. Zoologischer Anzeiger I. Jahrgang no 12. p. 271. ‘Zur 'Trematoden- Kenntniss’. #) Da bei diesen Thieren ein vom Ausführungsgange des Fruchtbehälters getrennter Kanal existirt, welcher zur Befruchtung dient, so kann leicht eine Confusion in der Bezeichnung dieser beiden Kanäle eintreten. Wir pflegen ganz allgemein denjenigen Theil des weiblichen Apparats, welcher das männliche —— 339 — Nähe der männlichen und weiblichen Geschlechtsöffnungen. (Taf. I. fig. 1. u. 2. Taf. II. fig. 1.) Sie stellt einen kurzen, ziemlich weiten Kanal dar, welcher in eine längliche Samenblase übergeht, vor welcher er einige kleine Windungen zu machen pflegt. Von der Samenblase aus, die ich stets dicht mit Samenmassen angefüllt sah, geht ein sehr feiner, oft schwer erkennbarer Gang zur Dotterblase, an deren linkem oberen Rande er einmiündet. Wir haben schon oben erwähnt, dass die Scheide bei unserm Thiere von früheren Beobachtern bereits beschrieben und abgebildet, aber irrthümlicher Weise für die Ausmündung der weiblichen Geschlechtsorgane gehalten worden ist‘), ein Versehen, welches dadurch erklärbar wird, dass die weibliche Oeffnung so dicht der männlichen anliegt. Das Vorhandensein einer Scheide beweist uns, dass bei unsern Thieren eine wechselseitige Befruchtung stattfindet, neben welcher eine innere Selbstbe- fruchtung gänzlich auszuschliessen ist, da ein drittes vas deferens, welches von einem Hoden zu den keimbereitenden Organen führen sollte, nicht vor- handen ist. Glied bei der Begattung aufnimmt, als Scheide (vagina) zu bezeichnen. Derselbe übernimmt aber für gewöhnlich gleichzeitig die Funktion, die Eier resp. die reife Frucht nach aussen zu führen. Es ist dann also Begattungsgang und Ausführungsgang des Fruchtbehälters identisch. Nicht so bei den Trematoden und gewissen Cestoden, wo man also berechtigt sein könnte, beide Kanäle mit dem gleichen Namen zu belegen, was natürlich nicht zulässig ist. Da man den besondern Begattungsgang bei den Trematoden nicht kannte, so hat man den Ausführungsgang des Fruchtbehälters, den man ja auch für die Aufnahme des Penis bestimmt glaubte, als Scheide bezeichnet. Es ist wol das Zweckmässigste, man lässt den Namen ‘Scheide’ dem Begattungsgange und sprieht im Gegensatz dazu einfach vom „Ausführungsgange des Uterus“ oder „Eiergange*. Eine Scheide kommt demnach den Cestoden und 'Trematoden gemeinsam zu, der Ausführungs- gang des Uterus fehlt den 'Taenien. ') Vergl. Blanchard (l.e. Pl. Il. fig.2f.) und Kölliker (l.c. Taf. fig. 3). Letzterer nennt die birnförmige Erweiterung ganz richtig ‘Samenbehälter” und sprieht die Vermuthung aus, dass derselbe vielleicht durch einen besondern zweiten ductus deferens mit dem Hoden in Verbindung steht. Bei Tr. (Epibdella) Sciaenae wird die Samenblase mit ihrem Ausführungsgange von Ed. v. Beneden (Note sur un Tre@matode nouveau du Maigre d’Europe, Bull. de l’Acad. roy. de Belgique XXIII. no 10) als eine besondere Drüse bezeichnet, deren wahre Bedeutung nicht im entferntesten geahnt wird; und in Mem. sur les Vers Intest. p.34 heisst es von diesem Organe: “Un organ que nous avons eru longtemps en rapport avec le vitellosac, e dont nous ignorons completement l’usage et la signification, est situe en 44% Be... Wir haben in den letzten Jahren auch für andere T'rematoden den Nachweis erhalten, dass eine besondere Scheide (Laurer’scher