This is a digital copy of a book that was preserved for generations on library shelves before it was carefully scanned by Google as part of a project to make the world's books discoverable online.

It has survived long enough for the Copyright to expire and the book to enter the public domain. A public domain book is one that was never subject to Copyright or whose legal Copyright term has expired. Whether a book is in the public domain may vary country to country. Public domain books are our gateways to the past, representing a wealth of history, culture and knowledge that 's often difficult to discover.

Marks, notations and other marginalia present in the original volume will appear in this file - a reminder of this book's long journey from the publisher to a library and finally to you.

Usage guidelines

Google is proud to partner with libraries to digitize public domain materials and make them widely accessible. Public domain books belong to the public and we are merely their custodians. Nevertheless, this work is expensive, so in order to keep providing this resource, we have taken Steps to prevent abuse by commercial parties, including placing technical restrictions on automated querying.

We also ask that you:

+ Make non-commercial use of the file s We designed Google Book Search for use by individuals, and we request that you use these files for personal, non-commercial purposes.

+ Refrain from automated querying Do not send automated queries of any sort to Google's System: If you are conducting research on machine translation, optical character recognition or other areas where access to a large amount of text is helpful, please contact us. We encourage the use of public domain materials for these purposes and may be able to help.

+ Maintain attribution The Google "watermark" you see on each file is essential for informing people about this project and helping them find additional materials through Google Book Search. Please do not remove it.

+ Keep it legal Whatever your use, remember that you are responsible for ensuring that what you are doing is legal. Do not assume that just because we believe a book is in the public domain for users in the United States, that the work is also in the public domain for users in other countries. Whether a book is still in Copyright varies from country to country, and we can't off er guidance on whether any specific use of any specific book is allowed. Please do not assume that a book's appearance in Google Book Search means it can be used in any manner any where in the world. Copyright infringement liability can be quite severe.

About Google Book Search

Google's mission is to organize the world's Information and to make it universally accessible and useful. Google Book Search helps readers discover the world's books white helping authors and publishers reach new audiences. You can search through the füll text of this book on the web

at|http : //books . google . com/

^ALBRECHT VON GRiEFE'S ARCHIV

FÜR

OPHTHALMOLOGIE.,

HERAUSGEGEBEN

VON

Prof. F. ARLT Prof. F. C DONDERS

IN WIEN IN UTRECHT

UND

Prof. TH. LEBEI\

IN OÖTTINGEN.

DREISSIGSTER JAHRGANG

ABTHEILUNG I

ODBB

DREISSIGSTER BAND ABTHEILUNG I.

MIT HOLZSOHNITTEN UND TAFELN.

BERLIN, 1884.

VERLAG VON HERMANN PETERS.

lfOB&4N-8'J RA3dE «iL ' '

: ! -.: ; "./ «, > -. . . - ? Eine Uebenetzang in'iremde Sprachen behalten sich die Verfasser vor.

I

< m

Inhalts-Verzeichniss

zu

Band XXX, 1. Abtheilung.

Seit«

I. Die Ophthalmolog:ie seit 1870. Ein Vorwort zum X:XX. Bande des Archivs. Von Prof. Th. Leber in ööttingen 1 14

n. Xoch einmal die Farbensysteme. Von F.C.Donders 15 90

III. Ueber die radiale Ansdehnnng des Sehfeldes nnd die Allometropie des Auges bei indirectem Sehen. Von Prof. Dr. Lndwlg Matthlessen in Rostock . 91 06

rV, Ueber die Homhantkrümmung im normalen Zu- stande und unter pathologischen Verhältnissen. Opbthalmometrische Untersuchungen Ton Prof. Dr.

Laqnenr in Strassburg 99—134

V. Histiologische Notizen. Von Dr. L. Königstein in Wien. (Fortsetzung.) in. Die Entwickelung der Ciüen und der Meibom'schen Drüsen, S. 135. IV. Maasse von Embryonenangen, S. 141. Hierzu Tafel I 135—144

VL Neubildung des Epithels der vorderen Linsenkapsel bei erwachsenen Thieren, im gesunden und im krankhaften Znstande. Von Dr. F. Falchi, Docent der Augenheilkunde an der Universität Turin. Hierzu Tafel U 145—154

VIL Ein Lichtreflex der Retina. Von Dr. Uense in

Biberfeld 155-158

Vni. Eine stereoskopische Erscheinung in der rotirenden

Bildertrommel. Von Dr. Heose in Elberfeld . . 159—16

1217

IV

86it«

IX. Klinische Beiträge zur Lehre vom Glaucom. Von

J* Jacobson gen« (Fortsetzung) 165—210

X. Ueber Fremdkörper der Vorderkammer und Iris.

Von Dr. E. Franke in Hamburg 211—242

XL Beobachtungen über die Wirkung in*B Auge ein- gedrungener Metallsplitter. Von Prof. Th. Leber

in Göttingen 243—258

Xn. Die Jequirity-Ophthalmie. Entgegnung auf Prof.

T. Hippel's Antwort. Von L. de Wecker . . . 259—276 XIIL Einige Bemerkungen zur Histiologie des Trachoms.

Von Prof. Dr. P. Banmgarten in Königsberg i. Pr. 277—289 XIV. Erklärung yon Dr. J. Samelsolin in Göln . . . 290—292 XV. Antwort an Herrn Prof. J. Schiess. Von Dr Steffan 293—294 Bemerkung von Dr. 6. Majerhaosen in München . . 295 Berichtigung 296.

Sie Ophthalmologie seit 1870.

Ein Vorwort zum XXX. Bande des Archivs.

Von

Prof. Th. Leber in Gottingen.

Mit dem vorliegenden Bande tritt unser Archiv in das 30. Jahr seines Bestehens. Im Januar 1854 betonte Y. Graefe im Vorworte zu dem ersten Heft das Bedürf- niss unserer Literatur nach einem eigenen Organ fllr Augenheilkunde und entwickelte sein Programm ftLr die von ihm gegründete Zeitschrift. Im Sinne exacter Unter- suchung gehalt'Cn, sollte sie das Gesammtgebiet der oph- thalmologischen Wissenschaft umfassen; ein Programm, das auch seither dem Archiv unverändert als Richtschnur gedient hat.

Auch in anderer Hinsicht bezeichnet für uns der gegenwärtige Zeitpunkt einen Abschnitt. Das Archiv, dem bald auch die thaikräftige Mitwirkung von v. Arlt in Wien und Donders in Utrecht zu TheU wurde, sollte nur eine kurze Beihe von Jahren der Leitung seines Gründers sich erfreuen. Wer wüsste aber nicht, wie es in dieser Zeit, von 1854 1869, durch epochemachende Arbeiten sich rasch zu dem allgemein bewunderten Denkmal einer

▼. Graefe*! ArclÜT fUr Ophthalmologie, XXX. 1. 1

Glanzperiode unserer Wissenschaft erhoben hat? 15 Bände sind unter y. Graefe's Bedaction erschienen, in deren letz- tem er, gewissermassen sein Yermächtniss an die ophthal- mologische Welt, die grosse Abhandlung über Glaucom» das Muster einer klinischen Arbeit, niedergelegt hat. Im Jahre 1870 sah er sich durch die Fortschritte seiner l^rankheit und sein herannahendes Ende genöthigt, der Mitwirkung an seinem geliebten Archiv zu entsagen. Die Bedactionsgeschäfte far das einzige, in diesem Kriegsjahr ausgegebene Heft musste er Anderen überlassen und sein Erscheinen hat er nicht mehr erlebt. So beginnt nun mit dem laufenden Bande des Archivs zugleich auch das 15. Jahr seines Bestehens unter der geänderten Bedaction.

Der Zeitpunkt scheint daher wohl geeignet, einmal einen Bückblick zu thun auf den seitherigen Gang der Entwickelung, doch nicht in enger Begrenzung auf die Veröflfentlichungen des Archiv's, sondern in nothwendiger Verallgemeinerung auf die Leistungen im Gesammtgebiete der Ophthalmologie seit v. Graefe's Tod. Wir werden da- durch auch Anregung finden zu gelegentlichen Ausblicken auf die Ziele und Aufgaben unserer Wissenschaft und auf die Methode der Arbeit, wodurch diese am besten zu för- dern sind.

Was beim Vergleich von Sonst und Jetzt am meisten auffällt, ist der enorm gewachsene Umfang unserer Fach- literatur. War vor 30 Jahren v. Graefe noch genöthigt, das Bedürfhiss einer eigenen Zeitschrift für Ophthalmologie in Deutschland nachzuweisen, so giebt es deren jetzt allein bei uns nicht weniger als 4, dazu eine Zeitschrift für vergleichende Ophthalmologie und einen ausführlichen Jahresbericht; Hand- und Lehrbücher, Monographien, klinische Berichte und Beobachtungen etc. haben in ähn- lichem Masse zugenommen, und auch die ausländische Literatur, wenn auch weit weniger umfangreich, hat ein entsprechendes Wachsthum erfahren.

Diese Zunahme der literarischen Produktion und die stets wachsende Menge rüstiger Arbeiter zeugt von dem regen Interesse, das der Ophthalmologie von allen Seiten entgegengebracht wird und kann auch für deren Fort- schritt nicht ohne reiche Früchte bleiben. Und gleichwohl begegnen wir gar nicht selten in Bezug auf die gegen- wärtigen Leistungen einer wenig anerkennenden Schätzung. Wie oft hört man klagen, dass die Glanzperiode der Ophthalmologie vorüber sei, wo unsere Wissenschaft durch bahnbrechende Fortschritte im Ansehen der medicinischen Welt sich rasch auf die erste Stelle emporschwang, da man sie mit Yorliebe den anderen Disciplinen als Muster an Exactheit und Durchbildung vorhielt; die Zeit, die T. Graefe mit seinem G^ist befruchtet, mit seinen Ent- deckungen bereichert hat, deren Leistungen zum grössten Theil in seinem Archive niedergelegt sind. Man glaubt sich in einer Periode der Ebbe und Stagnation zu befin- den, in der die Führung auf andere Zweige der medici- nischen Wissenschaft übergegangen ist.

Sind derartige Klagen auch nicht gänzlich unbegründet, so ist es doch heut zu Tage sicherlich nicht am Platz, sich einem nur zu verbreiteten Pessimismus hinzugeben. Auf die gewaltigen Fortschritte, die sich an die Erfindung des Augenspiegels anschlössen, folgte zunächst eine Zeit ruhigerer Sichtung des Gewonnenen, einer Durcharbeitung des angehäuften Materials, die für alle Theile unseres weiten Gebietes durchgeführt, der Ophthalmologie einen unendlich viel reicheren, zuverlässigeren und ausgeführteren Inhalt gegeben hat. Zugleich regt sich aber auch schon neue fruchtbringende Thätigkeit in den verschiedensten Bichtungen.

Die ausgiebige Benutzung der früher kaum cultivirten experimentellen Methode hat für die Physiologie und Pathologie des Auges die wichtigsten Aufschlüsse geliefert, die gewiss nur als Vorläufer weiteren umfassenderen Fort-

1*

Schritts zu betrachten sind. Die Semidecnssation des Opticus, die Filtration des Auges und ihr Einfluss auf die Olaucomlehre, die Impfkeratitis und Impftuberculose sind Beispiele genug fOr die bahnbrechende Wirksamkeit dieses Forschungsmittels. Das Auge hat sich immer wieder als ein Organ bewährt, an welchem fundamentale Fragen der Biologie am leichtesten behandelt und am sichersten zar Entscheidung gebracht werden.

Dass noch bis vor Kurzem Unsicherheit Ober die Endigungsweise der Sehnerven im Oehim herrschen konnte, beweist ebenso die Schwierigkeit des zu lösenden Problems, als die üeberlegenheit der experimentellen Methode. Erst diese hat uns die ToUe Sicherheit ge- bracht, dass fbr die höherstehenden Säugethiere wie für den Menschen nur eine partielle Kreuzung der Sehnerven stattfindet, dass wir somit die rechte Hälfte der Welt mit der linken, die linke Hälfte mit der rechten Orosshimhemisphäre sehen, jede aber in einem Bilde, das aus der Verschmelzung der Halbbilder jedes Auges entstanden ist. Nach übereinstimmenden experimentellen wie pathologischen Er&hrungen haben wir diesen Vorgang in die Binde der Occipitallappen des Ge- hirns zu verlegen, in welcher die Centren der bewussten Gesichtsempfindung nachgewiesen sind. Es liegt auf der Hand, wie viele der wichtigsten anatomisch-physiologischen und pathologischen Fragen von der Entscheidung dieses Problemes beherrscht werden.

Auf keinem Felde aber hat das Experiment mehr ge- leistet, als in der Krankheitsätiologie, wo ihm auch patho- logische Anatomie und Krankenbeobachtung wirksam die Hand reichen. Hier ist es, wo die Ophthalmologie durch Geben und Empfangen in innigster Beziehung zu den übrigen Zweigen der Medicin erhalten, auf das glücklichste vor der Gefahr specialistischer Isolirung und Versumpfung behütet wird.

Das Auge ist das Organ, an weldiem die Impfbarkeit der Tubercolose und ihre specifische,.yon der gewöhnlichen Entzündung durchaus verschiedene Natur mit über- zeugendster Klarheit demonstrirt worden sind. Ist auch die ErOnung des Gebäudes erst auf anderem W^e, durch die glänzende Entdeckung der Tuberkelbacfllen, erfolgt, so darf die Ophthalmologie doch auch ihren reichlichen An- theil an den Errungenschaften der Tuberculoselehre in Ansprach nehmen.

Die üeberzeugung von der weiten Verbreitung para- sitärer Ursachen der krankhaften Processe, welche in der medicinischen Welt in den letzten zwei Decennien zum Dnrchbruch gekommen ist, hat auch die heutige Ophthal- mologie mächtig bewegt. Ausser bei der Tuberculose ist diese Entstehungsweise fOr die septisch-embolischen Ent- zündungen der inneren Augenhäute, die traumatischen Entzündungen der Hornhaut, wie der tieferen Theile des Auges, die Blennorrhoe der Bindehaut nachgewiesen, für das Trachom und die Xerosis sehr wahrscheinlich ge- macht Auch die sympathische Ophthalmie, deren Ent- stehung bis vor Kurzem yOllig anders zu deuten yersucht wurde, scheint auf diesem Wege ihre Erklärung zu finden. Das beharrliche Misslingen aller Versuche, durch Nerven- reizung reflectorische Entzündung zu erzeugen, brach der üeberzeugung Bahn, dass die Fortpflanzung der Entzün- dung auch hier nur auf der Fortpflanzung der Entzündungs- ursacbe, auf der eminenten Yerbreitungsfähigkeit parasi- tärer Elemente beruhe, womit auch die klinische Erfahrung im Einklang steht, wonach die sympathische Ophthalmie nur nach infectiOsen Entzündungen des erst erkrankten Auges auftritt; und schon hat das diesen Winken folgende Thierexperiment secundäre Entzündung des zweiten Auges, analog der sympathischen des Menschen, hervorzubringen Termocht. So werden wir im Zirkel wieder zu der älteren Ansieht, freilich in geläuterterer Form zurückgeführt, dass

die sog. sympathische Entzündnng auf Fortleitong längs der Sehnerven beruhe.

Hat sich die klinische Forschung mit immer wachsen- dem Erfolg dem Zusammenhang der Augenkrankheiten mit Allgemeinleiden und Krankheiten anderer KOrpertheile zugewendet, so lieferte hier die parasitäre Theorie den Schlüssel zur Erklärung vieler sonst unverständlicher Complicationen.

Wie lehrreich ist doch der Vergleich dieser neuen ätiologischen Forschung mit der älteren Lehre specifischer Ophthalmien, deren wesenloser Schematismus bis in die Lehrzeit der jetzigen Generation hinein seinen Einfluss be- hauptete, worüber noch v. Graefe in der eben citirten Vor- rede Klage führt. Gegenüber den abgelebten Distinctionen angeblich specifischer Ophthalmien war damals die einfache anatomische Eintheilung ein wesentlicher Fortschritt, wobei man die vielfach dunkle Aetiologie auf sich beruhen liess. Als aber sorgfaltigere klinische Beobachtung wieder die Aetiologie zu bereichem anfing, traten eine Reihe anderer Krankheiten als Ursache von Augenaffectionen in den Vordergrund des Interesses: Nephritis, Diabetes, Leukaemie und andere, deren Zusammenhang mit Sehstörungen man früher kaum geahnt hatte. Die fortwährend sich mehrenden Erfahrungen unserer Zeit bahnen nun eine umfassendere und zugleich tiefere Einsicht in die Aetiologie der Augen- krankheiten an.

Es ist eine merkwürdige Erscheinung , dass auf operativem Gebiete die Consequenzen der parasitären Theorie von den Fachgenossen nicht so widerspruchs- los angenommen wurden, als es der Siegeszug der Lister'schen Antisepsis in der Chirurgie zu versprechen schien. Nur mühsam und zum Theil gegen den offenen Widerspruch bewährter Fachgenossen hat sich die Anti- sepsis allmälig Eingang verschafft. Dass dieser grösste Fortschritt der modernen Therapie nicht auf dem Boden

der Ophthalmologie erwachsen konnte, sondern der Chi- rurgie vorbehalten blieb, ist selbstverständlich. Man braucht sich nur an die Verheerungen zu erinnern, welche frtOier die accidentellen Wundkrankheiten nach chirorgisGhen Operationen anrichteten, neben denen die durchschnittlichen 10 Procent Ye^reiterungen nach der Lappenextraction als ein durchaus befriedigendes Be* sultat gelten konnten, das in der unvermeidlichen, wenn auch unberechenbaren £eaction auf den traumatischen Eingriff eine genügende Erklärung zu finden schien. Wie soUeu wir aber nicht den Kopf darüber schütteln, wenn angesehene Vertreter unserer angeblich so fortgeschrittenen Disciplin, nachdem auf chirurgischem Gebiet die Ursache der Wundentzündungen erkannt und durch eine erdrückende Fülle von Thatsachen festgestellt war, allen Ernstes für das Auge an der Annahme der sog. traumatischen Beaction festhalten, als ob dies kleine Organ von besonderen or- ganischen Gesetzen regiert werde?

Doch war die Opposition keineswegs durchweg eine principielle, sondern weit mehr eine praktische, gegen diese oder jene besondere Form der antiseptischen The- rapie gerichtete. Ist doch die von Niemand bestrit- tene Forderung scrupulösester Beinlichkeit bewusst oder nnbewusst nur eine Consequenz der Antisepsis und haben doch mit ihrer Hilfe bei verbesserten Operationsmethoden die Erfolge sich soweit gehoben, dass sie Manchem als völlig befriedigend oder keiner weiteren Verbesserung fähig erscheinen. Gewiss war Derjenige nur im Becht, der die sclavische Nachahmung der antiseptischen Prophylaxe, wie sie die Chirurgie für ihre Zwecke ausgebildet hatte, ver- warf; was kann aber die Unzweckmässigkeit emer be- stimmten antiseptischen Methode gegen den Nutzen der Antisepsis überhaupt beweisen? Indessen wagt an dem Princip heut zu Tage wohl Niemand mehr zu zweifeln, nur über die beste Form der Antisepsis nach Augen-

8

Operationen gehen die Ansichten und zwar noch sehr weit auseinander. Die eigenthümlichen Schwierigkeiten, welche das Auge der antiseptischen Prophylaxe entgegenstellt, die Natur des Terrains, welches alle Bedingungen fbr das Vorhandensein und yTachsthum von Infectionskeimen bietet und wegen seiner Zartheit nicht so wirksam zu desinficiren ist, wie die Haut, werden nur durch be* sondere, dieser Localitat angepasste Methoden zu über- winden sein.

Für die Ausarbeitung solcher Methoden haben sich jetzt die Fachgenossen mehr und mehr zu gemeinschaft- licher Arbeit vereinigt. Schon nach den heutigen Erfah- rungen dürfte derjenige nicht mehr im Bechte sein, der mit der primitivsten Methode, der einfachen Beinlichkeit^ dieselben Resultate zu erzielen glaubt, wie mit Hilfe von Desinfectionsmitteln.

Am überraschendsten ist die grosse Sicherheit der Prima intentio nach Extractionen fremder Körper aus dem Glaskörper, welche uns berechtigt, hier mit einer früher nicht zulässigen Kühnheit vorzugehen und die uns in diesen sonst so undankbaren Fallen zahlreiche Erfolge sichert.

Auch der wichtigsten Augenoperation, der des grauen Staares, ist die Antisepsis zu Gute gekommen, wenn auch zur Zeit ihr Nutzen noch nicht durch zahlreiche vergleichende Statistiken bewiesen wird. Hierzu braucht es grosser Zahlen, da man ja nur eine gewisse Verbesse- rung von bereits als gut angesehenen Resultaten erwarten kann. Dass die heutigen Durchschnittsresultate nicht noch verbesserungsbedürftig seien, wird Niemand iiü Ernste be- haupten, so sehr sie auch die noch vor 20 Jahren erreichten übertreffen. Gerade die Staaroperation hat besonderen An- lass, sich die Antisepsis dienstbar zu machen, da jede ihrer Methoden, ganz abgesehen von der Grösse und Form der Wunde, dem Auge relativ viel grössere Gefahr hinzu-

tretender EntzOndmig bringt, als jede andere Operation am Augapfel, bei welcher die Linse unberührt bleibt, namentlich als die Iridectomie. Wir können nns darüber nicht wundem, seit wir erfahren haben, wie oft dabei ein Infectionsträger aus todtem Material, in Gestalt von Linsen- oder Eapselresten zwischen den Wundrftndem liegen bleibt. Nachdem auf diesem Nährboden die Keime onmerUich eine gewisse Entwickelung erlangt haben, pflanzt sich die parasitäre Wucherung nach innen fort, wo sie bald schwere und stürmische, bald leichtere und scbleichende Entzündung hervorruft.

Seit die Antisepsis auf der Tagesordnung steht, er- scheinen die vielen und oft geringfügigen Modificationen der Schnittfbhrung, in denen man sich bis vor Kurzem eischQpfte, von nebensächlicherer Bedeutung. Die Beform, welche in den 60 er Jahren die Daviersche Lappen- extraction umgestaltete und deren Ziel es war, durch Verbesserui^ der Operationstechnik di^ durch eitrige Ent- zündung bewirkten Verluste zu vermindern, ist im Wesent- lichen in V. Graefe's modificirter Linearextraction zum Abschluss gekonmtien. Sie erzielte glänzende Erfolge, gab aber der Sicherheit des Gelingens die Integrität der Iris Preis. Sollte die antiseptische Prophylaxe je das zu er- strebende Ziel erreichen, alle von aussen kommenden Ent- zündungen sicher zu verhüten, dann würde auch die Wiedereinführung der idealsten Extractionsmethode, der mit Erhaltung der Integrität der Iris, wieder ernstlich ins Auge gefasst werden können.

In der Glaucomlehre hat die Untersuchung der Ab- flosswege des Humor aqueus eine neue Bahn für das Ver- stftndniss der Pathogenese eröffnet, indem man den gehin- derten Abfluss des Kammerwassers in Betracht zog, wäh- rend man früher fast allein die vermehrte Absonderung desselben berücksichtigt hatte. Die Entdeckung der Ob- struction des Kammerwinkels lieferte das Fundament zu

10

dieser Anschauung, welche wenigstens für gewisse Formen des Glaucoms jetzt schon als hinreichend gestützt er- scheint. In der Therapie haben wir in dem Eserin ein werthvoUes prophylactisches und palliatives Mittel kennen gelernt. Die in theoretischer Hinsicht höchst bemerkens- werthen Versuche, die Iridectomie durch die Sclerotomie SU ersetzen, haben zwar noch immer keine allgemein be- friedigende Erklärung der Wirkung dieser Operationen geliefert, aber doch unsere Encheiresen durch ein in manchen Fällen mit Vortheil anwendbares Verfahren be- reichert.

Es ist nicht die Absicht dieser Zeilen, die wichtigeren Fortschritte in allen einzelnen Zweigen der Ophthalmologie zu beleuchten. Doch sei es gestattet, noch darauf hinzu- weisen, wie auch das weite Gebiet der functionellen Lei- stungen des Sehorganes und ihrer Störungen die umfas- sendste Bearbeitung und Förderung erfahren hat.

In der Lehre .von den Befractionsanomalien hat die Entstehung der Kurzsichtigkeit und ihr Verhältniss zu den Anforderungen unserer heutigen Cultur, ihrer praktischen Wichtigkeit entsprechend, die eingehendsten Studien nach den verschiedensten Richtungen hin hervorgerufen.

Auch der Farbensinn und seine Anomalien haben die Fachgenossen in hervorragendem Masse beschäftigt, wobei auch die praktischen Folgen, besonders der angeborenen Störungen, Berücksichtigung fanden und sogar zu Prä- ventivmassregeln seitens der Regierungen Anlass gaben. Die Theorie des Farbensinns wurde durch die geistreiche Hypothese von Hering in anregendster Weise befruchtet. Indessen verdankt diese Lehre ihre rasche Aufnahme bei vielen Ophthalmologen weit weniger den ihr als Funda- ment dienenden Ideen, als vielmehr der von ihr getroffenen Wahl der Grundfarben, bei der sie zunächst der täglichen Erfahrung einen einfachen Ausdruck giebt. Soweit sie aber den Zusammenhang der Thatsachen zu erklären sucht,

11

findet der schärfer Blickende nicht nnerhebliche Bedenken. Die Vorstellung, dass der Vorgang der Erholung in der Xervensubstanz ebenso wohl mit Erregung verbanden sei, wie der entgegengesetzte Vorgang, welcher zur Ermüdung fuhrt, eine Vorstellung, die besonders durch die dem Licht- mangel entsprechende positive Empfindung des Schwarz begründet wird, ist überraschend, aber völlig unbewiesen. Am bedenklichsten scheint die Annahme, dass in denselben Nervenelementen Lichtstrahlen von nur wenig verschiedener Wellenlänge diametral verschiedene Vorgänge, der Dissi- milation und Assimilation, wie sie Hering bezeichnet, her- vorbringen sollen. Die Toung-Helmholtz*sche Hypothese erfüllt die allererste Anforderung, die an eine Hypothese zu stellen ist, der einfachste Ausdruck der Thatsachen zu sein: der drei-dimensionalen Mannichfaltigkeit des Farben- systems entspricht die Dreizahl der von ihr angenommenen Grandempfindungen. Man hat dabei Anstoss genommen an der Einfachheit der subjectiven Empfindung des Gelb UDd Weiss, welche nach dieser Theorie gemischte Farben sind; und doch werden erfahrungsgemäss Gelb sowohl als Weiss durch Mischung anderer Farben zu einer für unser Bewusstsein untrennbaren Verschmelzungsfarbe hervor- gebracht.

Die Zahl der Grundfarben ist direct noch nicht zu bestinunen. Die Einfachheit der Annahme dreier Grund- empfindungen beweist noch nicht deren Bealität. Sicher ist nur, dass ihrer (beim normalen Auge) wenigstens drei sein müssen. Die Entdeckung des Sehpurpurs hat uns eine fQr Licht empfindliche Substanz in der Retina kennen gelehrt und ein völlig neues Gebiet, die Photochemie der Netzhaut erschlossen. Hier eröffnet sich uns ein Weg, dessen beharrliche Verfolgung mit der Zeit auch zur Losung dieser fundamentalen Frage führen kann.

12

Erscheint nach dem soeben gemachten Rückblick auf die Leistungen einer relativ knrzen Zeit, an denen auch das Archiv einen nicht nnerheblichdn Theil sich zoschreiben darf, die Ophthahnologie der Gegenwart so schaffensfreadig nnd innerlich bewegt, als sich nnr wünschen lässt, so ist auch fQr die Znkunft ein weiteres Fortschreiten mit Sicher- heit zu erhoffen. Nicht an wenige hervorragende Namen allein ist der Fortschritt geknöpft, die gemeinschaftliche Arbeit vieler Gleichstrebender, das Zusammenwirken aller an der Culturarbeit theilnehmender Nationen verbürgt die Zukunft der Ophthahnologie.

Indessen bringt diese Arbeitstheilung auch Miss- stände mit sich, die an dieser Stelle um so weniger ganz zu übergeben sind, als dabei auch das fernere Gedeihen des Archivs mit in Frage kommt.

Die Literatur, nicht der Ophthalmologie allein, son- dern auch der Medicin überhaupt, laborirt entschieden an Ueberproduction. Die Menge des Gebotenen ist so gross, dass es kaum mehr zu bewältigen ist, zumal für Den- jenigen, der ausser der heimischen Literatur gewissenhaft auch der ausländischen zu folgen bemüht ist und der seinen Blick nicht auf den engen Ereis seiner Specialität beschränken will. Schon die oberflächlichste Ansicht der täglichen Production erfordert eine erhebliche Zeit und es bedarf nicht geringer Aufmerksamkeit und Consequenz, um aus der Menge von Material stets das Wichtigste und Bedeutende herauszufinden. Nicht immer wird der Leser einer ausführlichen Abhandlung für das gebrachte Opfer an Zeit, die er vielleicht anstrengender Berufsarbeit oder produktiver Thätigkeit abgemüssigt hat, hinreichend be- lohnt; darf man es ihm allzusehr verargen, wenn er all- niälig dazu kommt, sich weniger um die Tagesliteratur zu bekümmern, da er sich doch nicht auf blosse Be- production beschränken und der eigenen Forschung völlig entsagen will.

13

Die Folgerungen aus dem Gesagten liegen fOr Jeder- mann auf der Hand. Die möglichste Kürze, Klarheit und üebersichtlichkeit der Arbeiten anzustreben liegt ebenso- wohl in dem Interesse der Autoren selbst wie in dem des Leserpublicums. Je mehr der Inhalt durchgearbeitet, je schärfer die Gründe erwogen, je strenger die Beweismittel gesichtet, um so knapper und überzeugender kann die Darstellung und Beweisführung gehalten sein, um so mehr wird diese das Interesse des Lesers fesseln. Wer nach einer mehr als ephemeren Beachtung seiner Leistungen trachtet, wird gut thun, die Veröffentlichung zurückzuhalten, bis diesen Anforderungen in aller Strenge genügt ist.

Wie oft verleitet aber das Haschen nach Priorität, Arbeiten noch unreif herauszugeben, die bei weiterer Durcharbeitung sich bleibende Beachtung erringen wür- den; ganz abgesehen von den glücklicherweise seltenen Producten, deren Existenzberechtigung schlechthin in Ab- rede zu stellen ist Wer bedenkt, wie rasch die Wissen- schaft selbst über tüchtige Leistungen hinwegschreitet, wie wenig die jetzige Generation die specielleren Verdienste selbst der allernächsten Vergangenheit im Gedächtniss be- hält, dem sollte doch der Werth der Priorität in Detail- fragen zu nichtig vorkommen, als dass er kostbare Zeit zur Geltendmachung derartiger Ansprüche verwenden möchte.

Eine gründliche Kenntniss der Literatur ist unerläss- lich; abgesehen von der Anregung, welche sie gewährt, schätzt sie vor überflüssiger Wiederholung bereits gethaner Arbeit und ist die Bedingung der Gerechtigkeit gegen frü- here Leistungen. Aber nicht bei jeder Specialarbeit ist es nothig, ein Excerpt aller früheren Publicationen zu geben, anch derer, über welche die Wissenschaft schon zur Tages- ordnung übergegangen ist. Kritik wirkt oft besser durch das, was sie verschweigt, als durch das, was sie ausspricht. Wir brauchen historische üebersichten, aber keine litera- rischen Inhaltsregister. Krankengeschichten und Sections-

14

befände, Yersuchsprotokolle und Tabellen kOnnen zur Er- läuterung oft sehr viel beitragen, oder sind auch als Belege unentbehrlich; oft sind sie aber auch zu kürzen, auf die nothwendigen und wesentlichen Abschnitte zu beschränken, oder mit dem einfachen Hinweis zu versehen, dass diese oder jene Punkte berücksichtigt seien, üebt Jeder an seinem Theil in der hier angedeuteten Art eine weise Selbstbeschränkung, so kann sie nur ihm selbst und dem Ganzen von Nutzen sein*

Das Archiv wird auch in Zukunft was an ihm liegt zu thun bestrebt sein, um sich als Organ der wissenschaft- lichen Ophthalmologie in allen ihren Zweigen auf dem bisherigen Stande zu erhalten und zu befestigen. Bleibt ihm auch fernerhin die Gunst der Fachgenossen zu- gewandt, so kann es getrost seine Laufbahn weiter- fuhren.

loch einmal die Farl)eiisysteiiie.

Von F. C. Donders.

Einleitung.

In Band XXVII. 1. dieses Archivs veröffentlichte ich eine Abhandlung über die Farbensysteme, worin im Allge- meinen an der Theorie von Toung-Helmholtz fest- gehalten wurde.

Das Verhftltniss des normalen Systems zu denen der Farbenblinden fasste ich jedoch anders auf. Anstatt darin nur das Fehlen einer der normalen Energien zu sehen, betrachtete ich es als eine Entwickelungsstufe des nor- malen, als ein dichroitisches System, dessen beide Ener- gien^ verschieden von denen des normalen, complementär 2a einander sind und zusammen das neutrale Weiss bilden. Hiermit erledigten sich die Schwierigkeiten, welche, namentlich durch Fick, dem Farbensinn der Netzhautperipherie und der Farbenblindheit entnommen und, meiner Meinung nach, nicht beseitigt worden waren.

Diese Auffassung brachte nun in Bezug auf einige andere Punkte der Theorie von Young eine modificirte

16

Vorstellung mit sich. In dieser Theorie wird die unvoll- kommene Sättigung der Spectralfarben, das darin noch sichtbare Weiss, aus dem Zusammenwirken der drei Ener- gien abgeleitet: ich meinte darin vielmehr den üeberrest der einen und totalen Energie sehen zu müssen des ur- sprünglichen, noch unvollkommen differenzirten Licht- sinnes, die dem Farbensinn vorausging. Im dichroitischen System der Farbenblinden erkennt man die Entwicke- lung von zwei Energien alls Gontraste, an den ent- gegengesetzten Seiten des Spectrums und wie und wo sich neue hinzufugen, so werden doch schon die beiden primären schwerlich an derselben Seite des sichtbaren Spectrums zusammentreten können.

Mit den hier genannten Modificationen konnte, wie ich meinte, die Theorie von Toung-Helmholtz aufrecht erhalten werden.

Inzwischen hatte Ewald Hering*), dessen Be- strebungen überhaupt mehr auf Gegensatz als auf An- schluss gerichtet sind, über die genannte Theorie den Stab gebrochen und eine neue aufgestellt, die er die Theorie der Gegenfarben nennt. Auch ohne eine eigentliche Kritik dieser Theorie im Auge zu haben, konnte ich bei meinen Erörterungen nicht ohne Collision mit ihr bleiben. Und Hering**) hat sich dadurch veranlasst gefunden, meine Arbeit vom Standpunkt seiner Theorie aus einer Kritik zu unterwerfen. Anderswo hatte er sich geäussert, er beabsichtige, seine Theorie später ausführlich darzustellen und erst bei dieser Gelegenheit die Bedenken zu beantworten, die ihr entgegen gehalten wurden. Er meinte nun aber nicht länger schweigen zu dürfen, „wo die Kritik einem

*) In einer Reihe von Mittheilnngen, 1872—1874, der Kaiserl. Akademie der Wissenscliaften überreicht und herausgegeben nnter dem Titel: Zur Lehre vom Lichtsinne. Wien 1878.

♦*) Kritik einer Abhandlung von Donders: Ueber Farben- Systeme. Prag 1882.

„Versuch gilt, die Young - Helmholtz'sohe Theorie ,,mit der seinigen zu verschmelzen und wesentlich zu „modificiren". So characterisirt Hering meine Dar- stellung.

Ich meinte anfangs darauf schweigen zu können. Im Allgemeinen kann man, auf naturwissenschaftlichem Gebiete, Widerspruch und Kritik ruhig unbeantwortet lassen: die Wahrheit findet durchgehends bald ihren Weg. In der letzten Zeit habe ich aber die Erfahrung gemacht, dass man sich nicht zu viel hierauf verlassen muss. Namentlich wenn man einem Gegner gegenübersteht, der die Waffen der Kritik so behende zu fdhren weiss und dem Leser durch den Ton der Siegesgewissheit so imponirt als Ewald Hering, wird Sprechen zur Pflicht.

Diese Erwägung veranlasste die hier folgende Ant- wort. Sie wird übrigens mehr sein als eine blosse Er- widerung: ich wünschte eine eingehende Prüfung der neuen Theorie, die, meines Erachtens nicht länger ausbleiben durfte, darauf folgen zu lassen und schliesslich die Re- sultate meiner weiteren Untersuchungen auf diesem Gebiet hinzuzufügen.

Im Interesse des richtigen Verständnisses erscheint es angemessen, gleich beim Anfange eine Uebersicht zu geben der

I. Hauptsätze von Herings Theorie.

Hering geht aus „von einer ganz vorurtheilsfreien Analyse der Gesichtsempfindungen'*. Diese Analyse führt ihn zu sechs „Grundempfindungen", die sich zu drei Paaren ordnen: Schwarz und Weiss, Blau und Gelb, Grün und Both. Es wird vorausgesetzt, dass sie an eine „Sehsubstanz" gebunden sind; und jedes der genannten drei Paare ist durch einen Dissimilirungsprocess D, und einen Assimilirungs- process A besonderer Qualität vertreten, „so dass also die

T. Gra6fo*t Arehly fUr Opbtbalmolugie, XXX. 1. 2

18

ffSehsubstanz in dreifach verschiedener Weise der chemischen „Veränderung oder des Stoffwechsels fS.hig ist."

Es ist auch erlaubt, und es vereinfacht die Darstellung, statt einer homogenen Substanz/ gleichsam ein Gemisch dreier chemisch verschiedener Substanzen anzunehmen, und diese kurzweg als die schwarz-weisse, die blau-gelbe und roth-grüne zu unterscheiden und erstere als die farblose den beiden anderen als den farbigen entgegenzusetzen.

In der schwarz -weissen nun entspricht D Weiss, A Schwarz. Für die blau-gelbe und die roth-grüne Sub- stanz lässt Hering es „vorerst ausdrücklich dahingestellt „sein, welche Farbe die D -Farbe, und welche die A- „Farbe ist."

In den drei Substanzen haben gleichzeitig D xtni A statt, in der schwarz-weissen aber, weil sie viel mehr ent- wickelt ist, viel kraftiger als in den beiden anderen. Darum ist auch „das Gewicht der immer gleichzeitig vorhan- „denen sechs Grundempfindungen ein sehr verschiedenes: „relativ gross das der schwarzen und weissen^ sehr klein „das der vier farbigen Grundempfindungen, die oft selbst „unter der Schwelle bleiben."

„Alle Strahlen des sichtbaren Spectrums", so heisst es weiter, „wirken dissimilirend auf die schwarz-weisse „Substanz, aber die verschiedenen Strahlen in verschie- „denem Grade. Auf die blau- gelbe oder die grün-rothe „Substanz dagegen wirken nur gewisse Strahlen dissimi- „lirend und gewisse Strahlen gar nicht."

„Gemischtes Licht erscheint farblos, wenn es sowohl „für die blau -gelbe als für die roth-grüne Substanz ein „gleich starkes Dissimilirungsmoment setzt, weil dann „beide Momente sich gegenseitig aufheben und die Wir- „kung auf die schwarz-weisse Substanz rein hervor- „tritt."

„Zwei objective Lichtarten, welche zusammen Weiss „geben, sind also nicht als complementäre, sondern als

19

^antagonistische Lichtarten zu bezeichnen, denn sie er- ,,gäozen sich nicht zu Weiss, sondern lassen dieses nur „rein hervortreten, weil sie als Antagonisten sich gegen- „seitig ihre Wirkung unmöglich machen."

Den drei Substanzen entsprechen weiter drei Arten von D- Erregbarkeit und von A- Erregbarkeit, die alle Tariable Grössen sind. „Daher kann dasselbe Lichtgemisch nicht nur bald heller und bald dunkler, sondern auch bald irgendwie farbig und farblos erscheinen, je nach den Verhaltnissen der eben vorhandenen sechs Erregbarkeiten, welche das bedingen, was ich die Stimmung des Seh- organes nennen will."

Soviel lehrt uns .t? 42.

Was man unter ^em Gewicht einer Empfindung zu verstehen habe, wird in § 29 (vom Gewicht der Gesichts- empfindungen) und in § 43 (vom Gewicht der Farben- empfindungen) auseinandergesetzt.

Hering war zum Besultat gekommen: „dass die Art „(Helligkeit oder Dunkelheit) einer farblosen Gesichts- „empfindung ausschliesslich bestimmt ist durch das Ver- „hältniss, in welchem, die Intensität oder Grösse der MDissimilirung der Sehsubstanz zu ihrer gleichzeitigen „Assimilirung steht."

Von den absoluten Grössen von D und A würden „Helligkeit und Dunkelheit" durchaus unabhängig sein.

Nun firägt er in § 29, was denn die absolute Grösse bedeutet Und die Antwort lautet: „sie bestimmt das Gewicht der entsprechenden Empfindung."

Dies wird näher erläutert:

„Liegen einer Empfindung, wie z. B. dem Grau, zwei „gleichzeitige psycho - physische Processe verschiedener „Qualität zu Grunde, so giebt die Summe der Grössen „beider Processe das Gewicht der resultirenden oder Misch- „empfindung. Die Deutlichkeit, mit welcher in einer sol- „chen zusammengesetzten Empfindung jede einzelne relativ

2*

20

„einfache Empfindung hervortritt, hängt ab von dem Ver- „hältnisse, in welchem ihr eigenes Gewicht znm Gesammt- „gewichte der resnltirenden oder zusammengesetzten Em- „pfindung steht. So ist die Helligkeit oder Weisslichkeit „einer grauen Empfindung bestimmt durch das Yerhältniss „des Gewichtes der weissen Empfindung (oder der Grösse „der Dissimilirung) zum Gesammtgewichte der grauen „Bmpfinduag, d. h. zur Summe der Gewichte der weissen „und der schwarzen Empfindung (oder der Grössen der „Dissimilirung und der Assimilirung)."

„Ist eine schon zusanunengesetzte Empfindung", so fthrt er fort, „wie z. B. Grau, wieder eine Componente einer noch complicirteren Verbindung, z. B. des Grau- blau, so hängt die Deutlichkeit, ipit welcher das Grau in dieser Empfindung hervortritt, wieder ab von dem Ver- hältnisse, in welchem das Gewicht der grauen Empfindung zum Gesammtgewichte der grau -blauen steht.''

Hierin liegt das „psycho-physische Grundgesetz" ein- geschlossen, wovon Hering, im Gegensatze zu Fechner ausgeht. „Dieses Gesetz besagt", so lesen wir, „dass die Beinheit, Deutlichkeit oder Elaiheit irgend einer Empfin- dung oder Vorstellung abhängt von dem Verhältnisse, in welchem das Gewicht derselben, d. i. die Grösse des ent- sprechenden psycho-physischen Processes steht zum Ge- sammtgewichte aller gleichzeitig vorhandenen Empfindungen und Vorstellungen, d. i. zur Summe der Grössen aller entsprechenden psycho-physischen Processe."

In diesem Gesetz und in den Processen von Dissimi- lirung und Assimilirung mit D- und A-Erregbarkeiten in drei Sehsubstanzen wurzelt, sowie wir in den Schluss- bemerkungen lesen, die neue Theorie.

Diese üebersicht wird genügen. Der Nachweis^ dass die einzelnen Theile des nervösen Sehorganes in inniger functioneller Wechselbeziehung stehen, dem die zwei ersten Mittheilungen gewidmet sind^ steht mit der Theorie in

21

leinen directen Verband, sie dürfen dämm hier über- gangen werden. Soweit nöthig, wird ihrer weiterhin Er- wähnung geschehen.

IL Antikritik.

Hering's Kritik zerfiült in vier Theile, die zur Auf- schrift tragen:

a) Donders nimmt die meisten Hauptsätze der Theorie der Gegenfarben an;

b) Donders versucht die Gegenfarbentheorie in zwei Punkten abzuändern;

c) Donders sucht die Vierfarbentheorie mit der Dreifarbentheorie von Young-Helmholtz zu combiniren;

d) Widerlegung der von Donders gegen die Theorie der Gegenfarben erhobenen Bedenken.

Was a, b und c angeht, werde ich dem Autor Schritt für Schritt folgen. Dabei wird Gelegenheit sein, soviel nöthig, auch auf d zu antworten.

a) Donders nimmt die meisten Hauptsätze der Theorie der Gegenfarben an.

Diese Behauptung überraschte mich. Ich hatte die Gegenfarben mit ihren Consequenzen bestritten. Wie konnte behauptet werden, dass ich, der ich den Kern der Theorie, die Gegenfarben, verwarf, die meisten Haupt- sätze der Theorie annehme?

Bei weiterem Lesen löst sich mir das Bäthsel. Es stellte sich heraus, dass von andern Autoren entlehnte und der Theorie einverleibte Resultate und Ideen hier zu ihren „Hauptsätzen" erhoben werden, und, jene Resultate und Ideen unterschreiben heisst sich mit den Hauptsätzen der Theorie einverstanden erklären.

22

Ein erstes Beispiel:

Neben Schwarz nnd Weiss nehme ich die vier ein- fachen Farben an, die, durch Lionardo da Vinci als solche unterschieden, durch Gothe bei der Nomenclatur in den Vordergrund gestellt werden, durch Aubert nach- drücklich als principale bezeichnet, durch Mach als einfache, mit einfachen psycho-physischen Processen in Verbindung gebracht werden, und siehe, damit unterschreibe ich nach Hering einen der Hauptsätze seiner Theorie.

Ein zweites:

New ton 's Farbenkreis setzt voraus, dass die Com- plementftrfarben darin sich diametral gegenüberliegen. Bei Brücke tritt dies als Postulat in den Vordergrund. Ich stellte die gleiche Forderung: „Mit mir", sagt Hering, als ob ich seine *Theorie zu Käthe gezogen und einen ihrer Grundsätze adoptirt hätte.

Ueberdies übersieht er, dass ich, nicht zufrieden mit einem theoretischen Requisit, mir die Mühe gab, aus frischen Farben mit gleich merkbaren unterschieden auf rein em- pirischem Weg aUe Uebergangstinten durch Mischung dar- zustellen und nun als Resultat erhielt, dass bei radiärer Anordnung auf der Peripherie eines Kreises (von 1 Meter Durchmesser), bei Einhaltung gleicher Abstände, überall die Complementärfarben sich annähernd diametral gegen- überliegen. Diese zeitraubende Arbeit war nicht überflüssig. Es musste noch untersucht werden, ob die complementären Farbenunterschiede ungefähr gleich weit auseinanderliegen, und diese Frage wurde hier, wie ich glaube, zum ersten Mal entschieden und zwar in bejahendem Sinn.

Wir kommen zu den psychophysischen Processen.

Hering citirte die Sätze von Mach: „Jedem Psy- „chischen entspricht ein Physisches und umgekehrt. „Gleichen psychischen Processen entsprechen gleiche phy- „sische, ungleichen ungleiche. Allen Details des Psychi- „schen correspondiren Details des Physischen." Dagegen

23

batte ich nichts einzuwenden. ,,Bei allen psycho- physischen Processen'", so drückte ich mich aus, ,,hat •jnan, wo immer es sich um dergleichen Vorgänge han- adelte, wo nicht Einheit, so doch absolute Correspondenz v^zwischen dem psychischen und physischen Elemente „angenommen/" Hat Fechner *) nicht schon gesagt: Jidb nnd Seele gehen mit einander; der Aenderong ,,im einen correspondirt eine Aenderung im andern?'* Haben seine Worte: „Die geistige nnd leibliche Seite des Menschen gehören ebenso untrennbar zusammen, als die „oonvexe und die concave Seite eines Kreises"' eine andere Bedeutung? und schon vor Fechner wurde hier und anderswo dasselbe gelehrt.

Und nun schreibt Hering: „Demnach postulirt Don- „ders, ebenso wie ich, far die vier einfachen Farben vier „entsprechende specifische Processe, Schwarz und Weiss ,4Ücht inbegriffen/'

Und über die centrale Substanz:

Knüpfe ich die genannten Processe an denselben Stoff, an dieselbe Form, so bemerkt Hering: „Auch ich fjbabe als Träger der fraglichen psychophysischen Pro- „cesse eine Substanz angenommen, welche in verschiedenen „Weisen der chemischen Veränderung oder des Stoff- „wechsels fähig ist", und schliesst: „Abgesehen also davon, „dass Donders diese Substanz als centrale Substanz be- „zeichnet, während ich sie Sehsubstanz nannte, besteht „auch hier keine Differenz zwischen Donders und mir/'

Muss ich Hering hinweisen auf die „Sehsinnsub- stanz" von Joh. Müller'*''*'), einem Meister, bei dem wir beide zur Schule gingen, „eine Substanz, die von jedwedem „Beiz, welcherlei Art er immer sei, aus ihrer Buhe zur „Affection bewegt, diese ihre Affection in den Energieen

*) Elemente der Psychophysik. 1860. Bd. L, S. 5. **) Zur vergleichenden Physiologie des Gesichtssinnes, S. 44 iLff. 1826.

24

„des Lichten, Dunkeln, Farbigen sich selbst zur Empfin- „dung bringe."

Sollte irgend ein Physiolog, sollte Helmholtz, der in der Toung'schen Theorie eine Anticipation der Lehre von den physiologischen Energien erkannte, wie sie durch Joh. Müller entwickelt werden sollte, anders davon den- ken? Welchen Sinn haben dann die Worte Hering's: „Auch hier keine Differenz zwischen Donders und mir?"

Hering bringt nun in Erinnerung, dass, unter deni Einfluss des Lichts, in der Sehsubstanz ein chemischer Process entsteht oder, dass eine chemische Veränderung in entgegengesetzter Sichtung diese Substanz auf ihren ursprünglichen Zustand zurückbringt, und lässt darauf folgen:

„Donders acceptirt auch diese meine Auffassung, „braucht jedoch nicht die Worte Dissimilirung und Assi- „milirung, sondern sagt statt dessen Dissociation und „Neubildung der Moleküle."

Ich wüsste wahrlich nicht, was ich hier von Hering zu acceptiren hätte. An Verbrauch und Regeneration in den Geweben zweifelt doch niemand; die durch das Licht in der Retina hervorgerufene Veränderung hatte ich schon lange als photochemischen Process erkannt, und wählte ich das Wort Dissociation, dann hatte ich damit nicht gewartet, bis Hering von Dissimilirung gesprochen hatte. Ich glaube sogar den Terminus in die Physiologie eingeftthrt zu haben*), nachdem es sich mir gezeigt hatte, dass der Gasaustausch bei der Athmung auf Dissociation, wie dor Begriff in der Thermochemie festgestellt worden war, zu- rückgeführt werden kann. Alle Erscheinungen des Gas- wechsels zwischen Luft und Blut und im Blute selbst Hessen sich aus diesem Process erklären, und was derselbe über den Austausch des Kohlenoxydes und überhaupt über

♦) Onderz. physiol. Labor. L p. 92.

25

den Einfluss yerschiedener Temperaturen auf die Schnellig- keit des Austausches verschiedener Gase voraussagen liess, fismd ich durch Experimente bestätigt. Diesem Processe der umkehrbaren Dissociation stellte ich, als nicht um- kehrbaren, das Zerfallen der Moleküle in den sogenannten Stoffwechselproducten, in den lebenden Geweben gegenüber, nachdem ich mich noch einmal überzeugt hatte, dass von dem begierig aufgenommenen Sauerstoff aus den lebenden Geweben selbst bei einer Temperatur von 100° keine Spur zu erhalten ist, während sie schon bei niedrigen Tempe- raturen Kohlensäure regelmässig entwickeln und zwar, innerhalb gewisser Grenzen, in der Temperatur proportio- naler Mengen. Konnte es anders geschehen, als dass ich diese Vorstellungen auch auf die Sehsinnsubstanz über- trug?

Wo in dem Obenstehenden Hering auf Ueberein- stimmung hinweisen konnte, war offenbar nichts im Spiele, was „Grundsatz" der Theorie genannt werden kann, nichts was seine Theorie charakterisirt. Nun aber haben wir uns einem Punkt genähert, der in der That unter die „Cardinai- punkte" derselben gerechnet zu werden verdient und zwar einem solchen, für welchen er die Autorschaft ungeschmälert in Anspruch nehmen kann : ich meine die Vorstellung, dass die Bildung neuer Moleküle, die Assimilirung Hering' s, das materielle Correlat der Schwarzempfindung sein soll.

Aber siehe! hier beruht die gewähnte üebereinstimmung auf einem Missverständniss. Meine Worte sind diese: „Mit der Empfindung Weiss ist die vollständige Disso- „ciation der Moleküle verbunden. Schliesst man das Licht ,,ab, dann geht die Empfindung allmählich in Schwarz über. „Während dem steigt die Anzahl der Moleküle und zeigt „sich gesteigerte Neigung zur Dissociation an."

Hering aber hatte gesagt: „Nach vorabgegangener „Einwirkung und dem darauffolgenden Abschlüsse des „Lichtes überwiege die Assimilirung und also die der-

26

„selben (der Assimilirung) correspondirende 'Empfindung „des Schwarz."

„Also mit andern Worten", so schliesst er, „ganz dasselbe, was Donders sagt."

Bis auf einen kleinen aber vielbedeutenden unter- schied, „und also", sagt Hering und machte dadurch die Schwarzerapfindung Ton dem üebergewicht der Assimilirung abhängig. Bei mir ist nichts dergleichen zu finden, nichts, was zeigte, dass ich der Molekülbildung (Hering's Assimilirung) irgendwelche durecte psycho- pbysische Bedeutung zugeschrieben hätte.

„Zweitens habe ich*', sagt Hering weiter, „zuerst „darauf aufmerksam gemacht, dass das reine oder tiefe „Schwarz überhaupt nur örtlich in Folge simultanen Con- „trastes auftritt.'' Anderswo*) aber schrieb er: „Gleich- „wohl ist es eine Thatsache der alltäglichen Erfahrung, „welche ich jedoch noch nirgends besonders betont ge- „funden habe, dass die eigentlich schwarze Empfindung „erst unter dem Einflüsse des äusseren Lichtreizes zu „Stande kommt." Und in der That ist es uns Allen be- kannt, dass allein neben Weiss die Schwarzempfindung intensiv hervortritt. Man liest dies bei Helmholtz, man findet es bei Delboeuf „betont", und dem Aus- spruch Hering's entspricht durchaus die Beschreibung Aubert's, der im Dunkeln beim Sichtbarwerden eines glühenden Drahtes die subjectiven Lichterscheinungen ver- schwinden sah. Von „ohne Weiteres annehmen" zweier Punkte aus seiner Theorie, welche er mit „als Cardinai- punkte derselben bezeichnen darf, kann also keine Bede sein.

Endlich erinnert Hering, wie er die Ermüdungs- theorie von Fechner und Helmholtz bestritten habe, und wie auch ich kein unbedingter Anhänger derselben

*) Zur Lehre vom Lichtsinn. S. 63.

27

sei „Auch er (Donders) nimmt an, dass der psycho- „physische Process, welcher einer farbigen Empfindung ,,entspricht, in dem Masse als er besteht und andauert, „den der Gegenfarbe oder Complementärfarbe entsprechen- „den Process hervorruft." Hering citirt meine darauf sich beziehenden Worte: „Wir haben zu berücksichtigen, „dass jede Farbe, indem sie sich selber erschöpft und die „complementäre hervorruft, bei ihrem Auftreten sofort zu „erblassen beginnt, um so schneller, je grosser ihre Licht- „stärke." Ist diese Vorstellung von ihm entlehnt? Ist sie nicht nothwendig in meiner partiellen Dissociation ent- halten und wird das „direct erzeugen" der Complementär- farbe aus der partiellen Dissociation nicht sogar leichter b^reiflich als aus Hering*s Theorie?

Man sieht, in welch sonderbarem Wahn Hering be- fangen ist, wenn er seine erste Behauptung mit den Worten schliesst:

, Jch glaube im Obigen hinreichend dargethan zu haben, „dass Donders die meisten wesentlichen Sätze meiner „Theorie einfach angenommen hat."

b) Donders versucht die Qegenfarbentheorie in zwei Punkten abzuändern.

,J)en ersten Abänderungsversuch", so lesen wir, „macht Donders bei der Erörterung der psycho-physischen „Processe, welche den verschiedenen farblosen Lichtempfin- „dangen entsprechen sollen".

Die Erörterung, auf welche Hering abzielt, ist sehr km*z und möge daher wiederholt werden.

„Mit der Empfindung von Weiss," schrieb ich*), ist „die vollkommene Dissociation der Moleküle verbunden, „wie sie unter dem Einfluss der sämmtlichen Sonnenstrahlen

*) V. Graefe'fl Arch. f. OphthahnoL, B. XXVII. 1, 8. 174.

28

„geworden ist und sich auch wohl offenbaren musste. Sie „darf vollständig heissen, weil die Moleküle, die aus diesen „Dissociationen hervorgehen, keiner weitem Dissociation „f&hig sind. Dies wird dadurch bezeugt, dass bei massiger „Intensität die Empfindung von Weiss anhalten kann, ohne „sich der Art nach zu ändern und ohne zu secundären „Empfindungen zu disponiren, was ausschliesslich der Em- „pfindung von Weiss eigen ist. Selbst quantitativ kann „sie geraume Zeit unverändert bleiben, indem bei massigem „Licht die Bedingungen erfüllt sind, worunter Verbrauch „(Dissociation) und Neubildung der Moleküle, unter dem „Einfluss der Ernährung, einander aufwiegen. Schliesst „man jetzt das Licht ab, dann geht sie allmählich in „Schwarz über, ebenfalls ohne Aenderung ihrer Qualität. „Während dem steigt die Anzahl der Moleküle durch lieber- „wiegen der Neubildung und offenbart sich grössere Neigung „zu Dissociation. Endlich können Bildung und Verbrauch „hierbei einander gleich werden, und zwar mit Keduction „beider zu einem Minimum. Die Empfindung nähert sich „dann dem Schwarz, während vollständiges Schwarz nur „örtlich unter dem Einfluss von Contrast vorkommt. In „diesem Zustande hat die Empfindlichkeit ihr Maximum „erreicht.*'

Der unbefangene Leser wird eingesehen haben, dass hier von der Dissociation in ihrem Verhalten zu dem ein- fallenden Licht, als physischem Correlate düer Licht- empfindung, ausgegangen wird, so dass von Bildung von Molekülen nur die Rede ist, insofern dieselbe zur Unter- haltung der Dissociation dienen muss.

Nicht so Hering. Er liest in meinen Worten, dass ich das physische Correlat nicht in der Dissociation als solcher suche, sondern, conform seiner Theorie, in dem Ver- halten von D zu A.

„Schliesst man das Licht nun ab,'* so hatte ich gesagt, „dann geht die Weissempfindung ohne Aenderung ihrer

29

vQualität allmählich in die von Schwarz über: während dem ,,steigt die Anzahl Moleküle durch üeberwiegen der Neu- ,,bildang und offenbart sich grössere Neigmig znr Disso- ^dation/' Was sollte dies anderes bedeuten, als dass beim Abschlüsse des Lichtes die Weissempfindung ver- schwindet und dass gleichzeitig die Anzahl spaltungs&Lhiger Moleküle wieder steigt? An einen Causalzusammenhang zwischen diesem Steigen und der Schwarzempfindung habe ich nicht gedacht. Und nach Hering soll es beweisen: ,,da8s Don der s der Empfindung des Schwarz ein Ueber- „wiegen der Neubildung über den Verbrauch entsprechen „lässt."

Ebenso unrichtig ist seine Auffassung des vorher- gehenden Satzes, in welchem angenommen wird, dass die Dissociation, und damit die Empfindung längere Zeit un- verändert bleiben können, wenn bei massigem Licht die Bedingungen erfüllt sind, unter welchen Verbrauch (Disso- ciation) und Neubildung der Moleküle unter dem Einfluss der Ernährung einander aufwiegen. Hering liest darm, dass ich dem Gleichgewicht zwischen Neubildung und Verbrauch eine Reihe von Helligkeitsempfindungen ent- sprechen lasse, „die ganze Scala der Empfindungen, „welche massiges Licht in uns erweckt", während das Gleichgewicht durch mich nicht für diesen oder jenen be- stimmten Helligkeitsgrad postulirt wird, sondern einzig und allein für das Gleichbleiben dieses Grades, wie immer er auch sein mOge: unverändert aber kann er allein blei- ben, wenn, durch Gleichgewicht zwischen Neubildung und Verbrauch gleiche Moleküle in gleicher Anzahl für die Dissociation verfugbar bleiben.

Liegt die Schuld an dem Missverständnisse bei mir? Meine Erklärung war etwas kurz und gedrungen, aber bei ruhigem Lesen doch wohl zu verstehen und sicher nicht doppelter Auffassung fähig.

Doch, abgesehen von Missverständnissen, bestreitet

30

Hering auch die Voranssetzung selbst, dass bestimmte Helligkeitsgrade bei constantem massigem Licht längere Zeit hindurch constant bleiben könnten. Eine solche Be- hauptung hält er „mit den Thatsachen in offenbarem Wider- spruch". Ist es denn nicht wahr, dass man bei demselben Licht Stunden lang seine Thätigkeit fortsetzen kann, ohne merkliche Abnahme der Sehschärfe? Lesen bei zu schwachem Licht ermüdet, macht die dabei geforderte Anstrengung mühsam; zu starkes Licht blendet und stumpft schliesslich ab. Aber innerhalb ziemlich weiter Grenzen ich überzeugte mich hiervon durch specielle Versuche bleibt bei demselben Licht die Sehschärfe längere Zeit stationär, und daher auch die Helligkeit, wovon sie abhängig ist.

Hering gründet seinen Widerspruch auf die „Ermü- dungs- und Nachbilder -Erscheinungen." Nachbilder von zwei weissen Feldern auf dunkelm Grund verrathen jeden Helligkeitsunterschied zwischen den Feldern selbst. Mit dieser Thatsache soll meine Vorstellung unvereinbar sein. „Wenn sich bei Betrachtung der beiden weissen Felder „an den beiden betroffenen Stellen des Sehorganes über- „haupt nichts ändert, so kann," sagt Hering, „auch eine „zurückbleibende Verschiedenheit der beiden Stellen nicht „angenommen werden." Vollkommen zugestimmt! Aber ich habe wahrlich nicht behauptet, dass zwei Stellen, die dem Licht von verschiedener Intensität ausgesetzt sind, einander gleich bleiben. Von dem ganzen Process der Veränderung und Anpassung kann man sich leicht eine Vorstellung bilden. Das Gesichtsfeld sei eine gleichmässig graue Fläche und das Auge fiiire einen besthnmten Punkt: nach kurzer Zeit sind Neubildung und Verbrauch im Gleich- gewicht. Nun werden auf der grauen Fläche zwei weissere Felder angebracht; an den betreffenden Stellen nimmt nun die Dissociation zu und damit die Helligkeit, nimmt aber rasch wieder ab, weil die Neubildung, obwohl vermehrt,

31

mit ihr nicht gleichen Schritt hält und wird stationär, sobald Verbrauch und Neubildung im Gleichgewicht sind. Bei diesem Gleichgewicht sind Verbrauch und Neubildung nur lebendiger als auf dem grauen Feld, die Empfindung, in Folge des schnellem Verbrauchs, auch intensiver, die Zahl der vorhandenen Moleküle aber nicht vermehrt, sondern im Gegentheil vermindert. Und diese Verminderung, zu- gleich mit Reduction ihres Labilitätszustandes, muss sich in den Nachbildern als geringere Helligkeit offenbaren. Natürlich verschwinden die Nachbilder bald, weil die noch fortdauernde stärkere Neubildung den gleich beschränkten Verbrauch übersteigt und ihn demzufolge bald wieder auf sein normales Maass erhebt.

So wird von den Erscheinungen hinreichend Rechen- schaft gegeben.

Dass Hering sich meiner Vorstellung entgegenstellte, befremdet mich übrigens nicht. Nehmen wir an, dass bei ziemlich grosser Liciitstärke eine Helligkeit fortbesteht, ansehnlich grösser als das „mittlere Grau,** und diiher, nach Hering*s Theorie, ansehnlich mehr Verbrauch als Neubildung stattfindet, wie bald muss dann die dissimilir- bare Substanz und damit auch die Dissimilirung selbst, auf ein Minimum reducirt sein, womit die grosse Hellig- keitsempfindung unvereinbar ist?"

Ich gehe zu dem zweiten Punkt über, worin ich darnach getrachtet haben soll, „die Gegenfarbentheorie „abzuändern." Er betrifft „die den vier einfachen Farben „correlaten psycho-pbysischen Processe."

Wie stellt Hering sich diese Processe vor?

Der Kern seiner Theorie liegt, wie wir sahen, in den „Gegenfarben". Weiss und Schwarz, - nach seiner Würdi- gung Empfindungen gleicher Dignität, bringt er mit der schwarz-weissen Substanz in Verbindung, und zwar Weiss mit ihrer Dissimilirung D, Schwarz mit ihrer Assimili-

32

rung A. Diese Gegenüberstellung überixägt er auf die Farben. In der roth-grünen und der blau-gelben Substanz würde eine der Farben an D, die andere an A gebunden sein. Weiter aber verfolgt er die Analogie nicht. In der schwarz-weissen Substanz machen sich die Processe D und A und ihre entsprechenden Empfindungen nebeneinander gel- tend, und aus der Mischung beider würden alle üebergänge hervorgehen. In den beiden andern Substanzen dagegen werden die Processe D und A und die entsprechenden Farben roth und grün, gelb und blau zu Antagonisten, die einander feindlich gegenüberstehen und sich gegenseitig ausschliessen. Wo in den Lichtwellen für beide die Entste- hungsbedingungen enthalten sind, kommt allein diejenige zu ihrem Becht, die das üebergewicht hat, und insofern sie das üebergewicht hat, und macht das üebergewicht sich auch nur geltend im Gewicht, wie Hering es nennt, der Empfindung.

Gegenüber dieser Vorstellung stehe nun die meine.

„Die Empfindungen der einfachen Farben'*, so drückte ich mich aus*), „knüpfen wir an partielle Dissociationen „derselben Moleküle. Im Gegensatz zu der Empfindung „von Weiss, die unverändert andauert, rufen sie die com- „plementäre hervor, die, sofort brennen, an Kraft zu- „nimmt. Das Erblassen der Farbe ist hiervon die Folge. „Ist sie über das ganze Gesichtsfeld verbreitet, dann wird „in der Wahrnehmung die Farbe zum Schlüsse beinahe „unmerklich: die Empfindung wird neutral. Die Erklärung „ist diese, dass von der primären (partiellen) Dissociation „Moleküle übrig bleiben, deren secundäre Dissociation die ^,complementäre Empfindung entwickelt. Diese letzteren „dissocüren allmählich spontan, auch ohne adäquaten Beiz, „aber bekommen doch mehr und mehr die Oberhand, so „dass schliesslich bei gleicher diiecter und indirecter Disso-

*) V. Graefe 8 Arch. f. Ophthahn. Bd. XX Vn. 1, S. 175.

33

,,ciation ein Gleichgewichtszastand mit neutraler Empfin- ^,dimg eintreten würde.'*

,,So Tindicirt das Organ seine vollständige Energie. ^,FUlt nun wieder weisses Licht ins Auge, dann macht ^sich sofort die Gomplementäre geltend, bis mit dem Yer- „schwinden der secundären Moleküle das Gleichgewicht „wieder hergestellt ist.

„Manche partiellen Frocesse können nebeneinander „bestehen. Wir sehen davon den Beweis in den zusammen- „gesetzten Farben, worin wir zwei einfache wieder er- „kennen: Gelb mit Grün und mit Both, Grün mit Gelb „and mit Blau; Blau mit Grün und mit Both, zu- „sammen vier Combinationen, durch deren Yermittelung „sämmtliche Farben einen geschlossenen Bing bilden. „Diese Combinationen beruhen jede auf zwei Formen von „partieller Dissociation, die nebeneinander in denselben „Molekülen vorkommen, weil sie sich nicht zu einer ,.totalen Dissociation verbinden können."

Gegen diese meine Vorstellung nun ist die Kritik von Hering hauptsächlich gerichtet.

Seine erste Einwendung betrifft die Entstehung von Weiss aus zwei Complementärfarben. Nachdem er daran erinnert hat, dass nach meiner Yorstellung die Ein- wirkung einer bestinunten Lichtsorte, z. B. gelben Lichts, ein Bestmolekül zurücklasse, das die Empfindung der Complementärfarbe, d. i. blau, hervorrufen könne, fährt er fort: „Aber ganz derselbe, der Empfindung Blau correlate „Dissociationsprocess, welcher sich bei der Einwirkung „gelben Lichtes indirect und secundär entwickeln soll, „kann, nach Don der s, auch primär unter der Einwirkung „blauen Lichtes entstehen. Bei dieser Art partieller Dis- „sociation eines Moleküls bleibt ebenfalls ein Bestmolekül, Indessen indirecte, secundäre Dissociation nun ganz das- i^selbe darstellt, was soeben als primäre, dem Gelb ent- „sprechende partielle Dissociation erörtert wurde."

T. Gntefe*s ArehiT fBr Ophthalmologie, ZXX. 1. 3

34

„Wenn also die beiden Frocesse, welche einerseits „der gelben, andererseits der blauen Empfindung correlat „sind, gleichzeitig in der Sehsubstanz stattfinden, so sollen „wir weder die eine noch die andere Empfindung haben, „sondern Weiss empfinden. Wo bleibt bei dieser Auf- „fassung die von Donders selbst betonte absolute Corre- „spondenz des physischen und psychischen Elementes? „Weiss ist als Empfindung genommen doch ganz anderer „Qualität als Gelb oder Blau."

Hering vergisst, dass ich scharf unterschieden habe zwischen ^,Mischung" und „Verschmelzung". „Gewisse partielle Frocesse", so schrieb ich, „können nebeneinander „bestehen. Wir sehen davon den Beweis in den zusammen- „gesetzten Farben, worin wir zwei einfache wieder er- „kennen: Gelb kann sich sowohl mit Grün als mit Both „verbinden; Grün mit Gelb und mit Blau; Blau mit Grün „und mit Both, zusanmien vier Combinationen, durch „deren Vermittelung sämmtliche Farben einen geschlos- „senen Bing bilden alles Combinationen, bei welchen „noch ein Best der Moleküle übrig bleibt, der die Com- „plementärfarben vergegenwärtigt. Aber weder aus (com- „plementärem) Grün und Both, noch aus Gelb und Blau „kann sich eine zusammengesetzte Farbe bilden, eben weil „sie complementär sind und ihre Verschmelzung daher „totale Dissociation mit sich bringt."

Weiter habe ich hervorgehoben, dass man überhaupt nicht von Mischung sprechen kann, wo zwei Frocesse sich zu einem dritten verschmelzen, sui generis, wie ich hinzusetzte, und wo man daher gemäss den Grundprinci- pien der Fsycho-Fhysik auch eine Empfindung sui ge- neris erwarten müsse.

Anderswo erkennt Hering'^) mit so vielen Worten, dass von vornherein nicht einzusehen ist, warum zwei

*) Zur Lehre vom Lichtsinne, S. 109.

35

seiner Antagonisten nie gleichzeitig in einer Farbe deut- lich bemerkbar sind. „Warom", sagt er, «^soU es keine ^arbe geben, die zugleich Both und Grün oder Gelb und ^lau zu enthalten scheint? Eine Antwort hierauf ist „vorerst unmöglich.** Er hat wohl Becht, sich hierüber zu verwundern. Seine Gegenfarben stehen zu einander wie Dissimilirung und Assinülirung, d. h. Weiss und Schwarz. Weiss und Schwarz nun combiniren sich zu dem neutralen Grau, in welchem, so lehrt Hering, beide sichtbar sind. Warum denn nicht dbenso Both und Grün, Gelb und Blau? Sie stehen doch, ebensogut wie Weiss und Schwarz, zu einander wie D : A, und zwar in einer analogen oder, was Hering noch mehr zusagt, in einer and derselben Substanz. Er muss sich desto mehr hier- über wundem, als nach seiner Vorstellung Both und Grün, Gelb und Blau in fast allen Processen constant vorkom- men, aber nur unter der Schwelle bleiben. Meine Vor- stellung von der partiellen Dissociation neben der totalen braucht nach keiner Erklärung zu suchen. Die Frocesse der Complementärfarben gehen in die totale auf und geben dadurch ihr selbstständiges Bestehen Freis.

„Ein zweiter theoretLscher Einwand: ein Nebenein- „ander-Bestehen zweier nicht complementärer partieller „Dissociationen in denselben Molekülen ist undenkbar."

So behauptet Hering.

Auf den Vordergrund stellte ich: in demselben Stoff, in demselben Formelement. Dass die sich combinirenden Frocesse auch in denselben Molekülen vor sich gehen sollten, habe ich nicht ausdrücklich gesagt. Zu lesen steht: ,4)iese Combinationen (Gelb und Both u. s. w.) beruhen ,Jede auf zwei Formen von partieller Dissociation, die ,^ebeneinander in denselben Molekülen vorkommen, „weil sie sich nicht zu einer totalen Dissociation „verbinden können." Man sieht, die Fhrase ist nicht correct. „Weil'* kann sich nicht beziehen auf „denselben

3*

36

Molekülen/* Diese Worte wurden eingeschoben, um mit demselben Satz auszudrücken, dass, auch in denselben Molekülen gedacht, die beiden Formen sich nicht zu einer totalen Dissociation verbinden würden. So hat das Streben nach Kürze mir einen Possen gespielt, üebrigens han- delt es sich hier um eine Frage, die auf meine Vor- stellung von der Dissociation als psycho-physisches Cor- relat der Empfindung ohne jeglichen Einfluss ist. Sie postulirt nur dieselbe Substanz in derselben Zelle und in dieser Substanz die Moleküle in verschiedenen Dissociations- phasen. Doch ist bei der Complicirtheit, die ich den lebenden Molekülen zuschreiben zu müssen glaube, das Bestehen von zwei partiellen Dissociationen in demselben Molekül auch keineswegs undenkbar.

Ich beantwoi-tete dieses zweite Bedenken Hering^s etwas ausführlicher, weil ich nicht zugeben kann, dass „das Ganze Moleküle und ihre Dissociationen wohl „nur eine Art Gleichniss sein soll, und als solches keinen „Anspruch auf strengere Durchführbarkeit erhebt."

In meinen Augen liegt in dieser Vorstellung etwas Reelles. Spaltung von Molekülen, so weit dieselbe gehen kann, müssen wir uns verbunden denken mit der Empfin- dung von Weiss, als dem Resultat der Einwirkung sämmt- licher Strahlen des Sonnenlichts. Und was den Farben- sinn betrifft, so liegt in der secundären Farbe des Nach- bildes, die mit der primären vereinigt Weiss bildet, bei- nahe ein Zwang zu der Vorstellung von zwei partiellen Spaltungen, die, wo sie zusammentreffen, unter Freis- gebung ihres selbstständigen Bestehens, in die totale auf- gehen.

Hering weist auf die Analogie meiner Vorstellung mit den Grundgedanken Schopenhauer's*) und theilt

*) Der Ausgangspunkt meiner Betrachtungen lag in der Dissociation der Moleküle. Üebrigens ist es sehr wohl möglich.

37

uns mit, dass er dieselben bereits vor der Pnblication seiner Mittheilnngen über den Lichtsinn sorgfältig er- wogen, aber nnbrauchbar befunden hatte. Was ihn vor Allem veranlasst hatte, sie als unverwerihbar zur Seite zu stellen, sind die sogenannten Ermüdungserscheinungen, die mit denselben ganz unverträglich sein sollten. „Denn „nach dieser Auffassung*', so behauptet er, „müsste das „Sehorgan durch das Bestehen einer farbigen Empfindung „ganz ebenso stark fQr Weiss ermüdet werden, wie durch „das Bestehen der weissen Empfindung. iKimmt man ein „weisses Mischlicht m und theilt dasselbe in zwei unge- „fähr gleich helle Theile, so erhält man zwei farbige ein- „ander complementäre Lichter gi und [i\ Nach der An- „nahme von Donders müsste nun jedes dieser beiden „Partiallichter fQr sich allein die Netzhaut nahezu ebenso „stark (,,ganz ebenso stark'', sagt er einige Linien früher) „far Weiss „ermüden" wie das volle Licht m. Denn bei „der farbigen Empfindung, welche durch fi und (i* erzeugt „wird, würden ja doch, ceteris paribus, ebenso viel Mole- „küle verbraucht, wie bei der weissen, welche durch f*-l-/i*' „hervorgerufen wird, und zwar würden bei längerem Be- „stehen der ersteren, infolge der spontan hinzutretenden „complementären Dissociation, die Moleküle nicht nur par- „tiell, sondern zu einem grossen Theile auch total ver- „braucht werden."

dass die Theorie von Schopenhauer mir dabei vor dem Geiste geschwebt hat. Ich hatte auch schon im Jahre 1842 das Folgende gelesen und nie vergessen: „Die Erschöpfang nach der Einwir- „knng existirender Reize ist nicht absolut, sondern eine Er- .schöpfung in der Form, in welcher der Sinn reagirt hat Für «Reize anderer Art ist der Sinn nicht nur nicht abgestampft, ^sondern sogar empfänglicher, er empfindet sie lebhafter, wenn «sie von aussen geboten werden, und erseugt sie in der Ruhe «spontan. Es giebt in jedem Sinn solche einander entgegen- «gesetzte contrastirende Anschanungen. Im Auge sind sie Licht ^und Dunkel, Roth und Grün und die übrigen je zwei comple- ,mentäre Farben." (Henle. Allgem. Anatomie. 1840, S. 736.)

38

Wie kann Hering vergessen, dass jedes der beiden complementären Lichter fi und fA' neben ihrer respectiven Farbenempfindong die farblose mit sich bringt. Er, der mehr als irgend jemand die Weissempfindang als selbst- ständige, anch in den reinsten, meist saturirten Farben überwiegende Empfindung, sogar als einzige Qaelle des aus der Combination von Farbenempfindungen hervor- gehenden Weiss annimmt? und hatte er dieses nicht ver- gessen, wie konnte er denn behaupten, dass fi und fA* jedes für sich fast ebenso starke Ermüdung für Weiss hervor- rufen müssten als das volle Licht m? Für fi und /t^', jedes * für sich selbst genommen, ist doch, was die Weissempfindung anbetrifft, allein der jedem zukommende Theil, sagen wir die Hälfte von m, in ßechnung zu bringen. Und wenn nun die hinzukommende Farbenempfindung relativ zu der farblosen so besonders schwach ist, wie soll dann ihr Effect in der Ermüdung für Weiss so stark zu Tage treten?

Doch es ist mehr. Hering hegt die Vorstellung, dass die Bestmoleküle nothwendig „zu einem grossen Theil" oder „auch total" verbraucht werden, „dass sie „nur noch die complementäre farbige Empfindung erzeugen .,kOnnten". Ich habe zu einer solchen Auffassung kein Becht gegeben. Angenommen habe ich, dass die Best- moleküle die Empfindung der Complementärfarbe hervor- bringen; aber das gesperrt gedruckte Wort nur stammt von Hering. Ganz bestimmt habe ich vorausgesetzt, dass die sogenannten Bestmoleküle zum Theil wieder zum Auf- bau der totalen dienen können, und diese Annahme gründete sich einerseits auf die zahlreichen Beweise von Synthese in den lebenden Geweben, andererseits auf die schwache Entwickelung (nach Dauer und Intensität) der Complemen- tärfarbe in den Nachbildern, verglichen mit der Empfindung der inducirenden.

Aus allem geht hervor, wie wenig begründet Hering's Behauptung war: „Nach dieser Auffassung müsste das

39

^Sehorgan durch das Bestehen einer farbigen Empfindung „ganz ebenso stark für Weiss ermüdet werden, wie durch „das Bestehen der weissen Empfindung/'

c) Donders sucht die Vierfarbentheorie mit

der Dreifarbentheorie von Toung-Helmhoitz

zu combiniren.

In der Einleitung zu seiner Kritik erklarte Hering einem Versuch gegenüber zu stehen, die Theorie von Toung-Helmholtz mit der der Gegenfarben zu ver- schmelzen. Jetzt, in obenstehender üeberschrift, ist es nicht mehr die Gegenfarbentheorie, sondern die Vierfarben- theorie.

Der Unterschied ist sehr wesentlich. Die vier Farben da Vinci's sind der Ausgangspunkt von Hering's Theorie; aber die Theorie beginnt erst, wo die Farben sich zu zwei Paaren verbinden und die Farben jedes Paares zu Anta- gonisten werden. Und gerade die Gegenfarben habe ich bestritt-en. ,

Aber auch die Vierfarbentheorie hatte ich nicht mit der Theorie von Toung-Helmholtz zu verbinden ge- trachtet. Ich that einzig und allein, was schon Young gethan hatte: ich untersuchte, aus welchen Combinationen der fundamentalen alle andern Farben gebildet werden. „From three simple sensations*', sagt Toung, „with their „combinations, we obtain seven primitive distinctions of „colours; but the different proportions, in which they may „be combined, afford a variety of tints beyond all calcu- ,Jation. The three simple sensations being red, green „and violet, three binary combinations are yellow, con- „sisting of red and green; crimson, of red and violet, and „blne, of green and violet; and the seventh in order is „white light, composed by all three united.''

Der einzige unterschied ist, dass ich die Farben da Vinci's etwas mehr in den Vordergrund stellte, weil

40

ich in diesen Farben eine Homogenität erkenne, die iu den andern vennisst wird. Hering indessen, indenot er festhält an der Annahme, dass ich nach einer Combination der beiden Theorien strebe, behauptet, dass eine solche allein denkbar sei, wenn man, was ich gethan haben würde, die Theorie von Toung-Helmholtz „auf die blosse An- „nahme dreier Nervenfasern von verschiedener specilischen „Energie einschränkt und den wesentlichsten Theil dieser „Theorie verwirft."

üeber die drei Nervenfasern vielleicht später.*) Was versteht aber Hering unter dem „wesentlichsten Theil"? „Dieser", sagt er, „besteht darin, dass aus der „Annahme von drei specifischen Energien sämmtliche Ge- „sichtsempfindungen abzuleiten versucht wird. Für diese» „Theorie sind die drei specifischen Energien, Roth, Grün „und Violett, zugleich „drei Grundqualitäten der Empfin- „dung", nicht bloss, wie bei Donders, drei an ver- „schiedene Verbindungsfasern zwischen Auge und Hirn „gebundene physiologische Froce^se, welche an sich die „Empfindung noch gar nicht setzen, sondern erst durch „ihre Einwirkung auf die „centrale Substanz" die den „Empfindungen correlaten Frocesse hervorrufen. Die „Theorie von Young-Helmholtz unterscheidet nicht be- „sondere Frocesse in der Netzhaut und Opticusfasern von „besonderen Frocessen in einer „centralen" psycho -physi- „schen Substanz, sondern nach dieser Theorie", so heisst es^ „setzt jede Erregung einer Faserart, im Gehirne angelangt, „direct die entsprechende Empfindung."

Dieser Ausspruch, wenn ich ihn recht verstehe, ist nicht zutreffend. Ich muss mit der Bemerkung beginnen^ dass hinsichtlich eines wichtigen Funktes, auf den es hier besonders ankommt, Toung und Helmholtz von ein- ander abweichen. Young sucht den specifischen Gha-

♦) AnnaL dOculistique. XXXVIL p. 208 n. f. 1882.

41

rakter in den Nervenfasern selbst Nach seiner Vor» Stellung sind die Processe verschieden in den drei Sorten von Nervenfasern, welche die drei Energien repräsentiren. Es folgt daraus aber nicht, dass mit diesen Vorgängen die entsprechenden Empfindungen in der Centralsubstanz direct gegeben sein würden. Das Sensorinm ist fOr Toung etwas anderes als die Nervenfasern. Die Ursache der complementären Nachbilder sucht er*) darin: „that the „portion of the retina, or of the sensorinm that is ,^ffected, has lost a part of its sensibility to the light of „that colonr, with wich it has been impressed and is more „strongly aflfected by the other constituent parts of the „white light." Ein Sensorinm wie es Toung hier vor- aussetzt, scheint mir von der „Sehsinnsnbstanz" Job. Mnller's nicht allzuweit entfernt. Und sollte man dies nicht anerkennen wollen, so ist der Standpunkt von Helmholtz und dies genügt mir ausser Zweifel. Helmholtz**) leugnet weder das Specifische in den Er- regungen der Sehnervenfasem noch die Möglichkeit, dass die den drei Energien entsprechenden Erregungen an dieselben gebunden seien. Im Gegentheil scheint er viel eher dieser Annahme zuzuneigen. Doch hält er sich an Young und postulirt fllr die drei Erregungsvorgänge drei Faserarten, „wenn auch nur im Interesse der Dar- stellung". Und die Specificität der Fasern giebt er dabei auf. „Durch Toung's Hypothese", sagt er, „wird es „möglich, die einfachen Vorstellungen über den Mechanis- „mus der Beizung und ihre Fortleitung, die wir uns zu- „nächst durch das Studium der Phaenomene an den moto- „nschen Fasern gebildet haben, direct auf den Sehnerven „zu übertragen."

Unter welcher Bedingung macht die Theorie von

*) Lectnres L p. 455. **) Physiologißche Optik. S. 292.

42

Toung dies möglich? Offenbar allein unter der An- nahme, dass drei gleiche Erregungen in drei Nervenfasern, in Verband mit den peripheren Elementen, von denen sie abhängen, drei verschiedene Erregungen im Centralorgan zum Vorschein rufen, ganz in üebereinstimmung mit der Lehre von den specifischen Energien, wie sie in der Phy- siologie gangbar geworden war. „Toung's Hypothese", sagt denn auch Helmholtz, „ist nur eine speciellere „Durchfahrung des Gesetzes von den specifischen Sinnes- energien."

Doch fühlt Hering auch bald, dass er zu weit ging mit der Behauptung, dass, nach der Theorie von Toung- Helmholtz, ,Jede Erregung einer Faserart, im Gehirn „angelangt, direct die entsprechende Empfindung setzt.'* Denn später fährt er fort: „Wenn man bei dieser Theorie „von einer psycho-physischen Substanz reden will, so ist „es eben eine solche, welche nur dreier verschiedener „specifischer Processe fähig ist, die sich in den verschie- „densten Verhältnissen combiniren können. Daher giebt „es auch nach dieser Theorie nur drei „einfache" Empfin- „dungen: Roth, Grün und Violett, alle übrigen „sind zu- „sammengesetzte" oder Mischempfindungen. So und nicht „anders hat alle Welt die Toung-Helmholtz'sche Theorie „verstanden und so hat Helmholtz selbst sie dar- „gestellt."

Aus dem Feuer des Ausdrucks spricht eine tiefe üeberzeugung. und doch nehme ich keinen Anstand, aufrecht zu erhalten, dass, wo von Mischung die Bede ist, nicht die Empfindungen, sondern die Processe gemeint waren, und dass die Combination dieser, in bestimmten Fällen Processe sui generis, als den Empfindungen zu Grunde liegend, gedacht wurden.

Hering nennt es ein Paradoxon, dass im Weiss gleichzeitig Roth und Grün oder Gelb und Blau so ge- sehen werden sollen, wie man im Violett gleichzeitig

43

M nnd Blau erkennt. Würden Toung und Helmholtz fe nicht ebenso paradox 'gefunden haben? Bei der fehong von Farben dachten sie wohl in erster Linie an is Zusammenwirken von zweierlei Strahlen und stellten jifh die davon abhängigen Processe in mehr oder weniger f*5timmter Form vor. Aber zweifelsohne haben sie nicht «üe Verbindung der Empfindungen als solcher angenommen. Tebrigens hat Hering dies früher (zur Lehre vom Licht- äoe S. 71) selbst gesagt: „Auch hat nicht jeder" (und -r kann Toang und Helmholtz mhig mit zu die- I ^D Angnahmen rechnen), „der das Weiss als eine ge- .fflischte Empfindung bezeichnete, damit sagen wollen, dass Üer wirklich Empfindungen gemischt seien, sondern nur, jiass man, um die Empfindung des Weissen zu erzeugen, -Licht von verschiedener Wellenlänge mischen müsse. -Diese aus der gleichzeitigen Einwirkung mehrerer Strahlen- harten erzeugte Empfindung kann sehr wohl als eine ein- «fiche Resultante mehrfacher physikalischer Ursachen au- sgesehen werden."

Ich habe daher nicht, wie Hering behauptete, den nichtigsten Theil der Toung-Helmholtz'schen Theorie ni verwerfen, ich brauche allein diese Theorie in ihr wahres Licht zu stellen, um Baum zu finden für die fundamentalen Farben da Vinci's.

Für die Commentare einiger Vertreter der Theorie, anf welche Hering (S. 35) hinweist, ist weder Toung noch Helmholtz verantwortlich.

ni. Kritik der Hering'schen Theorie.

Die Empfijidungen, wie sie sich unserm Bewusstsein offenbaren, sind der Ausgangspunkt und die Grundlage sowohl der Licht- als der Farbentheorie Hering's.

Sie sind für ihn die psychische Aeusserung des in Jer „Sehsubstanz" wirksamen Stoffwechsels, dessen em-

44

pfindlichstes Beagens sie sind, und beherrschen so die ganze Theorie. *

Hering unterscheidet, wie wir sahen, mit Lionardo da Vinci sechs einfache Empfindungen, die er auf drei Paare zurückf&hrt, Weiss und Schwarz, Roth und Grün» Oelb und Blau.

Zuerst wendet er sich zu der Weiss- und Schwarz- empfindung. Nicht zufrieden mit der Selbstständigkeit, die der Schwarz-Empfindung allgemein zuerkannt wu:d, stellt er beide, Schwarz und Weiss, trotz ihres verschiedenen Ursprungs, auf gleiche Linie und schreibt beiden gleichen positiven Charakter zu. Demzufolge betrachtet er die Uebergänge von Schwarz zu Weiss, die grauen Töne der Schwarz -Weissreihe, als wahre Mischungen dieser beiden Empfindungen, als gleichstehend mit den Mischungen zweier (nicht complementärer) Farben, z. B. von Grün und Gelb.*) Wo Weiss und Schwarz sich vermischen, muss man, sagt er, den Ausdruck Intensität ganz fallen lassen, es sei denn, dass man zwei Intensitäten annehme, deren eine dem Weissen oder Hellen, die andere dem Schwarzen oder Dunkelen entspricht. Hierbei steigt Schwarz mit dem Sinken von Weiss und umgekehrt, und es ist fdr die Helligkeit der Mischungen kein anderer Ausdruck möglich als das Verhältniss von Weiss und Schwarz, W:S. Hering verbindet nun, wie wir wissen, die Weissempfindung mit Dissimilirung D, die Schwarz- empfindung mit Assimilirung A. Folglich ist die Hellig- keit -^, auch -J-.

Natürlich können bei jedem Verhältniss die Dissimi- lirung und die Assimilirung 'stark und schwach sein. Aber die absoluten Grössen kommen nicht in Betracht. Hering's Schluss lautet: „dass die Art (Helligkeit oder

*) Zur Lehre vom LichtsinD, S. 54.

45

„Dunkelheit) einer farblosen Gesichtsempfindung bestimmt ,4st durch das Yerhältniss, in welchem die Intensität oder ,.6rösse der Dissimilirung der Sehsubstanz zur Intensität „oder Grösse ihrer gleichzeitigen Assimilirung steht", d. h,, dass die Helligkeit der Uebergangstöne zwischen Weiss und Schwarz ausschliesslich abhängig ist von dem Yerhaltniss zwischen D und A, durchaus unabhängig von dai absoluten Grössen von D und A.

Diese Annahme zählt Hering zu seinen Folge- sätzen (§ 28): sie ist in der That eine unvermeidliche CoDsequenz des ihr Vorhergehenden. Aber steht sie nicht in unversöhnlichem Streit mit der conditio sine qua non aller Psycho -Physik, der absoluten Correspondenz der psychischen und physischen Processe? Freilich nimmt Hering 77) die darauf bezüglichen Annahmen Mach's nur unter Vorbehalt an: „Wenn ich davon absehe", sagt er, „dass hierbei keine Bücksicht darauf genommen ist, „dass psycho-physische Processe von sehr verschiedener „Grösse dieselbe Empfindung geben können, weil es überall „nicht auf die absolute Grösse dieser Processe, sondern „lediglich auf ihr gegenseitiges Verhältniss ankommt, so „kann ich diesen Worten Mac h's vollständig beipflichten." Ich kann aber nicht umhin anzunehmen, dass dieser Vor- behalt dazu dienen musste, die Gonsequenz zu retten, zu denen die Analyse der Empfindungen ihn fähren würde. A priori konnte doch, würde ich meinen. Niemandem ein- fallen, dass das Quantitative der Processe, das sich überall geltend macht, in den Empfindungen durchaus nicht zu Tage treten würde. Und ist der „Folgesatz" in Widerspruch mit dem Hauptprincip der Psychophysik, so wird er auch durch die Erfahrung Lügen gestraft. An einem hellen Tage kann das Auge stundenlang einer Empfindung ausgesetzt bleiben, welche das mittlere Grau, die Empfindung, bei der A == D, an Helligkeit weit übertrifft, einer Em- pfindung daher, bei welcher nach Hering's Vorstellung

46

A weit hinter D zurückbleiben mösste. Kann seine Theorie dies dulden? Gross ist der Yorrath von der Dissimilining fähigen Molekülen sicher nicht. Nirgends ist derselbe« nach bekannten Versuchen, schneller erschöpft als gerade in der centralen grauen Substanz. Erschöpfung ist daher rasch zu erwarten von D>A. Und wo sie nicht erfolgt^ wo im Gegentheil die Helligkeit sich erhält, Stunden lang« da muss A = D sein, und sind beide um so lebhafter,, je grösser die Helligkeit (vergh S. 29 ^30).

Ist der Folgesatz nothwendig und wird er durch Theorie und Erfahrung zu Nichte gemacht, so muss ein Fehler in den Prämissen verborgen liegen.

Betrachten wir dieselben etwas näher. Das Ausgehen von einer Analyse der Empfindungen halte ich für voll- kommen berechtigt. Auch die Voraussetzung, dass jede Empfindung einem bestimmten Process und jeder Process einer bestimmten Erregung entspricht, nehme ich, als ein Postulat der Psycho-Physik, unbedenklich an. Ich glaube femer wie Hering Schwarz und Weiss und die vier ein- fachen Farben da Vinci 's als homogene Empfindungen unterscheiden zu müssen. Mein Zweifel wird erst wach, wo Hering die Schwarzempfindung, trotz ihres verschie- denen Ursprungs, mit der Weissempfindung auf eine Linie stellt. Im Beginn von § 23 schreibt er: „Die Empfindung „des eigentlichen Schwarz entsteht wie die des Weiss unter „dem Einflüsse des objectiven Lichtes; nur mit dem Unter- „schiede, dass sich die weisse Empfindung unter dem „directen, die schwarze aber unter dem indirecten Einflüsse „des Lichtreizes entwickelt, nämlich durch den sogenannten „simultanen oder successiven Contrasf

Dieser Unterschied ist sehr wesentlich. Positiv, als directe Folge des Lichtreizes, entsteht Weiss; Schwarz hingegen, Hering anerkennt es selbst, erst durch Contrast, und dies bedeutet, nicht weil Schwarz durch Weiss oder helle Farben erzeugt wird, sondern weil das schwache

47

Weiss neben dem starken Weiss nnterdrückt wird (Simul- tancontrast), und nach dem starken Weiss die labilen Molekole fehlen (Successivcontrast).

Das Schwarz, welches übrig bleibt, wo jede andere fiapfindong erloschen ist, ist seinem Ursprung und seinem Wesen nach eine Empfindung sui generis, im Gegensatz nicht allein zu Weiss, sondern auch zu den Farben- empfindungen, im Gegensatz zu allem, was hell ist, die Negation also der Helligkeit „la privazione", wie Lionardo da Vinci 1. c. p. 70 dasselbe nennt, im Gegensatz zu ,41 generatore", das ist dem Weiss, welches auch die Zeu- gung der Farben enthält. In der That erkennen wir in Roth und Gelb, in Grün und Blau etwas gemeinschaftliches: sie sind wie Varietäten eines und desselben Typus der Em- pfindung des Farbigen und stehen als solche nicht neben Schwarz, sondern, in Verbindung mit dem farblosen Weiss, gegenüber Schwarz, das in gewissem Sinn den Hintergrund fOr alle Empfindungen bildet. Deshalb kann man nicht sprechen von Mischungen von Weiss und Schwarz als analog denen gleichartiger Empfindungen, z. B. Grün und Gelb. Alles dies wird verkannt, wenn Hering von Mischungen von Weiss -und Schwarz redet und sie mit denen von zwei reinen Farben vergleicht. Der Unterschied geht auch aus den Empfindungen selbst direct deutlich genug hervor. Von Schwarz bis zu Mittelgrau dürfte man sich noch vorstellen können, eine Mischung von Schwarz und Weiss zu sehen; bei zunehmender Helligkeit weicht aber die Schwarzempfindung schnell und verschwindet vollkommen, lange, bevor die hohem Helligkeitsgrade er- reicht sind. Und treten in Gelb kleine Spuren Grün und umgekehrt in Grün solche von Gelb nicht sogleich cha- rakteristisch zum Vorschein?

Mein Zweifel steigt, wenn nun weiter Hering die Weiss- und Schwarzempfindung mit Dissimilirung und Assinülirung in Verbindung bringt. A wird als Gegen-

48

theil von D eingeführt. Darf sie als solches gelten? Streng genommen, nein; denn die Spaltung dehnt sich viel weiter ans als bis za denjenigen Molekülen, mit welchen in den Geweben der Aufbau beginnt, und die meisten ihrer Produkte gehen fdr diesen Aufbau sicher verloren. Doch, abgesehen hiervon, ist es eine pnncipielle Frage, ob man wohl das Recht habe, Assimilation als psycho- physischen Frocess aufzufassen. Hering erklärt, durch- aus nicht einzusehen, warum von den zwei chemischen Frocessen der Sehsubstanz allein der eine psycho-physische Bedeutung haben sollte, der andere nicht. A priori scheint es ihm plausibel, „beiden Arten des chemischen „Frocesses gleich grossen Werth für die Empfindung zu- „zuschreiben; und er nennt diese Hypothese von vom- „herein angemessen, weil sie nicht nur den Thatsachen der „Empfindung, sondern auch den Anforderungen der allge- „meinen Physiologie genügt." Wir haben bereits gesehen, dass jene Uebereinstimmung mit „den Thatsachen der Em- pfindung'' auf schwachen Füssen steht. Und was die An- forderungen der allgemeinen Physiologie betrifft: überall, 80 fem unser Wissen reicht, ist die Bildung lebender Moleküle bloss Vorbedingung für -die Umsetzung, nirgends Beiz(Henle), noch directe Quelle für Lebenserscheinungen. Das Leben der Gewebe kennzeichnet sich durch Trans- formation der Formen des Arbeitsvermögens. Bei der Dissimilimng treten an die Stelle der in dem chemischen Arbeitsvermögen enthaltenen potentiellen Energie die ver- schiedenen Formen der actuellen Energie, unter denen das Leben sich offenbart. Umgekehrt kommt bei der Assimi- lirung potentielle Energie zu Stande, nothwendig aus be- stimmten Formen der actuellen. Den psychischen Er- scheinungen, die eine besondere Kategorie bilden, deren Natur vollständig im Dunkeln liegt, den Empfindungen also, können wir dabei keine directe Rolle zuschreiben. Wir können uns dieselben weder als Spannkraft noch als

49

Bewegung Torstellen, und sie daher nicht als äquivalent bei der Tiansfonnation dei Energien unterbringen. So viel aber ist sicher, dass sie sich offenbaren, gewissermassen als Association, wo in bestimmten lebenden Sub- stanzen die potentielle Energie in die Formen der actuel- len umgesetzt wird, und in unserer Vorstellung entspricht diesem Vorgang der actuelle Charakter der psychi- schen Erscheinungen selbst Und gerade deswegen strftu- ben wir uns, sie mit einem Vorgang in Verbindung zu bringen, bei welchem umgekehrt die actuelle Energie als potentielles chemisches Arbeitsvermögen gebunden wird. Es braucht mehr als eine Erklärung ex cathedra, um unsere Intuition auf diesem Punkt in's Wanken zu

Hering kam zu seinen Vorstellungen, indem er, allein die Empfindungen im Auge behaltend, ohne auf deren Ursprung zu achten, Schwarz und Weiss auf gleiche Linie stellte und entgegengesetzte Processe von gleicher Dignitat als Grundlage beider suchte. Er behauptet, dass, wfthrend man Schwarz als Empfindung betrachtete, man doch immer unterliess, nach ihrem psycho -physischen Orund zu firagen: ,J)ie Empfindung des Dunklen oder „Schwarzen'*, sagt er, „wurde in Betreff ihres physio- ,4ogischen oder psycho-physischen Gorrelates ganz ver- „nachl&ssigt.*' Aber sollte man nicht stillschweigend vorausgesetzt haben, dass sie mit dem blossen Bestehen der specifischen lebenden Moleküle gegeben ist, und in der Bewegung der Atomgruppen und Atome dieses letz- tem, ohne Dissociaüon, ihr Gorrelat findet? In der That scheint mir hiermit eine Lebensform gegeben, die der eigenthflmlichen Stellung von Schwarz in der Beihe der Empfindungen ganz besonders GenOge thut. Schwarz tritt hierbei in seinem eigenthttmlichen Charakter auf, als Gegensatz nicht allein von Weiss, sondern von jeder Farbenempfindung. Sein Entstehen ohne den directen

T. GnMfe'B Archiv far Ophthalmologie, XXZ. 1. 4

50

Emfluss von Aussen kommender Beize stimmt damit voll- kommen. Und indem aaoh ohne diesen Einflnss D nidit YoUstflndig fehlt, entsteht Schwarz erst vollkommen durch Gontrast mit hellerem Weiss, das, anf D fnssend, in den angrenzenden Theilen D vollkonunen zom Schweigen bringt. B^reiflich ist dabei auch, dass bei schneller Dissimilirong, wobei viele Moleküle verbrancht mid ge- bildet werden, aber wenige zugleich vorhanden sind, die Schwarzempfindung gegenüber der Weissempfindung ganz wegfUli Auch in andern Geweben ist es das Vorhanden- sein der specifischen Moleküle, nicht ihre Bildung, die den mehr passiven Lebenszustand, in gewissem Sinne das latente Leben, vertritt, und die Bildung dieser Moleküle hat nur insofern Bedeutung, als sie durch steten Ersatz der verbrauchten die Bedingungen für die Dissociation erhält.

Bei dieser Vorstellung vermeiden wir die Assimilirung als psycho-physischen Process, wozu sie sich mit ihrer Bindung von chemischem Arbeitsvermögen meiner Ansicht nach nicht qualificirt und bringen wir die absoluten In- tensitäten der Spaltungsvorgänge wieder glücklich zu ihrem Becht.

Zu obenstehenden Betrachtungen wurden wir geführt durch einen BückbUck auf die Prämissen, zu welchen wir uns durch den „Folgesatz'*, der die Intensität der Em- pfindung von D : A abhängig macht, genCthigt sahen. Wie wenig die Prämissen, wie wenig auch die Folgerung die Probe der Kritik bestehen konnten, mOge daraus ersehen werden.

Indessen Hering ist vor diesen Consequenzen nicht zurückgeschreckt. Im Gegentheil, er fahrt sie weiter aus. Seine Farbentheorie ist über denselben Leisten geschnitten. Zuerst gruppirt er die vier einfachen Farben zu zwei Paaren; Both und Grün, Gelb und Blau, und nimmt sodann für

51

die zwei Farben von jedem Paar gleichen Ursprung an wie fbr Weiss nnd Schwarz, n&mlich A and D der roib- grflnen, resp. der gelbblanen Substanz. So kommen so- wohl Both nnd Orfln als Qelh nnd Blau neben Weiss nnd Schwarz zn stehen mit vollständig analogen psycho-phy- sischen Processen.

Dabei klingt es mehr als befremdend, dass die Farben desselben Paars sich durchaus anders zu einander verhalten, als Weiss und Schwarz.

Weiss und Schwarz ULsst Hering Mischungen bildeu, durch welche die unzählbaren Abstufangen von Grau zwischen dem idealen Weiss und Schwarz zu Stande konunen. Roth und Grün hingegen heben einander auf, sind Gtegen£arben, die ihr gegenseitiges Bestehen an dem- selben Ort nicht dulden.

Ist bei gleichem Verhalten der psycho - physischen Processe solch ein cardinaler Unterschied denkbar! Meiner Ansicht nach ist mehr nicht nOthig, um die Theorie der Gegenfarben zurttckzuweisen. Hering verheimlicht sich die Schwierigkeit nicht. Gelingt es ihm, sie aus dem Weg zu räumen? „Es muss irgendwo*', sagt er, „in der „Natur unseres Sehorgans begründet sein, dass das Yor- „handensein einer deutlich rothen Empfindung die deutlich „grflne an derselben Stelle ausschliesst, das Vorhandensein t,der blauen die gelbe und umgekehrt.** Sicher besteht hierfBr ein Grund und zwar in der Verschmelzung der partiellen Processe, worauf sie beruhen. Aber aus diesem Grund geht gerade hervor, dass Farbenpaare in anderer Beziehung zu einander stehen als Schwarz und Weiss. Und wird es jemanden befriedigen, wenn Hering die Argumentation umkehrt und uns versichert, dass auch Weiss und Schwarz in nichts aufgehen wtbrden, „enthielte „das gemischte Sonnenlicht auch Strahlen, welche assi- „milirend auf die schwarz-weisse Substanz wirken, könnten ,y3trahlen bis zur Netzhaut gelangen und wäre ihre assi-

4*

52

„milirende Wirkang ebenso stark wie die dissimilirende ,,der wirklichen Sonnenstrahlen?'* Entspricht das neutrale Grau, nach Hering' s Yorstelinng, denn nicht schon dem Gleichgewicht von D nnd A? Dentlicher kann übrigens der Verfasser den Widerstreit, der in der Gleichstellung des Verhaltens zwischen Schwarz nnd Weiss mit demjenigen zwischen den beiden Farben jeden Farbenpaars gelegen ist, nicht aufdecken, als wenn er die Mischungen von Schwarz und Weiss vergleicht nicht mit deiqenigen von zwei Gegenfarben, sondern mit denen zweier befreundeter Farben, Grün und Gelb.

Oben habe ich meine Einwände auseinandergesetzt gegen Hering's Lichttheorie, in welcher Weiss und Schwarz mit D und A in Verbindung gebracht werden. Bei der Anwendung der Hypothese auf die Farbenpaare gelten dieselben, kommen aber noch andere hinzu. Schon die Empfindungen selbst sträuben sich dagegen. Wie ich bereits oben hervorhob, haben alle Farbenempfindungen unter sich etwas gemein, sprechen alle zu uns als Varie- täten der FarbenempfinduDg im Gegensatz zu der Em- pfindung des Farblosen. Verbietet nicht diese Analogie in den Farbenempfindungen dieselben, zwei zu zwei, mit Processen von absolut entgegengesetzter Natur, mit D und A, in Verbindung zu bringen? So wenig verschieden ist der Charakter der zwei Farben desselben Paares, dass Hering es unentschieden lässt, welche von beiden an A und welche an D gebunden sei. Und zeugt auch das Ent- stehen beider unter dem directen Einfiuss der Licht- wellen nicht auf das Deutlichste für die Gleichheit ihrer Natur?

Wie ist endlich zu erklären, dass die beiden Empfin- dungen nicht gleichzeitig zur Geltung kommen, wenn sie von D und A abhängig sind, die ja gleichzeitig neben- einander bestehen? Oben sahen wir schon, dass Hering: selbst darüber verlegen ist. Doch angenommen, dass die

63

Farben desselben Paares wirklich D und A entsprechen: wie wird man sich dann die gegenseitige Aufhebung denken? Hering läset dies „d&hingestellt". Von der Natar der Empfindung als rein psychischer Erscheinung wissen wir buchstäblich nichts und nichts sollte uns daher abhalten können, in abstracto anzunehmen, dass sie ein- ander vernichten. Es wäre dann genug, sich dieser An- nahme, wie einem Mysterium, in Treu und Glauben zu unterwerfen. Aber Empfindungen bestehen nicht in ab- stracto. Sie werden von bestimmten psycho - physischen Processen getragen, ohne welche sie nicht sind und nicht sein können, und mit diesen Processen haben wir zu rechnen.

Es entsteht daher die Frage, wie man sich die Wir- kungen der zwei Arten von Lichtwellen, die nach Hering Gegenfarben hervorbringen, vorzustellen habe vorerst in der Netzhaut unter dem Einfluss der Ernährung ent- wickelt sich hier im Dunkeln ein sichtbares Zeichen der Assimilirung, in der Bildung des Sehpurpurs. Fällt darauf nun Licht in das Auge, so erfolgt Dissimilirung: der Seh- pnrpur wird zersetzt, die Farbe verschwindet. Und dies geschieht ausschliesslich durch licht, nicht durch andere Beize, aber durch alles Licht (Kühne), wenn auch nicht gleich schnell und nicht auf gleiche Weise. Von einer assimüirenden Wirkung des Lichts, von welcher Wellen- länge auch, zeigt sich nichts. So stehen D und A ein- ander gegenüber als Efifecte von Licht und Finsterniss. Ist der Sehpurpur verschwunden, dann bestehen, mit ge- wissen Aenderungen, die Empfindungen fort, so wie wir dieselben als normale kennen. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass unter dem Einfluss der Ernährung derselbe Stoff immer noch gebildet, aber sofort wieder zersetzt wird, viel- leicht bevor die Synthese der Moleküle vollkommen ist. Wie man sich nun die Wirkung des Sehpurpurs auch vorstelle, es sei, dass man mit Kühne seine Zersetzungsproducte

64

als Reize auf die peroipirenden Elemente wirken lasae^ oder mit Bernstein in dem Zersetznngsprocess selbst den Anstoss snche oder endlich den Farbstoff als optischen Sensibilitator*) betrachte für die peripherischen Elemente, die er tränkt, einen Sensibilisator, der wenigstens im Halbdunkel und hauptsächlich in Bezug auf die mehr brechbaren Strahlen sich geltend macht immer führt dieselbe, im Sinne Herin g*s, zur Annahme eines Dissi- milirungsprocesses, von dessen Bestehen in den Netzhaut- schichten, unter dem Einfluss jeder Lichtart (Kühne und Steiner), die abgeleiteten StrOme Zeugniss geben. Es ist kein Grund vorhanden, sich in den Aussengliedem der Zapfen den Process anders zu denken, mOge dabei ein mit dem Sehpurpur verwandter Stoff ins Spiel treten oder nicht.

Zwar kann durch das Licht im Al^emeinen Arbeits- kraft sowohl gebunden als frei gemacht werden. Eine Anzahl Stoffe werden durch seinen Einfluss oxydirt, an- dere reducirt. Es kommt sogar vor, dass bei demselben Stoff rothes und gelbes Licht die Oxydation bewirkt, vio- lettes Licht aber Beduction ins Leben ruft und dass die Wirkungen beider sich neutralisiren. *'*') Aber dies gilt unseres Wissens ausschliesslich für Metallverbindungen (Mangan, Eisen, Quecksilber), nicht für sogen, organische, üeberdies ist die Synthese unter Bindung von chemischem Arbeitsvermögen nur äquivalentweise denkbar, und die Lichtmengen, die beim Sehen in Betracht kommen, sind so äusserst gering, dass eine von ihnen ausgehende assi-

*) Vergl.: Ueber Sensibilisatoren Dr. J. M. Bder. üeber die Ghemischen Wirkungen des farbigen Lichtes, Wien 1879, S. 22 u. f., wo die betreffenden Thatsachen (von H. Vogel u. A.) zusammeDgestelit sind.

**) Vergl. Ghastaing, Annal. de Ghimie et de Physique. T. XL, p. 146. 1877.

56

milirende Wirkung im Yeigleich zu der dissimilirenden zu veischwinden scheint.

Aber angenommen, es komme in der Netzhaut durch bestinmite Strahlen wirklich Assimilirung zu Stande, wie sollte dieeelbe durch die Nervenfasern weiter geleitet werden? Eine Fortleitung, wie sie in den NervenfiE»em stattfindet, offenbar das Fortschreiten eines physikalisch- chemischen Processes, ist nur denkbar, wo potentielle Energie in actuelle umgesetzt wird, nicht aber bei Um- setzung von actueller in potentielle Energie. Die Bewe- gungserscheinungen einer actuellen Energie sind es, die von Schicht zu Schicht den Anstoss geben und die Fort- leitung veranlassen.

Es wQrde deshalb keine andere Annahme übrig blei- ben, als dass fflr jedes Farbenpaar zwei Erregungsprocesse, beide Dissimilirungsvorgftnge, in das Centralorgan ge- kngen. Und werden diese gleichartigen Processe dann in entgegengesetztem Sinne auf die respectiven Substanzen, oder, nach Hering, vielmehr auf ein und dieselbe Sub- stanz einwirken? Wird hier eine von ihnen in Assimili- rung umgesetzt werden, die andere aber den Charakter derDissimilirung bewahren? Und sollen die nun entgegen- gesetzten Wirkungen einander wieder aufheben? Unser YorstellungsvermOgen sträubt sich, einem so verwickelten Spiel zu folgen.

Ich lege diesen Betrachtungen keinen grossem Werth bei,^ als sie verdienen. Aber ich glaube, dass sie hier am Platze waren, um zu zeigen, dass Hering, was immer er dag^en anführen möchte, verpflichtet gewesen wäre, zu untersuchen, in welcher Beziehung zur Wirkung der Licht- wellen seine Theorie sich denken lässt

In Betreff der Aetherschwingungen, sagt er, muss man sich „mit der allgemeinen Annahme begnügen, dass sie schliesslich zur Empfindung fahren.*' Dann aber darf

56

man die Arten der Empfindung auch nicht dnrch A nnd D erklftren wollen.

Hering's Sehsnbstanz ist ebenso nnbestimmt. „Ob „diese nur im Gehirn oder zugleich im Sehnerven and in „der Netzhaut und in welchen histologischen Bestand- „theilen derselben sie zu suchen ist, das Alles bleibt Tor- „erst dahingestellt."

Ich hatte daher wohl Becht, hervorzuheben, dass Hering nicht versuche, die unter dem Einflüsse des Lichts in der Retina eintretenden Erregimgsvorgftnge zu erklären, noch die Netzhautreizung bis in das Gehirn zu verfolgen, ja nicht emmal das Yerhältniss zwischen Licht und Empfindung festzustellen. Hering*) antwortet: „Dass ich fiber die Vorgänge in der Netzhaut und im „Sehnerven mich vorerst nicht in Hypothesen ergangen „habe, ist richtig. Donders bietet uns in dieser Be- „Ziehung auch nichts Neues." Aber ich verlangte von Hering nichts Neues: ich wünschte allein zu vernehmen^ wie er sich die Einwirkung des Lichts auf die Netzhaut und die Fortleitung in den Nervenfasern vorstelle, um es möglich zu machen, dass bestimmte Strahlen als ter- minale Processe D, andere A erzeugen würden. Solange Hering diesen Wunsch nicht erftdlt, kann ich in seiner Theorie nichts anderes erblicken, als ein willkürliches, (ans der Analyse der Empfindungen abgeleitetes) Schema der centralen Processe. und als Ausgangspunkt mag diese Analyse gute Dienste leisten, ihre Resultate sind nicht positiv genug, um sie ohne Prüfstein einer Theorie zu Grunde zu legen.**) Das eben hat Hering aber gethan. Beim Zurathegehen mit den Farbenempfindungen stand er vor der Thatsache, dass zwei Complementärfarben einander

♦) VergL Kritik, S. 18.

♦*) Vergl. J. V. Kries, Die Gesichtsempfindungen und ihre Analyse 1882, S. 31—60.

57

neatnlisiren. Er constatirt, dass dieselben nebeneinander auf demselben Platz nicbt zur Geltung kommen können. Bis dahin sah man hierin eine Gombination zu Weiss. Hering, der allein auf die Empfindungen Bücksicht nimmt, findet dies ungereimt Die Vorstellung von der Ver- SGfamelzung der zwei Prooesse zu einem dritten, sui generis, wird bei Seite geschoben. So bleibt ihm allein die An- nalune übrig, dass sie einander vernichten. Dies alles er- seheint als Analyse der Empfindungen. Und aus dieser allein komjnt Hering zu seiner roth-grünen und gelb- blauen Substanz, sucht darin ein Analogen fBr seine „Oegenfiirben'* und glaubt dasselbe in gleicher Weise wie f&r Schwarz und Weiss in AssimiliruDg und Dissimilirung zu finden, obgleich, wie wir sahen (S. 51), was das gegen- seitige Verhalten der Empfindungen betrifft, die Analogie selbst ihn im Stiche lässt. Eine so lange Beihe von Folgerungen kann, meine ich, einer Theorie schwerlich eine feste Grundlage sichern.

Es ist wohl überflüssig, die Studien über Lichtinduction imd Contrast, die Hering seiner Theorie vorausschickt, hier zur Sprache zu bringen. Mit seiner Theorie stehen dieselben nur insofern in Verband, als jene Erscheinungen sich aus ihrem Gesichtspunkt leicht erklären lassen. Frei- lich: eine Theorie, die f^r jede Erscheinung zwei Erklä- rungen an die Hand giebt, aus Vermehrung von A und aas Verminderung von D oder umgekehrt, kommt nicht leicht in Verlegenheit Aber auch meine Vorstellung, die alle Lichtempfindung durch Dissociation und Schwarz allein durch intramoleculäre Lebensbewegung ohne Dissociation erklärt, giebt in genügender Weise Rechenschaft von den Erscheinungen. Wie schon oben auseinandergesetzt wurde, hat man, um den Simultancontrast zu begreifen, einfach anzunehmen, dass Dissociation an einer Stelle dieselbe Fonn der Dissociation in dem angrenzenden Theile mehr

58

oder weniger ansschliesse, w&hrend der snccessive Gontrast von selbst seine Erklärung findet in der totalen oder theil- weisen Zersetzung der specifischen Moleküle. Zudem scheint es auch viel plausibler, dass durch Gontrast eine gleich- artige Dissociation in der Umgebung gehemmt werde, als dass dort A durch D, oder umgekehrt, befördert werden sollte. An welcher Stelle übrigens der Gontrast psycho- physisch zur Geltung komme, ist noch nicht nachgewiesen. Bei Hering bekonmit man den Eindruck, als suche er schon in der Betina, vielleicht sogar in den perdpirenden Elementen, den Orund der Gontrasterscheinungen. Doch ist es a priori ebenso wohl möglich, dass erst im Gentral- organ die Gontrastwirkung zur Geltung komme, eine Vor- stellung, die in einer der Localisation entsprechenden Anordnung der Formelemente hierselbst, wie sie aus Munk*8 Versuchen hervorzugehen scheint, ihre Berechti- gung finden könnte. Es ist sogar denkbar, dass der Gontrast sich erst in dieser höchsten Instanz psycho-phy- sisch offenbart, und die Helmholtz*sche Zurückfbhrung der Gontraste auf das ürtheil, wogegen Hering so heftig zu Felde zog, würde damit zusammen&Uen.

Hering*s Betrachtungen über das Gewicht der Em- pfindungen (s. S. 24) hätte ich nur dann in Bezug auf seine Theorie zu untersuchen, wenn ich ihm auf das Ge- biet der damit zusammenhängenden psycho - physischen Fragen folgen wollte. Dies aber ist nicht meine Absicht, unter Bücksichtnahme auf die durch Fechner*) und vor Allem durch G. £. Müller '*"*') an denselben geübte Kritik, sowie auf viele wichtige, in der letzten Zeit darauf zielende Beiträge würde ich zu ausfbhrlich werden müssen.

*) In Sachen der Psychophysik, 1877; sowie Revision der Hauptpunkte der Psychophysik, 1882.

**) Zur GmndlegUDg der Psychopbysik, 1881.

IV. Farbenblindheit.

a) Die Farbenblindheit im Verband mit der Tonng'schen Theorie.

Die Theorie Tonng*s, im Jahre 1801 znm ersten Male in kurzen Zogen entworfen, wurde in den „Lectores of Natural Philosophy", die im Jahre 1807 das Lioht er- blickten, näher entwickelt. Hier kommt anch schon die Farbenblindheit zur Sprache. „He thinks it probable", sagt Toung bei der Catalogisirung von Dalton*s Abhand- loi^, „that the vitreous humour is of a deep blue tinge; ,,but this has never been observed by anatomists, and it „is much more simple to suppose the absence or paralysis „of those fibres of the retina, which are calculated to „perceive red.'' Man sieht, for die Bothblindheit von Helmholtz fehlt allein das Wort. Was später Her- schel ausfahren, was Maxwell und Helmholtz be- weisen sollten, hatte Toung schon eingesehen.

Das sogenannte dichromatische System der Farben- blinden bringt mit sich, dass dieselben im Spectrum einen neutralen Streifen sehen, der mit zunehmender Saturation nach beiden Seiten hin in die resp. fandamentalen Farben ttbergeht Dieser Streifen liegt im BlaugrQn: GrOn, Oelb. Orange und Both an der einen, Blau, Indigo und Violett an der andern Seite werden deshalb in ein und derselben Farbe gesehen. Bei der Unsicherheit, welcher Empfindung des normalen Auges die beiden entsprechen, erschien es passend, als allgemeinen TerMnus für die Farben der beiden Seiten des Spectrums dieselben als warm W und kalt E zu unterscheiden. Dass nur zwei fandamentale Farben gesehen werden, wurde dadurch bewiesen, dass alle warmen Töne und alle kalten Töne durch Tempe-

60

nnrng der mehr satarirten and durch Aendenmg der Intensitäten unter sich vollständig gleich gemacht werden können, und die Mischungen beider, aus welchem Theil des Spectrums sie auch genommen werden, in bestinuntem Verhältniss immer Weiss bilden.

Viele Jahre vor den Untersuchungen von Maxwell und Helmholtz, war Seebeck schon zu dem Besultat gekommen, dass man zwei Klassen von Farbenblindheit zu unterscheiden habe, die erste mit normaler, die zweite mit verminderter Empfindlichkeit fär die weniger brech- baren Strahlen. Helmholtz fand dies bestätigt, und unter der Annahme, dass bei der ersten Klasse die rothe Energie fehle, bei der zweiten die grOne Energie fehlen könne, nannte er die Erstem Bothblinde, die Letztem Grünblinde.

Später wurde noch eine dritte Form unterschieden, die dem Mangel der violetten Energie zugeschrieben und daher Yiolettblindheit genannt wurde. So schienen die verschiedenen Formen der Farbenblindheit in dem Mangel einer der Energien ihre Erklärang zu finden. Mit dieser Vorstellung stimmte überein, dass bei Bothblindheit die linke Seite, bei Orünblindheit die Mitte, bei Violett- blindheit die violette Seite des Spectrums eine Verminde- rung der Lichtstärke zeigte.

Inzwischen erhoben sich gegen diese Erklärung ge- wichtige Einwände. Schon aus einem theoretischen Ge- sichtspunkt scheint der einfache Wegfall einer der Ener- gien unannehmbar. Es stimmt nicht mit unsern gene- tischen fiegriflfen überein, dass von drei Thätigkeiten, die sich in wechselseitigem Verband als ein organisches Ganze zu entwickeln pflegen, eine zurückbleiben sollte, ohne dass dieser Defect von Einfluss wäre auf die beiden andern. *)

♦) VergL die Farbensysteme 1. c, p. 212.

61

Auf dem Gebiete der Beobachtung ging der erste Stoss gegen diese Voisteliung von Edmund Böse aus. Böse bestimmte bei einer grossen Anzahl Farbenblinder den sogenannten schwarzen Punkt der Farbentafel, der als der fehlenden Energie entsprechend angesehen wurde, und fand die Lage dieses Punktes sehr variabel. Ebensowenig wie die fehlenden konnten dann die übriggebliebenen mit bestimmten fundamentalen Farben übereinstimmen. Doch Böse irrt, wenn er auf Grund dieser Besultate die Theorie von Toung für unhaltbar erklärt. Höchstens Hess sich daraus folgern, dass die Erklärung der Farbenblind- hät nicht im Mangel einer der fundamentalen Farben zu suchen sei

Ein anderer Einwand ergab sich aus den Empfindungen des indirecten Sehens. Man hatte gefunden, dass im nor- malen Auge in einiger Entfernung von dem gelben Fleck die Bothempfindung fehlt und dass die äusserste Zone der Betina aller Farbenempfindungen baar ist, und die Erklärung hiervon gesucht im Mangel einer resp. |zweier der Toung*schen Energien. Fiek'*') machte auf das Un- haltbare einer solchen Erklärung aufmerksam. In der That würden, wo die rothe Energie fehlt, nur Empfindung von Grün und Violett mit ihren Mischungen, wo zwei fehlen, nur die der allein übrig gebliebenen Energie möglich sein, und man kann sich leicht überzeugen, dass überall Weiss und in der rothblinden Zone auch noch andere Farben als Grün und Violett zu sehen sind. Offenbar ist daher durch den Mangel bestimmter Energien der Farben- sinn des indirecten Sehens nicht erklärt Um davon nun Bechenschaft zu geben, und zwar in üebereinstimmung mit der Toung*schen Theorie, glaubte Fick von der An- nahme ausgehen zu können, dass die Netzhaut in ihren

*) VerhandL der physik.-inediciii. Gesellscbaft znWttrzbnrg. 1873. V.. S. 15a

62

peripherischen Theilen die Elemente der drei Energien zwar auch enthielte, aber dass sie hier „etwas anders be- schaffen sind," infolge dessen die „Err^ong als Function der einwirkenden Strahlen** ebenfalls eine andere ist. Die gleiche Erklärung wfirde nach der Ansicht von Fick fOr die Fälle gewöhnlicher Farbenblindheit gfiltig sein, was Ton Bfthlmann*) noch weiter ausgeführt' wurde. Ich trage aber gegen die Annahme, von der Fick ausgeht. Bedenken. Ich kann mir nicht vorstellen, dass von zwei Processen, die sich unter gegenseitigem Einfluss entwickeln, der eine Veränderungen erfahren kenne ohne den andern. Meiner Auflassung nach muss ein untrennbarer Verband bestehen zwischen dem peripherischen und dem centralen Process. Und sind die peripherischen Elemente „etwas anders beschaffen," sodass sie andere Intensitatscurven er- geben, dann können die entsprechenden centralen wohl nicht unverändert geblieben sein. Sind diese aber ver- ändert, dann darf nicht mehr von derselben Energie ge- sprochen werden, dann haben wir es mit einer andern Energie, mit einer andern Empfindung; zu thun. Von dieser Vorstellung ging ich aus, als ich durch Form und Lage einer Curve ihre Energie und die entsprechende Empfindung für bestimmt hielt. Nur wo pathologische Ver- änderungen oder die Wirkung besonderer Agentien im Spiele sind, die vorzugsweise entweder Peripherie oder Gentrum betreffen, könnte meiner Ansicht nach eine Er- klärungsweise wie die Fick's in Betracht kommen, und fbr einen solchen FaU, nämlich fUr die Erscheinungen der Santoninveigiftung, hat auch Helmholtz'*^) schon darauf hingewiesen.

Wie übrigens bereits an anderm Orte angedeutet ***)

♦) A. ▼. Graef e's Archiv Bd. XXII. 1^ S. 29. **) Physiologische Optik, S. 8ia **^) Ueber Farbensysteme.

63

wmde und hier näher anseinandergesetzt werden soll, IKllt jeder Widersprach dahin, wenn man den Farbensinn des indirecten Sehens, wie denjenigen der verschiedenen Formen Ton Farbenblindheit, als unvollkommene Differenzirung sowohl in der Netzhaut als im Gentralorgan auffasst.

Seinerseits verwirft aach Hering*) mit der ihm eigenen Energie die Art, in welcher Fick den Farbensinn des indirecten Sehens mit der Theorie von Helmholtz zn versöhnen sncht. „Die Annahme verschiedener speci- ,48dier Erregbarkeit der drei Faserarten gegenüber jeder „einzelnen Strahlenart ist ein Kernpunkt der Theorie von „Helmholtz." Fick erlaubt sich, die specifische Erreg- barkeit der drei Elemente, durch welche die ganze Theorie von Helmholtz erst möglich wird, bei Farbenblindheit als nicht bestehend anzunehmen. „Eine solche Abftnde- „rung", 81^ Hering, „konnte man flMt als einen Selbst-

„mord der Theorie bezeichnen." Man darf eine

„Theorie mit Hülfshypothesen unterstützen, wenn die- „selben die Grundlagen der Theorie nicht erschüttern; „aber man darf nicht eine Hülfshypothese machen, die „der wesentlichen Voraussetzung der ganzen Theorie wider- „spricht Dies thut man aber, wenn man die Theorie von „Helmholtz dadurch modificirt, dass man für gewisse „Fälle die verschiedene specifische Erregbarkeit der drei „Faserarten gegenüber den einzelnen Strahlenarten leugnet, „durch deren Annahme doch die ganze Theorie erst mOg- „lich wurde."

Hering*s Einwand ist, wie man sieht, von dem mei- nten verschieden; aber unsere Schlussfolgerungen sind gleich: Wir halten beide die Annahme Fick's fOr nicht zulässig. Wenn er aber die Einwände auch in Bezug auf die verschiedenen Formen der Farbenblindheit stark

*) Zur Erklftnmg der Farbenblindheit aus der Theorie der Gegenfarben. S. 18 n. ff. 1880.

64

betont, um sie gegen die Theorie selbst zu kehren, dann bin ich sein Gegner.

Hering beginnt (S. 15) mit der absoluten Farben- blindheit, wobei jede Farbenempfindong fehlt und allein die Empfindungen von Weiss und Schwarz mit ihren üebergftngen vorhanden sind, oder, um seine Ausdrucke zu gebrauchen, wobei die Lichtstrahlen „keinerlei farbige, sondern nur weisse Valenz haben/*

Fälle, wie eine normale weisse Valenz dieselben er- fordern wurde, sind nach Hering's eigener Erklärung, „nicht genauer bekannt" sagen wir ruhig: nicht bekannt*). Doch Hering beruft sich speciell auf ein^i durch Becker beschriebenen Fall von einseitiger Farben- blindheit, bei welchem die „weisse Valenz** wenigstens beinahe aussciüesslich und zwar ftür das farbenblinde Auge in gleicher Weise wie für das normale vorhanden war.

Verdient dieser Fall genügendes Zutrauen? Auf hundert Fälle von Farbenblindheit kommt kaum ein einseitiger. Fälle von absoluter Farbenblindheit bei übrigens normaler Sehschärfe sind nie beobachtet worden, und nun soll der erste Fall dieser Art gerade auch ein einseitiger sein? Glaube es, wer es kann!

üeberdies liefern die Symptome Grund zum Miss- trauen. Both und Gelb werden nicht empfunden; aber Braun d. i. Dunkelroth oder Dunkelgelb, wird auf allerlei Steifen und Papieren, in Wasser- und Oelforben als solches erkannt. Und bei der Untersuchung mit doppeltem Schatten sowohl mit Blau und Gelb als mit Both und Grün heissen alle Schatten rein Grün, obwohl sonst kein Grün erkannt wird. Es könnte uns beinahe zur Verzweiflung bringen, wenn ein solcher Fall möglich wäre. Dass er bei einer Frau vorkoount, während Frauen höchst

*) VergL: Nog eens de klearstelselfl in onderz. phyaioL laboi: D. Vm bL Ö5.

66

selten, yielleicht niemals, die normale Farbenblindheit zeigen, würde den Fall noch sonderbarer erscheinen lassen, wenn man nicht wOsste, dass man anch bei ihnen, nnd in erster Linie bei intelligenten jnngen Damen, vor Tänschong ganz besonders aof seiner Hat sein mnss.

Mein hochgeschfttzter Frennd Becker wird es mir nicht übel nehmen, dass ich trotz seiner meisterhaften Beschreibung nnd trotz der Yorsichtsmassregeln, die Be- trog ansznschliessen scheinen, von meinem Skepticismns nicht abstehen kann: nicht dass ich seinem Fall eine be- stimmte Störung des Farbensinns absprechen wollte ich glaube nur, dass, was ich so oft gesehen habe, Wahres nnd unwahres, bewusst nnd nnbewusst, miteinander ver- mengt sind. Hering ruft beinahe trinmphirend aus: „Selten haben die Thatsachen in so handgreiflichem Wider- sprach zu einer Theorie (er meint die Theorie Toang*s) gestanden wie hier.*' Er irrt sich. Nicht die Theorie, allein die Erklärung der Farbenblindheit aus dem Mangel von Energien wtlrde, sollten jene „Thatsachen" Vertrauen verdienen, darunter leiden. Und nun sie kein Vertrauen verdienen? Meine Schlussfolgerung ist, dass von Seiten der absoluten Farbenblindheit die Toung*sche Theorie nichts zu f&rchten hat.

Sehen wir zu, was das dichromatische System gegen sie vermag.

Hering hat jetzt Fälle „beider Klassen", sogenannte Roth- und Grfinblinde, wenn auch nicht mit Spectralfarben, untersucht und findet bestätigt, dass dieselben ein rein dichromatisches System besitzen, was ihn vom Standpunkt seiner Theorie zu dem Schlüsse fuhrt, dass sie Gelb und Blau als einfache Farben sehen. Ich glaube, dass er nicht weiter hätte gehen sollen als bis zu der Annahme, dass ihre Empfindungen complementär seien, mit andern Worten, dass, wie ich schon lange angenommen habe, ihre beiden Farben in bestimmtem Verhältniss eine neutrale Empfindung

T. Onsfe*! ArehiT für Oithtbalmolosto, XXX. 1. 5

henrorrofen, die unserrn Weiss gleich oder vergleichbar ist. In dem nentralen Streifen N des Spectnuns, zwischen b nnd F, wo die kalten nnd warmen Empfindungen sich im Gleichgewicht befinden, in dieser ,iganz bestimmten Grenze „zwischen beiden Spectralhftlften, wo nach Angabe der „Farbenblinden die Farbe vollst&ndig ihren Charakter „ändert," sacht Hering ganz richtig den Beweis hierfdr. Ich kann hinzufügen, dass gerade bei der Bestimmung von N der wahrscheinliche Fehler äusserst klein ist^), viel kleiner als seitlich von N, wo resp. in W und E die Saturation steigt: far die grosse Empfindlichkeit sollte wohl in dem Kehrpunkt von W und E der geringste Grund liegen, wenn man es hier nicht mit einer neutralen, sondern mit einer Mischung von zwei Empfindungen zu thun hätte. Auch sind intelligente Farbenblinde über den Unterschied zwischen farbig und farblos vollkommen im Reinen. Sie wissen, dass man durch Mischung von einer warmen Farbe mit einer kalten z. B. Both mit etwas Blau oder umgekehrt nicht eine Mischung dieser beiden Farben zu sehen bekommt, sondern dass resp. W und K abblassen, bis sie bei einem gewissen Yerhältniss dem Farblosen weichen, worin keines von beiden zu sehen ist. Im Weiss, so druckte sich einer meiner Farbenblinden aus, sehen wir beide Farben untergehen. Die Schilderung stimmt vollkommen überein mit dem, was normale Augen bei der Mischung von zwei Complementär&rben wahr- nehmen, und ist durchaus verschieden von der Vermischung von Both und Blau.

Dieses Resultat ist äusserst wichtig. Unter den fun- damentalen Farben Toung's kommen keine vor, die unter sich complementär sind. Hering erkannte denn auch mit Fick an, dass die Erklärung der Farbenblindheit aus dem

♦) VergL: v. d. Weyde L c. p. 15 und A König, Verh. d. Physik. Ges. in Berlin, 2. M&rz. 1883.

67

Mangel einer Energie, von Both oder Grün, mit sich bringen würde, dass die Farbenblinden anstatt Weiss eine Farbenmischung sähen, und für Hering* lag hierin eine starke Waffe gegen die Theorie selbst. Dem trat ich entgegen. „Niemand,'' behauptete ich, „kann glauben, dass för GrOnblinde Weiss purpurfarben sei, gleich der Farbe, die fiQr das normale Auge aus Both und Vio- lett gebildet wird, und niemand hat dies je geglaubt Hering replidrt: „Wahrlich eine überraschende Bemer- „kung, da es allen anderen Ophthalmologen und Physio- flogen bekannt ist, dass kein Geringerer als Helmholtz „selbst es geglaubt hat und mit ihm Alle, die seiner Lehre „folgten."

Habe ich zu kühn gesprochen?

William Pole, der uns schon im Jahre 1856 eine klassische Beschreibung seiner eigenen Farbenblindheit gab, völlig bekannt mit der Theorie von Toung und mit der Hypothese von Maxwell, ist im Zweifel. Herschel er- klärt sich „strongly disposed to believe, that William Pole," von dessen Untersuchungen er in den Proceedings der Boyal Society eine kritische Analyse gab, das Weiss ebenso sehe wie wir. Bei Maxwell fand ich einen Passus, ans dem hervorgeht, da^s er die neutrale Linie nicht als eine Farbenmischung betrachtet, was schon das von ihm gebrauchte Wort „neutral" andeutet. Holmgren, der entschlossene Vertreter der Toung'schen Theorie, unter- suchte einen einseitig Farbenblinden, und unterliess sogar aozugeben, dass das farbenblinde Auge Weiss ebenso wahr- nehme wie das andere, offenbar allein, weil er in Folge seines Verkehrs mit Farbenblinden Zweifel darüber für un- möglich hielt. Fick findet es nöthig, die rothe und grüne Energie bei den Farbenblinden zusammenfallen zu lassen, weil er nicht annehmen kann, dass sie die neutrale Linie farbig sehen. Endlich glauben es die Farbenblinden

selbst nicht

5*

68

Und Helmhol tz? Ich anerkenne, daes er

die Erscheinmigen streng darstellt, so wie es die Hypothese erfordern wOrde, ohne irgendwelchen Vorbehalt*). Aber er beginnt bedingungsweise: „Darans wfirde folgen, dasa „die Bothblinden nur Grttn, Violett und ihre Mischung, „das Blau, empfinden. Das spectrale Both mUsste ihnen „danach als gesättigtes lichtschwaches GrOn erscheinen.** Und dieser Anfi&ng wirft einen gewissen Zweifel über die ganze Beschreibung, üeberdies si^ Helmholtz von den peripheren Theilen der Betina, in denen Sonnenlicht ebenso gut die Empfindung von Wdss erzeugt als im Gentrum (S. 301): ,Sie (die Netzhaut) nähert sich dort einiger- massen dem Zustand der Bothblindheit**, und Sohelske **), der unter der Leitung von Helmholtz arbeitete, findet hier eine „rothblinde Zone.**

Wie dem sei, es lag in der That nahe, den Effect des gewöhnlichen Sonnenlichtes, sowohl in dem Zwei- als in dem Dreifarbensysteme, auf eine neutrale Empfindung zurückzuführen, und die beiden fondamentalen Farben, als partielle, in eine totale aufgehen zu lassen. Und beinahe unbewusst, trotz den Anforderungen der Hypothese, hatte die Vorstellung Eingang gefunden.

Dies mOge meine Behauptung erUftren und soTiel nöthig entschuldigen, üebrigens, unabhängig davon, hatte ich Becht zu sagen und wiederhole es: „Was Hering „vom Standpunkt der Farbenempfindungen aus gegen die „Theorie von Young einwendet, trifft nicht zu. Und was „darin noch etwa richtig wäre, trifft keineswegs die Theorie, „sondern nur die Hypothese, dass die zwei gebliebenen „Energien zweien des normalen Systems gleich sein sollten, „eine Hypothese, die ich immer streng von der Theorie „selbst getrennt hielt.** Sie wurde von Young aufgestellt.

*) Handbuch der phyriologischen Optik. S. 298. ** Archiv f. OphtL Bd. IX. 3. S. 39.

bevor die durch Dalton besohriebene Anomalie bekannt wurde; und ist der erste Versuch, diese zu erklären, miss- glückt, so 11^ zun&chst kein Orund vor, die Theorie ao&ugeben, sondern nur sieh nach einer andern Er- Uftrung der Farbenblindheit umzusehen.

b) Die Farbenblindheit im Verband mit der Hering'sohen Theorie.

Bei derEntwickelung seiner Theorie wies Hering auch gleich auf ihren Verband mit der Farbenblindheit. „Was ^man jetzt einen Bothblinden nennt**, so spricht er sich aus, „ist vielmehr ein Both-GrOnblinder, das heisst, es fehlt ,4hm die roth-grüne Sehsubstanz. Dem entsprechend sieht „er farblos, was Anderen in einer der beiden Qrund&rben „roth oder grün erscheint; in allen Both oder Grün ent- „haltenden Mischfarben aber sieht er nur das Gelb oder „Blau. In seinem Sonnenspectrum liegen nur zwei Partial- „spectren; das schwarz-weisse und das gelb-blaue. Die „Stelle des GrOn erscheint ihm farblos und theilt sein „Spectrum in eine gelbe und eine blaue Hälfte.*'

Allerdings ein Ausspruch, wie die Theorie der Gegen- farben ihn erheischt. Geht er ebenso bedachtsam mit den Thatsachen zu Bathe?

In erster Linie wird die Unterscheidung von Both- und GrOnblinden aul^ehoben. Sie sind einander gleich; denn wer rothblind ist, soll auch grünblind sein, nach den Anforderungen der Theorie, die fdr die beiden Farben nur eine Substanz kennt, die roth-grüne.

In zweiter Linie wird behauptet, dass der Farbenblinde fiurblos sehe, was anderen roth und grün erscheint. Dies ist thatsächlich nicht der Fall. Beide sieht er in derselben war- men Farbe, wie alle Farben Both, Orange, Gelb und GrüQ, die im Spectrum an derselben Seite von der neutra- len Linie N gelegen sijid. Weiss er helles Gelb zu unter- scheiden, so ist der Grund einfach der, dass die warme

70

Farbe darin soviel Helligkeit mit soviel Sättigong yer^ einigt, wie keine der übrigen Farben erreichen kann. Orttn kann wohl sehr hell sein, ist aber dann blass, Roth kann sehr gesattigt sein (nnd sich dadurch sogar charakterisiren), ist dann aber lichtschwach. Gelb braucht dann auch nur weniger saturirt oder weniger lichtstark zu sein, um Ver- wechseluDgen mit bestimmten Nuancen resp. von Both und Grün zu veranlassen. Nichts ist leichter, als sich nach der Methode von Holmgren oder mit dem Doppel- spectroscop hiervon zu überzeugen.

Wenn Hering weiter sagt, dass im Sonnenspectnun das Grün für den Farbenblinden ÜEffblos sei, und sein Spectrum in eine gelbe und blaue Hälfte theile, dann ist die erste Behauptung nicht richtig, denn nicht im Grün, sondern im Blaugrün liegt der neutrale farblose Streifen; und die zweite nicht bewiesen, denn es ist die Frage, ob der Farbenblinde die warme und kalte Farbe wirklich Gelb und Blau, und sehr zweifelhaft, ob Roth-- und Grünblinde sie gleich sehen.

Hieraus dürfte sich ergeben haben, wie wenig Hering sich mit den Empfindungen der Farbenblinden bekannt gemacht hatte, als er schrieb, „die Widersprüche, in die „man sich, wie die neue Literatur über diesen Gegenstand „zur Genüge zeigt, immer wieder verwickelt, so oft man „die Farbenblindheit aus der Toung'schen Theorie er- „klären will, lösen sich, so viel ich bis jetzt sehe, leicht „bei der Erklärung aus meiner Theorie, wie ich spater „selbst zu zeigen gedenke."

Hering*s Schema ist höchst einfach: die roth- grüne Substanz fehlt und, mit der schwarz-weissen, bleibt daher allein die gelb -blaue über. So würde, umgekehrt, die Violettblindheit aus dem Mangel der gelb-blauen Substanz zu erklären sein und Blaugelb-Blindheit heissen müssen. Und als Seitenstück hätte man, wie Fleischl bemerkt, bei Mangel der schwarz-weissen Substanz noch Schwarz-

71

ireiss-Blinde zu erwarten, ' wovon jedoch bis jetzt nichts Terlantet hat.

Das Schema sagt also ans, dass dem Mangel der roth-grOnen Substanz, d. h. dem tleberbleiben der schwarz- weissen und der gelb-blanen nur eine bestimmte Form, ein Typus der Farbenblindheit entspricht. Eoth- und GrOnblindheit werden demnach eins. Mit dem Beweis, dass sie zwei Typen sind, wird das Hering'sche Schema nngenügend. Diese Frage mOge daher noch einmal be- leuchtet werden.

Die Unterscheidung verdanken wir, wie man weiss, Seebeck. Preyer*) nenne ich gern als Denjenigen, der beide Formen genau bestimmte und Fälle von Grünblind- heit sorgßlltig beschrieb. Holmgren fand dieselben bei seiner Sortirmethode wieder, bewies auch mit seinem Cbromatoskiameter, dass in der ersten Klasse die Em- pfindlichkeit für rotherzeugendes, in der zweiten Klasse für grünerzeugendes Licht herabgesetzt ist, und dass die beiden Formen nicht in einander übergehen. Zu gleichem Resultat kamen Mac6 und Nicati. Hier bestätigten wir Holmgren's Resultat mit seiner Sortirmethode, mit der Drehscheibe, ferner mit der Einrichtung für die gefärbten Schatten von Becker, mit dem Colorimeter von Sose, endlich mit dem Doppelspectroscop. Jede dieser Methoden lieferte endgültige Beweise; aber den schlagendsten finden wir in den aus den Beobachtungen mit dem Doppel- spectroscop abgeleiteten Curven der entsprechenden Licht- stärken.

Bevor ich meine Curven veröflFentlichte, hatten v. Kries und Küster**) schon Vergleichungen angestellt zwischen einem Grünblau, nicht fem von dem neutralen gelegen

♦) Pflüger's Archiv Bd. L, S. 299.

♦♦) Archiv f. Anat. u. Physiol. 1879. Physiol. Abth. S. 513. Vergl. anch v. Kries, Die Gesichtseinpfindangen und ihre Ana- lyse, S. 145.

72

{l = 0,5015) und einer Mischung von Bpih (C) und Indigo (F Vt Gt), aus welchen gleich&Us neutral zu erhalten ist, und redudrten dieselben auf 100 Both. Die Besultate waren solcher Art, dass sie sich berechtigt hielten, die Fälle auf zwei Gruppen zurückzubringen, entsprechend den Both- und Grflnblinden. Dass dieselben nicht sch&rfer getrennt waren, kann weniger befremden, seit wir wissen, wie grossen Einfluss die Lichtstärke auf diese Ver- gleichungen ausübt, und wie stOrend beim Gebrauch von Tageslicht, abgesehen von der Inconstanz in der Zusammen- setzung, sich jener Einfluss zu verschiedenen Zeiten geltend machen musste.