Kanal) vorhanden ist, und es sei gestattet bei der Wichtigkeit, welche diese Thatsache immerhin besitzt, die darauf bezüglichen Angaben zusammenzustellen. Zur Geschichte des Laurer’schen Kanals. Laurer') war der erste, welcher bei Amphistomum conicum einen Kanal beschrieben hat, welcher mit der Schalendrüse (nodulus Laurer) in Verbindung steht, ohne dass eine Ausmündung nach aussen beobachtet wurde. Denselben Kanal beschreibt 1836 Siebold°) bei einigen Saugwürmern als eine Verbindung zwischen dem einen Hoden und der sog. vesicula seminalis posterior d.h. dem jetzt als Schalendrüse aufgefassten Organe. Hierdurch sollte nach seiner Meinung ein direkter innerer Zusammenhang zwischen männlichen und weiblichen Organen und somit die Möglichkeit einer innern Selbstbefruchtung hergestellt werden. Er bezeichnet diesen Kanal als drittes vas deferens und schrieb ihn später °) allen Trematoden zu. Leuckart*) bestreitet das allgemeine Vorkommen eines solchen dritten vas deferens bei den Trematoden und lässt es nur für gewisse Formen (z. B. Disto- mum lanceolatum) bestehen, wie es denn auch bei verschiedenen verwandten Formen von mehreren Autoren beschrieben worden ist. So ganz speziell für Amphistomum conicum. Nach den Untersuchungen Blumberg’s?) indessen existirt ein innerer Zu- sammenhang zwischen männlichen und weiblichen Organen nicht. Jener Kanal, welcher als eine solche Verbindung beschrieben worden ist, steht mit dem Hoden avant du vitellosae et longe le canal deferent dans une partie de la longueur pour se perdre au devant de la vesieule pulsatilee — — Dans l’Epibdelle de la seine cet organ est encore plus distinet — — Nous eroyons avoir vu cet organ s’ouvrir A l’exterieur a cöte& des orifices sexuels'. '") Laurer, Disquisitiones anatomiecae de Amphistomo eonico. Dissert. inaug. Gryphiae 1830. 2) Siebold, Helminthologische Beiträge III. Wiegmanns Archiv f. Naturgeschichte 1836 I. p. 217. — Fernere Beobachtungen über die Spermatozoen der wirbellosen Thiere. Müllers Archiv 1836 p. 231. %) Lehrbuch der vergleichenden Anatomie der wirbellosen 'T’'hiere. Berlin 1848 p. 141 u.f. #) Leuckart, Menschliche Parasiten I. p. 479. °) Blumberg, Ueber den Bau des Amphistomum conicum. Diss. inaug. Dorpat. 1871 p. 32. Ber 7 DEE in keinerlei Beziehung, sondern mündet nach aussen und dient als Scheide d. h. zur Ueberleitung des Samens eines Individuums zu den Eiern eines andern. Diese Resultate der Blumberg’schen Untersuchung werden gleichzeitig von Stieda') der Oeffentlichkeit übergeben. Letzterer hatte bereits bei Distomum hepaticum im Jahre 1867 einen Kanal beobachtet, welcher aus der Schalendrüse nach der Rückenfläche des Thieres führt, um dort auszumünden. Er gab ihm da- mals die Deutung, dass er „das Uebermass der sich bildenden und in den Dottergang gebrachten Dottermasse direkt nach aussen abzuleiten habe“ ?). In Folge der gleichen Beobachtung bei Amphistomum erklärt nun Stieda diesen Kanal auch bei dem Leberegel für den Laurer’schen Kanal d.h. als Scheide. Durch diese Beobachtung wurde eine entschiedene Uebereinstimmung in den Geschlechtsorganen der Cestoden und Trematoden nachgewiesen. Denn auch diese haben — was von den Taenien allgemein anerkannt war — einen als Scheide dienenden Kanal, während ein Ausfihrungsgang des Uterus nicht existirt. Für die Bothriocephaliden nahm man früher an, dass ein gemeinschaftlicher