Viel schärfer charakterisiren sich die beiden Gruppen bei Bestimmung (mittelst Doppelspectroscop) der relativen Lichtstärke in dem weniger brechbaren Theil des Spectrums, von D bis B und a, wie ich an vielen Fällen gezeigt habe.*)

unbestreitbar liegt in den erhaltenen Curven die Be- rechtigung der Unterscheidung von zwei Klassen, der so- genannten Both- und Grünblinden. Ging ich bei den Yer- gleichungen anstatt von D von E aus, dann sank die Intensitätskurve für Bothblinde, im Vergleich mit der der Grünblinden, nach der Bothseite hin noch beträchtlich schneller.

Diesen Besultaten schliessen sich die später für das ganze Spectrum erhaltenen Curven der beiden Energien bei einer Anzahl Farbenblinder an, von welchen v. d. Wey de**)

*) lieber Parbenflygteme, Archiv Bd. XXVIL 1, S. 115. Die Curven Eb und Gb von Fig. 2 sind von v. Kries (1. c. p. U7) irr- thümlich aufgefasst als erhalten von einem einzelnen Rothblinden und Ghrttnblinden: sie sind Mittlere von vielen Fallen, die wenig auseinandergingen, Bb von 8 Bothblinden, Ht von 5 GrOnblinden. Von zwei einzelnen FäUen gab Dr. van der Weyde (Methodisch ondersoek der kleurstelseU van kleurblinden. 1882. p. 7) die Curven.

♦*) V. Graefes Archiv. Bd. XXVHL, 2. Abth. S. 11 u. 13.

78

zwei yeröffenUichte, die er auf das Interfeienzspectrom und auf gleiche Areas ffir die beiden Energien reduoirt hatte, mit den Spaltweiten umgekehrt proportionalen Ordinaten. Sie lehren überdies, dass bei dem Qrflnblinden das Maxi- mum und auch die neutrale N (der Ereuznngspunkt der Corven der beiden Energien) etwas mehr nach links yerschoben ist, als bei dem Bothblinden, dessen Inten- sität Ton D Vt E bis F Va Gt grosser ist als bei dem GrOnblinden.

Ich glaube hiermit genug gethan zu haben, um Both- imd Grtknblindheit als zwei verschiedene Typen zu Tin- didren (vergL Weitere Untersuchungen a. S. 74).

Mit diesem Resultate ist das Hering* sehe Schema, wie wir sahen, unvereinbar.

Spater, wo er auf die Farbenblindheit zorfick- kommt*), behält Hering sich vor, die Verhältnisse des farblosen Sonneuspectrums (das der weiss-schwarzen Substanz) ausführlich zu erOrtem und weist darauf, „dass „die weisse Valenz der Strahlen grOsster Wellenlänge schon jBa den Farbentüchtigen klein ist**, als ob von dieser Seite Hilfe auftauchen konnte. Doch ist es nicht die Frage, ob die weisse Valenz gross oder klein sei, sondern wie man aus dem Mangel von Hering*s rothgrüner Substanz erklären soll, dass die Valenzen einmal (bei den Orflnblinden) gross, im anderen Mal (bei den Bothblinden) klein sind, und wie die kleine in Uebereinstimmung zu biingen sei mit der offenbar normalen weissen Valenz im übrigen Spectrum: eine Verschiebung darf Hering ebenso wenig für die Curve seiner schwarz-weissen Substanz als für die der fundamentalen Farben von Young, woran Fick sich wagte, zulassen.

und nun endlich, in seiner Kritik meiner Abhandlung (1882) scheint er auf jede Erklärung zu verzichten und

♦) Zar Erkiarong der Farbenblindheit. Frag 1880. S. 25.

74

giebt sich der Yorstellimg hin, „dass es sich bei der Both- „nnd Qrünblindheit nur nm individuelle Verschiedenheiten „handelt, die mit der eigentlichen Farbentheorie nicht mehr „zu thnn haben, als die individnellen Verschiedenheiten der „Schwerhörigkeit mit der Theorie der Tonempfindungen.** Sollte Hering wirklich der Meinung sein, dass die typischen regelmässig und harmonisch ausgebildeten einfachen Farben- systeme, die sich wie Vorstufen des verwickeiteren normalen Systems ausnehmen, zu diesem in keiner andern Beziehung stehen als Schwerhörigkeit zu normalem Oehörsum? Ich kann es nicht glauben. Sagt er aber weiter: „Es stände „schlecht um die Theorie der Qegenfarben, wenn sie ohne „die Stütze, die sie in der pathologischen Farbenblindheit „gefunden hat, nicht bestehen könnte'*, so darf ich darin wohl das Geständniss erblicken, dass seine Theorie von Seiten der Farbenblindheit keine Stütze zu erwarten haL

V. Weitere Untersuchungen.

Nach meinen früheren Mittheilungen habe ich meine Untersuchungen über Farbensysteme weiter fortgesetzt und erlaube mir die Besultate derselben hier in Kürze folgen zu lassen.

a) In Bezug auf Bothblindheit und Orünblindheit.

Bei meinen früheren Vergleichungen war der eine üebelstand geblieben, dass sie nicht alle bei der nämlichen Beleuchtung geschehen konnten. Zusammensetzung und Stärke des Lichtes haben Einfluss auf die Gleichungen^ und Gleichungen, bei verschiedenem Lichte erhalten, sind darum nicht mit einander vergleichbar.

Seit einiger Zeit nun habe ich eine Lichtquelle her- gestellt, die der Forderung constanter Stärke ausreichend Genüge thut. Ich benutze eine starke mit constanter Höhe brennende Gasflamme (Brenner von Sugg), von

75

welcher Spitze und Basis dnrch ein Diaphragma abge- schnitten sind, 80 dass ausschliesslich das Licht der mittleren Partie, in der Höhe von 2 cm, anf das nahe befindliche mattgeschliffene farblose Glas gelangen kann, welches die directe Lichtquelle für den Spaltapparat abgiebt. Dieser letztere, Mher beschrieben durch Dr. v. d. Weyde*), besitzt drei Spalten, zwei gepaarte neben einander, und einen eingehen, unmittelbar unter jenem Paare, in hori- zontaler Sichtung verschieblich. Bei Vergleichungen von Mischungen mit einer einfachen Farbe, wird diese letzte durch den einfachen Spalt, die Gomponenten der Mischung durch die gepaarten Spalte geliefert.

unmittelbar vor der Sammellinse sind Zwillings- prismen angebracht**), wodurch die drei Spalten sechs Spectra liefern, von denen drei abgeschnitten werden und drei in den Ocularspalt fallen: eins einzelstehend und die beiden eines gekoppelten Paares, und zwar unter einiger- massen Terschiedener Bichtung. Das Auge, unmittelbar (ohne Ocular) vor den Spalt gehalten (Methode von Max- well), sieht nun die Sammellinse erleuchtet, die untere Hälfte in der Farbe des Einzelspectrums, die obere in denen der Mischung, beide nur geschieden durch eine schmale schwarze Linie, die Verbindungslinie der Zwillingsprismen.

Hat man nur die Intensitäten von zweierlei Wellenlangen zu vergleichen, sei es der nämlichen aus zweierlei Lichtquellen, sei es von verschiedenen aus einer «nd derselben Lichtquelle, dann deckt man einen Spalt des Paares zu. Auf diese Weise sind nun bei einer grossen Anzahl Rothblinder und Grünblinder die relativen Inten- sitäten der verschiedenen Wellenlängen, vor Allem von denen der warmen Farbe untersucht. Von dem Resultat

*) Dieses Archiv XXVIH. 2. S. 2.

♦♦) S. V. Kries u. Frey. Archiv f. Physiologie. 1880. VergL ▼. 1 Weyde 1. c. S. 26. 1881. S. 336.

76

gebe ich hier nur zwei Corden: BbL, einem Bothblinden, und GrbL, einem Grünblinden angehOrig, die Ordinaten umgekehrt proportional den Spaltweiten, bei denen gleiche Intensität erhalten ward, ausserdem der Abscisse ent- sprechend znmckgeffihrt auf das Interferenzspectmm und auf gleiche Flflchenrftume übertragen.

Fig. 1.

Mit diesen Curven nun stimmen die von anderen Bothblinden und anderen GrOnblinden beinahe vollkommen überein.*) Und selbst bei Personen, welche wenig geübt sind, ist bei der homochromatischen Yergleichung, womit wir hier zu thun haben, der wahrscheinliche Fehler gering. Früher habe ich einzelne Fälle gefunden, wobei die Curven ungefähr die Mitte hielten zwischen denen der Both- und Grünblinden, und ich habe auch keinen Anlass, die Bichtigkeit dieser Beobachtung, wenn auch nach weniger vollkommenen Methoden angestellt, in Zweifel zu ziehen. Diesmal ist jedoch auf 8 Bothblinde und 10 Grünblinde kein Fall vorgekonmien, der als üebergangsform gelten

*) Mein Vorhaben ist sie später, in Verbindung mit anderen Vergleichongen, ausführlich zu veröffentlichen.

77

tonnte, üebergangsfonnen siiid also jedenfaUs höchst selten« In der That sind die Systeme der Roth- und der GrQn- bMen ebenso typisch als das des nonnalen Auges.

W&hrend ich in der letzten Zeit vergebens nach einem Anschlnss zwischen Roth- nnd Grttnblindheit suche, und die Typen sich schftrfer und schftrfer charakterisiren, fiihren Viele fort, nach dem Beispiele von Hering, in üeberein- stimmung mit dessen Theorie von Both-GrQnblinden zu spreden. Sollte es nicht wtknschenswerth sein, dass dieser Fiderspmch aufhöre?

b) Uebergangsformen vom System der Grünblinden zum normalen.

Das System der Bothblinden fand ich in allen F&llen erisdueden zweifarbig. Nur von dem der Grttnblinden giebt es, wie froher von mir gefunden worden, Üebergangs- fonnen zum normalen.

Die neue Untersuchung ging aus von Yergleichungen des Lord Bayleigh* *) Bayleigh hat beobachtet, dass, nm aus Both und GrOn Gelb zu bilden, das erforderliche Verh&ltmss zwischen Both und GrUn bei verschiedenen Per- sonen sdbr auseinander geht. Eine Mischung, welche für die grosse Mehrheit Gelb gab, war fClr Andere entschieden roth. Farbenblindheit war, nach seiner Meinung, dabei nicht im Spiel. Es sollten vielmehr zwei Typen von normalem Farben- sinn sein, unter Mitwirkung von Dr. Waelchli, Dr. Sulzer m Dr. Burnham wiederholte ich die Yergleichungen in grtaerem Maasstabe, dabei scharf bestimmte Spectralfarben anwendend und zwar das Both Li der Lithiumlinie und das Qrtm Tl der Thalliumlinie als Gomponenten, das Gelb Na der Natriumlinie D als einfache Yergleichungsfarbe.

Das Besultat war, dass weitaus die Meisten zu einer Qod derselben Kategorie gehörten, wobei im Mittel Li 72.6

*) Natme 188L p. 64.

78

-\- Tl 27.4 = Na x. Aber einige Wenige kamen vor, welche eine zweite Kategorie darstellten mit im Mittel Li 45 + Tl 55 = Na x'. Diese indessen zeigten sich mit schwachem Farbensinn ausgestattet, der nur bei einem Einzelnen kaom zu constatiren war. Wirklich Farben- blinde konnten die Gleichung nicht einstellen: die Com- ponenten und die Yergleiohsfarbe gehören sftmmtlich ihrer warmen Energie an, und die blossen Unterschiede der Sättigung Hessen auch die besten Beobachter (wie Dr. V. d. Weyde) im Stich. In Fallen schwachen Farben- sinns näherten sich die Intensitätsgleichungen allen denen der Qrönblinden.

AuJSallend genug, fehlen die üebergangsformen zwischen dem normalen und dem schwachen Farbensinn: für Tl : Li war das Maximum bei normalem Farbensinn 1 : 2, bei schwachem das Minimum 1 : 1.05, wozwischen eine grosse Lücke bleibt»)

Wir haben also als Typen zu unterscheiden:

1. Bothblindheit,

2. GrQnblindheit,

3. schwachen Farbensinn,

4. normalen Farbensinn;

imd finden nur zwischen 3 und 4 eine gewisse Zahl von Ueberg&ngen, w&hrend dieselben zwischen 1 und 2 und auch zwischen 2 und 3, wenn nicht g&nzlich fehlen, doch höchst selten sind. Ueberg&nge von 1 zu 3 und 1 zu 4 habe ich durchaus keine gefunden.

Nicht nur von Na, sondern von allen zwischen Li und Tl gelegenen Farben, wurden Gleichungen angestellt, mit Gemischen von Li und Tl, sowohl bei schwachem als bei normalem Farbensinn, wobei sehr regelmässige Gurven gewonnen wurden: es ergiebt sich, dass die

*) Es kommen aoBnahmsweise FäUe schwachen Farbensinns vor, wobei das Yerhftltniss Tl : Li das normale ist. Diese sind noch näher zu untersuchen.

79

Gleichungen mit Na massgebend sind für alle zwischen Li und Tl gelegenen Farben.

Bei den hier besprochenen Gleichungen wurden jedes Mal die Intensitäten der Mischung aufgezeichnet und mit denen der beiden Gomponenten verglichen, wie sie durch Yergleichung mit der Farbe der Mischung erhalten wurden.

Im Gegensatze nun zu dem Satze von Grassmann*), zu den Besultaten von Weinhold**), fOr Mischungen Ton Both und GrOn, zu denen von Donders und Waelchli *♦*), für das aus Gelb und Violett zusammen- gesetzte Weiss, und von Brueckef) fOr Both und Blau hat sich hierbei ergeben, dass die Intensitäten von Ge- mischen aus Li und Tl bei verschiedenen Lichtstärken, namentlich in der Gleichung

q Li H- q' Tl = Q Na

Yiel geringer sind als die Summe der Intensitäten der Componenten.tt) ^ur die Mischungen von Gelb (D) und von Blaugrtln (X 0.503) hat sich ähnliches ergeben. Diese und weitere Yergleichungen zwischen Gemischen zweier Spectralfarben und den dazwischen gelegenen einzelnen sollen anderswo mitgetheilt werden, fff)

c) Achromatopsie und Violettblindheit.

Wie aus dem Zwei&rbensystem das normale geworden ist, so stellen wir uns vor, sei das Zweifarbensystem aus

*) Pogg. Annalen. LXXX. S. 02. ♦*) Bbend. N. F. II. 1877, S. 640.

**♦) Sectie-vergad. Utrechtsch genootschap 1880, und British med. Jonrn^ 1880 p. 267 (Meeting of the med. assoc. Cambridge), t) Ueber einige Gonseqaenzen der Yonng-Helmholtz*8chen Theorie. 1879, S. 16.

tt) Proces. verb. der K Akadem. van Wetenschappen. 1883. October en December.

ttt) Onderz. physiol. Laborat der Utrechtsche Hoogeschool. B. VmenlX.

80

der Adiroiiuitq«ie heraus entwidcdt, der LiditBiim sei dem Farbensimi ToraosgegangeiL *)

Kommt mm der liohtshm ohne Faibenamn beim heutigen Menschen noch Tor? Soweit ich dem nachzu- forschen Tennochte, nicht als Entwickelnngsphase, sondern nnr als pathologischer Znstand. Ich hesdmeb froher einen Fall nnd nntersnchte spftter die Intensitäten als Function der Wellenlftngen: das MaTimum lag hd 1 0^24 mit geringer Einschränkung an beiden Seiten. Die Er- scheinungen waren:

a) Vollkommener Mangel des Farbensinns; alle farbigen Oläser, vor das Auge gehalten^ wirkten wie graue: sie mftssigten das licht.

4

b) Herabgesetzte Sehschftrfe « -^ auf dem linken^

Q

= -^TT auf dem rediten Auge. oU

c) Lichtscheu. Starkes Licht, zumal Tageslicht blen- dete; nur bei gemässigtem Lichte wurde gut und andauernd gesehen.

d) Torpor. Nach Adaptation ist zwei- oder drei- mal mehr Licht nOthig, um einen Helligkeits- eindruck hervorzurufen oder die Figuren in dem. Kästchen von FDrster zu unteracheiden: dies erklart die relative Beschrankung des Oesichts- feldes auf beiden Seiten.

Der Fall hat sich als typisch herausgestellt loh selbst sah einen zweiten der Art und übereinstimmende F&Ile sind beschrieben durch Edmund Böse**) (sogen, lineare Daltonisten), von Baehlmann ♦♦*), Magnus f),.

*) VergL Allan Grant The Colonr sense. Its origin and development. London 1870.

*♦) Archiv fttr Ophthalmologie Bd. XIL 2, a 98. ***) V. Graef 6*8 Archiv Bd. XXTT. 1, a 47. t) Centralblatt fttr praktische Ang^eiUnmde. 1880. S. 878w

81

Galezowsky *), Landolt**), Brailey *♦*) (ans der Praxis Ton Bowman) nod von Nettleshipf) (23 Falle in 7 Familien). Alle diese F&lle (freilich bleiben einige Punkte znweüen nnerw&hnt) gehören offenbar zu dem o&mliehen Typns. Die Kennzeichen sind: absoluter Man- gel des Farbensinns, einigermassen beschränktes Spectrum mit grösster Helligkeit naheza in der Mitte; Terminderte Gesichtsscharfe nnd grosse Empfindlichkeit fOr Tageslicht (nidit für kOnstliches Licht), vereint mit einem leichten Grad von Torpor, nach Adaptation im Dunkeln. Diese Merkmale weisen bereits genügend auf einen pathologischen ürsprong. Und sehr oft findet man ttberdem Nystagmus Terzeichnet, nicht selten auch leichten Schwund der Pa- pilla n. optici, und unter den Fallen von Nettleship, in derselben Familie, neben den typischen, andere Falle mit weiteren Veränderungen im Fundus oculi, die auf intrau- terine Entzdndung hinweisen, femer mit Störung des intellectuellen Vermögens in der Richtung zu Idiotismus. Auch Stilling giebt in seinem Atlas, ausser dem oben mitgetheilten Fall von Becker, nur einen von erwor- bener Farbenblindheit und einen complicirt mit Am- blyopie an. Einen Fall von normalem Lichtsinn ohne Farbensiim habe ich nirgends entdecken können. Oft genug wurde mir durch CoUegen die Aussicht darauf eröfihet, aber bei näherer, sei es hier, sei es anderwärts auf mein Ersuchen angestellter Untersuchung zeigte sich stets ent- weder das Vorhandensein von Farbensinn oder von weite-

*) Dn diagnoBtic des maladies des yeux par la chromato- scopie r^tinienne. Paris 1868.

^) A manual of examination of the Eyes, by Dr. E. Lan- dolt, translated by Swan M. Barnett. M. D. Philadelphia 1879. pp. 190. 191. ♦*♦) Brief. t) On cases of congenital day-blindness with colour-blindness; reprinted from St Thomas Hospital-Ileports No. X. 1880.

T. Graefe*! Arehlr fOr Ophthalmologie, XXX. 1. 6

82

ren StOningen. Im lebenden Menschengeschlecht scheint reine Achromatopsie nicht vorzukommen.

In Bezug auf die sogenannte Yiolettblindheit, eine sehr seltene Form, ist meine Erfahrung sehr ge- ring. In dem von mir untersuchten Falle wies das Spectrum des zerstreuten Tageslichtes ein breites graues Band auf, das sich über das brechbarste Gelb und das Grüngelb erstreckte. Bei stärkerer Beleuchtung wurden die Farben lebhafter und das neutrale Band schmäler. Von diesem Band steigt nach beiden Seiten die Sättigung bis an die Grenzen des Spectrums, während die Intensität auf der warmen Seite unmittelbar, auf der kalten auch bsdd zu sinken beginnt.

Holmgren hatte Gelegenheit, einen merkwürdigen Fall Ton einseitiger Yiolettblindheit zu untersuchen. Die warme Farbe war ein Both, etwas nach Karmin hinüber- neigend, „übereinstimmend mit dem äussersten Both des Spectrums"; die kalte war ein Grün, etwas nach dem Blau hinneigend. Die Neutrale lag im Gelbgrün, ein wenig jenseits D. Von hier dehnte- sich die warme Farbe aus, soweit als das Both des normalen Auges, die kalte „mit ,,zunehmender Sättigung und dann mit stets dunkler wer- „denden Nuancen bis zum Anfang des Violett, wo das „Spectrum absolut aufhört (etwa bei G)." Augenschein- lich war die Sättigung der Grundfarben in diesem Falle grösser als in dem meinigen.

Auch Stilling untersuchte einen Fall mit dem Spec- troscop. Er fand an der violetten Seite keine Verkürzung, aber den Lichteindruck schon im Blau gering und farblos. Eines wie das Andere erweckt die Vermuthung, dass dif- fuses Licht im Spiele war, welches an den Grenzen des Spectrums uns so leicht Streiche spielt, üeber die rothe Farbe, welche bei grosser Intensität des Spectrums an Stelle des Violett sollte gesehen worden sein, wage ich

83

kein ürtheil. In dem Yon mir untersuchten Fall zeigte sich, bei darauf gerichteter Untersuchung, davon Nichts.

Wie Ho Imgren bereits hervorhob, lassen sich die bei Yiolettblindheit gemachten Beobachtungen im Allge- meinen erklären aus der Gleichheit sämmtlicher Farben, welche an der einen oder an der anderen Seite der Neu- tralen vorkoDunen und aus der Farblosigkeit der Neutralen sowohl wie des Gemisches der beiden Grundfarben. Aber es wunderte mich doch, meinen Yiolettblinden blaue (worunter blaugrüne) und violette Wollbündel, beide Farben in sehr verschiedener Lichtstärke und Saturation, zwar etwas langsam, aber doch vollkommen richtig sortiren zu sehen, wobei er die ersteren grün, die letzteren blau nannte. Yon rosa Wolle gehen rothe und blaue Strahlen aus, wovon die ersteren die warme, die letzteren die kalte Farbe erregen. Als solche müssen diese einander neutra- lisiren und die überwiegende allein übrig lassen und zwar bleicher, weniger gesättigt. Und dennoch werden derlei Bündel Bosawolle auch von blassblauen unterschieden. Mein Yiolettblinder erklärte sogar, in den rosafarbenen Bündel entschieden etwas Böthliches zu sehen. Sollte hier 6t¥ras Aehnliches im Spiele sein, wie bei v. d. Weyde*), der in rosenrothen Wollebündeln die beiden Farben sah, das Blau auf der beleuchteten, das Both auf der be- schatteten Seite der Fäden, einfach weil bei schwächerem Lichte das Both, bei stärkerem das Blau mehr hervor- tritt? Ich kann es nicht entscheiden.

Im Ganzen ist unsere Erfahrung hinsichtlich der Yio- lettblindheit noch sehr beschränkt. Yon Farbengleichungen bei Yiolettblindheit besitzen wir noch wenig; von unvoll- kommenen Yiolettblinden wissen wir so gut wie Nichts. Wir dürfen erwarten, dass aus Farbenvergieichungen auf

*) Methodisch onder£oek der kleorstelsels van klenrblinden. 1882. bl. 4. Yergl Onderz. Labor, derde reeks. D. YU.

6*

84

der kalten Sdte des Speetroms, nach dem Muster der Oleicliaiigeii von Tl -^ Li = Na , neue* Anhaltspunkte hervorgehen werden. Dann erst wird die Frage nach dem Znsammoihang zwischen der Violettblindhdt nnd anderen Formen der Farbenblindheit nns besdi&fügen können. Für den Angenblidc können wir nicht einmal ent- scheiden, ob die Violettblindheit als eine Sntwickelnngs- stnfe, eine Entwickelnngsanomalie oder vidmehr, wie die Achromatopsie, als ein pathologischer Zustand anza* sehen ist. *)

d) Farbensinn ausserhalb des gelben Flecks.

Fflr die richtige BenriheOung der Farbenblindheit ist der Farbensinn des indirecten Sehens von besonderem Gre- wicht. Jeder weiss, dass er in der Peripherie minder ent- wickelt ist als im Gentrom. Aubert erkennt zwischen beiden nnr „einen graduellen Unterschied'* an, aber die meisten Beobachter haben den Farbensinn in der Peripherie verglichen mit Bothblindheit, manche auf der Grenze des Gesichtsfeldes sogar eine Zone von absoluter Achromatopsie angenommen.

Die gewöhnliche Art der Untersuchung bestand in der Feststellung der Veränderungen, die die verschiedenen Farben vom Centrum gegen die Peripherie erfahren. Die von mir befolgte Methode zielte auf Farbengleichungen, wie man sie bei der Untersuchung des Farbensinns im Centrum anzuwenden gewohnt ist. Zwei farbige Quadrate wurden, in geringem Abstände von einander, auf einer lineiEdfOrmigen Eorkplatte festgesteckt, welche mit schwarzem Sanmaet fiberzogen und vor einem mit gleichem Sammet über- zogenen aufrecht stehenden Halbcylinder, der den Bogen des Perimeters umspannt, aufgehängt Während die Blioklinie bei primärem Stand sich in horizontaler Bich-

•) Verg. Onders. phymol. Labor. 3. reeks. Vm. S. 101.

85

toDg der Fläche entlang bewegte, fiel das Bild des einen Quadrates etwas oberhalb, das des anderen etwas unter- halb des horizontalen Meridians. Die Quadrate wurden be- deckt mit einem etwas breiteren, gleichfalls mit schwarzem Sammet überzogenen Lineal, und beim Fixiren unter einem bestimmten Winkel wird das Lineal mit den Quadraten plötzlich freigelegt, um aufs Neue bedeckt und unter der Dämlichen oder einer anderen Sichtung der Blicklinie wieder entblOsst zu werden. Das hohe diffuse Himmels- licht bescheint die Fläche recht regelmässig. Beständig auf den schwarzen Sammet gerichtet, wird das Auge sehr empfindlich fflr die Quadrate und sehen die Farben dann beinahe glänzend aus.

Aus den Versuchen ergab sich nun, dass die Netzhaut ungefthr 40^ schlafen wärts von der Foyea sich ungef&hr Terhält wie die Umgebung der Fovea bei den Grünblinden. Both, Orange, Gelb und Grün, als zur warmen Farbe ge- hörig, werden bei geeigneter Lichtstärke und Sättigung hier einander gleich; ebenso wenig lassen sich Blau, Indigo und Violett der kalten Farbe hier von einander unter- scheiden. An der nämlichen Stelle verwandeln sich die neutralen Farben der Grünblinden, Blaugrün, Carmin und Bosenroth vom richtigen Tone, schnell in Grau. Bedeckt man sie nun mit einem Grau von entsprechender Helligkeit, so spürt man durchaus keine Veränderung; nimmt man aber darnach das Grau weg, dann sieht man die Farbe wieder für einen Augenblick schwach zum Vorschein konmien, um gleich wieder dem Grau Platz zu machen. .

Medianwärts von der Fovea geben erst schwächeres Licht und längere Einwirkung gleiche Besultate.

Von dem Bestehen einer absoluten farbenblinden Zone auf der äussersten Grenze des Gesichtsfeldes konnte ich mich nicht überzeugen. Kräftiges Blau zeigte sich hier immer noch bläulich und wurde erst allmälig grau, um,

86

wenn es einige Augenblicke nüt Orau bedeckt gewesen, auPs Nene als blaner Ton znm Vorschein zn kommen. Nach kurzer Einwirkung mit Gran verdeckt, macht Blau einem gelblichen Scheine Platz, welchen kräftige warme Farben auch direct beim EntblOssen hervorrufen. Helle, kräftige Farben behalten etwas von ihrem Charakter, bis auf grossen Abstand von der Fovea.

DerSchluss hieraus ist dieser: dass, bei der Abnahme des Farbensiunes gegen die Peripherie hin, das System allmälig dem dichromatischen sich nähert, zunächst der Grünblindheit, weiterhin der Bothblindheit, um auf der äussersten Grenze diese letztere in ihrer unvollkommensten Form zu vergegenwärtigen, das ist bei höchst geringer Sättigung der Farben, der Achromatopsie nahekommend. Der Unterschied zwischen den Systemen der Farbenblinden und dem des peripherischen Sehens besteht nur darin, dass bei dem letzteren Farbenunterschiede noch eben auftauchen, welche das farbenblinde Auge gar nicht em- pfindet. Fflgt man zu dem Allen noch die Thatsache, dass, in Fällen schwachen Farbensinns, schon in geringer Entfernung von der Fovea, Grünblindheit in ihrer zweifel- losen Form auftreten kann, dann lässt sich die Analogie zwischen dem peripherischen Farbensinn und dem Zwei- färbensystem wohl nicht in Zweifel ziehen.

Der peripherische Farbensinn nun lässt sich offenbar nicht anders auffassen, denn als ein normales System, welches einen weniger vollkommenen Grad der Entwicke- lung darstellt als das centrale. Und so nahe verwandt damit (wenn auch nicht absolut gleich) sind die ein- facheren Systeme der Farbenblinden, dass wir schon darum auch in diesen kaum etwas Anderes sehen können als eine weniger vollkommene Differenzirung.

Für den phylogenetischen Ursprung spricht nun auch femer die

87

e) Uebertragung der Farbenblindheit auf nach- kommende Geschlechter.

Männer theilen sie nicht ihren Söhnen mit, aber durch Zwischenkunft ihrer Töchter, bei denen sie latent bleibt, ausschliesslich ihren Enkeln. Dies scheint das einstimmige Ergebniss Aller zu sein, welche sich mit dieser Frage be- schäftigten. Auch mir ist noch nie ein Fall von Farben- bhndheit bei Vater und Sohn vorgekommen, und wo es sich ereignen mOchte, würde noch zu beweisen sein, dass der Sohn sie nicht seiner Mutter zu verdanken hat. Die Uebertragung hat also vollkommen den Charakter des Bäckschlages, des Atavismus. Und sie muss als solcher wohl unterschieden werden von der Vererbung secundärer Geschlechtsmerkmale im Allgemeinen, die allerdings sich auch nur in einem der Geschlechter aussprechen und von dem Gescblechte, in welchem sie latent bleiben, durch Uebertragung diesem einen mitgetheilt werden können, die aber gleichfalls vom Vater oder der Mutter direct beziehent- Uch auf den Sohn oder die Tochter übertragen werden. *)

*) Vergl. Darwin. The Descent of Man and selection in relation to sex. I. p. 279 en 282. London 1871, und: The Va- riation of Animals and Plants under domeBticatiun. T. II, p. 71, Toorte p. 83—84. London 1860.

Einige offenbar krankhafte Zustände kommen auch mit Vor- liebe bei dem einen oder anderen Geschlecht erblich vor und können auch durch Zwischenkunft des Geschlechtes, in welchem sie ganz oder beinahe ganz latent bleiben, fortgepflanzt werden. Aber sie gehen doch auch direct über von den Eltern auf die Kinder. Für die Bluterkrankheit, die Hämophilie, wurde das letzte wohl bezweifelt In Bezug auf die beiden von Hämophilie heimgesuchten Familien von Pella, in Graubünden, berichtet Vieli (Joum. de Möd. et de chir. prat. Aoüt 1841), dass aus- Bchliesfilich durch Zwischenkunft der Frauen, obschon alle frei Ton manifester Hämophilie, die Krankheit übertragen wurde. Aber bei anderen SchriftsteUem findet man eine genügende An- zahl von Fällen verzeichnet, wo die Uebertragung direct yon Vater auf Sohn geschah (vergl. Grand idier, Die Hämophilie

«

Dieser üi:t€ssciii»d fet. sorkl i-± sieiie, nkfat ge- Dfigcnd bcaditet vorden. Id: kge ihs groi^e Bedeatong bd. Der B&ekseLIjig ku ji cn An^gnidiien Bezog auf eme frobere £ntviekeI:iiigd'->niL Er mag daher als em Grand geltem um das System der FaxbenUmden fbr eine dem norauüen System roiaasgegangene Fonn an- zoseheiL Und so werden vir in der Torstdlimg ge- fohlt, dass die Entwiekelang des normalen ans dem Zwei- fiabensTstem bd der Fiaa merst dnen AnCung nahm mid dann rielleieht anssehliesslicfa anf ihr Geschlecht fortgepflanzt wnrde, um sieh er^ später anch mehr nnd mehr im männlichen Gesohlecht zu offenbaren, in- dem, nebst Uebnnc^, Natnrwahl (in der Befriedigung von Bedärfoissen nnd im Tenneiden Ton Ge&bren) nnd, insbesondere, Geschlechtswahl sich geltend machte.*) Bei dieser letzteren spielt, wie man weiss, der Schönheits- sinn eine grosse Bolle nnd nicht am Wenigsten der Sinn ftLr Farben, die wir Nator nnd Ennst wie nm die Wette aufbieten sehen. Und sollte auch heutzutage der Farbenblinde, der für den Beiz Ton Bosenwangen und Purpurlippen keine Augen hat, auf dem Gebiete des Ge-

oder die Bluter-KranUieit. Leipzig 1855). Tritt diese directe neben der indirecten stark in den Hmteignuid, so beachte man dabei, daas die Männer, welche selbst leidend sind, in Folge dessen oft ihr Leben einbüssen, bevor sie im Stande sind, Kinder zu erzengen. Uebrigens steht wohl fest, dass bei der Erzengong Ton Blutern der Einfiuss der Mutter fiberwiegt, yielleicht, wie be- hauptet wurde, in Verbindung damit, dass das Leiden bei den Frauen nicht gänzlich latent ist. Von reiner Reversion, wie bei der Farbenblindheit, kann bei der Hämophilie keine Bede sein. (Vergl. über Hämophilie die Abhandlung von Immer mann, in Ziemssen, Handbuch d. spec Pathol. u. Therapie. Bd. XHI, 1876.) *) VergL Grant Allen, The Colonrsense, its Origin and Development London 1879, dessen Versuch von Alfred Wal- lace (Natnre 1879. Vol XIX. p. 501), trotz vielfacher Bedenken „an interesting and suggestive work** genannt wird, ein Aus- spruch, dem ich vollständig zustimme.

89

scUechtslebens wohl zu den eifrigsten Eämpfem ge- hören und den glücklichen Besitzern des vollkommenen Systems nicht nm Einiges nachstehen? In dieser Weise ist nach meiner Vorstellung das normale System allmälig das Erbtheil auch der Männer geworden nnd kommt das ZweifiEirbensystem nnr noch ausnahmsweise durch Bück- schlag zum Vorschein. Ob unter gewissen Umständen auch aus früheren Geschlechtem sich als Atavismus noch FftUe von Farbenblindheit zeigen, wird schwerlich durch Er&hrong festzustellen sein.

Was hier über die Entwickelung des Farbensinnes gesagt wurde, bezieht sich nicht auf die durch Geiger und Gladstone zur Sprache gebrachte Entwickelung in historischen Zeiten. Ich glaube, dass man allgemein eingesehen hat, was schon gleich von Zehender hervor- gehoben wurde, dass man kein Becht hat, aus dem Fehlen des Wortes auf das Fehlen der Empfindung zu schliessen. Auch von der empirischen Seite wurde, von Graut Allen, alsbald diese Hypothese bekämpft. Vom Gedanken geleitet, dass der Farbensinn von unculti- Tirten Völkern für die aufgeworfene Frage entscheidend sein konnte, beeilte er sich, aus allen WelttheUen darüber Berichte einzuholen, und diese f[lhrten sämmtlich zu dem Schluss: „That the coloursense is, as a whole, absolutely identical throughout all branches of human race." Diese allgemeine Gleichheit gestattete nicht die Vorstellung, dass es bei den Alten anders gewesen sein sollte. Zu gleichem Resultate führten die Bemühungen von Pechuel-LOsche und Magnus, und veranlassten den Letzteren, welcher anfinglich die Lehre von Geiger und Gladstone befOrwortet hatte, zu dem Geständnisse dass er sich „über die Tragweite der durch sprach- vergleichende Untersuchungen gewonnenen Erkenntniss betrogen hätte.''

90

Aber Orant Allen beschränkte sich nicht hierauf. Man hatte Verband gesucht zwischen dem Farbensinn der Alten nnd der Farbenblindheit, nnd als wollte er dieser Vorstellnng auch die Stötze rauben, die ihr von Seite der Farbenblindheit geboten war*), setzte er die Farbenblindheit herab zu einer Culturkrankheit. Mangelt sie denn bei uncultivirten Völkerschaften? Die Berichte schwiegen dar- über, und jetzt (ein paar Karawanen von etwa 10 Nubiem werfen diese Begel nicht um) hat sich das Oegentheil herausgestellt. Selbst bei den Tschuktschen, welche kaum BecQhrung mit der Civilisation gekannt haben, fand Alm- quist**) das gewöhnliche Verhältniss an Farbenblinden, auf 310 Individuen 9 (alle Männer) und Hberdem nicht weniger als 18 mit schwachem Farbensinn. Und was die Stände in unserer Gesellschaft betrifiPt, so wird wohl von einer grösseren Verhältnissziffer in den unteren Volksklassen berichtet***), aber, soviel ich weiss, nicht von dem Gegentheü.

Bei einer secundären Entstehung der Farbenblindheit wäre auch die Forterbung, ausschliesslich durch Bückschlag, ohne Beispiel, wesshalb sie als ein wich- tiger Grund fftr den phylogenetischen Ursprung angeführt wurde, dem auch das hier constatirte allgemeine Vor- kommen der Zweifarbensysteme das Wort redet.

♦) Vergl. Dr. Pole in Natura. 187a p. 676. **) Siehe den Brief von Almqnist in Holmgren: Bidrag tili belysning af frögen Färgsinnets historiske Utveckling. 1879. *♦♦) Siehe u. A.: Magnus, dieses Archiv XXIV. 4, p. 206 nnd V. Renas, Id. XXIX. 2, p. 254.

Heber die radiale Ansdelmuiig des Sehfeldes und die AUometropie des Auges bei indiiectem Sebten.

Von

Prof.. Dr. Ludwig Matthiessen in Rostock.

Wenn man kleinere Objecte, anf weissem Grunde ver- zeichnete Buchstaben, Zahlen, Linien, äquidistante Kreise oder Quadrate aus verschiedenen Sichtungen indirect und monocular betrachtet, während das Auge unbewegt auf einen festen, beliebig entfernten Punkt accommodirt ist, so bemerkt man leicht, dass zur deutlichen Erkennung des Objectes in einem Maximalabstande, dieses um so näher an das Auge geführt werden muss, je mehr sich das Object dem Rande des Gesichtsfeldes nähert. Wenn dann bei einem festen Azimuth das Object dem Auge näher gebracht wird, so erscheint das Bild zwar anfangs schärfer und deutlicher, schliesslich aber treten wie bei diiectem Sehen immer mehr die Zerstreuungskreise hervor, bis das Bild eine zweite Grenze der Deutlichkeit über- schreitet. Es ist nun die Maximaldistanz distinct ge- sehener Punkte, welche im horizontalen Meridian gelegen sind, bei einer Licidenz von 90^ lateralwärts, also am Rande des Gesichtsfeldes beispielsweise für Emmetropen ca. 5 Cm., für einen Myopen ca. 2,5 Cm. Es folgt hieraus, dass für eine äusserst schiefe Incidenz der von einem Objecte ausgehenden Lichtstrahlen in das Auge, dieses als eicessiv myopisch zu betrachten ist. Während das Ge-

92

sicbtsfeld im horizontalen Meridian lateralwärts im äusseren Baume eine transversale oder angolftre Ausdehnung von 90® hat, wird man demselben in dieser Richtung für Emmetropen eine radiale Ausdehnung von 5 Gm. zuzu- schreiben haben. Bei einem Incidenzwinkel von 45 ^ steigert sidi die radiale Ausdehnung auf 44 Gm. u. s. f. Weiter unten mitzutheilende Beobachtungen ergeben, dass während das Auge irgend einen Punkt in axialer Richtung fixirt, das Sehfeld eine räumliche Flächenausdehnui^ nm die Sehlinie herum besitzt, deren Badien abhängig sind von der Orientirung des Meridians und dem Polarwinkel der indirecten Sehaxe mit der directen. Die Oberfläche des ganzen räumlichen Sehfeldes erhält auf diese Weise eine Art von ovoidischer Gestalt, indem die verschiedenen Meridiane desselben sehr verschiedene, wenn auch unter sich ähnliche Gurven bilden, deren gegenUberli^ende Aeste sich im Innern des Auges und jenseit des fixirten Punktes nahezu zu geschlossenen Gurven vereinigen.

Die ersten genaueren Beobachtungen in dieser Rich- tung sind von Aubert (Moleschott's Untersuch. lY. S. 16 1857, Physiologie d. Netzhaut S. 243 u. Physiolog. Optik § 54. S. 587. 1876) mit seinem Perimeter angestellt worden. Bei seinen früheren in Gemeinschaft mit För- ster Aber die angnläre Ausdehnung des Gesichtsfeldes angestellten Versuchen war ihm aufgefallen, dass die Ent- fernung der Objecto Veränderungen der Grenzen der Wahr- nehmbarkeit auf der Peripherie der Netzhaut bedingte und zwar, dass bei gleichem Gesichtswinkel für die Objecte kleine Ziffern und Buchstaben weiterhin peripherisch er- kannt werden konnten als grosse.'* Dieser Zusatz wird auch so ge&sst und verstanden werden können, dass nähere Objecte weiterhin peripherisch erkannt werden konnten als entferntere, was mit den Thatsachen insofern übereinstimmt, als der gleiche Gesichtswinkel nicht so massgebend far die Vergleichung der Grenzen der Wahr-

93

nehmimg za sein scheint, ab die radialen Entfernongen der Objecte. Einige Gründe hierfür werde ich weiter unten anfflhren. Die von Aabert beobachtete nnd durch spätere Messungen von ihm bestätigte Thatsache findet ihre ErUftrong in einer Allometropie des Auges für ver- schiedene Sichtungen, wozu kommt, dass, wie gleichfalls von Aubert beobachtet worden ist, die Accommodations- fUigkeit und Accommodationsbreite des Auges einen desto geringeren Grad besitzt, je weiter die indirect betrachteten Objecte nach der Seite gelten sind.

Zu meinen Messungen benutzte ich denselben mir gQtigst zur Verfügung gestellten perimetrischen Apparat, welcher von Aubert beschrieben und gebraucht worden ist; die Methode war nach meinen Vorbemerkungen inso- fern von der seinigen abweichend, als Aubert bei gleicher radialer Entfernung und unter gleichem Gesichtswinkel des fixirten und indirect gesehenen Objects beobachtete und so den Grenzwinkel der Wahrnehmbarkeit bestinmite, wäh- rend ich für ein gegebenes Azimuth die radiale Aus- dehnung des Sehfeldes mass, wobei der gleiche Gesichts- winkel ohne eine grosse Anzahl der verschiedensten ObjectgTÖssen nicht gewahrt werden konnte. Als Objecte wurden je sechs Buchstaben von nur vier verschiedenen Grössen ans der Monoyer'schen Tabelle, welche eine nahezu quadratische Flächenausdehnung haben, verwendet. Die Perimetertafel hatte die Länge 280 Cm. und war von dem Auge des Beobachters aus von 5 zu 5 Graden radial ein- getheüt. Bei gutem und möglichst constantem Tages- lichte wurden jedesmal vorher dem Beobachter unbekannte Buchstaben auf jedem der Badien von aussen her in das Sehfeld eingeführt und die Entfernung vom Auge notirt Als BuchstabengrOssen wurden benutzt bei einem Fix- punkt von 280 Gm. Abstand und der Objectdistanz 280—130 Gm. die Grosse A = 8,33 M. 120— 96 A = 10,0

94

Objectdistanz 72—45 Cm. die Grösse A = 12,5 M.

40— 5 A = 16,33 Es könnte incorrect erscheinen, dass die Objecte nicht genau so gewählt wnrden, dass die äussern Gesichtswinkel constant blieben. Abgesehen von dem Umstände, dass die radiale Ausdehnung des Sehfeldes nicht merklich verändert wurde, wenn zwischen den obenangefQhrten Intervallen die aufeinander folgenden Objectgrössen wechselten, so werden far seitlich gelegene Objecte die Bedingungen gleich grosser Netzhautbilder in mehrfacher Beziehung keineswegs erfüllt. Für das directe Sehen „projiciren wir unsere Empfindungen in den Baum ungefähr nach den Richtungslinien der Ob- jecte, also nach Linien, welche wir uns von den Objeet- punkten oder Netzhautpunkten durch den hinteren Knoten- punkt gelegt denken können." (Aubert, PhysioL Optik, § 59). Es degeneriren nun fOr seitliche Objecte die Knoten- punkte, d. h. die Kardinalpunkte des parallelen Durch- ganges in die Directionspunkte und Seitenpunkte von Hermann (Pflüger's Arch. f. PhysioL XVIIL S. 454), wo- bei es (innerhalb gewisser Grenzen aber nur) noch einen parallelen Durchgang und einen optischen Mittelpunkt geben kann, so dass also die scheinbare Grösse des Bildes bezaglich der Directions- und Seitenpunkte der des Ob- jectes congruent bleibt. Bei weiterem Yorracken der Ob- jecte gegen die äussersten Grenzen des Sehfeldes hören diese Verhältnisse auf; die gebrochenen StrahlenbOndel, welche durch die PupUle noch einzutreten vennögen, weichen von der Richtung der äusseren Strahlen um einen beträchtlichen Winkel ab, der ionere Gesichtswinkel oder Bildwinkel bleibt an Grösse hinter dem äusseren oder Objectwinkel zurück; es ändern sich die Dimensionen des verzerrten Netzhautbildes gegen das centrale.

Eine weitere und zwar absolute Grössenverfinderung des Netzhautbildes bei constantem äusseren Gesichtswinkel wird veranlasst durch die verschiedenen Abstände der

95

Netzhaatschale von den Direotions- und Seitenpunkten. Die äussersten stehen zu dem centralen Abstände im Yeihältniss 13:19. Da die äussersten Abstände oder Richtlinien zur Netzhautflache geneigt stehen unter einem Winkel von ungefähr 65 ^ so wird dadurch dies Yerhält- niss etwas grösser, aber immer noch nicht grosser als 13:17, also kleiner als die Einheit. Zu diesen Beein- trächtigungen der BildgrOssen kommt hinzu die Beduction der Lichtmenge in Folge der schiefen Lage der Pi;pille gegen die eintretenden Strahlenbündel. Femer sind die Empfindungskreise von Einfluss auf die Grössenerscheinung und die Wahrnehmbarkeit der Objecte. Auch dürfte nicht zu unterschätzen sein der Umstand, dass ein gesundes Auge nicht geübt wird, seitliche Objecte genauer zu beob- achten. Endlich ist die Beleuchtung der Objecte von sicht- barem Einflüsse auf die radiale Ausdehnung des Sehfeldes.

Die hier mitgetheilten Beobachtungen sind angestellt an einem etwas presbyopischen und einem etwas myopischen Angenpaare und zwar sind es die Mittelwerthe zweier Beobachtungsreihen. Das erste Augenpaar ist das meinige, das zweite das meines zweiten Assistenten Stud. math. Suchhof t. Die I. Tabelle enthält die Resultate der Mes- sungen, welche von mir mit möglichster Genauigkeit an- gestellt sind; diesen Anspruch erhebt wegen Mangel an Hebung im Beobachten die IL Tabelle freilich nicht, in- dessen theile ich sie mit, weil sie den Werth der Un- mittelbarkeit für sich hat und Ton genaueren theoretischen Instructionen, welche derartige Beobachtungen beeinflussen können, unabhängig gemacht ist.

Bei meinen Augen wurde die Distanz 280 Cm. für den Fixpunkt des monocularen Blicks gewählt; bei dem anderen etwas myopischen Augenpaare sein Fempunkt im Abstände yon 200 Gm. Die Werthe x und y sind die rechtwinkligen Coordinaten des horizontalen Meridianes, bezogen auf die Augenaxe und die Frontalebene. Das

96

I. Tabelle.

II

^1 "^1

^1

^1

»2

be

X

ob.

y

b

X

er.

y

em

em

em

cm

em

om

em

om

cm

10 48'

900 -

900

26,6

20 10«

900

900

31,3

227

233

241 241

234

230,4

40,6

150

blind

170

blind 1 199

(185)

178,7

47,9

20°

131

128

132

130

131,5

123,6

45,0

25°

118

87,5

106

98

112

101,5

47,3

30«

95

68

98

73

96,5

83,6

48,2

850

66

59,5

79

58,5

72,5

59,4

41,6

400

55,5

47

57

45

56

42,9

36,0

35,0

450

44

29,5

44.5

33

44

31,1

31,1

31,1

500

36,7

20

36,8

23

36J

23,6

28,1

27,9

550

31,5

18

33,5

18

32,5

18,6

26,6

25,4

600

22,7

15,5

21,2

17,1

22

11,0

19,0

20,3

650

19,6

blind

18,0

bünd

18,8

7,9

17,0

17,7

700

17,1

«

15,4

n

16,2

5,5

15,2

15^

750

13,5

ti

12,3

n

13,0

3,4

12,6

12,5

800

11,0

ti

9,1

n

10,0

1,7

9,8

9,9

850

9,0

7,4

8,2

0,7

8,2

7,8

900

5,8

n

58

n

5,8

0,0

5,8

6,8

1800

-0,9

0,0

laterale Sehfeld des ersten Augenpaares wird zwischen 45 ^ und 90 ^ nahezu begrenzt von einer Ellipse von der Gleichung y* = 33,64 H- 37,100 x 0,24910 x». Ihr Scheitel liegt 9 Mm. hinter der Hornhaut. Die Curve der n. Tabelle ist innerhalb derselben Grenzen hyper* boüsch: -= 11,92 H- 24,670 x H- 0,2103 x«.

Wenn man die Curven graphisch darstellt, so erkennt man auf den ersten Blick das f&r beide Augenpaare Ge- meinsame, dass von 0 ° bis etwa 20 ^ lateral- und median- wärts die Curven symmetrisch zu beiden Seiten der Angen- axe verlaufen, von da aber die radiale Ausdehnung des Sehfeldes medianw&rts immer mehr zurückweicht gegen die des äusseren Sehfeldes und zwar nahezu auf die HUfte.

97

U. Tabelle.

»olar- Inkel

R. A. lateral

K.A. median

L. A. lateral

L. A. median

Mittel lateral

beob.

ber.

-^?

[

X

y

X ; y

CB cm

«n 1

cm 1

cm

em

cm

cm

o*' 230 240

210 [ 193

220

10^ 200 189

187 161

193

15\ blind 150

blind 118

(134) :

20« 127 113^

108 103

117,5

25« 102 79^

85 1 86,4

93,5

30* 85 61^

71,6

53,3

78,3

36» 73^ 47

60,3

43,7

66,9,

W' ßl 35

48,9

34,6

55

42,1

35,4

37,7

45" 50 29,5

40,4

27,7

45,2

32,0

32,0

32,0

50« . 36,5 21

34,9

17 6

35,7 1

23,0

27,3

I 26,3

55^ ! 24,5 1 11,9

24,0

12,5

24,2

13,9

19,8

19,9

ßO% 19,7 blind

15,5

blind

17,6

8,8

15,2

_-

15,7

65« 163 ,

12,0

14,4

6,1

13,0

13,0

70« 10^, ,

9,1

n

9,9 1

3,4

9,3

9,9

75»

10,1; ,

6,2

n

8,1.

2,1

7,9

8,0

80«

8.0 ,

4,7

6,3'

1,1

6.3

_-

6,3

®«

6^! ,

3,4

w

4,8!

0,4

4,8

4,8

90»

3,71 .

3,3

3,5

0,0

3,5

0,0

3,4

180«

i

- 1

-0,5

0,0

Hiermit stimmen auch die Beobachtungen von Anbert überein, wenn auch hier der Unterschied für gleiche Ba* dien nur einige Grade betrug, und bei der von ihm an- gewandten verhältnissmässig kurzen Distanz des fixirten Punktes das Sehfeld nur eine verhältnissmässig geringe radiale Ausdehnung hatte. Für zunehmende Distanzen des Pixpunktes erweitem sich die radialen Sehfelder und Tunschliessen einander. Hinter dem Fixpunkte convergiren sie gegen die Augenaxe.

Die hier beobachteten Erscheinungen der Myopie des Auges bei schiefer Incidenz der Strahlen ist völlig analog zu dem Verhalten von biconvexen Glaslinsen in Luft Die astigmatische Brennweite verkürzt sich bei zunehmender Schiefe der Strahlen; die Bilder werden in beiden Dimen-

▼. Orftefe's AreblT für Ophtbalmolo^le, XXX. 1. 7

98

sionen kleiner bei gleichem Bildwinkel und nähern sich der Linse bei gleicher Objectweite. Bei dem Ange ist die YerkQrznng der Brennweite scheinbar stärker als wie die Annähemng der Netzhant an die EiystaUlinse; das Object mnss näher an das Ange gerfickt werden, nm in das Seh- feld einzutreten. In diesem Verhalten weichen die Augen der in Lnft lebenden Thiere wesentlich ab von dem der Fische. Von Interesse würde es gewesen sein, horizontale nnd Terticale Liniensysteme als Objecte zn benutzen, um das seitliche Auge f&r die Terschiedenen Azimutbe auf seinen Astigmatismus zu prüfen. Im Falle eines Astigmatismus bei indiiectem Sehen würde für horizontale Liniensysteme die radiale Ausdehnung des Sehfeldes grüsser gefunden werden müssen, als für verticale. Aus Mangel an Zeit habe ich hierüber keine genauem Versuche anstellen können. Directe Versuche sind übrigens schon firüher tou Schön (Aith. f. Anat u. Phvsiol. 1879. SuppL-Bd. S. 163) mit dem Augenspiegel bei Anwendung tou Liniensystemen angestellt worden. Derselbe C&nd an 16 Augen für das Arimuth 00*, dass der verticale Meridian des Inddenz- punktes durchsohmttUch * is weitsichtiger war als der hori- zontale. Es leucht<4 ein« dass eine Wiederholung der Messungen an andern Augen« auch in den übrigen Meri* di;inen für die Theorie der Peri skopie des Auges tou wesentlicher Beiioutung sein muss. Wenn jedoch für schiifo InoJvlenx der Strahlen seitlicher oder peripherischer Obnvte die RivMchtungy>n eir.en merklichen Astigmatismus dt^ AttiTCs ergaben, so folgt dartus keineswegs, dass das- si.bo ar.ch schief nav^h dem K^nJe der Linse gerichtete S:T:aV.cr, }\an\^ÄloT OV vvte astigTua;:>ch Vrtvhe, da hier die J^.TiiWn in einer g*ni anderen Wtise die geschichtete Lir^^ac .;r,:vhsc:jon, Theon tische r:.*<r?iichungvn, gestützt Äuf 0.;^ physil.iMsv^hc Bo<chÄ5o:;>.t :t Stt Kirstalllinse er- pK'ii> *Uss fi;r Sv\v*hc StrahUn d<>T Asügmatismus nur ein >^.hT c^r> CiT ist.

Heber die HomliantkrümiiLimg im normalen Zu- stande nnd unter pathologisohen Yerhältnissen.

Ophthalmometrische Unter sachungen

von

Prof. Dr. Laqueur in Strassburg.

Eine möglichst genaue Kenntniss der Formverhältnisse der Hornhaut ist nicht bloss für die physiologischen, son- dern auch für eine ganze Beihe von pathologischen Zu- standen des Auges von Wichtigkeit. In richtiger Wür- digung dieser ümstandes hat man in einzelnen Krankheiten die Krümmung der Cornea ophthalmometrisch bestinmit und manche schätzenswerthe Besultate gewonnen; in grosserem Umfange sind solche Untersuchungen bisher aber selten vorgenommen worden und das Ophthalmometer bat als diagnostisches Hilfsmittel nicht diejenige Ver- breitung gefunden, welche es offenbar verdiente. Sind doch selbst die öffentlichen Augenkliniken nicht sämmt- lich mit diesem Instrumente ausgerüstet, wie viel weniger kann von dem Praktiker erwartet werden, dass er von demselben Gebrauch macht? Der Grund hiervon liegt in der Schwierigkeit *der Handhabung des Helmholtz'schen Ophthalmometers, jenes bewundernswürdigen Instrumentes^ welchem die:p]^;dj^]|ogi{{Cht; O^tik ihre iiöchsten Triumphe -'''"' '"^ ' ' ' 7*

100

verdankt, dessen Gebrauch aber viel Uebung, Zeit und Geduld voraussetzt und darum für die alltägliche Praxis wenig geeignet ist Es ist daher im Interesse der all- gemeinen Verwendung ophthalmometrischer Messungea als ein erfreulicher Fortschritt zu begrussen, dass Javal und SchiOtz uns mit einem neuen Instramente ausgerüstet haben, welches zwar hinsichtlich der Präcision der Re- sultate dem klassischen Apparate von Helmholtz unleugbar nachsteht, in Bezug auf Leichtigkeit und Bequemlichkeit der Handhabung ihn aber entschieden übertrifft und so- wohl aus diesem Grunde wie seiner geringeren Dimensionen und seines niedrigeren Preises wegen dem Kliniker und Praktiker empfohlen zu werden verdient. Uebrigens sind die Resultate, welche es liefert, für die Bedürfnisse des Arztes immerhin noch exact genug; denn es dürfte den- selben reichlich Genüge geleistet werden, wenn es beispiels- weise gelingt, den Homhautradius bis auf den zwanzigsten Tfaeil eines Millimeters zu bestimmen.

Auf Princip und Construction des Javal-Schi5tz*schen Ophthalmometers soll hier nicht eingegangen werden; die- selben finden sich in den Annales d'Oculistique Band LXXXVI ausführlich auseinander gesetzt. Bemerkt sei hier nur, dass das Instrument auf demselben Princip be- ruht, wie das von Goccius angegebene Ophthalmometer, sich aber in der Ausführung, besonders hinsichtlich der die Beflexe gebenden Objecte wesentlich von ihm unterscheidet. Obwohl ursprünglich zur objectiven Messung des Hom- hautastigmatismus bestimmt, eignet es sich doch auch zur Ermittelung der Homhautradien in den oben angegebenen Grenzen recht gut. Zur Messung der Linsenflächen da- gegen kann es wegen der zu geringen Lichtstärke der ßeflexbilder nicht verwendet werden. Es functionirt zwar auch bei gutem Tageslicht vorzQglich, trotzdem ist bei längeren Untersuchungsreihen die Anwendung von künstlichem «L^ht; «der GleiCbmassigkeit der 3eleuchtung

101

wegen, yorzuziehei). Die Untersuchungen, welche ich im Laufe des letzten Jahres mit dem Apparate ausgeführt habe, und über welche im Folgenden berichtet werden soll, sind denn auch sämmtlich mit Hülfe der dem Instrumente beigegebenen Beleuchtungsvorrichtung angestellt worden. Um den Untersuchten gegen die lästige Wärmestrahlung der Oasflammen zu schützen, wurde unmittelbar über seinem Eopfe ein halbkugliger Schirm angebracht.

A. Physiologische Verhältnisse.

Es ist leicht, mit Hülfe des Instrumentes sich von einer zwar schon bekannten, aber nicht hinreichend ge- würdigten Eigenthümlichkeit des Homhautbaues zu über- zeugen, nämlich von ihrer Abflachung in der Peripherie. Vergleicht man die Homhautradien ni der Gesichtslinie mit denen der peripherischen Theile, wenn der Untersuchte etwa 200 excentrisch blickt, so ist eine erhebliche Diffe- renz zu constatiren. Sie beträgt nach innen und nach aussen 0,5 0,75 mm des Badius, was einer Verschieden- heit der Brechkraft von 3 5 Dioptrien entspricht. Bei einem schielenden, mit M 4 D behafteten, sonst aber nor- malen Auge war sogar eine Abflachung von 6 7 D nach der Peripherie hin zu constatiren. Die Abflachung ist aber schon im horizontalen Meridian nicht symmetrisch; in Folge der Lage des < a in den meisten Augen ist sie bei gleicher Excentricität in der äusseren Hälfte geringer, als in der inneren. Der verticale Meridian verhält sich aber anders. Seine untere Hälfte ist in der Kegel ähnlich gekrümmt, wie die äussere oder innere Peripherie der Hornhaut, die obere Hälfte dagegen zeigt meist eine Ab- weichung in dem Sinne, dass die Abflachung geringer ist oder selbst null wird, ja es gibt Fälle, in denen die Peripherie der Hornhaut nach oben eine stärkere Eröm- xnung besitzt, als das Centrum in der Gesichtslinie. So

102

verhalt es sich in der Mehrzahl der Fälle; es kommt aber auch, wiewohl seltener, vor, dass der obere Theil des verticalen Meridians die Abflachung der äusseren und inneren Peripherie zeigt, wahrend der untere die stärkere Wölbung aufweist. Von dieser Thatsache, aus welcher gefolgert werden muss, dass die Hornhaut in toto eine viel unregelmässigere Gestalt hat, als ihr bisher vindicirt worden ist, und dass ihre Oberfläche weder als Theil einer Engel, noch eines Eilipsoids, ja überhaupt nicht eines Rotationskörpers angesehen werden darf, haben wir uns überzeugen können durch die Beobachtung einzelner, be- sonders geeigneter Fälle, in denen eine hohe Lidspalte bei übrigens normalem Verhalten die Messung des verticalen Meridians gestattete, ohne dass das Lid mit dem Finger erhoben zu werden brauchte.

Eine andere bisher nicht bekannte Eigenthumlichkeit des normalen Auges gestattet das Instrument leicht nach- zuweisen; es ist die astigmatische Deformation, welche die Hornhaut erleidet, wenn ein Druck oder Zug durch das Lid auf sie ausgeübt wird. Legt man den Finger auf das Oberlid in der Nähe des äusseren Lidwinkels, und zieht man die Lidhaut in der Bichtimg nach der Schläfe an, so entsteht ein regelmässiger Astigmatismus der Horn- haut, eine Abflachung des horizontalen und stärkere Eröm- mung des verticalen Meridians, welche sich sofort durch theilweise Deckung der Reflexe zu erkennen gibt und je nach der Spannung der Lider 2—4 D beträgt. Eine ähnliche, aber geringere Gestaltveränderung erfllhrt die Hornhaut, wenn man den Finger an den inneren Augen- winkel legt und die Lidhaut nasalwärts anzieht. Mit dem Nachlass des Zuges hört der Astigmatismus momentan auf. Durch den so entstandenen Astigmatismus kann ein früher vorhandener verstärkt oder wenn er im entgegen- gesetzten Sinne bestand, compensirt werden. Diese That- sache erklärt uns, auf welche Weise manche Astigmatiker

103

ihren Fehler in ganz befriedigender Art durch Druck mit dem Finger aufs Auge corrigiren können, worauf ich froher (in Annales d'Oculistique 1869. t. LXI p. 216) auf- merksam gemacht habe. Dauert der Druck auf den Bulbus aber lange Zeit an, so kann die Deformation per- sistiren, und es kann auf diesem Wege ein dauernder Astigmatismus erworben werden, wie folgendes Beispiel lehrt:

Ein 33 jähriger Arzt, der seine Befraction oft und ge- nau bestimmt hatte, war auf dem rechten Auge emme- tropisch und vOllig frei von Astigmatismus gewesen. Auf einer Gebirgsreise trug er mehrere Wochen lang ein Pincenez mit grauen Schutzgläsem und einer starken Feder, welche eine Druckfurche auf der Nasenwurzel er- zeugte. Unmittelbar nach der BQckkehr bemerkte er, dass sein rechtes Auge einen myopischen As von 1 D mit stärkerer Krümmung des verticalen Meridians darbot. Der Astigmatismus ist dauernd geblieben.

Dass die Hornhaut auf Druck und Zug immer im Sinne eines regelmässigen As reagirt, ist jedenfalls be- merkenswerth. Der Grund der Erscheinung dürfte im histologischen Bau der Membran zu suchen sein. Die Gmndsubstanz besteht nämlich bekanntlich aus Fibrillen, welche zu bandartigen Bündeln geordnet sind, und welche sich in den verschiedenen Lamellen rechtwinklig kreuzen. Bei diesem Verhalten der Fasern muss ein jeder Zug Fasern der einen Richtung dehnen und Fasern in der darauf senkrechten Richtung zusammendrücken; das Re- sultat kann dann ein Astigmatismus der angegebenen Art werden.

Die Leichtigkeit, mit welcher das Instrument auch bei ungenügender Fixation verwendet werden kann, ver- anlasste mich, eine Anzahl sehr kleiner Kinder zu unter- suchen, um die Angaben von v. Beuss (Arch. f. Ophth. XXVII p. 27—42; einer Prüfung zu unterwerfen. Dieser

104

Autor, welcher eine sehr grosse Zahl von Einderaugen mittelst des Helmholtz'sohen Ophthalmometers mitersacht hat, ist zu dem Besultate gekommen, dass die Wölbung^ der Cornea in den ersten Wochen des Lebens eine viel stärkere ist, als bei älteren Kindern mid Erwachsenen^ dass sie vom Ende des ersten Lebenshalbjabres bis zum Alter von 7 Jahren allmählich abnimmt und vom 7. bis 12. Jahre constant bleibt, um vom 13. bis 15. noch- mals langsam abzunehmen. Da sich unter den zahl- reichen Messungen von v. Beuss nur solche von dr^ Kindern unter 6 Monaten finden, so scheint es mir nicht ohne Interesse, die Resultate der Untersuchung von drei kleinen Kindern anzuführen, bei denen der Hornhautradius im horizontalen Meridian in der Gesichtslinie oder nahe derselben mit leidlicher Genauigkeit bestimmt werden konnte:

I. Kind, 6 Wochen alt, r des rechten Auges = 8 Mm. 11. 4 r = D,7o

111. o r = o,l ,9

Bei drei Kindern fanden sich demnach 2D;al Hom- hautradien von gewöhnlicher GrOsse und einmal ein ausser- ordentlich kleiner. Wenn man einwenden wollte, dass diese Werthe in Folge der immerhin ungenauen Fixation nicht der Gesichtslinie, sondern der Peripherie der Horn- haut entsprechen, so ist zu bemerken, dass in Fall I und III selbst ein Fehler von 0,5 Mm. Badius noch immer nicht zu ungewöhnlichen Werthen fahrt. Es scheint dem- nach — soweit sich aus einer so kleinen Zahl von Beob- achtungen ein Urtheil bilden lässt dass nicht so allge- mein, wie V. Beuss annimmt, beim Neugeborenen enorm stark gekrümmte Hornhäute vorkommen. Wo aber sich auffallend kleine Homhautradien vorfinden, da muss auch

Axenlänge des Bulbus eine sehr geringe sein; denn

105

das Ange des Neugeborenen ist nach den Untersuchungen TOD Königstein*) und Schleich**) stark hyper- metropisch, und diese Hypermetropie bei stark convexer Cornea kann nur auf erheblicher Axenverkürzung be- rohen.

Was den regulären Astigmatismus anbetriff^ so haben wir eine grössere Zahl von Fällen untersucht, um ein ürtheil darüber zu gewinnen, inwieweit der Apparat znr Diagnose desselben brauchbar ist. Es hat sich er- geben, dass er hier in der Praxis unleugbar grosse Dienste leistet, obwohl er natürlich die functionelle Untersuchung nicht entbehrlich macht, schon darum nicht, weil er über die Kefraction der einzelnen Meridiane (ob dieselbe myo- pisch oder hypermetropisch ist), keinen Aufschluss giebt. Er ist aber insofern sehr werthvoll, als er das Vorhanden- sein eines irgend erheblichen Astigmatismus sehr rasch und sicher nachweist und die nachfolgende Prüfung mit Gläsern auf die richtige Bahn lenkt und abkürzt. Denn wenn er auch zunächst nur die Asymmetrie der Cornea anzeigt, und diese sich nur im aphakischen Auge mit dem Gesammtastigmatismus decken muss, so haben doch die Untersuchungen gelehrt, dass wir Javal beipflichten dürfen, wenn er annimmt, dass die Differenz zwischen Homhautastigmatismus und Gesammtastigmatismus in der Begel nicht erheblich ist.

Die folgende Tabelle I, welche 50 Fälle von Astig- matismus der verschiedensten Grade umfasst, giebt über die Höhe dieser Differenz näheren Aufschluss.

*) Wiener medicinische Jahrbücher. Jahrg. 1881. p. 47 n. ff. **) Nagers Mittheilangen aus der ophthalmiatrischen Klinik in Tübingen. Bd. IL p. 44-56.

106

Tabelle I.

Yerhaltniss des ophthalmometrisch bestimmten Hornhaut* Astigmatismus zum Gesammt-Astigmatismus.

Hornhaatastig^a-

Gesammtastigma-

tisrnus ophthalmo-

tismos ftinctionell

Differenz

metrisch bestimmt

bestimmt

D.

D.

D.

1.

1^

2

-0,5

2.

1

2

1

3.

3J5

4

-0.5

4.

3J5

4,5

1

5.

i 1,5

1

+ 0,5

6.

1,5

0,5

+ 1

7.

i 1^5 2,75

1,25

+ 0,25

8.

2

+ 0,75

9.

3

4

1

10.

i 2,25

1,5

+ 0,75

11.

3

2

+ 1

12.

3,5

3,5

0

13.

3

2,5

+ 0,5

14.

1 1

2

1

15.

1

2,5

-1,5

16.

1.5

2

-0,5

17.

4

4

0

18.

3

3

0

19.

4

4,5

-0,5

20.

4

3

+ 1.0

21.

2,5

2,5

0

22.

2^

2,5

0

23.

4,5

5

-0,5

24.

2,5

2,5

0

25.

2,75

2,5

+ 0,25

26.

1

1

0

27.

{ 4,5

4,5

0

2a

* 4

4

0

29.

2

1,5

+ 0^

30.

1 2,75

2

+ 0.75

31.

2

1

+ 1

32.

1

0

+ 1

33.

0.5

1,25

-0,75

34.

'

2

+ 1

107

Hoinhaatastigma-

Gesammtastigma-

tismus ophthalmo-

tismoB functionell

Differenz

metaisch bestimmt

bestimmt

D.

D.

D.

35.

2

2

0

36.

2

2

0

87.

1 ^

3,5

-0^

38.

1 4

4,5

-0,5

39.

3

3

0

40.

2,5

2

+ 0,5

41.

2,5

2,5

0

42.

1

1

0

43.

1^

0,75

+ 0,5

44.

1,50

0,75

+ 0,75

4S>.

3

3

0

46.

2.5

3

-0,5

47.

2,75

4

-1^

4a

3 3,75

2

+ 1

49.

3

+ 0,75

5a

3

3

0

Aas der Tabelle geht hervor, dass unter den 50 Fällen 16mal die Uebereinstimmang eine absolute und lömal die Differenz so gering war (0,5 D), dass sie nahezu vernach* Iftssigt werden konnte. Nur Imal wurde ein Unterschied Ton 1,5 D, niemals ein grösserer gefunden. Unter den 34 Fällen, in denen sich eine Differenz herausstellte, war der ophthalmometrisch gemessene Homhautastigmatismus 19mal grösser und 15mal kleiner als der functionell be- stimmte Gesammtastigmatismus. Bemerkenswerth ist femer, dass grade in den hohen Graden von Astigmatis- mus die Uebereinstimmung eine sehr vollkommene ist; bei As von 3 D und darüber dürfen die Werthe mit Begehung eines kleinen Fehlers fast immer gleichgesetzt werden, während bei geringeren Graden von As sich absolut und relativ grössere Differenzen finden.

Es lässt sich allerdings der Einwand erheben, dass die Zahlen der zweiten Columne vielleicht nicht genau

108

dem Gesammtastigmatisiniis entsprechen, weil die meisten Bestimmungen ohne Toransgegangene Atropinisinmg ge- macht worden' sind. In den Fallen jedoch, in welchen die Accommodation dnrch Atropin gelähmt worden war, ergaben sich im Wesentlichen dieselben Besnltate. Ftlr die Beant- wortung der Frage nach der praktischen Brauchbarkeit des Apparates ist dieser Punkt übrigens ohne Belang, da ja in praxi die Brillenbestimmungen im Allgemeinen an nicht atropinisirten Augen gemacht werden.

Sind die übrigen Zahlen aber im Grossen und Ganzen zuverlässig, so folgt aus ihnen, dass der Linsenastig- matismus eine viel geringere Bolle spielt, als ihm bisher zugetheilt worden ist. Denn in einem Drittel aller Fälle fehlt er gänzlich und Homhautastigmatismus und Totalastigmatismus fallen zusammen. In mehr als einem Drittel der Fälle ist er gleichsinnig mit dem Astigmatismus der Hornhaut und verstärkt den- selben. In kaum einem Drittel der Fälle wirkt er in entgegengesetztem Sinne und compensirt die Asymmetrie der Hornhaut. In keinem Falle ist der Astigmatismus der Linse sehr erheblich und besonders bei den hohen Graden von Totalasügmatismus kommt er nicht in Be- tracht. —

B. Pathologische Verhältnisse.

I. Hochgradige Ametropie.

Obwohl von Don der s und Mauthner eine grosse Zahl von ametropischen Augen auf die Krümmung der Hornhaut untersucht worden ist, schien es mir nicht über- flüssig zu sein, die Hornhautradien der zur Beobachtung gekommenen Fälle von hochgradiger Ametropie in der Gesichtslinie zu messen. Die Tabelle II giebt über die Resultate Aufschlass.

109

Tabelle IL Hornhantradien bei starker Ametropie.

Homhaut- radios

Bemerkungen.

lOJahie

7

20 .

5

22 ,

9

14 , 46 . 17 .

7

6

r, 6. 1, 7

11 .

8

Hjpermetropie. R. r = 8,15 L. r = 7,9 R. r =

1

21Jahre

2

36 ,

3

46 ,

4

63 ,

5

23 ,

6

50 ,

7

26 ,

8

40 ,

9

41 .

10

?

11

12

12

35 .

13

11 n

14

30 ,

15

15 ,

16

16 r.

13 20

R.19 L.21

EL 9 L.10 .

L. 4,5

R. 7 L. 6

RIO L.18

R15 L.18

20

R 14 L.16

5,5

18

R 5

L. 6

16

11

R. 8 L. 9

R. r = 7,5

L. r = 7,6

Bds. r = 8,1

Bds. r = 8,2

►Bds. r = 8,4

R r=8,5

L. r = 8,6

n. Myopie. 8,4 R. 8,3 L. 8,5

8,25

R 8 L. 8,25 L. 7,9

8,0

R 8 L. 7,5 R. 8 L. 8,25 R. 8,1 L. 7,7 R 8,1 L. 7,8

7,9 R. 8,1 L. 8,2 R 84 L. 8,2

8,2 R. 8,2 L. 8,1 R. 7,8 L. 7,85

Das linke Aas^e emmetrop. r = 8.3.

Das rechte Ange Hp.0,5D. r = 8,0.

As Yon 2,5 D beiderseits.

As von 2 resp. 4 D.

As von 1,5 D beiderseits.

110

Diese Messongen bestfttigen ToUkommen den von Donders aLSgesprodienen Satz, dass der Kräminangs- radius der Cornea bei extremer Ametropie keine anffidlen- den Werthe darbietet, wenigstens keine solchen, die nidit auch bei emmetropischen Angen Yorkommen könnten. Bei eicessiyer Myopie ist nach Donders sogar ein grosser Homhaatradios die Regel; in unserer Tabelle finden sich 17 Angen verzeichnet, deren Myopie mehr als 12 Dioptrien betrug; unter diesen gab es nur 4 Augen, deren r kleiner als 8,1 war. Zugleich verdient bemerkt zu werden, dass sich die stark myopischen Augen durch Mangel an Hom- hantastigmatismus auszeichnen. Seh^ selten findet sich bei ihnen eine Differenz von mehr als 1,5 Dioptrien und sehr selten gelingt es darum, die in der Kegel mangel- hafte Sehschärfe durch Uinzufügung von Cylinderglftsem zu den Concavgläsem zu verbessern. Andrerseits zeigten die stark hypermetropischen Augen Radien von 8,1 8,6; dagegen lieferte ein Auge mit Hp. von 9 D. einen relativ kleinen Werth (7,5 Mm.). Es ist in der That überraschend, nach einander zwei Individuen zu untersuchen, deren Augen eine ReAractionsdifferenz von 30 D. darbieten und die gleichwohl dieselbe Homhautkrümmug zeigen können.

n. Keratoconus.

In den 6 Fällen von Keratoconus, welche ich Ophthal- mometrisch zu untersuchen Gelegenheit hatte, und von denen 4 doppelseitig waren, hat sich das bemerkenswerthe Resultat ergeben, dass in allen Augen ausser der Ectasie der Cornea, welche Radien bis zu 6 Mm. lieferte, ein hoch- gradiger regelmässiger Astigmatismus nachweislich war, dessen Correction die Sehschärfe wesentlich besserte. Die Grade desselben waren resp. 5, 5,5, 6, 7, 8 und 15 D.; die Hauptaxen genau vertical, resp. horizontal, der ver- ticale Meridian in 5 Fällen der stärker, in 1 Fall der

111

schwächer gebrummte. Die Besserung der gewöhnlich sehr stark herabgesetzten Sehscharfe war, wie erwähnt, sehr an- sehnlich, z. B. von S. = Vao auf S. = Vst ja in einem Falle Ton As = 15 D. wurde S. auf das Vierfache gehoben.

Diese Coincidenz von Eeratoconus mit starkem regu- lärem As ist bisher nicht bekannt gewesen; nur Javal erwähnt in seiner jüngsten Publication (Troisi^me Gontri- bution k l'Ophthalmom^trie, Annales d*Ooulistique t. 89, p. 14) einen Fall von Keratoconus, bei welchem durch einen Cylinder von 5 D. eine namhafte Verbesserung des Sehvermögens erzielt wurde. Mauthner sagt (Optische Fehler des Auges, Wien 1876, pag. 788) ausdrücklich: ,,beim Keratoconus ist selbst im Beginne des Leidens durch cjlindrische Gläser wenig oder Nichts zu erreichen." Da bei unseren Kranken der bedeutende Astigmatismus nie- mals fehlte^ so müssen wir ihn, wenn nicht für einen Constanten, so doch sehr häufigen Begleiter des Kerato- conus halten. Wenn diese Thatsache bisher der Beob- achtung entgangen ist, so liegt der Grund wohl darin, dass man den betreffenden Kranken schwache Cylinder- gläser vorgehalten hat, die* natürlich keine nennenswerthe Wirkung ausübten. Man muss hier die Prüfung mit den stärksten der üblichen Cjlinderlinsen beginnen, und man wird in der Begel eine sehr erhebliche Verbesserung con- statiren. Beginnt man die Untersuchung mit der ophthal- mometrischen Prüfling, so ist jeder Irrthum ausgeschlossen.

Bei den sehr unbefriedigenden Erfolgen, welche die bisher geübten Operationsmethoden bei Keratoconus auf- zuweisen haben und der Schwierigkeit, den Kranken die in einzelnen Fällen allerdings nützlichen hyperbolischen Gläser zu verschaffen, dürfte die Thatsache, dass durch starke Gylindergläser in fast allen Fällen palliative Hülfe gebracht werden kann, nicht ohne praktische Bedeutung sein.

u. Wiioufo. ZusaanaaÜBDst äsr hwäEradis Astigna- 'i-mau Uli: kaiu*-ü-L Lctaa- Eteia. äk öA nicht mit l;**-imiiutiH;K aüff^b-t. -W-ahsäeiiiiicL ginb äer ^.üüru-i. o->«ft £mfius anf dk .::,«ab dar Sanfaam ^-^liw. ÜB fl.jniaufi Auff?r em cäsbiidiflr ist. hin- eine i^^ra^'^u, h'/^t. üiid üin er ar der Terdfimiam. iminr

H'^'i.^fe Viri:uiijr»;t. ait i^ uarmiiier Xüefe nnd TTider- «UuaH!ä.at:L^,: ü- Jß^uwim. I^ Liöcmd: altem ]am> aws- difc A.r6c„.,iüui,? ^iök jn alig, rülien fi±]arfin: «• ♦«fum? <l,e Ct»'.,«. ins Terticüai Meddan starker ct i:rt.mui^ Uüd im i-rizyn-Äi-n i.l.zu&icLen. ide vir ohsn i^-y. o^m Whucii^r udt dan Zaire am i»i«rlifl gesehen iu;Uii.^ Ja G.ui Fi.üe tm ^am «o«=s2Tem Asnsmatisnras ♦•^ü LO IJ. »W »ar dw Ttrticaie Meridian dar flachere: *^fc tLtjb*«;!, hier albo i,«i anöere ml-Äamoe Factoren

Im 0»r?*:üfcatz»- rujaa Ktratoconns haben wir in anem nik y<m ßuphtiialmoB. welcher am reehten Anee eines 2wejjäbfig^o KJr.de«> »>eoba(.hM imrde. bd ener Herahaat- ba*Jb voo 14 Mm. einen grossen Homhantradios von HJi hUn., '4\m keinen Astigmatismas geftmden. Das linke hm war gesund und hatte emen Homhantradius tod H Hm. hl einem anderen Falle Ton colossalem Buph- tJwliiio« wurde sogar ein Hornhautiadius Ton 10 Mm. cynstatirt.

III. Glaacom.

Wohl bei keinem krankhaften Zustande des Auges iHt die genaue Kenntniss der Homhautform von grösserer Wicliligkeit al« beim Glaucom. A priori sollte man meinen, doüs die colossale Erhöhung des Binnendruckes, wie wir Hie in vielen FäUen von Qlaucom beobachten, nicht Platz greifen könne, ohne die Krümmung der Cornea

113

zn yerftndem. Eelmboltz hat in seiner ersten Veröffent- lichung aber das Ophthalmometer*) die Yermuthnng aus- gesprochen, dass bei zmiehmendem intraocularen Dmcke die Homhant in ihrer Form sich der Kugelgestalt des Bulbus durch allmähliche Yerstreichung des sclerocor- nealen Falzes nähern und demnach sich abflachen dürfte. Schelske's**) experimentelle Untersuchungen an Thier- äugen haben diese Annahme, wenigstens innerhalb ge- wisser Grenzen, bestätigt. Seitdem hat man sich der An- nahme zugeneigt, dass die Hornhaut im Glaucom flacher werde.

Die ophthalmometrischen Messungen glaucomatöser Hornhäute, welche von Donders, Goccius und Mauthner ausgeführt wurden, haben indess keine aufiallend grossen Hornhautradien aufflnden lassen; Donders will jedoch aus diesen Befunden keinen positiven Schluss ziehen, weil die Messung in Folge ungenauer Fixation keine hinreichend zuverlässigen Resultate geben konnte. So ist denn die Frage nach der Form der Hornhaut im Glaucom noch eine offene und der erneuten Prüfung werth.

Was zunächst die Abflachung der Cornea bei plötzlich stark erhöhter Spannung betrifft, so habe ich mich von derselben am ausgeschnittenen todten Schweinsauge mittelst des Ophthalmometers leicht überzeugen können. Das frische todte Schweinsauge zeigt im Vergleich zum mensch- lichen Auge grosse Homhautradien, 8,5—9,5 Mm., und in der Begel einen Homhautastigmatismus von 1,5—2 D. der Art, dass der Meridian, welcher dem längeren Durchmesser des Homhautoyals entspricht, der schwächer gekrünmite ist. Erhöht man den intraocularen Druck durch Ein- spritzung Yon Wasser in den Glaskörperraum, so dass der Bulbus sich ganz prall anfühlt, so zeigt die Untersuchung,

*) Arch. f. Ophthalm. Bd. L 2, p. 17. ♦*) Arch. f. Ophthalm. Bd. X. 2, p. 1-46.

V. Qraefa't Archiv fQr Ophthalmologie, XXX. 1.

114

dass die Cornea sich erheblich abgeflacht hat; der ErOm- mungsradius im Centram hat mn 0,3 0,5 Mm. zu- genommen; zugleich hat eine messbare YergrOssemng der Hornhaut in allen ihren Durchmessern stattgefunden, sie ist, wie sich erwarten lässt, nach der Peripherie hin gedehnt worden ein Verhalten, auf welches ich an einer anderen Stelle'*') hingewiesen habe. Hinreichend frische Augen aus menschlichen Leichen standen mir nicht zu Gebote, so dass ich aus eigener Erfahrung Qber ihre Beaction gegenüber der plötzlichen maximalen DruckerhOhung nichts Sicheres auszusagen vermag. Doch giebt schon Helm- holtz **) an, dass unter diesen Umständen die Hornhaut sich abflacht.

Es ist indessen klar, dass zwischen dieser urplötzlichen Drucksteigerung und der selbst in acuten pathologischen Fallen viel allmählicheren ein Unterschied obwaltet, und dass Yon den Wirkungen der gewaltsamen Spannungs- erhOhung nicht ohne Weiteres auf das Verhalten im Glaucom geschlossen werden darf. Die directe Beobach- tung lehrt, dass diese Beserve wohl begründet ist.

Eine Anzahl von Fällen von abgelaufenem Olaucom, meistens acuten Formen, konnte ophthalmometrisch unter- sucht werden, weil die Hornhaut noch ziemlich scharfe Beflexbilder lieferte. Die Homhautradien schwankten zwischen 8,1 und 8,3 Mm., fielen also noch in die physio- logische Breite. Lehrreicher und beweiskräftiger scheinen mir jedoch die durch eine Beihe von Monaten fortgesetzten Beobachtungen an Augen, welche am An&ngsstadium des chronischen Glaucoms und an dem sogenannten Prodro- malglaucom litten. Als Beispiel führe ich eine 50jährige Frau an, welche vor Jahren wegen acuten Glaucoms auf dem linken Auge iridectomirt worden war und auf dem

*) Gentralblatt <L med. Wissensch. 1872, No. 37. **) Arch. f. Ophthalm. I. 2, p. 16.

115

rechten Auge seit längerer Zeit an periodiscbem Farben- sehen und zeitweise an DruckerhOhung und Arterienpal- sation leidet. Das rechte Auge hatte beim Begmn der Erkrankung eine Hp. von 2 D., im Lanfe von 2—3 Jahren hat dieselbe allmählich sich auf 3 D. nnd innerhalb der letzten 4 Monate auf 4 D. erhöht. Während die Be- fraction nm mindestens eine Dioptrie abgenommen, hat sich die Krümmung der Hornhaut nicht ver- ändert — wenn ein geringer Unterschied eingetreten ist, so war er eher im Sinne einer Erümmungsvermehrung zu deuten. Oft wiederholte und mannichfach controlirte Messungen haben bei dieser vortrefflich fixirenden Patientin immer das nämliche Besultat ergeben, und ich halte mich in Folge dessen zu dem Schlüsse berechtigt, dass die Hornhaut an der Be&actionsherabsetzung keinen Antheil hatte. Ein gleiches negatives Besultat lieferte die längere Beobachtung eines an beiderseitigem Olaucoma chronicum mit subacuten Anfällen leidenden jüngeren Mannes, welchen ich zwei Monate lang auf meiner Ab- theilung beobachten konnte und schliesslich iridectomirte. Seine Hornhäute wurden wiederholt in den freien Inter- vallen und während der Anfälle gemessen: eine irgend nennenswerthe Differenz konnte niemals aufgefonden werden. Ebenso wenig bei einem 69jährigen Manne mit chronischem Glaucom, bei welchem trotz einer correcten Iridectomie noch hier und da acute Anfälle auftreten. Auch konnte oft constatirt werden, dass die Entspannung glaucomatOser Augen durch Physostigmin ohne Einfluss auf die Gestalt der Hornhaut geblieben war.

Im Anschlass an diese Beobachtungen mOchte ich eine Erscheinung erwähnen^ welche mit der Frage nach dem Antheil der Cornea an den Veränderungen beim Glaucom in Zusammenhang steht, nämlich die nach er- folgreichen Olaucomiridectomien nachweisliche Befractions- erhöhung, auf welche ich in einem Vortrage auf dem

8*

116

internationalen medicinischen Congress in London*) im Jahre 1881 aufmerksam gemacht habe.

Schon A. V. Graefe**) war es aufgefallen, dass zwef seiner an Olauoom operirten Kranken nach der Iri- dectomie einen höheren Refractionszustand darboten, als vorher. Sie sahen mit einem starken Gonvexglase eine grosse Druckschrift mehrere Zoll weniger weit, als vorher, obwohl die Sehschärfe durch die Operation erheblich ge- bessert worden war. Es muss sich in diesen beiden Fällen um acute Olaucome gehandelt haben; denn A. von Oraefe bemerkt, dass beweisende Fälle sehr selten sind, weil die Trübung der Medien uns verhindert, exacte optometrische Resultate zu erhalten. In seinen späteren Arbeiten er- wähnt indess der Schöpfer der Glaucomlehre diese That- sache nicht weiter, und von anderer Seite ist sie meines Wissens nicht beachtet worden. Ich bin nun auf Orond meiner Beobachtungen zu dem Resultate gelangt, dass sie eine constante Erscheinung ist und in den zur Untersuchung geeigneten Fällen niemals vermisst wird.

Meine Erfahrungen beziehen sich auf 12 Augen von 11 Kranken, die mit verschiedenen Formen des Glaucoms behaftet waren. Es sind unter ihnen das sog. Prodromal- stadium, das acute Glaucom, das chronische mit subacuten Anfällen, das Glaucoma simplex und das Secundärglaucom in Folge von Pupillarverschluss vertreten. Die Zahl der Fälle hätte grösser sein können, wenn nicht diejenigen ausgeschlossen worden wären, in denen eine genaue Fest- stellung der Refraction vor und nach der Operation auf grosse Schwierigkeiten gestossen wäre. In der That sind nur diejenigen Fälle zu verwerthen, bei denen das Seh-

*) Transactions of the International Med. Congress. Vol. IIL pag. 83.

♦*) Arch. f. Ophth. IV. 2. p. 140.

117

TermOgen noch ein hinreichend gntes ist, nnd welche man lange Zeit hindurch in Beobachtung behalten kann. Am geeignetsten sind die Kranken, welche bereits ein Auge durch Glaucom verloren haben und den Ausbruch der Krankheit auf dem zweiten Auge erwarten. Die Hälfte meiner Patienten befand sich in dieser Lage.

Die folgende Tabelle III, welche ich seiner Zeit dem Londoner Congress vorgelegt habe, die aber bisher nicht publicirt worden ist, gibt über die Form und Dauer des Glaucoms, sowie Hber die Grösse der Befractionsdifferenz und die Beobachtungsdauer näheren Aufschluss. Bei den- jenigen Kranken, die ich seitdem wiedergesehen habe, ist die Angabe über die Beobachtungszeit in entsprechender Weise modificirt worden.

Man sieht, dass die Grosse des Befractionsunterschiedes von 0,75 D. in einem Meridian bis zu 4 D. varürte. Die geringsten Differenzen zeigen die Frodromalglaucome, aber grade diese sind der guten Sehschärfe und der langen Beobachtungsdauer wegen ganz besonders beweiskräftig. Beim Glaucoma simplex, welches längere Zeit bestand, findet sich schon eine etwas höhere Differenz und am be- deutendsten ist sie bei den acuten Formen; hier ist sie so evident, dass sie weit jenseits der Grenzen der möglichen Beobachtungsfehler liegt. Der vorher vorhanden gewesene Befractionszustand scheint für das Zustandekommen der Erscheinung ohne Bedeutung zu sein; eine vorher be- standene Hypermetropie wird eben vermindert, eine Myopie erhöht y ein hypermetropischer Astigmatismus in einen niederen oder in einen myopischen umgewandelt. Die Grösse der Differenz scheint dagegen abzuhängen von der Intensität und Dauer der glaucomatösen Drucksteigerung. Die hohen Werthe (Fall 4 u. 6) betrafen nämlich Fälle, in denen das acute Glaucom wochenlang bestanden hatte nnd die Operation spät, wie wohl noch mit gutem Erfolge, ausgeführt worden war. Die lange Zeit der Beobachtung

118

S 8

o

I

a

'S

o

I

^1

:§■§

1=1

MW

s

< P

•öS' )

3 Si

1

•il

'<S'

I

1-5

I -1

Hl

I

•li

2«!

asi

Ol ©Jpg

I

§•1

PS

^ o

»'S

1

0-3

1-4 c8

S3

p«o

aj§ lll |||J

I

<5'Ö

SP

&^

•3

^

a'

cd H

iS 'S g O

II

SI8

•rj I9p0 *^

03

«

ö5^

!jqo9iqo89£)

^

•OK

PR

-^ liO

P=4

ä c ^ S S 2

1-9 S

a.s|

•o o g

!^

?^

»

»

119

vieler Fälle lehrt, dass die BefiractionserhOhung dauernd war und als bleibend angesehen werden muss, und von den vorübergehenden Befractionsveränderungen, welche der Wundastigmatismus bedingt, vollständig zu unterscheiden ist Da sie nach Iridectomien aus anderen Ursachen nicht gefunden wird, so sind wir berechtigt, sie als eine dem Olaucom eigenthümliche Erscheinung anzusprechen.

Auf welchem Wege kommt nun diese künstliche Myopie zu Stande? Sehen wir von der sehr problematischen Veränderung des Brechungsindex der Medien ab, so kann man sie sich auf vier verschiedene Arten entstanden denken, nänüich

1. Durch die Yerlftngerung der Axe am hinteren Pol.

2. Durch ein Vorrücken der Linse.

3. Durch eine stärkere Krümmung der Linse.

4. Durch eine stärkere Krümmung der Hornhaut. Jedes dieser Momente könnte für sich allein oder in

y^bindung mit den anderen die fragliche Erscheinung zu Wege bringen.

Die ersten beiden Factoren können wir ohne Weiteres eliminiren. Von einer Ausdehnung des Bulbus am hinteren Pole kann keine Bede sein; es handelt sich hier um ge- halte Olaucome; wenn der vorher erhöht gewesene Binnen- druck nicht zu einer Ectasie am hinteren Bulbusumfange gefohrt hat, so wird es im Stadium der Druckverminde- rung erst recht nicht zu einer solchen kommen können. Auch das Vorrücken der Krystalllinse kann nicht in Be- tracht fallen; ihm widerspricht die klinische Thatsache, dass nach erfolgreicher Lidectomie die vordere Kammer an Tiefe zoninmit. Es bleiben also nur die beiden letzten Mög- lichkeiten übrig. Schon in dem oben erwähnten Vortrage habe ich mich aus Gründen der Wahrscheinlichkeit dahin ausgesprochen, dass es nicht eine Krümmungsveränderung der Cornea, sondern der Linse sein müsse, welche die er- worbene Myopie bedingt. Jetzt, nachdem durch Ophthal-

120

metrische Messungen bewiesen ist, dass die Cornea im Verlaufe des Olaucoms ihre Form nicht ändert, ist diese Annahme nahezu zur Oewissheit geworden. Die Myopie nach der Qlaucomiridectomie hat demnach dieselbe Ursache, wie die Myopie, welche wir im Beginn der Cataractbil- dang so häufig beobachten, und wie die Kurzsichtigkeit^ die bei essentieller Phthise und bei idiopathischen Olas- kOrperblutungen zuweilen in sehr hohem Grade vorge- funden wird von der u. A. Nieden*) ein neues ecla- tantes Beispiel mitgetheilt hat.

Ist diese Schlussfolgerung aber richtig, so wird unser Augenmerk auf die Zonula Zinnii und ihre Nachbarschaft, als auf den Sitz pathologischer Veränderungen im Olau- com hingelenkt; denn eine Vermehrung der Linsenkrüm- mung ist ohne Aenderung der Spannung der Zonula nicht denkbar. Man muss sich daher wohl vorstellen, dass die im Verlaufe des Olaucoms zuweilen zu beobachtende Be- fractionsverminderung von einer zu starken Spannung, die nach der Iridectomie eintretende Refracüonserhöhung von einer Erschlaffung der Zonula herrfihrt. Unterstützt wird diese Auffassung durch die neueren anatomischen Unter- suchungen, besonders die von Priestley Smith, welche eine Verengerung des circumlentalen Raumes durch genaue Messungen festgestellt haben und diesem, wie es scheint, im glaucomatOsen Auge constanten Befunde eine grosse Bedeutung vindiciren.

rV. Andere pathologische Affectionen und Bildungsfehler.

Es wurden einige Fälle von einseitigen, frischen und älteren Augenmuskellähmungen untersucht, Paralysen des Trochlearis, des Abducens, Facialis und des Musculus

*) Bericht über die Versammlang der Ophthalmologischen GeteUsehaft eu Heidelberg 1882. p. 11.

121

cfliaris; es worden jedoch' keine nennenswerthen Differenzen in der ErOmmnng der Hornhaut zwischen der kranken und der gesunden Seite gefunden. In einem Falle von Kera- titis parenchymatosa, welcher einen 16jährigen jungen Mann betraf, dessen Augen vor der Erkrankung emmetro- pisch gewesen waren, zeigte sich ein Jahr später, nachdem die Trübungen nahezu vollständig zurückgegangen waren, beiderseits ein As myopicus von 1,5 resp. 2 D. mit stärker- brediendem, horizontalen Meridian.

Bei einem Kranken mit beiderseitigem angeborenen Coloboma iridis et chorioideae nach unten und innen fimd sich jederseits ein As von 1 —1,5 D., dessen Haupt- meridiane der Bichtung des Coloboms der Iris entsprachen. Doch glaube ich hierauf keinen Werth legen zu dürfen; denn in einem andren Falle von einseitigem Coloboma iridis fand sich zwischen der Hornhaut der kranken und gesunden Seite kein wesentlicher Unterschied. Dagegen Yerdient vielleicht als nicht zufällige Coincidenz bemerkt zu werden, dass in einem Falle von beiderseitigem Schicht- staar beiderseits ein As von 3 D. (mit stärker gekrümm- tem verticalen Meridian) bestand, welcher auch nach der Verrichtung einer schmalen Iridectomie persistirte, und dass bei einem Kranken mit Cataracta mollis congenita des rechten Auges ein As von 2 D. nachweislich war, während das gesunde linke Auge nur einen minimalen Astigmatismus darbot.

In mehreren Fällen von Iritis plastica und in einem Falle von Iritis tuberculosa wurde während einer längeren Beobachtungszeit keine Veränderung des Homhautradius gefunden; dagegen liess sich in einem Falle von sogenannter ritis serosa allerdings während des Verlaufs der Krank- heit eine Veränderung der Hornhautkrümmung nachweisen« Dieser Fall betraf ein junges Mädchen, dessen linkes Auge eine intensive entzündliche ASection des Tractus uvealis mit zahlreichen Beschlägen auf der Descemet'schen Mem-

122

bran und starken GlaskörpertrUbongen darbot, w&hrend das rechte Ange gesund blieb. Die erste TJntersaohang fand 14 Tage nach Beginn der Erkrankung statt. In den nächsten vier Wochen trat eine allmählich zunehmende Ab- flachung des horizontalen Meridians ein (bis zum Werthe von 1,5 D.X der verticale Meridian blieb unverändert. In den folgenden 3 4 Wochen ging diese Abflachung wieder zurück; eine wesentliche Besserung der Affection war nicht eingetreten. Bei dieser Gelegenheit sei daran erinnert, dass Pflüger*) und ich**) im Verlaufe der Iritis serosa schon früher erhebliche Befractionsyermehrnngen beobachtet und beschrieben haben.

Die angegebenen Fälle stehen noch zu vereinzelt da, als dass man allgemeine Schlüsse aus ihnen ableiten könnte; doch scheinen sie mir als der Anfang einer Car- suistik einiges Interesse zu bieten.

G. Operationen.

Unter den Operationen, welche die Krümmung der Hornhaut zu verändern im Stande sind, konunt zunächst

I. die Staarextraction

in Betracht. Es ist nicht leicht, über die Wirkungsweise derselben völlig in*s Klare zu kommen. Um dieselbe fest- zustellen, wäre es nöthig, eine grosse Anzahl cataractOser Augen vor der Operation ophthalmometrisch zu unter- suchen, alsdann die nämlichen Augen kurze Zeit nach der Operation wieder zu messen, die Messung in anfangs kürzeren, später längeren Intervallen zu wiederholen und endlich eine Homhautmessung nach Ablauf von mindestens einem Jahre vorzunehmen. Nur wenn diese Bedingungen

*) Klin. MonatsbL t Augenheilk. XIIL p. 106. **) Nagel's Jahresbericht VL Jahrg. p. 251.

123

eifBllt wären, könnte man den Einfluss der Operation und die etwaigen Gestaltveränderangen schrittweise verfolgen und das definitive Ergebniss mit Sicherheit feststellen. Schon das erste Erfordemiss ist schwer zu erfüllen. Nur bei einem Theil der cataractOsen Augen ist die ophthal- mometrische Untersuchung mit einiger Aussicht auf Erfolg durchzufahren, nämlich nur bei denjenigen Kranken, welche sich noch auf dem zweiten Auge eines hinreichend guten SehvermOgeos erfreuen, um mit demselben gut fixiren zu können; dann kann man das cataractOse Auge noch leidlich während der Messung feststellen und ein ziemlieh befriedigendes Besultat erreichen. In einem kleinen Theil unserer Fälle ist uns das auch gelungen. Nach der Operation wird man aus naheliegenden Gründen in den ersten 8—9 Tagen auf die Untersuchung verzichten müssen; gerade in dieser Periode finden aber höchst wahrscheinlich die stärksten Veränderungen statt. In der Zeit nach der Entlassung der Kranken aus der Anstalt wird die Unter- SQchungsreihe nothwendig häufig lückenhaft sein, da man einen grossen Theil der auswärtigen Staaroperirten aus dem Gesichte verliert und besonders nach langer Zeit nicht mehr wiedersieht. Diese Umstände erklären wohl zur Genüge, dass unsere Tabelle, obwohl sie eine ziemlich grosse Zahl von Fällen enthält, doch auf viele Fragen nur unToUständige Auskunft zu geben vermag. Immer- bin können einige Ergebnisse als feststehend angesehen werden.

124

Tabelle IV. Veränderungen der Homhautkrümmung nach der Cataract-Extracti

1

^1

Alter

Erste üuter-

suchung

nach

Äst

Letzte Untßr^

snchnng nach

ML

Bemerkunge

1

M.R.

72

7 Wochen

1,5 reg.

13 Wochen

1,0

2

H.L.

72

2| Jahren

1,75

yacat

1,75

3

P.R.

16

9 Monaten

0,75

14 Monaten

0,75 reg.

4

F. L.

16

8 ,

3^irreg.

14 .

0,75 irreg.

nate nmoh der Op noeh eine eel&r star dernng.

5

M.R.

65

19 Tagen

1,5 reg.

yacat

6

F. R.

60

20 ,

5,0 ,

vacat

7

M.L.

60

21

1,5 .

vacat

8

KR.

65

60

3,5 .

yacat

9

V.L.

60

14 ,

4,0

10 Wochen

0,5 irreg.

lA 1 I> und verw Biob ■ohlieesllch V. entgegengeeetzta

10

F. L.

30

8 .

3,0 .

16 Tagen

2,0

Vor der Operation Asi

11

P. L.

62

8 Monaten

3,5

yacat

12

M. L.

55

8

3,0

yacat

13

M. L.

70

2}i Jahren

1,0

yacat

14

M.L.

78

8 Monaten

3,0

yacat

15

F. L.

70

20 Tagen

2,0 irreg.

90 Tagen

2,75 irreg.

Vor der Operation A Irregulär.

16

F. R.

60

4 Jahren

1,5 .

yacat

17

M.L.

75

4 .

6,0

yacat

Sehr itarke Veniehi] PapiUe nach oben.

18

F. R.

60

14 Tagen

3,5 reg.

21 Tagen

2,5 reg.

19

F. R.

59

12

6-7

42 ,

7,0 .

Vor der Operation kc KeinOrond ersieht den enormen A«t . WiuidbeM»liafrienhei

20

F. R.

eo

17

3,5 .

21

3,0

21

M.L.

65

12 .

2,25 ,

90 ,

0

Ast. vencbwnnden.

22

F. L.

52

10

7,0

35 ,

4,5

23

M.L.

67

9

6,0 .

20 ,

5-6,0 reg.

Extraotlon nAch ante

24

F. R.

41

11 n

2,0

19 ,

1,5 reg.

25

F. L.

57

9

4,5 «

75

2,5 ,

26

F. R.

50

3 Monaten

1,8 .

yacat

27

M.R.

66

2 Jahren

0,75 irreg.

yacat

28

M.R.

67

14 Tagen

3,0 reg.

21 Tagen

3.0 ,

29

F. L.

45

12 ,

1,6 ,

20 ,

1,0

Vor der Operation Asi irreg. coutaUrt aleo reu am 8,0 D.

H.R.

62

6 Jahren

1,25 ,

yacat

126

ci Alter

'= Jahn

Erste Unter-

gachong

nach

Ast

D.

Letzte

Unter-

snchong

nach

Ast.

D.

Bemerkungen.

LL 57

16 Jahren

2^ reg.

yacat

Nach anten extrahirt.

•L 55

16 Tagen

2,0 ,

5 Monaten

0,75 reg.

LL. 25

3 Jahren

4,0

yacat

NMh nuten ertrahlrt.

LP.! 65

13 Tagen

16,0 ,

25 Tagen

15,0 reg.

QlMkOrpeiTorfmll wXhrend d«r Op«rmdon, unr«gel- mÜMlge Wondheilang.

LL 66

18 ,

7,0 ,

22 ,

6,0 reg.

LL 60

18 ,

5,5 ,

LLl 54

11 n

6,0 ,

18 ,

4,5 ,

LL 63

13 «

6,0 ,

21 «

5,5 ,

Anmerkung. Die Bezeichnong regal&r in dieser Tabelle bedeutet^ dass der icAle Meridian nach der Operation der flacher gekrümmte ist.

Es ergiebt sich zunächst, dass bei den innerhalb der ersten 14 Tage nach der Operation UntersuchteD aas- nahmslos ein ansehnlicher, meist ein sehr starker As ge- fanden ward. Derselbe betrog im Minimnm 1,5 ^2,0 D., gewöhnlich war er viel stärker, nämlich 3~-4 t)., auch Grade von 6 7 D. fanden sich nicht selten, ja in einem Falle (No. 34) von allerdings irregulärer Wundheilung sogar ein As von 16 D. Der verticale Meridian war in den untersuchten Fällen stets der der geringeren Krümmung. Fall 19 und 29, welche vor der Operation untersucht werden konnten, beweisen, dass der As in der That erst nach der Operation entstanden war. Warum in dem einen Falle ein geringer, in dem andern sich ein sehr starker Astigmatismus entwickelt, ist nicht immer verständlich gewesen. Es liegt nahe, die Grösse der Wunde und die Art der Wundheilung mit dem Orade des Astigmatismus in Zusammenhang zu bringen. Auch an den Einfluss des Alters und den von diesem abhängigen Elasticitätsgrad des Homhautgewebes könnte man denken. Es fanden sich aber Fälle von hochgradigem As bis 7 D. bei absolut

136

nonnaien WcndTerbäitcisseii; es mässoi also hier noch andere unbekannte Faetoren ndtspielen.

Die üntersüehnng nach Ablauf der 2. Woche bis ehra zom 25. Tage ergiebt immer noch ansehnliche, wiewohl weniger hohe Astigmatismüsgiade. In dieser Periode worden aoch FäUe ron As gefonden« bei denen der ver- tieale Meridian der starker gdiümmte war. Fall 15 be- weist, dass dieser 'irregolare As eben&lls in Folge der Operation entstehen, resp. sieh yergrOssem taum auf welchem Wege ist absolut nnerklärlich. Die Falle, welche l&ngere Zeit hindurch verfolgt werden konnten lehrten, dass der Astigmatismus sich langsam bis etwa zum Ende des dritten Monats noch yermindert; die stärkeren Grade zeigen Yerhältnissmässig einen lang- sameren Backgang als die mittleren. Ausnahmsweise wurde einmal bei einer jugendlidien Patientin (ia Fall 4) noch eine stärkere Aenderung in einer viel späteren Periode, nämlich zwischen dem 9. und 14. Monate nach der Ope- ration mit Sicherheit nachgewiesen. In der Begel aber ändert sich nach dem 3. 4. Monate der Zustand nicht mehr und darf wohl als definitiv gelten.

Die Messung der Hornhäute ?on Augen, welche vor langer Zeit der Staaroperation unterworfen worden war, ergiebt nun, dass der Äs niemals oder fast niemals gänz- lich verschwindet. Es bleibt gewöhnlich ein As mit flacherem verticalen Meridian zurück, welcher ansehnliche Grade erreichen kann, hier und da findet sich auch ein As mit stärker gekrümmtem verticalen Meridian. Die Fälle, in denen ein starker Astigmatismus persistirt, be- trafen auch jugendliche Individuen.

Als Ursache des Astigmatismus ist ohne Zweifel die Continuitätstrennung der Gewebe am Homhautrande an- zusehen; die Wundränder legen sich nicht absolut genau aneinander, sondern der centrale Wundrand überragt ein wenig den nach der Peripherie gelegenen. Dass ein solches

127

Yerhalten den Astigmatismus erklären kann, hat Leopold Weiss *) nachgewiesen. Es kommt wohl auch noch die YolümsYermehrong durch Imbibition der Wundränder, eine Art Qnellung der Cornea in Betracht, welche wir nach Analogie des Verhaltens getrennter Hautstflcke bei der Vereinigung per primam annehmen dürfen. Mit vor- schreitender Heilung verschwindet die Imbibition, und der centrale Wundrand wird durch den Vemarbungsprocess an die Sclera herangezogen; demgemäss wird der Astigmatis- mus geringer, ohne jedoch ganz zu yerschwinden. Ob die Extraction nach oben oder nach unten verrichtet worden, ist hierbei gleichgültig. Dass diese Erklärung zutreffend ist, wird dadurch bewiesen, dass derselbe Astigmatismus nur in geringerem Grade, auch nach her Iridectomie zu Stande kommt, wie ich in 4 Fällen nachweisen konnte.

Dagegen entziehen sich die seltenen Fälle von Astig- matismus mit stärkerer Krümmung des verticalen Meridians zur Zeit noch einer rationellen Erklärung.

Eine Berücksichtigung bei der Brillenverordnung ver- dient der Astigmatismus nur bei jugendlichen Individuen, und wenn er 2 Dioptrien überschreitet. In geringeren Graden darf er vernachlässigt werden; die Kranken corri- giren Um zuweilen instinctiv, indem sie ihre starken Con- vexgläser ein wenig schief setzen.

II. Die Schieloperation.

Man sollte glauben, dass unter allen am Augapfel verrichteten Operationen keine einen grösseren Einfluss auf die Homhautform äussern müsste, als die Tenotomie. Es liegt nahe anzunehmen, dass der starke Zug, welchen der verkürzte Muskel auf die Sclera und mittelbar durch

♦) Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde Bd. VI. Abth. 1, p. 76-83.

128

diese auf die Cornea ausübt, letztere in horizontaler Rich- tung abflacht, und dass andererseits die Aufhebung des ab- normen Muskelzuges eine Wirkung im entgegengesetzten Sinne hervorbringt. Von diesen Annahmen ausgehend, hat H. Knapp*) bereits vor mehr als 20 Jahren eine An- zahl schielender Augen ophthalmometrisch untersucht und sich dabei speciell die Frage vorgel^, ob die damals statuirte Besserung des Sehvermögens nach der Schiel- operation auf eine durch die Tenotomie bewirkte Aende- rung der Homhautform (Aufhebung eines vorher bestandenen Astigmatismus) zurückzufahren sei. Obwohl die Besultate nicht alle übereinstimmend waren was sich durch den Mangel an scharfer Fixation bei schieloperirten (amblyo- pischen) Augen leicht erklärt so gelangte Knapp doch zu der Anschauung, dass die Schieloperation keinen deut- lichen Einfluss auf die Form der Hornhaut habe, und dass die supponirte Besserung der Sehscharfe andere Ursachen haben müsse. Die Frage nach diesen Ursachen wird heut- zutage kaum mehr aufgeworfen, weil eine reiche Erfahrung gelehrt hat, dass die angebliche Besserung des Sehver- mögens nach der Tenotomie auf einem Irrthume beruht; es handelt sich entweder um ungenaue Bestimmungen der Sehschärfe vor der Operation oder um eine nur durch die leichtere centrale Fixation vorgetäuschte Verbesserung. Was aber Knapp's Schlussfolgerungen aus den ophthal- mometrischen Beobachtungen betrifft, so kann ich die- selben vollauf und gestützt auf völlig zuverlässige Unter- suchungen bestätigen und noch bestimmter formu- liren: Die Schieloperation lässt die Hornhaut wesentlich in derselben Wölbung zurück, welche sie vor der Operation hatte. Kleine Schwankungen im Werthe des Homhautradius kommen zwar in den ersten Wochen nach der Operation vor und sind wahrscheinlich

*) KlixL Honatabl. f. Augenh. 1863, p. 474-478.

129

auf den Yemarbungsprocess zu beziehen; von der Heilung eines etwa vorhanden gewesenen Astigmatismus kann aber keine Sede sein. Das definitive Resultat ist ein solches, dass sich eine irgend nennenswerthe Differenz überhaupt nicht findet

Wir haben eine grosse Zahl schielender Augen vor und nach der Operation ophthahnometrisch untersucht, uns aber überzeugt, dass die Messung der Hornhaut des permanent schielenden Auges in Folge der Amblyopie und der schlechten Fixation desselben keine brauchbaren Werthe liefern kann. Aus diesem Grunde haben wir uns aus- schliesslich an sehkräftige, völlig fixationsfähige Augen intelligenter Individuen gehalten, an denen die Tenotomie wegen hochgradigen Strabismus convergens des anderen Auges (als zweite complementäre Operation) verrichtet werden musste, nachdem die Bücklagerung des Internus am ersten Auge bereits ausgeführt worden war. Die nachfolgende Tabelle V umfasst nur solche Fälle von ausgiebigen Teno- tomien des B. internus. Bezüglich der Methode sei be- merkt, dass die Conjunctiva vor der Ablösung der Muskel- sehne in grossem Umfange gelüftet und nachher durch eine von oben nach unten angelegte Sutur vrieder ver- einigt worden ist.

Aus der Tabelle geht hervor, dass der unmittelbare Effect der Operation bezüglich der Hornhautform null ist; denn in den Fällen 1, 2 und 4, in denen die erste Unter- suchung innerhalb 24 Stunden nach der Tenotomie vor- genommen wurde, liess sich so gut wie kein Unterschied nachweisen. In manchen Fällen bleibt dieser Zustand während der ganzen Heilungsdauer, so z. B. in Fall 4, welcher freilich nur 6 Tage lang verfolgt werden konnte, und in einem andern, der mehrere Wochen verfolgt werden konnte, aber nicht in die Tabelle aufgenommen worden ist, weil die Sehschärfe nur = Vs war. In den meisten Fällen zeigen sich vom 3. bis 6. Tage, zuweilen auch noch später

T. arMfe*s ArehlT fttr Ophthalmologie, XXX. 1. 9

y

I

^ S'^ '* '-;

, t;:-« i^- ^^^

-^-^ "i

4^

?. 5^5 = 5^ £1-^ = r

: -=>- 5-='

-V ^^-g ^^. i^. S.

^

^

H^ ^5?« :i2^^ j?g5 555' ^='^ $=s

^::i t -s 2 - -

I

it\f Utk

^ ^ :g z z

•- I l^*^ X^ »-«D «5. ^

553 ;i^ S'5f' ^g S5!

li !

J' .

^ »^

ua

J3 >■ 1

^ >

2

W.13

^

«

>*

•o 1

«c

^s

^

131

Differenzen und zwar bald im Sinne der Abflachung, bald im Sinne der vermehrten Wölbung. Die letztere scheint häufiger vorzukommen und betrifft merkwürdigerweise Öfter den verticalenr Meridian. Immer aber sind die Unterschiede unerheblich und übersteigen den Werth von 1 D. der Brechkraft der Cornea niemals. Das definitive Besultat fällt daher verschieden aus, aber eine nenneuswerthe Diffe- renz g^en den Zustand vor der Operation kommt nicht zu Stande.

Im Anschluss an die Schieloperation seien hier die Beobachtungen erwähnt, welche wir bei Pterygien gemacht haben. Kleine Pterygien üben keinen Einfluss auf die Ge- stalt der Hornhaut aus; grossere scheinen einen abflachenden Effect auf den Meridian zu üben, welcher der Richtung ihres Zuges entspricht. Dies scheint aus zwei Fällen ein- seitigen Pterygiums hervorzugehen, bei denen das kranke Auge einen ansehnlichen As (2 3 D.) mit al^eflachtem horizontalen Meridian darbot, während das gesunde Auge nur einen sehr geringen Astigmatismus zeigte. In einem dieser beiden Fälle wurde das nach innen gelegene Flügel- fell abgetragen; die Spannung der Hornhaut verschwand, der As ging auf 0,5 D. zurück und bot am 5. Tage, zur Zeit der Entlassung der Kranken, noch diesen geringen Werth. Als aber nach zwei Monaten die Patientin wieder untersucht wurde, ergab sich, dass der As wiederum so stark geworden war, wie vor der Abtragung, ohne dass das Flügelfell recidivirt wäre.

D. Verletzungen.

Dass erhebliche Verletzungen, zumal solche, welche Gontinuitätstrennungen der Gewebe des Augapfels bewirk- ten, nicht ohne Einfluss auf die Form der Hornhaut bleiben können, darf nicht überraschen. Wenn man bedenkt, dass die zufälligen Verletzungswunden durchschnittlich mehr

9*

132

Qaetschnngen der Gewebe setzen, als die durch Opera- tionen bewirkten und aus diesem Grunde fast nie so günstige Heilnngsbedingongen darbieten, so ist man be- rechtigt zu erwarten, dass sie die Gestalt der Homhaat energischer modifidren werden, als unsere künstlichen Operationswunden. Die Beobachtung von mehr als 20 Fällen verschiedenartiger Verletzungen hat diese Er- wartung bestätigt.

Zunächst seien 3 Fälle frischer Stichverletzung erwähnt.

1. Fall. Stich mit einer Gabelzinke; perforirende Wunde der Sclera im verticalen Meridian, 4 Mm. nach unten vom Homhautrande. Kurz nach der Verletzung As von 4 D. mit stärkerer Krümmung des verticalen Meridians das andere Auge ist frei von As. Nach 5 Wochen hat sich an der Stelle der Wunde eine nach innen eingezogene Narbe gebildet. Der As besteht fort

2. Fall. Stich mit einer Heugabel im linken Auge eines Kindes. Kleine lineare perforirende Wunde der Sclera im horizontalen Meridian, 2 Mm. nach aussen vom Homhautrande. Resultat: As 3 D. mit stärker gekrümm- tem verticalen Meridian. 4 Wochen später derselbe As. Das rechte Auge hat einen As von 0,5 D.

3. Fall. Stichverletzung der Hornhaut durch einen Dom, etwas oberhalb des horizontalen Meridians 2 3 Mm. vom inneren Hornhautrande entfernt. Cataracta traumatica. Resultat: As von 6 D., der verticale Meridian stärker gekrümmt Das andere Auge hat einen regulären As von 1,5 D.

Obwohl in diesen drei Fällen die Lage der Stiqh- wunde eine sehr verschiedene war, einmal in der Sclera nach unten das zweite Mal in der Sclera nach innen, das dritte Mal, in der Cornea nach innen, so war doch in allen das Resultat dasselbe, nämlich eine vermehrte Wol-

133

bong des verticalen Meridians. Eine Erklärang dieser Erscheinung ist schwer zu geben.

Grosse und umfängliche Schnitt- oder Risswun- den der Cornea führen natürlich zu erheblichen Form- anomalien, meistens im Sinne starker Abflachung. Eine Schnittwunde der Hornhaut, welche 3 Mm. vom oberen Bande anfangend ungeföhr im verticalen Meridian verlief, and sich nach unten weit in die Sclera hinein erstreckte, fahrte nach der Heilung zu einem enormen As von 8 D. mit sehr starker Abflachung des horizontalen Meridians, geringerer des verticalen Meridians. Der As blieb mehrere Monate lang unverändert. In einem anderen Falle von Zerreissung der Cornea durch eine Porzellanscherbe, welche eine im innem unteren Drittel der Cornea verlaufende und weit in die Sclera sich erstreckende Wunde gesetzt hatte, zeigte sich nach der Heilung eine starke Abflachung in allen Meridianen; der Hornhautradius hatte Werthe von 9,1 ^9,5 Mm.; der verticale Meridian war der stärker ab- geflachte. Zwei Fälle von Zerreissung der Sclera am oberen Sclerocornealrande in Folge von einer starken Con- tosion (Verletzung durch das Hörn einer Kuh) mit Verlust der Linse und Abreissung der Iris hatten einen dauernden As von ca. 3 D. mit Abflachung des verticalen Meridians zur Folge, verhielten sich demnach ähnlich wie die an Cataract operirten Augen. Ein enormer Astigmatismus von mehr als 10 D. mit Abflachung des horizontalen Me- ridians wurde an einem Auge beobachtet, welches durch ein angeflogenes Holzstück eine perforirende Wunde am obem äusseren Homhautrande erlitten, und bei dem ein stark prominirender Irisvorfall sich gebildet hatte. Bei grösseren linearen Schnittwunden scheint die Sache sich so zu gestalten, dass zunächst der auf der Bichtung der Wunde senkrechte Meridian sich abflacht; später aber, wenn es nicht zur Staphylombildung konunt, in Folge der Vemarbung auch der der Wundrichtung entsprechende. So

134

sehen wir häufig an Augen, welche früher eine erhebliche Continuitätstrennung der Cornea erlitten hatten, die letztere in allen Sichtungen auffallend abgeflacht.

Dagegen wird die Hornhaut durch einfache Contu- sionen des Bulbus (ohne Zerreissung) in ihrer Form wenig oder gar nicht verändert. In einem frischen Falle von Contusion mit Hyphaema fand sich am verletzten Auge ein regulärer Astigmatismus von 1,5 D. und am gesunden ein ebensolcher von ID. In einem zweiten Fall von Contusion durch einen Pfeilschuss ergab die Messung ebenfalls einen um ein Weniges stärkeren Astig- matismus als am gesunden Auge, welcher sehr wohl präexistirt haben konnte. In einem dritten Falle voa Contusion durch ein Holzstück, in welchem es zu Luxatioa der Linse nnd zu Druckvermehrung gekommen war, Hess sich überhaupt keine Differenz der Homhautradien, gegen- über denen des anderen Auges nachweisen. Es verdient das um so eher hervorgehoben zu werden, als Berlin*), die in solchen Fällen beobachteten schweren SehstOrungen hypothetisch auf einen vorübergehenden unregelmässigen Linsenastigmatismus zurückzuführen versucht.

Strassburg, November 1883.

'') Eün. MonatsbL f. Angenheilk. Jahrg. 1873. p. 63.

SisUologisolie ITotizeii.*)

Von Dr. L. Königstein in Wien.

Hierzu Tafel L

III.

Die Entwickelang derCilienund derMeibom'schen Drüsen.

unter meinen Präparaten befindet sich eine Anzahl von Schnitten durch die Lider von menschlichen Em- bryonen verschiedenen Alters, die in Bezug auf die Ent- wickelung und das Wachsthum der Cilien und der Meibom- schen Drüsen sehr lehrreichen Aufschluss geben und deren Befunde mir darum Interesse zu haben scheinen, weil sie eben am Menschen gemacht wurden, während ja, wie be- kannt, die Entwickelungsgeschichte vorzüglich an Thieren studiert wird und auch die letzte grossere Arbeit über diesen Gegenstand von Ewetskj, der der Entwickelung der Lider und der in ihnen sich befindenden Organe be- ' sondere Auftnerksamkeit geschenkt, beinahe ausschliesslich an Rindsembryonen gemacht wurde.

Ich werde in der Weise vorgehen, dass ich die Prä- parate nach dem Alter der Embryonen, das ich, da mir die Länge derselben nicht immer bekannt war, mit dem

*) Dieses Archiv Bd. XX Vn. 3.

136

Gewichte bezeichne, einfach beschreiben und wo es noth- wendig, anf die beigegebenen Zeichnungen verweisen werde.

Embryo von ungefähr 8 Gm. Länge und 25 Gramm im Gewicht

Es wurden Frontalschnitte durch das ganze Auge gemacht. Die Lidspalte ist schon geschlossen, die Lider sind durch eine in Carmin stärker tingirte Linie begrenzt, welche von hohem Cjlinderepithel umsäumt sind, das auf die äussere und innere Seite der Lider übergeht, aber daselbst als solches nur eind kurze Strecke verläuft. Zwischen den beiden Cylinderzellen- reihen befinden sich mehrere Koihen kleiner Zellen, die zu- meist eine rundliche Form haben und ebenfalls über die Lid- spalte hinaus die Lidfläche, sowie die Cjlinderzellen bekleiden, nur dass daselbst die äusserste Beihe aus flachen Zellen be- steht. An der äusseren Berührungsstelle der Lider sieht mau im vertikalen Dnrchschnitte einen dreieckigen Ausschnitt, so dass zwischen beiden Lidern daselbst eine Binne entsteht. Das Epithel der Cornea und der Coiyunctiva der Lider ist durch eine scharfe stark in Carmin tingirte Linie geschieden, der Baum zwischen denselben ist durch geronnene Flüssigkeit erfüllt. Das Lid besteht nicht mehr durchaus aus Zellen, son- dern es lässt sich schon Faserung nachweisen und sind auch schon Muskelzellen zu erkennen. An einzelnen Schnitten sieht man am äusseren Ende der Lidnaht eine Vertiefong von rund- licher Form, woselbst das Cjlinderepithel sich wie in eine Grube einsenkt. Diese Grube ist mit denselben Zellen wie die Lidspalte erfüllt, nur stehen sie hier gedrängter und er- scheinen auch kleiner. In dieser Einstülpung erkennen wir die erste Anlage der Cilien.

Fig. 1 ist einem solchen Präparate entnommen, giebt aber nur die Lidnaht wieder.

Embryo von 9 Cm. Länge und 37 Gr. im Grewichte.

Wir sehen an den Schnitten dieses Embryo die Lidnaht schmäler, das begrenzende Cylinderepithel stärker durch Carmin gefärbt als die zwischen demselben liegenden Zellen, diese wieder stärker zusammengedrängt und von mehr ovaler Form mit ihrer Längsachse quer zur Lidspalte stehend. Die Muskeln des Lides

137

sind schon deutlich ausgeprägt» leicht zu erkennen, weil sie die Carminfärbung besser annehmen und erstrecken sich bis an jene Stelle, wo die Meibom'schen Drüsen entstehen sollen. Aus der Grube, welche die Anlage der Cilie darstellte, ist ein solider Epithelialzapfen geworden, der tief in die Sub- stanz des Lides eindringt. An jedem Schnitte sind mehrere solcher Zapfen zu sehen, sie nehmen in ihrer Entwickelung Ton aussen nach innen ab, siehe Fig. 2, wo der zumeist nach innen liegende auf derselben Entwickelungsstufe steht mit der Anlage der Cilie, wie dieselbe an dem ersten Präparate be- schrieben worden. In diesem Stadium gleichen die Cilien ein- fachen Zapfen, welche aussen von Gjlinderepithel bekleidet sind und in ihrem Innern kleine rundliche oder auch längere mehr der Spindelform sich nähernde Zellen bergen. Entlang dem Zapfen sind die benachbarten Zellen der Lidsubstanz dichter an dieselbe herangedrängt, insbesondere am Grunde desselben und zwar schmiegen sie sich mit ihrer Längsachse der Wand der Cilien an und bilden gleichsam einen Mantel für dieselbe. Der Zapfen ist wie gesagt in seinem Innern mit Zellen yollgepfropft; es ist kein Canal vorhanden.

In der inneren Ecke der Lidnaht sehen wir ebenfalls den Cjlinderbelag des Lides leicht eingestülpt, und genau so wie in Fig. 1 mit dicht aneinander gedrängten kleinen Zellen er- füllt. Es ist dies die erste Anlage der Meibom'schen Drüsen, die also später entsteht als die der Cilien, aber im Beginne ihrer Entwickelung vollständig mit dem Baue der Cilienanlage übereinstimmt.

3.

Embryo von 60 Gramm dem Ende des 4. Lunarmonates entsprechend (Spiegelberg).

An den verticalen Lidschnitten eines Embryo von 60 Gramm sehen wir die epithelialen Zapfen weiter gewachsen aber immer in dem Verhältnisse, dass die aussenstehenden in der Ent- wickelung weiter fortgeschritten sind als die zumeist nach innen sich befindlichen. In denselben ist von einem Haar- schaft oder einem Canale noch nichts zu sehen.

Die Delle, welche die Anlage der Meibom'schen Drüse vorstellte, hat sich nur um weniges vertieft.

Die Augenbrauen waren aber bei diesem Embryo schon vollständig entwickelt.

138

Embryo von 100 Gramm.

An Liddnrchschnitten dieses Embryo sieht man die Lid- snbstanz noch immer sehr zellenreich, aber trotzdem ist die faserige Stractnr sehr deutlich zu erkennen; die Muskel er- scheinen schon in Bttndeln angeordnet, die Bündel von ein- ander scharf gesondert.

Die Ciüen sind in ihrer Entwickelung bereits sehr weit vorgeschritten; es existirt schon ein Haarschaft, der sich aus den mittleren Zellen des Epithelialzapfens gebildet hat, im Haarschaft sind Pigmentpünktchen vorhanden aber nur in spärlicher Anzahl. Die Talgdrüsen sind angedeutet und ebenso die modificirten Schweissdrüsen. Nicht alle Cilien sind, wie wir es schon an den früheren Präparaten gesehen, gleich weit in der Entwickelung. An jenen Stellen, an welchen die Haarschäfte gegen und in *die Lidnaht dringen, bestehen Lacunen in derselben. Die Anzahl der Cilien auf einem Schnitte ist eine grosse.

Die Meibomischen Drüsen sind gegenüber den Wimpern in ihrer Entwickelung. noch weit zurück, die Zapfen haben sich wieder etwas verlängert, sie sind solid und ist an ihnen keine Spur von Sprossenbildung wahrznnehmen.

5.

Embryo von 148 Gramm.

An Durchschnitten von Embryonen dieses Gewichtes, welches ungefähr der Mitte des 5 Lunarmonates entsprechen wird, vermögen wir gegenüber denen von 100 Gramm keinen besonderen Fortschritt zu bemerken. Ein solcher Schnitt ist in Fig. 3 abgebildet Wir erkennen deutlich die Anlage der Haartalgdrüsen und sehen den Schlauch der Moll'schen Drüse. Die ersteren entstehen durch eine Ausstülpung des Cylinder- zellenbelags der Cilien, so dass diese daselbst einen buckei- förmigen Anhang erhalten, also genau so wie die Cilienanlage selbst vor sich ging, nur dass die Zellen, welche in den buckeiförmigen Anhang hinein gestülpt werden, den Charakter der Talgdrüsenzellen tragen. Die Moirschen Drüsen entstehen ebenfalls durch eine Ausbuchtung der Cylinderzellen der Cilie, doch wachsen dieselben sehr rasch und bilden um diese Zeit, wie Fig. 3 lehrt, einen schlauchförmigen Appendix der Cilie.

139

6.

Embryo Ton 268 Gramm.

An Lidschnitten dieses Embryo fällt ans besonders der Fort- schritt, den die Meibom*schen DrQsen in ihrer Entwickelang ge- macht haben, auf. Wir finden nämlich an denselben schon eine Sprossonbildung und der Habitns der Talgdrüse ist ausgeprägt. Die Sprossenbildung beginnt von der Sasis der Drüse und schreitet nach aufwärts resp. abwärts im Lide vor. Sowie bei den GUien ist auch hier bei den Meibom*schen Drüsen die Entwickelong gegen die Lidwinkel zu in einem weiteren Stadium. Die Fig. 4 ist eben einer schon weiter fortgeschrittenen Drüse entnommen, man findet jedoch auch an zahlreichen Schnitten oft nur eine Andeutung der Sprossenbildung an den Aus- bachtungen des Epithelialzapfens bemerkbar. Die Sprossen- bildong an den Meibom^schen Drüsen geht in derselben Weise Tor sich, wie die Entwicklung der Haartalgdrüsen, wie die Anlage der Meibom'schen Drüsen selbst etc., es wiederholt sich stets derselbe Vorgang. Ein Theil des Gjlinderzellen- belegs des Meibom'schen Zapfens stülpt sich an einer Stelle aas nnd in dieser Ausstülpung sehen wir bald Zellen, die den Charakter der Talgdrüsenzellen annehmen. Dieser Vorgang Tiederholt sich an allen Stellen, an welchen sich Sprossen bilden. Im spateren Ausführungsgange der Drüse sieht man einzehie Stellen, die eine Höhlung des Zapfens vortäuschen, bei genauerer Einstellung überzeugt man sich, dass hier kein CanaJ vorhanden, sondern dass die daselbst befindlichen Zellen sehr stark lichtbrechend sind und sich in Carmin nicht ge- i &rbt haben.

Was die Augenwimpern betrifft, so sind dieselben mit Ausnahme der ihnen zugehörigen Talg- und Schweissdrüsen, <üe noch im Wachsthume zurückgeblieben sind, voUständig entwickelt

7.

Embryo von 340 Gramm.

An Lidschnitten von Embryonen von 340 Gramm, von denen ich zahlreiche Präparate durchgesehen und die ihrem Alter nach dem Beginne des 6. Lunarmonates entsprechen, ist die *Entwickelung der Lidorgane, wie Fig. 5, die einem -olc\ien Präparate entnommen ist, zeigt, schon sehr weit fort- iöchritten. Vor Allem beginnt schon die Losung der Lider

:4*'*

fli'a ^mJ»s«r3HL Siv öl la Lfr iisser^ii wie mnereii Fläche **»ai»i -rir 3. &fr Lti'!ircLr c* lirr.L^t d«?feet. imd nur noch ias *^u'£ rri5«!2»3t ina T^na tz«£ i^r llenh:>m'scheii Dr&se jar " 'iZsrj.jjtis r***!JLl :i«s«L Jr^ili-ri seh«ai wir nicht an allen VincTüü ii3 Eyfi'ii»» rili xx«£ i3jf«i wir an vielen die L^tenng

Ai if^ C:I:-si ^rLrat äii il?* Srhfditen ganz üar nnd l^^irLy^JL iiäL & TAlr'tris.fü ä»i T:Zi:cLni«»n entwickelt nnd aa*?-.»! xir im szl'r-fr ilh ftfoi Wi:i>^^ai des Lides gleichen Värr^. I":-* S:iw?-is«.iris«iL t:ii Mi^a nrlHig in der Zeich- im^ i:"j&* iif^THirzizr'St. ^^«r?i»*2 aieit mehr ans einem ^h'.i:ii!Üe aZ-riz- s»:ri-?ri £:*5er ^es-Jiz.: s::h an seinem Gmnde

Wij i:^ l£ffr«:^ii5»ri-*£ I>rL??n i:lLi2ä so hat die Sprossen-

v.~:"L:Lr i?Tse7:»3x si?2ir izr«c.:aizi*^. man sieht an einzelnen StiLi-tZäL wie fr F:r a. d'rc -r jiir irsi: *•?! Epitheliapfen rings- 121 w>r air: Kn:>T»?a l'r*r5ci>lt^et. la mL?ren Schnitten finden wir il* S^ns^^^Zizzz s:b:c s»? weh £e*üehen, dass die *::L^*l2i5n sirh a5:^?seh:iir5 hA^«?Ä z^d a^rini bOden. Anch an d-r^si Pripiratcn hat es 'i<?i A]t^*hein. als ob schon ein Ans- flinra^sßTtrz d*r Prise vrrtiizi^n wire: bei stärkerer Ver- zrZ^vin^ eikeEst ciia ai-?r de^türh die schon oben be- V-Lrl-rh^r^iefl fceZ*n Zrüea. die den A^isflhrnngs^ang eben nnr

Si2ir::Ii;he Lidor^me* die ciit i?r lidspalte in Verbindung ^V-um. «iri also um diese Zeit c^büdet nnd es geht im Ver- I;^;5^ d^ 6. LTmanc ?nat^ und dem Besiinne des 7. langsam i.^ LT^^mg der Liier ror sieh. Wahrend dieser Zeit haben n*,a di^ Wind^mgen der ILTschea Dr&sen rermehrt nnd fpÄ V5:n die Meibi^ni'sch«! Drüsen ihre Ansfuhrongsgänge gebildet.

Ich gehe anf die Litaratnr dieses Gegenstandes nicht <in« sie ist im Handbacfae von 6r2fe-S2misch nnd bei Kw^tskj Tollständig angefahrt, nnd nntersdieiden sich UMA Befände Ton denen Ewetsky^s mit Ausnahme von jrf:^:.%vm Einzelheiten nnr dadnrtlu dass sie eben von menvrhiichen Embryonen herrOhren« Eine Arbeit habe ich doch noch zn erwähnen, sie ist im verflossenen Jahre er- ^'is'ififien und aus dem hiesigen embryologischen Institute dnrch Grefberg pnblicirt worden: sie befasst sich mit der

141

Entwickelmig der Mdbom^schen DrQseii und kommt, ms die histiologischen Thatsachen betrifft, zu ähnlichen Besul- taten; was die Zeit der Entwickdnng betrifft, sind wir frei- lich verschiedener Meinong.

IV.

Das Wachsthum des embryonalen Anges.

Wenn auch nicht streng hierher gehörig, sei es mir doch gestattet, einige Masse Ton Em^iyonen-Augen hier anzufahren, die das Wachsthum derselben in den ver- schiedenen Perioden illostriren mögen. Die Messungen waren mit Bezug auf eine Arbeit, die sich mit der Be- fraction der Augen neugeborener Kinder befasste, vorge- nonmien worden; ich wollte mit Hilfe des Zirkels und des Ophthalmometers die Spiegelbefonde controliren und er- gänzen. Dieser Plan konnte nicht durchgeführt werden, und so schreibe ich nur ein&ch aus meinen Notizen die Masse, die ich fbr die Länge der Augenaxe, die Breite, sowie Höhe der Cornea gefunden habe, hier ab.

Nachdem ich die Bulbi nicht inuner in ganz firischem Zustande bekommen hatte resp. dieselben nicht inuner sofort messen konnte, ging ich nach Bracke in der Weise vor, dass ich durch Injection von Wasser die Augenkapsel, soweit als man dies eben beurtheilen kann, in ihren natürlichen Span- nungszustand brachte. Zum Messen bediente ich mich des Donders'schen Zirkels und da ich viele Augen in Gyps ab- goss, so controlirte ich auch manche Messungen an den gewonnenen Modellen. Die Messungen sind natürlich in solcher Weise vorgenommen, nicht vorwurfsfrei, sie geben aber immerhin ganz gute relative Verhältnisse und, nach- dem meines Wissens die Literatur über diese Verhältnisse des Wachsthums der Augen keinen Aufschluss giebt, so denke ich, dass diese Veröffentlichung berechtigt ist.

Es wurde gemessen die Entfernung des Scheitels der Cornea vom Sehnerven, der knapp abgeschnitten war, femer

S'-ik £131 -VüIUtT'^L - - . 7..

Ltl'.tt:-

4#' 'Vn-TiTL,

::^Xtt

:-->Xji

:*7 «

:-r: .

5-1 ^

a:* «

EuVrr,.

,VVr ^«-r-

11>Xti.

11,7 3L=

1 J -.

1 i- .

5/J

5.9 .

i;^/i Mrx 13,9 Ma.

1-Vj 12^9 ^

7/i 7.0 ^

14,2 lfm. 14^ Mm.

13^ 13^

7A V 7^ r.

Embrjo, 7 Lanannoiiate. 1450 GnumiL Ib^ Um. 15^ Mm.

14^ 14,5

8;5 8,6

Kmbryo, 7 Lanaimoiiate. 1480 Gramm. OrOMter Durchmesser . . 15,5 Mm. Bis znm Sehnerven . . . 14,9

143

Breite der Comea

i . . . 8,7 Mm.

Hohe der Cornea

. . . . 8,0 .,

Embryo.

1630 Gramm.

15,1 Hm.

15,2 Mm.

IM ,.

14^

8,8 .,

8,3 ..

8,3 ..

Embryo.

1950 Gramm.

15.2 Mm.

15.2 Mm.

14,6

14,6 ^

9,0

M

8,4

Embrjo, 8 Lunarmonate. 2100 Gramm. 16,1 Mm. 15,9 Mm.

15,6 -

8,6 8,8

Embryo. 2400 Gramm,

16,4 Mm. 16,3 Mm.

15,9 16,0

9,3 9,0

8,9 8,7

Embryo. 2500 Gramm.

Grösster Durchmesser .

. 16,3 Mm.

Bis zum Sehnerven . .

. 15,9

Breite der Comea . .

. 9,2

Embryo, 9 Lunarmonate.

2550 Gramm

Grösster Durchmesser .

16,7 Mm.

Bis zum Sehnerven . .

. 16,2

Breite der Comea . .

. 9,5

Beifes Kind, hat mehrere Stunden gelebt. 3020 Gramm. 17,2 Mm. 17,3 Mm.

16,9 17,0

9,9 9|9

9,5

144

Beifes, sehr kräftiges Eind. 17,8 Mm. 17,8 Mm.

17,4 17,3

10,0 10,1

10,0 -

Reifes, sehr kräftiges Kind mit

; grossen, glotzenden Augen,

hat mehrere Tage gelebt.

18,0 Mm.

18,1 Mm.

17,5

17,8

10,1

9,8

9,7

Kind, 47» Jahre alt.

Grösster Durchmesser . . 21,5 Mm.

Bis zum Sehnerven

. . . 21,3

Breite der Cornea

. . . 10,8

Die Zahlen stimmen, soweit sie reife Kinder betreffen, mit den von anderen Autoren gegebenen überein.

Interessant ist das Yerhältniss zwischen dem grOssten Durchmesser und der Entfernung des Scheitels der Cornea vom Sehnervenansatz, ebenso das fast gleichbleibende Yer- hältniss zwischen Grösse der Cornea und dem Augen- durchmesser.

Zum Schlüsse dieser Arbeit kann ich nicht umhin, dem Herrn Prof. Späth, Vorstand der hiesigen zweiten Oebärklinik, sowie dessen Assistenten für das mir in liebenswürdigster Weise gebotene- Material meinen herz- lichsten Dank auszusprechen.

Erklärung der Abbildungen. Fig. 1. Liddorchschnitt von einem Embryo von ungeßLhr 8 Gm. Länge und 25 Gramm im Gewichte. Erste Anlage der Cilien. Fig. 2. Liddorchschnitt von einem Embryo von 9 Cm. 37 Gr. Erste Anlage der Meibom^schen Drüse. Fig. 3. Lid- durchschnitt von einem Embryo von 148 Gramm im Gewichte. Fig. 4. Liddurchschnitt von einem Embryo von 268 Gr. im Ge- wichte. — Fig. 5. Liddurchschnitt von einem Embryo von 340 Gramm im Gewichte.

leaMdimg des Epithels der Toideren Linsenkapsel

Ini erwaclisenen TMerm, im gesunden und im

kiankliaften Znstande.

Von Dr. P. Palchi,

Docent der AngenbeUkunde an der üniyersitXt Tnrin.

Hierzu Tafel IL

I. Normaler Zustand.

Die Bildimg neuer Elemente im Epithel der normalen vorderen E^apsel erwachsener Thiere durch indirecte Zellen- fheüung war bisher nicht dargethan worden. Henle *)j der hierüber Untersuchungen anstellte, erklärt, dass er bei erwachsenen Thieren keine Eaiyokinesis vorÜEmd. In der That zeigen in den Fig. 1 und 2 der angeführten Arbeit dieses Autors die Abbildungen des Epithels der vorderen Kapsel vom Triton und vom Frosche keine Stadien der indirecten Zeilentheilung, wiewohl Theilungen des Eemes in 2—3 Theile allerdings darin zu sehen sind. Bei Wieder- holung dieser Untersuchungen fand ich beim Triton die- selben Zellenformen, wie sie in der Arbeit von Henle

*) Zur Entwicklungsgeschichte der Krystalllinse und Theilung des Zellkerns. Archiv für mikroskopische Anatomie. Bd. XX. S. 48, Taf. XXVH.

T. QfMfe's ArehlT für Ophthalmologie, XXX. 1. 10

146

abgebildet sind; doch stellen dieselben kein Stadium der indirecten Zellentheilung dar. Dagegen gelang es mir wohl, wie man weiter sehen wird, verschiedene Stadien dieses Frocesses im Epithel der vorderen Linsenkapsel des erwachsenen Frosches zu beobachten.

0. Becker*) sagt, dass er die indirecte Zellen- theilung im Epithel der vorderen Kapsel des Kindes und des Ferkels beobachtet habe, erwähnt aber der erwachsenen Thiere nicht.

Meine Untersuchungen über die Zellenneubildung im Epithel der Linsenkapsel erwachsener Thiere wurden in folgender Weise angestellt. Ich isolirte die Linsenkapsel von den Linsenfasem und legte sie dann in gemeinen Al- kohol auf etwa 48 Stunden. Darauf wurde sie mit Hae- matoxylin gefärbt, mit absolutem Weingeist entwässert; dann in NelkenOl getaucht, und zuletzt in Damarfirniss eingeschlossen. Die Abbildungen wurden mit Hartnack Ocul. 3, Obj. Vin, bei verlängertem Bohre gezeichnet. Folgendes sind die gewonnenen Besultate.

Ich beobachtete die indirecte Zellentheilung bei Säuge- thieren. So stellt Fig. 1 die Kaiyokinesis beim Schweine dar, und zwar im Stadium, wo der Kern sich als aeqna- toriales Plättchen präsentirt. Ebenso beobachtete ich die- selbe bei der Batte, und habe ich von diesem Thiere in Fig. 2 a die Knäuelform des Kerns mit Fortsätzen, und in Fig. 2 b die Gestaltung desselben zum aequatorialen Pl&tt- chen abgebildet.

Ferner fand ich die indirecte Zellentheilung bei den Vögeln. In Fig. 3a habe ich eine in Karyokinesis be- griffene Epithelzelle aus der vorderen Linsenkapsel des Huhns abgebildet, wo der ZellenkOrper oval erscheint, mit

*) Zar Anatomie der gesunden und kranken Linse. Oentralblatt für praktische Augenheilkunde. 1882, S. 130. Zur Anatomie der gesunden und kranken Linse. Mit 14 litho- graphirten Tafehi. Wiesbaden 1888.

147

homogenem Protoplasma mid dem zum aeqnatorialen Plättchen umgestalteten Kerne; und in Fig. 3b ist die Yollendete Theilung dargestellt, aus welcher Tochterzellen mit knäuelförmigem Kerne hervorgegangen sind.

Endlich beobachtete ich die Karyokinesis des Kapsel- epithels bei den Amphibien. Sehr oft fand ich sie näm- lich beim Frosche und habe davon mehrere Formen abgebildet. So sieht man in Fig. 4 a die Form mit knäuelf&rmigem Kerne; in Fig. 4b den Kern in (Gestalt des aeqnatorialen Plättchens mit feinen Fortsätzen; in Fig. c, d die Form mit zwei Tochterkemen, welche die entgegengesetzten Pole der Zelle einnehmen und durch haarfeine Fortsätze mit einander verbunden sind; in Fig. 4e die Form mit aequatorialer Einschnfirung, wodurch der ZellkOrper leicht SfDrmig wird, während die beiden Tochter- keme die entgegengesetzten Pole der Zelle einnehmen und einander ihre concave, mit Vorsprängen besetzte Seite zu- kehren; in Fig. 4f endlich die vollendete Theilung, aus welcher Tochterzellen mit knäueltörmigem Kerne hervor- gegangen sind.

Aus den Ergebnissen meiner Untersuchungen lässt sich also der Schluss ziehen, dass unter den Säugethieren beim Schwein und bei derBatte, unter den Vögeln beim Huhn, unter den Amphibien beim Frosch die Neubildung der Elemente des Epithels der vorderen Linsenkapsel auf dem Wege der indirecten Theilung erfolgt.

U. Pathologischer Zustand.

Die Neubildung des Epithels der vorderen Linsenkapsel nach Verletzungen wurde von einigen Autoren auf experi- mentellem Wege studirt. Indessen sind die älteren Unter- suchungen von Dieterich, Beger und Werneck hier nicht* zu verwerthen, da sie den Gegenstand nur vom kli- nischen Gesichtspunkte aus behandelten und sich auf makro- skopische Beobachtungen beschränkten. Auch die Arbeiten

10*

148

Ton Ritter^ und von MOrs**) därfen wir liier über* geheiL Der Erstere konnte sich fiberiiaupt nidit Ton dem Vorkommen einer Wacherong des Eapselepithels nach Ver- letzungen Oberzengen mid bei dem Letzteren ist die MOg- lidikeit des Eindringens Ton Eiterkörperchen in das Innere des erOffiieten Eapselsackes nicht berücksichtigt, yielmehr werden die in der Linse gefondenen Eiterkörperchen ohne genügenden Beweis einfiu^h Ar Abkömmlinge der Kapsel- Zellen nnd Linsenelonente e^lürt.

Wengler***) nntersnchte bei Kaninchen nnter der Leitung von TL Leber den Heilongsprocess nach Ver- letzung der Torderen Linsenkapsel und besonders nach Extraction eines Stückes derselben und fimd, dass die entstandene Lücke durch ein mit deren Bftndem fest zu- sammenhangendes Narbengewebe nach einiger Zeit toII- stftndig ausgefüllt wurde. Dasselbe bestand ans stark abgeplatteten, über einander geschichteten Zellen, die anfangs unmittelbar aneinander lagen, später aber durch zarte Schichten .einer hyalinen Substanz getrennt wurden. Die Menge der letzteren nahm allmählich zu, wobei das anfimgs opake Oewebe durch Schwund der Zellen eine Umwandlung in eine der normalen Kapsel ähnliche Substanz erfuhr.

Julie Sinclair t) sah nach Aetzung der vorderen Linsenkapsel mit Höllenstein eine Epithelwucherung zu Stande kommen, die zur Bildung eines Kapselstaares führte. An der Stelle, wo die Regeneration von statten ging, er- schienen die Zellen grösser, bis 20/*, imregelmässig ge-

^ Bitter, Beitr. z. path. Anat. des Auges nach Versuchen an Tbieren, Dieses Arch. VEIL 1, S. 81 ff.

^) Moers, Beitr. zur path. Anat. der Linse nach Versuchen an Thieren. Virch. Arch. XXXH, S. 45.

***) W engler, lieber die Heiiangsvorgänge nach Yerletzong der vorderen LinsenJcapseL Inaog.-Dissert. Göttingen 1874.

t) J. Sinclair, Experiment Unters, znr Genese der erwor- benen Kapselcataract Inang.-Dissert. Zürich 1876.

149

staltet, £ast wasserklar, mit einem runden, 10 f* grossen Kerne versehen. Letzterer war meist einfach, zeigte aber häufig 2 3 kleine, glänzende EemkOrperchen.

Schnchardt*) unternahm es, auf Lebers Veran- lassung, die Frage zu entscheiden, ob die in den Weng- ler'sehen Versuchen beobachtete zellige Wucherung, welche zur Bildung der Eapselnarbe fQhrt, von den Zellen des Eapselepithels ausgeht oder auf eine andere Herkunft zurflckzufohren ist Die Frage konnte in ersterem Sinne entschieden werden, indem es gelang, die verschiedenen Stadien der die Eapsellücke ausfallenden Epithelwucherung, die sich vom Bande her allmählich herüberschob, successive zu verfolgen. Zugleich liess sich eine Betheiligung von Wanderzellen an dieser Neubildung mit Bestimmtheit aus- schliessen, weil die Eapsellücke von An&ng an von einer Fibrinschicht bedeckt wird, welche sehr arm an Lymph- kOrperchen ist und die darunter stattfindende Epithelpro- liferation von der vorderen Eammer abschliesst. Ein weiterer Beweis für die Wucherung des Eapselepithels wurde von den genannten Autoren geliefert, indem sie an den Eemen diejenigen Veränderungen beobachteten, welche jetzt als indirecte Eerntheilung bezeichnet werden und welche sie mit denjenigen übereinstimmend fanden, welche damals schon an anderen Objecten von Eberth, Strassburger, Meyzel u. A. beschrieben worden waren. Aus der Be- schreibung und Abbildung ergiebt sich, dass hier zum ersten Male die indirecte Eerntheilung an den Zellen des Eapselepithels beobachtet wurde. Bemerkenswerth ist noch, dass kurze Zeit nach einer Discision in einiger Entfernung vom Wundrande ein an- fangs ziemlich scharf begrenzter Froliferationsbezirk auftrat, in welchem, abgesehen von dem Vorkommen zahlreicher

*) Scbnchardt, Zur pathologischen Anatomie der Dis- cisionen. Inaug.-Dissert. QOttingen 1878.

Iä>

B^i meiaen Versa^hen kane kh mir f»iym>mBifii, ^M V«TL»Itai d-a- Torisren LzLs«Lka{i6«I flrvieksener Thiere 31 dem diirth eice Tedeu^is? hati&ig^f^knfai famUijAen Zastamde xo prtKfen.

Als TczTachs^hkr viiihe kii das KaniiKbeiL veQ ich 9^fizkd» Lare. dass bd diesem Thi^e in fionnakm Zu- nani^ das Epiibel der roTderen Kapts«! keine indirecte ZellentbeCong aofreist.

Cm dcherer m geboi. openrte ich jedesmal nur das Auge: das andere büth miTersefait imd sollte zur OiDtrole Ober die am operirten Auge durch die Yerietzunsr 'iffT Tordrren Kapsel berbeigefohrten Veräoiienmgen dieneD. Bd der Opieiation wurde die Xadel im centralen Thole 4er Homhaot eingestochen nnd die rordere Kapsel eben- fiWs in ihrer Mitte, dem PnpiUencentrmn entsprechend, Terietzt Dabei worden stets antisepüscbe Vorkehrangen getroffen« nnd sah ich die Homhaotwnnde binnen wenigen Tagen vernarben.

Die Dauer der Versuche wechselte zwischen 39 Stunden and 40 Tagen nach der Operation. Die Tordere K^»sel wurde auf 48 Stunden in gemeinen Weingeist gelegt, dann mit Haematoiylin oder Carmin-Aluminat gefärbt« in abso- luten Alkohol getaucht, mit Nelkenöl behandelt nnd in Damar eingeschlossen.

Folgendes waren die Ergebnisse meiner Yersuche.

Am unTersehrten Auge bot das Epithel der vorderen Linsenkaprsel niemals Anzeichen indirecter ZeUentheilnng dar« Am operirten Auge d^egen fimden sich darin, von der 40. Stunde bis zum 40. Tage nach der Operation, stets die verschiedenen Stadien der Karvokinesis vor. Einige derselben habe ich (unter OcuL 3, Obj. Vlll, Hartnack, bri verlängertem Tubus) abgebildet. So sieht man in Fig. 5 die Gestaltung des Kerns zum aequatorialen

n: IL FiE oh- I*?eniieini]if dm pCuL OK JE ""p^'^g änme. tol

ÖBBB ^^ffTi» mm XBABIBB lODziälSIlÖi: PSkÖCtiflB XSSZIh'

l^ajü <gkedBLli£ äc3T:L FuridkiK Tt^rtiimäeL smoL flit MiiiMer* Beut ü*s fizsiTL JB iiwniiBeDQBr 7-^?^— iwnnwy ^esrnfisfi is^t UBi OK «Httomst G^u^^ aiureDonimfiL iiai: 3l Fig. ^'' äk TLiügDÖ^H: !Qiäiimr. inoem qh: Ti*:±7€:3eltsii bc^is äöer üe&^eizi smc und >eäf mn ^moB fsloifif-

Tkatmc mc ojf^ Gnuiiäniiir crsifir TosänsrziLifiL, ösbl

^ifse l^ciiiBcainmiTsn ber»*ciraffeL hd* voiil rn fv^rii

Q£§ ^grwacaffieilfifi ITgriTnAfftH: ^röf» 7«»r. iffrmimrr"t Jimr riT'a. JliCr"»?!'^ Tt»""'irrir ZL. Slfinät VnrT.TTTT, fPjäirEIlfi iUht

scatüit. iri. Q£!iii»*i*!»eL TiJsrt- hl Ttcäercn £ij)s»*£*--XiCLh*il

Wü^ Git Hiüiiiri'ün ü^t nizire^t-eL ZreljeLiiitiJinxi: im TzcuA. OST T'iraera. Laif^äLijasfsl aLl^eirlTi, sc- eriyerteL

j^Jieii*r TUTÄ' ml S^UTfCiKr^L und äen T:»ir*iiL *iiirf*Tr:if €e

Tiiits* iiL iiurmkieL Zi2?iSLit r£r Lit-i* ri^rtc^iLiLi üsz*

p^ffTuea. LL-r^TLiiiir riq: äer ^Tn&rs: viri 5fir V:rrMi£ »eiSHifir loiretri'fis.^ isi ll P::Lit«L, üt 5»eLr we\ vc>l dar Winiöt tt'Ei/ii'-e*.. vz-i «r ± ät^r Bcct:! riixlSci rer-

152

missL ZAngeoB war auch in der Nihe der Wimde die ZaU der Elemente, die idi in indirecter TheQin^ begiiffen nh, keineswegs gross; andi waren diesdben nnr selten gehinft, sondern meist reranzelt, so dass swd in diesem Torgai^ begriffene Elemente gewöhnlidi durA eine Strecke gesdneden waren, worin die Epithelzellen keine Andeatong Ton Karjokinesis zeigten.

Idi s^anbe daher, dass in der noimalen Toideren Kapsel erwadisener TUere die Büdong nener epithe- lialer Elemente dnidi indirecte Zellentheilang nnr dazn bestinnnt sei, den epithelialen ÜAenag dar Innen* flädie dieser Membran miTeisehrt zn eriialten. Eben die- selbe Bestimmung scheint mir dieser Voigang auch im Ejnthel der Terletzten vorderen Kiesel zn haboi; die kleine Menge der in Karjokinesis b^riffenen Elemente und ihre gegenseitige Isolimng beweisen wohl, dass hier die Zellen- nenbildnng nur dazn dienen kann, die in Folge des Tnuuna verloren gegangenen Epithelial-EIemente der vorderenKapsel ZQ ersetzen.

Erklimng der Abbildongen.

Die Zeictoi— gea wvrdea simmtiich imter Aawesdimg des Obj. YUL OcaL a. ITartM>flr (imd xwar bei Teriiagertem Tubus) entwuifea.

Fig. 1. Epitbel da YOtdereB TiiBWfnkaiKBel Tom Sehweise; Ken iB GtataH daes iqiutoriileB FUttckeM.

Fig. 2. Spitbel der Toidaea Linsenk^nei tob der Batle: a KatodfiSraiger Kern adt Foitailaea; b Kera ia Gestalt eiaes iqvatorialea Plittcbeas.

Fig. 3. ^übel der Toiderea liaseakapsel tobi Hobae:

a Ken ia Gestalt eiaes iqoatarialea Plittcbeas; b Yolleadete TheaaBg; TochterKUea aiit kainel- foiBÜgeai Keiae.

Fig. 4. SpiAd der Torderea fiiBimkapsel Tom enruhseaea Froeebe:

a KaiaeUdnaiger Kera;

b KeiB ia Gestalt eiaes iqoatQrialea Plittcbeas;

cd Tocbterkerae ia dea MattenelleB;

e Orale ZeUe mit eiaer leicbtea Aadeatoag der

SfiteiBigea Gestalt vad aut Tocbterlranea; f VoUeadete TbcOoBg, Tocbtenellea mit kaiiiel- fSnoagem Kerne.

Fig. 5u Epitbel der Terletstea Torderea Liaseak^ttel vom er- wacbseaea KaaiacbeB:

Kene ia Gestalt eiaes iqnatoiialeB Flittcbeas, ia Profil -AaaicbL

Fig. 6. ^Ibel der Tetletatea Torderea Liaaeakapeel yom er- wacbseaea Kaaiaebea:

Ia Dreitbeihmg begiüfeaer Kera (tripoUlre Spiadehi).

Fig. 7. Epitbel der Terletstea Toiderea Linwmkapsel Tom er- wacbseaea Kaaiaebea: 8tenif5imige Kenia.

154

Fig. 8. Epithel der verletzten vorderen Linsenkapsel vom er- wachsenen Kaninchen.

Fig. 9. Epithel der verletzten vorderen Linsenkapsel vom er- wachsenen Kaninchen:

Mutterzellen, in beginnender Zweitheilang begriffen» mit knänelförmigen Tochterkemen.

Fig. 10. Epithel der verletzten vorderen Linsenkapsel vom er- wachsenen Kaninchen:

Vollendete Theilung; Tochterzellen von einander ab- gesetzt, mit knänelförmigen Kernen.

Fig. 11. Epithel der verletzten vorderen Linsenkapsel vom er- wachsenen Kaninchen:

Vollendete Theilung; Grappirung dreier Tochterzellen mit knänelförmigen Kernen.

Siii Lichtreflex der Eetma.

Von Dr. Heuse in Elberfeld.

XHe Schwierigkeit, welche dem Erkennen des Augenhinter- gmndes beim Ophthalmoscopiien von Seiten der vielfachen Beflexbilder, sei es am Ange selbst, sei es an der vorge- haltenen Linse, entgegengesetzt wird, ist keineswegs gering und man gewöhnt sich daher frühe, diese Spiegelbildchen anberflcksichtigt zu lassen and seine Aufmerksamkeit von ihnen abzulenken. So mag es denn auch gekommen sein, dass bisher die kleine Lichterschemung, welche ich im Folgenden mittheilen will, nicht die verdiente Berück- sichtigung gefunden hat und wahrscheinlich übersehen worden ist.

Die Erscheinung findet sich beim Augenspiegeln im aufrechten Bilde, wobei die Flamme der Lampe etwa 10 Cm. oberhalb und 20 Cm. hinter dem beobachteten Auge angebracht ist, und besteht aus einem schmalen ovalen Lichtring auf der Netzhaut, der jedoch seine Gestalt je nach der Lage und Beschaffenheit der beleuch- teten Stelle ändern kann. Trifft er z. B. ein breiteres Gefäss der Netzhaut, so wird die Ringform an der Stelle, wo sie das Gefäss trifft, in eine Herzform verwandelt; zuweilen ist ein Theil des Binges in einen breiten diffus leuchtenden Streifen aufgelöst, zuweilen stehen zwei

156

ganz schwache Binge, ineinander theil weise verschränkt, unteremander. Zweimal hahe ich an Stelle des Binges ein dentliches ausserordentlich blasses umgekehrtes Flam- menbild gesehen, dessen Grosse in der Bichtung von oben nach unten nur wenig kleiner, als das vom Augenspiegel entworfene Bild war, in der Breite aber etwa V^ der Grösse dieses Bildes betrug.

Man sieht den Lichtring am besten, wenn man ganz dicht an das beobachtete Auge herangeht; zieht man sich Etwas davon zurück, so verwandelt sich der Bing in eine diffuse weissliche Scheibe, welche dann vor der Netzhaut zu schweben scheiiit. Der Bing liegt immer innerhalb des Netzhautbildes der Flamme des Augenspiegels, bewegt sich gleichseitig mit den Bewegungen des Kopfes des Beobachters und ändert seine Stelle auf der Netzhaut nur minimal bei Drehungen des Augenspiegels um seine Längs- achse. Der Ort, wo die Erscheinung am leichtesten be- merkt wird^ ist zwischen der Macula lut. und der Papille; bei einzelnen Augen erblickt man sie an verschiedenen Netzhautpartien, bei andern wieder nur an dieser einen Steile par excellence, bei sehr vielen gar nicht. Hyper- metropischer oder emmetropischer Bau des Auges ist, so- weit ich beobachtet habe, nOthig, soll die Erscheinung deutlich zu Tage treten; myopischer Bau schliesst sie nach meiner Erfahrung aus. Bei älteren Leuten bemerkte ich im besten Falle nur eine schwache leicht verschwindende Andeutung des Binges. Kindliche und blaue Augen eignen sich am besten zu dem Experiment; übrigens habe ich bei einem 7 jährigen Knaben mit enunetropischem Bau des Auges und ganz dunkel pigmentirter Ghorioidea einmal den Bing ganz besonders schön gesehen. Auch die beiden Fälle, in denen das verkleinerte umgekehrte Flam- menbild erschien, gehörten ganz dunkel pigmentirten Kin- dern von 8 und 13 Jahren an mit emmetropischem Bau der Augen.

157

Die Frage, woher die Lichterscheinung ihren Ursprung habe, scheint mir nicht sehr schwer zu beantworten, da man oft ähnlich gestaltete Formen auf dem Boden gleich- massig beleuchteter beckenfOrmiger OefiLsse sieht und das Augeninnere der Beckenform nicht unähnlich ist, so dass also jener Bing einen Beflex von den Wänden des Augen- innem vorstellt Dass es sichtbare Beflexe der Netzhaut giebt, ist durch die von mir beschriebene entoptische Er- scheinung (v. Graefe's Arch. XVIII, 2) dargethan worden, und es war mir nicht von geringem Interesse, durch diese neue Beobachtung auch objectiv einen Beflex im Augen- innem zu unserer Anschauung zu bringen. Die Beobach- tungen des umgekehrten Flanunenbüdes geben nun wohl genauer den Weg an, welchen die reflectirten Strahlen nehmen; bleibt uns doch, soweit ich sehe, keine andre Erklärung flbrig, als eine doppelte Beflection innerhalb der Netzhautschale anzunehmen, so nämlich, dass von dem zuerst reflectirten auch subjectiv wahrnehmbaren Beflex- bilde ein abermaliges Befiectiren nach der ürsprungsquelle hin stattfindet. Eigenthttmlich bleibt der Umstand, dass Dicht in allen emmetropischen und hypermetropischen Augen jener Beflex gesehen wird; bei längerer üebung und Geduld findet man ihn etwa in ^^^ kindlichen Augen, bei älteren Augen noch seltener.

Es scheint fast immer nur ein einzelner kleiner Be- zirk im Auge so zu liegen, dass er den von der Betina doppelt reflectirten Strahlen zu einem Sammelpunkt dienen kann; geringe Abweichungen im Bau des Auges, wie sie bei gleichem Befractionszustand an der Macula lut. oder Papille an der Peripherie vorkommen*), vielleicht Ver- schiedenheit der Spi^elungsfähigkeit jugendlicher und älterer Netzhäute mögen bei dem Zustandekonunen des Bildchens eine Bolle spielen, und da es mir bei einzehien

*) Stammeshaas, v. Graefe*s Archiv XX.

158

Augen, in denen ich den Bing schon öfter wahrgenommen hatte, zuweilen nicht gelingen wollte ihn sofort wieder zur Anschauung zu bringen obwohl es mir schliesslich immer glückte , so können auch kleine mir unbekannte Umstände in der* Haltung des Spiegels zum Auge oder der Lichtquelle die Schuld daran tragen, das Experiment misslingen zu lassen.

Subjectiv wird es kaum möglich sein die kleine Licht- erscheinung zu bemerken, da die Empfindung derselben in dem sehr hellleuchtenden FlammenbQde untergehen muss, welches der Spiegel im Augeninnem entwirft, aber ihr Entstehen zeigt immerhin an, dass die Netzhaut nicht ganz so wenig Licht reflecürt, wie man bisher anzu- nehmen pflegte. *)

Die hier beschriebene Erscheinung ist, wie gesagt, nicht selten und es wird den meisten Beobachtern gewiss gelingen, meine Angaben zu bestätigen resp. zu oontro- liren. In der Literatur finde ich die Thatsache nicht erwähnt; sollte sie doch bereits veröffentlicht sein, so dürfte mich vielleicht der Umstand entschuldigen, dass allein die Beferate über die Arbeiten eines Jahres in der Ophthalmologie Bände füllen.

Elberfeld, November 1883.

*) V. Kries, Gesichtsempfindangen. S. 26.

Eine stoTeoskopisolie ErsolieiiLaiig in der rotiienden Bildertrommel.

Von Dr. Heuse in Elberfeld.

Während der Beschäftigang mit den Vorgängen in einer sogenannten rotirenden Bildertrommel beobachtete ich eine stereoskopische Erscheinung, die ich wegen der Eigen- artigkeit, mit welcher sie zu Stande kommt, und weil sie sich ganz besonders zur Demonstration des Entstehens stereoskopischer Bilder eignen möchte, in der Kürze mit- theilen wilL

Lässt man durch die Längsausschnitte einer soge- nannten Bildertrommel das Licht einer Lampe fallen, die auf dem Tische steht, während die Tronmiel ihren Platz auf einen in der Nähe des Tisches befindlichen Stuhl hat, und dreht den Cylinder schnell um seine Achse, so be- merkt man bei einem Standpunkte der Lichtquelle gegen- über, indem man auf 1 Fuss Entfernung mit einem Auge durch die Längsspalten auf die Grundfläche des Cylinders blickt, eine Anzahl von stillstehenden Lichtstreifen, eine Erscheinung, welche ihre Erklärung in demselben Prinzip findet, wie die der Figuren, zu deren Veranschaulichung

160

der Apparat construirt ist. (Vergl. Helmholtz, Physiol. Optic, p. 349). Ganz stillstehend pflegen die Streifen freilich nicht zu sein, da bei den wenig genau gearbeiteten Apparaten, wie sie im Handel vorkommen, während des Botirens kleine Schwankungen nach allen Sichtungen hin entstehen. Betrachten wir die Streifen abwechselnd mit dem rechten oder linken Auge allein, so bemerken wir fbr das rechte Auge das Gesichtsfeld weiter nach links hin reichend, wie fdr das linke Auge, und umgekehrt Bei dieser einäugigen Betrachtung erscheinen uns die Streifen in einer Ebene zu liegen; richten wir aber beide Augen zugleich auf sie, so springen die Streifen in die Höhe und zeigen sich frei über der Grundfläche schwebend auf einem Cylindermantel geordnet, dessen Achse parallel der Grund- fläche der Trommel läuft. Die beiden, den einzelnen Augen gebotenen Lichtstreifenbilder haben sich stereoskopisch vereinigt und decken sich ziemlich genau, was man con- statiren kann, wenn man vor ein Auge ein rothes Glas hält. Hierbei werden die durch die Schwankungen der rotirenden Scheibe hervorgerufenen Verschiebungen der Streifen gegeneinander sichtbar und man bemerkt, wie die rothen Streifen vor den weissen hin- und herrücken, immer aber zum grössten Thefl dieselben decken. Bei einem genau gearbeiteten Apparat, bei welchem die Schwankungen vermieden werden könnten, würde die Erscheinung wohl noch eleganter zur Anschauung kommen; auch müsste es mit einem solchen möglich sein zu messen, wie sich der Abstand der sich deckenden Streifen verhielte, was auch wohl auf mathematischem Wege zu machen wäre. Durch blosse Taxation ergiebt sich mir der Abstand der einzelnen Streifen untereinander für jedes Auge als vollkommen gleich; in toto scheint, wenn man abwechselnd das eine oder das andere Auge schliesst, das Streifenbüd ffXc das rechte Auge etwa 1 Zoll breit weiter nach rechts zu liegen, als für das linke Auge und diese geringe Verschiebung

161

bringt eine Verschiedenheit der beiden Netzhantbilder her- vor, gross genng, nm zu der beobachteten stereoskopischen Erscheinung Veranlassung zu geben; wieder ein Belag f&r die bekannte Thatsache, wie wenig Differenz in der An- ordnung verticaler Linien genügt, um eine stereoskopische Wirkung zu erzeugen.

Die Bedingungen zu der stereoskopischen Vereinigung sind bei der Einfacheit des Linienmusters im vorliegenden Versuch so mächtig und zwingend, dass man die grösste Mühe hat, em solches stereoskopisches Bild auseinander- zutreiben. Erst nach vielen vergeblichen Versuchen ge- lang es mir, indem ich mich bemühte, den in der Mitte der Grundfläche stehenden Dorn fest zu fixiren und hier- durch eine genügende Divergenz der Augenachsen zu er- zeigen, eine Trennung der beiden Bilder zu erzielen und die weissen und rothen Streifen in der Ebene der Grund- fläche neben einander liegend zu fixiren; immer aber musste ich dabei ankämpfen gegen die Intention der Augen, die stereoskopische Verbindung wiederherzustellen. Treibt man die Divergenz der Augenachsen weiter, als es die Fixation des Domes erfordert, was durch Annäherung des Kopfes an die Trommel begünstigt vrird, so entsteht plötz- lich das stereoskopische Bild eines Liniensystems, welches in dem concaven Mantel eines Kegels zu liegen scheint, dessen Achse schräg steht zur Grundfläche der Trommel. Das Bild wird jet2t unterhalb der Trommelbasis gesehen. Bei dieser stereoskopischen Vereinigung der Streifen ist für das rechte Auge der am weitesten nach links gelegene, für das linke Auge der am weitesten nach recht gelegene Streifen einfach vorhanden und erscheint, allerdings nur bei besonderer Aufinerksamkeit, an seinem wahren Ort in der Trommelbasis; bei gewöhnlicher Fixirung des ganzen Bildes von der Mitte aus werden auch diese beiden Streifen in die Anschauung des ganzen Bildes hineinge- zogen.

T. Oraefe*! AtcUt fttr Ophthalmologie, XXX. 1. 11

162

Das yerschiedene Verhalten der stereoskopisch ver- einigten und einfach gesehenen Streifen in Bezug auf die Localisation kann man deutlicher zeigen, wenn man die grOsste Anzahl derselben durch vorgestellte Schirme ab- blendet, so dass z. B. für das rechte Auge zwei, fdr das linke Auge ein Streifen sichtbar bleibt; bei der Drehung des Apparats bemerkt man dann, wie der eine stereos- kopisch vereinigte Streifen emporspringt, wahrend der andere einfach gesehene auf dem Boden liegen bleibt. Man kann auch durch einen halbmondförmigen Schirm den untern Theil sämmtlicher Streifen abblenden und nur eine Beihe kleiner Quadrate stehen lassen; bei den Schwan- kungen des Apparats kommen diese oft nicht zur Deckung und hieraus resultirt dann eine grosse Unruhe in der Er- scheinung, indem bald dieser bald jener Theil sich aus der stereoskopischen Vereinigung loslOsst und zu Boden sinkt.

Durch Bewegungen der Trommel um ihre horizontale Achse kann man Veränderungen in der Gestalt der ein- zelnen Streifen hervorrufen, was dann wiederum eine Ver- änderung des stereoskopischen Bildes zur Folge hat. Neigt man die rotirende Trommel nach vorne, dem Beob- achter zu, so sind die stereoskopisch vereinigten Streifen auf einen Kugelabschnitt geordnet, bei der entgegenge- setzten Bewegung wird die Achse des Kegels, in dessen Mantel die Streifen erscheinen, der verticalen Achse der Trommel parallel und diese machen den Eindruck eines glänzenden Spiegelbildes in einer Wasserfläche. Man sieht dies besonders schön, wenn man Sonnenlicht zur Beleuch- tung hat, was überhaupt alle die hier beschriebenen Ver- suche hübscher hervortreten lässt, als Lampenlicht, obwohl dasselbe vollkommen ausreicht

Lässt man die Streifenbilder auf die Mitte der Trom- melbasis fallen, so gelingt es wohl durch willkürliche Ab- änderung der Convergenz der Augenachsen bald das con-

163

vexe, bald das concave Bild zur Anschauung zu bringen; neigt man aber die Trommel sehr stark nach vom oder hinten, so kann immer nur eines der Bilder zu Stande kommen, da die zur Herstellung des andern nOthige Con- vergenz oder Divergenz so stark sein muss, dass RoUungen des Bulbus daraus resultiren, welche eine stereoskopische Vereinigung unmöglich machen.

Nimmt man einen Kugelabschnitt, etwa in Form eines metallenen Deckels, mit demselben Radius, wie ihn der Cylinder zu haben scheint, auf welchem die Streifen an- getragen erscheinen, und legt den Deckel mit der Con- vexität aufwärts in die Bildertrommel, so entsteht ein stereoskopisches Streifenbild, welches beim Blick fdr die Nähe in einer graden Ebene zu liegen scheint und bei Vereinigung mit grosserer Divergenz der Augenachsen in einem stärker gekrümmten Kegelmantel, als es in dem andern Versuch der Fall war, eingetragen ist. umgekehrt vergrössert sich die Krümmung des Gylindermantels und verringert sich diejenige des Kegels, wenn die Concavität des Deckels nach oben liegt.

Bringt der Beobachter die Augen in verticale Lage zum Boden der Trommel und dadurch die Augen in eine fast gleiche Position zu den Streifenbildem, so schwindet jeder stereoskopische Effect und man sieht, wie mit einem Auge, die Streifen in der Ebene der Trommel liegen.

Versuche wie die beschriebenen lassen sich mannig- fiich variiren, wenn man eine Scheibe mit irgend welchem Figurenausschnitte, wie ihn stroboskopische Scheiben zu haben pflegen, um eine horizontale Achse bewegt und das Schattenbild der Scheibe auf eine wenige Zoll entfernte weisse Wand wirfk. Blickt man dann durch die sich dre- hende Scheibe, so sieht man das ausgeschnittene Bild,

11*

l&l

stellenweise in seltsimer Yerzeirang sich Ton der Wand abhebend.

Der Grand (fir das Zastandekommen solcher stereos- kopischen Bilder ist bei allen diesen Erscheinnngen der- selbe, er liegt darin, dass das rechte nnd das linke Auge ein nnr dnreh ihre Lage za der rotirenden Trommel oder Scheibe bedingtes Tersdiiedenes Netihaatbfld be- kommen.

Klinisolie Beiträge zur Lehre vom Olauoom.

Von J. Jacobson sen.

(Fortsetzung.)

An die zum Schlüsse des ersten Theiles dieser Abhand- lung mitgetheilten Erankheitsbilder schliesst sich das nachfolgende, chronische Glaucom ohne Band-Excavation unmittelbar an.

4. Frau D., polnische Jüdin, 48 Jahre alt, soll in ihrer Kindheit an Augenentzündungen gelitten haben, von denen auf dem linken Auge ein Fleck zurückgeblieben sei. Vor acht Jahren will Patientin ohne nachweisbare Veranlassung unter Frostgefühl, Erbrechen, Schmerz in den Augen, Augenhöhlen, Schläfen und Stirn ihr Sehvermögen plötzlich eingebüsst und nach 10 Tagen unter Anwendung von Vesicatoren völlig wieder erlangt haben, dann sollen in den nächsten 2 Jahren rechter- seits etwa einmal in der Woche ähnliche Anfälle entstanden sein, um über Nacht wieder zu verschwinden. Trotzdem blieben die Augen, unverändert leistungsfähig bis zum letzten Jahre, in dem wiederum rechterseits unter Böthung, Augen- und Kopfschmerz, Begenbogensehen und Photopsien das Sehvermögen fast vollständig geschwunden ist.

Status präsens. 8. März. Bechtes Auge: Bulbus in Divergenzstellung, Spannung sehr erhöht, Cornea von trübem, cadaverösem Aussehen, vordere Kammer flach, Humor aqueus trübe, Iris blaugrau, theilweise atrophisch, Pupille über mittel

166

weit, reaetioDfllos, Liiue und Glaskörper klar, Papilla optica schrSg oval wegen hjpenDetropiscbeii Astigmatisiiiiis, ron gelbem, glaocomatösem Singe umgeben, in der ganzen Aus- dehnung grfinlich weiss, tief excavirt, der Gnmd im aoj&echten Bilde mit D. 14 sichtbar. Alle Gefässe brechen scharf am Scleralrande ab, nur einige Fortsetzungen sind in der Tiefe aufzufindoi, die Zwischenstficke am Bande nicht sichtbar. S = Finger auf Vs Meter bei nach aussen Torbeischiessender

Sehachse,. L. = ^gö"' ^ ^^^^ ^^°' nnteo und nasalwärts; im temporalen Theile des Gesichtsfeldes werden alle Farben und Weiss gesehen und zwar aussen oben zwischen 8 und 40*, aussen zwischen SO und 70*, aussen unten zwischen 8 und 3b\ Linkes Auge : Spannung erhöht Cornea abgesehen von einer kleinen Macula fere centralis normal, Kunmer flach, Iris blaugrau, etwas atrophisch, Pupille wenig nach aussen oben dislocirt, gut beweglich, tief schwarz, linse und Glas- körper durchsichtig. Papilla optica von einem gelblichen Binge umgeben, auffallend geröthet bei scharfen Grenzen, in ihrer Mitte eine etwa ein Drittel der Papille breite, runde, glänzend weisse, sehr tiefe Excavation, auf deren Grunde man die T«amina cribrosa und eine pulsirende Vene sieht. Die grossen Gefässe gehen glatt fiber den Scleralrand fort, senken sich dann aber mehr und mehr verschleiert in die Opticussubstanz ein, bis sie, am Centralcanal

20 angelangt, scharf in die Tiefe umbiegen. S = ^

Se und L normal, fast taglich Eopfschmerxen mit periodischen Verdunklungen und farbigen Kreisen um eine Flamme.

An beiden Augen wird in zwei Sitzungen hintereinander Iridectomie nach oben ausgeführt, rechts ohne Besultat, links mit vollkommenem Erfolge.

Die Angaben der Kranken sind fbr eine Anamnese, aas der sich der langjährige Verlauf des Leidens mit Sicherheit reconstroiren liesse, zu ungenau. Am meisten Wahrscheinlichkeit scheint mir die Anffassnng zu haben, dass es sich am ein Glancom mit Jahre langem Prodro- mal-Stadiam handelt, aus dem als ein ganz besonders heftiger Anfall der vor acht Jahren erlittene hervortritt.

167

Ob derselbe unter sogHianfitfn Entzändmigserschdnniigen Terlaufen, ob die Toräbagehende Erblmdung beiderseitig gewesen, ob später beide Aogen oder nur das linke wieder leistongs&h^ geworden sei, l&sst sich nicht mehr ermit- teln. Fest zn stehen scheint nur, dass das rechte Ange, das bis in die letzte Zeit von kleinen Insoltoi nidit Ter- schont blieb, Torzngsweise ergriffen gewesoi. Wir müssen deshalb die Frage, ob Glaucoma acatmn mit üebergang in Excayation oder Glaucoma chronicum ftr das rechte Auge unbeantwortet lassen, so sehr der Verlauf audi für die erste der beiden Annahmen spridit Auf dem linken aber glaube ich nach der Beschaffenhät des Torderen Aug- apfelsegmentes, den geringen Yeränderungen der Papula optica, der langen Dauer des Processes, dass es sich um ein unter langjährigen Prodromal-Stadium yerlaufendes Glaucoma chronicum gehandelt hat. Die trotz langer Dauer des Processes normal gebliebene Function erklärt sich aus dem gesunden Aussehen der die Papilla optica bildenden Xerrenfaserbündel. Wie eine partielle Yer- drängung und Erkrankung dieser letzteren sich mit ge- wissen Anomalien des centralen und peripheren Sehns in Einklang bringen lässt. soVL der folgende Erankheits&U zeigen.

5. August Z^ 60 Jahre al:. Lehrer, hat in seiner Jagend an Husten, zeitweise mit bl^itis^m Aaswurfe und Nacht- schweissen gelitten, in seinem 9). Lebensjahre eine Augen- «itzündung überstanden, nach deren Ablaufe sich d:is Seh- vermögen vollkommen wiederhereesteilt hat. 5»rit » Jahren wird er vielfach von Kopfschmerzen geplagt, die am Hinter- haapte beginnend sich aber beide Seiten des Kopfes verbreiten and nach der Xa»enwarzel ojcd den Augen ausstrahlen. Im M, Lebensjahre ETLSste er seiner Presbyopie wegen fär die Arbeit eine Conveibrüle beuTitzen, seit 2 Jahren bemerkt er eine deutliche Abnahme der Sehkraft auf dem linken Aoge.

15. Mai 1882. Status präsens. Kräftiger, gesTind aus- sehender, nicht frlhzeitig gealterter Mann, an dem die phvsi-

168

kalisehe rntersuchiiiig des' KOrpera nichts Ahnoimes ergiehL Augen änsserlieh nonnal: Cornea durchsichtig, Tordere Kammer etwas eng, Homer aqnens klar, Iiis hian, Papille anter Mittel- weite, gnt reagirend Ton reiner Schwäne. B. A.: S = 1,

20 Hpm D -^ 1, Se and L normaL L. A.: S < ^, Se nach

der Sehläfenseite normal, oben and oben anssen bis 45^ oben innen bis 40, innen %, onten innen 10, anten 5, onten aussen 20, also in der unteren Hälfte staii^ eingeengt Alle Farlien werden innerhalb der Aussengrenzen, denen sie unge- fähr proportional beschränkt sind, erkannt L ögi Spannung

deutlich erhöht

SubjectiT giebt Z. an, alles wie durch einen Nebel zu sehen. Um eine Kerzenflamme erscheinen ihm farbige Ringe. Das linke Auge f&hlt er voll und gespannt, als wenn es keinen Baum in der Augenhöhle habe.

Ophthalmoskop. Papilla optica besonders in der tempo- ralen Hälfte von grünlichem Farbentone, die Lamina cribrosa sichtbar, scharfe Seiend- und Chorioidalgrenze, grosse und kleine Gefässe in normaler Zahl und FüUung bis auf die stark erweiterte, obere und untere Vene. Erstere verschwindet un- mittelbar am Scleralringe, letztere senkt sich allmälig über denselben hinweg nach der gemeinschaftlichen Fintrittsstelle. Die obere und untere Arterie macht einen kaum sichtbaren Bogen nach hinten, alle übrigen Ge&sse überschreiten den Band, ohne ihre Ebene zu verändern. Die Stelle des Central- kanales liegt in der Mitte der Papille und dehnt sich stark nach oben aus, die in ihr liegenden Hauptstänmie werden, während die Betina durch D 1 deutlich erscheint, durch D 6 scharf sichtbar, sie pulsiren spontan, Arterien sowohl, als Venen.

Bald nach seiner Aufiiahme in die Klinik erkrankt Z. an einer schweren Perityphlitis, von der er am 13. Juli her- gestellt ist. Farbensinn und Gesichtsfeld sind unverändert

20 1

geblieben, 8. auf -^, L auf -jj gesunken.

Sclerotomie am 19. Juli 1882. Normaler Verlauf, am

20 27. Juli S = -ÖQ, Arterienpuls verschwunden. Subjectiv wird

angegeben, die Spannung sei normal, das Gesichtsfeld heller

geworden, objecÜT sind die Grenzen des Gesichtsfeldes nn- Terftnderty die Eesistenz wenig oder gar nicht Teimindert

Nach mehrw5chentlichem, ruhigem Verhalten des Anges sollen sich nach Angabe des Kranken die alten Symptome wieder eingestellt und allmälig gesteigert haben; schon bald nach Beginn des neuen Jahres behauptet er» dunkler, als vor der Operation, gesehen zu haben. Bei seiner zweiten Auf- nahme in die Klinik finden wir das Aussehen des Torderen

20 64r

Augapfelabschnittes normal, die Medien klar, S=^, L<=-^,

im Gesichtsfelde eine ausgesprochene Hemianopsie inferior, eine durch den Fixirpnnkt gezogene Horizontale theilt dasselbe in eine untere, blinde und eine obere, sehende Hälfte, deren Grenzen für Weiss und Farben den bei der ersten Untersuchung gefundenen Zahlen entsprechen. Die Papilla optica hat einen schmalen, glaucomatösen Bing, ist Ton grün- lichem Farbentone, die Lamina cribrosa im Centralkanale und im oberen, temporalen Quadranten deutlich sichtbar. Der breite Centralcanal liegt ungeflifar in der Mitte der Papille, in ihm erscheinen die grossen Gefässst&mme dem blossen Auge als unbestimmt contourirte Schatten, mit D. 7 deutlich und scharf begrenzt; mit demselben ConcaTglase lässt sich der Verlauf der oberen, grossen Vene bis an den Band, an dem sie scharf abbricht, verfolgen, während die correspondirende Arterie etwas höher liegt Die unteren Gefitese zeigen keine plötzliche Unterbrechung am Bande, sondern nur eine allmälige Einsenkung, sie sind bis in die Nähe des CentnJkanals durch D. 2 gut sichtbar, alle nasalen Gefässe überschreiten den Band ohne Aenderung ihrer Ebene. .

Iridectomie am 14. September 1883. Normaler Verlauf. Functionen seitdem unverändert. Patient giebt an, das Span- nungsgefühl im Auge verloren zu haben, Kopfschmerzen und Verdunklungen haben sich nicht wieder eingefunden, eine Lichtflamme, die früher ungefähr 6&ch vergrOssert und von einem farbigen Feuerscheine umgeben erschien, hat jetzt ihre normale Grosse und scharfe Begrenzung.

Die Erankheitsgeschichte zeigt uns ein ausgesprochen chronisches Glaucom (nach Donders Olaucoma simplex) mit folgenden prodromalen Symptomen: Kopfschmerz, Spannungsgefühl im Ange, Nebligsehen, Begenbogenseben

170

um eine Eerzenflamme. Vermehrte Injection, Medien- trubang fehlt während des ganzen Verlaufes, die Span- nung ist dauernd erhöht, S. und L. massig herabgesetzt. Das Gesichtsfeld zeigt Anfangs eine unvollstän- dige, später eine yollkommene Hemianopsia in- ferior. Diesem Defecte entsprechend lässt sich durch die Untersuchung im aufrechten Bilde mit Sicherheit nach- weisen, dass ausser dem Centralkanal die obere Hälfte der Papille und ganz besonders ihr temporaler Quadrant sehr viel stärker, als die untere, excavirt ist. Die Niveau- Differenz ergiebt sich aus der Verschiedenheit der Concav- gläser Da und D?, mit denen die Gefässcontouren deutlich erkannt werden, die tiefste Stelle liegt im Gentrum der Papille. Warum die Excavation sich vom Centralkanale aus vorzugsweise nach oben entwickelt hat, ist nicht zu wissen, aber fest steht das Zusammentreffen hori- zontaler Hemianopsie mit einer Excavation, die wohl geeignet ist, die seltene Form der Gesichts- feldanomalie zu erklären; denn dass die nach oben austretenden Faserbündel des Opticus der oberen Betina, mithin dem unteren Gesichtsfelde, correspondiren, wird kaum bestritten werden.

Unter solchen Umständen wird man sich leicht ent- schliessen, den Gedanken einer latenten Zerstörung der Stäbchen und Zapfen aufzugeben und vorziehen, die Am- blyopie auf die Beschaffenheit der Opticus -Papille zu- rückzuführen. Entscheidet man sich aber für Annahme eines solchen Zusammenhanges, so muss man noch einen Schritt weiter thun und anerkennen, dass die relativ gute Farbenperception des oberen Gesichtsfeldes wohl verträglich ist mit dem weissen Beflexe der unteren Papillenhälfte. Damit würden alle Hypothesen und Schlussfolgerungen, welche den Antheil der glaucomatösen Papille an der Am- blyopie mit dem Scheinbeweise von der Unverträglichkeit guten Farbensinnes mit atrophischer (?) Papillenverfiü:-

171

bung zurQckzaweisen bestrebt sind, als hinfällig aufge- geben werden müssen. Für alle diejenigen, welche nach abgelaufener Neuritis optica die sogenannte atrophische Verfärbung oft genug mit yoUkommen normaler Function zusammen beobachtet haben, bedurfte es kaum mehr eines neuen Beleges für die scheinbare Paradoxie, die alles Be- fremdende verliert, sobald man die unbegründete Vorstel- lung von der Identität einer weiss verfärbten und einer atrophischen Papille aufgiebt.

Der üebergang der prodromalen Erscheinungen in das chronische Glaucom hat auch in dem uns vorliegenden Falle nicht nachgewiesen werden können; denn schon bei der ersten Vorstellung des E^ranken fand sich partielle Bandexcavation, Abnahme des centralen, des peripheren Sehens und des Lichtsinnes, die anamnestischen Angaben aber lassen in dem ganzen Zeitverlaufe keinen Moment deutlich hervortreten, der den Charakter eines Wende- punktes zum Schlechteren verriethe. Keine Injection, keine Entzündung, keine plötzliche Abnahme des Sehvermögens, selbst die Verschleierung des ganzen Sehfeldes tritt, worauf vielleicht einiger Werth zu legen ist, nicht als plötzliche, flüchtige Obscuration, wie bei den bekannten Trübungen der Medien, sondern als ein constanter, sich allmalig verdichtender Nebel auf.

Der eigenthümlichen hemianopischen Gesichtsfeldbe- schränkung wegen schliesse ich folgenden Fall an:

6. Johann M., 70 Jahre alt, ist auf seinem rechten, glaucomatOs degenerirten Auge, eigner Aussage nach, unter kaum merklichen Symptomen allmalig erblindet, links haben sich in letzter Zeit Verdunklungen, Regenbogensehen, gleich- seitige 'Kopfschmerzen gezeigt. Das äussere Auge ist normal, Cornea klein, vordere Kammer eng, Iris normal, Pupille von regelmässiger Weite, gut reagirend. Druck bedeutend erhöht.

1 49 S < -5-, L -o", Gesichtsfeldgrenze 0 40, 0 a 55, a 85, a u 75,

u 40, innerhalb dieser Grenzen werden die Farben deutlich

172

empfanden. Ophthalmoskop.: Die nasale Hälfte der Pa- pille ist roth, am üebertritte der Gefässe über ihren Band keine Spnr von Verschiebung, die temporale Hälfte und die Gegend des Gentralkanals grünlich, gefleckt, die Gefösse un- mittelbar am Bande scharf abgeknickt. In der Tiefe des Gentralkanals sieht man die Gefässstämme einigermassen deut- lich erst mit D. 7, während die Punkte der Lamina cri- brosa im unteren, äusseren Quadranten mit D. 4 wahr- genommen werden.

Die allmälige Entwickelung der Excavation haben wir leider nicht verfolgen können; wahrscheinlich hat sie sich vom Gentralkanal temporalwärts und gleichzeitig etwas nach oben und unten erstreckt; dabei sind allmälig alle die temporale Netzhauthälfte versorgenden Nervenfasern vollständig zu Grunde gegangen, während die fOr die nasale Hälfte bestimmten im Niveau und leitungsf&hig geblieben sind. Es würde mehr Skepsis, als ich auftreiben kann, dazu gehören, wenn man ein solches Zusammen- treffen von Gesichtsfeldbeschränkung und Ar^enspiegel- befund fOr zufällig halten wollte. Stellten wir uns die Aufgabe, für eine durch Druckexcavation entstandene Hemianopsia nasalis schematisch den Spiegelbefiind der Papilla optica zu entwerfen, wir würden kein anderes Bild zu Staude bringen können, als das vorliegende: normale nasale, excavirte temporale Hälfte, normaler Gef&ssüber- gang im nasalen, scharfes Abknicken der Gef&sse im tem- poralen Theil. So scharfe Grenzen zwischen der gesunden und kranken Hälfte der Papille sehen wir allerdings selten, gewöhnlich finden wir, ehe das Höhestadium erreicht ist, die Excavation temporal nur etwas weiter, als nasal, vor- geschritten, dem entsprechend zeigt das Gesichtsfeld höchst selten das Bild einer Hemianopsie, sehr gewöhnlich all- seitige Einschränkung, am weitesten vorgeschritten in der nasalen Hälfte. Wo ausnahmsweise die Aussengrenzen ein anderes Bild ergeben, zeigt sich der glaucomatöse

173

Charakter des Gesichtsfeldes an der Form der Farben- grenzen.

7. A. H., 57 Jahre alt, bemerkt eine Abnahme des Seh- rermögens auf dem linken Auge seit etwa einem Jahre. Kurz Torher hat er nach Spaltung eines kleinen Karbunkels im Nacken ein schweres und schmerzhaftes Krankenlager durch- gemacht. Von entzündlichem Erscheinen am Auge will er Nichts wissen, ein wenig Kopfschmerz und deutliche Abnahme der Sehkraft sollen bisher die einzigen Symptome gewesen sein. Erst als man ihn eine Flamme fixiren lässt, bemerkt er vor derselben eine neblige Scheibe, in der gelbe, rothe und blaue Farben auftauchen, auch erinnert er sich jetzt, mitunter Stunden lang am Tage alle Gegenstände etwas verdunkelt ge- sehen zu haben. Sein rechtes Auge ist normal, das linke, auf £ath eines Arztes seit einigen Tagen mit Eserin behandelt, lasst äusserlich nichts Pathologisches wahrnehmen. Die Cornea ist durchsichtig, die Yordere Kammer klar, sehr eng, Iris und Linse stark vorgerückt, Pupille schwarz, Druck deutlich erhöht Nach Einträufelung eines Tropfens Homotropin diiatirt sich die Pupille allmälig ad maximum, das Ophthal- moskop zeigt eine gleichm&ssig rothe Pupille, aber der Reflex ist wenig leuchtend, und, trotzdem keine beweglichen Opaci- taten sichtbar sind, erscheint der Augenhintergrund im auf- rechten Bilde 80 trübe, dass von einer genauen Untersuchung der Papilla optica keine Bede sein kann. Bei intensiverer Beleuchtung mit dem Concavspiegel tritt das umgekehrte Bild dentlich genug hervor, um das scharfe Abknicken der grossen Oefässe am oberen und unteren und eine massige Verschiebung am nasalen Bande erkennen zu lassen. Die dünnen, tempo- ralen Aeste entziehen sich in dem matt beleuchteten Bilde der Untersuchung. Der Centralcanal ist stark verbreitert, in seiner Tiefe und in seiner Nachbarschaft die Lamina cribrosa sichtbar, die Farbe der Papille an keiner Stelle weiss oder

grünlich, im Ganzen schmutzig roth. S = tqq, L = -öt»

Gesichtsfeld für Weiss: o 50, oi 40, i 40, ui 45, u 50, ua 40, a 50, ao 35; Gesichtsfeld für Farben (die Blau- grenze wird genügen, da Both und Grün innerhalb derselben erkannt werden): o 35, oi 30, i 0, i u 0, u 0, ua 25, a 30, ao 20.

174

Bemerkenswerth ist zunächst, dass bei ausgesprochen chronischem Verlaufe ohne die geringste Andeutung ciliarer Ii^ection, ohne eine Spur von Trübung der Cornea und des Eammerwassers eine nicht unerhebliche, diffuse GlaskOrper- trübung besteht, die nur aus der dichten Verschleierung des Hintergrundbildes erschlossen werden kann. Dem Patienten, der ein vollkommen sehtüchtiges rechtes Auge hat, hatte sie keine besondere Sehstörung yerursachti die chromatischen Zer- streuungsbilder mussten ihm erst durch den Beobachter be- merklich gemacht werden. Auch der Beobachter hatte durch eine flüchtige Untersuchung im umgekehrten Bilde über die Beschaffenheit des Glaskörpers leicht getäuscht werden können'; das aufrechte Bild und der lichtschwache Planspiegel beseitigten jeden möglichen Zweifel. Ob die auffallend starke Herab- setzung des Lichtsinnes nicht mit durch die Trübung bedingt gewesen sein mag?

Von weiterem Interesse war die Beschaffenheit des Ge- sichtsfeldes. Nach der Farbe der Papille und der massigen Tiefe der seitlichen Ausbreitung der Ezcavation war eine er- hebliche Einschränkung nicht vorauszusetzen, aber immerhin musste eine engere Begrenzung nach der Nasenseite erwartet werden und nicht eine fast concentrische. Das Verhalten der Farbengrenzen gab die Erklärung, es bestand fast genaue Hemiopie für Farben, die Grenze für Blau überschritt nach der Schläfenseite nicht eine durch den Fizirpunkt gezogene Verticale. Entsprechend also der noch fast normalen Färbung der Papille war nur ein kleiner Theil der Nervenfaserbündel, die zur äussersten Peripherie hinziehenden, vollkommen leitungs- unlähig, das TJnterscheidungsveimögen für hell und dunkel war in einer fast kreisförmig die Macula umgebenden Zone erhalten geblieben, aber der weiter vorgeschrittene VerM der tempo- ralen Fasern verrieth sich durch die ünempfindlichkeit für alle Pigmente.

8. Carl H., 42 Jahre alt, technischer Fabrik-Director, viel mit schriftlichen Arbeiten und genauem Zeichnen beschäftigt, leidet seit 10 Jahren an Anfangs spinnwebartigen, dann dich- teren Verdunklungen, die besonders unter dem Einflüsse von Aufregungen und langem Schreiben sich auf dem linken Auge einstellen. Die gewöhnliche Zeit der Anfälle sind die Abend- stunden, während deren dann die Gasflamme nicht scharf con-

175

tonrirt, sondern von Strahlen nnd Kreisen in Begenbogenfarben umgeben erscheint. In den verschieden langen, freien Inter- Tallen soll das Auge Jahre lang normal geblieben, erst in ganz letzter Zeit etwas schw&cher geworden sein. Von Bothang, Thränen, Lidgeschwnlst will Patient Nichts wissen, ab nnd zu aber einen massigen Schmerz im Auge und dessen nächster Umgebung empfanden haben. Seit dem letzten Anfalle sind 3 Wochen vergangen.

Status präsens: Augenlider und Coigunctiva normal, auf der Oberfläche des Auges einige dilatirte, vordere Ciliar- venen, Cornea, abgesehen von einer dünnen, centralen, alten Macula, durchsichtig, vordere Kammer flach, Humor aqueus klar, Iris scheinbar unverändert, Pupille etwas er- weitert, träge reagirend, von normaler Schwärze, Linse und Glaskörper durchsichtig, Druck hoch. Papilla optica von einem schmalen, glaucomatOsen, gelblichen Ringe umgeben; an ihrem Bande treten sämmtliche Gefässe ein wenig nach hinten und nasalwärts, die periphere Zone der Papille nimmt ein überall gleich breiter, graurOthlicher Bing von Nervenfasern ein, an dessen Grenze gegen den Cen- tralkanal die Gefässe eine zweite, stärkere Knickung nach hinten zeigen, um in die nasalwärts und sehr tief liegenden, grossen Gefässstämme einzumünden. Die ganze Oberfläche der Papille mit Ausnahme der peri- pheren Nervenmasse gieb't das Bild einer sehr breiten, nach der Eintrittsstelle der Gefässe sich vertiefenden Excavation, in der man deutlich die Maschen der Lamina cribrosa sieht.

20 S mit 2,5 D. = ^qö"» ^ nasal wenig eingeschränkt, Farben-

36 grenzen entsprechend, L. = -^, Während der sich lang

hinziehenden Untersuchung klagt H. über zunehmende Ver- schleierung des Sehfeldes, zwei Stunden später zeigt das durch Eserin für die Operation vorbereitete Auge excessive Druck- steigemng und exquisite, glaucomatöse Medientrübung ohne lojection.

Iridectomie nach oben. Normaler Verlauf. Unmittel- bar nach Beendigung der Operation ist die Pupille schwarz, der Druck subnormal. Die scheinbar gesunde Iris leistet beim Hervorziehen und Abschneiden ungewöhnlichen Wider- stand. Schnelle Heilung. In der zweiten Woche nach der

176

Operation S = -^q, Se und L unverändert, seitdem kein BackfjäU.

Es handelt sich um ein zehnjähriges, sogenanntes Prodromal -Stadium. Genaues über die Dauer desselben lässt sich nicht bestimmen, da wir auf die Angaben des Kranken, der in der letzten Zeit Abnahme des Sehver- mögens auch in den freien Intervallen empfunden zu haben angiebt, allein angewiesen sind. Im Laufe der Zeit scheint der Gentralcanal, der auf dem rechten Auge nur einen kleinen Ring in der Mitte der Papille bildet, sich fast bis gegen die Peripherie hin verbreitert und gleich- zeitig vertieft zu haben; an seiner Grenze fallen die Ge- fässe, die am Papillenrande nur wenig verschoben sind, steil in die Tiefe. Es besteht also eine alte, tiefe glaucomatöse Excavation in der Mitte und wahr- scheinlich eine jüngere, sehr unbedeutende am Bande. Dem fast normalen Gesichtsfelde entspricht das zwar seitwärts verdrängte, aber deutlich sichtbare Lager von Nervenfasern, der centralen Amblyopie und dem na- salen Gesichtsfelddefecte die starke Verschiebung der temporalen Bündel. Das Verhalten des Lichtsinnes bleibt unerklärt, wenn man sich nicht zu der ziemlich plausibeln Annahme verstehen will, dass die Sehnervenfasem unter dem Einflüsse einer gewissen Compression ebenso ge- dämpfte Lichtempfindung, wie die Hautnerven bei Com- pression der peripheren Verzweigungen gedämpfte Tast- empfindung vermitteln. Der ganze Verlauf der £jrank- heit zeigt uns den üebergang prodromalen Glaucoms in Glaucoma chronicum unter dem Bilde einer vom Centrum nach der Peripherie fortschreitenden Opticus-Excavation. Für eine massige Betheiligimg des Chorioidal-Tractus spricht das Verhalten der Iris und der brechenden Medien während der letzten Obscuration. Aetiologisch werden Aufregungen und anhaltende Abend- Arbeiten angeschuldigt.

177

Momente, von denen schwer einzusehen ist, wie sie zehn Jahre lang nur auf ein Auge einwirken, das zweite frei ausgehen lassen sollen, wenn nicht von Hause aus eine Verschiedenheit in beiden Augen bestanden hat.

Die letzten drei Krankheitsgeschichten sollen Typen zeichnen von dem Verlaufe des chronischen Glaucoms mit allen prodromalen Symptomen, mit Schmerzen allein und ohne jedes prodromale Symptom.

9. Frau B., 65 Jahre alt, ist von Jugend auf im Wesent- lichen gesund gewesen, hat in secbszehnjahriger Ehe vier nor- male Entbindungen durchgemacht und bis vor 7 Jahren auf beiden Augen gleich gut und scharf gesehen. Vor 7 Jahren ist innerhalb eines Jahres die Sehkraft des rechten Auges ganz allmälig ohne Zeichen einer Entzündung unter heftigen Schmerzen in der rechten Eopfhälfte vollständig erloschen. Das Sehvermögen des linken Auges hat sich bis zum Früh- jahre dieses Jahres gut gehalten. Seit dieser Zeit bemerkt Patientin häufig, dass unter heftigen, reissenden und stechen- den Schmerzen in der linken Kopfhälfte Obscurationen auf- treten, und dass in solchen Zeiten das Licht einer Lampe matt erscheint und umgeben von hellen, in den Begenbogenfarben schillernden Bingen.

Status präsens 2. November 1882. Lider und Con- junctiva normal, die grossen Stämme der vorderen Ciliar- gefösse nicht dilatirt, Cornea im Centrum matt angehaucht, vordere Kammer eng, Humor aqueus leicht getrübt, Iris durch Atropin ad maximum dilatirt, im Glaskörper keine geformten Opacitaton. Opticus im aufrechten Bilde wegen diffuser Trü- bung kaum sichtbar, im umgekehrten Bilde roth mit breitem Centralkanal, in dessen Tiefe die Arterie pulsirt. Druck höher,

20 als der des rechten an Glaucom erblindeten Auges. S = -^^^

L = ^^, Gesichtsfeld normal. Iridectomie. Heilung mit

Der Fall kann auch als Prodromal -Stadium eines acuten Glaucoms aufgefasst werden. Das ausserhalb des

T. GrMfe*a Archiv fUr Ophthalmologie, XXX. 1. 12

178

Anfalles vollkommen normale Aussehen des Auges, das lange Bestehen der Kopfschmerzen, Obscurationen und des Farbensehens ohne sogenannte Entzündung, das Schick- sal des erst erblindeten Auges bestimmen mich, ihn unter die chronischen zu rechnen, die ja bekanntlich oft genug in acute übergehen. An einer Band-Excavation hat*s zwar gefehlt, aber der ausgedehnte Centralcanal mit pulsirender Arterie darf wohl als ein Druck-Symptom von stationärer Beschaffenheit angesehen werden.

10. Malwine K., 47 Jahre alt, eine sehr verständige Kranke, die genau beobachtet zu haben scheint, giebt an, schon seit mehreren Jahren in der Umgebung des rechten Auges Schmerzen gehabt zu haben und zugleich die Empfin- dung, als ob das Auge sich verkleinere. Seit dem Som- mer 1882 sollen die Schmerzen sich gesteigert, die Sehschärfe für die Feme abgenommen haben, aber erst 8 Tage vor ihrer Aufnahme in die Klinik (29. Decbr. 1882) sei sie durch die Empfindung eines constanten Nebels vor dem rechten Auge geängstigt worden.

Status präsens: L. A. normal. Mit concav-cjlindrisch 2 D Achse horizontal S = 1. K. A. An der Oberfläche einige erweiterte Ciliargefässe, Cornea wie matt angehaucht, vordere Kammer und Humor aqueus normal, Iris etwas dunkler, als die linke, hellblaue, ihre Zeichnung verwischt, Papille rund, ein wenig dilatirt, am nasalen Bande durch kleine Synechien fixirt, in deren unmittelbarster Nähe eine stecknadelknopfgrosse Lücke im Gewebe; bei einfallendem Licht dilatirt die Pupille, bei Beschattung contrahirt sie sich. Druck stark erhobt. Ophthalmoskopisch erscheint der Glaskörper klar, der Hintergrund normal, die Papilla optica grOnlich, in der Mitte sehr tief excavirt mit sichtbarer Lamina cribrosa, am Bande erheblich weniger, aber immer noch tief genug, um die vertical verlaufenden Gefässe verschwinden und erst nach einer seitlichen Verschiebung in der Tiefe wieder auftauchen

zu lassen. S = ttt mit Dp. 2, L = öq, Se wenig be- schränkt, am meisten oben bis 40^, Farben vorhanden. Obscurationen und Farbigsehen werden mit Bestimmtheit in

179

Abrede gestellt. Irideetomie. Nach 8 Tagen Herstellung, S = "ö" mit ^ 1^ D., L. = -g-, Resistenz sabnormal.

Die Eigenthfimlichkeit des Erankheitsverlaiifes liegt darin, dass die intelligente und gnt beobachtende Kranke mit Sicherheit angiebt, nie eine Exacerbation bemerkt zu haben. An Eop&chmerzen ist sie seit Jahren von Ter- schieden Aerzten behandelt worden, ohne dass ihr Seh- TermOgen merklich abgenommen hat, seit einem halben Jahre aber ist ihr Sehfeld neblig, in den letzten 8 Tagen sehr schnell dnnkler .geworden. Das relativ gate, peri- phere Sehen wird durch die bis an die Peripherie sicht- baren Sehnervenfaserbündel yermittelt, die trotz Geftss- kniekong nnd weisser Farbe nicht ToUkommen atro- phisch geworden sind, die centrale Amblyopie f S = zr~\

wird anf Excavation der zunächst dem Gentralkanal be- nachbarten Fasern geschoben werden müssen.

11. Amalie F., 76 Jahre alt, hat Yor 12 Jahren auf beiden Augen gleich gnt gesehen» trägt seit 12 Jahren eine . Convexbrille für die Nähe. Vor 37» Jahren schloss sie zu- fällig ihr linkes Ange, das rechte war fast vollkommen er- blindet; seit dieser Zeit ist auch das linke mehr und mehr neblig geworden. Kopfschmerz, Verdunklungen, Begenbogen- sehen ist nie beobachtet worden. Status präsens: Keine Crefässausdehnungen auf der Sclera, Cornea leicht getrUbt, vordere Kammer flach, Iris normal, Pupille rund, mittelweit, träge reagirend, Druck hoch. R. A.: S = Bewegungen der

Hand. L.A.: S mit -+- 2,5 D. = ^ ^ = T' ^ ^ ^^' ^* ^' a 85, au 80, u 70, ui 45, i 0, io 0. Ophthalmoskopisch: L. Papilla an der Schläfenseite von einem gelben, glaucoma- tösen Binge umgeben, temporale Hälfte stark ezcavirt, grün- lich, nasale Hälfte roth, Gefässe oben, unten und an der Schläfenseite hakenförmig umgebogen. B. Excavation tiefer, die ganze Papille grünlich, alle Gefässe am Bande hakenförmig umgebogen, glaucomatöser Bing um die temporale Hälfte.

12*

180

Beiderseits Sclerotomie. Schnell fortschreitender Verfall des SehyennOgens. Nach 3 Monaten Iridectomie. .Seitdem Still- stand.

Die mitgetheilten Erankheitsgescbichten sollen das chronische, nicht entzündliche Olaacom illnstriren. Be- sonders ungewöhnliche, seltene Fälle anzuführen habe ich unterlassen, weil es mir zunächst darauf ankam, das typische Erankheitsbild möglichst rein darzustellen. Die therapeutische Frage oberflächlich zu streifen, wäre nicht der Mühe werth gewesen, ihre richtige Beantwortung ist nur durch statistische Untersuchungen, die in den Bahmea dieser Abhandlung nicht hineinpassen, möglich. Von wesentlicher Bedeutung war für mich, die Entwickelung des klinischen Bildes auf Orund der Anamnese zu studireu und den Zusammenhang zwischen der Functionsstörung und den sichtbaren, pathologischen Veränderungen ver- stehen zu lernen.

Als ein nicht unwichtiges Resultat der Torstehenden Untersuchung möchte ich den klinischen Nachweis an- sehen, dass die Diagnose des Glaucoma chronicum von dem Auftreten der sogenannten glaucoma- tösen oder Band-Excavation nicht abhängig zu machen ist, dass vielmehr die Band-Excavation immer ein spätes Stadium des Processes be- zeichnet, das für therapeutisches Eingreifen nicht abgewartet werden sollte. Vielleicht ist die Mehrzahl der operativen Misserfolge auf zu spätes Einschreiten zu beziehen, veranlasst durch ungenügende Berücksichti- gung gewisser prodromaler Symptome zu einer Zeit, in der die Niveauverhältnisse der Papilla optica noch die normalen waren.

Von pathologisch-anatomischer Seite ist vor Kurzem darauf hingewiesen worden, dass auch die glaucomatöse Excavation am tiefsten etwa in der Mitte der Papille, in der Gegend des Centralkanales, zu sein und sich alknälig^

181

nach der Peripherie hin abzuflachen pflegt. Andeutungen über die Möglichkeit, dass eine physiologische Excayation durch allmälige Verbreiterung das Aussehen einer glauco- maU^sen annehmen, vielleicht sich in eine solche um- wandeln kOnne, finden sich zu verschiedenen Zeiten zer- streut in der klinischen Literatur, ohne dass die Frage genauer und an einer grösseren Zahl von Beispielen unter- sucht worden ist. Der nächstliegende Grund dafflr, dass wir fiber diesen wichtigen Punkt noch wenig Auskunft haben, dürfte der Mangel an Beobachtungsmaterial und die Schwierigkeit der Beobachtung sein. Welche unter den zahllosen, sogenannten physiologischen Excavationen soll man auswählen, um durch häufiges Ophthalmoskopiren in gewissen Intervallen festzustellen, ob die Excavation stationär bleibt oder fortschreitet? Wie schwer ist es, genau die Breiten- und Tiefengrenze zu bestimmen, die wir doch kennen müssen, wenn wir über das Eortschreiten der Excavation etwas Sicheres aussagen sollen!

In der That glaube ich, dass wir auf dem Wege häufig wiederholter Untersuchungen schwer an*s Ziel ge- langen werden, es sei denn, dass der Zufall uns Kranke mit prodromalen Glaucomsymptomen und normaler Papula optica zufbhrt, die sich für einen längeren Zeitraum wieder- holte, ophthalmoskopische Untersuchungen gefollen lassen. Aber dieser directen Beobachtungen bedarf es kaum. Wenn wir ausnahmslos oder mit verschwindend seltenen Aus- nahmen bei nicht zu weit vorgerückter Randexcavation ophthalmoskopisch nachweisen können, dass die Stelle des Centralkanals am weitesten nach hinten gerückt ist, wenn ebenso oft die an den Centralkanal grenzende temporale Partie ihr Niveau in gleichem Sinne verändert, wenn bei zweifelhaftem, einseitigem Glaucoma chronicum ohne Rand- excavation der Centralkanal auf dem kranken Auge immer tiefer und breiter gefunden wird, als auf dem gesunden, wenn endlich bei vorgeschrittenem Glaucoma chronicum

182

niemals der Band der PapUle tiefer liegt, als ihr Gentnun, dann können wir auf den directen Beweis for die Möglich* keit eines Ueberganges Ton der physiologischen Eicavatioii zur glaucomatOsen Cast verzichten. Nur mOchte ich nicht gelten lassen, dass die centrale Grube sich nach allen Seiten hin gleichmftssig ausdehnt. An&ngs pflegt's in die Tiefe zu gehen, dann nach der Schläfenseite und häufiger nach dem unteren, als d^n oberen Quadranten, im wei- teren Verlaufe erst folgt die obere und untere Bandpartie^ bis endlich auch die dichten, in der nasalen Papillenhälfte angehäuften Faserbündel ausweichen.

In dieser Beihenfolge ungefähr scheinen die verschie- denen Stadien der glaucomatOsen Excavaüon sich ausein- ander zu entwickeln. Beispiele von Excavaüon am oberen oder unteren Bande bei engem und flachem GentralkanaU bei hochliegender temporaler Papillenhälfte dürften fast so seltene Ausnahmen sein, als Excavation der nasalen Hälfte bei normaler temporaler und normalem Centralkanal, die jemals gesehen zu haben, ich mich nicht erinnere. Da- gegen ist das ophthalmoskopische Bild einer erheblichen Verbreiterung des Gentralkanals nach aussen, unten und oben, verbunden mit Zurückweichen der temporalen Papillenhälfte ohne Gefässknickung am oberen und unteren Bande, gewöhnlich genug, um von jedem gekannt zu sein^ der sich mit der Untersuchung des Augenhintergrundes nicht gar zu oberflächlich abgegeben hat.

Schon diese Begelmässigkeit in dem zeitlichen Zurück- weichen der verschiedenen Zonen der Papille legt es nahe^ die Ursache der Excavation in gesteigertem Druck zu suchen, zumal da der anatomische Bau der Papille eine solche Annahme wohl unterstützt. Das Fehlen der Nerven- fasern im Centralkanal, ihre spärlichere Verbreitung in der temporalen Hälfte, ihre Anhäufung am oberen und unteren Bande, vorzugsweise aber in der nasalen Hälfte lässt sich mit dem ophthalmoskopischen Bilde der fortschreitenden

183

glmcuutttflgqi Excavation anter der Voraussetzung, dass die Resstenz mit der Zunahme der Nervenfaserbündel wiAst, Twtrefflich in Einklang bringen. Fraglich bliebe rar, ob der Druck gleichmftssig in der Bichtung nach hnten Tom Glaskörper ausgeht, ob die in den Central- kiBil eingedrungene GlaskOrpermasse von hier aus nach allot Seitoi gleichmftssig gegen die Umgebung drangt oder ob, wie es mir am wahrscheinlichsten ist, die Kraft in baden Richtungen gleichzeitig wirkt. Auf eine Beant* vortnng dieser Frage durch directe Beobachtung, müssen wir verrichten.*)

Wenn es nun eine Thatsache ist, dass wir das Zu- rückweichen des Centralcanals und seiner Nachbarschaft, die sogenannte Verbreiterung der physical. Excavation, ohne Bandexcavation als ein pathologisches Symptom an- sehen dürfen, so drängt sich im einzelnen Falle zunächst die Frage auf: wie unterscheiden wir im ophthalmosko- pischen Bilde, ob wir eine gesunde oder eine pathologisch emgesunkene Papille vor uns haben? Ich will nicht gradezu in Abrede stellen, dass sich bei genauer Untersuchung eines sehr grossen Materiales charakteristische unterschiede ermitteln lassen werden, die mir zum Theil in der Art des üeberganges zwischen gesunder und khinker Zone, zum Theil in der Farbe der kranken Partien zu liegen scheinen, verzichte aber vorläufig auf solche Criterien, da nieine eigenen Untersuchungen noch zu keinem Abschlüsse geführt haben, und von anderer Seite, soviel ich weiss.

'^) Gegnerischen Bemerkungen gegenüber, wiU ich ausdrück- lich erklären, dass ich als Ursache für alle an der Papilla optica sichtbaren Veränderungen keineswegs allein die mechanische Drucksteigerung in Anspruch nehme, sondern unbedingt das Be- stehen trophischer Störungen zugebe, die pathologisch-anatomisch erwiesen und auch ophthalmoskopisch oft genug beobachtet sind. Ich sehe aber keinen Grund anzunehmen, dass mit den trophischen Alterationen auch das Resistenzverhältniss der einzelnen Papillen- besirke zu einander sich ändert, ehe der Beweis dafür erbracht ist.

1^

der Yersuch einer solchen UntersclieidiiDg durch das Auge allein mit Erfol? nicht nnternommen wordoi ist. Ich gebe also Torlänfig die MOglidikeit aner solchen Difle- rentialdiagnose aus dem ophthaImoskr>piichen Bilde aUein aal Zonächst liegt dann der Gedanke nahe, dei^leichen Fälle bis zum unzweifelhaften Erweise fortschreitender Excaration in Beobachtung zu behalten; aus längerem Stillstande wQrde selbstrerständlich auf physiologisches Verhalten nie geschlossen werden dOrfen. Gewiss hat man sich dieses diagnostischen Mittels mitunter bedient und mehr noch bedienen wollen, aber gewiss wird auch die Geduld der Kranken froher oder später zu Ende ge- gangen, Tielleicht auch durch langes Abwarten die günstige Zeit zum Eingreifen versäumt worden sein. Ich beschränke desshalb diese Methode der Untersuchung auf alle Fälle, in denen uns alle anderen im Stiche lassen, sehe von dem ophtalmoskopischen Bilde als einem unzuTerlässigen Erank- heitszeichen ab und orientire mich darüber, ob anderweitige prodromale Symptome aufzufinden sind Welchen Werth wir diesen Symptomen beizulegen haben, soll im Folgenden besprochen werden.

Von der Drucksteigerung wissen wir gerade beim Glaucoma simplei, dass sie weder constant zu sein braucht, noch immer leicht nachweisbar zu sein pflegt; wo wir sie in Verbindung mit einer auffallend breiten, physiologischen ExcaTation constatiren können, halte ich die Diagnose fOr gesichert und die Indication zu medicamentOsem oder operativem Einschreiten für gegeben. Die Zahl der Fälle, in denen wir auf dieses einzige, objective Symptom des Gl. chron. angewiesen sind, ist nicht gross, wenn auch grösser als gewöhnlich angegeben wird; es gehört zu den seltenen Ausnahmen, dass nicht gleichzeitig, wenigstens aber eine Abnahme des Sehvermögens geklagt wird.

Ich habe absichtlich unter den Paradigmen der ver- schiedenen Erankheitsverläufe auch den Status einer beider-

185

satig fiist Tollständig erblindeten Frau (No. 11) mit tiefer nndständiger Excavation mitgetheilt, die auf wiederholte Anfragen nach allen möglichen Glaucomsymptomen hart- näekig antwortete, sie habe nie die geringste abnorme Wahrnehmung gemacht, als die einzige, dass das ganze Gesichtsfeld von einem immer dichter werdenden Nebel eingehüllt werde. Bei Leuten niedrigen Bildungsgrades, die sich wenig beobachten, für geringe Störungen ihres Befindens wenig Empfindung und noch weniger Gedachtniss haben, stösst man namentlich, wenn ein Auge gesund ist, oft auf ähnliche Angaben, bei Patienten, die eine höhere Cnlturstufe einnehmen und beiderseitig erkrankt sind, ge- hören sie zu den Seltenheiten. Genug, sie kommen, wie oben gezeigt ist, vor, der Arzt hat ein zweifelhaftes Opticus- bild und Amblyopie zur Beurtbeilung, wie stellt er sich zur Diagnose?

Die Form der Amblyopie und die Art ihrer Ent- wickelung muss den Ausschlag geben. Handelt es sich um Störungen des Farbensinnes, so ist Glaucom aus be- kannten Gründen auszuschliessen; dasselbe gilt für alle Unterbrechungen des Gesichtsfeldes mit alleiniger Aus- nahme des centralen Scotoms, das übrigens, so lange nicht Drucksteigerung sicher nachweisbar ist, nicht zur Annahme eines glaucomatösen Processes berechtigt. Ist das peri- phere Sehen allein oder das centrale und periphere zu- gleich herabgesetzt, so entscheidet die periphere Farben- empfindung. Einschränkung der Aussengrenze bei stark Terengten Farbengrenzen oder gar bei fehlendem Grün deutet auf eine Erkrankung des Sehnervenstammes; Ein- schränkung der Aussengrenze namentlich im nasalen Ge- sichtsfelde bei relativ gut erhaltenem, peripheren Farben- sinn auf einen glaucomatösen Process, das sogenannte minimale Gesichtsfeld hat keine bestimmte Bedeutung. Vorgerücktes Alter und allmälig fortschreitende Amblyopie können die Glaucom-Diagnose wahrscheinlich, jugendliches

186

Alter und stationäres Verhalten der Amblyopie fQr un- wahrscheinlich machen. Im Ganzen müssen wir zugeben, dass ans der Abnahme des Sehvermögens und einer breiten, physiologischen Excavation kaum mit Sicherheit auf Glaucom geschlossen werden kann, so lange nicht zu- verlässigere Symptome sich hinzagesellen.

Schon oben wurde erwähnt, dass erhebliche Druck- schwankungen mit Tendenz zur Drucksteigerung und mehr noch constante Drucksteigerung genügt, um das chronische Olaucom frühzeitig, wenn sich an der Opticus- papille die ersten Andeutungen zeigen, zu erkennen, aber gleichzeitig wurde bemerkt, dass gerade das chronische Olaucom, von dem hier allein die fiede ist, in seinen frühen Stadien deutlich tastbare Spannungsvermehrung des Augapfels meistens vermissen lässt. Von um so grösserer Bedeutung für die Diagnose sind deshalb zwei subjective Symptome, die selten fehlen und eben so selten bei anderen Krankheiten angetroffen werden, die periodischen Obscurationen und das periodische Sehen von Begenbogenfarben um eine Flamme. Ich glaube nicht zu weit zu gehen, wenn ich behaupte, dass gerade die subjective Obscuration in ihrem typischen Auftreten entweder als diffuser Nebel unmittelbar nach dem Er- wachen, der sich im Laufe der Vormittagsstunden mehr und mehr verliert, um am folgenden oder einem der nächsten Tage ohne alle Veranlassung wiederzukehren, oder als gleichmässige Verdunklung des ganzen Gesichts- feldes bei künstlicher Beleuchtung unter dem Einflüsse accommodativer Anspannung, massiger Blendung oder psychischer Erregung (anstrengende, schriftliche Arbeiten, Kartenspiel, Eintritt in grell beleuchtete Bäume etc.), oder endlich als eine mit gleichseitigem, massigem Kopf- schmerz ab- und zunehmende Verfinsterung bei keinem anderen, als dem glaucomatOsen Augenleiden, angetroffen wird. Gern gebe ich zu, dass es im gegebenen Falle,

187

uunoitliGh in frohen Stadien, zweifelhaft sein kann, ob man ein rein nervöses oder anämisches Symptom, eino tnusitoriBche Anftsthesia retinae vor sich hat, die bekannt- Uefa auch gerade Accommodationsanstrengnngen, Blen« dnngen, psychischen Erregungen folgt und die versohle« daien Eop&chmerzformen begleitet, aber unter den patho- logischen EmahrongsstOrnngen des Anges finden wir keine, der dieses höchst charakteristische Symptom an- gehört. Die Diagnose wurde also nur zwischen Olaucom oder einem reinen Nervenleiden schwanken, und wie loh ^nbe, nicht lange: Der Allgemeinznstand des Patienten, das gleichzeitige Sehen von Begenbogenfarben, die Un- berechenbarkeit des Auftretens, wfthrend die nervösen Obscorationen sich unter gleichen Yeranhissungen fast mit der Sicherheit eines Experiments erzeugen lassen, vielleicht auch der Einflnss der Medicamente (Eserin und Pilocarpin auf der einen, die verschiedenen Nervina auf der anderen Seite) werden schon nach kurzer Beobachtung die Diagnose sicher stellen.

Alle anderen Symptome mit Ausnahme des gleich- seitigen Kopfschmerzes, dessen beiläufig erwähnt wor- den ist, kommen nicht in Betracht: etwaige Veränderungen des Refractions- oder Accommodationszustandes sind von zweifelhafter Bedeutung und schwer zu controliren, wenn man die Kranken nicht vorher beobachtet hat; wichtiger wäre, wenn sie sicher als erworben constatirt werden könnte, eine fQr das Alter auffällige Accommodations- beschränkung. Veränderungen der Iris und Pupille, Tra- bungen der Medien, Anästhesia corneae gehören den frOhen Stadien des Glaucoma chronicum nicht an.

Denmach kommen wir zu folgendem Schlüsse: FQr die Diagnose des Olaucoma chronicum genügt jede Excavation der Papilla optica in Verbindung mit den subjectiven Symptomen der periodischen Obscuration und des Regenbogensehens um Flam-

men oder mit dem objecÜTen Symptom constanter Droeksteigerong. Abnahme des SehTermOgens, periodische Kopfschmerzen, anbestimmte Drock- Schwankungen sind Ton untergeordnetem, dia- gnostischem Werthe. Aus aiif£aLllender Häite des Ang- aj^els allein die Diagnose zu stellen, ist mit Backsidit auf die grosse Breite der physiologischen Bes^?^t<enI, nament- lich in senilen Augen, misslicb^ weniger wird man fehl gehoL wenn man Obscuiationen allein als ein sidieres Prodromalsymptom betrachtet.

Wir dürfen jetzt zu dem Ausgangspunkt unserer Be- traditnng zurOckkebren, die uns zu dem Schlosse gefuhrt hat, dass es verfehlt ist, die BandexcaTation ab- zuwarten, ehe man sich zur Annahme eines Glau- coma chronicum entschliesst In den periodischen ObscuratioDen haben wir sichere prodromale Symptome, die zu therapeutischem Eingreifen nöthigen, sobald irgend weldie Stellen der Papilla optica (wahrscheinlich handelt es sich immer um den Centralkanal und seine nftchste Umgebung) den Verdacht auf eine Druckexcaration rege machen. Ob wir in solchen Fällen mit Eserin oder Pilo- carpin oder sonst auf medikamentösem Wege den Process coupiren können, ob wir sofort zur Iridectomie resp. Scle- rotomie zu schreiten haben, darüber kOnnen nur klinische Massen - Experimente entscheiden. Aus meinem be- schrankten Wirkungskreise habe ich bis jetzt den Ein- druck gewonnen, dass der alten Irrlehre von der Noth- wendigkeit der Band-Exca?ation für die Diagnose manches Auge zum Opfer gefallen, mancher Misserfolg der Iridec- tomie nur auf Bechnung zu langen ZOgems zu stellen ge- wesen ist.

Dürfra wir mit so Terftnderter Anschauung noch in Oraefe's Siime ?on einem Prodromal-Stadium des Olaucoma chronicum sprechen? Ich glaube unbedingt: Ja. Flüchtig- keit und vollständige Bestitutionsf&higkeit sollen die Cha-

189

lakteie der {Hodromaln STmptame sön. So lange Drud- steigeniiig, Ktfpfcchmqx, Otecuradoneii k<Hiiineii und gehen, ohne dass das Xhean der P^Mlla optica zmückveidit. haben vir leinen staüoniren Zustand Tor uns, mit dem Beginn der ExcaTiti*>n tritt die fi^rankheit in ein Stadinnu das keine Natmlieiliing UKfar znlisst und mit seltenm Ansnahmen zur allmiligen Zast<:*nmg der in der Papilla optica zosammeng^diangten Xerren&sern fOhrL

fin anderes Sesoltat, das mir ans einem Theüe der Toiangestellt^en Krankheiisg^e&diiehten herrorzug^ehen sehdnt. ist die Abhinzigkeit der SehstOrang Ton der Ex- caration. Ich weiss voLL dass ich mich mit dieser An- nahme in direktem Widefsprneh m Maathner befinde, dass säner Hrpothese nach die Excaration erst in qdten Erankheits-Stadien, die 5^b:«n lacge durch Eiknnknng der Zapfen herabgesetzte FmKtic«n weither schidigtai oder anf- heben soIL wtiss aneh. äass der nrsäetüehe Zusammen- hang zwbchen zrd so Teisehieden^n Dingen, vie Sehnerren- Excaiation und SehschwScbe« sich nicht b€eiifflich. son- dern nor anf dem Wese der Isduction erreisen lasst. aber gnde ans diesem letzten Gmcde halte ich die Bkhtig- keit des itk logischen Zosammenhanges aufrecht. Wenn wir regelmifsigr od^r in der seiir grossen Mdnzahl aller mie in kracken Aii^en kesne weiteren Verändenmgen finden, als Excaraü^n nnd Sehst/T^imgy vom mit der zn- Eicarxüc'n die Sehst«jnz]:g zonimmt. wenn noch die Fisnctic^KSStL'nmg Ton der Art isL wie wir sie nadi der anatomischen Beschaffenheit des Scfanerren Toncssietzen müssen, dann dürfen wir «ehiiessen: die Seli5t»img ist dne Folge der Opücosrerindenrng. findet skh ansnahsiswesse ein glekh ans&dieDdes 0(«äcQS- Irild« bei wekiiem ^r.m%\ die Fizi>eöon n':<cx^ ^lieben ist SO beweist es nur den sites S&tz. dass nicht Alle« giekk BL was gießen aassidit.

190

Ein Blick sof die Eisiikeiigesehicbtai, die nicht Cnriositaten, sondern Beispiele reisdiiedeiMr, gewOhnUcfaer Fonnen des duomschai Glaocoms oitfaalten, leigt nns nonnale Anssengrenxen nnd centrale AmblyoiHe bei atro- phischer Yerfkrbnng der temporalen OpticoshäUke ohne sogenannte ^ancomaiOse Excayation rersdiiedene Grade der Gesichtsfeldbeschrftnknng, rerbnnden mit Ter* schiedenen Graden centraler Amblyopie, finden sich bei mehr oder weniger aosgebreiteter temporaler und Band- ExcaTation in einem Falle Ton tiefer temporaler Ex- caration bis zum Bande mit gnt erhaltener nasaler Pa- pillenhilfte stossen wir anf aosgesivodicne Hemianopde mit fehlendem nasalen Gesichtsfelde, in einem anderen ist die untere Hälfte des Gesichtsfeldes defect bei tiefer Ex- caration des oberen, äusseren PapiUeDqoadranten Ton allen deutlich ausgesprodienen Band-ExcaTationen zeigt nicht eine einzige normale Farben- und Aussengrensen. Dürfen wir unter solchen Umstanden Anstand nehmen, die dem chronischen Glaucom eigenthttmlichen Sehstörungen Ton der Sehnerrenerkrankung abhangig zu machen, zumal da uns selbst nach zehn- bis zwanzigjährigem Bestehen der Krankheit der Augenspi^el weder an der Macula lutea, noch in der Peripherie des Augenhintergrundes pathologische Yerftnderungen zeigt? Nachdem ich oben nachgewiesen, dass die gegen eine vom Sehnerven ab- hängende Amblyopie von Mauthner ans der Beschaffen- heit des Licht- und Farbensinnes geltend gemachten Ein- wände nicht schwer wiegen, und damit eine Art negati?en Bewdses fbr die alte Lehre von der glauoomatOsen Functions-Anomalie geführt habe, darf ich wohl fbr die positiye Beweiskraft meiner casuistischen Mittheilungen einige Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Ob wir jemals dahin gelangen werden, aus der Beschaffenheit der Papille eine bestimmte Form des Gesichtsfeldes abzulesen, be- zweifle icb, weil mit atrophischer Yerftrbung und Ni?eau-

191

hiedHuig Tobosda m. cad sau hesoodeis. w\^il ein Thefl der LeittLitfifccLainiag u der Luniu mbrosa, tber denn Ebstkititsrat&ieninz der ^ies«l keinen Aofsdilnss gMii. ra Sunde k^mmai fcuuu dsss aber die B^- fidttfenhfit der Ptp*Ille nnd die Se^fonciion Tihrend des glneomatdaen Processi in d^m Yeridltniss ron Ursndw and Wirfcnng steht, darObo mC«ehte ich. ehe d:e patholo- giadie Anitiimif das l€tzte Wort gesprochen hat einen Zwcifd nicht anfkommen lassen.

Daas ich mir die Excaration nicht mit Manthner als die Folge einer TuUig in der Luft scfavebenden Cho- noidifcis, die den Sehnerren gewissermassen Ton seinem Bindegewebe frd prSpazirt, rorstelle, sondern mit Graefe an der DnieUiypothese festhalte, darf nicht befiremden« Kennen wir doch keine andere Augenkrankheit, als das Glanoom, in deren Verlanfe die Dmckschwankongen eine so herromgende BoUe spielen, die Dnicksteigemng so oonstant wird, einen so enonn hohen Grad erreicht kennen wir doch keine Hypothese, die alle wesentlichen, an der Papilla optica sichtbaren Yerftndenii^en so ToUkommen erkUrt!

Ueber die Vorginge innerhalb des Auges, an welche die Dracksteigemng gebunden ist, will idb meine Ansicht noch an8q>reehen, ohne näher darauf einzugehen, in wdchen Punkten ich mich anderen Fachgenossen nähere, in welchen ich Ton ihnen abweiche.

Ich gehe ron der durch zahlreiche Beobachtungen festgestellten Thatsache aus, dass der enucleirte glauco* matdse Augapfel längere Zeit nach seiner Entfernung aus der Augenhohle noch erhöhte Spannung behält Mithin ist die Drucksteigerung weder eine Folge stärkerer Muskel- spannung, noch gesteigerten, allgemeinen Blutdrucks, Bondon einer Ober den Zusammenhang des Auges mit dem Körper hinaus fortdauernde Inhaltszunahme. Dass

i:-2

"kr Htudot zqr}*fQ3 niefat TeriDtfart. son-S^n ic^sstests md gerade in den schwersten Fällen erbet*lkh ToiciEd^Tt ist, kbrt die UgÜcbe Erfahrung, dass in der hinteren Kunmer mit selUfnen Ausnahmen keine Ansammlung Ton Flössig— keit zu Stande kommt, rei^ der Verlauf der Iriieetomie. da^s weder starkes Oedem der Betina und Chjri«>idea be>* steht, noeh Ton exiieblichen Ergüssen zwischen den Mem- branen die Bede sein kann, wissen wir ans der ophthal- moskopischen üntersuehung während des Lebens, und nadi zahllosen Analogien anderer Augenkrankheiten kennen wir mit Sicherheit annehmen, dass allein ein Termehiter Inkalt der Blutgefässe, eine allgemeine Hypaaemie, Druck- Steigerung, wie wir sie aus dem Verlaufe des Glanooms kennen, nicht bewirken kann.

So werden wir per exclusionem auf das Corpus Titzeom als Ursache der Drucksteigerung hingewiesen.

Ceber die Structur des Glaskörpers, über seine üm- hüllungshaut und das Bestehen des Petit^schen Kanals bestehen auch unter den neuen Anatomen nodi Differenxen, die unsere Frage wenig tangiren, während das für uns Wichtige im Allgemeinen unbestritten angenonmaen ist. Wenn Merkel uns den Glaskörper als ein structurloses Gallertgewebe schildert, das nach schneller Verflüssigung an der Luft nur unbedeutende Beste membranöser Substanz zurficklässt, und Schwalbe von einer Gallerte spricht, deren spärliche, feste Substanz von reichlicher Flüssigkeit durchtränkt ist, so haben wir es mit identischen Auf- fassungen zu thun. „Man kann die Vertheilung beider Massen sich wohl am besten unter dem Bilde eines von reichlicher Flüssigkeit durchtränkten Schwammes denken", schreibt Schwalbe und fügt hinzu, „das schliesst nicht aus, dass an einzelnen Stellen die mit Flüssigkeit erfüllten Bäume zusammenjSiessen und feine der Oberfläche des Glaskörpers concentrische Spalträume bilden (J. Stilling).*" Diese Spalträume durchsetzen die Bindenschicht der Glas-

193

kOipeigallerte, während der mit ihr contmoirliche Kern frei von Spalträmneii bleibt Nor ein mit Flüssigkeit er* fUlter Spaltnnm ist von einer Membram, der Fortsetzung äfx Membiana hjaloidea, ausgekleidet, nämlich der Canalis hyaloideos, der von der Papilla optici mit einer leichten firweitorong (Area Martegiana) b^innend, als ein 2 Mm. weiter Kanal den Glaskörper bis in die Nachbarschaft der hinteien lansenflftche durchsetzt

Eine Yolumenszunahme des Glaskörpers werden wir uns Yonugsweise durch Füllung der corücalen Spaltiftume und Ausdehnung des Canalis hyaloideus entstanden denken nollssen, da ?on mikroskopischen Formelementen^ die etwa einem Wucherungsprocesse unterli^en konnten, im Glas- körper kaum die Bede ist

Wie wir uns die Lage der einzelnen Theile des Auges unter dem Einflüsse äner Ausdehnung des Glaskörpers vorzustellen haben, hängt nur wenig davon ab, wie wir nns die vordere Begrenzung des Glaskörpers denken. Nach Merkel existirt kein Petit'sch^ Kanal, nach ihm erstreckt sieh der Glaskörper zwischen die Elemente der 2iOnula so weit hinein, dass em Theil ihrer Fasern von GlaskOrpersub- stanz vollkommen umschlossen erscheint nach Schwalbe trennt eine geringe Menge Flüssigkeit die vordere Wand des Kanals, die durch die Zonula, von der hinteren, die durdi die Hyaloidea gebildet wird. Gleichviel, ob wir der dnen Auffi»sung oder der anderen huldigen, um die Enge der vorderen Kammer, die YorwOlbung des Pupillar- theOs der Iris, das Vortreten der Linse zu erklären, musa angenommen werden, dass zu einer gewissen Zeit während der Entwickelung des glancomatOsen Processes der Druck im vorderen Absdinitte des Augapfels geringer gewesen ist, als der GlaskOrperdruck. Diese Annahme genfigt: Die voluminöser gewordone Cortiealis tritt nach vom am LinaenrMide vorbä zwischen ihn und die Processus dliares, drängt die Processus ciliares gegen die Iris und, so weit

▼. QrmaW» AjvUt IBr Ophthalmokifi«, XZZ. L 13

194

dies der Widerstand znlAsst, zar Seite, yiellächt aach nn- mittelbar die peripherste Partie der Iris gegen die Cornea anter gleichzeitiger Spannnng der Zonola ZinniL

Manche klinische Erschiannng findet nnter dieser Yoranssetznng ihre ErUftrong: die Einlagening des Glas* kOrpers in die Wnnde trotz regulär ansgef&hrter peri- pherer bidectomie, die jedem eifiihrenen Operateur bei vorgerttcktem Olaacom nichts Befremdliches ist, wird leicht verständlich, die Abnahme des äquatorialen Durchmessers bei zunehmendem Dickendorchmesser der Linse lässt sich anch bei erhaltener Zonnla auf äquatoriale Compression durch den Glaskörper zurQckftthren, nicht minder der Ein- tritt der verkleinerten Linse in die vordere Augenkanuner bei ad maximum dilatirter Pupille. Vielleidit ist die An- nahme nicht zu ktOin, dass eine UeberfUlung des CanaUs hyaloideus, dessen Basis nadi Schwalbe dem Umfange der Papula optica entspricht, filr sich allein zunächst Eindringen von Flfissigkeit in den Centraikanal und all- mälig glaucomatöse Excavation zur Folge haben kann, während eine unveränderte Beschaffenheit der Corticalis es zu fbhlbarer Spannungszunahme nicht konmien lässt Ob die pathologische Anatomie uns über diese minutiösen Verhältnisse Aufschluss geben wird, ob die geringen Quan- titäten pathologischen Transsudates, um die es sich inmier nur handeln kann, sich sicher post mortem werden nach- weisen lassen, muss dahingestellt bleiben« Sehen wir aber auch von dieser Hypothese ab, die nicht ungeeignet wäre, die Excavation im chronisch glaucomatOsen Auge ohne fllhlbare Drucksteigerung aus einer üeberfullung des Canalis hyaloideus, die deutliche Drucksteigerung ohne Excavation im acut glaucomatOsen Auge aus Quellung der Corticalis zu erklären, so genagt meiner Meinung nach die vermehrte Füllung des Glaskörpers für sich allein zur Erklärung der wesentlichsten glaucomatOsen Erscheinungen:

1S6

Mit der Avsdelmaiig des Glaskörpers erleidet jeder Punkt der Eageloberfliche einen gleichen Dmck. Diesem Druck weichen am meisten die nachgiebigsten Theile der Papilla optica und die ganxe Papilla (zanichst die Lamina cribrosa\ im vorderen Abschnitte die rerschiebbaren Theile^ so weit es der Druck in der vorderen Augen- kammer zulisst« nimlieh die Linse^ die Zonnla, die Processus ciliares, die Peripherie der Iris. Sobald die Peripherie der Iris gegen die Cornea angedrängt ist sind die Fontana'schen Baume ge- schlossen; sobald diese Lage fiiirt ist, sei es durch Verwachsung« sei es durch eine stationär gewordene Veränderung des Glaskörpers« ist der Ljmphabfluss zum grossesten Theil aufgehoben, der Girculus vitiosus gegeben, der nothwendiger Weise zur glaucomatOsen Degeneration führt.

üeber die Beschaffenheit des glaucomatOsen Glas- körpers weiss ich nur wenig lünzuzufQgen; noch haben wir Ton der pathologischen Anatomie keinen genügenden Ausschluss erhalten, noch bleibt die Fn^ offen, wie viele der während des Lebens nachweisbaren pathologischen Veränderungen sich post mortem nachweisen und erklären lassen werden. Der Glaskörper ist, wie der Prolapsus post iridectomiam zeigt, in der Begel nicht verflüssigt, fast scheint es nach der langsamen Umbildung prolabirter Partien, als ob er von derberer Gonsistenz sei. Das prolabirte Stück hat mitunter eine auffallend gelbliche Färbung, entsprechend einer ophthalmoskopisch nachweis- baren diffusen Trübung, in anderen Fällen bei durchweg reizlosem Verlaufe zeigt der Augenspiegel den Hintergrund klar, und doch deutet der intensiv graue Beflex, den die Papille auch im aphakischen Auge bei Tagesbeleuchtung giebt, darauf hin, dass seine Substanz stärker reflectirt. Auch das Begenbogensehen um Flammen bei scheinbar

13*

196

klaren'^Medieii legt es sehr nahCf eine veränderte Licht- brechung durch die GlaskOrpersubstanz anzunehmen. Mit diesen spftrlichen Kenntnissen müssen wir uns vorläufig begnügen.

Nicht viel besser ergeht es uns, wenn wir den Ur- sachen des OlaskOrperleidens nachgehen. Schon beim ersten Schritte stossen wir auf ein nicht überwundenes Hindemiss, die Physiologie ist uns über die Organe und den Modus der Ernährung, über die Sichtung der Flüssig- keitsstrOmung, die neuerdings wieder ein Gegenstand leb- hafter (kontroversen gewesen ist, ihren Aufschluss schuldig geblieben. Pathologische Erfahrungen auf den Gebieten der Cyclitis und Chorioiditis bestimmen uns, die Quelle pathologischer Secretionen in's Innere des Auges in dem Stromgebiete der Chorioidalgeftsse mehr, als in dem der Betinagefässe, zu suchen, in gleichem Sinne entscheidet die klinische Beobachtung des acuten Glaucoms, über das ich mich zum Schluss auszusprechen beabsichtige. Die eigen- thümlichen Paroxysmen, unter denen das Glaucoma Simplex verläuft, weisen darauf hin, dass wir in vorüber- gehenden, venOsen Stasen, die sich dem Auge des patho- logischen Anatomen leicht entziehen können, eher die Ursache gesteigerter Transsudation zu sehen haben werden, als in stationären Gefässveränderungen. So dürften die scheinbar verschiedenen Veranlassungen (psychische Depression, arterielle Anaemie durch schlechte Ernährung, schlaflose Nächte, klimakterische Einflüsse, Yerlangsamung der Herzthätigkeit durch Veratrin, Erkrankungen des Trigeminus u. a.) ihr einigendes Band finden in ihrer ge- meinschaftlichen Wirkung, der venOsen Stase mit Transsudation in dem GlaskOrperraum.

Die AufElassung des Glaucoma chronicum, die ich hier vertrete, weicht von vielen bisher aufgestellten Hypothesen ab, nähert sich anderen; mir hat sie sich nach langer Beobachtung der klinischen Tbatsachen, zu deren Er-

197

kl&rnng sie auszureichen scheint, allmälig gebildet. Dass ich das wichtige Symptom der Yerwachsung der Cornea nnd Iris-Peripherie imd seine Bedeutung für den Lymph- abfluss den Arbeiten von Leber, Kniess und Weber verdanke, gestehe ich gern und damit das grosse Verdienst, das sich die genannten Autoren um das Yerstftndniss des Glaucoms erworben haben. Zu einer einseitigen Ver- tretung der Verschluss-Hypothese habe ich keine Veran- lassung gefunden, glaube vielmehr, dass es sich zunächst um eine Transsudation in dem GlaskOrperraum handelt, und dass erst mit der Volumenszunahme des Glaskörpers die Bedingungen für Entstehung des Glaucoma chronicum gegeben sind. Das wichtige Symptom der subjectiven Obscuration erkläre ich mir bei chronischem Verlaufe, wenn Trübung der Medien sicher ausgeschlossen werden kann, als Anaesthesia retinae, bedingt durch venOse Stauungen, die ihren wahrscheinlichen Grund in verlang- samtem, arteriellen Blutstrom haben, das meist gleichzeitige Begenbogensehen als die Folge einer durch Transsudation veränderten, optischen Beschaffenheit des Glaskörpers. Die grosse diagnostische Wichtigkeit dieser beiden Functions- stOrungen liegt darin, dass sie der Ausdruck sind fQr die ersten, den glaucomatOsen Process einleitenden Circulations- störungen. Die nächstfolgenden Symptome (Drucksteige- rung, Lageveränderung der liia und Linse, Ausdehnung der physiologischen Excavation) zeigen an, dass die vor- hängnissvolle Veränderung des Glaskörpers schon einge- treten ist. Von ihnen ist die Lageveränderung der Iris und Linse zu wenig charakteristisch, die fühlbare Druck- Steigerung zu inconstant, die Excavation der Papilla optica weitaus am wichtigsten. Mit letzterer ist, wo die Prodro- malsyroptome nicht ausgesprochen genug sind, die Diagnose bestimmt, therapeutisches Einschreiten geboten. Die Rand- exc-avation ist ein spätes Symptom, .aus dem wir Nichts

JlL'»*s iL-hi»r Aa!r*flir** zir mr fSr ias Gjuxeti^

is^ir^XiZ *T*ia*t>ia v-iriria iasm. 3«ä neser uuznQi'fiTpg Z'tiPXL wx U^m laä. wis küaiÄÄ -iie S^-iä isc Eni vw- Aa«'j^.;lii)s* jm r^r^Liir ä2i»srit»L:a hm. PD^inoialaiidill. der

ii^-ninait^ -lafi con»* iZe Tir>i»:*ia^ mis eiafln Sehla« inr

i^^ B^.r^riS'*! a:i3 «i-^r Eir?fi'±.1 ti '. oiikgt ^es lE'li- 7^-liiti>tt ti^^^KA erkort weriea mlsaäL

I>»9 kl^ni^die Bili des GLiaeogui aentainL den alsoi Ant/JT« äeiiT eut bekannt, in seiiester Zeh roa Gnefe klaft^L^^h ^'^«'rhilderty entwkkel: sich aas Prodr^malanClIIeB. 4^^ Hefnigk-^it sich in d*^m Maaase za steigmi pflegt, aU ibr^ Int^rrsJIe rli!h TerkUrzen. unter unverkennbar f:harakt^rl»r;3chen Svmptömen.

Kanm far etwaa Anderes, als für ein Spiel mifi Wor- ten kann di^ Behauptung gehalten werlen, jedes Glaocom- %7mptofn finde sdch aach bei anderen Ck^rioidalkrankiiaten, ^ nei deshalb nicht mugllcfa, das aente Glanemn Ton anderen Formen der Chorioi«iitis zn nnteischeiden, wahrend wir doch wissen, dass die Papfllenerweiterong, die eigen- artige Medientrübong, die Dmcksteigemng jede ftr sieh all ein ode mit einander combinirt dem acuten AnCdle ein onrerkennbar charakteristisches Geprige gAen.

Aber schon im Prodromalstudinm lässt die Pollen- erweitenmg und die flachtige Obscoration des Gesichts- feldes mit Sicherheit den Gang des Erankheitsprocesses

199

voraussagen. Von ihr als von einem fbr das Yeiständniss der Krankheit besonders wichtigen Initial-Symptome soll unsere üntersnchong ansgehaL Wir schliessen nns der lielleicht allgemein verbreiteten Meinung an, dass im Be- ginne des prodromalen und des acuten Anfalles der Grad der Sehstörung proportional der Medientrnbung sei, wenn wir auch natOrlich auf Am Beweis dieses Satzes durch exacte Messung verzichten müssen, dass also von vorne herein keine Nothwoidigkeit vorli^ den Erankheitsheerd in die inneren Membranen zu Y&äegßiL

Die pathologische Grundlage der optischen Störung finden wir in einer Trübung der Cornea, des Eammer- wassers, des Glaskörpacs und vielleidit auch der Linse, bald aller zusammen, bald nur einher g^ekdizeitig. Oft zeigt uns nach Aufhellung der Cornea und der vorderen Kammer nur die ündeuüichkeit des Hintergrundbildes, dass der GlaskOiper seine Durehsicfalagkeit noch nidit wieder erlangt hat, dn ander Mal lenkt bei der ophthal- moskopischen Untersuchung cane eoitrale, graue Scheibe unsere Aufinerksamkdt auf den Homhautscheitel, in dessen Bereiche wir dann bei seitlicher Belraditung einen deut- lich grauen, gegm die Peripherie sidi aufhellenden Reflex ohne irgend weldie ftr interstüielle Keratitis charakteristi- sche Zeidmungen (Stridie, Punkte u. dgL) edialten.

Während die Entzflndnngen der Cornea, in deren Verbiufe es sidi ^tweder um Einwanderung £ubloser BlutkOper oder um entzfindlidie Wudienmg der Hom- hautzellen handdt, sdlion bei sdtUcher Beleuchtung und Loupenveigröfiserung Bilder geben, in daien sidi mdu* wenige sdiarf contourirte, gnunreiase Gd>ilde g^gm Nacb- barpartäeen deutlicfa abheboi, gdingt es seltm, in der s^- comatösen Cornea mehr, als eine gldchmässige, handiartige Trübung wahrzunehmen, ihnlich derjoiigen, die wir maadie Iritis, manche Entzündung einer vom Homhaotrande ent- fernten Sderalpartie begleiten oder die sympathische

aoo

O^iUialiiiie einlatwi adm, mir mit dem Unteiaduede, da» die ktateemmiitcn TrOboi^a centn^petil ibrandmien, ÜB ^JHicoiiistOeeD oeDtopelil wiMinfthiiiBn pflegen.

Demtige TraiRiiigeii, die wflneod der Dner benadi- bsrter EatzQndoiigeD Imge miteiiiideft bestehen, sich ^ftter spmloe Teriieren nnd insserst selten Yoiboten nadi- weisboxer Entzdndongen sind, habe idi Insber fBr den An»- drodE eines acuten Oedems gdialtoL Eine ^eidie Yor- anssetnmg for die gtancwnattee ConiealTeiftndening wurde die Schnelligkeit des Auftretens nnd Veischivindens, die Yobreitang Uber hnmor aqneos nnd coipns Titream, die Atrophie des Irisgewebes nnd die Erweitemng der Papüle dnrch Dmck^ knrz die chaiaktenstiachen Erscheinungen des acuten Prodromalstadiums und der meisten acuten Glaucomanflüle zwanglos erUilien.

Es bedarf, da mit Ausnahme der Retina und theil- weise der Papilla optica das ganze Auge nur Tcm Chorioidal- gefilssen ernährt wird, keines sonderlidien Sehar&ümes, um, wenn man die Trflbung mit den Blutgefissen in Yerbin- düng bringen will, ihren Ausgangsheerd in das Stromgebiet der Chofioidea, zu dem dann auch das Corpus ciliare, die Iris und die Cornea propria hinzugezogen werden mfisste, zu Tcrlegen. Yon einer Entzündung der Choiioidea aber ist deswegen noch nicht die Bede, und ich meine, eine Entzttndung des Corpus ciliare, der Iiis und der Cornea, die in wenigen Stunden mit all ihren Produkten Ter- schwindet, um nach einigen Tagen oder Wochen wieder- zukehren und einen ähnlichen Yerlauf zu nehmen, wird selbst in dem weiten Bahmen, der heute noch den Begriff der Entzündung umgrenzt, eben so wenig eine Stelle finden, als die unter Pupillenerweitemng ohne Synechien schnell zur Gewebsatrophie fthrenden Yerftnderungen an der Iris.

Die unzweifelhaft entzündlichen Produkte, die wir mitonter nach der Iridectomie vorfinden, die Synechien und plastischen Exsudate, die sich nach der Operation

201

bOdea können, stehen zu unserer Annahme nur in schein- tNurem Widerspruche; denn es kann nicht Wunder nehmen, dass in einem acut infiltrirten Gewebe einzelne Entzfln- dimgsherde' angetroffen werden, oder dass aus einer Ode- matOsen Iris, aus der ein Stttck mit der Pincette hervor- gezogen wird, plastisches Exsudat in*s Pupillargebiet obothtt.

Im Anschlüsse also an manche Utere und neuere Anschauung glaube ich am wenigsten zu prAjudioiren, wem ich mit Bficksicht auf Art und Verlauf der glauoo- matösen Trübungen dieselben als den Ausdruck gesteigerter Flflasigkeitsaufiiahme in's Gewebe anspreche, und selbst ßraefe's Chorioiditis serosa trotz ihrer unverkennbaren Äehnlichkeit mit dem acuten Oedem als zu yiel voraus- setzend zurückweise. Wer Becklingshau8en*s Ausspruch »die seröse Entzündung führt regelmassig, w&hrend die Entzündungserscheinungen nachlassen, zu einer vollen Besti- tQtion" *) unterschreibt, wird meine Vorsicht nicht miss- bühgen können.

Nur einen Schritt weiter zu gehen, würde ich, ehe die pathologische Anatomie das letzte Wort gesprochen, nicht for gewagt halten. Es unterliegt for midi keinem Zweifel, dass, wenn auch wahrend des Anfiilles objective Trübung und subjectiTe Obscnration correspondiren mOgen, un Beginne desselben die SehstOrung vorangehen, die Trfibung nachfolgen kann. Für diese Fälle finde ich keinen anderen W^, die Amblyopie zu erklaren, als die Annahme ä&er weit Terbreiteten Circulationsstürung (arterielle Anämie, Ten(y8e Stauung); denn yon Secretionsnerven, denn Beizong oder TAhmnng direct auf das Sehvermögen wiiken künnte, wissen wir Nichts.

Untersuchen wir nun weiter, wie sich die Symptomoi- des acuten Glaucoms zu der Annahme einer Ode-

«) AUgeaeine Pathologie p. 315.

202

matOsen Dmchtiftiikaiig des yorderen Augapfehbschnittes stellt, so soll von Yoniherem zng^^ben werden, dass Graefe, als er die ganze Symptomenreihe direct anf Steigerong des intraocularen Dnickes znifickfohien zu können glaubte, wohl zu weit g^^angen ist So ?erlockend es auch fax ihn, der uns das erste Verstandniss des rftthsel- haften Erankheitsprocesses erOflhet hatte, gewesen sein mag, alle einzelnen TheQe des complicirten Erankheits- bildes aus einer gemeinschaftlichen Quelle abzuleiten, so dürften doch die aufißUligen, groben Oewebsverftuderungen dem ph jsicalischen Momente gegenüber nicht so voUst&ndig in den Hintergrund gestellt werden. Es soll seinen Epigonen nicht als grosses Verdienst angerechnet werden, wenn sie yorsichtiger zu Werke gehen, zumal da bei aller Vorsicht des ungenügend Erklärten noch genug übrig bleiben wird.

Die acute Hyperämie der äusseren Hüllen bedarf bei einem so stürmischen Vorgange im Gebiete der vor- deren Ciliargefässe keiner weiteren Deutung, ebensowenig die später auftretenden Erweiterungen der Venen, deren Inhalt bei gdiemmtem Abflüsse des Blutes nach den Vasa yorticosa hin nothwendiger Weise zunehmen muss«

Aber schon die Chemosis conjunctivae macht einige Schwierigkeiten. Ich glaube, fOr zwei verschiedene Arten derselben eintreten zu können. Die eine (entzünd- liche) erscheint mir als Theilerscheinung des allgemeinen Oedems, die andere, die ich nach der Iridectomie auch bei chronischem Glaucom beobachtet habe, halte ich für ein Zeichen befreiter Circulation, dadurch bedingt, dass nach ErOfihung der Lymphabflusswege eine verhältmss- massig grosse Quantität des überschüssigen GlaskOrper- inhaltes gewaltsam ausgepresst wird; sie ist blass, ähnelt im äusseren Aussehen den Abhebungen der Gonjunctiva,

203

die wir nach der Extraction bei unvollkommen schliessender Wunde beobachten, und verschwindet mit der Normalisi- rong des intraocularen Drucks.

Die Anästhesia corneae und Iridoplegie beziehe ich theilweise auf Gompression oder Zerstörung der Nerven, theilweise auf Druckatrophie der Muskeln im Odematösen Gewebe. FOr die Iris erwarte ich mit Bflcksicht auf die schnell eintretende, allgemeine Atrophie kaum einen Widerspruch, während ich gern zugebe, berechtigten Ein- wanden gegen das supponirte Verhalten der Gomealnerven nicht anders, als mit Möglichkeiten entgegentreten zu können. Es ist sicher befremdend, dass die Gomealnerven in einer relativ wenig veränderten Gomea so leicht leitungs- unfähig werden sollen, während wir sie bei schweren Ent- zQndungen ihile Sensibiltät bewahren sehen. Dem gegen- über möchte ich geltend machen, dass wir die Sensibilität der entzündeten Gomea noch nicht genügend studirt haben, und dass partielle Insensibilität in Entzündungs- und TJlcerations-Heerden jedenfalls häufiger ist, als angenommen zu werden scheint, dass bei einer plötzlichen, diffusen Durchtränkung des Gewebes die Nerven vielleicht mehr durch Dmck zu leiden haben, als bei einer aUmäligen und theilweisen Infiltration mit Blutzellen, dass endlich, wie die pathologische Anatomie lehrt, Schlüsse auf die mehr oder weniger normale Beschaffenheit der Gomea aus ihrer Durchsichtigkeit nur mit einiger Vorsicht zu machen sind. Vielleicht darf ich zu meinen Gunsten auch die gleichzeitige Wiederkehr der Sensibilität und Transparenz nach mancher Iridectomie anführen; diese würde sich allerdings auch aus der Beseitigung des intraocularen Drucks herleiten lassen, wenn nicht die Unwahrscheinlich- keit intraocularer Nervencompression als einer Ursache der Anästhesia comeae schon von anderer Seite mit guten Gründen gestützt wäre.

204

Die Atrophie der Iris und die nnregelmässige Erweiterung der Papille halte ich ebenfalls fOr eine Folge der örtlichen Erkranknng. Die Folgen der Staaungs- Hyperaemie sind: Blutangen, Oedeme, Oewebsatrophie durch Druck. Extravasate und hochgradige Stauung in den venOsen Gef&ssen hat neuerdings wieder Michel an ezcidirten Irisstflclen nachweisen können, die Erweiterung der Pupille von Gompression des Sphincter-Theiles durch angehäufte, zellige Elemente herzuleiten, nehme ich mit Bocksicht auf die Pupillenenge bei fast allen Iritiden einigen Anstand, möchte vieknehr sie sowohl, als die Atrophie, auf Gompression des Muskels und eigentlichen Irisgewebes durch massenhaftes Transsudat beziehen. Es soll aber nicht verkannt werden, dass bei alldergleichen Deutungen der Willkfihr ein breiter Spielraum gelassen ist, und dass auch die Ansichten derjenigen, die die Form der Pupille mit einer Erkrankung der Processus ciliares in Zusammenhang bringen wollen, vorläufig keine schlagende Widerlegung gefunden haben. Wir müssen uns begnügen, auf die Möglichkeit der Erklärung aus einem acuten Oedem hingewiesen zu haben.

Das Vorrücken der Linse, die oft unter unseren Augen wachsende Abflachung der vorderen Kammer, rührt von Volumenszunahme des OlaskOrpers her. Sobald letztere constant geworden, ist der Circulus vitiosus ge- schlossen: Drucksteigerung, Gompression der Arterien, Stauung in den Venen mit consecutivem Oedem. Bleiben die Fontana^schen Räume offen, so wird das Glaucom sich kaum auf andere, mechanische Momente zurückführen lassen, in der Mehrzahl der Fälle kommt ein wichtiger Factor dazu: Der angeschwollene OlaskOrper dringt zwischen Linsenrand und Processus ciliaris, drängt letzteren nach aussen gegen die Iriswurzel und diese g^en die hintere Gornealwand. Damit sind die hauptsächlichsten

205

Abflasswege für die Lymphe gesperrt.*) Erst nachdem die acute Drucksteigerung längere Zeit bestanden hat, zeigen sich an der Papilla die Veränderungen, die man seit Oraefe als Druckexcavation aufiasst Ihr vorher gehen die Symptome venOser Hyperaemie: die Oberfläche ist fast gleichmässig roth, ihre Farbe bei deutlich erkenn- barem Contour vom umgebenden Hintergrunde kaum zu unterscheiden, der arterielle Hauptstamm meist eng, mit- unter pulsirend, die grossen Venen erweitert, der Central- kanal eng und mehr weniger stark injicirt. Eine Gelegen- heit, die Excavation sich aus dem acuten Anfalle entwickeln zu sehen, ist selten, weil wir durch operatives Eingreifen ihre Ausbildung verhindern; in den seltenen Fällen, in denen ich ihrer Entwicklung einigermassen folgen konnte, sah ich zuerst die Hyperaemie schwmden, gleichzeitig den Centralkanal, in dessen Tiefe die Lamina cribrosa sichtbar wurde, sich seitlich ausdehnen, an seinen Rändern die Oeftsse scharf abknicken, und später erst die bekannten Geftssverschiebungen am oberen und unteren, dann am temporalen, zuletzt am nasalen Papillenrande auftreten. Die Zahl meiner Beobachtungen ist für die Abstraction einer Begel viel zu gering, aber erwähnt mag werden, dA88 die zanehmende Excavation in allen FUlen von einer zunehmenden Besehrftnknng des Gesichtsfeldes hegleitet wnrde.

Als eine fernere Folge der Drucksteigerung dürfen wir die Stauung in den Betina-Venen und die Blu- tungen nach der Iridectomie ansehen, die in guter üebereinstimmung mit Graefe besonders bei starker Medientrflbung nicht auszubleiben pflegen. Die Trübung würden wir aber nicht als ein entzündliches Exsudat,

*) Selbstverständlich ist damit nicht ausgeschlossen, dass derselbe Effect auf andere Weise zu Stande kommen kann, wie z. B. dnrch Dislocation der Linse, vielleicht auch durch entzünd- liches Exsudat

206

sondern als ein Transsudat aufzufassen haben, dessen Quantität unter Anderem von der Ausbreitung und dem Grade der venOsen Stase abhängen dürfte.

Unter den fanctionellen Störungen haben wir als nur theilweise von der Medientrübung abhängig des herab- gesetzten Lichtsinnes zu erwähnen. Zeigt die Herab- setzung sich in einem frühen Stadium, so halte ich die Compression der Betina und Papille für eine wahrschein- liche Ursache, in späteren Stadien kann Stauung in den Aderhaut- und Netzhaut-Yenen zu Odematösen und ent- zündlichen Veränderungen der äusseren Betinaschichten führen (wie vielleicht in dem von Leber untersuchten Falle, Archiv Band XV) und zur Ursache der Hemeralopie werden.

Dass im nicht operirten Auge das sogenannte Glau- coma chronicum ex acuto wachsen muss, ist klar: sobald einmal eine Ueberfüllung des Glaskörpers stationär ge- worden ist, sind die Bedingungen für venöse Stauung und Transsudation von Blutflüssigkeit, also für stärkere Füllung des Augapfels, die bei gleichzeitigem Verschluss der Fon- tana'schen Bäume die höchsten Grade* erreichen kann, groben.

Vielleicht lässt sich auch umgekehrt derselbe Ge- dankengang für die acuten Exacerbationen, die sich an das chronische Glaucom anschliessen, festhalten. Die Entwicklung wäre dann etwa folgende: Stauungen in einem grösseren Venengebiete mit allmählich zunehmender Transsudation in den Glaskörperraum, Ectasie der Lamina cribrosa und Erweiterung des Centralkanals durch Druck mit gleichzeitiger Sperrung der Fontana^sohen Bäume, Drucksteigerung mit gehemmtem Blutrückfluss aus den Venen des vorderen Abschnittes, ödematöse Anschwellung der Cornea, lirs, des Corpus ciliare etc. etc.

Zu erklären bliebe dann immer noch, warum der Pro- cess im vorderen Abschnitte des Auges unter acuten Er-

i^

207

scheinnngen, im hinteren Abschnitte durchaus chronisch verlauft, und woher die ersten venösen Circulationsstörun- gen kommen. Auf die erste Frage moss ich, so lange die allgemeine Pathologie uns die Bedingungen, unter denen die verschiedenen Arten des Oedems zu Stande kommen müssen, nicht nachweisen kann, die Antwort schuldig bleiben. Die zweite Fn^e knüpft an die noch wenig auf- geklärten Functionen der Geftssnerven an; femer lässt das überwiegend häufige Vorkommen des primären Olau- coms in vorgerücktem Alter, bei Herzschwäche, in schlech- ter Beconvalenz von acuten Krankheiten an Oefässverän- demngen, an geringere Triebkraft des Herzens, an vermin- derte Energie des arteriellen Blutstroms denken, Factoren, > die durch viele Andere vor mir schon ihre Würdigung ' gefunden haben.

In jedem einzelnen Falle wird man durch ein genaues Examen der wahrscheinlichen Ursache sich zu nähern suchen, eine Aufgabe fOr die Casuistik, nicht weniger lohnend, als schwierig, ohne Hülfe der pathologischen Anatomie unlösbar.

Den wenigen, oben angeführten Erankheitsgeschichten eine grössere Zahl hinzuzufügen lag nicht im Zwecke dieser Arbeit, die der reinen Occlusions-Theorie gegenüber darauf hinweisen sollte, dass, wenn man eine Volumenszunahme des Glaskörpers als möglich zugiebt, der Secretions-Theorie der Boden noch nicht entzogen ist, und dass eine solche Volumenszunahme mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit den Verschluss der Fontana'schen Bäume und gewisse Excavationsveränderungen der Papilla optica erklärt.

Mauthner's „eigenthümlicher Chorioiditis*' gegen- über nehme ich vorläufig einen vollkommen negirenden Standpunkt ein. Wenn seine gegen die Druckhypothese erhobenen Einwände, wie ich gezeigt zu haben glaubCr gegen diese Nichts beweisen, so können sie unmöglich eine andere Hypothese nothwendiger Weise fordern. Gegeu

208

die Annahme einer EntzQndang spricht der ganze klinische x Verlauf des Glaucoma chronicum, die Flüchtigkeit der pTo-|T dromalen Symptome, die Wirkung des Atropin und Eserin, die dürftige pathologisch - anatomische Begründung und manches Andere, auf das ich weiter nicht eingehe. Es lag nicht in meiner Absicht, Mauthner's Chorioiditis zu widerlegen, sondern seine Angriffe gegen die Druckhypo- these zurückzuweisen und an diese Abwehr einige Resultate langjähriger klinischer Beobachtungen anzuknüpfen. Die Leser dieses Archivs brauche ich, wenn auch nur wenige Autoren citirt sind, nicht zu versichern, dass ich mir des belehrenden Einflusses, den die neuere Glaucom-Literatur i auf meine Anschauungen ausgeübt hat, sehr wohl bewusst bin; sie werden zwischen Nachgeschriebenem und Nach- gedachtem zu unterscheiden wissen.

Darf ich zum Schluss aus dem Ergebniss meiner Untersuchungen einige Besultate, die ich nicht für un- wichtig halte, zusammenfassen« so wären es folgende:

1. Die Störung des centralen und peripheren Sehens lässt sich fbr das Olaucoma chronicum aus der Excavation des Sehnervens erklären. Die Excavation ist Druck -Ex- cavation.

2. Die Bandezcavation ist ein spätes Symptom, dem eine Gefässverschiebung nach hinten zuerst in der Nähe des Centralkanals, dann am Excavationsrande vorhergeht.

3. Das Prodromalstadium des chronischen Olaucoms charakterisirt sich durch vier Symptome, die vereinzelt oder verschieden combinirt auftreten können; subjective Obscurationen, Excavation des Centralkanals, Erweiterung der Pupille und Drucksteigerung.

4. Die Iridectomie leistet am meisten im Prodromal- stadium. Wartet man die Randexcavation ab, so kommt die Operation oft zu spät.

5. unter den Ursachen des Prodromalstadiums sind die Accommodationsanstrengungen hypermetropischer, nicht

209

jugendlicher Augen wegen der venösen Stauungen, die im Oefolge anhaltend starker Muskelcontraotionen auftreten, zu beachten.

6. Der glaucomatOse Augapfel behalt seine Härte nach der Enucleation länger, als der normale.

7. Die Ursache der Härte ist Yolumenszunahme des Glaskörpers.

8. Der vergrösserte Glaskörper weicht rückwärts nach dem Centralkanal des Sehnerven, vom nach dem Zwischen- raum zwischen Linse und Processus ciliares aus, er druckt die Processus ciliares g^en den Irisursprung, diesen gegen die Cornea und verschliesst die Fontana*schen Bäume. Mithin kann das Corpus vitreum für sich allein den Ab^ fluss der Lymphe sperren.

9. Die Trübung der brechenden Medien im acuten Glaucom und Prodromalan£EÜl ist ein Oedem. Ihre Art, ihre Flüchtigkeit, ihr Verhalten gegen Eserin und Atropin schliessen die Annahme eines entzündlichen Productes aus.

10. Die Obscurationen des Prodromalstadiums ohne Medientrübung weisen auf eine verbreitete Circulations- stOrung als Ursache (venöse Stauung, arterielle Anaemie).

11. Mit der vermehrten Füllung des Glaskörpers ist eine dauernde Ursache für weitere venöse Stauung, ödema- tose und entzündliche Ausscheidungen gegeben.

12. Der Uebergang vom acuten zum chronischen Glaucom erklärt sich aus der Drucksteigerung unmittelbar, der vom chronischen zum acuten vielleicht durch Stauungs* hyperaemie im vorderen Augapfelabschnitt als Folge von Yolumenszunahme des Glaskörpers.

Das Resultat der kritischen Untersuchung über einige Behauptungen von Mauthner und Mooren ist:

1. Die gegen Graefe^s Drucktheorie von Mauthner erhobenen Einwände beweisen nicht, was sie beweisen sollen.

V. Gnefe^B ArehiT fQr Ophtluilmologle, XXX. 1. 14

210

2. Mooren*s Krankengeschichten sind zweifelhafte Stützen der Secretions-Neurose. Die Behauptung, das» das Glaucom nur die Manifestation einer Secretions-Neu- rose sei, schwebt ohne den Versuch einer Begründung haltlos in der Luft.

Erklärung.

Im Eingang meiner ölaucomuntersuchung (Arch. XXIX. 3 p. 3 u. 4) findet sich ein Irrthum, den ich begangen zu haben eben so sehr bedaure, als ich gern bereit bin, ihn zu corrigiren.

Ich hatte drei von Mauthner verdeutschte Gitate aus- der 2. Auflage des Lehrbuches von Mackenzie, da mir letztere trotz vieler Mflhe nicht zugänglich war, mit der 4. Auflage des Originals verglichen. Wunderbarer Weise sind in dieser späteren Auflage alle drei Gitate von Mackenzie so geändert, dass Mauthner's üebersetzung der zweiten Auflage auch fbr die vierte allerdings jedes- mal mit Fortlassung einiger wichtiger Worte richtig blieb. Diese Worte absichtlich (ein Zufall wäre kaum denkbar gewesen) unterdrückt zu haben« glaubte ich, meinen Oegner beschuldigen zu müssen. Dass ich Unrecht daran gethan habe, sehe ich aus einem Artikel der Wiener Medicinischen Wochenschrift, in dem Mauthner uns die Originalstellen der zweiten Auflage mittheilt.

Selbstverständlich wird dadurch in unseren sachlicheu Differenzen nicht das Mindeste geändert.

lieber riemdkörper der Yorderkammer nnd Iris,

Von Dr. E. Franke in Hamburg.

Den folgenden Fall von Angenverletzong, aas der Praxis des Herrn Dr. Salomon stanamend, hatte ich Gelegenheit mit zu beobachten.

Frau Lina B., 28 Jahre alt, war am 9. Jani v. J. beim Eartoffelhacken ein Stückchen Stein gegen das rechte Auge geflogen. Das Auge hatte seitdem gethränt, sie indessen nicht in ihrer Arbeit gestört. Heftige Cüliameurose in der letzten Nacht hatte sie schliesslich yeranlasst, ärztliche Hilfe aufzu- suchen.

Stat. präs. Yom 13. Juni 1883. R. A. massige coi^juncti- vale und totale pericorneale Iiyection. Im oben äussern Quadranten der Hornhaut, ca. 3 Mm. von ihrem Bande ent- fernt, findet sich eine bogenförmige Wunde, deren Sehne etwas über 1 Mm. misst. Hornhaut sonst intact, Eammerwasser klar, Iris leicht getrübt, Pupille mittelweit; schmale hintere Synechie oben. Brechende Medien klar.

Gegenüber der Hornhautwunde, im äussern obern Qua- dranten der Iris und etwa in der Mitte zwischen Ciliar- und Pupillarrand, ist deutlich ein etwa 1 Mm. grosses, grauweisses Steinstückchen sichtbar, über das Niveau der Iris prominirend.

5 S = ^. L. A. normal.

Nachdem sofort Eserin eingeträufelt war, wurde einige Stunden später zur Extraction geschritten (Dr. Salomon).

14*

212

Lanzenschnitt am Limbus corneae, entsprechend dem Sitze des Fremdkörpers. In Folge starken Fressens seitens der Fatientin keine Narkose prolabirte die Iris und wurde mit dem fest ihr aufsitzenden Körper abgeschnitten. Letzterer ist ein scharfrandiges Stückchen Kalkstein von ca. i Mm. Durchmesser in jeder Bichtung. Darauf Atropin, Verband.

Am nächsten Tage auf der vordem Linsenkapsel, ent- sprechend der SteUe, wo der Stein gesessen, ein feiner grauer Strich. Dieser, sowie die entzündlichen Erscheinungen von Seiten der Iris verschwanden in den nächsten Tagen, so dass Fatientin bald völlig geheilt entlassen werden konnte.

Drei Monate sp&ter war bis auf die Homhautnarbe, das Golobom und einen Figmentrest einer frühem Synechie keine Spur der Verletzung mehr nachweisbar.

S = 1 mit -1,00D.

Das Vorkommen von Fremdkörpern auf der Iris oder in der Vorderkammer ohne jede andere Verletzung des Auges abgesehen natürlich von der Eintrittspforte in der Hornhaut ist nicht zu häufig beobachtet.

Ich habe im Folgenden die in der Literatur vorhan- denen Fälle, gesondert nach der Beschaffenheit der Körper, zusammengestellt *) ; ich konnte im Ganzen 56 von Fremdkörpern der Vorderkammer ♦♦) und 69 von solchen der Iris auffinden. Die überwiegende Anzahl derselben entfällt auf Eisen- und Eupfersplitter, denen sich dann Steinfragmente, Cilien, Glas- resp. Forzellansplitter, Holz- splitter, Pulverkömer anreihen.

*; Ausgeschlossen hiervon sind also alle complicirten Fälle, z. B. mit Verletzung der Linse etc., femer diejenigen, in welchen die Körper, noch in der Hornhaut steckend, in die vordere Kam- mer ragten, sowie Parasiten und Cysten. Leider war mir bei dem Zerstreutsein der Literatur in allen möglichen Journalen eine genaue Einsicht in das ganze Material nicht möglich; die nur kurz in den Jahresberichten citirten Verletzungen dieser Art habe ich übergehen zu können geglaubt, da sie ffir eine klinische Besprechung nicht in Betracht kommen können. *♦) incl. Cilien.

213

A. Eisen- und Stahlsplitter.

Eisensplitter wurden im Ganzen 36 beobachtet, von denen 8 auf die Yorderkammer entfallen. 6 davon kamen mit primären Entzündnngserscheinnngen in Behandlung; jedesmal wurde die Extraction vorgenommen.

Waldhan er (57): Vor einer Stunde Stückchen Eisenblech hineingeschlagen. Blutung in der Yorderkammer, vom Fremd- körper Nichts zu entdecken. Antiphlogistische Behandlung, heftige Schmerzen, massige Entzündungs-Erscheinungen. Nach 40 Tagen hinter dem getrübten Homhautsegment der Eintritts- stelle eine gelbe, stecknadelkopfgrosse Exsudatmasse sichtbar. AllmäHger Nachlass der Entzündungserscheinungen. Extraction eines Stückchens Eisenblech von 5 Mm. Länge, 3 Km. Breite, 1 Mm. Dicke.

Hassenstein (71): Eisensplitter im r. A., am 3. Tage darauf Vorstellung in der Klinik. Centrales Homhautgeschwür, Iris trüb, verwachsen, heftige Schmerzen. Zwischen Iris und Cornea kleiner schwarzer Körper; am nächsten Tage Extraction.

Hassenstein (71): Eisensplitter links, am Vormittage eingedrungen. Nachmittags massige co^junctivale Ii^jection; in der Vorderkammer ein bis zur Iris reichender, stahlgrauer schmaler Körper. Extraction.

Landesberg (90): Vor 15 Tagen Verletzung durch Eisen- splitter. Centrales Homhautinfiltrat, Beschläge der Membr. Descem., Iritis, hüitere Synechieen. Schmerzen in der Ciliar- gegend oben. Diffuse Glaskörpertrübung, äquatoriale Chorioi- ditis. Splitter frei flottirend in der Vorderkammer. Extraction

15 durch Paracentese. S bis auf g^ gebessert.

Ziwinskj (76): Extraction eines Eisensplitters aus der Vorderkammer.

Weiss (103): Eisensplitter seit zwei Stunden in der Vorderkammer, mit der Spitze in der Iris steckend. Am nächsten Tage Extraction mit dem Magneten. Völlige Heilung mit voller S.

Nur in einem Falle also (Landesberg) waren sehr hef- tige Entzündungserscheinungen; einmal hatte sich ein Exsudat um den Körper gebildet, nachdem er bereits 40 Tage in der Vorderkammer verweilt

214

Nicht vorhanden war letzteres in einem Falle von

Stellwag (16), den Zander and Geissler erwähnen. Ein Eisensplitter wurde ohne Beschwerden ertragen und nicht extrahirt

nnd in dem yon

Landesberg (90): Seit 10 Jahren ein kleiner schwarzer, frei schwimmender Körper im Humor aqueus. Wenig Be- schwerden. Paracentese. Zwei hintere Synechieen, Äquato- riale Ghorioideal -Atrophie.

Bei Weitem häufiger kommen Stahl- oder Eisensplitter in der Iris vor.

Von 30 derartigen Fällen konnte ich Folgendes fest- stellen:

12 mal kamen die betreffenden Patienten erst nach längerem Verweilen des Fremdkörpers zur Beobachtung. Es hatte sich um denselben, nachdem fast stets heftige Entzündungen vorausgegangen waren, eine mehr oder weniger dichte Kapsel gebildet. Nur zweimal wurde er nicht extrahirt, da während der Zeit der Beobachtung keine Reizungssymptome auftraten, einmal wurde die Kapsel gesprengt, so dass der nun frei in der Vorderkammer liegende Splitter entfernt werden konnte; 7 mal machten wieder auftretende Entzflndungs- Erscheinungen die Ex- traction nothwendig; zweimal schliesslich wurde die Enu- cleation ausgeführt.

Middlemore (5): Eisensplitter auf Iris, Iritis, Hypopyon, Entzündung bekämpft, Körper nach einigen Wochen von halb- opaker Masse umgeben. 2 Jahre später Schlag gegen das Auge, Hfllle gesprengt, Extraction des frei in der Kammer liegenden Splitters.

Bader (20): Eisensplitter seit IVs Jahren. Damals einen Monat Entzündung des Auges. Seit 14 Tagen schlechteres Sehen. Körper, in Exsudat gehüllt, entfernt. Nach drei Wochen mit guter S. entlassen.

Jacobi (32): Vor 35 Jahren Eisensplitter in das linke Auge geflogen, heftige Entzündung, totale Amaurose in wenigen

215

Wochen. 34 Jahre keine Beschwerden; seit 4 Wochen Schmerzen in der Ciliargegend, Beizznstand rechts. Enncleat. bulbi sin. Eisenstück in der Iris. NetzhantablOsung, VerknOchernng der Ohoreoidea.

Andr^ (44): Eisenstück, eben hineingeflogen, lag me- tallisch glänzend auf der Iris. Extraction auf den nächsten Tag yerschoben. Totale Veränderung: heftige Iritis, Exsudat um den Fremdkörper. Das Auge beruhigt sich, nach 6 Tagen keine BOthe, Hülle um den Fremdkörper, S. gut, keine Beizung. Von der Extraction wird abgesehen; nach 5 Monaten derselbe Befund.

Bastide (45): Eisensplitter in der Hornhaut; Schmerzen, die bald nachlassen und nach 2 Monaten recidiviren. 8 Monate nach der Verletzung Extractionsversuch. Der vordere Theil des Splitters bricht ab, die Spitze bleibt im Auge zurück. Ein Jahr später kleiner gelblicher Tumor der Iris. Iridectomie.

Owen (48): 22 Jahre seit dem Eindringen des Splitters Terflossen. Derselbe adhärirt der Iris; früher häufiger Ent- zündung, jetzt gleichzeitig Gataract. Entfernung mit Iridec- tomie; Extraction der Gataract

Hirschberg (50): Eisensplitter auf der Iris, ohne Heizung; zufallig entdeckt. Kein Eingriff.

Mason (62): Beim Eisenmeissein rechts Splitter hinein- geflogen. 2 Tage leichte Entzündung, S. gut, 10 Jahre später Iritis, Heilung; S. für 12 Monate gut, dann schmerzlose Er- blindung. Nach 7 Jahren wieder Entzündung, Behinderung des zweiten Auges. Enudeation. Eisenstück in der Iris, Netz- hautablösung.

Gouter (68): Eisensplitter seit 2 Monaten, verdeckt die Pupille. Iridectomie, Entfernung, gute S.

Landesberg (93): Verweilen eines Eisensplitters seit 3 Jahren in der Iris. Knoten wie Gumma in derselben, Beizung des Auges, Entfernung mit Iridectomie.

Griffith (94): Eisensplitter seit 16 Jahren in der Iris. Entfernung.

Little (95): 16jährige8 Verweilen eines Splitters, häufige Iritis, Extraction. Heilung.

Mit primären Entzündungserscheinungen kamen folgende zur Beobachtung:

Homer (24): Seit 2 Tagen kleiner Stahlsplitter auf der Iris festgekeilt; in derselben, nahe dem untern Pupillarrande,

216

ein gelbtiches KDOteben, Ton einem rothen Hofe nmgebeii. Entfemnng mii Iridectomie.

Homer (24): SUblsplitter beim Hhnmeni in das linke Ange ge&hien. Erst 14 Tage lang antiphlogistische Behand- lung. Grosser Lrisprolaps an der EintrittssteQe in der Hom- hant Ezsadation der Iiis, im Pupillargebiet gleich&Ds ein dichtes bräunliches Exsadat In der Tiefe der VoideikuDmer, der Iris anfliegend, eine rostiUmlich gefärbte Masse. Bedeu- tende Reizung des Anges. Sehr schwierige Entfemnng des Fremdkörpers zn^eich mit der Linse. Guter Yerlauf mit be- friedigender S.

Homer (24): Verletzung des linken Auges seit 10 Tagen; Pupille verzogen, auf der Iris ein längliches EiterUfimpchen, das durch einen schmalen, gräulichen Faden mit der Hornhaut in Berührung steht. Extraction eines Metallsplitters, von dem es unentschieden blieb, ob er aus Eisen oder Kupfer bestand.

Lebrun (36): Eisenstftck vor 3 Tagen hineingeflogen; kleiner gelblicher Tumor auf der Iris, Hypopyon. Extraction mit Iridectomie. S. gut

Wagner (40): Splitter am Morgen hineingefahren; Nach- mittags stark gereiztes Auge. Eisenstfick mit '/• ^^^^ Länge der Lris aufliegend, mit Vs ^ ^ Pupillargebiet ragend. Extraction am nächsten Tage mit Schwierigkeiten. Nach 5 Tagen mit guter S. entlassen.

Hirschberg (50): Eisensplitter, Iris am nächsten Tage gelockert, kleines Hypopyon. Tags darauf Zunahme der Er- scheinungen, Entfernung mit Iridectomie.

Stawbridge (56): Eisensplitter, Entfernung.

Schwarzbach (59): Vor 9 Tagen rechts hineingeflogen; Iritis, weisser stecknadelkopfgrosser Exsudatfleck in der Lris, an dessen oberer Grenze der schwarze Band des Eisensplitters sichtbar ist. Iridectomie mit gutem Erfolg.

Knapp (70): Stahlstflckchen Nachmittags hineingeflogen.. Abends: Pupille eng, S. gut, anf der Iris Fremdkörper frei sichtbar. Entfernung mit Hohlhaken.

Knapp (50): Auge seit 4 Wochen nach dem Eindringen eines Eisenstückchens entzQndet. Schwarzer Punkt auf der Iris, welcher nicht mit Sicherheit als Fremdkörper zu erkennen ist. Iritis, Hypopyon. Paracentese, Hypopyon resorbirt; Diagnose sicher. Nach 8 Tagen Extraction, Eisenstackchen mit weisser, klebriger Decke überkleidet.

217

Schiess-Gemnseus (83): Verletzung des rechten Auges 'beim Hacken, Abnahme der S., Schmerzen. Nach 11 Tagen: leichtes Oedem der Coi^junctiYa bolbi, anf der Papille Yom obem Bande bis zur Mitte eine weissgelbe stabfßrmige Trübung, die nach oben Vs Mm. weit über das Irisgewebe sich erstreckt. In derselben eine senkrechte schwarze Linie. Extraction eines Eisensplitters mit Iridectomie.

Schiess-Gemnseus (83): Eisensplitter im rechten Auge seit 12 Tagen, starke Iqjectioni Iris etwas geschwollen, be- sonders innen unten, wo am PupiUarrand sich der ziemlich grosse Fremdkörper findet, zum grossen Theil mit Eiter bedeckt. Eben dort eine hintere Synechie. Nach 3 Tagen Extraction eines Eisenstückchens; schneller Bückgang der Entzündungs- erscheinungen.

Goudron et Debierre (84): Stahlsplitter. Extractions- versuch mit dem Magneten misslingt, Iridectomie; Heilung.

Meyer (86) : Stahlsplitter, vergeblicher Extractionsyersuch mit dem Magneten, Iridectomie.

Santos-Fernandez (95): Zwei Fälle: Eisensplitter, ent- fernt mit Iridectomie; geschmolzenes Eisen auf der Iris. Entfernung.

Hirschberg (96): Eisensplitter auf der rechten Iris, kam nach 3 Tagen in Behandlung. Iris entzündlich gewuchert, kleines Hypopyon. Eisensplitter am Pnpillarrand, von Eiter- schicht bedeckt, nur der untere freie Band metallisch schim- mernd. Am Morgen des nächsten Tages Zunahme der Ent- zündung, Extraction mit dem Magneten.

Szili (102): Pat., während der Arbeit verletzt, kam sofort. Auf der Iris ein mohnkomgrosses Stück Eisen. Extraction mit Iridectomie.

In allen 18 Fällen wurde die Extraction mit gutem Erfolge vorgenommen. In 13 mir näher zogänglichen Fällen fand sich der Fremdkörper sieben mal mit einer Holle umgeben, sechs mal lag er der Iris frei auf, aller- dings bei Patienten, die oft wenige Standen nach der Ver- letzung zur Behandlung kamen. Viermal fiE^nd sich Hypo- pyon — damnter 3 Fälle, in denen auch Exsudat um den Splitter war, 8 mal waren Entzündongserscheinungen geringen oder massigen Grades. In der H&lfte dieser

218

letzten FUle war indessen der Splitter von einer eitrigen Hülle umgeben. Auf einen Fall von Homer mit schwerer Entzündung komme ich noch unten zurück.

B. Kupfer.

Verletzungen dieser Art konnte ich im Ganzen 28 auffinden, hiervon entfallen auf die vordere Kammer 9.

Nur einer davon kam nach längerer Zeit zur Beo- bachtung.

Knapp (78) sah ein längliches, graubraunes Knötchen am Boden der Vorderkammer liegen. Vor einem Jahre war ein Zündhütchen gegen das Auge geflogen und hatte vorüber- gehende Entzündungserscheinungen hervorgerufen. Seit zwei Wochen Becidiviren derselben; Cyclitis, Glaskörpertrtibung. Extraction mit Haken, BOckbildung der Entzündungs-Erschei- nungen.

Kurze Zeit nach der Verletzung wurden folgende beobachtet:

Butter (3): Einem Knaben flog ein Zündhütchen in das Auge. Während die Instrumente zur Extraction geholt wur- den, drang es völlig durch und fiel auf den Boden der Vorder- kammer. Extraction mit glücklicher Heilung.

Salomon (38): Zündhütchen seit acht Tagen im Auge, heftige Schmerzen, Hypopyon, die halbe Kammer einnehmend. Antiphlogose, Resorption des Hypopyon bis auf einen Best von der Grösse eines Stecknadelkopfes. Am 12. Tage der Be- handlung neue Beizerscheinungen; Extraction eines Stückchens Kupfer. Heilung mit ungestörter S.