Kanal für den Eintritt der Spermatozoen und den Austritt der Eier vorhanden sei, der also gleich- zeitig Scheide und Ausführungsgang des Uterus ist. Erst Stieda°) hat den Nachweis geliefert, dass eine von der Uterusöffnung ganz getrennte Scheidenöffnung existirt, mithin drei verschiedene Geschlechtsöffnungen vorhanden sind. Dies Verhalten wird dann von Leuckart®) und von Sommer und Lan- dois°) bestätigt. Durch die gleiche Entdeckung bei Dist. hepaticum und Amphist. conicum nun wurden die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen Bothriocephaliden und Trema- toden als viel engere erkannt, als man es vorher geahnt hatte. Und die beiden genannten Trematodenformen blieben nicht die einzigen, welche diese Verwandtschaft stützten. 1) Ueber den angeblichen innern Zusammenhang der männlichen und weiblichen Organe bei den 'Trematoden. Müllers Archiv 1871 p. 31. 2) Stieda, Beiträge zur Anatomie der Plattwürmer. Müllers Archiv 1867 p. 52. 3) Stieda, Ein Beitrag zur Anatomie des Bothriocephalus latus, Müllers Archiv 1864 p. 174. 4) Leuckart, Bericht über die wissenschaftl. Leistungen in der Naturgeschichte der wirbellosen Thiere für 1864 u. 65. Berlin 1866 p. W. 5) Sommer und Landois, Ueber den Bau der geschlechtsreifen Glieder von Bothriocephalus latus. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXI. p. 40. —— 338 — Zaerst weist Bütschli') das Vorhandensein eines Laurer’schen Kanals bei Dist. endolabum nach. Sodann beschreibt Zeller?) bei Polystomum integerrimum einen ‘den Samen zuleitenden Kanal’, der mit den Ausführungsgängen der Dottergänge und des Eierstocks zusammentrifft. Er fügt hinzu: „den Ursprung dieses Kanals konnte ich trotz aller Mühe, die ich darauf verwandte, nicht erkennen. Der Analogie zu Folge müsste er nach meinen sonstigen Beobachtungen auf der Rückenfläche zu suchen sein. Ich habe mich nämlich bei einer grossen Anzahl von Trematoden, welche aller- dings vorzugsweise der Gruppe der Distomeen angehören, aut das bestimmteste überzeugt, dass der von v. Siebold als drittes vas deferens ange- nommene Kanal in Wirklichkeit nicht von dem einen Hoden aus- geht, sondern ohne allenZusammenhang mit diesem auf der Rücken- tläche des Körpers mit einer kleinen rundlichen Oeffnung seinen Anfang nimmt und also von aussen her den Samen in die innere Samenblase oder auch direkt zu dem Ausführungsgange des Keim- stockes zu leiten hat.“?) In einer späteren Arbeit?) erklärt Zeller mit Bestimmtheit, dass dieser Kanal bei Polyst. integerrim. nicht nach aussen mündet, sondern in den 1) Bütschli, Beobachtungen über mehrere Parasiten. Archiv f. Naturgeschichte XXXVIII. 1872. p. 234. ?) Zeller, Untersuchungen über die Entwicklung und den Bau des Polystomum integerrimu m Rud. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXII. p. 21. 3) Gegentheilige Beobachtungen veröffentlichte O. Linstow über einige Distomeen im Archiv f. Naturgeschichte 1873 und 75. Ebenso beschreibt T’haer (Müllers Archiv 1850 p. 602) bei Onchocotyle appendieulata ein drittes vas deferens, dessen Existenz bereits von v. Beneden (Memoire sur les Vers Intest. p. 191) bezweifelt, welch letzterer überhaupt bemerkt (p. 188), dass er nie einen Verbindungs- kanal zwischen dem einen Hoden und den weiblichen Organen gefunden habe, und daher eine Selbstbe- fruchtung durch Uebertragung des Samens mittelst des Penis in die weibliche Oeffnung_ annimmt. Bei Holostomum, wo nach Linstow (Archiv f. Naturgesch. 