Bernard (46): Extraction eines Kapselstückchens aus der Vorderkammer.

Hassenstein (71): Acht Tage nach dem Eindringen eines Kupferblättchens kam ein Arbeiter in Behandlung. Am Boden der Vorderkammer grauliche, unbewegliche Flocke, in deren Mitte ein hellerer, metallischer Körper, von Exsudat be- deckt Extractionsversuch misslingt. Zweiter Versuch ver- weigert Besorption des Hypopyon innerhalb 6 Wochen,

219

Fremdkörper am Boden der Yorderkammer. Keine Beschwerden, Auge reizlos, kein Eingriff

Hassenstein (71): Anamnese fehlt Bechts massige Beizung; in der Vorderkammer liegt ein glattes rostbraunes Eopferblättchen. Extraction mit Iridectomie. Mit guter S entlassen.

Hasner (85): Zündkapselfragment in der vorderen Kam- mer. Extractionsversuch misslang; der Fremdkörper ver- schwand hinter dem Ligam. pectinat. Keine Entzündung. Nach 8 Jahren war das Auge ruhig und sehtüchtig.

Hodges (100): Kupferstück seit acht Tagen in der Vorderkammer, Infiltration des untern Cornealdrittels, Hjpo- pyon, Chemos. Coigunct. Enucleatio bulbi.

Szili(102): Zündhütchen seit 15 Tagen im rechten Auge. Massige Beizung des letztem. In der Vorderkammer aufrecht stehende, dichte, weisse Exsudatwolke, an deren Fuss der Schatten des Fremdkörpers sichtbar ist. Extraction. Wieder-

herstellung der S bis auf ^.

Ob hierhin auch die beiden von Zander und Qeissler citirten Fälle von Laurent (6) (p. 162) und Eothmund (25) (p. 167) gehören, ist mir aus der Beschreibung nicht klar geworden.

In den hierher gehörigen Fällen wurde also 5 mal die Extraction, einmal die Enucleation vollzogen, während zweimal der Fremdkörper nach vergeblichem Extractions- Tersuch zurückblieb. Viermal bestanden, nach einem Ver- weilen desselben bis zu 14 Tagen, heftige Entzündungs- erscheinungen mit Hypopyon, die den EOrper mit Exsudat umgeben hatten; einmal waren dieselben massig. In Butter 's Fall erfolgte die Entfernung sehr schnell, so dass noch keine Beizsymptome aufgetreten waren.

Viel häufiger fanden sich Kupferstückchen auf der Iris in Exsudat gehüllt; in neun genauer beschriebenen Fällen acht mal. Sieben mal bestand hierbei heftige Ent- zündung, mit Hypopyon meist complicirt; nur zweimal

220

waren die Erscheinimgeii nach einem Verlaufe von drei resp. elf Tagen geringere.

Yvert (81) erwälint, dass Galezowski ein Eupferstückchen nach 24 Stunden der Iris frei an&itzend und ohne jegliche Beizung des Auges sah.

In zwei FSllen wurde der Fremdkörper nicht extrahirt:

Homer (24): Stückchen Zündkapsel im Auge. Nach 5 Tagen starkes eitriges Exsudat auf dem untern Segment der Iris. Verdichtung des Exsudates, Einkapselung des Zünd- hütchens; hintere Synechieen. Keine Extraction.

Mooren (52): Einem Arbeiter war ein Eupferstück in das Auge geflogen. Dasselbe sass mit der Spitze auf der un- Tersehrten Iris. Heftige Entzündungserscheinungen, das Frag- ment hüllte sich innerhalb dreier Wochen mit Exsudat ein, und das Auge gewöhnte sich an dasselbe. Die Entfernung fand nicht statt, weil M. fürchtete, dass nach Function der Hornhaut und Abfluss des Eammerwassers der Fremdkörper die Linse anspiessen würde.

In den übrigen Fällen wurde die Entfemmig stets mit Erfolg gemacht.

Gunier (7): Beim Schiessen Zündhütchenfragment in das linke Auge gedrungen. Nach 3 Tagen wurde eine Flocke Lymphe, die der Iris aufsass und das Eapselstückchen enthielt, mit diesem entfernt. Es blieb eine Oeffiiung in der Iris zurück.

Desmarres (13): Seit 8 Tagen Zündhütchen auf der Iris, ragt in Gestalt eines saturirt gelben Tumors üi den Obern Theil der vordem Eammer. Hypopyon, PupiDe ver- zogen. Extraction, vollkommene Heilung.

Wiener Erankenhausbericht (18) bei Zander und Geissler: Im rechten Auge seit 2 Tagen Zündhütchen; Hypo- pyon. Letzteres zum Theil entleert; kein Fremdkörper sichtbar. Antiphlogistische Behandlung; nach 17 Tagen in der zurück- gebliebenen Exsudatmasse der Fremdkörper zu erkennen. Extraction.

Fonck (23): Eapselstück hineingeflogen, circumscripte Eiteransammlung auf der Iris, schwere Entzündung, Extraction nach 8 Tagen. Heilung.

Waldhauer (57): Eapselstück beim Schiessen hinein-

221

gespimgeiL £Trt nach 11 Tagen 'BßQie und liditscheu. StecknadeXkupfejtMMwr Eiterflock in der Mb, eben dort^notere Sjnediie. IndBctonie und Entifenning.

StrOhmberg (72): ZlkndhlitdienfragniBnt, im CSHanunatz der Segenbogenhairt an&itzend. Diffuse fiomhauttrfibnng, Iritis, Hjpopyon. Hamhaulw iinde erG&et und erweitert, Ex- traetion. Ifadi einer Wodie keine Beizimg.

Jäger (75): Zftndhntchen in der rechten Iris stedrend; denlüeh sidiftar in den ersten Tagen, hüDte eich in einiger Zdt in einen Eiteriieerd ein und rief eine bedeutende Ent- zündung berror. Indectomie^ wobei der PreoaidkOrper nicht mit entfernt wnrde. Derselbe fiel in die hintere Sanunar, ans der er ertrahirt wurde.

SchieBB-Cremuseus (63): ZweLFSHe Ton EupferstfLckchen, die extrahirt wurden.

Xaeb Iftngerm Terwdlen kamen 6 Falle zur Beobaditung.

6nial warm die Stückchen in Ezsndst gehüllt und er- regten neue EntzündungBersdieinungen. die BmaJ die Ent- fernung nOthig machten, w&hrend in zwei Fäüan eine spontajie AnsstosBung der PremdkOrper stattEand.

Dixon (12): Tor 6 Jahren Eapselstüc^ in das Auge ge- flogen; 3 Jahre ganz ruhig, dann Öfter entzündet Seit 3 Tagen schlechterefi Beben. Fragment in eine fifarOse HüBe eingesdiloBsen, die wihrend zweier Monate abwechsebad n^ sorbiit und neu gebildet wird, bie BchliesBlich die BequeBtration des SpbtterB durch die Cornea hindurch erfulrte. Bald darauf schnelle Heilung mit Hinterlassung weniger Spuren. 6. guL

Desmarres (14): £echt6 Beit ^ Monaten Zündhütchen; unaufhörliche Schmerzen. Iris Ter&*bt; in derselben aussen em weiflslidier Tumor. Extraction mit nachfol^pender antä- phlogistischer Behandlung; nach 2 Mumsten leidbche 6.

Zander-Geisßler '4^ (medic. Zertschrift des Tereine etc.^: Znndhfttdien seit 8 Wochen auf der Iri^« S. nicht rlel schlechter als auf dem andern Auge. Ein duukier Punkt zeigte sich in der Inswunde, bald darduf kam ^k Sj^itze d«s Zündhütchens in derselben und dann in der Homhautwuid«', die mit der Iris verklebt war. zum Vorsehein. Bei künstlich erregter Bewegung d^r Iri« liel der Sj^litter heraus.

Hasner (fö^: £ap««l6}>iitter in der Jnh in'^apsulirt, der öfter reddivireDde leichv^ Irrtis benorin;rui«?n hatt«. hk Ex« traetion mit Iiidectonue hmciite danemdi; Eeuung.

222

Landesberg (91): Zündhütchen seit 7 Jahren. Vor einem halben Jahre erkrankte das Auge nnd war seitdem nie wieder recht ruhig. S. nahm ab; das Fragment, theilweise abgekapselt, lag auf der Iris und wurde durch Iridectomie entfernt.

Schliesslich erwähnen Zander und Geissler, dass Tjrrel (28) 2mal abgekapselte Eupfersplitter reizlos auf der Iris liegen sah.

Nur in einem Falle von Jäger (17) lag das Enpfer- stückchen seit 5 Jahren der Iris frei auf. Ausser der ersten Entzündung hatte es keine wieder heryorgerufen. S. so gut wie früher.

C. Steinsplitter.

Ueberhaupt veröfiFentlicht sind 17 Falle, von denen 10 die Vorderkammer betreffen.

Kürzere Zeit nach der Verletzmig, von zwei Tagen bis zu drei Wochen, kamen 7 zur Beobachtung.

In Ammon's (1) Fall war der Splitter seit 4 Tagen in der Yorderkammer, eingehüllt in eine Ljmpbflocke. Er wurde extrahirt und die bestehende Entzündung Hjpopjon in 8 Tagen beseitigt. Merkwürdig ist dieser Fall noch dadurch, dass durch die Verletzung, ohne nachweisbare pathologische Veränderung, absolute Amaurose eintrat.

Enapp (70) beobachtete zwei Steinfragmente, von denen eins frei in der Vorderkammer, eins auf der Iris lag. Die Verletzung bestand seit 8 Tagen. Iritis, Lichtscheu und heftige Schmerzen. Extraction.

Foltz (11): Steinchen in der Tordern Eammer zwischen Cornea und Iris eingeklemmt. Am 2. Tage beginnende Iritis. Extraction, völliges Sehvermögen.

Jeaffreson (53): Ein Stein hatte Cornea und Iris verletzt. Median klar, keine Entzündung. Nach 4 Tagen ent- leerte sich durch die Comealwunde der Stein; der Irisdefect blieb sichtbar. Ein sehr problematischer Fall. Ebenso frttglich ist vieUeicht

Jeaffreson's (53) zweiter Fall. Einem Arbeiter flog ein Steinsplitter in das Auge. Schmerz, Entzündung durch

223

mehrere Wochen, wobei sich S. verlor. Als er nach dieser Zeit ankam, keine Entzündung mehr. Anf der Papille eine hirsekomgrosee Masse, die sich nach der Extraction als Stein erwies.

Hassenstein (71): Vor 3 Tagen Steinsplitter in das rechte Ange gedrungen. In der Yoiderkammer liegt das rhombisch geformte Stückchen. Starke Lichtscheu, massige Injection; Elxtraction.

Santos - Fernandez (95): Drei Steinchen von der Grösse eines Stecknadelkopfes wnrden durch die Iridectomie entfernt.

Drei Fälle kamen erst nach Jahren zur Beobachtong. Hierbei hatte sich das Fragment einmal in eine fibrinöse Masse eingehüllt, einmal frei in der Yorderkammer ohne erhebliche Entztlndnngserscheinangen and SehstOnmgen verweilt.

In Friedinger's (64) Fall war es bereits 19 Jahre bei guter S. im Auge, überzogen Ton einer zarten Hülle. Versuch der Extraction; nachher noch in der Yorderkammer ohne weitere Störung sichtbar.

Jacob (9): Steinsplitter, der erst nach 4 Jahren erheb- lichen Beizzustand Teranlasste.

In Cunier's (7) Fall dagegen hatte ein Steinfragment sechs Jahre in der vordem Kammer gelegen und beständig Schmerzen hervorgerufen. Das Auge war atrophisch und wurde enucleirt. Das Steinchen fand sich, umgeben von einer Membran und in dieser wieder von Eiter umspült.

Von Steinsplitten! auf der Iris sind 7 Fälle bekannt. In den mit primärer Entzündung beobachteten wnrde stets die Extraction ausgeführt.

Ammon (1): An einer Stelle der Lris eine gelbe Erhaben- heit, die den Stein enthielt Extraction eines Schieferstück- chena. S gut.

Bei Townsend (34) lag der Stein ohne Exsudat bei ge- ringer Beaction der Iris auf und wurde nach drei Tagen durch Iridectomie entfernt

Schiess-Gemuseus (83) extrahirte einen Steinsplitter aus der Iris.

2?4

BM^k ^ Sccsfiea Eitzact»».

Trert >nL : Sät 9—« Tiscb Sttä axf ta* Imkn Iri& Irrdi, HrpcpjcB. Ectfeimxir Kit Ir^tfecSirwieL

Hodres ilOO;: Sternfncnat im 4er Im. Enter Ex- tTKtkvsTersiKk irifffcHif vcr«B ra kieiacB SckaiSlBK. finge üce 4an»f Extnetim Bit IiiiieetoBie.

^aA Uafnv Zeit kam zsr Be*:ba£ktsK

TzjUf% ^5k\ FalL m dem d«r Fmdk'^rper. devtlick uf der Iris ikköiar. drei Jakie okne BesctioB TRvolt kalte. Ins er Entz63^i2ng vnd sjcipatfaiscke Säjanr des aadnm Avgvs kerrornet Beides nrd? darck die Enrxcti^A beseitigt.

Ob kierka lack der FaD ron

Sararj "bl) gekvrt ist nickt re^t klir. Tor 5 Jakren ft>f ein Stein in das Ange. 4 Monate SckmenoL. die aofkörten; das Sehen var aber erloscken. 3't Jakie Beizunz. dann vieder Sckmerxen. snt 5 Wock^ n^r keftig. Hintere Synechie, Linsentrübong. In der Torderkamaer, der Iris ankängend. veisslicke kickt Tasculaiisirte Masse: Ex- traclion.

Ob kier damals ^dck eine Terletznng der Linse statt- fand oder die Cataract Folge der Entzündang war. ist ans der Schildemng nickt zn erseken.

D. Cilien.

Eine Trennmig der Fälle auf der Iris ron denen der Vorderkammer ist hier schwer darchznfQhien, zumal da in einer Beihe derselben Glien sowohl aof der Iris als in der Kammer lagen. Ihr Yorkommen ist nicht so sdir selten; ich konnte im Ganzen d. h. bei miTerietzter Linse ete. 21 Falle znsammoistellen (Coste (15), j. Gräfe (zwei Fälle) (22 o. 26), Pagenstecher (22), Pamard (23), Manz (31), Schweigger (38) (2 Fälle), Bothmnnd (41), Monojer (43), Berger (49), Pufahl (55), Lesche cit bei Schubert (61), Friedinger (64), Fränkel (63), Delacroix (67), Masse (87), Land- mann (88), Williamson (97), Glascott (99). Bei der

225

grossen Gleichartigkeit derselben ist es wohl nicht geboten, die einzelnen genauer zu referiren. üeberhanpt liegt es ausserhalb des vorliegenden Themas auf dieses Gapitel, das so innig mit dem der Iriscysten zusammenhängt, ge- nauer einzugehen. Ich will mich darauf beschranken, hervorzuheben, dass fast ohne Ausnahme die durch das Eindringen der GUien gesetzte Entzündung eine äusserst geringe oder keine war.

Die einzige wesentliche Ausnahme hiervon macht ein Fall V. Gräfe (26):

Perforirende Comealwnnde mit Irisvorfall. Nach Be- sorption des Blutes wurde eine Cilie, frei im Kammerwasser liegend, gefanden, die bei Bewegmigen des Auges leicht schwankte. Dmckverband. Nach 14 Tagen neue Beizung, das Auge wurde lichtempfindlich, das Eammerwasser trübe. Einige Tage darauf wurde am andern Auge gleichfalls Ciliari^jection, Trübung des Eammerwassersi zwei hintere Synechien, also sympathische Iritis, entdeckt. Entfernung der Cilie, sofortiges Aufhören der Zufälle und Wiederherstellung guter S beiderseits.

Ich werde weiter unten Gelegenheit haben, auf diesen Fall zurückzukommen, da er nach v. Gräfe's Ansicht das Beispiel einer wirklichen sympathischen Iritis in Folge eines Fremdkörpers der Iris resp. Yorderkammer bietet.

Was die Zahl der Gilien betrifft, so schwankt dieselbe zwischen 1 und 14; die längste Beobachtungsdauer ohne schädliche Folgen betrug 10 Jahre (Pagenstecher cit bei V. Gräfe). In der Mehrzahl der Fälle, oft erst nach Jahren, trat Cystenbildung in der Iris ein, die eine Quelle neuer Beizui^ für das Auge wurde.

E. Holz- und Dornsplitter.

Hiervon sind im Ganzen 6 Fälle bekannt. Auf die Vorderkammer entfallen zwei.

Hassenstein (71): Ein Baumzweig schlug gegen das linke Auge. Am nächsten Tage Homhautwnnde, vordere

▼. araaf«*s AtcUt für Ophthalmologie, XXX. 1. 15

226

Synechie ; in der Yorderkammer ein 3 Mm. langer Fremdkörper. Atropin, Eis. Am nächsten Tage Extraction eines Holzsplitteis. Geheilt mit normaler S.

Bichardson's (21) Fall kam erst 46 Jahre nach der Yerletinng znr Beobachtung und betraf einen Soldaten, dem 1813 mehrere Splitter eines Astes in das Auge flogen. Damais nnr gaax rorfibergehende Entzündung; seit 46 Jahrai Auge reixlos. Die Iris anf einen schmalen Streifen redncirt, die Splitter in eine zarte Haut gehfillt. S gnl

Auf der Iris beobachtete

Victor (10) einen Holzsplitter, der einem Zimmermann in die linke Cornea ge&hren war. Durch eine heftige Be- wegung des Patienten gelangte der Splitter bei einem Ex- tractionsrersnche in die Tordere Kammer. Extraction ver- weigert Nach 8 Jahren lag der Splitter der Iris auf und hatte ausser geringer EntHlrbung derselben und geringer Ab- nahme der Beweglichkeit keine Störungen herrorgerufen.

Homer (24): Vor ca. 4 Wochen Stoss g^en das rechte Auge durch ein StQckchen Holz. Leichte Ii^jection der Sub- coi\)unctivaIgefiisse. In der Iris eine quer Terlaufende, bi&un- liche Stelle, Humor aqueus getrftbt Nach Atropinisirung Lageyeränderung des Fremdkörpers in die Yorderkammer hinein. Extraction.

Landmann (88) theflt einen Fall mit in dem die Spitze eines Domes frei auf der Iris lag. Die Schmerzen rerloren sich bald, keine Entzündung, so dass Ton einer Extraction abgesehen wurde.

Ein vierter Fall schliesslich wird von Sigismund (79) berichtet, in dem ein Holzsplitter 47 Jahre lang ohne jegliche Seizung auf der Iris lag. Aus der Beschreibung geht nicht klar hervor, ob wir diesen Fall wegen der Cataract hier mit auf f&hren dürfen, üebrigens wurde in demselben die Ex- traction mit Erfolg ausgeführt

F. Qlas und Porzellan.

Ein Fall auf der Iris:

Theobald (98): Bei der Explosion eines Beagensglases flog ein Glassplitter in das Auge und setzte sich dort am

PqnDaxnBiü der Is :iBBL Sei ATropmiBmiii^ Mgaiciiwnc cc (IdiitaT der Izsr > unc 'vnimf' nif- 'wteasr ^w^hfir. AnTmyk SeizDng, dann IC Jaiire lan^ TBiri'jse!: ZuBianL

Dm P&Df in ckr TorckziaDiiiner fimc vql Z&jjb€r- Geis&Iex bereiiiE innpeütdli.

HCrinir üJn El GiadBpiitser iiat» über & Jimre it äsr TorfeAiuiimflr Terweiii. «cnmerznafEe IjnzmidmipMiinntf miL pamüte ÜTubinir der !fi.a*iibain ywvtiyyiM*utHi. hk » TLrer gelm^, deoeeliMfi zu «snannci;. Lr war cmratetif^ il ciap

Cr:tcberr IP : Giiifispiiöer. ire, ift-w^iiö*, »ei: li Jahroi in dfiT ToidexiHiiiiiH?!. v^efter iei'jiw Untztmöinu:. Zstractiais- Tcroiifäi: sacL AbinuK q^e !£ammc^cit£»eT£ urc dar SpütEBr nidit moixr mh fa u rni Q<gi

Et»|rii*'Ttfc ^ i^^lilflESIi'± Bit. €iL cnsoiErToaBtt Par-

TAÜMiatfifir ntm» IkCE IL 02! T«jrriHIX '^avnnurr v*i: IHÜifilL

Tod 8iifl€TeL £öij»fin. siiic iio'jx SDznfiuiraa

Em g'»icii«B. Teci'.* auf uer Ir» LwenL. iipnT.»tidnp» Hovt (69^ auci I»*'BiL£rr*'§ j^rrt 'tZ erwämiti- ofiar dw-

Bfil^BD "VoTgfinmTniWMf,.

Em &ctirol£ijTL m u^ T^rrö^niainm^, etfenLiliF tezIüe. sah C ooj^fT i' , Eil Tnicnn. B':iiii*?5faiici ünrfif der be: Zander-tr^ifeBi^T cnrrfc JaL ^ol l>ria7tr*'L sol, iL den- en PeiiBdKDiniateit n. der TtfroPTtaiimier ^elimdeL virrdt, da- HjpopjoL ueouar. uaxtk.

Der ToBstäDdi^en ialwr ilisrt uil gdiiii«äü'i iiwi ditf F&Ut sol IL iHnH!L 4* nur w^äsrox üangtiifc der w>- tTflSondeD Lttcratnr mein iii«cii':L war. g'^aiSD liit;

IiiiLiii*-r '^" J-Tfi- JL uer T(yrä*:r£anmier wefmdiiciHT Köiper.

Ber^r Zfie. J ä!if v.jl jTemiLt'rpeTL oer Irif.

Hare€iii"f*f .-{«.•: i: uuc Lky^ZcA: T7 Z TQ**^ 0*^r*- San ^PBipL aiiö. tt ^TT, ae' IL Jali» jl l'-» mit

228

Betrachten wir nun die darch das Eindringen des Fremdkörpers heryorgemfene primäre Beaction der TheUe und recapitnliren wir dazu Folgendes:

Vorderkammer.

In 7 FUIen von Eupfersplittem waren nach einem Verweilen von mindestens 14 Tagen 4 mal schwere Ent- zündungen mit Eiterbildung aufzutreten; die Fremdkörper waren in Exsudat gehüllt. Einmal war nach acht Tagen nur ein geringerer Beizzustand; einmal erfolgte sofortige Extraction.

In 6 Fallen von Eisensplittem sind eitrige Entzün- dungen nicht notirt In dreien fand schon nach 12 resp. 24 Stunden die Extraction statt, einer kam nach 15 Tagen mit Iritis und Gyditis zur Beobachtung. Der Splitter flottirte hier frei in der Kammer; in den 3 ersten dagegen war er zwischen Iris und Cornea eingekeilt, resp. steckte er mit der Spitze in der Iris. Einmal war er nach Ver- weilen von 40 Tagen eingekapselt

In 4 sicheren Fällen von Steinstückchen bestand 3mal nach zwei bis acht Tagen Iritis, nur einmal Hypopyon. In diesem Falle war der Stein in ein Exsudat gehüllt.

Ein Holzsplitter hatte bis zum 2. Tage, an dem er extrahirt wurde, nur massige Entzündungserscheinungen hervorgerufen, ein Porzellansplitter l$tg, gleichfalls reizlos, 8 Tage in der Vorderkammer.

Cilien schliesslich erregten unter 21 Fällen nur ein-, vielleicht zweimal primäre Entzündungen.

Iris.

In 13 Fällen von Eisensplittem der Iris hatten sich 8 mal nur massige Entzündungserscheinungen eingestellt. In der Hälfte dieser Fälle war indessen der Körper in ein eitriges Exsudat eingehüllt.

229

5 mal entstanden in Zeit von 24 Standen bis zu vier Wochen heftige Iritiden, dabei vier mit Hypopyon, Cyclitis etc. 4mal war hier eine Einkapselung innerhalb dreier Tage bis zu 4 Wochen vor sich gegangen.

Nur einmal wurde in 10 Fällen von Kupfer dasselbe reizlos ertragen nach 24 Stunden. 2mal fanden sich nach drei-, resp. elftägiger Beobachtungszeit nicht sehr heftige Entzündungen; beide mal war der Splitter eingekapselt. 7mal stellten sich innerhalb weniger Tage schwere Er- scheinungen mit Eiterbildung in der vorderen Kammer ein, die 6 mal den Fremdkörper in Exsudat einhüllten.

Steinsplitter bewirkten zweimal unter 5 Fällen nach 24 Stunden, resp. 5 6 Tagen heftige Iritis mit Hypopyon, dreimal geringere Entzündung nach drei und mehr Tagen.

Holzsplitter schliesslich riefen in den drei beschriebenen Fällen nur sehr geringe oder keine Zufälle hervor.

Cilien, s. oben.

Vergleicht man diese Gegenüberstellung, so ist zu- nächst ersichtlich, dass die in der Yorderkammer befind- lichen Fremdkörper im Allgemeinen wobei ein Unter- schied zwischen frei beweglichen und festsitzenden nicht zu constatiren ist eine geringere Beizung auszuüben scheinen, als die auf der Iris selbst befindlichen. Letzteres ist ja durch die directe Irritation sehr erklärlich.

Vergleichen wir aber femer die Gruppen nach den Substanzen untereinander, so fällt noch eins auf. Man kann gewissermassen eine Scala hinsichtlich der Häufigkeit und Schwere der Entzündungen construiren, an deren einem Ende sich Cilien, Glassplitter etc. mit fast völliger Ent- zündungslosigkeit, an deren anderem Ende sich die Metall- splitter befinden. In der Mitte zwischen beiden steht die Gruppe der Steinsplitter.

Dürften wir nun hoffen, an der Hand des vorliegenden Materials zu einem sicheren Besultate über die Wirkung der verschiedenen Körper zu kommen, so wären wir ge-

282

Beobachtungen, zumal von Splittern der Yorderkammert bestätigt diese Thatsache entschieden. Indessen konnten wir unter 13 F&Uen der Lris doch 5 mal heftige, meist eitrige Entzündung feststellen. Da hier nun eine mecha- nische und chemische Wirkung ausgeschlossen ist, bliebe es übrig, in diesen Fällen vielleicht eine septische Infection anzunehmen. Eine derartige Erklärung hat aber immerhin etwas Gezwungenes an sich, da nicht einzusehen ist, warum gerade Eisen mehr und Öfter septische Stoffe in das Auge bringen soll, als andere Fremdkörper.

In einem Falle, von Homer, bietet der gleichzeitige grosse Irisprolaps wohl eine hinreichende Erklärung for die Schwere der Erscheinungen. Eine Analyse der anderen Krankengeschichten bot keine weitere Anhaltspunkte, die Aufschluss hatten geben kOnnen.

Möglicher Weise ist das menschliche Auge gegen Eisensplitter überhaupt weniger tolerant als das des Kaninchens, vielleicht sind auch thermische Einflüsse mit im Spiele. Für eine entscheidende Antwort ist die Zahl der Fälle überhaupt wohl zu gering.

Bei Steinfragmenten schliesslich ist eüie chemische Wirkung keüieswegs ausgeschlossen, wenn es z. B. sich um das Eindringen von Mauersteinen mit anhaftenden Kalkpartikeln handelt.

Insgesammt finden wir hier unter 11 Fällen 3 mal heftige Iritis mit Hypopyon. In einem derselben (Ammon) war der fragliche KOrper ein Stückchen Sandstein, bei dem ein chemischer Einfluss wohl nicht anzunehmen ist. Der Splitter war bei dem Zerspringen einer Wärmflasche in das Auge gedrungen; man kann hier also wohl an sep- tische oder auch thermische Beize denken. In den beiden andern Fällen, von Tvert, konnte ich gleichfalls nichts Genaues eruiren; der ziemlich foudroyante Verlauf des eiuen macht eine Infection nicht unwahrscheinlich.

233

Zur vollen Entwickelong särnrnüicher Erscheinangen ist natürlich aucli stets eine bestimmte Zeit erforderlich. So erklärt es sich wohl, wenn z. B. ein Enpferstück auf der Iris nach 24 Stunden noch keine Beaotion, nach län- gerer Zeit dagegen die schwersten Zufälle hervorgerufen hatte.

Noch eins verdient vielleicht hervorgehoben zu werden, was auch dafür sprechen dürfte, dass septische Vorgänge hier keine bedeutende Bolle spielen. Nicht ein einziges Mal war, wenn die Eztracüon unterlassen wurde oder un- möglich war, die primäre Entzündung so gewaltig, dass sie nicht zunächst vom Organismus überwunden wurde; niemals trat hierbei eine eitrige Einschmelzug des Aug- apfels ein. Ja, bis auf wenige Fälle, stellte sich meist die Sehschärfe in befriedigender Weise wieder her und wurde erst später durch neue acute Attacken oder schleichende Entzündungen destruirt.

Die Frage, unter welchen Umständen in den mit pri- märer Entzündung zur Beobachtung gekommenen Fällen sich eine Einkapselung vollzog, entgeht im Spedellen un- serer Einsicht und lässt sich nur allgemein beantworten.

Dieselbe steht zunächst in einem gewissen Zusammen- hange mit der Heftigkeit der Erscheinungen. Qerade in den Fällen, die die fulminantesten Symptome boten, hüllte sich der KOrper im Allgemeinen schnell ein. Dem ent- spricht es dann auch, wenn z. B. unter 18 Fällen von Kupfer in Yorderkammer und Iris 14mal| unter 9 Fällen dagegen von Steinsplittem nur 2 mal dieses Vorkommen constatirt ist.

Auch die Dauer des Verweilens kommt hier mit in Betracht.

Mit der Zeit wird der überwiegend grössere Theil der Fremdkörper, zumal auf der Iris, eingekapselt oder wenigstens mit einer leichten Hülle an seine Unterlage geheftet. Diesen letztem Vorgang bezieht Leber bei

•' "^ '' -^ "^"Z^Ti Z.-j:~ =-. T-1- "^.^ILJr.

* "" ' '' '''•»'^. ^..'--7 "-r *:"!— r?i „rmutHL

^ .''»-' -^ ,."^-'" ?.-I-r^ ^ ." :r :t- -^^ 'I i-ir -ryit^r

- -* '••' ^ . ^' z -"r^ I-tt -fTT mr T-*** iiinr^izic vamt^iL

-::. 't, X i\*r p'tM I/mI*^ JL*a ixs-^fpäir-a. ia»i 7;iiir*ai •£•* Jry f.p^ <^^ ;.-;, ;^->j »irl.irxeniL »jim? itramüiiraidtf

ivr.^'-^'^rt ,vf ^?n 5r»ni't'i.Ir3#*r in. ier Virierkaaiiiier v{»'f r,',-» 'i+*'^^ i»vt ^n hi^x^z r^SLurliihar «j-ist ni be- *r4/>,''/^n -»/^ v*i ^^t/i^^^r^im V^nr-iil^n Li:» Ai:?? -iai wedisel- ^''M.-^^rt Z»r4...>n ;i/*.<z.4.^*.z.*n v^raiiii- Li einem Theile ^^'f t"4u'' 7^%,\t riif: 5!«^h-i:fca.rfe allmdiilicii mehr und fffn^f, ^vf»r»r»,*/;h^ VM/ArAnTi^ftiL schlriohenJe Crclitis, Cho- f KH/|.»M, M'f /hfiiifaMr/N^Ting mit conäeeutiTemCatanct richten 't^^/l^rt '/fi Omride, Intercurrente acnte Attacken dienen

235

bisweOen nnr dazu, den Gang der Ereignisse zu beschlen-* nigen. Oft wiederum andrerseits bricht nach jahrelanger scheinbarer Bnhe von vornherein eine heftige Entzündung ans, die vielleicht zunächst ohne Folgen zurückgeht, bis ein zweiter und dritter gleicher Anfall schliesslich das Sehen vernichtet. Zufällige Lageveränderungen des Fremd- körpers, die z. B. von Neuem seine chemische Wirksamkeit in Kraft treten lassen, erklären wohl einen Theil dieser Fälle. Hier wäre jener von Dixon besonders hervorzu- heben. Für chemisch indifferente Körper trifft aber diese Erklärung nicht zu. Andrerseits mochte ich hier aber jeden Zusammenhang zwischen Fremdkörper und späteren Erkrankuogen nicht von der Hand weisen. Wenn ein solches Auge nach langer Buhe von neuen Entzündungen befallen wird und gereizt bleibt, wenn dann durch Ent- fernung des Fremdkörpers alle Erscheinungen dauernd beseitigt werden, so scheint mir hier ein nicht zu leug- nender Causalnexus zu bestehen. Vielleicht ist hier bis- weilen doch septische Infection mit im Spiele: wir müssten dann zur Erklärung dieser Vorgänge an analoge auf an- deren Gebieten, an Tuberculose oder auch Schussver- letznngen denken. Jedenfalls ist uns über die wirklichen Gründe noch nichts Sicheres bekannt.

Die Furcht vor sympathischer Entzündung ist nach der ganzen Tendenz der sich hier abspielenden Processe wohl erklärlich. Doch existirt in der Literatur nur ein Fall, in dem ein derartiger Zusammenhang angenommen wurde: jener bereits oben citirte von A. v. Gräfe. Hier trat sympathische Iritis ca. 2 Wochen nach dem Ein- dringen einer Cilie ein. Da aber gleichzeitig ein Irisvorfall vorhanden war, der für sich allein ein derartiges Ereigniss bewirkt haben kann, dürfte dieser Fall zumal da er einzig dasteht unwahrscheinlich und wenig beweisend sein. Sonst wurde nur sympathische Reizung beobachtet und auch diese nur in drei Fällen (Jacobi, Mason, Taylor).

236

In den beiden ersten hiervon bestanden hochgradige Yer- ftnderangen des erblindeten Auges, NetzhaatablOsnng, Yer- knOcherong der Choreoidea etc., die an sich schon genügen, nm dieses Yorkommniss zu erklären. In Taylor^s Fall dürfte allerdings dem Fremdkörper direct die Schuld bei- zumessen sein.

Nach der Extraction im letzten, der Enucleation in den beiden ersten Fallen gingen übrigens die Erschei- nungen prompt zurück.

Die FunctionsstOrungen, die durch das Eindringen des Fremdkörpers gesetzt wurden, waren im Allgemeinen der durch dieselbe hervorgerufenen Entzündung propor- tional. Nur in einem Fall von Ammon, den Zander- Geissler citiren, war ohne nachweisbare anatomische Ursache in Folge der Yerletzung sofort totale Amaurose eingetreten. Wurde der Fremdkörper sofort oder w&hrend des Ablaufes der prim&ren Entzündung oder gleich nach derselben extrahirt, so vnirde jedesmal ein gutes Sehver- mögen wieder hergestellt.

Auch in der grossen Mehrzahl der FftUe, die nach l&ngerem Yerweilen des Fremdkörpers zur Beobachtung kamen, unter 16 von 20, bestand noch nach dieser Zeit ein befriedigendes Sehen oder wurde dasselbe durch die Operation erzielt.

In Jacobi's Fall dagegen der übrigens wohl zweifelhaft ist wurde das Sehen durch die erste, in Mason*s nach mehr als 10 Jahren in Folge mehrfach recidivirender Entzündung vernichtet. Owen beobachtete nach 24 Jahren Gataract, C unier Atrophie des Bulbus mit S = 0.

Zum Schluss möchte ich noch Einiges Ober Diagnose, Prognose und Therapie hinzufügen.

Berlin U.A. haben darauf aufmerksam gemacht, wie für die Diagnose eines Fremdkörpers in der Iris eine cir- cumscripte, gelbe, über das Niveau dieser Membran her-

237

Yorragende Erhabenheit, in Yerbindong mit der Anamnese und dem Nachweise einer Homhautnarbe, wichtig seien. Aus meiner Zusammenstellung möchte ich dem hinzufugen, dass dieses Symptom hauptsächlich bei den metallischen Fremdkörpern vorhanden ist; far den Nachweis anderer Splitter hat es weniger Werth.

Bisweilen kann dasselbe auch zu Täuschungen Yer- anlassung geben, was ein hierfbr lehrreicher Fall von Hirschberg und Yogier (80) beweist:

Seit 9 Jahren sass ein EupferstQckchen im Auge. Iris entzündlich infiltrirt und adhärent. S. progressiv ver- fallen, seit 12 Wochen Entzündung. In der Iris gelbes Knötchen. Iridectomie. Im Knötchen, das nur aus Gra- nulationsgewebe bestand, fand sich der Splitter nicht. Der- selbe lag vielmehr auf der Yorderkapsel und wurde mit einem Stilet hinausgeschoben.

Umgekehrt können Lücken im Irisgewebe selbst bei seitlicher Beleuchtung eine Unterscheidung bisweilen fast unmöglich machen, bis die Durchleuchtung mit dem Spie- gel die Diagnose sichert (Piächaud (73)).

Die Prognose ist, nach dem vorliegenden Materiale, für die Erhältung der Form des Bulbus und für die Seh- schärfe zunächst entschieden keine sehr ungünstige zu nennen. Andererseits ist aber mit genügender Beobach- tungszeit kein Fall bekannt, in dem nicht späterhin be- drohliche Erscheinungen auftraten, gleichviel, ob es acute oder chronische Processe mit allmälichem YerfoU des Seh- vermögens, ob es sympathische Beizung oder vielleicht sympathische Entzündung war. Das wird uns veranlassen müssen in der Prognose äusserst vorsichtig zu sein. Eine günstigere würde nach unserer Casuistik nur für Holz-, Olas- und Porcellansplitter gestattet sein, wenn hier nicht die geringe Zahl der bekannten Fälle uns Beserve auf- erlegte.

238

Hiernach ist also auch unserer Therapie die Bichtong Yorgeschrieben, die stets in der Extraction der Fremd- körper bestehen muss. Ob sie sofort auszuführen ist, hängt natürlich von den jedesmaligen umstanden ab. Ist z. B. der Fremdkörper durch Blut oder Hypopyonbildung verdeckt, so ist es gewiss gerechtfertigt, erst einige Tage im Interesse einer sicheren Operation zu warten.

Ganz von dieser letzteren aber abzusehen, dazu sind wir, meines Erachtens, selbst in den Fallen nicht be- rechtigt, in welchen das Auge reizlos zu sein scheint. Dass die Buhe eine trügerische sein kann, hat uns die klinische Erfahrung in zu vielen Fallen erwiesen. Noch kein Auge wurde durch die Extraction zu Grunde gerichtet, wohl aber manches, in dem letztere nicht vollzogen wurde. FaUe, wie der von Mooren, in dem die Entfernung nicht stattfand, aus Furcht, dass die Spitze des Kapferstückes beim Abfliessen des Eanmierwassers die Linse verletzen würde, dürften wohl zu den allerseltensten Ausnahmen gehören.

Auf die verschiedenen Methoden der Extraction ein- zugehen, liegt ausserhalb meines Themas; Knapp u. A. haben dieses Kapitel ausführlich bearbeitet.

Zuletzt sei es mir gestattet, Herrn Professor Leber für die Liebenswürdigkeit zu danken, mit welcher er mich durch wiederholte Mittheilungen und Bathschlage unterstützt hat.

Literatur.

1832. 1) AmmoD, Graefe*s Jonmal, Bd. XI TT.

1833. 2) Höring, Geschichte eines Glassplitiers, welcher beinahe 6 Jahre etc. Ammon's Zeitschrift f. Ophthalm. Hl, p. 103.

1834 3) Bnttler, London, med. Gazette, March 15.

1835. 4) Medicinische Zeitschrift des Vereins far Heilkunde

in Preossen No. 49. 5) Middlemore: Treatise on the

Diseases of the eye, p. 604.

239

1840. 6) Laurent, Anales d'oculist. I, 433. 7) Cunier, ibid. I., 440.

1841. 8) Cooper, London, med. Gazette, Oct.

1846. 9) Jacob, Dublin, med. Presse, Decbr,

1847. 10) Victor, chirurgische Zeitschrift, 11. 2. 11) Foltz, Observations pratiques sur les corps ^trangers: Ann, d'ocul. XVn, p. 14

1849. 12) Dixon, Observation d'un fragment de capsule fulmi- nante, ayant sejoum^e etc. Ann. d*ocul. XXII., p. 17. 13) Desmarres, Observations pratiques, ibid. XXm, p. 15 14) Idem ibid. p. 13.

1851. 15) Coste, Des cils enfonc^s dans Toeil. Bevue th^rap. du Midi, 18 Septembre.

1853. 16) Stellwag, Die Ophthalmologie vom naturwissen- schaftlichen Standpunkte. Ereiburg.

1854. 17) Jager, Staar- und Staaroperation.

1858. 18) Wiener Krankenhausberichte. Jahrg. 1858, S. 298.

1859. 19) Gritchett, Foreign body for sixteen years loose in the anter. Chamber. Ophth. Hosp. Beports I, 264. 20) Bader, Ophth. Hosp. Bep. I, 139. 21) Bichardson, Dubl. quarterly Joum. 28, p. 320.

1860. 22) V. Graefe, Eindringen von Cilien in die vordere Kammer. A. f. 0. VE. 2, p. 139. •— 23) Bemard, Ann. d'ocul. XLm. p. 27.

1863. 24) Homer, Fremdkörper in der Iris. Zeh. klin. Mon.- BL I, 395. 25) Bothmund, Bayerisches Intell.-Blatt, No.28.

1864. 26) V. Graefe, Epidermoidalgeschwulst in der vorderen Kammer. A. f. 0. X. 1, p. 211. 27) Stoeber, Cyste der Iris, eine Cilie enthaltend. £[lin. Mon. n, 362. 28) Zander und Geissler, Die Verletzungen des Auges.

1866. 29) Warlomont, Corps ^tranger dans Toeil. Annal. d'ocul. LVI, p. 42.

1867. 30) Berlin, üeber den Gang der in den Glaskörper ein- gedrungenen Fremdkörper. A. f. 0. XTTT. 2, p. 241.

1868. 31) Manz, Cilie in der vordem Kammer. Klin. Mon.- BL, 178. 32) Jacobi, Abgekapseltes Eisenstück in der Iris, A. f. 0. XIV. 1, p. 142. 33) Fonck, Iritis syphilitique et corps ^tranger de Tiris. Presse m^dicale, No. 37 u. 38.

240

1870. 34) Townsend, Fragment of stone impacted in the ins. Lancet Mai, p. 733. 35) Bosinelli, Süll* estrazione dei corpi estran. etc. Giom. d'oftalm., p. 15. 36) Lebrun, Corps ötranger de Tiris. Ann. d*ocul. LXIV, p. 137.

1871. 37) Salomon, l^Yemde Körper in der vord. Angenkammer. Deutsche Klinik, No. 9. 38) Schweigger, Klin. Mon. IX, p. 405. 39) Bothmund, Zur Pathogenese der Iriscysten. Klin. Mon., p. 397.

1872. 40) Wagner, W. Eztraction eines Eisensplitters aus der Yord. Kammer. Klin. Mon., p. 337. 41) Bothmund, lieber Cysten der Begenbogenhaut. 'KMa, Mon. X, 189. 42) Kummer, Fall von frei in der Augenkammer schwim- mendem Körper. Correspond.-Bl. f. Schweizer Aerzte, No. 22, 507. 43) Monoyer, Epithelioma perl^ an mar- garitoide de Tiris. Paris. 44) Andr^, Deux obser- yations de blessures de Toeil. Ann. d*ocul. LXVm, p. 184. 45) Bastide, Corps ^tranger enkystä dans riris. Joum. d*ophthalm. I, 247.

1873. 46) Bemard, Eclat de capsule dans la chambre ant^ rieure. Gaz. möd. de TAlgörie, No. 5. 47) Sous, Des Corps etrangers de Toeil. Le Bordeaux m^dical, No. 34 —36. 48) Owen, Piece of steel for 22 years in the anterior Chamber of the eye. Brit. med. Joum. Decbr. 6.

1874. 49) Berger, Ophthalmologische Mittheilungen aus der Bothmund'schen Klinik. 50) Hirschberg, Ueber Fremd- körper im Augen-Innem und der Yorderkammer. Berl. klin. Wochenschr. No. 5. 51) Savary, Corps ^tranger ayant sejoum^ cinq ans dans un oeil. Ann. d'ocul. 2. XXn, p. 17. 52) Mooren, Ophthalmolog. Mittheil. 53) Jeaffreson, On foreign bodies within in eye. Med. Times and Gazette, p. 432, March 28.

1875. 54) Ayres, Miscellan. cases and observations. Cincinnati •Lancet and Observer, January, p. 8. 55) Pufahl, Cilic

im Augen-Innem, Zeitschrift f. praktische Medicin. 56) Stawbridge, Foreign bodies in the eyeball. Transact. of the Amer. Ophthahn. Soc.

1876. 57) Waldhauer, Verletzungen des Auges. Klin. Mon., p. 96-123 und 289—298. 58) Taylor, Two cases of foreign bodies, long retained in the anter. Chamber. Med. Times and Gaz., p. 284. 59) Schwarzbach, Heber

241

Fremdkörper im Augen-Innem. A. f. A. V. 2, p. 325. 60) Wecker, Die Erkrankungen des IJyealtractus. Hand- buch von Graefe-Saemisch.

1877. 61) Schubert, lieber Fremdkörper in der vordem Augen- kanmier. Inaug.-Dissert. Berlin. 62) Mason, Gases of foreign bodies in the eye. Ophthalm. Hosp. Kep. IX, p. 158.

1878. 63) Frankel, Gilie in der yordem Kammer. Elin. Mon. XVI, p. 127. 64) Friedinger, Fremde Körper im mensch- lichen Auge. Wiener medicin, Wochenschr., p. 352.

65) Haltenhoff, Jahresbericht über seine Augenklinik.

66) MouiUeron, Contribution ä l'^tude des corps ^tran- gers. These de Paris. 67) Delacroix, Des corps ^trangers libres dans la chambre ant^rieure. Union m^dic. du Nord-Est, No. 9. 68) Coutes, Lancet p. 719.

1879. Ho we, The Buffalo med. and surg. Joum., Novbr. 70) Knapp, Die Entfernung von Fremdkörpern aus dem Innern des Auges. A. f. A. VIII. 1, p. 71. 71) Hassen- stein, Zur Gasuistik der fremden Körper in der Vorder- kammer des Auges. In.-Diss. München. 72) Ströhm- berg, Günstiger Verlauf einer Ciliarkörperverletzung etc. Petersburger medic. Wochenschr. IV, p. 330. 73) Pi6- chaud, Sur une erreur de diagnostic. Gaz. des höpitaui, p. 103. 74) Crespi, Delle lesioni violente delP occhio. Annal. d'Ottalm. Vm, 20. 75) Jäger, Ein Fall von erfolgreicher Extraction eines Zündhütchens etc. A. f. A. IX. 1, p. 80.

1880. 76) Ziwinsky, Fall von Extraction eines Eisensplitters aus der vordem Kammer. Aerzü. Blttr. No. 332. Bef. Gentralbl. f. A., März. 77) Gaporali, Süll 'estrazionc dei corpi estran. H Cesalpino. 78) Knapp, Zwei Fälle von Fremdkörpern im Auge, A. f. A. IX, 2. 79) Sigismund, Ein Holzsplitterchen, 47 Jahre lang etc. Berlin, klin. Wochenschr., No. 5. 80) Hirschberg und Vogler, Ueber Fremdkörper im Augen-Innem. A. f. A. IX, 3. 81) Yvert, Traitö pratique et clinique des blessures du globe de Toeil. Paris. 82) Hotz, Zünd- hütchenfragment in der Iris seit 25 Jahren. A. f. A. IX, 1. 83) Schiess-Gemuseus, lieber Fremdkörper in der Iris und vordem Kammer. Gorresp.-Bl. f. Schweizer Aerzte, No. 21 u. 22, cfr. auch Jahresbericht der Augen-

▼. Graefe'i Arcbir für Ophtlwlmoloffle, XXX. 1. 16

242

heilanstalt zu Basel. ~ 84) Coadron et Debierre, Frag- ment d*acier log6 dans Tiris. Bevue d'ocul. dn Sud- Ouest IV, p. 81. 85) Hasner, Die Verletzungen des Auges in gerichtsärztlicher Beziehung. Handbuch von Maschka. Prag.

1881. 86) Meyer, Revue m6d. fran^. et ötrangere, 26 Febr. 87) Masse, Des tumeurs perl^s de Tiris. Becord d'Oph- thalm.

1882. 88) Landmann, lieber die Wirkung aseptisch in das Auge gedrungener Fremdkörper. A. f. 0. XXVni. 2, p. 153. 89) Leber, Notiz über die Wirkung metal- lischer Fremdkörper im Innern des Auges. Ibid. p. 237. 90) Landesberg, Zehnjähriges Verweilen eines Eisen- splitters etc. Klin. Mon. XX, p. 320. 91) Id. Sieben- jähriges Verweilen eines Zündhütchenfragmentes. Ibid., p. 323. 92) Id. Dreyähriges Verweilen eines Eisen- splitters etc. Ibid., p. 324. 93) Qriffith, Bemoval of ship of iron from the iris. Ophthalm. Bev. I, 109. 94) Little, Ophth. Bev., Juli. 95) Santos-Fernandez, Cronica oftalm. Bef. Centralbl. f. A. 96) Hirschberg, Ein Fall von Magnet-Operation. Berl. klin. W. No. 21. 97) Williamson, Ejelashes in the anter. Chamber of tlie eye. Lancett, Septbr. 23. •— 98) Theobald, Transact. of the Amer. Ophthalm. Soc. Bef. Centralbl. f. A.

1883. 99) Glascott, Three cases of cilia in the anter. Chamber. Lancet, No. 19. 100) Hodges, Cases of foreign bodies in the comea and iris. Opth. Bev. n. 19, p. 133. 101) Knapp, Fremdkörper in der Cornea. A. f. A. XII, p. 313. 102) Szili, Ueber Augenverletzungen. A. f. A. XIII. 1. 103) Weiss, Extraction eines etwa 4 Mm. langen etc. Zeh. klin. Mon. XXI., Septbr.

Hamburg, im October 1883.

Beobaohtimgen ftbei die Wirkimg ins Auge eingednmgener Metallsplitter.

Von

Professor Th. Leber in Göttingen.

Die Wirkungen in's Auge eingedrungener Fremdkörper habe ich in den letzten Jahren durch zahlreiche Versuche an Thieren genauer festzustellen gesucht, besonders mit Rücksicht auf die Frage, wie weit diese Fremdkörper an nnd fBr sich Entzündung bewirken und wie weit die letztere durch Verunreinigung des Fremdkörpers mit nie- deren Organismen entsteht. Ich habe über die Ergebnisse dieser Versuche bisher nur einige kurze Mittheilungen ge- macht*), da ich beabsichtige, dieselben später im Zu- sammenhang ausführlicher zu veröffentlichen. Auch jetzt möchte ich auf diesen Qegenstand nur kurz eingehen; doch veranlasst mich die vorhergehende Arbeit Dr. Frankens zu

*) VergL Th. Leber, Ueber die Wirkung von Fremdkörpern im Inneren des Auges. Transact. of the intemat med. Gongress. VII. Sess. Vol. m, p. 15—19. London 1881. Landmann, Ueber die Wirkung aseptisch in das Auge eingedrungener Fremd- körper. Dieses Archiv XXVIIL 2, S. 156-156. Th. Leber, Notiis über die Wirknng metallischer Fremdkörper im Innern des Auges. Ibid. XXVID. 2, S. 237-238. 1882.

16*

544

-— jpg ¥jrvr-T"ff^a^ TT^A ü li»2r CLi?« kflizlicli be- larri^^«? fr'yrv''rfL"> beä±ies. «rr. w^d<fa die reine, i3iriL;:^:ira^^TTzg ä di:« A-^i?» tiz^^^irrngeDer Metall-

erlaabten.

I'j* äcsihr:^ 5fr ^ri-rrsr^Lii» rtr^a BttOifich nur

HAT fciiii zrfzsLzirZ* A\ ^fi.i^zLMi ^^41 nidit zu er- ▼ij->*!L Lc. «.> iHii ü>± :i Berur «cf den Grid der iir-a ^*rÄf»i»5eat FicKriirrpar IiwIAkjl Mtznndlicbeii

Ezifci^ br^ dr-r Sät*» ftr ü* cbaciisdi mdSfoenten rrKL'ü^»?r. r*i» Ä^^sE K:i5Sif Ar^vs«il»ät im Auge i^izji LLtriTiTL-'g i*r^irti. wzri i^±t nisr curdt Veisadie aa. Ti-tr*-. i-i^-i-sa *a± c::rti xiili^rbr BeobaditongeQ ad. M^riiä«^::. t:*^ d^aen a:^ i^rxli^h L&ndm&nn eine i^>_-izer Z^szr.'^-^sst'eJI^zg* Ct&fÄt hit. rnr Oenllge '^ev^§e£. s^> d&» vir die in einxrlaeii FilleB gleichwohl tL.ftr*^>:rie EitcLi^ziz gewiss *=f die Mitwirkmg anderer

W*:h. K^iwierrtT ist iLe B«inheihmflr der viel iifclr*r« TefjS^zzz^r^ dnith d<€mi5«h nkht indifferente l'r^^ztZrpffT. ir.-':»ef:r:irTe Ei5«i, resp. StahL und Eni^er, wo tt ^»wThi^crh na Anftrei^n Ton Entito^ung kommt, TOB d*T wj^ i:.»T der Ungewissheiu ob der Fremdköipa ü^jtjiti war oder nicht, im einxelnen Fill nicht acher u:gt'j^ kviiitn, ob sie der Wirtunsr des Fremdköipers h*:.'M f^jffT ^HAfT s^'tiächen Yenmmniinmg desselben zuru- v.lr^:-^*!! fct. Es ist bekannt nnd ergibt sich anch wieder a:*-e d'T in di6£^m Heft enthaltenen sorgfidtigoi Znsammen- »♦>:::'^f,;r Franken Ton FTemdkörpem in der TOideren Augfrnkammer. dass die Wirkungen deiselboi andi unter v/;Leinbar gleichen Bedingungen keineswegs oonstant sind, indem ihrem Eindringen bald stärkere, bald schwidiere

*/ Joe eit.

245

Entzfindmig folgt mid indem io settenen FäDen nach geiingfllgiger Bazong sogar eine Toleranz for den Fremd* körper eintritt, der sodann lange Zeit obne Sdiaden Ter- tragen werdoi kann.

Aof den ersten Blick könnte es am einfiushsten scheinen, diese Differenzen dmdi die Annahme zn erklären, dass das Eintrete von Entzondnng, abgesehen Ton ganz ge- ringen Graden derselben, anch bei Fremdkörpern ans Eisen nnd Enpfer immer durch eine gleichzeitige Infection bedingt sei, wahrend das unscUUUiche Verweüen im Ange anf der znfiÜDig aseptischen Beschaffenheit des Fremdkörpers bemhe. Gegen diese Annahme Iftsst sich aber schon ein- wenden, dass bei der Häufigkeit, mit welcher anf das Eindringen der genannten Metalle entzQndliche Erschei- nungen folgen, die septisch complidrten Verletzungen dieser Art die Begel, die reinen dagegen die seltene Ausnahme bilden mfissten, was doch nicht gerade wahrscheinlich ist üeberdies haben die Versuche gezdgt, dass Ton den ge- nannten Metallen bei Thieren wenigstens das Kupfer, auch bei Töllig aseptischer Einfohrung, unter gewissen Bedin- gongen eitrige EntzQndung hervorrufen kann. Es haben sich dabei auch bemerkenswerthe Verschiedenheiten, nicht nur zwischen der Wirkung von Kupfer und Eisen, sondern auch je nach der Lage des Fremdkörpers in Bezug auf die geftsshaltigen Theile des Auges, herausgestellt, woraus hervorgeht, wie zahlreich und complicirt die hier in Be- tracht zu ziehenden ursächlichen Momente sind. Wir werden daher, um zur richtigen Einsicht in die Vorgänge beim menschlichen Auge zu gelangen, von den sicher ge- stellten Ergebnissen der Thierversuche auszugehen und die Erscheinungen möglichst genau untersuchter Fälle von Verletzungen beim Menschen damit zu vergleichen haben. Hierzu möchte ich mit diesen Zeilen einen kleinen Beitrag liefern.

246

Idi vfll nmichst die in mehm YerEodieD wahr- geBommeDen Folgen Aes EindiingeDS aseptischer Fremd- k(Mper aes Eisen und Kupfer in die Tordere AngenkiiBBier kurz znsuuDen&ssen.

Bxingt man StQeke tod N&hnadeln. die min znror dnrch Eiiiitzen desinfidit hat in die Twdere Eaauner vom Eanindien, indem man sie mit einer geeigneften Pinoette einsticht und mit einer stampfen Nadel Ton gleicber Dkfce hineinstösst. so treten andi bei betrichüidier GrOsse des FicmdkörpeiB nnr sehr unbedeutende Baaererhrimingcn aoL Dieselben sind natüdicfa nm so gennger, je glatter die Einftahmng gelingt und je weniger Xammerwisser dabei abgeflossen ist. Der Fremdkörper senkt oA in den unteren Theil der vorderen Kammer; es zeigt sidi nnr eine geringfügige Injection, gewöhnlich anf den nnteroi Umfiug der Homhant beschrinkt, die sich sogar sdir bald ftlr einige Zeit ganz TerÜert, nm später wieder anf s nene henrorzntreten, besonders bei Lagererftndenmgen des spitzen Fremdkörpers« die aber immer nnr ganz geiiiigen Grades ist. Xadi einigen Tagen bekommt die Nadd zuerst an ihrem dieneren Ende, dann auch an anuerm Stdlou dnrch Auflagerung einer dünnen Exsudatschidit eine gdb- licfae FSibung, die allnmhlich in eine dunklere, rostbraune Farbe fibo^ht: ist diese Auflagerung nur partiell, so Terüert die Nadel an den anderen Stellen wenigstens ihren Metallglanz. Das Kammerwasser zeigt keine TrObung und keine über die nächste Umgebung der Nadd hinaus* gehende Exsudation. An den SteDen, wo die Nadd mit der Hornhaut oder Lris in Berflhrung ist, wird sie gjswOhnlidi mit diesen Theilen durch eine geringe Menge branng^rbten Exsudates Teikiebt; der anstossende Thdl der Hornhaut zeigt mitunter eine leichte, ganz umschrid)ene Trübung oder wird Sitz einer zarten Yascularisation. Kommt die Nadelspitze gegen die Hornhaut zu stehen, so wird diese «iiiuihlidi usurirt und die Nadel kommt an der Aussen-

lad» der HJunthwi, sbk "^fisaen. ja skk jl jieazKBa Fäüai aolcbfi ^^^gw»ff, Oi^ i::^. m^ vt.'lkriTmngt ^irx ~i^ fimdeDr Monate nui Truz.!*^ .ac^ '.«r^.iscnntr. «ine o^ andere FoIgEaBnOuik xixfrsz?9: ^^rma -vartir lai-s: 527 Tagen, daa aearMESCFKafe Zjiie mr ter ?iiL??re ^"^ trakirt, wnaaL «är !ava ^.Ib .-rrrrjqfe ^Irmg' -ri-^^ret. Ganz aiBfazs .s: ek ^^srnaiTP-L i»f vsfL»::x r^.«»a: imL gfeidi griagffTWL TJTingyrtu-SfL hjtfya iiiÄ»i/.*a ipt tris araf. w jCl nsajinia:.^ i^nL*?L bc3. ^>ai2^ Tagoi nncer tici «äs^^ft Iliacn:*:^; a uml «ar >-tt?i- teadff Iziäiyi^siai» i*^ J^en^-ii ^««-r -i-i Zr»^ -r^^jülr verdou der ^kIl imL ia»a ^ir^a. 2r-ii.^-a im.«*» TTiHi dff foiiieaDBn. T4ffFmf*^ -rtHilTK jli^rrTirrLx iS" ikx-i tife Alt der BesrpaBnns' 1^=* Lri-n. ifrr ii.r -ij«r sij^ y^ gieuUs. Eanvi lam •'^^r^ a iifc üimnu^r "^ r:ncr icf sieb m 4.Titfmw iilauuü:r:i ^r:r*rr -5ir'-.-:>fr'. lua ^n:Jr

da J^sandL-nir jr-^ii!!-^na*=i.*ft *; cin.»9*üL 2'xr carrnr Meniiie ZJ-nrMir rn r^^jr ^rj-r iLn->r ^fsn nzlmr. odff aic IK' T/=r zutp-^fi ^■-'ai <^-:. ::r- «* taase ^ znr

mii TsiRr r-*' Ji-^^it:^ -airrrrr- jsuxu^ \ tzhK 5& ♦matTn.nmg sa' un * ■' -rfr-a üj^d i*^ i.icr-» tili aa*

\ai0t jß2L Je, -f#r >: ..:>rru .•>-a Ln^>n-:::nr-a> ^!:2f^ i»"^

aar iafacnnnc-a i*:??iii^r n:r^:ii-i£ ly^n^ f.inar>iEfc tarn Qj& iii-r •*- 'a-v*-^!' IjirjTjL.rjzz '>r -.iffnii^ni^ it! -^ iii-t u -rr -ri:*^ lr*.tcr^u a>a. imr-i

248

die Versuchsmethode sicher auszuschliessenden, zufitUigen Infection zuzuschreiben ist.

Von besonderem Interesse sind die Erscheinungen, welche man nach Einführung zahlreicher feiner Partikel- chen der genannten Metalle in die vordere Kanuner beob- achtet, welche ich hier nur in aller Kürze erwähnen will. Nach Injection von Kupferfeile in die vordere Kammer umgiebt sich jedes der zahlreichen Fartikelcben mit einer Eiterhülle, so dass die Iris von einer zahllosen Menge feinster EiterknOtchen bedeckt ist. Nach einiger Zeit tritt eine langsame Abnahme dieser EiterknOtchen ein, dieselben verschwinden allmälig spurlos und meistens ohne dass dabei das eingeschlossene Metallpartikelchen zum Vorschein kommt. Der Endausgang ist vollständige Restitutio ad integrum; ich habe in der That gesehen, dass sämmtliche eingeführte Metallpartikelchen spurlos resorbirt wurden.

Um die Wirkung des Eisens damit zu vergleichen, vmrde an zwei Augen eine Suspension von Ferrum hydrogenio reductum in die vordere Kammer injicirt. Trotzdem wegen der feineren Vertheilung eine noch stärkere Wirkung zu erwarten war, erfolgte nur geringe Beaction. Der Metall- staub wurde in ein die Pupille deckendes Fibringerinnsel eingeschlossen, das sich ziemlich rasch resorbirte und nach einigen Wochen grOsstentheils verschwunden war. Am Tage der Injection waren in dem Fibrin noch zahlreiche grau-metallisch aussehende Pünktchen zu sehen, während man in den nächsten Tagen statt ihrer feinste gelbliche Pünktchen wahrnahm. Hierin zeigt sich offenbar eine Analogie zu dem Verhalten des Kupfers, doch mit dem Unterschied, dass hier die entzündungserregende Wirkung nur eine äusserst geringe ist.

Im grellen Gontrast zu den Folgen, welche Kupfer- drähte hervorrufen, wenn sie der Iris aufgelagert sind, steht das völlige Ausbleiben von Entzündung, sogar von jeder Injection, das ich beobachtete, wenn ich einen spitzen

249

Knpferdraht durch die Mitte der Hornhaut bis in die Linse einbohrte und so weit vorschob, dass er nicht mehr mit der Hornhaut in Berührung war, sondern nur eine Strecke weit in die vordere Kammer vorragte. Ich kann vorläufig nur annehmen, dass durch die Anwesenheit einer reichlichen Menge von Eiweiss in der nächsten Umgebung des Fremdkörpers die geringe in jedem Augenblick zur Losung kommende Menge von Kupfer sofort gebunden wurde und sonach nicht bis zu den gefässhaltigen Theilen, besonders der Iris, sich verbreiten konnte.

Ich habe schon vor einiger Zeit begonnen, die aus dem menschlichen Auge extrahirten oder dem frisch enu- cleirten Bulbus entnommenen Fremdkörper sammt dem sie umhüllenden Exsudat mit Hilfe der neueren Methoden auf das Vorhandensein von Spaltpilzen zu untersuchen und will über die bisher dabei erlangten Resultate hier kurz berichten.

Fallt

Dietrich Henke, 9 Jahre alt, verletzte sich vor 14 Tagen durch ein abgesprungenes Zündhutstück. 1 Mm. lange Hom- hautnarbc am inneren oberen Rande, gegenüber kleine Lücke in der Iris. Beginnende Cataract Fremdkörper nicht zu sehen. Nur leichte Irgection. Sehvermögen der Trübung entsprechend. 5 Monate später ist die Cataract completirt, die Kapsel nach innnen oben etwas verdickt, hier und nach aussen oben je eine hintere Synechie. Kaum merkliche Iiyection. Druck normal. Lichtschein nicht sicher niederste Lampe, Projection gut Modificirte Linearextraction nach innen oben. Die zum Theil etwas gelblich gefärbte Cataract tritt leicht aus, aber kein Fremdkörper. Es wird jetzt noch etwas Iris gerade nach innen excidirt, und dadurch noch ein Stück verdickter Kapsel frei frelegt. Nach Extraction der letzteren mit der Kapsel- pincette folgt ein 3 Mm. langes, IV2 Mm. breites Kupfer- stückchen das in der Gegend des Cüiarkörpers gesessen hatte, irefol^ von wenig normal consistentem Glaskörper.

Das Kupferstückchen zeigt auf einer Seite einen dünnen etrigen Belag. Mikr. mehrkemige Eiterkörperchen mit

250

blassen groben Körnchen erfüllt. Ein mit Oentiana gefilrbtes Trockenpräparat zeigt keine Spaltpilze. Keine Metall- reaction, nnr einige Pigmentzellen färben sich blau mit Blut- laugensalz und Salpetersäure (hämatogenes Pigment).

Die Linsensubstanz lässt zum Theil wohl erhaltene Linsen- fasem erkennen, dazwischen viele grosse Kömchenzellen. Die Kapselverdickung besteht aus dicht gedrängten Zellen ver- schiedener Gestalt, zum Theil ebenfalls Kömchenzellen.

Heilung normal mit Wiederherstellung von etwas Seh- vermögen, das später noch zu bessem sein wird.

Mit grosser Wahrscheinlichkeit lässt sich somit fflr diesen Fall annehmen, dass das aseptisch in die Gegend des Giliarkörpers eingedrongene Eupferstttckchen eine ganz umschriebene eitrige Entzündung hervorgerufen hatte, die sich änsserlich fast gar nicht zu erkennen gab. Nach den oben mitgetheilten experimentellen Erfahrungen über die Wirkung der Iris aufgelagerter Eupferstückchen sind wir auch wohl berechtigt, in dem vorliegenden Falle die Entzündung der chemischen Wirkung des Fremdkörpers zuzuschreiben. Dasselbe gilt auch far die Fälle, wo beim Menschen in der Umgebung eines auf der Iris sitzenden Eupferstückchens eine eitrige Exsudation beobachtet wird. Die Erscheinungen, welche in den meisten Eranken- geschichten berichtet werden, stimmen damit wohl überein, besonders auch darin, dass die Entzündung in der Regel keitie sehr grosse Intensität und namentlich keine Neigung zur Weiterverbreitung besitzt.

Auch im folgenden Falle, wo ein auf der Iris sitzender Eisensplitter eine leichte umschriebene Exsudaüon bewirkt hatte, hat mich die Untersuchung in Bezug auf die Mitwirkung von niederen Organismen zu einem durchaus negativen Resultate geführt.

Fall 2. Karl Schmock, ein 17jähriger Schlosser, stellte sich vor, weil ihm 5 Tage vorher beim Arbeiten an der Drehbank ein Stahlsplitter in's Auge geflogen war. Leichte Schmerz-

251

empfindang nur kurze Zeit nach der Verletzung. Massige Ciliarinjection, Eammerwasser eben merklich getrübt, Iris leicht verfärbt. Nahe dem inneren unteren Homhautrand eine kaum 1 Mm. lange Homhautnarbe und gegenüber auf der Iris, etwas hoher, ein ebenso grosses dottergelbes Exsudai- klümpchen, das einen Fremdkörper einzuschüessen scheint. Annäherung eines Magneten bewirkt keine Verschiebung des

20

Fremdkörpers. Glaskörper und Augengrund normal. S = tq.

Am folgenden Tag ist der Zustand unverändert. Nach Verengerung der Pupille durch Fserin liegt der Fremdkörper dem Pupillarrand der Iris ein wenig näher als dem Ciliar- rande. Kleiner Linearschnitt nahe dem Homhautrand mit schmalem Messer, Irisvorfall vermieden. Nach Einführung des Hirschberg'schen Electromagneten in die Wunde sieht man den Fremdkörper langsam vorrücken und in der Wunde er- scheinen, dahinter aber die damit verklebte Iris. Ersterer lässt sich mit dem stumpfen Häkchen leicht von der Iris lösen, die alsdann mit dem Spatel reponirt wird, worauf in 8—10 Tagen ganz befriedigende Heilung erfolgt.

Das extrahirte Stückchen erwies sich als ein flacher Stahl- splitter von IV4 Mm. Länge, 1 Mm. Breite und Mm. Dicke und von unregelmässig dreieckiger Gestalt. Nur die vordere, nach der Hornhaut gekehrte Fläche war von der schon in situ bemerkten, eigelben Exsudatschicht bedeckt, während die der Iris zugekehrte, hintere Fläche eine schwarze Farbe darbot. Die Exsudatschicht war nur von geringer Dicke und be- stand, wie die sofort vorgenommene Untersuchung ergab, aus massig zellenreichem Fibrin, welches durch die Einwirkung des Eisens in besonderer Weise verändert war und durch Ein- lagerung von fein vertheiltem Eisenoxydhydrat eine gelbe Färbung angenommen hatte. Die Fibrinföden sind eigen- tliümlich steif, stärker lichtbrechend und in kürzere und längere Stücke gctheilt, in welche sie bei der Präparation auch leicht aus einander brechen. In das Netz dieser Fäden sind stark lichtbrechende, gelbbraun gefärbte, undeutlich grobkörnige Zellen von der Grösse der Lympbkörperchen und darüber eingelagert. Ihre Färbung ist meistens ziemlich gleichmässig, doch finden sich bei einzelnen auch dunkler rostfarbige Körner nxid Elümpchen eingeschlossen. Das Gewebe ist ziemlich opak, wird aber durch Essigsäure etwas gehellt, so dass durch

262

Hämatozylin die Kerne der mit Eisen imprägnirien Zell* körper sichtbar werden. Zusatz von gelbem Blutlaagensalz und Salpetersäure bewirkt eine höchst intensive Blaufärbung des ganzen Gewebes. Das Verhalten ist genau dasselbe, wie ich es nach £inführung yon Nähnadelstücken in den Glaskörper am Eaninchenauge oft genug beobachtet habe und stimmt in chemischer Beziehung auch durchaus mit dem Verhalten der Linse bei Anwesenheit yon Eisenstücken in derselben überein.'*') Auf die Anwesenheit yon Spaltpilzen wurde sowohl frisch als nach Zusatz von verschiedenen Beagentien und mit Hilfe von Färbungsmitteln, aber mit durchaus negativem Resultat untersucht. Uebrigens ist nach der ziemlich intensiven che- mischen Wirkung, welche der Stahlsplitter auf seine Umgebung ausgeübt hatte, deren Vorkommen gewiss auch nicht zu er- warten.

Wir werden uns den Hergang also so vorstellen dürfen, dass beim Menschen auch die chemische V^irkung des Eisens an der Berührungsstelle mit der Iris stark genug ist, um hier eine umschriebene Entzündung za be- wirken. Das dadurch gelieferte Exsudat wird dann weiter- hin durch dieselbe chemische V7irkung in eigenthfim- licher Weise verändert, so dass es die im obigen Falle beschriebene Beschaffenheit annimmt. Auch das Eisen ist somit für das menschliche Auge als eine an und für sich Entzündung erregende Substanz zu betrachten. Die dadurch bewirkte Entzündung ist aber ziemlich ge- ringen Grades, jedoch stärker als beim Kaninchen -Auge. Abgesehen von diesem graduellen Unterschiede sind aber die Erscheinungen im wesentlichen dieselben, so dass die Thatsachen unter einander in ganz befriedigender Weise harmoniren.

Was die gar nicht seltenen Fälle betrifft, wo nach Eindrmgen von Metall-, besonders Kupfersplittem in das Bereich des Giliarkörpers oder der Ghorioidea eine ausge- dehntere eitrige Glaskörper-Infiltration beobachtet wird,

*) VergL unten S. 356—258.

263

so möchte ich mir zur Zeit über die Möglichkeit der aseptischen Entstehung derselben noch kein bestimmtes ürtheil erlauben. In nachstehendem Falle hat sich so- wohl bei mikroskopischer Untersuchung mit Hilfe von TinctioDsmitteln, als nach Impfung in die vordere Augen- kammer, (die keine Entzündung hervorrief), ein negatives Besultat ergeben; doch würde ich zur völligen Sicherheit fllr gerathen halten, mit den Entzündungsprodukten Culturversuche auf geeigneten Nahrsubstanzen anzustellen, was ich vorkommenden Falles auszuführen gedenke.

Fall 3.

Wilhelm Sasse, 3 Jahre alt, verletzte sich vor 4 Wochen in der Schlosserwerkstätte durch Hämmern auf einen Amboss. Auge massig, aber tief iiyicirt Kleine lineare Homhantnarbe nach unten mit Einklemmung der Iris. Dahinter eine strang- förmige Linsentrübung, welche von dem etwas eingerissenen unteren Papillenrand die Linse durchsetzt. Ausgedehnte, goldgelb schimmernde Infiltration im unteren Theil des Glas- körpers. Pupille nach oben schwarz. Druck etwas herab- gesetzt. Von Fremdkörper nichts zu sehen.

Anatomische Untersuchung des sofort enucleirten, frischen Auges. Beim Aufschneiden im verticalen Meridian fliesst viel gelbliche, nur leicht trübe Flüssigkeit aus, die beim Stehen ein gallertiges Gerinnsel ausscheidet. Mit Essigsäure giebt sie nur massige Trübung, mit Salpetersäure einen dicken käsigen Niederschlag. Nach der Gerinnung enthält sie nur ziemlich spärliche LymphkOrperchen.

Die eitrige Infiltration nimmt einen grossen Theil der unteren Hälfte des Glaskörpers ein. Der übrige Glaskörper ist geschrumpft und von der Betina abgelöst, der dadurch entstan- dene Baum war von der ausgelaufenen Flüssigkeit erfüllt ge- wesen.. Dicht hinter der linse erstreckt sich die Trübung noch auf den oberen Theil des Glaskörpers, ist aber hier weniger intensiv, mehr von granlichem Aussehen. Die strangfOrmige Trübung der Linse setzt sich in eine schalenförmige, dicht unter der Kapsel liegende Trübung der hinteren Gorticalis fort. Der g^rOsste Theil der Linse ist durchsichtig.

Die Papille und angrenzende Betina sind etwas verdickt;

254

die Betina mt und mit Ausnalune einer Ueinen radiären Falte überall anliegend.

Der Fremdkörper sitzt fiist genau im reiticalen Meridian dicht hinter dem Aeqnator nach nnten den Angenhäuten auf, in Exsadat eingehtült Dahinter sieht man auf der Betina eine grössere Zahl hirsekorngrosser ExsndatknOtehen, die sich .leicht abheben lassen. Der Glaskörper ist an dieser Stelle ab- gelöst Beim Einschneiden der Eisndathfille kommt ein 3 Vs Mm. hinger, IVs Mm. breiter Eisensplitier znm Vorschein. Das ihn zunächst umgebende Exsudat ist gelbbraun geerbt und besteht aus zarten amorphen Membranen und Fetzen, die starke Eisen- reaction geben; daneben finden sich Tiele fettartig glänzende Körnchen; weiterhin Eiterkörperchoi, die dicht mit glänzenden Tröpfchen erf&llt sind, und vereinzelt dunkelbraune Pigmeni- kömer und Elumpen, die ebenfalls Eisenreaction geben. Der Fremdkörper sitzt der Chorioidea auf, die Betina ist an der Stelle als solche nicht mehr zu ei^ennen. Die Eiterkörperchen im Glaskörper enthalten ebenfalls fettartig glänzende Tröpfchen, die aber mit Osmiumsäure sich nicht schwärzen und mit Fuchsin nicht roth ferben, also wohl nicht aus Fett bestehen; der weniger getrübte Theil des Glaskörpers zeigt ein dichtes Fibrinnetz mit mehr vereinzelten Eiterkörperchen. Mikro- cokken oder sonstige parasitäre Elemente auch mit Tinction nicht nachzuweisen.

Ton dem eitrig infiltrirten Glaskörper wurde sofort nach Eröffiiung des Auges je ein ziemlich grosses Stückchen mit vor- her geglühten Instnimenten einem Kaninchen an beiden Augen durch einen kleinen Lanzenschnitt in die vordere Kammer gebracht Ausser etwas Fibringerinnung in der Umgebong des Fremdkörpers, wie sie auch bei ganz indifferenten orga- nischen Substanzen stets einzutreten pflegt, blieb der Eingriff ohne weitere Folgen und nach 19 Tagen waren die Stückeben spurlos resorbirt

Trots dieser negativen Besnltate möchte ich, wie schon bemerkt, diesen Fall noch nicht für völlig beweisend halten mid weitere Erfidirongen abwarterL

Auch in der Hornhaut sitzende Eisenstückchen scheinen durch ihre diemische Wirkung aUein Entzündung hervomrofen, wie ans folgender Beobachtong hervorgeht,

266

die ich noch w&hrend der Abfiusimg dieser Zeilen lu machen Gelegenheit hatte.

Fall 4.

Einem Arbeiter war vor IVs Tagen ein Stahlftinken auf die Homhant geflogen. Man bemerkt etwas nach nnten von der Homhautmitte einen dnnklen, leicht prominirenden Punkt, der Ton einem schmalen gelben Saum umgeben ist, das Oanie Yon nur ca. Vi Mm. Durchmesser. Die Umgebung zeigt eine leichte diffuse Trübung in der Ausdehnung von mehreren Millimetern, am Boden der Kammer ein eben merkliches Hypo- pyon. Bei der Entfernung des kleinen Fremdkörpers zeigt sich, dass er sich etwas tiefer als gewöhnlich in die Hornhaut eingebrannt hatte. Die Untersuchung des gleichzeitig ent- fernten Stückchens necrotischen Homhautgewebes erwies das- selbe als trübe, braun gefärbte Homhautgrundsnbstanz, die eine sehr intensive Eisenreaction gab. Die vom Rande her« rührenden Partikelchen zeigten mit der Färbungsmothode (Gentianaviolett) ganz gut erhaltene Epithelzellcn, aber keine Spur von Spaltpilzen, welche sonst bei Beginn der Keratitis septica durch diese Methode stets mit Leichtigkeit zu er- kennen sind.

Nach Entfernung des Fremdkörpers war das Ilypopyon schon am nächsten Tage verschwunden und erfolgte in Kurzem voUstSndige Heilung.

Es ist bekannt, dass StahUiuiken, die etwas Iftnger als gewöhnlich auf der Homhant sitzen bleiben, dasellist eine leichte demarkirende Entzflndnng erregen, die znr spon« tanen Abstossnng des Fremdkörpers führt nnd sieh auch wohl mit einem leichten Hypopjon verbinden kann; in obigem Fall trat diese Entzündung entsprechend dein tieferen Sitze des FroodkCipers relativ frfib ein. Dtum sie dnich die ciiemisebe Wirknog des Fremdkr^rpem be- dingt ist, sdieiiit aodi darsos henrorzogeh/fm, iwm m auftritt, noch ehe es znr Elimination d^ UAzUfrm unk^ptu^ men ist, wo also der kleine 8cb'/rf ß<^:h ft^X>Mzi ujid ifin Eindringen rem Jnf^xüf/mkfnio^m wohl knam nifUiMlUsi, In gleichem Sane aigmiKiitirt 4uii nmbt H^siiium UMfii

256

EntfemuDg des Fremdkörpers, wie sie bekanntlich aach sonst in derartigen Fällen einzutreten pflegt

Es würde sich verlohnen, auch in anderen Fallen dieser Art, die sich in der Praxis ja oft genug darbieten, die oben mitgetheilte Untersuchung zu wiederholen, da bei der minimalen Menge des zur mikroskopischen Unter- suchung zu gewinnenden Materials nur durch Unter- suchung einer gewissen Zahl von Fällen IrrthOmer sicher auszuschliessen sind.

Auch fdr das Ausbleiben irgend nennenswerther ent- zündlicher Reaction bei Sitz des Fremdkörpers auf der Linsenkapsel kann ich eine neue Beobachtung beim mensch- lichen Auge als Belag anführen, die sich an eine froher von Landmann*) mitgetheilte aus der hiesigen Klinik anreiht und in vollkommenem Einklang mit den oben ge- schilderten experimentellen Ergebnissen steht.

Fall 5.

Simon Christians, 18 Jahre alt, giebt an, dass ihm vor V4 Jahr beim Hämmern auf Eisen etwas ins Auge geflogen sei. Leichte Röthung und Thränen des Auges verloren sich schon nach wenigen Tagen, so dass Patient auf eine etwaige SehstOrong nicht weiter achtete und erst vor 3 Monaten die inzwischen erfolgte Erblindung dieses Auges wahrnahm.

Kleine lineare Narbe in der Homhautmitte. Ws grünlich verförbt (die andere hellblau); Pupillarrand frei; Linse voll- ständig getrübt und etwas geschrumpft. Etwas oberhalb der Mitte der Pupille eine kleine Kapselnarbe, deren Bänder, wie auch der dahinter liegende Theil der Cataract, eine gelbliche Farbe darbieten, während die Kandtheile mehr weisslich aus- seben. Nach Atropinisirung sieht man dem unteren Theil der Liii8PL kapsei einen schmalen, senkrecht gerichteten Fremdkörper rinrgelagertf dessen unterer Band sich noch etwas hinter der Irig verbirgt, von brauner Farbe, am Bande mit einem gelb- lichen Stnnfen. Beide Augen leicht katarrhalisch ii^jicirt, das verletzte nicht wesentlich mehr als das andere. Modificirte Linear- Ei traction nach unten. Nach der Iris-Excision lässt

i

Umu Archiv XXVIU. 2, S. 188, FaU 51.

Hat TwMMlHUwr iat» üt gbM>«iik V^U'/ Jtv ^ ^^vm joBpsü in. üaaaaam. vodtfcsv tmr *^fcf tis*<^<S^ Un'^v^ ^n»'

mit itor Ifcs tarn, t\Ä w\'W)iK»r w uuw sUu\vh vUv^ SdkBijinyAuu^ iet Linse etwM wtÄMW^ U^^UaIU^^ y<\\\\\nv Der Fall aast dass rach b«i$iU K\\m Vi\MmY\\\W\^ m\ der Unak^Qd« nidit nur Im liuuMvn \\s^v \Ams\ ^*m gm raabner Zustand Yorkommt, Kr lmnlÄt;at i\\^W\\ die Biditigkeit meiner auf Thlorvt»rn\iohmi l»i4nihiiM*t»m \\\ gäbe*), dass die orangegelbo VmU dor IMm \\\A U»»m»»m wart von Eisensplittern von Hlsonoxydhyilml li^irnliil.

Za derselben Beobaohtunf( \vur(lo mir Htiültit^ \mA\ In einem anderen Falle beim MenNchmi dli« Oi)|0||0iihMli um boten.

Fall 0.

Es handelt sich um (^ine von mir duntli nlnf^M.liiffi MfMcu schnitt extrahirte traumatiiwbft (JaUr/i/ji, w<>f/'lMi fiirinn IiImInmm Eiaensplitter von ca. 1 Mm. bunUmt-Mmtr hUih^Mohu hu,)nh\iiHfi

♦) Tk Leber, IntenuH. m«4. r>,»|^, Tr«^^««/! V^/l (l( imd Ludaana, dk^« Arett XXVUI, 2f, H, i;^/.

268

IbeOe der Catuaet, wiche dn Frendkaiyer gabeo, hatten eue asffükwl MtenliehD Fub^ YoU eihaltaiie, leicht k«aiig geMbte T«e«iCMwn Teilor sieh die Flihog eDnilii; Die hiam geftiMn Ftt^ tien gaben eine hftohst iotoBsive Uane nihmg mh gelbeai Bfatiangeniiali ni Satpetaaiiire, die fibiige Snbatau dieeelbe Beaetion, nur nemlieh sAvach, asch da, yo keiBe deattithi» gelbe nibu« mehr n eitau« var. (Eeittmg mumal ut gateat SehyemQgen.)

Meine Beobachtongnn bestitigen also dnrchaiis die bisher gOtige Annahme, dass FremdUiper aas «j^daUen Metallen fto skh aUein entsindungnecrege&d wiiken kAnnen, leigen aber zn^eich, dnss sie nidit nnter allen Cmsttnden entzOndongsenegend wiiken mfissen, indem die ^VHitang nkhifc nnr Ton der Art des Ifetalls, sondem aindi von dem StE des FmdkOipeES adir wesentti«^ abUi«ig ist

Jim Jifiirft7-0?B;:I[iI]iik.

Entgegnaii; auf Pr^)^ 7, Hl^p^ir« Arh4>l

mnss mir dac» ^(ii*^^ lau^ JEtt» «a^Il iir^iilmliü&e AnsdiamnigeB, im ^'iu*>te ^irii xl ii^ lErrhwTnng lies Prot V. Hippel vorfmUm. mrAt waaeifadinini T«»rtr»iGaL Anch ich In aeiaer XnaxcMT., ««^ w^irl^ flr iai Leier dieses ArAnm «rmfliümil «mi. tr^tiu iiii Tmftngraatoi Eiankoigesdiietoa «^ih«(f, onr im AAxmet 7>*r':j^>^t:;'>hi; würdeiir <bter wir! man "»a mir ancii ^nan>»xu ▼'la einer denrtigea D^annnftrnTinn m«3ipr>Hu*iL i**m »iiixr*^ai»iifer* mir aber den Tm 4ftr fe5u:*mTnriii»i!:, mic ▼•»ii'.tuOT. iri midi andrUckai w^^rtf^. 7*>nt>iJien. «Iit xh fninni^ JUv^ scfasraangeB af "»m. ^^r 'V^i^nr«m«t<»^ yLiX^TJU ^Mrjci^.^; Jeder: 4er nur ^w^ jf»w>iw^ R*niK* t-^h Vtnnitüftn mit Jefpiirary jBCßs&iilr. ^Iri ViCM ln<*r7ima^n t'.amm^ daas £e BAanpnimr. i-^m ml' 4>r f'JUrx* d>r

hkfffir Ä Vw^niiKr»r JL*!*^«'!!« Mup^**''»^* ir^irlu^ \h^ /sH^n

260

eift QBimistdssliches Factum ist und sich nicht auf ^tli^i^tisches Raisonnement** stützt. Die Controle, itt vy^*^^ Proportion stärkere Infusionen stärkere En^^st^.^ngm hervorrufen, ist hier ja kaum zu liefern, vi^a^ wMi^ ^^^ ^^ ^^S^ ^^ einer 1 procentigen, v>(:ji iv^it<^ n^i^ ^^^^ öprocentigen Infusion wäscht, %».ril «^^M ^^^^ gleichen physiologischen Bedingungen ut^t^^if^thaft das mit der stärkeren Infusion gewaschene Av^ b^ioutend stärker entzündet und mit bedeutend JKlv^t^ Schwarten überzogen finden; wie ist es aber uuV^^^'^« *^ bestimmen, ob im Grade der Entzündung die )V|H^rUon von 1:5 gewahrt worden? Gelangt man ein- u^l »ur Anwendung von öprocent Infusionen, so werden vtu^ Kutiündungserscheinungen schon so intensiv, dass es Uv>ch!it schwierig ist anzugeben, inwiefern sie sich von mit S)n\HHmt. oder lOprocent. Infusion erzeugten unterscheiden, vMt ni^i denn vielleicht durch die leichtere ZerstOrbarkeit v(0V ('ornea bei wiederholter sich rasch folgender An- wt^nduDg.

Vollständig irrthümlich ist es aber, glauben machen 4U wollen, als ob schwächere Infusionen stärkere Wir- liungen hervorrufen konnten, und ist diese so leicht zu- rttokzuweisende Ansicht um so staunenswerther in dem Munde eines Collegen, der an die chemische Wirkung des Mittels glaubt. Nichts überraschendes hat es aber, dass bei einer infectiOsen Wirkung eine exact proportionelle Steigerung der Wirkung sich nicht streng an die Zu- nahme des Quantums des inficirenden Mittels hält, und man zu einem Grade der Sättigung gelangen kann, bei welchem ein üeberladen mit inficirendem Stoffe mehr oder weniger indifferent wirkt. Das Dosiren von virulenten

bstanzen kann doch nicht in irgend welchem Vergleiche

t chemisch wirkenden gestellt werden. Ein vollständig irriger Schluss ist ferner der, dass hjperümischer und aufgelockerter die Schleimhaut ist,

261

nin 90 mtensiTer reagirt sie.'* Hier moss min sich wirUidi frigea, ob der geschätzte Ck)llege hinreichend iea Jeqmritj angewendet, um zu einem solchen Schlosse zu kommen, würde sidi y. Hippel nicht geradezu selbst widerlegen, indem et kurz darauf sagt: ,Ton der Begel abweichend TerhSlt sich dem Jeqnirity gegenüber jene Form von Tradiom, welche mit maditiger Schwellang des PapillarkOrpers sich verbindet. Hier kommt es zwar zu stärkerer Lidschwellong mid lojection al^ in 6fm Toiier besprochenen Fällen, aber die Lider bl^ibfs w^jch und der verhältnissmässig dünne Btlar. w^M^r sich nach der Pinselung bildet, Btn^n > »ij imu*n schnell wieder ab, ohne dass sidi di^ f>';uii')TjiijvTr glättet" Was will das mit klaren Worten aiio^ h^fi^^m als: je mehr die Conjunctiva gehchw* /i ti t i i Zeichen der acuten oder chroniBcL^^u h^ i i^ ^t ^ purulenia hervortreten, um ko wf^ijjx'*r r* t r es, die specifische Ophthalmia j<^^v,--,'^ p . ihren croupös-diphtheroiden EzruduU-t ;.. - .-, zurnfen, um so weniger wird mau cth^" ^ . ? ^. .* deren Einwirkung rechnen kOnueh.

Man ruft um so sicherer und urii w. ^v^'r^* ' * ; quiritT' Ophthalmie hervor, je m*duf 0>> Vv *.-.., ,. nonnal phrsiologischem Zustande \f\. / ^^'. f^ ., ^ nofrm in^cirt und besonders je wtnuy^Tf <^ n/t '^ ,.r,.t, *. und aboonoem Secrete überdeckt >^ v-, m*^ ,m» i\,* alkzhcft^stai Entzündungen b«9 ?if,>>;T//* U,'t\fwh^A*^ , wdcke der Jequiritybehandlung w«?^«?» t.]*4^ horuhn^iK sderooe aack Keratitis parenchymatr/ia unt^Tworfrn wtrfli*!! mid «e rollständig normale Conjunctiva aiiM ^^»^ Affcnfwhwf beobachtet man bei Trachom, woIcImh iiMr steOeuwwe die Conjunctiva des oberen Lides dtiri'h»<*tit und Iiäe&ta Pannus des oberen Homhautdrittels hörvorg«r rsim. laL woi« aber nur wenig Secretion und kein Thrflnei TortamtMi auL Je mehr sich dem trachomaidsei

262

Processe Papillarschwellnng mit Hyperämie und Seoretionssteigerang sowie starkes Thrftnen hin- zugesellt, um so weniger leicht erzeugt man die heilwirkende cronpOs-diphtheroide Jeqnirityoph- thalmie. Schliesslich, wie es auch v. Hippel beobachtet, erzielt man nnr noch einen sehr dünnen schleimigen Belag anf der stark entzündlich geschwellten Conjunctiya, steigert zwar nodi die Secretion and Lidschwellnng, ex- acerbirt das präexistirende Leiden, ohne aber irgendwie die Charaktere der Jeqnirityophthalmie hervorznrafen. Tritt in solchen Fällen die Gomplication mit einem Hom- hantleiden ein, so mnss man solche nicht anf Bechnung einer Ophthalmie bringen, die man nicht erzengt, sondern einfach anf die Steigerung des prftexistirenden Leidens durch eine ungeeignete Beizung mittelst eines hier vollständig unpassenden Mittels.

Der Jequirity kann am Ende doch nur da wirksam sich zeigen, wo man seine Wirkung in Anwendung zu bringen im Stande ist; wo diese Wirkung mehr oder weniger vollständig fehlschlägt, d. h. bei der chronischen Ophthalmia purulenta und heftigem acuten FoUicula- catarrh (der nur zu oft als acute Granulationen her- halten muss), kann man auch nicht auf eine Heilwirkung rechnen.

Bei dem sogenannten abgelaufenen Trachome, d. h. bei schon sehr mit Narben durchsetzten trockenen Oranulationen erzielt man immer noch einen gewissen Orad von Ophthalmia jequiritica und das ganz besonders auf den noch ziemlich intact gebliebenen Theilen der Con- junctiva. Hier hat man aber auch trotz des relativ schwachen Orades der künstlich erzeugten Ophthalmie dennoch stets eine höchst überraschende Aufklärung der Hornhaut zu erwarten.

Man kann mir nicht vorwerfen, nicht gleich von Beginn darauf insistirt zu haben, dass es gerade die Fälle

268

sind, die man mit Inocolationen behandelt, die fttr den Jeqidiity die geeignetsten seien, dass es trockene Giann- lationen sein mttesen (Tracliom). Das hat aber nicht be- bindert, dass man gerade FUle znm Experimentiren gewählt, die man sicherlich nicht mit Inoonlation yon blennor- rhoischem Secret behandelt haben würde, d. h. FftUe mit aonten pomlenten Exacerbationen, nnd ist es daan stan- nenswerth, wenn GoUegen wie Deneffe, Osio, Yossins nnd Ton Hippel (in seinen beiden ersten Versnoben) YoUstandige Misserfolge anfznweisen hatten?

Je mehr ich mit der Gebranchsanwendnng des Jeqni- rity vertraut werde, nm so evidenter stellt es sich her- aas, dass man mit Jeqnirity Orannlationen und Trachom heilt, dagegen falsche Granulationen, d. h. die Papillarhypertrophie der chronischen Ophthalmia purulenta eher verschlimmert als bessert. So Uftrt sich auch leicht die Verschiedenheit der Aussprache der Autoren auf: die, welche reine und wahre Granulationen mit Jequirity behandelt, sind enthu- siastisch fnr das neue Mittel und das mit Recht; die Collegen hingegen, welche falsche Granulationen oder gemischte Granulationen (mit acuter purulenter Exacer- bation) der Jequiritybehandlung unterzogen, können nicht genug sich gegen das neue Mittel aussprechen und das nicht mit Unrecht, was die von ihnen behandelten Falle anbetrifft *).

*) Gegen den Jeqnirity haben sich bis jetist ausgesprochen: Deneffe (der nun 35 % seiner Fftlle mit Jeqnirity heilt), Osio (welcher jetzt Anhänger der Jequirityhehandlnng ist), Lainati und Nicolini, Vossias, Galesowski nnd Bordet (Ghiyet).

Für: Alcon, Bemard (Terson), Brailey, Brown, Biurinelli, Oliirait, Ooppes, Di^ardin» Fonseca (L.da), Foncher, Gfillet de Grand- mont, Goldzieher, Grflning, Grossmann, Magnus, Hanfredi, Massa, Moura-Braiil, Moyne» Foggi, de la Penna, Ponti, Sattler, See- fiags, Simi, Taduurd, Terson, Wariomont» Wecker (s. These Le Jeqnirity. Son emploi en Ophthabnologie par L. A. Ohaueiz. Mddecin stagiaire an Yal-de-Grace).

264

Es wd mir femer vorgehalten, dass ich mich des Aasdrackes „rasch*' bedient, was die Heilang der Grana- lationen mit Jeqnirity anbetrifft, and findet College von Hippel die Falle, welche aas einer grossen Reihe von Beobachtongen von mir angefahrt, sehr angreifbar. Wenn ich den Ansdrack „rasch'* gebraucht, so ist es doch sicher- lich nur zum Vergleiche der Behandlangsdaaer mit der sonst gebräuchlichen Therapie gewesen. Was verlangt schliesslich der Patient? so schnell als möglich arbeits- fähig zu werden und sich nicht mehr um seine Augen bekümmern zu brauchen. Es kann demselben vollständig gleichgiltig sein, ob sich auf der Conjunctiva seines oberen Lides noch in voller und steter Bückbildung be- griffene Oranulationen befinden, sobald dieselben ihn in keiner Weise belästigen und keinerlei weitere Be- handlung benOthigen. Ein solcher Patient (wenn er nicht recidivirt) *) sieht sich von diesem Moment mit Becht als geheilt an; fällt er freilich zufällig in die Hände eines kritisirenden CoUegen, so wird man naturlich sagen können, ,Ja geheilt ist dieser Patient noch nicht, denn ich sehe immer noch nicht die Conjunctiva vollständig nor- mal". Nothigen Falls wird Patient dann in die Beihe der Nichterfolge aufgezeichnet.

Dies verhindert aber nicht, dass besagter Patient ohne irgend welche ärztliche Zwischenkunft ausheilt und nur wenige Tage oder Wochen für seine Behandlung geopfert hat, für welche man nach altgebräuchlicher Weise nicht Monate, sondern Jahre verlangte. Und hier spreche

*) Recidiven werden eintreten, sobald der Patient sich der Beobachtmig zu frühzeitig entzieht und die Waschungen unge- nügend waren. Man kann das 2. nnd 8. Mal die Ophthalmie wieder hervoimfen, sobald man nur einen Zwischenraum von mindestens 14 Tagen gelassen hat. Immunität tritt ein nach rasch sich folgenden Serien von Waschungen und meiner Erfah- rung nach in der Begel nicht vor einer 8. Serie von Wasehungen, was für die Behandlung genttgend ist

266

ich mit von Hippel von wirUichein Trachom, Yon in- veteiiiten Graniilationen, nicht von mehr oder weniger acuten porolenten Entzündungen, die man ja anch mit gat ansgefbhrten und geregelten Ganterisationen in einer, bei weitem kürzeren Zeit, verhältDissmftssig rasch, zum Vergleiche mit wahren Granulationen und granulösem Pannus heilen kann. ,3ei keinem Patienten, sagt von Hippel, sah ich vor Ablauf von 2 Monaten die Granu- lationen völlig sich zurückbilden, bei vielen vergingen darüber 3—4 Monate und mehr". Sicherlich wurden die Patienten nicht 2, noch weniger 3— 4 Monate mit Jequirity behandelt, aber hfttte selbst die vollständige Heilung diesen Zeitraum in Ansprach genommen, so würde man noch den Ausdruck einer raschen HeUung im Vergleiche zu dem, was uns die gewöhnliche Granulationsbehandlung gelebrt, nicht allzu unpassend gewfthlt finden.

Somit habe ich auch hier meine „These*' nicht zu vertheidigen gebabt, indem ich, wie dies unser College an- giebt, „dem Sinn meiner eigenen Worte Gewalt anthue, um die Form zu retten*', was von meiner dritten Aufstel- long behauptet wird. „Ohne allen Zweifel l&uft die Cornea keinerlei Gefahr, während des Bestehens der Ophthalmia je- quiritica." In der That existirt bei wirklichen Granulationen und Pannus (der auch nur ganz theilweise die Hornhaut überzieht) diese Gte&hr in keinerlei Weise, nicht nur, wie mich v. Hippel sagen lassen will, „weil ich nie eine Perforation constatiri" Wovon handelt es sich bei der Aufstellung meiner dritten Behauptung? von den Ge- fahren, welche Granulöse bei Anwendung der Jequirity- ophthalmie in Bezug auf ihre Cornea laufen und was lehren CoUegen von Hippel seine eigenen Erfahrungen: „Bei pannöser Tröbong habe ich niemals irgend eine nachtheilige Wirkung des Mittels beobachtet, selbst dann nicht» wenn ich es trotz ziemlich ausgebreiteter Geschwüre in Anwendung zog. Die Vascularisation der

266

Cornea steigert sich vorübergehend sehr bedeutend , die TrObong des Gewebes nimmt Anfangs noch zu, bald kommt es aber zu einer allmählichen Bückbildimg der Qefitaae .nnd Heilnng der Substanzverlnstes und zn einer erfreu« lidien Aufhellung des Gtewebes/*

Habe ich mit meinem dritten Axiom vielleicht etwas Anderes sagen wollen? ist es mir in den Sinn gekcmuneUf behaupten zu wollen, die Ophthahnia jequiritica kOnne nie die Cornea in Ge&lir bringen. Sidierlich wenn man purulente Ophthalmie mit Jequirity in ungeeigneter Weise steigert, kann man Homhautcomplicationen hervorrufen, die vielleicht nicht eingetreten sein würden und sagt V. Hippel: „Ausnahmslos handelt es sich dabei um F&lle von Trachom, in welchen bis dahin die Cornea absolut intact gewesen war, man wird es also nicht ablftugnen können, dass die Jequiritybehandlung unter Umstanden dem Kranken direct schadet." Sicherlich werde ich der letzte sein, welcher vertraut wie ich mit der Sache bin, dies ableugnen würde, sie schadet unzweifelhaft in allen Fallen von Ophthalmia purulenta und da, wo man sehr starke Papillarwudieiungen mit Granulationen verwechselt hat (Trachom, „bei welchem die Cornea absolut intaot**).

Ich behandle Hunderte von Patienten nicht allein wegen Granulationen, sondern wegen scroftilOsem Pannus, torpiden Geschwüren und Homhautinfiltraten, Sclerose der Cornea etc. mit Jequirity, muss also genau kennen gelernt haben, in wie weit die Jequirity-Ophthalmie ge&hrbringend für die Cornea sein kann. Wie das auch v. Hippel angiebt, ist sie es durchaus nicht bei granulösem Pannus, sie ist es aber auch nicht bei intacter Cornea oder ulcerOser Keratitis, so bald man nicht die künstliche Ophthalmie in unpassender Weise auf die Spitze treibt, dem setzt man sich aber aus, sobald man eine neue Waschung vornimmt, ehe man abgewartet, bis die Acme der durch die zu« letzt gemachte Waschung hervorgerufenen Entzün»

267

dang eingetreten ist, also nadi Waschungen mit 2— 37o Infiisionen nicht mindestens 24 Standen verlaofen Iftsst, ehe man za einer zweiten schreitet. Ich habe nie eine Gomplication nach einer einzigen Waschnng gesehen, selbst wenn solche mit einer 57o Infasion vorgenommen and die heftigste Ophthalmie erzeugt hatte. Meine dritte Behauptung: „Ohne irgend welchen Zweifel läuft die Cornea keinerlei Gefiihr w&hrend des Bestehens der Ophthalmia jequiritica'\ kann ich daher yollständig ohne irgend welche Bestriddonen aufrecht erhalten, hfitte aber vielleicht wohl- gefhan, hinzuzufQgen „bei richtiger Anwendungsweise des Mittels.*'

Was die Ansichten unseres GoUegen über die in- fectiöse Natur der Ophthalmia jequiritica anbetrifft, so werde ich nur in so weit mich hier auf eine Discussion einlassen, als die Frage uns klinisch interessirt, dem ge- schfttzten CoUegen Prof. Sattler überlasse ich den mikroskopischen und physiologisch experimentellen Thefl.*)

Von demincubationsstadium behauptet v. Hippel, dass es nicht existire. „Ein solches beobachten wir bei der Jequirity-Ophthalmie nicht. Unmittelbar nach An- wendung des Mittels tritt bereits Injection der Gonjunctiva ein, die nicht wieder verschwindet, sondern sich vielmehr nach 2—^3 Stunden allm&lig steigert, oft schliesst sich Chemosis, vermehrte Secretion, Auftreten von Belegen, Schwellung der Lider in unmittelbarer Weise an.'' Hier würde ich nun von neuem die Frs^e aufvrerfen, „wie hat denn unser geehrter Kollege hier beobachtet?" fände ich nicht auch hier in einer verschiedenen Anwendungsweise die Erkl&rung. Die ausgiebigste Waschung mit frisch be- reiteter 37o Infrision ruft nicht mehr Iiyection der Con-

*) Von Herrn Prof. Sattler ijBt uns fOr das nächste Heft des Archivs eine Entgegnung auf die Arbeit v. HippeTs an- gekündigt worden. Die Bedaction.

jnnctiva hervor, als die mit destillirtem gut ansgekochtem Wasser, aber anders wird es sich verhalten, wenn man sich an v. Hippel's Vorschrift h&lt, der angiebt: „Ich benutze jetzt bei der Behandlung meiner trachomatösen Patienten ausschliesslich 27o Jequirityinfusion mit 17o CarbollOsung.** Hier ist es die Garbolsäure, die die Gon- junctiva geröthet erhfilt, bis zum Ausbruche der ersten Zeichen der eintretenden Ophthalmie, d. h. während drei Stunden.

Nichts ist leichter zu beobachten, als das Incubations- stadium, wie es sich mit so grosser Präcision bei den Patienten zeigt, die eine normale Conjunctiva bei der ersten Waschung aufweisen. Unmittelbar nach der Wa- schung mit 3 7o Infusion zeigt sich weder Bothung der Conjunctiva, noch Thränen, noch Schmerz. Wie hfiufig habe ich Patienten die Klinik verlassen sehen mit skep- tischem Lächeln, als ob sie zweifelten, dass irgend etwas Anderes mit dem Auge vorgenommen worden sei, als< eine Waschung mit gewöhnlichem Wasser. Bei den Patienten, die man in der Anstalt aufgenommen, um genau den Ausbruch der Ophthalmie überwachen zu können, hat man bestimmt constatirt, dass erst nach 3 Stunden ein leicht brennendes Gefühl in dem gewaschenen Auge verspürt wird, das sich etwas rOthet und zuweilen thränt Die Schwellung der Lider tritt erst nach 6 8 Stunden und öfters noch später ein. Die meisten Patienten werden hier zwischen 4 5 Uhr Nachmittags gewaschen, sie nehmen alle um 7 Uhr am Mittagsmahl Theil, ohne über ihr Auge irgend eine Bemerkung zu machen, wenn man sie nicht direct ausfragt, meist wachen sie dann in der Nacht um 1 oder 2 Uhr auf, weil das Auge brennt, secer- nirt und die Lider anzuschwellen beginnen. Bei vielen zieht sich das Incubationsstadium noch länger hinaus und es vergehen 15—18 Stunden bis die deutlichen

Zeichen der Entzündung mit lidsohwellong and Belag eintreten. *)

Die Daner des Incnbationsstadiums wechselt bei identischer Gonjunctiva und gleicher Con- centration der Infusion, je nachdem der Patient schlaff oder dicht anschliessende Lider hat, die der Luft einen mehr oder weniger ausgiebigen Zutritt zur gewaschenen Conjunctiva der üeber- gangsfalten gestatten.

*) Um möglichst constante Besoltate zu endelen und genaue Beobachtongen machen zu können, mms man nicht nur physiolo- gisch mehr oder weniger identische Beobachtongsteirains wählen, sondern auch mit möglichst gleichem Medicamente experimentiren. Bei mir bereitet Dr. Menacho, welchem die Jeqniritypatienten speciell anyertrant sind, die Infusion jeden Tag selbst Die Kömer werden dnrch leichtes Aufschlagen zwischen rauhen Eisen von ihrer unwirksamen Hülse befreit und einfach in einer Kaffee- mühle fein gemahlen. Es genügt vollständig, die Infusion nur drei Standen mit kaltem Wasser stehen zu lassen und gleich nach dem Filtriren zu dem Au^goss zu verwenden. Man beginnt um 1 Uhr die Infusion zu bereiten und um 4y, Uhr werden die Pa- tienten mit der ganz fHschen Infrision gewaschen. Weshalb man bei dem so ausserordentlich billigen Preise des Jequirity In- fusionen mit desinficirenden Substanzen bereiten, z. B. Garbol- säure zosetzen will, kann ich nm so weniger begreifen, als man bei frischen Aufgüssen nie Ekzem der Lider zu beobachten hat, wie das bei v. Hippel mit seinen Infdsionen der Fall war. Nichts ist leichter, als sich selbst mit Hülfe eines anstelligen Die- ners rasch die frischen Infusionen zu bereiten, und will man nicht die Zeit mit dem Decorticiren verlieren, so setzt man einfach das Quantum Körner mehr zu, welches dem Gewichte der indüferenten Httisen entspricht Ich rathe allen GoUegeu, die sich mit dieser Frage beschäftigen wollen, sich selbst die Infkisionen zu bereiten und sich, wie wir es jetzt thun, constant an eine dprocentige In- fusion zu halten, mit welcher wir meistens eine, höchstens 2, sehr selten schon 3 Waschungen im Laufe von 1, 2 oder 3 Tagen vornehmen. Die Omaligen Waschungen mit sehr schwachen In- fusionen (3 Mal während 3 Tagen) sind vollständig aufgegeben worden. Auch mache ich nur bei ganz narbiger Conjunctiva oder sehr ausgiebiger (amyloidet) Degeneration der Conjunctiva Qe- brauch von Sprocentiger Infusion.

270

Ein ferneres Argoment, welches y. Hippel g^en die infeotiOse Natur der Ophthalmie anfährt, ist die Schwie- rigkeit, sie Yon einem Auge anf das andere za nbertragen. ,3andelte es sich bei der Jeqairlty-Ophthalmie um eine Infecticnskrankheit'*, sagt miser College, „so wäre zn er- warten, dass sich ähnlich wie bei der Blennorrhoe die Entzflndnng dnrch üebertragnng von Secret oder von Stocken von cronpöser Membran anf em gesundes Auge hervormfen Hesse." In der That lässt sich nnr mit sehr grosser Schwierigkeit die Inocnlation derart hervorrufen^ dies spricht aber, wie wir sehen werden, durchaus nicht gegen die infectiOse Natur besagter Ophthalmie, denn es lässt sich durchaus nicht „erwarten*', dass sie sich wie eine Bindehautblennorrhoe verhalte und das aus folgenden Gründen.

Das inficirende Material, der Bacillus der Blennorrhoe^ ist in dem eitrigen reichlich gelieferten Secrete in grosser Menge enthalten, findet sich hier einem sehr leicht über- tragbaren Vehiculum, dem klebrigen, dickflOssigen Eiter beigemischt, breitet sich, wie man sich leicht überzeugen kann, mit grosser Leichtigkeit auf die Coojunctiva aos^ die man einimpfen will lässt sich, einmal übertragen, nur sehr schwierig herauswaschen. Dass die üebertragung mit einem derartigen Secrete leicht ist, kann man in der That erwarten.

Wie verhält sich dagegen das inoculirbare Prodnct der Ophthalmia jequiritica? Ein wirklich eitriges Secret wird hier ja selbst in den heftigsten Fällen nicht beob- achtet. An den brettartig geschwellten Lidern findet man an der Lidspalte ein zähes, schleimiges, wenig reichlichea Secret, welches sich etwas über das untere Lid hinüber- zieht, sonst ist es ansschliesslich serOse Thränenflüssigkeit, die an der Wange fast beständig herabfiiesst. Das wirkliche pathologische Product stellten die croupOsen Membranen und die diphtheroide Infiltration der Gonjunctiva der Lider und

271

dae Bulbus dar. In diesen Piodncten findet man Vorzugs* weise den Baoillns vor, aber wenn es gelingt, am zweiten oder dritten Tag die Membranen ohne zu grossen Schmerz abzulösen, dann befinden sich diese Microorganismen wahr- scheinlich schon in einem Zustande, welcher ihre Ueber- tragbarkeit wesentlich erschwert

Ich habe Prof. Gornil gebeten, seine Aufmerksam- keit auf das Verhalten des Bacillus Jequirity in den Mem- branen zu riditen und habe folgende briefliche Mittheilung Yon unserem geschätzten Collegen und Freunde erhalten:

„On peut Mre beaucoup de coupes de fausses membranes sans trouver un seul bacille du Jequirity. Cependant sur les coupes coloröes avec la fnchsine ou le violet de m6thyl B j*aTais vu quelquefois des grains colorte provenant probablement du Jequirity^ mais non caract6- ristiques.

Dans un des demiers examens que fai fait, j*ai trouv^ des bacilles dispos^ d'une fa9on tonte spfoiale. Hs etaient situ^s en petit amas, entour^s de globules blancs, au milieu des couches de fibrine superficielles de la membrane. n y avait un certain nombre de ces petits Hots bien limit^, aussi nets que le petit dessin si-dessus."

„J*explique la difficulte qu'on a de trouver les ba- cilles dans la fausse membrane, par ce £Edt que la prä- miere couche de fibrine depos^e sur la conjonctive peut bien englober les bacilles qui s'y trouvent; mais les oouches formöes incessamment en repoussant la premilre ne rencontrant plus de bacilles libres n*en contiennent plus. On ne peut donc voir les micro-organismes que dans les couches superfideUes de la fausse membrane, les autres bacteries doivent 6tre entrainte par le liquide qui s*£coule.''

„Plus les fausses membranes sont epaisses et anciennes moins on aura de la Chance dY trouver des bacilles. Mais les bacteries ayant disparu, l'inflammation de la conjonc- tiye n*en continue pas moins pendant un certain temps.

272

J'si fiedt, sur des chiens et des lapins des ophfhalmieB jeqQiritynes. On troave surtout des spores dans les liquides ou mSme rien qoi se lapporte aux baoteries, dix a quinie hemes apids le badigeonnage de la oonjonctive. Gependant rophihakoie ii*en continne pas moins. n est possible qu*im principe chimique, tme diastase, detennin^e par les bacilles, continue son action, mais cela n'est pas pronvö.**

,,L'oed^ine phlegmoneux qu*on determine en injectant du jequirity dans le tissa oellidaire soas-catan6 olbe des ph6nomenes analognes: fl y a beancoup de baoOles dans cet oed^me pendant les premieres 24 henres, moins dans le denzi6me jour et ü n'y en a plus ensnite, bien qne le phlegmon et les snites persistent pendant hnit jonis et m6me beancoup plns, s*il y a eu des abcds casöenx on de la gängige. Dans oes phlegmons les bacilles 8*61iminent d*nne part par les foUicnles pilenx, d*auti6 part en snivant le conrs de la lymphe alors ils sortent par les urines, les matiöres intestinales on bien fls sont d^tmits dans les tissns.*'

„Tons ces faitsmontrent bien qn'apr^s Faotion rapide et önergique des bacilles du Jequirity, ceux-ci sont 61imin6s longtemps avant qne Tin- flammation dont ils sont la cause ait disparu.**

Hieraus geht klar hervor, dass im Momente, wo man meist die Impfrersuche anzustellen versucht, das inoculir- bare Element aus dem Impfmaterial schon verschwunden ist. Aber abgesehen hiervon, kann man die Membranen sowie den schlUpfrigen Schleim, welcher die Lidspalte be- deckt, kaum in dem Gonjunctivalsacke, den man einimpfen will, zurückhalten und muss hier zu dem Druckverbande seine Zuflucht nehmen, um die Imp^roducte zurück zu halten; ich werde gleich darauf zumckkommen, welche Wirkung hier der Druckverband ausübt. Nicht im aller- entferntesten Iftsst sich also ein Vergleich mit dem Ein-

273

fea einer Bleononlioe imd dem der Jeqnirity- Oph- thalmie anfetelleiL

Zmn Enengea dieser siad zwei Bedingmgen nöflug, frische Jeqoiiity-Iiifiision mid Luft mid wemi man am Axigß mit Leichtigkeit einen Infkdichten Verschlnss anbringen konnte, so bin ich fiberzengt, dass man ohne die speoifisohe Ophthalmie hervorzomfen, mit Jeqoirity-Infnsion noch so ausgiebig waschen könnte. Die Yeisnche, welche wir mit gat abscfaUessenden Watteyerbanden nnd CoUodiam an- stellten, zeigen selbst migeachtet der sdir grossen Schwierig- keiten, die man bei ihrem Anlegen antrifft, dass man durch ihren Gebrauch das Incubationsstadium mehr oder weniger hinausziehen kann.

Auf meine Veranhissung hat einer meiner Assistenten, Dr. Menacho auf der Abtheilung des Herrn Marünau im Lourcine Spital, welcher so gfltig war, eine Beihe von Patien- tinnen zu meiner Disposition zu stellen. Versuche mit Je- qnirity auf der Yaginalschleimhaut angestellt. Bekanntlich haben die in der Ophthalmologie angewendeten chemischen und eaustifichen Mittel so zu sagen eine identische Wirkung auf CoiqunctiTa undTa^inalschleimhaut, dieVerschiedenheit, welche man hier antrifft, erklftrt sich leicht durch die verschiedene anatomische Structur und die verschiedene Anwendungsweise. Aber nicht nur chemische Substanzen, wie Argentum nitr., Blei, Kupfer, Zink, Sublimat ver- halten sich hier identisch, sondern auch das blennorrhoische Secret.

Oanz anders verhält es sich aber hier mit der Jequirity- Infusion, hier kann man 10 7o Infusionen, ja selbst 20 7o Yaselinmischungen anwenden, ohne eine irgend erhebliche Wirkung zu erzeugen. Es handelte sich nun hier zwar vor- zugsweise um mit Blennorrhoe behaftete oder an chronisch granulöser Yaginitis leidende Frauen und es entspricht dieser Zustand bekanntlicb der Fapillarwucherung der chronischen Ophthalmia purulenta. Deshalb war auch aus oben an-

T. Ormafe'i ArehW für Ophthalmologie, ZXZ. 1. 18

276

peroOnliclie Beleidigung empfindet." Erst wenn die Jeqoi- ritybehandlnng die ihr gebührende Anerkennung gefunden haben und zu keinerlei persönlichen Streitfragen mehr Anlass geben wird, erst dann wird man ein gerechtes ür- theil ftllen können, in wie weit ich gut oder schlecht beobachtet, in wie weit ich gut oder schlecht das neue Heilver&hren patronirt habe. Dieses ürtheil warte ich ruhig ab.

Was aber meine „G^eiztheit*' anbetrifft, so mochte ich gerne den Satz ins Gedachtniss zurückrufen, mit welchem ich meine letzte mit Sattler veröffentlichte Ar-* beit schliesse: ,Je me permettrai de remerder les con-* frdres, dont les noms suivent (indiff^remment quel qu'ait ^t& le resultat de leurs recherches) de Tempressement qu*ils ont mis & s*occuper de ce sujet et de Thommage qu*il8 nous ont ainsi plus ou moins directem^t rendu, eu consid^rant eux aussi cette qaestion de th^rapeutique comme digne de leur attention." Diese Dankesbezeugung wurde an alle Autoren, die über Jequirity geschrieben, ge- richtet, sie ist es jetzt auch ganz insbesondere an unsereu verehrten Collegen Prof. v. Hippel.

höchst überraschende und erfreuliche Erfolge eriiele, wie er sie nach keiner andern Therapie bisher noch ge- sehen habe/* Auf eine solche ,3a8i8** sich stützend, hfttte man voraussetzen sollen, dass v. Hippel eher meinen Enthnsiasmus theilen, als ihn mir vorwerfen würde.

Paris, Januar 1884.

Eiiiige Bemerbmgen zu ffistoloKie des Traohoms.

Von

Prof. Dr. P. Baum garten in Königsberg L Fr.

Die jüngst erschienene, verdienstliche Abhandlung Bähl- mann*s *) Ober Conjunctivitis trachomatosa veranlasst mich zu einigen sachlichen Bemerkungen in Betreff derjenigen Punkte, in welchen der Autor auf Orund seiner Unter- suchungen mit einschlägigen Beobachtungen von mir in Widerspruch getreten ist.

Der erste Punkt bezieht sich auf meine Angaben von dem Vorhandensein lymphfollikelartiger Heerde in der nor- malen menschlichen Conjunctiva. Bählmann stellt seinen eigenen Beobachtungen zufolge ein solches Vorhandensein entschieden in Abrede und ist der Meinung^ dass ich auf meinen bez. Präparaten möglicherweise Abschnitte von Adenoidgewebe, welche, den Stellen besonders tiefgreifender grubiger Einsenkungen der Oberfläche entsprechend, auf in*s submucOse Bindegewebe gerathenen Flachschnitten als umschriebene Haufen von Lymphoidgewebe sich daxstellen müssten, mit LjmphfoUikeln verwechselt habe. Ich habe auf diesen Einwand zunächst zu bemerken, dass es auf- fallend erscheinen muss, dass Bählmann einen Irrthum,

*) Dieses Archiv Bd. XXIX, Abth. 2.

278

den er selbst mit grosser Leichtigkeit vermieden und der in der That als ein ganz elementarer bezeichnet werden müsste, ohne Weiteres einem anderen Untersucher auf- bürdet, dem er einige Seiten später sogar die Ehre anthut, ihn den „bewährten Forschem" zuzurechnen. Abgesehen hiervon kann ich diesem Einwand gegenüber darauf hin- weisen, dass mein, die lymphfoUikelartigen Heerde demon- strirender Schnitt, wie Figur tmd zugehöriger Text lehren, nirgends innerhalb der Submucosa, sondern durchweg innerhalb der adenoiden Mucosa verläuft und dass femer an der Schleimhautstelle, von der er stanunt, keinerlei „Furchen*' oder ^,Gmben'*, sondern ausschliesslich echte tubulöse Drüsen vorhanden waren, die von Bählmann supponirte irrthümliche Deutung im vorliegenden Falle also positiv ausgeschlossen ist. An einer späteren Stelle seiner Abhandlung sagt Bählmann, auf die Fol- likelfrage zurückkommend, dass, wenn Homer, Baum- garten etc. Follikel in normaler Conjunctiva gesehen zu haben angeben, sie den Beweis schuldig geblieben seien, dass es sich nicht um vereinzelte pathologische Bildungen in sonst normaler Schleimhaut, oder um Besiduen abge- laufenen resp. geheilten Trachom*s gehandelt habe. Auf diesen Einwurf Bählmann's ist Folgendes geltend zu machen. Wenn in einem sonst alle Zeichen der Qesund- heit darbietenden Organ sich Bildungen finden, welche an sich nichts weniger als krankhafte Erscheinungen sind, sondern in ganz gleicher Form in allen übr^en, histologisch analog gebauten, Organen vorkonunen, und daselbst aUgemein als pbTsiologische Bestandtheile der- selben anerkannt sind, so haben, meines Erachtens, nicht diejenigen, welche den physiologischen Charakter des in Bede stehenden Befundes annehmen, zu beweisen, dass er physiologisch ist, sondern im Gegentheil diejenigen, welche die physiologische Natur dieses Befundes bestreiten, zu erhärten, dass er pathologisch ist. Nun glaubt

279

aUerdings Bfthimann den pathologischen Charakter der moischliohen ConjnnctiTalfollikel ganz allgemein dadurch begründet zu haben, dass es ihm, eben so wenig wie an* deren soigfUtigen üntersnchem, gelungen ist, Follikel in der normalen menschlisdien Bindehaut aufzufinden. Diesen negativen Ergebnissen stehen aber, wie bekannt, eine grosse ZaU positiver Beobachtungen von Seiten gleichfalls sehr gewissenhafter und competenter Forscher, ich nenne hier nur W. Krause, Henie, EoUiker und Homer gegenüber, positive Beobachtungen, welche ich, wie gesagt, leicht bestätigen konnte, so dass also im besten Falle aus den negativen Besultaten Bahlmann*s u. A. der Schluss gezogen werden könnte, dass die Follikel in normaler, menschlicher Conjunctiva keine constanten Formerscheinungen darstellen. Ist aber die mangelnde Constanz einer Bildung Grund genug, sie als pathologisch zu betrachten? Fast scheint es so, als ob Bfthimann dieser Ansicht huldige: er rechnet nicht nur die mensch- lichen, sondern auch die, gegenwärtig &st allgemein als physiologische Formationen anerkannten, Follikel in der Conjunctiva der Thiere zu den pathologischen Produkten und zwar deshalb, „weil sie sich erstens bei neugebomen Thieren überhaupt nicht finden, weil sie zweitens bei aus- gewachsenen Thieren derselben Species nicht ausnahmslos vorkommen, und, wo sie vorhanden sind, man sie bei ver- schiedenen Exemplaren in verschiedener Zahl und in ver- schiedenem Orade der Ausbildung antrifft und weil drittens, wenn sie zahlreich sich finden, daneben charakteristische Zeichen der Entzündung des Gewebes vorhanden sind.** Alle diese Gründe können, meiner Meinung nach, nicht als stichhaltige angesehen werden. Was den ersten Funkt anlangt, so müsste Bfthimann consequenterweise auch das gesammte Adenoidgewebe der Conjunctiva, welches bekanntlich ebenfalls bei neugeborenen Individuen nicht vorhanden ist, zu den pathologischen Produkten rechnen,

280

was er dodi selbst nicht m thmi gesoimen ist; das zweit- genannte Moment trifft aber, nie nohl nieht exemplifirirt zu werden braucht, aodi nodi für mandierlei andere roll- konunen physiologtsche FonnbestandtheQe des tbierischen Körpers zu, insbesonderere entspridit es in yoUem Um- fiuige den YerhUtnissen, wie wir sie bei den Follikeln der Darmwand beobaditet^ ohne dass diese Gebilde deshalb irgend Jemand, Bählmann nicht ausgeschlossen, als pa- thologische Erscheinungen ansieht; ans dem an dritter Stelle erwähnten Umstand aber wurde sich höchstens der Sdiluss ableiten lassen, dass unter pathologischen Ver- hUtnissen eine Vermehrung der Follikel stattfindet, nidit aber der, dass auch die in der nicht patbologisob verSn- derten ThierconjunotiYa Toriiandenen FoUikelbildungen pathologische Erscheinungen seien.

Nach Alledem erscheint Bfthlmann's Anschauung Ton der pathologischen Natur der conjonctivalen Lymph- foUikel nicht genügend fest begründet, um der Ansicht derjenigen, welche sie, wie ich, auf Ornnd ihres wohl- constatirten Vorkommens in ganz gesunden Schleimhäuten als physiologische Gebilde ansprechen, den Boden zu entziehen.

Im Anschluss und in Ergänzung dieser Ablehnung der Bählmann'schen Kritik meiner die Follikel der menschlichen Gonjunctiva betreffenden Beobachtongen, kann nicht umgangen werden, noch darauf hinzuweisen, dass Bählmann' s Anschauung, welche die Präeiistenz folli- cnlärer Gfebilde in der normalen menschlichen Bindehaut vollständig läugnet, gleichwohl aber eine „GonjuncÜTitis follicularis" als einen histologisch wohl zu legitimirenden Entzflndungsprocess anerkennt und yeriheidigt, sich im Widerspruch befindet mit einem altbewährten Erfiährungs- satze der pathologische Histologie, wonach echte foUicu- lire EntzUndungen ausschliesslich vorkommen an solchen Organen, welche schon physiologisch mit Follikeln aus-

281

gestattet sind. Wenn Bählmann behufs Widerlegung dieses, schon von Jacobson jnn."^) geltend gemachten, Er- fiahrungssatzes in erster Linie auf die Angaben von Böttcher Bezug nimmt, welcher seiner Zeit die Follikel in den sogenannten Zungenbalgdrüsen, im Gegensatz zu ihrem Entdecker Kolliker, der sie als physiologische Apparate der Zungenschleimhaut beschrieben hatte, als pathologische, in Folge entzttndlicher Processe ent* standene Produkte aufbsste, so ist dieses Beispiel nicht als ein glücklich gewähltes zu bezeichnen, weil, soviel ich sehen kann, gegenwärtig diese Streitfrage ganz allgemein zu Gunsten Eölliker's entschieden ist.**) Alle Übrigen Beispiele, die Bählmann zur Stfitze seiner Ansicht von dem Vorkommen einer entzündlichen Neubildung von Follikeln anfährt, beziehen sich auf Organe, die schon normaliter unbestritten mit Follikeln versehen sind; sie bestätigen also den obigen Erfahrungssatz nur, anstatt ihn zu widerlegen. Allerdings wird man Bählmann hier- bei darin Becht geben müssen, dass, wenn einmal in follikelhaltigen cytogenen Geweben eine Neuentstehnng von Follikeln bei entzündlichen Processen dieser Gewebe

*) üeber Epithelwuchenmg und FoUikelbildnng in der Con- jonctiva. Dieses Archiv XXV.

♦*) Virchow bezeichnet (OnkoL II. S. 585) Böttcher's obige AufSusüsg ganz strikt als eine „irrthttmliche", nnd noch allemeuestens hat KöUiker in der interessanten Discnssion mit Stöhr über die Bedeutung der foUicnlären Apparate über- haupt (vergleiche Stöhr, Würzburger phy8.-nied. Gesellschaft, 9. Mai 1888: üeber die Bedeutung der peripheren Lymphdrüsen) grade die Follikel des Zungengrundes unter den Beispielen der ganz Consta nt vorkommenden Follicularbildungen des mensch- lichen Körpers aufgeführt Yergl auch Ostmann: Neue Bei- träge zu den Untersuchungen über die Balgdrttsen der Zungen- wursei (Aus dem pathoL Institut in Berlin, Yirchow's Arohiv Bd« 0% Heft 1), femer die modernen Handbücher der Anatomie. Auch ist es für Jeden ein Leichtes, sich durch eigne Unter- suchung von der Fräexistenz foUiculärer Gl^bUde in der Schleim- haut ganz normaler Zungen zu überzeugen.

282

sicher bewiesen ist, eine solche Nenprodaktion a priori anch denkbar wäre, in einem follikellosen cytogenen Qewebe, wie nach Bäh] mann die Gonjnnctiya palpebrarom im Normalzustand eben eines darstellt. Aber sehen wir nns die bezüglichen ,,BeweiBe" etwas näher an, so erscheinen sie nichts weniger als zuverlässig. Wenn Sählmann in dieser Hmsicht erstens die „Vermehrung'* der Darmfollikel bei verschiedenen entzündlichen Processen der Darm- Schleimhaut anfahrt, so ist mir nicht bekannt, dass von den pathologischen Anatomen eine solche Vermehrung an- genommen wird; soviel ich weiss, fassen sie alle die bei der Enteritis follicularis auftretenden Folliculargebilde als die geschwellten präexistirenden Darmfollikel auf. Was femer die citirten Aeusserungen von Elebs und Bind- fleisch in Betreff einer entzündlichen Neubildung von Follikeln in der Magenwand betrifft, so handelt es sich hier nur um, noch dazu sehr vorsichtig gehaltene, Ver- muthungen der genannten Forscher, nicht aber um be- wiesene Beobachtungen derselben. *) Der weiterhin heran- gezogene Ausspruch Saalfeld 's „dass die Befunde bei der Pharyngitis granulosa ohne die Annahme einer Follikel- neubilduDg schwer verständlich seien, kann ebenfalls nicht als eine objektive Beweisführung angesehen werden, da die Befunde Saalfeld's (und die analogen anderer Unter- Sucher) ganz gut auch ohne die Annahme einer wirk- lichen FoUikelneubilduDg verständlich sind, wenn man be- rücksichtigt, dass in Folge der entzündlichen Schwellung und Hyperplasie des Gewebes auch eine Schwellung und Hyperplasie der in dem betreffenden Gewebe vorhandenen Follikel eintreten muss, wodurch nun auch solche Follikel deutlich hervortreten können, welche sich im Normalzu- stand, weil sie klein und relativ wenig mit Zellen erfüllt

*) Der neueste competente Untersucher der menschUchen Magenwand (G. Enpff er, £pithel u. Drüsen d. m. Mag^ens, Mfin- chen 1883) erklärt die MagenfoUikel für constante Gebilde.

283

waren, der Wahrnehmung sowohl makro- als mikroskopisch entzogen.*) Was aber schliesslich die von Bählmann an- geführten Beobachtmigen E. Wagner's über Vermehrung der Follikel in hypertrophischen Tonsillen anlangt, so ist dieses

*) Es ist ja ohne Weiteres klar, dass das Erkennen folliculärer Bildnngen innerhalb cytogener Organe mit grossen Schwierigkeiten yerknüpft sein kann. Ist die Zahl der in dem FoUikelgerÜBte aufgespeicherten Lymphzellen nicht viel zahl- reicher als in der umgebenden difüsen Reticnlarsubstanz, so dürften sich die Follikel ohne besondere histologische Fräparati#is- methoden kaum deutlich als besondere Körper abgrenzen lassen. Denn die sog. Hülle des Follikels, welche, sei es nun, dass sie ans einer geschlossenen bindegewebigen Membran, oder nur aus einer Schicht yerdichteten, engmaschigeren Reticulargewebes be- stehe, zusammen mit den übrigen Bestandtheilen des follicularen „Maschenwerkes" es in erster Linie ist, die den Follikel als besondere Einrichtung innerhalb der ihn umgebenden diffusen cyto- genen Struktur charakterisirt, ferner die eigenthümliche Anordnung seines Gefässapparates, die Lagebeziehungen des Follikels zu Lymphbahnen und Yenenwurzeln aUe diese Kriterien sind wohl nur an sorgfältig ausgepinselten und gut iigicirten Fräpa^ raten sicher zu constatiren. Bleibt daher nur die prallere Er- füllung der Reticulumlücken mit LymphkOrperchen, wodurch auf den gewöhnlichen Schnittpräparaten die Follikel als Sonder^ebilde sich Ton ihrer Umgebung abgrenzen. Dass nun schon unter physiologischen Yerhältnissen der Zellengehalt des Follikels in nicht unerheblichen Grenzen schwankt, werden wir wohl anneh- men und hierauf die schon in der Norm sich geltend machenden Schwankungen in der Zahl der „deutlich sichtbaren" Follikel zum Theil zurückftkhren dürfen. Unzweifelhaft aber müssen Entzün- dungen die Zahl der zelligen Elemente im Follikel steigern, und je intensiver der Entzündungsprocess ist, je mehr er insbesondere sich in den follicularen Gefässprovinzen concentrirt, desto mehr müssen die Follikel hervortreten, desto leichter wird also auch der Anschein einer Vermehrung dieser Gebilde entstehen können. Präezistirten jedoch an Stelle der anscheinend uneu- gebüdeten" Follikel nicht die wesentlichen anatomischen Grund- lagen der Follikelbildung, die speciüschen Follikelgehäuse, so wäre nicht wohl denkbar und sicherlich ohne jedwede Analogie, dass ein „Gatanrh" oder ein sonstiger einfacher diffuser Entzün- dungsprocess zur Entstehung derartig scharf umschriebener zel- liger Knötchen, wie sie die Follikel der follicularen Entzündungen darsteilen, Anlass geben könnte.

284

itmiii^ht Torgtaff^, sonderm im sos mtekamtai üe aoftrstaitiäv häsä^ orise jeie bggfaitentfe Eiitzit3<iixBg skk «twicbliiiie gesciw^Lstartiz-* Hrperplaaiai d«- Toa- sCIea iTnalog den ni«±t oiszädlkiem kyp€ipIaäSkdKn LjmpiHHiiai iexLjmfMrfiSNi) kasdeit: daHBanta- solchem V«*rfcältma3€ii, wo sn«* yflibüdnag 4?r giisaimiitai sp«i-

Tön iiit£gnr»d»i Bcstaadtfaeilea dieser] den FoHikeLn, stattfin^iet. kmn nkfat Wtnider nduiKB. tv- steht sich Tielmehr fii$t toq selbst. An und filr sidi ist ja nkmab weder die lioni«>>piastisdie^ moA dk heteio- plastiaefae (heierotope) Entwickhmg' toh Ijmpkadeiioider Substanz und ron Ljmphfollileln g^ognet wordaL*)^ es ist inuDer nur die Bede daTon gewesen, es als fraglidi und onerwicseii hinznsldlcii, dass eine XeobüdiiDg toh Ijmphatiächen FoUIken als nnmittdbares Resultat ein* facher entzandlieher Processe, insbesondere inneilialb solcher Organe^ welche in dex Nozm keine folUeoläzen Apparate enthalten, Sutt habe.*^) Wie sich ans Tinak- stehendem ergiebt, haben die Aasfnhmngen Bählmann*s an diesem Standpunkt nichts zu ändern rermocht: weder ist es ihm gdungen, ein sicheres Zengniss ftkr die entzänd- liche Xenbildmig Ton Follikeln in foüikelhaltigen CFe-

^) Ns^aracfeBÜntemckaagen. kesoadm JaL Araolda, ist es sQetdiBgB ashe gelegt, auek viele der »DHchwaead keterotopen FoUikelbildaagea, s. R die von Biklmaaa ebeafdb sor StStae seiaer AairNmiag beraagesogeaea Fdlikehieiikildiiigea ia der Leber bei Tjpkos «ad Iieakimie ,^ Produkte der Hjpeipksae der aormalea lyq>b>lischea Kndtchea dieses Organs sn be- trackten.' rVag^ Jalins Arnold, Yiidiow's Arckir Bd. 83, & 3%.)

**) YefgL Jaeobsoa ju. L c & d7;38 n. S. 43 des Sepaimt- AbdmckeiL

286

weben zu erbringen, noch ist er vollends in der Lage ge- wesen, das Yorkonunen einer foUicnlären Entzündung innerhalb eines follikelfreien Organs doroh ein sicher be-* glanbigtes Beispiel zu erhärten. Sollen demnach die Er- krankungen der Gonjimctiva nicht eine Ausnahmestellung in der gesammten pathologischen Histologie einnehmen^ so würde das, wie erwähnt, grade von Sfthlmann mit grosser Bestimmtheit befürwortete Vorkommen einer Con- junctivitis follicularis in der That trotz Bahl- mann's Widerspruch einen wichtigen indirecten Be- weis für die Präexistenz folliculärer Gebilde in der normalen Lidbindehaut involviren. Freilich lässt sich die Frage aufwerfen, ob es wirklich eine echte foUiculäre Goiguncti- vitis giebt, d. h. ob die bei gewissen Entzündungen der Bindehaut auftretenden follikelähnlichen Knötchen that* sächlich den Charakter und die Bedeutung echter Lymph* follikel besitzen? Für den eigentlichen Follicularcatarrh der Conjunctiva (Goqjunctivitis follicularis im Sinne von Sämisch) muss ich die Frage unbedingt bejahen, weil, wie bereits bemerkt*), die Neuproduktion zeUiger Knöt- chen vom Baue der Lymphfollikel gänzlich ausserhalb des- Bereiches der histologischen Leistungsfähigkeit eines „Gatarrbs" oder einer sonstigen leichten, ohne bleibende Texturstörungen voröbergehendeu Entzündung liegen würde^ die lymphatischen Knötchen des „FoUicularcatarrhs" der Conjunktiva also gar nichts Anderes sein können, als geschwellte präexistirende Lymphfollikel. Anders steht aber meiner Meinung nach die Sache bei dem sogenannten foUiculären Trachom, welches von vielen competenten Autoren, im Gegensatz zu Rählmann, durchaus nicht als echte, foUiculäre Coigunctivitis, sondern als ein mit der Entwicklung eigenartiger kleiner Granulaüonsge- schwülstchen (analog den miliaren Heerden der Tuber-

*) Yergl. die Anmerkmig S. 283.

kol'jae. Loou Lepa v. i^ w.; pfpocoB JEcfzcfiust vird.^1 Ex£tirtCB m «iar OxirzzKtzni kerne prtformirtem fn^rftrtllmlirlir» BO- dtmgw. g&fc« es keiiKii FiUkxürcatarrh der GmjiDKtm, 00 wtlrie kh midi nnbedeBküek dieser letne ansehliesseii: daaber eben beiies. insiiierMeniiiii^iiii Fall ist. fo balte mcfa idu ron meinem Stm^Minkt i fnr das Xichstliegende. den foSikdartisen GebOden, die i in tadkonaXßys ertaankten Bindehiaten findet, den Weitii hjperplastischer^ ' Lymphfollikd beimmf awn EeincD- büs kann ich jedodi, wie ich hierbei nicfat nnteriassen dart ZQ betonen, Bahlmann*s Anschaoni^ soweit theflem daas ich mit ihm das Tnchom sehleditwcg ab Gonjoneti- Titis follieolaiis definiren mochte, da ich aas reicher eigener Erfiüirnng Tdie ich theils doi ron mir sdbst ansgefthrte& üntersadnmgen, tibeüs dem dngdienden Stadiom der ahl- losen, nnter meinai Angen entstandenen, nsp, mir rar Dnrdisidit fibedassoien Präparate Ton Jacobson jnn. nnd Heisrath rerdanke) weiss, dass in Tielen Fällen typischen Trachoms (als solche klinisch diag^nostidrt ron Jacob- son sen. nnd Heisrath) die Follicalarii3rperplasie ganz xnrfidctritt gegentiber den mächtigen h vperplasirenden nnd grannlirenden Wachenmgen der Tielgestaltigen, «ge- nannten papillaroi, YoisprOnge des ConjnnetiTalstromas, die dabei makroskopisch dasselbe Bild des Trachomkorns erzengen oder wenigstens er- zengen können, wie die hyperplastischen Fol-

*) Verg^ Leber: Die Entstehmig der Amploidentartiiiig, Bd. XXV, 8.06—67 des Separat- Abdrackes.

*^ Die Ton Jacobson jon. (L c) treffend geschilderten, Ton RShlmann bestätigten Differenzen zwischen normalen Lympli- follikeln imd foilikelartigen Trschomkömera gehen, wie ich aiieh ▼ielÜM^h fiberseogt habe, rollkommen anf in deiyenigen Teztnr- TerindeniBgen, welche die entzfindliehe Hyperplasie auch an den Follicnlargebüden anderer Locaütäten henrorbiingt

287

likel. *) Zu den hypeiplastischen papillären Formationen rechne ich, beiläufig bemerkt, auch Sftmisch's „Granu- lationen'', die, hyperplasirenden Wucherungen der seichten Niyeauerhebungen der üebei^angsfalte entsprechend, einen nicht zu leugnenden legitimen Antheil an den histolo- gischen Erscheinungsformen der „Trachomk((mer" besitzen. Andererseits erscheint es mir fraglich, ob jedwede Con- jonctivitis follicnlaiis, z. B. manche schnell vorübergehende FoUicularcatarrhe, femer die durch Atropingebrauch er- zengte Follicularentzflndung der Gonjunctiva als echt trachomatöse Erkrankungen aufgeÜEisst werden können, Dass in letzterer Hinsicht einzig und allein die ätiolo- gische Forschung, wie sie durch die dankenswerthen Unter- suchungen Sattler's angebahnt ist, die richtige Antwort wird zu geben vermögen, darauf hat bereits Homer in seiner bekannten, lichtvollen Darstellung (in Gerhardt*s Handbuch der Einderkrankheiten) hingewiesen.

. Ich komme nun zu dem zweiten Punkt, in welchem Bählmann seine mangelnde Uebereinstimmung mit meinen Beobachtungen urgirt hat, nämlich zu der Frage nach den tttbulösen Drüsen der Gonjunctiva. Während ich auf Grund

*) Was ja an sich nichts Befremdendes hat, da es sich in beiden F&llen um annähernd gleichgrosse, mit conyexer Oberfläche vorspringende Prominenzen eines und desselben histiolo- gischen Substrates, nämlich hyperplastischen und entzündUch wuchernden Lymphoidgewebes handelt. Die makroscopischen Unterschiede zwischen diesen byperplastischen und granulirenden PapiUen des Trachoms und der entzündlichen PapiUarhyper- trophie bei chronischer Blennorrhoe hat noch neuestens Jacobson sen. in treffendster Weise geschildert (Berl. klin. Wochenschrift 1883, No. 22). Mikroskopisch beruhen diese unterschiede vorzugsweise auf den unverhältnissmässig mächtige- ren, die ursprünglichen Gef&sse comprimirenden, parenchyma- tdsen Zellwucherungen, welche den trachomatösen Process gegenüber der chronischen Blennorrhoe, deren zellige Producte hauptsächlich auf die freie Oberfläche abgesetzt werden, charakterisiren.

288

nmfiissendea Spedalmiteisadniiig*) Stieda*s Bumen- syrton zwar bestätigt, neben diesen Binnen aber das Vor- kommen ganzer Gruppen echter toboIOser DrOsen als r^fd- missigen Befand in der nonnalen mensdilichen Lidbinde* haut constatirt habe, lengnet Bfthlmann die letstgoiannten Gebilde naeb seinen Beobachtongen gftnzlicfa nnd ooncedirt nur „end- und seitenständige Uindsackförmige Ansstlü- pnngen des Fnrchensystems**, welche ebenso wenig nnd ebenso sehr wie die Fnrdien selbst, „deren ToUst&ndige Anal<^ sie yorstellen", als Drflsen beieichnet werden könnten. Bass zwischen den Componenten des Stieda'schen Fnrdiennetzes nnd den echten tnbnlOsen Drflsen der Gon« jnnctiTa ein principieller Unterschied nicht wohl zu mach^ sei, das habe ich selbst in der obengenannten üntersnchnng ansfährlich an b^rOnden gesucht. Dass aber zwischen beiden in Bede stehenden BOdongen anch kein Unterschied der Form eadstire, das wird man so lange bestreiten können, als ,3innen** nnd „SchUnche" f&r yerschiedene Dinge angesehen werden. Wenn Bählmann angiebt, dass er zn keinerZeit nnd an keiner Stelle freien, d. h. nicht in Stieda's Forchennetz einmündenden, schlauchförmigen Epitheleinsenkungen b^egnet sei, so kann ich das im Interesse der Sache nur bedauern und hoffen, dass weitere Untersuchungen Bählmann zum Ziele führen werden. Wenn aber Bfthlmann die Beweis- kraft meiner, die Existenz ganzer Schaaren solcher freien tubulOsen Drüsen demonstrirende Abbildung Fig. 2 an- zweifelt, indem er sie, „falls der Schnitt oberflächlich genug gelegt ist**, als mit seiner Darstellung der Verhältaiisse im Einklang stehend bezeichnet, so muss ich dieser Kritik entgegenhalten, dass ein Flacbschnitt durch mit einander eoDununicirende Epithelrumen niemals, mag der Schnitt so oberflächlich gelegt sein, als er wolle, das Büd Ton

*) Dieses Archiy Bd. XXVI, L

289

lauter geschlossenen, ringförmigen, ein centrales Lumen aufweisenden Epitheldurchschnitten liefern kann, wie es meine hez. Abbildung thut. Grade der umstand, dass Stieda solche Bilder, wie sie Figur 2 meiner Ab- handlung zeigt, bei seinen Untersuchungen vermisst hat, ist es gewesen, weshalb er das Vorkommen tubulOser Drflsen in der Lidbindehaut des Menschen leugnen zu müssen geglaubt hat, während er, falls er derartige Bilder damals gefunden hätte, dieses Vorkommen anstandslos zu- gegeben haben würde, weil sie voll und ganz dem Postulate entsprechen, von dessen Erfüllung er selbst die positive Entscheidung der durch Henle*s bekannte Befunde ange- regten Frage nach den tubulOsen Drüsen der mensch- lichen Conjunctiva abhängig gemacht hatte.

Beiläufig gestatte ich mir noch, eine mich be- treffende Angabe Bählmann's richtig zu stellen. Bähl- mann sagt^ dass zapfenfOrmige Wucherungen des Epithels von Iwanoff und Berlin als typische Befunde bei Tracbom beschrieben worden seien und dass u. A. auch ich diesem Befunde pathognostische Bedeutung beigelegt hätte. Dies letztere ist nicht richtig; in meinen Ab- handlungen über Tuberkulose und Lupus der Conjunctiva*) habe ich solche epithelialen Sprossenbildungen zwar viel- fach erwähnt, ihnen aber ausdrücklich jedwede pathogno- stische Bedeutung abgesprochen; in der von Bählmann citirten Arbeit von mir findet sich aber überhaupt keine Erwähnung der in Eede stehenden Büdungen.

♦) Dieses Archiv Bd. XXIV, 3 n. Virchow's Archiv Bd. 82.

V. Qraef«'i Archiv fQr Ophthalmologie, XXX. 1. 19

Erklärung

von Dr. J. Samelsohn in GOln.

In dem letzten Jahrgänge (Xm) von Nagels Jahres- bericht findet sich ein Beferat über meine im 28. Bande dieses Archivs publizirte Arbeit „zur Anatomie und Noso- logie der retrobulbären Neuritis", das in einigen Punkten um so weniger ohne Berücksichtigung bleiben darf^ als es auf dem Grunde irriger Voraussetzungen. und selbst fal- scher Thatsachen aufgebaut ist. Wenn der Referent, Herr Professor Michel, der bezüglichen Arbeit nur den Werth einer schlecht beobachteten Casuistik beilegt, so ist gegen diese seine individuelle Auffassung von meiner Seite selbstverständlich nichts zu erwidern; wenn er da- gegen die von mir ganz kurz referirte übrigens interesse- lose Krankengeschichte eines klinischen All tagsf alles, die für mich nur der Ausgangspunkt für generellere Unter- suchungen geworden, mit einer so zersetzenden Eritrik zu beehren beliebt, wie solches Seite 446 des Jahresberichtes geschehen ist, so sollte man voraussetzen, dass die von ihm zum Theile durch besondere Interjectionszeichen ver- urtheilten Punkte doch mindestens über jede Discussion erhaben seien. Ob sie das sind, und ob Herr Michel den kritischen Thron mit Becht behauptet, auf welchen er sich

291

seit einiger Zeit zn schwingen beliebt hat, mag der Leser nach dem folgenden Material selbst beurtheilen.

1. Der Beferent findet es angezeigt, meine Di^nose der Intoxicationsamblyopie und die darauf basirte Therapie absoluter Abstinenz mit einem missbilligenden Ausrufiings- zeichen zu begleiten und zwar aus dem Grunde, weil der Patient den Missbrauch von Alkohol und Tabak auf das Bestimmteste verneinte. Herr Professor Michel bekeimt damit, dass ihm die alltägliche Erfahrung des Practikers unbekannt ist, nach welcher bei Patienten der niedern Stande der Begriff des Missbrauchs geistiger Getränke ein sehr relativer ist und dass ftlr Alkoholiker, wie Syphi- litiker auch in der Medicin der Spruch gilt: „si fecisti, n^a". Ich hielt mich in dem beregten Falle, wie in vielen andern Fällen berechtigt, jene Di^nose zu stellen, auf Grund des bekannten ophthalmologischen Befundes und des Umstandes, dass bei Abwesenheit aller andern die Amblyopie erklärenden Ursachen von dem Patienten der regelmässige Gebrauch von Spirituosen und Tabak zu- gestanden wurde. Herr Michel mag die ünvoUkommen- heit meiner diagnostischen Hilfsmittel in diesem Falle bedauern, aber sich erinnern, dass ich dieses Missgeschick wohl mit allen Klinikern, ihn selbst natürlich aus- genommen, theilen dürfte.

2. Dass ich im weitern Verlaufe der Beobachtung meine Diagnose in die der retrobulbären Neuritis mit cerebralen Beizungserscheinungen modificirte und gegen diesen supponirten Entzündungsprozess mit formativer Tendenz eine stark resolvirende Behandlung in Form einer Inunctionscur einleitete, ohne dass Anzeichen von Syphilis vorhanden waren, und dass ich die einfache Thatsache des Yerschwindens der Kopfschmerzen nach dieser Behandlung registrirte mit der ausdrücklichen Er- klärung, dass ich mich in diesem Punkte jedes ürtheUs über einen etwaigen causalen Zusammenhang enthielte,

19*

292

findet Referent so nngeheuerlicb , dass er diesen Passus mit einem ,,sic!" zu bekräftigen für nöthig hielt. Ich glaube, den Lesern des Archivs eine didactiscbe Ausein- andersetzung dieser Punkte ebenso vorenthalten zu dürfen, wie die eingehende Erklärung meiner selbstironisirenden Aeusserung in Betreff des Haarseiles, welche der Referent offenbar als eine ernsthaft gemeinte in ihrem ganzen Wort- laute mit bezeichnenden Gänsefüsschen abdrucken zu müssen geglaubt hat.

3. In vier vollen Druckzeilen des sonst nur allzu kurzen Referates drückt Herr Professor Michel seine tiefste Missbilligung über die unverzeihliche Vernach- lässigung der Harnuntersuchung aus. In meiner Arbeit S. 7, Z. 6 finden sich an der durch einen Absatz gekennzeichneten, überdies auffallendsten Stelle meiner kurzen Krankengeschichte die beiden Worte „Urin normal".

4. Das Rückenmark wurde bei dem an Aortenaneu- rysma gestorbenen und während seines Lebens kein Symptom einer spinalen Erkrankung zeigenden Patienten allerdings nicht untersucht, was ich auch in weitem ähn- lichen Fällen trotz Herrn Michel nicht zu thun gedenke.

Ich glaube, diese Auseinandersetzungen werden für die Beurtheilung des sachlichen Werthes dieses Referates genügen, das den Leser des Jahresberichtes in Betreff des eigentlichen Inhaltes meiner Arbeit einfach auf das Original verweist. Die Beurtheilung des ethischen Werthes solcher Referate, mit denen Herr Professor Michel vor den Lesern des Archivs bekanntlich nicht zum ersten Male debütirt, überlasse ich getrost den Fachgenossen.

Cöln, 10. Januar 1884.

Antwort an Heim Prof. Schiess.

Herrn Prof. Schiess gegenüber bedaure ich recht sehr das von meiner Seite stattgehabte Missverständniss. Ich habe den Schlosspassus seiner in diesem Archiv, Jahr- gang XXI, Abth. I, S. 47, enthaltenen Arbeit über 200 Scleralextractionen, der „Messungen der Kerngrösse" überschrieben ist, auf alle 200 Extractionen, soweit kern- haltige Staare zur Extractiou kamen, bezogen; Schiess hat aber nur die Kerne der Staare gemessen, die Patienten über 50 Jahren angehörten, weil man gemeiniglich ge- wohnt ist, solche Staare als Altersstaare zu bezeichnen. Dem gegenüber muss ich hier indess entschieden da- gegen opponiren, dass man die Messungen der Cataract- kemeaufdie von Schiess beliebte Altersstufe beschränkt. Welchen practischen Werth haben denn die Messungen der Cataractkerne? Sie bilden doch das Fundament für die ganze Extractionstechnik; denn der Zweck dieser Operation heisst ja, einen Körper von bestimmter vor- liegender Kerngrösse aus dem Auge entfernen. Hierbei ist das Alter des Patienten sehr gleichgültig. Die Ope- rationstechnik fragt vor Allem danach, ist die vorliegende Cataract kernhaltig oder nicht, und im ersteren Falle weiter, wie gross ist vermuthlich der vorliegende Kern;

294

demnach müssen auch alle Gataractkerne ausnahmslos gemessen werden, nicht die über 50 Jahre allein; insofern sind die Messungen von Schiess also leider nicht ganz Yollstftndig, der meinerseits stattgehabte Irrthum wird aber entschuldbar.

Januar 1884.

Dr. Steffan.

Bemerkung

von

Dr. G. Mayerhausen in München.

Durch emen Zufall ist die vom Verleger Herrn Peters zur Correctur an mich abgesandte, zu meinem in diesem Archiv Band XXIX, Abth. 4 enthaltenen Aufsatze: ,,Bei- trag zur Eenntniss der Photopsien in der Umgebung des Pixirpunktes" gehörige Tafel V mir vor der Publication nicht zugekommen. Ich fühle mich bewogen, dies zu be- merken, da die technische Ausführung der Photo- lithographien meiner Erwartung wenig entsprechend ist.

Berichtigung.

In der Arbeit des flerm Prof. Don der s: „Noch einmal die FarbenBysteme" muss es anf S. 80, Z. 23 v. o. statt „Beschränkung des Gesichtsfeldes** heissen: «Verkürzung des Spectrams.*'

Drnek von W. BüxeoBteln In Berlia.

-D ffrcL^.' s Arc7t^K! BÖl XXK^.f

Taf /.

V. Grftefe's Archiv XXX. J.

F,</. 2

Tt^el IT.

F,y .1

%■ ^

Fiii . 3'

I

^ l^

/•■'

\.: .i': \

Fü/. S

o

Fif/. 6

■: w

F{ff. P

Fü/. 7

*

¥

A>. tO

\ i

* /.♦

Fi<i f(

^ ^

PalcKi dife

Vorilvo Lit. .Salus »'^iii

ALBRECHT VON GRJIFE'S ARCHIV

FÜR

OPHTHALMOLOGIE.

HERAUSGEGEBEN

VON

Prof. F. ARLT Prof. F. G DONDERS

IN WIBN IN ÜTRKCHT

UND

Prof. TH. LEBEI\

IN GÖTTINGEN.

DREISSIGSTER JAHRGANG

ABTHEILUNG 11

DREISSIGSTER BAND ABTHEILUNG II.

MIT HOLZSCHNITTEN UND TAFELN.

BERLIN, 1884.

VERLAG VON HERMANN PETERS. MOHRBN-8TRA88B M.

Eine UeberteUoog io fremde Sprachen behalten sich die Veifuser Tor.

Inhalts-Verzeichniss

zu

Band XXX, 2. Abtheilung.

I. Zar Analyse der Figmentfarben. Von Bmno Kolbe«

Hierzu Tafel I 1 68

I. QnantitatiTe spektroskopische Analyse der Pigmentfarben. Tab. A n. B. Relatives VerhältnisB der homogenen Componenten. Merkmale der brauchbaren Pigmente. S. 3—16. IL Hellig- keitsbestimmnng der Pigmentfarben. Methoden von Aubert, Rumford und Bertin-Sans, etc. Rotirende Scheiben, Spektroskopische Kessung homogener Componenten. Tab. C. Helligkeit grauer und schwarzer Papiere. Tab. D. Helligkeit farbiger Papiere. S. 16—33. ni. Chromatische ^Valenz der Pigmentfarben. Tab. E. Lage der Neutralen einiger Farbenpaare bei verschiedener Beleuchtung. Tab. F. Chroma- tische Talenz farbiger Papiere bei yerschiedener Beleuchtung. Tab. G. Lage einiger Spektral- linien und Pigmentfarben im Farbenkreise. Tab. H. (Directe) Vergleichung des Farbentones farbiger Papiere bei diffus. Tageslicht und bei Kerzenlicht Tab. J. Chromatische Valenz einiger künstlicher Lichtquellen. S. 33—59. Anhang. Einiges über minimale Normalreizschwellen, physiologisch reine Farben und über die Anzahl der vom nor- malsichtigen Auge unterscheidbaren Farbennuancen. S. 5&— 66. Erklärung der Abbildungen. 8.67—68.

n. Ueber normale Sehschärfe und die Beziehungen der Sehschärfe zur Refraction. Von Ober-Stabsarzt

lY Inhalts-Yerzeichniss.

Seite

Dr. Seggel in München. Hierzu Tafel U (Schema I

n. Schema n, Corven) 69—140

III. Die Brennlinien eines unendlich dünnen astig- matischen Strahlenbündels nach schiefer Inddenz eines homocentrischen Strahlenbündels in eine kmmme Oberfläche und das Strahlenconoid Ton Sturm und Kummer. Eine Replik Ton Prof. Dr. Ludwig Matthlessen in Rostock. Hierzu auf

Tafel n. Fig. 1, 2, 3 141—154

IV. Zur Kenntniss dichromatischer Farbensysteme. Von Dr. Arthur Könige Assistent am physi- kalischen Institut der Universität Berlin. Hierzu

Tafel m 155-170

y. Ueber die Empfindlichkeit des normalen Auges für Wellenlängen-Unterschiede des Lichtes. Von Dr. Arthur König und Dr. Conrad Dieterici.

Hierzu Tafel IV 171—184

VI. Bemerkungen zur (beschichte der Hypermetropie.

Von Prof. Dr. Bud. Schirmer in Greifswald . . 185—190 VIL Ueber eine subjecäve Erscheinung bei Betrach- tung Ton Contouren. Von Dr. G. Mayerhausen

in München 191-200

Vni. Untersuchungen über den Lichtsinn und den Raum- sinn bei yerschiedenen Augenkrankheiten. Von Dr. med. Jannik BJermm in Kopenhagen . . . 901 ^260 IX. Fräparatorisehe Iridectomie und antiseptische Be- handlung. Von J. Jacobson sen 261 282

X. Aütwort auf Dr. L. de Wecker's «Entgegnung."

Von Prof. A. t. Hippel 288—288

Berichtigungen.

Zur Analyse der Pigmentfarben.

Von Bruno Eolbe.

Hierzu Tafel I.

Die Wichtigkeit homogener Farben fQr physiologische FundamentaluntersQchungen des Farbensinns ist wohl all- gemein anerkannt, doch fehlt es uns zur Zeit noch an einer für die augenärztliche Praxis genügend bequemen Methode zur Herstellung derselben. Die neuerdmgs von Hirschberg, Glan, Donders u. A. vervollkommneten Spektroskope mit Doppelspektren sind zu Specialprüfungen sehr werthvoU, doch ist ihre Handhabung so zeitraubend, dass man in der Praxis, wo es auf keine sehr grosse Genauigkeit ankommt, sich gerne der bequemen Pigment- farben bedient. Hierbei treten nun ausser der durch das Verbleichen der Pigmente bedingten Aenderung des Farbentones verschiedene Fehlerquellen auf, welche die Vergleichbarkeit der Resultate erschweren, wenn nicht un- möglich machen, wie: ungleiche Helligkeit und Intensität der Pigmentfarben überhaupt und bei verschiedener Be- leuchtung. Da man nun gerade in der Praxis oft in den Fall kommen kann, bei künstlicher Beleuchtung Prüfungen

V. Oraefe*! Archiv für Ophthalmologie, XXX. 2. 1

2 Bruno Kolbe.

des Farbensinnes anstellen zu müssen, so wird es von Interesse sein, die durch Aenderungen der Beleuchtung hervorgerufenen Aenderungen des Tones und der Intensität der Pigmentfarben zu verfolgen. Auch sind von vielen Forschem die Farbengleichungen benutzt worden, um einen Einblick in das Farbensystem der Untersuchten zu gewinnen. Um die Besultate dieser Farbengleichungen verwerthen zu können, ist es aber nothwendig, die Hellig- keit der betr. Farben für ein normales Auge zu bestimmen!

Die Verwechselungsfarben der Farbenblinden bilden bekanntlich ein werth volles Hilfsmittel zur Diagnose der Art des vorliegenden Falles von Farbenschwäche. Oft kommt es jedoch vor, dass Pigmentfarben (besonders blaugrüne FarbentOne), welche dem Normalsichtigen fast identisch erschemen, (auch bei geübten Farbenblinden der- selben Art) ganz verschiedene Verwechselungsfarben haben, welche sich mit der Beleuchtungsqualitftt in verschiedener Weise ändern.

Durch eine interessante Arbeit von E. Albert*) bin ich nun auf den, wie ich glaube, richtigen Weg zur Lösung dieser Widersprüche gekommen. Albert sagt zum Schluss: „Aus der Aenderung einer homogenen Farbe (bei Aende- „rung der Beleuchtungsstärke) kann gar kein Schluss auf „die Aenderung des betreffenden Pigmentes gemacht „werden, sondern dessen Aenderung ist die Besul- „tante aus den Aenderungen der das Pigment „componirenden homogenen Farben**

„Einer Verringerung der Intensität verschiedenfarbigen „Lichtes entspricht eine verschieden grosse Vermindening „der Empfindungsstärke in der Weise, dass dieselbe für „Strahlen kleinerer Wellenlänge (gleichviel welchem Theile

*) E. Albert: Ueber die Aenderung von Spektralfarben und Figmentfarben bei abnehmender Beleuchtung. Wiedemann's Annal. d. Phys. u. Chem. 1882, Xo. 5, pag. 129—160.

* Zur Analyse der Figmentfarben. 3

„des Spectrums sie aDgehören) langsamer abnimmt, als ftür Strahlen grösserer Wellenlänge."*)

Vorstehendes Resultat AlberVs liess mich vermuthen, dass das Intensitätsverhältniss der homogenen Componenten bei den Pigmenten von entscheidendem Einfluss auf deren Brauchbarkeit zu physiologischen Untersuchungen sein müsse. Diese Annahme wurde durch die bezüglichen Untersuchungen vollständig bestätigt.

Eine mehrjährige Erfahrung bei qualitativen und quantitativen Prüfungen Farbenblinder hatte mich eine Beihe von Pigmentfarben herausfinden lassen, bei welchen die betr. Resultate am wenigsten schwankten, wenn die Untersuchungen an denselben Personen zu verschiedenen Zeiten angestellt wurden.

Nachsttfhende Arbeit hat nun den Zweck:

1. Durch eine quantitative Spektral-Analyse einer grösseren Beihe von Pigmentfarben ein charakte- ristisches Merkmal der brauchbaren Pigmente herauszufinden;

2. eine Bestimmung der Helligkeit v.on Pigment- farben (mit annähernder Qenauigkeit) zu ver- suchen;

3. den Einfluss der Beleuchtungsart auf den Farben- ton und die chromatische Valenz (farbige Inten- sität) der wichtigsten Figmentfarben zu studiren.

I. Quantitative Analyse der Pigmentfarben.

Eine genaue quantitative Spektralanalyse der Pigment- farben bietet nicht geringe Schwierigkeiten dar, da wir keine constant bleibende und in ihrer Stärke und Qualität stets gleichmässig herzustellende Lichtquelle besitzen.

*) Vergl. Dove: üeber den Einfluss der Helligkeit einer weissen Beleuchtung auf die relative Intensität verschiedener Farben. Pogg. Ann. 1852, £d. 85, pag. 400.

1*

4 Brano Kolbe.

Ausserdem erschien es wünschenswerth, die betr. Pigmente (farbige Papiere) bei derselben Beleuchtung zu analysiren, bei welcher sie zu Prüfungen des Farbensinnes am geeignetsten sind, nämlich bei diffusem Tageslicht. Hierbei ist es jedoch nicht gleichgiltig, ob wir als Normal- beleuchtung diffuses Tageslicht bei klarem oder gleich- massig leichtbewölktem Himmel annehmen, denn das vom unbewölkten Himmel reflectirte Licht erscheint im Vergleich mit letzterem etwas grünlich blau. Dr. Ole Bull*), der bisher wohl am genauesten den Einfluss der wechselnden Beleuchtungsqualität auf den Farbenton der Pigmente studirt hat, nahm als Normalbeleuchtung diffuses Tages- licht bei wolkenlosem Himmel an. Da mir jedoch sorg- fältige qualitative Untersuchungen zeigten, dass bei leichter gleichmässiger Bewölkung die Stellung' der Sonne zu den Fenstern des Beobachtungszimmers weniger Einfluss auf die überhaupt constantere Beleuchtungsstärke und Be- leuchtungsqualität (s. w. u.) hat**), so habe ich zu meinen Untersuchungen solche Tage gewählt, und in diesem Falle das diffuse Tageslicht als „Normalbeleuchtung" bezeichnet. Die Beobachtungen geschahen zwischen 10 und 2 Uhr M. während der Sommermonate d. v. Jahres.

Folgende Tabelle (A) enthält die quantitative spektro- skopische Analyse von 63 farbigen Papieren. Ein Teil des Sortiments besteht aus den intensiv gefärbten matten Heidelberger, resp. Pariser Blumenpapieren, welche letztere ich der Liebenswürdigkeit des Herrn Dr. Maklakow in Moskau verdanke. Ausserdem habe ich dünnes, fein-

*) Ole B. Bull: Stadien über Lichtsinn and Farbensinn (V. Graefe's Arch. 1881, L pag. 110).

**) Das stimmt aach mit der Beobachtung von 0. Bohn (Pogg. Ann. 1874, Ergänzungsband VI, pag. 415): „Die Helligkeit des blauen Himmels ist schnellen Veränderungen unterworfen; es wird selten vorkommen, dass Messungen, die zwei Stunden später wiederholt werden, noch annähernd gleiches Helligkeits- und Farbenverhältniss liefern."

Zur Analyse der Pig^mentfarben. 5

körniges Zeichenpapier mit Oelfarben und mit Wasser- farben bis zur grösstmöglichen Sättigung gedeckt, wobei besondere Aufmerksamkeit auf die Erzielung einer matten Oberfläche verwandt wurde. Als werthvoUe Ergänzung dienten mir die neuerdings von Dr. Ole Bull zur quan- titativen Prüfung des Farbensinnes hergestellten „physio- logisch reinen" Farben, von gleicher Helligkeit und Bein- heit, welche der Erfinder mir in Stücken seiner Original- cartons zu übersenden die Güte hatte. Emige Farben sind aus meiner*) und 6 aus Dor's Farbentafel**) heraus- geschnitten.

Die Anordnung des Experimentes ist aus Fig. 1, Taf. I ersichtlich. Da ein sehr handliches Browning- sches Spektroskop ä vision directe, sowie ein grösseres gewöhnliches mit 3 Prismen sich als zu lichtschwach er- wiesen, um die schwächsten Componenten wahrnehmen zu lassen, so war ich genöthigt, ein einfaches Spektroskop mit einem einzigen guten (gleichseitigen) Flintglas- prisma***) von 40 Mm. Kantenlänge herzustellen. Dieses liess bei diffusem Tageslicht auch die aUerschwächsten homogenen Componenten (wie z. B. gelb beim Ultra- marin n) deutlich erkennen, wenn die Breite des dem Objecte näheren Spaltes (si) 1 Mm. betrug. Um Licht- verluste zu vermeiden, hatte das Ocularrohr keine Gläser. (In der Zeichnung ist die schwarze Kappe des Spektro- skopes fortgelassen.) Die Entfernung zwischen dem Spalt Si and den farbigen Scheiben betrug ca. 50 Cm.

Die entsprechende homogene Componente des

*) Farbensättigungs- Tafel zur quantitativen Prüfung des Farbensinnes. Petersburg, Kranz. 1881.

♦♦) Dor: Echelle pour m^surer la vision chromatique. Paris. G. Massou. 1878.

***) Ein zurControle gleichfalls benutztes Qu arzprisma ergab wohl etwas intensivere blaue und violete Komp, doch war das Spektrum zu schmal, um das Gelb isoliren zu können.

6 Bruno Eolbe.

reinweissen Bristolcartons ist = 100 gesetzt. (Die angegebenen Fraunhofer'schen Linien wurden nach Möglichkeit in die Mitte des isolirten Farbenstreifens ein- gestellt, was mit Hilfe von Metallspektren geschah.) Die Helligkeit der rotirenden schwarzweissen Scheibe wurde durch Verschiebung des schwarzen (resp. weissen) Doppel- sektors (Fig. 2 b, Tafel I) so lange regulirt*), bis in beiden gleichzeitig und dicht übereinander sichtbaren Spektren die beobachtete (isolirte) Gomponente gleich hell erschien. In diesem Falle verschwand die Grenzlinie voll- ständig. Bei sehr lichtschwachen Componenten wurden Gitter aus schwarzem dünnen Bristolcarton (deren Lücken, gleich den Stäben, je 0,5, 1 und 2 Mm. Breite hatten), quer vor dem Spalt si auf- und abbewegt. Wenn in beiden Spektren dasselbe Gitter mit gleicher Deutlichkeit wahrgenommen wurde, galten beide Gesichtshälften für gleich hell.

Da auf eine Rotation des Schwungrades meines neuen Farbenmessers (Fig. 1,A) volle 10 Rotationen der Triebräder kommen, so ist die Rotationsgeschwindigkeit der schwarz- weissen Scheibe, welche an der verlängerten Axe des auf- gerichteten Apparates rotirte, genügend gross. Bei der aus reinweissem Bristolcarton geschnittenen Scheibe von 160 Mm. Durchmesser sind zwei gegenstehende Quadranten mit schwarzem Oarton bedeckt, der frisch geschwärzt (s. w.u.) eine Helligkeit von 0,6 pGt. (Vi6t) des reinweissen Cartons hatte. Auf der Mitte der Scheibe sind die weissen Qua- dranten in je öO gleiche Theile getheilt (Fig. 2 a, Taf. I), so dass beim Aufsetzen eines zweiten schwarzen Doppel- sektors der Zusatz Weiss in dem resultirenden Grau von

*) Der Episkotister (8. Plateau: Pogg. Ann. 1833, XXV., p. 459. VergL Aubert: Physiol. Optik, 1876, p. 484) erwiea sich wegen der weiten Grenzen, innerhalb welcher Variationen der Helligkeit vorgenommen werden moßsten, als nnzweckmftssig.

Der Verfasser.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 7

O pGt. bis 50 pGt. vaniren kann. Durch Benutzung eines weissen Doppelsektors (Fig. 2, b) kann der Zusatz Weiss 50 pCt. bis 100 pCt. betragen. Bei 2 ^3 Rotationen des Schwungrades pro Secunde wurde im Spektrum der rotirenden Scheibe nicht das geringste Flimmern mehr wahrgenommen. Die Befestigung der Scheiben geschah vermittelst einer Patrone (p) durch Bajonettverschluss.

Die Pigmente No. 1 50 der Tabelle A bilden einen geschlossenen Farbenkreis von 210 Mm. äusserem und 1 60 Mm. innerem Durchmesser, und zwar sind die einzelnen Farben möglichst entsprechend einem von mir früher be- rechneten Farbenkreise (s. w. u.) geordnet, so dass die Gegenfarben sich nahezu diametral gegenüberstehen und die üebergänge recht gleichmässig sind.*)

Bei der spektroskopischen Analyse wurde der Farben- kreis, parallel zur vertical rotirenden schwarzweissen Scheibe, so nahe vor den unteren Rand derselben auf- gestellt, dass das in einem Winkel von ca. 40^ zur Fläche der Scheiben auffallende Licht des nach NNE gelegenen Fensters keinen Schatten und keinen Beflex auf den Objecten bildete, wenn man in der Bichtung des Objectiv- rohres auf die Flächen blickte. In dieser Stellung erschien der vor jeder üntersuchungsreihe frisch mit Elfenbein- schwarz (Oelf. von Moewes, Berlin) und Robertson'schem Medium eingeriebene schwarze Garton fast so dunkel, wie schwarzer Sammet. Da es sich während der Untersuchung zeigte, dass durch die Aenderung der Beleuchtungsstärke bei manchen Pigmenten das relative Intensitätsverhältniss der Gomponenten in grösserem Masse schwankte, als bei anderen (letztere sind in der Tabelle A mit einem '*' be-

*) Einen aus 100 Pigmenten bestehenden Farbenkreis hat Donders constmirt (Ueber Farbensysteme. Graefe's Arch. 1881, I. pag. 158). Da D. nicht die betr. Oelfarben anführt, so hatte ich bei der Herstellung meines Farbenkreises leider keinen An- haltspunkt zu einem Vergleich.

g Bmno Kolbe.

zeichnet), so haben die angegebenen Mittel aus den Beob- achtungen ein verschiedenes Gewicht. Der Einfachheit halber ist daher Abstand davon genommen worden, die gemessene Helligkeit der Gomponenten auf absolute Werthe zu reduciren. Wir setzen einfach die Helligkeit des schwarzen Cartons = 0. Dieses können wir um so eher thun, als im Allgemeinen der wahrscheinliche Fehler des Mittels bei dieser Methode sich etwas grösser herausstellte, (als selbst bei den mittleren Comp.) die Differenz zwischen dem beobachteten und dem absoluten Werthe, der itir n pCt.

weiss, hft = (n H r jpCt. beträgt, wenn h, die

Helligkeit des schwarzen Gartons ist.

Bei allen anderen farbigen Papieren, sowie bei den Controlversuchen wurden Farbenscheiben von 55 Mm. Durchmesser über die schwarzweisse Scheibe geschoben, sodass beide beobachteten Flächen rotirten.

Gemessen wurde der Zusatz von Weiss im resul- tirenden Grau, der genügte, die entsprechenden Compo- ponenten gleich hell erscheinen zu lassen. Da hierbei (besonders bei den lichtschwächeren brechbarsten Tönen) ein gewisses Intervall auftrat, innerhalb dessen Zusätze von Weiss keine deutlich merkbare Helligkeitsdifferenz verursachten, so wurden beide Grenzen bestimmt, bei welchen die eine und die andere Hälfte des Gesichtsfeldes anfing heller zu werden und aus beiden das Mittel ge- nommen! Diese Mittel stimmten unter sich weit besser als die directen Einstellungen. Zur Vermeidung des durch Eicen- tricität der rotirenden Sectoren (die bei häufigem Gebrauche nicht zu umgehen ist) hervorgerufenen Fehlers, wurde jede Ablesung an beiden Theilungen der weissen Quadranten gemacht und das Mittel als Einzelbeobachtung notirt.

Die in der folgenden Tabelle für 6 homogene Gom- ponenten angegebenen Werthe sind die Mittel aus je 5 vollständigen Beobachtungsreihen.

Zur Analyse der Pigmentfarben.

lO ^ tR ^ HN

10

Brono Kolbe.

>

1^

PQ '^

B ^

&

o

Is

00 CO » Ol

COU5ipCpCTOpC«5iO<

^HrHi-^^C^r-liHvHi-lCl

CO -^ CO tH

»o CO »o «o 00 aLOiC>Cic>eooDeoiO CiCTcoHj,»*-«.

S|

2^

00 o. o. »o t-^ ^, ©t '"t

i'

o. O. "^ f^ '^.

|5S-t

«O CO 1--^ «> 00

S-5S'S

1

^ ^ ^ ^ ^ ^

S5^^

11

1

litt

O^ »O « Od 00 CO CO

l'^S'^SS

i> to go e

lO 00

Od CO

COCO 00 OO CO OO W3VDl0OC0»0aD»0t-»0,-l r*

CO 'N f ' u5' «nT oT co*^ t>r irf oT CO t- -dT o' CO crf^ c^ «dT oi oT

tM pq o ts (5 5 <S

Jzi I

?;Sc^^g3^!S^S;SS;Ss3SISSSägSS^S

Zar Analyse der Figmentfarben.

11

o lO i^ ^1-* c^oa tm CO CO

t^-^ » O "^

«£> t^ eo* '^ -^

^ CO 00 o ^ ^

0 100 10 1HOO.-HOO

^: «O Ol W rH^ *H » t^ t-- Ö«

lO ei »Ö «>^i

QO « sf « (

a^ooaDC>OiOC>^t*aoo

t^'IJi

g

«l

t*

S^

O^^ t* ^ 1-»

i>H iH 09 CQ rS iH

o^ ^ o o^ CO o cd oTio

g" s'

tH rH HJ.Ö9 O

aq.io CO

06 t*^

- o" r^ -T t-T o '^ «d -ir

O 00, O O^ -H

»H cgT ^ od ^

oeffcd

»o cq,a& w o i-j,»o »c

tO

s r

sf s'

CO o ^ «i^öfl^»^

4

'S *•

"35 •PS

I II ll

fl S S

^•1

S..2 ^

g|2

i^ III

I

§1

$ ^

n

-»•SC

;j 5) 3 ^ « ^ Ö S S S

'S « "3 'S ^

la lo S S u5

;a .s

s s

^ I

I I

I I

1^

I

PE4

O

cd

0

&

5 1^5 §2

S

12

Bruno Kolbe.

Vergleichen wir nun eine Reihe von Pigmenten, welche sich bei Prüfungen des Farbensinnes durch eine gewisse Stabilität der Resultate auszeichneten, wie: Carmin, Schar- lach, Grün n, Ultramarin 11, Amethystviolett und Purpur II mit andern, bei denen die Resultate am meisten schwankten, so finden wir, dass erstere gerade dieselben Pigmente sind, welche bei geringen Schwankungen der Beleuchtung ver- hältnissmässig am wenigsten alterirt wurden. Zur besseren Uebersicht setzen wir in der folgenden Tabelle B das arithmetische Mittel (m) aus den Componenten jedes Pigmentes (das, wie wir weiter unten sehen werden, der Helligkeit des Pigmentes entspricht) = 1 (d. h. wir divi- diren die Componenten durch m), so giebt uns das Inten- sitätsverhaltniss der Componenten einen von der Helligkeit des betr. Pigmentes unabhängigen Massstab zur Beurtheilung der spektroskopischen Reinheit der farbigen Papiere.

Tabelle B. (m 1 gesetzt.) I— VI gute, VII— XI schlechtere Pigmente.

<

t

•d

Farbe

Qualität

r

0

g

gr

0,50 0,68 1,75 0,25 0,44 0,36

bl

0,61 0,72 1,45 2,75 1,72 0,64

V

I 11

UI

IV

V

VI

2 3 25 38 41 50

6 12 23 30 20

Garmin

Scharlach

Grün U

Ultramarin II

Amethyst-yiol.

Purpur n

sehr gut

gut meist gut meist gut sehr gut meist gut

Z91 204 0,44

oas

0,75 2,00

1,09 1,15 0,75 0,21 0,56 1,37

0,49 0,63 0,94 0,19 0,44 0,74

0,53 0,63 0,39 2,53 2,35 0,öO

vn vni

IX

X

XI

Orange roth 1 Chromgelb II Gelb-grün 11 Grün-blau 11 Pikrins. Na.

zmLschlecht zml.schlecht

schlecht zmLschlecht bestes Gelb!

1,35 1,55 0,98 0,92 1,53

1,36 1,42 0,96 0,58 1,37

1,57 1,31 0.90 0,90 1,35

0,73 1,01 1.13 1,32 1,13

0,41 0,32 0,83 1,42 0,38

0,34 0.27 0,90 1,34 0^

Wir sehen aus dieser Zusammenstellung ohne weiteres: Eine Pigmentfarbe ist um so brauchbarer zu

ZüT Analyse der Figmentfarben. 13

physiologischen Untersuchungen, je mehr die dem Gesammtfarbentone entsprechenden homogenen Componenten praevaliren.

Zu Untersuchungen bei nicht constanter Beleuchtung, d. h. zu Prüfungen des Farbensinnes in der Praxis, sind nur solche farbigen Papiere zulässig, bei denen die prae- valirenden homogenen Componenten mindestens doppelt so gross sind, als das arithmetische Mittel aus wenigstens 6, im Gitterspectrum nahezu gleichmässig vertheilten homogenen Componenten.

Der Kürze wegen wollen wir Pigmentfarben, bei denen eine Gomponente bedeutend prävalirt, praevalente Farben nennen und die anderen als componente Farben be- zeichnen.

Praevalente Farben sind bei Schwankungen der Be- leuchtungsstärke geringeren und regelmässigeren Aende- mngen des Parbentones ausgesetzt, als componente Farben! Dieses Ergebniss liess sich aus dem im Eingange erwähnten A Iberischen Satze fast vorhersehen. (Vergl. w.u. TabH.)

Sowohl das von Bull, als auch das von mir als „Neutralgrau" bezeichnete Pigment (No. 55 und 56, Tab. A) ist für die Praxis genügend farblos. Dass bei beiden die brechbareren Farben relativ schwächer er- scheinen, rührt vielleicht daher, dass der benutzte schwarze Carton bei der Rotation mit Weiss einen (allerdings sehr sehwachen) bläulichen Schimmer hatte. (Vergl. pag. 15.) Ein Schwarz, das in diesem Falle keinen bläulichen Schim- mer geben soll, muss, für sich betrachtet, einen leichten gelblichen Anflug zeigen.*)

*) Eine hierher gehörige Notiz findet sich bei E. Albert (S. ob. cit. p. 154). Er sagt:

„Ein Haachglas kann uns nämlich bloss dann reingpraa er- scheinen, wenn die Störung des Gleichgewichtes, welche die Empfindung aus physiologischen Gründen durch die stärkere Schwächung der weniger brechbaren Seite des Spectrums erfährt, wieder gut gemacht wird auf physikalischem Wege durch eine

14 B^D* ta«.

Ißi't L*nLin::a itm K-^^iz^tm Gna isl Oberbanpt ^s sttwjsiz. ik cjatis T^isAJiA^ait Factorai störend wirta& w>» 'if^ Äiiz^zü&Tssaa^i des Auges, die Farbe •>=T Winnie «iä» fe>caiehiir-.-gsnTi:?afs •>ia' d«r Torfaer be- taeL*^«^ 0\>!«^ ^:=f>i l^s^Sfrs die Qsiliiil des sof- üZtui-rn Li:h:irs.* l!& Li^« es dahis für besser ge bälreti. -Ias vs H-rlZ^i-fiisi^niilnierTiiig Aes vassoi Car- XfjLS \KT.:^im sdLvmne Pap« t:b möglichst tiefer Sehwirie berr^is^'rllraL al5 c^:xk sthwex ni ecmtroliiende lEicIme Zusätze tLü-^r Fjrt«^ dra Ton des schwanen Tizm^LZxs in unber^beiirai^ Weise la ändeni. Erst nadi Betnügung drr q:iiZLÜ:a:iTai AiLiIyse gelang es mir, einen genügend ranichvarxen Sammct auCratieiben. Con- trolTtf>Tsache. die mit Sanimecsectorai angestellt worden, ergaben einerseits cor geringe Diffefenzen, andeierseits wurde die SammrCQiche darcfa das nudiige fortwährende Tei^hieben der Seet^xrai an den Stellen« wo dieselben Ober einander lagen, bald Terdrnekt. wo-iorch störende Befleie entstanden. Sanunetscheiben eigneten sich mithin nicht.

Dass BnlFs aequiraloite Farben ongleidi hell er- schienen (die Differenzen sind nicht bedeateod), ist wohl zom grOssten Teile dem Umstände xomschreiben, dass sie

enteprechende Absorption der stizker brechbaren Seite. Pbjsi- knliseb betrachtet ist also ein reingranes Rauchglas gelblieh grau und die Anwendung eines solchen Glases XH Torliei^enden Untersnchungen streng genommen nicht statthaft; es mfisste eigentlich ein Grau mit bUn- lichem Anfluge sein.'* Dasselbe scheint Bull durchgefiUilt XU haben, da er lar HefsteQung eines schwarxen Cartons blan- sehwarse Oelfarbe benutzte.

*) Besonders störend wirkt direkt auf die Fenster des Beob- aehtungiznimers fallender Sonnenschein oder eine dem Fenster gegenober befiodiiche Wand, besonders wenn dieselbe tou der Sonne beschienen wird. In solchen Fällen wechselt die St&rke und die Qualität der Beleuchtung in unberechenbarer Weise. Hierauf ist bei der Herstellitng Ton FarbeBgieichongen oder AequiTalenz- Bestimmungen (s. w. u.) gani besonders su achten.

Der Verfasser.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 15

bei leichtbewölktem Himmel analysirt wurden, während der Erfinder sie für ein diffuses Tageslicht bei klarem Himmel aequivalent hergestellt hat. Bei der von mir an- genommenen Normalbeleuchtung mussten die blauen und grünen Flächen relativ dunkler erscheinen, was in der That der Fall war.

Für Prüfungen des Farbensinnes bei diffusem Tages- lichte sind die Buirschen Farben jedenfalls brauchbar, denn trotz ihrer geringen Sättigung sind sie immerhin prftvalenter als manche andere, weit intensivere Pigmente, z. B. die unter No. VII ^XI in der Tabelle B aufgeftthrten.

Ueberblicken wir die Beihe der analysirten Farben und vergleichen die (in dem relativen Verhältniss der Componenten hervortretende) spektroskopische Bein- heit der einzelnen Pigmente, so können wir Folgendes erkennen:

1. Alle Pigmente (farbige Papiere) haben ein continuir- liches Spektrum, sind also spektroskopisch unrein.

2. Bei nahezu gleicher Intensität und Helligkeit sind im Allgemeinen die sogenannten „transparenten" Farben weit prävalenter, als die Deckfarben*), besonders wenn man dieselben auf einem passend gefärbten Grunde auf- trägt. Die Grundfarbe braucht nicht der Lasurfarbe identisch zu sein. [Die feinsten Farben erhält man durch Auftragung von Lasurfarben auf metallisch glänzendem Grunde.]

3. Pigmentmischungen geben höchst verschiedenartige Qemengfarben, deren spektroskopische Reinheit sich nicht aus den zusammengemischten Farben bestimmen lässt. Meistens sind die Gemengfaiben *'*') bedeutend unreiner und dunkler als die Componenten.

*) Vergl. V. Bezold: Farbenlehre im Hinblick auf Eonst und Kunstgewerbe. 1874, pag. 67.

♦♦) Unter „Mischfarben" wollen wir natürlich die Mischung farbigen Lichtes (also auch am Farbenkreisel) verstehen, dagegen unter „Gemengfarben" die Farben der Pigmentgemische.

16 Bruno Kolbe.

4. Die besten Pigmentfarben zeigen unter dem Mikro- skope durchsichtige, unter sich gleichfarbige Partikel. (Hierzu ist es natürlich nothwendig, die betreflFende Farbe mit einer passenden Flüssigkeit zu verdünnen.) Gemeng- farben sind, schon der wechselnden Zusammensetzung wegen, im Allgemeinen zu feineren Untersuchungen unzu- lässig.

n. Helligkeitsbestimmung von Pigmentfarben.

Bei farblosen (weissen und reingrauen) Pigmenten hat die Messung der relativen Helligkeit keine Schwierig- keit und kann nach verschiedenen photometrischen Me- thoden mit genügender Genauigkeit angestellt werden. Für qualitative und quantitative Untersuchungen ist es aber oft von Wichtigkeit für die Diagnose, die Helligkeit der betreffenden Pigmentfarben bestimmen zu können. Genau kann dieses überhaupt nicht geschehen, da diffe- rente Farben dem normalsichtigen Auge incommensurabel sind; auch übt die Beleuchtungsstärke auf die einzelnen Farben einen verschiedenen, noch nicht genügend er- forschten Einfluss aus.

In Nachstehendem habe ich mich nun bemüht, die Helligkeit der gebräuchlichsten Pigmente, der farbigen Papiere, mit der Helligkeit des reinweissen Bristolcartons zu vergleichen, und hoflFe die relative Helligkeit der be- nutzten farbigen Papiere bei diffusem Tageslicht mit einer für die Praxis genügenden Genauigkeit bestimmt zu haben. Hierbei bevorzugte ich im Interesse der Vergieichbarkeit mit späteren Untersuchungen solche Methoden, welche keine complicirten Speciaiapparate verlangen. Uebrigens erwiesen sich einige, sonst vorzügliche Photometer für unseren Zweck als unbrauchbar, theils weil die Helligkeit der dunkleren Pigmentflächen zu gering war, theils weil die Verschiedenheit des Farbentones zu störend wirkte.

Zar Analyse der Fi^mentfarben. 17

L Aubert's Methode.*) In einem schwarz aus- geschlagenen Dankelzimmer wird eine hell und genügend constant brennende Lampe so aufgestellt, dass der Beob- achter beschattet ist Das dunklere Pigment (z. B. Grau) wird in der Entfernung e aufgestellt und das hellere (Weiss) soweit hinausgerückt (in die Entfernung E), bis im ge- schwärzten Visirrohre des Beobachters beide, sich schein- bar berührende Flächen gleich hell erscheinen. Alsdann ist die Helligkeit der dunkleren Fläche, bezogen auf die hellere,

. 1

"" (E:e)«

(1).

Diese Methode ist, wie Aubert**) hervorhebt, grossen Schwankungen ausgesetzt, und liefert daher keine genauen Resultate. Zur Helligkeitsbestimmung farbiger Papiere kann diese Methode nur dann benutzt werden, wenn die Farben beider Flächen sich sehr nahe stehen. In Er- mangelung eines Duokelzimmers experimentirte ich in einem fensterlosen Corridor. Die Lampe brannte an dem einen Ende einer innen mit mattem schwarzen Papier be- kleideten nach Bedarf zusammenzuschiebenden PapprOhre von 15 Cm. Durchmesser und 150 Cm. Länge. Diese Bohre war zum Beobachter zu geschlossen und hatte am anderen Ende ein Diaphragma, dessen Grösse so gewählt wurde, dass das Licht nur auf einen grossen im Hinter- grunde aufgestellten schwarzen Schirm fiel. Trotz dieser Yorsichtsmassregeln waren die Wände des ca. 120 Cm. breiten Baumes von dem herausragenden Lampencylinder matt erhellt. Es haben daher diese Resultate keinen Anspruch auf grosse Genauigkeit. Setzen wir die Hellig- keit des weissen Cartons = 1, so ist:

>*) Aab er t; FhysioL d. Netzhaut. 1865. p. 72. ♦*j Aubert: Die Helligkeit des Schwarz und Weiss. Pflü- ge r's Arch. f. d. ges. Phys. 1888, XXXI, p. 225 ff.

V. Graefe'fl Archiv fUr Ophthalmologie, XZX. 2. 2

18

Bruno Kolbe.

No. 1.

Bebwfine- Bter Bammt

No. 2.

Frisch gB-

MhwSnter

Oarton

No.3.

Matter

■obwaraer

BriBtoI-

carton

No.4.

Neutral- gnn

(Siibergraa)

Nach Aubert . . . Nach eigener Beobach- tung

ca. J^o

54)-'i>

Xdo-W?)

^"

5^-iiCO

Der frisch mit Elfenbeinschwarz und Bobertson'schem Medium eingeriebene schwarze Bristolcarton (No. 2) ist derselbe, den ich an der rotirenden Scheibe benutzt habe. Da die folgenden, weniger in ihren Besultaten schwankenden Methoden für diesen Carton eine relativ grössere Helligkeit ergaben, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass die von Ole Bull*) fOr seinen frisch mit Blauschwarz ein- geriebenen Garton nach dieser Methode erhaltene Hellig- 1

keit von

zu niedrig ist, wenigstens nicht für

192 diffuses Tageslicht gilt.

Eine auffallende Beobachtung machte ich noch bei der Helligkeitsvergleichung farbiger Papiere. Die Re- sultate stimmten unter sich besser, wenn die hellere, also entfernter aufgestellte Fläche, der Farbe des Lampenlichtes näher stand, als um- gekehrt! Dieses spricht dafür, dass bei gesteigerter Intensität die chromatische Valenz der Beleuchtung (s. w. u.) relativ mehr hervortritt, mithin den Farbenton der stärker beleuchteten Fläche der anderen näher bringt, wodurch natürlich die Genauigkeit des Vergleiches gesteigert wird

U.Helligkeitsbestimmung an rotirenden Schei- ben. Diese Methode, welche gleichfalls von Aubert ^'^j

*) Bull: Graefe 8 Arch. f. 0. 1881, I. p. 93. ♦♦) Aubert: Pflilger's Arch. f. d. ges. Phyy 1883, p. Ui7— 231.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 19

zur Messung der Helligkeit von grauen nnd schwarzen Pigmenten benutzt worden ist, hat vor jener den grossen Vorzug, bei Tageslicht anwendbar zu sein; auch sind die Resultate weit stabiler.

Gemessen wird der Zusatz von Weiss, der bei der Botation mit Sectoren aus schwarzem Sammet bester

Qualität (dessen Helligkeit ca. -^^ wir ohne weiteres

== 0 setzen dürfen) dieselbe Helligkeit hat, wie das gleich- zeitig rotirende, zu untersuchende schwarze oder graue Pigment. Da ich die rotirenden Scheiben über einer Scheibe befestigte, deren Peripherie in 100 Theile eingetheilt war, 80 entspricht die Sectorbreite des weissen Cartons un- mittelbar der Helligkeit des betr. Papieres in Procenten der Helligkeit des = 100 gesetzten weissen Bristolcartons. Zählen wir den Zusatz von Weiss in Graden, und finden w^ so ist

*^ == W = W7^' '*'' ^ Procenten: _ lOO^wJ^ ^ ~ 360° ^^^•

Diese Methode liefert auch bei der Helligkeits- yergleichung farbiger Flächen gute Dienste, wenn die FarbentOne wenig differiren. Doch muss man hierbei, wie übrigens bei allen genaueren Helligkeits- messungen bei farbigen Papieren, beide Yer- gleichsobjecte rotiren lassen, damit die sehr störende Ungleichheit der Oberfläche eliminirt wird! Die Genauigkeit des Resultates gewinnt dadurch, dass man eine Beihe von Pigmenten untersucht, welche einen geschlossenen Farbenkreis bilden, da man dann von der Ausgangsfarbe zu jeder der anderen auf zwei Wegen gelangen kann, so z. B. von Gelb zu Blau über Orange, Both, Purpur und Violett einerseits und über Gelbgrün, Grün, Blaugrün und Grünblau andererseits. Sollen die

2*

20 Brano Eolbe.

Bestimmungen der relativen Helligkeiten einigermassen genau sein, so moss ein solcher Farbenkreis aas minde- stens 20 24 Farben bestehen, deren Intervalle nahezu gleichmässig sind. Unbequem ist bei dieser Methode der Umstand, dass man nicht direkt die Helligkeit einer ein- zelnen Farbe bestimmen kann und nur auf Umwegen (durch Einschaltung von Sättigungsstufen) eine farbige Fläche mit grauem oder weissem Carton zu vergleichen im Stande ist. Um Baum zu sparen, wurden die Besultate der an den rotirenden Scheiben angestellten Controlversuche mit den anderen w. u. tabellarisch zusammengezogen.

in. Elimination der Farbe durch verminderte Helligkeit. Ole Bull*), der u. a. auch nach der vorigen Methode seine äquivalenten Farben auf ihre gleiche Helligkeit prüfte, giebt noch ein anderes Gontrolverfahren an, das darin besteht, die betr. Farben in schmalen Strei- fen auf entsprechendes Qrau (oder mit grauen Streifen auf schwarzen resp. weissen Grund) zu legen und durch die so stark verengerte Lidspalte zu betrachten, dass jeder Farbenunterschied fortftUt. Bei gleicher Helligkeit der Farbenstreifen und des Grau werden alsdann erstere ver- schwimmen (oder auf schwarzem resp. weissem Grunde als gleichhelle resp. gleichdunkle Streifen erscheinen). Dass diese Methode nur eine sehr beschränkte Anwendung zulässt, liegt auf der Hand. Auch sind diese Versuche zur quantitativen Bestimmung der Helligkeit vorliegender Farben, etwa durch Anwendung photometrisch bestimmter grauer Flächen, kaum geeignet, selbst wenn man ganz davon absieht, dass die relative Helligkeit der einzelnen Farbentone sich bei abnehmender Beleuchtungsstärke in verschiedener Weise ändert. Es wäre also kein Vortheil, wollten wir, wie es auch geschehen ist, die Helligkeit de« Beobachtungsraumes soweit herabsetzen, dass die Farben-

*) Bull: Arrh. f. O. 1881, I. p. 96.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 21

empfindung aufhört, und dann die gleicbhell erscheinen- den Flächen als auch bei normaler Helligkeit gleichhell betrachten!

Diese Methode ist daher zu Helligkeitsbestimmungen nicht zulässig.

IV. Verwechselungsfarben vollständig Farben- blinder. — Holmgren suchte sich gleich werthige Farben zu verschaffen, indem er diejenigen auswählte, welche von den meisten Farbenblinden verwechselt wurden. Hierzu bemerkt nun Ole Bull (cit. pag. 138): „Dieses Verfahren ,,giebt uns wohl eine gewisse Garantie (?) dafür, dass „man complementäre (!) (und gleich helle) FarbentOne „erhält, aber eine Sicherheit dafür, dass die Wahl auch „gleich reine Töne trifft, kann dieselbe selbstverständlich „nicht bieten." Unter den ca. 34 Farbengleichungen, welche ich mit Hilfe des Farbenmessers an 29 Personen (darunter 27 vollständig ßoth-Grünblinde, ein Blau-Gelb- blinder und ein total Farbenblinder) erhalten habe, be- finden sich zufällig 4 Gleichungen für fast genau dasselbe Blaugrün (Grün-Ultramarin I 43,5pCt.)*) und Grau, sowie 3 für Purpur (Carmin-Ultramarin II 13pCt.), welche als gleich hell: Blau-Grün = Schwarz- Weiss 25pCt., 18pCt., llpCt., 8pCt. und Purpur = Schwarz-Weiss lOpCt., 12pCt., 15pCt. bezeichneten, welche Verschiedenheit zeigt, dass dieselbe Farbe von verschiedenen Farbenblinden verschieden bell empfunden wird. Auch die Prüfung zweier total Farbenblinder (bei dem einen konnte keine Farben- gleichung beobachtet werden, da der Apparat nicht zur Hand war) zeigte in der Beihenfolge der verwechselten und von den Untersuchten von hell nach dunkel geordneten Farben, keine genügende Uebereinstimmung, weder unter sich, noch mit dem von Landolt**) beobachteten Total-

*) Grün 11 - Ultramarin 11 43,5 % heiast: 56,5 7o gr^n H 4- 43,5 7o ultramarin 11.

**) Landolt: Achromat. totale. Arch. d'ophth. 1881, p.ll4 ff.

22 Brnno Kolbe.

farbenblinden, dessen Yerwechselungsfarben ich genau stndiren konnte^ da Herr Dr. Landolt die Liebens- würdigkeit hatte, mir ein sorgfältig geordnetes Sortiment derselben zu übersenden, wofür ich demselben hiermit nochmals meinen Dank ausspreche! Wir ersehen aus dem obigen, dass die Verwechselungsfarben Far- benblinder nicht zur Bestimmung der relativen Helligkeit der Pigmentfarben benutzt werden können.

y. Die Schattenprobe. Diese zuerst von Lambert (1760) und Bumford beschriebene photometrische Methode hat Prof. Bertin-Sans*) in neuester Zeit Yeryollkommnet und zur Messung der Helligkeit des diffusen Tageslichtes in Schulräamen benutzt, indem er die Entfernung be- stimmte, in welcher ein Garcelbrenner einen gerade noch wahrnehmbaren Schatten eines Eisendrahtes auf einen weissen Garton warf, der parallel zu diesem in 2 Cm. Entfernung befestigt war. Da bei directem Sonnenschein der Garcelbrenner auf 1 Cm. dem Draht genähert werden musste, so ist die Helligkeit des diffusen Tageslichtes, bei welchem die Lampe in der Entfernung e Gm, aufgestellt

werden muss, = —j, oder da Bertin-Sans die Hellig-

keit des Sonnenlichtes = 1,000,000 Lichteinheiten (Imninies)

setzt, so ist

, 1,000,000 j ,j ... h = -^ j^ L (Lunumes).

Die Werthe von L können unmittelbar in der sehr brauchbaren beigefügten Tabelle aufgeschlagen werden.

Diese Methode habe ich nun für vorliegenden Zweck in der Weise modifidrt **), dass ich for eine constante

*) Bertin-Sans: Le Probleme de la myopie scolaire. Anoales d^Hygiöne, Janv.-Feyr. 1882.

**) Yergl. Plateau: Betrachtangen ttber ein von Talbot Tor- geschlag. photometr. Princip. Pogg. Ann. 1835. XXXV, p. 458 ff.

Zar Analyse der Pi^entfarben. 23

Beleuchtung (diffuses Tageslicht) die Entfernung bestimmte, in welcher eine Stearinkerze (zu 4 aufs Pfund) einen Schatten auf weissen Carton und auf die anderen Pigment- flächen wirfk. Da aber, wie schon Helmholtz'*') betont, die Genauigkeit wesentlich gesteigert wird, wenn der Schatten durchbrochen ist und sich langsam bewegt, so benutzte ich als schattenwerfenden Körper einen Streifen von schwarzem, steifem Garton, der die in Fig. 5 Tafel I angegebene Gestalt hat. Der wesentlichste Theil daran ist ein Bahmen mit quadratischer OeShung (10 Mm. Seite), aber welche in je 1 Mm. Abstand kreuzweise feine schwarze Faden gespannt sind. Durch einen leichten Druck auf das andere Ende des Streifens dreht sich der Carton, fällt beim Loslassen in seine Stellung zurück und wird vom Faden (f) gehalten. An dem Ende eines 220 Cm. langen in Centimeter getheilten Stabes ist eine Federklemme be- festigt, in welche die betreffenden Pigmente eingeklemmt werden (Figur 4, k). Der schattenwerfende Körper und der mit einem Index versehene Lichthalter sind auf dem Centimeterstabe leicht verschiebbar. Bei der Beob- achtung wird das Licht durch Drehuhg der Bolle B aus der maximalen Entfernung so weit genähert, dass man, bei langsamer Bewegung des Schattens, bei demselben gerade die einzelnen durch das Gitter gebildeten Quadrate zählen kann; wenn das Auge sich in der Ent- fernung von 25 Cm. von der Fläche befindet. Es sei die nöthige Entfernung der Lichtkerze beim weissen Carton = E und beim zu vergleichenden grauen = e, so ist die Helligkeit des letzteren

h = (^j = -g-j, oder in Procenten h = gf^ (3). \~e/

*) Helmholtz: Physiol. Optik. 1867. p. 228.

24 Bmno Kolbe.

um einen Massstab fbr die Brauchbarkeit der Schatten- probe zur Helligkeitsbestimmnng farbloser Pigment- flachen zu gewinnen, wurde der Farbenmesser so aufgestellt, dass die rotirende Scheibe die Stelle des Schirmes ein- nahm. Gemessen wurde nun die Entfernung des Lichtes fttr eine Helligkeit der Scheibe von 100 pCt., 75 pCt, 50 pCt. und 25 pCt. Weiss (in der Mischung mit Schwarz).

Diese PrOfting ergab auch für andere graue und schwarze Pigmente recht gut stimmende Resultate, aber nur, wenn sämmtliche Flächen rotirten, da sonst die verschieden matte Oberfläche der einzelnen Papiere sehr störend wirkte.

h (einge- stellt) = 1007o(wd-) 75 7o 50 7o 25%

Entfernung e . . =90,1 Cm. 75,3 Cm. 61,4 Cm. 49,0 Cm.

h' (berechnet ^100.(90,1)^ _ jQQ 0/^ 70,0 7o 46,4 7o 27,2 7o

Differenz (h-V) 4-5 CM -i- 3,6(Vi4) 2,2(Vii,4).

Wir sehen hieraus, dass wir vermittelst der Schatten- probe (an rotirenden Flächen) die Helligkeit farbloser Pigmente mit einer far die Praxis oft genügenden Oenauig- keit finden können. ' Der Vorzug dieser Methode besteht in der einfachen und raschen Handhabung, sowie in der Möglichkeit, die Prüfung bei Tage anstellen zu können. Die Entfernung, in welcher auf weissem Carton der Schat- ten wahrgenommen wird, ist grossen Schwankungen aus- gesetzt und muss bei grösseren üntersuchungsreihen in regelmässigen Intervallen von ca. 10 Minuten von Neuem bestimmt werden.

Die Helligkeitsbestimmung farbiger Papiere giebt, wie bei den vorhergehenden Methoden, nur dann einiger-

Znr Analyse der Pigmentfarben. ' 25

massen brauchbare Resultate, wenn die verglichenen Flächen sich im Farbentone recht nahe stehen. Die Entfernung des Lichtes, in welcher der Schatten auf farbigen Flächen wahrgenommen wird, ist nicht nur abhängig von der Helligkeit, sondern auch in hohem Grade von der Farbe des betr. Pigmentes (und der des Schatten werfenden Lichtes).

Auf die Wiedergabe der sehr schwankenden Besultate verzichtend, bemerke ich bloss, dass die so erhaltene rela- tive Helligkeit für £oth und Orange zu gross, und für Blau und Oelb (!) zu klein ausfiel. Auf gelbem Grunde erschien der Schatten sehr undeutlich; am schärfsten war derselbe auf dem Karmin zu erkennen.

VI. Spektroskopische Messung der homogenen Componenten. Dieser Weg ist bei der Analyse poly- chromatischen Lichtes bereits vielfach eingeschlagen wor- den, doch sind, wohl der Umständlichkeit dieser Methode w^en, Helligkeitsbestimmungen von Pigment- farben kaum angestellt, mir wenigstens nicht bekannt.

Soll eine solche Analyse praktisch brauchbar sein, so muss sie leicht wiederholt und controlirt werden können. Wir müssen uns daher auf eine möglichst geringe Anzahl von Componenten beschränken.

Crova *) wollte den mittleren (grünen) Theil des Spektrums als Mass der Helligkeit des betr. Lichtes be- trachtet wissen. Perry **) nahm zwei Töne heraus: Both und Grün, die er durch entsprechend geßlrbtes Glas iaolirte. Vogel***) mass 7 homogene Componenten (und hat auch gelegentlich die Lichtstärke dieser Componenten

*) Crova: Comptes rendnes. 1881. XCIU, p. 512— 513. (Vergl. Beiblätter zu Wiedemann's Ann. 1881, p. 867.)

♦*) Perry (deutsch von Wein hold); Die zukünftige Ent- wickelang der Elektrotechnik. Leipzig 1882.

♦♦♦) Vogel: Resultate spektral-photometrischer Untersuchgn.— Berl. Monatsber. 1880, p. 801—811. (Vergl. Beiblätter zu Wiede- mann's Ann. 1881, p. 286—288.)

26

Bnmo Kolbe.

fQr rothen Ziegelstein, Dolerit, gelben Sand und Lehm, Ackererde etc. bestimmt). Andere Forscher haben 8 nnd mehr homogene Componenten gemessen nnd auch darauf hingewiesen, dass die Summe der Componenten einen Massstab abgäbe ftlr die Helligkeit des betr. Lichtes, ohne jedoch hierauf Gewicht zu legen. (Vergl. w. u. Formel 5). Meine in Tabelle A mii^etheilten quantitativen Be- stimmungen unterscheiden sich nun dadurch von denen Anderer, dass ich für jede der beobachteten 6 homogenen Componenten die Helligkeit bei dem in gleicher Weise beleuchteten weissen Carton = 100 setzte. Es lässt sich daher erwarten, dass das arithmetische Mittel aus den ge- messenen Componenten nahezu der relativen Helligkeit der beobachteten Pigmentfarbe entsprechen werde. Dass dieses nun thatsächlich der Fall ist, zeigten die Control- bestimmungen nach anderen Methoden.

Tabelle C. Helligkeit farbloser Pigmentflächen.

>5

Pig^ment

! Aubert's Meth. |j Helligkeit

1 Reinweissen Carton

2 Neatralgrau (Sil- bergraa)

3 B a 1 Tb Neutralgrau

4 Matter seh w. Carton

5 Frisch geschwärzt. Carton

Schwärzester Sammt

1

Mao ~/440* /»o ""/MO

100

33(25)

3,6 (1,8) 0,55(41) 0,003(2)

n.

a b

rotirende Scheiben

Frii.ch getehw. C.

80hw. SfUDmt

1

100 34,0

17,1 4,1

ae

0

h' ^iW.

1

100 32,5|

16,5 3,9

UI.

Cm. 120

IV.

Schatienprobc Hdllffk. ;;

55? 27?

9,9

6,0

1 I lOü!

Ü,t,21,ü:; J4dI 5,0

i ''

^s0,64

3U 14.4

Die Ziffern in der £ lanuner (Colonne I.) bedeuten die entsprechende Ziffern für den zweiten Grenzwerth, wobei die Nullen fortgelassen sind ii No. 5 n. 6).

Zar Analyse der Figmentfarben. 27

Da die am meisten Vertrauen verdienende Helligkeits- bestimmang an den rotirenden Scheiben fQr meinen frisch geschwärzten Carton im Mittel aus 10 Beobachtungen

eine Helligkeit von jthj = 0,6 pCt. des reinweissen Cartons

ergab, so glaube ich diesen Werth als zuverlässig be- trachten zu dürfen. Doch muss ich ausdrücklich be- tonen, dass ich diese geringe Helligkeit nur dann erhielt, wenn sorgfältigst alles Seitenlicht (das einen Reflex auf der etwas spiegelnden Fläche hätte hervorrufen können) ausgeschlossen war, und wenn die Visirlinie mit der auffallenden Be- leuchtung auf derselben Seite der zur beobachte- ten Fläche gedachten Normalen sich befand. In jeder anderen Stellung erhielt ich höhere Helligkeitswerthe. Ich glaube daher, dass selbst das schwärzeste, frisch bereitete Papier, in einem Beobachtungsraum<j frei hängend, im

Minimum eine Helligkeit von 1 pCt. [TKr.) des reinweissen

Bristolcartons hat!

Auffallend ist die am Spektroskop erhaltene geringe Helligkeit für das Buirsche Neutral -grau. (Differenz = 2,1, bezogen auf denselben schwarzen Carton; also

|h!)

Die Helligkeitswerthe der ersten Methode sind (mit Ausnahme des Silbergrau) relativ zu klein; die der Schattenprobe für die grauen Pigmente zu gross, doch ist dieses Ergebniss nicht constant, sondern kann sich bei den schwankenden Resultaten dieser Methoden auch um- kehren.

Die Bestimmung der Helligkeit farbiger Papiere ergab nur nach zwei Methoden befriedigende, d. h. bei verschiedenen Beobachtungsreihen genügend übereinstim- mende Resultate, nämlich 1. die successive Helligkeits-

28 Bruno Kolbe.

bestimmung einer geschlossenen Beihe von Pigmentfarben am Farbenkreisel und 2. die Berechnung des arithmetischen Mittels aus den spektroskopisch gemessenen homogenen Componenten, Da wir jede Pigmentfarbe als eine Mischfarbe ihrer homogenen Componenten ansehen dürfen, so ist die spektroskopische Methode der Helligkeitsbestim- mung von Pigmentfarben (für eine genügende Anzahl von Componenten) durchaus zulässig, wenn wir die Gültigkeit des Grass mann'schen Satzes*), „dass die gesammte Lichtintensität einer Mischfarbe gleich ist der Summe aus den Intensitäten der gemischten Lichter", anerkennen. Da nun meine bezüglichen Hellig- keitsbestimmungen von Mischfarben (insbesondere der durch Mischung von Gegenfarben entstehenden farblosen „Neu- tralen'*) dem Grassmann'schen Gesetze entsprachen , so versuchte ich auch, wenn die Helligkeit der einen com- plementären Componente bestimmt worden war, die Helligkeit der Gegenfarbe aus der bekannten Helligkeit der complementären Farbe und der leicht zu bestimmenden farblosen Neutralen zu berechnen, was auch nach Wunsch gelang imd eine Controle abgab für die Güte der successiven Helligkeitsbestimmungen am Farbenkreisel.

Es sei die gegebene Helligkeit zweier, im Verhältniss von mi und m2 gemischter Componenten hi und hj, so ist die Helligkeit der Mischfarbe:

, mi . hl -f mj . ha

Dm = ; ;

mi + m2

allgemein \ , _ (mi . hi -f- . h2 4- . . -h mn . hn) .p..

f. n Comp. I ** "" (mi + m2 4- . . . . 4- mn) ^

Ist nun die Helligkeit der einen Componente (hi) und der Mischfarbe (hM) gefunden, so ergiebt sich ohne weiteres als Helligkeit der 2 Componente

*) Grassmann: Zur Theorie der Farbenmischimg. Pogg. Ann. ms. Bd. 89, p. 82.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 29

, (ini H- m2) . hM mi . hl .^.

na = . . . (o).

102

Bestimmen wir den Zusatz der Componente in Pro- centen, also ist mi -f- = 100, mithin mi = 100 m», so nimmt der Werth von ha folgende Form an: ^ ^ lOO.hM— (100-m2)hi ^ 100(hM— hQ-j-ma.hi * ma ma ^'

So fand ich fttr Gelb (pikrins. Na) von der Helligkeit hl == 50,2 pCt. W., und der Helligkeit der farblosen Mischung (hn =- 30,0 pCt. W.) mit Ultramarin II (h = x) als äquivalent

38 7o Gelb (hi) + 62 7o Blau (x) == 100 Grau (hw = 30), also 38 X 50,2 -f- 62x = 100 X 30,

..,. 100X30 38X50,2 ^-- , inv i, •,. mithin X = w^ = 25,7 als Helligkeit

des Ultramarin H, welche Zahl zufällig fast genau mit dem direct (spektroskopisch) gefundenen Werthe (ha =-- 25,5) übereinstimmt.

Bei der Helligkeitsbestimmung der Pigmentfarben (s. f. Tabelle D) wurde, zur besseren Vergleichbarkeit, derselbe frisch geschwärzte Cari;on benutzt, wie zu der quantitativen Analyse (Tabelle A). Die Helligkeit des- selben kann umsomehr vernachlässigt werden, als wir die Helligkeit der farbigen Papiere überhaupt nicht auf die einzelnen Procente genau bestimmen können, und selbst für das dunkelste Pigment, z. B. Purpur-violett (h = 17,7; Tabelle A, No. 43) die Differenz mit der abso- luten HelUgkeit (h' = 17,7 -h ^ = 18,2) bloss 0,5 be- trägt (oder wenn wir die Helligkeit des schwarzen Cartons sogar = 5^ setzen, nur auf 1 pCt. steigt).

In der Beobachtungsreihe pag. 32 sind die relativen Helligkeitswerthe für eine Reihe von Pigmentfarben zusam- mengestellt. Bei der Untersuchung am Farbenkreisel wurden

30 Bnino Kolbe.

36 Farben des oben erwähnten Farbenkreises eingeschaltet In der Tabelle fehlen aber Zwischenwerthe ; es wurde dah» die Helligkeit der betr. Farben auf die angegebenen Nachbar- farben reducirt.

Bei drei farbigen Papieren, Purpur n, Karmin und Grün II, bestimmte ich die Helligkeit am Farbenkreisel durch Einschaltung von je 5 Sättigungsstufen. Da hierbei die Helligkeit des Grün H (bläulich grOnem Heidelberger Blumenpapier) der betr. spektroskopisch gefundenen Hellig- keit am nächsten kam, indem die Differenz nur 1,5 be- trug, so wählte ich das Grün II zur Ausgangsfarbe bei der successiven Helligkeitsbestimmung der Farben des er- wähnten Farbenkreises. In der I. Beobachtungsreihe wurde die Helligkeit der brechbaren, in der U. Reihe die der weniger brechbaren bestimmt bis zu dem complementären Purpur n, dessen Helligkeit nach 3 Methoden (spektro- skopisch, durch Süttigungsstufen und durch BiBstimmung der neutralen Mischfarbe nach Formel 6) gefunden worden war und mit den berechneten Werthen der beiden Beob- achtungsreihen genügend übereinstimmte.

Gemessen wurde der Procentsatz der helleren Farbe in der Mischung mit Schwarz (h = 0), der nOthig war, um dieselbe Helligkeit zu erzeugen, welche die benach- barte Farbe hatte.

Es sei z. B. beobachtet

100 o/o Grün-blau = 67 o/o Grün II (h -= 33,0) 4- 23 V. Schwarz (h == 0),

so ist (da h beim Schwarz = 0)

100 o/o Grün-blau -= 67 X 33, also h (Grünblau) = 22,1.

Da der Zusatz Schwarz, bei p 7o Farbe, immer = (100 p) pCt. sein muss, so können wir ihn gaitf fortlassen (indem die dunklere Farbe ohnedies durch den Coefficienten 100 genügend markirt ist).

Zur Analyse der Pigmentfarben.

31

I. Beobachtungsreihe.

a) 100 Grün-Blau = 67 Grün II . .

b) 68 Cobalt = 100 Grün-blau . . .

c) 100 Ultramarin 11 = 82 Cobalt

d) 100 Violet == 80 Ultramarin . .

e) 73 Violet-purpur III - 100 Violet

f) 92 Purpur H = 100 Violet-purpur III

[Purpur n (aus f) = 31,8.]

(h = 33\ [22,1], [32,51, [26,7],

[21,41, [29,7].

n. Beobachtungsreihe.

a) 77 Gelb-grün = 100 Grün n . . . (h = 33),

b) 80 Pikrs. Na == 100 Gelb-grün .... [43,01,

c) 100 dunkel Chromgelb = 70 pikrs. Na . [54,2],

d) 90 Orange-roth = 100 dunkel Chromgelb [37,9J,

e) 100 Scharlach = 66 Orange-roth . . . [42,1],

f) 100 Karmin = 69 Scharlach [27,8],

g) 65 Purpur II = 100 Karmin .... [19,2].

[Purpur II = 29,7 (aus g).]

Für Purpur II wurden folgende Helligkeitswerthe erhalten:

1. Durch Benutzung von Sättigungsstufen hi = 28,9; 2. durch Bestimmung der Helligkeit der neutralen Misch- farbe mit Grün II (dessen h im Mittel = 32,3 ge- fanden wurde) ha = 31,2; 3. spektroskopisch ha = 32,6 und 4. im Mittel aus den obigen beiden Beobachtungsreiheu h4 = 30,3. Die grösste Schwankung (32,6 28,9 = 3,5) beträgt etwa Vio der beobachteten Grösse.

[Rood'*') hat gleichfalls die Helligkeit von rothem (mit Cochenille gefärbtem) und genau complementärem blaugrünem Papier am Farbenkreisel mit einem = 100

*) 0. N. Rood: Photometrische Vergleichang von Licht von verschiedenen Farben. (Sill J. 1878 XV. (3), p. 81—82. Vergl. Beiblätter zu Wiedemann'B Ann. d. Physik und Chemie. 1879. p. 805.)

32

Bruno Kolbe.

gesetzten weissen Kartenblatte verglichen. Da er direct das farbige Papier mit dem resnltirenden Grau der schwarz-weissen Scheibe verglich, dürften die von ihm ge- fundenen Werthe (r = 23,8, blgr = 26,56) kaum An- spruch auf Genauigkeit haben.]

Tabelle D. Helligkeit farbiger Papiere, (ßeinweisser Carton = 100.)

1

Pigment

Spektro- skopisch

An rotir. Scheiben

Differenz

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

Carmin (No. 2, Tab. A) Scharlach (3) ... Orange-Roth (57) . . Dnnkel Chromgelb . Gelb, Pikrs. Na. (20) Gelb-grün (22) . . . Grün II (25) . . . Grün-Blau (No. 31, Tab, Cobalt. Pariser Blumenp. (35) Ultramarin U (38) Violet U (42) . . Violet-purpur (48) Purpur n (50) . .

A)

20,0 26,9 40,8 37,7 50,2 41,7 31,0 21,4 31,8 25,5 19,4 26,1 32,6

19,2 273 42.1 37,9 54,2 43,0 33,0 22,1 32,5 26,7 21,4 29,7 3(»,3

+ 0,8

0,9 -1,3 -0,2 -4,0 -1,7 -1,5 -0,7 -0,7 -1,2

2,0

3,6 + 2,3

14

Neutralgrau (56)

3U

32,5

1,3

Die Differenz beträgt im Durchschnitt 1,6, was etwa ^— V^ der betr. Grössen ausmacht

Die Uebereinstimmung der Besultate beider Metboden ist (in Anbetracht der bei Helligkeitsvergleichungen ver- schiedenfarbiger Objeete herrschenden Unsicherheit) eine genügende zu nennen. Da nun die spektroskopische Hellig- keitsbestimmung für 6 Componenten sich rascher ausführen lässt als eine successive Helligkeitsvergleichung einer Reihe von Pigmentflächen am Parbenkreisel, und auch was für die Praxis gewiss von Wichtigkeit ist filr ein einzelnes Pigment von nur 1 Quadratcentimeter Fläche

Zur Analyse der Pigpmentfarben. 33

anwendbar ist, so dürfen wir sagen: PHr die Praxis ist die Helligkeitsbestimmnng farbiger Papiere durch die spektroskopische Messung der relativen Helligkeit von 6 homogenen Componenten (die im Oitterspectrnm möglichst gleichmässig vertheilt sind) zu empfehlen.

Ist die relative Helligkeit der einzelnen Componenten (verglichen mit den entsprechenden Componenten beim weissen Carton) = Ci, Ca, . . . . Ce, so ist die Hellig- keit des betreffenden farbigen Papieres

h = -~- (Ci -h 02 4- . . . -f Ce)

oder allgemein

1 ° ==

h = ^ Cn, wo n > 6 zu wählen ist.

(7).

Da eine Reihe brauchbarer farbiger Papiere, wie Scharlach, (Orangeroth), Grün H, (auch gelblich -grünes Heidelberger Blumenpapier), Oobaltblau (Pariser Blumen- papier), ultramarin I, und Purpur U nahezu dieselbe Helligkeit besitzen, wie das sehr brauchbare Neutral- grau (dunkles Silbergrau), so können wir bei diflFasem Tageslicht ohne störende Fehler die Sättigungsstufen dieser Farben unmittelbar zu quantitativen Prüfungen des Farbensinnes benutzen. Um jedoch die Besultate vergleichbar zu machen, müssen wir die specifisch farbige Intensität, die chromatische Valenz der Pig- mente, mit berücksichtigen. Diese zu bestimmen, muss jetzt unsere Aufgabe sein!

ni. Chromatische Valenz der Pigmentfarben.

Die quantitative spektroskopische Analyse der Pigment- farben giebt uns zwar, wie wir gesehen haben, ein Mittel an die Hand, um die spektroskopische Beinheit des be-

▼. OrMfe's Archiv für Ophthalmologie^ ZXX. 2. 3

34 Bruno Kolbe.

treffenden Pigmentes zu bestimmen*), doch können wir aas dem relativen Yerhäitniss der homogenen Componenten die specifisch farbige Kraft, die chromatische Valenz, der Pigmentfarben nur durch umständliche Rechnungen resp. Constructionen (s. w. u.) finden. Der Werth dieser zeitraubenden Bestimmungen wird nun wesentlich durch den umstand verringert, dass Schwankungen in der Be- leuchtung das relative Yerhäitniss der Componenten be- deutend ändern können.

Eine directe Methode, die Farbenvalenzen zu finden, liefert dem Anscheine nach die Donders'sche Methode der Messung des minimalen Gesichtswinkels, unter welchem Farbenflächen farbig (resp. im richtigen Farbentone) er- scheinen, vorausgesetzt, dass die Beobachter einen normalen Farbensinn und eine normale Sehschärfe besitzen. Hier- bei wirkt jedoch die differente Helligkeit der Pigmentfarben, sowie die noch nicht genügend untersuchte Tonveränderung kleiner Objecte bei der Entfernung sehr störend auf das Besultat Selbst mit BulFs fast genau gleich hellen aequivalenten Farben (die ich in Quadraten von 2 Mm., 5 Mm. und 10 Mm. Seitenlänge auf schwarzem, weissem und (Buirschem) neutralgrauem Orunde anwandte), er- hielt ich bei den einzelnen Beobachtern und bei verschie- denen Beobachtungsreihen so differente Besultate für die einzelnen Farben'*'*), dass eine Aequiyalenz der BulPschen Farben fraglich erschien, während dieselbe nach einer direkten Methode leicht nachgewiesen werden konnte. Dass nun Messungen des minimalen Gesichtswinkels bei ungleich hellen und nicht äquivalenten Farben noch

*) Eine zur qualitativen Abschätzung der Reinheit vor- liegender Pigmente sehr handliche und für viele Zwecke brauch- bare Methode der spektroskopischen Analyse der Pigmente hat Aubert (Physiol. Optik. 1876. p. 523) angegeben.

**) Auch die Messung des minimalen Sättigungsgrades ergab zu bedeutende individuelle Schwankungen.

Zur Analyse der Figmentfarben. 85

schwankendere Besultate geben müssen, liegt auf der Hand. Diese Methode ist mithin zur Yaienzbestimmung von Figmentfarben nicht geeignet.

Die rotirenden Scheiben geben uns die Möglichkeit, die Neutrale complementärer Pigmentfarben durch Mischung zu erhalten. Eine praktische Yerwerthung scheint diese Methode erst durch Ole Bull*) und mich**) und zwar gleichzeitig, gefunden zu haben. Bull stellte auf diese Weise äquivalente Farben her, indem er die Gegen- farben so lange (durch Zusatz von neutralem Grau zur stärkeren Farbe) änderte, bis gleiche Mengen derselben eine farblose Neutrale gaben. Ich hatte dagegen die Aequivalenzbestimmung beliebiger Pigmentfarben im Auge. Zu diesem Zwecke ersetzte ich die höchst unbe- quemen und zeitraubenden Farbenscheiben durch auf die Eegelstumpfe meines Farbenmessers zu stülpende Farben- mäntel (Fig. 3), bei welchen die beiden zu mischenden Farben continuirlich alle möglichen Mischfarben gleich- zeitig zeigen.

Da jede beliebige Mischfarbe isolirt, und der Procent- satz der Componenten während der Botation abgelesen werden kann***), so nimmt bei Gegenfarben das Auf- suchen der Neutralen nur wenige Minuten in Anspruch.

Es ist ohne Weiteres einleuchtend, dass die chroma- tischen Valenzen der Pigmentfarben umgekehrt pro- portional den Mengen sein müssen, in welchen sie ge- mischt sich äquivalent sind, d. h. bei Gegenfarben eine farblose Mischung geben. Notiren wir, der Einfachheit

*) Ole Bull: Graefe's Arch. f. Ophth. 1881, L, p.94 ff. **) üeometr. Darst. d. Farbenbl. Petersburg 1881, p. 27—28. Vergl. p. 24 u. pag. 61—62.

***) Da mein Farbenmesser (Fig. la, Tafel I) bereits in obiger Monograpbie und neuerdings im Knapp-Schweigger'schen Arch. f. A. 1883, L p. 61 eingehend beschrieben worden ist, so wird im Folgenden nur das recapitnlirt werden, was des Zusam- menhanges wegen nothwendig ist.

*■

jaih^r. iri rw-^\ ■.imanoiBnBm. iset tat PtnaaiBKi der

VasL = rsBL . i»»aii w:r te Tijoz it^ i}^i- 3«ac!i«a. af ^äat be-

r^ ? -

Zxa Misiiiib iiz !ir:-3iiri5:i*i VAleai der ?;?s:*a:fAr'^*a a-rix-ra wir i** I^i^ii im com- ^^aat^-r €ri:* !• b*i-iiaff€- i* Gna II Scheel-

TjL'irz. wir n:in »if irz'asii ein* Wrase -üe auf Gilbi II r^fif.^'^cjh XorrtalTaleai d-^s G^lb üe wir einfMk mit \\ b^2>r:':'::j::-en will.^ . ^ «^-rös sich hi-Tias die gesuchte

y

V»; = V'^,j X »f C'^er = =r .... jf'.

\}\h B**tirmnniig der Vaieni toh Gegen&rbeQ hat \*cit^, .S^:hTri*Ti2k*rit, Je näher aber die beiden Componenten Im Fartf-nkrelTe stehen, nm so grosser ist die chromatisebe VaUnz d<rr NeotraletL För Farben, deren Abstand gerin- jrer i-t al« l«j^ liefert die direkte Bestimmnng der Neu- tralen kein braach bares Resultat, aach wenn man die von mir^^) angegebenen Hilfsmittel anwendet Daher

^) Bei zweifarbigen Minteln dnd stets die Dreiecke, welche *\^ brechbareren Farbe entsprechen, mit der Bas» ram spitseren hnde des Kegelutompfes geklebt. Dm die Skale Tma stompferen zum spitzeren Ende des Componenten za nnmmerirt ist» so zeigt der Index ^t% Diaphragmenschiebers n»TiHt^'K^^ den Prooent- »Atz (p> der brechbareren Farbe an. (Bei den znr quantitativen Prfifottg de» Farbensinnes dienenden gran- farbigen Mänteln, d^ Znsatz der Farbe, also den Sättigungsgrad.) *♦; Knapp> Arch. 1W3, XIII. 2, pag. 70.

Zur Analyse der Figmentfarben. 37

gebe ich im Folgenden einen neuen, von mir erprobten Weg an, der indirekt, aber sicherer zum Ziele filhrt.

Es sei gesucht die Normalvalenz des Gelb (pikrs. Na), also bezogen auf Grün II. (Ein gelb-grüner Mantel liefert 80 allmälige üebergänge, dass an eine genaue Einstellung der neutralen Mittelfarbe (gelb-grün) nicht zu denken ist.) Bekleben wir nun zwei Farbenmäntel oben mit Purpur- Violet, das der Mischfarbe von Gelb und Grün (Grün- gelb, bei Anwendung von pikrins. Na) nahezu comple- mentär ist, und die mit der Basis nach unten gerichteten Dreiecke (Fig. 3) bei dem einen Mantel gelb, bei dem anderen grün, so ist die Neutrale beim gelb-purpur- violeten und beim grün-purpurvioleten Mantel genügend farblos, um die Lage derselben mit Leichtigkeit beob- achten zu können. Wir lesen ab: a) Die Stellung, wo die brechbarere, b) wo die weniger brechbare Farbe anfängt zu prävaliren, und c) die Lage der Neutralen.

a H— b Ist das Mittel ^ = m (welches im Allge- meinen nahezu = c ist), so ist die Lage der Neu- tralen n ==-- 2 (*)•

Im gegebenen Falle ist für diffuses Tageslicht Valenz (gelb/purpurviolet) = tq^

ni

Valenz (grün Il/purp.-viol.) = ,qq_ = Hg = 1,702

gr(p.T.)-37Q

(b),

mithin die gesuchte Normalvaienz des Gelb:

Valenz (gelb/grttn II) = Vg = yi'»-^''

y grCp.v.)

= j[i?I§ = iO40 .... (c) 1,720 -^^ ^^

38 Bruno Kolbe.

oder, wenn wir die Valenz des Purpur-violet,

37

Vp^=:— =0,586, bereits berechnet haben, oo

Vg = V'g(p.v.) X Vp.v = 1,778 X 0,587

= 1,04 (Ol).

Setzen wir (wie in der folg. Tabelle F) die Valenz des Grün n = 100, so ist Vg = 104.*)

Dieses Beispiel wird genügen, um zu zeigen, dass wir die chromatische Valenz beliebiger Pigment- farben**) rasch und leicht finden können.

Mit dem Grün 11 (bläulich-grünem Heidelberger Blumenpapier) können wir folgende Pigmentfarben direkt vergleichen, und zwar in absteigender Linie: Purpur- roth; Purpur und Carmin; Violet-purpur und Scharlach; Purpur-violet und Orange-roth. Mit dem Gelb (pikrs. Na oder Heidelberger Blumenpapier, nicht aber Chromgelb): Ultramarin; Violetblau und Cobaltblau; Violetblau und Grünlich-blau u. s. w. Diese beiden Pigmente (Grün n

*) Diese höbe Intensität des Gelb konnte ich nur durch pikrinsanres Natron (das auch Albert empfiehlt) erzielen« Dünnes, möglichst feinkörniges Zeichenpapier habe ich vermittelst eines Ballens Watte mit einer gesättigten, neutralen, wässerigen Lösung von pikrinsaorem Natron gleichmässig bestrichen (wag nach dem Trocknen wiederholt wurde). Das (in nicht zu grellem Lichte) langsam getrocknete Papier wurde (vermittelst Watte) mit gepulvertem pikrinsanrem Natron und Robertson*schem Medium zusammen eingerieben. Der leichte Glanz der so behan- delten Papierfläche verschwand beim Eintrocknen völlig. Durch wiederholtes Einreiben wird das Papier dunkler und verliert den zuerst auftretenden grünlichen Schimmer gänzlich.

**) Wie ich es selbst erprobt habe, lassen sich farbige Zeuge und Fäden genügend glatt und fest auf dünnes Papier leimen, um die aasgeschnittenen Dreiecke auf die Farbenmäntel kleben zu können. Bei Benutzung von Seidenzeug kann man sehr inten- sive Mischfarben erhalten.

Die Yalenzbestimmung farbiger Stoffe dürfte für die Physiologie der Farben in Bezug auf Kunstgewerbe von einigem Interesse sein. D. Verf.

Zur Analyse der Pigmentfarben.

39

und Gelb) und ihre Gegenfarben genügen, um die chro- matische Valenz beliebiger farbiger Papiere zu bestimmen, wenn wir uns in der angegebenen Weise der Mischfarben bedienen. Die continuirlichen Farbenübergänge am Farben- messer sind hierzu sehr bequem, da die Bestimmung der Farbengleichungen nur wenige Minuten in Anspruch nimmt. Um mit den sehr zeitraubenden Farbenscheiben rascher zum Ziele zu kommen, kann man Scheiben von ca. 7 Gm. Radius benutzen, die, wie Fig. 7 zeigt (von dem Schlitz an) ausgeschnittene Sectoren von 1 Cm. Länge haben, von denen jeder folgende äussere um 2 pCi breiter als der vorhergehende ist. Bei der Botation entstehen so fünf äquidistante Stufen der Mischfarbe. Ist der mittlere Bing farblos, so müssen die benachbarten Binge einen Schinmaer der betreffenden Componenten zeigen. Dieses Kriterium ist genügend genau, um die Neutrale finden zu können.

Tabelle E. Lage der Neutralen bei verschiedener Beleuchtung.

I.

n.

m.

IV.

V.

VI.

d

JZ5

Farbenpaare

u

1-

1

1^ 11

QH

a"^

«3

O

^

COM

1

Scharlach /Blaagrün

(4grünII-f8ultr.I)

63,0

64,5

67,7

69,7

70,2

72,5

2

Gelb (p.Na/Ultram.I.

62,0

60,0

67.2

69,0

69,9

70,5

3

Grttn n/VioIetpurp.

59,1

57,0

55,5

54,5

52,2

4

Purpur II/Grünll .

50,0

52,3

65,6

56,0

56,9

58,0

5

Carmin/Grün U . .

46,7

47,1

50,6

54,5

56,5

57,0

6

Scharlach/Grün n .

50,5

56,2

59,5

60,5

62,4

7

Roth-orange/Grünll

68,5

60,8

63,5

66,0

67,0

8

Grün II/Purp,-violet (Miflchf. 1 carm. +

1 ultr. II)

63,0

60,5

63,5

64,7

64,8

66,5

9

Gelb (p. NayPurpur-

violet

64,0

62,0

66,9

68,4

69,4

71,0

40

Bruno Eolbe.

•OK

0

O

0 O

O

<v o

CO

M O

*-• 2

£ 8

^

»

'S

'S

!

o

2|Ei

S fl

w Ol

0 II

9

o-l

C5

11

ttf) "

S ^

OS

o o

Ob

-*»

e6

a

o

» ^

s

1

o ^

0

ä

s

0

•OK

«H c^ eo'^iocot^ao

I I I ++++ I

tH »-1 ©I *H iH ^ tH

fH CO "^'Q.H^'^

S S 5 2 S S 12 8

■t5^

CD

n

CD

9 00 o o 9>

oQ pq n O O O

-^ o « c* 00

Zur Analyse der l^igmentfarben.

4ö»ot*»o»-l»o C)eo iO»qcoCT «l^^>ö

r^ »-^ tH 1-H fi^ r-t 1-H

I I I I I I I I ++ I I I I I I

8 SS':

ioio(nSoS3^co9S^04

<^^ O CO l>-

8$^ I SS8 i I

I I I I I I

•<** *^^ oo^ ^ «>i c> <=L '-t »Q. »-• ci c*5. c> ©1 i

13

a

•3

•naqj«^ anaJältg

«SP

"-^ Ȋ ^.

'S

SB

.d5

II

B §-§

S oTi-sÖ W

i

•SS«

^ sasssssssssssas

0 CO

a

1

41

n

I

I

P

I

s

I

4)

O

QQ

a I

I

*43

1-3

I

42 Bruno Eolbe.

Der Liebenswürdigkeit der Herren Siemens &Halske verdanke ich die Möglichkeit, in ihrer Werkstatt (in Peters- burg) Untersuchungen bei elektrischer Beleuchtung an- stellen zu können. Hiermit sage ich genannten Herren nochmals meinen Dank!

Ehe wir den Einfluss der Beleuchtungsqualitftt auf die Valenz der Pigmentfarben untersuchen, wollen wir den Begriff der chromatischen Valenz definiren'*'):

unter der chromatischen Valenz einer Pig- mentfarbe (bei gegebener Beleuchtung) wollen wir die Eesultante der als Kräfte auf den Mittelpunkt des Farbenkreises wirkenden homogenen Gompo- nenten verstehen.

Drücken wir die Intensität der homogenen Compo- nenten durch Linien aus, so entspricht die Valenz V = 0 dem reinen Grau. Zur Bestimmung der chromatischen Valenz von Mischfarben, oder der Veränderung der Valenz eines gegebenen Pigments bei veränderter Beleuchtung ist es nothwendig, den Ort der entsprechenden homogenen Farbe im Farbenkreise angeben zu können. Ich habe be- reits früher einen Farbenkreis zu berechnen gesucht**),

indem ich von l = 666,1 '* (B) bis ;i = 492,3^ (Zn) die Farben proportional der Wellenlänge auf den Halbkreis vertheilte. (Es kommt mithin auf V des Farbenkreises

0,9072 (72)'* . . .) *♦*) Die complementären Farben wurden, mit Zuhilfenahme der Helmholt z'schen Beob-

*) Von mir früher (Knapp- Schweigger'ß Arch. f. A. 1883, p. 67) ftir die Beleuchtnngs- Qualität (Valenz der ßelenchtang) entsprechend definirt. D. Verf.

**) Geometr. Darst. d. Farbenbl. 1881, p. 23. VergL daselbst Fig. 1, Taf. n.

***) Hier ist (mit Listing) /u = 1 Millionstel Millimeter an- genommen worden. (In meiner citirten Arbeit hatte ich, wie auch Andere, ^ = l Tausendstel Mm. gesetzt, was weniger zweck- massig ist)

Zur Analyse der Pigmentfarben.

43

achtongen, theils direkt bestimmt, theils (durch gradlinige Interpolation der Verhalt nisszahlen) berechnet und g^enübergesetzt.

Da die folgenden Bechnnngen auf diesem Farben- kreise basiren, so fahre ieh in der Tabelle O die Lage einiger der charakteristischen Frannhofer*schen Linien und Metallspektren sowie einiger Pigmentfarben an.

Tabelle G. Lage einiger Spektrallinien und Pigmentfarben im Farbenkreise.

PE4

»

MS

I

•a I

Pigment

£

Li H Zn Li

Na Tl

Fe Ag

686,7 670,6 656,1 636,1 610,a 588,8 534,9

526.8 520,7

15.0 24,0 31,2 53,3 81,8 105,2 164,5

173,4 180,0

486,0 480,9 472,1 467,7 460,2 450,9

430,3 396,7

211,2 284,2 300,1 305,4 307,7 316,5 321,2

330,1 340,0

Purpurn (D.d. Taf.) Garmin(Heidb.Blp.) Scharlach (Hd.Blp.) Roth-orange .....

Gelb (p. Na)

GrünU(Heidb.Blp.) Blau-grttn (Mischfb. Igr.n + lultr.I) Ultramarin I . . . . Violet (Heidb. Blp.)

0

5

14

37

53

121

190

224

295 337

Die VergleichuDg des Farbentones von Pigmentfarben mit den Spektralfarben kann, wie es früher von mir ge- schehen, vermittelst eines objectiven Spektrums angestellt werden, doch ist die Methode, welche v. Bezold*) an- giebt, zuverlässiger und bequemer. Dieses Verfahren be- steht im Wesentlichen darin, dass das BUd der Scala des Spectralfernrohres vermittelst einer einfachen Vorrichtung durch das Spiegelbild einer farbigen Pigmentfläche ersetzt

*) V. Bezold: lieber die Vergleichung von Pigmentfarben mit Spektralfarben. Pogg. Ann. d. Pbys. u. Chem. 1876, VL Reihe, Bd. Vm, p. 165—169.

44 Brano Kolbe.

wird, wobei die betr. Hälfte des Spectmms abgeblendet wird, sodass beide Gesichtsfelder sich berOhren (oder, bei der zweiten daselbst von v. Bezold angegebenen Methode, sich zu einer Mischfarbe vereinigen.) In Bezug auf die Einzelheiten muss ich auf das Original verweisen, um den Einfluss der Beleuchtungsqualitftt auf den Farbenton der Pigmentfarben zu stadiren, verglich ich dasselbe Pigment gleichzeitig bei diffusem Tageslicht und bei künstlicher Beleuchtung (Kerzenlicht). Zu die- sem Zweck verfertigte ich mir eine Pappröhre von quadra- tischem Querschnitt (Fig. 6k), 40 Cm. lang und 15 Cm. breit und hoch. Die Innenflächen waren mit mattem schwarzem Papier beklebt. In der Mitte des Bodens be- fand sich eine quadratische Oeffnung (5 Cm. breit), durch welche das von aussen in einem Falz eingeschobene farbige Papier von zwei, an beiden Enden der Röhre in verstell- barer Entfernung angebrachten Stearinkerzen beleuchtet wurde, üeber dem farbigen Quadrat befand sich eine quadratische Oeffnung von 40 Mm. Breite, durch welche das von dem Pigment reflectirte Licht in den unteren Silberspiegel (s2, Fig. 6) fiel und von dort in horizontaler Richtung in das Visirrohr (B) geleitet wurde. Der obere Spiegel stand vertikal und bildete mit der Visirlinie einen Winkel von 45 ^ so dass das Spiegelbild des an der rotirenden Scheibe (R) befestigten, von diffusem Tages- licht beleuchteten Pigmentes gleichzeitig in das Visirrohr gelangte. Der Beobachter sah nun ein Quadrat, dessen untere Hälfte das vom Kerzenlicht und dessen obere Hälfte, welche die untere unmittelbar begrenzte, das von diffusem Tageslicht beleuchtete Pigment gleichzeitig zeigte. Die beiden Silberspiegel (si und ss) befanden sich, zur Ab- haltung des Seitenlichtes, in dem Schnittpunkte dreier senkrecht auf einander stehender, innen geschwärzter Pappröhren, die nach den farbigen Objecten und dem Visirrohr gerichtet waren. (In der Zeichnung fortgelassen.)

Zar Analyse der Pigmentfarben.

45

Tabelle H. Vergleichung des Farbentones der Pig- mente bei Kerzenlicht und bei diffusem Tages- licht (gleichzeitig).*)

6

Bei Kerzen-

Bei diffusem

Qnalltit dar Farbe bei Kor- sen lieht im Vergleieh mit

Ä

licht

Tageslicht

ftiiem Tageslicht.

1

Garmin entspr. Carm./gelb 8,0%

Leuchtender, im Tone

(s. op.36).

zw. Garmin u. Scharl.

2

Scharlach

, Garm./gelbl3,5%

Noch leuchtender und

(53).S.d.folg.Seite

gelblicher.

3

Rothorange ,

, Carm./gelb22,5%

Intensiver. Farbenton

(20,5).

fast unverändert

4

Gelb (pikrs.Na) ,

, Garmin/gelb

Intensiver. Farbenton

75,0% (?)

etwas röthlicher.

5

Grün II

, Gelb/grün H

Etwas matter, erscheint

35-40%

'gelbgrttn bis grüngelb.

6

Ultramarin II

, Carm/ultram.

Matter, dunkler, röth-

73,7%.

Ucher.

7

Violet (H. Bl.) ,

, Garm.'ultram. n.

Matter, fast wie Purpur

17,5% (86^%).

erscheinend, dunkler.

8

Purpur

, Garm./gelb7,3%

Etwa« leuchtender. Aach •pektroskopUch kanm vom

(Carm./ultr. II

Garmin (bei dlftuem TÄges-

36%).

llcbt XU nnterBoheiden.

9

Weiss

, Weiss/orange

So nleuchtend", dass

14^%(?).

schwer vergleichbar.

10

Neutralgrau ,

, Gran/orange

12^%.

11

Mattes Schwarz ,

, Schwarz/orange 10,9%.

12

Garm./nltram. II

Etwas leuchtender.

48^% .

Garmin.

13

Garm./ultram. 11

Intensiver.

^,3% ,

, Scharlach.

14

Grau/ grünblau (lgr.+3bL)

Etwas dunkler.

17,a% ,

, Neutralgrau.

*) Die von Krämer (Unters, über die Abhängigkeit der f arbenempfind. von der Art und dem Grade der Beleuchtung. Inaug.-Dissert. Marburg 1882, p. 32) mitgetheilte Tabelle stimmt (für Kerzenlicht) recht gut überein. Hierbei ist zu berücksich- tigen, dass bei sich berührenden Farbenfeldem durch Gontrast- wirkung die Differenz der Farbentöne beider Flächen g^rOsser erscheint, als sie thatsächlich ist.

46 Bruno Kolbe.

Die (bei No. 2, 3, 7, 8) in Klammem beigefügten Zahlen entsprechen der Mischfarbe aus denselben Compo- nenten, welche bei Tageslicht mit dem betreffenden Pig- ment gleichfarbig erscheint.

Vertheilen wir die Pigmentfarben, ihrem Farbentone entsprechend im Farbenkreise, so ergiebt sich Folgendes:

Die Helligkeit eines Pigmentes bei künst- licher Beleuchtung hängt im Allgemeinen von der Menge des farblosen Lichtes in der Beleuch- tung ab. Pigmente, welche der Beleuchtungsfarbe resp. deren prävalirenden Componenten isochrom sind, erscheinen relativ heller.

Die Farbentonveränderung eines Pigmentes ist um so grösser, je mehr der Winkel, welchen die Radien der entsprechenden Töne (des Pig- mentes und der Beleuchtung) im Farbenkreise mit einander bilden, sich 90^ nähert, und um so kleiner, je näher die Farbe des Pigmentes der der Beleubhtung resp. der ihrer Gegenfarbe kommt.

Besonders auffällig war die Tonveränderung des (bläu- lichen) Grfln n (Heidelberger Blumenpapier). Bei Licht betrachtet (wo das Auge sich für gelborangefarbiges Licht adapürt hat) erscheint dieses grüne Pigment (Scheel- sches Grün) leuchtend reingrün, dagegen bei direktem Vergleich des farbigen Papieres bei Kerzen- und bei Tages- licht, wenn das Auge für diffuses Tageslicht adaptirt ist, Gelbgrün bis Grüngelb, und zwar weniger leuchtend. Genau könnt« ich die Valenz des Grün U bei Kerzenlicht nicht mit der bei Normalbeleuchtung vergleichen. Ein Grün-gelb, das bei diffusem Tageslicht fast identisch dem Grün U bei Kerzenlicht erschien, hatte die Valenz Vgrg = 0,8 Vgru. Wollten wir also die Valenzen der Tab. G genauer mit einander vergleichen, so müssten wir die Be- ductionsfactoren (V^g = VVn == 0,8 bei Kerzenlicht) für mindestens zwei Pigmente bestimmen.

Zar Analyse der Pigmentfarben. 47

Der Umstand, dass wir die Farbe der jeweiligen Be- leuchtung für Weiss zu halten geneigt sind, bewirkt u. a. auch, dass wir bei Licht den Zusatz von Gelb beim Grün II nicht so lebhaft empfinden, wie den des Grün. Das gelblich-grüne Heidelberger Blumenpapier kann dann vom (etwas bläulichen) Grün II nicht leicht unterschieden werden. Grün-blaue Pigmente werden bei gelblicher Beleuchtung (wegen der Intensitätsverminderung der blauen Componente) Blau-grün bis Grün erscheinen müssen. Die Ton- yeränderung eines Pigmentes, unter sonst glei- chen Umständen, ist um so geringer, je grosser seine chromatische Valenz ist.

Wenn es uns gelingt, das Gesetz der Tonveränderung der Pigmentfarben bei künstlicher Beleuchtung zu prä- cisiren, so wird es möglich sein, die Prüfungen des Farbensinnes bei künstlicher und bei Tages- beleuchtung mit einander zu vergleichen, indem man die Beizschwelle für gleich erscheinende FarbentOne bestimmt.

Aus No. 10 und 11 der Tabelle H können wir die Yalenz des Kerzenlichtes finden. Das betr. Orange (Both- orange/gelb (pikrs. Na) 21 7o) hat eine Valenz Vor= 1,20,

aus No. 10 ergiebt sich Vl = 12,5 X 1,2 = 15,0, No. 11 Vl = 10,9 X 1,2 = 13,1,

mithin im Mittel als Valenz des Kerzenlichtes Vl = 14,05.

Denken wir uns die künstliche Beleuchtung zusammen- gesetzt aus farblosem Licht (Vo) tmd aus farbigem Lichte (Vl). Hat erstere die Helligkeit des diffusen Tageslichtes, so ertheilt sie der Pigmentfarbe die Va- lenz Vp und den normalen Farbetfton. Wird das Pigment nun gleichzeitig mit farbigem Lichte beschienen, so muss der Farbenton des Pigmentes nun eine Mischfarbe aus Vp und Vl sein, die umsomehr von dem ursprünglichen

48 Bruno Eolbe.

Tone entfernt ist, je kleiner Vp im Verhältniss zu Vl ist, und je mehr der zwischenliegende Winkel im Farben- kreise sich 90^ nähert. Das entspricht völlig den Ergeb- nissen der Tabelle H und konnte von mir noch genauer experimentell nachgewiesen werden, indem ich bei diffusem Tageslicht die Pigmente gleichzeitig durch zwei hell- brennende Lampen beleuchtete, vor welche farbige Gläser entsprechend befestigt waren. Indem ich die Entfernung beider Lampen veränderte, konnte ich (bei der Anwendung eines rothen und eines gelben Glases) die neutrale Linie auf denselben Punkt rücken lassen, wie durch Kerzen- beleuchtung allein. Diese Methode dürfte geeignet sein, die Eesultate der Prüfung des Farbensinnes bei künstlicher Beleuchtung mit denen bei dif- fusem Tageslicht genauer zu vergleichen, als bisher.

Die chromatische Valenz einer Beleuchtung (Vl) setzt uns in den Stand, durch Berücksichtigung der veränderten Valenz und des geänderten Farbentones der benutzten Pigmentfarben, die für künstliche Beleuchtung erhaltenen Beizschwellen auf Tageslicht zu reduciren.

Eine einfache Methode zur Bestimmung von Vl hat daher einen gewissen Werth.

Es sei beobachtet (für zwei complementäre, im Farben- kreise rechtwinklige Farbenpaare) als Lage der Neu- tralen:

beiTagesl. beiKerzeni. Differenz für Scharlach/blaugrün

(4gr.n4-3ultr.I) 63,0 72,5 9,5 = a

für Gelb (p. Na)/Ultra-

marin I . . . . 62,0 70,5 8,5 = b-

Tragen wir a und b als Linien (in der den Achsen Scharlach -Blaugrün und Gelb -Ultramarin entsprechenden Eichtung) auf Badien des Farbenkreises auf, so ist die

Zar Analyse der Pjgment&rbeiL 49

Besultante Vl = ya* 4- b^ die chromatische Valenz des Kerzenlichtes. In diesem Falle also Vl = y 9,5* -h 8,5^ = 12,7, was mit dem oben direkt erhaltenen Werthe Vl = 14,05 genügend übereinstimmt. *)

Diese Valenz der Beleuchtung können wir mit einer für die Praxis genügenden Genauigkeit durch Construction finden. Sehr bequem hierzu ist ein Bing aus starkem weissem Carton, von 4 5 Cm. Breite und 100 Mm. innerem Badius, dessen innere Peripherie in Grade getheilt ist, während der mittlere Theil von 5 zu 5 Grad mit den entsprechenden Wellenlängen der Farben im Farbenkreise beschrieben wird. Auf die äussere Peri- pherie setzen wir die wichtigsten Fraunhofer'schen Linien und fügen, nach geschehener Vergleichung der Pigmentfarben mit den Spektralfarben, die Lage der- selben hinzu. Der ausgeschnittene Bing wird nun auf eiu genügend grosses Stück Papier gelegt, auf welchem zwei rechtwinklig sich schneidende Linien gezogen sind, die man in die Bichtung der beobachteten Farbenpaare bringt. Auf diese Achsen tragen wir a und b ab, so giebt xms die construirte Besultante unmittelbar den Farbenton und (ihre Länge) die Valenz der Beleuchtung an. [Ein solcher Farbenring ist auch zu den w. u. angezeigten Gonstructionen sehr brauchbar.]

Die Valenzbestimmung der Beleuchtung wird um so genauer ausfEÜlen, je genauer die beiden Farbenpaare com- plementär sind und im Farbenkreise senkrecht stehen. Auch muss man möglichst praevalente Farben benutzen.

*) In meiner letiten Arbeit habe ich (Enapp's Arch. f. Aug. 1883, YTTT, 2, p. 67—72) die Methode der Berechnung von Vl näher beschrieben. Die dort angefahrten Werthe sind aber su klein aasgefallen, weil das diffuse Tageslicht (IJiUhr im Decem- ber) an und für sich schon röthiich war; auch besass ich damals noch nicht so sorgfiUtig ausgesuchte complementäre Farbenpaare.

V. OrMfe'l ArehiT für OphUuüinoloKie, XXX. S. 4

50 Bruno Kolbe.

Fassen wir die sich ans den Tabellen F, 6, H er- gebenden Besultate zusammen, so sehen wir:

1. Die durch kQnstliche Beleuchtung hervor- gerufene Toiiveränderung der Pigmentfarben er- reicht ihr Maximum, wenn die Yalenzänderung ein Minimum ist, und umgekehrt. Das Maximum der Tonänderung (und das Minimum der Yalenzänderung) findet bei solchen FarbentOnen statt, die im Farbenkreise rechtwinklig zu Yl stehen, während das Umgekehrte für Farbenpaare gilt, die Yl isochrom-complementär sind.

Diese beiden zusammengehörigen complementären Farbenpaare*) können wir „die harmonischen Achsen der Beleuchtung" nennen. Sie müssen im Farben- kreise senkrecht auf einander stehen. Dieses giebt uns die Möglichkeit, einen physiologisch richtigen Farben- kreis herzustellen. (Der memige entspricht dieser Anforde- rung nicht ganz.)

2. unter den benutzten farbigen Papieren besitzt (bei diffusem Tageslicht) das Bothorange die grösste Yalenz. Dann folgt Gelb (aber nur pikrinsaures Na und das etwas schwächere Pariser Blumenpapier, während Chromgelb be- deutend schwächer ist), Scharlach, Grün II und Pur- pur n, C arm in und darauf die blauen und violeten Pigmente und die Gemengfarben (Blaugrün, Purpur- yiolet etc.). Die Yalenz der Mischfarben ist grösser als die Yalenz der Gemengfarben aus denselben Componenten.

3. Bei Mischfarben müssen wir continuirlich und periodisch (successiv) wirkende Componenten unter- scheiden.

*) Von den unendlich yielen Farbenpaaren, deren Valeni- Terhältniss durch Yl nicht yerftndert wird (indem Vp in demselben Verhältniss zu- oder abnimmt), ist nur ein einziges Farbenpaar complementftr. Das andere harmonische Farbenpaar ist das ein- zige complementäre, das seinen ursprünglichen Farbenton behalten hat (aber die maximale Valenzänderung erleidet).

Zar Analyse der Pigmentfarben. 51

3a. Für Mischfarben aus continuirlich wir- kenden Componenten gilt ohne weiteres Grassmann's Satz: „Die &rbige Intensität einer Mischfarbe ist die geometrische Summe ihrer Componenten'\ oder in unsere Ausdmcksweise übertragen: „Die chromatische Yalenz einer Mischfarbe ist die Eesultante ihrer Componenten."

3b. Für Mischfarben aus periodisch wirkenden Com- ponenten, z. B. am Farbenkreisel, gilt der Ausdruck, den Grassmann (cit. pag. 83) für die „Sättigung" der Mischfarbe aufgestellt hat, den wir jedoch kürzer und be- quemer in folgender Weise formuliren können: „Denken wir uns die Valenzen beider Componenten als Linien auf die entsprechenden Badien des Far- benkreises (vom Centrum aus) aufgetragen, und theilen die Sehne, welche beide Endpunkte ver- bindet, im umgekehrten Yerhältniss der gemisch- ten Mengen, so entspricht die Länge der Ver- bindungslinie des Centrums, mit dem Theilungs- punkte der Sehne, der chromatischen Valenz der betreffenden Mischfarbe am Farbenkreisel. (Ver- mittelst des oben beschriebenen, in Grade getheilten Farbenringes leicht durch Construction zu finden).

Nehmen wir z. B. Blaugrün (Mischfarbe aus Grün n/ültramarin I 50pCt.), so finden wir, da Grün II (V = 100) etwa 190° und Ultramarin I (V» = 63,5) etwa 295° des Farbenkreises entspricht,

a) durch Construction (s. o.) . . Vbi.gr. = 48,5

b) direct (8. Tab. F,l) .... Vbi.gr. = 49,5

oder für Purpur vi ölet (Carmin/Ültramarin 50 pCt), da Carmin (Vk = 87,6) 14° und Ultramarin (V„ = 63,5) 595° entspricht:

a) durch Construction .... Vp.v. =58,0

b) direct Vp.y. = 58,7.

4*

52 Bmoo Eolbe.

4. Mit aDgenäherter Genauigkeit können wir far die Valenz einer Pigmentfarbe bei kfinstlicher Beleuchtung die Besultante aus der Valenz des Pigmentes bei diffusem Tageslicht (Vp) und der Valenz der Beleuchtung (Vl) betrachten. Es ist dann

Vp = yV^p + Vl^ -h 2 Vp . Vl . cos. «; wo « der Winkel zwischen Vp und Vl ist).

Dieser Satz gilt um so genauer, je mehr die Intensi- tät des farblosen Antheiles der Beleuchtung sich der des diffusen Tageslichtes nähert. (Bei componenten Farben [s. 0.] treten mehr Unregelmässigkeiten auf, als bei prae- valenten, indem Componenten, welche bei gewöhnliche!; Beleuchtung unter der Reizschwelle bleiben, durch Vl ver- stärkt, oft störend wirken.)

Die Ausdrücke „Sättigung'* (Verhältniss der Menge einer reinen Farbe in einer Mischung mit neutralem Grau, resp. farblosem Licht, zu der Gesammtmenge Licht) und chromatische Valenz (specifisch tarbige Litensität) sind nicht identisch. Nur für Farben von gleicher maximaler Valenz gilt (mit einer grossen Annäherung) der Satz, dass Sättigung und Valenz direct proportional sind. *)

Ein grosser Theil dieser Ergebnisse ist, wie man sieht, nur eine Folgerung aus den in Grassmann*s *'^) klassischer Arbeit niedergelegten Resultaten. Ich weise

*) Der Zusatz von neutralem Grau bewirkt eine Valenz- vermindening der betr. Farbe, doch findet hierbei keine strenge Proportionalität statt. (Wenn die ursprüngliche Valenz zweier Farben sehr yerschieden ist, so wird die stärkere Farbe anfangs weniger gedämpft, als es die Theorie verlangt) D. Verf.

**) Grassmann: Zur Theorie der Farbenwahmehmung. Pogg. Ann. 1853, Bd. 89, p. 69—84.

Zar Analyse der Pigmentfarben. 53

um so lieber auf diese Uebereinsümmang hin, als ioh erst nach Beendigung vorstehender Untersuchungen und Be* rechnungen Grassmann's Arbeit im Original gelesen habe, wobei ich nicht wenig überrascht war, manches be- reits von ihm ausgesprochen zu finden, was ich für ein neues Resultat gehalten' hatte. Dass ich dennoch meine Beobachtungen vollständig wiedergebe, geschieht, weil meine Arbeit in manchen Stücken den experimentellen Nachweis*) für Grassmann's theoretische Annahmen bietet, und weil ich von Seiten befreundeter Ophthalmo- logen angeregt worden bin, die fttr die praktische Prüfung des Farbensinnes immerhin sehr wichtigen Pigmentfarben einer eingehenden Analyse zu unterziehen.

5. Die chromatische Valenz der benutzten Lichtiiuellen ist, wenn wir die oben angegebene Methode der Bestim- mung far genügend genau zu vorliegendem Zweck ansehen, folgende:

*) Auch Kood hat (Sül. J. 1878, XV. (3), p. 81—82) durch Experimente an den rotirenden Scheiben das Grassmann'iichf* Gesetz, ^dass die Gesammtintensität einer Miachon^ von ver- schieden gefärbten Lichtem gleich der Summe der Helligkeit (?) der Componenten sei", bestätigt gefanden. Da ich dleite Abband' long nur aus dem Referate in den Beiblättern zu den Annaleii der Physik und Chemie (1879, p. 805) kenne, indem ich da« Ori- ginal nicht beschaffen konnte, so weiss ich nicht, inwieweit Eood auf den von Grassmann nicht betouten Unterschied xwiscben continuirlich und periodisch successive wirkenden Componenten aufmerksam geworden ist.

[Helmholtz's «firbiger Stern" (Fbysiol. Optik« pag. <H1, Fig. 138), sowie Landolt's «Chromatometer" (Trait^ complet dopht. par de Wecker et Landolt 1879, T. 1, pag. 6:», Pig, 141; liefern zwar auch continuirliehe Farbenfibergtage ('letzterer App. nach absolutem Schwarz), doch ist die Zunahm« der einen Componente nicht einfach proportional der Entfenuing vom Rande. Genau würde dieses f&r einen Cylindermaat^l der Fall •sein, wenn derselbe, wie Fig. 3 zeigt, beklebt wäre. Die Ab- weidiung der Kegelbtumpfe des Furh^nmtbhen tod der tyliaAn»cheü Form ist aber so gering, da«i> der resaltirende F<rLler weit uster halb der Grenze der Beobachuingi<ftrLler bkiVt ^ Xai htrsg zu p.35. |

54 Brnno Zolbe.

Tabelle J. Chromatische Valenz der Beleuchtung.

I.

II.

il

'3

in.

IV.

s

.2

s 0

y.

VL

VIL

Yerschiebuiifi: ( (LNentralen * = V"°'

(nr=63,0) (ng=62,0)

1.6 -2.0

5,2

6,7 7,0

7,9

9,5

8^

0,8

a.5

1

Chromat Valenz der Be- leuchtung (in %) . Vl Ort im Farbenkreise (7>) Entsprechende Wellen- länge (A) etwa ....

Farbe

0

weiss

2^

3430

3^,7

Sasaer- stes

Ylolet

e,62

890

GMb- OTasge

9,03

83»

6(^4,5

Oelb- orange

10,80

85«

Ormng.

12,74

80<»

61^,7 Onnge

2.61 138«

CMb

RelativeB Verhältniss der Chromat. Valenzen . .

0,242

0,734

1,000

1,174

1,411

0,289

Die Chrom. Valenz des Sonnenlichtes ist bedeutenden Schwankungen ausgesetzt»

Von den benutzten künstlichen Lichtquellen ist das Magnesiumlicht relativ am weissesten. Bei ihm treten die brechbarsten Farben stärker hervor, als bei diffusem Tageslicht oder dem gelblichen Sonnenlicht. Die chro- matische Valenz des elektrischen Lichtes steht in einem verwickelten (umgekehrten) Verhältniss zur Stromstärke und ist natürlich auch abhängig von der Natur der gltüienden Substanzen. Während meiner Beobachtungen speiste die Siemens'sche Maschine (von 2 Pferdekraft) 21 Glühlampen (zu 18 englischen Normalkerzen), was nahezu dem Maximum ihrer Leistungsfähigkeit entspricht. Daher mochte es kommen, dass kleine Intensitätsschwan- kungen bemerkbar waren. Wenn es gelingt, die elektrischen Glühlampen mit constanten*), genau

*) Cohn rühmt das gleichmässige Brennen der im Pavillon der deutschen Edison -Gesellschaft während der Hygiene-

Zur Analyse der Pigmentfarben.

55

zu messenden Strömen zu versehen, so wird diese Lichtquelle von hoher Bedeutung für die prak- tische Prüfung des Farbensinnes werden.

Bei elektrischem Bogenlichte habe ich noch keine genaueren Beobachtungen anstellen können. Die chroma- tische Valenz desselben ist zwar geringer als die der Qlüh- lampen, doch stört die Lichtstärke.

Vergleichen wir unsere Bestimmung des Farbentones von electrischem Licht und Gaslicht mit den Resultaten einer quantitativ spektroskopischen Analyse, welche Prof. 0. E. Meyer*) kürzlich veröfiFentlicht hat.

T

Yerhältniss der Gomponenten von

I

:■!

Gaslidit: Sonnenlicht . . . .

ElektriBches Gltthlicht: Sonnen- Hcht

Elektrisches Bogenlicht : Sonnen- licht

4,07

1,00

1,481 1,00

2,09

1,00

0,43 0,62 0,99

029

0,23 0,21

- 1 0,87

0,15 0,17 1,03

1,21

Hierzu bemerkt Meyer: „Alle drei Lichtquellen sind im Vergleich zum Sonnenlicht röthlioh." Bei einer früheren Analyse dieser Lichtquellen sagt Meyer**) über den Far- benton: „Als das Photometer sich M. von der elek- trischen Lampe befand, erschienen beide Flächen gleich hell, jedoch die von der Sonne bestrahlte Flache rein

Ausstellung in Berlin 1883 aufgestellten Glühlampen, (üeber künstliche Beleuchtung. „Deutsche Viertetjahrsschr. f. öffentliche Gesundheitspflege." 1883, XV. (4. Heft, IL Hälfte), Anm. zum Schluss.

*) 0. E. Meyer: Ueber die Farbe des elektrischen Lichtes (Centralbl. f. Elektrotechnik 1883. V., p. 458—460). Yergl. Bei- blätter zu d. Ann. d. Fhys. u. Chemie. 1883, No. 10, p. 768—769. **) Mitgetheilt von Cohn (Knapp-Schweigger's Arch. f. Aug. 1879. Vni, p. 14—15).

56 Brano Eolbe.

weiss, die vom elektrischen Licht beleuchtete in einer gelblichen Orangefärbung" . . . und „Gaslicht erschien neben der Sonne orange.*' Die chromatische Valenz dieser Lichtquellen ist jedoch meines Wissens noch nicht gemessen worden.

Tn Bezug auf das Tageslicht sagt Meyer (o. Cit), dass es zur Mittagszeit mehr rothes und gelbes Licht enthielte als das Sonnenlicht, dagegen weniger Blau und Violet. In den frühen Morgenstunden und oft auch abends verhalte sich die Sache umgekehrt. Nach meinen (vermittelst des Farbenmessers angestellten) chro- mometrischen Untersuchungen ist das Sonnenlicht ent- schieden gelblich im Vergleich zum diffusen Tageslicht (bei gleichmässig leichter Bewölkung). Das vom wolken- losen Himmel reflectirte diffuse Licht ist verschieden, je nach der Stellung, welche das Fenster des Beobachtungs- raumes zur Sonne hat. Die der Sonne mehr entgegen- gesetzten Theile des Himmels lassen die brechbareren Farben etwas stärker erscheinen, die der Sonne nahe- stehenden Theile dagegen die weniger brechbaren. Aus diesem Verhalten erklärt sich's ohne weiteres, warum Farbengleichungen so wenig stabil sind.*)

6. Die chromatische Valenz einer Lichtquelle ändert sich mit der Intensität der letzteren. Dieses konnte be- sonders gut bei der direkten Bestimmung der Valenz des Kerzenlichtes (s. o.) beobachtet werden, wenn die Kerzen in der Pappröhre (Fig. 6, k) näher oder weiter zur Pigment- fläche gestellt werden.

Daher können Untersuchungen, welche bei künstlicher Beleuchtung angestellt werden, nur dann vergleichbare Resultate geben, wenn die Lichtquellen (für die benutzte Entfernung) photo- metrisch und ehromometriseh bestimmt werden.

*) Vergl. pag. 4.

Zur Analyse der Fig^mentfarben. 57

Ans diesem Grande muss ich darauf verzichten, auf die interessanten PrOfangen des Farbensinnes bei verschiedener Beleachtong welche besonders eingehend von Üohn*) und Kramer**) angestellt worden sind einzugehen.

7. Das Yalenzverhältniss der Pigmentfarben ist abhängig von der Entfernung, in welcher man sie betrachtet, und von der absoluten Grösse der Flächen. Bei den von mir benutzten Gegen&rben musste (fbr mein Auge), um ein neutrales Grau zu erzielen, der Zusatz der brechbareren Farbe vermiYidert werden, wenn ich anstatt 0,5—1 Meter etwa 4—5 M. entfernt vom Apparate war (vergl. Bull, Graefe's Arch. 1883, III. p. 85), oder wenn ich den Spalt des Diaphrag- menschiebers enger einstellte. Bei der Messung des mini- malen Sehwinkels, unter welchem eine kleine Fläche farbig erscheint, wirkt bekanntlich die Tonverftnderuog der Pig- mentfarben bei der Entfernung sehr sU^rend. Diese Ton- verftnderung ist um so grosser, je componenter (s. o. p. 13) die betr. Farben sind. Dieses, sowie die Valenzverftnderung der Pigmente (resp. aller Mischfarben) bei wechselnder Ent- fernung, ist wohl der Grund, weshalb die Donders*sche Methode, selbst bei S ^ 1, so schwankende Resultate *♦*) giebt.

8. Das Yalenzverhältniss der Pigmentfarben ist auch

♦) Cohn, 8. 0. Cit

t*) Kramer: Unters, über d. Abhängigkeit <L Farbenempf. von der Art und dem Grade der Beleachtong. Inang.-Dusertation. Karbarg 1882.

*♦♦) Vergleichende quantitatire Prüfungen nach verBchie* denen Methoden seigten mir, daM die Dondersache Formel

K = (-pv-l einen zu kleinen and L (resp. VC nach Dor) = .

einen zu grossen Werth fOr die Farbenschärfe ergiebt. Am beMteu mit der Messung des minimalen S&ttigaugsgradee (an Bull's

Tafel und am Farbenmesser) stimmte F = 0,4 I -jr- + ( j) ) 1 = 0,4-J-(l4--J). Der Verf.

58 Bruno Eolbe.

abh&ngig von der Intensität der Beleuchtung. (Für kfinstliches Licht folgt dieses ohne weiteres aus No. 6). Bei diffusem Tageslicht ist die Yalenzverftuderong der Pigmente bei Schwankungen der Beleuchtungsstärke inner- halb der Grenzen, wo S = 1, höchst gering, und kann in der Praxis vernachlässigt werden. Bei stärkeren Graden der Verdunkelung wird im Allgemeinen die Valenz der brechbareren Farben weniger geschwächt. Das stimmt mit dem von Albert (s. Eingang dies. Arb.) gefundenen Resultate fiberein.

Ich muss jedoch hierbei bemerken, dass ich bei tiefer Dämmerung das BulPsche Both zwar dunkler, aber eher forbig sehe, als das complementäre Blaugrün oder das aequivalente Blau.

9. Um die Besultate der Prüfung des Farbensinnes vermittelst der Pigmentfarben unter sich vergleichbar zu machen, haben wir Folgendes zu beobachten:

I. Man muss sich möglichst praevalenter Far- ben von gemessener Helligkeit bedienen, in- dem die oomponenten Farben in unberechenbarer Weise durch die Beleuchtungsqualität beeinflusst werden. n. Die beobachteten minimalen Beizschwellen sind durch Berücksichtigung der chroma- tischen Valenz der betreffenden Pigmente bei der benutzten Beleuchtung auf lior- malreizschwellen zu reduciren. Ist die beobachtete minimale Reizschwelle = R und die Va- lenz des betreffenden Pigmentes === Vp, so ist die reducirte Reizschwelle Rn = R . Vp. III. Bei der Vergleichung der Beobachtungen bei künstlicher Beleuchtung mit denen bei Normalbeleuchtung (diffuses Tageslicht) sind die Werthe, welche gleich erscheinen- den Pigmentfarben entsprechen, auf ein-

Zur Analyse der Pigmeutfarben« 59

ander zu beziehen. So sind die Reizschwellen fbr Purpur bei Kerzen- oder Lampenlicht mit denen für Garmin bei Tageslicht zu vergleichen, etc. 10. Die Lj^e der Neutralen (mithin die relative Va^- lenz der Farben) ist individuell verschieden. Wir können uns ein recht zutreffendes Bild von dieser individuellen Verschiedenheit machen, wenn wir eine individuelle chromatische Valenz (Vi) annehmen*), welche mit der ideellen Valenz eines Pigmentes die Besultante Vp giebt. Diese persönliche Valenz ist natürlich eine Function des Adaptionszustandes des Auges etc., also keineswegs eine con- stante. Die Grösse und den Farbenton der individuellen Va- lenz können wir erst dann bestimmen, wenn grössere Valenz^ Bestimmungsreihen verschiedener Beobachter vorliegen.

Zum Schluss möchte ich einige Beobachtungen mit- theilen, welche ftLr die Farbenphysiologie nicht ohne In- teresse sind.

Bull ♦*) sagt in seiner neuesten Arbeit über den von anderen Beobachtern gefundenen hohen Procentsatz Farben- schwacher: „Wenn aber Farbenschwftche wirklich ein so „allgemeiner Znstand wäre, wie dies von verschiedenen „Seiten angenommen wird, so würde es ja gewiss eine „schwierige, wo nicht geradezu unmögliche Aufgabe wer- „den, eine derartige Mittelgrenze (nämlich = 1 Chrom- „optrie) zu ziehen. Nach den Erfahrungen, welche ich „bisher gemacht, kann ich indessen nicht annehmen, dass „die Zahl solcher Farbenschwacher besonders gross sein „sollte. Ich habe wenigstens bisher keinen einzigen ge- „fanden, bei dem ich nicht für die vorliegende Schwächung „von C einen pathologischen Grund hätte nachweisen

*) Bnll und v. Zries erklären die individuelle Verschieden- heit bei der Farbenperception durch die verschiedene Pigmentimng der Augen.

**) Bull, Graefe's Archiv 1883, m. p. 82.

gO Bruno £olbe.

„können. Wenn Andere eine so grosse Zahl derartiger .Jndividaen gefunden haben, so kann ich den Grund dafbr ,,kaun) in etwas anderem sehen, als in einem Mangel „der Methode."

Bei einer vor Kurzem angestellten Yergleichung der Leistungsfähigkeit der bekanntesten Methoden zur Prüfung des Farbensinnes (o. cit. in Knapp's Arch.) habe ich über 800 gebildete Männer nach vielen Methoden und u. a. auch mit der BulFschen Tafel (von welcher ich ein vorzüg- liches, vom Erfinder selbst erhaltenes Exemplar besitze) wiederholt eingehend geprüft. Hierbei habe ich, wie auch schon früher, einen grösseren Procentsatz Farben- schwacher als Farbenblinder [11—12 7o F, >'0^. (d. h. VC ^ 0,8), gegen 2— 2V2 7o F. ^ 0,5] erhalten. Da ausserdem alle Grade der Farbenschwache vertreten waren, und die quantitative Prüfung Normalsichtiger sehr bedeu- tende individuelle Verschiedenheiten ergab, so glaube ich annehmen zu dürfen, dass der Unterschied zwischen Normal- sichtigen und Farbenschwachen thatsächlich ein „fliessen- der" ist. Hierin werde ich noch durch die Resultate An- derer bestärkt. So theilte mir Herr Dr. J. Stilling brieflich mit, dass er bei einer mit Prof. Donders zu- sammen angestellten Untersuchungsreihe auch eine grosse Anzahl Farbenschwacher beobachtet habe. Prof. Cohn*), der eine grössere Anzahl geübter Normal- sichtiger nach der Donders'schen Methode (mit der Weber'schen Tafel) untersucht hat, betont ausdrücklich die grosse individuelle Verschiedenheit des normalen Farbensinnes. Dasselbe fand neuerdings Waldhauer**), der nach der Baehlmann'schen Methode die untere Beiz-

*) Cohn: Quantität Farbensinn Bestimmangen. Knappe Arch. f. Aug. 1879, IX.

*♦) W. Wald haue r: Untersuchungen über die untere Ben- schwelle Farbenblinder. Inaug.-Dlssertat. Dorpat 1883. Vergl daselbst Taf. IX— XI.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 61

schwelle (minimale Intensität monochromatischen Lichtes, die eine Lichtempfindung auslöst) bei mehreren Normal- sichtigen bestimmte. Ich glaube daher, dass die Fest^ Setzung einer minimalen Beizschwelle als Massstab für die Farbenschwäche im Allgemeinen nicht thunlich ist. Nichts- destoweniger verdient Buirs Vorschlag: die Farbenschwäche in ,,Chromoptrien" auszudrücken, w^en seiner Bequem- lichkeit fbr die Praxis gewiss Beachtung, ist aber nur anwendbar, wenn die Untersuchungen bei constanter Normalbeleuchtung angestellt werden, sonst muss man stets (wie es zuerst von Baehlmann und von Donders geschehen ist) gleichzeitig die betr. Beizschwelle für ein normales Auge bestinamen, und diese zum Maassstab nehmen.

Bei diffusem Tageslicht kann icb, bei genügender Helligkeit, die niedrigste Nummer der BulFschen Tafel mit Sicherheit unterscheiden, nicht aber bei verminderter Helligkeit, oder wenn die Beleuchtung eine merkliche chromatische Valenz hat. In solchen Fällen kann ich erst die zweite oder gar die dritte Stufe genau unterscheiden. Die alsdann bei einem Farbenschwachen etwa beobachtete Reizschwelle c == 8 ist wohl kaum = 8 Chromoptrien zu setzen.

Angeregt durch Dr. Ole Bull, versuchte ich zu dem von ihm selbst als „physiologisch rein" bezeichneten Purpur U (D meiner Farbentafel) ein äquivalentes „physio- logisch reines Orün" herzustellen, was mir nicht gelang, da sich die physiologisch reinen Farben als indi- viduell verschieden erwiesen. Auf meine Bitte, mir seine Ansicht über die physiologisch reinen Farben mitzutheilen, antwortete mir Herr Dr. J. Stilling Fol- gendes (was ich mit seiner freundlichen Erlaubniss hier reproduoire):

„Sie haben ganz recht, diese sogen, physiologischen „Farben sind natürlich individuell sehr verschieden.

62 Bruno Kolbe.

„Unter „physiologischem" Roth versteht also Bull ein „solches, welches dem Normalsichtigen central roth, peri- „pher grau erscheint. Ein solches Roth kann niemals rein „sein, sondern muss blau-roth sein, weil das reinste „Spektralroth (Ealiumlinie fQr die Empfindung rein „roth) peripher immer gelblich erscheint.

,3iörin liegt also ein gründlicher Widerspruch BulPs, „weil Farbenempfindung und objective Farbe nicht ordent- „lich aiiseinander gehalten werden. Das, was für uns in „der Empfindung rein roth ist, ist objectiv gelb-roth, nur ^,ist das Gelb in so geringer Quantität darin, dass es beim „centralen Sehen unterhalb der Beizschwelle bleibt*), und 4,Hur peripher hervortritt. Anstatt nun von einem reinen ^,Both einfach zu verlangen, dass dasselbe in der Empfin- ^dung rein roth sei, verlangt B., dass dieses Both peripher „grau gesehen werde. Zu diesem Behufe muss dem Both, „was rein roth für uns ist, so viel Blau zugesetzt wer- 4,den, dass es nunmehr central kein reines Both mehr sein ^,kann. Ein solches „Urroth" müsste ja von Bothblinden „auch central Grau gesehen werden die Verwechslungs- .„farbe Bothblinder mit Grau ist aber immer Bosa, nie- „mals ein reines Both. Nur bei verkürztem Spek- „trum kann reines Both mit Schwarz ein Yer- „wechslungspaar geben, weil hier ausser der Farben- „empfindlichkeit auch die Empfindlichkeit für homo- „genes Both fehlt. Aber ein wirklich neutrales Grau „giebt auch in den Fällen letzterer Art ein Bosa, niemals ^,Both als Verwechselungston."

Veranlasst durch vorstehende Erklärung Stilling*s versuchte ich bei mehreren im Beobachten geübten Per- sonen den Farbenton zu bestimmen, in welchem ihnen die physiologischen Farben erschienen, wenn man sie von der

*) Vergl. die spektroskopische Analyse des Gar min (No. 2 Tab. A), welches central gesättigt Both, peripher Orange bis Gklb jerscheint D. Verf.

Zur Analyse der Pigmentfarben. 63

äussersten Peripherie soweit zum Centrum bewegte, dass sie farbig gesehen werden« Zu diesem Zweck wurden die, No. 18 der Tafel entsprechenden, Buirschen Farben (Originalcarton) nach B/s Angaben auf einem Kreise aus schwarzem Carton, von ca. ö Gm. Durchmesser; in Qua- draten von 10 Mm. Länge befestigt, so dass die Farben- quadrate durch Drehung der Scheibe einzeln vor die qua- dratische Oeffnung eines passend geformten schwarzen Cartonstreifens eingestellt werden konnten, ohne dass der Untersuchte wusste, welche Farbe ihm vorgelegt wurde. Das BulFsche Both (dem Farbentone nach fast identisch mit dem Purpur 11, nur dunkler und weniger gesättigt) wurde von den Meisten für ein mattes Carmin oder Schar- lach gehalten. Erst nachdem die Beobachter das Pigment central gesehen hatten, wiesen sie auf das gleichfarbige Quadrat der HUfstafel. BuH's Blau und Gelb erschienen im richtigen Farbenton (letzteres merklich heller als im Centrum). Das stark bläuliche Qrün erschien den Meisten zuerst blau, Mehreren rein grQn und Einem gelblich-grün.

Dieses Besultat steht im Einklang mit Stilling's Auseinandersetzung. Eecht zahlreiche Versuche haben mir zwar gezeigt, dass man mit nieht-physiologischen Pigmentfarben den Farbensinn ebenso genau quantitativ prüfen kann, wie mit „physiologisch reinen'', doch möchte ich ~ im Interesse der Homogenität der Untersuchungs- resultate — immerhin die EinfQhrung der Buirschen chromatoptometrischen Tafel befürworten, und kann dieses um so mehr thun, als dieselbe sich bei mir und bei Dr.- Th. V. Schröder in der Praxis gut bewährt hat, ins- besondere, wenn man die betreffenden Farben noch auf einer Hilfstafel aufsuchen liess.

Die Messung des minimalen erkennbaren Sättigungs- grades hat vor der Messung des minimalen Oesichts- winkels u. a. auch den Vorzug, dass man die chromatische Valenz der betreffenden Pigmente für die gegebene Be-

64 Bruno Eolbe.

leuohtang bestimmen kann. Die Bestimmung der re- lativen Valenz der Pigmentfarben liefert bei Far- benschwachen eine sehr brauchbare Controle für die quantitative Prüfung des Farbensinnes, und gewährt einen interessanten üeberblick über die Farbenperception des Untersuchten (ist aber nur bei intelligenten Personen anwendbar). Ob man sich zu der Messung des minimalen Sättigungsgrades bei der quantitativen Prüfung des Farbensinnes, bestimmter, fixirter Sättigungsstufen (BulFs Tafel) oder der continuirlichen Farbenübergänge (am Farbenmesser) bedient, dürfte für die Praxis bedeutungslos sein; auch hat man es im letzteren Falle ja in der Hand, durch ruckweises AuMehen des Diaphragmenschiebers, stufenweise fortzuschreiten/ Da wir die Helligkeit und die Valenz der Pigmentfarben mit einer für unseren Zweck genügenden Qenauigkeit bestinmien können, so hat eine Methode, welche es gestattet; die nöthigen Farbenübergänge jederzeit mit derselben Qenauig- keit aus frischen Pigmenten herzustellen, ohne von der technischen Vollendung des Druckes etc. abhängig zu sein, vor fertigen Farbentafeln unter Umständen einen gewissen Vorzug.

Auf eine Erfahrung möchte ich hier noch hinweisen, welche ich bei peripherischen Untersuchungen des Farben- sinnes gemacht habe. Die Resultate derselben sind be- kannüich sehr schwankend, was zum Theil seinen Qrund in der Schwierigkeit hat, die Blicklinie festzuhalten. Nach- dem die Anwendung kleiner Spiegel (zur Fixation des Spiegelbildes der Pupille) sich nicht bewährt hatte, indem die getheilte Aufmerksamkeit eine Fehlerquelle bildet, ver- suchte ich eine andere Methode, welche befriedigendere Resultate gab. Die Achse des Perimeters wurde durch- bohrt und vorne (zum U. zu) mit einem weissen Faden- kreuz versehen, das der Beobachter zu fixiren hatte, während ich selbst von hinten durch die Achsenöffhung

Zur Analyse der Pigmentfiirben. g5

die BlicUinie des Untersuchten controlirte und nur solche Beobachtungen notirte, wo dieselbe fest geblieben war. (NatOrlich wurde durch eine entsprechend grosse, hinten auf die Achse geschobene schwarze Pappscheibe, mein Gesicht verdeckt) Die so erhaltenen Besultate stimmten noch am besten überein.

üeber die Anzahl der vom normalsichtigen Auge unter- scheidbaren Farbenntkancen herrscht eine bedeutende Mei- nungsverschiedenheit. Während z. B. Aubert (Pflüger's Arch. f. d. ges. Fhys. 1883, Bd. XXXI, pag. 231) ein paar Millionen angiebt, l&sst Donders (Oraefe's .Arch. f. Opht. 1881, I. p. 158) nur 5-, höchstens 6000 gelten. Eine rohe Abschätzung können wir in folgender Weise vornehmen. Wir denken uns die Farben nebst ihren Schattirungs- und Sättigungsstufen eine Farbenkugel vom Badius = 100 ausfüllend (Bunge*s Farbenkugel), und bestimmen das Körperelement, das von den minimalen, unterscheidbaren Differenzen von q>y 9, v (Farbent^n, Sätti- gung und Helligkeit) gebildet wird. Bezeichnen wir die- selben mit J ^^ J q^ J %, so giebt das Volumen J <p . J Q . J V einen Massstab ab. Nach meinen Beob- achtungen ist bei guter Beleuchtung durch diffoses Tages- licht fbr Figmentfarben, im Durchschnitt bei verschie- denen Personen z/ 9 = 2,6, z/ ^ = 3,0, z/ t = 1,8 (wenn die zu difforencirenden Farbenflächen sich berühren). Die An- zahl der unterscheidbaren Nuancen ist denmach ohngefähr

_ Inh. d. Kugel _ 4 100^ n __ «- qcwv.

~ ^9 . ^^ . ^T ~ T 2,5 X 3 X 1,8 "" "^^ "^^^ für gewöhnliche Pigmentfarben (fisurbige Papiere), dürfte aber bei der Anwendung von Farben grösserer Valenz bedeutend steigen.

Das Ziel, welches ich mir bei vorstehender Arbeit ge- steckt habe, ist die Analyse der Pigmentfarben unter den bei der praktischen Prüfung des Farbensinnes auf-

T. CkMfe'i AroliiT für Ophtbalmoloffiey ZXX. B. 5

66 Brano Eolbe.

tretenden Verhältnissen. Daher habe ich den Ein- flnss der minimalen (resp. der maximalen) Intensität der Belenchtong anf den Farbenton und die Intensität der Pigmentfarben, nicht in den Ereis der besprochenen Fra- gen ziehen kOnnen, und verweise auf die einschlägigen Arbeiten von Aubert, Chodin, Landolt, Charpentier, Albert, Gohn u. A.

Den Herren Dr. J. Stilling in Strassbnrg, Dr. Lan- dolt in Paris, Prof. H. Gohn in Breslau, und insbesondere dem Herrn Prof. H. An her t in Bestock, sage ich hiermit fftr die liebenswürdige ünterstQtzung durch literarische und sachliche Winke meinen herzlichen Dank!

St. Petersburg, Januar 1884.

B e*r i c h t i g u n g e n.

las

In der Tontelienden Arbeit mnas es 1. auf p. 24 (Zeile 15 von nnten) anstatt

_ 100.(90.1)»t

richtig heiflsen:

_ 100e»\_ ~ (90,1)»/ -

2. Auf p. 41, No. 14 in der VI. Colonne moss es anstatt 55g0 richtig heissen: ftOt4*

Der Verfasser.

Erklftrang der Abbildungen.

Fig. 1. A Farbemnesser (aufgerichtet, nnd ohne den schwarzen Schirm mit Diaphragmenschiebem). E, o. K, Eegelstompfe; S' rotirende Scheibe; R Schwnngrad. B Oestell mit dem FarbenkreiBe (F). C Spektroskop (die schwane Kappe ist fortgelassen). 81, s,, s, Spalte; o Ocnlairohr (ohne Gläser).

Fig. 2. Botirende schwarz-weisse Scheibe, b (Weisser) Doppelsector.

Fig. 3. Farbenmantel sn den Eegelstnmpfen des Farbenmessers.

Fig. 4. Modifidrtes Photometer (nach Rnmford nnd Bertin-Sans). R = Rolle, dnrch deren Drehung der Faden auf- gewickelt nnd der Leuchter herangezogen wird. E = Eiemme zum Beteti^n des Cartons.

Fig. &. Schattenwerfender E0rper zum Photometer (nat. Grösse).

Fig. 6. Apparat zum direkten Vergleich des Farbentones von Pigmentfarben bei diffosem Tageslicht und künstlicher Beleuchtung.

81 Vertikaler (seitlich um 45 <^ ge-\

drehter I ,,.•. ,

8, nach unten im Winkel Ton 46« ( »"»«^lei:«*'

geneigter '

R rotirende Farbenscheiben, Ton denen das Licht

durch S] in das Visirrohr (0) idlectirt wird); E innen geschwärzter Pappkasten;

5*

68 Bnrno Kolbe.

1 Oefbmng zum Emschieben der fEffbigon Papiere c Oeffiinng, durch welche das Licht yom künstlich beleuchteten Pigment durch s, in (die unten Hälfte) des Yisinrohres (o) reflectirt wird; b yerschiebbare Oeffiiung ttber den Lichtkerzen.

Pig. 7. Farbenscheibe zur leichteren Bestimmung der Neutralen. Radius = 7 Gm. Jeder äussere Sector ist um SpOt (^100 der Peripherie) mehr ausgeschnitten, als der vorher- gehende. Die Hohe » 1 Cm. (Beim Qebrauche wird diese Scheibe mit dem ausgezackten Rande über die andere geschoben).

Ueber nonoale Sehsohftrfe

und die Beziehungen der Sehschärfe zur Befraction.

Von Ober-Stabsarzt Dr. Seggel in München.

Hierzu Tafel II (Schema I u. Schema II, Cunren).

Man hat sich jetzt so allgemein daran gewöhnt, von einer normalen Sehschärfe als einem feststehenden Begriff zu sprechen, dass sogar in gesetzlichen Bestimmungen, wie sie z. B. die neue deutsche Bekrutirungsordnung bezüglich des Einflusses der Sehschärfe auf die Militärdiensttauglich- keit festsetzt, eine normale Sehschärfe und Bruchtheile derselben als ünterabtheilungen angenommen werden, ohne dass man sich gleichzeitig darüber ausspricht, welcher Grad von Sehschärfe als der normale zu gelten hat.