1577 p.191) ausser der männlichen und weiblichen Geschlechtsöffnung ein Laurer’scher Kanal vorhanden ist, wird ihm von diesem Helmin- thologen die veraltete Bedeutung gegeben, überflüssige Dottersubstanz abzuführen. — Huxley (Anatomy of Invertebrate Animals Chap. IV) beschreibt bei Aspidogaster conchicola eine Verbindung zwischen Hoden und Eileiter. %) Zeller, Weiterer Beitrag zur Kenntniss der Polystomen. Zeitschr. f. wissensch. Zoologie XXVII. 1876 p. 238. Be Hoden eintritt, dass mithin gerade bei diesem Thiere ein innerer Zusammenhang zwischen männlichen und weiblichen Organen besteht. Dagegen werden wir über die, auch schon früher von ihm kurz erwähnten „Seitenwülste“ und deren Kanäle unterrichtet und lernen in ihnen weibliche Be- gattungsorgane kennen, also zwei Scheiden oder Laurer’sche Kanäle. Zwei diesen entsprechende Kanäle finden sich auch bei Calicotyle Kroyeri, dem interessanten Parasiten von Raja, welcher von Wierzejski') einer sorgfältigen anatomischen Untersuchung unterzogen worden ist. Verfasser erkennt die Analogie mit den von Zeller beschriebenen Seitenwülsten, lässt es aber dahingestellt sein, ob es wirkliche Begattungsorgane sind. Das gleiche Verhalten wie bei Calicotyle treffen wir auch bei Pseudocotyle Squatinae, wie ich bereits in einer vorläufigen Mittheilung erwähnt habe ?). Auch bei Onchoeotyle appendieulata ist es mir gelungen, eine Scheide nach- zuweisen. In neuster Zeit beschreibt C. Vogt’) bei Diplectanum aequans eine „Begat- tungskeule“ mit einer äusseren Mündung, die unabhängig von der männlichen und weiblichen Geschlechtsöffnung ist. Er ist sich über die Verhältnisse nicht ganz klar geworden; wahrscheinlich ist auch hier ein Laurer'scher Kanal vorhanden, welcher durch jene dritte Oeffnung nach aussen mündet. In Betreff einer andern, den Tristomiden zugehörigen Form, Tr. (Phylonella) Soleae erklärt derselbe Forscher aufs entschiedenste, keine innere Verbindung zwischen männlichen und eibereitenden Organen aufgetunden zu haben, so dass er eine innere Selbstbefruchtung bezweifelt. Für Tr. Pelamydism. gilt genau dasselbe wie für Tr. coceineum und papillosum. Ganz vor kurzem veröftentlichte mein Freund C. Kerbert*) seine Untersu- chungen über eine neue 'Trematodenform, Distoma Westermanni, in einer vorläufigen Mittheilung. Dieselben haben auch ihier die Existenz eines Laurer’schen Scheiden- kanals erwiesen. 1) Wierzejsky, Zur Kenntniss des Baues von Calicotyle Kroyeri, Zeitschr. f. wissensch. Zoolog. XXIX. 1877. p. 550. ?) Zoologischer Anzeiger I. Jahrg. no. 8. p. 176. ») ©. Vogt, Ueber die Fortpflanzungsorgane einiger ectoparasitischer mariner T’rrematoden. Zeitschr. f. wiss. Zoolog. XXX, Suppl. 1878 p. 306. 4) ©.Kerbert, Zur 'Trematoden-Kenntniss. Zoolog. Anzeiger I. Jahrg. 1878. no 12. p. 271. — 340 - Es darf demnach wol mit ziemlicher Sicherheit angenommen werden, dass das Vorhandensein einer besondern Scheide bei den Trematoden die Regel ist. Dass es davon nicht Ausnahmen geben könne, wollen wir zunächst nicht in Zweifel ziehen, ebenso wie es Fälle gibt, wo neben der Scheide noch ein drittes vas deferens im Sinne Siebold’s vorhanden ist, was nach den so trefflichen Untersuchungen Zeller's für Polystomum integerrimum nicht geleugnet werden darf). Nachtrag. Bei der