Bs haben sich nun aber weder die Ophthalmologen unter sich, noch diese mit den Physiologen hierüber voll- ständig geeinigt, denn der Sehwinkel von 5', den Snellen seinen Druckproben zu Grunde legt, ist lediglich ein conventionelles Mass, und wenn wir bisher gewohnt waren, ein Auge, das Snellen's No. XX auf 20 Pariser

Fuss liest, da mit S = -^ ausgerüstet, als ein normal- sichtiges zu betrachten, so sind dagegen schon mannig-

70 Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

fache Einwendungen erhoben worden, nachdem recht hftnfig die üntersnchungen jugendlicher guter Augen einen viel höheren Durchschnittswerth for die Sehschärfe annehmen Hessen. Ich sehe natürlich vorläufig noch ab von den anderen mit den Snellen*schen nicht genau correspon- dixenden Sehproben, welche ebensowohl den Anspruch machen kOnnen, das Mass f&r einen normalen Sehscharfe- grad zu geben.

So hat schon Prof. H. Gohn im Jahre 1871 in seiner besonders noch in anderer Richtung interessanten Ab- handlung: „Die fie&action der Augen von 240 atropini- sirten Dor&chulkindem" Beobachtungen über eine ganz ausserordentliche hohe Sehschärfe der Einderaugen be- richtet und über nicht minder und insbesondere auch durch ihr Mengenverhältniss überraschend hohe Grade sind vom Ober-Stabsarzt Burchardt in der „Deutschen militärärztlichen Zeitschrift**, Jahrg. 1873, ps^. 627 noch eingehendere Mittheilungen gemacht worden. Derselbe hat die Augen von 237 Artilleristen, also jugendlicher aber erwachsener Leute untersucht, wie dies auch Stabsarzt Goedike that, der 180 Rekruten eines Infanterie-Bataillons prüfte und uns das Resultat in der eben genannten Zeit- schrift, Jahrg. 1876, pag. 464, mittheilt.

Ausser von den drei genannten Forschem wurden meines Wissens eine grossere Reihe exacter Unter- suchungen nicht gemacht, wenn ich von denen absehe, welche von Vraesom de Haan und Donders gemacht wurden und Snellen für Herstellung seiner Sehproben als Grundlage gedient haben. Von diesen letzteren diffe- riren nun die Resultate Gohn*s, Burchardfs und Goedike's ganz wesentlich, wie sie unter sich selbst auch nicht übereinstimmen, ausserdem dürfte aber auch durch- weg die Zahl der untersuchten Augen keine genügend grosse gewesen sein, um daraus bindende Schlüsse zu ziehen.

Ueber normale Sehschärfe etc. 71

Nachstdem hat nan Mauthner*) in seinen Vor- lesongen über die optischen Fehler des Auges den Wunsch ausgesprochen, dass durch eine grosse Anzahl von Be- stimmungen der Winkel genau festgesetzt werden sollte, unter welchem ein normalsichtiges Auge einzelne Punkte differenzirt, und ebenso empirisch festzustellen, unter welchem Winkel zusammenhangende Schrift und einzelne Buchstaben erkannt werden. Letzteres Postulat zu er- fallen, d. h. mit Schriftproben Sehprüfungen im grösseren Massstabe vorzunehmen, fdhlte ich mich schon Iftnger gedrungen; nachdem es sich bei den mir zu Gebote stehenden Mitteln selbstverständlich nur um eine empi- rische Feststellung der Sehschärfe handeln konnte, mir aber hierzu wohl als Militärarzt die beste Gelegenheit geboten war. Besondere Veranlassung war mir noch ge- geben, als mir die Aufibrderung war, in dieser Bichtung in der militärarztlichen Section der hier abgehaltenen Natur- forscherversammlung einen Vortrag zu halten, welcher, wie ich jetzt gleich bemerken will, ein kurzes Resumö dieser Arbeit mit besonderer Bezugnahme auf militärische Inter- essen gab.

Mein Bestreben hatte sich nun, als ich an mein Vor- haben schritt, dahin zu richten, bei dem mir von Seiten der Dienststellen mit grOsster Bereitwilligkeit zugestande- nen reichlichen Material eine möglichst grosse Anzahl von Leuten in dem hierfttr günstigsten Lebensalter zwischen 20 und 25 Jahren nach einer einfachen und doch zu- verlässigen Methode zu untersuchen und hierbei genügend

*) Manthner war in Innsbruck, wo er sich mit den Augen der Tyroler Bergbevölkerung beschäftigte, noch sehr geneigt,

normale S höher als yy «^zunehmen, vergl. seine Vorlesungen

über die optischen Fehler des Auges 1876, p. 139. Jetzt unter dem Eindrucke der Augen der Wiener Stadtbevölkerung kommt er zur Ueberzeugung, dass ein höheres Mass als das Snellen*sche, an das Minimum der Normalsehschärfe nicht gelegt werden kann.

72 Ober-Stabsanst Dr. Seg^geL

genaue, nnter sich leicht vergleichbare Zahlenwerthe zu erhalten.

Bei dem zunächst vorwiegenden müit&rischen Interesse drftngte sich mir auch die Frage auf, ob ich nicht an Stelle der Sehschftrfe mit Correctur allenjhllsiger Ametropie die des nicht adaptirten Auges, die sog. modificurte Seh- schärfe oder, wie es Nagel recht passend bezeichnet, Distinctionsfthigkeit prüfen sollte, da letzterer eben in militärischem Sinne grösseres Interesse entgegengetragen wird und deshalb auch von meinen beiden obengenannten militärischen Vorgängern als Maassstab angenonmien wurde. Allein abgesehen davon, dass ich schon aus dem Orunde die Sehschärfe stets mit genauester Correctur der Ame- tropie bemessen musste, um dem oben ausgesprochenen Desiderate nachzukonmien, glaubte ich auch, wie ich an anderer Stelle zeigen werde, dem besonderen militärischen Interesse besser zu gentigen, wenn ich mich an die wissen- schaftlich exacte Methode hielt Nächstdem Überzeugte ich mich auch schon im Beginne meiner Untersuchungen, dass neben der Sehschärfe auch die Eenntniss der Befrac- tion und die Beziehungen dieser zur Sehschärfe an Inter- esse gewinnt, woher es denn kam, dass gar vieles noch in den Bereich meiner Untersuchungen aufgenommen wurde und eingehendere Berücksichtigung fand, was ich a priori in der Absicht, ein möglichst quantitatives Ergeb- niss zu erreichen, unbeachtet lassen wollte.

Von Gorrectionsgläsem wählte ich die Burow'sche Reihe mit einem Befractionsintervall von Vi>o « 0,33 D, das schwächste Glas also hatte + oder 120 Zoll Brenn- weite. Die empirische Beihe der gebräuchlichen Brillen- kästen entsprach mir aber anderseits zu wenig genauen Anforderungen, nachdem mich schon vorbereitende Prü- fungen überzeugt hatten, welch' eine beträchtliche Quote von Sehschärfe sich hinter einer solch minimalen Myopie Vi9o versteckt und wie deren Vorkonmien ein gar nicht

Ueber normale Sehschärfe etc. 73

seltenes ist. Auch fand ich recht bald, dass die geringen Hypennetropiegrade bis zu Viso bei dem gaten Willen und genfigender Intelligenz der nnteisnchten Leute sich mit Bestimmtheit optometrisch feststellen Hessen.

Bei der Wahl der Probeobjecte hatte ieh nur zwischen den Snellen'schen Probetafeln von XX— C und der ]. Tafel der Burchardt*schen internationalen Sehproben mit den Distancen 51, 25 Vs und 19 Fuss zu entscheiden. Bei den ersten Probeversuchen benutzte ich zunächst die Snellen- sche Tafel und zwar die der deutschen Ausgabe von 1873 mit gothischen Lettern, weil die Mehrzahl unserer Soldaten die romischen nicht oder wenigstens nicht geläufig lesen kann.

Den Snellen*schen Leseproben gab ich erstens schon deshalb den Vorzug, weil sie nicht nur aberwiegend im Allgemeinen, sondern auch besonders bei wissenschaftlichen Bestimmungen zu Grunde gelegt sind, zweitens aber auch, weil ich S auf grössere Entfernung und in verschiedenen Distancen prüfen wollte. Hierfür standen mir aber bei den Burchardt'schen Proben nur Punktgruppen fttr drei Distancen und fdr jede einzelne Distance wieder zu wenig Punktgruppen zu Gebote, auf die Distance von 60 M. » 51' gar nur eine einzige, während die Snellen*sche Tafel hier schon 4 Zeichen hat. Bei Massenuntersuchungen wird die Anzahl der Tüpfel den Leuten überdies bald bekannt und lässt sich kein reines üntersuchungsresultat erzielen.*)

Einmal war ich geneigt, doch den Burchardt'scheo Proben den Vorzug zu geben, als ich mich überzeugte, dass die Ergebnisse bei der Snellen*schen Tafel für die verschiedenen Distancen recht häufig nicht congruent sind, ein Uebelstand, den ich von den B.'schen Proben bei

*) Die neneste Ausgabe der Barchardfschen intemationalea Sehproben von 1883 hilft diesem üebelstande allerdings in zweck- entsprechendster Weise ab, doch ist das weiter unten Bemerkte auch für die neue Ausgabe zutreffend.

74 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

ihrer mathematisch geDauen Construction nicht erwartete, mid ich hätte dami sogar davon abgesehen, dass der Ge- sichtswinkel von 245 Minuten, den B. für Unterscheidung zweier Punkte von normalsichtigen Augen zu Grunde l^t, dem, den Sn eilen für das Erkennen von Buchstaben, be- ziehungsweise deren Linien und Interlinien, nämlich einen solchen von 5 bez. 1 Minute angenonmaen hat, nicht adäquat ist.

Mauthner hat schon diesen üebelstand urgirt und hierüber in seinen Vorlesungen bemerkt, dass, wenn es auch richtig ist, bei Differenzirung von Punkten nicht von einem Winkel von 1' auszugehen, doch der von B. zu Grunde gelegte Sehwinkel zu gross ist.

Die Ursache, warum Snellen's Probebuchstaben auf die verschiedenen Distancen häufig nicht congruente Re- sultate gaben, liegt ja bekanntlich darin, dass die Bach- staben nicht alle so gewählt werden konnten, dass zum Erkennen derselben stets die gleiche Sehschärfe erforder- lich wäre, ein Vorwurf, der besonders die deutsche Aus- gabe mit den gothischen Lettern trifft, während die Difife« renzen bei den römischen mehr quadratischen Buch- staben — weniger relevant sind. Allein wie schon be- merkt, stand mir die Wahl zwischen diesen beiden nicht frei.

Bald fand ich jedoch bei meinen zwischen beiden Leseproben, den Snellen*schen und Burchardt^schen, ver- gleichenden Versuchen, dass die Incongruenz des für S auf die verschiedenen Distancen gefundenen Werthes den letz« teren ebenso und fast noch in höherem Grade zur Last flült.

Nebenstehende Tabellen werden dies am besten ver- anschaulichen, zunächst zeigt Tabelle L, welche das Re- sultat der bei 123 Mann angestellten Sehversuche ergiebt, wie S je nach der Wahl der Probenummer bez. Buch- stabengrösse zwischen No. XX, XXX und XL auflällig häufig

lieber normale Sehsch&rfe etc. Tabelle L

75

1

Es wird gelesen

a

0

&

Es wird gelesen

JB

s

Snellen No.

So

o

Snellen No.

P

OQ

ä*

&

3Q

1

1

s

XX XXX XL

XX XXX XL

s

au

fFi

188

1

an

f Fl

ass

1

1

27 26

36 35

24 23

50 45

s

25 24

34 35

28

32

22

50

25

25

2

23

35

24

50

25

24

3

24

33

22

46

23

23

36

30

40

26

56

28

28

4

26

39

26

50

25

26 21 16

37

38 39

25

20

36 30

24 20

46 40

23

20

24 20

5

23 16

30 24

20 16

40 36

20 18

6

27

36

24

45

23

24

7

21

31

21

39

19

21

40

30

41

28

60

30

29

8

20

25 17

32

16

18

41

22

28

19

43

22

21

9

27

42

28

54

27

27

42 43

44 45 46 47

48

23 24

30 24

20 16

45

45

22 23

22 21

10

21

18

81

27

21

18

50 36

25'22

18 18

11

27

33

22

46

23

24

12

20

30

20

40

20

20

22 12 10

30 20 15

20 14 10

42 26 20

21 13 10

21 13 10

13

23

36

24 46

23

23

M0D06.

14

26:36

24;46<23l

24 24

15

26

32

21:50

25

23

33

22

50

25

23

16

25

33

22!46

23

23

49

21

30

20 50

25

22

17

21

33

22 44

22

22

50 51 52

53

21

32

21 42

21

21

18

18 1 27 1 18 ! 36 , 18

18

25 32 23 28

21 18

45 49

23 25

23 22

19

25

20

40 27

27

18

50 40

25 20

19

20

26"

36

24

50

25

25

21

28

36

24

47

24

25

54

26

33

22

40

20

23

Monoc

22

18

23

16

32

16

17

55

23

32

22

50

25

24

23

28

35

24

50

25

26

56

21

28

18

40

20

20

MV«o.

34

18

28

18

40

20

19

57

20

31

20

45

23

21

25

27

36

24 52

26

26

58

27

35

m

45

22^

24

26

26

33

22

50125

24

59

26

35

m

45

22)^:24|

27

19

27

18

36118

M

60 61

23

30

31 42

m

28

45 60

30

,22

,29

38

24

33

22

42

21

22

39

17

27

18

38

19

18

62

24

32

22

40

20

22

30

20

30

20

40

20

20

63

19

29

m

45

m

21

31

27

36

24

42i21

,9il

64

26

38

26

50

251

.26

32

22

32

22

45!22 22

65

23

26

18

30

15

19 1

!^^

19

27 18 1 36 18 II 18

66

23

33

22

45 j'jzjä

1

76

Okcrfitakant Dr. atggO.

iiz

Bi wM gdetea SbeOeB Xo.

3 .XX XXX 1' «f

XL

f ä

5 s

* t

67 21

25 16 40 20

19

68^25 «9;25

37 24 51 26 36 24 ^ 25

25 25

EsvM

XX

XXX XL

5t

1i

70 ^ 18 24 16 39 20 18

71 [ 20 30 20 50 25 22 72; 20 32 22 45 22 21 73 » 31 I 30 20 50 25 23

74

^

33

22

45

23

2)

75

23

28

18

36 18 20

76

J22

33

22

43 22 . 22

77

122

30

20 1 40 ! 20. 21 ,

78

22

33

22 1 44 1 22 : 22

79

18

31

21

45 1 23, 20

80

23

32

22

45 23 ;. 22 ;

81

27

32

22

42 1 21 , 23 .

82

24

32

22

44 22 23

83

24

30

20

40 20 , 21 1

84

23

34

22

42

21 22 i

86

24

30

20

45

23! 22 !

86

15

23

16

31

15 :; 15 i

87

23

30

20

50 . 25 23 1

36 ; 18 ! 19

88

20

30

20

89

31

40

26

55 1 28 li 38

90

15

25

16

30 i 15 II 16

91

23J^

35

23^,

45 1 23 II 23

92

20

30

20

40 1 20 II 20

93

21

30

20

42 1 21 ii 21

94

20

30

20

40 1 20

20

95

18

27

18

35 18

18

96

17

38 1 19

18

97

23

38

26

50 1 25

25

98

17

24

16

__ 1 __

m

99 21 33 22

100 21 32 22

101 26^ 35 24

102 26 40 26

103 26

104 20

45 22^ ^

50 25 23

90 25 25

50 25 ^

35

30

24

20

25 40 20 20

105 20 30 20 40 20 20

106 33 48 32 33

107 15 30 25 15

108 26

109 20

110 20

35

30 30

24 20 20

50 16 ^ 50 25 22 40 20 20

111 28 32

112 28 34

113 20 30

22 22 20

50 25 ^ 45 23,24 40 20 20

114 22 f 30

115 18 : 24

116 35 ' 35

20 16 24

50 . 25 22 36 , 18 17

117 20 ! 30 , 20 40 20 '20

118 15 ; 24 ' 16 ; 30 I 15 15!>

119 30 I 42 I 28

120: 20 t 24

121,. 18 122! 32 123

25 45

Sa

16 16 30

60 ; 30 I29)c»

36 I 18 " 18 '

40 20 64 : 32

18 31

2781 13788 :119i 22s i 215s

121^ - 1 - i 25 1 ig^;m.

5194; :119i 27501.

22^1 (44)

S =

22

Ueber nonnale Sehschärfe etc. 77

einen verschiedenen Werth annahm. Die Versuche sind mit intelligenten Leuten gemacht, deren Angaben in jeder Beziehung als zuverlässig gelten können.

Bei No. 1 dieser Tabelle sehen wir z. B., dass die

27 36 50

Seli8chftrfe«=^,dann=;^^^ und endlich = ^gefunden

wurde. Die den letzteren beiden Werthen in der Tabelle beigesetzte Zahl (Golonne 4 und 6) giebt den auf 20tel

reducirten, Werth== = ==; ^ ^yv- Gehen wir weiter

die Beihen durch, so finden wir von den 123 untersuchten nur bei 40 den einfach unterstrichenen Beihen also nur bei dem dritten Theile einen fBr die drei gewählten Distancen gleichen oder nahezu gleichkonunenden, nicht mehr als V>o Differenz zeigenden Werth, in allen übrigen variiren die Werthe in mehr oder weniger hohem Grade. Die grOsste Incongruenz zeigen 2 (doppelt unterstrichene)

Falle, No. 48 und 116, wo die Werthe ^ und vvv^'xx

35 35 24

ferner:^ und .f^^^=^ gefunden wurden,SnellenNo. XXX

also auf keine grössere Distance als No. ix gelesen wurde. Ausserdem differiren noch zwei weitere nicht unerheblich,

u j- TXT ^1. /xr Q>i\ 28 32 22 , 50 25 wo sich die Werthe (No. 34) vv» vvy ^'xx XL^^

dann (No.44)g, ^=Snnd^=g ergaben, also

5 6

eine Differenz von ^ und ^ bestand.

Im Allgemeinen aber ergab sich, dass zwar fOr die Probe XX der höchste, fttr XX der geringste und XL ein mittlerer Werth von S gefunden wurde, sich diese jedoch nicht sehr erheblich differenzirten. Summirte ich nftmlich die drei Beihen L, 11. und UL und dividirte jede einzelne mit der Anzahl der Untersuchten, so erhielt ich als Durch-

78 Ober-StabsarEt Dr. Seggel.

schnittswerth fBr Probe XX S = ^£, für Probe XXX S=

31 44

™^ und ffir Probe XL S = ^r* Beducirt man diese letz- teren beiden Werthe auf 20tel, so stehen sich für die drei ausgewählten Buchstabengrössen die Werthe

22V3 21V» A 22 XX ' XX XX

gegenüber. Die Ursache, warum bei Probe XXX durch- schnittlich ein geringerer Grad von Sehschärfe gefunden wurde, der in zwei oben angefahrten Fallen sogar ein exedirender war, lag vorzugsweise in der Schwierigkeit, die Buchstaben s und 1 zu erkennen, also nicht in der Buch- stabengrGsse, sondern in deren Form. Bei Probe XX wurde der dritte Buchstabe "e relativ am schwierigsten gelesen vom Buchstaben z habe ich völlig abgesehen, da er selbst von besseren Augen schwer erkannt wurde bei Probe XL waren es die beiden letzten Buchstaben w und k. Ich bemerke jedoch ausdracklich, dass auch diese schwie- rigeren Buchstaben, mit einziger Ausnahme des z, auf die eingetragenen Distanzen wirklich gelesen wurden.

Die gleichen Versuche machte ich nun bei 107 Mann mit den Burchardt*8chen Proben, deren Resultate Tabelle ü. giebt. Diese zerfällt in zwei Abtheilungen, in beiden giebt Golonne L, ü., ni. an, in welcher Entfernung die Punkt- gruppen, welche auf 51, 25V» ^^^ ^^ ^z- 16, 8 und 6 M gezählt werden sollen, von jedem einzelnen Manne wirk- lich gezählt wurden. Bei No. 1 ist z. B. zu ersehen, dass No. 51 auf 72, No. 257^ nicht nur auf 36, sondern sogar auf 40 und No. 19 wieder nur auf 24' gezählt wurde, ein übrigens gar nicht einmal sehr varürendes Resultat, da

sich hier ^, ^ und ^ gegenüberstehen. Otehm wir nun

hier die Beihen durch, so finden wir nur in 27 (unter-

üeber normale Sehsch&rfe etc.

79

nen) Fällen, also nur bei der untersuchten, die gewünschte Congruenz der Formeln für S auf die ver- schiedenen Distanzen, obgleich hier eine Differenz von

2

^ noch unberücksichtigt blieb. Ausserdem sind einzelne

Differenzen noch sehr beträchtlich, so z. B. bei No. 16:

90 48 , 23 T^ ^. 70 40 19 T^ ,^

51' Wh ^* ^" 19' N^- 24: gj, 251^, j^; No. 100:

75 35 18

Am wesentlichsten ist die Differenz zwischen

5r25Vs'19'

der 2. Probe, die auf 25V2' und der 3., die auf 19' ge- zahlt werden soll. Während man nämlich bei der ersteren fast constant einen höheren Werth für S bekommt und zwar vorwi^end noch einen höheren als für Probe 1 (510i ist der für die letztere (3.) aus drei Punktgruppen zu- sammengesetzten Probe gefundene Werth von S meistens

Tabelle IIA.

i\

Yoa

Bnreliardt'a

Proben wird

gMfhlt

I II No. I No. I No.

I 51 I »V. I "* II auf Fuw

2r

all

4

5

6

7i

8

9

10 11

L

II.

III.

72

40

24

32

ao

11

90

52

32

64

30

18

90

45

26

51

33

22

68

36

21

86

40

25

45

27

18

65

39

24

70

40

24

0

IV.

24 16 27 20 26 2S 18 28 18 28 30

'A

rvi.

5

6 9

12 14 16 18 21 24 34 40

Von

Barehardt*a

Probon wird

goilhlt

No. No. No.

51 I 95«/« I 19

anf FoM

70 68

81 90

52

42 55 70

IL in

29 37 38 46

48

30

26 31 24

18 23 24 23 23

18

31

18

2Q!j

20

IV.

27] 23 25

J7l 1!

21

IV.

44 48 51 52 58 63 68 73 76 77

80

Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

Von

Barehardt*!

Proben wird

gMiblt

No. No. No.

61 |«6»/, I 19 auf Fum

Von

BnrehArdt'i

Proben wird

gealUt

No. No. No.

51 \»%\

enf Fqm

I

23 23 2^ 25 26 27

30 31 32 33 34

35

36 37

70 70

100

70 60

65

73 67

46 60 40

90

50 80

n. in.

44 40

44

87

30

41 20

40

28 29 17

48

44

19

31

311128

22

20

90 62 85 60 85 100

27

15

31 24

2^125 20 20

16 18 12

Sa.

:43

in

2914

32

20 117

15)^118

J^'ll9

n.

51 29 40 27 40 50

1549

ST

m.

30 18 21 20

IV.

25 24 29 27 23

VI.

74

35

123

964 22,4

100C972

XX

M

23

XX

XX

26,05 XX

17

18 |121

23 87

TabeUe HB.

s

Von B.'8 Proben {jg werden gezählt «;§

SB f

»

1

Von B.'8 Proben werden gezählt

n

1

No. No. No. gl

51 26» 19 %t

auf Pubs « ^

No. No. No.

51 25)i 19

auf Fu88

1

44

I. 100

n.

50

m. II IV.

30 1 31

51 52 53 54 55 56

I. 70

IL 35

IIL 24

IV.

35 30 25

45

60

36

16 II 24

76

38

27

46

27

70

29

35

17 II 26 25 1 24

60

33

15

47

90 80

45 40

25 30

35 30

48

60

30

19 II 24

49

66

33 1 24 II 24

60

31

22

22

50

70

35 24 1 24

1

Ueber nonnale Sehsclülrfe etc.

81

&

Von R's Proben

ÖS , §

1

Von B.'s Proben

S1

1

werden gezählt

II

'S

1 S'

1

werden gezählt

•'S

OQ ^

8

1

No. 51

No.

m

No. 19

No. 51

No.

m

No. 19

M

B

&

auf Fnss

Ä^

iS

fc

anf FuBB

&

I.

u.

m.

IV.

L

IL

m.

IV.

67

60

33

21

20

91

70

30

22

19

58

.^-

24

14

20

92

93

94

95

96

97

98

99

100

101

102

103

104 105 106

107

87 87 66 68 50 70 75

40 50 41 36 30 30 40

26 35 25 23 20 19 27

25 23 23 23 19 20 31

59

1 46

23

18

19

00

60

31

20

25

61 62 63 6i 65 66

70 60 62 62 54 45

33 37 30 41 31 22

21 24 21 24 20 17

20 30 26 23 21 21

77 75

40 35

19 18

25

29

68 75

30 40

18

28

20 27

67 68

70 46

80

39 27 43

24 17 27

27 17 25

60

75

40

28

24

70 71 72

70 75 90

30 30

48

20 22 31

26 23 27

60

102

80

36 51 39

24 32 27

24 30 29

73

70

70

31 30

24

21

1 28 21

64

34

19

26

74

Sa.

4636

2347

1539

159Ö"

^""

75

76

75 90

31 37

23 26

30 30

:64. ii

= 725^

36%,

24

24%

77

70

25

16

16

20teli|

Sa. A. Sa. B.

28,4

28,8

25,3

24,84 XX

78

66 70

30 30

22

20

20 20

XX

XX"

XX

79

80 81

75 71

45 37

32 22

27 25

2914

1549

964

1000

82

83

83

85

45 42

32 29

24

24

4636

2347

1539

1590

IM :107

io SOUbi

7550 70!^

3896

m

2503112590

84 85

53 63

30 37

18 27

24 27

86

87

85 122

42 62

29 47

23 32

27,65

28,5

24,6

24,2

1 V"V

XX

XX

YY

88 89 90

75 116 112

44 53 62

24 38 40

25 24 29

27 XX

24 XX

T. OrMfe*a Archiy Ar Opbthalinologle, XXX, 8.

82 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

auSällig klein. Besonders die ans 6 Tüpfeln bestehende Grnppe links unten wurde schwer gezählt und erforderte grossere Annäherung. Dies Verhältniss zwischen den drei Distanzen stellt sich dann auch heraus, wenn man die Columnen L, U. und III. einzeln summirt und durch die Anzahl der Untersuchten dividirt. Als Durchschnittswerth von S für die grOsste Punktgruppe erhält man nämlich

-^~, für die zwei mittleren Punktgruppen ^^ und für

232/e die drei unteren -r^. Auf 20tel reducirt, resultirt fBr

Gruppe I. S = ~^~-

27 (26 92) somit ein Mittelwerth von yv

Columne IV. giebt die Sehschärfe desselben Indivi- duums nach Snellen mit Probe XX (gothische Lettern) gemessen, für 43 Fälle habe ich noch eine Columne V. angefügt, welche den Mittelwerth von S zwischen den Snellen'schen Proben XX, XXX und XL angiebt; als sich jedoch herausstellte, dass die auf die Einfache berechneten

231/. 23

Summen von Col. IV. und V. : -^u- nnd ^^ ^^ unwesent- lich differiren, sah ich bei den weiteren Untersuchungen von diesem Mittelwerthe ab und führte nur noch Col. IV. fort, welche mir zugleich ein erwünschtes Vergleichsobject mit der nebenstehenden Col. III. gab, in welcher die bei Burchardt's 3. Probe gefundene S eingetragen ist. Die Distanz zwischen letzteren beiden Proben Sn. XX und B. 19^ differirt zwar um 1', diese bieten jedoch das günstigste Vergleichsobject, nachdem für B.'s Probe auf 257»' keine

Ueber normale Sehschärfe etc. 83

analoge Snellen'sche zu Gebote steht und B.'s Probe auf 51', welche allerdings Sn.*s Probe L' am nächsten stehen würde, für exacte Velrgleichsyersuche, aus schon erwähnten Gründen, zu unzuverlässig ist. Endlich giebt noch Gol. VI. die No. desselben Individuums in Tabelle I.

Vergleicht man nun Col. IIL und IV., so ergiebt sich natürlich B. 19 proportional zu Sn. XX angenommen unter 107 Untersuchten für S, nach B. gemessen, bei 53 ein höherer, bei 40 ein niederer und nur bei 14 ein glei- cher Werth, femer dass sich die Durchschnittswerthe wie 24,6 (B. 19') zu 24,2 (Sn. XX) verhalten, somit allerdings eine ziemlich gleiche Durchschnittsgrösse zeigen. Allein wir stossen auf zu grosse individuelle Schwankungen zwi- schen beiden Durchschnittswerthen und zwar nach ent- g^engesetzten Sichtungen. Folgende zwei Beihen werden dies am Anschaulichsten vorführen, wozu nur noch zu bemerken ist, dass bei den in die linke Beihe aufgenom- menen Fällen S, mit B.'s Proben gemessen, besser sich darstellte, während die FäUe der rechten Beihe mit Sn.*s Proben einen höheren Grad von S ergeben:

No. 18: B. ^ Sn. g No. 39: B. ^ Sn, ^ No.28:B.f|sn.g No. 40: B. g Sn. g No.87:B.gSn. '' - - - ^4 . 35

No.

40:

B.

21 19

Sn.

No.

51:

B.

24 19

Sn.

No.lOO:B.

18 19

Sn.

19 XX " ""-"id ""• XX

No. 89:B.g Sn. ^ No.lOO:B.|| Sn. ~ No.93:B.|sn.g No.l07:B.|| Sn. g

Vergleichen wir endlich noch die Mittelwerthe von S f&r die drei nach B. gemessenen Entfernungen einer- und den nach Sn eilen gefundenen anderseits, so erhalten wir in den 43 ersten Fällen, wo Col. V. den Durchschnitts- werth von 3 mit verschiedenen Snellen'schen Druckproben

6*

84 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

gemachten Prüflingen repräsentirt, das Yerhältniss: S nach Burchardt zu S nach Snellen = 26:23, in den wei- teren 64 Fällen wie 27,5:24,84 und in allen 107 Fällen zusammen wie 27:24,2 und somit dttrfte das Yerhält- niss 27:24 = 9:8 dasjenige sein, welches bei dem Vergleiche beider Systeme zu Grunde zu legen ist. (Die Reduction von 24,2 auf 24 ist nämlich nicht nur- statthaft, sondern sogar geboten, weil, wie Tabelle I. und Tabelle 11., Abtheilung A, zeigt, S im Mittel nach Sn. im gleichen Verhältnisse geringer ist, als nur mit Sn. XX gemessen, eine Bücksicht, die für die 64 Fälle der Abtheilung B. von Tabelle IL ausser Acht gelassen wurde.)

Zog ich nun die Gonsequenzen aus den beiden Beob- achtungsxeihen, so ergaben sich mir für meine Sehschärfe- prüfungen folgende Regeln:

1. Von den zu wählenden Probeobjecten verdienen die Snellen'schen den Vorzug.

2. Das für gewöhnliche Untersuchungen gebräuchliche Verfahren, den zu Untersuchenden, auf XX zu stellen und durch einen Bruch mit XX im Zähler und der Probenum- mer im Nenner, welche noch gelesen werden kann, ist für genauere Prüfung selbst bei Massenuntersuchungen nicht zulässig, insbesondere wenn man die deutsche Ausgabe von Snellen benutzt, da die bei obigem Verfahren am häufigsten in Frage kommende No. XXX unverhältniss- mässig schwer zu erkennende Buchstaben enthält, eine

XX

so erhobene S von -^, also einen absolut höheren Werth

repräsentirt.

3. Obgleich es genügen dürfte, einzelne später zu er- wähnende Fälle ausgenoomien, die Distanz auf Fuss abgerundet anzugeben, in welcher No. XX gelesen wird, so empfiehlt es sich doch und habe ich es in der That durchweg, schon im Interesse einer genauen Controle, aus-

lieber normale Sehschärfe etc. g5

gefdhrt, mindestens nocb^ und zwar vorausgebend, die grösste Distanz zu suchen, in welcher No. XL gelesen wird, und bei Differenz aus beiden Werthen das Mittel zu ziehen.

4. Bedienen wir uns bei Analphabeten ich bemerke jedoch, dass sich unter den von mir untersuchten Sol- daten kaum 17o von solchen befindet der Burchardt- schen internationalen Sehproben, welchen ich vor den Snellen'schen Hacken hier unbedingt den Vorzug gebe, so darf der so erhaltene Werth fdr S nicht sofort den übrigen mit den Snellen'schen Druckproben gefundenen Werthen gleichgesetzt werden, sondern es ist der nach B. zwischen 2572 und 19', analog Satz 3, gefun- dene Mittelwerth nach dem Yerhältniss 9:8 zu redn- ciren, d. h. mit zu mnltipliciren«

Mauthner findet die Differenz grosser, indem er an- nimmt*), dass eine Sehschärfe » 1 nach Snellen wenii;- stens 17« nach Burchardt ist, also das Verhflitniüs letz- terer zu ersterer = 5:4 setzt. M. bat uns jedoch nicht ang^;eben, ob sich seine Annahme auf eine gr^issere lieibe von üntersQchimgen stützt und worauf ich besonder» Ge- wicht legte, ob das von ihm aufgestellte VerhaltnL»« mit Zugnmdel^ang eines Ifittelwerthes zwlv::hen mahxHrm Distauizen berechnet ist; m da-.? ich mich wohl ^lere^^btt^rt haltoi darf« filr meine Veila:tDi^.zahi^fi ik' lih'My/kidi za beanspruchen.

Derselbe AuVyr gie'vt L c, ÄV;b o.e Or^ade suh wo- rauf es beruht, di« wir as;f die Ter*^;Leder,erj iJ.^^Mtz/^t einen rersehieieLen Weri. toa H jla B*Jf';fc»r'3t'* Sehproben erLaI>SL Der er*i^ >.t *xü teelfi^*';iiefi t/ei B/s Probetifeja tr-. i^izLilt. i'. F'„?e ler y^'A^//r4^'yf>.>yf^ff Darsteton? d*T On-j:.': z^\'ix re>4 »e-*.^. ^/^^"i^i. jffvj w,'#

4ef A«f<»^

86 Ober-Stobsarzt Dr. SeggeL

was das Sohlimmste, die Dunkelheit des Grandes nicht auf allen Tafeln eine gleichmässige, sondern nehme, je feiner die Punktgnippen werden, immer mehr zu. Dies Moment kommt jedoch, glaube ich, nur zwischen den grOssten und kleinsten Proben und bei der neuen Aus- gabe Oberhaupt nicht in Betracht, also beim Vergleich zwischen S in der Ferne und in der Nähe. Dagegen aber geben mir meine Untersuchungen Anlass, den zweiten sach- lichen Grund, den M. gegen die B/schen Proben anführt, bestätigt zu sehen. Es ist der, dass das Zählen der Punkte auf grössere Entfernung, wobei also nicht der Finger beim Zählen auf jeden Punkt gelegt werden kann, eine gewisse Intelligenz erfordert, ich kann sogar hinzu- fügen, eine grössere Intelligenz, oder vielleicht eine bessere natürliche Begabung, als das Lesen bez. Erkennen von Buchstaben, und hierin lag fOr mich ein weiterer Grund, den SneUen^schen Sehproben bei meinem üntersuchungs- material den Vorzug zu geben. Würde ich mit B.'s Pro- ben untersucht haben, so würden meine Untersuchungen schon aus diesem letzteren Grunde längere Zeit und grössere Mühe erfordert haben, da die meisten der von mir Untersuchten der Landbevölkerung angehörten und im Zählen der Punkt« viel weniger geschickt waren als im Lesen der Buchstaben. Es kann in diesem Umstände auch vielleicht die Ursache li^en, warum M.*s und meine Verhältnisszahl zwischen S nach Snellen und Burchardt dififeriren.

Nachdem ich nun die Bichtpunkte erörtert, die mich bei meinen Untersuchungen leiteten, habe ich nur noch einige allgemeine Bemerkungen anzufOgen.

Die Sehprüfungen wurden im Freien und nur aus- nahmsweise (bei drückender Sonnenhitze) in einem hellen nach Norden, mit vielen und grossen Festem, gelegenen Corridore der freiliegenden grossen Infanteriecaseme vor- genommen, und waren an beiden Plätzen die Entfernungen

Ueber normale SehBchärfe etc. 87

in Pariser Fuss genau abgesteckt und angemerkt Eine ganz gleichmässige Beleuchtung, wie sie bei leicht be- decktem Hinmiel, klarer und möglichst stiller Luft uns zur VerfSgung steht, ist nun für solche Untersuchungen eine wohl berechtigte aber schwer zu erfüllende Forderung, insbesondere bei einem so ungünstigen Sommer (1877) und bei ünteisuohimg einer grösseren Anzahl von Leuten, die gerade bei gutem Wetter im Dienste beschäftigt sind und nicht zur Verfügung stehen, gleichwohl glaube ich berechtigten Ansprüchen Genüge geleistet zu haben. Ich habe nämlich auch bezüglich der Beleuchtung voraus- gehende vergleichende Untersuchungen gemacht, die ich im weiteren Verlaufe derselben stets bestätigt gefunden habe. Deren Ergebnisse waren in Kurzem folgende: das Verhältniss zw;^schen günstigster und ungünstigster Ta-

20 gesbeleuchtung für gute Augen von S = v^ und besser

ist 30 : 25. Mit -^ wäre also die für gute Augen bei sehr

herabgesetzter Tagesbeleuchtung, wie sie z. B. einem mit

schweren Begenwolken dicht behängten Hinmiel entspricht,

gefundene S zu multipliciren. Diese Proportion nimmt

aber bei geringerer Sehschärfe im umgekehrten Verhält-

12 4

nisse zu und erhöht sich z. B. bei S = «^^ auf nahezu-^

ß ^

bei S = ^ auf -^ und zwar mit ganz geringen indivi- duellen Abweichungen, wenn die Abnahme der Sehschärfe auf intraoculären Veränderungen und nicht auf Brechungs- anomalien beruht Zur genaueren Differenzirung war mein pathologisches Material ein zu geringes.

Mit Vorstehendem contrastirt nicht, dass ich auch Burchardt's Beobachtungen bestätigt gefunden habe, dass, wenn die Lichtstärke beträchtlich genug ist, um ein normal scharfes Sehen zu gestatten, eine noch stärkere

88 Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

Beleuchtung der Gegenstände die Fähigkeit des ünter- scheidens im Allgemeinen nicht steigert.

Nicht uninteressant dürfte noch die Beobachtung sem, dass das Erkennen der verschiedenfarbigen Buchstaben auf Stilling's Tafeln, mit denen ich ebenMs Versuche anstellte, mit der oben angegebenen Beleuchtungsdifferenz correspondirte. Es wurden nämlich die grOnen und rothen Buchstaben bei sehr heller, die blauen bei herabgesetzter Be- leuchtung relativ besser gesehen, alle drei Farben verhalten sich aber zu Braun, welches fast gleich schwarzen Buchstaben auf weisser Tafel gelesen wird, bei guter mittlerer Tages- beleuchtung gemessen, wie sich die Sehschärfe bei schlech- tester Tagesbeleuchtung zu der bei günstigster, nämlich wie 5:6, verhält. Ich bemerke ausserdem noch aus- drücklich, dass ich, um der genügenden Beleuchtung sicher zu sein, bei jeder Untersuchung stets die Probe mit meinen eigenen mit S = 1 und überdies noch mit denen meines

35 Dieners, welcher S = ^y ^^^^^ machte.

Es wurde nun zunächst jedes Auge einzeln fbr sich und dann S binoculaer geprüft, in zweifelhaften Fällen auch mit einer anderen Sehprobe, der analogen Jaeger- schen, oder lieber, wenn angänglich, mit Snellen's römi- schen Lettern untersucht, dann ausser der Sehschärfe auch die genauest optometrisch eruirte Befraction, ebenfalls auch monoculaer geprüft, in je eine Golunme der zu diesem Zwecke angetragenen Listen. Diese Listen waren nament- liche Verzeichnisse, welche auch Alter, Charge, Civilberuf und die Schiessklasse der Untersuchten enthielten. Nächst- dem prüfte und notirte ich auch den ungefähren binocu- laeren, bedingungsweise auch den monoculaeren Nahpunkt, um die optometrische Bestinmmng der Befraction zu con- troliren; ein Hilfsmittel, dessen consequente Anwendung ich fdr dergleichen Untersuchungen nicht genug empfehlen kann. Es genügt zur beiläufigen Orientirung vollständig»

wenn man toh Jaeger and $^2-§t Snellen No. 1 'bd Leuten insbesondere. ^^ niiii recht fetiz lesöi raseh ein paar Worte in mT-^IicLstipr Xihe lesen lasst und mit dem Zollstab die Entferniing d^ Sehrift ron der PnpäCar- ebene misst vährend hierfür bei Myopen ond den gebil- deteren Ständen angdiOrigen Leat<en die feinen B/schen Panktgroppen, die sonst zn riel Zeit in Ansprach nehmen würdoi, den Toizng Teriienen. Ich war firendig hierbei übenascht, wie constant sich natürlich mit kleinen Schwankungen die ]>>nder'sche Berechnmig der Accom- Diodationsbieire für die hier in Frage kommenden Lebens- alter erwies.

Bei nachgewiesener Mjopie wurde in einer Nebenliste die modifidrte Sehschärfe, Distinctionsfähigkeit ebenfalls Dionocolaer nnd binocnlaer, die Papillenweite und ob Brillen getragen wurden oder nicht notirt endlich wurde aach noch die Ursache herabgesetzter Sehschärfe auf Grand ophthalmoskopischer Untersuchung in einer Bubrik be- merkt, ebenso der ophthalmoskopische Befractionszustand bei optometrisch constatirter Ametropie oder wenn die dem Ferapunkt nicht entsprechende Lage des Nahpunktes zu dieser Untersuchung aufforderte.

Die Untersuchungen erstreckten sich auf die Zeit Ton April bis Juli inel. 1877 und wurden denselben 15G0 Mann unterworfen.

Die Ergebnisse der Untersuchung finden sich nun in Tabelle in. zusammengestellt , deren Eintheilung wohl keiner näheren Erklärung bedarf und der sich nun Fol- gendes entnehmen lässt:

Der hOchte Grad von Sehschärfe, der beobachtet

35 wurde, ist t^ und zwar nur bei 8 Augen bez. 4 Indivi-

daen, eine doppelt so grosse Sehschärfe als die bisher als -normal angenonunene oder gar noch höhere wurde also nicht gefunden. Mit Burchardt's Proben geprüft, wtlrde

90

Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

ä 1

o a

a

c8

1

1

>o '

1

tfi 1

1

"S^-* 1

1

S? T" '

»*

^ j* «

~n

e..

M

2

5ar

a. "

s s

■«

ll

s;

SS

i §

"*"

s

^

8

s;

•3

So

§

X

5

^

•«©

s

"S^^

«

^

(-W

~S5

^

s

£

V S

s

3Q «

i

S

« «

»c ^

^

- =f

gx

'^

M

'S

;?;

s

M

i

s

1

IIS

E

9i

_

2"

1? ^

ä

s

> r

»H

S o

S

S^

■1!

r

B

00

' II

ä

J i

i

«

§

s

"57

i

«

s

s

J

1

.

j

S

0

"

II.

fi

s-s

OQ «

üeber normale Sehschärfe etc. 91

jedoch nach dem sapponirten Yerhältniss = 8 : 9 der von mir gefundene höchste Grad genaa eine Sehschärfe = 2

33 31

repräsentiren. Die Angen mit S = ^^ bis ™: sind eben-

30 falls ungemein wenig, erst mit S = ™- = 1 V2 findet sich

30 29

eine grossere Anzahl. Nach einem AbMl von ^^ anf ^

und etwas über die Hälfte wachsen die Zahlen bis zu

25

S = ^^ nun in rascher Progression, um von da wieder,

jedoch in weit geringerem Grade, abzunehmen. Mit

20 S == :^y also der bisher als normal angenommenen Seh- schärfe, fand ich und zwar fost zu gleichen Theilen linke 257 und rechte 243 im Ganzen also 500 Augen, d. i. 16 7o sämmtlicher 3120 untersuchter Augen, ein Procentverhältniss, wie es von keinem anderen Seh- schärfegrad, nicht einmal zur Hälfte erreicht wird. Von

20 der Rubrik nehmen nun die Zahlen gegen rechts wieder

SO IQ

in raschem Tempo ab, nachdem sofort von ^^^ auf ;^

18 bez. ^^ ein jäher Abfall stattgefunden hatte. Nur mit

15

S = ^^ fand sich wieder eine etwas grossere Anzahl

Augen, so dass sich dieselbe über die der Augen mit

^^^ und ^ gerade um das Doppelte erhebt. Alle diese

Verhältnisse gewinnen noch an üebersichtlichkeit durch beifolgende graphische Darstellung No. 1, die wohl auch keines weiteren Eingehens bedarf. Die gewaltige und

20 steile Erhebung der Gurve ^6* S = möchte wohl be- wegen, diesem Sehschärfegrad eine gewisse Präponderanz

92 Ober-Stabsarzt Dr. Seggrel.

einzuräumen und dies um so mehr, als es ganz besonders hervorzuheben ist, dass diese hohe Zahl nicht etwa ans einer dem Schema huldigenden üntersuchungsmethode her- vorgegangen ist, sondern dass ich mit fast pedantischer Genauigkeit hier prüfte, ob nicht die Sehschärfe doch etwas höher oder niederer sei.

Um Wiederholungen zu vermeiden, füge ich hier gleich die für die binoculäre Sehschärfe gefundenen Werthe an, welche ebenfalls um je Vao graduirt in Tabelle HIB eingetragen sind. Abgesehen von den hierbei selbstver- ständlich etwas günstigeren individuellen Chancen betragen die Werthe der binoculären Sehschärfe für die Sehschärfe-

20 grade von ™: und höher im Durchschnitte etwas mehr

als die Hälfte der Werthe, welche für linke und rechte

Augen zusammen monoculär gefunden wurden, für die

20 Sehschärfegrade unter yx ^^^^ weniger als die Hälfte.

20 Ein Sehvermögen, das ^x gleich zu setzen ist, haben

z. B. 500 linke und rechte Augen überhaupt, binoculär erreichen aber ein solches 266 Individuen = 16,9 pCt. der Untersuchten.

Fassen wir nun also grössere Grappen im eben an- gedeuteten Sinne zusanmien, und berücksichtigen hierbei noch das Yerhältniss zwischen rechten und linken Augen, so erhalten wir

20

mit S = ^ und besser

1. Linke Augen . . . 1128 von 1560 = 72 pCt,

2. Rechte ... 1125 1560 12

3. Linke u. rechte Augen 2253 3120 72

4. Binoculär .... 1188 1560 76

lieber normale Sehschärfe etc. 93

Mit S unter -™ bis -™, d. i. weniger als normal aber

besser als V»-

1. Linke Augen ... 342 von 1560 = 22 pCt.

2. Rechte Augen ... 322 1560 2OV2

3. Linke u. rechte Augen 664 3120 217* ,1 4 Binoculär .... 316 1560- 20

10 ß

Mit S von ™- bis ^- oder S = ™d weniger aber

besser als V*:

1. Linke Augen ... 54 von 1560 = 3V2pCt.

2. Eechte Augen ... 84 1560 5V2

3. Linke u. rechte Augen 138 3120 4V2

4. Binoculär .... 50 1560 3V5

5 1

Mit S von ™- ^Y ^^^^ S = V* ^ßd weniger:

1. Linke Augen ... 29 von 1560 = 2 pCt.

2. Rechte Augen ... 29 1560 2

3. Rechte u. linke Augen 58 3120 2 4 Binoculär nur . . . 6 1560 V2 «

Mit 8 unter ,™- fanden sich nur 7 Augen = V2 pCt.

und zwar ausschliesslich linke, dies aus dem einfachen

Grunde, weil die Leute mit S unter ^^ auf dem rechten

Auge entweder gar nicht eingestellt oder wieder als dienst- untauglich entlassen wurden.

Vergleichen wir nun die Sehschärfe der rechten und linken Augen, wie sie in obiger Zusammenstellung summirt

20 wurde, so sehen wir dieselbe, soweit sie ^^ und mehr,

ebenso wenn sie zwischen™- und^^ ^^^^S^^ auf beiden

94 Ober-Stabsanst Dr. Segg^el.

Seiten ganz gleich vertheilt. Bei den beiden Oroppen ^ und zeigt sich jedoch eine Verschiebung in der Weise, dass mehr linke der besseren Categorie ^^^^^ und zwar 22pCt. gegen 207^ pCt. rechte, mehr

rechte Augen der geringeren Categorie f ^^ )— öVa

gegen SVapCt. linke angehören.

Bei einem Vergleiche dieser meiner üntersuchongs- resultate mit den bereits Eingangs erwähnten Burchardfs und Goedicke's, sowie mit den später von Stabsarzt Herter*) veröffentlichten bin ich zu einer völlig befrie- digenden Erklärung fdr die mangelnde üebereinstimmung nicht gelangt. Die Gründe fbr letztere dürften in erster Linie in der Ungleichheit der üntersuchungsmethode, in zweiter Linie in der zufälligen oder absichtlichen Aus- scheidung gewisser Categorien mit geringerer Sehschärfe B. z. B. untersuchte absichtlich nur Leute mit sehr guter S sowie in der relativ geringen Zahl der Untersuchten liegen. Gleichwohl bleiben noch erhebliche Unterschiede zurück; als deren wesentlichste ich folgende hervorhebe: Mit S = 2 und mehr fanden

Burchardt 18,8 pCt.

Goedicke 3,3

Herter 0,32

ich

Mit S besser als 1

Burchardt ..... 78,5 pCt.

Goedicke 57,0

Herter 25,6

ich 56,2

*) Militärärztliche Zeitschrift 1878, p.33; Mittheilungen über Augenontersüchangen etc.

Ueber normale Sehschärfe etc. 95

Mit S = 1 fanden

Burchardt 9pCt

Goedicke ..... 27,5

Harter 63,8 .,

ich 16

Mit S < 1

Burchardt 12 pCt.

Goedicke 15,5 .,

Herter 10,6

ich 28,0 ,.

Burchardt fand also seiner Intention folgend be- sonders viele Augen mit S = 2 und besser, ich relativ am meisten Augen mit S unter 1. Eine genaue üeber- einstimmung findet sich nur hinsichtlich der Sehschärfen besser als 1 zwischen mir und Goedicke, nämlich mit 56,2 und 57 pCt., was mir als beachtenswerth erscheint Ich gewinne hieraus den Eindruck, dass, bei grösserer Zahl der untersuchten Individuen vielleicht die Unter- schiede an den verschiedenen Orten geringer wurden und ganz verschwinden, vorausgesetzt natürlich, dass überall ein vollkonmien gleichartiges Untersuchungsmaterial be- nutzt wird.

Bei der bis jetzt aber mangelnden Uebereinstimmung der Untersucliungsresultate musste ich leider darauf ver- zichten, in dem folgenden Abschnitte: die Berechnung des mittleren Grades von S, die von anderen gefundenen Duitshschnittswerthe mit zu verwenden und musste mich hierbei lediglich auf meine eigenen Untersuchungen be- schränken.

Ein wesentlich anderes Vergleichsobject bieten H. Cohn's Untersuchungsresultate, weil sie, obigem Befunde

96 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

gegenübergestellt, veransohaaliclien dürften, wie erheblich bessere Sehschärfen Einderaugen haben gegenüber denen Erwachsener, selbst wenn diese in einer Lebensperiode untersucht werden, wo gerade erst die volle männliche Entwicklung erreicht wurde und überdies zum weitaus grOssten Theile einer BevOlkerungsklasse angehören, die nicht vermöge ihres Berufes oder Beschäftigung beson- deren Schädlichkeiten für ihre Augen ausgesetzt war, speciell dieselben nicht für die Nahearbeit besonders in Anspruch genommen hat.

Abgesehen davon, dass Cohn, wie schon pag. 70 er- wähnt, sogar eine dreimal so grosse Sehschärfe als die normale bei einigen Schulkindern constatirte, fand er nämlich

mit S = 2 und mehr: 47 7o (114 Augen),

S zwischen Vl% u. 2: 34 7o ( 85 Augen),

zwischen 1 u. 17»: 15,5 7o ( 38 Augen),

mit S = 1 nur: 2,8 7o ( 7 Augen),

unter S = 1 kein Auge, als er 244 Augen von 122 Kin- dern mit den Snellen'schen Hacken No. XX, und

mit S = 2 und mehr: 50 7o (65 Augen), S zwischen ly» u. 2: 30,8 7o (40 Augen), S = 1: 19,2 7o (25 Augen),

als er 130 Augen von 65 Kindern mit den Burchardt^schen nachgebildeten Punkttafeln untersuchte.

Die Wahl der Prüfungsmethode dürfte wohl wesent- lich günstigere Resultate erzielt haben, als das eiactere Verfahren, das ich bei meinen des Lesens kundigen Sol- daten durchführen konnte, auch hat Cohn nur scheinbar emmetropische Augen untersucht, gleichwohl scheint mir doch obige Gegenüberstellung entschieden dafür zu sprechen,

üeber normale Sehsch&rfe etc. 97

dass in der Entwicklungsperiode in Folge der Beschäftigung und besonders durch den Einfluss der Schule nicht nur die Befraction sich ändert, sondern auch die Sehschärfe einen Bückgang er- leidet, und zwar einen weit erheblicheren, als er im All- gemeinen, dem zunehmenden Alter entsprechend, angenom- men wird, nämlich von nur ^ fiir 10 Jahre, auf :r^ für

20 Jahre. Eine wesentliche Stütze dieser Anschauung finde ich in dem Berichte Talko's, mitgetheilt in den klinischen Mon.-Blättem 1880 pag. 139, nach dem bei den jungen russischen Soldaten die Sehschärfe zwischen IV» 1*A schwankt, der Mittheilung Dr. Beich's aus Tiflis, welcher auf seine Bemessungen sich stützend, behauptet, dass für das Alter von 22 Jahren die normale Sehschärfe nicht kleiner als IV2 der jetzt als normal anerkannten Seh- schärfe sein wird, und der Thatsache, dass Eotelmann bei den Nubiem sogar S = 3 gefunden hat. Letztere sind sämmtlich Analphabeten, die russischen Soldaten zum grössten Theile und überdies meist der bäuerlichen Bevöl- kerung entnommen, einer Berufsklasse, die in Bayern kaum 1 pCt des Lesens und Schreibens Unkundige in sich schliesst Etwas eingehender und in mehr populärer Dar- stellung habe ich diese Verhältnisse in einem Vortrage in der hiesigen anthropologischen Gesellschaft, veröffentlicht im Archiv für Anthropologie etc. 1883 pag. 349—356, besprochen.

Berechnung eines mittleren Grades von S.

Hierbei muss ich nochmals auf Tabelle ni. A zurück- kommen, welche die Zusammenstellung der von mir fdr rechte und linke Augen gefundenen Sehschärfen auf 20tel reducirt und um je V20 differirend enthält. Den aus

▼. Gnefe** Archiv fttr Ophthalmologie, XXX. 2. 7

98 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

sämmtlichen Sehprüfangen resnltirenden Mittelwerth er- hielt ich nun in der Weise, dass ich immer die Anzahl der mit einem bestimmten Sehschärfegrad aasgerOsteten Augen mit dem Zähler des den Sehschärfegrad angeben- den Bruches ^, also z. B. in der ersten Col. 8 mit 35

in der 3.: ö mit 33 und so fort multiplicirte. Durch Addition der Producte sämmtlicher Columnen und Divi- sion dieser Summe = 65352 durch die Anzahl sämmt- licher untersuchter Augen = 3120 erhielt ich denn eme

2095 mittlere Sehschärfe von -^^. Es darf dieser Bruch wohl

21 unbedenklich zu ^ = 1,05 angesetzt werden.

In gleicher Weise berechnete sich auch für sämmt- liche untersuchte Individuen = 1560 nach Tabelle III. B

21 62

ein Mittelwerth der binoculären Sehschärfe von ' , doch

hat dieser Werth für den zunächst vorliegenden Zweck

kein Interesse, nur zur Ergänzung der Statistik soll noch

angefügt werden, dass sich der Durchschnittswerth der

binoculären Sehschärfe zu der der linken und rechten

. , ... 23,64 23,62 ^ 20

Augen emzeln summirt wie -—y" "yV"' ^®^^ ^ ^^^ yy

aufwärts, wie -^^ : -^^i wenn S von ^aufwärts, endlich

21 62 20 95 wie -^^ : -yV"' ^®™ ^^® Sehschärfe aller Augen bis

einschliesslich ^^ berechnet wurde, somit eine directe pro- portionelle Abnahme zeigte.

Berücksichtige ich nur die Augen mit S = 1 und

28 62 besser, so erhalte ich als Durchschnittswerth für 8:-—^-

Ueber normale Sehsch&rfe etc. 99

welcher Berechnung die Sehschärfe von 2253 Augen zu Grunde gelegt ist.

Es würde dieser Sehschärfegrad auf die doppelte Tan- gente des halben Winkels berechnet, einen Sehwinkel, unter dem Sn eilen 's Frobebuchstaben erkannt werden, von 4' 14" entsprechen. Die einzelnen Striche derselben würden also unter einem Winkel von 4' 14' : 5 = 51" erscheinen und vielleicht dürfte dies auch der Winkel sein, der für ein normales Auge zur Wahrnehmung distincter Punkte erforderlich ist, der eigentlich physiolo- gische Gesichtswinkel. Es wird wenigstens diese Annahme durch die von Aubert im II. Band des Handbuches der ges. Augenheilkunde von Graefe u. Saemisch pag. 580 gegebene Notiz, dass Struve (Mensurae mitrometricae pag. 149—153) weisse Scheiben auf schwarzem Grunde bei 51 " Distanz sah, direct sanctionirt, sowie weiter dadurch bestätigt, dass der von Aubert sel!bst für die Grösse des zu einer distinkten Empfindung genügenden Baumes berechnete Maximalwerth von 52'' wohl etwas zu gross angegeben wird.

Hierauf weiter einzugehen, nehme ich als einen mir zu ferne liegenden Gegenstand Abstand und bemerke nur noch, dass, wenn Jemand geneigt sein sollte, bei Berech- nung der normalen Sehschärfe auch die Augen mit S < 1

15 und zwar bis zu -^^ ^^^ einzuschliessen und damit einen

224 Durchschnittswerth von ' zu Grunde zu legen, dieser

A A

einem Gesichtswinkel von 4' 26" als zum Erkennen von

Buchstaben beziehungsweise von 53,2" als zur Differenzirung

von Punkten erforderlich, entsprechen würde. Mit Ein-

12 rechnung endlich der Sehschärfen bis zu -^^ incl. und wo-

22

mit ein Durchschnittswerth für S von yx ^^ Grunde ge-

7*

100 Ober-Stobsarzt Dr. Seggel

legt wird, würde ein Gesichtswinkel von 4' 30" : 5 = 54" resultiren. Der von Snellen als kleinster angenommene und auch von Mauthner adoptirte Gesichtswinkel von 1' dürfte also unter allen umständen zu gross sein.

Gleichwohl möchte ich auf Grund meiner Unter- suchungen keine Aenderung der glücklich gewählten und erfreulicher Weise allgemein angenommenen Snellen*schen Einheit for normale Sehschärfe in Vorschlag bringen oder gar mit Anfertigung neuer Schriftproben hervortreten. Es würde mich hiervon schon die auf pag. 91 hervorgehobene

20 Präponderanz des Werthes von ^^ für S abhalten. Doch

glaubte ich durch meine Veröffentlichung den Nachweis erbringen zu sollen, dass S = 1 nach Snellen für jugend- liche Individuen als äusserster Grenzwerth der normalen Sehschärfe anzusehen ist und Augen mit S = 1 schon eine sehr zu berücksichtigende Herabsetzung des Seh- vermögens haben können.

Es findet diese Annahme durch nachfolgend mit- getheilte Untersuchungsergebnisse eine weitere Stütze:

Im Sommer 1878 habe ich wieder 250 Mann und zwar einjährige Freiwillige und solche Ghargirte, die mindestens die Berechtigung zum einjährigen Freiwilligen- dienste erlangt hatten, also lauter Leute untersucht, die entweder höhere Lehranstalten absolvirt hatten oder ihren Augen eine adäquate Anstrengung durch Privatstudium unterziehen mussten. Die Absicht, die mich bei diesen Untersuchungen leitete, war zwar zunächst, über das häufige Vorkommen von Myopie unter diesen Gategorien zuverlässige Aufschlüsse zu erhalten, doch ging natürlich die genaueste Prüfnng der Sehschärfe, wie ich sie im vorigen Jahre vorgenommen, damit Hand in Hand.

Tabelle IHG giebt die Resultate dieser Prüfungen bezüglich der Sehschärfe, die ich absichtlich nicht mit den Ergebnissen der vorjährigen in eine Tabelle vereinigt habe.

üeber normale Sehschärfe etc. 101

da beide gerade nach zwei wesentlichen Richtungen be- sonders differiren;

1877 bei den Soldaten und UuterofBcieren mit vor- wiegend nur elementarer Schulbildung erhielt ich nftmlich

mit S == 1 und besser .... 72 pCt, bei den 1878 untersuchten Cate-

gorien nur 38,6

mit S < 1 m.d > V. 18,8 53,8 l

Bei Sehschärfe Vs luid weniger ist die Differenz zu unerheblich, um besonders hervorgehoben zu werden. Summire ich dann die Procentverhältnisse, wie sie sich bei S = 1 und besser sowie bei S < 1 und > be- rechneten, so erhalte ich fOr beide Gruppen das nahezu gleiche Procentverhältniss, nämlich

für 1877: 93V4pCt., fttr 1878: 92V5 ,,

Da nun auch das Procentverhältniss für Augen mit

20 gerade yx ^^^^ ^ heiie Gruppen nahezu gleichstellt,

nämlich 1877 mit 16, 1878 sogar etwas besser mit 17pCt, so ergiebt sich^ dass bei Augen, die durch Schulunterricht wenig angestrengt sind, die Seh-

schärfe besser als -™r prävalirt (mit 56pCt), wäh- rend in Folge der Anstrengung der Augen in den höheren Lehranstalten Sehschärfe besser als nor- mal schon zu einem seltneren Vorkommen ge- worden ist (mit nur 21,6 pCt.), dagegen Sehschärfegrade zwischen 1 und Va am zahlreichsten sich finden (mit 53,8 pCt). Es wird später gezeigt werden, dass die Ur- sache hierfftr allein in dem Ueberhandnehmen der Myopie zu suchen ist. Ebenso gestaltet sich natürlich die Be-

102

Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

rechnung eines mittleren Sehschflrfegrades anders für die

Gruppe n als für die Gruppe T; wie wieder ein Vergleich

von Tabelle in A und G ergiebt Der mittlere Sehschärfe-

1755 grad für die Gruppe 1878 berechnet sich nur auf J!^

21 gegen yy ^^^ Gruppe 1877. Es f&Ut aber auch die Be- rechnung des Durchschnittswerthes fQr S = 1 und besser

21 81 niedriger aus, indem er nur JL. bei Gruppe 1878 gegen

23 62

'y bei Gruppe 1877 beträgt. Die besseren Sehscharfe- grade treten also bei letzterer Gruppe nicht bloss quanti- tativ, sondern auch qualitativ zurück. Ebenso verhalt es sich bei den anderen ünterabtheilungen. Nachstehende Gegenüberstellungen a und b, sowie Schema III werden das eben Gesagte am besten veranschaulichen und eine weitere Begründung überflüssig machen.

a) Es hat

ten

S>1

S = l

S=l und besser

8 < 1 nndi o ,, ,

Von Grappe I (1877). . ,

Von Oruppe n (1878) . . .

M% 21,6%

16% 17%

72% 38,6%

21,25% 53,8%

92%%

b) Der mittlere Sehschärfegrad beträgt für S

= 1 u. besser berechnet

bisincL^Y"

bismci.^^

überhaupt

Bei Gruppe I

(1877) Bei Gruppe 11 (1878)

23,62 XX

21,81 XX

22,4 XX 19,5 XX

22 XX 18,4 XX

21 XX 17,35 XX

Bei beiden zu- sammen

23,48 XX

22,07 XX

21,8 XX

20,04 XX'

Sdiema II giebt die Cmre fOr die SebBchftrfegnide }m den Frävüligen und Adspimiteii mm Ter^^fikiie mit

Schema L Die steOe Erbebung auf ■== ist beiden Cmren

gemeänssDL, dsgegoi imteradieideii se adh f^^rm^ dass bei

den Soldaten sdum auf ^y ^^ betr&dfatlidie Erhi^nmg

30 stattfindet imd Baicli^=^ ein wenig müerbroebeDo: steüfr

Abfadl sädi daistellt, ▼ährend bei inm xiel&dh Inzxzsichtiif en

Frawüligen-Angen. die Eiiiebimg auf ^== dne iart im-

mittelbare stelle ist iLnd dann die Cnrre zwar ebeiiüills jäh abfillt, jedoch wii*4ai:-lt sidi zn edinir betr&ditücli*ai Hdhe edidit AnrtK^ bei I und ÄiAhU bei II und um- gekehrt reiiiallien sidi denmadi ^tnz auuCfg. In^be^ob'kr»; der Vcfgiekfa Leider durai ctrAe d*?ixxiiadb tan r*j»it ansdianlJAes Büd oe? rjnfufcs** (1*3- Ki2rn^j'^ini?t*;rt auf Abnahme der BdistMrfe r^^^^ai.

Der mitüere SiA&diiriwM i'^ ^yy' ^'^'^ ^*^ ^^''^^

6nii^>e& rasamnHai auf ^rrjjii ö^ Xv^t^w'^jjjv^ ^'m 3630 Augen = 1»:0 l'^rrh'M^ox WT»dLH**Jt f^jr I^vrt;^^;- Inng der nanmJai S^uwSuhrk cvt^vsl itv*y ti'^t-t Oj^*; it»^^ baden Gn^'jtOL i»ynü*m eiTjg loiC iJ^*j;jü <>*: l/** '/rv;;;^ U welche wesiägsteift in ft!ar paa i',t'a^**^^^'>:u >J*'.v^3«tJJ

Soldate&aogai r*^rt4>*a::jrL Wrv^iu*»^i^ V»'*-^^, ;(;^^>>»5f *.'*Af*1 mid für Aiü*ctuii? i*?t ja; ^v»V4V3fio«;i*»a O^^^a^v*^« 'r**i> /v Tenrertfes «äi. wit ^ yii^, % r^^";?**^*^

beide gf^susn Car-*j^»ri»a jiv«iuiu»*n^*^-^a v^*-f »*-^;ä.

Unter dat 7irrfrbu*;i:uiiir»'twr>-fifa -»-^ ;.>^i>i v^Äfp/^^-. >>--:«. nimlii^L »nti 3i^ /.liC it;u*5i »ff iuv;u«-'*f ••/>' r v /.vv>^

104

Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

o-ia

i I I I I I

Ma

Ha

= |a

t-IS

o I £

21 =

:i:

2ia S|a

Sia

2|B

Sla

!|3

Sia

Sla

^|B

SSia

Sia

g|a

)o«a

I i I

130:

srasefT

;s9

^ SSigtJ

A 3^1

CK gi t-«o

ssff

-TL*" *>

_, M O 91

g sag

v_III

1

§s

99S

*S8

8ia_'

1. 1

FTP-^

II 5|2

1:

2S$

5|S 1 s

OD

II

II

sia

TM i~rr

" a >*

1 i II II

^

, I-.«

II

^^ 1 1^^

^.

1 1 1 1 1 1

OB

1 i^»-«

-s

A

^i> 1 i-r-

1 1 w^ao^cK)

1

1 1 1 i 1 1

^.

«s^s-^gj

fi

li II II

-;5

II 1 1 1 1

^ "351 l*S

t I 1-2-2]

A II

OD

V

^«f«^^

l'-Ö-S»'^

H 1 l-a-S

«5g«5^g

Sa|8

-s-s-^s

3 1 1 ^

J oa

M

M M 1 1

1 1 1 i II

1 H i 1 (

-g-g-8

1 II 1 i 1

1 1 1 1 1 1

OQ

1 1 1 1 1 1

3.1 H

I +

1

SS 3

3ia| 1

IIa 1

fl

OQ II

8

I

s ß

I

.2^

«"'S'

^

;s

I

+

I

I I

9 ?4 '

II s

PI

1 !~

IIa' I

a

iPi

+

I ;3

i:

-5 5?2 :: s ?.

lieber normale Sehschärfe etc. 105

diese werden von den 1560 im Jahre 1877 untersuchten Mannschaften abgezogen und den 250 im Jahre 1878 ge- prüften Freiwilligen etc. zugerechnet werden, so dass also stets 1526 Personen mit elementarer 284 mit höherer Schulbildung werden gegenübeigestellt werden.

Tabelle UID sowie die Zusammenstellung in Tab. niE giebt den Nachweis, dass die Zuzählung der 34 Frei- willigen die auf Tabelle III A berechneten mittleren Seh- schärfegrade nicht alterirtOf da unter dieser geringen Zahl sich auffälliger Weise mehrere Emmetropen mit sehr guter Sehschärfe befanden.

Ueber das Yerhältniss der Sehschärfe der rechten Augen zu den linken, welches ebenfalls nicht ohne Interesse sein dürfte, giebt Tabelle IV Aufschluss.

Der Kopf der Tabelle giebt an, um wie viel 20tel die Sehschärfe Eines Auges und zwar in der ersten Beihe der rechten, in der zweiten der linken Augen bei Differenz von S zwischen beiden Augen besser gefunden wurde. Die meisten rechten Augen 26 sehen um je

Y^ besser als die linken, die meisten linken (18)

5 um YY besser als die rechten. Im Ganzen haben

158 rechte und 146 linke Augen eine bessere Sehschärfe als das andere Auge, so dass also zwischen rechts und links kaum ein Vorwiegen zu Gunsten der Sehschärfe be- steht. Verschiedenheit der S überhaupt findet sich aber bei den Freiwilligen viel häufiger als bei den Soldaten, bei ersteren in 30, bei letzteren nur in löpCt.

Von den in Summa 228 Fällen = 14,6 pCi der unter- suchten 1560 Individuen, wo Differenz der S beider Augen gefiinden wurde, ist bei 70, also bei 30,7 pCt., Anisometropie die Ursache und zwar gilt dies vorzugsweise für die ge- ringeren Unterschiede von S zwischen rechts und links.

106

Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

d ^

o %*

> i

© g

«2 S

^ S

. 5

I

3 -

$S

iH

vmning

S^

s

09 1

(N

«0

1 1

1

S

tH I

rH

s

iH 1

^

s

CO 1

CO

M

tH I

tH

S

lH (N

CO

s

(M 1

Cl

eo

CO 1

CO

t-

<N »H

CO

«O

CO 1

CO

1^

« iH

CO

s

tH 1

iH

•0

tH j

tH

1^

ci 1

C<l

1^

^ 1

^

o

CO TH

^

Ok

^ 1

'^

00

lO rH

CO

««•

Ud CO

00

«0

CO 09

ao

ta

S^

5

•*

s«-

S

•0

SS

^

«

52 !S

8S

M

lo

r<-

^1 D

it

a

s -«1

!ä9

S

eo rH

JHCO

S

1 1

1

tH I

rH

1 1

1

rH l

r-H

rM 1 '^ 1

rH IM

a

CO 1

CO

Ol rH

CO

tH j

tH

CO 1

CO

^ 1

Cl

CO 1

CO

« tH

CO

-^ 1

^

CO 1

CO

l> yH

00

CO rH

l>

Oi

rH rH

<0 CO

o>

ca «

?!

00

TH

S^

5

ifi «^

Ol

3

lO »H

CO

if

es

B

•3

2gS

S « .A

P fl o * J2 'S

2 g g

als

I

.s -^ S

2 "S 'S

^ ^ 00

I

S £

Ueber normale Sehschärfe etc. 107

Die hochgradigeren Differenzen in der Sehschärfe von V* aufwärts beruhen nämlich nnr ausnahmsweise lediglich auf Anisometropie und zwar dann, wenn eine beträchtliche Befractionsanomalie auf Einem Auge und zwar vorzugs- weise Hypermetropie ohne Befund, seltener Myopie und Astigmatismus besteht. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle mit grosser Differenz von S war eine patho- logische Affection des sehschwachen Auges nachweisbar. In ganz vereinzelten Fällen bestand es ohne einen solchen Strabismus. Auf die Ursache dieses verhältnissmässig seltenen Vorkommens werde ich später zurückkommen. Unter den 75 Freiwilligen mit Differenz von S ist bei 34, also bei 4ö,3 pCt, im Oanzen demnach bei 31 pGt. Aniso- metropie die Ursache der Sehschärfedifferenz beider Augen.

Das binoculäre Sehvermögen war nicht immer gleich dem des schärfer sehenden Auges, ja es wurde sogar, wie hier gleich eingeschaltet werden soll, 23 mal verschieden vom monoculären bei gleicher S beider Augen, 20 mal besser, 3 mal schlechter gefunden.

In den ersteren 20 Fällen wurde meist geringe Meridianasymmetrie von beiderseitig gleichem Werthe,

3 mal geringe Differenzen im Myopiegrade, einmal auch beiderseitige dünne Hornhauttrübungen, in den drei letzteren Fällen ausschliesslich Anisometrie bei gleicher S beider Augen als Ursache eruirt.

Unter den 303 Fällen, wo S beiderseits verschieden gefanden wurde, war das binoculäre Sehvermögen 259 mal ^ 85,5 pCt. gleich dem des besseren Auges, 32 mal d. i. in 10,5 pCt., war es besser, und 12 mal, d. i. in

4 pCt., wurde es schlechter gefunden.

Nehme ich alle Fälle zusammen, bei denen das bin- oculäre Sehvermögen eine Abweichung zeigte, also nicht nur von dem besser sehenden Auge bei Differenz von S, sondern auch bei gleicher monoculärer Sehschärfe Eines Individuums, so ergiebt sich, dass in 52 Fällen = binoculär

108 Ober Stabsarzt Dr. Seggel.

besser, in 15 Fällen = binocaiär schlechter, also in 67 Fällen binoculär verschieden vom monoculären beider- seitig gleichen oder dem besser sehenden Auge bei Diffe- renz von S gesehen wnrde. Komme ich noch einmal auf die Verschiedenheit der binocnlären Sehschärfe vom besser sehenden Auge bei Differenz von S zurttck, so dürfte Folgendes erwähnenswerth sein:

Nur bei 5 Fällen, wo S binoculär besser war, wurde lediglich Anisometropie und zwar nur geringwerthige mit Vi»p Refractionsunterschied z. B. E einer- M Vno anderseits als Ursache nachgewiesen, 1 mal bestand accommodative Myopie Vis bei wirklicher M beider-

18 seits hier betrag S monoculär beiderseits ™:, binocu-

22

lär ^, ausserdem also 26 mal bestand monoculäre

Amblyopie entweder absolut oder relativ zum andern Auge, ein eclatanter Beweis, dass der gute Einfluss beim Mit- gebrauch des schwächeren Auges zum binoculären Sehacte auf Vermehrung der quantitativen Lichtempfindung beruht Für die insgesammt 15 Fälle mit binoculär gerin- gerem Sehvermögen ergiebt sich nur je einmal Amblyopie in Folge intraoculärer Erkrankung, dagegen zehnmal Aniso- metropie, zweimal monoculärer Astigmatismus und einmal monoculärer Homhautfleck als Ursachen, so dass also im Ganzen elfmal der störende Einfluss einerseits der Zer- streuungskreise des ametropischen oder ametropischeren Auges, andererseits der verschiedenen Grösse und Verzer- rung der Netzhautbilder, sowie der Lichtdiffusion sich gel- tend machte.

Da wie Eingangs bemerkt, ich die Sehschärfe nur nüt möglichst genauer Correctur der Ametropie bemass, so bin ich auch im Stande, über quantitatives und qua-

üefcer Mouk Sekwfcjrfr etc. 109

litatives Yorkommen der Befraetionsanomalien za refenien. TabeDe Y. giebt nun dne Uebosieht über die hjpermetropiscbeiL Tabelle YL über die mTopischen AngeiL^ In der obersten Qaerspalte ist der Grad der Ametropie mit je einem Be&actionsinterTaU von Vm an- geben, so zwar, dass mit der geringsten Befiraetions- anomalie Ton eboi&lls \ links begonnen ist, nur worde H V50 ans später za erörternden Gründen zwischen H ^Uo und H V40 eingeschoben und damit als einzige Ausnahme ein Be&actionsinterTall von \W eingefbhrt

Nach Tabelle Y. befanden sich demnach unter 3620 untersuchten Augen 1316. d. L 364 pCt Hypennetropisehe und nach Tabelle lY. 686, d. L 19 pCt. myopische* Emmetropisch waren also nur 1562, d. L 43,1 pCt^ nach- dem 54 Augen = 1,5 pCt. theils astigmatisch, theils wegen Homhautfleck oder krank etc. nicht naher zu bestim- men waren.

Beide Tabellen zdgen nun weiter, dass einseitige Ametropie ungewöhnlich häufig gefunden wurde. Dieses häufige Yorkommen einseitiger Ametropie ändert natürlich das Sehvermögen auch soweit es von der Sefiraction ab- hängig ist, sehr zu Gunsten des mit zwei Augen sehenden IndiTiduums, wie wir es schon fOr die binoculäre Seh-

*) Folgerichtig wäre auch der Astigmatismus hier mit auf- zunehmen und ebenso der Einfluss der Correctur desselben durch Cylindergläser auf die Sehschärfe zu berücksichtigen gewesen. Letzteres ist, soweit thunlich, auch geschehen, konnte jedoch nicht in der exacten Weise, wie ich es fär die Prüfung mit sphärischen Gläsern beanspruchen darf, durchgeführt werden, da die unter* suchten Leute bei ihrem meist niedem Bildungsstand die Unter- suchung zu einer zu ermüdenden und rergeblichen machten. Uebrigens wäre es auf die Berechnung des Werthes der nor- malen Sehschärfe auch ohne Einfluss gewesen, da Correctur bis

zu bisheriger normaler ( yy / ^^^' ^^ ^^^ ^^ normaler Seh- schärfe nicht yorkommen dürfte.

110

Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

P4

B g

CO

2 JUltioo

3 -uooi

S

ÖD rH |ao

M M

Ol ^1^

M

-18

rH I<N

rt

|h8

-Qom

-j9p{oq

•nom

-J9pi»q

-aom

-J9p)9q

JJJITIOO

-aom

•lepieq

jiiriTioo

-aom

•jrepfoq

aninoo •nom

nfM -aepiaq

jypioo •aom

-J9p|9q

ajrinoo -aom

in CO

s2

o

bo

dminns

j^inaonoin

is 1

1 1

«ip'Jv^ieq

1 1

=. -1^' ^

IfiaSDIlÖDI 1 1

'2

Blii^ugpt^q f-i

Jl^iriDf^aDtu

^*«

.aiatjflppq

§5-

-la?

JfP»Dli1D

CO

OD

QP 1-H C^

Jfl11»0Q0tll

3S

,g|

&

Blianjöpiaq

1—1

jfLugoac^Bi

^-

■„«weppq^^

jTtn^üUDoi

»l|fltiBpi?q !

JittiiMJQOtn , 3 5c.^

S

§

tliautpiQq

^'*

i

ß -1^'

^f[U3DB0tl]

^4

S

üiiBjoptsq

^ -IS"

jfjnaoEiam

npu^piaq

Jfl^VOqOCQ

»-^

Sip*19pV(Hl

S

J]||O3Ott0lil 11 ^-^

HtMJsptBq l'g^

- ^ :irr rr 93

jjflTiaotiOtti (loj

s

o

iFjT^wapiftq iJGO

■a r^ £

jfin:>oaDqi

vi^aii^pfoq

^ --'S er ^

7.

<^ -18

j%\i\xiaom

--.s

S

^4

1^

CJ

n^>wappq

.,1«^™ ISg

iu^flpi^ !^^

S -IS

j]|[a3oa'0[ll ^T

s'

np>j»P(^l s''"

is-:?

jf niaooom 1

:?

flT*flJ9p]«q 1

iinn;ioiiomyg5^

1

mjaiiapiaq

1-«

schärfe eanstanir ':azaL nia = ir ^ Zr^rr-H :ivr .•-? den finden. ^jv^'TaccrL tAier -- --t^'t i^^^^l^s "^ rr:— t:.-?*

TrenDDß ich '*^^ct rrzr"**^ -a« ü bildnng; so «ssret: v^*s ..kis .i^ Ti

1239 hjuanntn^-aet/t 247 nrroEoisftie' .

3052

•551 2-.

»rn:^

TT'.*!!

=-

lii* Jr

.-eft

-■

iTi .i.-r».

r=ui.

.i>-r

i.x:it

)ie 2S4 ?/'::r..

j-'-n

^.'- vt:-

•■*?•

I2f?

emmpn- -

•"i-^

c..A'-<.

71

iT-^-m;^.

- , •'

. >

341

air.«r,.,rr>'

2J*

ttnCTi*r*i

c .V-

.^. - :;:r.

.«»^

•i''.^^^.

^^-> ^ ',

112 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

und waren, wiederum die Befraction des besser sehenden Auges berücksichtigt, unter ihnen:

68 Emmetropen . . = 24 pCt.

39 Hypermetropen . = 14

170 Myopen . . . = 59,6

7 Astigmatiker . . = 2,4 284.

Den ganz beträchtlichen Unterschied, der zwischen beiden Gruppen besteht, tritt besonders bezüglich der Myopie hervor, doch will ich hierauf an dieser Stelle noch nicht näher eingehen, sondern zunächst nur die beträcht- liche procentuarische Differenz zwischen den hypermetro- pischen Augen und Hypermetropen hervorheben, die sich bei Gruppe 11. zu Gruppe L wie 12,5 : 40,6 bez. 14,0 : 42,6 also genau wie 1 : 3 verhalten. Für die emmetropischen Augen und Emmetropen ist das Verhältniss von Gruppe IL zu Gruppe I. wie 22,5 : 46,7 bez. 24 : 46, also genau wie 1 : 2. Es finden sich also unter den Soldaten und unter- officieren mit geringer oder nur elementarer Schulbildung 3 mal so viel Hypermetropen und hypermetropische Augen und doppelt so viel Emmetropen und E-Augen als unter den einjährigen Freiwilligen mit höherer Schulbildung. Das Verhältniss der Myopen und M-Augen zu Gruppe L, das sich wie 60 : 11,4 bez. 59,6 : 10,4, also wie nahezu 6 : 1 berechnet, bewirkt den Ausgleich.

Ziehen wir weiter das Vorkommen der verschiedenen Grade der Ametropieen in den Ereis der Betrachtung, so ist zunächst für die Hypermetropie zu constatiren, dass die geringen Grade bis einschliesslich Vso = 0,75*) weit- aus vorwiegen, und davon wieder H Vi»o 0,25 und zwar

*) H 5^,0 eigentüch = 0,83 ist = 0,25, H i^, eigentlich = 0,66 i£t = 0,5 D gesetzt, um mit anderen neuerlichen Unter- Buchungen zusammengesteUt werden zu können.

Ueber normale Sehschärfe etc. 113

mehr als H. Veo = 0,5 und H. Vso = 0,75, die nahezu gleich häufig sich finden, zusammen.

der Hypermetr.'

H ViÄo = 0,25 hatten nämlich 673 = 51,1 pCt.

H 760=0,5 319 = 24,3

H 750=0,75 289 = 22

während die übrigen Grade von 1 D aufwärts, 35 in Summa,

nur 2,6 pCt. zusammen ausmachen. Etwas häufiger fand

sich H. 2 D, nämlich an 11 Augen. Siehe Tabelle VI. Scheide ich Gruppe I. und Q., so findet sich bei

Gruppe I:

H Vi2o = 0,25 636 mal = 51,1 pCt H 760 = 0,5 314 =55,2 H 760=0,75 265 =21,3 H> 750 = 0,75 30 = 2,4

bei Gruppe II:

H 7iao = 0,25 37 mal = 52,2 pa.

H Veo = 0,5 5 = 7

H 750 = 0,75 24 = 33,8

H >75o = >0,75 5 = 7

H. 0,25 findet sich also bei beiden Gruppen gleich oft, ebenso H. 0,5 und H. 0,75 zusammengefasst; H. grösser als 0,75 bei Gruppe 11. um mehr als das Doppelte öfter. Ich möchte nur auf das bei beiden Gruppen ganz gleich- massige Vorkommen der niedersten Grade Gewicht legen; H. > 750 wird nämlich speciell bei Gruppe I. Ursache der Militärdienstuntauglichkeit, da, wenn wie es recht häufig der Fall, die H. relativ geworden und demnach ohne Cor- rectur mit Herabsetzung der Sehschärfe verbunden ist, die wohl den gemeinen Mann, nicht aber den Brillen tragenden einjährig Freiwilligen von der unmittelbaren Einreihung befreit.

Bei den Myopen findet sich nur M. 0,25 häufiger; doch bleibt selbst dieser Grad weit hinter dem Hyper- metropiegrad von 0,26, selbst noch dem von H. 0,5 zurück

V. Onefe*« Arohiv «ür OphOuamologie, XXX. 8. 8

114 Ober-Stabsant Dr. SeggeL

Tabelle VI. giebt hierflber AnfSscbluss, doch ist auf dis nnmeriscbe Vorwiegen eines oder des andern Myopiegrades hoher als 0,25 kein Gewicht zn l^en, da dies ledig^ch znfiülig ist. Nicht ohne statistisches Interesse bleibt aber immerhin das procentnaiisch gleich hänfige Vorkommai

1. von M V«o und V«)i

2. M V»o, V»4i Vn, Vii und mit %'..

3. M Vn, Vio und Vs-

Nächstdem dfirfte noch auf das häufige monocul&re Vor- kommen der einzelnen Myopiegrade hinzuweisen sein g^en- über der Hypermetropie. Ich werde an anderer Stelle bei Besprechung der Anisometropie darauf zurückkommen. Ein näheres Eingehen gewinnt nur dadurch Interesse, dass fBr die Myopen auch nach den einzelnen Berufsklassen und den besuchten ünterrichtsanstalten ausgeschieden wird. Ich habe hierüber bereits eine kurze Mittheilung im ärzt- lichen Intelligenzblatte (Jahrgang 1878), die auch als Separatabdruck*) erschienen ist, gemacht.

An dieser Stelle soll nun das dort mitgetheilte sta- tistische Ergebniss noch mehr in die Details verfolgt und durch weitere Untersuchungen, die ich im Laufe der letz- ten fünf Jahre als Ordinirender der Augenkrankenstation am hiesigen Qamisonlazarette gemacht habe, ergänzt werden.

Selbstverständlich konnten diese neuerlichen Unter- suchungen zur Feststellung des Werthes für die normale Sehschärfe und das numerische Vorkommen der Ametropie und ihrer Orade gegenüber der Emmetropie nicht benutzt werden, da sie ja vorwiegend mehr oder weniger patholo- gisches Mateyal lieferten.

*) Die Zunahme der Knrzsichtigkeit an den höheren ünter- richts-AüBtalten (München, Joh. Ant. Finsterlin).

Ueber normale Sehschärfe etc.

115

Sehr verwerthbar, wie kaum bei einem anderen Unter- suchungsmaterial und besonders gegenüber dem der Augen- kliniken, waren die Ergebnisse dieser Sehprüfungen zu Schlüssen über das Yerhältniss der Sehschärfe zum Grade der Ametropie. Die Frage, die ich mir stellte, war: „Wie verhält sich die durchschnittliche Sehschärfe der emmetro- pischen zu den hypermetropischen und myopischen Augen und welcher durchschnittliche Werth von S kommt einem bestimmten Grade von Ametropie zu. Die Ant- wort auf diese Frage entnehmen wir der Tabelle VII, dem Ergebniss der genauen Untersuchung von 1553 emme- tropischen, 1678 hypermetropischen und 1619 myopischen, im Ganzen also von 4850 Augen.

TabeUe VU.

Es hatten

Angen

eine durch- schnittliche Sehschärfe von

Mit Emmetropie ....

. 1553

»-^

Mit flypermetropie, und zwar mit

H 0,25 Dioptr. . . .

. 673

«

H0J5 ...

328

11 22

*'^ TT

H0,75 , ...

294

i'O Ä

H 1—1,75 Dioptr. .

105

0^ V^^

H 2-2,75 ,

84

O'- ^

H 3—3,75 ,

64

«•^ ^

H 4-5,75 ,

99

^'^ W

H 6-11

31

«>» XX

1678.

8*

116

Ober-Stabsaizt Dr. SeggeL

Es hatten

Mit Myopie, nnd zwar mit

M 0.25 Dioptr. . . . .

Augen 186

eine dnrch-

schnittHche

Sehsch&rfe von

M 0,5-0.75 Dioptr. .

74

0^

18,4 XX

M 1-1.75

»

267

0^

16 XX

M 2-2,75

»

239

0,77

15,4 XX

M 3-3,75

»

186

0,76

15 ^X

M4--4,75

200

0,73

14,6

TT

M 5-6,75

w

. 173

0,66

13

M 6-6,75

11

103

0,59

11,8 XX

M 7-8

w

85

0,65

11 XX

M&-10

11

68

0,53

10,6 XX

M 10-13

»

26

0,40

8 XX

M 14r-20

n

12

0.18

2,6 XX

1619.

Betrachten wir zunächst die niederen Ametropiegrade

unter 1 Dioptrie, so ergiebt Tabelle Vn bezüglich der

Hypermetropie, dass bei H 0,25 D *) ein höherer Durch-

schnittswerth fOr S gefunden wurde, als fbr die emmetro-

23 5 22

pischen Augen -^^ gegen -yy-. Bei H 0,5 D ist S

22

gleich der der emmetropischen Augen «= -y^. Bei H

20 0,75 D sinkt die Duichschnittssehschärfe mit -^^^ schon

*) Sowohl H 0,25 als M 0,^5 D sind unschwer mit Gläsern bestimmbar, unter die erstere Gattung wurden nur solche auf- genommen, die mit + 0,25 ebenso präcis lesen, als ohne Glas oder

Ueber normale Sehschärfe etc. 117

etwas unter das aUgemeine Niveau, welches nach pag. 98

21 = -.™- gefunden wurde. Bei den niedern Myopiegraden

erhalten wir schon nicht dies günstige Yerhältniss.

22 M 0,25 D*) hat allerdings S -^^ = dem der Emmetropen

aber schon M 0,5 0,75 sinkt mit S = 0,92 ßogar unter die bisher als normal angenommene = 1. Verschieden gestaltet sich auch das Verhältniss bei Ametropieen von 1 D an zwischen hypermetropischen und myopischen Augen.

Bei den hypermetropischen Augen zeigt sich nämlich

von H 1 D an ein ganz jäher Abfall auf ' , also

ÜEtst auf die Hälfte, der sich dann in weit langsamerer ziemlich gleichmässiger Progression fortsetzt. Den jähen Abfall machen auch die Fälle von H = 1 D mit, das ungünstige Verhältniss der Durchschnittssehschärfe ist also nicht etwa dadurch bedingt, dass H 1 D mit H 1,25 bis H 1,75 zusammengestellt wurde. Die Durchschnitts- sehschärfe von 36 Augen mit H 1 D beträgt nämlich

11 25 genau ' , während, wie bemerkt, H 0,75 noch die

20 bisherige Normalsehschärfe von -^^ als Durchschnitts-

werth ergiebt. H 0,75 dürfte demnach gewissermassen

sogar selbst angeben, mit dem Glase noch besser eu sehen.

H 0^ D wurde nnr dann angenommen, wenn mit dem Goncav-

glase eine entschiedene Verbessening der Sehschärfe erzielt wurde;

ich habe nämlich mit diesem Glase auch in allen den Fällen

20 geprüft, wo ich ohne Glas S = ^v* ^^^' selbst noch besser fand,

bestand M 0,25 D, so gelang es, eine um durchschnittlich ==-

bessere S zu erzielen. Obgleich ich bei den früheren Unter- suchungen nach Zolllinsen, bei den neueren nach MeterUnsen be- stimmte, so ergiebt sich doch daraus keine wesentliche Abänderung.

118 Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

als ein Grenzstein anzunehmen sein. Hierzu drängt auch schon der wirklich ganz überraschende umstand hin, dass dieser Grad von H auch der höchste war, der bei meinen Untersuchungen, die nur junge Leute von 19 25 Jahren betrafen, noch häufig gefunden wurde (294 mit H 0,75 gegen 36 mit H 1 D). Ich bemerke hierbei ausdrücklich, dass ich diesem eigenthümlichen Yerhältniss ganz be- sondere Aufmerksamkeit schenkte, da es mir schon immer auffällig war, mit welcher Entschiedenheit durchweg convex 1 D refosirt wurde, während die Angaben über gleich gut oder besser sehen bei H- 0,25, 0,5 oder 0,75 schwankten, so dass ich, um sichere Auswahl zu treffen, mich mit dieser einfachen Angabe nicht begnügte, sondern stets von Neuem oder noch andere Sebproben lesen liess. Ja es ist mir nicht nur bei diesen speciellen Sehprüfungen, sondern auch in meiner Ordinationsstunde bei älteren Leuten, die wegen Presbyopie einer Brille bedurften, recht häufig auf- gefallen, dass sie mit aller Bestimmtheit erklärten, mit convex 0,75 noch gut in die Feme zu sehen, während H- 1 D schon ganz erheblich verschlechtere. Doch ist bei älteren Leuten die beregte Differenz zwischen 0,75 und 1 D sowohl numerisch als qualitativ nicht so hervortretend wie bei jungen, da ja bei jenen schon die erworbene Hyper- metropie in Folge gleichmässigerer Dichtigkeit in den ver- schiedenen Schichten der Linse mitspielt und zwar nur diese allein, nicht etwa auch, wie eingewendet werden konnte, die Abnahme des latenten Theiles mit höherem Manifestwerden der H, denn die Grade bis zu 0,75 haben keinen latenten Theil. Sowohl die ophthalmoscopische Befractionsbestimmung als Atropineinträufelung Hessen mich nie einen höheren Grad finden. Diese niederen Grade von H haben bei ihrer guten Sehschärfe für ge- wöhnlich nicht nOthig, ganz genau einzustellen, wie die Hypermetropiegrade von 1 an aufwärts, deren durchschnitt- liche S eben schon auf nahezu V> gesunken ist Weitere

Ueber normale Sehschärfe etc. 119

Yerfolgang dieser Beobacbtung ergab mir denn auch, dass auch höhere Grade von H, wenn sie ausnahmsweise nor-

20 male Sehschärfe ^y- haben, gar keinen oder relativ ge- ringen latenten Theil haben können. Normale Sehschärfe,

20 d. h. die bisher als solche angenommene = -^^ wird na- türlich auch bei H von 1 D aufwärts gefunden, jedoch selten, unter 352 hypermetropischen Soldatenaugen von 1 5,75 D

SO 2^

nur bei 17, eine höhere S als ^x ^^^^^ vv zeigte

nur ein freiwilliger Arzt, der optometrisch als Emmetrop zu bezeichnen war, bei dem jedoch nach Atropineinträufe- lung, wozu der abgerückte Nahpunkt (23 Gm.) aufforderte, H von 2 D ophthalmoscopiscb und optometrisch bestimmt wurde. Von dem Hypermetropiegrade von 6 Dioptrieen aufwärts zeigte gar keiner mehr normale Sehschärfe, nicht einmal mehr S = V2. Da nun eine auf die Hälfte herab- gesetzte Sehschärfe vom Feldkriegsdienste im deutschen Heere befreit, so erscheint, worauf ich schon an anderer Stelle aufmerksam machte, die Feststellung eines Hyper- metropiegrades analog der eines Myopiegrades von 6 Diop- trieen als Tauglichkeitsgrenze für überflüssig und wurde daher die Weglassung einer solchen Bestimmung in der Bekrutirungsordnung für das deutsche Heer wohl un- motivirter Weise getadelt. Sollte wirklich einmal ein Hypermetrop mit H 6 D oder höher S besser als haben, so wird er als Soldat immer noch brauchbarer sein, auch wenn ihm seine Brille zu Verlust gegangen ist, als ein Myop von geringerem Ametropiegrade in gleichem Falle.

Was ferner die Durchschnittssehschärfe der myopischen Augen von M 1 D an betrifft, so ist nach Tabelle Vn allerdings auch von 0,75 D auf 1 D ein Abfall nicht zu verkennen, er ist jedoch viel kleiner als bei den hyper-

120 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

metropischen Augen gleichen Grades (von ^1. auf

16 20 . 11,26 . . xTi i,M r^n:, ' ^ i

^^ gegen yv" *^ yy bei H). M 0,75 ist also

nicht in gleich ausgesprochener Weise wie H 0,75 D ein Grenzstein. Zur Myopie ist vielmehr bereits M 0,5 D zu rechnen und schon dieser Grad bei Schüleruntersuchungen in Berücksichtigung zu ziehen. Die Abstufdngen der Durchschnittssehschärfe für die zunehmenden Myopiegrade gestalten sich von M 1 D an ziemlich gleichmassig und in langsamer Progression, so dass bis zu M 10 D die Durchschnittssehschärfe noch über ^n ist. Für die höher- gradige M ist also eine Grenzbestimmung für die Dienst- tauglichkeit, nämlich M 6,6 D = 15 Cm. Fempunkts- abstand, geboten, da hier die durchgehende Herabsetzung der Sehschärfe unter ^<^bt wie bei den adäquaten H-graden schon die Tauglichkeit aussctüiesst.

Ein jäher Abfall des Werthes der Durchschnittsseh- schärfe findet erst bei Myopiegraden von 13 D an aufwärts statt und sinkt S für diese Grade auf Vs- Sehschärfe

20 von Yx zeigten nur noch drei Augen unter 68 mit

Myopie zwischen 8 und 10 Dioptrieen; 5 unter 85 mit M von 7—8, 10 unter 103 mit M zwischen 6 u. 6,75 Dioptrieen. Bei der Zusammenstellung meiner erstmaligen Unter- suchungen ergab sich mir bei Berechnung der Durch- schnittssehschärfe für die verschiedenen Myopiegrade der störende Umstand, dass bei den Myopen zwischen 1,75 bis 4,5 D auch in den kleineren Abstufimgen die Durch-

Schnittssehschärfe zu ^^ ^^^^ berechnete, während die

geringgradigeren Myopieen von 1 und 1,5 D schlechtere

S nämlich -^x bez. -^x zeigten. Es liegt dies jedoch

in den besonderen Verhältnissen beim Militär, indem die

üeber normale Sehschärfe etc. 121

Myopen von 1,75 4,5 D, wenn ihre Sehschärfe bei Correctur der normalen nicht nahe kommt, entweder gar nicht eingereiht oder der Beserve zngetheilt werden, im activen Dienststande überhaupt auch nur wenige gefunden werden, während die Myopen von 1 und 1,5 D auch bei etwas schlechterer S wegen relativ besserer S ohne Correctur i. e. Distinctionsfähigkeit nach Nagel ein- gereiht sich finden, da eben ihre geringe Befractions- amblyopie sie nicht zu Angaben über Herabsetzung des Sehvermögens veranlasste.

Erst die Zusammenstellung mit den späteren Unter- suchungen ergab mir die genauen Abstufungen der Tabelle VII, deren Werth also nicht nur auf der Zahl der untersuchten Augen, sondern auch auf der passenden Auswahl des üntersuchungsmaterials beruht.

Bei den bisherigen lediglich practischen Zwecken dienenden Untersuchungen liess man die Ametropie erst bei 1 D beginnen. Wie aus Tabelle VII sowie dem p. 117 u. 120 Gesagten hervorgeht und wie später noch dargethan werden wird, ist dies wohl fOr Hypermetropie bei entsprechender Nahpunktslage, nicht jedoch bei Myopie angänglich.

Als myopische Augen sind bereits solche mit M 0,5

zu bezeichnen, nur die geringsten Grade von 0,25 0,33

sind den emmetropischen zuzurechnen. In diesem Sinne

gruppirt erhalte ich folgende Beihe:

22,14 3034 emmetropische Augen hatten 8 1,107 = "xx~

9 383 hypermetropische « S 0,45 = ^^

142 1433 myopische S 0,71 = -^y'

4850.

122 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

Nach dieser Reihe mochte es den Anschein gewinnen, als sei die Myopie gegenüber der Hypermetropie hinsicht- lich der Sehschärfe nicht nur sehr begünstigt, sondern auch der üebergang ans dem hypermetropischen in den emmetropischen nnd dann in den myopischen, wie es von Gohn und Erismann für die Schuljahre constatirt wurde, sogar von Yortheil. Es wäre dies jedoch ein Trugschluss. Denn dieser üebergang ist für das einzelne Individuum noch nicht nachgewiesen und auch nur in beschränkterer Ausdehnung richtig ich habe nach mehrjährigen Unter- suchungen an zwei Instituten noch nicht beobachtet, dass ein irgend nennenswerther Hypermetropiegrad, nicht einmal H 1 D in den myopischen Brechzustand übergegangen wäre. Wer überhaupt genaue Untersuchungen von Schüleraugen machen will, muss eben auch die geringen Ametropiegrade unter 1 D berücksichtigen, nur dann wird er das drohende Eintreten von Myopie beobachten und verhüten können. Die geringen Ametropiegrade unter 1 D lassen erst, wie schon pag. 116 u. 117 hervorgehoben wurde, den eminenten Yortheil des hypermetropischen Auges gegen den des myo- pischen Auges hervortreten:

1295 hypermetropische Augen < 1 D haben S = 1,116 260 myopische < 1 D S = 1,05

und sämmtliche hypermetropische (1678) Augen H < 1 D eingerechnet haben Durchschnittsehschäfe . . 0,97, sämmtliche myopische (1619) Augen dagegen nur 0,60.

Ergänzend möchte ich jedoch anfügen, dass auch myopische Augen auffallend gute Sehschärfe zeigten, z. B. :

o A -i. ir ^ r7c T. o 35 (b. einem Ijähr.

2 Augen mit M 1,75 D: S = ^v a. -n- a i.^ ^ ' XX freiwillig. Arzt).

1 Auge M 1,75 D: S = 1 M2 D: S=^

25 XX

25 XX

b. einem Gym- nasial - Absol- venten.

üeber normale Sehschärfe etc. 123

2 Augen mit M 2,25 D: S = -j^

1 Auge M3,25D: S = ^-

2 Augen M4 D: S = -^

2 M4,5 D: S = 1 Auge M5 D: S =

23 XX 25

XX

Festzuhalten aber ist: Normale Sehschärfe und besser hatten von 492 myopischen Augen nur 123 i. e. 25 pCt, also nur der vierte Theil.

Die mannigfEu^ben Beruüs- und Erwerbsarten, denen unsere Soldaten vor ibrer Einreihung sich widmeten, gaben mir natOrlicb Anlass, über die Beziehungen der Befraction und der Sehschärfe zum Civilberufe bestimmte Anhalts- punkte zu gewinnen beziehungsweise ein bestimmtes Ab- hängigkeitsverhältniss sowohl der Befraction als der Seh- schärfe von der Beschäftigungsweise und den daraus resultirenden Schädlichkeiten zu begründen.

Ich habe deshalb die verschiedenen Berufsklassen zu- nächst in 4 grossere Categorieen getheilt, von denen die

I. die gesammte Landbevölkerung, vorherrschend Bauemknechte, jedoch mit Ausnahme der Dorf- handwerker, die in Gat. m. sich befinden,

II. die Leute mit freier Erwerbsart in den Städten, TaglOhner etc.,

III. sämmtliche Handwerker inclusive Musiker, die nebenbei Oewerbtreibende sind,

VI. sämmtliche aus höheren Schulen hervorgegangene Soldaten, speciell Freiwillige, femer Kaufleute,

124 Ober Stabsarzt Dr. Seggel.

Schreiber und als einzige Ausnahme von den Handwerkern auch die Schriftsetzer umfasst.

Tabelle VIII. Befraction nach Ständen ausgeschieden.

RefractionB- zostand

L Cate- gorie

Landlente

]J. Cate- gorie

Freier Er werb

m.Cate- gorie

Hand werker

rv.Cate- gorie

Litteraten

Summa

1

<

j

1

1

1

<

1

1

1

1

<

1

Emmetropie incL

1277

78,3

640

77,8

137 71,4

69 64,0

776 70,5

392 69,9

231 35,8

118 36

2421

68

1219 67^

Hypennetropie excLHX«,

320 19,7

163 19,8

49 25,5

25 32,0

231 21,0

120 21,4

43 6J

24 7^

643 18

332 18,3

Myopie excLMM«, in%

33 2fi

19 34

6

4 4,0

93

8,5

49 3?

370 67,5

187 56,7

502 14

259 14j3

Summe Procentsatz

1630

81 46

22

192

98 5,5

1100

561 31,3

644

329

18,2

3566*

1810

Tabelle Vm **) ergiebt die Ergebnisse dieser Zusam- menstellung. Nach derselben fanden sich in der

emmetropische

hypermetropische

myopische

Augen

Angen

Augen

I. Gategorie

78,3 pCt.

19,7 pCt.

2 pa

n.

71,4

25,5

3,1

m.

70,5

21

8,5

IV.

35,8

6,7

57^

*) 54 Augen nach Befraction unbestimmbar. **) Der Procentsatz der ametropischen Individuen ist in Tabelle VIII höher als der der ametropischen Angen, weil f&r die Charakteristik des Individuums nut verschiedenen Augen immer das ametropische, in erster Linie das kurzsichtige Auge das be- stimmende war.

lieber nonnale Sehschärfe etc. 125

Ein Vergleich dieser Tabelle mit den Tab. V. und VI. ergiebt ein entschiedenes Zurückstehen der Ametropieen gegen die Emmetropie, obgleich dasselbe üntersuchungs- material sowohl qualitativ als numerisch, nämlich die Seh- prüfungen von 1810 Militärs zu Grunde gelegt ist Diese Verschiebung ist dadurch bewirkt, dass ich bei Anlegung der Tabelle Vill. sowohl die Myopen als die Hypermetro- pen mit Ametr. V120 = 0,25 D noch zu den emmetropischen rechnete. Ich glaubte aber noch weiter gehen und bei der Hypermetropie auch noch die Grade von Veo = 0,5 und Vso ■■ 0,75 mit aufnehmen zu müssen.

Die Gründe, die mich a priori dazu bestimmen konn- ten, sind theilweise schon im Vorausgehenden angedeutet, es sind eben

1. das so ausserordentlich häufige Vorkommen dieser geringgradigen Ametropieen,

2. die ihnen noch zukommende gute Sehschärfe, deren Durchschnittswerth sogar die der Emmetropen noch übersteigt, wenigstens ihr gleichkommt,

3. die so beträchtliche DifFerenzirung sowohl bezüg- lich der Häufigkeit des Vorkommens als bezüglich der Sehschärfe vom nächst höheren nur um einen Intervall von V120 bei M, Vaoo bei H getrennten Befractionsgrade.

Es kam hierzu aber noch ein viertes Moment, dass mir diese Ausdehnung des Begriffes von Emmetropie lediglich jedoch nur für den vorliegenden Zweck nicht nur zu rechtfertigen, sondern auch in Verbindung mit den 3 vorstehenden, weitere für den Bau des Auges und die Hefractionsverhältnisse recht wichtige Aufschlüsse zu geben scheint.

Stelle ich nämlich die Procentsätze mit der Anzahl Augen^ aus denen sie berechnet wurden, für die genannten Categorien in letzterem Sinne zusammen, so erhalte ich för die

126 Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

Augen emmtropische bypermetropische myopische Summa

n. m.

IV.

Categorie 1581

16

33

1630

97 7o

i7o

2 7o

181

5

6

192

94,3 7o

2,6 7o

3,1 7o

999

8

93

1100

90,9 7o

0,6 7o

8,5 7o

268

6

370

644

41 7o

0,9 7o

57,5 7o

Summa 3020

35

502

3566

85 7o

i7o

14 7o

Hier findet nun eine ganz beträchtliche Verschiebung zu Ounsten der emmetropischen lediglich durch Verringe- rung der hypennetropischen Augen statt, wahrend die myopischen natürlich im Procentverhältniss gleich bleiben.

Berechnete ich nun aber bei den Categorieen I. ^IV. die Procentverhaltnisse für H V^o = 0,25 bis H Vm = 0,75 einerseits und für M Viao = 0,25 andererseits, welch' letz- terem ich die Procentverhaltnisse für M Vco = 0,5 0,75 D nach den einzelnen Categorieen gegenüberstellte, so kam ich zu dem überraschenden Resultate, dass sich nicht nur die Hypermetropiegrade von Viw = 0,25 bis Vw = 0,75 procentuarisch auf die 3 ersten Categorieen ganz gleich- massig vertheilen, sondern dass dies auch mit dem ge- ringsten Myopiegrade 0,25 der Fall ist, letzterer überdies nicht wie die übrigen Myopiegrade in der IV. Categorie (Litteraten) pravalirt, wie dies schon bei M Veo der Fall ist, sondern sogar gegen die übrigen Categorieen, speciell gegen die I. Landbevölkerung zurücktritt. Folgende Tabelle IX. wird diese Verhältnisse am besten veran- schaulichen.

Ueber normale Sehschärfe etc.

127

Tabelle IX.

' I. Categorie 1 umfasst: 1 1630 Augen 822 Mann ' 45,3% ' der Unter- . suchten.

4

II. Categorie

umfasst :

192 Augen

98 Mann

5,5 9S der Unter- suchten.

ni.Categorie : umfasst : 1 1100 Augen 561 Mann

31,3% der Unter- suchten.

IV. Categorie

umfasst:

644 Augen

322 Mann

18,2% der Unter- suchten.

mit H 0,25

357 229^

42 21,8%

226 20,5%

46

7,1%

H 0,5

174

10,7 % ;

20 10,4%

116 10,5%

9 1,4%

^ H0,75

1 128

' 7,8 9g

24 12,5%

106 9,7%

, 28 4,3%

. M0,25

1 «1 ' 5%

17 9%

63 5,7%

20 3,1%

,, M0,5-0,75

14

1 0,8 9g

5 2,6%

17 1,5%

27 4,2%

M>0,75

1 19 . 1,2%

1 0,5%

77 7%

347 54%

Dass die Grade H Vuo = 0,25 bis H Vso == 0,75 in der IV. Categorie gegen die übrigen Categorieen znrück- stehen, ist wohl als selbstverständlich anzusehen, nachdem sie hier nur analog der Emmetropie sich verhalten, welche nach Tabelle VIII. mit 36 pCt. den 77,8 pCt. Emmetropen in Categorie I. gegenübersteht. Fasse ich nun alle diese Ergebnisse zusammen, so glaube ich zu dem Schlüsse be- rechtigt zu sein, dass sowohl die Augen mit M V120 = 0,25 bis 0,33 als mit H V120 = 0,25-0,75 bis H Vso bei Ver- gleichung der BefractionszustAnde der verschiedenen Be- rufsklassen den emmetropischen zugerechnet werden sollten und dass die genannten geringen Abweichungen vom em- metropischen Brechzustande nicht als Phasen eines Ueber- . ganges von einem Brechzustande zum andern, sondern als Ausdruck eines stabilen und noch in der Grenze des Normalen befindlichen Zustandes zu gelten haben, wie ich

128 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

es schon p. 117 und 118 mit anderer Begründung nach- gewiesen zu haben glaube; dass speciell dieH.-Grade von Vi2o " 0,25 bis 7*0 = 0,75 in der überwiegenden Mehrzahl als totale Hypermetropien aufzufassen sind und sich nur ausnahmsweise hinter ihnen die Latenz eines höheren Grades versteckt, wie ich es schon von H 7*0 1 D auf- wärts anzunehmen gedrängt bin. Die verschwindend wenigen FäUe, bei denen die niederen H.-grade noch einen latenten Theil hinter sich haben, machten sich bei der Untersuchung durch den abgerückten Nahpunkt bemerkbar und wurde dann bei ihnen mittelst Atropin xmd ophthal- moskopisch die totale H. bestimmt. Ebenso findet man aber auch scheinbar emmetropische Augen, denen sogar das schwächste Convexglas verschlechtert, und die sich durch die abgerückte Nahpunktlage als Hypermetropen entpuppen.

Es wird nun genügen, wenn ich die Beziehungen der Be&action zu den verschiedenen Berufsklassen nur noch kurz anfCQire, um so mehr, als ich die Ergebnisse meiner Untersuchungen in dieser Bichtung sowie auch bezüglich der Sehschärfe der einzelnen Berufsklassen schon ander- weitig kurz mitgetheilt habe. (Die Zunahme der Eurz- sichtigkeit an den höheren Unterrichtsanstalten. München, Jos. Ant. Finsterlin 1878).

Die geringste Zahl von emmetropischen Augen findet sich demnach bei Gategorie lY, die die aus höheren Schulen hervorgegangenen Leute enthält, nämlich nur 35,8 pCt. Augen oder 36 pCt. Individuen (mit Hinzurech- nung von H 760 = 0,5 und 7^0 = 0,75 : 41,6 pCt), da wir eben hier die meisten myopischen Augen, nämlich 57,5 pCt. finden. Die geringste Zahl myopischer Augen hat dagegen die Landbevölkerung, nämlich nur 2 pCt. Dies Procent- verhältniss stellt sich sogar noch niedriger, wenn man in Anschlag bringt, dass von den 19 Myopen dieser Gategorie 5 ein enunetropisches Auge haben, also nur 14 binoculär

lieber normale Sehschärfe etc. 129

myopisch sind und diese letzteren mit Ausnahme einer M = niit S = Vs nur ganz geringe Grade darboten: Imal M V24, 2 mal M Vao zugleich mit As, 4mal M V^o 6 mal M V^o. Becht auffällig ist überhaupt, dass bei der Landbevölkerung gerade die mittleren Myopiegrade sehr selten vorkommen, die doch sonst die häufigsten sind, während sich wenigstens vereinzelt die ganz niederen Grade und auch ganz hohe Grade finden. Diese letzteren bieten überhaupt folgende Eigenthümlichkeiten dar: Der Fernpunktsabstand ist höchstens 15 Cm., die Sehschärfe meist so gering, dass die betreffenden Individuen deshalb gar nicht lesen lernen konnten. Als Augenspiegelbefund zeigt sich entweder ein scharf umschriebener Conus ohne eigentliche Entzündungsresiduen und disseminirte Cho- rioidalveränderungen oder Krümmungsmyopie ohne Zeichen einer Verlängerung des Bulbus. £s scheint also diese hochgradige Myopie nie erworben, sondern angeboren zu sein, worauf auch stets die Anamnese hinweist. Diese Annahme als allgemein gültig hinzustellen, bin ich jedoch weit entfernt, möchte nur die Thatsache registriren, wie sie sich filr den Theil der Landbevölkerung darstellt, der nur die Elementarschule soweit besuclit hat, dass er lesen und schreiben lernte. Ich lege deshalb Gewicht hierauf, weil es. mir ein Beweis gegen die Behauptung Loring's zu sein scheint, welcher, wie ich dem Referate in Zehen der's klin. Monatsblättem XVI, pag: 32 entnehme, die Behauptung aufstellt, dass in dem allzufrühen Lebens- alter, in welchem der Schulzwang in Deutschland die Kinder in, die Schule führt, der wahre Entstehungsgrund der Kurzsichtigkeit bei den Deutschen liege. Unsere aus der Landbevölkerung hervorgegangenen Soldaten unter- lagen aber alle dem Schulzwang und haben lesen und schreiben gelernt und doch finden vnr bei ihnen keine Kurzsichtigkeit, ausser ganz hochgradigen als angeboren sich charakterisirenden Formen oder ganz vereinzelten

▼. draofo'a ArcblT fUr Ophthalmologie, XXX. 8. 9

130 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

minimalen Graden. Wie verhält es sich dagegen mit einem andern Stande, der sich ebenfalls zum grossen Theile wenigstens in Bayern aus der Landbevölke- rung ergänzt, mit dem der katholischen Landgeistlichen V Bei ihnen finden wir fast durchweg Myopie von den mittleren und hohen Graden und ist dieselbe zweifellos durch die bekannten Schädlichkeiten in den mittleren zehner Jahren erworben, keinesfalls aber durch üeber- anstrengung im Kindesalter. Der Entwickelungsgang dieser Herren lässt dies schon a priori annehmen, der insofern ein etwas abweichender ist, als sie den andeni Studirenden im Lebensalter etwas voraus sind und im Internat sog. Seminarien unter meist ungünstigen Ver- hältnissen ihren Studien obliegen müssen.

Bezüglich der Hypermetropie dürfte nach Tabelle VIII und IX erwähnenswerth sein, dass sich das grösste Pro- centverhältniss der Hypermetropen nicht bei der Land- bevölkerung, sondern bei den Leuten mit freier Erwerbsart in den Städten (Taglöhner etc.) nämlich 32 (2,6) pCt gegen 23 (1) pCt. findet. Nach Tabelle IX finden sich sogar die Grade von höher als Vso bei der Landbevölke- rung seltener als in der IL Categorie, am seltensten bei den Handwerkern mit nur 0,8 pCt. Doch möchte ich diese Verhältnisse am wenigsten als allgemein gültig hin- stellen, sondern als durch die Auswahl in Bezug auf die Diensttauglichkeit modificirt. Die Handwerker zeigen be- züglich der Emmetropie gleiche Verhältnisse, wie die Leute mit freier Erwerbsart in den Städten. Beide haben nämlich nach Tabelle VIH (54 pCt., letztere haben aber etwas mehr Hypermetropen, 32 gegen 27 pCt. bei den Handwerkern, diese aequivalent mehr Myopen, 9 gegen 4 pCt. Dies letztere Verhältniss resultirt daraus, dass in einzelnen Gewerben sich verhältnissmässig viele Myopen finden, so besonders bei den Musikern und Schneidern.

und von IVJ Schnäiera:

ISI

Nicht nninTrressant f-:b:eii es mir, ßr einiclne Pro- fessionen anch dra MitTelwt-nb der Sehsoblrfe n\ W- rechnen, nämlich «X wo sie mir xmKr der DurohschnitU- norm zn stehen selJen. Bd zweien hatte ioh mich in meinen Voraussetznniren getäuscht, es sind dies die Schuster und die Müller, bei den übrigen haben sie sich bestätigt gefanden.

Bei einer allgemein als -^y" g^foiidenen Durch-

Schnittssehschärfe, ergab sich dieselbe

bei den Müllern ....

. 2K3 also besser

., Schuhmachern . .

. 21,0 also gleich

dagegen ,, Feuerarbeitem . .

. 19,4

Schneidern . . .

. 18,0

Schriftsetzern . .

. 17,0

Musikern ....

. lo,5 XX

bei den 4 letzteren Gewerben also unter dem Durch* schnittswerthe.

Am auffälligsten ist die herabgesetzte Sehschärfe bei den Musikern, doch dürfte dies Verhältniss hei ihnen ein anderes sein als bei den übrigen Gewerben. Dieselben haben wohl weniger herabgesetzte Sehschärfe in Folge der schädlichen Einflüsse ihres Gewerbes, ich unter- suchte ja nur jüngere Leute sondern die meisten der- selben haben diesen Lebenserwerb ihres schlechten Sehens Tvegen gewählt, so z. B. 4 Astigmatiker, darunter zwei Brüder. Ich war erstaunt, dass diese, trotzdem Cylindor- gläser ihre S nicht sehr erheblich besserten, überhaupt Noten lesen konnten und erkläre es mir daraus, dass sie

9*

132 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel

wohl die NotenkOpfe in Zerstreuungskreisen sehen, jedoch die Querstriche als horizontale Brennlinien auf die Netz- haut bringen und so die Intervalle scharf trennen können. Gutes Gehör und Gedächtniss spielen dabei natürlich auch einen wesentlichen Factor.

Bei den Metallarbeitern und Müllern kommt ebenso wie bei den litteraten Ständen, Schreibern etc. am häufigsten verschiedene Sehschärfe beider Augen vor, bei Metallarbeitern wegen häufiger Beschädigungen (Metall- splittem in der Hornhaut), bei den Müllern wegen häufiger Conjunctivitiden mit ßeizzuständen der Horn- haut, bei Categorie HI wegen gleichzeitiger Anisometrie. Die* Bäcker, die eigentlich auch zu den Feuerarbeitem zählen, sind gleichwohl nicht in obige Zahlen eingerechnet da sie aufißllig gute Sehschärfe zeigten, die mittlere Seh- schärfe derselben (von 40 Augen) berechnete sich näm-

22 14

lieh auf Y^i die schlechteste, die vorkam, war ^^. Ich

möchte aber dies Resultat ebenso wenig wie das bei den Müllern und Schuhmachern geftmdene als richtig an- erkennen, da von den Bäckern viele theilweise aus ander- weitigen Ursachen besonders wegen des bei ihnen häufig vorkommenden genu valgum, dienstuntauglich oder den Verpflegsabtheilungen zugewiesen sind, und mir meine anderweitigen Erfahrungen ergeben haben, dass unter den Schuhmachern und Müllern doch recht viele schlechte Augen sich finden, bei den letzteren in Folge chronischer Entzündungen der Bindehäute und der Lider, bei den ersteren in Folge theils ungünstiger, theils ungenügender Beleuchtung durch die auf dem Lande noch sehr gebräuch- liche Schusterkugel.

Bei meinen späteren Untersuchungen, die sich auf solche beschränkten, die bei ihrer Einreihung über irgend eine Abnormität des Sehorgans klagten, bekam ich den Ein-

Ueber normale Sehschärfe etc.

133

drack, als gewinne die Korzsichtigkeit auch in den bisher von ihr ziemlich frei gebliebenen Berafsklassen an Ausbreitung. Von etwa 1000 wegen angegebener Beeinträchtigung des Sehvermögens von mir untersuchten Rekruten und Freiwilligen entwarf ich mir nachfolgende Tabelle X. Die- selbe giebt an, in welchem Grade und mit welcher Seh- schärfe bei den früher schon näher bezeichneten 4 Cate- gorien Myopie besteht. Categorie IV zerfällt jedoch ab- weichend von den früheren Zusammenstellungen in zwei Abiheilungen in a und b, von denen a die vermöge ihrer Vorbildung nicht zum einjährig freiwilligen Dienst vor- bereiteten Jünglinge, Abth. b diejenigen, die eine höhere Schulbildung genossen haben, umfasst. ünterabtheilung b lässt somit den Einfluss der Seharbeit in der Jugend reiner hervortreten, als wenn ich die beiden ünter- abtheilungen zusammengefasst hätte. Einer eingehenderen Erklärung bedarf die Tabelle wohl kaum und wird es genügen, wenn ich bemerke, dass für jede Berufsklasse der durchschnittliche Myopiegrad sowie die mittlere Seh- schärfe der Myopen am Abschlüsse jeder Sparte und ebenso bei der Gesammtsumme beigefügt ist. Der durch- schnittliche Myopie- und davon abhängige Sehschärfegrad lässt sich besser nach folgender Zusammenstellung für die 4 Categorien entnehmen

M in Dioptr.

Seluchärfe

bei Gat^oiie I 4,66

0,44

11

n .... 5,6

0,40

11 11

m .... 3,3

0,55

11

IVa . . . . 3,2

0,70

11 11

IVb . . . . 4,82

0,43

zusammen exci. b 3,84

0,54

incl. b 4,7

0,46

Nach vorstehender Zusammenstellung findet sich demnach der durchschnittlich höchste Myopiegrad und

134

Ober-Stabsarzt ür. Seggel. Tabelle X.

Anzahl

Civüberuf

im ! Im Be-

Myopiegrad

Sehschärfe

Ganzen 1 sondern

L Bauemknechte,

2

Of>

■A '<

Bauern und Oeko-

2

1,25

'3 -^

nomen

3

1,5

% 'i 1

1

1,75

L<';,R%

3

2,0

% % > \

; 2

2,5

<%%

4

3,0

%%>',%

2

3,5

!41

3

4,0

%<'>.%

1 3

5,0

%%<'.

i ; 1

1 '•

6,5

\

7,0

\ !-:

; 1

8.0

%

i 1

10,0

1

1 i

16,0

%

1 1

18.0

1

1

20,0

.M

1

20,0 E

1

1

L 1,75 R 3,5

L :, R ',

1

Ll,5 K5,5

L '., R ';

1

L 3 R 4,0 4,66

<'-i

"Tt"

"•^ = «/W

II. Tagelöhner und i

Leute mit freiem

1

0,75

/2

Erwerb

1

1,0

h%R%

3

2,0

L Vi R^^!:l

; i

1

2,5

2/

1

3,0

>'.

1

4,5

1

2

5,0

/'S »

6.0

'/■,L'.',R<',

^

R^O

%:

1

17,0

1/ 40

1

20,0 R

1/

Lb R9,0

L^R';

16

5,6 D

% = '%»

Ueber normale Sehschärfe etc.

135

Anzahl

Civüberuf

Im Gänsen

im Bo- sondern

Myopiegrad

Sehschärfe

UL Professionisten:

a) Schreiner, Zim-

7

3

1,0

> '-i % 1

merleate und

1

2,0

%

Wagner

1

2^

V

1

5,5

1/

1

L4 R8,0

LSR»4

b) Kaminkehrer,

4

1

1,0

%

Maurer u. Stein-

1

3,0

%

metze

4,0

\

L0,75 R5,0

%

c) Bäcker, MüUer

7 1

1,5

3/

und Bierbrauer

3,0

\ %

4,0

- 1-

•1

4,75

-%

' 1

10,0 K

%

1

20,0 R

1/

d) Schlosser, Mes-

13 : 1

0,75

1

serschmiede,

1,0

■"^

Spengler, Mecha-

2,0

1

niker

2,25

1

ü,5

\

1

3,0

L', R%

1

3,5

%

4,0

■'^

5,0

L !i R S "i

14^

1

L4y'j RJ

L'i R'/,

e) Tuchmacher,

11 1

2,0

L ', R U

Tapezierer, Satt-

24»

>',

ler und Metzger

.>

"

2,5

>', L-, R%

1

3,0

»4

i 1

■i^

-,

4,0

4/

^

4,5

.''

20,0 R

TO

L2,0 R(i,0

L ', R '.

'

L2,5 R5^

L ', R 'i.

136

Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

Anzahl

Civilberuf

im Ganzen

imBe- flondern

Myopiegrad

Sehschärfe

f) Bader, Friseure

6

1,25

y.

und Kellner

1,75

1

1

2,0

'/2

2,5

'k^

4^

%

g) Buchbinder,

8

2,0

1

Schneider,

2,5

?^^i

Schnitzer,

3,0

l

Schachtelmacher

5,0

,•2

10,0

r

2

140

'k

L 4,5 R 5,5

%

h) Uhrmacher,

9

1,0

1

Schriftsetzer,

2,0

),%

Lithographen

2,5

\

3,0

2/ /3

4,0

%l

4,5

1

L3,5 R2

^k

Summe

der Professionisten ; 65

3.3

% = %.

IV. a) Bildhauer,

1

0,75

~k

Maler, Sänger,

2

1,0

:!;u.i

Schreiber und

1

1,5

■k

Kaufleute

2

1,75

1.1

5

2,0 {

2

2,25

%\

2

2,5

%%

4

3,0

% % %o 1

3

4,0

%%i

4,5

1

5,0

%%

G,0

>'i

7,5

h%R%

8,0

<'i

Ztket

^ilHf Jtirtp ctc»

137

CHübovf

IV.

b Jjenu wüt hüharr Sckoi- damg

Sanune

LZO R4i)

L2.75 Rt5,5

L3i)RiO

32

5

3

7 10

7

6 U

2 17

13 I 22

19 ;

34 i

24

23

4

22

! 18

4

5

2

I 46

2

1

308

< .

LI RK L< . Rl

a;2

W

u& 1^

l,«o 2,0 2* 2^

3JD 3,5 4,0 4^ 5,0 5.5 «,0

7,0

8

9

10

U

mit yerschiedenem Gnd

auf beiden Augen 10Ra.L

15 R

4,82

T 15

*Xoo

die schlechteste Dorchschnittssehsch&rfe ausser bei Cate- gorie IV bf wo es a priori anzunehmen ist, noch bei Categorie I und II, bei denen man das Gegentheil ver- mnthet hätte, geleitet von dem Gedanken, dass die Gate-

138 Ober-Stabsarzt Dr. Seggel.

gorien, welche die wenigsten Kurzsichtigen haben, auch den geringsten Durchschnittsgrad und die beste Durch- schnittssehschärfe (für die Myopen) haben müssten. Scheide ich nämlich bei Tabelle VIII, pag. 124 von Cate- gorie IV die Freiwilligen, d. i. solche, die höhere Schul- bildung genossen haben, aus, wie es bei Tabelle X ge- schehen, als Categorie IV b aus, so ergiebt sich, dass sich in

Categorie I 2pCt.

II 4

III 1)

IVa 44

Kurzsichtige befanden. Der durchschnittliche Myopiegrad verhält sich also gerade umgekehrt zur Proceutzahl der Myopen, Landleute und Stadttaglöhner mit der geringsten Troceutzahl Kurzsichtiger haben den höchsten durch- schnittlichen Myopiegrad, die Categorie IVa mit der höchsten Anzahl Myopen den geringsten Durchschnitts- grad, zugleich auch die beste Durchschnittssehschärfe (für die Myopen). Die Gründe für diesen scheinbaren Wider- sprach, welche bei eingehenderer Durchsicht schon der Tabelle X entnommen werden können, springen in nach- folgender Zusammenstellung noch deutlicher in die Augen:

Tabelle XL

Es hatten Myopie

in

Categorie

I

U

111

IVa

IVb

unter 1 Dioptr.

5,4

6,2

3,1

3,1

1

1-3

•18,5

37,5

58,4

68,7

22,6

3,5-7

30

37,5

29,2

22,0

65.7

hülier als 7 ^

16,2

18,8

9,2

6,2

10,7

höher als 0

14

1^,5

ö,a

0

<3

verseliiedeuer

Myopiegrad

beider Augen

8

6^

10,8

9,4

16 pCc.

Ueber normale Sehschärfe etc. 139

Der hohe Durchschnittsgrad der Myopie fdr Categorie I und II ist demnach bedingt durch das verhältnissmässig häufige Vorkommen der sehr hohen Myopiegrade bei diesen Categorieen, während sie in den Categorieen IV a and b ausserordentlich zurücktraten.

Meine Eesultate führen somit zu noch weiter gehen- den Schlüssen als die von Tscherning in Band XXIX, Abth. 1 dieses Archives pag. 218 gezogenen, dass nämlich excessive Myopien von Naharbeit nicht abhängig über die ganze Bevölkerung gleichmässig verbreitet sind und in ihrer Verbreitung einem ganz anderen Gesetz folgen als die niederen Orade. Nach Tabelle X finden sich nämlich die excessiven Myopien relativ am häufigsten bei den Categorieen, die sich wenig mit Seharbeit beschäftigen, und in weit geringerem Procentverhältniss in der Categorie, die ihren Augen am meisten zumuthen muss und daher, wie man bisher annahm, am meisten zu den höchsten Alyopiegraden incliniren sollte, nämlich in Categorie IV. Höchst auflMliger Weise fand sich sogar in IV a gar kein höherer Myopiegrad als 8 D.

Gegen den Satz, dass dagegen die durch das Lesen hervorgerufene Kurzsichtigkeit als gutartig aufzufassen, indem sie nichts anderes als Anpassung des Auges an seine Arbeit sei und es sehr zweifelhaft erscheine, ob sich aus dieser Form die deletäre entwickeln kann, möchte ich aber Einwand erheben. Von 11 Myopen der Categorie IV b mit M 9 D und höher sind 5 wahrscheinlich als Dis- position — ererbt und 5 sicher erworben und progressiv, von letzteren drei auf einem auffällig viele und hohe Myopen erzeugenden Gymnasium, üeberdies ist zu berück- sichtigen, dass die Zahlen in der Tabelle XI nur das Verhältniss der Myopiegrade geben, und dass in Wirklich- keit und im Verhältniss zur Zahl der Untersuchten bei der Categorie IV b viel mehr hochgradige Myopieen über 9 D gefunden wurden als in den Categorien I und II.

140 Ober-Stabsarzt Dr. SeggeL

Ausserdem erlaube ich mir noch auf das pag. 129 Gesagte hinzuweisen.

Den wirklich verderblichen Einfluss der Naharbeit auf die Steigerung des Myopiegrades illustrirt besser als lange Abhandlungen ein Blick auf die Zusammenstellung pag. 138. Dieselbe zeigt, wie die geringeren Myopiegrade ( incl. 3 D) in den 3 ersten Categorien und auch noch in IVa vorherrschen, in IVb dagegen weit gegen die mittleren Grade (zwischen 3 und 7 D) zurücktreten. Ins- besondere möchte ich den Unterschied zwischen Cat^orie IVa und IVb hervorheben, die in Bezug auf die niederen und mittleren Myopiegrade gerade entgegengesetzt sich verhalten und so recht den Einfluss der höheren Lehr- anstalten auf die Zunahme des Myopiegrades ersehen lassen. Dementsprechend hat Gategorie IVb nach Tab. X auch eine weit schlechtere Durchschnittssehschärfe als Gategorie IVa (*Vioo gegen ^7ioo). Tabelle X demonstrirt ja überhaupt auch noch, wie die Sehschärfe zum Myopie- grade im umgekehrten Verhältniss steht, ein Verhältnisse das bereits früher besprochen und speciell durch Ta- belle VII näher begründet wurde. Dass diese Ergeb- nisse den am Schlüsse der Abhandlung Tscherning's ausgesprochenen Anschauungen widersprechen, bedarf wohl kaum hinzugefügt zu werden.

Es geht vielmehr aus meinen Untersuchungen hervor, dass, da die Myopie schon in ihren nieder- sten Graden von 0,5 D an die Durchschnitts- sehschärfe unter die bisher als normal angenom- mene herabdrängt und S proportional der Zu- nahme des Myopiegrades sinkt, die Bekämpfung der Myopie nicht nur um ihrer selbst willen, son- dern auch wegen der damit unzertrennlich ver- bundenen Abnahme der Sehschärfe ein dringendes nicht oft genug zu urgirendes Gebot ist

Die Brennlinien eines nnendlioli dünnen astigma- tiscben StraMenbUndels nach soMefer Inoidenz eines homocentrischen Strahlenbündels in eine krumme Oberfläche und das Strahlenconoid von Sturm und Kummer.

Eine Replik von Prof. Ludwig Matthiessen in Rostock.

Hierzu auf Tafel U Fig. 1, 2, 3.

In einem früheren Aufsätze dieses Archivs (Bd. XXIX. AbtW. 1 S. 147—149, 1883) *) über die Form der ästig- matischen Bilder sehr kleiner Geraden bei schiefer Strah- lenincidenz in eine brechende sphärische Fläche sind zum Hinweis auf die den Theoremen zu Grunde gelegten geo- metrischen Principien von mir folgende Schlussworte hin- zugefügt: ,,Die Stürmische Theorie setzt voraus, dass auch die zweite Brennlinie auf dem Hauptstrahle senk- recht stehe, worin offenbar ein Irrthum enthalten ist, wie schon eine elementare Betrachtung der sogenannten sphä- rischen Längenabweichung erweist. Dessenungeachtet hat sich die Sturm'sche Theorie, getragen von der Autorität.

♦) Vergl. Revue generale d'ophthalmologie (p. 386—386, 30. Septembre 1883).

142 Prof» Ludwig Matthiessen.

verschiedener namhafter Geometer und Physiologen in der modernen ophthalmologischen Litteratur überall festge- wurzelt." Herr Dr. Leroy polemisirt in einem Memoire der Revue generale d'ophthalmologie (p. 481 482, 30. No- vember 1883) gegen diese Sätze, indem er ausführt, dass das Theorem von Sturm nicht berührt werde von dem Widerspruche, dass bei der sphärischen Brechung eine.^ dünnen homocentrischen Strahlenbündels die IL Brennlinie mit der Axc des Bündels einen von 90^ verschiedenen Winkel (Keusch), dagegen nach dem Stürmischen Theo- . reme, welches unter gewissen Beschränkungen mittels Differenzialcalcül hergeleitet sei, mit der Axe einen Winkel von 90** bilde. Leroy fügt hinzu, dass es geboten sei. meine Behauptung, es enthalte die Stunn'sche Theorie einen Fehler, ernstlich zu bekämpfen, da sie möglicher- weise in den Anschauungen und üeberzeugungen der Ophthalmologen eine Verwirrung herbeiführen könne, wenn denselben nicht die analytischen Mittel zu Gebote ständen, meinen „Irrthum" zu durchschauen.

Durch diese Erklärung tritt nunmehr an mich die unabweisbare Forderung heran, mein Urtheil zu begründen. Es würde zu weit führen und den Bahmen überschreiten, innerhalb dessen sich die Mittheilungen und Discussionen in diesem Archive mit llücksicht auf den Leserkreis zu beschränken haben, wenn ich, wie eine streng wissenschaft- liche Theorie des Astigmatismus es doch erfordert, unter- nehmen wollte, hier eine rein mathematische Deduction zu geben. Es scheint mir dies auch insofern überflüssig zu sein, als dasselbe in mehreren früheren Abhandlungen be- reits geschehen ist. *) Vielleicht möchte es mir aber ge-

*) Centialzeituug für Optik and Mechanik No. 24. Leipzig 18S2. Sitzungsberichte der mathem.-physikal. Classe der KgL bayerischen Akad. d. Wiss. 188:3, Heft 1. Zeitschrift f. ifath. und Physik. XXIX. Jahrg. SuppL 1884. Acta mathematica. Joum. redig6 par ih MittAg-Leffler. cah. 4. II. Stockholm l^M.

Die Breimlinieii eines Strahlenbündels etc. 143

lingen, hier in einer auch für Laien verständlichen und anschaulichen Weise zu zeigen, welcher Correction das Stürmische Theorem für die Zwecke der physiologischen Optik bedürftig ist und wodurcli jener Widerspruch des- selben mit dem gewöhnlichen und einfachsten Falle des Astigmatismus allein aus dem Wege geräumt werden kann. Die Forderung einer Erweiterung des Stürmischen Theo- rems macht sich immer mehr geltend, wie diejenigen Ophthalmologen zugestehen werden, welche den zahlreichen Arbeiten des letzten Decenniums auf dem Gebiete der Lehre von der astigmatischen Brechung in Linsensystemen und besonders in der continuirlich geschichteten Krystall- linse des Auges mit Aufmerksamkeit gefolgt sind.

Wenn nun augenscheinlich Leroy jenen Widerspruch zugesteht, ihn aber auf Grund des Sturm'schen Theorems für unerheblich hält, so muss ich meinerseits zugestehen, dass das Theorem von Sturm über die Form unendlich dünner astigmatischer Strahlenbündel sich mit Nothwen- digkeit aus seinen Voraussetzungen ergiebt. Da aber das Theorem aus geometrischen Gründen eine strengere Be- handlung zulässt, so bedarf es einer genauen Prüfung, ob dasselbe bei subtileren Untersuchungen, z. B. über die Ein- wirkung der Bilder äusserer Objecto auf die lichtempfind- lichen Schichten der Betina noch den Ansprüchen genüge; und dies dürfte allerdings streitig sein. Man wird indessen jedenfalls zugestehen müssen, dass, wenn irgend wo in einer Theorie ein Widerspruch sich vorfindet, dieser auf einem Fehler oder mindestens auf einer üngenauigkeit derselben beruhe.

Es ist ein unbestreitbares Verdienst des grossen Ma- thematikers um die Theorie des Sehens, dass er, nachdem man früher von der Vorstellung ausgegangen war, dass sich ein leuchtender Punkt auf der Retina punktuell ab- bilde, die Form des gebrochenen Strahlenbundels in der Weise definirte, dass für jede nicht senkrechte Incidenz

144 Prof. Ludwig MatthiesseiL

dasselbe eine tetraedrisclie Modification erleide. (Sturm- scbes Conoid.)*) Diese Figur ist bekannt genug und be- darf also keiner detaillirten Beschreibong.^) Der für die Aocommodation und die Periskopie des Auges widitigste Tbeil dieses Conoides ist der sogenannte Brennranm und die Brennstreoke, final begrenzt von beid^ Brenn- linien. Es bandelt sich vor allen Dingen um die Lage der letzteren gegen den AxenstrahL Sturm femd^ dass in erster Annäherung die Brennlinien g^en den Axen- strahl senkrecht stehen. Seit vierzig Jahren ist kein Fort* schritt in dieser Theorie zu yerzeichnen. Es ist wohl be- greiflich, dass mit den Fortschritten in der Dioptrik des Auges die Ausbildung der theoretischen Grundlagen und der mathematischen Principien gleichen Schritt halten müsse, und diese beruhen in der Lehre von der Krüm- mung der Flachen.

Wir gehen aus von dem Malus'schen Satze, dass die gebrochenen Strahlenbündel Normalenbündel der Wellen- fläche sind; ihre Form wird also bestimmt durch die Krümmung oder Wölbung eines unendlich kleinen Seg- ments der Wellenflache. Vergegenwärtigen wir uns die Wellenflache, welche nach beliebigen vielen Brechungen in einem System ebenso vieler centrirter, sphaiischer Flachen entsteht; wenn der leuchtende Funkt in der Cen- trale liegt, so ist dieselbe eine Rotationsfläche. Nach dem Stürmischen Theorem ist nun aber die Berührungs- flache eines unendlich kleinen Segmentes der Wellenflache ein mit der Normale desselben coaxiales elliptisches Paraboloid, welches offenbar keine Rotationsfläche ist, also auch kein hinreichend genaues Maass fbr die Krüm- mung des Segmentes abgeben kann. Es muss eine Be-

*) Compt rend. Paris 1845.

**) Modelle de» Storm'schen Conoides werden nenerdings vom Optiker Apel in Göttingen unter der Bezeichnang Kumroer*scheA Fadenmodell I. Art geliefert

Die Brennlinien eines Strahlenbündels etc. 145

rühnmgsflftche gesucht werden, welche sich genauer an die Wellenfläche anschmiegt, mit andern Worten, das Nor- malenconoid muss eine andere Gestalt haben und seine Bestinmiung soll die Aufgabe unserer Untersuchung sein.

Definition eines unendlich dünnen Strahlen- bündels. Denkt man sich in einem unendlich kleinen Segment einer krummen Oberfläche, welches man sich von einer elliptischen Indicatrix MNMi Ni (Fig. 1) begrenzt TOTstellen kann, durch ihren Mittelpunkt P die beiden Erümmungslinien NPNi und MPMi gezogen und in un- endlich yiele unter sich gleich grosse Abschnitte Pc und und Pg getheilt, femer in allen diesen Schnittpunkten c und g wiederum die zugehörigen Erümmungslinien ncni und mgmi gezogen, so wird das Flächensegment MNMiNi in unendlich viele quadratische Felder P c f g zerlegt. Wenn man sich nun in sämmtlichen Eckpunkten dieser Quadrate Normalen construirt denkt, so bildet ihre Ge- sammtheit ein unendlich dünnes Strahlenbündel.

Definition eines unendlich dünnen und schma- len Strahlenfächers. Wenn man aus der Gesammtheit jener Strahlenreihen nun zwei aufeinander folgende, d. h. die auf zwei aufeinander folgenden parallelen Erümmungs- linien, z. B. NPNi und ncm oder MPMi und mgmi stehenden wählt, so heisst ihre Gesammtheit ein unendlich dünner und schmaler Strahlenfächer.

Folgerung. Wenn also die beiden Hauptnormal- schnitte NPNi = 2ds und MPMi = 2dö' unendlich kleine Bogen der I. Ordnung sind, so werden sämmtliche Strah- lenAcher aus der Indicatrix Streifen schneiden, deren Länge unendlich klein der I. Ordnung und deren Breite unendlich klein der ü. Ordnung ist.

Wir untersuchen zunächst den Verlauf der Normalen oder Strahlen eines Strahlenfilchers. Der Durchschnitts- punkt der beiden Normalen in P und g sei /?, derjenige der beiden Normalen in P und c sei «; dann sind ß und s

Y. Graefe*! Archty fUr Ophthalmoloffio, XXX. 8. 10

146 Prof. Ludwig Matthiessen.

die KrQmmuugsfflittelpunkte der unendlich kleinen Bögen Pg und Pc; ferner = q und = r die Krümmungs- radien. Wir denken uns durch die I. KrOmmungslinie NNi und die Normale oder den Axenstrahl Yßs eine Ebene gelegt; dann werden sämmtlicbe Erümmungsmittelpunkte des Bogens NPNi = 2d8 auf seiner Evolute ßißßi liegen: ßi ist der Krümmungsmittelpunkt ?on N, ßi der ?on Ni. Dieser Bogen der Evolute ist im Allgemeinen von der- selben Ordnung der Kleinheit, wie ds und kann als das Scheitelsegment einer Parabel betrachtet werden, deren Scheitel in ß liegt. Die Evolute der I. Erümmongslinie NNi liegt auf der L Krümmungsmittelpunktsflache; sie hat einen Krümmungshalbmesser ßO = Ri, welcher sich einfach durch den Krümmungsradius q und die Bogen- diflferenziale ds und ßßi == d^ = d^ ausdrücken lässt, näm- lich Ri =^ gdg : ds. Wir setzen voraus, dass der I. Haupt- schnitt NNiP« in der Ebene der Zeichnung liege; dann liegt auch das Parabelsegment in ihr, ebenso seine Axe /JaC, welche mit der Sehne ßiuß^ einen rechten Winkel bildet. In der ganzen Ausdehnung des Bogens ds ist nun das Verhaltniss d^ : ds ein constantes, d. h. d^ = mds, folglich auch die Relation der unendlich kleinen Theile i"Q = md^'s, wenn man das unendlich kleine Stück Pg des Bogens NNi mit d^'s bezeichnet, welches eine unend- lich kleine Grosse der U. Ordnung sein wird. Für alle auf ds stehende Normalen oder Strahlen ist also der Zu- wachs d''^ von Strahl zu Strahl constant und zwar ein constanter Bogentheil d^^2 der Evolute ßißßi. Sammt* liehe Strahlen des Bogens NNi gehen nun durch das Axenelement ßy, welches gleich ßu und somit von der II. Ordnung der Kleinheit ist. In ßy hat der halbe Strahlenßlcher NNiy^t^/S offenbar seinen kleinsten Quer- schnitt und wenn es sich um die Betrachtung von Licht- strahlen handelt, die grösste Helligkeit

Wird nun weiter die Dicke Pc des ganzen Strahlen-

Die Bremdinien eines Strahlenbündels etc. 147

fächers in P mit d'V bezeichnet, so ist sie in ß gleich -^ Af*o und folglich der Querschnitt des ganzen Fächers

in ß gleich ßy X ^^ d"<r. Da aber ßy und Af^o von

einer Kleinheit der IL Ordnung sind, so können wir den Querschnitt als einen Punkt betrachten es ist der I. Brennpunkt des Strahlenfächers NNiuni.

Wenn es also mit Bücksicht auf den nächsten Zweck unserer Untersuchung sich um die Betrachtung eines optischen, in einer krummen Fläche gebrochenen, ursprüng- lich homocentrischen Strahlenbündels handelt und die In- dicatrix MNMiNi das unendlich kleine und unendlich nahe an der brechenden Fläche gelegene Segment der Malus- schen Wellenfläche begrenzt, so liegt der Parabelbogen ßißßi auf der sogenannten I. diakaustischen Fläche und diese selbst senkrecht zur Ebene der Zeichnung. Es sind nun die auf dieser diakaustischen Fläche befindlichen parabolischen E?oluten, welche allen übrigen zu MM^ senkrecht stehenden Strahlenfächem angehören, zur Hälfte Yor, zur Hälfte hinter der Ebene der Zeichnung parallel nebeneinander gereiht und zwar entspricht jedem dieser Fächer ein Punkt /?, der einem Strahlenpaare cf angehört und ein Punkt y, in welchem sich jedesmal die beiden äussersten Strahlen nf und nid schneiden. Diese Punkt- reihe Y bildet in ihrer Continuität eine schwach gekrümmte Hohlkante, welche wir die I. Strahlenfurche nennen wollen. Diese Strahlenfmrche hat eme Länge, welche mit Ap von derselben Ordnung der Kleinheit ist, also von der I. Ordnung. Sie umschliesst also mit derjenigen flachen Ciirve, welche sämmtliche Durchschnittspunkte ß der Strahlenpaare cf des Strahlenfäcbers MMimmi verbindet, den kleinsten Querschnitt des vollen Strahlenbündels. Dieser Querschnitt ist nunmehr nach dem Vorhergehenden als linear zu betrachten; er bildet die I. Brennlinie.

10*

148 Pi'of. Lndwig Matthiessen.

Dieselbe schmiegt sich ebenso wie der Ort der Pankte ß an die II. Hauptnormalebene MMiß unendlich nahe an und kann ebenfalls als der Scheitelbogen einer Parabel betrachtet werden. Ob aber diese Brennlinie oder die I. Strahlenfurche senkrecht zum Hauptstrahle P/?, oder mit andern Worten: senkrecht zur Ebene der Zeichnung stehe, ergiebt sich daraus nicht ohne Weiteres, sondern bedarf einer genaueren Untersuchung. Diese Untersuchung, auf deren Ergebniss es uns hauptsächlich ankommt, wird wesentlich vereinfacht, wenn wir uns der Betrachtung der Oerter der Durchsohnittspunkte « zuwenden, welche den Strahlenpaaren fg des Strahlenfächers NNinni angehören. Diese Curve schmiegt sich ebenfalls unendlich nahe an die I. Hauptnormalebene NNic an, tangirt also in « die Ebene der Zeichnung. Der Durchschnittspunkt des Strah- lenpaares Pc ist e; derselbe ist der 11. Brennpunkt des Strahlenfächers MMinmii. Wenn nun die Erünmiungs- radien r der Bögen fg beim Uebergange ?on P nach N oder Ni constant wären, d. h. dr = 0, so würde der Ort der Erümmungsmittelpunkte resp. in s, ^t und di und zwar in einer zum Axenstrahle senkrechten Linie Cic'i liegen, ein Resultat, zu welchem das Stürmische Approxi- mativ-Verfahren führt. Dies ist aber durchaus nicht der

Fall, da das Verhältniss ^ im Allgemeinen endlich und

für einen unendlich kleinen Bogen ds constant ist, wie ich früher nachgewiesen habe*) und was auch kein Mathe- matiker bestreiten wird. Ist also i|^€ = ff i == dr, so ist dr proportional ds und der Ort der Krümmungsmittel- punkte ist i>d, ein sehr flacher Parabelbogen, welcher auf der n. diakaustischen Fläche liegt, während diese die Ebene der Zeichnung tangirt. Es ist demnach ißd eine Linie, welche einen von 0^ und 90^ verschiedenen Winkel «

♦) Müncheaer Berichte I. c. S. 45—47.

Die Brennlinies eines Strahlenbttndels etc. 149

mit dem Hauptstrahle bildet. Da aus der Betrachtung

ähnlicher Dreiecke folgt:

Ciy:PN = (r-i»):e,

so folgt:

. r Q ds

-5^ = tan = ^ . -V-. dr Q dr

Bezeichnet man ^C <^ mit da, so ist noch dr ^^ da.

cos « und

da = -?=^ ds. Q smc0

Da die Linie C^ in jeder Beziehung dem Orte der Punkte ß entspricht, so liegt die zu sämmtlichen dem I. Haupt- schnitte parallelen Strahlenfächem zugehörige II. Strah- lenfurche in einem senkrecht zur Ebene der Zeichnung durch J^d geführten Ebenenschnitte in Abständen, deren Dimensionen gleichfiills von der H. Ordnung der Kleinheit sind. Denmach hat in diesem Ebenenschnitte das ganze Strahlenbündel einen zweiten kleinsten Querschnitt; d. h. ^d ist die IL Brennlinie desselben.

Auf analoge Weise findet man fQr den Winkel toi, welchen die L Brennlinie mit dem Hauptstrahle bildet und für die halbe Länge derselben die Werthe

. r Q dcy , r o ,

tan an == - -^ . j-, dai = . ^ drr. r d^ r sm (Oi

Es leuchtet nun ein, dass für praktisch-dioptrische Verhältnisse die Strahlenbündel zwar sehr dünn genonunen werden können, jedoch immer eine endliche Dicke behalten. In Folge dessen hebt sich die Strahlenfurche auch auf endliche Entfernungen von der diakaustischen Fläche ab, ihr Abstand bleibt zwar hinter den Dimensionen der Brennlinien der beiden Hauptstrahlenfächer zurück, aber die Strahlenfurche wird zugleich schärfer und das Strahlen- bflndel verdickt sich zu beiden Seiten derselben in stei- gender Proportion, so dass es nicht gestattet sein wird, für die beiden optischen Brennlinien zwei beliebige durch

150 I^of. Ludwig Matthiettsen.

die Brennpunkte ß und ^ geführte Querschnitte z. B. senk- rechte anzunehmen.

Die von uns hier abgeleitete Theorie der Brennlinien ist die allgemeinere und schliesst auch die der Botations- tiächen ein, wogegen die Stürmische Theorie bei der sphä- rischen Brechung für die II. Brennlinie eine Ausnahme statuiren oder den Begriff der Brennlinie nothwendig ändern muss. Nach der Stürmischen Theorie muss bei der sphärischen Brechung nach schiefer Inddenz die II. Brennlinie ebenfalls senkrecht zum Strahle bleiben, wahrend doch nicht in Abrede gestellt wird, dass sie sogar bei endlich dicken Strahlenbündeln mit der Centrale des leuchtenden Punktes coincidire.

Aus allen diesen Gründen tritt die unabweisliche Forderung an die physiologische Optik heran, den Begriff der Brennlinien genauer zu definiren und darüber zu ent- scheiden, ob sie bedeuten sollen entweder die kleinsten Querschnitte oder etwas anderes undefinirbares.

Sollte Herr Leroy die Behauptung aufstellen, dass der durch die Strahlenfurche gelegte Normalschnitt des Strahlenbündels nicht einer der beiden kleinsten Quer- schnitte desselben sei, so muss ich es ihm überlassen, den Gegenbeweis zu führen. In dem einfachsten Falle der Brechung in einer sphärischen Fläche wird ihm dies un- möglich sein, da in der IL Brennlinie die Strahlenfurche mit der diakaustischen Fläche coincidirt, diese aber in eine Gerade degenerirt.

Wir wollen aber noch einen Schritt weiter gehen und einen Strahlenfächer NNinni (Fig. 2) betrachten, der zwar unendlich dünn von der I. Ordnung ist, aber eine endliche Breite s besitzt. Es sei also aus der Wellenfläche parallel mit einer Krümmungslinie ein Streifen herausgenommen von der Dicke ia und der Breite s. Die I. diakaustische Curve sei ßißi, die II. ai. Wir zerlegen den Ausschnitt der Wellenfläche in unendlich viele Streifen von der

Die Brennlinien eines Strahlenbündels etc. 151

Breite ds und der «Lftnge d<T. In diesem Falle werden die beiden äossersten Panktepaare Nn und Nim in Abständen von der ü. diakaustischen Gurve ai liegen, welche um endliche Grossen von einander differiren. Da die II. Strah- lenfdrche von der Gurve ai in Abständen liegt, welche Grössen von der U. Ordnung der Kleinheit nicht über- schreiten, so ist ai die IL Brennlinie und zwar eine Baum- carve von endlicher Länge. Sie setzt sich aus den par- tiellen Brennlinien ab, bc, cd u. s. w. zusammen, welche im Allgemeinen keinen der Strahlen unter einem rechten Winkel schneiden, so dass der Winkel m variabel ist, weil r, 9 and inre Differenziale variabel sind. Nach der Sturm- schen Theorie sind nun aber «i/?, ßiy, yid u. s. w. die partiellen Brennlinien, wodurch ihre Gontinuität verloren ^ht, die doch sichtlich vorhanden ist. Da der Strahlen- fiLcher windschief ist, so degenerirt die L Brennlinie, wie- wohl der Fächer zwischen ßi und ßi einen kleinsten Quer- schnitt hat. Die ü. Brennlinie dagegen ist thatsächlich vorhanden. Hier verliert die Stürmische Theorie den Bodeui da die Bedingungen ihrer Voraussetzungen fehlen. Zum nachdrücklichen Hinweise auf das Bedürfiiiss, ich möchte sagen die Nothwendigkeit, die wahre Form and Umhüllungsfläche unendlich dünner astigmatisch gebrochener Strahlenbündel mathematisch zu untersuchen und die Brennlinien zu definiren, sowie auf die unzu- reichende Genauigkeit und die Unzulässigkeit der bedin- gungslosen Anwendung des Stürmischen Gonoides oder Kummefschen Strahlenmodelles auf Anschauungen, welche wir uns von den entsprechenden dioptrischen und katop- irischen Vorgängen zu bilden haben, mOchte ich schliess- lich die Aufmerksamkeit der Physiologen auf eine vor Kurzem im IL Hefte des Borchardt'schen Journals für reine und angewandte Mathematik (1884) von Dr. Böklen publicirte Abhandlung, betitelt: „Ueber die Krümmung der Flächen" hinlenken. . Während Sturm unter allemiger

152 Prof. Ludwig MatUÜBssen.

Berücksichtigung der I. und IL Differenzialquotienten*) der Flächenordinaten sein Normalenconoid als Norm des Krümmungsmaasses einer Fläche aufstellt, und somit zur Charakteristik der Krümmungen oder Wölbungen sein Conpid identificirt mit dem Normalenbündel des mit der Normale des Flächenpunkts coaxialen in IL Ordnung oscu- lirenden elliptischen Paraboloides, sieht Böklen die Hin- zuziehung der III. Differenzialquotienten als geboten an. Er setzt deshalb an die Stelle der Gentralflächen der Malus'schen Wellenfläche diejenigen eines dieselbe in III. Ordnung osculirenden Ellipsoides. Da nun solcher unendlich viele möglich sind, so proponirt er zur Bestim- mung desselben zwei Mittel und Wege, welche er |zugleioh analytisch illustrirt und wählt dazu

1. die sogenannten Polstrecken B und P, d. h. die IL Krümmungsradien der beiden Hauptkrümmungslinien projicirt auf die Tangentialebene des Flächenelementes;

oder

2. die beiden Krümmungsradien Bi und Pi der Evo- luten der beiden Hauptkrümmungslinien.

Sind also r und q die Hauptkrümmungsradien des osculirten Punktes, so sind Bestimmungsstücke des oscu- lirenden Ellipsoides

entweder r, (>, B, P,

, gig rdr

oder r, e, ^, x^--

Das Princip von Böklen unterscheidet sich von dem von mir bereits 1882 angenommenen nur insofern, als ich zu Bestimmungsstücken des osculirenden Ellipsoides für die

*) Den von Hm. Leroy schlechthin gebrauchten Aosdmck ^Si Ton n6glige des iutiniment petita du second ordre" halte ich nicht für zutreffend. Wohin das führen kann, wenn man unend- lich kleine Grössen H. 0. gegen solche I. O. vemachlftssigt, habe ich gezeigt in meiner Abhandlung in Acta matkem. 1. c S. 183.

Die Brennlinien eines Strahlenbündels etc. 153

genaoesteH und bei der graphischen Dioptrik besonders in Betracht kommenden Falle die Elemente

dr d^ ^' ^' ds' der' wo dg und da* die Differenziale der Hauptkrümmungslinien des Piachenpunktes bezeichnen. Die Werthe der beiden Diflferenzialquotienten sind

dr r Q . dp r o .

-i-= cot «, -=^ = ^ cot (öl.

ds (} Mcr r

Um die Anwendung dieser Functionen zur Bestim- mung des osculirenden Ellipsoides zu illustriren, verweilen wir noch einen Augenblick bei der Betrachtung des Strah- lenconoides bei der Brechung in einer sphärischen Flache. In diesem concreten Falle ist die Malus'sche Fläche eines beliebigen, auch endlich dicken, ursprünglich homocentri- schen Strahlenbündels eine Botationsflache. Es wird also in irgend einem Wellenflachenelemente sich eine Rotations- fläche an die Wellenflache genauer anschmiegen als das osculirende elliptische Paraboloid. Es lassen sich nun die mit sämmtUchen aufeinander folgenden aquidistanten Wel- lenflachen coaxialen Botationsellipsoide leicht bestimmen.

Es sei N2BJ (Fig. 3), also ein Theil des gebrochenen Strahles OB2 die Normale des elliptischen Quadranten AN2D mid der I. Brennpunkt Bi ein Punkt seiner Evolute. Denken wir uns diesen Quadranten um seine kürzeste Halbaxe AF oder die Centrale der brechenden Flache um den unendlich kleinen sphärischen Winkel MSMi gedreht, 80 beschreibt die kleine Normale MN die Basis des ge- brochenen Strahlenbündels ein Wellenflachenelement und das elliptische Bogenelement M2N2 ein kleines Element einer der aquidistanten Wellenflachen. Der Punkt Bi be- schreibt die I. Brennlinie BiBi == dai und B2B2 = da ist U. Brennlinie; das astigmatische Stiablenbündel wird ein Normalenconoid des Rotationsellipsoides. Wir sind nun im Stande, die Halbaxen DF = b, AF = a desselben

154 Prof. Ludwig Matthiessen.

ans den gegebenen Verhältnissen zu bestimmen. Die Gleichung der brechenden Eugelfläche sei

+ ^a + = B2

und wenn man den Abstand GF der Centra der beiden Flächen mit e bezeichnet, die Gleichung des Ellipsoides

(I— e)^ y^4-z»_ .

Für eine gegebene Objectweite PS imd Amplitade SPO = ^ des einfallenden Strahles PO sind r, q und w bestimmbare, bekannte Grössen. Betrachten wir der Ein- fachheit wegen die Wellenlinie und Brennflache des Axen- Schnittes, so sind z und C gleich Null, und es eiistiren folgende realisirbare Gleichungen, worin t den bieliebigen, gegenseitigen Abstand der Wellenlinien MN und M2 Ns =dsi bedeutet: I. Q—t = f (y, a, b, e), IL r— t = y (y, a, b, e) = y : sin 00, IIL r— ^ = tp {j, ei, b, e),

IV. cot Ol = -?- . J= ?=^ . ;??^ == F (y, a, b, e). T—Q ds X—Q dsi 1 » /

Aus diesen Gleichungen lassen sich a, b und e finden, wobei t eine willkürliche Grösse bleibt und y sich aus II. ergiebt. Hierdurch sind Grösse und Lage der osculirenden Botationsellipsoide für alle Wellenflächen de^ gebrochenen Strahlenbündels bestimmt. Sie können innerhalb des Brenn- raumes Bi Bi B2 Ba auch in Hyperboloide übergeben.*)

Rostock, 25. März 1884.

*\ Man vergleiche auch: Hay, Ueber die au aly tische Be- deutung etc. Arch. f. Augen- u. Ohrenh. VI. 1«77. S. 48.

Zur EenntiiiBS dicliromatisolier Farbensysteme.

Von Dr. Arthur König,

Asslatent mm pbysikjiUschen Institut der Universität Berlin.

Hierzu Tafel IIL

§1. Einleitung,

Nach der Young-Helmholtz'schen Farbentheorie ent- steht bei normalem Farbensinn die Empfindung „Weiss", d. h. diejenige Empfindung, welche das Sonnenlicht nach dem Durchgang durch die Atmosphäre hervorruft, da- durch, dass jede der drei Grundempfindungen (Roth, Grün und Violett resp. Blau) in nahezu gleicher Stärke erregt wird. Die Annahme einer immer völlig gleichen Erregung der drei Grundempfindungen ist unmöglich in Bücksicht auf die bekannte und von den Malern zur Er- zielung gewisser Effecte oftmals verwerthete Thatsache, dass das grelle Sonnenlicht einen gelblichen, das durch dicke Wolkenschichten gedämpfte Sonnenlicht aber einen bläulichen Farbenton besitzt. Letzteres ist sogar der Fall bei dem in seiner objectiven Zusammensetzung noch etwas mehr rothe Strahlen als das Sonnenlicht enthaltenden

156 ^r. Arthur König.

Mondlichi '*') Diese Abweichungen von völlig nentraleiii, d. h. solchem Weiss, in dem keine der Qrundempfindnngen vorherrscht, sind aber nur unbedeutend und die Yer- theilung der Stärke der Grundempfindungen über das Spectrum ist eine derartige, dass keinerlei homogenes Licht auch nur ann&hemd (abgesehen von ganz hoben Intensitäten) die Empfindung Weiss erzeugt. Es würde dieses an derjenigen Stelle im Spectrum der Fall sein, wo bei einer graphischen Darstellung der Stftrke der Grand- empfindungen die Ordinaten der drei Curven gleiche oder nahezu gleiche Hohe hätten.

Anders liegen die Verhältnisse aber in Farbensystemen mit nur zwei Grundempfindungen, auf welche sich meine nachfolgenden Untersuchungen beziehen und welche ich im Unterschiede von den normalen, trichromatischen Farbensystemen als dichromatische bezeichnen will.

Sehen wir ab von der sehr selten**) vorkommenden sog. „Violettblindheit'' (nach Helmholtz) oder „Blaugelbblind- heit" (nach Hering), so können wir als charakteristische EigenthOmlichkeit der Besitzer dichromatischer Farben- systeme die mangelnde Fähigkeit Both von Grfin zu onter-

*) Mit dem Helmholtz'Bchen Leukoskope habe ich seit meiner letzten Pnblication über Photometrie (Wied. Ann. Bd. XVII., S. 990) auch das Hondlicht nntersacht und bin zu dem obigen Resultate gelangt. Nach der in jener Abhandlung benutzten Be- zeichnung ist:

für Petroleumlicht . . . , ß ^ 71,1"

GasUcht 71,^

, Kalkücht. ...... 76»7

^ elektr. Kohleubogenlicht . 79,0

^ Magnedumlicht .... 86,3

^ Mondlicht 87,1

n Sonnenlicht 90p.

**) Herr Joy Jeffries in Boston hat anter 802 von ihm nntersuchten „Farbenblinden** nur 3 „Violettblinde * gefunden. Vergl. J. Jefflies, Colorblindness, its dangera and its detection. Boston 1883.

Zar Kenntniss dichromatischer Farbensysteme. 157

scheiden ansehen. Um firei von jeder theoretischen Vor- aussetzung zu bleiben nnd den Boden der reinen Empirie nicht zu yerlassen, werde ich im Folgenden fdr „Bothblinde'' und „Qrttnblinde" (nach Helmholtz) oder „Rothgrün- blinde" (nach Hering) mich der Bezeichnung „Rothgrün- Terwechsler" bedienen, und möchte dieselbe auch zur all- gemeinen Benutzung empfehlen, solange nicht Thatsachen für die Richtigkeit der einen oder der anderen Theorie entschieden haben.

Die Beobachtungen der Herren A. v. Hippel*) und F. Holmgren**) an einem einseitigen Kothgrün- Yerwechsler haben den Nachweis gebracht, dass das be- treffende dichromatische Farbensystem sich nicht in der Weise zusammensetzt, dass eine der drei Grundempfin- dungen des normalen, trichromatischen Systems fort- gefallen, sondern es war vielmehr an Stelle von Roth und Grün die Qrundempfindung Gelb getreten. Dadurch er- klärt es sich, dass bei jenem Farbenverwechsler die Em- pfindung Weiss dieselbe war, wie bei Personen mit trichro- matischem Farbensystem.

Wenn wir nun demnach auch nicht mehr berechtigt sind, mit den Bezeichnungen „rothblind" und „grünblind" die Anschauung zu verbinden, welche bei der Einführung dieser Namen zu Grunde lag***), so haben doch anderer- seits die Untersuchungen an Rothgrünverwechslern eine Trennung derselben in zwei Klassen unvermeidlich ge- macht. Die einen, die sogenannten „Rothblinden" ver- wechseln ein helles Roth mit einem dunklen Grün, und

*) A. V. Hippel, araefes Archiv Bd. XXVU. (3), S.47. **) F. Holmgren. Gentralbl. für die medizin. Wissenschaft. 1880. No. 49 u. 50.

***) H. Helmholtz, Verhandl. des naturhist.-med. Vereins su Heidelberg, fid. II., S. 1, 1859, oder Wissensch. AbbandL Bd. U., S. 346. Leipzig 1883.

158 ^r. Arthur König.

die andern, die sogenannten „Grünblinden** ein dnnkles Roth mit einem hellen Grfln. *)

Da bei einem dichromatischen Farbensystem in dem einen Theile des Spectrams die Gnmdempfindnng Gelb and in dem andern Blaa Yorherrscht, so mass zwischen diesen beiden Theilen eine Stelle vorhanden sein, wo beide sich za der Empfindang „Weiss" zasammensetzen, d. h. wo die oben erwähnten Carven für die Grund- empfindangen sich schneiden. Diesen Punkt nennt man den „neatralen Punkt** im Spectrum der Bothgrun- yerwechsler und man hat mehr&ch die Wellenlänge des- selben zu bestimmen gesucht. Nachdem nun aber Herr W. Preyer*"") experimentell nachgewiesen, dass die Lage desselben von der Intensität des Spectrums abhängig, sei, Hessen sich nur solche Bestimmungen miteinander Ter- gleichen, welche unter genau denselben Umständen aos- geftthrt worden waren.

Ich unternahm es daher, die Wellenlänge des neu- tralen Punktes einer sorgfältigen Messung an einer An- zahl von Bothgrdnverwechslem zu unterziehen und dabei besonders zu beachten:

1. wie gross bei mehrmaliger Ausführung derselben Messung die Genauigkeit der Bestimmung war;

2. ob bei gleicher Intensität die Trennung der Botb- grünverwechsler in zwei scharf gesonderte Klassen auch in der Wellenlänge des neutralen Punktes hervortrat;

*) Beobachtimgen mit dem bereits oben erwähnten Leuco- scope haben diese Trennung ebenfalls als eine scharfe ergeben. Die Einzelheiten dieser Untersuchung werde ich baldigst pubiidren. **) W. Preyer, Pflüger's Archiv Bd, XXV., S. 31. 1881. Aach separat erschienen unter dem Titel: lieber den Farben- und Temperatursinn mit besonderer Rücksicht auf Farbenblindheit, Bonn 1881.

Zur Kenntniss dichromatischer Farbensysteme. 159

3. in welcher Weise die letztere bei demselben Indi- viduum von der Intensit&t des Spectrums ab- hängig war.

Die Bestimmung der Wellenlänge des neutralen Punktes bei gleicher Intensität.

Die Bestimmung der Wellenlänge des neutralen Punktes wurde, soweit ich die darauf bezügliche Literatur bisher kennen gelernt habe, bisher in der Weise ausgeführt, dass in der Brennebene des Oculars eines Spectralapparates sich ein Diaphragma mit einem schmalen Spalte befand, und nun der untersuchte „Farbenblinde" angewiesen wurde, durch das Ocular zu blicken und den Ocular- oder den CoUi- matorspalt so lange zu verschieben, bis der im Ocularspalte sichtbare Theil des Spectrums den Eindruck von Weiss resp. Grau machte. Es wurde dann aus der Lage des Ocular- oder Collimatorspaltes die mittlere Wellenlänge jenes Spectrumstreifens bestinunt. Diese Methode besitzt, abgesehen von der oftmals vorhandenen Ungenauigkeit in der Bestimmung der Wellenlänge*) zwei Fehlerquellen. Erstlich hat der Farbenverwechsler nicht zu gleicher Zeit weisses Licht vor Augen, um es mit dem neutralen Strei- fen vergleichen zu können, sondern er muss sich die Em- pfindung „Weiss" aus der Erinnerung vergegenwärtigen, und zweitens hat der aus dem Spectrum herausgeschnit- tene Theil in seiner ganzen Breite nicht dieselbe Farbe. Letzterem Mangel kann zwar dadurch einigermassen ab- geholfen werden j dass man den Streifen sehr schmal

*) Die auf solche Weise in dem Laboratorium des Henu Donders ausgeführten Messungen sind zwar von diesem Mangel frei, leiden aber auch an den beiden andern nachstehend gerügten Uebelständen.

160 Dr. Arthur König.

macht, aber damit wird auch die genaue Beartheilong seiner Farbe schwieriger, so dass dem Vorgehen in dieser Richtung bald eine Grenze gesetzt ist.

Die Umgehung aller dieser Fehlerquellen geschah, indem ich ein Yon Maxwell zuerst ausgefdhrtes und von Herrn v. Helmholtz bei der Construction seines Appa- rates zur subjectiven Mischung zweier Spectralfarben *) befolgtes Princip meiner üntersuchungsmethode zu Omnde legte.

Ein gleichseitiges Prisma war so auf dem Tische eines Spectralapparates fest aufgestellt, dass eine sdner Kanten gerade in der Mitte von dem Objecüv des Femrohres stand. Das Ocnlar dieses Femrohres war entfernt und an seiner Stelle ein Spalt angebracht, der genau parallel dem des Gollimators gerichtet war. Bei geeigneter Ein- stellung wurde ein Spectrum in der Ebene des Ocular- spaltes entworfen und aus ihm durch den letzteren ein kleiner Streifen herausgeschnitten. Ein unmittelbar vor dem Ocularspalt befindliches und durch ihn schauendes Auge erblickte dann diejenige Fläche des Prismas, aus der die Strahlen heraustraten, in gleichmässiger Färbung, und bei der geringen Breite des Spaltes, welche etwa der gesammten Länge des sichtbaren Spectrums betrag, ist der in das Auge gelangende Theil des Spectrums ein so geringer, dass wir nach einem bekannten Gesetze der Farbenmischung seinen subjectiven Gesammteindmck gleich demjenigen seiner mittleren Wellenlänge setzen dürfen. Die theoretische Erklärung fdr dieses Gesetz ist darin zu suchen, dass wir auf einem so kleinen Abschnitte des

'*') Siehe den Bericht üher die wissenschaftlichen Instrumente auf der Berliner Qewerbeausstellnng im Jahre 1879. Berlin 1880. S. 520.

Zur Kenntniss dichromatischer Farhensysteme. Igl

Spectmms den Verlauf der Curven für die Stärke der drei Gnmdempfindungen als gradlinig annehmen können.

Das Gollimatorrohr war durch eine Mikrometerschraube verschiebbar und seine Stellung konnte immer durch einen an ihm angebrachten kleinen Spiegel vermittels Scala und Fernrohr genau bestimmt werden.

Wenn man den Collimatorspalt mit Sonnenlicht be- leuchtete und mit einer starken Lupe den Ocularspalt betrachtete, so sah man in ihm bei Drehung jener Mikrometerschraube die hervorragenderen Fraunhofer^schen Linien vorbeipassiren, und indem man die Scalentheilc ab- las, bei welchen sie mit den Bändern des Ocularspaltes zusammenfielen, liess sich genau die Stellung bestimmen, wo sie in der Mitte des Spaltes sich befanden, wo also dem unmittelbar durch den Spalt blickenden Auge die eine Prismenfläche in der dieser Linie entsprechenden Farbe erschien.

Nachdem ich die den Fraunhofer'schen Linien bi und F zugehörigen Scalentheile aufgesucht hatte, war ich im Stande, mit Hülfe der beiden ersten Glieder der Cauchy* sehen Formel

ß Y

n =s a -I- -jj 4- -y|- -j- , , , ,

wo n den BrechungscoefScienten, l die zugehörige Wellen- länge und CL, ß^ Y \L s. w. dem brechenden Medium eigen- thümliche Constanten bezeichnen, die mittlere Wellenlänge des durch den Ocularspalt gehenden Lichtes Air jede zwischen den Linien bi und F gelegene Stellung des Colli- matorrohres durch Literpolation zu berechnen.

Wegen der Kleinheit dieses Latervalles war es nicht nOthig, mehr als zwei Glieder der Formel in Rechnung zu ziehen. Ihre Berücksichtigung wäre erst erforderlicli gewesen bei einer zwei« bis dreifach genaueren Bestim-

T. GnMfe'i Archiv fUr Ophtb«lmoIogie, XXX. 2. 11

162 Dr. Arthur Kömg.

mang der Wellenlänge als ich sie aQSgef&hrt habe und wegen der iromeThin mit einiger, wenn aach sehr geringen Unsicherheit der Einstellung der Linie bi and F auf die Spaltränder auch nur ausführen konnte.

Die zweite Fläche des Prismas, welche dem durch den Ocularspalt blickenden Auge zum Theil sichtbar wan wurde mit einem weissen Pigmente bedeckt. Nach mannig- fachen vergeblichen Versuchen, ein immer wieder in genau demselben Tone reproducirbares weisses Pigment heraus- zufinden, nahm ich nach einem Vorschlage meines Collegen Herrn Dr. E. Hagen Papier, welches wenige Sekunden lang über die Flamme eines brennenden Magnesiumdrahtes gehalten worden und sich dadurch mit einer feinen Schicht von Magnesiumoxyd bel^t hatte. Dieses so behandelte Papier besitzt eine ungemein zarte und schöne weisse Färbung, lässt sich sehr leicht und immer Wieder in genau derselben Farbennuance herstellen, so dass ich es als „Normal- Weiss"' for alle physiologisch-optischen Versuche vorschlagen möchte. Man hat bei seiner Benutzung nur darauf zu achten, dass es von weissem Wolkenlichte and nicht etwa von bläulichem Himmelslichte oder dem Lichte der übrigen Umgebung erleuchtet wird. Ich erzielte dieses in einfacher Weise durch einen Hohlspiegel, vermittels dessen ich ein Bild der Wolken unmittelbar auf der Papierfläche entwarf. Alles übrige Licht war abgeblendet. Aenderungen in der Intensität dieser Beleuchtung wurden durch theilweise Bedeckung des Hohlspiegels mit matt- schwarzem Papier oder durch Anwendung von Hohlspiegeln mit anderer Brennweite bervoi^bracht.

Die Erleuchtung des Gollimatorspaltes geschah bei den Beobachtungen, von welchen zunächst die Bede sein wird, durch eine immer auf derselben Höhe gehaltene Leucht- gasflamme eines Argandbrenners, der immer genau anf derselben Stelle stand. Der CoUimatorspalt war so schmal

wit aar vixailBssaLk irLir-*jnL i»*r zxbx-^j Tivur^

ifinCtDEDÖEL J*nSIIieii&.'itf jiumtf Üir^

sdke «K.

Der äse -flau? ^»•'saiiiiinnir icir uur foii^fuio ^ * Dir Ijyiii' vnröf *( ^nuh^-n-jlrw. cüj^ Tnu!"f:.ir iiv

sfätL VadbBBit lUetorliL' ^ irwf*i üsj *y lif^ cüjix iiani i^j^iivtr

dem müumm P^nnc^ l»&H!pei: JfCiSef 5«^ i&iirf ii^iijrrK bis ikfli ÜBkmh sii qob iD{mridLr£ixD£n>:a!fa: Ffuiij» isn-wi bdl fiwinw SHiomn iq»dn^ «r äurci Prfäifo; äffr V..vTy*-

Icnll^gf 4es knaerau t^ S^nsnam l^füfl- Fi\aor c>v>. sr,

leoilitBH, 4es irasBD P^pDeate? mAtrSc-i:* ^r:>,^r,%?.>; wurde. Wliifil ä)»er RTTt^cIlimg Voviv \>s ,:v.roih ^i^v zur Sr ili mlili wiiu d. h. xur Besünimunj! di^r o'-^^^^'^^^^^^«''- Wdknliiige tannzte Fernrohr und erfuhr xii<V<;Tv)i lin jedem Monate. wdAe We!:enlins:wi dutvh oon iVr,;^^r- spaK ging«, ilso tob dem FarbenT^nrtvh^^UH^ nut ^^^-^^^ weissen Pigmente Tn^Iiefaen wunlen. K$ s^^TrÄhri^* oir.i^v, sehr interessoteo Anblick, wie derseUv mit $o;ner Km- stdlnng «nflngiich in grosseren, dann äilvr Kild :^'hr Kioi;) werdenden Am^tnden nm den schliossHoh a)s den ruh^ tigen heKicfaneten Sealentheil hin- nnd her^ohw^^kte. Kino solche Einstellnng dauerte nnr wenige Minuh'n. Piesov Scalraiheil wnrde dann aar Berechnung der WoUenlilu^N' notirt, darauf der Hohlspi^el w^fgenonnnen, tlis Colli-

♦) ftf*^ liaiiontel Millimeter. Siehe H. Kayser« Lehrburh der Spektnüanalyse. Berlin 1883. SU.

164 I^r. ATthnr König.

matorrohr etwas verstellt and nun dieselbe Beobachtung von neuem begonnen.

Von sämmtlichen mir znr YerfQgong stehenden 13 Rothgrünverwechslern Hess ich je acht solcher Ein- stellnngen machen nnd zwar mit jedem Aoge vier. (Nur einer [Herr Schw.] mnsste s&nuaatliche acht EinsteUnngen mit dem rechten Auge machen, da sein linkes Auge eine zu geringe Sehschärfe besass.) Die flGLr jedes der beiden Augen getrennt berechneten Werthe ftlr die Wellen- länge In des neutralen Punktes wichen nur sdur wenig von einander ab, in den meisten Fällen um weniger als die Summe der für jede Gruppe sich ergebenden wahr- scheinlichen Fehler des Resultates. Ich habe daher hier die Abweichungen zwischen den beiden Augen desselben Individuums nicht berücksichtigt und alle acht Einstel- lungen zu einer Beobachtungsreihe zusammengezogen.

Die dann erhaltenen Besultate waren folgende: 1) Herr Dr. W. i„ = 491,70 ±0,09

2)

Dr. K.

= 492,04 ±0,09

3)

?1

Dr. B.

= 492,25 ±0,19

4)

11

Dr. S.

= 493,08 ±0,13

5)

11

Dr. C.

= 493,80 ±0,36

6)

11

Lu.

= 495,92 ±036

7)

11

Dr. F.

= 496,01 ±0,23

8)

1J

Le.

= 496,08 ±0,40

9)

11

Schw.

1 = 497,37 ±0,48 1 = 497,68 ±0,34*)

10)

11

B. H.

= 497,66 ±0,14

11)

11

E. W.

= 499,44 ±0,20

12)

V

W. H.

= 499,71 ±0,16

13)

1J

J. P.

= 504,75 ±0,15.

'*') Mehrere Tage später als die erste Hessnng ausgeführt

«ikne mBL. is» at^ jUiin^cutn 1 . T.. -t^, ";»♦ .* mu, ',> dum» fltT'ai: uü» >•* ita •J.i'Tiiiiiin..ü-a ' iil'Il rK^r^l

W.jfflf3L IWT -^UL mr init nm TTi»?!: 4»i):a ttit ^m. HemL DixL'ri* ima-r**!iF!L '■'^rirt für 4^ inasi i:a ni'tUi -iör m& iöl -Laü*:naiiiiiu£*tiL üir Sama L H i r«i r **

lR*»em T'.a 15. ILd 1^74 vx-i Zsr EikJi^ir^ der Firbenblühiheii aft« 4er TVcne fcr G«c-rxfirieB. Fta^ ISöHX

«** W. Preyer. C«iralfcl. i^ 4. itrd. Wi>«eiLsdialteu Isn^ No. 1 n4 Pf^fcr» Archir B-LXXV, S. 31, InsL Lauter« Ab kasdlBB^ ist »f^nt efsckirnen unter dem Titel: Ueber d(>ii Farben- imd Tesperamrsiim mit btrsondeitf Rücksicht auf Farben- blindbot. Bonn l!sM.

ti^ '»^ ^-iT Z-ÄiJt Ci^ Ttgnr-i^HT ^

'^ t i:-rf V*^ Pr-Ttr -sll^ Atüiipri^i der Uige te

■»^^y^, »> c:-r HtL-lrt-e:! öe? Sj-rtiniiri« der >v% jLJi; \'^\\vjfi. .Sitalttr^^ = 1- so ertkit er

1.— 51±^

1.1 511^

1^ 5103

1.3 509^

M 507,8

1-6 50e,6.

apebt ack eine Imaut fimctkMielle Be«ehiiii^ Ewiscken 4er LifasBflit&t umI i». Es aschm mir oiiK^ gmaiMn üsfterswfanif werth^ ob bti einer giAssom Aendamig der ImteB&tftt diese Abhii^keit dieselbe bleiben vai fecMr ob bei Terecbiedenen Individuen sich dieselbe Bmftong efgeben wflide.

Die Teriratemg des Spaltes konnte nicht von vom» herein als ein znllssiges Mittel xnr Enielunff pfn'V^ert^r Intoisititen oadtet werden. Es wurde dadurch nftnüich das Spdiram unrein nnd es bedurfte des experimentoUoh Nachweise&, dass die Gesanuntheit des dann durch d<ni Oeularspalt gehenden Lichtes noch denselben I<'art)oh- eindmdc madite, wie das Licht mittlerer WelIenlftni((S 7m diesem Zwecke benntzte ich ein zweites an meiiKUu Appa» rate angebrachtes CoUimatorrohr, welches von dorn Orutiir* röhre ans betrachtet, eine lu dem früher erwKhtttott Collimmtorrohre symmetrische Stellung hattn. Dio duroli den Spalt dieses zweiten CoUimatorrohroH gohnndnu Mtrali«» len entwarfen nach der Entfernung des weitiH-piuftnntitlrtoti Papieres ebenfiills in der Ebene des C)cularN|)Altfm ottt Spektrum, und ein durch den letzteren bllc.kcuidoM AttgM sah die frflher weisse Fläche nunmehr farbii^ («rlouciliU'i. Die Bestimmung der Wellenlänge ^okcIiuIi in (|i*rMi>lbnM Weise wie an dem andern Ilohre. Zuntl<;lmt. wurden clin Constanten a und ß für das Intervall bi V vi>rnilii(tlM Sonnenlicht bestimmt und dann der (/ollirnatorHpult b(«l einfallendem Lichte einer Natronflamme nacb beld<;n Soiton genau gleich viel erweitert, so dans das von ihm ent- worfene Bild ebenso breit wie der Oeularspalt war. Die Intensität des auf den CoUimatorspalt fallenden Lichtes konnte durch zwei gegeneinander drehbare Nikorsche Prismen in beliebiger Weise geändert werden. Es zeigte sich nun, dass bei einer bestimmten Intensität dem durch den Oeularspalt blickenden (sowohl dichromatischen wie

.1 x.^^^ti-i'^rr: ^iC -tLj^ ZjOi ttth^t-

r ».->•! ^»*^. liLu -ra ipa r^^iuttn. -t . > mit 1:

u^

r a^

, : :-- *,:i:

<ta

* '

. - . 4 :-.>?= >:>

5

. ♦•^r-'t'" «1^

i->

. . . 4^-7^:? = '.IT

-?-• .

. . - 4^7.40 31 .:?4.

Herr S^v.

tf.'.'^f.'Hi',

i.

'fj* .

. . . 4ȊȱOjO

\

. . . 49737 ±0,48

I .... 5h»,T:.:± \.:^

Die üi-^arsiiüiiimr rt^^diiiü. u^^nsL it Qtr9*L'!»eL ^äs*^ wie ki säfr («i»se m $ j? re>i!L-j3en ^hiLi*t. ^t^MiE cifr Beniitxsix? dfs äiiq^*5l l .•ljiiucccTi»fcre irsr ijt*r cie

weissen PirmsL-e leS^iirL Zur Btieuiirair ot^ ieiner«! muflsten be der h>iiSL Iri.^isi'Lii'eL Ejtifröf'rfil rc.r ct.'^sj«' Apertcr g€iii<ir.:.^t^ werät^ "mn Euäi-be ItiOisüiLt mit öfr aiideni PrisoitäLilüe iitsxBs;«cIjta;- "ciii i^:i stlli>i dijia geljBg es Hir jksi hd l»tsc»ii5^> LrZ erisotitetsm Wc»!- kenbimiDeL wi»d;;rcii ts aii ertirL, üäss etit btd eiT>*?ui der RothgrciiTtiwfdisj'er «ik- Besriir.Tr.'ziig Ton bei den IntensIftteB 15 und SC« T.?*gt^:'inm^ wcrie.

In beifoigöidtai TÄfel m iuibe kh säanntlithe er- haltenen Besoltate grapLisicb dargesi^t. Als Al»>eif;seii- axe ist dns noimile S(*dctrDiD von der WeHenIIiige 5(C> jn^ bis 485 ^ an&etngen. UDd als Ordlnaten sind die Inten- sitlten benatit Die durch die Punite horizontal hin- durch gelegten Ideinen Linitn bezdchnen ihrer Grusse nach den fOr den betreffenden Werih von JU ans den gemachten acht Beobaditiingen sich ergebenden wahrscheinlichen Feh- ler des Besnltates. Da bei der Intensitlit 1 mehrei^ dieser Linien bei genau richtiger An&eichnang in einander über* greifen wflrd^i, so habe ich hier der Deutlichkeit halber einige der Punkte etwas hoher, andere etwas niedriger eingetragen.

168 ^r. Arthur König.

trichromatischen) Auge die beiden farbigen Prismenfelder genau denselben Eindruck machten, wenn beide CoUimator- rohre auf dieselbe Wellenlänge eingestellt waren. Somit war der Nachweis geliefert, dass die hier vorhandene Un- reinheit des Spectrums von keinem messbaren Einfluss auf die Genauigkeit der Bestimmung war. Bezeichne ich die für eine solche Gleichheit erforderliche Intensität mit 1, bei der also sämmtliche oben angegebenen Bestimmungen von im gemacht worden, so konnte ich durch Drehen des einen der beiden Nikorschen Prismen die Intensität bis auf 5 steigern. Durch Ersetzen des Argandbrenners durch ein Knallgaslicht war eine Erhöhung der Intensität bis auf 80 möglich. Die Prüfung der relativen Lichtstärke des Argandbrenners und des Kalklichtes geschah in der sorgfältigsten Weise durch ein Bunsen'sches Photometer unter Anwendung der von Herrn Büdorff vorgeschlagenen Spiegelvorrichtung, welche es ermöglicht, beide Seiten des theilweise geölten Papieres zugleich zu überblicken.

Bei dreien der bereits oben erwähnten BothgrOnver- Wechslern, nämlich den Personen 4), 9) und 13) habe ich nun Bestimmungen von Xn bei verschiedenen Inteiisitäten vorgenonmien und erhielt folgende Resultate:

Herr Dr. S.

Intensität 1

5 . 15 .

80 .

. . . 493,08 ±0,13 . . . 488,59 ±0,28 . . . 487,52 ±0,17 . . . 487,46 ±0,24

Herr Schw.

Intensität 0,5 . 1 .

. . . 499,90 ±0,50 . . . 497,37 ±0,48

Zar Eenntniss dichromatiflcher Farbensysteme. Igg

2 3 5

. . . . 494,36 ±0,13 . . . . 493,41 + 0,30 . . . . 492,44 ±0,30.

Herr J. P.

DSitä

1 5

t Aa

. . . . 504,75 ±0,15 . . . . 498,59 ±0,18.

Die Untersuchung geschah genau in derselben Weise, wie ich sie oben in § 2 geschildert habe. Wegen der Benutzung des anderen CoUimatorrohres war hier die früher monochromatisch leuchtende Prismenfläche mit dem weissen Pigmente bedeckt. Zur Beleuchtung des letzteren mussten bei den hohen Intensitäten Hohlspiegel von grosser Apertur genommen werden, um gleiche Intensität mit der andern Prismenfläche herzustellen, und auch selbst dann gelang es mir nur bei besonders hell erleuchtetem Wol- kenhimmel, wodurch es sich erklärt, dass nur bei einem der Botbgrunyerwechsler die Bestimmung von Xa bei den Intensitäten 15 und 80 vorgenommen wurde.

In der beifolgenden Tafel in habe ich sämmtliche er- haltenen Besultate graphisch dargestellt. Als Abscissen- axe ist das normale Spectrum von der Wellenlänge 505 /aji* bis 485 fkfi aufgetragen, und als Ordinaten sind die Inten- sitäten benutzt. Die durch die Punkte horizontal hin- durch gel^;ten kleinen Linien bezeichnen ihrer Grosse nach den fttr den betreffenden Werth von Jl» aus den gemachten acht Beobachtungen sich ergebenden wahrscheinlichen Feh- ler des Resultates. Da bei der Intensität 1 mehrere dieser Linien bei genau richtiger Aufzeichnung in einander über- greifen würden, so habe ich hier der Deutlichkeit halber einige der Punkte etwas höher, andere etwas niedriger eingetragen.

170 Dr- Arthur König.

Diese graphische Aufzeichnung lehrt neben der man- gelnden Scheidung der Bothgrünverwechsler in zwei Grup- pen, dass die Form der Curven, welche bei demselben Individuum die Abhängigkeit zwischen der Wellenlänge des neutralen Punktes und der Intensität darstellt, bei allen drei beobachteten Personen dieselbe ist. Bei gerin- gen Intensitäten geschieht das Vorrücken nach dem blauen Ende des Spectrums ziemlich schnell, bei den grössten benutzten Intensitäten tritt aber fast völliger Stillstand ein.

Berlin, Physikalisches Institut der Universität. November 1883.

Ueber die Empfindlichkeit des normalen Auges für Wellenlängen-Unterschiede des Lichtes.

Von

Dr. Arthur König

und

Dr. Conrad Dieterici.

Hiersn Tafel IV.

üntersuchnngen, die einer von uns*) über den neutralen Pnnkt im Spectrum der Bothgrünverwechsler durchgeführt hatte, e^aben eine ausserordentliche Empfindlichkeit des dichromatischenAuges für Verschiedenheiten der Wellenlänge des Lichtes in diesem Punkte. Bei den 13 untersuchten Per- sonen lag der aus 8 Einzelbeobachtungen berechnete wahr- scheinliche Fehler der Wellenlängenbestimmung ihres neu- tralen Punktes zwischen ± 0,09 und ± 0^ Milliontel Milli- metern. Dieses auffallende Ergebniss veranlasste uns auch die Empfindlichkeit des normalen Auges für Verschieden- heiten der Wellenlängen des Lichtes im Verlaufe des ganzen Spectrums zu untersuchen. Allerdings war dieselbe schon Gegenstand mehrerer Untersuchungen gewesen. Herr i Mandelstamm**) hat ein Spectrum durch die Platten

*) A. König, Verhandl. der physikal. Gesellsch. in Berlin. 1883, No. 4 n. 14. Ausführlicher in der dieser Abhandlung voran- gehenden Hittheilong.

**) L. Mandelstamm. Qraefe*s ArchlT XUI. 2. p. 399. 1867.

172 I>l^r. König und Dieterici.

des Ophthalmometers ohne Benutzung des Oculars be- trachtet und durch Neigung derselben gegen einsuider eine derartige relative Verschiebung der obem und untern Hälfte beiivirkt, dass zwischen den an einander grenzenden Theilen ein eben merklicher Farbenunterschied vorhanden war. Aus der hierzu erforderlichen Neigung liess sich dann der zugehörige Wellenlängenunterschied berechnen. Dieselbe Methode hat Herr Dobrowolski"^) mit geringen Abänderungen zu demselben Zwecke angewendet In beiden Arbeiten war die Empfindlichkeit des Auges an denselben 8 Stellen im Spectrum geprüft, aber nicht so gross gefunden, wie sie sich bei den oben erwähnten Farbenblinden ergeben hat. Das letztere gilt auch von einer in neuester Zeit erschienenen Arbeit des Herrn Peirce **) über denselben Gegenstand, in welcher zwar eine andere Methode in Anwendung kommt, das Princip jedoch fest- gehalten wird, die Empfindlichkeit des Auges zu ermitteln aus einer noch eben wahrnehmbaren Farbenverschiedenheit zweier Streifen des Spectrums. Die in dieser Arbeit ge- gebene Empfindlichkeitscurve ist das Mittel aus den Beob- achtungen an einer grossem Anzahl von Personen; und da man von vornherein nicht annehmen darf, dass die Vertheilung der Empfindlichkeit im Spectrum bei den ver- schiedenen Personen dieselbe ist, so können die in dieser Arbeit veröffentlichten Resultate nicht als eine ab- schliessende Beantwortung der vorliegenden Frage be- trachtet werden. Wir nahmen daher den Gegenstand wieder auf mit der Absicht, die Empfindlichkeit des Auges ftlr Wellenlängenverschiedeiiheiten an möglichst vielen Stellen im Spectrum bei verschiedenen Intensitäten fOr uns beide zu ermitteln. Dabei erschien es uns vortheilhaft, das bis- herige Prmcip, die Empfindlichkeit zu folgern aus einem

*) Dobrowolski. Graefe's Archiv XVIII. 1, p. 66. 1872. **) B. O. Peirce. Sühn. JoumaL VoLXXVI. p.299. Iftö.

Empfindlichkeit des normalen Auges etc.

173

eben noch wahrnehmbaren Farbenunterschied zweier neben einander liegender ein&rbiger Felder, fallen zu lassen, vielmehr als Mass der Empfindlichkeit den aus vielen Einstellungen auf Gleichheit berechneten mittleren Fehler einer Beobachtung zu nehmen, da er angiebt, mit welcher Genauigkeit man an dieser Stelle des Spectrums aus der Farbenempfindung Gleichheit der Wellenlangen des Lichtes benrtheilt.

Der Apparat, dessen wir uns bei der vorliegenden Untersuchung bedienten, war ein Spectralapparat, auf dessen Tischchen ein gleichseitiges auf allen drei Seiten geschliffenes Prisma P unverrückbar fest stand. (Ver- gleiche beistehende Skizze.) Zwei CoUimatorröhren d und O2 konnten vermittelst Mikrometerschrauben um die Axe des Apparates gedreht werden; sie trugen am einen Ende Spalte, die in der Brennebene ihrer Objectivlinsen lagen und deren Breite und Bichtung beliebig geändert werden konnte. Das Beobachtungs- Femrohr B auf einem mit dem Fusse des Apparates fest verbundenem Arme ruhend, war gegen eine Kante des Prismas gerichtet, so dass diese den vertikalen Durch-

174 I^I)'* ^önig nnd DietericL

messet der ObjectivfassuDg bildete. In der Brennebene desselben befand sich ein Diaphragma d, welches einen verticalen durch Schrauben von aussen regnlirbaren Spalt enthielt; dieser war den Spalten der GollimatorrGhren pa- rallel. Das Ocular o war mit einer kurzen Hfllse nur übergeschoben und konnte leicht abgenommen werden. Erleuchtet man bei passender Stellung einer CollimatorrOlire ihren Spalt, so entsteht in der Ebene des Diaphragmas d ein Spectrum, und es wird nur der auf den Spalt desselben auffallende Theil hindurchgelassen. Mit dem Ocular be- trachtet, sieht man dann den Diaphragmaspalt in der Farbe des durchgelassenen Lichtes; ninunt man aber das Ocular ab und bringt das Auge direct an das Diaphragma, so sieht man die eine Prismenflache erleuchtet mit der- selben Farbe. Wegen der geringen Breite des Diaphragma- spaltes, welche in unserer Anordnung V^o der Läi^ des sichtbaren Spectrums betrug, ist dieses Licht fast homogen und sein physiologischer Eindruck kann nach einem bekannten Gesetze der Farbenmischung gleich ge- setzt werden, dem der Wellenlänge des mittleren Strahles. Durch Aenderung der Stellung der Ciollimatorröhre wird das in der Diaphragma-Ebene entworfene Spectrum seitlich verschoben, dadurch ein anderer Theil desselben von dem Diaphragmaspalt ausgeschnitten und dem entsprechend ändert sich die Farbe der Prismenfläche. Erleuchtet man den zweiten Collimatorspalt, so tritt dieselbe Erscheinung ein, nur ist, durch das Diaphragma direkt betrachtet, jetzt die zweite Prismenfläche einfieurbig erleuchtet Durch ge- eignete Einstellung der Collimatorröhren kann die Farbe beider Prismenflächen gleidi gemacht werden.

Auf die beiden Collimatorröhren hatten vrir zwei kleine Spiegel si und fest aufgekittet, welcdie das Bild zweier in etwa 2 m Entfernung aufgestellten Scalen Si und Si in zwei mit Fadenkreuz versehene Fernrohre Fi und Fa zurückwarfen. Um bei einer gegebenen Stellung

Empfindlichkeit des nonnalen Auges etc. 175

des einen GoUimators d die mittlere Wellenlänge des ans dem Diaphragma austretenden Lichtes, in dessen Farbe, wie oben erwähnt, die eine Prismenfläche erschien, berechnen zu können, erleuchteten wir den Collimatorspalt mit Licht einer bekannten Wellenlänge, also etwa Na- Licht. Während dann der Eine von uns durch Drehen der zugehörigen Mikrometerschraube dem GoUimator Ci eine solche Stellung gab, dass die Bänder des mit Na- Licht gefärbten Bildes des Gollimatorspaltes mit den Bändern des Diaphragmaspaltes, welcher mit dem aufgesetzten Ocular betrachtet wurde, zusammenfielen, las der Andere den bei jeder Einstellung mit dem Fadenkreuz im Fern- rohre Fl zusammenfallenden Sealentheil der Scala Si ab. Aus diesen Bandemstellungeu wurde der mittlere Sealen- theil berechnet, der derjenigen Stellung der GoUimator- röhre Gi entsprach, bei welcher das Spaltbild gerade in der Mitte des Diaphragmaspaltes lag. Dies Verfahren wurde für Licht der Li«, Na, TI, Srcf und E/f- Linie für beide GollimatorrOhren wiederholt. Setzt man in der Gauchy'schen Dispersionsformel

8

fär A die bekannte Wellenlänge einer Lichtart für n den dazu gehörigen Sealentheil ein^ was gestattet ist, weil die Aenderung der Scalentheile sehr nahe proportional der der Brechungsexponenten ist, so kann man aus zwei benach- barten Werthen von n und X die fdr dies Intervall gel- tenden Gonstanten a und ß bestimmen und mit diesen die zu einem jeden Scalentheile gehörige Wellenlänge be- rechnen.

Wir beobachteten stets ohne Benutzung des Oculars direct durch das Diaphragma des Beobachtungsrohres B und suchten zu einer durch Ablesung im Fernrohr Fi be- stimmten Stellung des Gollimators Gi diejenige Stellung

176 -^I^r. König und Dieterici.

des GoUimators Cs, bei der die beiden Prismenflächen gleichfarbig erschienen. Ein jeder von uns machte an jeder Stelle des Spectrums 50 solcher Einstellongen aof Gleichheit der Farbe, die der andere am Femrohr Fa ablas, und zwar mit beiden Augen abwechselnd und mit mehrmaliger Unterbrechung. Letzteres geschah, weil sonst die Empfindlichkeit durch Ermüdung und namentlich im Gelben und Grünen durch die comple- mentaxen Nachbilder verringert wurde. Auf diese Weise haben wir von der Wellenlänge 640 hier wie im Folgenden ist die zu Grunde gelegte Einheit Milliontel Millimeter, wofür wir uns des Zeichens /i/c*) bedienen werden also in der Nähe von C beginnend von 10 zu 10 ^^ fortschreitend, bis zur Wellenlänge 430 a^^ also der Linie G entsprechend, an jeder Stelle 50 Ein* Stellungen auf Gleichheit der Farbe gemacht Aus diesen ist der mittlere Fehler einer Beobachtung berechnet

Bei dieser Berechnung leitete uns folgende üeber- legung: Angenonnnen, es sei das Collimatorrohi d, so eingestellt, dass im Femrohr Fi der der Wellenlänge ^m entsprechende Sealentheil mit dem Fadenkreuz zusanomien- falle und es seien im Fernrohr Fs die Scalentheile si Ss " ' 850 beobachtet, denen nach der Cauchy'schen Formel die Wellenlängen Xi, A, . . . . X^ zukommen, so wäre bei absoluter Richtigkeit unserer Bestimmung der Wellen- längen der mittlere Fehler einer Beobachtung:

v-

p=50 2

P = 1

50

*) Nach dem Vorschlage von H. Kays er. Lehrbuch der Hpectralanalyse. Berlin 1883. pag. 11.

Empfindlichkeit des nonnaleii Anges etc. 177

Die BestimmnBg der Wellenlängen beruht auf der Bestimmung der Constanten a und ß der Gauchy'schen Formel; nun wird aber wegen der unvermeidlichen Beob- achtungsfehler, das für die Scala Si berechnete Werthepaar dieser Constanten etwas fehlerhaft sein und zwar in ande- rem Maasse als das fdr die Scala Sa bestimmte. In Folge dessen wird auch X^, welches berechnet ist unter Anwen- dung des einen Werthepaares, in anderem Maasse fehler- haft sein, als jede der Grossen Xp, die mit dem anderen Werthepaare der Constanten berechnet sind. Daraus folgt, dass der Mittelwerth von kp nicht mit ^m zusammenfällt

p = 50

und dadurch 2 (^m KY s^^^s zu gross erhalten p = i

wird. Dieser Fehler ist, bei der Kleinheit der gefundenen Fehler von derselben QrOssenordnung, er verschwindet abev, wenn bei der Berechnung nur auf ein CoUimatorrohr Bezug genommen und Xm durch den Mittelwerth ko von

Ap ersetzt wird, weil dann Xo und h ho mit denselben

Constanten berechnet sind. Diese Ersetzung sind wir be- rechtigt vorzunehmen, weil wir annehmen können, dass der Mittelwerth von 50 Einstellungen auf Gleichheit nicht mehr mit einem in Betracht kommenden Fehler behaftet ist. Der dann nur einmal bei der Bestimmung der Con- stanten « und ß begangene Fehler beeinflusst nun nicht mehr die Grösse des mittleren Fehlers, sondern nur seine Lage d. h. der fQr eine gewisse Wellenlänge Am gefundene mittlere Fehler gilt für die Wellenlänge Ka± €^ wo « eine Grösse ist, die in den meisten Fällen 1 /</< nicht übersteigt.

Unsere Beobachtungen sind bei zwei verschiedenen Intensitäten der Beleuchtung angestellt. Die hohe Inten- sität wurde in dem lichtstärkeren Theile des Spectrums, also von 640/</', etwa der Linie C entsprechend, durch zwei gleiche Gaslampen mit Argandbrennem , die mit

T. QrMf«*B Archiv fflr OphUuümologle, XXX. 2. 12

178 I>I>r. König und Dieterici.

ihrer höchsten Intensität brannten, hergestellt und von 520 /</^ ersetzt durch das intensive Licht einer Knallgas- lampe. Diese stand auf einem besonderen Tisch, dem Beobachtungsfernrohr gegenüber. Zwei Linsen entwarfen von der glühenden Stelle des Kalkcylinders zwei Strahlen- bündel, welche nahezu senkrecht zu den GollimatorrOhren waren und an deren Spaltenden gerade vorbeigingen. Hier standen zwei total reflectirende Prismen, welche die Strah- lenbündel in die Spalte hineinlenkten. Bei passender Stellung der eingeschalteten Linsen wurde das Strahlen- bündel auf der reflectirenden Prismenfläche concentrhrt und dadurch die Spalte intensiv erleuchtet. Für die niedrige Intensität wendeten wir dieselben Gas- Argandbrenner an, die jedoch passend gedämpft waren; diese Intensität, die etwa der ersteren war, genügte bis 470 fifi. Von hier wurde dieselbe Knallgaslampe angewendet, den eingeschalteten Linsen aber eine solche Stellung gegeben, dass ein weniger concentrirtes Strahlenbündel auf jedes der Prismen fiel.

Im Folgenden geben wir zunächst eine Tabelle der von uns erhaltenen Besultate. Die erste Spalte giebt die Wellenlängen in Milliontel MiDiraetern (fifi), die zweite und dritte für jeden von uns die zugehörigen mittleren Fehler ausgedrückt in derselben Einheit. Bis zur Wellen- länge 520 fifA haben wir beide die mittleren Fehler bei hoher und niedriger Intensität gleich gefunden. Die vor- kommenden Abweichungen waren so gering, dass sie füg- lich als Beobachtungsfehler zu betrachten waren.

,„ I, ,^. Mittlerer Fehler einer Einstellung

WeUenlinge ^^^ ^^^^ mtendttten

K D

G40i*n 1,28 juft 1,82 f*/t

630 1,05 1,47

fi20 0,68 ., 1,00

Empfindlichkeit des nonnalen Auges etc.

Wellenlftnffe ^i*^®'^^' Fehler einer Einstellung *^ für beide Intensitäten

179

K

D

610 /*/t

0,56/.,»

0.78«.*

600„

0,36,,

0,48,,

590,,

0,26,,

0,40,,

580,,

0.27

0,36

570,,

0,29,,

0,31

560,,

0,40,,

0,32

550„

0,65

0,51

540,,

0,68

0,64,,

530,,

0,65,,

0,62

520,.

0,59,,

0,51

Wellen-

Mittlerer Fehler

einer Einstellungr

Unge

fBr hohe Intennt&t

für geringe

Intensität

K

D

E

D

5101*1»

0,51 iti»

0,38«*

0,40 /»/*

0,38 i«/*

500,,

0,41

0,29,,

0,23

0,28

490

0,36,,

0,25.,

0,16

0,23

4Ö0„

0,33

0,23

0,28,,

0,26

470

0,43,,

0,38,,

0,46,,

0,41

460,,

0,54.,

0,53

0,54,,

0,57

460,,

0,82

0,57

0,44.,

0,40,,

440,,

0,62

0,50,,

0,68,,

0,45,.

430,,

0,69

0,56,,

1,06 .,

0,56

Die gefundenen Resultate bestätigen im Allgemeinen die Ton den früheren Beobachtern gefundene Vertheilung der Empfindlichkeit im Spectrum. Bei keinem von uns war ein Unterschied zwischen dem rechten und linken Auge wahrzunehmen.

Unsere Bestimmung der Empfindlichkeit beginnt mit der Wellenlänge 640 fAfjt, also nicht ganz bei der Linie C.

12*

180 DDr. König und Dieterici.

Der Grand, weshalb wir dieselbe nicht über die Linie C ausgedehnt haben, ist der, dass die unterschiede der Farbenempfindang, die das Spectrum jenseits dieser Linie hervorruft, nicht durch die Verschiedenheiten der Wellen- längen, sondern lediglich durch Intensitätsdifferenzen be- dingt sind. Herr Peirce*), der seine Curve weitergeführt hat, findet manche Personen bei Li« = 670 /a/a empfind- licher als bei C, ebenso ergab sich bei Herrn Dobro- wolski**), dass sein Auge bei B empfindlicher war, als bei C; er bemerkt aber zugleich, dass die Erklärung dieser Erscheinung möglicherweise in dem schnellen Abfall der Intensität jenseits B zu suchen sei. Wir haben uns durch besondere Versuche davon fiberzeugt, dass in der That in diesem Theile des Spectrums nur die vorhandenen Intensitätsunterschiede die Verschiedenheiten der Farben- empfindung hervorbringen. Zu dem Zwecke stellten wir die eine GoUimatorrÖhre ein auf den der Wellenlänge 650 fAfjb entsprechenden Sealentheil und erleuchteten ihren Spalt mit einer Gaslampe; auf den Spalt der anderen GoUimatorrÖhre concentrirten wir sodann das intensive Licht der Enallgaslampe und stellten nun auf Gleichheit ein. Bei mehrfachen Versuchen dieser Art ergab sich, dass bei diesem Verhältniss der Intensitäten, Licht von grösserer Wellenlänge als 710 f*/* denselben Eindruck her- vorrief, wie jenes Licht der Wellenlänge 650 fiiA, Die Grenze des Gebietes der blossen Intensitätsunterschiede im Spectrum fanden wir bei uns an etwas verschiedenen Stellen zwischen den Wellenlängen 650 f»f* und 640 fi^»* Eine Ausdehnung unserer Untersuchung auf diesen Theil des Spectrums hätte also lediglich die Empfindlichkeit des Auges für Intensitätsunterschiede betroffen.

*) B. 0. Peirce. SUl. Journal. 1883. *») Dobrowolski, Graefes Archiv XVIII. 1, p. CG. 1073.

Empfindlichkeit des normalen Anges etc* 181

Es könnte indessen sein, dass die Vertheilnng der Intensität im Spectram auch an anderen Stellen die Von ans gefundenen Besultate beeinflasst, also die an ' einer Stelle gefundene Empfindlichkeit des Auges nicht lediglich von den Wellenlftagenverschiedenheiten, sondern auch Yon den an dieser Stelle vorhandenen Intensitätsdifferenzen bedingt ist Wenn dies der Fall wäre, so müsste bei gleidimässiger Intensitätsvertheilung über das ganze Spec- trum der mittlere Fehler einer Beobachtung an den ver- schiedenen Stellen wesentlich andere Werthe annehmen. Eine gleichmässige Intensitätsvertheilung ist aber nicht zu erreichen., wohl aber kann man die Intensitäts- vertheilung erheblich ändern durch Einschalten passend gewählter farbiger Platten, die an den Stellen des Spectrums Absorptionsstreifen haben, wo die Intensität in einem kleinen Intervall stark varürt. Indem wir dies Ver- fahren einschlugen, e^aben sich nur so unbedeutende Ab- weichungen von den frOher erhaltenen Besultaten, dass wir zu dem Schlüsse berechtigt sind, dass die von uns gefundenen Werthe der mittleren Fehler einer Beobachtung lediglich von den Verschiedenheiten der Wellenlängen ab- hängen und nicht oder nur unmerklich beeinflusst sind durch die Intensitätsunterschiede.

Zur Veranschaulichung unserer Besultate haben wir in Tafel rV, die in der Tabelle gegebenen Werthe in ein Coor- dinatensystem eingetragen, dessen Abscissenaxe die Wel- lenlängen in Milliontel Millimetern giebt, während die Ordinatenaxe die zugehörigen mittleren Fehler einer Beob- achtung darstellt. Welchem von uns beiden die ver- schiedenen Gurven angehören und welcher Intensität sie entsprechen, ist auf der Tafel selbst eingetragen.

Unsere Curven fallen von 640/"/« beginnend in steti- ger Neigung bis in die Nähe der Linie D. Hier tritt ein erstes Minimum ein; während es jedoch für den einen

182 DDr. König und DietericL

von ans (K) bei 590 Hf^ liegt, erreicht der andere (D) sein erstes Minimom erst bei 570 m^^- Unsere Cnrreii ergeben dann im GrOnen eine geringere Empfindlichkeit; in der Nähe der Linie E trennen sich die Empfindlich- keitscurven ffir die verschiedenen Intensitäten. Die Car- ven geringer Intensität erreidien beide ein zweites Mini* mum bei 490 ju^, also nahe bei F. Dies ist nach unseren Messungen die Stelle der grOssten Empfindlichkeit für Wellenlängenverschiedenheiten im ganzen Spectmm; aach Herr Dobrowolski findet dieses zweite Minimom tiefer liegend als das erste (Vtm ^f = 0.65 /<ju), während in der Curve des Herrn Peirce dieses Minimum höher liegt (1,7 /</<)• Der Grund dieser Abweichung ist wohl der, dass die von Herrn Peirce veröfientlichte Curve con- struirt ist aus den Durchschnittswerthen von vielen an verschiedenen Personen angestelltea Messungen. Da nun wohl, wie sich das auch bei unserem ersten Minimum bei D gezeigt hatte, nicht für alle Personen die liGnima auf einander fallen, so werden Minima und Nicht- Minima superponirt, woraus eine Erhöhung des absoluten Werthes folgen muss. In der Nähe dieses Minimums liegt nach den bereits erwähnten Messungen des einen von uns der neutrale Punkt im Spectrum der BothgrOn- verwechsler. Es zeigt sich, dass auch ein mit einem trichromatischen Farbensystem begabtes Auge an dieser Stelle des Spectrums eine gleiche Empfindlichkeit zeigt, wie das dichromatische. Unsere Curven geringer Inten- sität steigen dann und erreichen ein drittes Minimum bei 450 /<^ der Stelle im Spectrum, wo das Indigoblau in Violett übergeht. Sodann steigen die Curven wieder und enden bei 430 f*iii, also bei der Linie G. Weiter zu gehen verhin- derte der starke Abfall der Intensität jenseits dieser Linie. Die Curven hoher Intensität zeigen von dem Punkte, wo sie sich von denen niedriger Intensität trennen, ein

SnpfiBilkiikais its manmdem Amgcs eoc 183

im AUgemeiiieii ilmlidies Veriudten; bei beiden treten ebenso, wie bei deo ersteieiv zwei Miniiiia herror, indessen sind diese gegen die lümnut bei geringer Intensität bei nns beiden in demselben Sinne rerschoben. Eine ihnliche Erscbeinnng zeigt sich bei den RothgrttnTerwechslem, bei denen der neatnde Punkt mit steigender Intensität nach dem blanen Ende des ^>ectmms fortrückt*) Wir unterlassen es, die ans dieser Erscheinung, so wie ans dem Vorhan- densein des bei uns beiden beobachteten dritten Maximums der Empfindlichkeit im Violetten sich eichenden Folge- rungen auszusprechen, bevor nicht bereits geplante weitere Versuche auch von anderer Seite eine Stütze für dieselben geliefert haben.

Ob im Violetten jenseits der Linie 6 der Unterschied der Farbenempfindung, ebenso wie im Bothen jenseits der Linie C, lediglich auf LatensitätsdifTerenzen im Spectrum beruht, wollen wir durch weitere Versuche mit Hülfe des Sonnen- oder electrischen Lichtes einer Prüfung unter- werfen.

Die Resultate der vorstehenden Untersuchung lassen sich in Folgendem zusammenfassen:

1. Die Unt^chiede der Farbenempfindung im rothen Ende des Spectrums bis etwas über die Linie C hinaus sind lediglich durch die vorhandenen In- tensitatsunterschiede bedingt.

2. Das Maiimum der Empfindlichkeit fürWellenlän- ^ genverschiedenheiten im Gelben liegt für beide

Beobachter an verschiedenen Stellen des Spectrums.

3. Die beiden anderen Maxima (im Blaugrünen und am Uebergang von Indigo in Violett) liegen bei

») Vergl. W. Freyer, Pflügers Archiv Bd. XXV., pag. 31 und A. König, Verhandlungen der physikalischen Gesellschaft in Berlin 1883, No. 14, und in der vorhergehenden Abhand- lung, § 3.

184 I>I>^ König und DietericL

derselben Intensität für beide Beobachter an den- selben Stellen; 4. sie wandern aber, ebenso wie der in der Gegend des ersteren dieser beiden Maxima liegende, neu- trale Punkt im Spectrum der Bothgrünyerwechsler, mit steigender Intensität nach dem violetten Ende des Spectrums hin.

Berlin, Physikalisches Institut der Universität. Februar 1884.

Bemerkungen zur ftescMcIite der Eypermetropie.

Von

Prof. Dr. Rud. Schirmer in Greifiswald.

Die Lehre von der Hypermetropie des Auges, wie sie ans Donders in seiner hochwichtigen Monographie giebt, von welcher mir die deutsche von 0. Becker besorgte Originalansgabe*) vorliegt, hat ihre Vorgeschichte, und Donders hat in seinem Werke S. 270— 278**) schon selbst dafar gesorgt, dass die Vorarbeiten anderer nicht un- bekannt blieben. Seine geschichtlichen Bemerkungen haben bisher nur wenige Ergänzungen erhalten. Ich selbst habe i. J. 1869 in den Annales d'oculistique T. LXII, p. 201 ^210 einige diesbezügliche Beitrage ge- geben; aber einen befriedigenden Abschluss hatte ich dadurch noch nicht erlangt.

Wir begegnen nämlich in dem Jahrhundert vor den Arbeiten von Donders einestheils Beschreibungen der Befraction eines hyperopischen Auges, welche dem Autor selbst so räthselhaft ist, dass er davon absteht, dieser Befraction einen besonderen Namen beizulegen. Anderer-

*) Die Anomalien der Refraction und Accommodation des Auges von Donders. Wien 1866.

**) Siehe auch J. H. de Haas« G^chiedkandig onderzoek omtrent de Hypermetropie en hare geTolgen. Proefschrift. Botter- dam (Utrecht) 1862. Hier findet auch die Asthenopie noch be- sondere Berücksichtigong, so dass auch die Vorgeschichte der Aufzeichnung dieses Symptoms, welches ja mit der Hypermetropie in engem Zusanmienhang steht, entworfen ist.«

186 Prof. Dr. Rud, Schirmer.

seits finden wir, wo schon einiges physikalisches Ver- ständnJss für diese Anomalie besteht, dass derselben auch ein besonderer Name gegeben wird, vornehmlich ist dies der Name „Hyperpresbyopie". Wenn nun v. Stellwag in der Vorrede zur dritten Auflage seines Lehrbuches der gesammten Augenheilkunde, Wien 1867, S. Y behauptet dass er die Bezeichnung Hyperpresbyopie eingeführt habe, so ist dies historisch nicht richtig. Dies war mir schon klar geworden, als ich in meinem Aufsatz in den Annale^ d'oculistique anfahren konnte, dass sich schon 1825 Purkinje*) djßs Ausdruckes Hyperpresbyopie bediente und in der Weise, als wenn dieses Wort schon Tor ihm gebraucht wäre. Ich vermochte aber beim Nachforschen in den verschiedensten Schriften der Augenärzte hierüber keine weitere Aufklärung zu gewinnen. Ich hatte mich dabei nicht an die richtige Adresse gewandt; bei den Mathematikern war hierüber Auskunft zu erhalten.

Der Leipziger Mathematiker Abraham, OottheH Kästner ist derjenige, welcher 1755 zuerst den Namen Hyperpresbyopie gab fQr den Refiractionszustand, welchen wir heute absolute Hypermetropie nennen. In der Sdirift: „Vollständiger LehrbegrifF der Optik nach Herrn Robert Smith's Englischem mit Aenderungen und Znsätzen von A. G. Kästner, Altenburg 1755, 4" entwickelt Kästner auf Seite 371 ff. in analytischer Darstellung die Dioptrik für fehlerhafte Augen und deren Correction durch Gläser und sagt speciell für unsem Fall auf S. 372: „Liegt aber „die Sache Q über den Brennpunkt F vom Glase ab, so „machet sie ihr Bild q auf der andern Seite des Glases, „und das Auge müsste durch zusammengehende Strahlen „deutlich sehen, wenn ihm das Glas hier helfen sollte. „Ob es dergleichen Augen gäbe, die man zur Nach- „ahmung von Wallisens Quantitatibus plus quam infiniti?

*) Beobachtungen und Versnche zur Physiologie der Sinne. Zweites Bändchen. Nene Beiträge zur Eenntniss des Sieheuf. Berlin 1825. S. 118.

fiemerkimgeii xar Geschichte der Bypermetropie. 187

nüberweitsichtig, Hyperpresbytas nennen kOn&te, ^wäss ich nicht. Ich finde wenigstens keine Unmöglich- keit, dass der Ban eines Auges so beschafTen sein könnte, „dass anch entfernte Sachen, und folglich nahe noch viel ,^ehr, ihr Bild erst hinter dem Netzhantchen hfttten; ein ,^lches Ange wflrde weder parallele, noch ausemander- ,,fiihrende Strahlen auf sein Netzhantchen sammeln. Seine „brechende Kraft wäre zu geringe, wie sie beim Kurz- „sichtigen zn gross ist, und da es nothwendig Strahlen „empfimgen musste, die nach Pnnkten hinter ihm gingen, „so wöide ihm ein erhabenes Olas auf erwähnte Art ,4)ienst thnn/' Diese Gedanken gehen yon Kästner und nicht von Smith aus und finden sich deswegen weder im englischen Originalwerke, welches 1738 zu Gambiidge erschien, noch in dessen französischer Ueber- Setzung, durch einen ungenannten 1767 in 2 Bänden lu Avignon herausgegeben.

Danach b^egnet mir wieder das Wort Hyperpres- byopie in der physiologisch-mathematischen Dissertation von H. W. M. Olbers.*) Er erklärt auf S. 17 den Zu- stand der Augen nach der Staaroperation als Hyper- presbyopie und erwähnt daselbst in einer Anmerkung, dass zuerst Kästner diesen Brechungszustand beschrieben und benannt habe, und dass Janin einen Fall von „na- tOrlicher" Hyperpresbyopie mitgetheilt habe. Das Citat von Olbers betreffend Kästner ist aber unrichtig, indem jener in seiner Dissertation nur Kästner*s Angew. Mathem. dtirt. In diesem Werke: Anfangsgründe der angewandten Mathematik. 2 Bde., Göttingen 1759, 3. Aufl. 1781, 8. findet man über Hyperpresbyopie gar nichts. Die Beob- achtung von Jan in ist ja auch in unserer Zeit hinläng- lich besprochen.

Trotz mehrfacher, wiederhulter Nachforschungen ist es mir nicht gelungen, früher als 1825 bei Purkinje ♦♦)

*) De oculi nrntationibtts intenuji. Gottiogen 17M0. 4. *♦) L c. S. 173.

188 Prot I>r. Bad. Schimer.

datf Wort Hyperpresbyopie wiederzufinden, was ich schon vor längerer Zeit mittheilte.*)

AUes bisher bezüglich des vorliegenden Themas Ge- leistete weit überragend ist v. Stellwag*s am 12. April 1855 in der Academie der Wissenschaften zu Wien vorgetragene Abhandlung über „die Accomodationsfehler des Auges/' Der Autor gründete seine Anschauungen auf die eben erst erforschten Accommodaüonsvoi^nge im Auge, wie sie Gramer und Helmholtz veröffentlicht hatten, unter der Bezeichnung Hyperpresbyopie verstand v. Stellwag nicht nur die absolute Hypermetropie, sondern begriff darunter auch die facultative, wenn auch die schwächeren Orade noch nicht ihre Berücksichtigung fanden. Das un- verdiente MiBsgeschick, dass diese wichtige Arbeit fast unbeachtet blieb, lässt sich zum Theil von der unglück- lichen Wahl des alten Namens Hyperpresbyopie herleiten.

Nachdem Listing**) auch solcher weitsichtiger Augen Erwähnung gethan hat, welche nur durch eine Sammel- linse die Fixsterne als leuchtende Punkte wahrnehmen, führt Ruete unter der Bezeichnung Uebersichtigkeit in seinem Lehrbucbe der Ophthalmologie 1845 die absolute Hypermetropie an.***) Des Ausdruckes Uebersichtigkeit bedient sich auch Merz in seiner Optik besonders für Augenärzte, München 1845; doch ist, was er darüber sagt, unbrauchbar.!) Später widmet Liersch in seinem Schriftchen: Brillen und Augengläser, Leipzig 1859, der Uebersichtigkeit ein Capitel S. 37 und 38, in welchem nur

*) Aimales docalistiqne. T. LXII, p. 206. **) Beitrag z. physiolog. Optik. Göttingen 1845. S. 8 U..9. ***) vergl. Donders 1. c. S. 275. f) 8. S. 82: „Sind die Augen so, dass sie weder in der Feme, ^noch in der Nähe gat sehen, so ist dies Uebersichtigkeit (auch ^eine zu starke £arz8ichtigkeit heisst so); dann ist die Linse ^stark gewölbt, zugleich aber die Pupille sehr klein, und es ist «in diesem Falle nichts anderes zu thun, als durch schwache «Couvexglftser das Licht zu vermehren. Dieser Zustand ist „selten * etc.

Bemerkmigeii xnr Geschichte der Hyperme^ropie. 189

die absolute Hyperopie und wenig eingehend berück- sichtigt wird.

Mit dem ganz nnpassenden Namen Presbyopie (was wir unter Presbyopie verstehen, wird von Hess Presbyti(> genannt) belegt Hess '*') die besprochene Refractions- anomalie und zeigt sich bei Besprechung dieses optischen Fehlers in der Glaserverordnung behufs Correction selir bewandert, so dass die Beurtheilung durch Donders (L c. 274) ihm nicht gerecht wird.

Viel grösser ist die Gruppe von Autoren, welche den Zustand der Hypermetropie beobachtet und darüber Mit- theilung gemacht haben, aber keine volle Erklärung geben konnten und schon deswegen keine besondere Benennun|{ für diese Anomalie hatten. Donders hat in seinem oft citirten Werke hiervon aufgeführt: Janin und dann Wells 1811 "*"*), als dritten Autor habe ich in meinem oben citirten Aufsatz Georg Tobias Ludwig Sachs (Historia naturalis duorum Leucaethiopum auctoris ipsius et Bororis ejus. Solisbaci 1812) hinzugefügt und dort aus- führlich die betreffenden Stellen mitgetheilt und gezeigt, wie gewissenhaft und eingehend Sachs seine und seiner Schwester Augen geprüft hat. ***) Donders erwähnt nun weiter Ware (1812), Sichel (1845), White Cooper (1853), Bandens (1861), Böhm (1845), Bitterich (1843),

*) Handboek der mechanische Oogheelkunde. Zierikzee 1842^ S. 216. Yergl. Annales d*ocalistiqae T. LXII, p. 209.

**) Das von Donders gegebene Gitat Philos. Transact. CHI ist irrthümlich. Die in Frage kommende Abhandlnng von Wells findet sich Philos. transact. vol. GL Mackenzie hat richtig citirt.

***) Bei dieser Gelegenheit kann ich es nicht imterlassen, fUr G. T. C. Sachs gewissermassen eine Ehrenrettung zu schaffen. In Mauthner'g mit Recht weit verbreitetem Lehrbuch der Oph- thalmoskopie lesen wir nämlich auf S. 6. „daher konnte Sachs „seine früher erwähnten, lügenhaften Angaben machen. * Hätte Kauthner die Abhandlung von Sachs oder auch nur die durch Schlegel besorgte Uebersetzung in die Hand bekommen und nicht blos nach den Gitaten Anderer geurtheilt, würde er sicher

190 Prof. Dr. Bud. Schirmer.

Fronmüller (1850), Smee (1855), Mackenzie (1836), welche sämmtlich vereinzelte Mittheilnngen machen, die in das Bereich der Hypermetropie gehören.

Obige Reihe kann ich noch verrollständigen durch Weller. Derselbe sagt nämlich anf S. 185 seiner Diätetik für gesunde und schwache Augen, Berlin 1821: „In seltenen Fällen liegt die Ursache der Weitsichtigkeit „in einem von Jugend auf angestammten, flachen Bau des „Augapfels, kommt dann schon in den Kinder- und JOng- „lingsjahren zum Vorschein und ist oftmals in diesem „Falle gleichsam angeboren. Ein sehr Terdiiessliches „üebel, welchem wir nichts entgegensetzen kOnnen, als „eine höchst vorsichtig ausgewählte, sparsam zu benutzende, „convexe Brille, die möglichste üebung in Betrachtung „naher Objecto und Vermeidung des beständigen Fem- „sehens.'* Auch Onsenoort erwähnt, dass die Fem- sichtigkeit angeboren sein kann*) und ebenso A. Franz.**)

nicht so den Stab üher Sachs gebrochen haben. Derselbe sagt ausdrücklich § 115, dass keiner der beiden Albinos sich erinnere, ihr Augenleuchten jemals selbst gesehen oder, indem das Licht aus dem Aage strömte, irgend eine ungewöhnliche Empfindung^ in den Augen wahrgenommen zu haben; und ferner in § 109, er bedauere, dass es ihm bisher noch nicht gelungen sei, das Augen- leuchten mit eigenen Augen wahrzunehmen, was er aber von den glaubwürdigsten Zeugen, den Eltern der beiden Albino-Geschwister erfahren, wolle er schlicht und getreu berichten. Von seinen Eltern hörte also Sachs, dass seine und seiner Schwester Augen in steter Pendelbewegung sich befunden hätten, und dass in der Dämmerung und selbst in dunkler Nacht oft ein lebhaftes, gelb- liches Licht aus den Augen leuchte, welches in Gestalt von Schei- ben oder Kugeln, die sich nach verschiedenen Richtungen wälzen, und dann glänzende Strahlen, zuweilen von Zolllänge, aussenden, sich zeige. Wegen der Aufiiahme dieser Laien-Berichte in die sonst werthvolle Abhandlung darf Sachs jedenfalls nicht als Lügner hingestellt werden.

*) De kunst, om de oogen wel te verplegen en voor ziekten te bewaren. Utrecht 1838. S. 97.

**) The eye, a treatise etc. London 18:39. p. 194.

UebeT eine sabjeotive ErscMnung bei Betrachtung von Contoaren.

Von Dr. G. Mayerhausen in München.

Von versehiedenen Autoren ist bereits eine Erscheinung beschrieben worden, welche von denselben an Gittern und parallelen Liniensystemen beobachtet wurde, ich meine das wellige oder perlenschnurartige Aussehen, welches unter gewissen umständen die einzelnen Stftbe der Gitter resp. Linien einer entsprechenden Zeichnung darbieten.

Der erste, welchem wir eine Mittheilung hierüber verdanken, ist Purkinje.'*') Derselbe beobachtete bei angestrengtem Anschauen von Parallellinien auf Kupfer- stichen ein Flimmern in denselben, welches näher be- trachtet in einem theilweisen Einandernähem und Ent- fernen derselben bestand, so dass die Linien wellenförmig erschienen. „Das Wesen der Erscheinung", sagt Purkinje, «liegt zum Theile in der Perspective, zum Theile in den Blendungsbildern." „In dem Axenpunkte des Sehfeldes sind die Linien etwas mehr von

*) Beobachtungen und Versuche zur FhyBiologie der Sinne. Bd. I. Prag 1823. pag. 123.

192 I^r« ö. Mayerhaosen.

einander entfernt, and nahem sich einander an denen von demselben weiter abstehenden Stellen. Wie nun der Axenpunkt im Linienfelde hin und herbewegt wird, neigen sich an den entfernteren Stellen die Linien gegen einander und entfernen sich in der jedesmaligen Mitte, indess die ihnen entsprechenden Blendungsbilder ihre Gestalt behalten und sie vielfältig decken und durchschneiden, wo- durch eine Bewegung und mannichfaltige Beugung derselben entsteht, was ihnen ein wellenförmiges Ansehen giebt." So Purkinjes Erklärung.

Aehnliche Versuche stellte Bergmann*) theils selbst an, theils liess er dieselben von Anderen ausführen, indem er dazu Oitterzeichnungen benutzte, deren Striche und Zwischenräume je 1 Mm. betrugen. Oefters fand es sich, dass in einer Entfernung von mehr als 5 Meter die unter- suchten sich über die Richtung der Stäbe täuschten, be- sonders häufig wurde die Sichtung derselben gerade senkrecht zu der wirklichen angegeben.

Bergmann sucht die Erklärung der Erscheinung in der Anordnung der Zapfen der Fovea. Er nimmt an, dass die Zapfen der Centralgrube so neben einander geordnet sind „ähnlich wie die Zellen des Bienenstockes sich im Querschnitt zeigen." Auf ein dementsprechendes Schema legte er in verschiedenen Richtungen Gitter, und kommt auf Grund seiner Versuche, die im Original nach- gelesen werden müssen, zu dem Resultat, dass die Be- dingungen zum Auftreten der subjectiven Erscheinung eines Gitters, welches rechtwinklig g^en das objectiv vor- handene steht, am günstigsten sind, wenn die Bilder der Stäbe und Zwischenräume etwas mehr als Vt der Breite der Zapfen betragen.

*) C. Bergmann, Anatomisches und Physiologisches über die Netzhaut des Auges; in Zeitschrift ftlr rat. Medixin (He nie und V. Pfeufer), 3. Reihe, 11. Bd. 1867. pag. m ff.

Ueber eine sabjective ErscheinuDg etc. 193

Hensen*) gelangt nach seinen üntersnohnngen zu der Annahme, dass die fragliche Erscheinung eine Folge davon sei, dass nicht die Zapfenkörper es sind, sondern nur die von Pigment umhüllten äusseren Zapfen- spitzen, welche durch Licht erregt werden, und die bei- läufig nach M. Schnitze nur V& des Durchmessers der Zapfenkörper besitzen. Dieser Auffassung gemäss wäre das Gesichtsfeld der Fovea kein ununterbrochenes, sondern ein Ifickenhaftes, aus empfindlichen Punkten und un- empfindlichen Kreisen bestehend, wir wären aber im Stande, die Lücken zur Linie zu ergänzen. Zur Erläute- rung finden sich mehrere schematische Figuren beigefügt.

Kurz erwähnen will ich hier noch, dass Yolk- mann**) diese Hypothese für unannehmbar betrachtet

Helmholtz"*^*) bemerkte das Welligwerden der Stäbe an einem Gitter, dessen parallele schwarze und weisse Streifen ^Vs4 = 0,4167 Mm. betrugen. In einem Ab- stände von 1,1 bis 1,2 Meter fingen für ihn die Wellen- linien an deutlich sichtbar zu werden. Der genannte Autor giebt yon der Erscheinung eine Abbildung (1. c. Fig. 102 A) imd sucht mit Hülfe einer zweiten beigefügten Zeichnung (L c. Fig. 102 £) ihre Erklärung aus der Zapfenmosaik des gelben Fleckes im Sinne Berg- mannes zu geben.

Eine ebenfalls hierheic gehörige Erscheinung beob-

*) Hensen, üeber eine Einrichtung der Fovea centralis retinae, welche bewirkt, dass feinere Distanzen als solche, die dem Durchmesser eines Zapfens entsprechen, noch unterschieden werden können; in Virchow*s Archiv, Bd. 34, pag. 401; xmd: Ueber das Sehen in der Fovea centralis; in Virchow's Archiv, Bd. 89, pag. 475.

**) A. W. Volkmann, Weitere Untersuchungen über die Erage. ob die Zapfen der Netshant als Raumelemente beim Sehen fiuigiren; in Du Bois-Eeymond*s und Reichert's Archiv, Jahrg. 1866. pag. 649.

♦*♦) Phyeiolog. Optik, p. 217.

T. OrMfe^a Araliiy fllr OphthAlmoloyle, XXX. S. 13

194 ^r, Gh. Mayerhausen.

achtete Biccö. *) Derselbe sah nämlich Objecte mit geradlinigen Contoaren, wenn er dieselben in der Distanz des deutlichen Sehens (9 Gm. für sein rechtes Auge) gegen den Himmel oder ein gut beleachtetes Papierblatt hielt, mit einer feinen Zähnelang. Er glaabt, dass dieses Phaenomen dnrch die eigenthümliche Anordnng der sechseckigen Zellen des Retinaepithels erzeugt werde.

Schliesslich hat ganz neuerdings v. Fleischl in einem in der k. k. Gesellschaft der Aerzte zu Wien gehaltenen Vortrage: „Zur Physiologie der Retina" welcher Vor- trag mir allerdings nur im Referat der „Wiener med. Presse" **) vorliegt dieses an Gontouren sich zeigenden Wellenphftnomens Erwähnung gethan.

Es heisst 1. c: „Er (der Vortragende) weist die Erklärung dieses Phaenomens aus der Zapfen- Mosaik zurück, indem er zeigt, dass die Länge und Höhe der Wellen ein Vielfaches der Qrösse besitzt, die sie nach jener Erklärung haben müsste. Auch ist die Kleinheit des Gesichtswinkels, unter dem die Stäbe ge- sehen werden, keine Bedingung fflr das Zustandekommen der Erscheinung, Tielmehr tritt dieselbe an jedem Contour zwischen zwei verschiedenen Helligkeiten oder Farben ein, also auch an ganz dicken und nahen Gittern, sobald nur das Bild des Contours mit einiger G^chwindigkeit parallel mit sich selbst über die Netzhaut gleitet Wieso aber hierbei die Wellen auftreten, vermag er nicht anzugeben." Soweit das Referat.

ZufftUig hatte ich mich nun bereits ebenfalls seit längerer Zeit mit ähnlichen Versuchen beschäftigt, wobei es mir jedoch niemals gelingen wollte, eine Erscheinung

* A.Ricc6, Sopra nn fenomeno soggetivo di visione. Aimali di Ottalmologia. Anno VI, pag. 547. Referat im Jahresber. t Ophthalm. Jahrg. Vin, pag. 96.

**) Das hierauf Bezügliche in Ko. 5, Jahrg. 1884, pag. isa

üeber dne snbjecüre Eracheinang etc. 195

wahrzunehmen, die ich mit voller Sicherheit h&tte auf die Anordnimg der Zapfen znraokfbhren können, immer waren die Wellen oder Zacken viel zu gross, um eine solche ErUärung zuzulassen, eine Beobachtung, die, wie oben gesagt, ja auch von v. Fleischl gemacht wurde. Aber ebenso wollten die Erklftrungen der übrigen angeführten Autoren für meine Beobachtung nicht passen.

üeberhaupt interessirte mich das citirte Referat der „Wiener med. Presse" ausserordentlich, da meine Besul- tate obgleich völlig unabhängig gefunden mit denen des genannten Forschers, auch ausser in dem bereits ge- nannten Punkte, noch mehrfach übereinstimmten.

Zudem bin ich noch in der Lage, für meine Beob- achtung eine durchaus stichhaltige Erklärung bei- zubringen.

Ebenso wie v. Fleischl fand auch ich, dass es durch- aas nicht absolut nothwendig ist, dass die zum Versuche benutzten Objecto unter sehr kleinem Oesichtswinkel (d. h. aus grösserer Entfernung) gesehen werden, wenn- gleich unter umständen eine angemessene grössere Ent- fernung die Erscheinung unbedingt deutlicher hervortreten Ifissi Den Qrund hiervon werden wir später kennen lernen.

Femer hatte auch ich gefunden, dass es nicht noth- wendigerweise eines Stabes oder eines aus solchen be- stehenden Gitters, ja nicht einmal einer Anzahl paralleler Linien bedarf, sondern dass jeder beliebige Gontour zur Beobachtung geeignet ist Jede scharfe Grenze zwischen zwei verschiedenen Helligkeiten oder Farben, jede Kante zweier aneinander stossendeii verschieden be- leuchteten Flächen, jeder Band eines G^enstandes, der gegen eine dahinter liegende Wand u. s. w. sich genügend abhebt» zeigt die Erscheinung. Auch ist eine centrale Fixation nicht unbedingtes Erfordemiss, sondern bei einiger üebung sieht man dasselbe auch sehr schön auf den peripheren Partien der Netzhaut.

la*

196 t>r. G. Mayerhaosen.

Selbstverständlich zeigen, wenn Terhftltnissmftssig schmale Objecte benatzt werden, wie Stftbe, Striche n. s. w^ an denen zwei Gontouren sichtbar sind, diese Objecte die Erscheinung auch an beiden Gontouren, und so eat- stehen denn auch Figuren, wie sie] z. B. Helmholtz ab- gebildet hat

Die Erscheinung tritt, besonders bei sehr heller Be» leuchtung nicht immer gleich auf den ersten Blick ein, sondern bisweilen erst nach kürzerem oder lAngerem Bin- schauen.

Ein fOr die ErUftrung sehr wichtiger Umstand jedoch, den ich bei keiner der von den genannten Autoren be- schriebenen Erscheinungen genügend betont finde, wenn auch zu ersehen ist, dass derselbe dann und [wann wohl beobachtet wurde, ist folgender.

Betrachten wir entweder an dem Stabgitter oder einer passenden Zeichnung oder einer beliebigen Kante zweier aneinander stossenden verschieden beleuchteten Flftchen aufmerksam die Erscheinung, so wird es uns nicht entgehen, dass die Wellenlinien durchaus nicht stabile sind, und keineswegs unverändert bleiben, sondern dass ein fortwährender Wechsel in dem Phaenomen sich derart vollzieht, dass wir an derselben Stelle, wa kurz vorher ein Wellenbei^ sich befand, im nächsten Moment ein Wellenthal sehen und umgekehrt, auch wenn wir die Aug^i absolut ruhig halten. Die Wellen sind auch durchaus nicht so r^elmässig, sondern bald kürzer, bald länger gestreckt, bald wieder mehr spitz, einer Zähnelung zu vergleiehen, bald abgerundet; kurz wir sehen, auch die Wellen als solche wechseln fortwährend ihre Or(^sse und Form.

Dieselbe Erscheinung mit ihrem fortwährend wechsdn- den Aussehen zeigt sich aber auch im Nachbilde, und zwar sowohl im entoptischen als im ectoptischen, gleich* viel ob eine centrale oder eicentrische vorherige Betrach- tung des Objectes stattfand.

üeber eine flabjecüve Srscheinung etc. 197

Eine Erklärung dieser Erscheinung ist bei einer aofioaerksamen Beobachtung nicht schwer zu finden in den eigenthfimlichen fortwährend wechselnden Schwankungen des Eigenlichtes der Netzhaut.

Bekanntlich ist ja unser Gesichtsfeld auch bei voll- ständigem Abschlüsse alles objectiven Lichtes und ohne jeden anderen Beiz von aussen nicht absolut dunkel. Es bleibt sich dabei vollstfindig gleich, ob wir in einem hellen Baume die Augen genügend bedecken ohne nattlrlich im geringsten einen Druck auf dieselben auszufiben oder ob wir ims mit geOffiieten Augen in einem absolut finsteren Zimmer befinden.

Haben wir uns auf diese Weise von dem Vorhanden- sein des Eigenlichtes der Netzhaut einmal übeizeugt, so wird es uns fibrigens nicht schwer fallen, dasselbe auch bei geöffiieten Augen ohne vollständigen Abschluss des äusseren Lichtes wahrzunehmen.

Sehen wir z. B. von einem erleuchteten Orte aus durch die geOffiiete Thttr in ein finsteres Zimmer hinein, so bemerken wir, dass der von der Thflröffiiung begrenzte dunkl» Baum durchaus nicht absolut lichtlos ist Wir sehen daselbst, und zwar im ganzen Bereiche des Gesichts- feldes, ein unausgesetztes „Eriebeln und Wiebeln", nicht einen Moment herrscht an derselben Stelle eine voll- konmiene Buhe. Je länger wir hinschauen und je mehr wir unsere Aufinerksamkeit der Sache zuwenden, desto deutlicher und stärker tritt das Eigenlicht hervor. Bald mochte man es einen äusserst sanft phosphorescirenden Staub nennen, der nach den verschiedensten Sichtungen in nicht genau zu verfolgenden Bahnen durcheinander strOmt, bald würde man wiederum das Aussehen als ein ansserordenilich zart und fein marmorirtes bezeichnen, dessen Muster jedoch durch Auftauchen und Wiederver- schwinden von lichten und lichtlosen Theilchen in jedem Augenblicke sich anders gestaltet.

198 ^' ^* MayerhanseiL

Dazwischen erscheinen bei manchen Mensdiea oft hier und da BruchstQcke der von mir*) als sabjeoüye Wahrnehmung des Easerverlaufe in der NervenfiBMer&chicht der Retina beschriebenen Figur.

Ganz ebenso zeigen sich diese Erscheinungen des Eigenlichtes beim Blick auf irgend eine beliebige dunkle Flftche. Je heller diese letztere gew&hlt wird, desto weniger Bestimmtes l&sst sich unterscheiden, so dass bei einer gewissen Helligkeit sich nur noch eine eigenthflin- liohe Unruhe im Gesichtsfelde geltend macht, ohne dass man jedoch von dem fortwährenden Wechsel zwischen helleren und dunkleren Stellen und Punkten sich no<di deutlich Rechenschaft geben konnte.

Es wird uns übrigens dies nicht verwundern, wenn wir bedenken, dass das Eigenlicht der Netzhaut ja nur von sehr schwacher Intensität isL Beiläufig sei bemerkt, dass die Stärke desselben vonYolkmann**) nach seinen Versuchen angegeben wird als gleich der Helligkeit einer schwarzen Sammetfläche, beleuchtet durch eine Stearin* kerze in 9 Fuss Entfernung; Aubert ***) bestimmte die- selbe im lichüosen Baume als gleich der Helligkeit, welche ein weisses Papier hat, wenn es von der H&Ifte der Licht- stärke der Venus zur Zeit ihres höchsten Glanzes be- leuchtet wird.

um sich nun von der Richtigkeit meiner Erklärung der in Rede stehenden Erscheinung zu überzeugen, wählt man am besten eine nicht sehr helle Beleuchtung also entweder eine künstlich herabgesetzte oder einfiudi die Dämmerung, da, wie bekannt^ bei geringerer HeUe das Eigenlicht besser sichtbar ist Wir brauchen uns

*) lieber eine eigenthttmliche Erscheinnngsform des Eigen- lichtes der Netzhaut, nebst Bemerkung über die Gleiehgewiclits- läge der Bolbi im wachen Zustande ; im Archiv f. Augenheük« Bd. Xm, pag. 77.

**) cftr. Helmholtz, Physiolog. Optik, pag. 818. ***) In Graefe-Saemisch, Handb. Bd« IL pag. 486u

Ueber eine subjectiye Erscheinung etc. 199

auch gar keiner speciell ad hoc hergerichteten Apparate zu bedienen, sondern können jeden beliebigen Gegenstand mit scharfem Contonr benützen.

Betiachten wir also bei genügend verminderter Be- leuchtung z. B. an irgend einem im Zimmer befindlichen Möbelstücke eine Kante, in welcher verschieden helle Flächen zusammenstossen, aus einer Entfernung von bei- Vko&g 2 bis 3 Meter, so werden wir zunächst sehr schön bemerken, wie diese Kante fortwährend in der besprochenen Weise ihr Aussehen ändert, und zwar ist das Entstehen aller dieser Verwandlungen auf das deutlichste zu verfolgen. Ausserdem aber, wenn wir nun recht genau zusehen, ge- wahren wir zu gleicher Zeit im ganzen übrigen (Gesichts- felde sowohl, als auch speciell in der ganzen Ausdehnung der Kante, welche die Grenze zwischen der dunkleren und helleren Fläche bildet, die beschriebenen fortwährenden örtlichen Intensitätsschwankongen des Eigenlichtes, und es gehört keine grosse üebnng in der Beobachtung dazu, um sich zur Genüge davon zu überzeugen, dass diese Kante in allen ihren Theilen auch genau entsprechend diesen Schwankungen des Eigenlichtes continuirlich in der bekannten Weise eme Veränderung ihres Aussehens erfährt

Ich möchte hier nochmals darauf aufmerksam machen, dass je länger man die Betrachtung fortsetzt und je mehr man seine Aufmerksamkeit auf dieselbe richtet, die Erscheinung in ihrem ganzen Zu- sammenhange desto klarer und deutlicher sich präsentirt. *)

*) "Wird der Verdnch in einem nur von dem ganz matten Scheine einer Lampe möglichst wenig erhellten Zimmer vor- genommen, jmd als Yersnchsobject ein 1 bis 2 Cm. breiter weisser Streifen auf dnnklem Grunde (oder umgekehrt) in beiläufig 2 oder 3 Meter betrachtet, so sieht man zuerst sehr schOn, wie nur die Ränder des Streifens (also die Grenzen zwischen Hell und Dunkel) diese Yeränderung zeigen, bei längerem Hinblicken aber wird das

200 I^r. G. Mayerhausen.

Genau dasselbe sieht man natörlich auch an jedem anderen Contour, an jedem scharfen Bande, jedem Stabe, event. einem aus solchen bestehenden Gitter, an jedem Striche resp. einer aus solchen zusammengesetzten Zeichnung.

Dass wir in einer gewissen Entfernung die Erscheinung besser wahrnehmen, als in unmittelbarer Nähe, hat darin seinen Grund, dass uns eben jede subjective Gesichts- erscheinung bei Fixation auf eine weitere Distanz in allen ihren Einzelheiten grösser und daher auch deutlicher erscheint

Wenn wir den Versuch mit parallelen Liniengruppen anstellen, so werden wir natürlich fbr den Fall, dass die- selben sehr fein gewählt werden, dieselben näher halten müssen als stärkere, da unsere Sehschärfe uns nicht ge- stattet, in grösserer Entfernung die Linien als einzelne zu differenziren, wir also dann auch ihre einzelnen Gon- touren nicht mehr unterscheiden. Da wir dann die Beobachtung aus viel grösserer Nähe machen müssen, präsentiren sich aus dem eben angeführten Grunde die Details der Erscheinung natürlich auch in viel kleinerem Maassstabe, und vor allen Dingen ist es der fortwährende Wechsel im Aussehen der Ck>ntouren, welcher dann selbst bei grösster Aufmerksamkeit, wenn überhaupt noch mit Sicherheit, so doch nur ausserordentlich schwierig zu erkennen ist.

Nach allen diesen Auseinandersetzungen drängt sich unwillkürlich die Frage auf: Sind nicht vielleicht alle diese Erscheinungen, wenigstens im Grunde genommen, identisch? und sollte sich nicht für dieselben, wenn auch vielleicht mit Modificationen, dieselbe Erklärung geben lassen?

München, Februar 1884.

Eigenlicht im ganzen Gesichtsfelde so aosserordentlich stark sicht- bar, dass es das Bild des Streifens vollkommen „überwncbert*', und dieser daher ganz verschwindet.

TJütersacliimgeiL über den Lichtsinn und den Banmsinn bei veiscMedenen Angenkiankbeiten.

Von

Dr. med. Jannik Bjerrum in Kopenhagen.

Nachdem vor einigen Jahren mein Interesse für die Ver- hältnisse des Lichtsinnes angeregt worden war, haupt- sächlich durch die Erwägungen, welche durch einen Fall veranlasst wurden, der an Dr. Edm. Hansen*s Augen- klinik von Dr. V. Krenchel beobachtet und in Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 1880 veröffentlicht wurde, be- schloss ich in einer Reihe pathologischer Fälle eine metho- dische, einigermassen allseitige Untersuchung des Licht- sinnes anzustellen.

Alle meine Untersuchungen haben an Dr. Edm. Hansen*s Augenklinik stattgefunden.

Zu diesen Untersuchungen wandte ich ausser der ge- wöhnlichen Masson'schen Scheibe eine Methode an, die mir einige Vortheile in praktischer Hinsicht darzubieten schien, nämlich die Bestimmung des Variirens der Seh- schärfe mit der Helligkeit.

Es wurde mir hierbei sofort klar, dass es nur die eine Seite der Frage ist, wenn man bestimmt, wie die Seh-

1er ftiienchisnur Vjudr^ ixe «tifa»» Sdcs ist 'iBi Tjinm li^ ^»iiia*JidC£ bei m^'^äniisr'is B^HeoeiLCaiic; plil 4er

hrpT ÜJBg^^nns ^»*™ ir«daaQL »imiiiii ^aräctL r^gjscnirie ick rneiniHi üaGasiii!iiiiiie9appflias. Bevor ick imieäSfSL «lid rgunere Dus&Lmi;

fii^hfmTi ist dafi T'!fiiiij*z^]E. ÜBtotackiedii ds Hdli^

Der TjVhtafnn wird soiKsaai ttöEs 'funefc die BestiB- amn^ ds>r Bensek^dle -:der HwiüsUhi 11b«chi^ vakr- nehmbar«! Ii'±t<^TBiiiixtät;^ tkoLs dorek der Uateräehiedsekirdle •. >ie» kkiastes ünleraekiedM zwiseba zwd objecÜTa HriHgfcBJtca). Dk Beizaehwelle kt aber dgentlich aaA ane ünteradiieds- sefaweUe: die Beizsefawdie ist ein Amsirwtk der Tendüe- denheit rwiäehen dar Enq^findimg ofaae ohjctUiea Lidit- tm (EigeDliefat der Netzhaut) und der Em^fiBdiDig bd eiliem eben wabmekmbaren licfatraz.

Dareh phjsiologisdie Yersodie ist bdunttidi dar- gedian, dass der kleinste Am nahmfiimhaie Helligk«ts> nnterschied Ton der Grösse des Netzhantbildes (Sdiwinkd) und Ton der absolnten Grösse der angewandten Hellig- keiten abhängt Der HeUi^teitBonteisdiied wird snsge- drtkckt als ein Bmehtheil einer der angewandten Hellig- keiten.

Die Lichtsinnmessong wird in den ophthalmologischeD HandbQchern ziemlich stiefmütterlich behandelt. Im Hand- buch iL ges. Angenheilk. t. Gräfe nnd Sämisch werden neben einander als Mittel, den Lichtsinn zn messen, das Photometer von Förster nnd die Sdieibe von Masson

Untersnchnjigeii Aber Licht- und Kaumsinn etc. 203

genannt. Mauthner*) erwähnt wesentlich nur das Photo- meter Ton Förster, gar nicht die Masson^sche Scheibe oder überhaupt irgend eine Methode zur Bestimmung der ünterschiedsschwelle.

Beinahe der Einzige, welcher Besaltate der Licht- sinnmessong in verschiedenen pathologischen Fallen ver- öffentlicht hat, ist Förster (üeber Hemeralopie u. d. Anwend. eines Photometers im Geb. der OphthalmoL, Breslau 1857. Elin. Monatsbl f. Augenheilk. 1871, Sitsongsbericht.). Meines Wissens liegen von verschiede- ner Seite nur einzelne kurzgefasste Bestätigungen dos Förster'schen Befundes vor, dagegen keine detaillirten Veröffentlichungen selbstständiger Besultate. Nur der genannte, von Kreuch el veröffentlichte Fall hatte ein besonderes Lateresse; er zeigte nämlich eine im Yerhältniss zum Grade der Hemeralopie ungewöhnliche Yergrösse- rung des Fechner'schen Bruches.

Für Förster scheint „Hemeralopie*' und „Schwächung des Lichtsinnes" ganz synonym zu sein "*"*). Dio Aeusse- rungen Förster's zeigen, wie die v. HippeFs (Klin. Monatsbl. f. Aug. 1871, Sitzungsber.), dass man überhaupt den Lichtsinn für definitiv bestimmt hielt, wenn die Prü- fung mit dem Photometer vorgenommen war.

Im Handbuche von Gräfe und Sämisch werden das Photometer und die Masson*sche Scheibe neben einander genannt, als wären sie im Wesentlichen äquivalent Dieses scheint in pathologischen Arbeiten meist stillschweigend vorausgesetzt zu sein; oft sieht man Bemerkungen wie folgende: „Die Untersuchung mit der Masson'schen Scheibe zeigte etc., also war der Lichtsinn normal**, oder:

*) Vorträge aas d. Gesammtgebiete d. Augenheilk. Heft 3.

♦*) Siehe z. B. pag. 47—48 in „üeber Hemeralopie etc. Brefilau 1857"» und in „KJin. Monatsbl. f. Augenheilk. 1871, Sitzungsbericht/'

204

Dr. med. Jannik Bjermm.

„Die ünterBQchaiig mit F0ister*8 Photometer zeigte etc, also war der L. normal'*.

Betrachtet man aber die Sache a priori, so kann man sich doch sehr gut folgende Alternative vorstellen: Man kann sich die Beizschwelle des Lichtsinnes vergrOssert denken, ohne dass die ünterschiedsempfindlichkeit fbr einigermassen bedeutende Helligkeiten verändert ist, und man kann sich diese letztere verkleinert denken ohne Veränderung der Beizschwelle. Natürlich kann man sich auch sehr wohl Gombinationen beider MOglichkeitai denken.

Durch ein Schema über den Lichtsinn bei verschie- denen absoluten Helligkeiten kann dieses erläutert werden:

Das vereinfachte Schema ist nach der Tabelle in Aubert*s Physiologie der Netzhaut pag. 62*) gezeichnet Die in vertikaler fieihe angeführten Zahlen geben die bei

*) Bb finden sich bei Aubert im SchlosBe dieser und der kurz Torangehenden Tabellen ein Paar Lapsus calami.

Untersuchungen über Licht- und Raumsinn etc. 205

Aubert's Versuchen angewandten absoluten Helligkeiten an; als Einheit ist die Beleuchtung, bei welcher ein Schat- ten auf einer weissen Fläche eben wahrgenommen werden konnte, also die Reizschwelle, gesetzt. Die höchste der angewandten Helligkeiten ist ungeMr der Helligkeit eines weissen Papiers bei ziemlich schwacher Tagesbeleuchtung im Hintergründe einer Stube gleich, ungefähr der Hei* ligkeit eines weissen Papiers, von einer Stearinkerze in einer Entfernung von 20 Centimetem beleuchtet, gleich. Um die Sache nicht zu complidren, wird von den Ver- hältnissen bei grösseren Helligkeiten, bei welchen wieder eine Abnahme der Feinheit des Lichtsinnes eintritt, ab- gesehen. — Die horizontale Zahlenreihe giebt die bei Aubert*s Versuchen gefundenen kleinsten wahrnehmbaren Helligkeitsnnterschiede an.

Der Helligkeitsunterschied, welcher dem Punkte der Beizschwelle entsprechend gesetzt werden muss, bleibt beim Versuche unbestimmt; die Helligkeit des Schattens ist ja nur snbjectiv (Eigenlicht der Netzhaut). Es ist darum hier nur > V9 gesetzt; i^^ nämlich die Grösse des unmittelbar vorangehenden, bei minimalen Helligkeiten gefundenen Helligkeitsunterschiedes.

Die Linie ÜB stellt den normalen Lichtsinn dar. NatörUch soll sie nicht eben durch ihre Form das Ver- hältniss des Lichtsinnes bei verschiedenen absoluten Hel- ligkeiten darstellen. Das ganze Schema müsste ja in solchem Falle eme ganz andere Anordnung haben.

Dnrcb das Photometer von Förster sucht man die Lage des Punktes B zu bestimmen. Durch die weisse Mas8on*sche Scheibe, bei gewöhnlichem Tageslicht ange- wandt, sucht man die Lage des Punktes ü. Es ist nun sehr denkbar, dass U seine Lage ändern kann, z. B. bis zu US ohne dass B seine Lage ändert. In solchem Falle wird aber das Photometer von Förster nichts abnormes nachweisen, und doch ist der Lichtsinn wahrlich nicht

206 ^' i&^d- Jannik Bjermm.

normal. Im umgekehrten Falle, wenn die Lage von B, z. B. bis zn B\ sich ändert, wird die Masson^sche Scheibe bei gewöhnlichem Tageslicht nichts abnormes nachweisen, wohl aber wird sich letzteres bei der PhotometerprOfong

Natürlich ist es auch sehr denkbar, dass sowohl B als ü ihre Lage in merkbarer Weise ändern.

Ob die Linie, welche im gegebenen Falle die Punkte B und ü^ oder W und U verbinden, wie am Sdiema ge- zeichnet, sich sofort von der Normallinie entfernt, kann man natürlich nicht wissen. Sie könnte ja möglicherweise im Anfange mit der Normallinie congruiren und erst später von dieser sich entfernen, um die Sache nicht zu sehr zu compliciren, werde ich die hier vorhandenen theo- retischen Möglichkeiten nicht besprechen. Das Gesäte enthält auch wohl im Wesentlichen die Oesichtspunkte, welche factisch von Bedeutung sind.

Hieraus folgt:

1. Es genügt a priori nicht, den Lichtsinn nach einem Principe wie dem des Förster*schen Photometers zu unter- suchen, und 2. es genügt auch nicht, den Lichtsinn bei gewöhnlichem Tageslicht durch die Masson*sche Sdieibe zu untersuchen.

Meine Untersuchungen von pathologischen Fällen zei- gen nun a posteriori dasselbe* Sie zeigen, dass der Lichtsinn nach jeder der genannten Richtungen allein oder beinahe allein afficirt werden kann, dass also nothwendiger Weise nach beiden Sichtungen untersucht werden muss.

Ich gehe jetzt zu der kurzgefassten*) Beschreibong meines üntersuchungsapparates über. Der Apparat war folgender:

^ Das Genauere findet sich in meiner Abhandlnng: «Under- sögelser over formsans og lyssans i forskjellige öjev-

Untersnchiiiigeii über Licht- und Raamsinn etc. 207

Ausser einer gewöhnlichen Snellen'schen Tafel zur Bestimmung der Sehschärfe 4 andere ganz ähnliche Tafeln, welche dieselben Nummern von Buchstaben trugen, aber statt schwarzer Buchstaben graue von verschiedener Nuance. Jede Tafel fSr sich hatte alle ihre Buchstaben von der- selben grauen Nuance. Die Helligkeit der schwarzen Buchstaben an Tafel No. I im Verhältniss zur Helligkeit des weissen Orundes kann in diesem Zusammenhange, ohne irgend welchen wesentlichen Fehler gleich 0 gesetzt wer- den; — die Helligkeit der Buchstaben an Tafel II. war, die Helligkeit des weissen Orundes ^ 1 gesetzt, ungefähr 0,6, (genauer 0,58); die Helligkeit der Buchstaben an Tafel in. im Verhältniss zu der des weissen Grundes = 0,7 (genauer 0,71); an Tafel IV. = 0,8 (gen. 0,79); ; an Tafel V. = 0,9 (gen. 0,91). Die HeUigkeits- unter schiede zwischen Buchstaben und Grund waren also fdr die 5 Tafeln beziehungsweise ungeMr: 1, V^o*

V^o, Vio, Vio.

Für jede dieser Tafeln untersuchte ich die Sehschärfe der Patienten, erstens bei Tageslicht, zweitens bei herabgesetzter Beleuchtung von verschiedenem Grade.*) Die geringste, hierbei angewandte Beleuchtung war eine solche, bei welcher ich fQr gewöhnliche Snellen- sche schwarze Buchstaben (Tafel I.) eine Sehschärfe V^ bis V1B9 selten Vse hatte; meine S bei guter Tagesbeleuch- tung ist < Vs. Im Ganzen wurde bei den geringen Be- leuchtungsgraden, wo das Fenster durch Gardinen etc. ganz verdeckt war, meine Sehschärfe als Maass für die Beleuchtung genommen. Bei den höheren Beleuchtungs-> graden dagegen wurde die Beleuchtung an der Stelle der

Bygdomme. Kjöbenhavn 1882." Hier findet man aach alle zu dieser Untersuchung gehörigen Tabellen und Kranken- geschichten.

*) Ich weise hier auf die am Schiasse dieser Abhandlang befindlichen Tabellen hin. Man wird nun diese leicht verstehen.

^itef>

'ifc ji IL ^-^ \rr > -L=- ^T.\' -r^ - jjir tt ns »JEftL

T*?rx: 71 an tii* txriL :da I j£>^ T~ia fer t;23Ui iiiitin lua. triir jsiiir :eL *x!ai üet

jor/it «fen^Ib^n i^rbeinbareii Helli^eEt ecdiieBai, gondit Auf 4;i»e Webe hat schon z. R Aabert fie Hdli^t ^/«^ v;bwanen Papieres im Tofailtniss m der tm weisaem b^timnit Di^;S6 Bestünmmig Hsst skk bei soigftttiger VnVgnnchung mit recht giosaer Genaui^at

1)30 nächste Ziel meiner üntersndmngen ist deno also Folgendes: Bei verschiedener Belenchtnng nnd verschiedenem Helligkeitsnnterschiede die Seh- schärfe für Buchstaben zu messen. Diese Messung s^^heint mir einen recht praktischen Charakter zu haben.

TJiitersiichiuigen über Licht- nnd Raamsinn etc. 209

Es ist einleuchtend, dass es von grosser praktischer Be- dentong ist, ob man bei einer gewissen Beleuchtung oder einem gewissen Helligkeitsunterschiede S ^7«o oder V«o

oder V«o oder _ hat. Es ist ferner klar, dass die ganze

Untersuchung von wesentlich demselben Charakter wie die gewöhnliche Sehschärfenprüfung ist, im Wesentlichen mit derselben Genauigkeit muss gemacht werden können, und diese Prüfung ist ja eine sehr praktische üntersuchungs- methode.

WoUte man mich fragen, warum ich gerade die an- gewandten Helligkeitsunterschiede und nicht andere ge- wählt habe, so kann ich nur antworten, dass ich unter den zu meiner Disposition stehenden grauen Papiersorten die passendsten aussuchte. Da etwas Neues versucht wer- den sollte, so schien es mir, dass das Ergebniss in jedem Falle von einigem Interesse sein würde, wenn sich viel- leicht auch zeigen sollte, dass die Objecto in der genannten Beziehung nicht besonders glücklich gewählt waren. Ich musste hier ganz versuchsweise verfahren, um mich später vielleicht von den erreichten Besultaten leiten zu lassen.

Allgemeine Würdigung des Werthes meiner Baum- sinnbestimmungen rücksichtlich der Beurtheilung des Lichtsinnes bei den untersuchten.

Es kann wohl kaum bezweifelt werden, dass es ein Leiden des Lichtsinnes anzeigt, wenn die Sehschärfe bei abnehmender Beleuchtung in unverhältnissmässigem Grade abnimmt. Welcher Grad ist aber ein unverhältnissmässi- ger? Mauthner*) sagt ganz kurz und ohne Motivirung, dass L (Lichtsinn) normal ist, wenn die Sehschärfe bei

*) Vorträge aus dem Qesammtgebiete der Augenheilkunde. Heft in, pag. 153.

T. OrMf«*t Arehly für OphthAlmologla, ZXX. 2. 14

210 ^' ^^' Jannik Bjermm.

einem Individuom mit herabgesetzter S"*") proportional zu der eines Normalen abnimmt, nnd dass L herab- gesetzt ist, wenn die Abnahme der S eines Patienten dis- proportional zu der Abnahme der S eines Normalen ist Dieser Satz des scharfsinnigen Wiener Ophthalmologen ist gewiss nicht ganz wohlbedacht. Ich weiss nicht, warum Mauthner ihn fOr richtig hält; a priori giebt es daf&r kernen Grund, und meine Untersuchungen stellen ihn mit Sicherheit als unrichtig heraus. Die Sicht^keit eines solchen Satzes kann natürlich nur empirisch entschieden werden.

Welcher Grad ist denn ein uuverhSltnissmässiger?

Wenn zwei Individuen dieselbe und normale S bti derselben Tagesbeleuchtung haben, dann ist die Sache hin- länglich klar. Nimmt die S des Einen bei abnehmender Beleuchtung bedeutend stärker als die des Anderen ab, dann muss angenommen werden, dass Jener einen gerin- geren Lichtsinn als Dieser hat. Bei Normalen findet sich eine grosse Begelmässigkeit in der Abnahme der Seh- schärfe; dies ergiebt sich sowohl aus den Untersuchungeo von Normalen, welche ich selbst, als aus denen, welche Andere gemacht haben. Physiologische Variationen haben daher keine wesentliche Bedeutung. Selbstverständlich darf auf kleine Unterschiede kein Gewicht gelegt werden: die Sehschärfebestimmung ist ja wie jedem Praktiker bekannt keine so exacte, dass kleine Verschiedenheiten hier irgend eine Bedeutung haben.

Bei herabgesetzter Sehschärfe würde die Sache ebenso einfach liegen, wenn man wüsste, wie die Sehschärfe bei sinkender Beleuchtung bei Individuen sich verhält, welche normalen Lichtsinn und bei Tageslicht verschiedene Grade von Herabsetzung der S haben. Jedes Individuum mit

*) Wenn nichts Anderes gesagt wird, verstehe ich natttriich hierunter die Sehschärfe für schwarze Buchstahen bei allgemeiner Tageslieile.

üntersachangen über Licht- und Ranmainn etc. 211

herabgesetztem Baumsinne (S) könnte dann mit dem nnter jenen Individuen, welches denselben Raumsinn bei Tageslicht hätte, verglichen werden. Eine Abnahme des Baumsinnes bei sinkender Beleuchtung, welche stärker bei jenem als bei diesem war, würde dann eine Herabsetzung des Lichtsinnes nachweisen. Es liegen aber keine Unter- suchungen vor, aus welchen eine solche Eenntniss sich ergiebt.

Ich habe nun auf folgende Weise den Lichtsinn der verschiedenen Amblyopien durch die Untersuchung ihrer S bei herabgesetzter Beleuchtung zu beurtheilen gesucht:

Ich habe eine Beihe von Individuen mit in verschie- denem Orade herabgesetzter S untersucht. Von diesen Individuen habe ich dann immer diejenigen unter einander verglichen, welche dieselbe S bei derselben allgemeinen Tagesbeleuchtung hatten. Wenn ich hierdurch finde, dass die S bei einigen Amblyopen bedeutend stärker als bei anderen, deren Amblyopie desselben Grades ist, abnimmt, 80 dürfte der Schluss gerechtfertigt sein, dass die ersten einen herabgesetzten Lichtsinn haben, denn man wird doch kaum annehmen, dass die anderen einen vergrOsserten Lichtsinn haben (z. B. bei atrophia n. opt., amblyop. congen.).

Die Amblyopien, bei welchen ich auf diese Weise den Lichtsinn (im Vergleich mit anderen Amblyopien) herab- gesetzt gefunden habe, rühren vorzugsweise von chorioido- retinitischen Processen her, z. B. retinitis pigmentosa, chorioidoretin. syphil., chorioid. dissemin. Dieses Besultat stimmt also mit dem von Förster durch das Photometer gefundenen überein. Ich habe zwar nicht eine Zahl als directen Ausdruck für den Lichtsinn gesucht wie er; meine Bestimmung ist eine Sehschärfebestimmung und giebt als solche keine Zahl als unmittelbares Maass für den Lichtsinn. Es findet sich aber eine Gleichheit zwischen der Untersuchung von Förster und der meinigen; auch

14*

212 I>r. med. Jannik Bjerrom.

Förster verlangt nämlich das Erkennen eines Distinctions- winkeis, er sucht die geringste Beleuchtung, wobei Objecte, zu deren Distinction S V^so nOthig ist, eben unterschieden werden. Bei der geringsten Beleuchtung, welche ich an- wenden konnte, hatte mi Normaler in der Begel S ^n oder Vi>9 selten nur Vse. FOrster wendet somit eine recht bedeutend niedrigere Beleuchtung an als ich. -^ Wenn ich also meine Amblyopien dem Grade ihrer S nach in Klassen theile dergestalt, dass in jeder Klasse für sich die S bei allgemeiner Tagesbeleuchtung dieselbe ist (Variationen der allgemeinen Tagesbeleuchtung, welche nicht bedeutend sind, haben erfahrungsmftssig auf die S keinen oder unbedeutenden Einfluss), dann kann ich vor- aussetzen: dass diejenigen Individuen jeder Klasse, bei welchen S bei geringer Beleuchtung bedeutend mehr als bei den andern derselben Klasse herabgesetzt ist, herab- gesetzten Lichtsinn haben. In Betreff dieser Ande- ren, welche in jeder Klasse die beste S bei geringer Be- leuchtung haben, ist es natürlich sehr wohl möglich, dass mehrere derselben bei weiterer Schwächung der Beleuch- tung, z. B. bei Anwendung des Photometers von FOrster, den Lichtsinn auch herabgesetzt zeigen mögen. Ich werde aber zu diesen Fallen später zurückkommen. Bei jenen eben erwähnten Fällen, wo die Sehschärfe in unverhUt- nissmässigem Qrade mit der Beleuchtung abnahm, wurde bei Anwendung des Photometers von Förster eine stärkere Beleuchtung als bei den übrigen unzweifelhaft nothwendig gewesen sein, um eine gewisse minimale S (Vieo) zu er- reichen. Da man aber mit Recht annehmen kann, dass die Beizschwelle in Fällen, wo das Photometer von Förster positives Besultat giebt, vergrössert ist, so muss auch bei diesen Individuen die Reizschwelle vergrössert sein. Wenn zwei Individuen wie No. 39 und No. 16 (siehe unten unter den Tabellen) bei allgemeiner Tagesbeleuch- tung S Vis haben, und wenn das eine bei einer geringen

üntennchiiiigeii über Licht- und Raomsiim etc. 213

Beleuchtung, bei welcher ich S > Vis habe, S ^u hat, während das andere bei einer Beleuchtung, bei welcher ich S < Vis habe, sogar nur S <? V«o hat» dann ist anzu- nehmen, dass das letzte bei weiter abnehmender Beleuch- tung den Punkt, wo überhaupt nichts gesehen wird (Reiz- schwelle), Yor dem ersten erreichen wird. In einzelnen meiner Fälle zeigte sich diese Erscheinung schon bei der Schwächung der Beleuchtung, welche ich herzustellen ver- mag; hier liegt es also auf der Hand, dass die Beizschwelle sehr bedeutend erhöht ist.

Dass die Amblyopien, welche ich bei einer in gewissem nicht extremen Grade geschwächten Beleuchtung untersucht habe, einen sehr verschiedenen Baumsinn bei dieser Beleuchtung gezeigt haben, wenn sie auch bei all- gemeiner Tagesbeleuchtung ganz gleichen Baumsinn hatten, ist gewiss nichts anders, als man erwarten musste; He- meralopie ist ja ein wohlbekanntes Symptom. Es liegt aber so viel ich weiss in der Litteratur keine de- taillirte Untersuchung der Abnahme der Sehschärfe mit der Beleuchtung bei den verschiedenen Amblyopien vor, abgesehen von einem oder zwei Fällen von Chorioiditis'*') und abgesehen von den Förster*schen Bestimmungen der schwächsten Beleuchtung, bei welcher einige grosse Objecto eben unterschieden werden.

Zu den Individuen, welche in jeder Klasse die beste S bei herabgesetzter Beleuchtung hatten^ gehören u. A. die- jenigen, bei welchen die Amblyopie künstlich hervor- gebracht war, sei es durch optische Mittel Convex- gläser sei es durch nicht corrigirte myopische ßefrac- tion. Bei solchen Individuen ist also die Erregbarkeit und Function der Nervenelemente im Ganzen normal; durch die Zerstreuungskreise ist aber der Raumsinn herabgesetzt.

*) Carp, Ueber die Abnahme der Sehschärfe bei abnehmen- der Beleuchtung. Harburg, 1876.

214 ^^' ^^^ Jannik Bjerram.

Ich finde nun was man übrigens a priori schliessen konnte, weil gleich grosse Zerstreanngskreise die Einzeln- heiten eines Bildes um so weniger auslöschen, je grosser das Bild, ceteris paribus, ist"*"), ich finde also, dass die Sehschärfe dieser „optischen Amblyopien*' and die normaler Individuen um so weniger verschieden sind, je schwächer die Beleuchtung ist. Bei der Herabsetzung der Beleuchtung, welche ich hervorzubringen vermochte, konnte ein Punkt erreicht werden, wo entweder kein wesentlicher oder nur ein geringer Unterschied zwischen ihrer S und der meinigen sich ÜAnd, während doch ihre S bei allge- meiner Tagesbeleuchtung einige oder viele Male kleiner als die meinige war. Es kann wohl kaum bezweifelt wer- den, dass von diesem Punkte aus ihre S und die des Normalen bei weiter abnehmender Beleuchtung im Wesent- lichen gleich bleiben. Da Lichtsinnproben bei solchen Individuen eine Herabsetzung des Lichtsinnes selbstver- ständlich nur zeigen können, insofern der Baumsinn das Besultat der Prüfung beeinflusst hat, so muss eine Licht- sinnprüfung bei einer Beleuchtung, bei welcher der Raum- sinn factisch keine Herabsetzung im Vergleich mit dem des Normalen zeigt, offenbar dasselbe Besultat wie bei dem Normalen ergeben. Solche Individuen werden sich daher bei der Pbotometerprüfung gewiss wie Normale verhalten.

'*') Die Grösse der Zerstrenongskreise bleibt nim freilicli bei verschiedener Beleuchtung nicht constant; sie wird ceteris paribus bei herabgesetzter Beleuchtung grösser in genauem Verhältniss zu der bei abnehmender Beleuchtung zunehmenden Grösse der Pupille. Der Durchmesser meiner Pupille, wenn ich am Fenster stehend das Gesicht gegen die Sehsch&rfetafel im Hintergrunde des Zimmers wende, ist ungefähr 5 Mm. (Charrite No. 15 bis 16); wird das Auge durch eine Hand genau verdeckt, so ist der Durchmesser der Pupille höchstens 7 Mm. (Charriöie No. 20 bis 21). Dieses Verhältniss der Zerstreuungskreise wird an und für sich die 8 bei geringer Beleuchtung im Vergleich mit der S bei besserer Beleuchtung vermindern (siehe unten).

Untersuchungen über Lich^ und Kaumsinn etc. 215

Es giebt nun einen, a priori sehr berechtigten, Ein- wand gegen die Anwendung, welche man vom Förster- schen Photometer gemacht hat, der Einwand nämlich, dass man ohne weiteres Individuen mit sehr verschiedenem Baumsinn verglichen hat: Ein Individuum mit S zeigt bei der Photometerprüfung eine herabgesetzte Fähigkeit ina Vergleich mit den Individuen, deren S = 1* oder > 1 ist. Bedeutet diese herabgesetzte Fähigkeit eine Herab- setzung seines Lichstinnes? Oder hat sie vielleicht ihre Ursache allein in der geringeren Sehschärfe? und wenn ein Individuum mit S <><ier einer noch geringeren S dieselbe Fähigkeit dem Photometer gegenüber wie ein Normaler zeigt, wie soll dies dann aufgefasst werden? Es liesse sich im letzteren Falle selbst eine YergrOsse- rong des Lichtsinnes bei ihm denken; jedenfalls stellt Mauthner*) der auf diese Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, aber dieselben nicht zu beseitigen gesucht hat dies als eine „nicht zu gewagte'' Consequenz hin.

Wenn sich aber bei meinen Sehschärfebestimmungen zeigt, dass manche Amblyopien rücksichtlich des Baum- sinnes bei herabgesetzter Beleuchtung ganz wie die ge- nannten „optischen Amblyopien" sich verhalten, dass sie also bei der Herabsetzung der Beleuchtung, welche ich hervorbringen kann, denselben oder beinahe denselben Baumsinn wie ein Normaler erlangen, so scheint hieraus folgendes geschlossen werden zu können:

1. Insofern eine Lichtsinnprüfung wie die Förster'sche, die bei minimaler Beleuchtung gemacht wird, bei solchen Individuen ein positives Besultat ergiebt, eine verminderte Fähigkeit im Vergleich mit der des Normalen zeigt, kann dies mit Becht als eine Herabsetzung des Licht- sinnes gedeutet werden ; denn insofern ihr Baumsinn schon

*) Vorträge aus dem üesammtgebiete der Augenheilkunde. Heft in, pag. 150 u. ff.

216 ^' ^^ Jannik Bjemun.

bei weniger herabgesetzter Beleachtong beinahe eben so gnt als der des Normalen ist, kann nicht angenommen werden, dass die Affection des Banmsinnes an nnd fftr sich ihre Leistung dem Photometer g^enüber yennin- dem wird.

2. Insofern die Lichtsinnmessnng nach Förster ein negatives Besnltat ergiebt, also dieselbe F&higkeit bei ihnen wie bei Normalen zeigt, so liegt kein Qmnd Tor, anzu- nehmen — was wohl übrigens auch a priori ganz unwahr* scheinlich war , dass ein erhöhter lichtsinn bei ihnen sich finde, ebenso wenig wie eine solche Annahme bei den oben genannten „optischen Amblyopien*' möglich ist

Das genannte Verhalten der Amblyopien scheint im Ganzen zu zeigen, dass überhaupt eine Herabsetzung des Baumsinnes an und für sich desto weniger hervortritt, je geringer die Beleuchtung ist Wenn man sich vorstellte, dass eine Herabsetzung des Baum* Sinnes auf einer Störung der Isolation der Nervenelemente und einem dadurch bedingten Auftreten von „nervösen Zerstreuungskreisen'' sit venia verbo beruhte, so könnte man a priori sagen, dass ein solches Yerhaltoi stattfinden musste, eben wie man dasselbe a priori be- haupten konnte, wenn die Herabsetzung des Baumsinnes auf einer Störung der „optischen Isolation", auf dem Auf- treten von optischen Zerstreuungskreisen beruhte.

Mauthner hat den erwähnten, a priori vollständig correcten Einwand gegen die Anwendung des Photometera bei directem Vergleich von Individuen mit verschiedener S hervorgehoben; trotzdem versuchte er eigentlich nicht, dem- selben ihre Bedeutung abzusprechen, sondern schloss mit der für den Leser fast überraschenden Bemerkung, dass das Photometer doch ein sehr brauchbares Instrument sei Dem Vorstehenden nach kann man mit Becht behaupten, dass der erwähnte Einwand innerhalb ziemlich weiter Grenzen keine wesentliche Bedeutung erhält, und^ das

Untenuchongen Aber Licht- und Raumsinn etc. 217

Photometer ist insofern um so viel mehr als sehr branch- bar anzusehen.

Zwischen der Lage der Beizschwelle bei normalen Individuen und bei „optischen" Amblyopien, wo die Ver- ringerung des Baumsinnes nicht bedeutender ist, als dass sie bei einer gewissen Beleuchtung denselben Baumsinn darbieten wie ein Normaler, und wo ja die Erregbarkeit der Nervenelemente die natürliche ist darf man keinen Unterschied annehmen*); dagegen kann natürlich die Beiz- schwelle bei anderen Amblyopischen, welche innerhalb jeder Klasse die beste S erreichen, selbst wenn sie bei einer gewissen Beleuchtung dieselbe S wie das normale Auge erlangen, nach oben verschoben sein.**) Allein Eins darf wie vorhin erwähnt als unzweifelhaft an- genommen werden, dass nämlich die Beizschwelle niedriger liegt, als bei Individuen, welche bei der nämlichen S bei Tageslicht eine bedeutend schwächere S bei verminderter Beleuchtung hatten. Es ist jedoch keineswegs unwahr- scheinlich, anzunehmen, dass dieselbe in einigen der er- wähnten Fälle dieselbe Lage haben kann, wie bei Nor- malen, besonders wenn man erwägt, dass Förster***) in

*) Doch mass vorausgesetzt werden, dass die Probe mit An- wendung eines nicht za kleinen Sehwinkels gemacht wird. Bei Anwendung von punktförmigen Objecten •— z. B. Sternen gilt das Erwähnte vielleicht nicht; denn dann wird ein einzelnes Nervenelement in dem refiractionell unrichtig eingestellten Auge von einer bedeutend geringeren Lichtmenge getroffen werden, als in dem richtig eingestellten, wo das Bild kein Zerstreuungskreis, sondern annäherungsweise ein Punkt ist. Werden grössere Seh- winkel angewendet, so wird dagegen das Bildgebiet in dem un- richtig eingestellten Auge bis auf die Bandpartie fast ebenso stark beleuchtet wie in dem richtig eingestellten.

**) Beiläufig möchte ich doch bemerken, dass keine hemera- lopiflchen Klagen Seitens Deijenigen laut wurden, die bei meiner Untersuchung keine Hemeralopie zeigten.

*^) Klin. Monatsbl. f. Augenheilk. 1871, Sitzungsbericht, cfr. No. 1, 6 und 7 der Tabelle (Neurit optica, Atrophia n. opt., Am- blyopia ex abusu spirit. et tabaci).

218 I>r. med. Jannik Bjemmi.

verschiedenen Fällen (und wie es scheint, auch Manthner L c. pag. 150) bei den gleichen Arten von Amblyopie, welche bei meinen üntersuchnngen bei herabgesetzter Be- leuchtung die besten Resultate gaben, mit Hilfe des Photo- meters, keinerlei Störung des Liditsinnes gefunden habes. An dieser Stelle möchte es zweckmässig sein, ein Paar Methoden, den Lichtsinn durch den Einfluss der Be- leuchtung auf die S zu messen, nämlich die Methoden von Weber und von v. Hippel, zu erwähnen:

A. Weber*) wendet als Lichtquelle ein im Fensterladen ausgeschnittenes Quadrat an. Um die Beleuchtung za schwächen, werden lichtabsorbirende Gläser benutzt, deren Absorptionsfähigkeit bestimmt ist. Die leuchtende Fläche ist 1 Qu.-Fu8s gross; die Objecto sind gewöhnliche Snellen'sche Buchstaben. Was er hierdurch zu finden beabsichtigt, ist nicht die Abnahme der Sehschärfe bei abnehmender Beleuch- tung, — er will vielmehr die geringste Beleuchtung finden, die erforderlich ist, damit das betreffende Lidividuum die zuvor bei Tageslicht bestimmte volle S erreicht. Dadurch glaubt er die von ihm beabsichtigte Messung des Lichtsinnes auszu- führen. Die geringste Beleuchtung, welche ein normales Li- dividuum zu dem erwähnten Zwecke nöthig hat, wird = 1 gesetzt. Dasselbe bezweckt v. Hippel**) durch einen in anderer Weise construirten Apparat.

Beide Verfahren haben pathologische Zwecke vor Augen. Das Wesentliche in v. Hippel's Apparat ist Fol- gendes: In einer dünnen undurchsichtigen Platte sind Aus- schnitte in der Form von Snellen'schen Buchstaben gemacht Diese werden mit Milchglasplatten bedeckt, welche bei durch- fallendem Liebte leuchten. Wenn der Apparat in einem dun- keln Zimmer angebracht wird^ sieht man alsdann die leuch- tenden Buchstaben auf vollständig dunklem Grunde. Durch Anwendung einer verschiedenen Anzahl von Milchglasplatten konnte man mehr oder weniger von dem durchfallenden Lichte absorbiren und die Buchstaben dadurch mehr oder minder

*) Klinische Monatsbl. f. Augenheilk. 1871. Sitsungsbericht **) Ebenfalls a. a. O.

XJntersachUD^en über Licht- uud Raumsinn etc. 219

leuchtend machen, v. Hippel benutzte im Ganzen 6 Milch- glasplatten.

Die Untersuchung nimmt darauf folgenden Verlauf: Zuerst wird S in gewöhnlicher Weise bei Tageslicht geprüft. Darauf 10 Minuten Aufenthalt im dunklen Zimmer, um zu adaptircn. Hierauf werden ausgeschnittene Buchstaben mit denselben Nummern, wie die bei Tageslicht erkannten kleinsten Buch- staben, vor die 6 Milchglasplatten geschoben. Bei der Unter- suchung Ton Normalen hatte er vorher gefanden, dass höch- stens 6 Platten angewendet werden könnten, wenn S sich auf derselben Stufe wie bei Tageslicht halten sollte. Erkannte nun das betreffende Individuum nicht die erwähnte Buchstaben- nummer in derselben Entfernung wie bei Tageslicht, so wurden die Glasplatten nach einander entfernt, bis die Buchstaben lesbar wurden.

V. Hippel bemerkt (1. c), dass er nicht so viele Unter- suchungen angestellt habe, dass er sich ein bestimmtes Urtheil über das Yerhältniss des Licbtsinnes bei verschiedenen Augen- krankheiten habe bilden können. Doch meint er beobachtet zu haben, dass bei Erkrankungen der Chorioidea, welche sich auf die hintersten Netzhautschichten ausdehnen, der Lichtsinn bedeutend reducirt ist. Er bemerkte: ,.Ich habe bei Atrophia nervi opt. in sehr vielen Fällen gar keinen Unterschied ge- funden im Vergleich zu dem normalen Auge, dagegen fast constant bei Erkrankungen der Chorioidea."

Keiner dieser Verfasser hat indessen so viel ich weiss irgendwelche mit ihren Apparaten vorgenommene Untersuchungen veröffentlicht. Sie beschränken sich darauf, ganz im Allgemeinen Förster's in ganz anderer Weise gefundene [Resultate zu bestätigen. Keiner von ihnen scheint sich übrigens klar gemacht zu haben, was sie mit Hülfe ihrer Untersuchungsmethode eigentlich fanden. Ihr Ziel ist bekanntlich die Bestimmung des Lichtsinnes. Sie suchen nicht einfach die Variationen der Sehschärfe bei verschiedener Helligkeit. Um den Lichtsinn zu messen, bestimmen sie also zuerst die S bei Tageslicht; darauf untersuchen« sie mit ihren Apparaten die geringste Be- leuchtung, welche erforderlich ist, damit der Betreffende

220 ^T^' med. Jannik Bjerrom.

eben noch diese Sehschärfe eiTeicht. Der Grad dieser Beleuchtung ist ihnen dann ein Ausdruck far den Licht- sinn. Die geringste Beleuchtung, welcher ein normales Auge bedarf, setzt A. Weber = 1; wenn dann ein an- deres Individuum, um dieselbe S zu erreichen, welche es bei Tageslicht hat, eine doppelt so grosse Beleachtong brauchte, wie das vorige, so muss sem Lichtsinn = ^2 sein u. s. w. Der Lichtsinn der Individuen verhalt sich umgekehrt wie die gefundenen Beleuchtungen.

Hierbei ist indessen Verschiedenes zu bemerken. Hal- ten wir uns zuerst an die Weber^sche Methode. Sein üntersuchungsapparat ist in wesentlichen Beziehungen dem meinigen analog, indem ich die Untersuchung der S mit schwarzen Buchstaben bei abnehmender Beleuchtung vor- nehme, bei beiden Methoden also Buchstaben derselben Art zur Anwendung kommen, und er nur, anstatt wie ich, die Beleuchtung im ganzen Zinmier zu vermindern, licht- absorbirende Gläser dicht vor dem Auge anbringt, was von derselben Wirkung ist, wie eine Verminderung der Beleuchtung. Wenn wir nun zuerst (I) voraussetzen, dass zwei Individuen, zwischen denen man einen Vergleich anstellt, dieselbe S bei Tageslicht haben, so muss man sich erinnern, dass (a), selbst wenn diese Beiden wirklich anfangen, ihre voUe S bei derselben Abnahme der Beleuchtung zu verlieren, dies keineswegs a priori ein Be- weis dafür ist, dass sie denselben Lichtsinn haben. Dass zwei Individuen denselben Lichtsinn haben, voll sagen, dass dieselben das nämliche Minimum der Beleuchtung oder des Beleuchtungsunterschiedes (Helligkeit oder Helligkeitsunter- schiedes) auf Flächen von derselben Grösse und Beschaffen- heit wahrnehmen können. Allein dies ist ja etwas anderes, als was Weber zu finden sucht. Freilich halte ich es für entschieden berechtigt, anzunehmen, dass, wenn S bei einem Individuum mit abnehmender HelligkeU wesentlich stärker abnimmt^ als bei einem andern, das erste Indivi-

üntersuchimgeii über Licht- und Raumsinn etc. 221

(laum dann verminderten Lichtsinn hat. Was könnte auch sonst die Ursache sein, dass der ursprünglich dem des Andern gleiche Ranmsinn stärker abnimmt? Allein der entgegengesetzte Schlnss, dass, wenn der Baumsinn bei einer gewissen, verhältnissmässig geringen Abnahme der Beleuchtung in gleichem Maasse abnimmt, oder, rich- tiger bemerkt, sich hierbei gleich lange auf demselben Punkte hält, beide Individuen dann denselben Lichtsinn haben sollen, ist^ wie gesagt, a priori nicht berechtigt, und zeigt sich ä posteriori noch weniger richtig. Ich habe nSUnlich Fälle, welche bei verminderter Beleuchtung ihre volle S nicht vor andern Individuen mit derselben S bei Tageslicht verlieren, und doch zeigen sie bei stär- kerer Verminderung der Beleuchtung im Ver- gleich mit diesen eine ausgeprägte Hemeralopie. (Siehe No. 16, recht deutlich No. 13.) Femer: (b) Er- reicht Weber durch seine Untersuchung ein positives Besultat, findet er m. a. W. einen Fall, in dem ein Indi- viduum seine volle S wesentlich früher als ein anderes mit derselben anfänglichen S verliert, so hat jener aller- dings verminderten Lichtsinn ; allein wir wissen vorläufig darüber nicht mehr, wir haben keinen unmittelbaren Zah- lenaosdruck für den Lichtsinn gefunden. Der Umstand, dass ein Individuum z. B. einer doppelt so starken Be- leuchtung bedarf, um die nämliche S zu bewahren wie ein anderes Individuum, sagt in dieser Beziehung nichts Anderes, als was unmittelbar darin liegt. Ein wirklicher Zahlenausdruck für den Lichtsinn würde sich daraus nur indirect ergeben, nämlich wenn man im Voraus bei Indi- viduen mit derselben S bei Tagesbeleuchtung, zugleich Untersuchungen mit wirklich directer Lichtmessung ange- stellt und vergleichsweise gefunden hätte, eine wie starke Verminderung des Lichtsinnes einer bestimmten Zunahme des zur Erhaltung der vollen S erforderlichen Helligkeit entspräche.