Besprechung des Nervensystems von Tristomum cuceineum und pa- pillosum wurde erwähnt, dass P. v. Beneden eine gleiche Bildung des Oentraltheiles bei T'rist. (Epibdella) Hippoglossi beschreibt, dass dieser letztere aber auffälliger Weise unterhalb des Schlundkopfes gelegen sei. Durch die Liebenswürdigkeit des Herrn Geheimrath Leuckart war ich in den Stand gesetzt, ein Exemplar dieser Beneden’schen Tristomum-Art zu untersuchen. Dabei habe ich mich überzeugt, dass genannter Forscher sich über die Lage des ‘Gehirns’ im Irrthum befindet. Dasselbe liegt genau an derselben Stelle, wie bei Tr. coccmeum und papillosum, nämlich vor der vorderen Pharyngealöffnung und verhält sich auch in Bezug auf die abgehenden Nerven in gleicher Weise. Auf dem Gehirn liegen in Trapezform vier schwarze ‘Augenflecke’, wie wir es ebenfalls von den beiden anderen Arten constatiren konnten. !) Nachträglicher Zusatz. Nachdem ich mein Manuscript bereits zum Druck gegeben hatte, erhielt ich noch zwei auf diesen Gegenstand bezügliche Arbeiten, 1. Ludwig Lorenz, Ueber die Organi- sation der Gattungen Axine und Microcotyle. Arbeiten des zoolog. Instituts zu Wien Heft 5. 1878, Auch aus ihr geht hervor, dass bei Axine und Microcotyle eine besondere Scheide existirt. Besonders interessant war es mir, die gleiche Beobachtung auch für Tristomum (Trochopus) tubiporum Dies. von Trigla hirundo, einem 'T'hiere, nach welchem ich in Neapel vergeblich gesucht hatte, bestätigt zu finden, Lorenz hat völlig Recht, wenn er eine solche Scheide auch bei Phylonella vermuthet und der Ansicht ist, dass sie von Vogt ganz übersehen sei. 2. Minot, On Distomum crassicolle, with brief notes on Huxley’s proposed classification of worms. Memoirs of the Boston Society of Nat. Hist. Vol. III. June 11, 1878. Hierin wird für Dist. crassicolle ebenfalls die Existenz einer Scheide nachgewiesen. Ausserdem entnehme ich dieser Abhandlung ein wei- teres Beispiel für denselben Fall, das mir bisher unbekannt gewesen war. Fitz hat in seiner Untersuchung über Fasciola Jacksoni (New York Med. Journ. Nov. 1875) auch für dies Thier die Scheide nachgewiesen. Tafelerklärune. Tafel IT. Fig. 1. 'Tristomum coceineum Cuv. von der Rückenseite aus gesehen. (nach einem Präparate. Hämatoxylin. Canadabalsam.) Vergr. 20. M. S. Mundsaugnapf. B. S. Bauclisaugnapf. h. Chitinhaken in demselben. 0. Mundöffnung. ph. Pharynx. x. Ausführungsgänge von Drüsen. oe. Oesophagus. in. Darmschenkel. r. in. Verzweigungen des Darmes. Hoden. v.d. vas deferens. + ce. Cirrusbeutel. o.m. Männliche Geschlechtsöffnung. o. f. Weibliche Geschlechtsöffnung. ov. Eierstock. ovd. Eileiter. u. Uterus. sch. Schalendrüsen. d.b. Dotterblase. v. Scheide. v.s. Samenblase. g. Centraltheil des Nervensystems. n. Peripherischer Nervenstrang. NB. Vom Exceretionsorgane ist nichts gezeichnet, weil es im Präparate nicht sichtbar ist. Fig. 2. Dasselbe mit den Dotterstöcken. dd. Dotterdrüsen. dg. Dottergang. db. Dotterblase. Abh. der naturf. Ges. zu Halle. XIV, 3. Hft. 45 Fig. 3. Querschnitt durch einen Driisenfollikel der Dotterstöcke. Vergr. 340. Fig. 4. Tristomum papillosum Dies. in natürlicher Grösse. a. vom Rücken aus gesehen. b. von der Bauchseite (man sieht unterhalb der Mundsaugnäpfe den pharynx durchscheinen). p- Hautpapillen. Fig. 5. Querschnitt durch die Haut von Tr. papillosum. Vergr. 