222 I>r. Mi. Jmik

(ILj Ans der sebr konen DusteUimg der Yerfiisser geht herror, dass sie bei Outer JLiehtaninprobe** sidi für berechtigt MDsAen^ IndiTidnen, deren Sdischäife bei all- gememer Probe sieh geringer aus nonnal zeigt, <dine Wei- tsns nüt IndiTidnen zn reigleichen, wdche eine normale S haben, also im Cranzcn Indifidnen zn rerg^leiebai. die one rersebiedene S haben. Hierbei zeigt sich indessen die Schwieri^eit, dass die Betinabilder, welche bei baden IndiTidnen benatzt werden, dann eine oft sdur wesent- lich rersdiiedene GrOsse haben. Der hieraas folgoide Ein- flass aaf die Bestinunnng des ,JJehtsinnes** ist onberedien- bar. Es ist hinlänglich bekannt, dass bei einem and dem- selben IndiTidanm eine weit geiingere Beleachtong and wk weit geringerer Belaichtnngsantersdiied nOthig ist, xun eine Fläche sichtbar za machen, je grosser der Sehwinkel fbr die angewandte Fläche ist. Es würde daher a priori keineswegs überraschend erscheinen, wenn ein Indindnom z. B. mit S diese seine ToUe S behielte bei öner geringeren Belenchtang, als ein normales IndividaanL dessen S = 1.*)

Wenn Weber's Art, zn rergleichen, richtig wäre, dann müsste man ja in solchem Falle annehmen, dass Jener einen besseren Lichtsinn als Dieser, mithin einen eriiöhten Lichtsinn hätte, was doch wohl nidit angeht Aach hier kann ich aaf meine Beobachtangen verweisen. Es geht aas diesen her?or, dass Individaen mit rennin- derter Sehschärfe, wie verschiedene anter den untersuchten mit S Vi8i diese ihre S behalten können bei einer

*) l>a die Retina als ein Mosaik percipirender Elemente, welche sich in theilweise isolirter Verbindung mit dem Centnl- organ befinden, betrachtet werden kann, so liegt die MOi^ehkeit ziemlich nahe, dass der Distinctionswinkel Tergruasert (die Sek- schärfe vermindert) werden kann, z. B. durch eine Störung iu dieser IsoUrung, ohne dass der Lichtsinn die Lritabüitit der Nervenelemente im entsprechenden Grade zu leiden braucht.

Untersuchungen über Licht- nnd Raumsinn etc. 223

entschieden geringeren Beleuchtung als die, wo- bei Leute mit einer grösseren oder normalen S die ihrige behalten. Von diesen Individuen kann man, wie gesagt, doch kaum annehmen, dass sie besseren Licht- sinn haben als Normale. Ein Individuum, welches wegen uncorrigirter Befractionsanomalie verminderte S hat, zeigt sich, wie oben bemerkt, mit den erw&hnten Amblyopien ganz übereinstimmend: Die Sehschärfe, welche es ohne Correction der Befractionsanomalie besitzt, behalt es bei geringerer Beleuchtung als die Sehschärfe, welche es nach der Correction dieser hat. Hier ist der Lichtsinn gewiss doch der nämliche in beiden Fällen.

Es geht hieraus klar genug hervor, dass Weheres Methode sich zur Messung des Lichtsinnes nicht eignet. Es hat keinen Sinn, ohne Weiteres Leute mit verschiede- ner S in der angestrebten Weise zu vergleichen, und hält man sich an Leute mit der nämlichen S, so ist die Me- thode doch ganz unzureichend.

Diese meine Einwendungen gegen die Weber'sche Methode können vollständig auf die v. Hippel's über- tragen werden. Inwieweit dieselbe innerhalb desselben Gebietes ebenso unzulänglich ist wie diese, kann ich nicht bestimmt behaupten, da dieselbe nicht in dem Qrade ver- gleichbar ist mit meiner Untersuchung wie die Weber'sche Methode.

Gleichwie es keine Lichtsinnmessung im eigentlichen Sinne des Wortes ist, wenn man die Sehschärfe für schwarze Objecto bei geringen oder minimalen Beleuch- tungen bestimmt, so ist es auch keine Lichtsinnmessung im eigentiichon Sinne des Wortes, wenn man bei einer gewissen unveränderten Beleuchtung, z. B. bei Tagesbe- leuchtung, die Sehschärfe für Objecto misst, deren Hellig- keit von der des Grundes, worauf sie angebracht sind, wenig verschieden ist. Wenn ich wirklich die Unterschieds-

2S4 E'Y-

AWr-T.n;es und 4e»»i XadioaipaitiaL

2«ma£Lt viri. bi^ idi «ifi^ öraze fär & Wa

dieses UBt^tseh^eds «rreiice. Wollte ick <

alä 0:,^et b«iLTi:zeiL vm da IJ^*ni?iTni im k

SeG£a{ianie «iizcct m m^siaL 50 mfkBle ick

äeiii€d zviseiiHi der HeHizkext des

aeiiHT UmzebTiEg so lan^ TermindexiL bis <

IiifÜTi'j a:im eb<rii 11:7 eikaiiieii vHrie, dass cm HeBIgfaPite-

(u^teisciii<e«l an der betrafecden Stelle ToriiiBdem ist vad

nicht nur sovdt bis es d<a B:ideiabai

Diese beiden Momente bUen wie

nicht ganz zosammen. Noch weniger ist es

liehe Messung des Liohtannes, wenn yäk bei eineni (1

einigen^ Constanten Helügkälsontersdiiedai \\

ier Belenchtimz, das Minimum des

bestimme. Dies letzte habe ich hier gethaa. indcfli idi

bei einigen« nicht minimalwi Helli^eilsimtenchiedew (mh

graoen Bih?hstaben) die Sehschärfe bestimmte.

Gleichwie wir Torhin daron aosgingai, dass eiae OK reriiältniasndssige Abnahme der Sdeddife bei ¥craiin> derter Belenchtong ein Symptom önes Lodens des \kdkXr Sinnes sein müsse, so müssen wir auch hier aanehmem dass, wenn bei migefähr gleichbleibender Bekoehtn^g die Sehschärfe bei Abnahme des Unterschiedes zwisdien Hei* ligkeit des Objectes nnd seiner ümgdNmg in einem un- Terhäitnissmässigen Grade sinkt der Lkhtsüm dann afficirt ist ^^ünverhältnissmässig" wird hier, wie oben« znnadist im Yerhältniss zn andern Indindoen mit der- sdben S fbr schwarze Bochstaben bei Tagesbdoiditaiig genommen.

üntersnchimgen über Licht- und Ranrnsinn etc. 225

Dies bestätigt sich, wenn man die Fälle betrachtet, welche ausserdem, dass sie auf S mit grauen Buchstaben untersucht sind, zugleich mit der Masson'schen Scheibe untersucht wurden.

Es kann also darüber keinerlei Zweifel aufkommen, dass eine Verminderung des Lichtsinnes, insofern hierbei eine Vergrösserung der Beizschwelle sich findet, sich durch eine abnorme Verminderung von S für schwarze Buch- staben bei hinlänglich schwacher Beleuchtung zeigen muss, und dass diese, insofern eine VergrOsserung der ünterschiedsschwelle bei Ti^esbeleuchtung sich findet, sich durch eine abnorme Abnahme der S für hinlänglich blasse Buchstaben bei derselben Beleuchtung zeigen muss. Wie sich indessen das quantitative Verhältniss hier stellt, eine wie starke Abnahme des Lichtsinnes einer gewissen abnormen Verminderung der S entspricht, weiss man durch- aus nicht. Um hierüber Aufschlüsse zu erhalten, würden Untersuchungen derselben Natur wie meine Sehschärfe- bestimmungen, in Verbindung mit directen Messun- gen des Lichtsinnes (sowohl der Beizschwelle als der ünterschiedsschwelle) bei denselben Individuen in grosser Ausdehnung erforderlich sein. Nur durch auf diesem em- pirischen Wege gewonnene Daten würde die Sehschärfe- bestimmung bei schwacher Beleuchtung und schwachem Helligkeitsunterschiede zu einer quantitativen Lichtsinn- probe, zu einer wirklichen Lichtsinnmessung werden kön- nen. Konnte man indessen nur die Bestimmung des Mi- nimums erreichen, zu dem die Sehschärfe bei einer Am- blyopie beliebigen Grades, wie auch bei einem Individuum mit normaler S, bei einer gewissen Abnahme der Beleuch- tung und bei einer gewissen Abnahme des Helligkeits- unterschiedes sinken kann, ohne dass eine wesentliche Afifection des Lichtsinnes vorhanden ist, so würde eine Sehschärfeprobe theils für schwarze Buchstaben bei dieser Beleuchtung, theils für Buchstaben mit diesem Uel-

. T. Qraef«*8 ArahlT fdr Ophthalmologie, ZXZ. %. 15

226 ^i*- ned. Jannik fiSjeinun.

ligkeitsunterschiede hinlänglich sein, am in jedem gegebe- nen Falle schnell mid leicht, ohne Aufstellen eines beson- deren Apparates, zu entscheiden, ob eine wesenüiche Vermindemng des Lichtsinnes vorhanden ist oder nicht. Ich glanbe, dass sich dies praktisch erweisen wfirde. Eine Tafel mit grauen Buchstaben kann man inmier an der Wand haben neben einer Tafel mit schwarzen Buchstaben. Ausserdem ist nor erforderlich, dass man die Belench- tongsintensität bis zu einem gewissen Orade yennindem kann. Meine Untersuchungen können in Bezug aof eine Orenzbestimmung der erwähnten Natur trotz des ziemlich mangelhaften Apparates, womit dieselben angestellt sind, einzelne Aufklärungen geben. Ich hofife recht bald Unter- suchungen in der erwähnten Bichtung mit besserem Appa- rate anstellen zu können, wie auch mit der Anwendung des Förster'schen Photometers, und ich hoffe dann fernere Aufklärungen über die Frage im Ganzen zu bringen.

üeber die Untersuchung mit der Masson'schen Scheibe. Nachdem ich mich fiber die Bedeutung ausgesprochen habe, welche meine verschiedenen Sehschärfebestimmangen für die Beurtheilung des Lichtsümes der Untersuchten be- anspruchen können, bleibt noch übrig die Beschreibung des Apparats, dessen ich mich bei der directen Mes- sung des LichtsinneSy d. h. der UnterschiedsempfindUcb- keit bei guter Tagesbeleuchtnng bediente. Dieser Apparat bestand aus einigen Masson'schen Scheiben:

1. Scheibe A. Eine weisse Scheibe von ungefähr 14 Cm. im Durchmesser mit einem schwarzen Sector von variabler Grösse. Dieser wurde hergestellt mit Hilfe einer schwarzen Scheibe, ca. 6 Cm. im Durchmesser, welche gleich wie die weisse längs einem Badius gespalten war, so dass sie, concen- trisch angebracht, über einander in der bekannton Weise ver-

Untenachnngen fiber Licht- und Kanmsiim etc. 227

schoben werden konnten. Das Versnchsindividunm muss hier die Grenze zwischen der dunkleren und helleren Partie zeigen, wenn es überhaupt eine derartige Grenze erblickt.

2. Scheibe B. Eine weisse Scheibe, ungefähr 19 Cm. im Durchmesser, an der 5 schwarze Sectorstücke in verschiedener Entfernung vom Centrum gemalt waren, so dass jedes derselben bei der Rotation der Scheibe einen einförmigen grauen fiing erzeugte, der von den Nachbarn durch einen weissen Bing von der nämlichen Breite getrennt war: der äusserste Bing war der dunkelste, der Helligkeitsuntorschied zwischen diesem und dem weissen Vis (24^ schwarz); für den nächsten ist der Helligkeitsunterschied vom weissen Vio, für den nächsten Vs4, für den darauf folgenden Vse und für den innersten Veo. Die Breite der Binge 9 Vi Mm.

3. Scheibe C. Eine weisse Scheibe, 26 Cm. im Durchm., im Princip ganz wie die vorerwähnte, allein die Binge waren schmäler und zahlreicher. Dieselben hatten folgende Hellig- keitsunterschiede vom Weissen, von innen nach aussen: Vs, Vi», V»4, V»6, V»o, Veo, Vtj, V»o, ViJo, Vu$? Vi8o, Viio. Die Breite der schwarzen Binge betrug 3 Mm., die der weissen war kaum so gross, ca. 2 Vi Mm.

4. Scheibe D (nur benutzt bei einigen der zuletzt unter- suchten Patienten): Ebenfalls weisse Scheibe, 18 Cm. im Durchmesser. Das nämliche Princip wie bei den beiden vorher- gehenden. Die Binge entsprechen folgenden Helligkeitsunter- schieden, von aussen nach innen: > Vio, Vis» Vis, Vae, V40, V»«; Vtj, ViM. Die Breite der Binge 4 Vi Mm.

In der Eegel sind der Controle halber die Unter- suchten mit mehreren dieser Scheiben untersucht worden.

Die Versuche werden steTs bei Tagesbeleuchtung mit Auüstellung der Scheibe ungefähr dem Fenster gegenüber in einer Entfernung von ca. IV2 Meter von diesem, an- gestellt, also bei einer bedeutend besseren Beleuchtung als diejenige, welche sich gleichzeitig auf dem Platz der Sehschärfetafeln an der Wand im Hintergrunde des Zim- mers befand.

Die Versuche wurden femer immer in derselben Ent- fernung der Patienten von der Scheibe ausgeführt, die

15*

228 I)^ med. Jannik Bjermin.

Entfemong betrug stets V^ Meter. Um den dunUen C!oii- tour an der Scheibe A zu erkennen, ist theoretisch ge- nommen — kein Baumsinn nothwendig. um die Singe an den übrigen zu zählen, ist dagegen ein solcher erfor- derlich. Vergleichen wir die Breite der Binge mit der Breite der Striche in den Snellen'schen Buchstaben, so entsprechen die Binge an der Scheibe B ungefähr Sn. No. 36, an der Scheibe C No. 9, an der Scheibe D No. 18. Nehmen wir femer an, dass die S, welche erforderlich ist, um diese Buchstaben zu lesen, annähe- rungsweise dieselbe ist wie die, welche erforderlich ist, um sokhe Binge zu zählen (ceteris paribus), so erfordert das Zählen der Binge in der erwähnten Entfernung

( Va Meter) fttr Scheibe B S ^, für Scheibe C^ S -^,

für Scheibe D S ^|.

Es muss nun gleich hervorgehoben werden, dass die Bestimmung der ünterschiedsschwelle, alias des Fechner- schen (Weber'schen) Bruches*), alias des Lichtsinnes mit Hülfe der Masson'schen Scheibe oft nicht so ganz leicht fällt.**) Schon bei Normalen hat die Orenzbestim-

*) An die Bezeichnung des Bruches, welcher den kleinsten wahrnehmbaren Helligkeitsunterschied angiebt mit dem Namen dieser Männer, knüpft sich die Vorstellung einer ^ jedenfiüls innerhalb sehr weiter Grenzen absoluter Helligkeit constanten Grösse. Aubert's Untersuchypgen haben gezeigt, dass dies nicht stichhaltig ist; allein in praktischer Beziehung macht man sich keines Fehlers schuldig, wenn man diesen Unterschied bei Normalen als constant bei guter Beleuchtung von ziem- lich verschiedenem Grade annimmt, jedenfalls yon mehr verschiedenem Grade al-s die Beleuchtungen sind, bei welchen ich die verschiedenen Individuen mit meinen Scheiben untersucht habe.

**) O. B. Bull (Archiv f. Ophthalm., Bd. XXVH, Ahth. 1, 1881), der die Schwierigkeiten, welche an der Untersuchung mit der Masson*schen Scheibe haften, erkannte, aber meiner Meinung nach übertrieb, stellte eine Beihe Objeote von verschiedener

üntenachangen über Licht- nnd Baamsinn etc. 229

mnng ihre Schwierigkeiten, selbst wenn es intelligente und sachverständige Leute sind. Hier ist es völlig unnütz, irgend welches Oewicht auf geringere Abweichungen zu legen. Wenn ich die Bemerkung in einem Artikel von Ph. Steffan im Archiv für Ophth. Bd. XXVH. Abth. 2, 1881, lese: „da das betreffende Auge auf der Masson*schen Scheibe nur Vioo unterschied, während das andere Vias unterschied, war der Lichtsinn desselben folglich vermin-

Helligkeit in Form von mehr oder minder dunklen Buchstaben von constanter Grösse her, welche in constanter Entfernung be- trachtet werden müssen. Er nimmt nämlich an, dass man den Angaben des Patienten besser vertrauen darf, wenn er Buch- staben liest, als wenn er Ringe an einer Masson'schen Scheibe zählt. Die Forderungen, welche er an die Sehschärfe stellt, sind weit grösser als die, welche bei der gewöhnlichen Anwendung von Förster's Photometer oder von Masson'schen Scheiben gestellt •werden. Die Buchstaben sind nämlich Snellen No, 6, welche in der Entfernung von 1 Meter betrachtet werden; um solche Buch- staben überhaupt lesen zu können, ist also S % erforderlich. Femer wählt er schwarzen Qrund, um darauf die mehr oder weniger dunkeln Buchstaben anzubringen. Der Versuch wird bei Tages- beleuchtung ausgeführt. Indem er schwarzen Grund wählt überdies so schwarz, dass die Helligkeit desselben im Verhältniss zu weissem Papier nur y^ ist bekommt der Versuch einen wesentlich andern Charakter als der Versuch mit einer Masson- schen Scheibe bei derselben Beleuchtung wegen der weit ver- schiedenen absoluten Helligkeit. Da Bull keineswegs den Ein- fluss des Baumsinnes eliminirt, so ist seine Untersuchung natür- licher Weise bei Weitem keine reine Bestimmung der Unterschieds- empfindlichkeit.

Wenn man seine Methode anwenden wollte, so müsste man jeden&lls mit einem ähnlichen Verfahren den Anfang machen wie das, welches ich benutzt habe, nämlich Individuen mit derselben S mit einander zu vergleichen. Bull veröffentlicht keine Unter- suchungen pathologischer Individuen und macht in der erwähnten Richtung keine Andeutungen. Ausserdem habe ich zu bemerken, dass Bull nicht darauf geachtet hat, dass man durchaus nicht ohne Weiteres Lichtsinnproben als äquivalent (als geeignet einander zu ersetzen) betrachten darf, sei es, dass dieselben zu- nächst auf die Bestimmung der Reizschwelle oder auf die Be- stimmung der Unterschiedsschwelle bei grösserer Helligkeit aus- gehen. —

2^^ m. med. Jonik Bjeimm.

derr\ so ini»f icfa sa^en^ dass es meiner Meiniing oaeh eine Illui^ioii ist. wenn man glanbt, dergleichen Unter- schieden eine condnsive Bedenbrng in patiiologischer Be- aehumr bejlejren zo dtdfen. Derselbe Verfiisser ist anch gleich dariiber im Reinen, dass die Yerminderong des Lachtiönnes. welche im g^ebenen Falle an der Scheibe «refontiex if^;.. da^ Zeichmi eines chorioidalen Processes ist; und doci. kanr. ihn nichts zu dieser Annahme berechtigeiL Ai>i. es 2^ keine^Twe^v gsnz leicht, mit der Hasson'schen Si^)»viJu TT: nntfirjaichen: die Patienten schwanken, sie whtstM. nivii: T^v^ML w»v sie sagen sollen; offenbar ist es imitiTii;i.li- |^^w»ceT Grenzen eine iriHküiiiAe Schätzong bi*j }i\h?m einxeinen rr.T.rsnciiten, wo die Grenze gesetzt werm^L nns;.. xxxnl wir haben keine Garantie daftbr, dass Ltniu, w-.'i.be ir TTirkii^^-hkeit nicht TerBchieden sind, in iiirx>- Sdawunc inD^^rkiVr dieser Gitsien denadbea Pnnkt

Tn: ftir du Anj^hex eine An van Gontrole za er- halisL, benutTT» kl. s^v :t mV^^ck mehrere Sdidben-

r-> ifr: ri.,Türl,/l siwvr 7t: sagen, wo man die Grenze :uv:»er 5. 11. iiv;»- V: xv i.irian? man den Bmdi als patfao- i 'iTis i Ter;rr--serr aj:r-:.m- l darf Ich glanbe nidit, dass msL at!:i>J*^ ni:: v^^rb::: nit^driger seöscn darf als V?»- '^i* uer Bm -i. - .. ..^ -r tr •>:?«: ak tii ist. mäne ich, *ia:ö^ uiar mi: Shbt^rr- i: ätrca. an^p*^»** dai^ dass dcr- >tili»f rÄÜ:J;.>^:s^b Tir:trrr:>55^^r: iä. wms andi immer die ^ TSkc'iit üitse> lu-^u^TfiT«^ iitui: mar.

KriL TeriiäiTt^i bc L!ir:i»t«n« hwff dasaeihe wie Toriun: Imrji Ttrclf Liniar vor In^^rndoet mit deraeltai S, nnd iiiofn: Pxua >ta: Ar^r!.nv.rfc saf VaeETflödere Abwfkliun- r^L a. Q-r r-^irk- .: d.:s.r «WEtber dm läMSStmsAm >'^ih\:nT: n/:.:t-. ~ si.jbf iji: rnTfli9ci»de mtcr AjOii-j-T'-L m -^-,:iH.r >^wei: iA w««. Begt in der ----^erjTTr ktiiüf V rTr^D.hLur df^ TfüUhzäss«^ der ver-

VW. Sdmi dediilb meiiif: icL aas T^suoit mr djAser an und fir siA iHteroBBe v^rdiaisL. ^-It^^ ci^ Im^r^äait wird bedeutend ediQfal äim± «m«: Tgsu-.-;i::T.r 1l^ uü^re. ^haltoieD Besobste mn d^m.. v^Liit^ it^ urn^ilvzi IndiTidnai dmtb BfWT iniimug usr T^tonixJin^ i«^ r-^üzn^r^ BeleochtuBg edi&hen ureröeiL

Die \eaaAs itm q^l His^^ji .-^ntti iiktJt«^ aihl stets umnittdliir aiä. ri*^ iiauiiÄ a^ *v fv.::^^ .üüiri*:^#^njiib- rnimgen augeCatn 'WQxdsL. an'aiLtrfiL ?^«r. iü:! ▼'ji^u^ einige Zeit (Ol 10» n oif Tiiff*s-'^r^n*?u'jar.iiiir r**v"«iiir hatte.

Es ist etat ATOLHffiy^ vi^nartrH^ t^'^oäi u*r ?riruiJ5 mit einer IbnaL'idiait S-jusiih: nin Hilt^o. lit* iuul u^n. Patienten siUfiB liasL imz tt*r ?'i,'n»int*vri»-ir:u:r. X *-*!•* derselben ist tant reänt XtsBUür us lii-ir.-:ii:i»*3. ü^oa. ^ werden F<wienm&eiL aa öa itnniL-aa r^vJ.-*. 2**i it*r ersten sadit naas öa yjr»-ii'jL^r,*a. 5* '-ii:a*i':':*invr?i'5rj*':. wobei Binge in rßisr Äi^niianinir *n»*a r^iklu*: -virii^x bei der kutepa ▼:r'L ait ii*jrvliiUiJ:>t 2^'^^r.t*i''.;:iu' r-t- sucht, wobei bt ii-iia ^»*.xnrs*a "^r.'^i»* -^»a r^^^ * werdoi. Glrkrinrit « lüi*: JLur, ii»*i:ip Zi'^^-'ry^w^^r i*T S fllr Sdiwsz bd g?r.itr^ I>;ixiJii*jL::;a:r m-: :^ ?'-■'%>• meterprobe lasy -rtTTit^r^ltiii. h^ ..»*^ •» ^rv^nii ..i nahe, meine Urürsoiiixmr^n. i»*r ^ flr '..»^ ' ..L^<»*s*»*rar Buchstaben rv.^ Äi»Äiir:v^ r.*: '.»*a "»ü vr«>n.>ir* IndiTidnen bd fr^er &i'-!uv:i^n:j ir^^^.r*'.!iry^ Pr'.f -/.-^i^ri mit den lla»x.'i»!ii«. iiürälv^a r* T^rin-^'-tr.-^r,. Irw a pnorische BaÄi-z^griMi:: sizi^a i.»»r ^-2 icj.'./':jit W>^> gdien, wie oben \0d ^üfatf Z^,'*>tt'.'r»»^g,iv/..>'.:>?.

Ich sehe « •ii&s' a pr.'>r; flr v^r^nc^ta^ *o* 'Utvo ansngehen, daää wsa, *ii I::ii.^,:v:rr. v^ eir>T %*^'n<*^ Belenditong ein* ^tiT-riilrjiliirLii-l^ ^^vlr*;?^ .S ftr 4>i blassesten Bucksc^o^in jn V-^.rrwcia n..: v^-^m lfi/l.>Mij^ zeigt, wekhe di^^r-y^ S f'r •!:.> 't*lr.w4r7>-ri iVi/h-^taMm haben, wie er *&:•>*% t*> wul er a.v:h ^r;; d/wi VCTHtt#;he

,,.i

in -*-»^ TT'**^ •-!!>• Wil-

" '"''li* lliLriL J-tü

_-. ir::

^Ic

r

^..-r, -.•.:-

-

J. --r -:

r A.

.- i.. ^, J^

r *-

:'--■''''.. r .

i

•^ T" />' K-

1

- </ ^ -.r

1"

4'.' •;/ r

*/.^

%>-•- >■ ■/,

/'

*♦■/ V-ry

*-• '

■'^''. »:^» :;.

» A

f '"/'fS/f, rfV,

J-r^"rir HLzetZüLii:

"1 Tf'fuerk.' r:^^ wiria. Dnaa wirf V.A .V. '."^ aa ije lf>rlkiiiäi 4^

Untemieknigai Her LjeIic- and ftMimiinm «oc 2Sl

bei einer schwidbcm Bdaidinn^ oime «» za ^än oder ohne es so slaifc m mn M it£ü±ßrs BdbeociL- tnng, wie sach UBgeteliztL

Resame der allgemeinia E^^xI^a*:* .i'*r Ca^^r-

Nach dem beadmefaenai T'gfaar^i hun« ieh m^i^^f^liir 50 Individuen imteisiKiiL Tanar Lei>ün waren •^inu^*^ Normale. Diese, wie aceh. jaii^tr* y^rmai/j. w»*L;:ti»* ii-.ii gel^entlidi nnteisoehte. T^irtLüLtün fiiÄ .ai W-äi#;a:IJ:tuai Alle gleicL

Bevor ich Tabeilai ärM*r -äni^» itir rrat.iC5ii:ii::>iii i ;c- l^e, will ich der Cäiwaieiis iLuii»»r L* Siiilliee n±Ai:^ menfEtösen, welche haopCäfeiLiidL £iä i^a Z^z^^^-lnza-.n. gezogen werden kunno.

Wenn Jemand wCnsciuai *.II-,.i. Brkjsir-^sinaf: :::lL: irr detaillirten Darstellnng aZar Zzzt^rsruizzi:!^ n znj».b:a. so mnss ich auf m^iac XzinxciUzjis T*r»-ru*:n: -Cni-ir- sögelser orer formsanä ce Ijaeacs i f^rti,»^.-^'? T^-ctv?- domme, KjOhenham l^^^, Ln Y ..zrfZjlj^ w^rir: i:L nachdon idi die wietti^^-tca R^ä^uc*»: -Ijkrz'zl'^ Li«, mich daranf besrhrank^n. -riil?-* irsr ULVrsv^viiis^Q nr AufUäning anzafitrsn. xii.i ii-ef?r:L'rr: rr t ezijrrn er- läuternden Bemertxng)^ Ip^ri je^

Folgendes aii*d die ercjL^^en Bcs::^*wä:^: 1. unter Indiridiii» mit 't:r?*r/'>rfi S fzi S±wan auf Weias bei gm^r Rrle-- br?;i:g kann ^in In-üvUnum eine bedenten-ie a?>f:>nL-f: Ahn^hT-f? der S bd rer- minderter Berlea-ir^aig zrizen H'iiLerdIc'piej aber gnte S bei afcn^haiendeTn HeII:gk«rit5miter5chiede and bei ünTerändert^ Beleachrung; ein anderes IndiTidnom kann gnte S bei abnehmender Be- leochtnng, aber schifte S bei abnehmendem Helligkeitäunters'jhkde zeigen«

234 ^^' ^^' Jannik Bjerrnm.

2. unter Individuen mit derselben S**") kann ein In- dividuum bedeutende Hemeralopie, aber vollstän- dig tadellose Empfindlichkeit für HeUigkeitsunter- schiede auf einer weissen Masson'schen Scheibe bei guter Beleuchtung zeigen; ein anderes Indi- viduum kann dagegen keine oder nur geringe He- meralopie, aber bedeutend verminderte Empfind- lichkeit für Helligkeitsunterschiede auf der Mas- son*schen Scheibe bei guter Beleuchtung dar- bieten.

3. Man ist berechtigt, dass sub 1 und 2 Ausgespro- chene wie folgt auszudrücken:

Der Lichtsinn kann im centralen Theile der Betina bei einem Individuum in der Weise afficirt sein, dass die Beizscbwelle . bedeutend nach oben verschoben ist, wäh- rend die ünterschiedsschwelle bei grosse- rer absoluter Helligkeit (wie die Hellig- keit des weissen Papiers bei Tagesbeleucb- tung) keine Affection zeigt bei einem andern Individuum in der Weise, dass die Reizschwelle wenig oder gar nicht nach oben verschoben ist, während die ünter- schiedsschwelle bei grösserer absoluter Helligkeit stark vergrOssert ist.

4. Von den untersuchten zeigten namentlich Indivi- duen mit chorioido-retinitischen Affectio-

I nen Neigung zu hemeralopischer Störung, während besonders Patienten mit Atrophia n. opt. Neigung zur Abnahme der Empfind- lichkeit für Helligkeitsunterschiede bei grösserer absoluter Helligkeit darboten.

*) Wenn nichts Anderes bemerkt wird, wir4 unter S immer die Sehschärfe für schwarz anf weiss bei ge- wöhnlicher Tagesbelenchtnng verstanden.

üntersachiingeii über Licht- und Baamsinn etc. 235

Von den untersuchten Fällen YonAmblyo- pia congenita and Amblyopia in strabismo (congenita? ex anopsia?) haben keine deut- liche Affection in irgend einer der beiden genannten Richtungen gezeigt. Die unter- i suchtenAmblyopiae centrales (ex abusu alcohol. ' et tabaci) schliessen sich in dieser Beziehung zu- nächst an die untersuchten Atrophiae n. opt. an. 5. um Hemeralopie zu erkennen, kann praktisch eine gewöhnliche Sehscbärfetafel benutzt werden, unter der Voraussetzung, dass man die Beleuchtung im Zimmer hinlänglich vermindern kann; zur Diag- nose einer Abnahme der Fähigkeit Helligkeits- keitsunterschiede bei guter Beleuchtung zu unter- scheiden (Vergrösserung der Unterschiedsschwelle) können eine bis zwei Tafeln mit hinlänglich blassen Buchstaben benutzt werden. Mit Bezug auf den Einfluss der Beleuchtung auf S für Schwarz auf Weiss gebt aus den Untersuchungen hervor, dass es Amblyopien giebt bis zu einer Sehschärfe von Vi8 als Minimum, deren S bei einer Beleuch- tung, wobei ich ungefähr S Via bis Vis habe, nur wenig verschieden wird von dieser S eines Normalen und andererseits Amblyo- pien bis zu einer Sehschärfe von ca. bis Vi» (als Minimum), deren S bei der genannten Her- absetzung der Beleuchtung ca. V^ oder Va der S eines Normalen wird. Nur wenn Amblyopien von entsprechendem Grade bei solcher Beleuchtung eine wesentlich kleinere S zeigen, kann man also bei dieser Untersuchung sich darauf verlassen, dass sie verminderten Lichtsinn haben (Vergrösserung der Reizschwelle in dem betrefifenden Retina- abschnitt). Bei geringeren Abweichungen muss man denn doch den Einfluss der Pupille mit in

236 ^'- med. Jannik Bjermm.

BeFOchnang ziehen. Für die blassesten Bach- staben (Tafel No. V, H.-U. ca. Vio) hatten bei guter Beleuchtung die besten innerhalb jeder Gruppe 2 oder 3 mal geringere S als für die schwarzen Buchstaben. Sie zeigten denn auch eine gute Fähigkeit gegenüber der Masson'scheB Scheibe.

Bei ferneren Untersuchungen werde ich blas- sere Buchstaben anwenden und Versuche mit die- sen und der Masson*schen Scheibe bei derselben Beleuchtung anstellen. Es werden sich alsdann hinlängliche Stützpunkte bieten für eine detaillirte Vergleichung zwischen den beiden Untersuchungen. Mit der Masson'sohen Scheibe habe ich Individuen gefunden, welche einen Helligkeitsunterschied von Veo wahrnehmen, während ihre Sehschärfe nur V^ bis V^* ist. Dies kann ja nur als geringe Vermehrung der Unterschiedsschwelle im Vergleich mit der eines Normalen betrachtet werden. Damit der Bruch bei den genannten Individuen bis auf Veo sinken sollte, mussten die an den Baumsinn gestellten Forderungen gering sein.

6. Die sogenannte Nyktalopie beruht gewiss in der Begel auf dem Verhältniss, dass viele Am- blyopien, wenn die Beleuchtung abnimmt, sich mehr und mehr dem Normaleii nähern, sowohl mit Bücksicht auf den Baumsinn als auch auf den Lichtsinn. Dagegen findet man gewiss nur sehr selten bei einem und demselben Indi- viduum den Baumsinn oder Lichtsinn besser bei massiger als bei hellerer Beleuchtung. Sowohl Baumsinn als Lichtsinn nehmen also mit der Be- leuchtung ab, aber langsamer als beim Normalen.

7. Meine Sehschärfetabellen zeigen, dass Abnahme der Beleuchtung auf die Sehschärfe für die

Untersuchungen über Licht- und Ranmginn etc. 237

blassesten Bachstaben früher Einfluss hat als auf die Sehschärfe für die schwarzen Bachstaben, oder dieselbe bewirkt eine ver- hältnissmässig grössere Verminderung der S für jene als für diese. Die Sehschärfe für die blassesten Buchstaben ist also ein feineres Reagens fSr die Verschiedenheiten in der Be- leuchtung als die S ftLr die schwarzen. Dasselbe zeigt sich im Qanzen aber weniger stark aus- geprägt, auch bei den weniger blassen Buchstaben. Für Tafel II (H.-U. 0,42) findet sich bei guter Beleuchtung entweder dieselbe oder eine nur wenig geringere S als für Tafel I. Bei ab- nehmender Beleuchtung wird der üntei'schied gern etwas grösser, so dass bei der geringsten Beleuch- tung, wobei meine S (f&r Schwarz) zwischen und Vi8 liegt, S gern ungefähr die Hälfte der S für Schwarz ist. Dies gilt sowohl for Normale als auch für Patienten. Für Tafel m (H.-ü. 0,29) ist S bei guter Beleuchtung wieder etwas kleiner als für Tafel II. Im Verhältniss zu S für Schwarz ist bei TagesheUe S für Tafel III am wenigsten ungefähr die Hälfte, als Begel etwas mehr, bei massiger Beleuchtung wird der Unter- schied gewöhnlich etwas grösser; bedeutend ver- mehrt wird der Unterschied in den Fällen, wo starke Hemeralopie Torhanden ist. Ueberhaupt manifestirt sich Hemeralopie für die blas- seren Buchstaben bei einer Beleuchtung, bei welcher dieselbe für die schwarzen Buchstaben noch nicht hervortritt. Dies ist nichts anderes als man dem Vorstehenden nach a priori erwarten durfte: Hemeralopie kann ja zum Theil als eine Art subjectiver Abnahme der Beleuchtung betrachtet werden, und es wurde

238

Dr. med. Jannik Bjeiram.

ja oben heryorgehoben, dass die Sehschärfe fdr die blassen Buchstaben ein feineres Reagens fnr unterschiede der Beleuohtong als S ftkr schwarze Buchstaben ist.

Wie angenonmien werden durfte, dass der Baom- sinn als solcher innerhalb weiter Grenzen keinen besonderen £influss auf das Besultat der Prüfung mit FOrster's Photometer hat, so kann man nach Obigem auch nicht annehmen, dass derselbe be- sondern Einfluss auf das Resultat der Prtlfang mit Masson's Scheibe hat, wenn die Ringe an derselben breit sind (z. B. wie die Striche im Photometer) und die Entfernung gering ist (z. B. Va Meter). In diesem Falle können beide Unter- suchungen gewiss ohne wesentlichen Fehler als reine Lichtsinnprüfungen angesehen werden.

Auswahl von Tabellen mit einigen erläuternden Bemerka Retinitis pigment. atypica (Fat. No. 13). Atrophia n. opt (Pat. No. :^^

14. Aprü 1881

ii

31

«3

HS

Belenchtng. 30

(Gew«hnl.Taget].)

%

%

<%

%

%,

Beleuchtng.aO

%

%

%

*%

%.

4

%

^%

<%

<%

<x.

. <3

*%

<%

<%

<%,

%,

Meine S < %,

%.

'^

%>

H.Ü.»)

0

Meine S <

'/L

60

H.Ü

0

0

29. Juli 1881

Beleacbtng.21

(Qewöhnl.Tage6l.)

Beleucht. > 1 Meine S % Meine S %

Meine S Xs Meine S %i

%2

Vi,

Hl*

36

S >

51?

i

Masson*B Scheibe: Normal (J^).

Masson's Scheibe:

*) H.-U., Helligkeitsunterschied, bedeutet bier, dass der Bachst«k gelesen, aber dass ein Helligkeitsunterscbied (ein dunklerer Fleck) aa des.^8 geseben wurde. 0 bedeutet, dass in der Entfernung von % Meter nicht ein H.-U. an der Stelle der Bucbstaben gesehen wurde.

Untersuchungen über Licht- und Raumsinn etc. 239

Zum Verständniss der Ausdrücke für die Beleuchtung muss ich auf das früher Bemerkte verweisen, üebrigens sind diese Tabellen leicht ohne besondere Erklärung zu verstehen. Bei Beleuchtungen, wobei meine S ungefähr gleich war (resp. < Vßo und V»*) hatte No. 13 für Tafel I nur Vßo, No. 30 dagegen < V«*. Die Hemeralopie bei No. 13 ist also hinlänglich klar. Allein man sieht, dass diese nur bei der geringsten angewandten Beleuch- tung hinlänglich klar hervortritt. Für die blassesten Bachstaben bei guter Beleuchtung (Tafel Y) war die S der No. 13 dieselbe (ViO wie bei einem Normalen, dessen S bei der gewöhnlichen Sehschärfeprobe ^^i** Bei No. 30 dagegen ist dieselbe ja excessiv klein, zwar war das Tagesicht besser bei der Untersuchung von No. 13 als von No. 30, allein, wenn wir die nächste horizontale Columne der No. 13 nehmen, wo die Beleuchtung auf ca. 20 reducirt war, so hat er doch für die blassesten Buchstaben S V^». Der Gegensatz zwischen den beiden, zwischen einer Betinit. pigment. und einer Atroph, n. opt. ist ja sehr augenfällig. Bei der ersten: gute S bei ge- ringem Helligkeitsunterschiede, schlechte bei geringer Be- leuchtung; — bei der zweiten: schlechte S bei geringem Helligkeitsunterschiede (bei guter Beleuchtung), aber gute S bei geringer Beleuchtung. Bei den Masson'schen Scheiben zeigt sich der Gegensatz zwischen den beiden ja auch besonders gross: No. 13 zeigte sich bei dieser Probe (bei guter Beleuchtung) nicht wesentlich verschieden von mir, also ganz normal, während bei No. 30 ca. V^o den kleinsten zu beobachtenden Helligkeitsunterschied dar- stellte. Die Krankengeschichte No. 30 ist femer interessant, weil diese mangelhafte Fähigkeit gegenüber geringen Hellig- keitsunterschieden (bei einigermassen grosser absoluter Helligkeit) der einzige Functionsmangel war, der gefuuden wurde: S V«? Sehfeld normal, Farbensinn normal, ße- fraction normal. Es ist kaum zu gewagt anzunehmen,

240 ^1*- ^^^' Jftnmk Bjerram.

dass die asthenopischen Beschwerden des Patienten mit dem erwähnten Functionsmangel in Zusammenhang standen. Es ist nur noch Eins henrorzoheben: Bei guter Be- leuchtung hat No. 30 für Tafel IV eine bedeutend ge- ringere S als No. 13, allein wir sehen, dass mit d.er Ab- nahme der Beleuchtung das Verhältniss ein umgekehrtes wird. Diese beiden Oolumnen über die S fflr Tafel lY illustriren daher in schlagender Weise das verschiedene Verhältniss, in welchem S bei Ter- schiedenen pathologischen Individuen afficirt werden kann durch die beiden Momente: Beleuchtung und HeUigkeits- unterschied. Schon bei einer Beleuchtung, wobei ich S < ^19 habe, hat No. 30 eine bedeutend bessere Seh- schärfe auf Tafel IV als No. 13.

Zur Vergleichung werden hier folgende Bestimmungen meiner eigenen S ftlr schwarze Buchstaben (Tabelle I) bei guter und bei massiger Beleuchtung angefahrt, wenn diese meine S durch Zerstreuungskreise wegen unvollständiger Correction meiner Myopie von2D vermindert ist („optische Amblyopie"):

Tageslicht S > Ve (bei vollständiger Correction meiner

Myopie dagegen S < VO- Sehr geschwächte Beleuchtung: S V««*) (bei voll- ständiger Correction meiner Myopie war meine S gleichzeitig > V«)- Bei massiger Beleuchtung also sehr geringer Unter- schied zwischen meiner S ohne Correction und meiner S

*) Selbstverständlich mnsste man bei der Wahl ül&ser dafür Sorge tragen, dass die Zerstrennngakreise annähernd gleich gross wurden, wenn S, wie hier, erst in einer Entfemnn$r von 5, später von 2 Metern bestimmt wurde, oder wie bei dei folgenden Versnchen erst in einer Entfernung von 5 und daianf von 1 Meter. Mit 1,5 D hatte ich (d. h. mein linkes Ange. welches ausschliesslich benutzt wurde) S > %\ durch dieses Glfts wurde ja ein virtueUes Bild der Versuchstafel ca. % Meter voa

üntersnchnngen über Licht- nnd Ranrnsinn etc. 241

mit vollständiger Correction der Myopie. Dies entspricht der Erfahrong, dass bei der schwächsten Beleuchtong, welche bei der Prüfung von No. 30 angewandt wurde, fast kein Unterschied zwischen seiner und meiner S vor- handen war (selbstverständlich bei vollständiger Correction meiner Refractionsanomalie).

Femer behufs Vergleichung mit dem Folgenden: Tageslicht: S (bei vollständiger Correction

der M hatte ich S < Vs)

meinem Auge entworfen. Stellte ich mich (wegen der ge- schwächten Beleuchtung) in einer Entfernung von 2 Meter von der Tafel aui^ so musste ich also ein G^las wählen, welches wieder das YÜtaelle Bild derselben in eine Entfernung von ca. % Meter Yon meinem Auge bringen konnte. Die Zerstreuungskreise wür- den dann von möglichst gleicher Grösse sein. Hierzu bedurfte es

1,0 D, denn 0^ ß) 1,50 (ji = —--==- 1,00 (a be- deutet die Entfernung des Gegenstandes, f diejenige des Bildes, p die Brennweite).

Um S % bei guter Beleuchtung zu erhalten, musste ich das Auge mit 1,0 D. bewaffnen. Stellte ich mich nun in eine Ent- femiing yon 1 Meter von dem Gegenstande (der Probetafel), so bedurfte es keines Glases, denn wie das virtuelle Bild früher in einer Entfernung von 1 Meter yom Auge lag, so befindet sich jetzt die Tafel selbst in dieser Entfernung. Die Entfernung 5 Meter ist hierdurch als identisch mit oo bezeichnet; dies stellt das Verhältniss etwas ungünstiger für die kleinen Prüfungs- entfernungen. Gleich gross werden nun trotz der erwähnten Massregeln die Zerstreuungskreise nicht bei der Prüfung in grösserer nnd in geringerer Entfernung; denn wegen der gerin- geren Beleuchtung ist die Pupille im letzteren Falle grösser als im ersten; die Zerstreuungskreise werden also auch in ent- sprechendem Grade grösser sein. Dies Moment wirkt natürlicher- weise an nnd für sich auch ungünstig auf S bei der Prüfung in der geringen Entfernung; könnte man den Vortheil der grossen Papille ohne diesen Uebelstand haben, sowie bei einer Amblyopie aus anderem Grunde und sowie bei mir, wenn meine Kefracüons- anomalie vollständig corrigirt ist, würde dies ja vortheilhafter sein für die Erreichung einer möglichst guten S.

▼. OrMfe'i Arebiv fUr Ophthalmologie, XXX. 2. 16

242

Dr. med. Jannik Bjermin.

Sehr geschwächte Beleuchtung: S */«* (bei

vollständiger Correction der M. hatte ich V») Noch mehr geschwächte Beleuchtung: S < Vw (bei vollständiger Correction der M. hatte

ich > Vt4).

Wiederum also hier ein geringer Unterschied in meiner S bei massiger Beleuchtung ohne vollständige und mit vollständiger Correction meiner Myopie. Unter Patienten mit S bei gewöhnlicher SehschärfeprOfimg hatte ich, dem entsprechend, solche, deren S bei massiger Beleuchtung nur einen geringen Unterschied von der meinigen zeigte.

Atroph, n. opt e. neurit (Pat. No. 6).

Chorioiditis disseminata (Pat No. 2ii

6.H&rzl881

I

n

m

IV

V

Bei. 59

(Tageslicht)

%

<%

%>

<%.

Bei. ca. 16

%

%,

'^

%

6U

Bei. ca. 4

%

%,

%.

%.

<"^

Bei. ca. i;^

%

<«,

<%i

%

0

%

IV.

60

60

0

0

<-'■'

0

0

0

0

II

Beleuchtng.BSl (TagesHcht) Bei. > 1 Meine S %

Meine S%

Meine S \ Meine S < !i

m IV. V

% %

>\

%

* dkBcJ 9i

Masson's Scheibe: %,

Masson's Scheibe: Xr

Bei No. 5 habe ich leider wie bei einigen Andern der zuerst Untersuchten meine eigene S bei den niedrigeren Be- leuchtungsstufen nicht notirt; die Schwächung der Beleuchtung war in diesem Falle auf ganz dieselbe Weise wie bei den anderen Patienten durch Gardine und Portiere hervorgenifen; die S der Patienten bei der geringsten Beleuchtung war so

schlecht, nämlich < ~ (oder vielmehr nur H.-U.) dass ihre

bedeutende pathologische Verringerung ganz unzweifelhaft ist

No. 29 hatte central eine geringe pathologische Yer«

Hinderung der S bei massiger Beleuchtung. £r entdeckte

üntersachnng^n über Licht- und Ranmsinn etc. 243

nftmlieh während der Untersuchung, dass er bis vom Centruin hesser sah als im Centrum, hatte dort > Vs« oder < Vii l>©i einer Beleuchtung, wobei er im Centrum S Vis (fOr Schwarz) hatte. Einen solchen Unterschied zwischen peripherischer und centraler S sieht man nicht bei Normalen« Für die blassesten Buchstaben zeigt No. 5 weit geringere S als No. 29. Die S Va4 dieses Letzteren darf als gut be- zeichnet werden, man vergleiche mit No. 13 und ziehe in Betracht die geringere S für Schwarz bei No. 29. Auf Hasson^s Scheibe hat No. 5 eine ausgeprägte pathologische VergrGsserung des Bruches, No. 29 hat dagegen einen einigermassen kleinen Bruch. No. 5 hatte also ausser der Verminderung seiner Wahrnehmungsfähigkeit für Helligkeits- unterschiede bei guter Beleuchtung zugleich eine schlechte S bei massiger Beleuchtung. Er klagte nicht über Hemeralopie, gab im Gegentheil an, dass er gegen Abend und bei bewölktem Himmel hesser sehe, als bei stärkerem Tageslicht. Dies streitet indessen eigentlich nipht mit dem Resultat der Unter- suchung, denn erst bei bedeutender Schwächung der Be- leuchtung nimmt S in abnormem Grade ab.

S meines linken Anges

Amblyopia congen. in Hypera.

(Myopie 2,00) mit unToll-

No. 9.

8t&ndig corrigirter Myopie

No. 17.**)

3.ApiU 1881

I

u

m

IV

V

I

IV

V

BeL 69

Tageslicht

>%.

<^

<%4

(Tageslicht)

%

<x.

%.

%.

>'^

Meine 8») <5^

^

'^

%

BeL ca. 16

X.

<?;«

%

%.

>»^

M.S»)>X,

%

<5i

0

Bei. ca. 4

X.

<5i.

%

^ >5i

M.S*)>%,

<Ji.

BeL ca.2

»5i.

%

'^ <5fe

M.8*)>)i.

5fc'

Heine S<%

<^;8

%.

%.

'4l>^

M.S*)'^

>-/-■

Sehrgeschw.

1/

JH..« 1^

!H>

BeL

%>

%>

%>

>'>4.

60

*) Mit vollständiger Correction der Eefiractionsanomalie. **) Bei einer Entfernung der Tafein von 3 M. mit -^ 0^, von 1 M. mit + 0,50 oder + 0,75 von ^^ M. mit -f 1J5.

16*

244

Dr. med. Jannik Bjerrom.

Retinitis pigmentosa (Fat No. 16).

Nenritis n. opt, atroph, ineip.

ILMai 1881

I

n

m

IV

V

Bei. 69

,

(Tageslicht)

%, %,

<5is

Bei. ca. 16

%s %.

<M8

%*

BeL ca. 35^

%. <yi8

%*

<%.

37i

3t;

Bei. ca. 2

%S \ %i

<^^

?^

H.U

Meine S%

^5' \^4'

au

kaum H.-U,

0

Meines < %,

H.Ü

kaum H.-U.

0

0

0

(excentr. Fixation) (Pat No.39).

2.0ctbr. 1881

1 I i IV V

BeL 40

(Tageslicht)

%B

^

auich«r^

Bei. 2

<5{8

<^

<S.

Meine S %.

%!

\

0

Meines >)^

Ms

<^

0

Masson's Scheibe: y^.

Masson's Scheibe: )^.

Chorioiditis (Pat No. 10).

5.Aprül881

I

n

5/

in

<%4

rv

V

Bei. 82 (Tageslicht)

0

BeL ca. 20

%s

%4

<%*

2Vi 36

0 .

Bei. ca. 5 BeL ca. 2 Meines <»^

0 Sieh

0

Lt mi

0 t Sei

H.-U.

0

0 iwierig

0

0

0

keit

Bewegungen grosser Gegenstände.

Masson's Scheibe: X4-

Atroph, n. opt, Qlanc. ampL (?; (Pat No. 49).

I

IV y

BeL 90

(Tageslicht) Heine S% Heine SX.

ihr '^^ WMlniBd.)

weelMlBdOj 0 ' 0

Heines >^

<^*

Heine SX.

V.

00

Masson's Scheibe: ^

No. 9 und 17 haben gute Sehschärfe sowohl bei schwacher Beleuchtung als bei schwachem Helligkeitsunterschiede, No. 16 schlechte S bei schwacher Beleuchtung, gute bei schwachem H.-U. in guter Beleuchtung. No. 39 hat umgekehrt gute S bei schwacher Beleuchtung, weniger gute S bei schwachem H.-Ü. in guter Beleuchtung. No. 10 und 49 haben beide schlechte S sowohl bei schwacher Beleuchtung als auch bei schwachem H.-U. in guter Beleuchtung, aber doch so, dass

Unteisnchongen über Licht- und Ranmsinn etc. 245

No. 10 namentlich in der ersteren Beziehung, 49 besonders in der anderen Beziehung sich hervorthut.

Anf Tabelle 17 wird man bemerken, wie meine Sehschärfe mit Zerstrenungskreisen weniger und weniger rerschieden, zu- letzt nur wenig yerschieden wird von meiner S ohne diese. No. 16 hat ja eine sehr bedeutende Hemeralopie, würde aber offenbar bei einer Untersuchung nach Weber's Methode dem- ungeachtet keinen erheblichen Mangel gezeigt haben (s. oben). S von No. 9 beginnt auf einem Funkte Abnähme zu zeigen, wo die von No. 16 eben nur anföngt abzunehmen. Bei No. 10 mit der colossalen Hemeralopie bemerkt man ebenfalls, wie lange die S sich bei geschwächter Beleuchtung gut erhält.

Der Versuch mit Masson's Scheibe zeigt im Ganzen Besultate, die mit dem Besultat der S-probe bei geringem H.-U. und guter Beleuchtung übereinstimmen. Bei No. 10 mit der starken Hemeralopie ist der Fechner'sche Bruch Vi4; auf Tafel V ist seine S = 0 (d. h. es wurde kein H.-Ü. an der Stelle der Buchstaben wahrgenommen), obgleich der H.-Ü. hier grösser als Vu ist. Dies rührt offenbar von der schwächeren Beleuchtung bei der S.-probe her, in Verbindung mit der excessiven Hemeralopie, an welcher Patient litt. Bei No. 49 ist die Hemeralopie ja weit schwächer ausgesprochen als bei No. 10, allein der Fechner'sche Bruch ist grosser.

Amblyopia in strabismo (Fat No. 25). Atrophia n. opt. (Fat No. 19).

17. Juli 1881

I

n

m

IV

V

Bei. 100

(Tageslicht)

<^

»^

%

<!i

%

Bell«

<%.

^

*%.

<*^

<'^

Bei. 5

*?;.

•^

<'^

«V. 36

<'A

Heine» *%

>^

%.

<'^

36

2V. 36

Meine S ^

^86

^36

\

<!6)

Meines»^

1'/. S6

"i

<'4

36

ö

1. Juni 1881

I

U

m

IV

V

Bei. 50

(Tageslicht)

%

%

38

'4

%,

Bei. 4

%

*^

<♦^

%

%,

Bei. < a

^ ^%

<%»

\

%)

Meine S%

■^

■^

kaam

a-u.

kAtttn H.-Ü.

0

Massong Scheibe: \. (Fühlte sich

angestrengt und hatte Eop&chmerzen

nach den Sehproben

246

Fat. No. 18. (S meines linken Auges ohneCorrection der Myopie von 2,0 D).

Dr. med. Jannik Bjermm.

Atrophia n. opt (Fat Na 13;.

I

II

m

IV

V

Tageslicht

(Sonne)

%

<X,

<%.

•A

<5i

Ueschwächte

Beleacbtung

%.

•^

<'A

%

<^

15.Apiül881

Bei 64

<%5 (Tageslicht)

Geschw&cht.

^ Belenchtnng

I U

<*4

«V.

in

i

IV I V

s/ ikna

Masson's Scheibe: ^.

No. 12 hat eine bedeutende und No. 19 eine nicht un- bedeutende Verminderung der S f&r die blassesten Buchstaben bei guter Beleuchtung. No. 19 hat gute S bei massiger Be- leuchtung. No. 12 ist nicht untersucht worden bei so staiker Herabsetzung der Beleuchtung wie gewöhnlich. Das andere Auge des Fatienten hatte indessen auch atroph, n. opt und hatte S Vi8 ohne deutliche Hemeralopie, aber mit deut- licher Verminderung der S fftr die Tafel V bei guter Be- leuchtung (nämlich nur S Vie). Man vergleiche No. 12 und No. 18 in Bezug auf ihre S fOr Tafel V; die geschwächte Beleuchtung, bei welcher diese zwei Fatienten untersucht wurden, war far beide ungefähr dieselbe.

Amblyopia in strabismo

und hypermetropia (Fat.

No. 41).

I

IV

V

BeL82

(Tageslicht)

<^

<54.

'Ji

Meine S %

^

<i4.

0

Meine S>i/g

'^

H.Ü

0

(Das reobte nor- male Aoged. Pa- tient iuioh>VJ

Mas8on*s Scheibe: '4.

No. 41 hatte im Vergleich mit andern Individuen mit derselben oder einer besseren S bei der ge- wöhnlichen Sehprobe gute S bei massiger Beleuchtung und geringem H.-U., sowie guter Unterscheidungs- fähigkeit auf der Masson*schen Scheibe. Man darf sich wohl fast darüber wundem, dass ein Indivi- duum mit < Via bei einer Be- leuchtung, bei der ich S > Vu habe, noch S Vi< bat, und dass es auf der Masson'schen Scheibe (Scheibe B) noch Vm unterscheidet

UntefBachaiigeii über Licht- und RaumBinn etc. 247

Im Yoistehenden ist keine Bücksicht genommen wor- den auf ein Moment, welches bei den schwächeren Be- lenchtongsgraden auf S Einfluss haben kann, nämlich die Weite der Pupille. Eine ungewöhnlich enge Pupille wird nämlich S bei massiger Beleuchtung verringern, ganz einfach weil die Beleuchtung der Netzhaut dadurch ver- mindert wird. Wenn daher einige der untersuchten eine ungewöhnlich enge Pupille gehabt haben, wird dies an und fax sich verursacht haben können, dass Hemeralopie ge- funden wurde, um zu eruiren, eine wie grosse Bedeutung diesem Momente überhaupt beizulegen ist, habe ich eisige Untersuchungen vorgenommen.

Mit Gorrection ihrer Myopie haben meine Augen bei massiger Beleuchtung dieselbe S. Meine beiden Pupillen sind ungewöhnlich gross. Ich tröpfelte E serin in mein rechtes Auge. Dadurch wurde die rechte Pupille zu einer Grösse wie Gharriöre No. 6 reducirt. Die Bestimmung dieser Weite wurde von 3 verschiedenen üntersuchem mit ganz demselben Resultate gemacht.'*') Wenn ich, am Fenster stehend, mein Gesicht dem Hintergrunde des Zimmers zukehrte, und beide Augen bedeckt waren, war der Durchmesser der eserinisirten Pupille unmittelbar nach Entfernung der sie bedeckenden Hand höchstens wie Charrifere No. 7. Gleichzeitig war die Weite der andern Pupille wie Charrifere No. 20 oder 21— eine grössere Weite als 21 erreicht meine Pupille unter normalen Ver- hältnissen durch Verdecken beider Augen nicht, mehrere Male constatirt.

Ich prüfte nun meine S bei massiger Beleuchtung mit dem eserinisirten rechten und dem linken Auge, natür-

*) Die gewöhnliche Chamdre*8che Scala zur Bestimmung des Kalibers von Bongies lässt sich meiner Erfahmng nach ganz gat zur Messung der Weite der Pupille (des Hornhautbildes der Papille) anwenden. Verschiedene Untersucher stimmen in ihren Schätningen sehr gut Uberein.

248 ^^' nicd* Jannik Bjerrum.

lieh mit voller Correction der Myopie beider Augen. Dabei fand ich:

Wenn das linke Auge S < ^19 hatte, so hatte das

rechte Auge Vsci

Wenn das linke Auge S Vis hatte, so hatte das

rechte Auge Vs6. Zu Ende des Versuchs war die Weite der rechten Papille dieselbe wie vorher.

Nun findet sich kaum jemals eine Pupille, die, wenn nicht Synechien oder andere besondere pathologische Verhältnisse vorhanden sind, bei massiger Beleuchtung enger, als Charriöre No. 6 bis 7, (Durchmesser von 2 Mm.) wenn überhaupt so eng, ist. Es ist daher klar, dass bei einem Individuum, wo aus keinem andern Orunde Hemeralopie vorhanden ist, nicht einmal eine so enge Pa- pille eine solche von irgendwelcher Bedeutung bedingen wird. Die Verengerung der Pupille bedeutet eine Ver- minderung der Beleuchtung, und bei Amblyopien ohne Hemeralopie nimmt S ja sogar weniger mit der Beleuch- tung ab als bei dem Normalen.

Die Grade von Hemeralopie bei meinen Patienten, an welche das Interesse sich besonders knüpft, sind hiemach zu bedeutend, als dass man denken könnte, die Hemera- lopie sei durch Pupillenenge entstanden. Ein Paar Andere, wo zugleich abnorm verringerte S far die blassen Buch- staben bei guter Beleuchtung vorhanden war, würden eher grosseres Interesse haben, wenn ihre Hemeralopie einer engen Pupille zu verdanken wäre. Auf die üebrigen ist nur wenig Gewicht gelegt worden; es sind im Ganzen nur ein Paar. Ein etwaiger Einfluss einer engen Pupille kann daher jedenfalls die Sätze von eigentlichem Interesse, die ich auf Grund meiner Untersuchungen aufgestellt habe, nicht beeinträchtigen. Schliesslich darf ich bemerken, dass Förster die Bücksicht, welche bei der Photometerunter- suchung auf die Weite der Pupille genommen werden

Untersnchungen über Licht- und Raumsinii etc. 249

muss, unbesprochen lässi Seine Resultate mflssen daher ohne BQcksicht auf diese erreicht worden sein.

Endlich ist eines ümstandes von sehr wesentlichem Interesse nnd gleicher Bedeutung für die Auffassung der in dieser Abhandlung angeregten Fragen zu gedenken. Wenn, wie ich zuweilen gefunden liabe, ein Patient mit excentrischer Fixation einen bedeutend grösseren Fechner'schen Bruch zeigt als der normale und keine He- meralopie vorhanden ist, könnte dann nicht die excentrische Fixation als solche sowohl den Mangel der Hemeralopie wie auch die Vergrösserung des Fechner'schen Bruches bedingen?

Benutzt ein Patient eine normale, nicht allzu excen- trische Netzhautpartie zur Fixation bei massiger Beleuch- tung, dann wird S ftlr Schwarz hierbei verhältnissmassig recht gut sein können, sogar wenn der Patient bei guter Beleuchtung normale centrale S hat. Es ist leicht zu constatiren, dass der Unterschied zwischen der Peripherie und dem Gentrum unter normalen Verhältnissen mit Be- zug auf S desto kleiner wird, je schwächer die Beleuch- tang ist. 10^ vom Centrum habe ich z. B. ungefähr S Vai und < Va« hei Beleuchtungen, bei denen meine centrale S respective und V" ist, 15^ vom Centrum ist meine S bei diesen Beleuchtungen < Vse. Bei guter Beleuchtung ist meine S an diesen peripherischen Partien natOrlich viele Male geringer als im Centrum. Es ist femer von verschiedenen üntersuchem *) festgestellt, dass die Beiz- schwelle für peripherische Netzhautpartien sogar sehr weit in der Peripherie hinaus ebenso klein, ja theilweise sogar etwas kleiner ist als im Centrum. Aus diesem Grande wird bisweilen gesagt, dass der Lichtsinn ungefähr gleich gut in der ganzen Ausdehnung der Netzhaut sei,

*) Aubert (Physiologie der Netzhaut) und Schadow (Pflüger*8 Archiv, 1877). Ich kann dasselbe aus eigener Er- fahrung ganz bestätigen.

250 £>r- me^ Jannik Bjeinun.

dass das Centram nicht wie beim Samn- and Farb^ismii einen Vorzug in dieser Beziehung besitze. Dieser Satz ist indessen im Allgemeinen unberechtigt, denn die Ünter- schiedschwelle bei grosserer absolater Helligkeit ist in der Peripherie grösser als im Centrum, obgleich die Beiz- schwelle dieselbe ist. Dobrowolsk; und Gaine"^) fimden durch Versuche mit einer weissen Masson*schen Scheibe bei guter Beleuchtung bei Indinduen, welche normale S hatten, und welche central einen Helligkatsunterschied von V^M oder ^iw unterscheiden konnten^ Folgendes: vom Centrum wurden nach innen im Gesichtsfelde Ves bis V75 unterschieden (nach aussen im Gesichtsfelde ^a bis Vas), 20^ vom Centrum nach innen V"«« V»« (Mß'^ aussen Vis— V»*» 60 bis 65° nach innen V* (m^I^ aussen Ve-a— Vs.*)» 80** nach aussen V*- Charpentier**) giebt gleich&lls an, dass die F&higkeit zwischen verschie- denen, gleichzeitig hervortretenden Helligkeiten zu unter- scheiden vom Centrum nach der Peripherie bedeutend ab- nimmt. Ich habe in dieser Beziehung einige üntersuchan- gen an mir selbst und an einigen andern Normalen mit der Scheibe A bei guter Beleuchtung unter denselben Ver- hältnissen wie bei den übrigen Untersuchungen mit der Masson*schen Scheibe angestellt. Bei genauer monoculftrer Fixation des Bandes der weissen Scheibe wurde der kleinste Sector bestimmt, welcher innen auf der Scheibe noch deutlichen Helligkeitsunterschied hervorbrachte. Es wurde gefunden, dass ca. vom Centrum ein Helligkeits- unterschied, der etwas grösser als V^o (kleiner als Vm) war, von Allen erkannt wurde; 10° vom Centrum wurde von Einigen V^s erkannt, von Andern nicht mit Sicher- heit, wohl aber Vse; diese Zahlen vertreten Werthe, welche jedenfalls von den Betreffenden erkannt wurden. Wahr-

*) Pflüfirer's Archiv, 1876. ♦♦) ATchives d*ophthalmologie, 1881 (Janv.— F6?r.).

üntersachongen über Licht- und Raamsiiiii etc. 251

scheinlich würde ein genaueres Yariiren der Grösse des schwarzen Sectors gezeigt haben, dass sie einen noch etwas kleineren Helligkeitsnnterschied als den angegebenen er- kannten. Wenn man dem Centram näher geht als 5^ ste^ die Fähigkeit, Helligkeitsnnterschiede bei guter Be- leuchtung zu erkennen, sehr schnell.

Man konnte sich nun denken, dass in allen denjenigen Fallen, wo eine Yergrösserung des Fechner'schen Bruches vorliegt, aber keine Hemeralopie gefunden ist, dies ganz einfach davon abhängig sei, dass das Sehen bei massiger Beleuchtung excentrisch war. Hierbei könnte ja eine im Centrum möglicherweise vorhandene Hemeralopie sich der Entdeckung entziehen. In dergenigen meiner Fälle, in welchen keine excentrische Fixation notirt ist, ist indessen gewiss keine solche weder bei guter, noch bei schwacher Beleuchtung von irgendwelcher Bedeutung vorhanden gewesen. Ich hatte stets meine Aufmerksamkeit darauf gerichtet. Dass z. B. No. 30 sowohl bei schwacher als bei guter Beleuchtung centrale Fixation hatte, ist ganz entschieden, es wurde sorgfältig con- statirt. Entschieden ist, dass die centrale Partie der Betina hier keine Hemeralopie, dagegen eine sehr be- deutende Yergrösserung des Fechner'schen Bruches zeigte. In dem erwähnten Falle No. 39, in dem ich excentrische Fixation notirte, &nd diese sowohl bei guter als auch bei schwacher Beleuchtung mit einer Partie der Netzhaut ca. 2^ vom Centrum Statt. Hier ist unter normalen Ver- hältnissen die Wahrnehmungsfähigkeit für Helligkeits- unterschiede mehrere Male besser als die, welche dieser Patient zeigte (V26).

Naclitng. Untersuchung des Lichtsinnes der ge- sammten Netzhaut („totaler Lichtsinn'O« Dies ist eine Untersuchung des „successiven** Licht- sinnes im Gegensatz zu den bisher besprochenen Licht-

252 I>r. Md. Janik JB^emm

smnnntersiicliiiiigeii, wdehe den „äimiittiiien*' Uditsbin zam (jegenstand hatten. IHe Methode hat ihr Yoibäd in der wohlbekannten Lichtannimtersaehmi|^ bei einem Patienten, da* eine reife, totale Kataiakt hat Die kata* raktöse Linse diffondirt das Lieht einer Liditqndle ober die ganze ADsddmnng der Netzhaut. Man bringt doi Patienten in ein donkles Zimmer, stellt ihn einer Licht- welle gegenüber, deren Intensität willküilieh locht ver- ändert werden kann, und sacht jetzt die kleinste Intensität welche diese Lichtwelle habai kann, damit der Patient noch den Wechsel von hell nnd dunkel erkennt, je nach- dem Licht auf sein Ange ßllt, oder dasselbe beschattet wird. Als Lichtquelle zu diesem Gebraudi oonstrairte V. Graefe sein wohlbekanntes Photometer.

Aubert*) hat eine physiologische Bestimmung dieses „totalen Lichtsinnes^^ gemacht. Er benutzte dazu einen grossen Schirm von weissem Papier. J)er Beobachter be- findet sidi hinter dem Schirm, in der Mitte dessdben und in möglichster Nähe desselben, so dass bei oonTergirendea Augenaxen der Schirm das ganze Gesichtsfeld aus- fbllt.'^ Er bestimmte nun in einem absolut finsteren Zimmer die geringste Lichtmenge, welche von vorne auf den Schirm &llen musste, damit der Beobachter (A. selbst) eben wahrnehmen konnte, wenn die LichtweUe abwechselnd verdeckt und frei gelassen wurde.

Eine Untersuchung der Art war schon froher in Dr. Edm. Hansen's Klinik vorgenommen worden. Dr. Krenchel hatte auf zweierlei Art versucht, das Auge mit einer reifen Totalkatarakt nachzuahmen, entweder indem er einen ziemlich grossen Schirm von weissem Papier, welcher den grOssten Theil des Gesichtsfeldes einnahm, unmittelbar vor dem Auge aufstellte; oder dadurch, dass er ein Milchglas, ungefähr von der Form eines grossen

*) Physiologie der Netzhaut, pag. 47— 5a

üntersnchimgeii über Licht- nnd RAimiftiiin etc. 253

periskopiscben Brillenglases, vor dem Auge anbrachte. Mit Hülfe dieses letzten erreichte man am leichtesten die Verdeckong des ganzen Gesichtsfeldes. Das Glas war von ovaler Form und hatte eine Fassung, welche einigermassen der Fonn des Gesichtes rings um den margo orbitalis angepasst war. Dieses periskopische Milchglas benutzte ich. Durch ein wenig Baumwolle wurde dafbr gesorgt, dass durchaus kein Licht in's Auge drang, ausgenommen durch das Milchglas. Das Auge, welches nicht untersucht wurde, wurde sorgfiUtig verbunden.

Wenn man ein derartig armirtes Auge in derselben Weise wie ein kataraktOses auf Lichtsinn untersucht, so bestimmt man also die schwächste Beleuchtung, welche die Netzhaut überhaupt aufEassen kann, wenn erstere un- mittelbar mit absolutem Dunkel abwechselt, d. L man be- stimmt die Beizschwelle für die Netzhaut in toto. Ich richtete meinen Versuch ausserdem so ein, dass ich zu- gleich das Minimnm bestimmte, um welches eine gewisse vorhandene stärkere Beleuchtung vermehrt werden musste, wenn das Auge diese Vermehrung eben sollte aufEassen können, m. a. W. ich bestimmte die Unterschiedsschwelle für die Netzhaut in toto bei einem gewissen höheren Be- leuchtungsgrade, nämlich bei der Beleuchtung der Netz- haut durch ein Stearinlicht in einer Entfernung von ^1% Meter vom Auge.

Es boten sich mir indessen bei diesen Versuchen be- deutende Schwierigkeiten. Erstens verfugte ich über kein absolut finsteres Zinmier. Es fEmd sich stets in demselben eine leicht zu erkennende Beleuchtung, und diese Be- leuchtung war den umständen nach sehr verschieden. In Folge dessen Hess die Beizschwelle sich nicht bestim- men, und die Bestinmiung der ünterschiedsschwelle wurde ungenau, da man den Grad der Beleuchtung, wobei der Versuch gemacht wurde, nicht genau kannte. Femer vnirde es in hohem Grade schwierig, Vergleichungen an-

254 I>r* med. Jannik Bjemun.

zastellen zv^ischen den zu verschiedenen 2Mten unter- suchten Patienten mit Bezug auf diesen Versuch, weil dk Beleuchtung in dem „finstem" Zimmer, wie gesagt, ziem- lich verschieden war. Ausserdem war der Versuch far die Patienten recht schwierig und beschwerlich, und dies Mo- ment wurde von besonderer Bedeutung, weil dieselben zuvor allen den verschiedenen anderen Untersuchungen unterworfen worden waren. Aus diesen Gründen gab ich vorläufig die weitere Verfolgung der Untersuchungen des totalen Lichtsinnes auf.

In der Begel wird man den Versuch so machen müssen, dass das andere Auge zugebunden wird. Aliein hier zeigte sich eine neue Schwierigkeit, welche von dem „Wettstreit der Netzhaute'' herrührte. Ich ftkhre hier an, was ich unmittelbar nach der Untersuchung meines eigene einen Auges bei Verbinden des anderen notirte: Blicke ich mit unveränderter Eopfstellung und ohne zu blinzeln nach einem vor mir stehenden Stearinlichte, so sehe ich das periskopische Glas zwar Anfangs wie eine einArmig leuchtende Fläche; allein diese verfinstert sich sehr schnell. Es verliefen nur wenige Secunden und das Gesichtsfeld ist ebenso dunkel wie soweit sich dies beurtheilen lässt sonst in einer dunklen Stube. Eine finstere Wolke zieht sich gleichsam über das Ganze hin, stets von der- selben Seite des Gesichtsfeldes aus, nämlich von der Nasenseite her beginnend. Dass der „Wettstreit der Netz- häute'' dies Phänomen verursachte, ging daraus hervor, dass die Erscheinung ausblieb, wenn ich ein periskopisches Milchglas auch vor das andere Auge brachte. In diesem Falle beobachtete man nur eine weit geringer ausgeprägte, ganz successiv sich entwickelnde Verdunkelung des Ge- sichtsfeldes, die der „Ermüdung der Netzhaut"*) zu ver- danken war.

*) Aubert scheint mir (1. c) ohne Gnrnd diesem Adaptations« processe grosse Bedeutung als Schwierigkeit bei der Bestimmuig

Untersaclmngen über lacht- und Ranrnsüm etc. 255

Diese Wettstreit-Erscheinung zeigte sich jedoch nicht, wenn der Versuch bei möglichst minimaler Beleuchtung ausgeführt wurde.

Nur ein einzelner Fall, dessen ^totalen Lichtsinn" ich untersuchte, und der trotz der genannten Mängel der Untersuchung doch in ganz unzweifelhafter Weise sich von Interesse erwies, soll erwähnt werden. Zuerst werde ich jedoch ein Paar Untersuchungen meines eigenen totalen Lichtsinnes mittheilen; dabei wird das Verfahren bei der Untersuchung klar hervortreten.

Um den Einfluss zu beseitigen, den die Beleuchtung im finstem Zimmer haben musste, untersuchte ich mich selbst an einem dunklen Abend (22. April 1881).

Die Wände des Zinuners waren dunkel, das dichte £ou- leaux ganz herabgerollt. Das Zimmer war nun ToUständig finster. Vor meinem linken Auge wurde das periscopische Milchglas angebracht und das rechte Auge verbunden. Nach einer viertelstündigen Adaptation stellte ich mich vor v. Graefe's Photometer, das mit Diaphragma No. 3 (Quadrat mit 3 Mm. Seite) eingestellt war. Indem ich abwechsehid mich demselben n&herte und davon entfernte, zeigte sich, dass ich höchstens in einer Entfernung von 1,75 Meter Lichtwechsel erkennen konnte, wenn ein Gehülfe seine Hand dicht vor die leuchtende kleine Fläche, welche das Diaphragma bildete, hielt und die- selbe wieder entfernte. Der Versuch wurde wiederholt sehr sorgfältig angestellt und dauerte ca. Va Stunde ausser der Viertelstunde, in der ich adaptirte.

Darauf wurde ein Stearinlicht Va Meter vor meinem mit dem Glase versehenen Auge aufgestellt. Ich adaptirte während einer Viertelstunde und eine audere Viertelstunde verging, um die durch ein anderes Stearinlicht hervorgebrachte

der UnterscMedsschwelie beizulegen. Er bespricht daselbst als eine schwierige, aber schwer su erfüllende Forderung bei diesen Versuchen, dass der ganze Unterschied in einem Augen- blicke gesetzt werden muss. Bei der von mir angewendeten Untersuchungsweise wird derselbe ohne Zweifel so momentan gesetzt, als man nur wünschen kann.

256 ^' m^ Jaimik Bjeimin.

kleinste wahrnehmbare Steigerang der Beleuchtong zu be- stimmen. Ein Gehülfe beschattete wechselweise mit seiner Hand dieses Stearinlicht, und wechselweise zog er die Hand zurück. Das Stearinlicht wurde nun eben so weit entfernt dass der dadurch erzeugte Wechsel in der Beleuchtung nicht langer erkannt werden konnte. Darauf wurde das Licht wieder näher gebracht bis es sich grade deutlich und sicher ^erkennen liess. Ich fand, dass eine Steigerung der Beleuchtung bei einer Entfernung dieses anderen Stearinlichtes von 3,15 Meter sich durchaus nicht erkennen liess, etwas näher wurde dieselbe erkannt, aber unsicher und keineswegs immer. Voll- ständig sicher und deutlich wurde dieselbe jedenÜEJls bei einer Entfernung von ca. 2,25 Meter erkannt

Ich finde unter den erwähnten Verhältnissen also, dass bei der Beleuchtung, die ein Stearinlicht in einer Entfernung von Meter hervorbringt, mein linkes Auge eine Vermehrung der Beleuch- tung der Netzhaut in toto mit ca. V24 bis ^u bei Vergleichung in unmittelbarer Aufeinanderfolge eben erkennt

Bei diesem letzten Versughe trat der Wettstreit der Netzhäute hervor. Derselbe stOrte nicht wenig, und ich muss dahin gestellt sein lassen, ob derselbe auf das Be- sultat irgendwelchen wesentlichen Einfluss hatte. Es schien mir nicht so, allein das Verhältmss wurde sich ungünstiger stellen bei vielen Patienten, deren Aoffassong des ganzen Versuchs durch den Wettstreit leicht gestOrt werden könnte.

Charpentier*) hat seine „sensibilit6 aux differenees des lumiöres successives'^ für begrenzte Abschnitte der Betina, theils im Gentrum, theils in der Peripherie untersucht. Er fand dabei die gleiche Fähigkeit in dieser Beziehung, in der Peripherie und im Gen-

*) Archivea d'ophthahnologie, tome I, 2 (Janv— P6vr. 1881), pag. 152 ff.

UntenediiDifeB tber Idclit- uad Rannwimi etc. 257

trum. Er sag^ meht, wie gross der Sehwinkel für die benutzte, mit Tarürender Helligkeit leuchtende Fläche wv, aber derselbe scheint von nicht unbedeutender Grosse ge- wesen zu sein. Der Bruch, den er fimd, und der also sowohl fbr die Peripherie als far das Gentmm galt, war Vioo bis Vioo. Derselbe war oonstant: „quelle que seit Tintensit^ absolne de Teclairage employö''; allein er be- nutzte eigener Aus»^e nach nur Heiligkeiten mittlerer Intensität, weder sehr grosse, noch sehr kleine. Er meint selbst, dass die Verhältnisse bei diesen sich etwas anders stellen wurden. FUr die ganze Netzhaut in toto habe ich also ca. Vioo bis Vioo gefunden.

Um zu zeigen, einen wie grossen Einfluss die Be- leuchtung in dem durch ein didites, ganz herabgezogenes Rouleau verfinsterten Zimmer am Tage hat, fahre ich zum Vergleiche mit dem Vorstehenden folgende an mir selbst angestellte Untersuchung an:

26. April 1881. (Ziemlich dnnkles Wetter.) In einer Entfernung yon 0,75 Meter erkenne ich znr Noth, in einer Entfemnng von 0,86 Meter ganz und gar nicht die durch das grösste Diaphragma des v. Graefe'schen Photometers (Quadrat von ca. 17 Mm. Seite) hervorgebrachte Beleuchtung. Wird ein Stearinlicht vor das mit dem Milchglase versehene Auge gebracht, so wird ein anderes Stearinlicht zur Noth in einer Entfernung von 1,80 Meter erkannt, nicht in einer Ent- fernung von 2 Meter.

Man sieht wie natürlich ist , dass der Unter- schied von dem Versuche im absolut finstem Zinuner bei der letzten Anordnung (mit der stärkeren Beleuchtung) weit weniger ausgesprochen ist, als bei der ersten (mit Y. Graefe's Photometer).

Es würde nicht schwierig sein, einen so finstern Saum herzustellen, dass die Prüfung, was diesen Umstand an- langt, mit vollständiger Zuverlässigkeit ausgeführt werden konnte zum directen Vergleich der Patienten unter ein-

▼. Qnefo'a Areblv für Ophtlulmologie, XXX. 2. 17

258 !>'• med. Jamiik Bjemun.

ander and mit Normalen, nnd ich glanbe dann anch, dass es sich der Mühe lohnen würde, eine methodische Unter- suchung der Verhältnisse des totalen Lichtsinnes bei yer- schiedenen Augenkrankheiten anzustellen. Die Prüfung hat den Vortheil, dass durchaus keine Anforderungen an den Raumsinn gestellt werden. Derselbe ist eine so reine Lichtsinnprobe als möglich. Andererseits ist es indessen nicht sehr ermunternd, dass ich bei derüntersuchnng der Netzhaut in toto eine ünterschiedsschwelle gefunden habe, die nur 2 mal kleiner ist, als die, welche Charpentier für einen begrenzten Ab- schnitt der Retina von einer gewissen Orösse und von beliebiger Lage fand. Hiernach scheint, dass viele Retinaelemente ihre Functionsfähigkeit einbüsaen können, ohne dass die Prüfung irgend einen Ausschlag von Bedeutung giebt. Indessen könnte möglicherweise das Verhältniss mit Bezug auf die Reizschwelle ein anderes sein. Hierauf scheint der folgende Fall hinzudeuten. Ausserdem wird man sich erinnern müssen, dass, wenn Charpentier für einen Abschnitt der Ratina von gewisser Grösse eine gewisse Feinheit des Sinnes für successive Beleuchtungsunterschiede fand, nicht daraus folgt, dass wenn man sich seine ganze übrige Retina ausser Function gesetzt dächte, jener restirende Abschnitt dann bei einer Prüfung des „successiven Lichtsinnes^' (wie bei der von mir beschriebenen) dieselbe Feinheit desselben zeigen würde wie bei der Prüfung von Charpentier, bei welcher die Cent euren aufgefasst wurden, welche dies» beleuchteten Abschnitt der Retina von den nicht beleuch- teten Abschnitten abgrenzten.

Es ist nur noch übrig, folgenden, oben berührten Fall, der ein unzweifelhaftes Interesse hat, mitzutheilen.

Patient No. 14. Atroph, n. opt. utr. S. o. d. < Vü- S. 0. s. < Vw. Ausser dieser verschiedenen Sehschärfe ist hervorzuheben, dass sich ein grosser Unterschied zeigte in

üntersachoiigen über Licht- und Raumsinn etc. 259

der Ausdehnung der Gesichtsfelder, indem das rechte Auge, welches die beste S hatte, ein ausserordentlich kleines Gesichtsfeld im Vergleich mit dem linken besass. Das Gesichtsfeld desselben hatte nämlich in der Querrichtung nur einen Durchmesser von 13^ bis 14°, in senkrechter Richtung nur von 9>-10°, während das Gesichtsfeld des linken Auges in diesen Bichtungen Durchmesser von resp. 60^ und 45° hatte.

Der Patient wurde ungefähr in der Mitte des „dunklen" Zimmers aufgestellt mit dem Bücken gegen das Fenster und mit dem periscopischen Milchglas vor dem einen Auge, während das andere Auge verbunden war. Mit dem rechten Auge erkannte er nach Adaptation in ca. 20 Minuten die Beleuchtung eines Stearinlichtes (welches natürlicherweise grade vor ihm angebracht war) deutlich in einer Entfernung von 0,75 Meter, durchaus nicht in einer Entfernung von 1 Meter. Mit dem linken Auge erkannte er dagegen dasselbe noch deutlich in einer Entfernung von 3 Meter, gamicht bei 4 Meter. Das linke Auge ist also dem rechten weit überlegen: die Beleuch- tung, welche von einem Stearinlicht auf das periscopische Milchglas bei einer Entfernung von 3 Meter fällt, ist 16 mal kleiner als die, welche auf dasselbe von einem Stearinlichte in einer Entfernung von 0,75 Meter fällt. Der Patient stand nicht auf demselben Fleck im Zimmer bei der Probe mit beiden Augen. Bei dem Versuch mit dem linken Auge, wobei das Stearinlicht am meisten entfernt werden musste, war es nämlich nothwendig, um dazu Platz zu schaffen, dass Patient näher an das Fenster herantrat, so dass er sogar nicht den Bücken demselben gerade zukehrte. Die Folge hiervon war, dass bei der Untersuchung des linken Auges bedeutend mehr von dem diffusen Tageslicht auf das Glas fiel als bei der Untersuchung des rechten Auges, allein es ist einleuchtend, dass dies eben bewirken wird, dass man eine geringere Ent- fernung des Stearinlichtes (eine stärkere Beleuchtung) bei der Untersuchung des linken Auges findet. Der gef^dene Unterschied zwischen den Augen kann also in Wirklichkeit nur kleiner sein, als wenn diese Ungenauigkeit nicht vorhanden gewesen wäre.

Nach Aufstellung eines Stearinlichtes Meter vor dem mit dem Glase versehenen Auge erkannte das rechte Auge die Beleuchtung eines andern Stearinlichtes deutlich in einer

17*

260 I^* m^ Jannik Bjermm.

Entfemimg Ton 0,55 Meter, durchans nicht bei 0.70 Meter, das linke Auge deutlich bei 0,80 Meter, durchans nicht bei 1 Meter. Der Belenchtnngsnnterschied ist hierbei f&r das linke Auge nngefUhr halb so gross als fflr das rechte Ange (wenn nnr Rücksicht genommen wird anf die Belenchtong der Stearinlichter). Bei dem vorhergehenden Versuche war der Unterschied zwischen den beiden Angen ja bedeutend grosser.

Wie grosse oder geringe Bedeutung man nun auch diesen Zahlen beilegt, so geht doch so viel aus denselben mit Sicherheit hervor, dass das linke Auge mit der Netz- haut in toto besseren Sinn für successive Beleuchtungs- unterscbiede hatte als das rechte. Mit einer bedeutend geringeren centralen S als das rechte hatte das linke Auge ein bedeutend grosseres Gesichtsfeld. Das erwähnte Re- sultat der Prüfung rührt offenbar von der verschiedenen Grösse der Gesichtsfelder her.

Ich weiss zwar, dass mein Material in mehrfacher Beziehung mangelhaft ist, es ist nur ein Anfang. Allein es scheint mir, dass doch dadurch Dinge von einigem Interesse gefunden sind, und ich hoffe daher, dass es als nicht unzeitig angesehen werden möchte, eine Darstellung derselben zu geben. Dadurch habe ich dann Gelegenheit gefunden, die Hauptrichtungen hervorzuheben, in welchen meiner Meinung nach die Untersuchungen über die Patho- logie des Lichtsinnes zu gehen haben.

Fr&paratorisolie Irideotomie nnd antiseptisclie Behandlung.

Von J. Jacobson sen.

Auf dem Gebiete der Staar-Extraction sind wir, sofern den neueren statistischen Angaben Glauben geschenkt werden kann, in den letzten Jahren ein Stück vorwärts gekonunen, nnd zwar verdanken wir, wenn ich nicht irre, unsere Fortschritte den Chirurgen, von denen wir gelernt haben, dass die erste Bedingung für eine gute Wund- heilung — abgesehen vorläufig von dem specifisch schäd- lichen Einflüsse gewisser Mikroorganismen die scrupu- löseste Beinlichkeit sei.

Möglichst gute Lüftung des Zimmers, Säuberung der Kleider und Hände des Operateurs, der Assistenten und des Wartepersonals, Beinigung des Auges und seiner nächsten Umgebung von Staub, fremden EOrpern, Secreten, Entfernung aller den Instrumenten an- haftenden, übertragbaren Substanzen, endlich soi^- fUtige Auswahl sicheren Verbandmaterials, das sind in wenigen Jahren selbstverständliche, allgemein verbreitete Postolate geworden, von denen jeder Operateur in erster Reihe seine Erfolge abhängig macht.

262 J* Jacobson aen.

Während man in Mherer Zeit den Schwerpunkt in eine besonders fein ausgebildete Technik, in die zarteete, manuelle Behandlung und ftusserste Schonung des kleinen Operationsgebietes verlegte, scheut man sich heute im Vertrauen auf den allmächtigen Schutz der Antisepsis vielleicht zu wenig, LOffel und Spatel in*s Auge einzu- fahren, „die vordere Kammer mit desinficirenden Flüssig- keiten zu durchspülen'* (Pflüger), verdächtige Wunden zu Offiien und mit verhältnissmässig starken CarbollOsungen auszuwaschen.

Mag im- einzelnen Falle auch zu weit g^angen sein, im Allgemeinen scheinen die Erfolge unzweifelhaft zu lehren, dass auch das Auge grObere, länger dauernde Operationen gut verträgt, dass es auf Form, Grösse und Ort der Wunde wenig ankonmit, wenn jede Infection sorgfältig vermieden wird, dass endlich die meisten, wenn nicht alle Wnndeiterungen, über welche die Operateure aller Zeiten trotz tadellos ausgefährten Operationen sich zu beklagen hatten, in nichts Anderem, als in mangefaider Sauberkeit, ihre wesentlichste, vielleicht einzige Ursache gehabt haben.

Die Wundeiterungen, welche hierbei in Betracht kommen, kündigen sich schon in den ersten 24 Stunden nach der Operation an und fuhren in der Form des Bing- abscesses zur Panophthalmitis; sie sind Folgen einer Infection während oder unmittelbar nach der Operation, die sich vermeiden lässt. Ob später auftretende, schleichende Wundeiterungen, die sich nach Einklemmung von Eapsel- zipfeln, Irispartieen oder Bindenstücken entwickeln, eben- falls als durch Infection entstandene aufzufassen sind, mag dahingestellt bleiben; die Möglichkeit wird kaum bestritten werden können, wenn man zugiebt, dass dergleichen Wunden immer mehr oder weniger klaffen und deshalb den Eintritt von Mikroorganismen in's Innere des Auges auch mehrere Tage nach der Operation zulassen.

Prftparatorische Iridectomie n. antüept. Behandlung. 263

Die Zuyersicht, mit der wir heute grade die gefthr- lichsten Wundeiterangen einfach durch scrupnlOse Beinlich- keit verhüten zu können glauben, legt es uns nahe, einen Bückblick auf die letzten Decennien, die so zahlreiche Veränderungen der Eitractions -Methoden erzeugt haben, zu werfen und die Frage zu stellen, ob alle Mühe, alles Nachdenken damaliger Zeit verlorene Arbeit, ob all unsere scheinbaren Fortschritte eitle Täuschungen gewesen seien.

Die Antwort darf, glaube ich, for weitere Bestrebungen nicht entmuthigend ausfallen; denn, wie irrthümlich auch unsere Vorstellungen über den bleibenden Werth des Gewonnenen gewesen sein mOgen, an der Thatsache, dass seit der Einfuhrung der peripheren, linearen Extraction alle klinischen Berichte eine erhebliche Verminderung der Wundeiterungen und eine Verbesserung der Gesanunt- resultate ergeben haben, lässt sich nicht rütteln. Waren, was wir zur Ehre unserer Fachgenossen annehmen wollen und dürfen, die statistischen Angaben richtig, so be- zeichneten sie einen bedeutenden Fortschritt der Operations« methode.

Worin aber eigentlich dieser Fortschritt bestanden, ob die sclerale Lage, die lineare Gestalt des Sclmittes und die breite Iridectomie, also alle drei Neuerungen, als Ursache der besseren Resultate anzusehen gewesen, ob man mit einem flachen, weniger peripheren Bogenschnitte, mit einer schmalen iridectomie oder sogar ohne Iridectomie ebenso weit, ob man nicht vielleicht mit Fortlassung einer der drei „Verbesserungen*' weiter gekommen wäre, darüber befinden wir uns in üngewissheit.

Man hat die klinischen Versuche nicht nach einem gemeinschaftlichen Plane angestellt, jeder ftlr sich variirte das Gegebene nach eigenem Ermessen: der Eine legte die Mitte des linearen Schnittes in die Cornea, der Andere behielt die sclerale Function und Contrapunction bei, ging aber zur Bogenform über, wieder ein Anderer wählte die

264 J- Jacobson sen.

durchsichtige Gomealgrenze zum Ein- und Ausstich, dann exscidirte man ein kleines Irisstttck nnd reponiite etwa Vorgefallenes, kurz eine Methode folgte der anderen, ond fOr keine erreichte die Zahl der Einzelbeobachtongen eine hinreichende Grösse, um eine von Nebenmnst&nden un- abhängige Begel aufstellen zu können.

Wenn ich nach eigenen Er&hrungen, die seit etwa 15 Jahren nur mit Graefe*s Linearschnitt gemacht sind, urtheilen soll, so steht derselbe hinter allen bisheiigen Yaiürungen nicht zurück; denn die günstigsten, mir be- kannt gewordenen Durchschnittsresultate anderer Opeza- teure haben die meinigen nicht übertroffen. Ich möchte deshalb gegen ein in letzter Zeit öfter laut gewordenes Yorurtheil, als spreche man wohl noch von der linearen Extraction, führe sie aber, weil man die Nachtheile des streng peripheren Schnittes begriffen habe, nicht mehr aas, Protest erheben und mich in diesem Proteste auch nicht durch die Behauptungen deijenigen, die von der grösseren Häufigkeit der sympathischen Ophthalmie nach der Linear- Extraction als von etwas Erwiesenem reden, beirren hissen, so lange als das objectum comparationis, nämlich die Häufigkeit sympathischer Ophthalmien nach verunglüoktai Comeal-Extractionen, noch fehlt.

Haben wir mithin allen Grund, mit den practischen Erfolgen unserer Bemühungen um die Verbesserung der alten' Extraction zuMeden zu sein, so «dürfen wir vom wissenschaftlichen Standpunkte aus bedauern, dass die Frage nach den Gründen für die Vorzüge der linearen Extraction unbeantwortet geblieben, und dass wir za keiner Gewissheit darüber gekonunen sind, ob durch ein weniger extremes Abweichen von dem alten, in mancher Beziehung sehr vollkommenen Verfahren gleich gute oder noch bessere Besultate zu erreichen gewesen wären.

Auch von der Zukunft haben wir die Beseitigong dieser Zweifel nicht zu erwarten. Seitdem wir wisseOi

Fr&paratoriäche Iridectomie u. antisept. Behandlung. 265

dass die Heilnngsverhältnisse der Wunden durch ein mehr weniger antdseptisches Verfahren, von dem wir zmn Stand- punkte der Unschuld nicht mehr zurückkehren werden, wesentlich umgestaltet worden, sind unsere Versuchs- bedingungen gar nicht mehr die alten; welches auch die Besultate unserer weiteren Bestrebungen sein werden, nie werden wir schliessen dürfen, dass sie auch für eine Zeit Gültigkeit gehabt hätten, in der die Hoffiiung auf ein YoUkonmien gefahrloses Operationsyer&hren aufgegeben werden musste, weil es doch einmal feststand, dass ein gewisser Procentsatz complicirter Wunden der Eiterung nothwendig verfallen sei

Eines aber konnten wir aus der jüngsten Vergangen- heit lernen: dass jede fernere Vervollkommnung der Operations-Methode, wenn wir unser Heil nicht dem Zufall überlassen wollen, davon abhängig ist, dass wir die einzelnen Theile des complicirten Mechanismus auf ihre Zweckmässigkeit untersuchen und an jeder uns plausibel erscheinenden Veränderung der Technik so lange festhalten, bis wir durch eine hinreichend grosse Zahl von Erfahrungen über ihren Werth oder Unwerth belehrt sein werden. Durch gleichzeitige Arbeit verschiedener Forscher konnte, wenn nur alle über die Versuchsmethode übereingekommen und streng nach derselben ohne eigne Zuthaten zu verfahren geneigt wären, über so manche seit Jahren schwebende Frage eine schnelle und sichere Ent- scheidung herbeigeführt werden.

Wenn wir das Ideal einer Extraction in der voll- kommenen Entfernung, des Staars und der Herstellung einer reinen Wunde erblicken, so muss zugegeben werden, dass die neueste Zeit, ohne das Problem ganz zu lösen, einige bemerkenswerthe Bestrebungen nach dieser Richtung hin aufzuweisen hat. Pagenstechefs Extraction in der Kapsel ist nur für einige Staarformen anwendbar, die Indication ftbr den individuellen Fall ist nicht immer

266 J- Jacobson sen.

sicher zu stellen, auch scheint, im Widerspruch mit den bisher bekannten Versuchen, die Gefahr der Infection durch das Klaffen der Wunde vergrössert. Durch Enapp's neueste Methode der Eapselspaltung habe ich, womit natürlich der positive Werth seiner Beobachtungen nicht verringert werden soll, das Einheilen von Eapselzipfeln in die Wunde nicht inmier verhindern können. Die Her- stellung eines ganz unblutigen Schnittes durfte noch am ehesten zu erreichen sein, wenn de Wecker^s letzter Lappenschnitt sich ohne Conjunctival-Lappen in genügender Grösse für einen leichten Linsendurchtritt herstellen liesse. Mit all diesen Verbesserungen haben wir, wie es scheint, einen glücklichen Griff gethan, das Versuchsstadiom aber noch nicht überschritten.

Nur eine Modification des alten Verfahrens, welche die Leiden der Kranken abkürzt und ihre Aussichten auf ein gutes Sehvermögen bessert, können wir jetzt schon als einen gesicherten Gewinn ansprechen, nämlich die sogenannte praeparatorische Iridectomie. Man hat ihren Werth durch die Behauptung, dass gewisse, ganz besonders vorzügliche Operationsverfahren auch die reine Extraction unreifer Cataracten ermöglichen, herabzusetzen gesucht. Dergleichen Beclamen, wenn sie auch stets einige Gläubige finden, sind nicht ernst zu neUtaaen. ThatsächUch steht fest, dass wir bis vor Kurzem halb Erblindete viele Monate, selbst einige Jahre auf fremde Hülfe angewiesen lassen mussten, während wir jetzt durch die Iridectomie in den Stand gesetzt sind, ihnen nach 3 Monaten eine gute Aussicht auf Sehvermögen zu er- öffnen. Hierin liegt der grosse, wenn auch nicht der ganze Werth der Operation.

Bekanntlich war Mooren der Erste, der nach bei- läufig von Graefe hingeworfenen Bemerkungen vorschlug, jeder Extraction eine Iridectomie voranzuschicken, um die Gefahren der Homhauteiterung zu vermindern. Von dem

IridectDMie o. andsept. Beh«iidhii|r. ^7

der Opention tof die Beschaffenheit einer un- rt-ifen Gttiact hatte nun damals keine Ahnung* Rrst spüer fibecBengte man sich, dass manche Cataracta inci« piens oder {»oTeetior nnmittelbar nach der Iridectomio rasch mr Reife rorschreite, nnd versuchte, diese Bivb- achtmig ftr gevisse, langsam «reifende Cataracten anstaut der UBZureriissigen nnd nicht ganz ge&hrk>sen Discisiou zu Tervertiien.

Eine Rrtlaning der Thatsache und gleichzeitig eine Enrciteniiig des Operationsver&hrens verdanken vir Foerster. Er hat uns gelehrt, dass es leicht geUni(i\ nach becadeter Udectomie durch Druck auf die Cornea mit einem Schielhaken die vordere Corticalis zwischen Kein und do* gesdilossenen Kapsel zu verschieben, zu zertrmnmem, vor AUem zu trüben, also die unreifo Cata- ract in eine schnell reifende zu verwandeln. Auf gleiche Weise glaubte er, dass die nach Abfluss des Kammer» Wassers beim YorrQcken entstehende Formverftndorung der Linse eine Lockerung des Zusammenhanges zwischen getrübten und ungetrübten Linsenfasern bewirke und so den Zerüdl der Gorticalschicht beschleunige.

Mit Foerster's Operation habe ich nicht viel Glück gehabt In einigen Fällen, namentlich bei alten Leuton, kam es zu einer stürmischen Quellung der Corticalis in der geschlossenen Kapsel, die Iris wurde stark nach vorn gedrftngt, es entwickelte sich Iritis mit multipler Syneclüe, es gelang nicht immer, den Pupillarrand durch Atropin frei zu machen, und erst nach einigen Wochen wurde das Auge unter Herstellung einer flachen, vorderen Kanmier entzündungsfrei. Als dauerndes Residuum blieb ausser der Verwachsung des Pupillarrandes eine Ver- dickung der vorderen Kapsel. Ich bezweifle kernen Augen- blick, dass diese üblen Zufälle nicht mit Nothwendigkeit der Methode anhaften, glaube vielmehr, dass der Vorwurf der Ungeschicklichkeit den Operirenden trifft, aber immer-

268 J* Jacobson sen.

hin wäre es misslich, wenn Viele eine längere üebongs- zeit am Lebenden dorchmachen müssten, ehe sie soweit kämen, fOr den individuellen Fall den angemessenen Drack zu finden.

Aach der rein mechanischen Lehre bin ich noch nidit in der Lage, mich nnbedigigt anzuschliessen. Wenn ich mir aach vorbehalten muss, anf die verschiedenen Formen der Linsentrübmig nach der Iridectomie später zorQekzn- kommen, so glaube ich doch, jetzt schon auf gewisse Folge- zustände, deren übrigens zum Theil auch Foerster er- wähnt, als auf nicht zufällige, sondern der Operation adhaerirende aufmerksam machen zu dürfen: 1) die Trü- bung der Katarakt kommt auch in tiefer Narcose zu Stande, wenn die Cornea einsinkt, also Ton einem erheblichen Yorrücken der Linse nicht die Rede sein kann, 2) eine deutliche Trübung wird weder bei der durchsichtigen Linse*), noch bei der Eataracta zonu- laris beobachtet, selbst, wenn zwischen der getrübten Schicht und der vorderen Kapsel Rindenstreifen vorhanden sind, 3) bei hinteren Polarstaaren hat die Iridectomie in der Regel nicht den gewünschten Erfolg, dag^en ist 4) eine schnelle Reifung nahezu gesichert, wenn nur eine dünne Corticalschicht zwischen der Katarakt und der vorderen Kapsel durchsichtig, oder die ganze vordere Bin- denschicht von getrennten Trfibungsstreifen durchsetzt ist

*) Nur in emem Falle (Qlancoma aimplex mit S = % imd yereinzelten Oorticalstreifen an der Peripherie) sah ich 24 Standen nach der Operation eine gtarke Eammerblatimg vollständig re- sorbirt, aber die der vorderen und hinteren Kapsel adh&rirende Corticalschieht so vollständig milchig getiübt (ohne Fasern und Sectoren), dass das Sehvermögen fast aufgehoben war. Der Zu- stand blieb mehrere Jahre bis zum Tode der Kranken unver- ändert Versuche, das Blut durch Druck zu entfernen, waren nicht gemacht worden, vielmehr wurde das Auge der starken Blu- tung wegen sofort geschlossen und unter Eis gehalten.

Fir&paratorische Iridectomie n. antisept Behandlung. 269

Ausser diesen yerschiedenen Beactionen der Linse gegen die Iridectomie zeigt sich auch ein verschiedenes Verhalten der Iris und des Corpus ciliare gegen die quel- lende Corticalis. Ich mochte letzteres, weil es nicht immer im Yerhftltniss zu dem Grade der Quellung zu stehen scheint, fdr abhftngig von dem Zustande der Iris und des Corpus ciliare ansehen. In seltenen Fällen nämlich ent- wickelt sich die Trübung kaum merklich und langsam fortschreitend ohne sichtbare Veränderungen in den Nach- bargebilden und an der Oberfläche des Auges, sehr viel häufiger zerfillt die Binde schon in den ersten 24 Stunden unter starker Schwellung in mehr weniger deutlich ge- zeichnete Sectoren. Dabei bleibt ausnahmsweise die Iris und das pericomeale Gefässsystem unverändert, Öfter ent- steht eine leichte, pericorneale Injection, etwas Trübung der Cornea und des Kammerwassers, diffuse Verfärbung der Iris mit Verlöthung des Pupillarrandes und starker Besistenz gegen Atropin; endlich sieht man von vorn- herein das Bild der acuten Iridochorioiditis (Schmerz und Hitzegefbhl im Auge, für den Tastsinn erhöhte Tempe- ratur, leichtes Oedem des oberen Augenlides, Injection und seröse Chemosis, starke Trübung des Eammerwassers mit mehr weniger blutig tingirten Niederschlägen auf dem Boden der vorderen Kammer, Verfärbung der Iris und Verwachsung des Pupillarrandes). In solchen Fällen kann ausnahmsweise eine geringe Verdickung der Kapsel mit einigen Synechien zurückbleiben«

Wenn ich trotz all diesen Zufällen als überzeugter Vertheidiger der präparatorischen Iridectomie auftrete, so muss ich selbstverständlich die Erfahrung gemacht haben, dass jede Beaction, wie lebhaft sie auch sein mag, bei einer wenig eingreifenden Behandlung (Atropin, laue und waime Umschläge) sich zurückbildet, und dass die nach- folgende Extraction gut verläuft. Letzteres bestätigen meine bisherigen Erfahrungen in überraschendem Maasse.

270 J* Jacobson sen.

Weniger günstigen Erfolgen anderer Operateure möchte ich nicht eher eine Bedentang beilegen, ehe ich weiss, ob man zwischen der Iridectomie nnd Eitraction geong Zeit hat vergehen lassen, und ob bei der Reinigung der Instrumente nach derselben oder einer gleich wirksamen Methode verfahren worden, wie diejenige ist, die weiter unten genau beschrieben werden soll.

Seit fast 6 Jahren habe ich eine Anzahl reifer nnd unreifer Katarakten k deux temps operirt Von den letzten 27» Jahren gebe ich genaue Zahlen, über die ersten 3 Jahre könnte ich aus unzuverlässig grfOhrten Journalen nur werthlose Angaben machen. Auf die letzten 27» Jahre fallen 54 Operationen, die Oesanuntzahl in 6 Jahren ver- anschlage ich sicher zu niedrig, wenn ich sie auf 100 taxire. Verloren gingen 2 Augen und zwar beide durch Infection, ein Verlust durch Iridocyclitis oder eine Seh- schärfe unter 7io ist nicht vorgekonunen, dagegen haben sich Sehscharfen ^7so und ^7so wesentlich vermehrt, was zu Gunsten der Unschädlichkeit eines grossen Coloboms nach oben fQr die centrale Sehschärfe angeführt wer- den mag.

Von den beiden unglficklichen Ausgängen wurde der erste bei einem stumpfsinnigen Greise beobachtet, der sid seiner Harthörigkeit wegen zur Verständigung und seiner mannigfachen, ungewöhnlichen Bedürfhisse wegen zu Dienstleistungen eine eigene Wärterin mitgebracht hatte: Das linke Auge war phthisisch, das rechte, kataraktl^se, litt an chronischer Blennorrhoe des Thränensacks und unheilbarem Ectropium senile palpebrae in- ferioris. Nachdem die Secretion soweit beseitigt war, dass sich unter einem in 24 Stunden nicht gelofteten Druckverbande kein Secret mehr ansammelte, wurde die Iridectomie ausgeführt. Verlauf normal. Drei Monat« später folgte die Extraction. Schon am Abende des Ope- rationstages ist der Conjunctival-Lappen über den Wand-

Präparatorische Iridectomie n. antisept. Behandlung. 271

rändern injicirt und geschwollen, in der Cornea nächst der Wnnde eine diffos graue Trübung sichtbar; im wei- teren Verlaufe bildet sich unter lauen Umschlägen mit zweiprocentiger Carbolsäure die Trübung des Lappens zu- rück, aber von der Wunde aus schiebt sich ein gelbliches Exsudat in das Colobom und schliesst allmälig die ganze Papille. Nach einem kaum vierzehntägigen, schmerzlosen Krankenlager verlässt der Patient auf sein dringendes Verlangen die Klinik mit massig ii\jicirtem Augapfel, klarer Cornea und humor aqueus, vollkommen geschlosse- ner Pupille und gutem Lichtschein ohne Zeichen von Phthisis bulbi. Er hat sich nicht wieder sehen lassen.

Der zweite Patient ist ein gesunder, sehr kräftiger Mann von etwa 40 Jahren, dem wegen einer Kataracta im* matura präpaiatorische Lidectomie gemacht war. Die Cor- ticalis war sofort in breitblättrige, stark* refiectirende, weisse Sectoren, die bis an die vordere Kapsel reichten, zerfallen. Nach drei Monaten war die Kataract vollkom- men reif, der gelbe Kern nur bei seitlicher Beleuchtung sichtbar. Prognosis optima. Die Operation verlief tadel- los, der Austritt der ganzen Linse durch einen breiten Linearschnitt erfolgte gleichzeitig, keine Spur von Corti- calis war in der glänzend schwarzen Pupille sichtbar. Gegen Abend klagte der Kranke über Schmerzen. Nach Abnahme des Verbandes zeigte sich das obere Lid Odematös, reichlicher Thränenfluss, der ganze Augapfel stark injicirt, Chemosis am unteren Comealrande, Cornea und Kammerwasser trübe, der Conjunctivallappen dick, gerunzelt, kurz das ausgesprochene Bild der Entzün- dung durch Wund-Infection. Am 3. Tage Ring-Abscess, in der vorderen Kammer Eiter, bald darauf Protrusio bulbi etc. Die Enucleatio wurde ausgeführt, sobald die Einwilligung des Kranken erreicht werden konnte. Bei genaueren Nachforschungen nach möglichen Ursachen der Infection stellte sieh Folgendes heraus: man hatte die

272 J* Jacobson sen."

für die Extraction angesetzte Stunde Tergessen and in der Eile (etwa 5 Minaten Torher) die In- strumente in schwache Garbolsfture gelegt So waren sie, kaum oberflächlich gereinigt, ohne mein Wissen von mir gebraucht worden. Ich bin der festen üeberzeugung, dass der unglückliche Ausgang der Operation nur durch unsaubere Instrumente hertwi- geführt worden ist. Bewiesen kann dergleichen nicfat werden. Vielleicht spricht die folgende, kurze Skixze f&r die Wahrscheinlichkeit meiner Üeberzeugung.

Frau V. W., 56 Jahre alt, wird in die Klinik wegen Glaucoma acutum oculi dextri, das seit 48 Stunden be- steht, aufgenommen. Am Tage nach der Aufnahme Irid- ectomie in tiefer Narcose. Kleines, bis an den Sderal* rand reichendes Golobom (wegen enger, vorderer Kanuner), keine Blutung. In den ersten Tagen fliesst der Humor aqueus mehrmals aus, dann schliesst sich die Wunde, im üebrigen ist der Verlauf der Heilung nach Wunsch, einige Synechien bleiben, weil ich damals noch den energischen Atropingebrauch fDrchtete, ungelöst, aber der Druck wird normal, S = 1. Während die Kranke noch das Bett hütet, erkrankt auch das linke Auge an acutem Ohiucom. Eserin, am folgenden Tage Iridectomie. Die Operation verlauft über alles Erwarten gut, keine Blutung, 60^ brei- tes, schwarzes Golobom mit divergirenden Schenkeln. Abends Schmerzen, an der Wunde die ersten Infections- zeichen, die, der damals üblichen Behandlungsweise trotzend, unaufhaltsam fortschreiten, die C!omea bleibt klar, aber von der Wunde aus wuchert eine gelbe Exsudatmasse in das Golobom und in die Pupille, bald zeigt sich Theil* nähme des Gorpus ciliare an der Schmerzhaftigkeit auf Druck, der Bulbus wird weich und eckig, die Gomea vas- cularisirt, keine Spur von quantitativer Lichtempfindung. Zur Enucleatio bulbi war die Kranke nicht zu bewegen. Sie stellte sich, als rechts schon Ophthalmia sjmpathica

Fräparatorische Iridectomie o. antisept. Behandlung. 273

ausgebrochen war und verlor trotz Enucleation und den energischsten, andauernden Behandlungsversuchen auch das wieder gewonnene, erste Auge. Endausgang: totale Er- blindung. Bei der Untersuchung des enucleirten Auges (Yossius) fand sich von der Wunde aus im ganzen pan- ophthalmitischen Auge eine Menge Mikrococcen. Als Ursache der Infection ergab sich Folgendes: Kurz vor dem Einstechen der Lanze war mir ihre etwas gebogene Spitze aufgefallen. Ich verlangte ein anderes Instrument. Da man aber nur eine Lanze in die Desinfectionsflüssigkeit eingelegt hatte, gab man mir schnell eine andere, ohne sie abzu- wischen, geschweige denn zu desinficiren, unmit- telbar aus einem Etui. Der Leser wird mir zugeben, dass das Zusammentreffen von Panophthalmitis nach gut gelungener Iridectomie mit den jedenfalls ungenügenden Massregeln zur Reinigung der Instrumente die Annahme einer causalen Beziehung sehr nahe legt.*)

Von allen mit präparatorischer Iridectomie operirten Augen ist also das eine durch Infection von emer unheil- bar secemirenden Conjunctiva resp. Thränensackschleim- haut, das andere an Infection durch ein schlecht gereinig- tes Instrument zu Grunde gegangen, w&hrend im üebrigen die Sehschärfen gestiegen, cyclitische Processe nicht vor- gekommen sind, ein Resultat, das ich mit keiner der bis dahin geübten Operationsmethoden erreicht hatte.

üeberblicke ich die Resultate einer dreissigjährigen, operativen Praxis, in der consistente Staarformen ab- gesehen von zwei Reclinationen nur durch Eitraction beseitigt worden sind, so fallen auf die ersten 10 Jahre

*) Aehnliche ünglücksföUe theilt unser College Georges Martin in der Gasette odd*hthalmologie 1884 No. 4 mit und kommt zn gleichen Schlüssen. Ich glaube, dass die sehr instmc- tiven Krankheitsgeschichten und Bemerkungen alle Beachtung verdienen.

T. Qraefe'B Archiv für Ophthalinologie, XXX 2. 18

274 J- Jacobson sen.

der alten, classischen Extraction ungefthr 10 Procent Ver- luste*). Nach einem Dutzend guter Erfolge stellte sich die Furcht vor der unerklärlichen und unvermeidlichen Suppuratio corneae ein, aber oft ging's noch eine Weile gut, bis mehrere Misserfolge kurz nach einander die gate Statistik verdarben (wahrscheinlich waren mehrere Opera- tionen mit einem und . demselben inficirten Instrumente ausgeführt worden). Im Jahre 1862 erstaunte ich nidit wenig, als ich unter 100 peripheren Lappen-Extractionen nur über 2 Suppurationen zu berichten hatte. Was ich damals von dem Scleralschnitte behauptete, dass er wenige leicht zur Eiterung disponire, als der comeale, habe id nach den heute gültigen Anschauungen dahin zu modifi- ciren, dass sclerale Wunden weniger leicht, als comeale, inficirt werden, eine Ansicht, der sich auch d^ enra- girteste Yertheidiger der Comealschnitte mit Rücksicht aof die Häufigkeit des Ulcus serpens anschliessen könnte. In der That giebt es doch keinen Theil des Auges, der dnrdi

*) Sauvage hat soeben (Recaeil d'ophthAlmologie 1884 p. 142: in einer sehr objectiven historlBchen Skizze die neueren YariadoDen der Extraction einer sachverständigen Kritik unterworfen, in der er sich denjenigen zuneigt, die von dem linearen Schnitt und der Iridectomie zur alten, klassischen, französischen Extraction zutck* kehren wollen. Ich nehme keinen Anstand za erklären, dass die Sache des Versuches werth sei*, denn an Vollkommenheit dergän- stigen Resultate übertrifft DavieFs Methode unzweifelhaft tue anderen. Vergessen aber darf nicht werden, was alle Autorca übereinstimmend historisch festgestellt haben, dass damals die Extraction eine verhältmssmässig grosse Zahl Opfer forderte. Die periphere (lineare) Extraction hat ihre Aufgabe, die Zahl dieser Opfer einzuschränken, erfüllt und DaviePs glSozende Srfindiiiig mit Becht verdrfingt. Sollte sich herausstellen, dass bei der jetst üblichen, sogenannten antiseptischen Behandlung der alte Bingen- schnitt ohne Iridectomie seine Gefahren verliert, so würde man unzweifelhaft zu ihm zurückkehren müssen. Ihn mit den firttheren Anschauungen über Reinigung der Instrumente, Verbinde, Nach- behandlnng etc. aufzunehmen, wäre ein Anachronismus, denn in dieser (Gesellschaft ist er hiBtorisch gerichtet und durch bessere Methoden verdrängt worden.

Frftparatonsche Iridectomie n. antisept. Behandlung. 275

die Milcroorganismeii des Thiänensackeitera so leicht und delet&r afficirt wfirde, als die Cornea! Seit der fiinfüli- rang des peripheren Lappens, von dem ich dann zu Graefe*s peripherem Linearschnitte überging, schwankte die Zahl der Verluste zwischen 3 und 5 Procent. Selbst zu den Besultaten Gayet's, der auf dem Pariser Gon- gresse glücklicheren Operateuren gegenüber bescheiden ge- steht: ,Je n'ai jamais opä:^ plus de 53 cas sans avoir un aooident grave'S habe ich*s nicht gebracht; zwischen 30 and 40 pflegte in den glücklichsten Perioden der ominöse Fall zu li^en» der alle Illusionen über die Yortreflflichkeit irgend einer neuen Modification begrub. Seit 2 Jahren ist es anders geworden. Unter 137 Extractionen'^) jeder Art, complicirt und nicht complicirt, hat es keine Suppuration, keine Phthisis mehr gegeben, und die Zahl der guten Sehschärfen hat sich er- heblich yermehrt Handelte es sich nicht nur um ein Spiel des Zufalles, was ja auch bei der Zahl 137 noch leicht sein kann, so war es für mich nicht schwer, die Ursache zu finden; denn im Wesentlichen hatte ich mein altes Verfahren beibehalten und, wie sich zeigen wird, nur zwei Modificationen eingeführt.

Schon seit der Eröffiiung unserer Universitätsklinik im Mai 1877 habe ich, wie aus meinem Bericht hervor- geht, nicht nur für die Operationen, sondern fQr alle Waschungen des Auges das gewöhnliche Wasser durch ein- bis zweiprocentige Carbolsäure, für den Verband die Charpie durch Verbandwatte ersetzt. Mag man den In- fecüons-Theorien noch so abhold sein, es bleibt unerklär- lich, warum Einer und der Andere, der grosser Sauberkeit das Wort redet, doch das Wasser den sogenannten des- inficirenden Flüssigkeiten vorziehen kann; denn so viel

*) Dabei sind die Extractionen mit pr&paratorischer Iridecto- mie nicht mitgezählt Im Ganzen werden in der Klinik im Jahre durchschnittlich 100 Extractionen gemacht

18*

97t; J. JacüMB

itl. rt'iii^sf Wa*»«?!:. alb r^ne TM>gTiii*<re3imi iftrimä^jü ja, sroBb^ Qiiaiiin^i>3[i ubc zu i*^qss Iist: tenii zk kihBL

Ae ien raijreidiai PariLjfilTfirBiiäiiÄ ani 0*91^11 dff£LSidr*!iiiai Sift>5iKL2?ii fciit^ ick

d^ Fragen nicli Th^ ^^mmnossL Zu «er Csteisiiirt ist 5^ Tier:«r:»oei:tirt B:»rsLiire ea des gEiwwft P?t

S-i^yrriat-LOsTiiig^ bcaÜsl Badti>sais a dk Sldk 4er Odr.oitJkTii*: tr^t^n. Auf äk AnsvsLI «ator fiesn Sab- fc-tauKaa s'-b-iLi nur Tc.rlÄ-iiös actck m Tki Werck z^ ^sßan. nam^tlii-h T^ü-ait der SjJirrhvAoBi g*'??ntL:*er gewiss die ^»enniffiäire Anirasapg mckt, & ihm ferit d^m Loüivntr C->sgi«ss waaigcr dmth Hormer selbst, als dorch dnizt* «sLiriiäasösdie XacM>Her za UmO g^evord^iL Ein Blick aof 'üe expeiizDetttelkm Bfsihatf ober die WiilLsamktit d^r DesiLfeci^:« Idat «as sofen, wk wenig dit^selbea ToriI;;fg mit den aLtigüchfiL Ifacra- peatis'rbeii Erfahnnigen in E'nUan? za bängCB snid. Ich glaabe, dass ein^f rollsi^ü^e üimI daiienide Desofisctian des Auges seiner I^e und demer Naehbaracfaaft vegen auf kein% Weii^e zo erzirlen ist and dass es geiitgt. wenn wir Tor der Operaüon mit einer der gd»riiidiIklMB Lo- sungen die Ao^enLder nnd den ConjnneliTalsack gehörig auswaschen, während derselben die Oberfliche des Anges und besonders die Wnnde selbst bespQloL Der Beweis für die Snperiorität eines dieser ICttd ist nodi zu er* bringen: vorläufig schänen mit allen annähernd gledi gute Besultate erzielt worden zu sein.

Anders aber steht es mit der Reinigung der In- strumente, und das ist der Punkt« in dem icfa mm bisheriges Verfahren seit 2 Jahren modificirt habe, d^n ich meine Erfolge zusdureibe. Idi glaube, dass es hier

Fiäpantorüche Iridectoniie v. aatisept BehaDdlmig. 277

viel auf ein Mehr oder Weniger und anch viel auf die Art und Weise ankommt Eine Stande vor dem Beginn der Operation liegen meine Instmmente in zweiprooentiger Carbolsäure, etwa ö Minuten vor der Operation werden diejenigen, die in*s Innere des Auges eingeführt werden, mit absolutem Alkohol gehörig abgewaschen, dann abge- trocknet und wieder in zweiprocentige Carbolsfture gelegt Ans dieser nehme ich sie nass heraus und fbhre sie, ohne weiter m trocknen oder abzuwischen, in's Auge. Dass ich unter ca. 200 Augen keines verloren habe, bei dem diese Vorsichtsmassr^l beobachtet worden ist, dass die Sup- puratio post extractionem sich auf Falle beschränkt hat, in dem man diese Vorsicht versäumt hat, war bestimmend fOr die Publication meiues Yerffthrens, das keineswegs Anspruch auf Neuheit macht, sondern nur auf den Werth von schon Bekanntem aufmerksam machen solL

Um in Eflrze die Schutzmassregeln, durch die wir die Eiterung der Extracüonswunden zu verhindern hoffen, zu- sammenzufassen, es sind ausser der oben beschriebenen Reinigung der Instrumente folgende: Das firisch bezogene Bett des Kranken und seine Umgebung wird kurz vor der Operation unter Carbol-Spray gesetzt, dem durch ein Bad gerein^ten Kranken wird zwei Tage vor der Opera- tion das Auge 24 Stunden lang verbunden, um zu sehen, ob sich Secret unter den geschlossenen Lidern ansammelt, Tags vorher werden der Conjunctivalsack, die Lider und die benachbarte Haut fleissig mit vieiprocentiger Borsäure gewaschen, eben so am Morgen des Operationstages: eine Stunde vor der Operation wird ein in Borsäure getauchtes Stuck Verbandwatte aufs Auge gelegt und bleibt so bis zur Operation liegen, Operateur, Assistenten, Warte- personal reinigen sich in der bekannten, von den Chirur- gen übernommenen Art und Weise. Bei der Operation wird weder Leinenzeug, noch ein Schwamm, sondern nur in Borsäure liegende Yerbandwatte gebraucht; mit ihr wird

278 «I- Jacobson sen.

zwischen den einzelnen Operationsacten die Oberfläche des Auges and besonders die Wundgegend bespült, werden Coagula, soweit nicht die Mspincette helfen muss, ent- fernt Die Operation unter Spray auszuführen, habe ich keine Veranlassung gehabt.*) Nach Beendigung der Ope- ration wird auf die Wunde ihrer ganzen Breite nach Jodoform aufgestreut Ob dasselbe eine desinficirende Wirkung hat, wird bezweifelt, aber dass es ohne Nach- theil für die Wunde dieselbe verklebt und also gegen das Eindringen schädlicher Substanzen ab- schliessen kann, davon wird sich bei einiger Auf- merksamkeit auf die Wundheilung jeder leicht überzeugen.**) Der Verband wird früh nur gelüftet, wenn die Beschwerden des Kranken auf eine Ansammlung von Thrftnen hinweisen, um diese abfliessen zu lassen, sonst nach 24 Stunden zum ersten Mal gewechselt (Spray scheint überflüssig), erst nach 3 Tagen wird das Auge genau untersucht Die Wunde zu offnen habe ich im letzten Jahre keinen Orund gehabt Die Nachbehandlung besteht bei nicht zu alten, nicht zu decrepiden Leuten im Auflegen eines Eisbeutels auf den durchnässten Ver- band, — gegen iritische Erscheinungen hat mir Atropin und laue Umschläge gute Dienste geleistet, bei sdir reichlicher, plastischer Exsudation würde ich nach früheren

*) Nor bei der Enndeatioii wende ich nach der Abllta^ der Muskeln bis zum Ende des Yerbandes den Carbolspray an. Seitdem habe ich keine meningitischen Erscheinungen mehr ge- sehen.

**) Galezowski erwartet einen guten Yerscbliiss tob ätet Iris und wendet sich deshalb von der Iridectomie ab» ,L*iris, laiss^ sur place, double les bords de la plaie et emp^e r^yacuatton de i*hnmeur aqueuse, par soite la coaptation de la plaie se fait plus facilement et les acddents inflammatoires sont 6Tit6& * (Recueil 1883 p. 100.) Wenn nur die Mittheilangen über den Ah- fluss des Humor aqueos nach der Eztraction nicht aus einer Zeit stammten, in der es noch keinem Operateur eingefallen war, die Irii sn ezeidirenl (cfr. Arlt o. A.)

Fiäparatoiüche Iridectomie u. antisept. Behandlung. 279

£i£fthn]i^en auf Galomel und Immctionen nicht verzichten wollen.

Auf neaere Operationsmethoden einzugehen^ habe ich onterlaBsen. Mit theoretischen Einwänden und Empfeh- lungen ist wenig genutzt, die Entscheidung liegt schliess- lich doch allein in einer grossen Zahl vorurtheilslos ge- prüfter Besultate, und der Einzelne kann zufrieden sein, wenn er wenigstens das zur Beurtheilung einer Methode nöthige Material sanmieln kann. Meiner Meinung nach ist für alle Extractions-Verfahren bis zum Davierschen zurück von Neuem festzustellen, was dieselben unter den nöthigen, antiseptischen Gautelen leisten. Für die peri- phere Linear-Extraction sollen meine Zahlen einen Beitrag liefern, dessen Nachprüfung an einem viel grösseren Ma- terial erst entscheiden würde, ob endlich das Ziel einer gefahrlosen Operationsmethode erreicht sei.

Nur über einen vielfach discutirten Punkt glaube ich aus eigenem Material allein eine Entscheidung herbeiführen zu können, nämlich über die Zulässigkeit des Chloroforms. Seit 22 Jahren wird von mir jede Operation, wenn nicht etwa der Kranke Widerspruch erhebt, unter Chloroform ausgefohrt; ich bleibe weit hinter der wirklichen Höhe der Zahl zurück, wenn ich die Gesammtmenge der Ope- rationen auf 15,000, die der Extractionen auf 1500 schätze. Wenn unter einer solchen, über einen langen Zeitraum vertheilten Fülle von Narcosen kein von ihnen abhängiger Todesfall, kein nachtheiliger Einfluss auf den Verlauf der Wundheilung zur Beobachtung gekonmien ist, so dürfte durch Thatsachen endlich gegnerischen, theoretischen De- clamationen der Boden entzogen sein. Einwände, die etwa chirurgischen Erfahrungen entnommen wären, Hessen sich leicht durch den Hinweis darauf widerlegen, dass die Oph- thabnologen es inuner nur mit Operationen von sehr kur- zer Dauer an meist gesunden Menschen und niemals nach- träglich mit langen Krankenlagern, Wundeiterungen u. dgl.

280 J* JiM»b0oii sen.

zu thiin Imben. Einzig und allein der plötzliche Collaps und Tod nach kleinen Dosen könnte, wenn er nicht so sehr selten wäre, nnseren Oegnem eine Waffe in die Hand geben, gegen die wir nns allerdings widerstandslos er- geben mOssten.

Wenn wir, abweichend von firOheren Discossionen desselben Gegenstandes, die eigentliche Operationstechnik in den Hintergmnd gestellt und den Schwerpunkt der Frage vorläufig auf ein anderes Gebiet verlegt haben, so befinden wir nns in einem scheinbaren Widerspruche mit unserer eigenen Empfehlung der praeparatorischen Irideo- tomie und das um so mehr, als sich in der Statistik unserer in einer Sitzung ausgeführten Extractionen nicht eine einzige Wundeiterung verzeichnet findet

Der Widerspruch ist sofort gehoben, wenn wir nns daran erinnern, dass ein Nutzen der Iridectomie, nämlich die Beschleunigung der Cataractreife, die wahrlich für viele Kranke nicht gering anzuschlagen ist, in die Zeit vor der Operation fällt. Damit aber sind die Vorzüge dieser nach so vielen Richtungen wirksamen Operation nicht erschöpft. Ich glaube vielmehr nach Allem, was ich bisher erfahren habe, dass die Wundheilung in prae- paratorisch iridectomirten Augen leichter verläuft, dass Iritiden seltener sind und nie einen hohen Grad erreichen, dass deshalb die Kapsel durchschnittlich klarer bleibt.

Diese günstigen Erscheinungen würden sich leicht erklären, wenn man zugäbe, dass bei der alten Methode die Einklemmung kleiner Iristrümmer oder des peripheren Irissaumes in die Wunde, auch wenn man die Sphincter- ecken noch so gut reponirte, nicht sicher zu vermeiden ist, dass Blutungen während und nach der Iridectomie nicht gar zu selten, und dass Blut-Coagula in der Wunde uud im Pupillargebiete, wenn auch nicht grade gefährlich, 80 doch keineswegs willkommen sind, dass endlich der Linsendurchtritt für sich allein eine geringere Wund«*

Präparatoriflche Iridectomie n. antisept. Behandlang. 281

reiznng setzt, als der Linsendurchtritt und das Aas- präpariren der prolabirten Iris ans der Tiefe des Wond- kanales zosammen. *)

Damit würden wir die Zerlegung der Operation in zwei Theile voransgesetzt, dass man die völlige Beiz- losigkeit der ersten Narbe abwartet nnd nicht früher, als drei Monate nach der Iridectomie extrahirt, als ein willkommenes Mittel ansehen, nm reinere nnd voUkomnmer schliessende Wunden zu schaffen, Blntcoagula in der Wunde und im Pupillargebiete möglichst zu vermeiden und die an den Wundrändem der Iris unvermeidliche Beaction, sowie Beizungen durch zurückbleibende, minimale Irisfetzen herabzusetzen oder zu eUminiren, und könnten die Erklärung für die Vorzüge, welche das jetzige Ex- tractionsverfahren vor den bisherigen nach einer nicht zu kleinen Zahl von Er&hrungen zu haben scheint, dahin zusanunenfassen:

„Die praeparatorische Iridectomie verkürzt die Zeit der fortschreitenden Erblindung vor der Staarreife, erleichtert die eigentliche Extraction und vermmdert das Trauma direct dadurch, dass sie den vielleicht emgreifendsten Act der Operation

*) Nur in diesem Sinn, glaube ich, kann man mit Recht davon sprechen, dass eine vorangeschickte Iridectomie gewissen Wandentzündungen vorbeugt Galezowski als Gegner der mit Iridectomie verbundenen Extraction beruft sich auf Eiterungen nach prftparatorischen Iridectomien: „il a observ^ deux cas riridectomie avait pr6-atablement 6t6 pratiqu6e un ou denx ans avant Textraction du cristallin et malgr6 cette pr6caution il a eu nne panophthalmite. G'ötait ponr Ini la meilleure des preuves que riridectomie ne pr^venait en rien les accidents inflammatoires/* (Recneil 1883, p. 106.) Wer die Panophthalmitis nach der Ex- traction als Folge einer septischen Wundinfection auffasst, wird aus diesem Znsammentreffen ein Argument gegen die Iridectomie nicht herleiten können. Gegen ein schmutziges Messer, einen unreinen Schwamm u. dgl. haben wir von der Iridectomie keinen Schutz zu erwarten.

282 J* Jacobson sen.

vorher absolvirt, indirect dadurch, dass sie eine reinere, weniger klaffende Wunde setzt and Ent- zündungen durch Irisreste und Blutooagula vor- beugt, -—

die sorgfältige Beinigung der Instrumente mit Aloohol absolutus und Garbolsäure, der Ersatz des Wassers durch desinficirende Flflssigkeiten, der Gharpie und Schwämme durch Yerbandwatte in Verbindung mit den allgemein bekannten, chirurgischen Cautelen verhindert eine Infection der Wunde so weit, als es bei der eigenthümlichen Lage des Auges und seiner Nachbarschaft vor- läufig möglich ist,

das Jodoform verklebt die Wandränder, hemmt das Eindringen fremder Körper und verhindert den Abfluss des Humor aqueus." Mögen alle diese Aufgaben, noch ehe unsere kleine Abhandlung in die Oeffenüichkeit tritt, von unserer auf chirurgischem Gebiete so eminent productiven Zeit voll- ständiger und besser gelöst werden, immerhin wird der üebertragui^ moderner, chirui^ischer Prindpien auf opb- thalmologisches Gebiet in Verbindung mit der praepara- torischen Iridectomie als einem wichtigen Fortschritte in der Extractionslehre die gebührende Anerkennung nicht versagt werden.

Antwort anf Dr. L. de Wecker's „Entgegnung".

Von Prof. A. V. Hippel.

Im XXX. Bd. Abth. I. pag. 259 u. £. dieses Archiv's hat de Wecker eine „Entgegnung'* auf meine Arbeit über die Jeqoirity-Ophthalmie veröffentlicht mit der Motivirung, ,,das8 sich irrthttmliche Anschauungen, wie solche sich in der Mittheilung des Prof. v. Hippel Torfinden, nicht unangefochten verbreiten" sollen. Ich werde mich dar- auf beschränken kurz zu untersuchen, in wieweit es de Wecker gelungen ist mir solche nachzuweisen.

Was zunächst die Mittheilung anlangt, dass de Wecker „seine Anschauungen auf ein sehr bedeutendes Material stütze, da im verflossenen Jahr mehr denn 500 Patienten der Jequirity-Behandlung unterzogen wurden*', so wird dieselbe gewiss Jedem sehr erfreulich sein, der sich für die vorliegende Frage interessirt, um so mehr, als die ersten 3 Publicationen de Wecker* s diese gesicherte Basis empfindlich vermissen Hessen. Sie mag auch dies- mal den „Ton der Bestimmtheit** entschuldigen, der früher übel angebracht, jetzt doch wenigstens eine Erklärung findet, wenn ich ihm gegenüber umfangreichen Erfahrungen anderer Autoren eine Berechtigung auch nicht gerade zu- gestehen kann.

284 Prof. A. V. Hippel

Jetzt zu meinen ,,irrthümliohen Anschauungen''!

„Jeder wird sich überzeugen können, dass

die Behauptung, dass mit der Stärke der Infusion die Intensität der Wirkung zunimmt, ein unumstössliches Factum ist/' Eben dasselbe steht in meiner Arbeit p. 239, nur mit der Einschränkung, dass die Wirkung sich nicht ad infinitum mit der Concentration steigert, sondern Ton einer ?erhältnissmässig niedrigen Grenze ab sich gleich bleibt oder sogar verringert Wenn de Wecker diese Ansicht „staunenswerth in dem Munde eines Gollegen fin- det, der an die chemische Wirkung des Mittels glaubt^ so wird dieses „Staunen" kaum von Jemandem getheilt werden, der einmal in seinem Leben von einer gesättigten Losung gehört hat. Haben wir uns eine solche hergestellt, so wird ein weiterer Zusatz von Jequirity natürlich keine stärkeren Effecte geben können, denn das Wasser vermag eben nichts mehr von dem wirksamen Stoff aufzunehmen. Warum eine lOprocentige Maceration schwächer wiikt als eine 5procentige, dafOr kann ich auch heute noch keine befriedigende Erklärung geben, von der Richtigkeit der Thatsache wird sich aber Jeder leicht überzeugen, der einige Versuche an Kaninchen darüber anstellen wül.

Mit viel grösserem Becht als de Wecker könnte ich es „staunenswerth" finden, das ein Anhänger der Bacillen- theorie auf die Concentration der Maceration einen beson- deren Werth legt. In Iprocentigen wie in öprocentigen Lösungen entwickeln sich Legionen von Stäbchen, wir müssten also durch die eine wie durch die andere gleich intensive Entzündungen hervorrufen* können, wenn jene überhaupt die Träger der charakteristischen Ophthalmie wären.

Durch Anführung unvollständiger, den Sinn des Satzes nicht wiedergebender Citate versucht de Wecker mir einen weiteren ,4rrigen Schluss" nachzuweisen und Wider- sprüche in meiner Arbeit zu construiren, die thatsäcblicb

Antwort auf Dr. L. de Wecker's «Entgegnung/' 285

nicht vorhanden sind. Wenn ich p. 243 sage: ,je hy- perämischer und aufgelockerter die Schleimhaut ist, um so intensiver reagirt sie", und de Wecker hieran die Frage knüpft, „ob der geschätzte College hinreichend den Jequirity angewendet, um zu einem solchen Schluss zu kommen'*, so hätte er sich dieselbe ersparen können, wenn er nicht den zweiten Theil meines Satzes willkürlich unter- drückt, der also lautet: „Je mehr sie sich im Stadium der narbigen Schrumpfung befindet, um so weniger ent- wickelt sich das charakteristische Bild der Jequirity- Ophthalmie".

Gegen die Richtigkeit des ganzen Satzes wird schwerlich sonst Jemand einen Einwand erheben, der bei Granulationen vom Jequirity Gebrauch gemacht hat und mit ihm befindet sich auch das zweite Citat aus meiner Arbeit keineswegs im Widerspruch, wie Jeder leicht sehen kann, der sich die Mühe nimmt, pag. 246 zu lesen. Warum de Wecker es für nOthig gehalten, den Inhalt desselben lediglich mit anderen Worten als seine Ansicht in eine an meine Adresse gerichtete „Entgegnung'* auf- zunehmen, ist mir nicht verständlich, da dne Differenz der Meinungen in diesem Punkt zwischen uns gar nicht besteht. Dass eine normale Conjunctiva auf Jequirity noch intensiver reagirt, als eine hyperämische geschwellte, ist mir aus meinen Thierversuchen zur Genüge bekannt; ausser de Wecker dürften sich indessen nicht viele Ophthalmologen finden, die geneigt wären, am mensch- lichen Auge bei normaler Bindehaut das neue Mittel anzuwenden.

Höchst ungerechtfertigt ist der Vorwurf, dass ich und andere Collegen, wie Deneffe, Oslo, Vossius in ungeeigneten Fällen vom Jequirity Gebrauch gemacht hätten. Wer wusste vor IV» Jahren, welche Formen des Trachoms für die Jequiritytherapie passten? de Wecker selbst am wenigsten, wie aus seinen 2 ersten Arbeiten

286 IfnL A. T. H^^peL

zur Genfige henrorgebt Was blieb änem gewissenhafien Beobachter also übrig als eigeoe Er&faniiigen za gammln, die selbstrerständlich nicht in alioi bdiandelten FiUea immer hoch erfireuliche seht konnten. Jetzt weiss Jeder, der mit dem»nenen Mittel unfimgrckhere klinische Ver- suche angestellt hat, wo es mit Yortheil ai^wandt werden kann, wo es wirkungslos Ideibt oder gar schadet ond wenn de Wecker sich endlich aodi in dieser glöcUicheD Situation befindet, so wird & dazu trotz seines ,,besoiideren Jequirity-Assisteuten*" gleichUls nicht ohne gelegentlichen Missgriff gelangt sein.

Auf eine nochmalige Kritik des Ausdrucks „ns6bß Heilung'' mich einzulassen, erscheint mir nach der klassiBcben Interpretation, weldie de Wecker salbst demselben pag. 264 giebt, völlig flberflossig. Einen schlagenderen Beweis filr die Berechtigung meiner Be- hauptung, dass er „dem Sinn seiner eigenen Worte Ge- walt anthue, um die Form zu rettm'', hatte ich selbst nicht erbringen können.

Aach bezüglich seiner These: „ohne allen Zweifel l&uft die Cornea keinerlei 6e&hr währ^id des Bestehens der Ophthalmia jequiritica'' verfährt de Wecker nicht anders. In seiner letzten Arbdt heisst es pag. 265: ,^ der That existirt bei wirklichen Granuhttionen und Pannus diese Gefahr in keinerlei Weise, nicht nur, wie mich V. Hippel sagen lassen will, „weil ich nie eine Perforatioo constatirf Wovon handelt es sich bei der Aufistellung meiner dritten Behauptung? von den GefiEÜiren, wdche Granulöse bei Anwendung der Jequiritj-OphUlalmie in Bezug auf ihre Cornea laufen.'' Hierauf habe ich Folgendes zu erwidern: Nicht ich „lasse de Wecker sagen*', dass er nie eine Perforation constatirt, sondern er selbst braucht diese Worte in den Klin. Monatsbl. t Ai^enh, Bd. XXI, pag. 263; nicht allein von der pannösen Cornea ist in seiner These die Bede, sondern ganz allgemein vou

Antwort auf Dr. L. de Wecker*8 «Bntgegnung " 287

der HoraluHit: ,Jch habe in zahlreichen Fallen von ein- &clien ülcerationen der Hornhaat bei vollständig normaler ConjoDctiTa ebenso wie bei ausgebreiteten pannösen ülce- ration^ von Granulösen Jequirityophthalmie erzeugt und stets eine aasgezeichnet vortheilhafte Wirkung auf die Cornea beobachtet, nie eine Perforation constatirt*'.'^) Gegen die AUgemeinheit der These richtete sich, wie aus meiner Arbeit ersichtlich, meine Opposition; diese halte ich auch heute aufrecht und bin überzeugt, darin auf die Zu- stimmung der Mehrzahl meiner Faohgenossen rechnen zu können, trotz der Behauptung de Wecker*s, dass man bei intacter Cornea oder ulcerOser Keratitis nichts zu be- fürchten habe, „sobald man nicht die künstliche Oph- thalmie in unpassender Weise auf die Spitze treibt.**

Auf den Streit über die infectiöse Natur der Jequirity- Ophthabnie in dieser „Antwort" näher einzugehen, kann ich um so eher unterlassen, als meine Auffassung der Fri^e inzwischen durch die Arbeiten von Neisser, Sa- lomonsen und Klein eine wesentliche Stütze gefunden hat. Ich behalte mir vor, auf diesen Punkt ausftlhrlichor zurückzukonmien und inzwischen gesammeltes neues Bo- Weismaterial beizubrii^en, sobald die angekündigte Ent- gegnung Sattler*s erschienen sein wird. Bezüglich dos „Incubationsstadiums*' möchte ich nur die irrige Ansicht de Wecker's zurückweisen, dass durch Pinselung der Conjunctiva mit einer Iprocentigen Lösung reiner Gar- bolsäure eine Stunden lang anhaltende Iqection hervor- gerufen werden könne und dem geehrten CoUegen den Rath ertheilen, erst selbst einmal einen darauf bezüglichen Versuch anzustellen, ehe er mir mangelhafte Beobachtung zum Vorwurf macht.

Was endlich den Satz anlangt, in welchem ich die Kritik der 4 ersten Arbeiten de Wecker's über Jequirity

♦) 1. c

288 Prof. A. V. Hippel

(um diese allein handelt es sich) zasammenÜASse, so muss ich trotz der „Entgegnung" die Berechtigung desselben toII und ganz aufrecht erhalten. Das Verdienst deWecker's, den Jequirity zuerst in Europa in die Praxis eingeführt zu haben, ist Ton mir stets anerkannt worden; meine Oppo- sition richtete sich gegen die überstürzten, zahlräche Widersprüche enthaltenden Publicationen, denen die rich- tige Basis: sorgfältige, durch längere Zeit fortgesetzte, Inritisch gesichtete, klinische Beobachtungen fehlte und war daher durchaus berechtigt.

Giessen, 14. Juni 1884.

Berichtigungen.

In der Arbeit von Dr. Kolbe in Petersburg (dieses Heft pag. 1—68) sind nachfolgende Feliler zu berichtigen:

Pag. 8, Zeile 11 v. o. muss es anstatt

, . / ♦, 100 -n\ ^, h* = ^n H g j pCt.

richtig heissen:

h. = (n-+-(100 n).h.) pCt.

Pag. 15, Zeile 12 v. u. anstatt „feinsten" muss es beisaen reinsten.

Pag. 36, Zeile 6 v. n. anstatt «des Componenten ' muss es heissen]: des Kegelstompfes.

Draok von W. Büxenatoln In Berlin.

r-a^/t 's ArcJiio Ba.. ÄXÄ, 2.

Taf.l

|iMj|ii.!iiHiiiiimuiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiillii

«/-» »0 . r\ 9

cSlfJ^ %J,x;UXn/^ ^'^l OjA^.^i 0^ k

f .>- ^rch^i^ ^

Airc/eiri. mit

^^ 3^ JfS

YA rr S

Taf.Ji.

Fig. 3.

Fig. 1-

J4

V. 3rw^e 's Arc?Uz> BcZ. Ji

>'9

660 630 6W 63i

*t6C «7Ö *t6o 4Sö 4^ ^30 Mo