180. e. Cutieula, suc. Subeutieula. b. Chitingebilde in derselben. Fig. 6. Querschnitt durch einen T'heil des Eierstocks von Tr. papillosum. Vergr. 280. Tafel II. Fig. 1. Geschlechtsorgane von Tr. papillosum im Zusammenhange, von der Bauchseite gesehen. Vergr. 25. o. m. Männliche Geschlechtsöffnung. o.f. Weibliche Geschlechtsöffnung. ce. Cirrusbeutel. x. Blasenförmige Erweiterung am Grunde desselben. y. Ausführungsgänge von Drüsen. u. Uterus. sch. Schalendrüsen. v. Scheide. v.s. Samenblase. v.d. Samenleiter. t. Hodenbläschen. (Dieselben sind nur zum kleinsten Theile gezeichnet, ihr Inhalt nicht angedeutet). ov. Eierstock. dg. Dottergänge. d.b. Dotterblase. ovd. Eileiter. Fig. 2. Zellen des Körperparenchyms. Vergr. 280. a. Zellen in den Lücken des Bindegewebes. b. Solche mit Fortsatz. c. Kerne der ursprünglichen Bildungszellen. d. Bindegewebsfasern. e. Feine Endzweige des Excretionsorgans. Fig. 3. Querschnitt durch das Gehirn von Tr. papillosum. Vergr. 70. a. Ganglionäre Anschwellungen. 313 —— b. Commissur. ce. Austretende Nervenstränge. Fig. 4. Ganglienzellen aus dem Gehirn von Tr. papillosum. Vergr. 280. Fig. 5. Querschnitt durch einen peripherischen Nervenstrang von Tr. papillosum. Vergr. 440. Fig. 6. Querschnitt durch einen Theil des Darmes von Tr. papillosum. Vergr. 280. Fig. 7. Querschnitt durch die Haut der Rückenfläche von Tr. papillosum. Vergr. 70. e. Cutieula, suc. Subeuticula. b. Bindegewebe. d. Kerne in der Hautpapille. ım,. Ringmuskeln. m,. Längsmuskeln. m,. Diagonalmuskeln. p. ın. Parenchymmuskeln, Fig. 5. Chitinhaken aus dem Bauchsaugnapfe von Tristomum. Vergr. 280, Fig. 9. Zellen aus dem Körperparenchym, welche in den Liicken des Bindegewebes liegen, Vergr. 280. a B rev WEN | er ir ha DT «ante MO NT sr Nee un a » ‘ = ye jr ri > Er - wi j a SUR Be ar U, A 1 ms ee: - Ku rn u RE TE Sen Dan 777 272211777 BILRE a1 7 4 A - - ir Br H .- — en RZ y rn 24 DA ’ Abhandlungen der naturf. Gesellschaft zu Halle ®S. Ba. XIV : Fig. I Fig. 2 Fig. 5. #. Schenck Abhandlungen der naturf. Gesellschaft zu Halle 8. Bd. XIV Taf. b TA 2% a „DD! 0. Taschenberg, ad.nat. del. H.Schenck DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU HALLE. ORIGINALAUFSÄTZE AUS DEM GEBIETE DER GESAMMTEN NATURWISSENSCHAFTEN. Dierzehnten Bandes erftes und zweites Heft. Enthält: Schuerz, Dr. Frdr., Die Familiendiagramme der Rhoeadinen. Ein Beitrag zur vergleichenden Morphologie der Phanerogamen. Mit 1 Tafel. . . . - S. 1—140. Kasıexskı, Dr. Fr., Vergleichende Anatomie der Primulaceen. Mit 10 Tafeln. S. 141—230, 0% ——egee HALLE, Druck unp Verzac von H. W. Scuuint. 1878. DRAG. ERBEN Ber 1 Deine u ee EEE De Ehe u 5 ABHANDLUNGEN 5 NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU HALLE. ORIGINALAUFSÄTZE „ AUS DEM GEBIETE DER GESAMMTEN NATURWISSENSCHAF TEN. Bierzchnten Bandes drittes Heft. Enthält: Marcuaxp, Dr. F., Beiträge zur Kenntniss der. Ovarien-Tumoren. Mit 2 Tafeln. S. 231— 292. TASCHENBERG, Dr. E. O., Beiträge zur Kenntniss ectoparasitischer mariner Trema- \ toden; , Mit.2: Tafeln! 2, 7 I I1>RSc - ' HALLE, Druck unp VerLaG von H. W. Scanuinr. 1879. - a: ABHANDLUNGEN DER NATURFORSCHENDEN GESELLSCHAFT ZU HALLE. ORIGINALAUFSATZE | | AUS DEM GEBIETE DER GESAMMTEN NATURWISSENSCHAFTEN. | Bi Vierzehnter Band, viertes Heft. Euthält: Sitzungsberichte im Jahre 1879. — DRS —— HALLE, Druck un VerLac von H. W. Scunıpr. 1880. Pier ll 3 2044 106 306 632